Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich das Hohe Haus daran erinnern, daß heute vor acht Jahren, am 23. Mai des Jahres 1949, das Grundgesetz ausgefertigt und von den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates unterzeichnet worden ist.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 10. Mai 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 119. Sitzung eine Zusammenstellung der unerledigten Forderungen des Bundes an die Länder übersandt, die als Drucksache 3519 verteilt wird.
Ich rufe auf den
Einzelplan 09: Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Zu diesem Einzelplan liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor, die ich nachher verlesen werde.
Was die Unterlagen zu diesem Einzelplan anbetrifft, so verweise ich Sie auf die Drucksache 3458, den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses, auf die Drucksache 3458 und auf den Schriftlichen Bericht zu Drucksache 3458*).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Ohlig.
*) Siehe Anlage 2
— Herr Abgeordneter Ohlig verzichtet auf die mündliche Erstattung ides Berichts. Sie haben den Schriftlichen Bericht ja vorliegen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache zum Einzelplan 09. — Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen u:nd Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in den letzten Monaten, insbesondere seit Ende vergangenen Jahres, seinen Wahlkampf gegen die SPD gestartet und dabei auch sehr prononciert zu bestimmten wirtschaftspolitischen Problemen Stellung genommen, die es nötig machen, daß wir uns im einzelnen heute einmal damit beschäftigen.
Seit Anfang März dieses Jahres hat sich der Herr Bundeswirtschaftsminister besonders temperamentvoll zur Frage der Preise geäußert und in diesem Zusammenhang wirksame Zollsenkungen angekündigt und sogar auch „brutale Maßnahmen", wie er sich ausgedrückt hat, in Aussicht gestellt. Da diese Bundesregierung in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht hat, daß sie sich mit differenzierten Zollsenkungen unentwirrbar im Gestrüpp der Auseinandersetzungen mißt den Interessengruppen verwickelt, hafte der Bundeswirtschaftsminister meiner Ansicht nach mit Recht von einer linearen Zollsenkung gesprochen. Nun wartet die Öffentlichkeit seit über zwei Monaten auf eine wirkliche, wirksame Aktion. Es stellt sich immer mehr heraus, daß es die CDU/CSU-Fraktion ihrem Bundeswirtschaftsminister einfach nicht gestattet, hier wirksame Aktionen zu starten, obwohl der Bundeswirtschaftsminister in einer der letzten Sitzungen des Wirtschaftsausschusses eindeutig erklärt hat, daß •frühere Zollsenkungen zu Einfuhrsteigerungen bei den betreffenden Warengattungen geführt haben.
— Bitte, da setzen Sie sich nachher mit dem Bund eswirtschaftsministerauseinander.
In den heutigen und schon in einigen gestrigen Ausgaben der Zeitungen lesen wir, daß nunmehr lediglich eine Zollermächtigung vorgesehen ist, aber auch nur so, idaß sie vor den Wahlen praktisch überhaupt nicht mehr wirksam werden kann. Es soll also vor den Wahlen überhaupt keine Zollsenkung mehr geben. Auch wir wissen, daß sich das Preisklima zumindest im Augenblick etwas abgekühlt hat. Aber wie lange wird das dauern, insbesondere angesichts der Tatsache, daß zum mindesten nach dem Stand der Haushaltsberatungen in den nächsten Monaten mit einer gewissen Entleerung ides Juliusturms zu rechnen isst?
Aber auch ganz unabhängig von der Haushaltslage besteht doch das Problem des ständigen Einfuhrdefizits für sich allein, das gelöst werden muß, und ich möchte den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen: Will er denn so lange warten, bis sich unsere ausländischen Partner genötigt sehen, zu Gegenmaßnahmen überzugehen, die sich gegen unseren Export richten müssen? Und ist denn nicht bekannt, daß die restriktiven Kreditmaßnahmen der Bundesnotenbank in einem unmittelbaren Zusammenhang damit stehen, idaß die Bundesregierung es bisher stets unterlassen hat, wirksame Maßnahmen zum Ausgleich der Handelsbilanz zu treffen? Der Herr Bundeskanzler hat selbst vor einiger Zeit einmal von dem Fallbeil gesprochen. Ich möchte mich diesem Ausdruck nicht unmittelbar anschließen, vor allem nicht in dieser Verallgemeinerung. Aber auch Ihnen, meine Herren von der Koalition, ist ja wohl bekannt, daß sich die Kreditmaßnahmen der Bundesnotenbank in einzelnen Fällen gerade für die kleineren und mittleren Unternehmungen sehr einschneidend ausgewirkt haben und daß das Ausmaß ider Kreditrestriktionen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tatsache unseres permanenten Einfuhrdefizits steht.
Bis heute müssen wir nun allerdings feststellen, daß keine wirksamen Maßnahmen getroffen worden sind, und dies angesichts der Tatsache, daß wir laut Angabe der Bundesnotenbank im April einen Zuwachs in Gold und Devisen von 550 Millionen DM und im März einen Überschuß im Waren- und Dienstleistungsverkehr sogar von 900 Millionen DM gehabt haben. Ich glaube, diese Zahlen und diese Sachlage sollten es dem Bundeswirtschaftsminister doch gestatten. sich gegenüber dein Interessentengruppen durchzusetzen, die hinter der CDU/CSU stehen,
und wir bedauern aufs lebhafteste, daß er das trotz der starken Worte, die er noch kürzlich gebraucht hat, leider nicht vermocht hat.
Was wirklich geschehen ist, ist die Einführung der Jedermanneinfuhren, von denen wir wissen, daß sie für den Verbraucher praktisch keine Möglichkeiten bieten. Dazu kommt, daß sie auf Waren beschränkt sind, die nicht Nahrungsmittel und Getränke sind. Sie sind damit für den Verbraucher uninteressant.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann noch eine andere Aktion gestartet — es scheint die einzige Aktion zu sein, die ihm erlaubt gewesen ist —, nämlich die Aktion gemeinsam mit den prominenten Markenartikelherstellern. Aber auch diese Aktion müssen wir ials unseriös bezeichnen, weil ein Teil d,er Firmen, die sich an ihr beteiligt haben, unmittelbar vorher ihre Preise erhöht haben und weil idie Zusage dieser Ma rkenartikelhersteller bis zum Ende dieses Jahres begrenzt ist, ialso bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine zukünftige Bundesregierung und ein zukünftiger Bundestag ihre Arbeit gerade erst beginnen können. Auch dies scheint mir daher keine Aktion zu sein, von der man sich irgendeinen nennenswerten Einfluß auf die Lage Versprechen kann.
— Ich würde jedenfalls einer solchen Aktion in der Form, in der sie vor sich ging, keine Bedeutung beimessen.
Nun zu einem zweiten Komplex, zu dem sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Öffentlichkeit geäußert hat. Er hat sich geäußert zum Thema Eigentumsbildung für möglichst viele zu eigener freier Verfügung. Ich weise darauf hin, daß die Sozialdemokratische Partei schon in ihrem Aktionsprogramm vom Jahre 1952 die Forderung aufgestellt hat: Förderung der Eigentumsbildung bei den bisher Vermögenslosen. Die Sozialdemokratische Partei hat in zahllosen Debatten, z. B. über die Reform der Steuergesetze, um die unabdingbaren Voraussetzungen für eine solche Eigentumsbildung aus kleinen Einkommen gestritten. Die SPD hat in der Vergangenheit unaufhörlich die hohe Selbstfinanzierung bei den Unternehmungen kri-
tisiert, und man kann es nur als eine späte Erkenntnis bezeichnen, wenn nunmehr in dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Kapitalbildung folgender Absatz zu lesen ist, !den ich mir vorzulesen gestatte:
Die Selbstfinanzierung der Wirtschaft bedingt einmal hohe Preise und führt zum anderen zu einer einseitigen Kapitalbildung in der Hand vorwiegend großer und an sich schon hochrentierlicher Unternehmungen. Diese allgemein erkennbare Erscheinung wird zu einem Stein des Anstoßes und löst sozialpolitische Spannungen aus, die sich selbst in bürgerlichen Kreisen und Parteien zu gefährlichen gesellschaftspolitischen Forderungen in bezug auf Mit- und Kollektiveigentum verdichten.
Man kann hierzu sagen: späte Erkenntnis!
In diesem Zusammenhang hat der Herr Bundeswirtschaftsminister das Projekt der Volkswagenaktien gestartet. Welche Bedeutung hat das Projekt in diesem Zusammenhang? Lassen Sie mich einmal die zahlenmäßigen Zusammenhänge darstellen. Die volkswirtschaftliche Ersparnis im Jahre 1956 betrug über 35 Milliarden DM. 40 % davon, d. h. über 14 Milliarden, beruhten dabei auf Selbstfinanzierung. Es ist interessant, festzustellen, daß in den Jahren 1935 bis 1938 der Anteil der Selbstfinanzierung an der volkswirtschaftlichen Ersparnis nicht 40 %, sondern nur 18 % betrug, also weniger als die Hälfte, und in den Jahren 1926 bis 1929 nur 11 %, d. h. nur ungefähr ein Viertel von der prozentualen Rate, die wir jetzt erreicht haben. Neben diesen 40 % nehmen sich nun allerdings die freiwilligen Rücklagen aus privaten Haushalten mit 20 % außerordentlich bescheiden aus. Wir stehen kauf dem Standpunkt, daß dieser Zustand, das Überwiegen der Selbstfinanzierung in den Unternehmungen, eindeutig das Ergebnis der Steuer-und Wirtschaftspolitik der Koalition ist.
Welche Bedeutung hat nun )das Volkswagenprojekt in diesem Zusammenhang? Meiner Ansicht nach überhaupt keine; denn durch dieses Projekt wird an der hohen Selbstfinanzierungsrate in der gesamten Volkswirtschaft überhaupt nichts geändert. Man kann höchstens davon sprechen, daß die Minderheit, die über die genannten 20 % Ersparnis aus privaten Haushalten verfügt, nunmehr auch die Chance hat, in einer etwas anderen Form zu sparen, nämlich in der Form einer Volkswagenaktie. Es handelt sich hier also nur um die Schaffung einer neuen Sparform. Dagegen bleibt die bisherige Verteilung der Sparkraft völlig unverändert. Es ist also kein wirksamer Beitrag zu dem Problem „Eigentum für jeden", wie es Herr Ministerpräsident Arnold genannt hat. Es ist nicht einmal ein Beitrag zu einem Problem: Eigentum für wesentlich mehr als bisher. Es ist nach unserer Auffassung ein ausgesprochen unseriöses wahlpolitisches Täuschungsmanöver!
Das gilt dann ganz besonders, wenn man sich nun auch noch mit den Nebenfolgen beschäftigt, die dieses Projekt zwangsläufig haben muß.
Mein Parteifreund Dr. Deist hat sich in der 182. Sitzung am 10. Januar dieses Jahres schon einmal sehr eingehend mit der Marktlage auf dem Gebiete der Personenkraftwagen hier in der Bundesrepublik beschäftigt. Ich möchte aus seinen Darlegungen nur ein kurzes Konzentrat wiedergeben: Auf dem Markt der Personenkraftwagen haben wir vier große Unternehmungen, die 80 % der Erzeugung auf sich konzentrieren. Wenn wir ,die Dinge einmal nur vom Standpunkt des Kleinwagens betrachten, dann ist festzustellen, daß ein leistungsfähiger Kleinwagen nur von zwei Firmen geliefert wird, die 60 % der Erzeugung auf sich vereinigen.
Es handelt sich hier also um einen eindeutig oligopolistisch konstruierten Markt. Dazu kommt, daß sich alle maßgebenden Teilnehmer an diesem oligopolistischen Markt hunderprozentig in den Händen von Muttergesellschaften oder in der Hand von mächtigen Aktionärsgruppen befinden.
Was stellen wir als Ergebnis dieser oligopolistisehen Marktlage nun fest? Wir stellen fest, daß wir auf diesem Markt, selbst gemessen an der ungewöhnlich hohen Selbstfinanzierungsrate der Bundesrepublik, eine noch höhere Selbstfinanzierungsrate haben, als sie allgemein vorhanden ist, Wir stellen weiter fest, daß wir dort ein Preisniveau haben, das ganz besonders überhöht ist.
Das scheint also das Ergebnis dieser Marktlage zu sein. In diesem Zusanmienhang könnte höchstens ein Bundesunternehmen, das sich fest in der Hand einer verbraucherfreundlichen Bundesregierung befindet und das nicht von privaten Aktionärsgruppen abhängig ist, einen entscheidenden Einfluß auf diese Marktlage ausüben.
Es stehen sich hier also einfach die Thesen gegenüber: Wollen wir einer Minderheit Volkswagenaktien geben, die bisher schon die Möglichkeit hatte, in anderen Sparformen zu sparen, oder wollen wir endlich zu )einem im Preise tragbaren Volkswagen kommen?
Das ist die Frage, die sich hier stellt. Und dazu bedarf es Ihrer Stellungnahme. Mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren Sie die Einflußmöglichkeiten auf diesem Markt, wenn Sie dieses Projekt so durchführen, wie Sie es vorgesehen haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr.
Herr Kurlbaum, sind Sie nicht auch der Überzeugung, daß nach dem gegenwärtigen Stand des Aktienrechts selbst ein Aufsichtsrat, der vollzählig von seiten des Bundes gestellt werden würde, was gar nicht möglich wäre, in einen scharfen Widerspruch zum Aktienrecht und zu seinen Pflichten als Aufsichtsrat geraten würde, wenn er Ihre Politik einer Preissenkung verfolgen würde?
Meine Herren! Es steht Ihnen vollkommen frei, die Konstruktion eines solchen Bundesunternehmens so zu wählen, daß der Bundeswirtschaftsminister einen entscheidenden
Einfluß auf die Geschäftspolitik dieses Unternehmens hat.
Gestatten Sie eine zweite Frage?
Ja, die gestatte ich Ihnen gern.
Sie wissen doch aus der bisherigen Praxis — wie es alle anderen auch wissen —, daß eine solche Einflußnahme beim gegenwärtigen Stand der Dinge überhaupt nicht möglich ist!
Ja, was ist denn der „gegenwärtige Stand"? Das ist doch der gegenwärtige Rechtszustand, und es steht in der Macht des Parlaments, diesen Rechtszustand zu ändern.
Nun möchte ich noch etwas Grundsätzliches dazu sagen. Die SPD ist durchaus bereit, das Problem der Eigentumsbildung der bisher Vermögenslosen energisch anzupacken, und sie ist durchaus bereit, im 3. Bundestag an der Schaffung wirtschafts- und steuerrechtlicher Grundlagen für eine Beteiligung auch der Arbeitnehmer an der Vermögensbildung der Unternehmungen mitzuwirken, allerdings unter folgenden Bedingungen: Erstens einmal muß die Freizügigkeit des Arbeitnehmers gesichert sein. Zweitens muß der einzelne nach Ablauf einer gewissen Sperrzeit ein freies Verfügungsrecht haben, und drittens — und das ist das Wesentlichste —: diese Beteiligung an der Vermögensbildung soll dem Arbeitnehmer in bestimmtem Umfang als Entgelt für seine Leistung als Arbeitnehmer zufließen können und von ihm nicht erst noch wie nach Ihrem Projekt gekauft werden müssen. Das ist der entscheidende Punkt.
— Nein, ich will keine Bundesbeteiligung verschenken, Herr Dr. Hellwig, ich spreche hier von der Wirtschaft ganz allgemein und nicht nur von den Bundesbeteiligungen.
Zur Verwirklichung solcher Projekte gehören allerdings auch noch andere wichtige allgemeine wirtschaftspolitische Voraussetzungen. Wir verlangen eine entscheidende Verbesserung der Vorschriften für die Rechnungslegung und für die Publizität der Unternehmungen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat sich kürzlich einmal mit diesem Thema unter der sehr richtigen Überschrift „Objektiv richtige Bilanzen" beschäftigt. Ich glaube, daß es dringend notwendig wäre, die willkürlichen Bilanzen, die wir heute in der Wirtschaft haben, endlich einmal durch objektiv richtige Bilanzen zu ersetzen.
Eine zweite allgemeine wirtschaftspolitische Voraussetzung: Wir brauchen selbstverständlich für alle solchen Projekte, auch für Ihr Volkswagenaktienprojekt, eine wirksame Antimonopol- und Kartellgesetzgebung, die die Selbstfinanzierung über den Preis auf das zulässige Maß herabsetzt und die in Verbindung mit einer wirksamen Einfuhr- und Zollpolitik den Wettbewerb dort ermöglicht, wo er möglich ist und — bitte, das ist sehr wesentlich —den Marktmißbrauch dort verhindert, wo ein Wettbewerb überhaupt nicht verwirklicht werden kann.
— Ich weiß nicht, was Sie mit „Ihren" meinen.
— Leider steht nicht eine Mehrzahl von Unternehmungen unter meiner Führung. Ich bedaure das sehr, es wäre vielleicht nützlich.
— Ach, Sie meinen, unter sozialistischer Führung? Na gut, dann müssen Sie uns nachher in der Diskussion genauer sagen, was Sie hier im einzelnen wollen.
Ich möchte ausdrücklich erklären, daß die Sozialdemokratische Partei im Grundsatz durchaus nicht gegen so etwas wie etwa eine Volksaktie ist. Das kann man ruhig machen; aber die Herausgabe der Volksaktien löst gar nicht das entscheidende Problem der Sparkraftverlagerung, und darum geht es.
Ein solches Projekt ist insbesondere dann nur von Schaden, wenn es dazu führt, daß die Verbraucherinteressen gegenüber solchen Unternehmungen nicht mehr wirksam durchgesetzt werden können.
Ich kann daher abschließend feststellen: Das Volkswagenwerk eignet sich nach unserer Meinung höchstens aus propagandistischen Gründen für ein solches Projekt.
Welches Unternehmen mit Bundesbeteiligung eignet sich denn überhaupt dazu nach Ihrer Meinung?
Herr Dr. Hellwig, ich glaube, es war mein Kollege Deist, der hier eindeutig gesagt hat: Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Reprivatisierung von Bundesunternehmungen.
Wir sind dafür, daß man sich einmal sehr eingehend damit beschäftigt, welche dieser Unternehmungen eine volkswirtschaftliche Aufgabe haben. Diese Unternehanungen wollen wir allerdings von der Reprivatisierungausschließen. Für die Reprivatisierung der übrigen sind wir durchaus zu haben, wenn es uns nur einmal gelänge, daß der Unterausschuß, an dessen Spitze Sie stehen, endlich einmal tagte.
— Bitte sehr, Herr Dr. Hellwig!
Herr Kurlbaum, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Vorsitz des Unterausschusses seit längerer Zeit nicht mehr in meiner Hand liegt?
Nicht seit längerer Zeit, erst seit kurzem, gemessen an der Zeit, die er schon existiert.
— Ja, ich habe durchaus ein Vergnügen daran.
Herr Kurlbaum, auch Sie wissen, daß die Unterausschüsse nur Dinge beraten können, die ihnen von den federführenden Ausschüssen zugewiesen sind. Eine Vorlage dieser Art konnte dem Unterausschuß erst überwiesen werden, nachdem die Privatisierungsanträge der FDP-Fraktion und meiner eigenen Koalitions- und Fraktionsfreunde vorgelegt worden waren. Deren Beratung ist dann allerdings wegen Terminschwierigkeiten in den letzten Wochen nicht möglich gewesen.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, daß die Unterausschüsse sich nach eigenem Ermessen die Arbeiten und Themen auswählen können, die sie vielleicht gerade für interessant halten.
Nein! Aber, Herr Dr. Hellwig, Sie haben soeben mit Recht gesagt, daß die Möglichkeit durchaus bestanden hätte. Auch ich bin der Meinung, daß die Möglichkeit bestanden hätte, wenn man wirklich einen ernsten Willen gehabt hätte.
Nun zu einem dritten Komplex, der heute wiederum im Mittelpunkt der gesamten wirtschaftlichen Diskussion steht. Um die Jahreswende hat der Herr Bundeswirtschaftsminister öffentlich erklärt: keine Beteiligung seinerseits am Wahlkampf ohne ein Kartellgesetz. Aber es ist interessant, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister gleichzeitig mit dieser Ankündigung bereits sozusagen als Vorleistung seinen Wahlkampf gegen die SPD mit seinen bekannten Inseraten eröffnet hat, zu deren Finanzierung er sich gerade der Kreise bedient, die seine eigentlichen Gegner bezüglich des Kartellgesetzes sind.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister setzt diesen Wahlkampf mit Unterstützung der Kartellgegner bis heute fort, obwohl die Verabschiedung dieses Gesetzes heute zweifelhafter denn je geworden ist. Ich möchte daher den Bundeswirtschaftsminister fragen: Glaubt er es sich leisten zu können, daß die Gegner des Kartellgesetzes in Zukunft solche Erklärungen wie z. B. }die, daß er sich am Wahlkampf nicht beteiligen wird, überhaupt nicht mehr ernst nehmen? Kommt es ihm wirklich nur darauf an, die Öffentlichkeit glauben zu machen, er sei ernsthaft bereit, aus der Nichtverabschiedung dieses Gesetzes eine Konsequenz zu ziehen?
Ich .möchte den Bundeswirtschaftsminister außerdem fragen: Glaubt er es sich moralisch leisten zu können, seinen kostspieligen Inseratenwahlkampf mit finanzieller Unterstützung gerade derer zu füzhren, die in den beiden Hauptthemen der innerdeutschen Wirtschaftspolitik, nämlich der Kartell-und der Zollpolitik, im 2. Bundestag seine ausgesprochenen Gegner waren,
und diesen Wahlkampf vornehmlich gegen die SPD zu führen, die mindestens in zahlreichen entscheidenden Fragen dieselbe Kartell- und dieselbe Zollpolitik wie er vertreten hat?
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vor einiger Zeit das Wort „widernatürlich" in seinem blindwütigen Kampf gegen die SPD sozusagen in die Politik aus erster Hand heraufgehoben.
Ich glaube, wenn es ein Wort gibt, das auf diese Inseratenkampagne anzuwenden ist, dann ist es das Wort „widernatürlich".
Zum Schluß möchte ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister einmal als Abgeordneter dieses Hauses fragen: Welches Maß an persönlicher Achtung erwartet er von seinen Kollegen der Opposition, die schon im 1. Bundestag und nunmehr seit zwei Jahren im 2. Bundestag in nahezu 100 Sitzungen sehr ähnliche kartellpolitische Forderungen vertreten haben wie der Bundeswirtschaftsminister selbst in langen Jahren und die der Bundeswirtschaftsminister nunmehr in diesen selben Inseraten ohne jede moralische Hemmung als unbelehrbare, unheilbringende und bösartige politische Geschäftemacher verleumdet?
Das muß einmal klar und deutlich gesagt werden!
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich kürzlich in diesem Hause selbst als Staatsmann bezeichnet.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie, ob solche Methoden überhaupt noch irgend etwas Staatsmännisches in sich haben?
Ich möchte Ihnen nur eins erklären: Solche Wahlkampfmethoden zerstören die moralische Grundlage unserer Demokratie!
Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem direkte Fragen an mich gestellt worden sind, will ich sie auch beantworten. Zu alledem, was Herr Kollege Kurlbaum über das Problem der Zollsenkungen — alternativ der Zollvormacht — gesprochen hat, hat er hier nur das vorgetragen, was ich selbst in der Presse und in Reden in der Öffentlichkeit wiederholt ausgeführt habe. Es waren fast meine eigenen Worte, die Sie gebraucht haben.
Ich bin ehrlich genug, zu bekennen, daß ich für diese Sache eingetreten bin, ich habe argumentiert, aber — —
— ich bin nicht Diktator. Meine Hochachtung vor dem Hohen Hause und vor den Abgeordneten ist viel zu groß, als daß ich sie zwingen könnte oder zwingen wollte, unter allen Umständen meine Konzeption anzunehmen. Ich habe meinen Stand-
punkt klar vertreten, und ich glaube, das ist eine saubere und wahrhaftige Haltung.
Im übrigen will ich nun Ihre Fragen der Reihenfolge nach beantworten, und zwar ohne Rücksicht auf die Wertigkeit der einzelnen Frage. Es ist damit aber ein klarer Überblick gegeben.
Sie wollen die Jedermann-Einfuhren bagatellisieren und stellen es so dar, als ob diese Aktion vielleicht etwa mit Wahlpropaganda zu tun hätte, jedenfalls innerlich nicht ganz wahrhaftig gemeint wäre. Das ist meiner Ansicht nach sehr kurzsichtig gedacht, denn Sie wissen genau, daß, wenn die Möglichkeit von Jedermann-Einfuhren eröffnet wird, diese nicht schon von heute auf morgen zum Tragen kommen kann, weil dazu vor allem von seiten der auswärtigen Lieferanten gewisse propagandistische Maßnahmen, Werbevorbereitungen, und auch organisatorische Einrichtungen notwendig sind. Ich kann Ihnen jedenfalls verraten, daß von ausländischen Unternehmen und sogar auch von diplomatischer Seite sehr konkrete Fragen an uns gestellt worden sind, ob dies eine Politik auf längere Frist sei, damit man sich darauf einrichten könne, oder ob es sich nur um eine Eintagsfliege handle.
Wir haben eine ganz klare Antwort darauf gegeben. Sie mögen den Erfolg im Volumen schätzen, wie Sie wollen. Jedenfalls möchte ich hier deutlich bekunden, daß diese Jedermann-Einfuhren zwar sicherlich nicht das Allheilmittel sind. Sie sind aber doch ein Baustein, ein Element in der Politik zur Förderung der Einfuhr.
Dann die Markenartikel-Aktion. Ja, meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, was Sie eigentlich dagegen einzuwenden haben. Sie sind doch hoffentlich mit mir der Meinung, daß die wirtschaftliche Stabilität der Preise ein Anliegen unseres ganzen Volkes ist, und Sie werden nicht bestreiten können, daß die Maßnahmen, die ich ergriffen habe, zu einer Wirksamkeit geführt haben.
— Das ist nicht richtig, daß vorher die Preise erhöht wurden!
Ich stehe nicht vor der Aufgabe, die einzelnen Markenartikel zu vertreten. Aber die Behauptung, 80 oder 100 Unternehmen — jetzt sind es schon mehr — hätten ihre Preise vorher erhöht, ist einfach nicht wahr.
Diese verantwortungsbewußte unternehmerische Haltung hat jedenfalls nicht wenig dazu beigetragen, daß in der Bevölkerung eine größere Beruhigung eingetreten ist,
und diese unternehmerische Haltung hätte etwas anderes und Besseres verdient, als angeprangert zu werden.
— Sie vertreten doch neuerdings einen marktwirtschaftlichen Standpunkt. Dann sollten Sie eigentlich auch wissen, daß man in einer Marktwirtschaft auf lange Sicht oder gar auf Jahre hinaus eine absolute Zusage über stabile, d. h. in diesem Fall starre Preise nicht geben kann. Da Sie mich schon ganz genau fragen, will ich Ihnen sagen: Wenn ich Unternehmer wäre, dann würde ich in einem Wahljahr, in dem ich unter Umständen vielleicht erwarten müßte, daß Sie die Wirtschaftspolitik in Zukunft gestalten, ein solches Versprechen auf gar keinen Fall abgeben.
Dann komme ich zu der Frage der Eigentumsbildung. Sie meinen, Sie hätten diese schon vor Jahren gefordert. Das bestreite ich gar nicht. Aber das kommt mir so vor wie die bekannte Geschichte von der Autopanne, wo die Leute davorstehen, aber nicht wissen, wie das Auto wieder in Gang zu setzen ist. Da langt einer hin, und die Sache geht, und er verlangt dafür dann seinen Preis. Da sagt der Fahrer: „Wieso kommt denn dafür ein Preis von 20 DM zustande? Dafür wurde doch bloß für 20 Pf Material aufgewendet." Die Antwort lautete: „Ja, gewußt, wo!" — Und das ist bei uns das Entscheidende: daß auch Sie es gewollt haben, aber „gewußt wo" haben wir.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja bitte.
Herr Minister, stehen Sie nicht auch auf dem Standpunkt, daß ein Examenskandidat der Volkswirtschaftslehre, der die Frage, was man bei einem zollgeschützten Land mit schlechter Versorgung tun sollte, nicht mit dem Hinweis auf Zollermäßigung beantworten würde, durchs Examen fallen würde?
Die Frage zeugt nicht von besonders großer Phantasie. Zunächst können Sie nicht sagen, daß Deutschland ein unterversorgtes Land ist.
Zweitens ist Deutschland, mindestens im internationalen Vergleich, kein teures, sondern ein billiges Land.
Das ist ja, ich möchte fast sagen, die Ursache dafür, daß die Importe zu gering sind. Sie wissen ja, wie schwer es ist, überhaupt zusätzliche Anreize, neue Impulse zur Einfuhr zu geben, weil die Preisdifferenz eben zu groß ist.
— Ich war ja auch für die Zollsenkung.
— Aber ich bitte Sie, — und das sage ich nicht nur an dieser Stelle, sondern auch in aller Öffentlichkeit: Nach meiner Meinung kann das Übel, das aus den verzerrten Wechselkursen und aus der mangelnden intervalutaren Ordnung resultiert, nicht durch zollpolitische Mittel nur eines Partners geheilt werden, so wünschenswert ich es selbst erachtet hätte.
Aber wir sprechen von der Eigentumsbildung. Sie meinen, der Weg, den wir gehen, sei falsch oder sei zu spät eingeleitet worden. Sie bemängeln insbesondere, daß an der volkswirtschaftlichen Ersparnisbildung der Staat und die Unternehmungswirtschaft in Form der Selbstfinanzierung zu stark beteiligt gewesen seien. Was Sie vorgelesen haben, sind ja meine eigenen Worte, und ich stehe dazu! Aber jetzt möchte ich auch sagen — das habe ich nämlich seinerzeit hinzugefügt, aber das haben Sie heute weggelassen —: Wie hätte nach diesem Zusammenbruch ohnegleichen, in diesem Trümmerfeld der Staat die mannigfach an ihn heranbrandenden Aufgaben von hächster sozialer Dringlichkeit in Angriff nehmen sollen? Denken Sie an den Wohnungsbau, denken Sie an die Wiederherstellung von Bahnen, Brükken, Straßen, das Flüchtlingselend und alles, was dazugehört! Einen Kapitalmarkt hat es nicht gegeben. Von dem alten Geldkapital waren nur 6,5 % übriggeblieben, und weder aus Kreisen der Unternehmungswirtschaft noch durch Spartätigkeit der Privaten konnte die Möglichkeit geschaffen werden, in irgendeiner anderen Form den Staat in den Besitz der Mittel zu setzen, die zur Lösung jener Aufgaben notwendig waren. Also war es uns schicksalhaft aus der Not heraus aufgegeben, hohe Steuern zu verfügen, um überhaupt an den Wiederaufbau herangehen zu können.
Ein gleiches gilt aber auch in gewissem Sinne von der Unternehmungswirtschaft. Sie wissen, daß unser Produktionsapparat, so nicht vernichtet, weitgehend veraltet und verschlissen gewesen ist und daß wir kein Einkommen und keine Kaufkraft für die Millionen abhängiger Menschen hätten schaffen können, wenn wir diesen Produktionsapparat nicht wiederaufgebaut hätten.
— Mit den Methoden, die Sie uns empfohlen haben, hätte er jedenfalls nicht aufgebaut werden können.
Ich erinnere Sie an die wirtschaftspolitischen Diskussionen des 1. Bundestages.
— Moment! — Wir standen also vor der Notwendigkeit, entweder den deutschen Wiederaufbau so zu verlangsamen und so hlnzuzägern, daß das
deutsche Volk dabei fast zugrunde gegangen wäre und jedenfalls das Vertrauen in seine Zukunft hätte verlieren müssen, oder aber diese Spannungen, die ich ja bewußt als solche angesprochen habe, hinzunehmen.
Es zeugt nur für unsere ehrliche und anständige Gesinnung, wenn wir nun sagen: jetzt scheint uns der Zeitpunkt gekommen zu sein, auch unter sozialen Aspekten in eine neue Phase der Marktwirtschaft einzutreten,
in der uns daran liegt, zu einer breiteren Streuung des Eigentums zu gelangen, d. h. dem Konzentrationsprozeß, der aus technischen Gründen notwendig und zwingend sein mag, einen Prozeß der Dekonzentration des Eigentums entgegenzusetzen. Wenn wir jetzt mit Erfolg an diese Aufgabe gehen können, Herr Kurlbaum, dann nicht zuletzt deshalb, weil es uns durch diese unsere Wirtschaftspolitik gelungen ist, das Masseneinkommen in den letzten sechs Jahren zu verdoppeln, d. h. von 45 auf 90 Milliarden zu steigern. Das ist die Grundlage. Und dazu gehört, daß mit jedem weiteren wirtschaftlichen Fortschritt, mit jeder Verbesserung der Produktivität auch die Alternative des Verbrauchens oder Sparens ohne übermäßige Beschränkung oder gar Opfer bringen zu müssen zu ganz anderen Entscheidungen führt. Also ich glaube, es ist eine sehr realistische und sehr wahrhaftige Politik, die wir gerade hinsichtlich des Eigentums und unserer eigentumspolitischen Vorstellungen gepflegt haben.
Wenn Sie sagen, das Volkswagenwerk — als der erste Fall, da über das Medium der Volksaktie nun wirkliches echtes Volkseigentum erworben werden kann — eigne sich nicht für eine Privatisierung, dann möchte ich einanal fragen, was sich überhaupt dazu eignet.
Vielleicht ein Stahlwerk oder eine Kohlenzeche?
Von allen überhaupt vorhandenen Bundesunternehmen ist das Volkswagenwerk nicht nur das in der Bevölkerung attraktivste, sondern auch branchenmäßig 'gesehen dasjenige, das sich von selbst hierfür darbietet.
Im übrigen, Herr Kollege Kurlbaum, sind doch auch hier wieder einige Schlagworte dazwischengekommen. Man kann doch nicht schlechthin von einem überhöhten Preisniveau der deutschen Automobilindustrie sprechen. Die Tatsache, daß die deutschen Wagen auf dem Weltmarkt immer weiter vordringen, und die Tatsache, daß wir in Deutschland mit weitem Abstand den niedrigsten Zoll für Automobile haben, beweist, daß unsere Automobilindustrie auch preislich auf der Linie des Weltmarktes liegt. Wenn Sie dabei die große moderne und automatisierte amerikanische Produktion in Rechnung stellen, dann können Sie jedenfalls nicht a priori sagen, daß in Deutschland ein überhöhtes Preisniveau vorherrsche.
Sie sprachen von tragbaren Volkswagenpreisen. Sind Sie der Meinung, daß ein Volkswagenwerk in
staatlichem Besitz etwa unter Verzicht auf Erträge oder vielleicht gar mit steuerlichen Begünstigungen unter ungleichen Startbedingungen einen unredlichen Wettbewerb mit der übrigen Automobilindustrie durchführen sollte?
Die letzte Konsequenz der Auffassung, die Sie vertreten haben, wäre, daß der Staat dann in allen Bereichen der Wirtschaft sozusagen ein eigenes Unternehmen führen müßte, um über dieses Wirtschafts- und Preispolitik treiben zu können.
Ich bin der Meinung, das ist nicht Sache des Staates.
Zwischen Staat und Wirtschaft soll eine gesunde Arbeits- und Funktionsteilung bestehen. Der 'Staat hat den Ordnungsrahmen zu setzen und das wirtschaftspolitische Instrumentarium zu handhaben; aber das Wirtschaften soll er der Wirtschaft überlassen
und nicht durch Befehle und unmittelbare staatliche Einflußnahmen die Wirtschaft gängeln. Da kommt der eigentliche Unterschied unserer wirtschaftspolitischen Betrachtung wieder ganz deutlich zum Ausdruck.
Zum Kartellgesetz brauche ich nur wenig zu sagen. Wer hätte für dieses Gesetz härter gekämpft als ich? Ich gebe Ihnen, Herr Kollege Kurlbaum, indessen gerne zu, daß Ihre Fraktion in dieser Legislaturperiode sich in bezug auf das Kartellgesetz meinem Standpunkt sehr stark angenähert hat, wenn sie ihn nicht überhaupt in weiten Teilen vertreten hat. Es wäre unehrlich, das nicht zu sagen.
— Aber wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, als ob ich auch in bezug auf meine Inserate vielleicht in eine irgendwie geartete Unabhängigkeit — Abhängigkeit
geraten wäre, dann nimmt Ihnen das überhaupt kein Mensch ab. Das ganze deutsche Volk hat dafür ein feines Gefühl; es weiß, daß, wenn ein Mann in der Regierung und in diesem Parlament unbestechlich ist, ich das bin und es auch bewiesen habe.
Unser gesellschaftspolitisches Bild 'ist über eine Einzelfrage hinaus eben doch ein anderes als das Ihre.
Das ,dem deutschem Volk immer wieder vor Augen zu führen, ist nicht nur unser gutes Recht, sondern, wie ich glaube, unsere Pflicht.
Herr Kurlbaum, Sie haben geglaubt . sich über den Ton beklagen zu müssen. Ich könnte diesem
Hause an Hand der Protokolle und der Niederschriften der Verhandlungen im Deutschen Bundestag einmal vorführen, wer diese Pflicht der inneren Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit und Redlichkeit der Sprache und der Argumentation verletzt hat. Was mir von Ihrer Seite in diesen neun Jahren :in ,dem Kampf um ,die Durchsetzung der Marktwirtschaft an Verleumdung und an falscher Darstellung begegnet 'ist, ist nicht zu überbieten.
Aus diesem Grunde haben Sie — wenn ich Sie sage, meine ich nicht Sie persönlich, sondern Ihre Partei —das wenigste Recht, empfindlich zu reagieren, wenn ich die Probleme dort, wo wir uns trennen, auch mit aller Schärfe und Härte anspreche. Das werde ich ,auch in Zukunft tun.
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Ich muß doch einige Dinge richtigstellen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister ,hat hier die Frage gestellt, ob es überhaupt einen anderen Weg als ,den der Finanzierung des Aufbaus gegeben hätte, den er und die Koalition bis zum heutigen Tage gegangen sind. Ich möchte hier nur einmal an die Diskussion über das sogenannte Preusker-Gesetz erinnern. Da haben Sie, meine Herren, vor ein paar Monaten, gerade auch in bezug auf die Finanzierung gewisser Dinge über Steuervergünstigungen, die allergrößten Beklemmungen wegen der einseitigen Bevorzugung der großen Einkommen bei der Bildung von Ersparnissen gehabt. Niemand kann mich davon überzeugen, daß man diesen Umlenkungsprozeß schon lange vorher ohne Gefahr für den deutschen Wiederaufbau hätte einleiten können.
Nun hat der Herr Bundeswirtschaftsminister gefragt, ob wir etwa die Vorstellung hätten, daß ein solches Bundesunternehmen besonders günstige Startbedingungen hätte haben müssen. Wir haben in der Debatte über das Kartellgesetz immer den Standpunkt vertreten, daß im Wettbewerb, soweit er überhaupt hergestellt oder aufrechterhalten werden kann, öffentliche Unternehmungen keine besseren Startbedingungen zu haben brauchen als private Unternehmungen. Das ist in dieser Frage immer unser Standpunkt gewesen. Daher bedurfte es der Frage des Bundeswirtschaftsministers nicht.
Unabhängig davon hätte dieses Bundesunternehmen, selbst wenn man ihm auf diesem Markt genau dieselben Startbedingungen gibt wie den privaten Unternehmungen, ohne weiteres die Möglichkeit, in Zukunft mit einer sehr viel kleineren Selbstfinanzierungsquote, d. h. mit sehr viel weniger Selbstfinanzierung einkalkuliert in die Preise, zu arbeiten, als die Teilnehmer an diesem Markt es bisher getan haben.
Von Befehlen ist da, glaube ich, überhaupt keine Rede. Gibt es ein marktkonformeres Mittel als das, irgendwo einen Hecht in den Karpfenteich hineinzusetzen? Was ist ,denn noch marktkonformer als dies?
Nicht einmal das wollen Sie. Sie wollen eben die Karpfen alle allein lassen, und das wollen wir in der Tat nicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt mir nur darauf an, hier noch kurz klarzustellen, Herr Kollege Kurlbaum, daß in unseren eigenen Reihen nicht nur der Bundeswirtschaftsminister, sondern auch die mit diesen Fragen befaßten Kollegen sich seit langem ernste Gedanken darüber machen, wie von der aus der Notlage entstandenen Selbstfinanzierungstechnik auf eine andere Technik, nämlich Sparkapitalbildung und Kapitalmarkt, umgeschaltet werden kann. Daraus sollte man nun nicht den Vorwurf herleiten, daß man diese Dinge von vornherein hätte vermeiden können. Ich glaube, Sie sollten im Gegenteil mithelfen, hier den richtigen Weg zu finden.
Ich darf noch einen Vergleich richtigstellen. Sie haben die hohe Selbstfinanzierungsquote der Nachkriegszeit mit einer wesentlich niedrigeren Selbstfinanzierungsquote der zwanziger Jahre verglichen. Das ist nur die eine Seite des Bildes, Herr Kurlbaum. Sie müssen hinzufügen, daß die Finanzierung des Wiederaufbaues in den zwanziger Jahren mit einer horrenden Verschuldung, insbesondere gegenüber dem Ausland, erfolgen mußte und daß der niedrigeren Selbstfinanzierungsquote der zwanziger Jahre eine Ausl andsverschuldung von 25 Milliarden Reichsmark, nach der heutigen Kaufkraft 50 Milliarden DM, entsprach. Wenn Sie damit den relativ geringen Betrag von 4,5 Milliarden DM Marshallplan-Hilfe vergleichen, der bei uns neben der Finanzierung des Wiederaufbaues aus eigenen Mittelngenannt werden müßte, wird das Bild erst vollständig. Man kann unserer Wirtschaft nicht vorwerfen, daß sie eine zu hohe Selbstfinanzierung betriebenhabe, ohne gleichzeitig zu sagen, daß sie im ganzen auf einer gesünderen Grundlage finanziert worden ist, als es in den zwanziger Jahren im Hinblick auf die große Auslandsverschuldung der Fall war.
Nun zu der Frage der Bundesunternehmungen. Es ist ja bekannt, daß große bundeseigene Erwerbsunternehmungen in den Nachkriegsjahren vermutlich den höchsten Satz der Selbstfinanzierungsquote in der deutschen Wirtschaft aufzuweisen haben. Und warum? Weil diese bundeseigenen Unternehmungen nicht dem Druck auf Verzinsung des Kapitals und auf Abführung einer Dividende an Aktionäre ausgesetzt waren, wie es bei den in privatem Eigentum stehenden großen Aktiengesellschaften der Fall ist. Sie wissen, wie minimal die Dividendenleistungen der Bundesgesellschaften im Verhältnis zu ihrem Kapital und ihrem Vermögen sind.
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Bitte sehr!
Herr Dr. Hellwig, ist Ihnen nicht bekannt, daß eines der für die deutsche Wirtschaft wichtigsten Bundesunternehmen, die Howaldt-Werft in Kiel, regelmäßig Dividende gezahlt hat und mit den Stimmen sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder einschließlich der Arbeitnehmervertreter die Dividende erhöht hat?
Herr Professor Baade, mir ist das durchaus bekannt, aber ich spreche hier vom Durchschnitt aller bundeseigenen Erwerbsunternehmungen. Hier ist ein Milliardenkapital durch Selbstfinanzierung als Vermögen neu gebildet worden. Der Anteil von Dividenden — 20, 25, 30 Millionen DM —, der an den Bundeshaushalt abgeführt wurde,
— einen Moment — ist im Verhältnis zu dem zu verzinsenden Kapital so verschwindend gering, daß man hier wirklich nicht von gleichen Startbedingungen dieser Aktiengesellschaften im Vergleich zu anderen, privaten Aktiengesellschaften sprechen kann.
Daher bin ich der Meinung, daß schon aus diesem Grunde eine Privatisierung bzw. bei anderen Unternehmungen, wenn sie noch weiter im Eigentum des Bundes stehen sollen, eine Teilprivatisierung notwendig ist, um bei diesen Unternehmungen den Druck in Richtung auf eine Verzinsung und die Abführung einer Dividende in gleicher Weise zu begründen, wie er bei den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Aktiengesellschaften privater Eigentümer tatsächlich besteht. ,,Gleiche Startbedingungen" heißt dann aber auch: gleiche Ansprüche der Aktionäre auf Dividende. Das ist ein Punkt, den wir auch bei der Diskussion um das Volkswagenwerk richtig sehen sollten, denn gerade da hat diese Sache gefehlt.
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Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Hellwig, stimmen Sie mir nicht darin zu, daß es die Bundesregierung oder das zuständige Bundesministerium durchaus in der Hand hätte, durch entsprechende Anweisungen an ihre Vertreter im Aufsichtsrat dafür Sorge zu tragen, daß das geschieht, was Sie hier sagen?
Erinnern Sie sich noch daran, welche Diskussion wir mit den Herren aus den Ministerien gehabt haben, die im Aufsichtsrat des Volkswagenwerks sitzen, und daß wir vergeblich versucht haben, die Herren dahin zu beeinflussen, daß sie ihre Aufsichtsratsposten dazu benutzen, endlich die von ihrem Minister getragene Wirtschaftspolitik zu verwirklichen?
Herr Kurlbaum, mir ist diese Diskussion durchaus in Erinnerung. Ich stimme Ihnen zu, daß natürlich der Bund als Eigentümer, der die Aufsichtsräte qua Hauptversammlung benennt, diese Aufsichtsratsmitglieder — soweit sie direkte Vertreter des Bundes, also Angehörige von Bundesbehörden sind — auch anweisen kann, in den Aufsichtsräten dieser Unternehmungen eine bestimmte Auffassung zu vertreten. Aber die Grenze für diese Weisung ist im Aktienrecht
gegeben. Der Bund kann weder über die Hauptversammlung, d. h. ais Eigentümer und Aktionär, noch über die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder, soweit er sie überhaupt aus seinen Bediensteten wählt, auf die Geschäftsleitung einen Einfluß nehmen, der mit den Vorschriften des Aktienrechts in Widerspruch steht.
Herr Kurlbaum, wir haben im Unterausschuß wiederholt darüber diskutiert. Ich habe von Ihrer Seite bisher leider keinen konkreten Vorschlag erfahren, welche Änderungen im Gesellschaftsrecht notwendig wären, um diesen Einfluß bei öffentlichen Unternehmungen sicherzustellen.
— Herr Kurlbaum, ich muß das zurückweisen. Auch bei den Beratungen, die wir über diese besondere Frage hatten, ist außer Kritik von Ihrer Seite nie ein konkreter Vorschlag gekommen.
— Verzeihen Sie, Herr Kriedemann, es ist sehr billig,
als Opposition immer nur sagen: „Das muß gemacht werden", wenn man selbst nicht weiß, wo, wie es eben der Herr Bundeswirtschaftsminister gesagt hat.
— Nein, Herr Kriedemann, ich darf Ihnen eine ganze Reihe von schriftlichen Ausarbeitungen, an denen sich eine Reihe von Freunden meiner Fraktion beteiligt hat, in die Erinnerung zurückrufen, worin diese Dinge ausführlich behandelt worden sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Dr. Hellwig, können Sie sich nicht vorstellen, daß wir als Opposition bei unseren Überlegungen, was wir in dem Unterausschuß tun wollen, mindestens von der Voraussetzung ausgegangen sind, daß dieser Ausschuß überhaupt zur Tätigkeit kommt? Davon sind wir ausgegangen, und darauf haben wir vergeblich gewartet.
Herr Kurlbaum, ich weiß nicht — —
— Herr Schmidt, das muß ich aber ganz entschieden zurückweisen.
— Herr Schmidt, das war eine Bemerkung, von der Sie genau wissen, daß sie nicht richtig ist. Der Unterausschuß hat es abgelehnt, in Detailverhandlungen einzutreten, weil diese Dinge Angelegenheiten der Verwaltung sind. Sie wissen, daß jeder Versuch, ein solches Gespräch zu führen, unterbunden worden ist.
— Es ist wider besseres Wissen, wenn Sie diese Behauptung hier aufstellen.
— Es ist wider Ihr besseres Wissen, wenn Sie diese Behauptung aufstellen.
Sind Sie bereit, mir zuzugeben, Herr Dr. Hellwig, daß, während in diesem Ausschuß z. B. über den Verkauf eines bisher in Bundesbesitz befindlichen Unternehmens gesprochen worden ist, bei diesen Verhandlungen ein Kollege Ihrer Fraktion anwesend war, der als Aufsichtsrat bzw. Geschäftsführungsmitglied derjenigen Firma tätig ist, die jenes Unternehmen kaufen wollte?
Herr Schmidt, es ist Ihnen aber auch bekannt, daß die Erörterung dieses Punktes abgebrochen
und nicht wiederaufgenommen worden ist, und nicht auf Ihr Betreiben, sondern auf meine Entscheidung hin.
Können Sie mir zugeben, daß die Verhandlungen abgebrochen wurden, nachdem wir gegen diese Methoden protestiert hatten?
Herr Schmidt, es ist von mir selbst entschieden worden.
Ihre Pressepolemik ist später gekommen. Aber ich darf dann die Frage stellen: Herr Schmidt, sind Sie immer so zimperlich? Sind auch Ihre Kollegen so zimperlich, wenn es sich um den Aufsichtsrat und ähnliche Fragen bei der Mitbestimmung handelt, sich an den Beratungen über das Mitbestimmungsgesetz nicht zu beteiligen? Diese Frage muß hier auch einmal ganz deutlich gestellt werden.
Ich kann Ihnen die Protokolle der Ausschußsitzungen vorlegen, in denen diejenigen Kollegen von Ihrer Seite, die Aufsichtsratsposten und andere Mandate gemäß der Mitbestimmung innehaben, an der Vorlage selbst mitgearbeitet haben, die ihre eigene Position betraf. Wenn Fairneß, dann bitte auch an dieser Stelle!
Nun noch eine letzte Bemerkung zu dem Thema Eigentum. Herr Kurlbaum hat auf das Dortmunder Aktionsprogramm aufmerksam gemacht und gesagt, die SPD habe auch hier die Eigentumsbildung für die Bezieher von kleineren Einkommen bejaht. Wir könnten an vielen Stellen sehr gut zusam-
menarbeiten, Herr Kurlbaum, wenn endlich einmal eine klare Sprache zum Schutz und zur Verbreiterung des privaten Eigentums gesprochen würde und nicht immer diese Grenze gezogen würde: „Kleineres oder auch mittleres Eigentum erkennen wir an", und wenn man sich nicht scheute, eine ganz klare Haltung zu der Institution des privaten Eigentums überhaupt einzunehmen.
Die deutsche Öffentlichkeit ist unruhig darüber geworden, daß man eine klare Antwort auf die Frage, wie man es mit der Institution des privaten Eigentums hält, bis heute von Ihnen nicht gehört hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen des Kollegen Dr. Hellwig erfordern eine Erwiderung. Was zunächst das Mitbestimmungsrecht angeht, Herr Kollege Dr. Hellwig, möchte ich Ihnen ein Beispiel vor Augen führen. Sehen Sie mal, da gibt es hier in diesem Hause einen Ausschuß für Fragen des Beamtenrechts. In diesem Ausschuß sitzen eine Reihe von Kollegen Ihrer, unserer und anderer Fraktionen; die sind im Zivilberuf Beamte. Die machen also dort nach bestem Wissen und Gewissen und im Auftrag des ganzen Hauses und im Auftrag ihrer Fraktionen das neue Beamtenrecht.
Oder im Rechtsausschuß sitzen von Ihrer und von unserer Fraktion Rechtsanwälte, und die sind beteiligt, wenn z. B. die neue Kostenordnung für Rechtsanwälte gemacht wird.
Im Wirtschaftsausschuß sitzt z. B. einer der maßgeblichen Köpfe des Wissenschaftlichen Instituts des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der Dr. Hellwig, und ,da sitzt z. B. einer der maßgeblichen Köpfe, die die Gewerkschaften wirtschaftlich beraten, der Dr. Deist, und da sitzen so viele andere Leute, die wirtschaftlich interessiert sind, und machen also Wirtschaftspolitik. Das ist in der Ordnung. Es sitzen z. B. in diesem Parlament Leute, die an der Gestaltung des Aktienrechts interessiert sind. Die sitzen in Aufsichtsräten und machen hier mit. wenn über Aktienrecht abgestimmt wird. Hier sitzen Leute, die an der Gestaltung des Mitbestimmungsrechts interessiert sind. Die sitzen auch in Aufsichtsräten, und die sprechen hier mit, wenn darüber debattiert wird.
Was ich vorhin angegriffen habe, war etwas ganz anderes. Da handelt es sich darum, daß eine ganz bestimmte Firma eine ganz bestimmte andere Firma aus Bundesbesitz kaufen wollte und daß der Mann, der in dieser einen Firma eine maßgebliche Rolle spielt, an den Verhandlungen des zuständigen Parlamentsausschusses über diesen Verkauf auf das eifrigste teilnahm. Das war etwas ganz anderes !
Sehen Sie, solche Dinge hat man geduldet, Herr Dr. Hellwig und Herr Dr. Erhard, und man hat sie erst dann abgestellt, als von unserer Seite — übrigens nicht mit polemischem Geschrei, sondern unter der Hand — gesagt wurde: „Kinder, wollt ihr das nicht abstellen? Geht das nicht über die Hutschnur?" So ist es doch gewesen, so anständig haben wir es doch gemacht! Da haben Sie es abgestellt, da erst! Sehen Sie, da kann man dann doch nicht gleichzeitig wie der Bundeswirtschaftsminister in seinen Zeitungsanzeigen, von denen er uns nicht sagen will, wer sie eigentlich bezahlt, von „unserer anständigen Gesinnung" sprechen. Sehen Sie, Herr Erhard, Sie schreiben von „unserer anständigen Gesinnung", und gleichzeitig schreiben Sie: Die Opposition ist in Anbetracht ihrer Negativität und Destruktivität sittlich nicht zur Übernahme der Geschicke des deutschen Volkes legitimiert.
„Unsere Anständigkeit"! Ich will nicht so weit gehen, zu vermuten, daß auch dieses Wort aus christlicher Verantwortung geschrieben sei, Herr Minister Erhard.
Ich will Ihnen mal etwas sagen. Mit meiner Bibelfestigkeit ist es nicht so weit hier wie mit der der meisten von Ihnen. Aber ich weiß, daß in der Bibel, und zwar in den zehn Geboten steht: Du sollst den Namen des Herrn nicht unnütz führen. Sie führen ihn unnütz, Jahr für Jahr und Tag für Tag!
Dann steht in den Anzeigen ides Herrn Bundeswirtschaftsministers, von denen er uns nicht sagen will, wer sie eigentlich bezahlt — er ist ja „unabhängig" von den Leuten, die sie bezahlen; aber er sagt uns nicht, wer es ist —, ganz groß: Kein Platz für Geschäftemacher! Wer hat denn die Geschäfte in Deutschland von 1949 bis jetzt gemacht? Wir etwa? Die Arbeitnehmer etwa, Herr Erhard? Ihr habt sie doch gemacht! Ihr habt sie doch gemacht!
— Ja, ich verstehe, daß es Sie ärgert.
Herr Dr. Hellwig hat hier so seriös von der Stellung zum Privateigentum gesprochen und davon, wie sehr Sie dafür sind, und ich werde gleich etwas dazu sagen. Wir sind auch sehr dafür. Aber Sie sind heute ganz seriös für ,das Privateigentum, und Sie sind also jetzt am Ende der zweiten Legislaturperiode dafür, daß das in der dritten etwas anders gemacht wird. Eine neue Phase soll beginnen, sagte Herr Minister Erhard. Die Geschäftemacherei soll aufhören. Jedenfalls steht es so in den Anzeigen.
Wer hat denn mit Hilfe dieser Geschäfte bisher Privateigentum bilden können? Wer hat denn das Privateigentum gebildet?
— Lieber Herr Kollege, da fragen Sie einmal den
Herrn Kollegen Pferdmenges, der weiß das besser!
Aber nun zum Privateigentum. Herr Hellwig, wir sind der Meinung, daß jeder Mann und jede Frau, seien sie noch so klein und noch so gering oder noch so groß, das Recht haben soll, sich Privateigentum zu bilden.
Dafür wollen wir sorgen. Worauf es ankommt, ist aber nicht so sehr, ihnen neben den bisherigen technischen Formen, Privateigentum zu bilden, sei es über Bausparkasse oder über Kontensparen, zusätzliche Möglichkeiten dafür zu schaffen, wie sie ihr Geld anlegen sollen — jetzt schaffen Sie also zusätzlich die Volksaktie —, sondern worauf es ankommt, ist, ihnen die Möglichkeit zu schaffen, überhaupt das Geld zu bekommen, damit sie es sparen können. Das ist doch der Witz der Sache.
Ich möchte gern, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister die Fragen des Herrn Kollegen Kurlbaum wenigstens in einem Punkt zum Schluß noch beantwortet. Sie haben gesagt, Sie seien der Meinung gewesen, Zollermäßigung sei das Zweckmäßige. Ich nehme an, Sie sind esauch heute noch. Herr Bundeswirtschaftsminister, könnten Sie uns einmal erklären, weswegen es nicht gelingt, dieser Überzeugung in jener Hälfte des Hauses und im Bundeskabinett zum Durchbruch zu verhelfen? Woran liegt das eigentlich? Wir müssen allerdings vermuten, daß es z. B. an den 30 Millionen Mark liegt, die neuerdings diese Hälfte des Hauses bekommt. Das steht ja in der Zeitung und ist von Ihnen nicht dementiert worden. Die bekommt ihr doch allein für Wahlkampfzwecke von den Leuten, die gegen diese Zollermäßigung sind,
die gegen Ihr Kartellgesetz sind! Sie bekommen doch Geld von den Leuten, die sich die Hände reiben, wenn Ihre Beamten in Unverschämtheit aus den Ausschüssen herausgehen.
Oder sind Sie bereit, dem Haus Aufschluß darüber zu geben, wer das finanziert? Sind Sie bereit, dem Haus zu erzählen, wer Ihre ganze Anzeigenserie, die wir hier haben, bezahlt hat?
— Sind Sie bereit, Herr Hellwig, endlich im Ausschuß in die Beratung der Anfrage einzutreten, wieso das Volkswagenwerk auch zu ,diesen Anzeigen beitragen mußte? Alles das sind doch die Dinge, die hier in Wirklichkeit den moralischen Hintergrund für das Thema des Tages abgeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige Worte.
Mir ist gesagt worden, es komme nicht darauf an, verschiedene Formen der Eigentumsbildung zu schaffen, sondern es komme darauf an, überhaupt Eigentum bilden zu können. An dieser Frage wollen wir mal die Sache aufhängen. Hier geht es nämlich um die Prinzipien in der Wirtschaftspolitik. Daß das deutsche Volk heute wieder über einen anständigen Lebensstandard verfügt und ihn noch weiter verbessern wird, daß das deutsche Volk heute wieder in der Lage ist, überhaupt ans Sparen zu denken, das verdankt das deutsche Volk dieser unserer Politik,
die Sie bekämpft haben mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Das wollen wir einmal klar und eindeutig festgestellt haben. Sagen Sie einmal: Wer finanziert Ihren Wahlkampf?
Wenn Sie bereit sind, mir die Unterlagen zu geben, in denen auch steht, was Sie von der von Ihnen angegriffenen Industrie auch unmittelbar bekommen haben, dann bekommen Sie meine Ziffern auch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Hellwig hat von uns eine eindeutige Erklärung zur Eigentumsfrage gefordert. Ich bin gern bereit, diese abzugeben. Wir sind uneingeschränkt für das Eigentum, mit einer Ausnahme: wo Größe des Eigentums die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit des Machtmißbrauchs in sich schließt.
Das ist die Grenze des Eigentums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, ist gestattet.
Herr Kurlbaum, Sie sagten: Wir sind unbeschränkt für das Eigentum. Meinen Sie damit das private Eigentum oder irgendein anderes?
— Das fehlte nämlich dabei.
Gut. Ich bin Ihnen dankbar. Wir sind uneingeschränkt für das Privateigentum bis an die Grenze heran, wo der Machtmißbrauch mit diesem Eigentum beginnt. Da scheiden sich nun allerdings die Geister. In einer Diskussion zu diesem Thema hat das Mitglied der CSU, der frühere Wirtschaftsminister in Bayern, Herr Dr. Seidel,
einmal von der Unteilbarkeit des Eigentums gesprochen. Da scheiden wir uns allerdings von ihm und von seiner Partei.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einmal auf eins hinweisen. Was sagen Sie zum Beispiel zu der Tatsache, daß man in den USA bereits seit 1890 ein Antimonopolgesetz besitzt und handhabt, das zu wesentlichen Einschränkungen in der Verfügung über das Eigentum berechtigt?
— Herr Dr. Hellwig, ich rede jetzt nicht darüber, ob dieses Gesetz aus dem Jahre 1890 sich in allen Einzelheiten bewährt hat; es ist ein sehr altes Gesetz. Es geht hier aber um das Prinzip, und es geht darum, daß man hier versucht, alle diejenigen immer wieder als Planwirtschaftler zu diffamieren oder ihnen eine östliche Färbung zu geben, die nicht bereit sind, das Eigentum in unbegrenzter Höhe als unteilbar zu bezeichnen. Ich weise darauf hin, daß es Länder gibt, die nicht sozialistisch sind, mit alter parlamentarischer und demokratischer Kontrolle, die wesentlich weiter fortgeschritten sind als Sie, meine Damen und Herren von der Koalition.
Darum handelt es sich.
Nun noch eine Frage an den Bundeswirtschaftsminister. Er hat sich ja zu meinen Fragen, wie er glaubt, diese Art von Inseraten in Zukunft zu verantworten zu können und was er noch an Prestige hier in diesem Hause bei seinen Kollegen zu haben glaubt, nur sehr unbestimmt geäußert. Ich möchte den Bundeswirtschaftsminister fragen: Ist er nicht wenigstens bereit, in Zukunft in seinen Inseraten einmal deutlich zu sagen, wen er überhaupt anspricht? Ist er endlich bereit, einmal in seinen Inseraten zu sagen, ob er die Sozialdemokratie anspricht, ob er die Gewerkschaften anspricht oder ob er sich mit der SED unterhalten will?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Ich beschränke mich auf drei Sätze. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Retourkutsche, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gefahren hat — er hat auf Fragen statt zu antworten nur rhetorische Gegenfragen gestellt —, möchte ich nicht benutzen. Ich möchte nur folgende Frage stellen: Herr Bundeswirtschaftsminister. welche Interessen haben verhindert, daß die Zollsenkung zustande kam?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeswirtschaftsminister bzw. die Regierung haben die Möglichkeit, ihre Auffassung in Anträgen vorzulegen, der Minister in Regierungsvorlagen, über die das Kabinett entscheidet. Die Regierung hat die Möglichkeit, den Bundestag mit ihren Vorlagen zu befassen. Genau das habe ich getan. Sie wissen genau, welche Haltung ich dabei eingenommen habe. Ich bin, wie ich vorhin schon sagte, persönlich, individuell nicht dafür verantwortlich, wie dann die entsprechenden Gremien entscheiden. Ich habe Ihnen ja auch schon manchen Ratschlag gegeben; Sie sind mir auch nicht gefolgt. Das kann auch bei meiner eigenen Partei passieren; — das ist Demokratie.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit großer Befriedigung von der Erklärung des Herrn Kollegen Kurlbaum Kenntnis genommen, daß die SPD in vollem Umfange für die Institution des Sondereigentums eintritt.
— Sondereigentum ist Privateigentum, meine Damen und Herren. Wenn Sie schon eine Anleihe bei der katholischen Soziallehre machen, dann müssen Sie natürlich auch die entsprechenden Ausdrücke verwenden. Aber das nur nebenbei. Ich hätte mich jedoch sehr gefreut, Herr Kollege Kurlbaum, wenn Sie, als wir so verzweifelt um das Familienheimgesetz rangen, da Ihren Standpunkt, daß Sie für das Eigentum sind, vertreten hätten. Das haben wir damals leider nicht erlebt.
Ein zweites! Herr Kollege Schmidt aus Hamburg, ich habe kürzlich einen Brief erhalten, in dem ich gebeten worden bin, dafür einzutreten, daß die Steuerfreiheit für Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge — bisher bestand sie bei Gesamteinkünften in Höhe von 9000 DM im Jahr — auf 12 000 DM ausgedehnt wird. Im Finanz- und Steuerausschuß ist man darüber hinausgegangen und hat diese Grenze auf 15 000 DM festgesetzt. In der nächsten Woche werden Sie diese Vorlage zur Entscheidung bekommen. Glauben Sie denn im Ernst, wir würden eine solche Vorlage einbringen, wenn diejenigen, von denen Sie sprachen, nichts verdienten? Der Mann, der 250 DM im Monat hat, braucht diese Steuerfreigrenze nicht; aber die Hafenarbeiter und Stauer, die haben sie notwendig!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt Einzelplan 09 und den dazugehörigen Drucksachen liegen nicht vor. Die Debatte ist hiermit geschlossen.
Ich nehme an, daß die vorliegenden Änderungsanträge in der Debatte begründet worden sind. Ich stelle das hiermit fest.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Zu Tit. 601 — Seite 18 der Drucksache 2900, Einzelplan 09 — liegt auf Umdruck 1100*) ein Antrag der FDP vor. — Verzeihung, Herr Bundesfinanzminister, die Debatte ist geschlossen. — Dieser Antrag betrifft Maßnahmen zur Förderung des Handwerks. Der Ansatz soll von 6 000 000 DM um 4 000 000 auf 10 000 000 DM erhöht werden. Weiter wird beantragt, die Erläuterungen zu Tit. 601 zu ändern. Ich bitte diejenigen, die diesem An-
*) Siehe Anlage 3
trag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zu dem zu Tit. 606 auf Umdruck 1090*) von den Abgeordneten Dr. Elbrächter, Dr. Preiß und Genossen gestellten Antrag. Es handelt sich um Maßnahmen zur Förderung des Exports, und hier soll der Ansatz der Regierungsvorlage in Höhe von 1 850 000 DM wiederhergestellt werden. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag — Seite 3 des Berichts — zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Nun folgt der Antrag der SPD unter Ziffer 1 des Umdrucks 1080") zu Tit. 608, Förderung der hauswirtschaftlichen Aufklärung und Beratung, Seite 20 der Drucksache. Es wird beantragt, den Ansatz von 50 000 DM auf 150 000 — also um 100 000 DM — zu erhöhen und die Erläuterungen zu Tit. 608 entsprechend zu ändern. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Elbrächter und Genossen auf Umdruck 1058***) zu Tit. 612 — Zuschuß zur Durchführung von bundeswichtigen Aufgaben auf dem Gebiet der Bodenforschung —, Seite 21 der Drucksache. Der Ansatz soll von 400 000 DM um 1 000 000 DM auf 1 400 000 DM erhöht werden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme jetzt zu dem Änderungsantrag der SPD unter Ziffer 2 des Umdrucks 1080**) zu Tit. 615 — Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit, inbesondere der Verbraucher, über allgemeine Marktfragen —, Seite 22 der Drucksache. Hier soll die Zweckbestimmung ergänzt werden. Ferner wird beantragt, den Ansatz von 150 000 DM auf 250 000 DM zu erhöhen und die Erläuterungen zu ändern. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt. Damit sind sämtliche Änderungsanträge abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die Vorlagen selbst. Es liegen Ihnen die Drucksache 3458, dazu ein Nachtrag zu der Drucksache 3458 und dann ein Schriftlicher Bericht z u Drucksache 3458****) vor. Dieser Bericht enthält keinen Antrag; er wird als Teil des Gesamtberichts zur Kenntnis genommen. Die von mir an zweiter Stelle genannte Urkunde, nämlich der Nachtrag zu der Drucksache 3458, enthält einen Nachtrag zu Kap. 09 01 Tit. 101. Da es sich bei diesem Nachtrag zur Drucksache um eine Änderung und Ergänzung des Hauptantrags handelt, stelle ich ihn zunächst zur Abstimmung.
Ich nehme an, daß Sie bei den zahlreichen Einzelgesprächen haben folgen können.
Bitte, Herr Kollege Schoettle!
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 6 ****) Siehe Anlage 2
Der Nachtrag bildet eine Einheit mit dem Hauptantrag des Ausschusses. Ich glaube, darüber kann man in einem abstimmen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut, mir ist es noch viel lieber. Ich wollte nur sehr präzise sein, denn man könnte verschiedener Meinung sein. Aber wenn die Fronten klar sind, ist es mir auch recht.
Dann stelle ich diesen Nachtrag zu Drucksache 3458 mit der. Drucksache selbst zur Abstimmung. Der Antrag geht dahin, den Entwurf des Einzelplans 09 mit den aus der nachstehenden Zusammen stell ung ersichtlichen Änderungen und, wie ich hinzufügendarf, mit dem Nachtrag zu Drucksache 3458, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Einzelplan 09 ist angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 08:
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Es liegen vor die Drucksachen 3457 und zu 3457. Änderungsanträge scheinen nicht vorzuliegen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen. Bitte, Herr Kollege Krammig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, doch etwas mehr Ruhe zu geben, damit der Berichterstatter sich vernehmlich machen kann.
Nachdem der Schriftliche Bericht abgeschlossen war, hat der Haushaltsausschuß noch einen Beschluß gefaßt, der die Abschlußsummen des Einzelplans um 6 Millionen DM verändert. Ich möchte Sie deshalb bitten, ,auf Seite 1 des Schriftlichen Berichts bei den Ausgaben anstatt 918 608 000 DM 924 608 000 DM zu schreiben und beim Zuschuß eine entsprechende Änderung vorzunehmen, so daß sich die Zahl 742 279 800 DM um 6 Millionen DM auf 748 279 800 DM erhöht.
Aus diesem Grunde muß in dem Bericht die Nummer 5 der Einleitung wie folgt lauten:
Das Mehr an Personalausgaben, das von den Gesamtmehrausgaben in Höhe von 60 764 600 DM ... mit 43 143 500 DM = '71 v. H. am Gesamtausgabenmehr partizipiert, entfällt . . .
Und dann weiter, wie der Text hier lautet.
Drittens bitte ich Sie, folgende Änderung vorzunehmen. In Nr. 13 muß es in der sechsten Zeile statt ,.geringer" „geringerer" heißen.
Im übrigen darf ich mich auf den Schriftlichen Bericht 'beziehen.
*) Siehe Anlage 7
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich nehme an, daß die Berichtigung allseits zur Kenntnis gekommen ist. Schriftlich liegt sie nur hier oben vor.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister ist zugleich Ressortminister und Budgetminister. Als Ressortminister hat er, reformfreudig, wie er ist, in den Einzelplan 08 ein neues Kapiteleingefügt, nämlich das Kap. 08 09 „Bundesmonopolverwaltung für Branntwein".
Ich habe leider eben Ihren Bericht nicht hören können, Herr Kollege Krammig. Im Ausschuß hat man — ich war nicht dabei — das Wort ,,Bundesmonopolverwaltung" in „Bundesmonopol a m t" geändert. Im Bericht — ich konnte Sie leider nicht mehr fragen — steht eine Begründung dafür nicht. Uns kommt es aber darauf an, die Monopol verwaltun g in ihrer Gänze parlamentarisch zu kontrollieren und nicht nur das Monopolamt. Die Gründe, die die Regierung veranlaßt haben, den Vorschlag zu machen, 'das Wort „Bundesmonolverwaltung" in „Bundesmonopolamt" zu ändern, sind mir nicht bekannt, ich kann sie mir aber denken.
Mehr als die formale Einfügung dieses Kap. 08 09 ist allerdings auch nichtgeschehen. Nach wie vor versteht es die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, zu verheimlichen, mit welchem Effekt die einzelnen Zweige der Branntweinwirtschaft arbeiten. Nach wie vor entsteht dem Steuerzahler durch die verfehlte Branntweinpolitik des Bundesfinanzministers ein jährlicher Schaden von mindestens 30 bis 40 Millionen DM.
Um nun endlich einmal Klarheit in diese Verworrenheit zu bekommen, hat der Deutsche Bundestag am 25. Juni 1953 auf meinen Antrag hin einstimmig beschlossen, die Deutsche Revisions-und Treuhand AG mit der Überprüfung der Monopolverwaltung für Branntwein zu beauftragen. Durch einen merkwürdigen Umstand ist dieser Auftrag des Bundestags nicht unmittelbar an die Deutsche Revisions- und Treuhand AG gegeben worden, sondern an den Herrn Bundesfinanzminister, der ja als aufsichtführender Minister gerade mit kontrolliert werden sollte. Nachdem mir dies bekanntgeworden war, schrieb 'ich dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestags einen Brief und legte darin dar, welche 'Gesichtspunkte für den Auftrag Ian die Deutsche Revisions- und Treuhand AG maßgebend seien. Der Ältestenrat trat meiner Auffassung bei. Nunmehr wurde ein Brief an den Präsidenten des Bundesrechnungshofs geschrieben, der seinerseits erklärte, er könne als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Revisions- und Treuhand AG dem Vorstand dieser Gesellschaft keine Direktiven geben. Damit war der Auftrag des Deutschen Bundestags im Eimer. An der formalen Richtigkeit des Rechenwerks habe ich nie gezweifelt. Es kam vielmehr darauf an, nachzuprüfen, mit welchem Effekt die einzelnen 'Sparten der Branntweinwirtschaft arbeiten.
In dem vierbändigen Revisionsbericht, der den deutschen Steuerzahler nun wieder 60 000 DM oder vielleicht noch mehr gekostet hat, steht in Ziffer 113 folgendes:
Es ist wegen des Fehlens einer präzisen Kostenträgerrechnung nicht möglich, genau festzustellen, wie hoch die Gewinne bzw. die Verluste an den einzelnen Sorten gewesen sind.Angesichts der 'betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Vorgänge hielten wir es indes für notwendig, zumindest annäherungsweise die Größenordnung 'der Gewinne und Verluste anzudeuten.
Dann folgen Angaben darüber, in welcher Weise die Erfolgsspaltung vorgenommen wurde.
Nach dieser Rechnung hat das Geschäft in den verlustbringenden Sorten das Ergebnis um annähernd 35 Millionen DM im Rechnungsjahr 1950/51 und um 43 Millionen DM im Rechnungsjahr 1951/52 geschmälert. Im großen und ganzen kann man annehmen, daß sich der Zuschuß für die mit Verlust verkauften Sorten in der Größenordnung von 30 bis 40 Millionen DM bewegt.
Aus dem Prüfungsbericht der Treuhandgesellschaft ist besonders zu bemerken, daß die Erträge aus der B Branntweinaufschlagsspi'tze über die jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen als Erträge der Monopolverwaltung ausgewiesen wurden. Die Treuhand weist darauf hin, daß diese Erträgnisse nach dem 'Gesetz vom 21. Oktober 1948 Verbrauchsteuern 'im Sinne der Reichsabgabenordnung sind, 'daß aber der Bundesfinanzminister mit Erlaß vom 30. Oktober 1950 diese Einnahmen direkt der Bundesmonopolverwaltung zuweist. Interessant ist, daß 'der Bundesfinanzminister in dem erwähnten Erlaß unter III die Oberfinanzdirektionen anweist, die :in den jeweils abgelaufenen Monaten aufgekommenen Aufschlagsspitzen durch Absetzen von der Einnahme als Haushaltsausgabe an die Kasse der Monopolverwaltung auszuzahlen. Die Aufschlagsspitze ist seit dem Gesetz von 1948 genauso wie die Monopolausgleichsspitze Steuer im Sinne der Abgabenordnung. Beide Spitzen werden durch die Zollverwaltung festgesetzt und erhoben. Die Aufschlagsspitze fließt neuerdings in die Bundeshauptkasse, während die Ausgleichsspitze nach dem obigen Ministerialerlaß an die Monopolverwaltung zurückgeht.
Betrachtet man die mit dem Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für das Geschäftsjahr 1954/55 in der Drucksache 2259 vorgelegte Gewinn-und Verlustrechnung unter diesem Gesichtspunkt, so schließt die Gewinn- und Verlustrechnung nicht, wie 'ausgewiesen ist, mit einem Gewinn von 9,7 Millionen DM ab; durch den Ausweis von 22,5 Millionen DM Ertrag an vereinnahmter Branntweinsteuer, also Branntweinaufschlag, die gesetzmäßig direkt an die Bundeshauptkasse abzuführen waren, sieht das Ergebnis vielmehr so taus, daß die Bundesmonopolverwaltung für dieses Geschäftsjahr zirka 12,8 Millionen DM Verluste ausweisen müßte.
Meine Damen und Herren, kürzer konnte ich dies nicht vortragen; ich wollte es einmal bundestagsaktenkundig machen. Ich habe seit einigen Jahren über die Monopolverwaltung für Branntwein nicht mehr gesprochen, weil es nach der Komödie mit der Beauftragung der Deutschen Revisions- und Treuhandgesellschaft einfach keinen Sinn mehr hatte, in diesem Bundestag über diese Skandalwirtschaft in der Branntweinwirtschaft zu sprechen.
Neuerdings kauft man nun Sprit in großen Mengen im Ausland, d. h. in Frankreich, zu einem Preis, zu dem man in der Bundesrepublik Sprit nicht kaufen kann, weil man ihn hier zu diesem
Preise nicht herstellen kann. Allerdings auch in Frankreich nicht, dort wird der Sprit so stark subventioniert, daß er zu so niedrigem Preis ausgeführt werden kann.
Die Monopolverwaltung wird vermutlich dazu erklären, daß sie einführen müsse, weil sie nicht genügend Sprit habe. Das ist aber Schuld der verfehlten Vorratspolitik der Monopolverwaltung. Man zwingt Großproduzenten zur Stillegung und nutzt vorhandene freie Kapazitäten nicht aus. Dieser Druck auf die Großproduzenten zur Umstellung auf andere Produktion bringt es außerdem mit sich, daß der Bundesfinanzminister Versprechungen, die er ,diesen Großproduzenten für die Umstellung gemacht hat, von Bedingungen abhängig macht, die schlechterdings nicht zu erfüllen sind.
Diese Bundesmonopolverwaltung ist eine völlig veraltete Institution. Ursprünglich diente sie dem Schutz der ostdeutschen Großlandwirtschaft, die heute nicht mehr existiert. Sie wird weitergeführt, weil bestimmte Interessen es vermocht haben, sich bis heute durchzusetzen. Der Bundesfinanzminister interessiert sich nicht dafür. Er hat, 'als ein Wechsel in der Leitungnotwendig war, seinen bisherigen Branntweinsteuerreferenten mit ,der Leitung betraut, dem man nachrühmt, daß er des Geigenspiels besonders kundig ist, der aber keine ausnehmenden wirtschaftlichen Kenntnisse hat. Die Erzeuger und die Verarbeiter — bis auf einen kleinen Kreis einer bestimmten Interessentengruppe — waren sich ja einigdarüber, daß dieser juristisch gut vorgebildete Mann für 'einen solchen Posten nicht in Frage kommen konnte. Der ,Bundesfinanzminister hat alle Warnungen in den Wind geschlagen.
Nun war vor zwei Jahren der Posten des Direktors der Verwertungsstelle neu zu besetzen. Sie haben, Herr Kollege Krammig, im. Haushaltsausschuß durch die Änderung der Bezeichnung — erst hieß das Kapitel „Bundesmonopolverwaltung für Branntwein", jetzt heißt es „Monopolamt" — die „Verwertungsstelle" ausdrücklich draußen gelassen. Sie haben also durch einen Akt des Parlaments die Verwertungsstelle, die die gesamten Geschäfte der Monopolverwaltung macht, der Kontrolle des Parlaments entzogen. Ich habe vor gut zwei Jahren im Haushaltsausschuß des Bundestags die Frage gestellt, ob es wahr sei, daß ein bestimmter Mann als Direktor für die Verwertungsstelle in Aussicht genommen sei. Man antwortete mir: ja, er sei in Aussicht genommen. Ich habe dann darauf aufmerksam gemacht, daß in der Vergangenheit, in der ökonomischen Vergangenheit dieses Mannes dunkle Punkte seien, die ihn nicht geeignet erscheinen ließen, eine solcheStelle einzunehmen. Der Regierungsvertreter hat mir geantwortet: möglicherweise sei früher in der „wilden Zeit" 'dies und jenes passiert. Meine Damen und Herren, mit der sogenannten „wilden Zeit" von 1945/46/47 ist gar nichts zu entschuldigen! Wenn nicht Tausende von Männern und Frauen, von denen ja viele auf allen Bänken dieses Hauses unter uns sitzen, damals ehrlich und redlich versucht hätten, dem Chaos Stückchen um Stückchen abzuringen, dann wäre der Aufstieg nicht möglich gewesen. Man soll doch nicht so tun, als ob jemand, der in der „wilden Zeit" versagt hat, später in Ordnung wäre. Man hat mir gesagt, möglicherweise sei er früher ein Windhund gewesen. Ich habe darauf geantwortet: Windhunde 'bleiben Windhunde. Wenn sie alt werden, sind sie eben ,aalte Windhunde.
Und was ist nun passiert? Im Dezember vorigen Jaihres wurde dieser Direktor und einer seiner Mitarbeiter fristlos entlassen und verhaftet. Vor kurzem sind beide wegen Bestechung, Untreue und Betrugs angeklagt worden. Es wird ihnen zur Last gelegt, bei Spritkäufen aus dem Ausland, die ich vorhin schon kritisiert habe, Schmiergelder in großer Höhe angenommen zu halben.
Da ist doch wirklich zu fragen: Warum stellt der Präsident der Bundesmonopolverwaltung einen solchen Mann ein, warum hört der Bundesfinanzminister auf keine Warnung? Es waren ja keine unsubstantiierten Hinweise, nein, es handelte sich um seine berufliche Vergangenheit. Aber der Herr Bundesfinanzminister ist noch so gut gemeinten Ratschlägen nicht zugänglich.
Unabhängig davon, wie dieser Strafprozeß ausgeht, muß hier noch einmal gesagt werden, daß die Bundesmonopolverwaltung nicht nur in ihrem formalen Rechenwerk, sondern 'auch in ihrer gesamten Wirtschaftsgebarung der parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden muß. Es geht auch nicht an, daß 'der Bundesfinanzminister Verbrauchsteuern festsetzt, ohne das Parlament zu befragen, und der Monopolverwaltung zu viele Ermessensentschedungen überläßt.
Ich habe gegen Schluß des 1. Deutschen Bundestags im Namen meiner Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht, der die parlamentarische Mitwirkung und Kontrolle vorsah. Der Entwurf wurde nicht mehr erledigt, er wurde auf Eis gelegt. Im 2. Bundestag hatte es keinen Sinn mehr, sich damit zu befassen; der Bundestag war nicht bereit, die Regierung war uneinsichtig. Aber ich sage Ihnen: es kann nicht ausbleiben, daß in einigen Jahren eine Situation eintritt, in der das Parlament gezwungen sein wind, sich mit der Branntweinwirtschaft zu befassen.
Soviel zum Ressortminister, zu dem natürlich noch einiges mehr zu sagen wäre. Ich tue das jetzt nicht. Aber 'ich muß noch einige Bemerkungen zum Budgetminister machen.
Herr Kollege Vogel hat neulich in einer Pressekonferenz den gegenwärtigen Etat 'als einen Wendepunkt der deutschen Finanzpolitik bezeichnet. Inwiefern ist dieser Etat ein Wendepunkt? Der Etat offenbart und dokumentiert jetzt wohl auch dem, der es vorher nicht glauben wollte, den Zusammenbruch der Schäfferschen Finanzpolitik. Bemerken wird es der Steuerzahler erst im Jahre 1958; ganz genau 'aber erst im Jahre 1959! Dieser Etat zeigt keinen Anflug zu einer Wende der Politik, sondern er praktiziert die alten Mittelchen und Mätzchen, die wir nun seit einer Reihe von Jahren gewöhnt sind. Er ist ein Etat der alten Konstruktion, er ist noch unsolider und noch unstabiler als in den vorhergehenden Jahren.
Dieser Etat 1957 wurde vom Herrn Bundesfinanzminister hier — er liebt ja 'für seine Etats immer Bezeichnungen — als der Etat der Stabilität und der sozialen Sicherheit eingebracht. Einen Etat, in dem bei der Einbringung, von den außerordentlichen Ausgaben abgesehen, 2,2 Milliarden DM neue Dauerausgaben standen, denen keine neuen Einnahmen gegenüberstanden, kann man weiß Gott nicht als einen Etat der Stabilität bezeichnen.
Nun wird der Etat den Bundestag mit neuen Ausgaben von 6,1 Milliarden DM verlassen, die nicht durch Einnahmen gedeckt sind, sondern die durch die einmalige Einnahme aus den Rücklagen
genommen werden. Das Rückstellungskonto von 4020 Millionen DM wird aufgelöst, die 580 Millionen DM, die für Stationierungskosten bereits zurückgestellt waren, werden in den Haushalt zurückgenommen. Der Bundesfinanzminister hat immer mit Nachdruck darauf 'hingewiesen, daß er verpflichtet sei, einen ausgeglichenen Etat vorzulegen. Diese Ausgeglichenheit war immer eine Fiktion. — Lieber Herr Pelster, Sie schütteln mit dem Kopf.
— Das stimmt nicht?
— Aber, meine Herren, dann treten Sie doch nachher mal hierhin und beweisen Sie mal, daß das nicht stimmt, was ich soeben gesagt habe, daß die Ausgeglichenheitimmer eine Fiktion gewesen sei.
— Verehrte Kollegen, darauf 'bin ich also wirklich gespannt.
— Es ist immer mehr aufgekommen, selbstverständlich; und der Etat ist immer unausgeglichen gewesen.
— Natürlich hat dieses Haus Ausgaben beschlossen.
— Bin ich .denn verantwortlich für das, was Sie an Ausgaben mehr beschlossen haben? Der Bundesfinanzminister kommt ,doch dauernd her und rechnet vor, was das Parlament durch seine Ausgabenfreudigkeit mehr beschlossen hat. Daß es sich in Wirklichkeit im 'wesentlichen um Nachschiebe-listen der Regierung handelt, das sagt er nicht dazu. Aber wenn Sie wollen, 'können wir das hier einmal öffentlich raustragen. Wir haben ja die Zahlen alle var uns und 'kennen sie. Wir können dann im einzelnen sagen, wie es in Wirklichkeit steht. Ich stelle 'mich dieser Aussprache gern.
Der Bundesfinanzminister geht bei seinen finanzpolitischen Betrachtungen immer von falschen Voraussetzungen aus.
— Der Bundesfinanzminister erklärt z. B. in einer Versammlung in Passau, wenn seine Frau einen Wintermantel brauche, lege er dafür zurück, und was für den Privatmann selbstverständlich sei, das wolle man dem Finanzminister verargen. Mit einem solchen Beispiel in seinen Reden streut er doch der Bevölkerung Sand in die Augen. Er sagt dann: „Was beim Privatmann eine Tugend ist, das wollt ihr beim Finanzminister tadeln?" Hierin steckt der Kern der falschen Schäfferschen Konzeption.
(Abg. Dr. Conring: Haben Sie mal etwas
von der Rückla,genverardnung gehört?)
— Zweifellos: aber was hat denn die Rücklagenverordnung mit der Hortung im Großen zu tun?
— Das bestreite ich nicht; aber auch das, Herr Kollege Horlacher, ist eine richtige Überlegung, auf einen falschen Tatbestand ,angewendet.
Rudolf Herlt wies in der „Welt" vom 9. Mai richtig darauf hin, wer es auf die Gefahr hin, langweilig zu wirken, immer wieder wage, auf die Folgen der Schäfferschen Finanzpolitik der vollen Kassenaufmerksam zu machen, sei dem bayerischen Sarkasmus des Bundesfinanzministers ausgesetzt und bekommeimmer wieder zu hören, daß die Nationalökonomen ihn schon gar nicht überzeugen könnten. Er hält 'es offensichtlich mit idem sicher noch berühmt werdenden Wort des Kollegen Schmücker, der einmal sagte, daß ihn noch so sachliche Argumente von seiner politischen Überzeugan,g nicht 'abbringen könnten. Das bedeutet nichts anderes, als daß er — der Bundesfinanzminister sagt es .auch — sich durch nationalökonomischen Sachverstand von seinen Vorurteilen nicht abbringen lassen will.
Der Bundesfinanzminister sagte neulich zu meinen Schlußfolgerungen — ich hatte ein paar freundliche Bemerkungen zu seiner Wallfahrtsabsicht für den Fall, daß ihm Gottes Fluch wieder das Amt des Finanzministers übertrüge, gemacht,
— der Weise stehe allein. Ich fürchte, Herr Kollege Schäffer, es wird bald lauten: Der Waise — der Waisenknabe — steht allein. So weit wird es kommen, wenn Sie es in dieser Weise weitertreiben.
— Ja, mit „ei" 'geschrieben! Aber der Waisenknabe, der nächstens durch den Herrn Bundesfinanzminister dargestellt wird — wir wollen mal sehen, wie er sich fühlen wird!
Der Bundesfinanzminister — das war es, was ich hier einmal ausführen wollte — kann nur in juristischen Kategorien denken, 'und zwar überwiegend in zivilrechtlichen Kategorien. Daher auch der immerwieder auftauchende Gegensatz zwischen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfinanzminister. Man mag Erhards Politik im einzelnen für richtig oder für falsch, für weniger richtig oder für weniger falsch halten; aber man kann doch nicht bezweifeln, daß er in modernen volkswirtschaftlichen Ansichten denkt und damit in der Sphäre dies öffentlichen Lebens dem formaljuristisch den-
enden Bundesfinanzminister weit überlegen ist. Dieses Gespann — Erhard, ein freischaffender Künstler in großen Linien; Schäffer, ein Detaillist ohne große Linien — kann doch unmöglich wirksam zusammenarbeiten, zumal in einem Wirtschaftskabinett, das von dem „Marschall Blücher" geführt wird.
— Das tut mir leid; es liegt aber, glaube ich, nicht an Mir.
Ich habe ja oft dem Herrn Bundesfinanzminister meine persönliche Sympathie ausgesprochen. Ich sehe in seiner Entwicklung eine wirkliche persönliche Tragik. Sie werden es ja demnächst auch sehen. Er ist niemals zu einem Gespräch über die Grundlagen seiner Politik bereit, und wenn er nicht durchkommt, dann droht er mit Rücktritt. Sehen Sie bitte mal im Pressearchiv nach, zu wie vielen Malen der Bundesfinanzminister mit seinem Rücktritt gedroht hat. Er hat kein einziges Mal seine Drohungen wahrgemacht, vermutlich hat er es niemals ernst gemeint.
Einmal, als die Presse schrieb, nun scheine es aber, daß es wirklich ernst sei, habe ich an die „Welt am Sonntag" geschrieben: „Tritt Schäffer wirklich zurück?" und habe dann dargelegt, daß er auch dieses Mal nicht zurücktreten werde. Und 'er trat nicht zurück. Er sitzt noch immer da.
— Ach, „gnade Gott unserem Volk"!
— Na ja, über die späteren Zeiten haben wir einiges zu sagen. Die späteren Zeiten werden wir ja ausbaden müssen.
— Wir, wir alle werden sie ausbaden müssen; das habe ich vorhin schon gesagt. Der deutsche Steuerzahler muß sie ausbaden.
— „Bis jetzt hat es uns gut gegangen", lieber Gott, was ist das für eine Rede, Herr Pelster!
— Wenn es einen aber gut geht und mit Notwendigkeit daraus folgen muß, daß es aus diesem Gutgehen heraus schlecht werden muß — das gilt für Ihre Verteidigungspolitik, das gilt für Ihre Finanzpolitik —, dann ist das keine gute Sache.
— Das ist kein guter Einwand.
— Das ist kein Einwand. Es kommt hier auf die Gesamtkonzeption an.
Wenn in dieser Gesamtkonzeption die Opposition beispielweise in der Sache des Luftschutzes oder zur Förderung der Wissenschaften wie neulich bestimmte Anträge einbringt, dann ist es doch ganz klar, daß sie das tun will, um ihren Standpunkt, ihren prinzipiellen Standpunkt darzulegen. Würde die Opposition Finanzpolitik machen — ich sagte schon vor ein paar Jahren: Finanzpolitik kann nur im Zusammenhang mit Wirtschafts- und Sozialpolitik gemacht werden —, dann würden ja die Anträge anders aussehen. Dann würde eine andere Konzeption den gesamten Bundeshaushalt bestimmen. Schäffer hat zu allem, was auch an ihn herangetragen wurde, immer nur nein gesagt. Es kann die kleinste Position sein, er sagt nein. Nur wenn die großen Interessenverbände kommen und drängen, dann droht er erst ein bißchen und dann sagt er ja.
Der Bundesfinanzminister hat von sich aus niemals ein Programm entwickelt, sondern er hat immer nur widerwillig dem zugestimmt, dem er nicht mehr ausweichen konnte. Er hat z. B. von sich aus keine Vorschläge zu einer organischen Steuerreform gemacht, sondern er hat sich alles, was geschehen ist, widerwillig abringen lassen. Und von dem, was geschehen ist, ist ja sehr vieles nicht gut. Worin bestand denn Ihre Steuerpolitik? Ihre Steuerpolitik bestand darin, Dutzenden von Gruppen Sonderwünsche zu erfüllen, Sondervergünstigungen zu gewähren, die nicht im Interesse einer allgemeinen Steuergerechtigkeit waren.
— Lieber Gott, wenn ich diese Gruppen aufzählen soll, da gibt es eine ganze Reihe.
— Aber das ist doch nicht das Problem, Herr Horlacher!
— Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß zahlreichen Sonderwünschen nachgegeben worden ist, was man ja im Bundesfinanzministerium genauso gut weiß. Wir haben doch aus dem Mund der Herren vom Bundesfinanzministerium oft genug gehört, daß es mit den Sonderbegünstigungen aufhören muß.
— Unsere Anträge haben Sie ja zumeist abgelehnt, Herr Pelster!
Sie verschieben das Problem. Ich habe gesagt, daß der Bundesfinanzminister keinen wirklichen Ansatz zu einer organischen Steuersenkung gemacht hat.
— Der Bundesfinanminister hat auch keinen wirklichen Ansatz zur Haushaltsreform gemacht. Es ist alles beim alten geblieben. Man sagt, gewisse Dinge lägen in der Schublade. Das System der kleinlichen Kontrollen ist ausgebaut. Ich habe wiederholt gesagt, daß man den Behördenchefs mehr Selbständigkeit geben und sie hinterher stärker kontrollieren muß. Was hat man getan? Man baut das System der Vorprüfungen in einer Weise aus, und auch durch die Jährlichkeit des Haushalts kommt man zu dem Ergebnis, daß zahlreiche Behördenleiter keinen anderen Ausweg sehen, als beispielweise durch sinnlose Käufe in den letzten Wochen des Haushaltsjahrs ihre Mittel zu verbrauchen, weil, wenn sie sie nicht verbrauchen, da sie sie sinnvoll erst im April oder Mai verbrauchen könnten, sie ihnen ja gestrichen werden; denn wenn ein Ansatz in einem Jahre nicht verbraucht wird, sieht die Regierung schon im nächsten Jahre einen geringeren vor. Das ist auch ein Ausdruck des nichtvolkswirtschaftlichen Denkens, das sich nur in juristischen Kategorien bewegt.
Nun noch ein Wort zu dem, was ich gestern schon angeschnitten habe und wozu ich bei Einzelplan 35 noch einiges sagen werde. Schäffer ist jahrelang besorgt gewesen, Kassenreserven für die zu erwartenden Verteidigungsausgaben zu schaffen. Dieser Gedanke, den ich vorhin schon bei dem Mantelkauf angeschnitten habe, entspricht seiner fiskalisch-ärarischen Denkweise, ist aber volkswirtschaftlich in keiner Weise zu vertreten. Diese Politik der Kassenbildung hat zu Reserven bei der öffentlichen Hand geführt, die eine latente Inflationsgefahr in sich bergen.
— So, das ist dummes Geschwätz!
— So, das ist dummes Geschwätz! Herr Horlacher, ich habe Ihnen aber größeren Sachverstand zugetraut.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Horlacher, ich darf wohl unterstellen, daß Ihnen dieses Wort von dem dummen Geschwätz in der Eile entfahren ist. Ich nehme an, daß Sie es nicht auf den Kollegen Gülich bezogen haben.
Herr Präsident, ich muß es allerdings auf mich beziehen. Aber ich muß gestehen: wenn Sie sagen: „Das ist dummes Geschwätz", dann muß ich doch annehmen, Herr Horlacher, daß Sie meinen, ich habe das dumme Geschwätz gemacht.
Ich könnte Ihnen sagen, Herr Horlacher — ich muß mich jetzt vorsichtig ausdrücken, damit ich keinen Ordnungsruf vom Herrn Präsidenten kriege —, daß Ihre Ausführungen von solcher Qualität sind, daß es sich nicht lohnt, darauf einzugehen.
Nun sagt ja die Heilige Schrift, daß man nicht mehr an den Haushaltern suche, denn daß sie treu erfunden würden, und ich habe niemals — niemals! — gesagt, der Bundesfinanzminister sei nicht treu, nicht redlich, nicht fleißig gewesen. Ich habe in einer der letzten Sitzungen sogar gesagt, daß er mit einem ausgezeichneten Verstand ausgerüstet ist. Ich habe nur bedauert, daß er einen so falschen Gebrauch davon gemacht hat.
Aber bei dieser Frage nach der Treue müssen wir ja noch ein anderes biblisches Gleichnis heranziehen, nämlich das von dem Hausherrn, der eine Reise antritt und sein Vermögen — seine Talente, wie es in den alten Ausgaben der Schrift heißt — unter seine Knechte verteilt. Der Bundesfinanzminister ist jenem Knechte gleich, der seine Talente in sein Schweißtuch wickelte und es vergrub, sprich: zinslos auf der Bank deutscher Länder anlegte.
— Ja, das Bundesvermögen hat sich bei der ganzen Wirtschaftsentwicklung vermehrt, aber mit dem ihm anvertrauten Pfund hat der Finanzminister nicht gewuchert im biblischen Sinne, sondern er hat es auf die hohe Kante gelegt, eben privatwirtschaftlich gedacht. Das ist es.
Jetzt lasten also durch diese verfehlte Finanzpolitik auf dem Bundeshaushalt Ausgaben, die ständig Ansprüche an den Bundeshaushalt stellen werden, ohne daß entsprechende Dauereinnahmen zu ihrer Deckung vorhanden sein werden. Der Bundesfinanzminister hat ja jetzt offen eingestanden, daß er mit dieser Politik des Sparens für künftige Ausgaben gescheitert ist, und er hat den Zusammenbruch seiner Konzeption, der ihm weiß Gott von allerlei Finanzsachverständigen, nicht nur von Sozialdemokraten, seit Jahren vorgehalten und vorausgesagt worden ist, zugegeben. Keine gute Situation, in der er sich jetzt befindet. Er bekennt sich freilich nicht zu seiner eigenen Kurzsichtigkeit und zu seiner volkswirtschaftlichen Planlosigkeit, sondern er schiebt die Verantwortung für die Finanzmisere dem Parlament zu — was er sich da im Wahlkampf alles leisten wird, wollen wir einmal mit Interesse verfolgen —: nicht er, sondern das Parlament sei schuldig. Dabei ist es doch ganz klar, daß die Hortungspolitik des Bundesfinanzministers — was ihm aber auch vorausgesagt worden ist — der Steigerung der öffentlichen Ausgaben Vorschub geleistet hat. Warum haben denn auch die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister nicht ein einziges Mal in all den Jahren, als das Parlament die Mehrausgaben beschlossen hat, vom Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht? Die „Welt" hatte neulich einen reizenden Druckfehler. Sie schrieb, er habe nie vom Art. 131 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht. Ach, vom Art. 131 ist ja reichlicher Gebrauch gemacht worden, aber von Art. 113 nie! Das läßt sich nun nicht bestreiten: Der Bundesfinanzminister hat wiederholt mit der Anwendung des Artikels gedroht, aber wenn es ernst wurde, haben Sie nachgegeben; Ihren Interessenten haben Sie nachgegeben.
— Es hat sich immer ein Ausweg gefunden?
— Richtig, 6,1 Milliarden stehen in diesem Haushalt als neue Dauerausgabe, denen keine Einnahmen gegenüberstehen, sondern die aus der Hortungspolitik stammen. Das ist der Witz. Herr Kollege Horlacher, es ist doch ganz klar: wenn in einem Staat nicht die Haushaltspolitik die Kassenlage bestimmt, sondern die Kassenlage die Haushaltspolitik macht, dann kommen doch die Wünsche
auch aus dem Parlament. Es wäre merkwürdig, wenn sie nicht kämen. Das verteidigen Sie, Herr Kollege Horlacher? Sie alter Hase, der Sie schon dem Reichstag angehörten — ich habe oft und noch jetzt Ihre Reden im Reichstag nachgelesen, weil ich mich mit der Geschichte des Parlaments beschäftige —, Sie alter Hase kommen mir mit solchen Sachen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich, bitte.
Herr Professor, was wäre passiert, wenn die Ausgabenanträge der SPD bewilligt worden wären? Dann wären es vielleicht 10 oder 15 Milliarden mehr geworden, als es jetzt geworden sind.
Erstens, Herr Höcherl, haben Sie die Ausgabenanträge der SPD nicht addiert. Sonst würden Sie nicht sagen, daß es 10 oder 15 Milliarden geworden wären.
— Na, hören Sie mal: wie kann man denn so daherreden? Die Ausgabenanträge der SPD — dazu habe ich mich vorhin bereits geäußert — sollen den politischen Standpunkt der SPD klarstellen und sagen, wo sie das Schwergewicht der Ausgaben haben möchte. Das war einmal der Ansatz für den Schutz der Zivilbevölkerung. Sie rüsten auf und auf, ohne für die Zivilbevölkerung einen Schutz zu lassen.
— Nein, nicht zum Zeitvertreib. Aber Sie rüsten nach unserer Überzeugung auch aus einer falschen Überlegung heraus auf.
— Durch diese Aufrüstung, Herr Horlacher, wird die Sicherheit des deutschen Volkes nicht erhöht, sondern gemindert.
— Dieses „Ah" sollten Sie einmal in ein paar Jahren nachlesen. Darüber wollen wir uns später unterhalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir können nicht bei jedem Etat alle vorangegangenen Etats noch einmal erörtern. Ich bitte doch, die Frage der Sicherheit aus dem Spiel zu lassen, soweit sie nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Etatposition steht. Wir sind in der zweiten Lesung, wo eigentlich keine allgemeinen Etatdebatten stattfinden, sondern wo nur über einzelne Positionen gesprochen werden soll.
Herr Präsident, ich stimme Ihnen vollkommen zu. Aber ich habe ja nicht von mir aus über die Sicherheit gesprochen, sondern mir wurde vorgeworfen, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe das auch nicht an Sie allein gerichtet.
Ich darf meinen Satz zu Ende sprechen: sondern mir wurde vorgeworfen, daß die sozialdemokratische Fraktion unsinnige Anträge gestellt habe.
— Schön, wir hätten „übertriebene Anträge" gestellt. Dazu konnte ich nur etwas sagen, wenn ich auf die wichtigsten Anträge einging.
Der Bundesfinanzminister hat Jahr für Jahr, um die wirkliche Haushaltslage zu verschleiern,
hier pessimistische Zahlen vorgetragen. Er hat immer wieder von den haushaltsmäßigen Defiziten gesprochen, die in Wirklichkeit — man muß ja auch die Kassenfülle dazunehmen — keine Defizite, die nur formale Defizite waren. Du lieber Gott, wie viele Ausgaben sind in den Haushalt eingestellt worden, die nur fiktiv waren, von denen man wußte, daß sie gar nicht verwirklicht werden konnten! Manche waren vorsorglich eingestellt — das Kriegsfolgenschlußgesetz —, aber sie waren zu einer Zeit eingestellt, als z. B. das Kriegsfolgenschlußgesetz dem Parlament noch gar nicht im Entwurf vorgelegt war. So könnte ich Beispiel an Beispiel reihen, die die Ausgabenseite erhöht und die Einnahmenseite durch falsche Steuerschätzungen gemindert haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gern.
Herr Professor Gülich, darf ich Sie fragen, was passiert wäre, wenn in der Zeit, in der die Kassenreserven angewachsen sind, diese Kassenreserven und gleichzeitig die großen Gegenwerte aus dem Devisenaufkommen bei der damaligen überhitzten Konjunktur auf den Markt gekommen wären? Was wäre damals passiert? Kennen Sie die Stellungnahme der deutschen Notenbank über diese Frage?
Sehen Sie, Herr Höcherl, Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus. Was wäre passiert — —
— Verzeihung, Herr Krammig, hören Sie mich an!
Wenn eine andere Finanz- und Wirtschaftspolitik gemacht worden wäre, dann wären diese Kassenbestände nicht entstanden. Dann hätte die Wirtschaft mehr Kapital gehabt, und vor allen Dingen hätte sich — das ist der entscheidende Punkt — ein Kapitalmarkt bilden können. Wir hätten nicht die ganzen Praktiken gehabt — —
— Es hat doch so gar keinen Sinn, Herr Vogel. Erklären Sie doch hier, ob die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung es fertiggebracht hat, die Bildung eine Kapitalmarkts zu ermöglichen. Jahr um Jahr — jetzt seit mehreren Jahren — sind vermögenswirksame Ausgaben, die nach alter Väter Brauch und Sitte und in allen Ländern durch den außerordentlichen Haushalt —d. h. durch Anleihen — bedient werden, bei uns mit Mitteln des ordentlichen Steueraufkommens bezahlt worden, und zwar sind jährlich Milliardenbeträge dafür laufgewendet worden. Das ist — ich sage nicht nur: „es scheint so" —, das i s t eine falsche Finanzpolitik, und wenn Sie es heute noch nicht wissen, dann werden Sie es später sehen.
— Ich wäre versucht, jetzt Ihren Ausdruck von vorhin zu verwenden, — versucht, aber Sie kennen mich ja. Ich bin ein höflicher Mann.
Aus dem gleichen Grund hat der Bundesfinanzminister finanzwirtschaftlich und volkswirtschaftlich nicht zu vertretende Manipulationen — —
— Jawohl, Zuschüsse des außerordentlichen Haushalts an den ordentlichen, die ich eben bereits erwähnt habe: er hat Rückkäufe von Schuldtiteln, Ausgabenreste in voller Höhe als Fehlbeträge bezeichnet, und zwar Ausgabenreste, von denen man wußte, daß sie wirklich keine waren. Wenn z. B. ein paar hundert Millionen für das Kriegsfolgenschlußgesetz eingesetzt sind, das Jahr zu Ende ist, das Kriegsfolgenschlußgesetz noch nicht da ist und auch im nächsten Jahre nicht kommt, dann ist es doch sinnlos, diese Ausgaben als Ausgabenreste weiter vor sich herzuschieben. Aber warum hat der Bundesfinanzminister das getan? Um die wirkliche Haushaltslage zu verschleiern, um in der Lage zu sein, hier immer mit seinem Zweckpessimismus aufzutreten.
— Nur Sie, Herr Horlacher, Sie rechnen leider nicht. Sie reden bloß so daher. Rechnen Sie doch!
— Aber entschuldigen Sie mal, wir können uns doch darüber unterhalten. Ich kann Ihnen soundso viele Ausgabenreste sagen, die immer nur dann und zuletzt „getötet" worden sind, wenn es dem Bundesfinanzminister paßte. Jetzt gehe ich auf Ihre Zwischenrufe nicht mehr ein.
Das Parlament ist bei allen diesen Dingen nicht gefragt worden.
— Nein, hören Sie doch auf. Ich schlage vor, daß der Herr Horlacher nach mir hier herauftritt und mich widerlegt.
— Dem sehe ich gerne entgegen.
.Ich habe gesagt, daß der Herr Bundesfinanzminister bei allen diesen Manipulationen das Parlament nicht gefragt hat. Bei internationalen Verhandlungen, die zu Belastungen des Bundeshaushalts führen, müßte das Parlament vorher in Kenntnis gesetzt werden. Wir haben hinterher immer nur ja oder nein zu sagen. So viele Ansätze sind im Haushaltsplan, die einer Sondergenehmigung des Bundesfinanzministers bedürfen und die damit in Wirklichkeit die Position der Ministerialbürokratie stärken, aber die Parlamentsgewalt schwächen.
Dazu kommen immer wieder zahlreiche Praktiken in der Durchführung von Gesetzen. Wir haben kürzlich — Sie wissen da:s — im Finanzausschuß beschlossen, das Mischen, Rösten und Mahlen von Kaffee für umsatzsteuerunschädlich zu erklären. Mit diesem Grundsatz hat der Finanzausschuß ein klares Wort gesprochen. Der Bundestag wird ihm folgen.
Nun wird es interessant; jetzt kommen Durchführungsverordnungen. Nimmt man diese Freistellung in § 57 Abs. 2 der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen vor und nimmt man sie nicht gleichzeitig in das Verzeichnis der besonders zugelassenen Bearbeitungen nach der Einfuhr in der Anlage zu § 22 der Einkommensteuerdurchführungsbestimmungen auf, dann werden etwa 95 % der an sich umsatzsteuerfreien Großhandelsumsätze wieder mit 1 % Umsatzsteuer steuerpflichtig werden, eine Lösung, die das Bundesfinanzministerium, wie man hört, anstrebt und die den Beschluß, den wir gefaßt haben, zu einem erheblichen Teil illusorisch machen würde.
Ich habe Ihnen das als ein Beispiel dafür genannt, was die Ministerialbürokratie aus Beschlüssen der gesetzgebenden Körperschaften macht und machen will.
Ich habe vor Jahren darauf hingewiesen — ich wiederhole es zum Schluß —: Die Hauptschwäche der ersten und der zweiten Regierung Adenauer bestand darin, daß Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik und Sozialpolitik nicht einer einheitlichen Konzeption entsprangen. Diese Schwäche besteht noch heute, und der Bundesfinanzminister ist in dieser Schwäche eine Zentralfigur.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich nur Verlegenheitsberichterstatter. Der eigentliche Berichterstatter ist planmäßig Herr Professor Gülich, der soeben vor mir gesprochen hat. Da er aber seinerzeit, als wir den Einzelplan behandelten, leider erkrankt war, hatte ich die Berichterstattung übernehmen müssen.
Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß Herr Kollege Gülich nicht darüber im Bilde ist, daß in der Vorbemerkung zu Einzelplan 08 Kap. 09 genau auseinandergesetzt wurde, warum das Kap. 09 nur die Überschrift „Bundesmonopolamt" tragen darf. Die Bundesmonopolverwaltung besteht nämlich aus dem Amt und der kaufmännisch geleiteten Verwertungsstelle.
Wir sind in Kap. 09 aber darüber hinaus noch einen Schritt weitergegangen. Wenn Sie einmal nachsehen wollen, werden Sie feststellen, daß der im Entwurf ohne Zahlenangaben vorgesehene Wirtschaftsplan durch die Drucksache 1169 des Haushaltsausschusses ergänzt worden ist, die in der 196. Sitzung am 30. Januar behandelt worden ist. Sie werden feststellen, daß der Wirtschaftsplan inzwischen auch die Zahlen enthält, die Sie gerne haben wollten, um feststellen zu können, wie die Verwertungsstelle der Bundesmonopolverwaltung arbeitet. In den Nrn. 69 und 70 des Berichts ist darauf ganz kurz aufmerksam gemacht worden.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich gerne nicht in meiner Eigenschaft als Berichterstatter, sondern als Abgeordneter noch etwas sagen. Ich habe nicht die Gabe, die Herr Professor Gülich hat, eine witzige, humorvolle Rede zu halten und dabei dauernd Ohrfeigen auszuteilen. Das kann ich nicht. Ich bleibe lieber dabei, wenn es um Ohrfeigen geht, dann auch von den Ohrfeigen zu sprechen, aber nicht so zu tun, als ob man sehr höflich und sehr nett wäre, und dabei dauernd Injurien verteilt, wie z. B. vorhin: Der Finanzminister wollte zwar nicht, aber die Interessenten hier. Das sind Verallgemeinerungen, die auf uns als Abgeordnete gemünzt sind und die uns als Interessenten abstempeln sollen, wie wenn in Ihren Kreisen nicht auch Interessenten vorhanden wären. Herr Professor, wir kommen alle aus unseren Berufen, aus unseren Lebensbereichen, und wir versuchen hier im Parlament das, was wir dort kennengelernt und gesehen haben, anzuwenden. Das sollte uns nicht einen Vorwurf von Ihnen eintragen, der Ihnen auch gar nicht zu Gesicht steht; denn Sie sind doch im übrigen ein sehr freundlicher und sehr netter Mann.
— Herr Baur, Sie haben heute morgen eine 'solche wirtschaftspolitische Weisheit von sich gegeben, daß ich auf Ihren Zwischenruf gar nicht antworten möchte.
Die Lufthansa ist ein Verlustunternehmen. Wenn Sie das reprivatisieren wollen, können sich die Aktionäre bedanken.
— Natürlich hat er unrecht; da sind wir uns ja wohl einig.
— Das steht ja im Protokoll, das brauchen Sie sich gar nicht zu merken. Damit brauchen Sie ihr Gedächtnis nicht zu belasten, das können Sie jeden Tag nachlesen.
Die Kritik, die hier an der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers geübt worden ist, zeugt von einer solchen Kleinlichkeit, daß es sich meines Erachtens erübrigt, darauf einzugehen. Hier hat man Mosaiksteinchen zusammengefügt, um daraus das Bild einer vor uns stehenden finanzpolitischen Katastrophe zu entwickeln. Ich hoffe sehr, Herr Professor Gülich, daß Sie die Worte, die Sie hier über das gesagt haben, was uns in der nächsten Zukunft auf diesem Gebiete treffe, im Protokoll so stehenlassen, wie Sie sie hier gesprochen haben, damit wir Sie später auch wieder daran erinnern können, wenn Sie es nachher nicht wahrhaben wollen, daß Sie es hier gesagt haben.
Ich habe nicht die Aufgabe, die Finanzpolitik des Bundesfinanzministers zu verteidigen. Aber eines möchte ich hier ganz klar und deutlich sagen. Kleinliche Kritik, die so aussieht, als ob man den Erfolg dieser Finanzpolitik nicht nur verkleinern, sondern neidisch ansehen wollte, hier zurückzuweisen, kann nicht meine Aufgabe sein. Denn diese Kritik spricht für sich selbst.
Herr Kollege Höcherl hat Ihnen vorhin etwas von den Ausgabeanträgen zugerufen. Ich habe in der Zwischenzeit einmal die Ausgabeanträge zusammengerechnet, Herr Professor Gülich.
— Ja, man muß natürlich seine Unterlagen daher holen, wo man sie bekommt. Das machen Sie ja ebenso.
— Was ,heißt, Herr Schäffer hat sie mir gebracht? Er ist ja schließlich auch Abgeordneter, und wir ergänzen uns gegenseitig genauso, wie Sie das auch tun.
Sehen Sie, wir haben uns ja während der Haushaltsdebatten hier schon immer bemüht, einmal solche Zusammenstellungen zu machen, und ich kann mich daran erinnern, daß mein Kollege Arndgen Ihnen im vergangenen Jahr auch einmal erzählt hat, was Sie eigentlich alles für zusätzliche Ausgabeanträge gestellt haben. Nun, wir haben eine ganz genaue Aufstellung. Dabei halben wir nur die Beträge angesetzt, die über die Beträge hinausgingen, die in den Anträgen der Koalitionsparteien enthalten waren. Wir haben bei der Ansetzung der Beträge auch nicht ihre Fortwirkung auf die folgenden Rechnungsjahre berücksichtigt, sondern wir haben die Ansätze immer nur auf das Rechnungsjahr selbst abgestellt und haben errechnet, was die Folge der Annahme Ihrer Anträge gewesen wäre. Und siehe da: Für die Zeit von 1954 bis Mitte März 1957 ergibt sich ein Gesamtausgabemehr von 22 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, wenn diesen Ausgabeanträgen Rechnung getragen worden wäre, dann hätten wir die in den letzten vier Jahren durchgeführten Steuersenkungen, die ein Gesamtvolumen von 9 Milliarden DM umfassen, zunächst einmal überhaupt nicht durchführen können.
Außerdem hätten wir noch mehr Steuern ausschreiben müssen. Das wäre dann die Finanzpolitik der SPD gewesen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe eine Bitte an das Hohe Haus. Ich habe vorhin schon gesagt, daß wir in der zweiten Lesung sind und daß in der zweiten Lesung eigentlich nur zu den einzelnen Positionen gesprochen werden soll. Wir sind jedoch in eine allgemeine Debatte hineingekommen.
— Das ist an sich schlecht. Aber sie ist nun einmal da, und ich kann, nachdem die einen gesprochen haben, nicht den anderen, die dann erwidern wollen, das Wort versagen. Aber ich möchte doch wenigstens darum bitten, beim Thema Finanzpolitik zu bleiben und nicht bei dem unsichtbar hinter den Kulissen vorhandenen Thema „Materialsammlung für die kommenden Bundestagswahlen" zu verweilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst zum Berichterstatter Krammig. Herr Kollege Krammig, daß der Haushaltsausschuß zu Beginn seiner Beratungen in meiner Abwesenheit ohne den Berichterstatter verhandelte, habe ich nicht für gut befunden. Bei anderen stellt man zurück. Wir hatten ja noch lange Zeit. Daß Sie das Kapitel in meiner Abwesenheit behandelt haben, fand ich, wie gesagt, nicht in Ordnung. Aber man kann mir jetzt daraus keinen Vorwurf machen.
Zum Fraktionsredner. Wir kennen uns doch eigentlich gut genug, und ich habe geglaubt, wir hätten eine gegenseitige Schätzung füreinander, Herr Krammig. Mir zu unterstellen, daß ich Ohrfeigen, in Freundlichkeit verbrämt, erteile, gefällt mir nicht. Ich habe eine ganz sachliche Kritik geübt. Wenn man an der Politik eines Ministers Kritik übt, dann kann ich das doch nicht anders sagen. Wenn ich dies noch in freundlicher Form sage, scheint mir das eher ein Vorteil als ein Nachteil zu sein. Ihre Sorge, daß an meiner Rede im Protokoll irgend etwas geändert wird, ist unbegründet. Ich habe noch nie etwas geändert. Ich bin sogar froh, daß ich es gesagt habe. Ich bedauere nur, daß ich mich durch Ihre vielen Zwischenrufe zu einer Ausdehnung meiner Rede habe verleiten lassen.
Das tut mir leid. Daran sind Sie in der Hauptsache schuld. Aber ich bin immer bestrebt, alle Zwischenrufer zu bedienen.
Daß Herr Krammig sagte, meine Ausführungen zeugten von solcher Kleinlichkeit,
wollen wir noch einmal festhalten; wir reden später noch darüber. Ich habe nichts anderes getan, als kritische große Gesichtspunkte,
die seit Jahren vorgebracht worden sind, zusammenzufassen. Und das ist die Aufgabe am Schluß
einer Legislaturperiode, an der dem Bundesfinanzminister gesagt wird: „Tu Rechnung von deinem Haushalten!" Die Anträge der Opposition seit Jahren zusammenzuzählen und hier so zu tun, als ob die darin geforderten Ausgaben zusätzlich zu den Ausgaben gekommen wären, die Sie beschlossen haben, ist eine öffentliche Irreführung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte nach dem letzten Satz meines Freundes Gülich auf diese Wortmeldung eigentlich verzichten können. Ich muß aber doch zu der Methode etwas sagen, die der Herr Kollege Krammig demonstriert hat und die der Herr Bundesfinanzminister eingeführt hat, einer Methode, die einfach addiert, was die Opposition im Laufe von drei Jahren zum Haushalt beantragt hat, und daraus Schlüsse für die finanzpolitischen Vorstellungen der Opposition zieht. Entschuldigen Sie, Herr Kollege Krammig, das ist nicht nur eine Milchmädchenrechnung, das ist auch nicht ganz anständig. Ich will Ihnen das mit aller Schärfe sagen und für den Herrn Bundesfinanzminister folgendes hinzufügen. Er hat in seinem Haus, das wissen wir, Anweisung gegeben, daß man diese Methode anwendet. Er könnte seine Beamten nützlicher beschäftigen als mit solchen Kunststückchen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst hatte ich nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich nicht die Absicht, das Wort zu ergreifen, weil ich mich entsprechend meinem Amte und meiner Beschäftigung eigentlich mehr mit konkreten Dingen befassen möchte. Ich habe das Konkrete — Kollege Gülich, ich bitte, es mir nicht übelzunehmen — an Ihren Ausführungen vermißt. Ich habe gewisse Behauptungen, Redewendungen gehört, die üblich sind und die ich schon vor Jahren gehört habe. Aber Finanzen sind eine Welt der Zahlen. Finanzpolitik ist die Verantwortung für Zahlen und für Tatsachen. Ich hätte von Ihnen sehr gern eine Kritik oder überhaupt eine Stellungnahme zu Tatsachen und Zahlen gehört. Ich habe das vermißt.
Aber manches hat mich bei Ihren Ausführungen gefreut. Sie haben z. B. behauptet — ich weiß nicht, ob Ihnen das bewußt gewesen ist —, daß der Finanzminister völlig untauglich sei, daß aber der Wirtschaftsminister dazu in einem großen Gegensatz stehe. Sie haben damit dem Herrn Wirtschaftsminister ein Lob ausgesprochen. Nachdem ich die Ausführungen der Herren Ihrer Fraktion über den Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört habe und ich annehme, daß er „völlig deprimiert" aus dem Hause gegangen ist, werde ich ihm nun die Freude machen können, ihm nachträglich mitzuteilen, daß ein Mitglied Ihrer Fraktion ihm — im Gegensatz zum Finanzminister, der das gern auf sich nimmt — sein hohes Lob und seine Anerkennung ausgesprochen hat.
Man soll alle Gelegenheiten ergreifen, um etwas Gutes und Nettes zu tun, und warum sollte ich meinem Freunde Erhard keine Freude machen?
Ich darf nun einmal grundsätzlich zu Ihren Ausführungen Stellung nehmen, auch zu dem, was der sehr verehrte Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses gesagt hat. Ich mache jetzt keinen Unterschied zwischen Minister und Abgeordneten, wenn ich meine Meinung darüber sage, was die Pflicht dieses Hauses ist. Die Pflicht dieses Hauses ist es, in all den Jahren bei der Finanzpolitik und bei der Haushaltsgebarung an die Verantwortung zu denken, die wir dem deutschen Steuerzahler und dem deutschen Sparer gegenüber haben. Wenn meine Freunde in Bayern, die dort in Opposition sind, etwa die Taktik betrieben, daß sie im Bayrischen Landtag finanziell unmögliche Anträge stellten, um dann im Lande herumzulaufen und zu sagen, was sie alles gefordert hätten, ohne hinzuzufügen, was sie von dem verlangen müßten, der es zu bezahlen hat, dann würde ich meinen Freunden in Bayern den Kopf waschen und ihnen erklären, das sei unverantwortlich.
Verantwortung im Parlament haben Opposition wie Regierungsparteien genauso. Auch die Opposition darf nicht im Laufe der langen Jahre eine Politik verfolgen, die sie als Regierungspartei nicht mehr verfolgen könnte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang in aller Seelenruhe feststellen: wenn es um eine Übertragung von Ausgaben in der Höhe von etwa einer halben Milliarde im Laufe der Jahre ginge, könnte man darüber reden. Aber es sind ja Beträge von 11, 12, ja 22 Milliarden DM gefordert worden, und man hat diese Politik konsequent verfolgt. Da erlauben Sie einem Finanzminister, daß er dazu Stellung nimmt und auch persönlich erklärt: er betrachtet es als vor dem Volk nicht verantwortbar, mit solchen Zahlen überhaupt zu operieren und den Anschein zu erwecken, als ob es möglich wäre, ohne Störung des Wirtschaftslebens, ohne Gefährdung des deutschen Steuerzahlers solche Summen aufzubringen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Minister, Sie dürften sich vielleicht daran erinnern, daß es im allgemeinen so gewesen ist, daß wir gleichzeitig allerhand Streichungen vorgeschlagen haben, weil eben unsere Vorstellungen von der Art der Ausgaben verschieden von der Ihrigen sind.
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin — vielleicht liegt es an meinem Gedächtnis —:
Ich kann mich nicht an das freudige Ereignis entsinnen, daß Ihre Freunde, wenn sie Ausgabenanträge ,gestellt haben, gleichzeitig entsprechende Streichungen beantragt hätten.
— Wie gesagt, vielleicht liegt es an meinem Gedächtnis. Jedenfalls wäre ich sehr erfreut, wenn bei jedem Ausgabenantrag gleichzeitig auch der Antrag gestellt würde, daß an einer ,anderen Stelle etwas gestrichen werden soll, — aber ein möglicher Antrag!
Wenn man weiß, daß außenpolitische Verpflichtungen eingegangen sind, und immer wieder betont, daß diese vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden sollen, aber sagt, natürlich könne das Geld für einen anderen Zweck ausgegeben werden, so' hielte ich das für eine Unwahrhaftigkeit dem Wähler und dem Steuerzahler gegenüber, und das würde er auch verstehen.
— Bitte!
Herr Minister, entsinnen Sie sich vielleicht auf die 50 Millionen DM, die im Haushaltsausschuß auch mit Hilfe Ihrer Freunde gestrichen worden sind, von denen dann aber erklärt worden ist, sie dürften nicht für andere Ausgaben als Deckung genommen werden, sondern sie müßten im Verteidigungshaushalt drinbleiben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß nicht, welche 50 Millionen DM Sie meinen. Wahrscheinlich sind es die für die unterentwickelten Gebiete.
— Dann weiß ich nicht, welche anderen 50 Millionen DM Sie meinen. Aber jedenfalls, wenn man sich über Beträge von 22 Milliarden DM unterhält, dann dürfte ein Betrag von 50 Millionen DM nicht entscheidend sein. Aber wenn Sie einen Widerstand des Finanzministers gegen eine Streichung unnötiger Ausgaben gefunden hätten, dann wäre das mir und, ich glaube, der ganzen Öffentlichkeit völlig neu.
Herr Minister, würden Sie die Freundlichkeit haben, den gleichen Auftrag auf Zusammenstellung der Mehrausgaben, die wir veranlaßt haben sollen, den Sie Ihren Beamten Beigeben haben, auch einmal zu erteilen, um aus den Protokollen des Haushaltsausschusses und aus den im Plenum vorgelegten Anträgen die Summe unserer Streichungs- und Sparanträge festzustellen?
Mir ist von diesen Streichungs- und Sparanträgen nichts bekannt.
Wenn Sie aber die Verantwortung vor der Öffentlichkeit gleichmäßig verteilt haben wollen, dann geben Sie mir doch ,das Material. Ich bin sehr gern bereit, auch diese Frage zu beantworten.
— Das ist wahrscheinlich überhaupt keine neue Ausgabe, Idas ist eine Verrechnung.
Ich möchte jetzt ganz ruhig zu den Argumenten hier Stellung nehmen. Der Herr Kollege Gülich hat mir den Vorwurf gemacht, daß ich keine planmäßige Finanzwirtschaft betriebe. Ich will mich jetzt einmal so ausdrücken, daß es wirklich allgemeinverständlich ist. Ich habe die Aufgabe, mich mit meiner Finanzpolitik an die deutsche Verfassung zu halten. Infolgedessen muß ich dafür sorgen, daß die Summe der Einnahmen nicht kleiner ist als die Summe der Ausgaben, die wir bewilligen. Ich habe an die Artikel 110 bis 113 des Grundgesetzes zu denken und für das Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben einzutreten.
Daß das den Finanzminister nicht populär macht, weiß ich. Aber ganz abgesehen davon, ob ich populär bin oder nicht, weiß ich auch, Herr Kollege Gülich, daß der kleinste Mann, wenn ich zu ihm über diese Aufgabe rede, Verständnis dafür hat, weil er weiß, daß der Kampf um den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben letzten Endes ein Kampf um die Wahrheit des Geldes ist, damit das Geld, das er in Händen hat, auch in seinem Wert erhalten bleibt. Das begreift der kleinste Mann.
Diese Aufgabe muß von jedermann, der Sinn und Geist des Grundgesetzes versteht, dem es ehrlich um die deutsche Finanzpolitik zu tun ist, ob er Finanzminister oder Mitglied dieses Hauses ist, erfüllt werden, ob das dem einzelnen Interessenten gefällt oder nicht. Das ist die Linie, die eingehalten werden muß.
Ich habe die Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich verfolgt. Ich bin wirklich gern bereit, innerhalb und außerhalb der österlichen Zeit mein Gewissen möglichst zu erforschen
Ich bin sehr gern bereit, mir jeden Appell nach der Richtung anzuhören. Aber entschuldigen Sie: Recht klar, was Herr Kollege Gülich eigentlich wollte, bin ich mir nicht geworden; ich nehme an, es liegt an meinem geringen Auffassungsvermögen.
Der Herr Kollege Gülich sagt letzten Endes zu mir: Ihr habt ja eine Zeitlang „große Kassen" gehabt. Herr Kollege Gülich, wie oft schon haben wir darüber gesprochen! Wissen Sie denn nicht, daß wir z. B. bei den Besatzungskosten eine Verpflichtung hatten, jährlich 7000 Millionen DM einzusetzen? Nehmen Sie es einem Finanzminister doch nicht übel, wenn er in dieser Zeit versucht, mit den Besatzungsmächten ins reine darüber zu kommen, daß er Einblick in die Verwendung dieser Gelder erhält, um dann einen moralischen Druck dahin ausüben zu können, daß die Besatzungskosten nicht so hoch werden. Das hat der deutsche !Bundesfinanzminister versucht, und ich glaube, keiner hätte einen anderen Weg gehen können. Wenn danach der Betrag von 7000 Millionen DM für die Besatzungskosten nicht mehr erreicht wurde, wenn der Bundesfinanzminister es also erreicht hat, daß die Besatzungskosten weniger wurden, war er verpflichtet, den so erzielten Überschuß zur Abgleichung des sogenanntenaußerordentlichen Haushalts, zur Abgleichung der von dem deutschen
Parlament vielleicht inzwischen beschlossenen Mehrausgaben zu verwenden. Das hat er pflichtgemäß getan.
Sie machen dem deutschen Finanzminister den Vorwurf, daß er Hortungspolitik oder so was betreibe. Ich stelle dazu folgendes fest. Wir können uns im nächsten Jahr darüber ruhig unterhalten; wir werden es auch noch in diesem Jahre tun. Sie wissen genauso gut wie ich, daß dieses Haushaltsjahr mit „Null von Null hebt sich auf" im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt abschließen wird. Aber der Finanzminister und die, die in diesem Hohen Hause seine Politik unterstützt haben, werden vor den deutschen Wähler hintreten und sagen können: Wir haben wieder vier Jahre Finanz-und Wirtschaftspolitik hinter uns, haben dem deutschen Sparer sein Geld erhalten und keine Schuldenlast für die Zukunft übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
— Meine Damen und Herren, ich habe gestern schon privat einen Rat erteilt; ich will ihn jetzt mal öffentlich geben. Wenn die Herren Minister am Schluß der Debatte sprechen, fängt es immer wieder von neuem an. Es würde sich aus diesem Grunde empfehlen, wenn die Herren Minister schon früher, im Laufe der Debatte, sprechen.
Meine Damen und Herren! Sie können nicht erwarten, daß ich zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers schweige. Außerdem steht in der Geschäftsordnung: Wenn ein Mitglied der Bundesregierung gesprochen hat, ist die Debatte neu eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich hatte sie noch nicht geschlossen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesfinanzminister hat erklärt, er habe in meinen Ausführungen das Konkrete vermißt, und er sagte, Finanzen drückten sich nun einmal in Zahlen ,aus. Nun, das habe ich selber oft genug hier gesagt, wenn der Finanzminister es an Zahlen fehlen ließ. Als die Bundesregierung Verträge eingegangen ist — ich denke allein an den Finanzvertrag mit 24 offenen Fragen —, habe ich gesagt: Finanzen drücken sich nun einmal in Geld, in Zahlen, aus. Ich habe damals von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, erwartet, daß Sie mit den Zahlen kämen. Es erfolgte nichts! Auch hatte ich erwartet, Sie würden mich nun „richtigstellen"; es ist nicht geschehen. Sie haben sich in allgemeinen Ausführungen ergangen, während ich, der ich ja nun schon einige hundert Male an dieser Stelle konkret und mit Zahlen gesprochen habe, heute nur das Fazit aus einer nun achtjährigen Finanzpolitik der Bundesregierung gezogen habe.
Es kam dabei, da dieses Haus die Dinge kennt, nicht darauf an, daß ich im einzelnen Zahlen nannte. Ich konnte mich darauf beschränken, ein paar große Zahlen anzuführen; sie dürften Ihnen in Erinnerung geblieben sein. Es ist eine ungesunde Finanzpolitik, laufende Dauerausgaben, denen keine laufenden Dauereinnahmen gegenüberstehen, einmalig aus den Rückstellungen, für die ich im einzelnen Zahlen genannt habe, zu dek-
ken; das dürfte genügen. Ich halte es aber, Herr Bundesfinanzminister, für unzulässig, hier zu sagen, ich hätte im Gegensatz zu den Ausführungen meiner Fraktionskollegen von vorhin dem Bundeswirtschaftsminister ein hohes Lob ausgestellt. Dadurch wird der Eindruck erweckt: Die SPD-Fraktion ist sich nicht einig: der Wirtschaftsminister wird gelobt, der Finanzminister wird getadelt.
Ich habe nur gesagt, man müsse vom Bundeswirtschaftsminister sagen — man könne zu seiner Wirtschaftspolitik stehen, wie man wolle —, daß er in volkswirtschaftlichen Kategorien denke, und ich habe diesen volkswirtschaftlichen Kategorien des Bundeswirtschaftsministers die zivilrechtliche Denkweise des Herrn Bundesfinanzministers gegenübergestellt. Das ist alles, was ich getan halbe. Wenn Sie nun Ihrem Kollegen Erhard das mitteilen, was Sie — wie Sie sagten — mitzuteilen beabsichtigen, tun Sie etwas, was der Wahrheit nicht entspricht.
Herr Bundesfinanzminister, Sie sagen, die Opposition habe soundso viel Anträge eingereicht. Sie addieren diese Anträge in unzulässiger Weise,
— sie addiren, was gar nicht addierbar ist, und Sie sagen, daß Sie sich an keinen Streichungsantnag erinnerten.
Nun glauben wir z. B., daß, wenn aufgerüstet wird, gleichzeitig die Zivilbevölkerung geschützt werden muß. Da meine Fraktion wußte — es hat sich auch durch all diese Jahre hindurch bestätigt —, daß die 9000 Millionen DM, die für Verteidigungsausgaben in den Etat eingestellt worden sind, nicht ausgegeben werden konnten, hat sie seit mehreren Jahren beantragt, 1000 Millionen DM im Jahr für Zwecke des zivilen Luftschutzes bereitzustellen und im Einzelplan 14 die 9000 Millionen DM um diesen Betrag zu kürzen. Ich bin erstaunt, daß Ihnen das aus dem Gedächtnis entfallen ist.
Das übrige können Sie ja nachlesen. Ich erwarte auch die Zusammenstellung.
— Ich trete jetzt in eine Erörterung solcher Zwischenfragen nicht ein. Ich habe Ihnen vorhin gesagt
— das wiederhole ich, und dann gehe ich auf keinen Zwischenruf dieser Art mehr ein, ich will die Debatte nicht verlängern —, daß die Opposition durch ihre Anträge ihren politischen, wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Standort dargelegt hat. Man kann diese Ausgabenanträge nicht im Rahmen des von dieser Bundesregierung vorgelegten Etats beurteilen, sondern nur im Rahmen einer grundsätzlich anderen Anordnung der Haushalte. Darum handelt es sich und um nichts anderes.
Der Herr Bundesfinanzminister hat hier wieder mit bewegten Worten von seinem Kampf um den Ausgleich des Haushalts gesprochen. Ich habe dargelegt und mit einigen Beispielen belegt, daß dieser Ausgleich immer fiktiv gewesen ist.
— Ich kann ja unmöglich all die bekannten Tatsachen die hier oft genug gesagt worden sind, in einer Rede zur zweiten Beratung nun zahlenmäßig im einzelnen darlegen.
Der Herr Bundesfinanzminister wird seinen Beamten den Auftrag ,geben, die streitigen Anträge der Opposition auf Streichung von Ausgaben zusammenzustellen und uns vorzulegen; daran zweifle ich nicht.
Ich habe hierdargelegt, daß der Ausgleich fiktiv ist.
— Das können Sie durch ein noch so lautes Nein nicht widerlegen, Herr Horlacher.
— Dann muß ich Ihnen endlich sagen, daß Sie von dieser Sache wirklich nichts verstehen.
Was der Kollege Gülich wollte, hat der Bundesfinanzminister nicht begriffen. Ob ich nicht wisse — hat er gefragt —, daß wir beispielsweise bei den Besatzungskosten eine Verpflichtung haben. Das weiß 'ich. Ich erkenne auch an, Herr Bundesfinanzminister — ich will es jetzt schon tun, ich wollte es beim Einzelplan 35 tun —, daß Sie in den letzten Jahren einen zähen Kampf um die Senkung der Besatzungskosten geführt haben. Das habe ich an dieser Stelle auch im vorigen Jahr anerkannt. Der Fehler liegt woanders. Der Fehler ist, daß Sie nicht ebenso hart gewesen sind vor dem Abschluß der Verträge. Ich habe Ihnen im Dezember 1952 das alles von dieser Stelle aus mit ganz konkreten Zahlen aufgerechnet. Sie können in meinem Schriftlichen Bericht zum Generalvertrag und zum Finanzvertrag und zu den finanziellen 'Bestimmungen des EVG-Vertrages das alles nachlesen. Der Finanzausschuß und das Haus haben ja diesen Schriftlichen Bericht gebilligt. Darin steht kein falsches Wort. Der Fehler lag vor dem Abschluß der Verträge. Im Januar oder Februar 1955, als Sie sagten, die Opposition solle doch mal mit Zahlen über die Kasten der Aufrüstung kommen, habe sich gesagt: Das ist Ihre Aufgabe; weil Sie es aber nicht tun, tue ich es. Sie können nachlesen, was ich damals über die Zahlen gesagt habe.
— Diese Rechnung ist allerdings überholt. Aber sie ist nicht überholt in ihrer Richtigkeit, sie ist überholt durch eine weltpolitische Entwicklung. Die Rechnung stimmt ganz genau.
— Ich kann auf diese Schreierei nicht mehr eingehen.
Dies stimmt nun ganz genau: daß beim Aushandeln des Finanzvertrags die notwendige Sorgfalt nicht obgewaltet hat, daß 24 Positionen unausgehandelt waren und daß man in Art. 3 Abs. 3 des Nordatlantikpakts verschwommen festgelegt hat, die Bundesregierung habe sich nur verpflichtet, in Verhandlungen einzutreten. Das ist ja das, was ich damals namens der Opposition beanstandet habe, daß Sie damals nicht konkret geworden sind.
Ich habe gesagt: Auf beiden Seiten hat man bei den Verträgen 1952 und 1955 nichts ausgehandelt, weil man die Unklarheiten auf beiden Seiten wollte. Die Rechnung für diese Unklarheiten wird uns nun von den Besatzungsmächten präsentiert.
Ich habe vor einiger Zeit einmal, als der Bundesfinanzminister mir sagte, daß er großen Ärger habe, ihm geraten, er solle sich doch einen bedeutenden Bürgermeister von Bordeaux, der vor 400 Jahren gewirkt hat — er hieß Montaigne —, zum Vorbild nehmen, der seinen Ratsherren gesagt habe: Ich will euch gern eure Finanzen in Ordnung bringen; aber ich bin nicht gewillt, mir die Leber dabei zu ruinieren. Ich habe den Eindruck, auch jetzt nach diesen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers, daß er den Ratschlag nicht befolgt hat. Die Finanzen hat er jedenfalls nicht in Ordnung gebracht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf in Erinnerung bringen, daß der Herr Berichterstatter vorgetragen hat, daß in der Drucksache zu 3457*) in Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 13 die von ihm genannten Änderungen anzubringen sind. Ich darf wohl davon ausgehen, daß das Haus davon Kenntnis genommen hat und sich darüber im klaren ist.
Ich stelle nun den Antrag aus der Drucksache 3457 zur Abstimmung, und zwar zunächst Ziffer 1:
den Entwurf des Einzelplans 08 mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersieht-lichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Wer diesen Antrag anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich stelle zur Abstimmung Ziffer 2 des Ausschußantrags:
den Antrag der Abgeordneten Richarts, Seither, Weber , Müller (Wehdel), Lahr, Elsner, Becker (Pirmasens), Knobloch und Genossen betr. Beseitigung der ehemaligen Kampfanlagen im Gebiet des Westwalls — Drucksache 3214 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich schlage vor, überzugehen zum Einzelplan 10:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Brese. — Der Herr Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht**).
*) Siehe Anlage 7
**) Siehe Anlage 8
Ich eröffne die Debatte. Sollen die Änderungsanträge begründet werden?
Das Wort hat Herr Frühwald.
Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Einzelplan 10 machen.
Zu diesem Einzelplan 10 möchte ich nur darauf hinweisen, daß der Streit um die weitere Entwicklung der Landwirtschaft heute den Punkt 1 der Tagesordnung auf diesem Sektor darstellt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Kollege! Es bestand eine Verabredung dahin, daß jetzt in der zweiten Lesung zunächst nur die Spezialfragen erörtert werden sollen. Es ist mir vorhin nahegelegt worden, wenn zum Schluß dieser Debatte vielleicht noch einige allgemeine Gesichtspunkte vorzubringen sind, daß das dann erst geschehen soll. Vielleicht darf ich Ihnen, Herr Kollege, vorschlagen, wenn Sie jetzt nichts Spezielles vorzutragen haben, Ihre Ausführungen auf den Schluß dieser Debatte zu verlegen, wenn von Ihnen allgemein gesprochen werden soll. Ich bitte, jetzt zu den Änderungsanträgen überzugehen, die vorliegen, und sie im einzelnen zu begründen.
Dann möchte ich auf die einzelnen Positionen eingehen, die in diesem Haushalt erscheinen. Zu diesen Einzelpositionen gehört in allererster Linie der Grüne Plan, der in der Denkschrift zu Drucksache 3200 vorgelegt ist und der manche interessanten Erörterungen hervorrufen wird. Wenn Sie diese Erörterungen jetzt vermeiden wollen, so bin ich darüber etwas erstaunt. Ich möchte jetzt nur noch auf ein paar Grundfragen eingehen.
Zunächst möchte ich fragen: Sind denn alle die Mittel des Grünen Plans Zuwendungen an die Landwirtschaft? Ist auch der Teil, der als Darlehen gegeben wird, als eine Zuwendung zu betrachten? Keineswegs. Diese Darlehen sind ja zu verzinsen und zurückzuzahlen. Es ist auch sonderbar, wenn man immer wieder, nachdem wir ein Gesetz geschaffen haben, das diese Form der Förderung unserer Landwirtschaft grundsätzlich f est-legt, versucht — ich verweise auf die letzte Pressekonferenz des Herrn Bundesfinanzministers —, es so 'darzustellen, als ob ausschließlich die Maßnahmen auf Grund dieses fast einstimmig vom Hohen Hause beschlossenen Gesetzes eine Gefährdung des derzeitigen Haushalts darstellen. Das sei aber auch nur am Rande bemerkt.
Aber jetzt etwas anderes. Das Kernstück des Grünen Plans ist doch der Tit. 961: 400 Millionen DM für die Milchpreisstützung. Diese Mittel fanden bisher auch in den vorbereitenden Ausschüssen ohne weiteres unsere Zustimmung. Ich verweise nur darauf, daß meine Fraktion bereits vor mehr als Jahresfrist einen Antrag eingebracht hat, die Bekämpfung der Tbc über eine Bevorzugung des Milchpreises nach außen hin zum Ausdruck zu bringen. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben, sondern er wurde ein wenig auf Eis gelegt. Außerhalb dieses Hauses wurde er sogar von einigen als Unsinn bezeichnet. Er feiert also
jetzt in dieser Debatte fröhliche Urständ, allerdings jetzt mit einem anderweit beanspruchten Urheberrecht.
Nun bin ich über den Änderungsantrag Umdruck 1064 *) etwas verwundert. Dieser Änderungsantrag wird ja von einer Regierungspartei vorgelegt. Es scheint also so zu sein, daß die Regierungsparteien — denn ich nehme nicht an, daß es sich um eine Sondertour einer einzelnen Partei handelt — ihre grundsätzliche Auffassung geändert haben und von der Bestimmung abkommen wollen.
— Ich werde doch noch das Recht haben, Herr Dr. Vogel, in dieser Aussprache auch zu den anderen Änderungsanträgen Stellung zu nehmen.
Oder ist dieses Vorrecht vielleicht in letzter Zeit neu gestaltet worden auf Grund eines bestimmten Totalitätsanspruchs?
— Ja, und das ist einer dieser Anträge!
Dieser Antrag ist das Gegenteil von dem, was bis jetzt nicht nur von den Regierungsparteien im Ernährungs- und insbesondere im Haushaltsausschuß beschlossen worden ist. Er kehrt, wenn Sie ihn heute annehmen, Form und Art der Vereinbarung über die Verwendung der 400 Millionen DM in das Gegenteil um.
-- Der „Ausbruch eines Familienmitglieds"? Also dann müssen Sie den Vater dafür verantwortlich machen.
Wir stimmen der Form, wie sie in Titel 961 gegeben ist. vorbehaltlos zu. Aber wenn Sie jetzt glauben, Sie müßten die ganze Sache ändern und zu diesem Zweck 100 Millionen DM neu für die Tierseuchenbekämpfung in den Haushalt einsetzen,
so werden wir Sie keineswegs daran hindern. Wenn Sie aber diese 100 Millionen DM neu einsetzen, kann man auch der Ziffer 3 dieses Antrags: „Die Milch muß nach den jeweils geltenden Bestimmungen in die Güteklasse I oder II eingestuft sein" zustimmen. Bei dieser Neufassung fällt natürlich die Bestimmung über die Tbc-Bekämpfung weg. Das zu diesem Antrag.
Gestatten Sie mir, daß ich jetzt den Anordnungen von Herrn Dr. Vogel Folge leiste und unsere Anträge begründe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bitte sehr. Siehe Anlage 9
Fassbender : Herr Kollege Frühwald, ich denke, die Debatte ist dazu da, daß die Anträge begründet werden.
Es ist doch nicht üblich, daß man zu Anträgen anderer Parteien spricht, die bisher noch gar nicht begründet worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Wahrung der Geschäftsordnung ist meine Angelegenheit.
Ich sehe durchaus keine Unebenheit darin, daß Anträge, die vorliegen und über die man sich ein Bild machen kann, auch dann erörtert werden, wenn sie noch nicht begründet sind. Wir würden nämlich sonst nur zu einer vielfachen Wiederholung von Wortmeldungen kommen. Ich glaube, wir können uns auf diese Weise konzentrieren.
Ich bitte, fortzufahren.
Ich bin bereits auf dem Wege und will jetzt unseren Antrag Umdruck 1084*) ganz kurz begründen. Er lautet:
In Tit. 580 — b) Zuschüsse 2. Verbesserung von Qualität und Absatz bei Obst, Gemüse und Kartoffeln wird der Ansatz von 11 500 000 DM auf 9 500 000 DM herabgesetzt und dementsprechend folgender neuer Tit. 581 ausgebracht:
„Tit. 581 Zur Förderung der Kartoffeltrocknung 2 000 000 DM".
Die Erläuterung erhält folgende Fassung: „Zu Tit. 581
Zur Sicherung hoher Kartoffelernten sind aus
diesen Mitteln Zuschüsse für die KartoffelLohntrocknung zur Verwertung im eigenen Betrieb an Erzeugerbetriebe zu gewähren."
Dieser Antrag unterscheidet sich in dieser Form grundsätzlich von dem Antrag, der von einzelnen Kollegen der CDU gestellt worden ist. Er hat hauptsächlich den Zweck, die Einwendung des Ministeriums, daß mit der Stützung der Trocknung von Kartoffeln eine Überproduktion an Kartoffelflocken wieder auf den Markt drängen könnte, die dann erneut eine Subventionierung erfordern würde, zu entkräften. Dem geht dieser Antrag vollständig aus dem Wege; denn er verlangt, daß die Zuschüsse nur für die Kartoffel-Lohntrocknung zur Verwertung im eigenen Betrieb an Erzeugerbetriebe gewährt werden. Ich bitte also auseinanderzuhalten, daß es sich hier nur um Maßnahmen handelt, die einen Anreiz schaffen sollen, daß auch bei einem Überanfall an Kartoffeln, der sich ja durch die laufenden Ernten sehr verschieden gestaltet, diese Kartoffeln auch dem tatsächlichen Verbrauch zugeführt und erhalten und nicht, wie es heuer geschieht, dem Verderben ausgesetzt werden.
Ferner haben wir unter der Ziff. 2 einen neuen Titel beantragt, und zwar „Tit. 965 — Zur Förderung und Erhaltung der deutschen Wollerzeugung — 6 000 000 DM". Die Erläuterung, auf die ich verweise, unterbreitet hier einen Vorschlag. Hierzu möchte ich trotz der Abweisung im Ernährungs-
s) Siehe Anlage 10
ausschuß noch einmal kurz folgendes sagen. Bei dieser Maßnahme handelt es sich nicht um eine Absatzfrage, denn der Absatz ist eigentlich gesichert. Es wäre ein Vorwurf gegen unsere Textilindustrie und gegen den deutschen Wollhandel, wenn wir in irgendeiner Form sagen wollten, sie seien nicht bereit, die deutsche Wollerzeugung aufzunehmen. Aber ebenso richtig ist, daß der Preis, I der hier für die deutsche Wolle angelegt wird, mit den Produktionskosten wie auf vielen anderen Gebieten der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht in Einklang steht.
Die Wirtschaftliche Vereinigung deutscher Schafzüchter kämpft seit vier, fünf Jahren um die Anerkennung dieses offenbaren Notstandes, der sich in der allgemeinen Marktgestaltung des Inlands zeigt. Man hat immer wieder versucht, eine gewisse Position in den Haushalt zu bringen, um mit Hilfe dieser Position eine bestimmte Gestaltung des Wollpreises zu erreichen und ihn zu beeinflussen. Wenn Sie den Wollpreis beeinflussen wollen, dann können Sie das nur im Sinne des § 1 unseres Landwirtschaftsgesetzes, d. h. in dem Sinne, daß Sie mit den Mitteln der Zoll-, Wirtschafts- und Handelspolitik Maßnahmen einleiten, die die Nutzanwendung dieser Position in der Auswirkung der Preisgestaltung ausschließt.
Wenn Sie das Protokoll des Haushaltsausschusses nachlesen, stoßen Sie auf die Erklärung des Ministers, daß dem Anliegen durch Absprachen mit dem Wirtschafts-, dem Innen- und dem Verteidigungsminister Rechnung getragen sei. Auf Anfrage hat der Minister zugegeben, daß er seit drei Jahren um die Wirksamkeit dieser Absprache kämpft und daß sie in diesen drei Jahren noch nicht wirksam geworden ist. Wo ist die Gewähr, daß sie jetzt wirksam werden wird? Es besteht ja auch keine rein rechtliche Grundlage dafür. Wenn die rechtliche Grundlage geschaffen werden soll — und hier ist meine Fraktion vielleicht etwas anderer Meinung —, müßte sie ähnlich wie beim Raps geschaffen werden. Beim Raps besteht ein Beimischungszwang für die deutsche Margarine von 5 Prozent des Rohstoffbedarfs, und gleichzeitig gilt ein Mindestpreis. Um eine zuverlässige Lösung zu erzielen, müßte der Beimischungszwang ähnlich wie beim Raps in genau derselben Form durch Rechtsverordnung rechtlich verankert werden. Darüber hinaus müßte auch noch ein Mindestpreis festgelegt werden. Das kann man aber alles vermeiden, wenn man durch die Einstellung einer besonderen Position die Möglichkeit schafft, daß sich die Marktgestaltung im Inland so entwickelt, daß sie die Produktionskosten deckt.
Nun ist eines interessant: Ale Einsprüche des Bundesfinanzministeriums, dies bedeute eine weitere Erhöhung der Ausgaben und damit eine Gefährdung des Haushalts, erscheinen jetzt nach meiner Auffassung in einem anderen Licht, nachdem in den letzten Tagen bekanntgeworden ist, daß beabsichtigt sei, Steuervergünstigungen für die Schaffung von Vorräten einzuführen. Unter den Artikeln, die bei Vorratshaltung steuerbegünstigt werden sollen, ist auch die Auslandswolle. Dafür will man also aus Haushaltsmitteln über die Steuervergünstigung eine besondere Unterstützung gewähren; in dem Augenblick aber, wo es um die Gestaltung der deutschen Produktion geht, sprechen alle möglichen und unmöglichen Gründe gegen eine solche Begünstigung. Auch hier scheint das Wort zu gelten: Ja, Bauer, das ist was anders!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Umdruck 1103*) beantragen die Fraktionen der CDU/CSU, DP die Änderung der Erläuterungen zu Kap. 10 02 Tit. 956 und 975. Die beiden Anträge betreffen die Situation im deutschen Weinbau. Sie gehören inhaltlich zusammen, und ich bitte darum, jetzt beide begründen zu dürfen.
Die außergewöhnliche Kälte des Winters 1956 hat dem deutschen Weinbau schwerste Ernteverluste gebracht und darüber hinaus in erheblichem Ausmaß eine Totalvernichtung der Rebstöcke verursacht. Die Ernteverluste des Jahres 1956 liegen nachweislich bei 220 Millionen Mark. In sehr vielen Weinbaubetrieben — das Bundesministerium nennt die Zahl von rund 34 000 ha — ist nicht nur ein akuter Notstand eingetreten, sondern diese Betriebe sind in ihrer Existenz gefährdet.
Dieser Notstand ist durch eine neue Frostkatastrophe, die sich in den ersten Tagen dieses Monats abgespielt hat und die große Teile der deutschen Weinbaugebiete und viele Betriebe zum zweitenmal schwerstens geschädigt hat, vergrößert und verschärft worden. In den Schadensgebieten herrscht tiefe Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Sie erlauben mir, ein Inserat bekanntzugeben, das in diesen Tagen im „Rheinischen Merkur" stand:
Welches Industrieunternehmen vergibt einen oder mehrere Arbeitsgänge an einen frostgeschädigten Weinbaubetrieb zur Weiterbeschäftigung der Arbeitskräfte? Genügend Raum, auch für Maschinen, steht zur Verfügung. Übernahme jeglicher schnell erlernbarer Arbeit zu den derzeitigen Weinbaulohnsätzen.
Dieses Inserat verdeutlicht schlagartig die Situation in den deutschen Weinbaugebieten.
Dankenswerterweise haben alle Fraktionen durch Vorlage entsprechender Anträge bekundet, daß sie bereit und willens sind, an der Linderung der Not und an der Beseitigung der Existenzgefährdung mitzuwirken. Die Länder allein sind nicht in der Lage, 'ausreichend zu helfen, wenn auch 'die schwerstbetroffenen Länder schon erhebliche Leistungen vollbracht haben. Eine subsidiäre Hilfe des Bundes ist daher notwendig und um so mehr vertretbar, als der Bund über die Zölle für die mehr importierten Weine im Jahre 1956 rund 35 Millionen DM Mehreinnahmen hatte. Die Bemühungen um eine Bundeshilfe haben in dem Beschluß des Ernährungsausschusses einen ersten Niederschlag gefunden. Der Haushaltsausschuß hat die in diesem Beschluß geforderten Mittel auf 10 Millionen DM zusammengestrichen. Diese 10 Millionen DM genügen nicht. Sie genügen insbesondere dann nicht, wenn sie teils als Zuschüsse und teils 'als Kredite nach den Richtlinien für Hilfsmaßnahmen für die Hochwassergeschädigten 1956 verwendet werden. Es ist daher notwendig, diese 10 Millionen DM als Zuschußmittel zu deklarieren, um denbetroffenen Betrieben mit einem verlorenen Zuschuß helfen zu können. Eine solche Sonderregelung ist notwendig, weil Katastrophenschäden natürlich in Monokulturen besonders betriebsgefährdend wirken und weil die betroffenen Betriebe meist schlecht strukturierte Mittel- und Klein-
*) Siehe Anlage 11
betriebe sind. Der Abs. 2 unseres Antrags Umdruck 1103*) lautet deshalb:
In den Erläuterungen zu Tit. 975 — Maßnahmen zur Milderung der Frostschäden im Weinbau im Jahre 1956 — sind die Worte „und nach Maßgabe der Grundsätze, die für die Milderung der Hochwasserschäden an der Ernte 1956 gelten," zu streichen.
Angesichts der Schäden in den Jahren 1956 und 1957 reichen diese Zuschußmittel aber nicht aus, die Betriebe weiterzuführen. Zu diesem Zweck wollen wir durch den Abs. 1 unseres Antrags Zinsverbilligungsmittel zur Verfügung stellen. Wir wollen mit den hier eingesetzten 2 Millionen DM erreichen, daß die Regierung ein Kreditvolumen von 30 Millionen DM so weit zinsverbilligt, daß der Zins bei höchstens 21/2 % liegt. Diese billigen Kredite sind notwendig, weil die frostgeschädigten Weinberge weiter bearbeitet werden müssen. Der Boden muß bearbeitet werden, ,die Laubarbeit muß gemacht werden, die Schädlingsbekämpfung muß durchgeführt werden, um die Rebsubstanz zu erhalten. Diese Mittel sind aber auch besonders deshalb notwendig, weil total vernichtete Rebanlagen wiederaufgebaut und drei bis vier Jahre, ohne daß sie Ertrag bringen, gepflegt werden müssen. Diese Zinsverbilligungsmaßnahmen müssen also vier bis fünf Jahre anhalten.
Sollten sich in der Beschaffung von Krediten Schwierigkeiten ergeben, was zur Zeit nicht anzunehmen ist, weil wir beispielsweise in Rheinland-Pfalz bisher ohne Schwierigkeiten durch Landes-hilfe bereits 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt haben, dann habe ich die Bitte an den Bundesernährungsminister, bei der Kapitalbeschaffung behilflich zu sein.
Wenn wir so vom Bund 10 Millionen DM Zuschüsse und Zinsverbilligungen für ein Kreditvolumen von 30 Millionen DM bereitstellen und erwarten, daß dieselben Summen seitens der Länder gesichert werden, so hoffen wir, mit dieser Gesamtsumme von rund 80 Millionen DM eine wirksame Hilfe in dieser sehr schweren Lage des deutschen Weinbaues zu leisten. An die Regierung habe ich die Bitte, dafür Sorge zu tragen, daß nach den Beschlüssen in diesem Hohen Hause die Hilfsmittel unverzüglich an die Betriebe weitergeleitet werden.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem unserem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Odenthal.
Meine Damen und meine Herren! Mit dem Herrn Kollegen Gibbert bin ich darin einig, daß sofortige Hilfe auch des Bundes nottut. Die Parlamente und Regierungen der Länder beschäftigen sich seit Wochen und Monaten mit dem Problem der Hilfe für den Weinbau.
Ich binallerdings mit dem Herrn Kollegen Gibbert nicht einig über die Höhe dessen, was er gefordert hat. Ich sehe zunächst nur den Tropfen auf den heißen Stein, der aus den 2 Millionen DM fließt und der keine Änderung und keine Hilfe bringen kann. Ich sehe weiter kaum eine Möglichkeit, die Kredite bis zu 30 Millionen DM zu be-
*) Siehe Anlage 11 schaffen. Man soll uns hier nicht mit vagen Versprechungen abspeisen. Hier handelt es sich um einen Notstand, der dringendst behoben werden muß.
Aber lassen Sie mich zunächst einmal etwas mit Zahlen arbeiten! Auf Umdruck 1091*) beantragen wir, in Einzelplan 10 Kap. 02 Tit. 975 den vom Haushaltsausschuß vorgesehenen Betrag von 10 Millionen DM 'auf 40 Millionen DM zu erhöhen. Der Ernährungsausschuß hat auf Grund eingehender Erhebungen und auf Grund von Unterlagen, die ihm vom Bunde.sernährungsminister gegeben worden sind, einstimmig beschlossen, diese Hilfe an Krediten und verlorenen Zuschüssen auf 48 Millionen DM festzusetzen. Dieser Betrag — das hat Herr Gibbert schon gesagt — ist vom Haushaltsausschuß auf 10 Millionen DM gekürzt worden. Das ist der Tatbestand.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat auf Anfrage der Kollegen Seither und Genossen genaues Material übergeben, das Ihnen zugegangen ist. Sie könnten dazu sagen, das sei auf das Jahr 1956 abgestellt. Sie könnten weiter sagen, es müsse der Einwand gelten, daß der Winzer, der Kleingewerbetreibende, der Bauer und, was weiß ich, alle möglichen Berufe des Mittelstandes auf lange Zeit den Ausgleich finden müßten. Sie könnten sagen, der Ertragsausgleich und der Gewinn- und Verlustausgleich sollten auf mehrere Jahre verteilt werden. Aber, meine Damen und Herren, das gilt doch nicht, wenn in den Jahren 1954, 1955 und 1956 schwerste Schäden entstanden sind.
Ich habe mich davon überzeugt, daß die Frosteinbrüche am 6. und am 9. Mai für große Betriebe und für ganze Landschaften den Ertrag auch dieses Jahres und unter Berücksichtigung der Schäden aus dem Jahre 1956 dein Ertrag für längere Jahre in Frage stellen oder unmöglich machen.
Die großen Weinbaudomänen, die großen Weingüter können diesen Ausgleich über mehrere Jahre hinaus finden. Sie haben das Kapital, sie haben einen größeren Besitz, und sie können schlechte Lagen und Frosteinbrüche mit guten Lagen ausgleichen. Sie können auch zusammen mit dem Handel einen Preis gestalten, der ihnen wenigstens das Leben ermöglicht. Der Preis, den Sie heute für den Wein zahlen, entsteht ja nicht durch den kleinen und mittleren Betrieb. Dieser ist daran gebunden, seine Trauben im Herbst zu verkaufen, die Maische zu verkaufen oder den jungen Wein schnell abzustoßen. Er kann ihn nicht ausbauen, er hat nicht das Kapital, um auf längere Zeit rechnen zu können. So müssen Sie die Dinge sehen.
Nach dem Material, das uns vom Bundesernährungsminister zugegangen ist, stellen wir fest, daß 34 104 kleine und mittlere Betriebe existenzgefährdet sind. Hinter dieser Zahl stehen 150 000 kleine Winzer und ihre mithelfenden Angehörigen, die vor der Tatsache stehen, daß sie ihren Betrieb aufgeben müssen und nicht weiterarbeiten können. Interessant: die Durchschnittsgröße dieser existenzgefährdeten Betriebe liegt bei 3,4 ha. Davon sind aber nur 0,44, also ungefähr 1/2 ha praktisch im Rebbau verwendet, also Rebanbaufläche. Sie sehen also, wie klein der Besitz ist, auf dem die Men-
*) Siehe Anlage 12
sehen nun mit zwei Morgen Anwesen ihr Leben gestalten müssen.
Diese kleinen und mittleren Betriebe haben die nicht guten Jahre 1954 und 1955 schon überstanden. Das Jahr 1956 hat ihnen einen Verlust gebracht, der außerordentlich hoch ist, und der 6. und der 9. Mai dieses Jahres haben ihnen nun weitere wenig tröstliche Aussichten beschert.
— Herr Kollege Dresbach, das ist mir interessant, daß Sie das sagen. Die Weinpreise, habe ich eben gesagt — Sie waren nicht dabei —, werden doch nicht bestimmt von den vielen kleinen und mittleren Betrieben. Ich habe gesagt, diese kleinen Betriebe sind nicht in der Lage, ihren Wein auszubauen; sie haben kein Kapital. Wenn Sie eine gute Lage trinken — und ich glaube, Sie tun das —, dann werden Sie den Wein von den großen Gütern, vom Großhandel usw. 'beziehen; und derbestimmt die Preise.
— Schön, wir können darüber reden, ob ich gestoppten Wein trinke 'usw. Aber Sie wissen ganz genau, daß das Ding zwei Seiten hat. Der kleine Betrieb kann den Wein auch nicht ausbauen. Er hat das Kapital nicht, das sage ich noch einmal, Herr Kollege Dresbach. In einem Jahre, nämlich 1956, betrug der Ernteausfall in den Weinanbaugebieten des Bundesgebiets im Durchschnitt 66 %, und die Minderung des Roheinkommens lag bei 288 Millionen DM. Das sind Angaben, die uns vom Bundesminister für Ernährung amtlich gemacht worden sind.
7817 ha Rebanbaufläche sind total vernichtet. Ihr Anbau erfordert Jahre, verursacht Kosten und Arbeitslohn und erfordert Arbeit von vielen tausend Menschen. Ein Ertrag in den neu anzubauenden, jetzt ,auszuhauenden Flächen wird vor fünf bis sechs Jahren nicht zu erwarten sein. Der Bundesernährungsmnister hält die Schätzung des andauernden Schadens auf fünf, sechs Jahre hinaus auf 60,8 Millionen DM jährlich für berechtigt. Das sind doch Zahlen, an denen wir nicht vorbeigehen können. Diese wenigen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, und wir meinen, daß schnellste Hilfe notwendig ist.
Aber sollen wir die Sache nur von der zahlenmäßigen Seite betrachten? Kann man die Frage nur mit dem Rechenschieber lösen, oder sollten wir nicht versuchen, mit einem guten, vielleicht sogar, Kollege Dresbach, heiteren Wort die Sache auch von der anderen Seite zu sehen und vielleicht durch ein solches Wort ein gemeinsames Anliegen in dieser Frage eher zum Tragen zu bringen?
Wir alle — nicht nur in diesem Hause — leiden
doch unter der Unrast unserer Tage, unter der Last unserer Zeit. Die meisten oder viele von uns suchen doch nach des Tages Last und Unrast, nach des Tages Arbeit an einem Glase Wein neue Kraft, Entspannung, Erholung, Gesellschaft, um für den nächsten Tag wieder kräftig zu sein. Der eine läßt einen guten Ahrburgunder auf der Zunge zergehen. Ein anderer findet Anregung in einem spritzigen Mosel. Wieder ein anderer schlägt sich mit einem stahligen Rheingauen herum, und wieder iandere sind mit dem lieblichen Duft des Rhein-
hessen-Weins auf Du und Du. Ich selbst gebe zu, daß ich im Kampf mit meinem Pfälzer immer zweiter Sieger geblieben bin.
Vergessen wir auch nicht, meine Damen und Herren, daß viele ins schöne Land der Franken fahren, um dort den Steinwein zu genießen, der ihnen Freude, Mut und Leben bringt. Denken wir auch an die Erdhaftigkeit des Kaiserstühlers. Wenn wir schon beim Wein sind, dann sollten wir uns schon die Landschaften betrachten, die dazu beitragen können, uns in einer Frage, deren Lösungwirklich nottut, zu einigen. Schließlich gibt es noch einen schwäbischen Wein, der in den letzten Jahrzehnten so gut geworden ist, daß mir ein Freund sagte: „Die Schwaben saufet ihren Wein selber. Sie fuhren ihn nicht mehr aus." Nur ein Rinnsal dieses schwäbischen Weins kommt bis Bonn. Und ich habe das Gefühl, daß dieses kleine Rinnsal doch die Schönheit 'der Sprache und den Geist eines Mamies belebt, den wir alle verehren und dessen hoher Geist nicht denkbar wäre ohne die Befruchtung durch den herrlichen Wein. Schließlich und endlich gibt es auch noch einen Grünberger Wein, der auf der Weinkarte unserer Tage und unseres Hauses nicht zu finden ist.
— Ich habe eine gewisse Erinnerung an ihn; vielleicht, Herr Kollege Dresbach, haben auch Sie ihn genossen, und Sie haben sicher keinen Schaden an Ihrer Gesundheit genommen. Ich weiß aber, ,daß wir alle den Tag herbeisehnen, an dem wir die Menschen, die diesen Wein bauen, mit uns vereinigt sehen.
Das sind zwar heitere Worte, aber hinter ihnen steht ein ernster und bitterer Gedanke. Im Wein ist eine Symphonie von Farben, Frucht und Duft enthalten. Aber 'dahinter steht doch der Gedanke: Es gibt keinen Fröhlichen Weinberg, wenn die Winzer hungern und traurig sind, wenn sie vielleicht selber in Not stehen. Es dürfte auch keinen frohen Zecher geben, wenn er weiß, daß 150 000 Winzer darben und um ihre Existenz bangen.
Ich möchte Sie nicht mit weiteren Zahlen behelligen. Wir sind uns einig — das hat Kollege Gibbert schon gesagt —, daß schnelle Hilfe nottut. Darum sollte das Haus sich bereitfinden, dem Antrag zuzustimmen, daß der Betrag von 10 Millionen auf 40 Millionen DM erhöht wird, damit der not-leidende Weinbau mit seinen kleinen Betrieben und seinen Menschen eine wirksame Hilfe erfährt. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zunächst zu dem Antrag Umdruck 1103*). Zu Punkt 1 habe ich keine Bemerkungen zu machen, da für diesen Neuansatz von den Herren Antragstellern ein Ausgleich innerhalb des Titels vorgesehen ist.
Unter Ziffer 2 wird verlangt, daß die Bezugnahme auf die Grundsätze, die für die Milderung der Hochwasserschäden an der Ernte 1956 gelten,
*) Siehe Anlage 11
wegfallen. Das bedeutet, daß die Grundsätze, die bereits seit mehr als einem Jahr für die Landwirtschaft im allgemeinen praktiziert werden, hier nicht Anwendung finden sollen. Ich möchte bitten, von dieser Änderung abzusehen. Der Weinbau gehört ja auch zur Landwirtschaft im weiteren Sinne, und vielleicht hat man übersehen, daß auch bei der Landwirtschaft Existenzgefiihrdung Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze ist. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß es im Weinbau infolge des Frostes schwere Schädigungen gegeben hat, die zur Existenzgefährdung führen können. Aber eauch in der Landwirtschaft war bei Berücksichtigung der Hochwasserschäden die Existenzgefährdung Voraussetzung, und an diesen Dingen, die zum großen Teil schon erledigt sind, können wir ja nicht rückwirkend etwas ändern.
Ich darf aber mitteilen, daß zwischen dem Bundesernährungsministerium und dem Bundesfinanzministerium zur Zeit Besprechungen stattfinden, dieeine genauere Fassung der Richtlinien gerade in bezug auf den Weinbau zum Inhalt haben. Wenn ich das hier erkläre, so erledigt sich damit vielleicht Ziffer 2 des Antrags.
Dann zu dem Antrag Umdruck 1091*), den Herr Abgeordneter Odenthal eben begründet hat. Ich möchte vorschlagen, daß es bei der Fassung des Haushaltsausschusses bleibt, wo insbesondere vorausgesetzt wird, daß sich an den Gesamtkosten der Entschädigung die Länder zur Hälfte beteiligen. Sie wissen, das ist ein Punkt, in dem gewisse Meinungsverschiedenheiten mit den Ländern bestehen. Das gilt ja nicht nur für den Grünen Plan, sondern auch für kulturelle Maßnahmen. Ich glaube, es hat sich durchaus bewährt, daß, wenn der Bund nunmehr in höherem Maße in die Verpflichtungen für diese Fragen eintritt, daran festgehalten wird, daß auch die Länder einen entsprechenden Beitrag dazu leisten. Es hat ja Fälle gegeben — die kürzlich durch die Presse gegangen sind —, wo nach der Bewilligung von Bundeszuschüssen das eine oder andere Land seinen Zuschuß herabgesetzt hat. Das kann ja wohl nicht die Absicht des Hohen Hauses sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte!
Lahr : Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß sich die Erfrierungsschäden im Weinbau ganz anders auswirken als die Hochwasserschäden in der reinen Landwirtschaft? Ist Ihnen bekannt, daß es sich in der reinen Landwirtschaft bei Hochwasserschäden lediglich um Ernteschäden handelt, während sich Erfrierungsschäden im Weinbau jahrelang auswirken, weil sie den Stock selbst
greifen und vernichten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe eben gerade anerkannt, daß es im Weinbau zum Teil Schäden gibt, die so schwer sind, daß sie zur Existenzgefährdung führen. Ich habe dann aber darauf exemplifiziert, daß es sich auch bei der Landwirtschaft um Existenzschäden handeln kann.
*) Siehe Anlage 12
Ich bin damit der Lage des Weinbaus wohl durchaus gerecht geworden.
— Bitte!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die sogenannte Parität, d. h. die Beteiligung der Länder an Leistungen des Bundes, für diesen speziellen Fall nicht anwendebar ist, weil Weinbauschäden in ihrer Gesamtauswirkung fast ausschließlich einzelne Länder, und zwar in erster Linie das Land Rheinland-Pfalztreffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, als die Zwischenfrage kam, war ich gerade dabei, genauere Zahlen zu nennen. Es liegt natürlich keine Parität für alle Länder vor. Ich kann nicht verlangen, daß Schleswig-Holstein Mittel für Weinbauschäden gibt. Daran ist auch nicht gedacht gewesen. In Rheinland-Pfalz sind aus Landesmitteln 6,3 Millionen zur Verfügung gestellt worden, in Baden-Württemberg 2,4 Millionen, in Bayern 225 000 und in Hessen 300 000. Das sind beinahe 10 Millionen. Daraus ergibt sich, wenn man an dem Verhältnissatz, den der Haushaltsausschuß wohl mit Rechtaufgestellt hat, festhält, daß ,der Betrag von 10 Millionen aus Bundesmitteln ausreicht.
Über die Zinsverbilligungsaktion, die in Kraft treten soll, habe ich schon gesprochen. Ich darf aber noch bemerken, daß der Weinbau eauch an anderen laufenden Förderungsmaßnahmen teilnimmt, z. B. Schädlingsbekämpfung, Flurbereinigung, Beratung, Wegebau usw.
Zum Schluß muß ich noch eine Frage aufwerfen: Welche Deckung haben Sie denn für die 30 Millionen vorgesehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich spreche zu dem Antrag meiner Fraktion auf Umdruck 1055*), bei Tit. 630 f) — Durchführung von Schulmilchspeisungen — den Ansatz von 6 Millionen DM um 44 Millionen DM auf 50 Millionen DM zu erhöhen. Sie werden sicher sagen: Alle Jahre wieder! Leider müssen wir alle Jahre wieder mit diesem Antrag kommen, der wirklich schon längst Ihre Zustimmung verdient hätte.
Ich denke, daß in diesem Jahr der Antrag besonders begründet ist und wir deshalb die Hoffnung haben können, daß Sie ihm beitreten werden. In Anbetracht der Subventionierung der Milch für die Erzeuger in Höhe von 400 Millionen DM über den Grünen Plan glauben wir nämlich, daß eine Erhöhung der Mittel auf 50 Millionen DM für die Schulmilch-Ausgabe mehr als berechtigt ist.
Zur weiteren Begründung unseres Antrages darf ich auf folgendes hinweisen. Die Vermehrung der Milchproduktion durch die Subventionierung — und damit ist ja auch eine Erhöhung der Rentabilität der Viehhaltung für den Bauern verbunden — erfordert unseres Erachtens zugleich ein Nach-
*) Siehe Anlage 13
denken über vermehrte Absatzmöglichkeiten. Ich glaube, das kann nicht nur die Sorge der SPD-Fraktion sein.
Vielleicht werden Sie sagen, es gibt viele Möglichkeiten des Verbrauchs dieser Milch, zum Beispiel die Verarbeitung zu Butter, die man dann lagern kann. Sie wissen aber erstens so gut wie wir, ,daß die Milchverwertung über die Butterverarbeitung für den Bauern nicht so viel Einnahmen bringt wie der direkte Verbrauch von Trinkmilch, und zweitens, daß die Butterverarbeitung schon infolge der notwendigen Einlagerung für die öffentliche Hand auch sehr kostspielig ist; sie wird noch kostspieliger dadurch, daß man sie nach einer bestimmten Zeit wälzen muß, daß die Butterqualität durch eine längere Lagerung der Butter abnimmt und dadurch z. B. Markenbutter vielleicht als Molkereibutter oder nur als Butter mit noch mehr herabgeminderter Qualität verkauft werden kann. Sie kennen genauso gut wie wir die vielen anstößigen Manipulationen in bezug auf Qualität und Preis der Butter, die sich in Abständen wiederholen und den Verbraucher berechtigterweise in Harnisch bringen. Wir glauben, daß Sie durch eine nachhaltige Förderung des Trinkmilchabsatzes sowohl die Bauern wie auch das Parlament vor diesen ewigen Steinen des Anstoßes schützen könnten.
Natürlich können Sie auch sagen, daß man die erhöhte Milchproduktion zu einem Teil in der bisherigen Weise verkraften kann, indem man aus der Milch Trockenmagermilchpulver herstellt. Die Produktion des Trockenmagermilchpulvers wird ja von der öffentlichen Hand subventioniert. Sie tun das heute alles, statt den einzig richtigen Weg zu gehen, nämlich den Trinkmilchverbrauch direkt zu fördern.
Das ist der eine Aspekt für die Erhöhung des Etatansatzes um 44 Millionen DM. Der andere Aspekt ist ein zutiefst sozialpolitischer, und ich hoffe, daß er noch mehr Eindruck auf Sie macht. Es geht darum, daß man für unsere Familien —Herr Minister Wuermeling wird mir hoffentlich zustimmen — und für unsere Kinder in bezug auf den Verbrauch von Milch einiges mehr tun könnte. Jeder weiß, daß die Milch die Gesundheit unserer Kinder außerordentlich fördert. Sie wissen doch, daß bei 31°/o aller Schulkinder die Mütter erwerbstätig sind; das sind mehr als 2 Millionen Kinder. Mindestens die Hälfte dieser Kinder ist sich selbst überlassen. Nach den Aussagen der Lehrer kommt ein ganz großer Teil der Kinder auch heute noch ohne jedes Frühstück in die Schule.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: es wäre für diese Kinder eine Wohltat und vor allen Dingen für ihre Mütter eine große Beruhigung, wenn die Kinder in der Schule regelmäßig ihre Milch trinken könnten.
Was für eine Wohltat wäre es erst für kinderreiche Familien! Gerade diese sind ja auch Ihr besonderes „Sorgenkind". Die Kinder solcher Familien bekommen bestimmt nicht immer genug Butter. Wie gut wäre es, wenn man ihnen über die Schulmilchspeisung kostenlos Milch geben könnte!
Aus ärztlichen Gutachten wissen auch Sie, daß man den Kalziumbedarf des Körpers nicht ohne genügenden Milchverzehr decken kann, vor allen Dingen nicht in der Jugendzeit. Man könnte es über den Verbrauch von Milchprodukten. Damit liegt es aber noch viel mehr im Argen als mit der
Trinkmilch selber, weil für die Normalfamilie und erst recht für die kinderreiche Familie Butter und Käse meistens zu teuer sind. Wenn die Kinder täglich einen halben Liter Milch, davon mindestens einen viertel Liter über die Schulmilchspeisung, erhalten könnten, wäre schon eine ganze Menge in dieser Richtung besser.
Ich gebe zu, daß die 6 Millionen DM, die im Grünen Plan eingesetzt sind, ein Anfang sind; aber sie sind nur ein kleiner, weil Sie diese 6 Millionen an Länder- und Gemeindezuschüsse gebunden haben. Es gibt nun einmal viele kleine und arme Kommunen und finanzschwache Länder, die die Zuschüsse nicht geben können, die aus eigenen Mitteln nichts beisteuern können. Ich meine — meine Fraktion ist mit mir derselben Ansicht, und meine Kollegin Frau Strobel hat es schon in vielen Reden zum Ausdruck gebracht —, daß der Bund für diese gute Sache einmal in Vorleistung treten muß.
Ich darf Ihnen, meine Herren und Damen, nun einmal vor Augen führen, wie vom einfachen Bürger her gesehen die Subventionierung der Milch mit 400 Millionen DM über den Grünen Plan aussieht. Dabei betone ich, daß wir nicht gegen diese Subventionierung sind. Da sieht die Sache so aus: die Bauern erhalten für die Milch 400 Millionen DM an öffentlicher Subvention, aber für unsere Kinder sind nicht einmal 50 Millionen DM übrig.
Und weiter: Der Finanzminister schöpft über die hochgeschleusten Preise des Importgetreides noch immer jährlich fast 400 Millionen DM ab; denn so viel macht die Differenz des Getreidepreises des In- und Auslandsgetreides aus. Zufälligerweise und sicher zur Freude des Finanzministers deckt diese Einnahme von 400 Millionen DM gerade die Subvention der Milch für die Landwirtschaft. Diese 400 Millionen DM nimmt er aber quasi dem Verbraucher. Wenn er sie nämlich nicht abschöpfte, gäbe es für den Verbraucher einen billigeren Getreidepreis und damit, wie zu hoffen wäre, auch einen billigeren Brotpreis. Er hat also diese 400 Millionen DM dadurch in seiner Staatskasse. So sieht es zweifellos der einfache Bürger. Der Finanzminister läßt aber von den 400 Millionen DM, die der Verbraucher über den höheren Getreidepreis bezahlt, auch nicht einen roten Heller an den Verbraucher zurückgehen. Könnten der Finanzminister und Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, nicht einmal das Zugeständnis machen, für diese wirklich gute Aktion, die von nachhaltiger Wirkung für unsere Kinder ist, 50 Millionen DM abzuzweigen?
— Herr Dr. Conring, Sie können vielleicht nachher dazu sprechen.
Sie haben das, meine Damen und Herren, bisher immer abgelehnt; das weiß ich. Ich finde aber, daß Ihnen die Notwendigkeit der Schulmilchspeisung noch einmal vor Augen gehalten werden mußte. Es ist einfach ein Akt der Gerechtigkeit, den Bevölkerungskreisen, von welchen letzten Endes die Einnahmen des Fiskus aus den hochgeschleusten Getreideimportpreisen kommen, wieder etwas davon zugute kommen zu lassen!
Ich will Sie nicht länger aufhalten. Sie kennen im Grunde genommen unsere Begründung. Ich möchte zusammenfassend nur noch sagen: Die agrarwirtschaftliche Sicht empfiehlt es, eine wesentliche Steigerung des Trinkmilchverbrauches her-
beizuführen, und die sozialen und gesundheitspolitischen Aspekte lassen es durchaus als vernünftig, ja als notwendig erscheinen, diesen kleinen Rückfluß von 50 Millionen DM aus den hochgeschleusten Getreidepreisen durchzuführen.
Ich hoffe, daß auch Sie es mit uns als einen nur kleinen Ausgleich auch gegenüber den Verbrauchern ansehen und aus all diesen Gründen in diesem Jahr den Antrag auf 50 Millionen DM für die Schulmilchspeisung nicht wieder ablehnen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Altestenratssitzung, die für 14.30 Uhr angesetzt war, auf 18.30 Uhr verschoben ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nur kurz auf den Antrag Umdruck 1055*) mit der eben gegebenen Begründung eingehen Ich stelle dazu fest, daß auf Grund des Grünen Plans 1957 wie im Vorjahre wieder 6 Millionen für diesen Zweck veranschlagt sind.
Ich darf dazu folgendes sagen. Erstens: Der Vorjahrsansatz von 6 Millionen DM ist bei weitem nicht ausgeschöpft und verbraucht worden.
) Die Ist-Ausgabe hat tatsächlich nur 3,3 Millionen DM betragen.
Zweitens: Die Erhöhung ist bereits im Haushaltsausschuß durch den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten abgelehnt worden, da sie zwecklos ist.
Drittens: Die erforderliche Bereitschaft der Länder und insbesondere der Gemeinden fehlt. Voraussetzung aber muß doch sein, daß die Länder und die Gemeinden, die hier in erster Linie die Zuständigkeit und die Pflicht zur Zuständigkeit haben, jeweils Mittel in gleicher Höhe wie der Bund geben. Im übrigen ist die Einflußmöglichkeit der Herren Antragsteller bei den meisten Länderregierungen viel stärker. Sie haben leicht die Möglichkeit, die Bereitwilligkeit der Länder hervorzurufen.
Viertens: Den Wegfall der Länderklausel halte ich für völlig untragbar. Wenn Länder und Gemeinden kein Interesse bezeugen, dann kann nicht verlangt werden, daß der Bund die Schulmilchspeisung der ganzen Bundesrepublik bezahlt.
Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Mittagspause. Wir unterbrechen die Verhandlungen und beginnen sie wieder um 14.30 Uhr. Die Rednerliste bleibt bestehen.
*) Siehe Anlage 13
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Leider hat sich der Haushaltsausschuß nur mit der Hälfte des beantragten Betrages einverstanden erklärt. Leider hat er die Unterstützung, den Ausgleich der Kosten zur Verhinderung dessen, was ich soeben gesagt habe, des Stilliegens von Schiffen mit allen wirtschaftlichen Folgen, auf die Logger-und Kutterfischerei beschränkt und die Hochseefischerei ausgenommen. Meine Fraktion beantragt deshalb, den Ansatz um drei Millionen DM auf 5 500 000 DM zu erhöhen und die Erläuterungen dahingehend zu ändern, daß solche Betriebsbeihilfen auch an Betriebe der Hochseefischerei gezahlt werden können.
Es ist — ich will es hier ganz offen aussprechen — gegen diesen Antrag mit dem in der Presse veröffentlichten Geschäftsbericht eines Unternehmens der deutschen Hochseefischerei operiert worden. Man hat darauf hingewiesen, daß dieses eine Unternehmen Dividenden in beträchtlicher Höhe ausgezahlt hat. Demgegenüber ist festzustellen, daß dieses eine Unternehmen, bezogen auf die durchschnittlichen Verhältnisse und auf die durchschnittlichen Größenordnungen in der deutschen Hochseefischerei, sozusagen ein Mammutunternehmen ist mit sehr vielen rückwärtigen Verbindungen und in einer völlig anderen wirtschaftlichen Situation als das Gros der deutschen Hochseefischerei. Wenn es einem Unternehmen, das über eine sehr große Zahl von modernen Schiffen und über einen Rückhalt im Absatz usw. verfügt, möglich ist, zu einem wirtschaftlichen Resultat zu kommen, dann sagt das überhaupt nichts für die große Zahl von kleinen Reedereien, die mit zwei oder drei oder vier oder fünf Schiffen, darunter alten Schiffen, ausschließlich auf die Erträge aus der Fischerei angewiesen sind.
Wir riskieren ganz einfach einen uns allen sehr unerwünschten Prozeß der Konzentration in der
*) Siehe Anlage 14
Fischerei, wenn wir nicht das tun, was zur Erhaltung dieser kleinen Betriebe unbedingt notwendig ist. Denn es gibt eben leider Betriebe, die klein sind, auch wenn sie zur Hochseefischerei gehören. Daß jemand einen Dampfer hat, macht ihn noch nicht reicher und noch nicht glücklicher als jemanden, der etwa nur einen Kutter hat. Deswegen halten wir die Ausweitung dieser Maßnahme auch auf diese Betriebe für erforderlich, und dem entspricht unser Antrag. In die Richtlinien zur Vergebung dieser Mittel können all die Maßnahmen eingebaut werden, die erforderlich sind, um zu verhindern, daß Beträge aus dieser Beihilfe in solche Hände kommen, die auf Beihilfen dieser Art nicht angewiesen sind.
Sie werden es mir sicherlich gern glauben, daß es mir mit dieser Einschränkung ernst ist. Schließlich haben sich meine Freunde und ich immer mit besonderem Nachdruck gegen die ungezielten allgemeinen Subventionen gewehrt. Wir haben stets darauf gedrungen, daß die erforderlichen Hilfen so weit wie möglich auf die Punkte konzentriert werden, an denen sie notwendig sind. Solche Punkte gibt es aber in der Hochseefischerei leider in großer Zahl, und wenn wir, wie gesagt, nicht eine wirtschaftliche Entwicklung einfach über uns hereinbrechen lassen wollen — was am Beginn des europäischen Marktes noch ganz besonders gefährlich ist —, dann müssen wir hier helfen. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag meiner Fraktion, den Sie auf Umdruck 1083*) finden, zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fassbender.
Fassbender : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Frühwald hat heute morgen geglaubt, darauf hinweisen zu müssen, daß bei dem zur Debatte stehenden Thema Unterschiede in der Auffassung zwischen der Koalitionspartnerin, der CDU, und uns vorhanden seien. Eigentlich sollte Herr Kollege Frühwald auf Grund seiner immerhin fast siebenjährigen Zugehörigkeit zur Koalition wissen, daß das auch früher bei anderen Anlässen der Fall gewesen ist, ohne daß deshalb die Koalition zersprang.
Lieber Herr Kollege Frühwald, ich glaube Ihnen sagen zu sollen, auch wenn wir in agrarpolitischen Dingen anderer Auffassung sind als die CDU, so haben wir Ihre Assistenz und Hilfestellung wirklich absolut nicht nötig.
— Ja, diese Höflichkeit ist aber notwendig. Warten Sie ab, Herr Kollege Schmidt! Es hat schon einmal geheißen: „Wieviel seid ihr denn?" Aus Kleinen können Große und aus Großen Kleine werden. Wir überlassen das der Zukunft.
— Meine Damen und Herren, ich habe Zeit, — wenn Sie sie haben.
— Wir haben Zeit.
*) Siehe Anlage 14
Meine Damen und Herren! Ich habe hier noch einmal in der zweiten Lesung die von uns gestellten Anträge zu begründen. Bei Kap. 1002 — Allgemeine Bewilligungen — Tit. 615 — Zuschüsse zur Bekämpfung der Tierseuchen — wünschen wir die Verstärkung der Mittel um 100 Millionen DM. Die Zahl mag manchem sehr hoch erscheinen, wenn ich aber feststelle, daß wir noch fast 21/2 Millionen nichtentseuchte Rinder haben, dann glaube ich doch, daß es an der Zeit ist, etwas zu tun, um diese Entseuchung so schnell wie möglich voranzutreiben und zum Abschluß zu bringen. Bei einem Zuschuß von nur 200 Mark pro Tier — und das entspricht so unseren Auffassungen — werden immerhin noch fünf, sechs Jahre ins Land gehen, bis die deutsche Landwirtschaft wirklich tuberkulosefreie Rinderbestände hat. Es wird hier gesagt, es genügt die Anmeldung, um in den Besitz der 4 Pf zu kommen. Davor warne ich, weil es dazu führen könnte, daß Gesetze nicht mehr ernst genommen werden. Das ist eine Entwicklung, vor der meine politischen Freunde und ich allerdringlichst warnen möchten.
Ich bitte deshalb, gerade bei der Tierseuchenbefreiung die Hilfestellung des Bundes den Landwirten zuteil werden zu lassen — denn es ist keine Bosheit ,dieser Bauern, daß sie nicht entseucht haben —, die bisher nicht in der Lage waren, die finanziellen Lasten einer derartigen Tbc-Befreiung zu tragen. Es ist doch eine Binsenwahrheit, daß die Umstellung eines Bestandes von sechs, sieben Milchkühen von Tbc auf tbc-frei pro Kuh im Durchschnitt für alle damit zusammenhängenden Unkosten mit rund 1000 Mark bewertet werden muß. Nun frage ich Sie: Glaubt denn einer in diesem Hause, daß es bei der derzeitigen Ertragslage der Landwirtschaft einem Bauern mit sechs, acht oder zehn Milchkühen so einfach wäre, diese 10 000 Mark aufzubringen, um die Entseuchung durchzuführen? Bei der jetzigen Ertragslage der Landwirtschaft ist es mehr als berechtigt, daß diesen Bauern unter die Arme gegriffen wird.
Das Zweite, das damals schon von meinem Kollegen Lahr beantragt wurde, ist, dafür zu sorgen, daß nun bei Dieselöl die Preise auf einem Stand bleiben, respektive auf einen Stand zurückgeführt werden, der 1956 üblich war. Denn es nutzt ja nichts, daß wir auf der einen Seite für die Landwirtschaft Mittel zur Verfügung stellen, wenn es nicht gelingt, die betriebsnotwendigen Mittel zur Erzeugung in der Landwirtschaft auf einem Preisniveau zu halten, das einigermaßen stabil ist.
Sie entsinnen sich vielleicht, Herr Minister, eines Vortrags in Korbach vor drei Jahren, wo Sie noch glaubten, die Dinge über den Preissenkungsfaktor bei landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln ins Gleis bringen zu können. Ich habe Sie damals — das glaube ich Ihnen sagen zu dürfen — darauf hingewiesen, daß ich diesen Weg nicht für richtig halte, da er sich einfach in der Praxis als Illusion erweisen würde. Leider habe ich recht gehabt. Es wäre mir lieber, Herr Minister, ich könnte heute sagen, Sie haben recht gehabt und ich unrecht. Leider ist es umgekehrt — sehr zum Schaden der gesamten deutschen Landwirtschaft. Ich glaube, es ist deshalb berechtigt, daß die Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Meine Damen und Herren! Ich glaube darüber hinaus, daß es sich bei dem von uns gestellten Antrag auf Subventionierung der Milch um eine
Grundsatzentscheidung von weitestgehender Tragweite handelt. Was verlangen wir denn? Nicht mehr und nicht weniger — und es ist wenig genug —, als der landwirtschaftlichen Erzeugung infolge der gestiegenen Unkosten diese 4 Pf pro Liter zu geben, unabhängig davon, ob der Bestand seuchenfrei ist oder nicht. Das soll ja doch dazu dienen, die Diskrepanz in der gesamten Preisentwicklung der landwirtschaftlichen Produkte gegenüber der der gewerblichen Wirtschaft irgendwie auszugleichen.
Wenn weiterhin gesagt wird — ich habe das schoneinleitend betont —, res müsse erwartet werden, daß man sich zur Seuchenbekämpfung angemeldet habe, ohne jedoch einen Zeitpunkt zu nennen, bis wann das abgeschlossen sei, wird das zu einer Verflachung des Respekts vor den hier gegebenen Gesetzen führen müssen. Das ist eine Tatsache, die bei .ernster Betrachtung von niemand hinweggeleugnet werden kann.
Ich weiß, man wird mir entgegenhalten, woher die zusätzlichen Mittel noch genommen werden sollen. Ich bin der Überzeugung, daß es sehr leicht möglich sein dürfte, aus den Resten des Juliusturms noch so viel herauszukratzen, um dien Wünschen der Landwirtschaft gerecht zu werden. Bei anderen Gelegenheitenwird sehr viel mehr herausgenommen.
Darüber hinaus habe ich ,aber eine Frage an den Herrn Finanzminister. Herr Finanzminister, darf ich Sie bitten, mir zu erklären, wo eigentlich die Mittel, die die Gemeinden und Länder für nicht beschäftigte 131er verwenden müssen, in Ihren Etatpositionen verbucht sind? Ich habe sie leider nicht gefunden und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich darüber aufklären könnten.
— Ja doch, Kollege Horlacher, das hat mit der Mittelaufbringung zu tun, die der Zuschüsse des Bundes bedarf. Das wissen Sie alter Fuchs ganz genau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick! „Alter Fuchs" höre ich hier. Na also, gut, --
Fassbender : Rügen Sie, Herr Präsident! Ichdanke Ihnen, ich nehme die Rüge hin.
Ich wollte es noch gar nicht einmal rügen, ich stelle nur fest, daß der Betroffene nichts dagegen hat.
Fassbender : Wir befinden uns ja auch mit unseren Forderungen in gar nicht so schlechter Gesellschaft. Ich darf z. B. ein Rundschreiben des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes vom 18. Mai heranziehen.
— Ist überholt? Das geht aber schnell! — In diesem Rundschreiben, aus dem ich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, einen Abschnitt verlesen darf, heißt es:
Die unter Tit. 615 vorgesehenen Mittel zur Bekämpiung der Tierseuchen bedürfen einer wesentlichen Erhöhung, um die auch von der Bundesregierung anerkannte Freimachung von Rinder-Tbc möglichst bald durchführen zu können. Als Schätzungsgrundlage für den seinerzeit bereits angegebenen 'Betrag von 10,5 Millionen dient der Vorschlag, eine Aufzuchtprämie im Rahmen der Tbc-Bekämpfung von 30 DM je Kalb für insgesamt 350 000 Kälber zu gewähren.
Und jetzt kommt der entscheidende Satz:
Ein weiterer Betrag muß nach Ansicht des Deutschen Bauernverbandes für die Auszahlung von Beihilfen bei der Ausmerzung der von der Tuberkulose befallenen Rinder zur Verfügung gestellt werden.
Unsere Auffassungen decken sich also — wir sind glücklich darüber, daß das der Full ist — mit denen des Deutschen Bauernverbandes.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich die Annahme der von uns geforderten kleinen Beträge wirklich nicht allzu schwer zu machen. Ich bin heute morgen einem Disput zwischen dem Herrn Wirtschaftsminister und dem Vertreter der Opposition über Gewinne und dergleichen gefolgt. Sie haben beide recht und haben beide unrecht, recht insofern, als jeder vom anderen behauptet, er habe gar nicht schlecht dabei ,abgeschnitten. Wenn ich aber feststelle, daß eine gewisse Gruppe von Monopolisten Millionengewinne macht, auf der anderen Seite aber — Ihnen, meine Herren von links, sage ich das auch — teilweise Löhne gezahlt werden, die auch weit über dem liegen, was wir ein ländliches Mittelstandseinkommen nennen, dann muß die ländliche Bevölkerung schließlich langsam und sicher neidisch werden. Überlegen Sie doch einmal! Im Grünen Plan ist ausgeführt — und der Herr Minister hat das hier bestätigt —: 830 DM im Jahr ist der Lohn eines mithelfenden bäuerlichen Familienmitglieds. 31 Pf pro Stunde!
— Dann stimmen Sie für unsere Anträge, meine Herren von links! Dann kommen wir den Dingen etwas näher. Hierin liegt ja auch das ganze Debakel auf den deutschen Dörfern: die Unterbewertung der ländlichen Arbeit in allen ihren Sparten. Ich warnte vor einer Entwicklung, die schon einmal zum Unheil in Deutschland geführt hat, vor einer Entwicklung, die weite Schichten besonders der auf dem platten Lande wohnenden Menschen sogenannte Mittelständler, wieder in die Verzweiflung treibt. Helfen Sie uns, dann helfen Sie weiß Gott über den Bauernstand auch dem 'deutschen Volk.
Der Herr Bundesfinanzminister hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Dannen und Herren! Ich möchte nicht auf die Ausführungen des Herrn Vorredners eingehen. Er hat nur eine neugierige Frage geistellt, die ich sofort beantworten kann. Er hat gefragt, wo man die Ausgleichszahlungen nach dem Gesetz für 131er finde. Diese Ausgleichszahlungen finden Sie, Herr Kollege, im Einzelplan 33. Ich bitte, nachzulesen und es dort festzustellen.
Ich möchte mich nur zu den Anträgen Umdrucke 1042 *) und 1083**) äußern, die die Färderung der Fischerei zum Gegenstand haben. Über dieses Thema ist im Haushaltsauchuß ausführlich gesprochen worden. Ich darf hier einmal feststellen, daß der Haushalttssausschuß für den Ernst, mit dem er diese Frage behandelt hat, und für die Sachkunde, mit der die Frage dort behandelt worden ist, eine Anerkennung verdient. Der Haushaltsausschuß hat eine Anerkennung verdient, meine Freude hat er nicht ganz erworben — verdient hätte er sie vielleicht, aber nicht erworben —, weil er über die Anträge und Anregungen des Bundesfinanzministers hinausgegangen ist. Der Haushaltsausschuß hat entgegen der vom Bundesfinanzminister vertretenen Auffassung den früher gestellten Anträgen bereits zum Teil entsprochen und hat die Ansätze Darlehensfonds für Kutterfischerei, Zinsverbilligungszsuschüsse, Betriebsbeihilfen zur Verbilligung von Dieselkraftstoff etc. um den nicht unerheblichen Betrag von 3,44 Millionen DM erhöht. Der weitengehende Antrag auf Einbeziehung der großen Hochseefischerei in die Betriebsstoffverbilligung, der im Haushaltsausschuß gestellt 1 war, ist nach ausführlicher Würdigung der Verhältnisse abgelehnt worden.
Um diese Anträge handelt es sich. Das, was im Haushaltsausschuß nachausführlicher Erörterung astgelehnt wurde, wird jetzt wieder aufgenommen. Ich muß mich gegen diese Anträge aussprechen. Ich darf folgendes feststellen. Jetzt schon werden zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland für die Fischerei, insbesondere die Hochseefischerei, im Rahmen der Dieselkraftstoffverbilligung Rohölzoll und Mineralölsteuer zurückgewährt. Diese Ansätze sind in Kap. 10 02 enthalten und betragen 3 Millionen DM. Darüber hinaus jetzt in angeblichem Zusammenhang mit der Suez-Krise Preiserhöhungen zu geben, müßte ich aus zwei Gründen ablehnen, aus dem einen Grund, weil Wirtschaftszweige von der Suez-Krise betroffen waren und ich nicht einen einzelnen Wirtschaftszweig herausnehmen kann, und deswegen, weil die Suez-Krise jetzt der Vergangenheit angehört und auch die großen Erdölgesellschaften ihre Preise für Benzin und Dieselkraftstoff inzwischen ab sofort gesenkt haben und nach meiner Überzeugung weitere Senkungen zu erwarten sind. Außerdem besteht bei Gewährung von Subventionen immer die Gefahr der Berufung. So wird bereits mit dem Änderungsantrag Umdruck 1064 ,gefordert, zur Verbilligung von Dieselkraftstoff weitere 35 Millionen DM zu gewähren. Böses Beispiel verdirbt auch gute Sitten!
Zur Sache möchte ich feststellen: Es Ist nicht angängig, vom Bund einseitig Preissubventionen für
*) Siehe Anlage 15 **) Siehe Anlage 14 eingetretene Kostenerhöhungen zu verlangen, ohne die inzwischen eingetretenen Erlössteigeru gendessen, der diese Subventionen, Preisverbilligungen will, auch offen darzulegen. Die Ertragslage bei den Betrieben der Hochseefischerei ist aber zweifellos bedeutend besser, als sie in diesem Hause hingestellt wird. Ich verweise auf eine Notiz über den Abschluß der Firma „Nordsee" Deutsche Hochseefischerei Aktiengesellschaft, Bremerhaven, im Wirtschaftsblatt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 8. Mai dieses Jahres. Hiernach hat die Gesellschaft dreimal soviel wie im Vorjahr investiert. Unverändert, wie in all den Vorjahren, wird eine Dividende von 8 % ausgeschüttet. Die Ertragslage wird allein durch den folgenden Satz aus der Notiz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schlagartig beleuchtet; es heißt hier: „Der Aufbau der Fischereiflotte, die Erweiterung der Erzeugung und des Vertriebs sowie die Ürbernahme neuer Beteiligungen geben auch der Bilanz das Gepräge."
Also von einer Notlage einer Gesellschaft, die öffentliche Unterstützungen und Subventionen bräuchte, kann wohl nicht geredet werden. Wenn auch zuzugeben ist, daß nicht alle Betriebe, die sich an der großen Hochseefischerei beteiligen, ein so günstiges Betriebsergebnis aufzuweisen haben, so erscheint es doch langesichts ,der zum Zerreißen angespannten Haushaltslage des Bundes nicht vertretbar, diesen Betrieben global — ohne Unterschied des Betriebsergebnisses — noch weitere Subventionen und Betriebsstoffverbiligungen zu gewähren.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr!
Darf ich zwei Fragen an Sie stellen, Herr Bundesfinanzminister.
Erstens. Halten Sie es wirklich für richtig, aus dem Abschluß eines einzigen Unternehmens, von dem sicherlich auch Sie wissen, daß es völlig aus dem Rahmen unserer Hochseefischerei herausfällt, Schlüsse auf die Situation in allen anderen Betrieben, die von diesem einen Unternehmen meilenweit entfernt sind, zu ziehen?
Zweitens. Haben Sie vielleicht vorhin gehört, daß ich gesagt habe, es könnten in den Richtlinien über die Verwendung dieser Mittel alle Maßnahmen vorgesehen werden, mit denen sich verhindern läßt, daß die Mittel in die Hände solcher Unternehmungen kommen, die sie nicht brauchen?
Herr Kollege, ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, die Bilanzen und Bilanzergebnisse aller einzelnen Betriebe auf Mark und Pfennig vorzunehmen. Aber das kann jeder als sicher annehmen: daß Großbetriebe oder, wenn Sie so sagen wollen, Musterbetriebe, die jahrelang Gewinne abwerfen, ein Spiegelbild für die ganze Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges sein sollten. Aber Ihr Antrag ist leider nicht so gefaßt, daß diese günstig abschließenden und Gewinne erzielenden Betriebe von der staatlichen Subvention ausgeschlossen werden.
— Nein, das habe ich nicht!
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine sehr bescheidene, bei dem Haushalt der großen Zahlen fast lyrisch erscheinende Bitte, nämlich die um die Bewilligung des Mehrbetrages von 8000 DM für ein Pferd. Es ist kein Trojanisches Pferd, ganz gewiß nicht für den Haushalt. Es handelt sich um das Trakehner Pferd. Ich hätte Sie sicherlich nicht mit dieser Sache zu bemühen brauchen, wenn nicht durch einen unglücklichen Zufall die beiden Herren Kollegen von der CDU und von der SPD, die es übernommen hatten, auf Grund ihrer Unterrichtung die Angelegenheit im Haushaltsausschuß zu vertreten, ausgerechnet an dem Tage, an dem die Erörterung im Haushaltsausschuß stattfinden sollte, durch Krankheit verhindert gewesen wären. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn ich nun das Plenum damit behelligen und bitten muß, diese von niemandem gewollte kleine Panne in Ordnung zu bringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer sich von Ihnen in dieser technischen Welt noch einen kleinen Winkel seines Herzens für die Kreatur bewahrt hat, der kennt gewiß, auch wenn er nicht Landwirt ist, die Pferdebilder des früheren Gestüts Trakehnen in Ostpreußen und der weiß gewiß um die Bedeutung dieses Gestüts in der ganzen Pferdezucht. Das Gestüt ist 1945 untergegangen. Aber manche Bauersfrau und mancher Bauer haben, soweit sie es überhaupt noch konnten, bei dem großen Treck lieber auf alle anderen Dinge verzichtet und ihre Trakehner Mutterstute nach Westdeutschland gerettet. In den seitdem vergangenen zwölf Jahren ist es dem unverzagten Bemühen des TrakehnerVerbandes und insbesondere seines sehr verdienten Geschäftsführers, des Fachmannes Dr. Schilke, gelungen, die überall in den Bundesländern versprengten Reste wenigstens zu einem erheblichen Teil zu sammeln. Aber ein großer Teil sitzt noch auf kleinen Siedlerhöfen usw. in den Ländern verstreut. Dieser Umstand macht die Durchführung der Zuchtbetreuung und der stutbuchmäßigen Verwaltung und Durchführung der Aufgaben, die von der Geschäftsführung des Verbandes erledigt werden müssen, begreiflicherweise so außerordentlich schwierig, mühsam und natürlich auch etwas kostspieliger, als es bei den landeseingesessenen Pferdezüchtereien der Fall ist. Einzelne Länder haben zwar diese Zuchtbemühungen des Trakehner-Verbandes durch die Bereitstellung von Landbeschälern usw. unterstützt. Aber während die landeseingesessenen Zuchtverbände durch Zuchterhaltungsprämien, Hengstkaufdarlehen usw. erhebliche Förderungsbeihilfen von den einzelnen Ländern erhalten, z. B. in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, erhält der Trakehner-Verband hierfür keinen einzigen Pfennig. Ich will davon Abstand nehmen, die Förderungsbeträge der einzelnen Länder anzuführen. Das Gestüt Trabental in Schleswig-Holstein erhält z. B. einen Zuschuß von 255 000 DM. Ähnlich ist es in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen. Also gerade die durch den Krieg weniger oder gar nicht geschädigten Landespferdezuchten erhalten die Subventionen von den Ländern, während die einzige Pferdezucht, die vertrieben ist, von den Ländern keine Förderungsbeihilfen bekommt.
Deshalb hat der Ernährungsausschuß des Bundestages die Zuständigkeit des Bundes für die Förderung der Trakehner Zucht bereits seit 1950 anerkannt, und im Haushalt 1955 waren für die Betreuungsaufgaben des Verbandes jährlich 18 000 DM bereitgestellt. In diesem Haushalt sind es bisher nur 10 000 DM. Damit können die Aufgaben des Verbandes von der Geschäftsführung nicht erfüllt werden.
Deshalb meine Bitte, den früheren Ansatz von 18 000 DM wiederherzustellen. Es ist ja wirklich ein bei diesem Haushalt verschwindender Betrag, der aber doch eine große Wirkung hat. Ich darf nur darauf hinweisen, daß das Ausland — Polen
große Anstrengungen macht, um das Trakehnererbe für sich zu gewinnen.
Ich bitte Sie deshalb und insbesondere die Herren von der einheimischen Grünen Front: helfen Sie mit, daß diese hervorragende landwirtschaftliche Kulturleistung des deutschen Ostens, das Trakehner Pferd, uns weiter erhalten werden kann.
Alles, was Pferde liebt, stimmt Ihnen zu, habe ich gesehen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Höhe der Summe gering ist, darf ich wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Frage kurz zu dem Antrag Stellung nehmen.
Ich stelle fest, daß der Verband früher höhere Zuschüsse erhalten hat, daß aber bei der Höhe der Zuschüsse immer davon ausgegangen ist, wie sich die wirtschaftliche Leistungskraft des Verbandes ändert. Im Jahre 1955 hat der Verband 18 000 DM Zuschuß erhalten, 1956 13 000 DM, für 1957 sind 10 000 DM vorgesehen. Dieser Abbau des Zuschusses ist dadurch begründet, daß die Versteigerungserlöse des Verbandes ständig zunehmen und die Rentabilitätsverhältnisse sich ständigbessern. Wenn ich Vertreter des Verbandes wäre, dann würde ich der Öffentlichkeit sagen: Der Umstand, daß der Bund erklärt, der Verband weise eine Leistung auf, die ihn auch wirtschaftlich stärke, ist eine öffentliche Anerkennung für mich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horlacher. — Vielleicht verzichten Sie;
im Interesse ,der Beendigung der . zweiten Lesung und des freien Sonnabends wäre es sehr erwünscht, wenn einige Herren sich entschließen könnten, zu verzichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat's nicht leicht,
wenn man innerhalb des Rahmens einer Regierungspartei reden muß.
Eine kleine Regierungspartei, die auf die zahlenmäßige Überlegenheit der größeren rechnen kann, hat es viel leichter, Anträge zu stellen, als wir. Ich weiß nicht, ob die Anträge des Kollegen Fassbender so ganz aus den Verhältnissen heraus geboren sind, die ich damit bezeichnen möchte. Ist es wirklich so tiefernst? Oder ist nicht der Begriff der Heiligkeit schon so nahe herangerückt, daß, wenn man die Dinge übersteigert, man leicht in den Geruch der Scheinheiligkeit gerät?
Wir wollen einmal die Verhältnisse so nehmen, wie sie sind: 100 Millionen DMwerden da gefordert. Wo sie herkommen, ist eine andere Frage. Wenn ich frei und ungebunden bin, dann kann ich leicht etwas fordern. Wenn ich aber auf den Etat Rücksicht nehmen muß, um das Ganze durchzubringen, dann muß ich maßhalten,
und das Maßhalten ist die Aufgabe der Regierungsparteien.
— Herr Kollege Kriedemann, Sie kommen vielleicht auch einmal in die Gelegenheit hinein, hier maßhalten zu müssen. Dann hört sich manches von selber auf.
Die Herren Antragsteller haben also für die Tierseuchenbekämpfung 100 Millionen DM mehr verlangt. Ich stimme dem grundsätzlich zu. Wenn es möglich ist, dann machen wir es.
Wenn es aber nicht möglich ist, dann machen wir es nicht.
Es hat einmal ein alter Politiker gesagt: die Politik ist die Kunst des Möglichen. Beim Fassbender ist die Politik die Kunst des Unmöglichen.
Wir müssen also bei der Kunst des Möglichen bleiben, und da sage ich folgendes. In einer Frage — das vertrete ich mit aller Schärfe auch namens ides Deutschen Bauernverbandes — kenne ich keinen Spaß: die Erhöhung des Auszahlungspreises der Milch ab Molkerei um 4 Pf muß ab 1. April absolut sichergestellt sein, Herr Bundesernährungsminister.
Daran darf nicht gerüttelt werden. Das ist das Wesentliche.
— Jetzt passen Sie auf! Es fragt sich, ob die 400 Millionen genau ,ausreichen; nach meinen Berechnungen reichen sie nicht ganz. Das gibt sowieso eine Frage für sich. Aber ab 1. April müssen die 4 Pf her. Die sind ,daran gebunden, daß die Milch eine bestimmte Qualität hat, daß sie eine gewisse Sauberkeit besitzt, und sie sind an die Tierseuchenbekämpfung und Tuberkuloseverfahren gebunden. Wir haben ja Schwierigkeiten gehabt, unsere Landwirte dazu zu bringen, daß sie dem zugestimmt haben. Ich habe ihnen gesagt: Ans große Ganze schließ dich an mit ganzem Herzen und geh' zum Tuberkuloseverfahren über, denn du kommst nicht mehr darum herum; es ist eineabsolute Notwendigkeit. Auf meinen Einspruch hin haben sie dann
noch eine Gnadenfrist von 14 Tagen bekommen, um das anmelden zu können.
Damit ist also erstens die Auszahlung des Milchpreises ab 1. April sichergestellt, und zweitens ist sichergestellt, daß die Tuberkulosebekämpfung zusammen mit den Ländern in demselben Umfang durchgeführt wird, wie es bisher der Fall war. Da soll nichts geändert werden. Denbayerischen Staat kostet das allein 12 Millionen Mark. Man muß bei den 100 Millionen auch bedenken, was die Länder auf diesem Gebiet zusätzlich leisten. Dann ist keine Begründung für die 100 Millionen da.
Die Geschichte ist in der Landwirtschaft praktisch so, daß es nicht nach dem militärischen Befehl geht: Alte Rindviecher raus und neue tuberkulosefreie Rindviecher rein.
Nach diesem Befehl geht es nicht, wie sich das einzelne vorstellen, die glauben, wenn wir die 100 Millionen haben, dannmarschieren die alten hinaus und die neuen hinein; so einfach ist die Sache nicht. Zuerst müssen die jungen Rindviecher, die gesund sind, her, dann erst können die alten Rindviecher langsam abgestoßen werden.
Das ist ein Prozeß, der sich organisch vollziehen muß. Hierfür stehen 30 Millionen DM Bundesmittel zur Verfügung. Dazu .kommen noch Ländermittel. Da soll mir erst einer nachweisen, wie er ,die 100 Millionen aufbrauchen will. Wenn wir nämlich bei den Ausmerzungsbeihilfen die Grenze überschreiten, dann ist es leicht möglich, daß wir die Zuchtviehpreise, die Nutzviehpreise zugunsten der Landwirtschaft beeinflussen. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Man muß hier gewisse Grenzen einhalten. Man kann nicht von einem Publikum ausgehen, das von der Sache gar nichts versteht. Ich nehme an, daß der Kollege Fassbender das schon begreift. Aber er mag einfach nicht. Er sagt: für die Agitation ist es besser, mehr zu fordern als zu wenig.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Lahr : Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Horlacher, daß die Preise für tbc-freies Vieh auf die Bindung hin bereits um 200 bis 300 Mark pro Stück gestiegen sind?
Ja, das ist eine Frage für sich;
die kann ich jetzt nicht beantworten, wenn ich das für alle Länder im Durchschnitt sagen sollte, denn das ist nach den Ländern durchaus verschieden. Das habe ich so nicht im Kopf. Ich habe nur gesagt: beide Dinge müssen berücksichtigt werden.
Es kommt folgendes Wesentliche in Betracht. Die Tuberkulosefreimachung kann nur organisch im Laufe der Jahre erfolgen. Das darf nicht zu rasch geschehen; denn sonst bekommen wir ein Ansteigen der Zuchtviehpreise, weil die tuberkulosefreien Tiere einfach nicht in der notwendigen Zahl da sind; die bekommt man erst im Laufe der Zeit. Es
handelt sich da um einen Entwicklungsprozeß. Andererseits kann man die tuberkulosebehafteten Tiere nicht zu rasch abstoßen. Das würde ein solches Durcheinander auf den Viehmärkten und in der Fleischversorgung der Bevölkerung herbeiführen, daß sich keiner mehr auskennen würde.
Wenn wir das alles in Rechnung stellen, können wir sogar mit Begeisterung die hundert Millionen ablehnen. Wir müssen in erster Linie dafür sorgen, daß das, was der Landwirt aus dem Grünen Plan für die Hebung der Milcherzeugung bekommen soll, absolut sichergestellt ist und nicht eventuell durch einen Einspruch dies Bundesfinanzministers gefährdet wird: vor dem habe ich Riesenrespekt, dem ist ja keinen Moment zu trauen, was er unternimmt.
Da ist es mir schon lieber, ich habe einen fetten Spatz in der Hand, als daß mir eine magere Taube davonfliegt. Der „fette Spatz" sind die 400 Millionen für die Aufbesserung des Milchpreises — sie reichen zwar nicht ganz aus — und dazu die Mittel für die Bekämpfung der Tuberkulose, für die wir absolut sind. Wir wünschen sehr, daß sich die Länder entsprechend einschalten.
Ich glaube, ich habe jetzt zur Genüge begründet, daß es sich um einen organischen Prozeß in der Landwirtschaft handelt, der sich langsam vollziehen muß und den man nicht einfach durch Verstärkung der Mittel beschleunigen kann. Man muß vielmehr dafür sorgen, daß sich das organisch weiterentwickelt. Die Möglichkeit dafür ist mit den für diesen Zweck vorhandenen Mitteln des Bundes und der Länder gegeben.
Habt deswegen, meine lieben Freunde, gar keine Angst! Wenn die von der FVP, die in der Regie- rungskoalition sind, glauben, sie erwiesen sich damit einen Gefallen, sage ich ihnen: Mit gefangen, mit gehangen; ihr gehört zur Regierungskoalition und werdet genauso verantwortlich gemacht wie wir. Wir werden also bei den Wählern keinen Unterschied in der Auffassung dulden,
ihr gehört nun einmal zu dem Verein, und da könnt ihr euch nicht davon losschrauben! Die möchten bloß die Rosinen aus dem Kuchen herausholen, und die schlechten Teile des Kuchens sollen wir selber fressen; das geht nicht.
Das war das eine.
Das war so eine kleine Familienauseinandersetzung, nicht wahr. Es war nicht bös gemeint. Ich kenne ja den alten Freund Fassbender, diesen alten Königstiger da; den kenne ich genau. Ich weiß auch, wie er sich das denkt. Damit ist der Punkt erledigt.
Dann wollte ich weiter folgendes sagen. Ich wäre dem Hohen Hause dankbar, wenn es unserem Antrag wegen der Kartoffeltrocknung beitreten würde. Ich brauche da keine weitere Begründung zu geben. Für uns war das eine schmerzliche Enttäuschung, daß der Bundesratsausschuß für Landwirtschaft diese Mittel gestrichen hat. Ich bin zwar Föderalist, bin aber sehr enttäuscht, wenn der Bundesrat immer das Gegenteil von dem macht, was wir wollen.
— Das beruht auf Gegenseitigkeit. — Nur keinen
Hyperföderalismus! Wenn sich die Herren vom
Bundesrat besser um die Zuständigkeit der Länder kümmern und die wirtschaftliche Vernunft des Bundestags als Grundlage mit anerkennen würden, wäre es für uns beide viel besser.
Da hat uns doch der Bundesrat voriges Jahr auch die Sache mit den Feuchtigkeitsabzügen beim Getreide versaut. Wir haben im Bundestag einstimmige Beschlüsse herbeigeführt, und der Bundesrat hat sie dann für die Landwirtschaft verschlechtert. Wir könnten eine ganze Reihe von Beispielen anführen.
Bezüglich der Winzer nur eines! Meine Kollegen von der CDU und von der SPD haben das genügend begründet; ich brauche dazu nichts zu sagen. Ich möchte nur noch folgendes hervorheben: man sollte sich nicht darüber täuschen, daß die Notlage bei den Winzern immens groß ist, daß hier ein Bevölkerungsteil betroffen ist, der eine intensive Kultur mit familieneigenen Kräften betreibt, Leute, die sich nicht beliebig ausdehnen können, die auf einem Fleckchen Erde durch die Hochkultur des Weinbaues möglichst viel herauswirtschaften müssen.
— Jetzt lassen Sie mich doch weiterreden. Solange Sie in der Opposition stehen, kann ich mit Ihnen noch nicht so richtig reden.
— Ja, das hat er gesagt? Die Minister haben auch das Recht, als Abgeordnete zu reden.
— In die Zeitung sogar?
— Das ist ja ganz verkehrt. — Also ich habe das nicht zu verteidigen. Erstens weiß ich es nicht, zweitens bin ich der Meinung, daß Herr Erhard ein so gewiegter Politiker ist, daß er sich selber verteidigen kann. Den brauche ich nicht eigens in Schutz zu nehmen; das macht der bei der nächsten Gelegenheit schon selber mit Ihnen ab.
Nach den von uns gestellten Anträgen möchten wir 10 Millionen DM verlorene Zuschüsse seitens des Bundes haben. Dazu kommen noch die verlorenen Zuschüsse seitens der Länder. Die Länder haben auch hier entsprechende Hilfestellung zu leisten. Hier kommen die Weinbauländer in Frage. Wir in Bayern sind mit unserem unterfränkischen Weinbau, dem sogenannten Bocksbeutelgebiet, auch sehr stark betroffen worden. Dort sind die Frostschäden sehr groß.
— Jetzt lassen Sie mich erst ausreden! Die 10 Millionen DM reichen nicht aus. Deshalb habe ich dazu folgendes inspiriert. Es müssen 30 Millionen DM Kredite her, dafür müssen die Zinsverbilligungen erfolgen. Ich möchte an das Bundesfinanzministerium die dringende Bitte richten, dafür zu sorgen, daß die Mittel sobald wie möglich flüssig gemacht
werden. Denn hier handelt es sich um den Notstand einer besonderen, hochentwickelten landwirtschaftlichen Gruppe, die unter allen Umständen Beachtung finden muß. Es ist schon das dritte Mal, daß die armen Leute von dem Unglück betroffen worden sind; die können so nicht Weiterwirtschaften. Die Geschichte ist nämlich in der Landwirtschaft so: Auch wenn du keine Früchte erntest, geht die Arbeit trotzdem weiter; du mußt das Feld weiter pflegen, die Weinberge weiter spritzen, weiter dafür sorgen, daß alles in Ordnung bleibt, und ernten tust du nicht!
— Dazu kommen die 30 Millionen DM Kredite, das habe ich gerade gesagt. Diese sollen jetzt im Benehmen mit den Länderministern flüssig gemacht werden.
Jetzt, Herr Kriedemann, seien Sie mal so höflich und unterstützen Sie mich wieder. Sie sind sonst ein so netter Mensch, wenn Sie auch so grimmig dreinschauen, daß man mit Ihnen kaum verkehren kann. Das beruht vielleicht auf Gegenseitigkeit, ich kann es nicht beurteilen. — Nun verstehen wir uns doch wieder.
Gerade hier müssen wir zusammenhalten.
Sie tun sich mit Ihrer eigenen Partei oft schwerer als mit der unseren.
— Also gut, Sie können nicht klagen.
— Das habe ich nicht zu verteidigen. Ich bin der letzte, der sagen würde, Sie sind sittlich nicht reif. Das ist ja Blödsinn.
Die Sache mit den 30 Millionen DM Krediten möchte ich so manipuliert haben — damit wir ungefähr zu dem gleichen Ziel kommen —, daß mit den Ländern eine Vereinbarung getroffen wird, daß die Darlehen während der nächsten zwei Jahre zinsfrei bleiben. Diese Beträge können die Länder im Benehmen mit dem Bund auch aufbringen, wenn der Bund seinerseits die Mittel für die Zinsverbilligung zur Verfügung stellt.
Mir kommt es in erster Linie darauf an, daß zunächst für eine Periode über zwei Jahre hinaus den Winzern wieder der Lebensmut zum Weiterarbeiten gegeben wird.
Wenn Sie Regierungspartei wären,
hätten Sie den gleichen Standpunkt vertreten wie
ich. Sie wissen ja, daß ich da mit dem Bundesfinanzminister herumzukämpfen habe; und wenn
Sie mal bei der Regierung sind, dann werden Sie was erleben!
Ich bin ja froh, wenn Sie mal dabei sind. Dann werden wir mit vereinten Kräften
das vereinte Ziel erreichen. Und dann werden Sie sehr maßvoll auftreten.
Also ich habe so ungefähr begründet, wie es gemacht werden kann; und wenn das so gemacht wird, wie ich es begründet habe, können wir getrost die Anträge annehmen, die von unseren Leuten gestellt worden sind.
Das möchte ich zu der Frage gesagt haben.
Im übrigen kommt noch ein Satz dazu: Alle Anträge, die ein rasches Infunktionsetzen des Grünen Plans durch Überforderungen aufhalten, werden als nicht ernst genommen von der CDU/ CSU-Fraktion abgelehnt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Dr. Horlacher, hat schon kurz das Problem der Kartoffeltrocknung angeschnitten. Ich möchte den Antrag Umdruck 1087*) noch besonders begründen, weil er gerade in der Landwirtschaft zur Zeit eine besondere Rolle spielt. Es ist beantragt worden, 2,6 Millionen DM für die Förderung der Kartoffeltrocknung einzusetzen. Dazu muß ich Ihnen folgendes sagen.
Der Kartoffelbau ist durch den Rückgang des Speisekartoffelverzehrs und durch die erhöhten Einfuhren mehr und mehr dazu gezwungen worden, sich auf Wirtschaftskartoffelbau umzustellen. Unsere Regierung und wir haben das in dem Grünen Plan vom 'vorigen Jahr gefördert. Wir haben Prämien für den Anbau von Stärkekartoffeln ausgesetzt und haben die Lieferungen an die Stärkefabriken mit 10 Pfennig pro Kilogramm Stärkegehalt bezuschußt. Dadurch sind die Betriebe, die Kartoffeln zu Futterzwecken trocknen, in immer größere Schwierigkeiten gekommen. Diese Betriebe — Flockenfabriken, Preßschrotanlagen und Schnitzelbetriebe — sind nicht in sehr großer Zahl vorhanden — sie bestehen vor allen Dingen in den Kartoffelüberschußgebieten, in Niedersachsen, in Bayern und Württemberg — und befinden sich fast ausnahmslos in einer sehr schwierigen Lage, und zwar auch dadurch, daß sie unter einem ungleichen Wettbewerb stehen. Dadurch, daß wir die Lieferung von Stärkekartoffeln an die Stärkefabriken bezuschußt haben, dadurch, daß beispielsweise die Brennkontingente im Preise stabil gehalten werden, bleibt nur dieser eine Teil der Kartoffelverwertung übrig. und der hat gerade bei der Stabilisierung der Marktverhältnisse eine ganz besondere Rolle zu spielen. Ich will nicht sa gen, daß auf diesem Wege der große Kartoffelüberhang beseitigt werden kann. Es ist ja nachgewiesen, daß nur etwa 215 000 t Kartoffeln getrocknet werden.
*) Siehe Anlage 16
Aber diese Anlagen liegen gerade in den Gebieten, wo der Kartoffelbau vordringlich ist. Meine Damen und Herren, die Bauernwirtschaften auf leichten Böden können sich nicht ohne weiteres umstellen, können nicht vom Kartoffelbau umschalten; das würde ihre Wirtschaftlichkeit gefährden.
So ist es kein Wunder, daß in der vergangenen Zeit, und zwar vor 50 Jahren, in diesen Gebieten solche Kartoffelflockenfabriken errichtet wurden. Diese Fabriken sind in keiner Weise ausgelastet, weil das Trocknen der Kartoffeln teurer kommt als das Einsilieren. Die Kartoffelflocke hat aber ihren besonderen Wert im Bauernhaushalt. Denn die getrocknete Kartoffel, die verflockte Kartoffel kann man über Jahre erhalten. Wenn in einem Betriebe solche Überschüsse vorhanden sind, wie sie beispielsweise in diesem Jahre — das wird ja den Mitgliedern des Hohen Hauses bekannt sein — in vielen Teilen Deutschlands vorhanden sind, dann ist es gut, diese Betriebe zu erhalten.
Nun sagte Herr Dr. Horlacher, der Agrarausschuß des Bundesrates habe diese Forderung abgelehnt. Ich muß Ihnen sagen, dieser Antrag hat einen sehr merkwürdigen Weg genommen. Im Ernährungsausschuß hat man sich mit Mehrheit auf den Standpunkt gestellt, daß diese 2,6 Millionen DM eingesetzt werden sollten. Auch der Haushaltsausschuß hat in einer Sitzung mit Mehrheit beschlossen, diese 2,6 Millionen DM auszuwerfen. Daraufhin hat sich merkwürdigerweise der Agrarausschuß des Bundesrates mit dieser Angelegenheit befaßt und ist mit Mehrheit zu einer Ablehnung gekommen. Im Haushaltsausschuß ist entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit dieses Problem wieder aufgegriffen und die Einsetzung dieses Betrages mit Mehrheit abgelehnt worden.
Dadurch ist in der bäuerlichen Bevölkerung schon eine große Unruhe entstanden. Denn im „Ernährungsdienst" und in anderen landwirtschaftlichen Zeitungen war der erste Beschluß des Haushaltsausschusses schon publiziert worden, und man hatte sich bereits darauf eingestellt. Ich glaube, schon aus diesem Grunde täten wir gut daran, dieses Problem der Kartoffeltrocknung einmal anzufassen. Ich weiß, daß im Ministerium große Widerstände dagegen vorhanden sind. Das sollte uns als Volksvertreter aber nicht daran hindern, in dieser Frage einmal unsere Meinung zum Durchbruch zu bringen.
Es ist Ihnen leicht gemacht worden, diesen Antrag zuzustimmen; denn wir haben Ihnen auch einen Deckungsvorschlag gemacht. Wir haben Ihnen den Vorschlag gemacht, aus dem Tit. 580, wo unter Ziffer 2 für den Absatz von Obst, Gemüse und Kartoffeln 11,5 Millionen DM ausgeworfen sind, 'diese 2,6 Millionen DM zu entnehmen. Wir wissen ganz genau, daß dieser Titel sowieso sehr reichlich dotiert ist.
Ich bitte Sie also, meine Damen und Herren, diesem Antrage zuzustimmen. Es ist ein Antrag, der von den Bauernverbänden und von den Agrarministern der Kartoffelbauländer sehr unterstützt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt .
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie zunächst eine Vorbemerkung. Bei den bisherigen Beratungen dieses Haushalts war es üblich, daß der zuständige Ressortminister zu den Positionen und Anträgen Stellung nahm. Ich habe mir notiert: der Herr Finanzminister hat bisher viermal gesprochen, der Herr Ernährungsminister bisher kein einziges Mal. Ich hoffe, daß das nicht symbolisch ist für die Rolle, die der Herr Ernährungsminister im Kabinett spielt.
Nun eine Bemerkung zum Antrag Umdruck 1084*) und zu dem, was der Herr Finanzminister gesagt hat. Es war nicht anders zu erwarten, als daß Herr Schäffer wieder die alte Platte auflegen würde. Aber ich erinnere mich ganz genau der Rede des Herrn Ernährungsministers anläßlich der Einbringung des Grünen Plans hier im Plenum. Damals sagte er, er bedauere es, daß die Regierungen und die Parlamente zuwenig Verständnis für die Schulmilchspeisung aufbrächten. Nun, mich wundert es, daß seine eigene Regierung und seine eigene Koalition wenig Verständnis für diese Dinge aufbringen; denn in diesem Jahr ergibt sich aus der Subventionierung der Milch beim Erzeuger eine andere Situation. Ich möchte meinen, aus Gründen der wirtschaftspolitischen Absicherung dieser Milchsubvention ist es notwendig, daß für die Schulmilchspeisung mehr Mittel ausgegeben werden. Ich bin mit der Mehrheit darin einig, daß die Milchsubventionierung keine Erweiterung der Milchviehbestände nach sich ziehen wird. Aber ich bin der Meinung, daß eine Mehrproduktion an Milch pro Kuh die Folge sein wird. Das wird sich dahingehend auswirken, daß eines schönen Tages der Butter- und der Käsemarkt wieder sehr stark belastet ist. Aus diesem Grunde wäre es notwendig, hier ein Ventil zu schaffen. Das einzige Ventil ist und bleibt die Erhöhung des Trinkmilchabsatzes und hierbei in erster Linie die Förderung der Schulmilchspeisung.
Nun werden Sie vielleicht sagen: Woher soll man die Mittel nehmen? Ich könnte mir sehr leicht vorstellen, daß man aus dem Grünen Plan des Jahres 1957 eine ganze Reihe von Positionen streicht, die sich bisher nicht gut oder höchstens nachteilig ausgewirkt haben.
— Ich habe diese Anträge auch im Ernährungsausschuß gestellt, Herr Kollege Dr. Vogel; Sie können die Protokolle nachlesen. Ich habe z. B. beantragt, daß man den Zuschuß für den Bau von Kartoffellagerhallen in den Verbrauchergebieten einfach streichen sollte, weil er mit dem Grünen Bericht nichts zu tun hat. Letzten Endes gibt es eine ganze Reihe solcher Positionen. Ich wäre dankbar, wenn man hier zu einem besseren Ergebnis käme.
Zu den Anträgen Umdruck 1084 und Umdruck 1087 nur eine Frage an den Herrn Minister. Wir haben uns bisher in drei Sitzungen des Ernährungsausschusses mit dem Problem der Kartoffeltrocknung befaßt. In diesen Sitzungen hat der Vertreter im Amt des Ernährungsministers, der Herr Staatssekretär Sonnemann, klar und eindeutig auseinandergesetzt, warum das nicht geht. Es wäre gut, wenn der Ernährungsminister hier selbst erklärte, warum das nicht geht, und ich habe die Frage, ob der Ernährungsminister dazu bereit ist.
*) Siehe Anlage 10
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundesernährungsminister hat sich schon seit geraumer Zeit zum Wort gemeldet, möchte aber am Schluß der Debatte sprechen, wenn ich recht verstanden habe. — Herr Abgeordneter Elsner zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 1060!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der auf Umdruck 1060*) vorliegende Antrag meiner Fraktion erstrebt erstens die Wiederherstellung des Haushaltsansatzes der Bundesregierung im Tit. 571 b im Einzelplan 10, und zwar im außerordentlichen Haushalt, und zweitens eine Ergänzung der Erläuterung zu Tit. 571 a und b, und zwar dahingehend, daß Maßnahmen zur Betriebsfestigung und zur Ablösung von kurzfristigen drückenden Verbindlichkeiten der Siedler künftighin aus diesem Titelbedient werden können.
Die Betriebsfestigung und die Sicherung der angesetzten einheimischen und vertriebenen Siedler verdient eine besondere Beachtung und Pflege, wenn der bisherige Siedlungs- und Eingliederungserfolg nicht in Frage gestellt werden soll. Die allgemeine Lage in der Landwirtschaft ist dem Hohen Hause aus dem Grünen Bericht und der Debatte über den Grünen Plan 1957 hinreichend bekannt. Die Lage der Siedler ist jedoch weit schwieriger. Sie sind gegenüber der alteingesessenen Landwirtschaft zusätzlich belastet durch hohe Renten- und Pachtleistungen, durch den Kapitaldienst für die Eingliederungskredite und nicht zuletzt durch das Fehlen einer eigenen Vermögensgrundlage, ohne die eine Aufnahme und Absicherung irgendeines Kredits nicht möglich ist. Trotzdem haben sich die vertriebenen Bauern und Siedler auf den Eingliederungsbetrieben voll bewährt, ja, sie haben meist unter großen Entbehrungen ihre Betriebe zu erheblichen Leistungen gebracht. Das beweisen nicht zuletzt die Auswertungen der Betriebsberatungen, das beweisen die freiwilligen Kultivierungen, die freiwilligen Aufstockungen und schließlich der termingemäße Eingang der Leistungen aus den Eingliederungskrediten. Trotzdem leiden viele Betriebe unter den Folgen einer unzulänglichen Inventarausstattung, einer ungenügenden Finanzierung bei der Eingliederung. Andere Betriebe leiden unter einer ungenügenden Betriebsgröße. Hinzu kommen die Hochwasserschäden, die Hochwasserkatastrophen, die Ernteschäden. Alles das zusammen hat bei diesen Betrieben zu einer gefährlich hohen kurzfristigen Personalverschuldung geführt. Diese Betriebe sind in ihrer Wirtschaftsführung dauernd gefährdet undbedürfen einer schnellen und durchgreifenden Hilfe.
Meine Damen und Herren! Bereits in der Debatte zum Grünen Bericht habe ich auf diese besonderen Schwierigkeiten mit aller Deutlichkeit hingewiesen. Leider ist bisher von seiten der Regierung nach dieser Richtung hin nichts geschehen. Auch glaube ich nicht, daß der von dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wiederholt in Aussicht gestellte umfassende Grüne Plan für die heimatvertriebenen Bauern noch in dieser Legislaturperiode zur Verabschiedung kommt; denn er liegt ja noch nicht einmal dem Hohen Hause vor.
Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die aufgezeigte schwierige Lage haben wir dem Hohen Hause diesen Antrag vorgelegt, mit dem wir eine
*) Siehe Anlage 17 Aufstockung des Tit. 571 b um 1,5 Millionen DM fordern. Mit einer solchen Erhöhung würde schließlich der Haushaltsansatz der Regierungsvorlage in der Höhe von 56 Millionen DM wiederhergestellt. Ich bin der Meinung, daß diese Erhöhung um so notwendiger ist, wenn wir schnell und durchgreifend dem zweiten Teil unseres Antrags, der Betriebsfestigung und Sicherung der Eingliederungsbetriebe, Rechnung tragen wollen.
Zum Schluß noch ein paar Sätze zur Verlagerung der Siedlungsmittel vom ordentlichen Haushalt zum außerordentlichen Haushaltsplan. Wir bedauern, daß der Haushaltsausschuß entgegen der Regierungsvorlage die Verlagerung der Siedlungsmittel nach dem außerordentlichen Haushaltsplan vorgenommen hat. Wir sehen darin eine ideelle und materielle Abwertung der volkswirtschaftlich und staatspolitisch so wichtigen Aufgabe der Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern.
Unsere Bedenken und die der davon Betroffenen könnten jedoch behoben werden, wenn der Herr Bundesfinanzminister eine Erklärung hier vor dem Hohen Hause abgäbe, daß er entschlossen ist. den Ansatz der Siedlungsmittel im außerordentlichen Haushaltsplan voll zu bedienen. Diese Erklärung dürfte dem Herrn Bundesfinanzminister um so leichter fallen, als sie der Auffassung seiner eigenen Regierungsvorlage entspricht.
Aus all diesen Gründen darf ich Sie bitten, unserem Antrage zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, Sie noch mit einigen Worten aufhalten zu müssen. Aber die Bemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zu der Frage der Erhöhung des Zuschusses für die Trakehner Pferde zwingen mich dazu. Es ist richtig — das ist unbestritten —, daß auf den letzten Auktionen der Trakehner Pferde beträchtliche Resultate erzielt worden sind. Aber wie liegen denn die Dinge? Der Trakehner-Verband ist ja nicht Eigentümer dieser Pferde, er ist die Betreuungsorganisation. Und wer sind die Eigentümer der Pferde, die diese Erlöse gebracht halben? Das sind die kleinen Siedler, die nicht eingegliederten Bauern, die zum Teil ihre geretteten Trakehner Pferde irgendwo mietweise untergstellt haben, die mit diesen Erlösen — als dem ihnen allein verbliebenen restlichen Vermögen ausihrer früheren Existenz — beginnen, hier eine neue bäuerliche oder sonstige Existenz aufzubauen.
Von diesen Erlösen also unter dem Gesichtspunkt einer Wirtschaftlichkeit zu reden, die eine Unterstützung des Betreuungszwecks des Verbandes entbehrlich mache, heißt doch, das Problem und die Sachlage völlig verkehren.
Sie sind doch nie Lauf den Gedanken gekommen — kein Bundesland und auch der Herr Bundesfinanzminister nicht —, den einheimischen Warmblutpferdezuchten, die seit Jahren immer wieder subventioniert worden sind und subventioniert werden, deshalb die Mittel abzusprechen, weil dortauch einmal gute Auktionserlöse für diesen oder jenen
Hengst erzielt worden sind. Sie können doch deshalb die Notwendigkeit, gerade den Pferdezuchtverband zu unterstützen, der sich paus schwer geschädigten Vertriebenen zusammensetzt, nicht plötzlich mit derartigen wirtschaftlichen Überlegungen abtun.
Ich bitte Sie, das Problem vor dem Hintergrund der Fragen und Sorgen, die soeben von meinem Vorredner bei der Darstellung des Komplexes „Eingliederung der vertriebenen ostdeutschen Bauern" behandelt worden sind, zu sehen. Vor diesem Hintergrund, vor der ungeheuren Not, die Ida noch vorhanden ist, verschwinden die Auktionserlöse, die hierbei in Frage stehen, restlos.
Auf die Begründung des interfraktionellen Änderungsantrags auf Umdruck 1053*) wird verzichtet. Damit sind alle Änderungsanträge begründet. Es beginnt die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die Gelegenheit zu benutzen, eine Agrardebatte in der nötigen Breite und Tiefe zu entfesseln. Ich möchte nur zur Abstimmung in einigen Punkten klarstellen, warum meine Fraktion sich so und so verhält.
Wir werden dem Antrag auf Umdruck 1103**), der ja von der CDU-Fraktion eingebracht worden ist und 2 Millionen DM für den Weinbau fordert, nicht zustimmen, um ganz deutlich zu machen, daß wir d as für kein geeignetes Mittel halten, um mit den Schwierigkeiten, die auch Herr Kollege Horlacher hier so beredt geschildert hat, in der nötigen Eile fertig zu werden. Wir glauben, :daß es besser ist, das deutlich zu machen, als hier durch eine Zustimmung .,der Ordnung halber" den Eindruck zu erwecken, als versprächen wir uns etwas davon.
Die Schwierigkeiten im Weinbau sind im vergangenen Jahr eingetreten. Wir reden über ein Jahr darüber. Jetzt soll noch versucht werden, durch irgendwelcheZugeständnisse des Herrn Bundesfinanzministers irgendwelche Kredite lockerzumachen. Wenn man auf diese Weise wirklich heute noch helfen könnte, würde damit nur eins klargestellt werden: von Existenzgefährdung kann gar keine Rede sein. Weil wir aber ,davon überzeugt sind, daß van Existenzgefährdung geredet werden muß, daß es sich wirklich in soundsoviel Fällen d arum handelt, wollen wir unsere Haltung durch die Ablehnung dieses Antrags klarstellen.
Ich darf eine Bemerkung zu dem Antrag auf Umdruck 1064***) machen, eingebracht von der Deutschen Partei. Zu Ziffer 1: Ich kann eine gewisse Genugtuung darüber nicht unterdrücken, daß, nachdem Jahre hindurch unsere überlegten und wohldesierten Anträge auf etwa 40 Millionen DM zur Bekämpfung der Rinder-Tbc leider auch mit Hilfe der jetzigen Antragsteller abgelehnt worden sind, sich nun wenigstens bei einem Teil der Koalitionsparteien
*) Siehe Anlage 18 **) Siehe Anlage 11 ***) Siehe Anlage 9 die Überzeugung 'durchgesetzt hat, daß wir uns, soweit es sich um den Einsatz der öffentlichen Mittel handelt, diese Angelegenheit doch wohl etwas zu leicht gemacht haben. Organisch, Herr Kollege Horlacher, ist nicht das, was sich aus den haushaltsmäßigen Überlegungen des Bundesfinanzministers oder aus Ihrem Respekt vor seinen Überlegungen ergibt. Organisch ist etwas ganz anderes. Daß die Bekämpfung der Rinder-Tbc gerade die kleineren Betriebe, die das nicht auf mehrere Jahre verteilen können, weil sie eben nur einen Stall haben und die Tiere nicht trennen können, sondern sofort umstellen müssen, außerordentlich hart getroffen hat und daß es also wahrlich kein Glaubenssatz ist, daß wir vom Staat her nur mit 100 DM pro Tier helfen dürften, daß man deshallb, wenn man 100 Millionen DM einsetzt, also erst einmal 1 Million gesunde Rinder haben muß, das werden Sie mindestens im stillen Kämmerlein mirebenfalls zugeben. Wie gesagt, aus der Genugtuung darüber, daß es wenigstens auf einer Seite etwas Einsicht gibt, und weil wir jetzt mindestens dreimal hintereinander unsere 40 Millionen DM nicht bewilligt lbekommen haben, während unserer Meinung nach 120 Millionen DM längst fällig sind, werden wir dieser Ziffer 1 zustimmen.
Wir werden der Ziffer 2 nicht zustimmen, weil wir glauben, daß das eine Vorwegnahme der Untersuchungen ist, die dem Grünen Plan des nächsten Jahres aufgegeben sind. Es ist ohne Zweifel, daß sich durch die Verteuerung des Brennstoffs auch die Kostenlage der Landwirtschaft verändert. Daraüs werden sich, wenn nicht 'etwa Einnahmesteigerungen in bemerkenswertem Umfang zu verzeichnen sein werden, neue Defizite ergeben. Das festzustellen ist Sache des Grünen Plans. Wir möchten auf unserer Seite dieses unserer Ansicht nach sehr wertvolle Instrument des Landwirtschaftsgesetzes und ,des Grünen Plans nicht dadurch ,entwerten, daß wir da vorzeitig etwas herausbrechen.
Wir werden auch der Ziffer 3 unsere Zustimmung nicht geben, weil wir es bei all dem, was hier bei der Darlegung des Grünen Berichts und bei der Bewilligung der Mittel im Rahmen des Grünen Plans von der Qualitätsförderung und von dem Interesse gesagt worden ist, das die gesamte Volkswirtschaft, auch die Verbraucher, an der Bekämpfung:der Tbc hat, gegenstandslos machen würden. Wir würden uns für mein Gefühl geradezu selbst widerlegen, wenn wir jetzt diese Bestimmungen streichen würden. Außerdem hat meine Fraktion nicht das Bedürfnis, dem Bundesernährungsminister das anzutun, der ja hier mit so viel Nachdruck immer wieder gerade darauf hingewiesen hat, daß diese Mittel zur Qualitätsförderung eingesetzt werden. Ich möchte wiederholen, was ich schon im Ausschuß gesagt habe: man kann nicht gut beides tun, man kann nicht sagen: Das Wort „Subvention" wird gestrichen, und das Wort „Qualitätsförderung" wird auch gestrichen. Entweder oder!
Ich möchte eine Bemerkung zu Umdruck 1087*) machen und mich hier darauf beschränken, zu sagen, daß wir es für unmöglichhalten, die für die Kartoffeltrocknung vorgesehenen Mittel — die übrigens in keiner Weise ausreichen, das Problem der Kartoffeltrocknung in vollem Umfang anzupacken — aus dem Titel wegzunehmen, der der Verbesserung von Qualität und Absatz bei Obst,
*) Siehe Anlage 16
Gemüse und Kartoffeln nach dem Grünen Plan dient. Das würde nämlich darauf hinauslaufen, daß wir einen weiteren Betrag ungezielt als Subvention ausgeben und um denselben Betrag all die Anstrengungen verkürzen, die wir gerade in dem Augenblick machen müssen — das kann heute gar nicht oft genug gesagt werden —, in dem wir uns anschicken, in den Gemeinsamen Markt einzusteigen. Mindestens wegen der Kürzung der Mittel, wie sie hier vorgeschlagen sind, werden wir dieser Angelegenheit nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß ein paar Worte dazu sagen, wie sich meine Fraktion bei der Abstimmung über den Einzelplan 10 verhalten wird. Wenn dieseBemerkungen auch in einigen Punkten zweifellos kritisch sind, so habe ich doch das dringende Bedürfnis, mich zunächst einmal von der Sorte unsachlicher, gehässiger, destruktiver Kritik ausdrücklich abzusetzen, wie Sie sie an allen Ecken und Kanten heute und zweifellos unter dem Eindruck der bevorstehenden Wahlen an der Agrarpolitik ganz allgemein hören. Ich halte es — ich will hier keine Namen nennen —für bedauerlich, daß in Blättern, die Anspruch darauf erheben, für die Landwirtschaft zu sprechen, und ;die Anspruch darauf erheben müssen, ernst genommen zu werden, Raum für solche hemmungslose Auseinandersetzungen mit den agrarischen Problemen geboten wird. Daß maßgebliche Verbände sich da ebenfalls nicht zurückhalten, halten wir für ein ausgesprochenes Drama.
—Bitte!
Richtig, aber wir haben uns mit den Ländern bereits unterhalten. Die Verhandlungen waren außerordentlich schwer, einfach deswegen, weil eines der finanzschwächsten Länder, Rheinland-Pfalz, allein 63 % der gesamten Weinerzeugung in seinen Grenzen hat. Dieses Land ist außerstande, über die Summe, die Herr Staatssekretär Hartmann genannt hat, nämlich über 6,3 Millionen DM Zuschüsse hinauszugehen. Das haben uns die Vertreter dieses Landes überzeugend dargelegt. Wir können also gar nicht die Summe von 10 Millionen DM überschreiten. Was wir vom Bund aus tun konnten, haben wir getan. Ich verweise auf die Zinsverbilligung mit einem Betrage von 2 Millionen DM, die Sie eben ablehnen wollten. Wenn Sie das ablehnen, behindern Sie die Versorgung der Weinbaubetriebe mit billigem Geld.
— Das können sie schon, denn gerade die schwächeren Existenzen bekommen Kredite u n d Zuschüsse. Es wird also überhaupt kein anderer Weg als dieser möglich sein. Ich glaube, daß diejenigen,
') Siehe Anlage 12
die an der Sache mitgearbeitet haben, durchaus den richtigen Weg gefunden haben. Ich meine auch, daß die Hilfe ausreichend sein wird.
Es wurde gesagt, der Kapitalmarkt sei zu schwach und könne die Mittel gar nicht aufbringen. Nun, ganz so schwach scheint er nicht zu sein. Rheinland-Pfalz z. B. hat für diesen Zweck meines Wissens Mittel in Höhe von 14,5 Millionen DM aus dem Kapitalmarkt bereitgestellt, in Baden-Württemberg sollen es 6 Millionen sein; also rund 20 Millionen von den 60 Millionen, über die hier gesprochen wurde, sind schon beschafft.
Frau Kollegin Keilhack und ein Kollege ihrer Fraktion haben die Frage der Schulmilchspeisung angeschnitten. Allen von uns in den Regierungsparteien liegt die Frage der Schulmilchspeisung sicher genau so sehr am Herzen wie Ihnen. Ich habe mir nicht nur beim Bund, sondern auch schon in Nordrhein-Westfalen damit die äußerste Mühe gegeben. Ich muß leider sagen, daß die Widerstände in den Gemeinden, ja sogar in den Familien und auch in den Ländern vielfach so groß sind, daß wir in diesem Jahre bei allem guten Willen nur 3,3 Millionen losgeworden sind.
— Ja, wenn wir es vom Bund allein bezahlten, uns etwa noch um die Räume in den Gemeinden bemühten oder das Geld für diejenigen bezahlten, die die Milch ausgeben, dann würde es wohl möglich sein. Die Beteiligung der Länder und Gemeinden bei diesen Dingen ergibt sich aber einfach aus dem Grundsatz: Wohltun fängt zu Hause an.
Es wurde dann gesagt, Abschöpfungsmittel stünden zur Verfügung. Wir haben im vorigen Jahr 400 Millionen abgeschöpft und etwas über 200 Millionen an Vorratslagerkosten bezahlt. In diesem Jahre sind es 320 Millionen an Abschöpfung und 205 Millionen Lagerkosten. Ich glaube, unsere Hausfrauen waren in der Sueskrise sehr froh, daß die Lebensmittelvorräte ausreichten und Angstkäufe wirklich nicht notwendig waren.
— Auch aus der Einfuhr- und Vorratsstelle.
— Wir hatten zum Beispiel bei Getreide einen Vorrat für 340 Tage!
— Was die damit zu tun hat? Die Leute waren besorgt, es könnte kein Brot, keinen Zucker, kein Fleisch mehr geben, wenn die Sueskrise schwerere Folgen haben würde als vielleicht nur die Behinderung rd es Verkehrs im Sueskanal.
— Ich glaube, Sie wissen selber nur zu gut, wieviel Angstkäufe stattgefunden haben. Die Brotversorgung war aber, wie gesagt, für 340 Tage gesichert, der Vorrat an Margarinerohstoffen hätte mindestens für 105 Tage gereicht.
— Nein.
Die Margarinerohstoffe lagen überhaupt nicht bei der Einfuhr- und Vorratsstelle. Die Regierung hatte ausdrücklich mit der Margarinefabrikation diese Vorratshaltung vereinbart. Diese Vorräte lagen schließlich nicht ohne unser Zutun bei den Fabriken.
Hinsichtlich der Margarinerohstoffe sicher nicht. Es belasten uns aber die sonstigen Vorratsläger.
Nun zur Frage der Hochseefischerei. Es wurde beantragt, die Subventionen von 2,5 Millionen um 3 Millionen auf 5,5 Millionen zu erhöhen. Ich glaube, daß alles, was darüber vorhin schon gesagt worden ist, Anlaß zu Überlegungen gibt, ob die Hochseefischerei die 3 Millionen wirklich braucht. Ich bin nicht der Meinung, daß man aus der wirtschaftlichen Lage einer einzigen, dazu großen Firma der Hochseefischerei die Folgerung ziehen kann, die übrigen brauchten es nicht. Aber inwieweit sie es brauchen, wissen wir auch nicht. Ich habe gestern noch dem Geschäftsführer des Hochseefischereiverbandes gesagt, daß wir nicht weiter beraten könnten, bevor nicht Untersuchungsergebnisse über die Lage und die Strukturveränderungen in der Hochseefischerei vorlägen. Wenn wir diese Untersuchungsergebnisse haben und feststellen, daß die Hochseefischerei Hilfe braucht, können wir immer noch handeln.
Von dem Geschäftsführer des Hochseefischereiverbandes habe ich eine derartige Erklärung nicht bekommen, daß etwa in diesem Jahr eine katastrophale Lage entstehen wird.
Einer der vorliegenden Anträge bezieht sich auf eine Unterstützung zum Ausgleich für die Verteuerung des Dieselöls. Nun, dafür wären vielleicht etwa 1 Million DM, nicht aber 3 Millionen erforderlich.
Ich komme jetzt zu den Anträgen des Kollegen Fassbender auf Umdruck 1064*). Es handelt sich dabei um verschiedene Positionen: 100 Millionen für die Tierseuchenbekämpfung, 35 Millionen DM für die Dieselkraftstoffverbilligung und die Prämien für Qualitätsmilch.
Meine Damen und Herren, auch hierüber ist schon gesprochen worden. Insbesondere hat Herr Horlacher zu diesen Dingen eingehend Stellung genommen. Ich darf folgendes dazu sagen. Es stehen vom Bund rund 39 Millionen DM und von den Ländern 28 Millionen DM — das sind zusammen 67 Millionen DM — zur Verfügung. Wenn wir darüber hinaus die 100 Millionen DM auf die Seuchenbekämpfung, insbesondere auf die Ausmerzungsbeihilfen, konzentrieren würden, bekämen wir soviel Rindfleisch auf den Markt, daß wahrscheinlich ein erheblicher Preisverfall eintreten würde.
Zu dem Antrag bezüglich der Dieselkraftstoffverbilligung möchte ich sagen: auch diese 35 Millionen DM sind nicht nötig. Wir geben zur Zeit schon 130 Millionen DM für Dieselkraftstoffverbilligung aus. Heute besteht gegenüber der Zeit vor der Sueskrise noch ein Mehrpreis von 3 Pf. Wenn wir solche Verteuerungen, unter denen schließlich alle leiden, einfach auf den Bundeshaus-
*) Siehe Anlage 9
halt übernehmen wollten, wäre das geradezu ein Anreiz für manche Wirtschaftsgruppen, es bei den Preisen zu belassen.
Nun zur Frage der Anmeldung, die erforderlich ist, um die 4 Pfennige Milchprämie zu bekommen. Es wurde gesagt, das sei nicht nur zu einfach; es würde auch zu einer Verflachung der Auffassungen über die Seuchenbekämpfung führen. Dem muß ich entgegenhalten, daß die Anmeldung bei einem Veterinär erfolgt, der für eine ordnungsmäßige Durchführung des Verfahrens zu sorgen hat. So ist es bei allen Viehbeständen geschehen, die heute schon tuberkulosefrei sind. Wenn wir diese Verpflichtung künftig nicht auferlegen würden, wäre das geradezu eine Benachteiligung derjenigen, die sich bis heute die größte Mühe gegeben haben.
Ich habe die Frage der Stützung des Wollpreises noch nicht erörtert, die heute morgen Herr Kollege Frühwald angeschnitten hat. Kollege Horlacher hat vorhin vergessen, darauf einzugehen. Ich habe Ihnen schon im Haushaltsausschuß mitteilen können, daß sich Herr Kollege Erhard damit einverstanden erklärt habe, die in Frage kommenden Ressorts in die Lage zu versetzen, daß sie einen Beimischungszwang für deutsche Wolle in Höhe von 100/o anordnen können.
Es hat lange gedauert, bis wir uns im Kabinett zu diesem Weg entschlossen haben. Aber ich glaube, die Maßnahme kommt noch nicht zu spät. Sie soll zu einer stärkeren Nachfrage nach deutscher Wolle führen. Aus dieser Nachfrage wird sich eine Preisaufbesserung entwickeln. Dabei weiß freilich kein Mensch, wie die Wirkung wird. Ein Höchst- oder 1 Mindestpreis kann daher noch gar nicht festgesetzt werden.
Nun zur Frage der beliebten Trakehner Pferde. Ich gehöre selber zu ihren Liebhabern, genau wie der Herr Bundestagspräsident, der sich schon eindeutig dazu geäußert hat. Wir haben den Trakehner Züchtern bei jeder Gelegenheit so gut geholfen, wie wir konnten. Es handelt sich heute um 8000 DM, die die Geschäftsstelle dieses Verbandes erhalten soll. Die Vertreter sind bei uns gewesen und ihre Ausgaben sind nachgeprüft worden. Darauf ist ihnen angeraten worden, diese 8000 DM bei Ausgaben einzusparen, die wahrscheinlich entbehrlich sind. Ein Widerspruch ist nicht erfolgt. Darum wurden dann diese 8000 DM gestrichen. Wir unterscheiden uns in unserer gemeinsamen Auffassung hinsichtlich der Unterstützung dieses Verbandes in gar keiner Weise. Wenn uns nachgewiesen wird, daß der Verband die 8000 DM braucht, kommen wir auf die Sache zurück.
— Das wäre mit dem Haushaltsausschuß und dem Herrn Finanzminister zu besprechen und vielleicht noch in der dritten Lesung zu ordnen. Es handelt sich hier nicht um den Verkauf oder um die Haltung der Pferde. Wir haben es dem Verband z. B. ermöglicht, ein großes Gut zu pachten und das Inventar zu übernehmen. Von all dem wird hier nichts erwähnt.
Herr Elsner begründete den Antrag auf Wiederheraufsetzung der Siedlungsmittel von 54,5 auf 56 Millionen DM. Er hat dazu erklärt, daß Schulden abgelöst werden müßten. Schulden können wir damit nicht ablösen, Herr Elsner; dazu sind die Siedlungsmittel nicht da. Sollten aber bei diesen Siedlern irgendwelche Schwierigkeiten dadurch entstehen, daß kurzfristige, hochverzinsliche Schulden aus anderen Gründen verbilligt werden müssen und daß Not am Mann ist, können wir das aus den Konsolidierungsmitteln bestreiten.
— Dann wäre der Termin von den Siedlern eben einzuhalten gewesen.
Ich glaube nicht, daß der Grüne Plan für Vertriebene noch in diesem Bundestag zum Tragen kommt. Die Ressorts müssen sich noch, bevor er dem Bundestag vorgelegt wird, darüber unterhalten und über die Vorlage schlüssig werden.
Herr Kriedemann erklärte dann, der Bundesernährungsminister habe aus den Erfahrungen mit den Einfuhr- und Vorratsstellen keine Konsequenzen gezogen. Nun, Herr Kollege Kriedemann, harte Widerstände kommen aus allen ,Richtungen. Es gibt nicht nur hier im Hause zahlreiche Gegner dieses Umbaues, auch die Länder sind es fast geschlossen; die Hand elsverbände und die Genossenschaften sind dagegen, sogar die Gewerkschaften sind der Gegnerschaft dringend verdächtig.
— Wenn man einer solchen Mauer gegenübersteht und bei jeder Gelegenheit immer wieder nur Widerstände aus dem Wege räumen soll, wird man müde.
Wir haben auch versucht, ohne Gesetzesänderungen auszukommen. Aber auch das scheint auf eine geschlossene Ablehnung zu stoßen. Ich glaube, es müssen da andere Ereignisse eintreten, um auf diesem Gebiet vorwärtszukommen.
Meine Damen und Herren, wir haben früher die Möglichkeit gehabt, uns bei der ersten oder der dritten Lesung des Haushalts sehr eingehend über Arbeit und Aufgaben der einzelnen Ressorts, auch über die Agrarpolitik, gründlich auszusprechen. Dazu ist bei der zweiten Lesung keine Gelegenheit. Aber ich würde mich freuen, wenn es, gerade vor den Wahlen, wenigstens bei der dritten Lesung möglich wäre, die Agrarpolitik der letzten vier Jahre zur Erörterung zu stellen. Ein wenig wird sich der Bund es e rnährungs- und Landwirtschaftsminister dabei auch beteiligen.
Das Wort hat ,der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine kurze Erklärung zu dem Antrag Umdruck 1060) abzugeben. Ich darf 'bemerken, daß ich diese Erklärung fast jährlich abzugeben habe. Es handelt sich um den Antrag auf Förderung der
*) Siehe Anlage 17
ländlichen Siedlung. Ich möchte feststellen: Der Betrag, der im außerordentlichen Haushalt vorgesehen ist, wird sicherlich bedient; darüber können keine Zweifel bestehen.
Falls wider Erwarten entgegen den Erfahrungen der Vorjahre ein höherer Bedarf bis zu etwa anderthalb Millionen DM wirklich auftreten sollte, wird die Aussicht bestehen, daß er in diesem Jahr noch bedient werden kann.
Ich bitte es also so wie in den früheren Jahren zu machen: sich mit dieser Erklärung zu begnügen und den Antrag selbst infolgedessen als überflüssig abzulehnen.
Herr Abgeordneter Frühwald.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Bange: ich werde den Weihrauchkessel der Opposition nicht weiter schwenken, aber auch nicht das Gegenteil tun. Ich möchte nur noch ganz kurz auf ein paar Dinge hinweisen, die sich unserer Auffassung nach im Vollzug als notwendig erweisen.
Zu Tit. 603 a und b bitte ich dringend, in Vollzug dieses Titels, der die Beratung usw. betrifft, ihn nicht dazu zu benutzen, über diese Zuschüsse eine laufende Stellenvermehrung herbeizuführen, die natürlich zu einer immer größeren Aufspaltung und Zersplitterung dieser Beratung führen würde. Es erscheinen immer mehr Sonderberater; der eine weiß nicht, wieweit seine Zuständigkeit geht, und die allgemeine betiebswirtschaftliche Beratung wird dadurch keineswegs gefördert.
Zu den Ausführungen über das Thema „Wolle" möchte ich kurz bemerken: eine rechtsverbindliche Verordnung über einen Zwang zur Beimischung deutscher Wolle ist noch nicht vorhanden.
-- „Ist gar nicht nötig." Aber die Wolle aus der Schur 1957 drängt jetzt ständig auf den Markt. Wir werden ja die weitere Entwicklung sehen. Ich habe keinen Zweifel, daß die Mehrheit dieses Hauses diesen Antrag auch heute ablehnen wird.
Zu den Anträgen selbst noch ganz kurz: Herr Fassbender hat wortwörtlich erklärt: Wir haben keine Hilfestellung nötig. Ich habe ihm diese Hilfestellung auch gar nicht angeboten, und ich will mich nicht aufdrängen. Ich habe nur gesagt, wir werden ihn bei ;der Abstimmung nicht hindern. Aber wir haben ja auf diesem Gebiet bereits allerhand gehört, und wenn die Deutsche Partei mit oder ohne ihre Koalitionsfreunde diesen Antrag durchbringt, so werden wir dem neidlos zusehen können. Wir werden unsere Hilfestellung niemand aufzwingen. Allerdings besteht die Gefahr, daß sich die Deutsche Partei, ähnlich wie es im Haushaltsausschuß geschehen ist, bei ihren eigenen Anträgen heldenhaft der Stimme enthält. Dann ist die Stellung, die man ihr anscheinend einräumen will, auf jeden Fall gewahrt. Mir war es wirklich neu, daß, nach den Ausführungen von Herrn Fassbender zu schließen, innerhalb einer Regierungskoalition bereits eine eigene Opposition vorhanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kriedernann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich mich zum Wort meldete, geschah es eigentlich nur, um das gute Vorrecht des Parlaments nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, die Debatte fortzusetzen, wenn ein Mitglied der Regierung gesprochen hat. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, als hätte die Regierung immer das letzte Wort, und es ist nicht ein Anliegen der Opposition, sondern ein Anliegen des ganzen Hauses, diesen Eindruck nicht entstehen zu lassen.
Ich möchte mich darauf beschränken, zu sagen, daßauch wir es wegen eines wirklich objektiven, fairen Wahlkampfes begrüßen würden, wenn im Rahmen der dritten Lesung zeitlich die Möglichkeit bestünde, grundsätzliche Auseinandersetzungen über die Agrarpolitik der letzten vier Jahre zu führen. Ich wiederhole, was ich Ihnen vorhin schon zugerufen habe —der eine oder andere mag es vielleicht ,als Warnung auffassen —: ich würde dann, abgesehen von der Vertretung unseres eigenen Standpunkts, es übernehmen, hier in diesem Hause alles das vorzulesen, was Mitglieder dieses Hauses, wenn sie sich nicht in 'diesem Hause befinden, über die Agrarpolitik ihrer eigenen Regierung zum besten geben.
Herr Abgeordneter Gibbert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 1103*) eine Erklärung abzugeben. Der Antrag Umdruck 1103 Ziffer 2 hat den Zweck, die in Kap. 1002 Tit. 975 ausgewiesenen 10 Millionen DM als Zuschußmittel für den deutschen Weinbau zu 'deklarieren. Wir müssen auf dieser Klarstellung bestehen. Wir müssen klären, welche Mittel Zuschiußmittel und welche Kreditmittel sind; das ist ja wohl der wesentliche Unterschied zwischen unserem Antrag und dem Antrag der SPD. Nachdem in der Zwischenzeit der Herr Finanzminister die Erklärung abgegeben hat, daß diese 10 Millionen DM Zuschußmittel sind, sind die Antragsteller in der Lage, ihren Änderungsantrag Umdruck 1103 Ziffer 2 zurückzuziehen.
Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erschrecken Sie nicht, wenn ich ein paar Worte zu den Trakehner Pferden sage.
Ich habe mich ein paar Jahre lang mit der Sache befaßt. Ich habe dem Vorstand Vorschläge zur Einsparung seiner Verwaltungskosten gemacht. Ich habe mich jetzt aufs neue davon überzeugt, daß die Trakehner eine ganze Reihe von Fürsorgeempfängern unter ihren Mitgliedern haben, die ihre Mitgliedsbeiträge zahlen, und ich habe auch im Haushaltsausschußgesagt, daß es sich 'hier nicht um eine Dauermaßnahme handeln kann. Man sollte dem Trakehner-Verband noch einige wenige Jahre beispringen, bis er auf eigenen Füßen stehen kann. Aber man sollte um die 8000 DM, die der Trakehner-Verbiand wirklich benötigt, nicht mehr Worte machen. Ich habe den Organisations- und Wirtschaftsplan und die Rechnung angesehen und schlage danach vor, dem Antrag zuzustimmen.
*) Siehe Anlage 11
Frau Dr. Lüders!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einmal einen Appell an alle richten, ob Männer oder Frauen, Lehrer, Lehrerinnen oder wer immer es sei, doch ihre Aufmerksamkeit stärker darauf zu richten, daß nicht mehr so ungeheure Mengen von Brot vergeudet werden, weil Kinder das Brotachtlos fortwerfen. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, daß die Reinmachefrauen und die Pedelle körbe- und eimerweise das Brot aus den Klassen und vom Schulhof tragen, und zwar nicht etwa trockenes Brot, sondern auch noch gestrichenes und belegtes Brot. Ich glaube, eine Bevölkerung, die das Gebet kennt: „Unser täglich Brot gib uns heute", hat allen Anlaß, darauf zu achten, daß Brot nicht vergeudet wird.
Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe meinem Freunde Gülich versprochen, daß ich, wenn er für die Trakehner redet, eine Rede 'dagegen halten werde,
und dieses Versprechen werde ich einläsen.
Ich mache es kurz. Ich glaube nicht, daß es sich bei diesen 8000 DM Zuschuß für die Trakehnerzucht um etwas handelt, was in erster Linie die Züchter interessiert, sondern es handelt sich um einen Zuschuß ian einen Verband, und das scheint mir in diesem Stadium der Haushaltsberatungen wie überhaupt nicht nötig und nicht zweckmäßig zu sein.
Meine Damen und Herren, der Präsident darf überhaupt nichts sagen. Ich bin für die Pferde, vielleicht darf ich das noch sagen.
— Über die Geschäftsstelle habe ich nicht gesprochen. Ich bin für den Naturschutz und bin deshalb für die Trakehner Pferde. Das werde ich vielleicht auch noch sagen dürfen.
Die allgemeine Aussprache ist beendet. Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktion der DP Umdruck 1042*). Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 15 **) Siehe Anlage 18 ***) Siehe Anlage 13
Zum Umdruck 1060*), Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE, bin ich gebeten worden, getrenntabstimmen zu lassen. Zunächst Ziffer 1 zu Tit. 571. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 1060 Ziffer 2! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist der ganze Änderungsantrag 1060 abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1064**)!
— Zunächst Umdruck 1064 Ziffer 1! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 1064 Ziffer 2! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ziffer 3! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der ganze Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 1082***), Änderungsantrag der Abgeordneten Rehs, Dr. Gülich und Genossen! Das sind ja unsere Trakehner.
Also, meine Damen und Herren, wer ist nun dafür? — Wer ist dagegen? — Das ist doch nach der Optik die Minderheit, meine ich.
Ich wiederhole: Wer für die Trakehner, für den Antrag auf Umdruck 1082 ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Wer ist dagegen? — Meine Damen und Herren, ich habe mich nicht getäuscht; das zweite ist die Minderheit.
Also 8000 DM mehr für die Trakehner!
Umdruck 1083****), Änderungsantrag der Abgeordneten Kriedemann, Frau Keilhack, Hermsdorf, Peters und Genossen! Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck 1084*****), Änderungsantrag der Fraktion der FDP! Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist abgelehnt.
Umdruck 1087******), Änderungsantrag der Abgeordneten Brese, Lermer, Bauknecht, Schulze-Pellengahr, Schwarz und Genossen! Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist abgelehnt.
Umdruck 1091*******), Änderungsantrag der Abgeordneten Odenthal, Müller , Frau Herklotz, Jacobs und Genossen! Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit, ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 17 **) Siehe Anlage 9 ***) Siehe Anlage 19 ***) Siehe Anlage 14
*****) Siehe Anlage 10
******) Siehe Anlage 16
*******) Siehe Anlage 12
Umdruck 1103*) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP ! Da ist die Ziffer 2, wenn ich recht verstanden habe, zurückgezogen worden.
Wir stimmen also allein über Ziffer 1 ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Das waren alle Änderungsanträge. Nun kommt der Einzelplan 10 im ganzen in der durch die angenommenen Änderungsanträge veränderten Fassung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die SPD enthält sich. Der Einzelplan 10 ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Jetzt schlage ich dem Hohen Hause vor, daß wir uns einmal mit dem eigenen Haus beschäftigen und den Einzelplan 02 vornehmen. Wir müssen nachher unbedingt eine Sitzung des Ältestenrats abhalten.
— Darüber wollen wir doch in der dritten Lesung abstimmen.
— Das hat ja sonst keinen Zweck. Es ist nicht ganz korrekt. Sehen Sie sich den Text an! Wir müssen nach der dritten Lesung darüber abstimmen. —
Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe den Einzelplan 02 auf:
Deutscher Bundestag .
Frau Abgeordnete Rösch als Berichterstatterin!
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auf Drucksache 3451 finden Sie die Beschlüsse des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 02. In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ich mich ganz kurz fassen und Sie nur darauf hinweisen, daß die Erhöhung der Ausgaben in erster Linie einen sehr erfreulichen Grund hat, nämlich den, daß unser Haus sich um die zehn Abgeordneten aus dem Saarland vermehrt hat, und deren Bezüge und Fahrkosten machen einen Teil der Erhöhung unseres Haushaltsplans aus. Die Erhöhung ist zu einem weiteren Teil darauf zurückzuführen, daß die am Ende der Legislaturperiode ausscheidenden Abgeordneten noch für drei Monate ihre Bezüge bekommen.
Die Zahl der Beamtenstellen im Stellenplan ist erhöht worden. Der Vorstand des Deutschen Bundestages, der den Haushaltsplan aufgestellt hat, hält es im Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuß für tunlich, das Dienstverhältnis einer erheblichen Anzahl bewährter Leute, die uns bereits seit acht Jahren behilflich sind, hier unsere Arbeit zu tun, vom Arbeiterverhältnis in das Beamtenverhältnis umzuwandeln. Auch einige Angestellte sind in das Beamtenverhältnis überführt worden.
Die weiteren Änderungen bitte ich Sie, wie gesagt, der Drucksache 3451 zu entnehmen und dem Haushaltsplan in der vorgeschlagenen Form zuzustimmen.
*) Siehe Anlage 11
Gleichzeitig darf ich Sie auf den Umdruck 1094*) hinweisen. Dieser Änderungsantrag zum Einzelplan 02 ist von allen Fraktionen dieses Hauses eingebracht worden. Es wurde beschlossen, die Kosten, die mit der Berufung des Wehrbeauftragten entstehen, im Haushalt des Deutschen Bundestages zu etatisieren. Der Umdruck 1094 enthält den Stellenplan und die durch die Berufung voraussichtlich entstehenden Kosten. Ich bitte Sie, auch diesem Änderungsantrag zum Einzelplan 02, der, wie gesagt, ein interfraktioneller Antrag ist, zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke der Frau Berichterstatterin und eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat Frau Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als erstes möchte ich gerne dem Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Gerstenmaier sehr herzlich dafür danken, daß er jederzeit für Wünsche oder für Fragen, die man in bezug auf das Bundeshaus an ihn richtet, aufgeschlossen ist und zu tun versucht, was er nur irgend tun kann. Es steht aber nicht alles in seiner Macht, und es tut mir sehr leid, daß ich doch, wie man so sagt, eine ganze Latte von Wünschen vorbringen muß, die nach einiger Zeit vielleicht doch einmal erfüllt werden müssen, damit das Leben der Abgeordneten auch physisch etwas erleichtert wird. Wir erleben es ja oft genug, daß Abgeordnete wegen körperlicher Zumutungen von uns gehen müssen oder krank werden. Diesen Zumutungen sind, wie mir scheint, bald nur noch die trainierten ganz Alten gewachsen.
Ich möchte mir einige Vorschläge erlauben und hoffe, daß der Herr Vizekanzler, der eben mit Recht mahnte: „Wenn sich doch alle auf das Wesentliche beschränken möchten!" — ich stimme ihm zu —, nicht nachher zu mir sagt: Na, Sie haben aber eine Latte von Kleinigkeiten vorgebracht.
Unser Leben setzt sich eben nicht nur aus Dingen, die ganz groß sind, zusammen, sondern wir werden durch viele Kleinigkeiten in einem Maße beansprucht und überbeansprucht, das es uns überaus schwermacht, unsere Verpflichtung als Abgeordnete zu erfüllen.
Ich möchte einmal bei einem Gegenstand anfangen, für den ich großes Interesse habe, weil ich in meinem hohen Alter nicht mehr gerne so viele Treppen klettere. Die Fahrstühle sind für Abgeordnete zu Beginn des Plenums, bei namentlichen Abstimmungen und während des Hammelsprungs freizuhalten. Es sind zu diesen Zeitpunkten im Fahrstuhl alle möglichen Personen, denen ich ihn sonst ebenfalls sehr gönne, und wir müssen draußen stehen und warten, bis Platz wird.
Zweitens. Es müßte vor Schluß der namentlichen Abstimmung genügend Zeit gegeben werden, herunterzukommen. Wir haben ein Haus, das heißt Hochhaus, das ist ein gutes Kilometer vom Briefkasten und vom Plenum entfernt. Wir sind nicht alle Hexen und können nicht alle durch den Schornstein rutschen.
*) Siehe Anlage 20
— Gott behüte mich davor!
Mein lieber Kollege, Vorsicht mit den Zwischenrufen! — Wir können also nicht schnell genug herunterkommen, und neulich haben wir es erlebt, daß verschiedene Abgeordnete zur Abstimmung zu spät nach unten gekommen sind; sie konnten einfach nicht schnell genug hier sein. Dabei ist auch noch zu bemerken, daß die Lautsprecheranlage höchst unterschiedlich funktioniert, so daß man oft gar nicht in der Lage ist, rechtzeitig genug die Abstimmungstute oben zu hören.
— Nein, nicht durch den Schornstein! Also, bitte, genügend Zeit geben vor Schluß der namentlichen Abstimmung, damit die Abgeordneten zur Zeit kommen können; sonst ist es nicht ihre Schuld, daß sie die namentliche Abstimmung versäumen, wofür sie nachher recht unangenehm bestraft werden.
Dann möchte ich bitten — verschiedene Kollegen haben mir das gesagt —, ein Abstellbord für Akten auch in dem Hochhausaufzug anzubringen. Unsere Kollegen stehen da, rechts und links bepackt oder mit Handtaschen und noch vielen Sachen im Arm, und wissen nicht, wohin damit. Meist müssen sie sie erst einmal auf die Erde legen, damit sie nachher wenigstens wieder aus dem Aufzug herauskommen; sie müßten sonst der Tür einen Tritt geben, was diese Tür nicht verschönern würde. Solche Abstellborde sind vor allem für Akten anzubringen, vorausgesetzt, daß nicht wie früher Abgeordnete diese Abstellborde für Sitzplätze halten, sich darauf setzen und dann, wie es anfangs passiert ist, damit zusammenkrachen.
Nun etwas, was von großer Bedeutung für die Schonung der Abgeordneten und für das Arbeitsresultat ist. Das ist die Frage der Arbeitszimmer. Ich weiß, Herr Bundestagspräsident, daß es eine ganz schwierige Situation für Sie ist, der Sie ein Gebäude haben übernehmen müssen, das, milde ausgedrückt, zu 90 °/o für einen parlamentarischen Betrieb absolut ungeeignet ist.
Aber nun hat sich der Herr Präsident und haben wir alle uns mit dieser Tatsache herumzuschlagen. Es wäre doch eigentlich eine ganz normale Sache, daß jeder Abgeordnete wenigstens ein kleines Zimmer für sich hätte, in dem außerdem noch eine Schreibkraft sitzen kann. Heute ist es so, daß man sehr oft zu dreien in einem Zimmer sitzt, dazu noch eine Sekretärin und eine klappernde Schreibmaschine. Meine verehrten Kollegen, dabei zu arbeiten ist vollkommen unmöglich.
Ferner fehlt der Schrankraum, der über das Notdürftigste zur Unterbringung von Akten hinausgeht. Es scheint mir keine gute Sache zu sein, daß, während man allerdings in Schulgebäuden dafür sorgt, daß die nassen Mäntel der Schulkinder nicht mehr wie zu meiner Jugendzeit im Klassenzimmer trocknen, wir unsere nassen Sachen in unserem Zimmer aufhängen oder trockensitzen müssen, damit sie beizeiten wirklich wieder trocken sind. Es ist also dringend notwendig, den Schrankraum in den Zimmern zu vermehren.
Eine andere Frage im Interesse der Putzfrauen! Meine lieben Kollegen, es scheint mir allgemein nicht sehr angenehm zu sein, daß diese Frauen auch noch nach 9 Uhr morgens hier durch sämtliche Korridore herumgeistern und man wie zu Ostern und Pfingsten über Eimer und Besen stolpern muß. Aber was mir immer sehr unangenehm auffällt, ist, daß diese Frauen dazu verurteilt sind, ihr Frühstück im Vorraum eines gewissen anderen ganz kleinen Raums einzunehmen. Verehrte Anwesende, ich glaube, es ist des Hauses nicht würdig, wenn die Putzfrauen auf diesen Raum zur Einnahme ihres Frühstücks angewiesen sind; Sie verstehen ja alle, was ich meine.
Als weiteres möchte ich darauf aufmerksam machen, daß nach Aussagen von verschiedenen Abgeordneten verschiedener Parteien die Parkplatzfrage durch eine Erweiterung der Anlage geregelt werden muß. Es handelt sich um die Abgeordneten, die von außerhalb kommen und die ihre Autos manchmal tagelang hier im Freien stehen haben oder nicht wissen, wo sie sonst damit hin sollen. Man müßte versuchen, durch Verhandlungen mit der Stadt eine Möglichkeit zu finden, daß der Parkplatzraum vergrößert wird und daß für die Autos wenigstens ein Wellblechdach auf Ständern errichtet wird. Ich bin kein Autofahrer, aber ich glaube nicht, daß Autos davon besser werden, wenn sie bei jeder Temperatur und Witterung stundenlang draußen herumstehen.
Ferner scheint mir bemerkenswert zu sein, daß auch andere Personen und auch Behörden ihre Automobile mit Fahrer dort abstellen und die Abgeordneten für ihre Wagen dann keinen Platz finden, weil die Herren Behördenvertreter mit Fahrer ihre Fahrer da draußen im Wagen sitzen lassen. Die Abgeordneten-Parkplätze sind für die Abgeordneten und für niemanden sonst!
Nun möchte ich noch ein Wort zur Frage der Kraftfahrer sagen. Meine verehrten Anwesenden, die Entlohnung und der Arbeitseinsatz der Kraftfahrer des Deutschen Bundestags gibt mir schon lange zu denken. Ich habe versucht, mir sehr genaue Unterlagen dafür zu verschaffen. Die Entlohnung der Fahrer beruht auf einer Tarifvereinbarung von 1952 nebst Nachträgen, geschlossen zwischen der „Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr" und der „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Herrn Bundesfinanzminister". Danach erhalten die Kraftfahrer des Bundes mit Ausnahme der sogenannten Chefkraftfahrer für die Normalarbeitsstunden, das sind 208 Stunden im Monat, den Normallohn und gewisse Dienstalterzulagen. Darüber hinaus wird als Abfindung für geleistete Überstunden — bis höchstens 312 Monatsstunden — eine Überstundenpauschvergütung vierteljährlich im voraus festgesetzt, und zwar nach dem Ergebnis der drei vorangehenden Monate. Sie wird aus der regelmäßigen Arbeitszeit — also bis höchstens 312 Stunden monatlich — aller beteiligten Kraftfahrer errechnet. Die monatliche Durchschnittsarbeitsleistung wird, wie bereits bemerkt, mit 208 Stunden zu dem Normallohn von 378,56 DM voll vergütet. Darüber hinausgehende Arbeitszeit wird unter Abzug von 20 °/o für anzurechnende Arbeitsbereitschaft — für die die Fahrer gar nichts können — der Berechnung der Überstundenpauschale zugrunde gelegt. Auch in der Berechnungszeit geleistete Sonntagsarbeit wird bei der Überstundenpauschalvergütung mit berücksichtigt.
Nun heißt es in den Bestimmungen: die Überstundenpauschvergütung wird während der Dauer des Urlaubs weitergezahlt. Das klingt wunderschön, das dicke Ende kommt aber am Schluß der nächsten Zahlungsperiode durch Abzug rückwirkend. Eventuelle Feiertagszuschläge mit 100 % und Nachtdienstzuschläge von 25 Pfennig werden jedem Fahrer individuell nach seiner Leistung berechnet. Der Sonntagsdienst wird mit 1,08 DM pro Schicht zusätzlich vergütet. Die über die in der Tarifvereinbarung festgelegte Höchstbeschäftigungszeit von 312 Monatsstunden „etwa hinausgehende" Arbeitszeit — das ist etwas summarisch ausgedrückt — ist durch Gewährung von Freizeit auszugleichen; für diese Arbeitszeit ist jedoch der normale Überstundenzuschlag zu zahlen.
Nun, meine verehrten Anwesenden, ein Wort zu dem Arbeitseinsatz. Wir haben einen Einsatz in sitzungsfreien Wochen, die die Fahrer gar nicht verschulden. Da gibt es eine Schicht mit 12 Wagen von 7 bis 17 Uhr — macht 10 Stunden —Schicht 2 mit 11 Wagen von 12 bis 23 Uhr — macht 11 Stunden —, einen Einsatz an Ausschußsitzungs- und Plenartagen in folgender Weise: Schicht 1 mit 12 Wagen von 7 bis 21 Uhr — macht 14 Stunden —, Schicht 2 mit 11 Wagen von 8 bis 23 Uhr — macht 15 Stunden! —.
Verehrte Kollegen, unser Leben ist in der Hand der Fahrer. Außerdem ist es eine alte Tatsache. daß, wenn etwas passiert, der Fahrer nicht die Möglichkeit hat, auch nicht, wenn der Tatbestand für ihn spricht, sich darauf zu berufen, daß einer von uns, der transportiert worden ist, eine Forderung an ihn gestellt hat, die ihn zu einem weit mehr als D-Zugs-Tempo veranlassen mußte. Ich glaube, wir müssen so viel Rücksicht auf die Fahrer nehmen, daß wir sie nicht in die Lage bringen. wie wild durch die Landschaft rasen zu müssen.
Das geht einfach nicht an. Andererseits müssen wir schon aus reinem Egoismus daran denken, daß derartige Arbeitszeiten unser eigenes Leben gefährden.
Ich glaube, es liegt in unser aller Interesse, daß man daran denkt.
Nun haben die Fahrer allerdings eine Freizeit von zwei Stunden. In dieser Zeit müssen sie essen und etwas Ruhe haben. Zum Essen werden wohl viele von ihnen nach Hause fahren. Vielleicht haben sie da etwas Ruhe. Hier haben sie ganz bestimmt keine Ruhe.
Nun kommt die Freizeit. Sie erstreckt sich in der Schicht 1 von 10 Uhr 30 bis 12 Uhr 30. Das sind zwei Stunden Freizeit. Nachher ist von 13 bis 15 Uhr noch einmal Freizeit für die anderen Fahrer. Nach Bedarf, heißt es in den Abmachungen. wird der Dienst gegebenenfalls über 23 Uhr hinaus verlängert! Das ist eine ganz vage Angabe. Die Überstunden werden allerdings in Form von Nachtarbeitszuschlägen mit vergütet. Zu diesem verlängerten Dienst über 23 Uhr werden vornehmlich natürlich die Fahrer herangezogen, die am nächsten Vormittag planmäßig dienstfrei haben und die Schichteinteilung wird wöchentlich gewechselt. Zu jeder Schicht der Wagen. die ich nannte, und den Stundenzeiten kommt noch ein
VW-Bus, der nach der Reutersiedlung fährt. Er macht auch Wirtschaftsfahrten und im Notfall Fahrten für Abgeordnete. Es ist der Autobus, der gegebenenfalls einen ganzen Schub Abgeordnete zum Flugplatz fährt.
Nun kommt der Nachtdienst. Bei ihm stehen je nur zwei Wagen von 13 Uhr mittags bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr bereit. Diese enorme Zeit von 20 Stunden wird damit begründet, daß sie in der Hauptsache Bereitschaftsdienst sei. Bereitschaftsdienst heißt natürlich nicht, daß ich in der Zeit Ruhe habe, schlafen kann usw.
Dann kommt der Samstagsdienst mit je nur zwei Wagen, mehr nicht. Ich glaube, wir haben es alle schon erlebt, daß wir samstags draußen stehen und warten, bis ein Wagen kommt. Bereitschaftsdienst von 14 bis 8 Uhr bedeutet 18 Stunden für je zwei Wagen.
Der Sonntagsdienst dauert im Bereitschaftsdienst mit auch nur zwei Wagen 23 Stunden!
In der Regel hat jeder Fahrer im Monat dreimal Nachtdienst und einmal Samstags- oder Sonntagsdienst, d. h. 18 Stunden bzw. 23 Stunden. Verehrte Kollegen, bitte, addieren Sie diese Zahlen, dann wissen Sie, was verlangt wird. Die Spitze der Arbeitszeit liegt bei 340 Stunden. Ich glaube, wir sollten uns auch dieser Angelegenheit etwas annehmen.
Nun noch ein Wort zu meinem „Lieblingsplatz" hier im Hause, zum Restaurant. Ich habe das Vergnügen gehabt, mit Hilfe des Herrn Bundestagspräsidenten, dem ich dafür sehr dankbar bin, den Vertrag in die Hand zu bekommen.
— Geräuschstärke? Ja, die können wir in diesem Zusammenhang auch gleich abmachen. — Der Herr Bundestagspräsident ist, wie Sie wissen, so freundlich gewesen, meiner Bitte zu entsprechen und zu veranlassen, daß hier Phon-Geräte aufgestellt worden sind. Sie haben ja von dem Resultat gehört. Hier im Saal können wir ja leider die Phonstärke nicht vermindern. Bei manchen Stimmgewaltigen aus verschiedenen Gegenden wäre es vielleicht ganz angebracht.
Der Lärm im Bundestagsrestaurant ist einfach katastrophal.
Kein Mensch kann dabei in Ruhe essen, kein Mensch kann sich auch nur einen Augenblick entspannen. Denn diese Zeit wird von Hinz und Kunz und jedermann benutzt, um den Abgeordneten am Eßtisch anzusprechen: „Ach, entschuldigen Sie einen Augenblick! Ich wollte Sie gar nicht stören, aber ... ". Ich habe mir angewöhnt, so liebenswürdig wie irgend möglich zu lächeln und dann zu sagen: „Entschuldigen Sie, Sie haben mich bereits gestört! Aber bitte, fahren Sie fort!" Es ist menschenunmöglich, in dieser Umgebung auch nur halbwegs eine halbe Stunde zur Ruhe zu kommen; alle unsere Kollegen wissen das. Man wird halb verrückt bei diesem Radau. Ich denke an keinen einzelnen, der Gesamtlärm bringt es mit sich, daß jeder, der sich mit einem anderen noch nicht einmal am Nachbartisch, sondern auch nur vis-à-vis verständigen will, wie ein Zinshahn schreien muß, damit er vernehmlich ist. So wird der Radau na-
türlich immer noch größer. Wir müssen uns aber verständigen können. Viele von uns machen es schon so, daß sie sagen: Ruhe ist hier unmöglich; die Ärzte sagen, wir sollen beim Essen Ruhe haben — na, wenn die Ärzte hier wären! —; dann gehen wir eben hinüber in die Parlamentarische Gesellschaft, da haben wir erstens Ruhe und zweitens bekommen wir unser Essen innerhalb einer normalen Zeit geliefert.
Einer der Tatbestände, die mir im Restaurant unangenehm auffallen, ist zunächst die Einförmigkeit des Menüs. Ich kann es schon auswendig, denn es ist seit vier Jahren dasselbe. Mal steht es eine Zeile höher, mal eine Zeile tiefer. Darauf kommt es aber nicht an.
Das zweite ist die Qualität dessen, was hier geliefert wird. Was nach dem Vertrag geliefert werden soll, ist eine „Stufe 3". Ich weiß nicht, was das im Restaurationsgewerbe bedeutet, ich kann es nicht beurteilen. — Ich bin kein Feinschmecker, aber ich kann einigermaßen unterscheiden, auch mit der Nase, mit welchen Ingredienzien die Gerichte zubereitet worden sind und ob sie mit einiger Sorgfalt zubereitet worden sind oder nicht.
Ich glaube, daß alle Hausfrauen, aber auch viele unserer männlichen Kollegen, die sehr wohl wissen, was gut und was schlecht schmeckt, darüber einiges zu sagen wissen.
Ein Wort zu den Preisen! Mir stehen alle Haare zu Berge, wenn ich mir die Preise ansehe und sie mit der Qualität vergleiche.
Wir haben soundso viele Gasthäuser in Großstädten, die besseres Essen zu weit geringeren Preisen liefern, als es in diesem Hause der Fall ist.
Sehr unangenehm für uns und mir als Frau besonders auffallend ist der ewige Kellnerwechsel. Woher er kommt, weiß ich nicht. Ich habe meine eigenen Gedanken darüber und vermute, verschiedene Kollegen haben die gleichen Gedanken. Ich weiß nicht, ob hier eine Kellnerlehrlingsschule ist oder auf welche Weise es zustande kommt, daß — mit Ausnahme einiger weniger sehr guter Leute — die Kellner fortgesetzt wechseln.
Dann möchte ich ein Wort an uns selber richten. Ich bin der Meinung, auch wir müßten ein bißchen Rücksicht auf das Bedienungspersonal nehmen. Das Personal wird ja manchmal durch das Lokal gehetzt, daß es nicht mehr schön ist. Vor allen Dingen finde ich es nicht recht, wenn verschiedene von uns — „ich sehe niemanden an", sagte meine Schulvorsteherin immer, und dann guckte sie auf mich, wenn sie etwas zu tadeln hatte;
aber ich sehe hier wirklich niemanden an —, verschiedene von uns, ohne nachzudenken, welche Folgen es für das Bedienungspersonal hat, hier sitzen und sitzen bleiben bis in die sinkende Nacht hinein. Ich bin der Meinung, auch wir müssen behilflich sein, hier Ordnung zu schaffen.
Nun, meine lieben Kollegen, möchte ich Ihnen allen raten, Ihre Abgeordnetenmandate niederzulegen und sich darum zu bewerben, diesen Betrieb pachten zu dürfen.
Erstens kann der Pächterin erst Ende März 1959
gekündigt werden — uns geht das ganz anders —,
zweitens hat sie das Recht, den Vertrag immer wieder auf drei Jahre zu verlängern. Ob das Bundestagspräsidium nach dem Vertrag Rechte hat, ist mir höchst zweifelhaft. Ich habe es nicht herausfinden können. Der andere hat jedenfalls dieses Recht. Es ist doch eine famose Sache, wenn ich dann immer noch drei Jahre bleiben kann. Außerdem war der Pächter zwei Jahre pachtfrei. Das liegt nun hinter uns; aber es ist immerhin schon ganz nett. Die Pächter zahlen für Heizung. Strom. Reinigung, Wasser usw. pauschal 600 DM an den Bund. — Und wie hoch ist die Pacht? Nach dem Etat, den Sie vor sich haben, beträgt sie per anno 15 000 DM, das heißt monatlich 1250 DM einschließlich des Inventars, das der Bundestag gestellt hat, einschließlich Licht, Strom — auch Starkstrom für Geräte —, Heizung und Reinigung. Wenn das kein Geschäft ist, dann will ich wirklich Max heißen.
1250 DM Pacht im Monat und das alles dazu
das ist doch immerhin ein ganz schönes Geschäft.
Dann kommt noch die peinliche Art, in der auch heute noch trotz der dankenswerten Bemühung des Herrn Bundestagspräsidenten die Freigabe des Restaurants für die Öffentlichkeit gestattet ist. Von der Freigabe des Bundeshauses für die Leute will ich überhaupt gar nicht reden. Da, liebe Freunde, sind wir nicht unschuldig. Immer wieder trifft man auf Besuchergruppen in Schlangenform. so eine halbe Division, die hier durch Gegenden geschleust werden, durch die sie jedenfalls an Parlamentstagen gar nicht gehen sollten. Die Amtsgehilfen sind nicht in der Lage, dagegen aufzutreten. weil irgendein Bundestagsmitglied sich an die Spitze dieser Kolonne gesetzt hat. Der Angestellte wäre in der peinlichen Lage, zu sagen: Bitte. Herr Abgeordneter. drehen Sie einmal mit der Kolonne um: das geht nicht. Der Herr Bundestagspräsident ist außerstande, seine berechtigte Forderung durchgeführt zu sehen. wenn wir selber ihm dabei nicht helfen. Es gibt immer wieder Kollegen — einerlei, aus welcher Landesgegend sie stammen —, die glauben. daß sie sich eine Extrawurst braten lassen können. Die Freigabe des Restaurants für die Öffentlichkeit erfolgt also in einer für uns geradezu unerträglichen Weise. Selbst wenn es noch recht kühl ist. kommen die Leute zu zweien. zu vieren. Ehepaare mit und ahne Kinder, durch die Türen aus dem Garten direkt ins Bundestagsrestaurant. in dem wir sitzen sollen. Das erhöht natürlich die Ruhe bedeutend. Sie treten in dem Zustand, in dem sie von der Straße kommen, herein, knallen die Türen hinter sich zu oder lassen sie eine Weile offen. damit wir mal durchgelüftet werden. Mir scheint. das sind Zustände, die eines Parlaments absolut unwürdig sind.
Ich glaube, daß wir alles Interesse haben, das Ansehen des Parlaments in der Öffentlichkeit so hoch wie nur irgend möglich zu halten, und zwar nicht allein durch unsere mehr oder weniger emo-
tionalen Reden, sondern auch durch solche Dinge. Diese Dinge waren im Deutschen Reichstag absolut unmöglich. Hier kann man sich den Mund fusselig reden, und der Herr Präsident kann sich mühen, und es kommt und kommt nicht vorwärts. Das Bundestagsrestaurant ist kein Bahnhofsrestaurant; wer das möchte, soll eben ins Bahnhofsrestaurant gehen.
Vom Verkauf außer Haus will ich weiter nichts sagen. Daß hier Getränke in Flaschen verkauft werden können, soll mir auch gleichgültig sein.
Die Pächterin ist verpflichtet, „das bundeseigene Inventar pfleglich zu behandeln". Das wäre ja noch schöner, wenn sie das nicht tun müßte! Die Beschaffung und Instandhaltung des für das Pachtobjekt erforderlichen kleinen Inventars obliegt der Pächterin; das große bezahlen allerdings wir.
Verehrte Kollegen, ich will Sie nicht weiter damit behelligen, glaube aber, wir haben allen Anlaß, uns dieser Sache mit Aufmerksamkeit zu widmen und — da werden Sie wohl alle mit mir einstimmen — vor allen Dingen den Herrn Bundestagspräsidenten und das Präsidium in diesen
Dingen zu unterstützen.
Noch ein Wort zu zwei Dingen, die für kriegsverletzte Mitglieder des Hauses und für sehr alte Leute, die heute auch nicht mehr alle so wie Nurmi durch die Landschaft rennen können, nicht ungefährlich sind. Das ist einmal die Tatsache, daß die Zufahrtsstraße zum Bundestag als Rennstrecke benützt wird, daß man beim besten Willen nicht weiß, wie man sich ungefährdet über den Fahrdamm begeben soll. Die andere Sache ist die ungeheure Glätte vieler Fußböden. Ich bin sehr für die Sauberkeit; aber es geht nicht an, daß man immer erst mit dem Fuß versuchen muß, ob man eigentlich auf der Eisbahn oder im Bundeshaus ist. Die Glätte der Fußböden ist so stark, daß man — das gilt besonders, wenn einer kriegsverletzt und gar Beinamputierter ist — immer in Sorge ist, was einem im nächsten Augenblick passieren kann.
Nun noch ein paar Wünsche, aber nicht für meine Person. Uns scheint not zu sein, daß wir im Bundeshaus einen Sportraum bekommen. Im Reichstag ist der Sportraum sehr stark benützt worden. Manche überschüssige Kraft, die sich in ungeeigneten Redewendungen im Bundestag austobt, würde wahrscheinlich bereits im Sportraum etwas gedämpft werden.
Sodann scheint es mir leider notwendig zu sein daß wir in das Haus eine Krankengymnastin bekommen, nicht weil wir alle krank sind, sondern weil eben sehr viele Mitglieder an irgendwelchen arthritischen oder ischiasartigen oder ähnlichen Erkrankungen leiden und es ihnen dringend not tut, in gewissen Intervallen im Hause behandelt zu werden. Es ist unmöglich, aus dem Haus zu rennen, bestrahlt oder massiert zu werden und dann in dem Zustand wieder in die Kälte hinausgehen zu müssen.
Ich weiß nicht, Herr Bundestagspräsident, ob die Abgeordneten gegen 'Unfälle im Hause versichert sind. Notwendig wäre dies.
Wir haben im Hause einen ganz wunderschönen Sitzungsraum. Die Kollegen des Familienrechtsunterausschusses kennen ihn. Er liegt hinter dem Presseraum. Ich weiß nicht, wie er bezeichnet wird: P und irgendwas sonst noch, 01 oder so. Dieser Raum hat kein einziges Fenster. Er ist also ein besseres Verlies. Er hat aber eine merkwürdige Heizungsanlage; die ist so konstruiert, das immer ein — wie heißen die Herren hier? — Angestellter herangeklingelt werden muß; er muß sich dann über den Heizungsschacht stürzen, der im Zimmer ist, und muß abwechselnd alle Viertelstunde einmal auf- und zudrehen. Die Mitglieder des Familienrechtsunterausschusses kamen sich dabei immer wie Leute vor, die um 12 Uhr in der Sahara und um 12 Uhr 30 am Nordpol sitzen. Schließlich hat sich der Familienrechtsunterausschuß geweigert, dort überhaupt noch Sitzungen abzuhalten. Solche Räume sind doch absolut unmöglich. Da können Sie meinetwegen Akten, aber nicht Abgeordnete abstellen.
Alle diese Dinge müssen wir im Auge behalten. Wenn wir alle zusammenstehen und uns unserer Verpflichtung gegenüber den hier angestellten Personen entsprechend den Bemühungen des Bundestagspräsidiums bewußt werden, werden wir einen Schritt vorwärtskommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere verehrte Alterspräsidentin hat sehr vieles von dem gesagt, was ich sagen wollte. Ich werde das nicht wiederholen.
Ich möchte mit einem Dank an das Personal des Bundestags beginnen. Die Etatberatung ist der Augenblick, in dem wir Abgeordneten Gelegenheit haben, dem Personal im ganzen für die ausgezeichnete Arbeit, die es jahraus jahrein im Dienste des Hauses leistet, herzlichen Dank zu sagen.
Dieses Personal nimmt hundertprozentig an der tiberlastung teil, unter der dieses Hohe Haus leidet.
Es werden sich auf die Dauer schwierige Fragen ergeben; ich möchte nur eine Frage anschneiden. Nehmen Sie an, wir kommen im öffentlichen Dienst zur 40-Stunden-Woche. Niemand glaubt wohl mehr daran, daß der Deutsche Bundestag mit einer 40-Stunden-Woche arbeiten könnte. Hält man es für möglich, das Personal nur 40 Stunden zu beanspruchen, wenn der Bundestag selber viel länger, täglich zehn, zwölf und noch mehr Stunden in Plenum und Ausschüssen tätig ist?
Wir wissen aus dem Studium des Haushaltsplans 1957, daß personalpolitisch einige Verbesserungen erfolgt sind, von denen hier andeutungsweise schon die Rede war. Noch immer aber besteht die schlechte und unbefriedigende Einstufung der Amtsgehilfen. Ich glaube, wir haben alle Veranlassung, in dem kommenden Jahr für eine Besserung zu sorgen. Das wird dieser Bundestag nicht mehr tun können. Aber der neue, der 3. Bundestag hat die ehrenvolle Aufgabe, für eine anständige Bezahlung der Amtsgehilfen einzutreten.
Ein Problem, das zum Teil mit dem zusammenhängt, was Frau Kollegin Dr. Lüders bereits ge-
sagt hat, sind die Zustände in der Fahrerkantine und im kleinen Restaurant. Wie kommt es eigentlich — vielleicht könnte sich die Bundestagsverwaltung dazu einmal verantwortlich äußern —, daß die Angestellten des Bundestags, die in der Fahrerkantine ihr Mittagbrot einnehmen wollen, bis zu einer halben Stunde warten müssen, bis sie Platz bekommen, weil die Besucher — die wir gerne sehen — irgendwie systematisch in diese Fahrerkantine dirigiert werden. Solche Dinge sind auf die Dauer einfach unmöglich. Sie beeinflussen auch den Betrieb im Haus und die Gesundheit der beteiligten Abgeordneten.
Zum Thema großes Restaurant möchte ich im Interesse der vielen Magenkranken hier im Haus, mehr noch im Interesse der an Kreislaufstörungen leidenden Abgeordneten, Frauen und Männer, dem Herrn Bundestagspräsidenten herzlich nahelegen, alle Möglichkeiten zu erschöpfen, eine Diätküche zu schaffen. Das ist eine zwingende Notwendigkeit. Ich werde Ihnen nachher noch Zahlen nennen, die das schlüssig beweisen.
Frau Kollegin Dr. Lüders hat sich mit den Portionen und Preisen im großen Restaurant des Bundestages befaßt und auf die Ziffer 7 des Vertrags hingewiesen, der am 5. März 1953 von dem damals amtierenden Herrn Bundestagspräsidenten, unserem verehrten und unvergeßlichen Dr. Ehlers, abgeschlossen worden ist. In dieser Ziffer 7 des Vertrags heißt es:
Der bisherige Zuschnitt der Gaststätte soll aufrechterhalten bleiben. Das Preisniveau soll dasjenige in Gaststätten gleichen Zuschnitts nicht übersteigen.
Ich weiß nicht, was Preisgruppe 3 ist. Ich lasse mich von einem anwesenden Sachverständigen unter den Kollegen gerne belehren. Aber ich weiß. was gut ist, und ich weiß auch, was teuer ist. Ich habe unserem Herrn Bundestagspräsidenten schon vor längerer Zeit einige Speisekarten überreicht. die ich mir schenken ließ, und ich habe nun in der Zwischenzeit noch ein paar Speisekarten gesammelt und einige Gegenüberstellungen gemacht. Ich bin auch bereit, die Namen der Restaurants zu nennen, wenn ich danach gefragt werde.
Ein Frankfurter Hotel — ein Hotel, in das ein Abgeordneter geht und in das viele gehen —, zwei Raststätten an der Bundesautobahn und das Bundeshausrestaurant habe ich mit Speisen und Preisen einmal gegenübergestellt. Ich will Ihnen aus Zeitgründen nicht die ganze Aufstellung verlesen; aber einige kleine Beispiele möchte ich Sie doch bitten mir zu gestatten: Russische Eier auf Kartoffelsalat oder Brot: Frankfurter Hotel 1,80 DM. Raststätte 1,40 DM, Bundeshausrestaurant 2 DM. Fleischsalat garniert: Frankfurter Hotel 1,80 DM. Raststätte 1,50 DM, Bundeshausrestaurant 2,75 DM. Tartarsteak mit Ei, Butter und Brot: Frankfurter Hotel 2,75 DM, Raststätte 3,20 DM, eine andere Raststätte 3 DM, Bundeshausrestaurant 3,50 DM. Gemischte Aufschnittplatte mit Butter und Brot: Frankfurter Hotel 3 DM, beide Raststätten 3,25 DM, Bundeshausrestaurant 3,75 DM. HausmacherBlut- und -Leberwurst, Butter und Brot — wobei ich sage, daß die Qualität anderswo in der Regel eine entschieden bessere zu sein pflegt als hier —: Raststätte 1,25 DM, Bundeshausrestaurant 2 DM. Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat — das ist ja so eine Art Standardessen —: Raststätte 2,10
DM, Raststätte 2 DM, Bundeshausrestaurant 2,75 DM. Hühnerbrühe mit Einlage: Frankfurter Hotel 1 DM, Raststätte 1,25 DM, Bundeshausrestaurant 1,50 DM. Filetbeefsteak mit Kartoffeln und Salat: Frankfurter Hotel 4,50 DM, Raststätte 4.75 DM, und 4,50 DM, Bundeshausrestaurant 5,50 DM. Wiener Schnitzel mit gemischtem Salat und Kartoffeln: 3,50 DM in Frankfurt, 3,75 in der Raststätte, 5 DM im Bundeshausrestaurant.
Und so geht's weiter. Interessenten stelle ich meine Statistik gern zur Verfügung.
Nun, meine Damen und Herren, ein Wort zu dem Vertrag. Frau Kollegin Dr. Lüders hat auf einige Einzelheiten hingewiesen. Ich habe mir einen Auszug gemacht und halte es für nützlich — auch im Hinblick auf meinen Vorschlag, daß sich der Haushaltsausschuß dieses oder des kommenden Bundestages einmal den Vertrag vorlegen lassen soll —, einiges daraus zur Kenntnis zu geben.
— Der Herr Bundestagspräsident von 1953, Herr Kollege Dr. Ehlers. — Dieser Vertrag kann mit sechs Monaten Frist gekündigt werden zum 31. März jedes Jahres, erstmalig jedoch zum 31. März 1959. Der Vertrag läuft also bis zum 31. März 1959. Er geht automatisch weiter, wenn er nicht gekündigt wird. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. Die Pächterin hat das Recht, die Verlängerung des Pachtvertrages über den 31. März 1959 hinaus um weitere drei Jahre zu verlangen. Damit hat sich der Bundestag bis zum 31. März 1962 gebunden.
Aber, meine Damen und Herren, wenn die Wiedervereinigung endlich gelingen und der Bundestag nach Berlin übersiedeln sollte, dann hat der heutige Pächter das Recht, auch das Restaurant im Deutschen Reichstag — oder wie es heißen mag, in der Nationalversammlung — zu betreuen und dort seine Geschäfte weiterzuführen.
— Verteidigen Sie diesen Vertrag oder verteidigen Sie den Pächter?
— Wir können nicht daran rütteln? Sie können untersuchen, ob der Vertrag nach jeder Richtung hin vom Pächter innegehalten wird!
Es gibt eine juristische Möglichkeit, an dem Vertrag zu rütteln, Herr Kollege Huth, wenn der Nachweis geführt wird, daß er nicht innegehalten wird.
Nun einige weitere Bemerkungen. Vor kurzem fand ich in der Presse eine Notiz, die nach dieser Verlautbarung — ich nehme an, es stimmt — von einem verehrten Kollegen dieses Hauses, Herrn Kollegen Josef Brönner von der CDU, ausgeht. Darin heißt es, er habe in einer Pressekonferenz in seinem Wahlkreis Crailsheim die Öffentlichkeit davon unterrichtet, daß Anträge auf Reisekostenzuschüsse für Schülerreisen nach Bonn beim Bundestag wegen der großen Nachfrage gegenwärtig keine Aussicht hätten. Wenn dem so ist, dann ist es sehr bedauerlich; es kann aber im jetzigen Etatjahr geändert werden. Dagegen — so heißt es in der Notiz weiter, und deswegen bringe ich die
Sache vor — sei ihm auf Anfrage vom Bundesverteidigungsministerium mitgeteilt worden, daß dieses solche Zuschüsse — ich zitiere — „dann bewilligen könnte, wenn Interesse für die Besichtigung von Einrichtungen der Bundesverteidigung besteht".
Ich möchte wünschen, daß noch viel mehr lunge Menschen als bisher zum Besuch dieses Hohen Hauses Gelegenheit haben. Ich möchte aber nicht wünschen, das der Bundestag durch den Etat des Verteidigungsministeriums alimentiert wird,
indem dieser die Ausgabe übernimmt.
Ein Wort zu dem Problem, das Frau Dr. Lüders schon angesprochen hat, zur Arbeitsökonomie des Bundestages. Ich habe von Anfang an und auch damals, als ich als Ausschußvorsitzender zu der Sitzung des Altestenrates eingeladen worden war, vor der Einführung des heutigen sogenannten 14-Tage- oder, wenn Sie wollen, 3-Wochen-Arbeitsturnus gewarnt. Vierzehn Tage sollen wir tätig sein und eine Woche frei haben, und damit glaubte man damals entgegen der Warnung derer. die die Dinge im Leben vielleicht schon etwas gründlicher kennengelernt haben, durchzukommen. Das Ergebnis sehen wir hier und heute vor uns, meine Damen und Herren. Die sitzungsfreie Woche ist eine Illusion. Unerledigte Vorlagen sind in Fülle vorhanden. Das Fallbeil des § 126 der Geschäftsordnung wird bei einer großen Zahl von Vorlagen in Erscheinung treten; denn alle Vorlagen. die dieser Bundestag nicht mehr wird verabschieden können werden dann nicht mehr existent sein.
Meine Damen und Herren! Nicht nur die heutige und die gestrige Etatberatung weist viele leere Sitze auf. Sehr oft ist das Haus so schwach besetzt daß wir Erlebnisse gehabt haben, die absolut nicht erfreulich gewesen sind. Ich erinnere an die Pressebilder mit den vielen leeren Sitzen. Ich bitte den Herrn Präsidenten um seine Zustimmung dazu, daß ich einen kurzen Auszug aus einem Brief verlese, der im Anschluß an die Veröffentlichung einer Photographie des Sitzungssaales mit vielen leeren Sitzen entstanden ist. Diese Photographie ist vor fast einem Jahr in der Zeitschrift des Bundes der Steuerzahler erschienen. Ich habe mich betroffen gefühlt: denn ich habe festgestellt, daß auch mein Sitz leer gewesen ist. Da ich meine Pflichten ernst zu nehmen pflege, hat mich das wirklich betroffen. Ich bin der Angelegenheit nachgegangen und habe nach Klärung des Sachverhaltes dem Bund der Steuerzahler einen Brief geschrieben. der von ihm — das muß ich anerkennen — loyalerweise in seiner Zeitschrift veröffentlicht worden ist. Ich habe darin ausgeführt, daß viele Gesetze — es war auch von der Gesetzes-inflation die Rede — nicht von den Bundestagsabgeordneten. auch nicht von der Regierung gewollt sind, aber von irgendwelchen Interessenten gefordert werden.
Ich habe dann weiter geschrieben:
Es ist eine sich darauf gründende unabweisbare Tatsache, daß durch diese Vielfalt der Aufgaben auch eine Vielzahl von Ausschüssen
— das war auch beanstandet worden — entstanden ist, denen es meistens an der erforderlichen Zeit fehlt, um außerhalb der Plenarsitzungen ihre Aufgaben zu erfüllen. So kam es an diesem Tag auch zu der von mir selbst bedauerten Tatsache, daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses — nur ein Beispiel — nicht an den Beratungen des Plenums teilnehmen konnten, weil ihre Anwesenheit im Haushaltsausschuß unbedingt erforderlich war. Es war nicht nur der Haushaltsausschuß, der in dieser Zeit tagen mußte, sondern es waren meines Wissens noch zahlreiche andere Ausschüsse, die ihre Mitglieder beanpruchten und sie dem Plenum fernhielten.
Hinzu kommt die von mir von der ersten Stunde an kritisierte und bedauerte Zeiteinteilung des Bundestags. Der Bundestag tagt heute 14 Tage hintereinander und hat dann eine Freiwoche. Diese Freiwoche steht für zahlreiche Abgeordnete auf dem Papier. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags hat nach meinen Notizen in der Zeit von Januar 1956 bis Ende Mai 1956 die sechs sitzungsfreien Wochen sämtlich preisgegeben und im Interesse der Fertigstellung des Etats zugunsten der parlamentarischen Arbeit geopfert.
Welches Ergebnis eine solche Belastung, die auch andere Ausschüsse trifft, hat, läßt sich aus den zahlreichen Erkrankungen von Abgeordneten ersehen. Allein an einem Tage der ersten Juliwoche
— vorigen Jahres —
mußte der vom Bundestag bestellte Arzt vierzehnmal eingreifen, um Abgeordnete und auch Angestellte des Bundestags vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Nicht selten müssen die Abgeordneten, die frühmorgens kommen, um die eiligsten Diktate zu geben, und dann nach 9 Uhr in Sitzungen festgehalten sind, die sich bis zum Abend hinziehen und dann noch oft in Nachtsitzungen ihre Fortsetzung erfahren, eine Belastung akzeptieren, die sich weder mit dem Achtstundentag noch mit der 40-Stunden-Woche vereinbaren läßt und die letzte Kraft aller Beteiligten in Anspruch nimmt.
Dann habe ich geschlossen:
Das sollte der deutsche Wähler und Steuerzahler auch beachten.
Meine Damen und Herren, diese verkehrte Arbeitsökonomie und die furchtbare Belastung der Mitglieder dieses Hauses haben zu Ergebnissen geführt. Ich nenne Ihnen die allerletzten: Montag. 20. Mai 1957, bis einschließlich Donnerstag, den 23. Mai 1957, vor drei Stunden, durchschnittlich 20 bis 25 Betreuungsfälle hier; am Haupttag, Mittwoch, den 22. — gestern —, 27 Betreuungsfälle. Die Hauptbelastungstage sind erfahrungsgemäß die Plenartage.
Nun, wir haben gerade im Bereich der Aufgaben der Geschäftsordnung in den bald vollendeten vier Jahren eine ganze Fülle von Anregungen aus dem Hause selbst geschaffen. Der Herr Bundestagspräsident hat meinem Vorschlag zugestimmt, wenn irgendmöglich noch durch den jetzigen Ausschuß für Geschäftsordnung diese Anregungen verarbeiten zu lassen, damit dem kommenden Bundestag mit den Problemen der Geschäftsordnung ein leichterer Start gegeben wird, als es uns bisher möglich gewesen ist. Dazu zählen einige Dinge. Ich will die Debatte damit nicht beschweren, aber noch eines
erwähnen, auch mit Rücksicht auf gewisse Beobachtungen, die ich von meinem Platz aus mit dem Blick nach der Regierungsbank, und zwar nach den hinteren Rängen der Regierungsbank, sehr gut machen kann. Es ist einfach unerträglich — Herr stellvertretender Bundeskanzler, vielleicht leiten Sie das einmal an die Bundesregierung weiter —. bei gewissen politischen Situationen, bei gewissen Auseinandersetzungen den Hohn zahlreicher Beamter, die hinter der Regierungsbank sitzen, von ihren Gesichtern ablesen zu können.
Wenn es eine Möglichkeit gäbe, würde ich gern einmal eine photogranhische Aufnahme machen. um diese Tatsache festzuhalten.
In der kommenden Geschäftsordnung wird auch die Frage der Ordnungsgewalt des Bundestagspräsidenten gegenüber Nicht-Miteliedern des Hohen Hauses, als da sind Mitglieder des Bundesrats und Minister, einer besseren Regelung entgegenzuführen sein.
— Auch in den Ausschüssen. Die Sache ist ja so nicht wahr: Wenn ein Minister dem Parlament nicht jene Achtung entgegenbringt, auf die das Parlament einen Anspruch hat, dann überträgt sich das vom Herr aufs Gescherr, wie wir in Hessen zu sagen pflegen. Das ist eine Situation. die man in manchen Ausschußsitzungen mit peinlichem Befremden konstatieren kann.
Auf der anderen Seite — ich erinnere an einen Vorgang der letzten Tage —: Die Anwesenheit oder Nichtanwesenheit von Bundesministern. insbesondere jene Situation bei Beratung des Haushalts des Herrn Bundeskanzlers, wo alle Dispositionen über den Haufen geworfen worden sind. obwohl der Herr Bundeskanzler gewußt hat. daß sein Haushalt auf der Tagesordnung stand, und er das Haus nicht darüber informierte, daß er abwesend sein werde, veranlassen mich zu der Feststellung: dieses Haus ist kein Orchester. das von dem Herrn Bundeskanzler als Dirigenten irgendwie dirigiert und geleitet werden kann. Dieses Haus ist eine souveräne Institution, und die Herren Bundesminister haben alle, auch verfassungsrechtliche Veranlassung, dem Hohen Hause entsprechende Rechnung zu tragen.
Meine Damen und Herren! Ich schließe mit einer traurigen Feststellung. Das Hetztempo, dem dar Haus unterliegt, die Inanspruchnahme der Abgeordneten durch Fraktionen. Arbeitskreise, Ausschüsse, Plenum und wer weiß was alles noch. die Durcharbeitung der Riesenmengen von Drucksachen die Durcharbeitung der täglichen Post und ihre Erledigung bewirken eine Situation. die ,sehr nachdenklich stimmen muß. Meine Damen und Herren, im 1. Deutschen Bundestag zählte dieser Haus 14 Tote. Der 2. Deutsche Bundestag zählt hic heute. bis zu dieser Stunde, 28 Tote. Ich glaube das sollte uns zu denken geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier.
Ich bedanke mich bei dem Herrn amtierenden Präsidenten, daß er im Augenblick nicht den Abgeordneten aufgerufen hat, obwohl er nach der Geschäftsordnung — das ist eine Kuriosität unserer Geschäftsordnung — nichts anderes tun kann, als den Abgeordneten aufzurufen.
Meine Damen und Herren! Natürlich spreche ich jetzt eben als der Abgeordnete, dem das Haus die Ehre angetan hat, die Last und Bürde, nicht nur die Würde, wie es in § 6 der Geschäftsordnung heißt, sondern auch die Last und Bürde dieses Hauses in erster Linie zu tragen.
Ich bedanke mich für die Anregungen, die sowohl Frau Kollegin Dr. Lüders wie der Herr Kollege Ritzel hier vorgetragen haben. Die meisten dieser Anregungen sind mir aus Gesprächen mit den beiden Abgeordneten und mit einer Reihe von geschätzten Kollegen und Kolleginnen des Hauses sehr wohl vertraut. Sie wissen ja auch, wie wir uns alle mühsam durch das Provisorium hindurchwinden, in dem wir uns befinden.
Natürlich ist es nicht immer ganz leicht, in diesen Dingen gerecht zu sein. Man sieht die Dinge, je nachdem man von ihnen unmittelbar mehr oder weniger betroffen ist. Man sieht sie von der Last der Arbeit aus, und meine Pflicht ist es natürlich immer wieder, abzuwägen. Ich werde nachher noch in diesem Zusammenhang ein Wort zum Restaurant zu sagen haben. Ich möchte aber doch im ganzen sagen, daß ich mit dem, was meine beiden Vorredner im übrigen hier gesagt haben, im wesentlichen einverstanden bin.
Mein erstes Wort hier ist ein Wort des Dankes an meine Kollegen im Vorstand des Deutschen Bundestages, dem es ja in erster Linie zukommt, sich mit den Mühen dieses Hauses und mit seinen Organisationsproblemen zu befassen. Zum zweiten möchte ich mich für eine außerordentlich attraktive Ausschußsitzung bedanken, an der ich teilgenommen habe, nämlich für die Sitzung des Haushaltsausschusses, in der unser Einzelplan 02 beraten wurde. Ich muß sagen, mehr Augen sehen noch mehr als die Mitglieder, die im Vorstand vereinig L sind. Wir haben durch die Beratungen des Haushaltsausschusses zweifellos noch manches hinzugelernt, und wir haben auch bereits die Möglichkeit gehabt, einiges von den Anregungen, die wir in den Beratungen des Haushaltsausschusses bekommen haben, in die Tat umzusetzen.
Immerhin, meine Damen und Herren, ich stoße natürlich immer wieder bei allen unseren Versuchen und Bemühungen, die technische Organisation unseres Hauses im breitesten Sinn des Wortes zu verbessern, auf die Tatsache, unter der wir alle gemeinsam leiden, daß wir uns eben in einem Provisorium befinden. Dieses Haus ist offenbar eben einmal als Pädagogische Akademie angelegt, und so sehr viel darüber hinaus gibt es nun einmal nicht her. Natürlich könnten wir hergehen und sowohl im Bundestagsvorstand wie im Haushaltsausschuß einen großartigen Beschluß fassen und dem Haus vorschlagen, daß wir jetzt endlich einmal gründlich Remedur schaffen und mit dem ewigen Flickwerk aufhören wollen, daß wir jetzt wirklich etwas tun wollen, um bei der Inanspruchnahme, die ein modernes Parlament heute an seine Mitglieder stellt, auch die erforderlichen Gegenleistungen seitens des Parlaments an seine Mitglieder zu erbringen.
Ich denke dabei nicht nur an die Diäten. Auch auf die Gefahr hin, etwas völlig Unpopuläres zu sagen, bin ich der Meinung, daß auch ein Parlament darüber von Zeit zu Zeit nachdenken darf.
Ich denke aber in diesem Augenblick nicht an die Diäten, sondern wirklich nur an den Raum, und zwar an den Arbeitsraum der Mitglieder des Hauses. Wir befinden uns hier immer noch in außerordentlich mißlichen Verhältnissen,
und es ist für mich kein sehr großer Trost — das muß ich sagen —, wenn gelegentlich einige meiner nächsten Mitarbeiter aus dem Vorstand von einer Auslandsreise zurückkommen und mir sagen: Wissen Sie, Herr Präsident, drüben — ich will die Länder vorsichtigerweise nicht nennen — geben sie ihren Abgeordneten auch nicht sehr viel mehr Raum.
Das ist für mich kein sehr großer Trost; denn diese Parlamente sind zum großen Teil völlig anders organisiert als wir. Wir müssen uns jedenfalls nach unseren Erfordernissen richten, und diese Erfordernisse sind von der Art, daß ich es nun wirklich nicht für eine übertriebene Forderung halte, wenn aus dem Hause der Wunsch laut wird — den Frau Dr. Lüders mit beredten Worten vorgetragen hat —, wir mögen doch dazu kommen, für jeden Abgeordneten wenigstens ein kleines, aber ein einzelnes Arbeitszimmer zu beschaffen.
Sie wissen, daß wir einen schüchternen Versuch gemacht haben, zwar nicht für jeden ein einzelnes, aber für zwei zusammen eine ausreichende Arbeitsmöglichkeit in diesem Hause zu schaffen. Das Ergebnis wird im Volksmund „Abgeordnetensilo" genannt und ist jedem von uns geläufig.
So prachtvoll sich unser „Abgeordnetensilo" auch für einige Beobachter, die von außen kommen, ausnimmt, auch er kann uns noch nicht wirklich glücklich machen, und vor allem deshalb nicht, weil er gar nicht in der Lage ist, den tatsächlichen Erfordernissen des Hauses ausreichend Rechnung zu tragen.
Dasselbe gilt auch für die Ausschußsitzungszimmer. Darüber könnten wir uns ja alle gegenseitig ein Lied erzählen. Ich lasse das sein. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß Sie der Vorlage im großen und ganzen zustimmen, jedenfalls nicht den Betrag streichen, der z. B. vorsieht, daß diese Ausschußzimmer ein etwas menschlicheres und kultivierteres Gesicht bekommen; denn schließlich müssen doch die meisten von uns einen großen Teil ihrer Zeit in den Ausschußzimmern zubringen. Sie haben dabei zwar keinen Anspruch auf einen besonderen Komfort, aber sie haben doch Anspruch auf eine menschlich gestaltete Umgebung. Dem soll ein Betrag dienen, den der Haushaltsausschuß auf unseren Antrag genehmigt hat und von dem ich doch hoffe, daß ihn auch das Haus heute akzeptieren wird.
Aber darüber hinaus stehen wir natürlich vor Organisationsproblemen ganz grundsätzlicher Art, über die auch im Plenum einmal zu reden nützlich wäre. Nur hat das jetzt keinen Zweck und Sinn; denn wir sind mit unserer Zeit in einer sehr mißlichen Situation, und wir könnten das, was wir jetzt auch beschließen würden, schließlich nur als Material oder als Vorbereitung für den 3. Bundestag verwerten. Immerhin bin ich der Meinung, daß wir auf diesem Gebiet in diesem Sommer noch einiges arbeiten müssen. Vor allem der Bundestagsvorstand muß sich darüber noch ernsthaft Gedanken machen, und auch der Haushaltsausschuß und vor allem der Geschäftsordnungsausschuß werden sich damit noch große Mühe geben müssen, um im 3. Bundestag verhältnismäßig früh etwas präsentieren zu können, was es uns ermöglicht, eine durchgreifende Verbesserung in unserem alten Provisorium zu schaffen. Wir haben 100 Abgeordnete mehr als im Jahre 1949. Das wirkt sich natürlich aus. Wir werden auch im Herbst 1957 mindestens 100 Abgeordnete mehr haben, und das stellt uns hier vor außerordentliche Schwierigkeiten. Wir haben außerdem im Jahre 1956 433 900 Besucher hier im Hause gehabt. Diese Besucher sind im allgemeinen nicht nur durch das Bundestagsrestaurant gegangen, sondern sie haben auch unsere Ausschußzimmer in Anspruch genommen. Die meisten von diesen Besuchern sind Gott sei Dank von den Abgeordneten aller Fraktionen angesprochen worden; die Abgeordneten aller Fraktionen haben mit diesen Besuchern, in Gruppen aufgeteilt, gesprochen. Was für eine enorme zusätzliche Beanspruchung des Hauses auch in räumlicher Hinsicht das bedeutet — von der Arbeit noch ganz zu schweigen —, das möchte ich hier nur angedeutet haben.
Meine Damen und Herren, es sind hier weiter eine ganze Reihe von Organisationsproblemen angesprochen worden wie z. B. der Turnus. Wie oft haben wir uns im Ältestenrat über den Vorteil und den Nachteil dieses Turnus unterhalten! Sicher ist — und darin muß ich dem Herrn Ritzel zustimmen —, daß unsere dritte sitzungsfreie Woche für die meisten Mitglieder unseres Hauses in der Tat eine Illusion ist.
Der Bundestagspräsident, dessen Pflicht es ist, unter allen Umständen die freie Zeit seiner Mitarbeiter zu schützen, d. h. dafür einzutreten, daß die Mitglieder des Hauses Termine außerhalb des Hauses fest verabreden können, sah sich von einer Schwierigkeit in die andere gestürzt, einfach deshalb, weil er dem berechtigten und dem stürmischen Verlangen einer ganzen Reihe von Ausschüssen auf Einräumung von sitzungsfreien Wochen und auf die Inanspruchnahme von sitzungsfreien Tagen oft nicht mehr widersprechen konnte, wenn er nicht die Abwicklung auch nur der notwendigsten parlamentarischen Arbeit seinerseits gefährden wollte. Infolgedessen war ich ein Mann, der in dieser Sache sich selten zwischen Szylla und Charybdis hindurchwinden konnte, sondern der von der Szylla in die Charybdis und von der Charybdis in die Szylla geschleudert wurde. Das ist natürlich ein unbefriedigender Zustand nicht nur für das Plenum des Bundestags, sondern für alle Betroffenen.
Wir stehen also hier vor ganz grundlegenden Organisationsproblemen, die man hauptsächlich in zwei Punkten formulieren könnte: erstens Arbeitszeitturnus des ganzen Hauses, zweitens die Organisation in den Ausschüssen. Ich hoffe, meine Kompetenz nicht zu überschreiten, wenn ich sage, daß ich den Eindruck habe, daß wir zu viele Ausschüsse haben und daß unsere Ausschüsse unnötig groß sind. In Tat und Wahrheit sind sie nicht zu groß, weil sie in der Regel verhältnismäßig vorsichtig besetzt sind, so daß man froh sein muß, daß überhaupt ein Ausschuß beschlußfähig beieinander ist. Aber der Anlage nach sind die meisten Ausschüsse nach meinem Eindruck zu groß. Es genügt, daß eine Auffassung in einem Ausschuß zwei- oder dreimal vertreten und verfochten wird, aber es ist überflüssig, daß sich zur gleichen Sache,
um dasselbe zu sagen, fünf oder sechs Mitglieder melden. Ich bin deshalb der Meinung, daß man über die Organisation der Ausschußarbeit entschieden mehr nachdenken müßte. Ich bin auch der Meinung, daß man im übrigen über die Abwicklung, über die Handhabung der Arbeit im ganzen noch etwas nachdenken müßte und daß man sich vielleicht auch über das Zusammenspiel der Arbeit der Fraktionen mit der Arbeit der Ausschüsse und des ganzen Hauses neu verständigen muß.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu den technischen Fragen sagen, auch auf die Gefahr hin, daß ich damit Ihre Geduld überfordere. Sie haben freundlicherweise darauf verzichtet, etwas zu kritisieren, was ich versucht habe im Zeitalter der Automation wenigstens einmal versuchs- und probeweise hier einzuführen: das ist unsere Abstimmungsmaschine. Von dem weitergehenden Versuch, der probeweisen Einführung der Zählanlage an der Wand, von der einige von uns in Kalkutta außerordentlich beeindruckt waren, habe ich Abstand genommen. Ich habe mir gedacht, es ist vorsichtiger, wir schleichen uns in das Zeitalter der Automation langsam ein. Deshalb habe ich diese Abstimmungsmaschine einmal probeweise für einige Monate mit dem Zweck gemietet, in diesem Bundestag noch einen gewissen Eindruck vom Funktionieren solcher Maschinen zu erlangen, um dann im nächsten Bundestag gewisse Vorschläge darüber machen zu können. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob dieser Versuch wirklich geglückt ist. Die Klagen über das schnelle Laufen und die Folgen, wenn man zu spät kommt, haben Sie ja hier gehört. Ich war neulich in der mißlichen Situation, ausgerechnet zwei, drei verdienten Damen des Hauses sagen zu müssen: Erstens gilt Ihre Stimme nicht, und zweitens müssen Sie auch noch bezahlen! Das ist natürlich bitter. So etwas könnte vielleicht noch das Haus veranlassen, von weiteren Versuchen zur Automation Abstand zu nehmen.
Immerhin, meine Damen und Herren, in irgendeiner Weise müssen wir uns natürlich modernisieren und müssen auch darüber nachdenken, wie wir unseren Betrieb etwas flüssiger machen können. Deshalb glaube ich, daß uns auch die Frage der Technisierung der Abstimmung mit der Auszählmaschine noch weiterhin in den zuständigen Organen beschäftigen wird.
Eine mißliche Geschichte ist in der Tat die Fahrdienstangelegenheit. Ich stehe hier vor der Situation, daß ich dem Hause eigentlich nur das vortragen kann, was der Herr Bundesfinanzminister, der dafür zuständig ist, mit der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vereinbart hat. Ich möchte, da Frau Dr. Lüders die Freundlichkeit hatte, darauf einzugehen, wenigstens zwei Worte dazu sagen. Wir haben eine Zusammensetzung des Monatslohns, die auf der Grundlage von 208 Monatsstunden basiert. Wir haben eine Überstundenpauschvergütung von 208 bis 312 Monatsstunden. Wir haben die Feiertagszuschläge, die Nachtdienstzuschläge und die Überstundenzuschläge für 312 übersteigende Arbeitsstunden. Der Bruttolohn eines verheirateten Kraftfahrers beträgt durchschnittlich 556 Mark. Ich sage das alles nicht, um damit den Wünschen, die Frau Dr. Lüders vorgetragen hat, entgegenzutreten, sondern lediglich, um dem Hause die Möglichkeit zu geben, sich ein Urteil zu bilden. Denn die meisten von uns sind ja auf die Inanspruchnahme unseres Fahrdienstes angewiesen.
Nun lassen Sie mich noch ein Wort zum Restaurant sagen! Ich habe hier zu vertreten, was meine Herren Vorgänger im Amt abgeschlossen haben. Ich muß gestehen, daß es mir in vieler Hinsicht an anderen Stellen leichter gefallen ist, dieses Erbe zu vertreten, als akkurat bezüglich des Vertrages, den wir mit dem Pächter des Restaurants abgeschlossen haben. Ich bin nicht der Meinung, Herr Kollege Ritzel, daß wir den Vertrag unter allen Umständen so in extenso auslegen müssen, daß wir einigen unserer Kollegen, die sich offenbar nicht gern mit diesem Restaurant befreunden, auch noch in Aussicht stellen müssen, im Falle der Wiedervereinigung dieses Restaurant auch im Reichstag zu Berlin wiederzufinden. Das glaube ich nicht. Ich meine, daß der Übergang nach Berlin immerhin ein so einschneidendes politisches und wahrscheinlich auch rechtliches Ereignis wäre, daß wir in diesem Fall auch über diese Sache neu reden und neu beschließen könnten. Aber einstweilen steht dieses Haus natürlich im ganzen auf dem Standpunkt: pacta sunt servanda, Verträge sind zu halten. Das gilt nicht nur von den völkerrechtlichen Verpflichtungen, mit denen wir uns in diesem Hause befassen, sondern es gilt eben auch von den kleinen Verträgen, mit denen wir es hier gelegentlich zu tun haben.
Aber lassen Sie mich statt einer nach meiner Überzeugung unfruchtbaren rechtlichen Erörterung diesem Punkt etwas anderes hinzufügen. Wir stehen vor einer Frage, die ich aufgenommen habe, weil sie im Haushaltsausschuß schon angeschnitten worden ist: der Herr Kollege Dr. Gülich hat schon im Haushaltsausschuß für die Einrichtung einer Diätküche plädiert. Ich habe daraufhin einige Prüfungen veranstaltet. Nun, meine Damen und Herren, wir schneiden damit einen ganzen Komplex an, der nicht nur die Erledigung der vertragsrechtlichen Frage, sondern vor allem eine Grundsatzentscheidung des Hauses voraussetzen würde, nämlich die, ob das Haus sich bereit findet, für einen eigenen Betrieb einzutreten. Wenn das Haus dafür eintritt, dann würden wir vor der Notwendigkeit großer baulicher Veränderungen stehen. Wir müßten einige Küchen bauen, wir müßten eigene Räume haben.
— Doch, gnädige Frau, ich glaube sehr wohl, daß wir das müßten; denn wir müssen auf jeden Fall für unsere Besuchergruppen noch besonders ein Restaurant haben. Es ist ausgeschlossen — darüber sollten wir uns gar keine Illusionen machen —, hier 500 000 Menschen im Jahr durchzuschleusen. Das Restaurant wird von noch mehr Menschen in Anspruch genommen. Wir müssen hier 500 000 Menschen durchschleusen und sie irgendwie abfüttern lassen und gleichzeitig 520 Abgeordnete in einer solchen Weise unterbringen, daß die berechtigten Wünsche von Frau Dr. Lüders wirklich erfüllt werden, d. h. daß sie in Ruhe essen können.
Nun komme ich leider zu einem Punkt, zu dem ich eigentlich kein Wort sagen wollte. Ich will es andeuten mit einem Blick auf den Kollegen Ritzel, weil er für die Geschäftsordnung dieses Hauses zuständig ist, hier für die Frage: was kann man für die Verbesserung der Ordnungsgewalt des Bundestagspräsidenten tun? Meine Damen und Herren, ich rede in diesem Punkt nicht für mich, sondern ich denke an meine Nachfolger. Aber ich möchte ihnen wünschen, daß sie nicht in der leidigen Situation sind, die Würde des Hauses nur mit gutem Zureden an alle zu vertreten, sondern
daß sie, wenn sie einmal einen ganz Widerborstigen haben, sagen können: Lieber Freund, wenn du jetzt nicht parierst, dann müssen wir andere Saiten aufziehen! Dafür gibt es in unserer Geschäftsordnung keine Möglichkeiten. Bitte, meine Damen und Herren, denken Sie darüber nach oder nicht, aber unterstellen Sie mir nicht, daß ich machtsüchtig sei. Ich bin bis jetzt so durchgekommen und werde auch weiter so durchkommen. Aber die Tatsache, daß wir im Hause Kollegen haben, die denken: „Der kann lange reden da droben, ich mache doch, was ich will, und vor allem muß ich mal zeigen, wer ich bin, wenn ich gerade 150 Mann aus meinem Wahlkreis hier habe", derlei zwingt mich festzustellen: es hat keinen Zweck, wenn der Bundestagspräsident mit seinen blauen Dienern kommt und sagt: „Nein, da dürfen Sie allein wohl herein, aber nicht mit 150 Mann." Der Betreffende würde entgegenhalten: „Wie wirkt das auf meinen Wahlkreis?"
Nun schön, der Herr Kollege Ritzel möge darüber nachdenken, wie man diesen Zustand verbessern und allen gerecht werden kann. Der Bundestagspräsident ist jedenfalls im gegenwärtigen Augenblick in diesem Punkt am Ende seiner Kunst, was nicht bedeutet, daß wir alle Hoffnung fahren lassen und alles so laufen lassen müßten.
Zum Restaurant sind die Stimmen der Kritik laut erschallt. Ich glaube, er war das erste, was ich erlebt habe, nachdem ich mit Ach und Krach Bundestagspräsident geworden war, daß am anderen Tag gleich einer kam und sagte: „Herr Präsident, zeigen Sie mal, was Sie können; mit dieser Geschichte muß es jetzt anders werden! Erstens müssen Sie andere Menüs auffahren. Zweitens müssen die Preise gesenkt werden. Drittens muß die Qualität verbessert werden." Da habe ich gesagt: „Ich will mich mal nach dem Vertrag umsehen." Damals habe ich — ich glaube, am ersten oder zweiten Tag meines Daseins als Bundestagspräsident — diesen Vertrag durchgeblättert.
Meine Damen und Herren, was tut man in einer parlamentarischen Demokratie? Wir sind keine Leute, die an das Ein-Mann-System glauben, der Bundestagspräsident ganz bestimmt nicht. Der Bundestagspräsident hat deshalb von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die die parlamentarische Demokratie bietet, und hat gesagt: „Hier gehe ich zu meinem Ausschuß, der dafür zuständig ist. Das ist der Bundestagsvorstand." Aber im Bundestagsvorstand ist es mühsam zu untersuchen, ob der Spinat heute gut oder nicht gut, ob die Spiegeleier zu billig oder zu teuer sind. Infolgedessen kommt der Bundestagsvorstand zu dem fabelhaften Beschluß, eine Kommission einzusetzen,
die die Qualität, die Preise usw. untersucht. Die Kommission hat das getan. Das Ergebnis kennen Sie, meine Damen und Herren. Das Ergebnis war von der Art, daß sich einer unserer besonders initiativreichen Kollegen veranlaßt gesehen hat, den Kadi zu Hilfe zu rufen. Ich weiß nicht, ob er die Gerichtskosten zahlen mußte Jedenfalls hat er keinen Erfolg gehabt.
Nun sprach die Frau Kollegin Dr. Lüders von der Einförmigkeit des Menüs. Gnädige Frau, hier bin ich am Ende meiner Kunst. Der Bundestagspräsident hat keinerlei Möglichkeiten, darauf einzuwirken. Er könnte es hinsichtlich der Preise, aber hinsichtlich der Preise war der Versuch, den einer der Kollegen unternommen hat, wie Sie wissen, unergiebig. Ich könnte Ihnen in der Tat wissen, unergiebig. Hinsichtlich der Qualität gehen die Meinungen auseinander. Ich könnte Ihnen in der Tat Briefe vorlesen, aus denen klar zu entnehmen ist, daß es Mitglieder dieses Hauses gibt, die Wert darauf legen, dem Bundestagspräsidenten gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß sie hier ausgezeichnet frühstücken und Abendbrot essen können.
Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir jetzt darüber abstimmen könnten, gäbe es endlich einmal eine Abstimmung quer durch alle Fraktionen; denn streiten Sie einmal über den Geschmack!
— Aber Herr Kollege Petersen, wie können Sie das sagen! Wir sind im Zeitalter der Gleichberechtigung; seien Sie froh, daß Sie gleichberechtigt sind! Wie können Sie unterstellen, daß die zu Hause schlecht essen! Das dürfen Sie absolut nicht, das ist ein ganz gefährliches Argument, auch für Sie; nein, nein!
Ich will nur sagen: es gibt solche und es gibt andere, und der Bundestag kann darüber nicht mit Mehrheit entscheiden. Es gibt erst recht für den Bundestagspräsidenten keine Möglichkeit, hier etwas wirklich Durchgreifendes zu tun. Die durchgreifende Lösung wären nach meiner Überzeugung bauliche Maßnahmen, eine eigene Regie und ein eigener Betrieb. Aber das steht in diesem Bundestag nicht zur Debatte. Denn das verbindet uns mit einem Grundkomplex, vor dem wir uns — entschuldigen Sie, wenn ich das so sage — immer ein bißchen gescheut haben. Wir haben uns in diesem Hause gescheut und scheuen uns bis zu diesem Tage, große bauliche Veränderungen vorzunehmen, große Neubauten zu erstellen. Warum tun wir denn das? Wir scheuen uns doch nicht etwa deshalb, weil wir den Eindruck haben, das ist nicht sehr populär. Wenn es für ,den Bundestag und für das Funktionieren der obersten Vertretung des deutschen Volkes unerläßlich ist, dann wird geschehen, was notwendig ist. Aber wir scheuen uns, weil wir zwei Dinge ernst nehmen: Erstens nehmen wir das Wort vom Provisorium bis zu dieser Stunde bitter ernst,
und zweitens möchten wir kein schlechtes Beispiel geben. Nicht ohne Grund kann man sagen: wenn der Bundestag anfängt, großmächtig zu bauen., was wird dann bei der Bundesregierung, bei den obersten Vertretungen, bei der Exekutive geschehen?
— Ja, ich weiß auch, daß das gefährlich ist. Immerhin, was sein muß, muß sein. Wir waren deshalb auch in dieser Hinsicht immerfort in der Lage, daß wir uns hätten sagen können: wieso, Blank bzw. der Bundesverteidigungsminister baut doch, — warum sollen denn wir so zurückhaltend sein? Nein, meine Damen und Herren, der Vorstand des Bundestages hat sich nach meiner Überzeugung ganz weise verhalten, als er in dieser Angelegenheit höchst zurückhaltend war und sich durch keine Neubauten, auch nicht durch den Neubau des Auswärtigen Amtes dazu hat verleiten lassen, große Projekte in die Welt zu setzen,
die selbstverständlich eine durchgreifende Verbesserung zu unseren Gunsten und damit zugunsten unserer Arbeit bewirkt hätten. Wir haben das nicht getan und haben mit diesem Verzicht eine zusätzliche persönliche Last auf uns genommen, und ich möchte mich bei den Mitgliedern des Hauses dafür bedanken, daß sie das getan haben. Ich geniere mich nicht, das einmal offen auszusprechen. Es ist eine zusätzliche persönliche Last, die jeder einzelne dadurch auf sich nimmt, daß wir uns, weil wir an die Notwendigkeit glauben, hier nur ein Provisorium bestehen zu lassen, weil wir glauben, daß darin unser Verlangen und unser Willen zur Wiedervereinigung zum Ausdruck kommen, vorgenommen haben, denkbar zurückhaltend mit Erweiterungen und Neubauten aller Art im Bundestag zu sein.
Ich kann nun leider dem Hause nicht in Aussicht stellen, daß es dabei auch unter allen Umständen bleiben wird. Wir stehen einfach vor der Notwendigkeit, noch eine Reihe von Büros zu schaffen. Ich sehe noch nicht, wie wir jedem Abgeordneten im neuen Bundestag ein eigenes kleines Zimmer geben können; das ist einfach noch nicht drin.
Aber wir müssen trotzdem einige Erweiterungen durchführen. Wir müssen zum Beispiel Platz für den Wehrbeauftragten und seinen Stab schaffen. Ich glaube, es ist richtig, daß wir uns neulich in einer Besprechung dahin geeinigt haben, daß dieser Mann mit seinen Mitarbeitern möglichst unter dem Dach des Bundestags sein soll und daß er nicht irgendwo draußen mit einem Schild vor der Tür: „Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages" sitzen soll. Es ist wichtig, daß man die Leute hier im Hause hat. Wir werden aber dafür einfach zusätzlichen Raum schaffen müssen. Ich sehe selbst nicht, wie wir uns noch mehr zusammenquetschen und zusammendrängen könnten, um diese Leute auch noch unterzubringen.
Damit hängt eine weitere Frage zusammen, die heute hier noch nicht angesprochen worden ist, die mich aber seit Jahren immer wieder beschwert: das sind die Räume für die Presse. Was uns bitter not tut, ist in der Tat ein jederzeit für Pressekonferenzen verfügbarer Raum, also ein Raum im Hause, der als Pressekonferenzraum seiner Bestimmung zugeführt werden könnte und der jederzeit für die Einberufung von nicht routinemäßigen Pressekonferenzen zur Verfügung stünde. Welche Mühe haben wir uns gemacht! Wir haben uns überlegt, ob wir diesen Durchgangssaal links oben durchbrechen und daraus etwas machen könnten. Das ist aber aus statischen Gründen einfach nicht möglich. Ebensowenig können wir auf den Mitteltrakt im Süden oder auf den Trakt im Norden noch aufstocken, da das Fundament das nicht mehr trägt. Vor solchen Schwierigkeiten stehen wir. Wo sollen wir eigentlich unsere Räume gewinnen? Auch in den Pressehäusern wäre noch einiges zu verbessern. Hier liegen Wünsche vor, die ebenfalls uralt sind und die wir endlich einmal erfüllen sollten.
Aber das alles ist nur möglich, wenn wir uns zu einigen baulichen Maßnahmen entschließen, die aber nichts an der Stetigkeit und an der Festigkeit unseres Willens ändern sollen, es hier beim Allernotwendigsten sein Bewenden haben zu lassen, und die nichts an unserem Willen ändern sollen, die Sache hier im Ganzen als ein Provisorium anzusehen. Aber man kann nicht sagen: alles oder nichts, sondern man muß versuchen, eine mögliche Lösung zu finden, die selbstverständlich, solange wir uns hier im Provisorium befinden und auch nichts anderes als ein Provisorium wollen, eben nur eine Erweiterung des Provisoriums sein kann.
Meine Damen und Herren, verzeihen Sie, daß ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe. Ich bedanke mich bei meinen beiden Vorrednern, insbesondere beim Herrn Kollegen Ritzel, der den Dank an die Mitarbeiter dieses Hauses schon ausgesprochen hat. Ich möchte nicht versäumen, das auch meinerseits zu tun.
Ich kann mir nicht ganz verkneifen, eine schüchterne Anmerkung zum Personaletat zu machen. Ich bin nicht restlos mit allem glücklich, was der Haushaltsausschuß und der Vorstand beschlossen haben. Aber der Bundestagspräsident tut gut daran, dem Hause das Beispiel zu geben, in einen Kompromiß einzuwilligen. In Deutschland gilt der Kompromiß als eine Untugend. In anderen Ländern war der Kompromiß eine Tugend. So verzuckere ich mir die etwas bittere Pille, daß meine Wünsche hinsichtlich des Personaletats nicht in allen Punkten in Erfüllung gegangen sind. Ich will meinen Kollegen Dr. Vogel hier im besonderen ansehen.
Das ist das eine.
Das andere ist, daß wir doch auch bei diesen Debatten über die Kleinigkeiten unseres eigenen Hauses eines nicht vergessen sollten. Im Vergleich zu den großen Fragen, mit denen sich dieses Haus hier in diesem Saal befaßt hat und die das Schicksal und das Wohl und Wehe des deutschen Volkes betreffen, sind es kleine Fragen, mit denen wir uns , in diesem Zusammenhang beschäftigen müssen. Aber ich wäre dankbar, wenn über diesen Saal hinaus auch draußen erkannt würde, daß es uns im einzelnen wie im ganzen um nichts anderes geht, als um die Verwirklichung des Wunsches, mit unserer Arbeit und der dazu notwendigen Organisation das Beste zu leisten für das, was das deutsche Volk von seiner obersten gesetzgebenden Körperschaft erwarten kann. Wir verbinden damit den Wunsch, dieses Provisorium sobald als möglich verlassen und in der Hauptstadt des Deutschen Reichs neu beginnen zu können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir treten in die Einzelberatung zur zweiten Lesung ein. Ich rufe den Umdruck 1094 *) auf. Die Frau Berichterstatterin war so liebenswürdig, den Antrag im Namen aller Fraktionen, die unterschrieben haben, zu begründen, wenn ich das recht verstanden habe. Das Haus verzichtet auf eine weitere Begründung? — Wird das Wort zu Umdruck 1094 gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Da es, wie ich glaube übersehen zu können, ein einheitliches Sachgebiet ist, ist das Haus wohl damit einverstanden, daß ich eine Gesamtabstimmung über diesen Umdruck vornehme? — Das Haus ist damit einverstanden. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1094 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 20
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 02, ,wie er sich durch die Annahme des Umdrucks 1094 verändert hat, im übrigen nach dem Vorschlag des Ausschusses, wie Sie ihn auf Drucksache 3451 finden. Wer in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe nunmehr auf: Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit .
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl der Ihnen vorliegende Schriftliche Bericht *) erst am 6. Mai abgeschlossen worden ist, ist er durch Beschlüsse dieses Hauses von gestern früh schon wieder in 'zwei Punkten überholt. Darauf möchte ich jetzt eingehen.
In den Nrn. 3 und 32 des Schriftlichen Berichts war von den Mitteln die Rede, die benötigt würden, um die 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz finanziell zu bedienen. Ich hatte im Schriftlichen Bericht in den genannten Nummern ausgeführt, daß durch eine Erhöhung des Ansatzes in Kap. 11 10 Tit. 300 um 105 Millionen DM und durch Hinzunahme von Ersparnissen im Kriegsopferhaushalt von 275 Millionen DM insgesamt 380 Millionen DM zur finanziellen Bedienung der 6. Novelle des Bundesversorgungsgesetzes zur Verfügung stünden. Die inzwischen gefaßten Beschlüsse des Hauses gehen weit über diesen Betrag hinaus, und zwar um einen Betrag von 117 Millionen DM. Dazu muß noch etwas gesagt werden.
Der Haushaltsausschuß hat sich in seiner 230. Sitzung vom 9. Mai mit der Frage der Deckung der Ausgaben, die durch die 6. Novelle verursacht werden, beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die 117 Millionen DM auch noch jetzt in Tit. 300 des Kap. 1110 vorhanden seien, weil bei diesem Titel mehr Ersparnisse erwartet werden dürften, als ursprünglich angenommen worden sei. Insoweit muß der Schriftliche Bericht ergänzt werden; es handelt sich nicht mehr um 380 Millionen DM, sondern um 497 Millionen DM, mit denen das Rechnungsjahr 1957 durch die 6. Novelle belastet wird.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich mich auf den Ihnen vorliegenden Bericht beziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über Einzelplan 11. Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Seidel .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 11 schließt diesmal mit der hohen Summe von rund 9 Milliarden DM ab. Im Jahre 1956 waren es 4,1 Milliarden DM. Um Irrtümern zu begegnen, muß, wie schon aus der Berichterstattung hervorgeht, darauf hin-
*) Siehe Anlage 21 gewiesen werden, daß erstmalig aus dem Einzelplan 40 das Kap. 40 09 — Kriegsopferversorgung und gleichartige Leistungen — in Höhe von rund 4,1 Milliarden DM in den Einzelplan 11 übernommen wurde. Vielleicht genügt dieser Hinweis, um manchen Redner im Wahljahr vor irrtümlicher Auslegung des neuen Zahlenspiegels im Einzelplan 11 zu bewahren.
An der Gesamtveränderung des Bundeshaushalts vom Entwurf, 34,3 Milliarden DM, zum vorläufigen Gesamtabschluß in Höhe von 37,3 Milliarden DM ist der Einzelplan 11 mit 224 780 000 DM beteiligt. Das beruht im wesentlichen auf neuen Ausgaben für die Sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, die wir gestern verabschiedet haben, und auf der veränderten Mindesterhöhung der Renten, die zuerst mit 15 DM und 10 DM veranschlagt war und dann auf 21 DM und 14 DM festgelegt wurde. Ich sage das, um den Erzählern „sozialer Märchen" im Lande zu begegnen, die da behaupten, der Löwenanteil der vermehrten Haushaltsausgaben von 3 Milliarden DM gegenüber dem Haushaltsentwurf entfalle auf die sozialen Leistungen.
Es wird anerkannt, daß sich die Personal- und Sachausgaben des Einzelplans 11 — Geschäftsbereich Arbeitsministerium — gegenüber 1956 nur wenig verändert haben. Vielleicht kommt aus der Durchführung des zivilen Ersatzdienstes, der erstmalig mit 1 000 000 DM im Kap. 11 01 ausgewiesen wird, noch eine Personalvermehrung auf uns zu. Die SPD-Bundestagsfraktion möchte in diesem Zusammenhang nochmals daran erinnern, daß sie dafür ist, daß die Zuständigkeit des Arbeitsministeriums für den zivilen Ersatzdienst in jedem Fall aufrechterhalten bleibt. In der Gesetzgebung für den Ersatzdienst braucht keine große Eile an den Tag gelegt zu werden. Denn wenn die Wähler es wollen, verschwindet die Wehrpflicht noch in diesem Jahr. Dann ist der zivile Ersatzdienst sowieso überflüssig.
— Warten wir ab!
Ein unerfreulicher Tatbestand ergibt sich aus den Vorbemerkungen zu den Kap. 11 05 und 11 07. Hier wird berichtet, daß sich bei dem Bundesarbeitsgericht in Kassel die Rückstände der Rechtsstreitigkeiten von Jahr zu Jahr vermehren und daß das gleiche in noch größerem Ausmaß sich beim Bundessozialgericht in Kassel zeigt. Wenn die Zahl der Rückstände in Revisionsfällen z. B. beim Bundessozialgericht am 31. 12. 1954 833 betragen hat und daß sie am 31. 12. 1955 auf 1 641 und am 31. 12. 1956 auf 2 141 Fälle angestiegen sind, dann muß im Interesse der Rechtsuchenden und zur Wahrung des Ansehens der Rechtsprechung in Sozialsachen hier Abhilfe geschaffen werden. Schließlich wollen die Rechtsuchenden nicht jahrelang warten, bis ihnen Recht geworden ist.
Wir bedauern es sehr, daß der Antrag der SPD auf Vermehrung der Richterstellen beim Bundessozialgericht im Haushaltsausschuß abgelehnt wurde. Mit der Ankündigung des Arbeitsministeriums, daß noch in dieser Legislaturperiode mit einem Gesetz zur Beschränkung des Umfangs der Revisionsmöglichkeiten zu rechnen sei, ist denen kein Trost gegeben, die jetzt auf die Erledigung ihrer Revision warten. Nach unserer Auffassung hätte die Vermehrung der Richterstellen und die Änderung des geltenden Rechts gleichzeitig er-
folgen müssen; besteht doch die Gefahr, daß bei der vorhandenen Sachlage weder das eine noch das andere im Haushaltsjahr 1957 wirksam wird. Das Hohe Haus würde heute ein gutes Werk tun, wenn es dem interfraktionellen Antrag — Umdruck 1044 — auf Vermehrung der Richterstellen beim Bundessozialgericht in Kassel noch seine Zustimmung gäbe.
Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1955 haben wir im Einzelplan 11 das wichtige Kapitel 1109: Sozialreform. Die interessanteste Note in diesem Kapitel ist nicht die geringfügige Veränderung der Personal- und Sachausgaben gegenüber 1956, sondern sind die Terminvorbemerkungen zur Sache selbst. Da hat es z. B. im Jahre 1955 geheißen: „Um die Vorarbeiten zur Sozialreform zu fördern und binnen Jahresfrist die Erstellung von Gesetzentwürfen zu ermöglichen, werden zusätzliche Arbeitskräfte ... aus verschiedenen Ministerien zur Verfügung gestellt." 1956 heißt es an der gleichen Stelle: „Um die Vorarbeiten zur Sozialreform zu fördern und im Laufe des Jahres 1956 die Erstellung von Gesetzentwürfen zu ermöglichen ..." usw. Und 1957, also im jetzigen Haushaltsplan, heißt es im Vorwort: „Um die Vorarbeiten zur Sozialreform zu fördern und kurzfristig die Erstellung von Gesetzentwürfen zu ermöglichen, werden ..." usw. Also, meine Damen und Herren: 1955 „binnen Jahresfrist", 1956 „im Laufe des Jahres" und 1957 „kurzfristig".
Ich muß schon sagen, ein etwas merkwürdiger Terminkalender, der uns da seit drei Jahren offeriert wurde. Aus diesen Terminankündigungen sind konkret die Gesetzentwürfe zur Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, zur Knappschaftsversicherung und zur Unfallversicherung herausgekommen. Angesichts der Regierungserklärung von 1953, die auf die Vorarbeiten der ersten Bundesregierung zur Sozialreform Bezug nahm und dann eindeutig erklärte:
Die neue Bundesregierung wird diese Vorarbeiten energisch fördern und ein umfassendes Sozialprogramm vorlegen,
ist das, was heute vorliegt, ein etwas enttäuschendes Ergebnis. Nach der etwas großspurigen Art der Terminangaben früherer Jahre ist heute eine andere Zeiteinteilung für die weitere Gesetzesarbeit zur Sozialreform vorgesehen. Jetzt wird von „mehreren Jahren" und „in verstärktem Umfang" gesprochen, was dann auch als Begründung für die Vermehrung der Zahl der Planstellen bei diesem Kapitel angeführt wird.
Meine Damen und Herren! Das in der Regierungserklärung von 1953 angekündigte umfassende Sozialprogramm fehlt aber heute noch. Weder vom Arbeitsministerium noch vom Bundeskabinett ist der Öffentlichkeit Derartiges vorgelegt worden. Weil dem so ist, muß sich die Bundesregierung dem Vorwurf aussetzen: sie hat gar keinen solchen Gesamtplan, sondern schlägt sich von Sozialgesetz zu Sozialgesetz über die Runden, ohne aus einem einheitlichen Gesamtbild die einzelnen sozialen Teilgebiete neu zu schaffen. Nachdem allgemein eingesehen wurde, in welch einem unübersichtlichen und uneinheitlichen Sozialwesen wir uns befinden, war und bleibt es die Aufgabe der Bundesregierung, °nicht nur Korrekturen vorzunehmen, sondern zur Durchführung der Sozialreform sozialpolitisches Neuland zu betreten. Zum letzten hat die SPD-Bundestagsfraktion in den vergangenen sechs Jahren Entscheidendes beigetragen. Wer das Gesamtergebnis sozialpolitischer Gesetzentwürfe, von der Bundesregierung geschaffen, in den letzten drei Jahren betrachtet, kann feststellen, daß die Bundesregierung bei der Gewinnung sozialpolitischen Neulandes wohl einigen Gedanken der SPD nahekam, kaum aber einmal über das Gedankenfeld der SPD hinausgestoßen ist. Niemand bestreitet das ernste Wollen und die guten Absichten in der Sache. Doch wenn man sich fragt, warum man so schwerfällig neuen sozialpolitischen Gedanken gegenübersteht, obwohl die Regierung und die stärkste Regierungspartei unter den gewichtigen Vorzeichen von „christlich" und „sozial" den politischen Kampf führen, dann kommt man nur zu einem Ergebnis: In dieser Bundesregierung und in der größten Regierungspartei gibt es zu viele Kräfte vom Geiste Hugenbergs,
des Politikers der Weimarer Zeit, der sich gegen die Erfüllung fortschrittlicher sozialer Forderungen deswegen wendete, weil er darin die Gefahr der Weckung der Begehrlichkeit der Masse sah.
Gewiß, meine Damen und Herren, mit solchen Worten wird heute nicht mehr argumentiert, aber, wie die Ergebnisse zeigen, vielfach danach gehandelt. Die Gewerkschaftler und die anderen Sozialpolitiker in der CDU/CSU hatten im Jahre 1956/57 in der eigenen Fraktion gewiß eine schwierige Position.
Die Ergebnisse der Sozialgesetzgebung offenbaren, daß sie sich leider nicht in vollem Umfang durchsetzen konnten.
Nun, weil kein Gesamtplan zur Sozialreform besteht, kann es geschehen, daß die Bundesregierung dringendste soziale Zeitprobleme nicht berücksichtigt. Ich denke dabei an das Problem der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Arbeiter. Das ist doch ein Teilstück der umfassenden Sozialreform. Von der Regierung seit Jahr und Tag kein Entwurf dazu! Der Entwurf der SPD vom September 1955 wird zuerst mit taktischen Mittelchen auf Eis gelegt und dann kurz nach dem 1. Mai 1957 im Sozialpolitischen Ausschuß abgelehnt. Vordem aber spielte man am Ende des Jahres 1956 den „Überraschten" und den „Empörten", als sich in Schleswig-Holstein in dieser Frage ein langer und harter Arbeitskampf entwickelte. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieses Streikes in Schleswig-Holstein gehen auf das Schuldkonto der Bundesregierung, die sich anmaßte, soziale Probleme, die längst einer Lösung bedürfen, zu ignorieren. Wenn man sich schon, meine Damen und Herren von der CDU, die Konzeption der Opposition in der Frage nicht aufdrängen lassen will, dann muß man von seiten der Bundesregierung eine eigene aufbringen und es nicht dem zuständigen Bundestagsausschuß überlassen, wie er nach der Ablehnung des SPD-Entwurfs auf eine mehr oder weniger schlechte Lösung des Problems hinkommt. Es ist doch töricht, zu meinen, wenn die Bundesregierung das Problem nicht aufnehme, sei es nicht existent. Wir werden uns jedenfalls dafür einsetzen, daß in der Frage der Lohnfortzahlung für die Arbeiter eine Lösung erreicht wird, die jegliche Benachteiligung und Diskriminierung des Arbeiters gegenüber anderen Berufsgruppen ausschließt.
Eine gleiche Art, die Sache so am Rande zu behandeln, war die Angelegenheit mit der 6. Novelle. Obwohl die Regierung die Auswirkung des neuen Rentengesetzes von Anfang an kannte, hat sie von sich aus in der Sache selbst nicht die Initiative ergriffen, und wenn man sich fragt, warum wohl, da kann man nur sagen — wie es gestern hier schon zum Ausdruck gebracht wurde —, man wollte Zeit gewinnen und damit Geld sparen. Das ist vielleicht fiskalisch sehr schlau gedacht, doch politisch und menschlich völlig fehl am Platze. Was heute Herr Arbeitsminister Storch, auf den Gesamtkomplex Sozialreform angesprochen, antworten wird, kann man sich schon vorstellen. In früheren Protokollen konnte man ja auf solche Fragen die Antwort nachlesen. Da heißt es oft: Es hat sich manches schwieriger in seiner Lösung herausgestellt, als vorher angenommen, und daher konnten die Termine nicht eingehalten werden, und dann konnte nur eine allmähliche Anpassung der sozialen Absichten an die wirtschaftlichen Möglichkeiten vorgenommen werden; soweit die Bemerkungen von Herrn Arbeitsminister Storch. Nun, was die Schwierigkeiten betrifft, so entstanden sie wohl weniger aus der Sache selbst als aus dem latenten Widerstand, der vom Finanz- und vom Wirtschaftsministerium her gekommen ist. Und die wirtschaftlichen Möglichkeiten, Herr Arbeitsminister? Seit Jahren weist die Bundesregierung im Bundeshaushalt 9 Milliarden DM als Verteidigungslasten aus, ohne daß sie vor Jahr und Tag die wirtschaftlichen Möglichkeiten als eine Begründung für eine geringere Ausgabe genutzt hätte. Nicht einmal die zwangsläufigen Einsparungen aus dem Verteidigungshaushalt ließ die Bundesregierung im vergangenen Jahre dem laufenden Gesamthaushalt zugute kommen. Nachdem jetzt das finanzielle Ausmaß der Rentengesetzgebung feststeht, werden Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wohl zugeben: das hätte der Haushalt 1955 oder 1956 ebensogut vertragen, wie es dem Haushalt 1957 zugemutet wird. Für manche mag dieser Zeitunterschied, ob Rentengesetze 1955 oder 1957, nicht viel bedeuten; für die betroffenen Rentner war es eine harte Wartezeit, die nicht so lang hätte sein müssen.
Als nun die Rentengesetzgebung für Arbeiter und Angestellte abgeschlossen war, wollte die Bundesregierung ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen und bemühte sich, das Regierungslicht hell leuchten zu lassen. Die Bundesregierung gab eine Rentenfibel und einen Rentnerbrief heraus, um, wie Bundesarbeitsminister Storch erklärte, „durch eine gute Aufklärung die politisch zersetzenden Kräfte zurückzudrängen". Damit die Opposition diese Redewendung nicht falsch versteht, fügte er noch hinzu, „dies sei ein ebenfalls im Sinne der Opposition liegendes Ziel". Herr Kollege Horn von der CDU/CSU unterstützte die Bemerkung des Arbeitsministers, indem er sagte, „die Opposition sollte der Bundesregierung zubilligen, über ihre Tätigkeit eine objektive Aufklärung zu geben".
Wer die Fibel und den Rentnerbrief bekam, mußte den Eindruck gewinnen, als sei das ganze Rentnerwerk die Leistung von zwei Männern in der Bundesrepublikallein: Bundeskanzler Dr. Adenauer und Arbeitsminister Storch. Sie meinen vielleicht, daß ich hier übertreibe; leider nicht. Aus den Reihen Ihrer politischen Gesinnungsfreunde, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, stammt die große geschichtsbildende Weisheit in sozialen Fragen in folgenden Sätzen:
Wissen Sie schon? Die Renten werden nicht bloß erhöht. An die Stelle des alten Rentensystems tritt etwas völlig Neues.
Seit Bismarcks Zeiten war die Rente nur eine kleine Unterstützung für ganz arme Leute. Das blieb bis heute so. Wer nicht auf die Hilfe seiner Kinder rechnen konnte, der mußte sich damit begnügen.
Und jetzt kommt das Entscheidende:
Der Staatsmann Adenauer und der Gewerkschaftler Storch haben nun an die Stelle des Almosens den ausreichenden Versicherungsschutz für alle Arbeitnehmer gestellt.
Das kann man dem Flugblatt entnehmen, das der Verein Arbeiterwohl E. V. Soziale Ordnung, Königswinter, herausgegeben hat.
Zu einer solchen Art von Propaganda und sozialer Geschichtsklitterung kann man nur sagen: das kann nur passieren, weil die objektive Aufklärung der Bundesregierung entsprechend aussieht. Wenn es der Bundesregierung, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, trotz der besten Absichten und der brauchbarsten Vorschläge der Opposition zur Neuordnung der Rentengesetze bei keiner amtlichen Publikation über die Feder kam, diese Leistung der SPD mit anzuerkennen, dann verstehe ich das angesichts der Abneigung gegen die SPD sehr wohl. Nicht aber verstehe ich, daß die Bundesregierung den Rentnern einen Rentnerbrief überreichte, ohne auf die entscheidende Solidaritätsleistung der Arbeitnehmer zur Finanzierung der neuen Rentengesetze hingewiesen zu haben. Im Rentnerbrief wird auf den Mehraufwand für das Jahr 1957 in Höhe von 5 Milliarden DM aufmerksam gemacht. Woher diese Milliardenbeträge kommen, das lassen Sie, Herr Arbeitsminister, in diesem Rentnerbrief völlig offen. Glauben Sie nicht, daß es zur objektiven, wie Herr Horn sagte, und zur guten Aufklärung, wie Sie, Herr Arbeitsminister, sagten, der Bundesregierung gehört hätte, gerade bei diesem Punkt auf die finanzielle Leistung der Versicherten einzugehen, zumal die Beitragserhöhung ohne wesentlichen Einspruch hingenommen worden ist?
Die Bundesregierung hat hier wieder einmal, wie in anderen Fällen auch, bei ihrer Propaganda jeden Maßstab, der zu einer objektiven Aufklärung gehört, verloren. Vielleicht sind Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, der Meinung: Nur immer feste druff; die Bevölkerung wird Leistung und Propaganda doch nicht so recht auseinanderhalten können.
Nun, was im Jahre 1953 noch wirksam war, reicht 1957 nicht aus. Dafür haben Sie durch Ihre sozialen Halbheiten und Versäumnisse selbst gesorgt.
Meine Damen und Herren! Wir haben zu den bereits verabschiedeten Sozialgesetzen keine Anträge im Rahmen der Haushaltsberatung gestellt. Wir wollen aus einer gewissen Probezeit Erfahrungen gewinnen, um die Auswirkungen der Gesetze richtig kennenzulernen. Wir wünschen nur, daß die Träger der Versicherungen ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht gegenüber den Rentnern und Versicherten in großzügiger Weise nachkommen.
In den letzten Monaten des 2. Bundestags hat es wohl wenig Sinn, Wünsche wegen der Dringlichkeitsstufe in der weiteren Gesetzesarbeit zur Sozialreform an die jetzige Regierung zu richten; denn nach dem 15. September kann vieles anders sein. Trotzdem werden die Arbeiten im Arbeitsministerium bis dahin nicht ruhen, und da liegt es uns am Herzen, auszusprechen, daß die Neuformung des Fremd- und Aulandsrentengesetzes und die Reform der Gesundheitssicherung mit Vorrang behandelt werden sollten.
Meine Damen und Herren! Der Gesamtpolitik des Herrn Arbeitsministers können wir auf Grund der vorliegenden Ergebnisse unsere Zustimmung nicht geben. Dem Sozialhaushalt des Einzelplans 11 gegenüber werden wir uns wegen der eigenen Mitarbeit an der materiellen Leistung für Rentner und Kriegsopfer der Stimme enthalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Krammig als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß etwas, was Herr Kollege Seidel gesagt hat, richtigstellen. Er sprach davon, daß der Haushalt des Bundesarbeitsministers in diesem Jahre nur einen Betrag von 200 und einigen Millionen Mark mehr aufweisen würde als im Rechnungsjahre 1956.
— Aus der Vermehrung von 3 Milliarden seit dem Entwurf. Der ganze Unterschied liegt darin, daß der Zuschuß des Rechnungsjahrs 1956 8,2 Milliarden betrug und daß der Zuschuß für das neue Rechnungsjahr 1957 8,9 Milliarden ausmacht, wobei berücksichtigt ist, daß die aus dem Kriegsopferversorgungshaushalt 40 09 nunmehr in den Einzelplan 11 10 übertragenen Mittel hier hinzugerechnet werden. Wenn Sie nun das Abfallen der Mittel für die Arbeitslosenhilfe und die Erhöhung der Ausgaben im Rahmen der Sozialversicherung betrachten, dann können Sie nach dem Endergebnis der hier vorliegenden Zahlen nicht zu der Meinung kommen, es liege nur eine Vermehrung des Zuschußbedarfs um 200 und etliche Millionen DM vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An und für sich habe ich geglaubt, daß wir uns in der zweiten Lesung eines Etats nur mit den Tatbeständen im einzelnen beschäftigen und daß keine allgemeine Aussprache stattfindet; nachdem aber Herr Kollege Seidel in dieser Breite auf den Etat des Arbeitsministeriums eingegangen ist, werden Sie es wohl verstehen, wenn ich ihm auch Antwort auf einiges gebe, was er angesprochen hat.
Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß jede Regierung an erster Stelle die Aufgabe hat — sie wird durch ihr Arbeitsministerium wahrgenommen —, in den Wechselfällen des Lebens die soziale Sicherheit für die arbeitenden Menschen zu gewährleisten, eine Aufgabe, die wohl in allen Ländern, vor allem in allen industriellen Ländern der Erde, zu erfüllen ist.
Herr Seidel hat gesagt, wir hätten mit der neuen Rentengesetzgebung Propaganda gemacht, aber dabei versäumt, zu sagen, daß der größte Teil der hierfür aufzuwendenden Gelder von den Versicherten selbst in Form von Beiträgen aufgebracht wird. Herr Seidel, etwas Derartiges werden Sie von mir und meinen politischen Freunden überhaupt noch nicht gehört haben. Wir haben immer auf dem Standpunkt gestanden, daß das bisherige Verhältnis der Solidarität unter den Arbeitnehmern in der Sozialversicherung in Zukunft durch unsere Gesetzgebung noch mehr gefestigt werden muß. Wir haben das getan, indem wir eine Solidarität der Generationen der Arbeitnehmer untereinander in den Vordergrund gerückt haben. Das ist also absolut nicht der Versuch, die Menschen draußen glauben zu machen, wir hätten nur aus Bundesmitteln eine grundsätzliche Umstellung in unserer Fürsorge für die arbeitenden Menschen vorgenommen.
Letzten Endes ist aber doch notwendig und auch wichtig, die Zahlen, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, zu sehen. Wenn Sie die Leistungen des Bundes zur Sozialversicherung aus den Jahren 1952 bis 1957 verfolgen, ergibt sich — wenn alle Versicherungsträger zusammengefaßt werden — folgendes: Im Jahre 1952 haben wir an Bundesmitteln für die Aufrechterhaltung der sozialen Leistungen in der Rentenversicherung 1 723 000 000 DM ausgegeben. Im Jahre 1953 haben wir diese Summe auf 1 939 000 000 DM erhöht. 1954 waren es 2 613 000 000 DM, 1955 2 963 000 000 DM und 1956 3 466 000 000 DM. Im Jahre 1957 kommen wir nach dem Ihnen vorliegenden Haushalt auf eine Summe von 4 678 000 000 DM.
Sie sehen: eine Entwicklung, die nach oben gegangen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns doch wohl alle darüber klar — vor allen Dingen diejenigen aus diesem Hohen Hause, die sich in der Nachkriegszeit um die soziale Sicherheit in unserem Volke Mühe und Gedanken gemacht haben —, daß wir eben aus einer Zeit herauskommen, in der man aus dem Sozialprodukt nur gewisse Teile herausnehmen konnte, um die soziale Sicherheit zu festigen.
Aber der Vollständigkeit halber möchte ich Ihnen auch sagen, was die Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf diesem Gebiet in der Form der Beitragsleistung geleistet haben. Im Jahre 1952 waren das ungefähr 4 800 Millionen DM, 1953 waren es 5 300 Millionen DM, 1954 waren es 5 600 Millionen DM, 1955 waren es 6 800 Millionen DM, und im Jahre 1956 hatten wir 7 700 Millionen DM erreicht. Die genauen Zahlen für 1957 sind noch nicht vorhanden, aber wir können ohne weiteres damit rechnen, daß sich dabei eben durch die 2 %ige Erhöhung der Beitragsleistung noch ein wesentlicher Mehrbetrag gegenüber dem vergangenen Jahr ergibt. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, diese Zahlen für die einzelnen Jahre genauer anzusehen, dann finden Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns alle Mühe gegeben haben, die sozialen Leistungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Volkes anzupassen.
Das kann meines Erachtens niemand, der solche Zahlen ganz trocken auf sich wirken läßt, bestreiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle in diesem Hohen Hause haben uns in den vergangenen Jahren immer und immer wieder bei der Beratung der Gesetze über die Frage unterhalten müssen, was tragbar, was möglich ist. Ich will Ihnen in aller Offenheit sagen: was dieses Hohe Haus in Verbindung mit der Regierung auf dem sozialen Gebiet in den letzten Jahren geleistet hat, das müßte eigentlich in unserem Volk zumindest dieselbe Anerkennung finden, wie es die Anerkennung im Ausland findet. Sie wissen, daß in der vergangenen Woche der englische Arbeitsminister und die Staatssekretärin aus dem dortigen Pensionsministerium, d. h. nach unseren Begriffen dem Ministerium für soziale Sicherheit, bei mir gewesen sind. Wir haben uns nicht über das schöne Wetter unterhalten — glauben Sie mir's —, sondern darüber, wie die Menschen in diesen beiden großen Völkern Europas ihre soziale Sicherheit in der Zukunft vorwärtstreiben wollen, und zwar möglichst auf einer einheitlichen Basis. Meine sehr verehrten Damen und Herren, glauben Sie mir: diese Leute interessieren sich für das, was bei uns geschaffen worden ist, und haben das auch in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.
Auf unserem Parteitag in Hamburg hatte ich Gelegenheit, mit Herrn Schuman aus Frankreich zu sprechen. Er sagte: Ich habe Sie auf Ihrem letzten Parteitag in Stuttgart gehört und habe damals geglaubt, daß das verwirklicht werden könnte, was Sie damals sagten. Jetzt haben Sie es verwirklicht, und das ist für Ihr Volk sehr gut. Nur für unser Volk ist es nicht gut. Dann habe ich ihn gefragt: warum? und dann sagte er: Weil wir es nicht nachmachen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch bei einer Etatberatung, wenn wir uns über Grundsätzlichkeiten unterhalten, sollten wir versuchen, das, was geleistet worden ist, und zwar in dem Zusammenspiel von Bundestag und Regierung, in unserem Volk nicht immer und immer wieder herabzusetzen,
unserem Volk nicht immer wieder zu sagen: Es ist nichts getan worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine Demokratie damit zugrunde gerichtet, daß wir selbst alles, was wir getan haben, durch die Gosse gezogen haben.
Davor sollte sich eine jede Demokratie hüten.
Ich bin der allerletzte, der nicht eine Kritik vertragen kann. Ich weiß, daß die Opposition in den vergangenen Jahren manchmal zu Recht gesagt hat: Die Termine, die von Ihnen angesagt worden sind, sind nicht eingehalten worden. Sie haben es vorhin selber gesagt, Herr Seidel. Ich habe Ihnen nur sagen können: die Schwierigkeiten, die mit der Größe des Problems gewachsen waren, waren manchmal stärker, als ich und mein Haus es sein konnten. Warum soll ich das nicht in aller Offenheit sagen? Bedenken Sie selber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie schwierig die Dinge in Ihrer Arbeit in den Ausschüssen manchmal waren! Denken Sie nur einmal an die Novelle zum AVAVG! Da hat doch der Ausschuß neun Monate für notwendig gehalten. Und als wir in meinem Ministerium anfingen im Sozialbeirat die Neuordnung zu beraten — welche Meinungsverschiedenheiten haben sich dabei aufgetan! Nun sind die Dinge zu einem guten Abschluß gebracht worden. Sehr viele Menschen, die in diesem Beirat mitgearbeitet haben, haben ,anerkannt, daß eine offene Aussprache zwischen den Leuten, die aus der Theorie kamen, denen, die in der Praxis der Sozialversicherung standen, und den Männern des Parlaments, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände stattgefunden hat. Da haben wir doch so viel Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt, daß überhaupt die gedankliche Voraussetzung für die neue Ordnung bei uns in Deutschland erstellt werden konnte.
Dann haben Sie, Herr Seidel, gesagt: Es ist überhaupt keine Konzeption in der ganzen Sache. Denken Sie nur einmal darüber nach, was wir jetzt bekommen haben! Wir haben uns zuerst die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten vorgenommen. Wir haben damit mehr oder weniger Grundsätze festgelegt, die wir nachher in der Gesetzgebung für die knappschaftliche Versicherung ebenfalls zur Grundlage genommen haben. Wir haben dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Neuordnung der zu zahlenden Renten auch für die Unfallversicherung gegeben und wären damit an und für sich auf den Gebieten der Renten, die sich aus der Sozialversicherung ergeben, zu einem gewissen Abschluß gekommen.
Sie wissen ganz genau, daß zur Zeit mit dem Beirat in meinem Hause sehr ernste Verhandlungen wegen der Neuordnung des Rechtes unserer Krankenversicherung geführt werden. Auch diese Frage wird in meinem Ministerium mit einem Ernst und einer Gewissenhaftigkeit behandelt, daß dieses Haus, wenn es die Regierungsvorlage bekommen wird, wohl anerkennen muß, daß der soziale Geist, der aus den ersten Gesetzen sichtbar geworden ist, sich durch die gesamte soziale Gesetzgebung hindurchzieht.
Mehr möchte ich im jetzigen Moment zu den Dingen nicht sagen. Bitte, sagen Sie es aber ruhig, wenn Sie meinen, Kritik üben zu müssen! Aber konstruieren wir keine Kritik, die letzten Endes nur zum Schaden unserer Demokratie ausschlagen könnte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem allgemeinen Haushalt des Herrn Bundesarbeitsministers haben meine politischen Freunde und ich keine weiteren Bemerkungen zu machen. Aber, Herr Bundesarbeitsminister, die sozialpolitische Linie,. die Sie vertreten und die von Ihren politischen Freunden in der CDU getragen wird, ist es, die uns ganz besondere Sorgen macht. Wir sehen — und wir haben das bei vielfachen Gelegenheiten in diesem Hohen Hause schon dargelegt — eine ganz klare Tendenz in Richtung auf den Versorgungsstaat. Mit Genugtuung stellen wir fest, daß aus Ihren Reihen ein so bedeutsamer Mann wie der Herr Bundestagspräsident auf Ihrem Bundespar-
teitag in Hamburg diese Linie mit einer großen Sorge aufgezeichnet und davon gesprochen hat — ich darf ihn wörtlich zitieren —, „daß wir auf der äußersten Grenze stehen, die den Sozialstaat vom Wohlfahrtsstaat, vom haltlosen Gefälligkeitsstaat, ja, vom Versorgungsstaat hochsozialistischer Prägung unterscheidet." Meine Damen und Herren, wir haben diesen bemerkenswerten Ausführungen des Herrn Bundestagspräsidenten nichts hinzuzufügen; sie decken sich vollauf mit dem, was wir immer vertreten haben.
Herr Bundesarbeitsminister, die Sozialreform ist das Stück Arbeit, das nun durch viele Jahre hindurch in Ihrem Hause in Angriff genommen ist und von dem wir von Jahr zu Jahr erwartet haben, daß es abgeschlossen wird. Leider müssen wir feststellen, daß wir von Jahr zu Jahr weiter vertröstet werden. Wir müssen aber auch feststellen, daß die Initiative zu großen sozialpolitischen Gesetzen im wesentlichen von den politischen Parteien dieses Hauses und nicht, wie es wünschenswert und notwendig gewesen wäre, von Ihrem Hause, Herr Bundesarbeitsminister, ausgegangen ist. Sie haben nach dem Verteidigungsetat den größten Etat zur Verfügung. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß die Arbeit und die Ergebnisse, die bisher aus Ihrem Hause gekommen sind, nicht der Bedeutung dieses großen Etats zu entsprechen vermögen.
Lassen Sie mich als eines der jüngsten Ereignisse die Rentenreform noch etwas kritisch beleuchten. Sie ist an Umfang das größte Gesetzgebungswerk, das von diesem Bundestag verabschiedet worden ist. Sie ist oft als Beginn der Sozialreform dar' gestellt worden. Aber sie ist, wie wir ja alle wissen, ein kleiner, bescheidener Sektor aus dem gesamten Bereich der Sozialreform, auf die wir noch immer warten.
Durchaus ein wichtiger, lieber Herr Horn, 'aber in dem Bereich der Sozialreform als solcher ist sie immerhin doch nur ein kleiner Sektor. Denn die Sozialreform erstreckt sich auf weitere Bereiche und sollte nach unserer Meinung auch mit anderen Reformen auf steuerlicher, soziologischer Basis gekoppelt sein. Aber Ansatzpunkte dieser Art vermissen wir in der Tätigkeit des Herrn Bundesarbeitsministers.
Ich möchte Ihnen, Herr Minister, noch einmal mit Nachdruck einen Grundsatz ins Gedächtnis zurückrufen, der in Ihrem Hause aufgestellt worden ist und das Leitmotiv der Rentenreform sein soll: die Unterstreichung des Unterschiedes zwischen nominal-stabil und real-stabil. Ich glaube, daß die Maxime, die hier aufgestellt worden ist, sich nicht halten läßt und daß sie das Gefährlichste beinhaltet, was man überhaupt von verantwortlicher Seite her verlauten lassen kann, nämlich den Zweifel in die Beständigkeit einer unteilbaren Währung. Man darf hier keinen Unterschied machen wollen und keine Konstruktion entwerfen, nach der ein Teil der Bevölkerung einen besonderen Schutz genießen soll, weil die für ihn gültige Währungseinheit real-stabil bleibt, während alle andern sich mit nominal-stabilen Einheiten abzufinden haben.
Wir sehen unsere Befürchtungen und unsere Kritik auf dem Gebiet der Rentenreform in vollem Umfang bestätigt. Ich freue mich auch wiederum feststellen zu können, daß diese Bestätigung aus den Reihen der größten Regierungspartei kommt. Der Herr Kollege Stücklen hat in einem Brief an den Herrn Bundeskanzler darauf 'aufmerksam gemacht, daß sehr große Härten in der Rentenreform enthalten seien. In der Rentenreform, die — wenn ich das auch einmal ins Gedächtnis zurückrufen darf — Sie, Herr Kollege Horn, von dieser Stelle aus als ein Ereignis von weltepochemachender Bedeutung gefeiert haben. Ich habe mir damals am Schluß der Grundsatzdebatte in der dritten Lesung zu sagen erlaubt, daß die Reform der reformbedürftigen Rentenreformbevorstehe. Ich habedamals allerdings nach nicht zu hoffen gewagt, daß nur drei Monate später aus den Reihen derjenigen, die im wesentlichen dazu beigetragen haben, daß die Rentenreform in der vorliegenden Form verabschiedet wurde, eine solche Schützenhilfe kommen würde.
Wir sind uns alle miteinander darin einig, daß die Härten, die ein Viertel aller Rentner treffen, nicht nur aLs ein Schönheitsfehler anzusehen sind, sondern daß sie einen grundsätzlichen, einen strukturellen Fehler darstellen. Jeder in diesem Hause, der sich mit sozialpolitischen Dingen zu befassen hat, wird gleich mir einen Stoß von Zuschriften aus Rentnerkreisen bekommen haben, in denen auf diese Ungerechtigkeiten, auf diese Härten aufmerksam gemacht wird.
Meine Damen und Herren, wir haben eine sehr scharfe Kritik üben müssen. Sie ist in der Sache begründet. Trotzdem sind wir bereit — wenn auch nut den schwersten Bedenken —, dem Haushalt des bundesarbeitsministers unsere Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Herr Bundesmmister tür Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Jentzsch zwingen mich, noch einmal zu einigen Dingen Stellung zu nehmen. Am Anfang seiner Austunrungen hat er davon gesprochen, daß wir am Beginn eines Versorgungsstaates stunden, und zum Schluß beschwerte er sich daruber, daß sich in der neuen Gesetzgebung das Versicherungsprinzip durchgesetzt hat, daß also denjenigen, die sehr wenig oder gar keine Beiträge gezahlt haben, nicht dasselbe gegeben wurde wie denjenigen, die 40 und 50 Jahre lang ihre Pflicht im Wirtschaftsleben getan haben. Das ist doch der Unterschied zu einem Versorgungsstaat, der alle, die in eine gewisse wirtschaftliche Lage kommen, gleichmäßig behandelt. Wir haben durch unsere Gesetzgebung jedem die Möglichkeit gegeben, durch die mit seiner Arbeitsleistung verbundene Beitragsleistung sich eine individuelle Rente zu sichern, die ihn in die Lage versetzt, möglichst den Lebensstandard, den er sich erarbeitet hat, nachher im Alter beizubehalten.
Herr Jentzsch, es ist Ihnen auch sonst noch ein Fehler unterlaufen. Sie haben von der großen Sozialreformgesprochen. Ich habe niemals behauptet, daß die Rentenreform eine Sozialreform sei; sie ist eine Vorstufe dazu. Eine Sozialreform, Herr Dr. Jentzsch, liegt dann vor, wenn die Menschen, die sich im Wirtschaftsleben ,als Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüberstehen. sich gegenseitig hochachten und ihre Leistungen restlos anerken-
nen. Die Sozialreform bedeutet eine gedankliche Umstellung, das Zueinanderfinden der Menschen, die Anerkennung der menschlichen Würde bei dem anderen, aber auch das Recht des einen, von dem anderen zu verlangen, daß eine gerechte Verteilung des Ertrages der gemeinsamen Arbeit vorgenommen wird.
Aber dazugehören einige Voraussetzungen. Wenn der eine in seinem ganzen Arbeitsleben Angst vor der Not im Alter haben muß, dann kann er kein vollwertiger Partner des anderen sein. Durch die Maßnahmen, die wir getroffen oder angestrebt haben, haben wir den Versuch unternommen, den Menschen innerlich frei und von sich selber überzeugt zu machen, damit er ohne Furcht und ohne Minderwertigkeitskomplexe im wirtschaftlichen Zusammenspiel mit seinem Arbeitgeber als freier Mensch auftreten kann. Wenn Sie, Herr Dr. Jentzsch, die Dinge so ansehen, dann verstehen wir uns besser.
Es gibt heute Gott sei Dank eine ganz große Anzahl von Unternehmern, die wissen, daß wir uns hier im mitteleuropäischen Raum gegen gewisse Geistesströmungen aus dem Osten überhaupt nur halten können, wenn auch der Arbeitnehmer weiß, daß er sozial gerecht behandelt und seine menschliche Würde vom Arbeitgeber voll und ganz anerkannt wird. Wenn wir das erreicht haben, Herr Jentzsch, dann sind wir am Ende einer Sozialreform. Meines Erachtens ist die Sozialreform absolut keine rein gesetzgeberische Arbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Seidel von der SPD-Fraktion und der Herr Kollege Dr. Jentzsch von der FDP-Fraktion glaubten, allerdings aus entgegengesetzten Gründen, an der sozialpolitischen Arbeit des Bundesarbeitsministeriums Kritik üben zu müssen. Ich möchte aber heute die Gelegenheit der Etatberatung benutzen, dem Herrn Bundesarbeitsminister und seinen Mitarbeitern von dieser Stelle aus herzlichen Dank für die Arbeit zu sagen, die sie im vergangenen Jahr auf sozialpolitischem Gebiet geleistet haben.
Die sozialpolitische Arbeit des Bundesarbeitsministeriums hat es, verbunden mit der wirtschaftspolitischen Arbeit des Wirtschaftsministeriums, ermöglicht, daß alle die sozialpolitischen Einrichtungen und Gesetze der letzten Jahre geschaffen werden konnten.
Ich glaube, daß eine andere Politik kaum das Ergebnis gehabt hätte, daß die Zahl der Beschäftigten auf rund 19 Millionen gestiegen ist und daß es fast keine Arbeitslosen mehr gibt. Auch daß die Tarif- und Lohnpolitik der Gewerkschaften in den letzten Jahren erfolgreich sein konnte, ist der sozialen und der Wirtschaftspolitik zu verdanken, die die Bundesregierung betrieben hat.
In der Aussprache sind die Rentengesetze angesprochen worden. Ich wiederhole, was dazu mein
Kollege Horn in der Grundsatzauseinandersetzung seinerzeit ausgeführt hat. Die Verabschiedung der Rentengesetze war eine große soziale Tat. Wir sind froh darüber, daß dieses Haus mit Ausnahme der FDP diesen Gesetzen einmütig zugestimmt hat. Deswegen sind wir etwas erstaunt, Herr Kollege Seidel, daß wir heute von Ihnen diese Kritik an den von der SPD-Fraktion mit verabschiedeten Rentengesetzen hören mußten. Es scheint fast so, als ob es Ihnen nicht paßt, daß diese Gesetze bei den Rentnern so gut angekommen sind.
— Herr Kollege Rasch, ich komme so viel in Rentner- und Kriegsopferversammlungen wie Sie. Wenn man die Dinge den Menschen draußen objektiv darstellt, werden sie auch abgenommen und begrüßt. Aber wenn man die Dinge verzerrt darstellt und nur halbe Wahrheiten sagt, kommen Resolutionen zustande, wie wir sie manchmal zu sehen bekommen.
Wenn wir von der Sozialarbeit reden, meinen wir nicht nur die gesetzgeberische Tätigkeit, die in diesem Hause geleistet worden ist, sondern denken auch an die Tarif- und Lohnpolitik der Gewerkschaften und ebenso an die Arbeiten des Bundesarbeitsministeriums.
Für eine rechnerische Betrachtung der Dinge will ich jetzt nur einmal die im Jahre 1956 erzielten Fortschritte ins Auge fassen. Auf die Gesetzentwürfe, die wir jetzt noch verabschieden wollen, hoffe ich im einzelnen bei einer anderen Gelegenheit noch eingehen zu können. Da können wir also feststellen, daß die Mittel für die Arbeiter und sozial Schwachen durch all die von mir angesprochenen Maßnahmen im Verlaufe eines Jahres um rund 61/2 Milliarden DM erhöht warden sind. Diese Steigerung der Finanzmittel um 61/2 Milliarden DM macht also rund 8 % des Lohn- und Gehaltsvolumens aus, und das im Verlaufe eines Jahres! Das Lohn- und Gehaltsvolumen liegt bei etwas über 80 Milliarden DM. Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Das Bundesarbeitsministerium hat dazu geholfen, daß dies erreicht werden konnte. Daher war es berechtigt, wenn ich zu Anfang meiner Ausführungen dem Herrn Bundesarbeitsminister und seinen Mitarbeitern unseren herzlichen Dank abgestattet habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat in einer sehr scharfen Form auf meine kritischen Bemerkungen reagiert.
Ich nehme es dem Herrn Bundesarbeitsminister absolut nicht übel. Auf der anderen Seite wird er es mir auch nicht verargen, wenn ich von meinem Recht Gebrauch mache, sachliche Kritik zu üben.
Aber, Herr Minister, darf ich Ihnen eine Antwort auf Ihre Bemerkung hinsichtlich des Versorgungsstaates geben. Herr Minister, ich glaube, es ist
nicht ganz richtig, wenn Sie mir unterstellen wollen, ich hätte mit der Kritik, daß ein Viertel aller Rentner keine ausreichende Versorgung bekommt, gerade das bestätigt, was ich selber kritisiere. Herr Minister, Sie, Ihr Haus und die CDU haben die Rentenreform verkündet unter der Überschrift, daß — so weit, so gut — eine ausreichende Rente gegeben werden soll für diejenigen, die sich nicht selber schützen und nicht selber helfen können. Dabei ist ein großer Kreis von fast zwei Millionen unberücksichtigt geblieben, gleichgültig, aus welchen Gründen auch immer, die Sie nun nicht mit einbeziehen wollen.
Ich erinnere Sie auch an die Ausdehnung der Versicherungspflicht. Bekanntlich hatte die Regierungsvorlage in der Rentenversicherung der Angestellten zunächst eine unbegrenzte Versicherungspflicht vorgesehen. Das sind doch Gedankengänge, die in Ihrem Hause geboren worden sind. Wenn das nicht eindeutig auf den Versorgungsstaat zugeht, dann weiß ich nicht mehr, wie Sie versorgungsstaatliches Denken überhaupt charakterisieren wollen; dann weiß ich auch nicht, was vielleicht den Herrn Bundstagspräsidenten Dr. Gerstenmaier dazu veranlaßt hat, gerade auf diesen Punkt ganz besonders hinzuweisen. Ich bin aber der Überzeugung, daß seine Gründe sich durchaus mit unseren decken.
— Bitte sehr!
Zum konkreten Thema des Versorgungsstaates: Herr Jentzsch, treten Sie für die Zwangsaltersversorgung der Landwirte ) ein?
Ich denke gar nicht daran, für die Zwangsaltersversorgung der Landwirte einzutreten.
— Ich habe Ihre letzte Bemerkung nicht ganz verstanden, Herr Dresbach, stehe Ihnen aber nachher für eine Unterhaltung gern zur Verfügung; es wäre ja nicht die erste, die wir zusammen haben.
Das hat mit der Problematik, die Herr Minister Storch hier aufgerissen hat, gar nichts mehr zu tun.
Ich möchte mich mit den weiteren Bemerkungen des Herrn Bundesarbeitsministers auseinandersetzen. Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, Sie wollen die Angst vor der Not im Alter beseitigen, Sie wollen die Menschen innerlich frei machen. Auf der anderen Seite aber lähmen Sie durch die von Ihnen begonnene gesetzgeberische Arbeit und die Tendenzen, die Sie verfolgen, jede Initiative, eine eigene Vorsorge zu treffen. Sie nutzen damit ein Phänomen aus, das heute ein allgemeines ist: die Daseinsangst, in der der Mensch einen Schutz einzig und allein dort finden zu können glaubt, wo der Staat wie eine Schutzmantelmadonna seinen Mantel öffnet und ihn in seinen Schutz nimmt. Das ist es, was wir in erster Linie kritisieren und was unserer Meinung nach den Menschen innerlich unfrei macht.
Ob Sie damit einen festgefügten demokratischen Staat schaffen und weiter ausbauen können, wage ich sehr energisch zu bezweifeln.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niederalt?
Bitte sehr!
Herr Kollege, erinnern Sie sich daran, daß Ihre Fraktion einmal einen Gesetzentwurf eingebracht hat, wonach bei Unwetterschäden eine allgemeine Hilfe des Staates gewährt werden soll? Wie stehen Sie .dazu?
Dabei handelte es sich um einen Katastrophenschutz, und das dürfte wohl ganz etwas anderes sein, als ,die Ausschöpfung der Möglichkeiten, die der Mensch aus eigenen Kräften erbringen kann. Ich weiß also nicht, was Ihre Zwischenfrage eigentlich soll.
Herr Minister, es gibt dann noch etwas, wozu ich von Ihnen gern eine deutlichere Interpretation hätte. Sie haben darauf aufmerksam gemacht, daß es darauf ankomme, seine Arbeitnehmer gut zu behandeln. Sprachen Sie mich ,damit persönlich an, oder was war damit gemeint? Selbstverständlich gehört zu einer richtigen sozialen Behandlung dieser Dinge die Wahrung von Gerechtigkeit und Objektivität. Ich glaube, daß nirgendwo ein Anlaß gegeben ist, hier einen Zweifel zu setzen. Ich weiß also nicht, was ich mit der Wendung, die Sie gebraucht haben, anfangen soll, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sie dazu noch etwa Konkreteres sagen würden.
Meine Damen und Herren, zu der Behauptung, allein die Verabschiedung der Rentengesetze in dieser Form sei eine soziale Tat: Es ist ein Weg gewesen, den Sie aufgezeigt haben. Es hat einen anderen Weg gegeben, den wir aufgezeigt haben. Wir sind der Meinung — und wir finden uns darin in einer vielfachen Form bestätigt —, daß unser Weg der richtige ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Monaten immer sehr schwer gewesen, festzustellen, was die FDP in den einzelnen politischen Bereichenwirklich will.
Man weiß nicht recht, was sie in der Außenpolitik will; aber auch bei dem, was wir heute diskutieren, bei der Sozialpolitik und beim Arbeitsrecht, wird es mir jeden Tag schwerer festzustellen: Was wollen die Leute eigentlich?
Die Meinungen widersprechen sich zu stark. Der eine verspricht sehr viel, und ,der andere wirft um vor, wir täten zu viel.
So ist die Situation.
Nun wird in neuerer Zeit so sehr viel vom „Versorgungsstaat" und vom „Wohlfahrtsstaat" gesprochen.
— Darauf komme ich noch; dazu werde ich nachher noch etwas sagen. —
Ich habemanchmal den Verdacht, daß Leute, die dieses Wort allzu oft gebrauchen, damit eigentlich eine Diffamierung der Sozialarbeit wollen.
Der Kenner unserer Sozialpolitik, lieber Herr Dr. Jentzsch, weiß doch, daß unsere gesamte Sozialversicherung auf Beitragsleistung beruht.
Das heißt, daß der Mensch in der Zeit, wo er arbeitsfähig ist, wo er Arbeit hat, unter Verzicht auf einen Teil seines Einkommens Vorsorge für die Zeit trifft, wo er sozialer Hilfe bedarf. Man soll doch die Dinge nicht immer so darstellen, als würden hier Almosen verteilt!
Soweit im Haushalt Mittel stehen, die nicht aus der Beitragsleistung stammen, sind damit Aufgaben zu erfüllen. die von der Allgemeinheit zu tragen sind. Nehmen wir nur einmal das Beispiel der Kriegsopferversorgung. Das sind doch Aufgaben, die von der Allgemeinheit zu tragen sind. Und soweit im Haushalt Staatszuschüsse für die Rentenversicherung stecken, sind sie im wesentlichen für die Fremdrenten und dafür da. die besonderen Belastungen durch Kriegsfolgen abzudecken. Dias sind doch Dinge, die man wissen muß. Ich möchte wirklich bitten, mit dem Stichwort „Versorgungsstaat" etwas vorsichtiger umzugehen.
Nun sage ich in aller Offenheit: Selbstverständlich. auch wir sind der Meinung, daß immer wieder abgetastet werden muß, wo die Grenzen des Möglichen liegen. Wer unsere Arbeit. Ruch in den zuständigen Ausschüssen, verfolgt hat, der weiß. wie ernsthaft wir um die Artwort auf die Frage gerungen haben: Wo liegt die Grenze? Da haben wir oft mit Ihnen Krieg gehabt. weil Sie sagten, die Grenze könne weiter gesteckt werden, und mit Ihnen (nach rechts) Krieg gehabt, weil Sie sagten, wir könnten uns enger begrenzen. So war die Situation. Aber auch hier liegt, wie so oft im Leben. das Vernünftige in der Mitte. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben immer versucht. das Vernünftige anzustreben. Jeder echte Freund der Sozialversicherun muß sich bemühen. Mißbräuche zu verhüten. Das muß unsere gemeinsame Aufgabe sein. Allerdings gibt es auch hier Dinge die eben nicht zu meistern sind. Wer im sicheren Port sitzt. sollteetwas vorsichtiger sein mit sogenerellen Vorwürfen gegen andere
Nun ist Herr Präsident Gerstenmaier wegen seiner
Ausführungen auf dem Parteitag der CDU in Hamburg hier erwähnt worden. Herr Kollege Dr.
Jentzsch, ich habe sie gehört. Ich habe sie nur anders verstanden ,als Sie. Man sollte diese Ausführungen nicht als eine Kritik an der sozialen Arbeit
verstehen, die wir in diesem Hause geleistet haben.
Diese Ausführungen sind so zu verstehen, daß auch Herr Gerstenmaier auf die Grenzen hinwessen wollte, die wir alle nicht ignorieren können, wenn wir der Gesamtheit nicht schaden wollen. — Bitte, Herr Kollege.
Abgeordneter Dr. Jentzsch zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Sabel, Sie sagen, Sie hätten den Herrn Bundestagspräsidenten anders verstanden. Ich darf Sie fragen: Haben Sie auch die Äußerung gehört, die der Herr Bundestagspräsident auf Ihrem Parteitag in Hamburg in diesem Zusammenhang gemacht hat: „CDU, hic Rhodos, hic salta!"?
Ja, ich habe Ihnen ja gesagt: Er hat auf die Gefahren hingewiesen, auf die Grenzen, die hier gegeben sind. Aber ich empfehle Ihnen, Herr Dr. Jentzsch — Herr Präsident Gerstenmaier ist im Hause zu erreichen —, ihn um einen Kommentar zu bitten.
Ich darf noch auf einen Fall hinweisen. Gerade in der Frage der Rentenversicherung wollten Sie, Herr Dr. Jentzsch, doch eine Schematisierung. Sie haben einige Vorschläge gemacht, die eine Schematisierung bedeutet hätten und die eher den Vorwurf verdienten, den Sie uns machen.
Hätten wir das getan, was Sie wollten, dann hätten wir eine Nivellierung geschaffen, die unbedingt die Bedürftigkeitsprüfung zur Folge gehabt hätte. Darüber wollen wir uns im klaren sein. Wir haben uns hier — das müßte Ihnen doch eigentlich Freude machen — an das Versicherungsprinzip gehalten, und ich glaube, es war gut, daß wir das getan haben.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen jetzt zur Begründung der Anträge. Wer meldet sich zu Wort? — Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der Unterzeichner den Antrag Umdruck 1044 *) zu begründen. Es handelt sich um einen Antrag, der von den Mitgliedern des Rechtsausschusses des Bundestags gestellt worden ist. Der Antrag hat eine Vergrößerung der Zahl der Richter am Bundessozialgericht zum Ziel. Der Haushaltsausschuß hat zwar bereits, wenn ich mich recht erinnere, entsprechend den Vorschlägen der Bundesregierung, die Zahl der Richter von 20 auf 23 erhöht. Dieser Antrag hier zielt auf eine noch stärkere Erhöhung hin, nämlich von 20 auf insgesamt 26 Bundesrichter. Die Stellen sollen, worauf ich besonders hinweisen möchte, kw-Stellen sein. Diese Stellen sollen für die Zeit bis zum 1. April 1961 geschaffen werden.
Ich hielt es für sachdienlich, Ihnen zunächst den Inhalt des Antrags zu erläutern. Denn ich kann mir vorstellen, daß viele Kollegen bei dem Wust von Papieren den Antrag nicht gerade zur Hand
*) Siehe Anlage 22
haben. Die Mitglieder des Rechtsausschusses haben diesen Antrag gestellt. Er stimmt überein mit den Wünschen des Präsidenten des Bundessozialgerichts. Dieser hatte Gelegenheit, im Rechtsausschuß ein Bild zu entwickeln über die Arbeitslage des obersten Gerichts für die Streitigkeiten, die sich im Bereich der Sozialversicherung, der Kriegsopferversorgung, der Arbeitslosenversicherung usw. ergeben. Das Bild ist sehr eindrucksvoll. Ich möchte Ihnen die Zahlen nicht im einzelnen vor Augen führen. In der allgemeinen Aussprache sind bereits einige Zahlen genannt worden. Ich darf nur, um Ihnen ein Gesamtbild zu geben, darauf hinweisen, daß im Durchschnitt des Jahres 1956 die Zahl der Neueingänge um ein Drittel höher war als die Zahl der Erledigungen während dieses Jahres 1956. Auch in den bisherigen drei Monaten des Jahres 1957 hat die Zahl der beim Bundessozialgericht anhängigen Sachen weiter zugenommen, und zwar von etwa 2200 auf insgesamt 2450 Sachen.
Die Tatsache, daß die Zahl der Neueingänge um ein Drittel höher ist als die Zahl der Erledigungen, könnte eigentlich dazu führen, daß man, um hier eine gewisse Ausgeglichenheit herzustellen, die Zahl der Richterstellen ebenfalls um ein Drittel erhöht. Die hier geforderte Erhöhung beträgt aber in Relation zu der Zahl der bestehenden Richterstellen nur ein Viertel.
Namens der Unterzeichner des Antrags — es sind Mitglieder aller Fraktionen des Hauses — empfehle ich demnach, daß sich der Bundestag zur Annahme dieses Antrags entschließt. Die Dauer von Revisionen auf diesem Gebiet geht angesichts der Arbeitslage in die Jahre. Wir meinen, daß sich der Bundestag dieser Tatsache nicht verschließen sollte. Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, der sich vorhin bereits zu dieser Sache zu Wort gemeldet hat, drauf hinweisen wird, daß dem Bundestag ein Gesetzentwurf vorliegt, der eine gewisse Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit zum Ziel hat. Es handelt sich um den morgen auf der Tagesordnung stehenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes. Ich habe auf Grund arbeitsmäßiger Verpflichtungen in einem der Ausschüsse, denen ich angehöre, Veranlassung gehabt, mich mit diesem Entwurf näher zu befassen. In Übereinstimmung mit den Landesbehörden, die sich als oberste Landesbehörden mit diesem Rechtsgebiet zu beschäftigen haben, glaube ich sagen zu können, daß dieser nun in den Gesetzgebungsgang gehende Gesetzentwurf keineswegs eine wesentliche Entlastung der Sozialgerichte bringen wird. Das ist, wie sich aus seiner Begründung ergibt, auch gar nicht der Sinn dieses Gesetzentwurfs. Es besteht die übereinstimmende Auffassung aller, die mit diesen Gebieten befaßt sind, daß die vielleicht im Laufe der Zeit spürbare Entlastung in jeder Weise aufgewogen wird, vielleicht sogar noch eine neue Arbeitslast entsteht durch die Rechtsstreitigkeiten, die sich naturgemäß aus den Rentengesetzen ergeben werden. Gerade im Hinblick auf diese Sachlage sollte sich der Bundestag dem Anliegen dieses Antrags nicht verschließen. Es wäre eine schlechte Sache, wenn der Antrag aus rein fiskalischen Erwägungen abgelehnt würde. Es handelt sich hier durchweg um Rechtsstreitigkeiten von Personen, die sich in einer sehr erheblichen wirtschaftlichen Notlage befinden. Gerade für dieses Rechtsgebiet ist es nach der Struktur aller Verfahrensgesetze notwendig, so schnell wie möglich eine zügige Entscheidung herbeizuführen. Das gilt für das Gebiet der Arbeitsgerichtsbarkeit ebensogut wie für das Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit. Wenn es aber so ist — es ist unbestreitbar, daß es den Gesetzen entspricht, im Interesse der Personen, um die es hier geht, schnell und zügig zu entscheiden —, dann sollte der Bundestag auch die personellen Voraussetzungen für schnelle Entscheidungen schaffen, und damit ist die Zustimmung zu diesem Antrag unabweisbar.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen: Das richterliche Personal zählt zur Zeit einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten, sechs Senatspräsidenten und 20 Bundesrichter. Dieses Gericht ist infolgedessen eines der größten und am stärksten besetzten Gerichte, die wir im Bundegebiet haben. Im Hinblick auf die aufgelaufenen Rückstände hat der Haushaltsausschuß in sehr sorgfältiger Erwägung der Umstände zusätzlich die Bewilligung von Personal für einen weiteren Senat vorgeschlagen, also einen Senatspräsidenten, drei Bundesrichter, dazu als Vorberichterstatter einen Oberregierungsrat und zwei Regierungsräte, ganz abgesehen von den erforderlichen Beamten des mittleren Dienstes und den Bürokräften. Die darüber hinaus beantragte Verstärkung um weitere drei Bundesrichter kann nicht als sachlich notwendig anerkannt werden.
Ich möchte bemerken, daß einer Arbeitsüberlastung der obersten Bundesgerichte nicht immer durch eine Personalvermehrung abgeholfen werden kann,
sondern daß es sehr häufig darum geht, die Arbeitsweise — wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf — den Verhältnissen anzupassen.
Die Ursache der Arbeitsüberlastung liegt einerseits ganz gewiß in der nach den gesetzlichen Vorschriften zur Zeit nach meiner Überzeugung zu leicht zugelassenen Revisionsmöglichkeit.
Andererseits muß nach Fühlungnahme mit dem Präsidenten des Bundessozialgerichts der Gedanke geäußert werden, daß unter Umständen mit einer Vermehrung der Zahl die Vermehrung der Qualität oder der Stärke der Qualität der betreffenden Richter nicht ohne weiteres verbunden ist.
Ein zügigeres Arbeiten des Bundessozialgerichts wird daher kaum durch eine Vermehrung der Richterstellen erreicht werden. Es kann aber durch eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes erreicht werden, wobei man die Frage aufwerfen müßte, ob nicht die Einlegung von Revision grundsätzlich kostenpflichtig gemacht werden sollte.
Weiterhin könnte die Rechtsprechungspraxis etwas einfacher gestaltet werden. Ich kenne oberste Gerichtshöfe, die sich dadurch ausgezeichnet haben, daß sie sich in Fällen, die sich immer wieder-
) holen, mit einfachen, nicht langatmigen Begründungen geholfen haben.
Wie der Herr Bundesarbeitsminister bereits vor dem Haushaltsausschuß erklärt hat, ist auch beabsichtigt, alsbald den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz einzubringen, um dadurch eine Verringerung der Zahl der Revisionsanträge zu erreichen. Meine Damen und Herren ich würde hier den Weg zu einer Besserung sehen und eine Besserung nicht durch eine rein schematische Erhöhung der Personenzahl erwarten. Ich sehe mich für meine Person gezwungen, zu bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesfinanzminister so liebenswürdig war, mir einen Teil meiner Aufgabe abzunehmen, kann ich es ganz kurz machen. Der Haushaltsausschuß hat sich in der 205. Sitzung am 28. Februar sehr eingehend mit dem Wunsch des Rechtsausschusses befaßt, den Sie jetzt auf Umdruck 1044*) wieder vor sich liegen haben. Auch der Herr Präsident des Bundessozialgerichtes hatte Gelegenheit, während der Beratungen des Haushaltsausschusses zu dem Vorbringen des Rechtsausschusses Stellung zu nehmen. Er hat sich natürlich dahin ausgesprochen, daß bei den Revisionsmöglichkeiten, die die Gesetze zur Zeit vorsehen, die Zahl der Richter nicht ausreiche. Er hat aber am Schluß seiner Ausführungen einen sehr beachtenswerten Satz gesagt: er habe die größten Schwierigkeiten, überhaupt geeignete Kräfte zur Besetzung der Richterstellen zu finden.
Wir müssen uns darüber klar sein, daß sich nicht jeder zum obersten Bundesrichter eignet. Die Herren, die dazu geeignet sind, sind verhältnismäßig dünn gesät. Wir haben uns in der Zwischenzeit auch im Haushaltsausschuß der Mühe unterzogen, nachzuprüfen. ob überhaupt noch geeignetes Personal vorhanden ist. Es ist glaubhaft nachgewiesen worden, daß das nicht der Fall ist. Schaffen wir die Stellen, wäre nichts gewonnen, wenn sie nicht besetzt werden können.
Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen — in dieser Richtung gingen auch die Erörterungen im Haushaltsausschuß —, daß diesem Problem nur durch eine Beschränkung der Revisionsmöglichkeiten, durch eine Vereinfachung des Verfahrens vor dem Gericht und vor allem auch dadurch beizukommen sei, daß man bei den verhältnismäßig einfachen Fällen auf unendlich lange Begründungen verzichtet und auf vorgängige Urteile Bezug nimmt. Dann würde auch verhältnismäßig schnell gearbeitet werden können.
Der Haushaltsausschuß hat sich sehr eingehend mit diesem Problem befaßt und ist nicht der Meinung, daß den Sorgen des Gerichts durch eine Personalvermehrung abgeholfen werden könne. Ich bitte Sie deshalb, dem Beschluß des Haushaltsausschusses beizutreten.
Siehe Anlage 22
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zum Wort gemeldet. wenn der Herr Bundesfinanzminister nicht davon gesprochen hätte, man müsse sich überlegen, ob man Revisionssachen nicht kostenpflichtig machen solle. Ich glaube, man muß sich über die jetzige Verfahrensart in der Sozialgerichtsbarkeit klar sein, wenn man so etwas ausspricht.
Das Bundessozialgericht in Kassel ist keine Tatsacheninstanz. Revisionen werden ja nur zugelassen, wenn das Landessozialgericht die Revisionsmöglichkeit im Urteil ausdrücklich eröffnet. Es ist doch eine Tatsache, daß in 50% der Fälle die Verwaltung von der Revisionsmöglichkeit Gebrauch macht,
und es ist weiterhin Tatsache, daß doch schon bei der Zweitinstanz, beim Landessozialgericht, heute nicht mehr der Kläger — der Rentner oder ein sonstiger Kläger auf dem sozialen Rechtsgebiet — Berufung einlegt, sondern auch in der Zweitinstanz sind gerade in der Kriegsopferversorgung die Landesversorgungsämter mit über 50 % der Berufungen beteiligt. Herr Finanzminister, wenn Sie auf der Kostenpflicht bestehen, würde das bedeuten. daß die Verwaltungen die Kosten tragen müssen und nicht etwa der Kläger, der ja nur in ganz wenigen Fällen die Möglichkeit zur Revision hat.
Darüber hinaus glaube ich doch grundsätzlich sagen zu müssen: wir sollten es uns überlegen, ob wir in den wenigen Fällen, wo der Kläger — der Rentner — die Möglichkeit zur Revision hat — von den zur Zeit anstehenden 1600 Fällen sind dies 100 —, diesen doch zum großen Teil armen Menschen Kosten auferlegen sollten, die sie niemals bezahlen können. Dann würde dieser Personenkreis von dem Anspruch auf Armenrecht Gebrauch machen, und wir ständen vor der gleichen Situation. Herr Bundesfinanzminister. meine Damen und Herren, ich weiß genau, daß diese Novelle zum Sozialgerichtsgesetz uns hier noch beschäftigen wird. Aber von dieser Frage der Kostenpflicht sollten wir uns grundsätzlich distanzieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anknüpfung an die letzten Worte des Herrn Berichterstatters möchte ich zunächst folgendes bemerken. Sie haben darauf hingewiesen, es sei auch ein Personenproblem. Sicherlich ist es ein Personenproblem; das bestreitet niemand. Aber glauben Sie denn, daß man der Bundesrepublik ein solches Armutszeugnis ausstellen sollte, zu unterstellen, in der Bundesrepublik gäbe es keine zusätzlichen drei Personen, die die Qualifikation für eine Tätigkeit als Bundesrichter am Bundessozialgericht haben? Es auf die Frage des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins qualifizierter Personen abzustellen, das ist eine Gesprächsbasis, die der Lage in der Bundesrepublik wohl kaum entspricht.
Herr Abgeordneter Wittrock, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr, natürlich!
Herr Abgeordneter Vogel!
Es ist Ihnen doch genauso wie uns bekannt, daß dieses Problem sich nicht allein auf dieses obere Bundesgericht beschränkt sondern daß es für fast alle anderen oberen Bundesgerichte genauso gilt. Wir haben das gleiche Problem beim Bundesverwaltungsgericht und bei den anderen Gerichten. Es geht nicht darum, ob wir diese drei Herren, die hier mehr verlangt worden sind. finden, sondern es handelt sich darum daß in dieser Rangklasse eben ein derartiger Mangel herrscht. Ich möchte Sie bitten, auch diesen Umstand anzuerkennen.
Herr Abgeordneter Vogel, ich darf Sie bitten, Fragen zu stellen und nicht Ausführungen zu machen.
Wir haben von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen. Ob sie uns gefallen oder nicht, spielt gar keine Rolle. Ob wir sie für glücklich halten oder nicht, interessiert in diesem Zusammenhang nicht. Wir stehen vor der Tatsache daß die Zahl der Rückstände beim Bundessozialgericht laufend zunimmt. Vom 31. Dezember 1956 bis zum 30. April 1957, Herr Kollege Vogel, hat sie von 2241 auf 2450 zugenommen. Jetzt steht das Parlament vor der ganz einfachen Frage: Soll man den allgemeinen rechtspolitischen Überlegungen folgen, die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen vorgetragen worden sind und die auch der Herr Berichterstatter vorgetragen hat. Überlegungen, die wahrscheinlich einen völligen Umbau des Verfahrens zur Voraussetzung hätten. Überlegungen. deren Realisierung aber. Herr Bundesminister Schäffer, wahrscheinlich Jahre erforderte?
Auch der dem Parlament vorliegende Entwurf beschränkt sich ausdrücklich auf das Allernotwendieste und sieht nicht die rechtspolitischen Lösungsmöglichkeiten vor, die Sie — wie ich dazu Stellung nehme, will ich dahingestellt sein lassen; das interessiert jetzt nicht — für realisierbar halten. Davon wird keine Silbe geredet. Eine Reform in dem Sinne, wie Sie und auch der Herr Bundesminister der Finanzen sie im Auge haben, könnte als praktisch frühestens Ende 1959 verwirklicht werden.
— Ich rede Sie selbst ja jetzt nicht an. Ich möchte Sie nur auf die Schwierigkeiten hinweisen, Herr Kollege, die entstehen würden, wenn wir uns darauf beschränkten, zu sagen: Das ganze Problem kann dadurch gelöst werden, daß wir das Verfahren grundsätzlich umgestalten. Eine derartige Überlegung — ich bitte, das nicht als persönlichen Vorwurf anzusehen — erfolgt letzten Endes auf Kasten derer, die ein Revisionsverfahren laufen haben und jahrelang auf eine Entscheidung warten müssen. Es ist die Frage, ob man das in Kauf nehmen will und in Kauf nehmen kann. Die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages sind der Auffassung. daß man es auch um des Rechts willen, das schnelle Entscheidungen erheischt, nicht in Kauf nehmen kann.
Manches von dem, Herr Kollege, was Sie gesagt haben, ist überhaupt gar nicht zu verwirklichen. Ich möchte nur ein Beispiel anführen. Sie haben ausgeführt: die Richter mögen sich kürzer fassen, die Begründungen brauchen nicht so lang zu sein. Wir haben uns in diesem Hause anläßlich der Erörterung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes mit diesem Problem befaßt. So etwas können Sie einfach nicht gesetzlich dekretieren! Jeder — auch Sie, wenn Sie einen Prozeß führen — hat einen Anspruch auf eine Begründung, die Hand und Fuß hat. Solange Sie es auf die Gewissensentscheidung des Richters mit abstellen, können Sie dem Richter in dieser Beziehung keine Schranken und Bindungen, keine Hemmungen und Bremsen auferlegen.
Das ist letzten Endes, wenn Sie so wollen. ein Erziehungsproblem. Aber können Sie derartige Erziehungsprobleme auf Kosten derer lösen. die seit Jahren auf Entscheidungen warten? Wir meinen diese Frage verneinen zu müssen. Ich bestreite nicht — ich will es hier ausdrücklich anerkennen —, daß sich der Haushaltsausschuß mit Ernst und Gründlichkeit mit diesem Problem befaßt hat. Aber Sie können versichert sein, daß sich auch der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit Ernst und Gründlichkeit damit befaßt hat; er hat sich einmütig — diese Auffassung ist von allen Vertretern aller Fraktionen geteilt worden — zu diesem Antrag entschlossen. Vielleicht mögen sich die Kollegen, die sich mit der Problematik in keinem der Ausschüsse eingehend befaßt haben. auch die Tatsache. daß diesem Antrag eine echte Gewissensüberlegung zugrunde liegt. durch den Kopf gehen lassen. Wir hoffen. daß der Antrat in diesem Hause eine Mehrheit findet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir die nötige Anzahl von hochgualifizierten Richtern dieser Art hätten. würde ich sofort für den hier gestellten Antrag stimmen. Aber ich weiß ja aus dem Richterwahlausschuß, wie eminent schwer es ist, für die oberen Gerichte — für das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht — die geeigneten Menschen zu finden. Und wenn wir den einen oder anderen finden. müssen wir ihn aus der sogenannten mittleren Gerichtsbarkeit herausnehmen. wo wir genau dieselben Verhältnisse haben wie beim Bundessozialgericht: die Rückstände dort sind in einem Umfang gestiegen. daß wir uns auf den Tagungen und Zusammenkünften der Länderarbeitsminister mehrfach mit diesem Problem beschäftigt haben.
Ich habe momentan eine Liste von fünf Mann, die für das Bundessozialgericht in Frage kämen. Wir haben vier neue zu wählen: einen einzigen hätte ich also noch in Reserve. Hoffentlich sa sen mir nachher die Herren im Richterwahlausschuß nicht: Der und der erfüllt überhaupt nicht die Voraussetzungen, die im Gesetz bindend festgelegt sind.
Wir sollten alles tun, um die Arbeit bei diesen beiden oberen Gerichten zu beschleunigen. Wenn ich auch nur im entferntesten sehe, daß wir geeignete Leute bekommen, werde ich mich mit meinem Kollegen Schäffer in Verbindung setzen und dafür eintreten, daß er mir drei weitere Stellen freigibt. Aber es hat keinen Sinn, daß wir hier Stellen be-
schließen, die wir mit vollwertigen Richtern zur Zeit einfach nicht besetzen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Problematik. die hier angeschnitten wurde, ist sehr ernst und ihre Lösung sozial vordringlich. Die Häufung der unerledigten Fälle beim Bundessozialgericht in Kassel spiegelt sich in zahlreichen Briefen von Menschen wider, die dort nicht irgendeinen beliebigen Rechtsstreit austragen, sondern die dort seit Jahren auf eine Entscheidung über ihre lebensnotwendige Rente warten. Deswegen sollten wir diese Frage vielleicht doch etwas mehr von der sozial ernsteren Seite sehen. als sie hier zum Teil behandelt wurde. Man kann dieses Problem nicht dadurch lösen, daß man sagt: Wir wollen in Zukunft die Revision nicht mehr kostenlos durchführen. sondern an Gebühren binden und damit die Revisionsfreudigkeit zurückdämmen. Damit kann dieses Problem nicht gelöst werden. Das kann natürlich von seiten des Staates weitgehend gefördert werden, indem die Verwaltung von dem Revisionsrecht möglichst wenig Gebrauch macht, wenn das Landessozialgericht entschieden hat. Aber noch sind über 50% der Fälle solche, die von der Verwaltung in die Revision hineingebracht werden.
Den Gedanken des Herrn Bundesarbeitsministers, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland keine drei hochwertigen Richter für das Bundessozialgericht fänden, nehme ich nicht ab. Er würde. ich möchte sagen, eine völlige Verkennung des guten Menschenmaterials unseres Richterstandes bedeuten. Selbstverständlich würden manche von ihnen die Chance, an das Bundessozialgericht zu kommen, wahrnehmen, wenn sie gegeben wäre.
Der Gedanke des Herrn Bundesfinanzministers die Revision mit Kosten zu verbinden, würde auch eine Ungleichheit der Rechtschancen der Prozeßgegner schaffen. Die Verwaltung würde dann die Revision immer durchführen können, auf der Seite der Versorgungsberechtigten oder der Anwärter auf eine Versorgungsberechtigung würde aber nur derienige in die Revision gehen können, der das Geld dazu hat. Der Bundestag war einmal sehr glücklich beraten, als er sich auf den Standpunkt stellte, in rechtlichen Grundsatzfragen solle die Möglichkeit, eine letzte Entscheidung herbeizuführen, nicht an finanzielle Voraussetzungen gebunden werden. Dabei sollten wir bleiben!
Will noch jemand zum Antrag Umdruck 1044 sprechen? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Antrag. Es ist wohl zweckmäßig, gleich unter dem frischen Eindruck der Argumente und Gegenargumente über diesen Antrag abzustimmen. — Widerspruch erfolgt nicht.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1044) der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Frau Dr. Dr. h. c Lüders, Dr. Schneider und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei*) Siehe Anlage 22
chen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es läßt sich nicht feststellen, wo die Mehrheit ist; wir müssen auszählen. Ich bitte den Saal zu verlassen. — Ich bitte die Türen zu schließen.
Wir treten ein in die Abstimmung über den Antrag Umdruck 1044 der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Frau Dr. Dr. h. c. Lüders, Dr. Schneider und Genossen. Ich bitte die Türen zu öffnen. — Ich bitte die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung über den Änderungsantrag Umdruck 1044 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 143 Mitglieder des Hohen Hauses. mit Nein 158 bei einer Ehthaltung; der Antrag ist abgelehnt.
Wir fahren in der Beratung der Anträge fort. Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 1062 hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE legt Ihnen mit dem Umdruck 1062 *) einen Antrag vor, der eine Erhöhung des Tit. 300 in Kap. 1110 um einen Betrag von 20 Millionen DM vorsieht. Diese 20 Millionen DM sollen für die Kapitalabfindungen eingesetzt werden. Wir sind der Meinung, daß der im Haushalt stehende Betrag von 95 Millionen DM nicht ausreicht, um die auszahlungsreifen Anträge zu erledigen. Wir stützen uns bei dieser Erkenntnis auf die Erfahrungen des letzten Jahres. Im letzten Haushalt waren 60 Millionen DM eingesetzt. Diese 60 Millionen waren bereits im August an alle Länder verteilt. Auch die Nachbewilligung von 25 Millionen DM war Ende des Jahres verbraucht, so daß weitere auszahlungsreife Anträge nicht mehr bearbeitet werden konnten.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie trotz der fortgeschrittenen Zeit dringend um Ruhe bitten. Die Anstrengung ist für den Redner immer noch größer als für die Zuhörer. Ich bitte Sie doch, auf den Redner Rücksicht zu nehmen.
Es wird miteinem Mehrbedarf aus dem vergangenen Jahr von 20 Millionen DM gerechnet. Schon die Rückstände des vergangenen Jahres würden, auch wenn die Höhe der Anträge nur gleich bliebe, einen höheren Ansatz rechtfertigen.
Wir sind der Meinung, daß die Kapitalabfindungen für die Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen eine sehr dringliche Angelegenheit sind, weil damit den Menschen die Gelegenheit gegeben wird, Wohnungseigentum zu erwerben. Dieses Anliegen wurde von der Bundesregierung doch immer sehr stark vertreten.
Das Geld ist auch nicht verloren, sondern die Kapitalabfindungen sind nur Vorauszahlungen. Der Haushalt wird jährlich dadurch um einen etwa 40 Millionen DM geringeren Ansatz bei den Grundrenten entlastet. Wir würden aber auf der anderen Seite die Möglichkeit haben, die Unterbringung von Schwerbeschädigten zu fördern. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zahlreiche Schwerbeschädigte aufgenommen; es hat aber keine Wohnungen für
*) Siehe Anlage 23
sie. Wenn durch die Bereitstellung von mehr Geldern den Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen Gelegenheit gegeben würde, über die Kapitalisierung ihrer Rente Wohnungseigentum zu erlangen, würde hier erheblich geholfen werden können. In der Vergangenheit haben die Mittel keinesfalls ausgereicht. Die Kriegsbeschädigten mußten Zwischenkredite aufnehmen. Diese Zwischenkredite sind sehr teuer. Deshalb macht sich allgemein eine abfallende Tendenz für die Kapitalisierung bemerkbar. Dem sollten wir uns mit der Bereitschaft zu einem höheren Ansatz entgegenstellen. Der in dem Antrag genannte Betrag von 20 Millionen DM entspricht den Berechnungen des zuständigen Ministeriums.
Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.
Das Wort zur Begründung des Antrags 1054 *) hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verfüge leider nicht über die biblische Posaune von Jericho, die die Mauer Ihrer schon gebauten Ablehnung zum Einsturz bringen könnte. Ich will deshalb nur noch wenige Worte sagen und nichts wiederholen, was zu diesem Problem schon gesagt worden ist.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat vor einigen Monaten auf meine Anfrage, ob er glaube, daß die Mittel für die Kapitalabfindung ausreichten, mit Nein geantwortet und gesagt, er stehe mit dem Herrn Finanzminister in Verbindung. Er stand also auf dem Standpunkt, daß diese Mittel erhöht werden müßten.
Es geht darum, eine schon gestörte Lebensfreude in etwa dadurch zu ersetzen, daß man den Kriegsbeschädigten diese Mittel zur Verfügung stellt. Es ist eine Vorwegbewilligung von Haushaltsmitteln, die ja später wieder hereinkommen. Wir würden es, weil die Mittel bisher nicht ausgereicht haben, dankbar begrüßen, wenn dieser Ansatz wenigstens um den Betrag von 10 Millionen DM erhöht würde.
Mit diesen einmaligen Beihilfen haben die Versorgungsämter viele Notstände bei den Kriegsbeschädigten und den Kriegereltern beheben können, die unverschuldet in eine Notlage gekommen waren und sich aus eigener Kraft daraus nicht befreien konnten. Versuchen Sie, meine Damen und Herren, auch in vorgerückter Stunde Ihrem Herzen noch einen Stoß zu geben; Sie würden damit vielen Menschen eine Freude bereiten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst betonen, daß es sich bei den Kapitalabfindungen nach dem Bundesversorgungsgesetz grundsätzlich um Kann-Leistungen handelt. Ich möchte dazu feststellen, wie die Entwicklung wirklich gewesen ist.
Es ist ganz selbstverständlich, daß sich die Wünsche und Forderungen immer mehr steigern; ob mit
*) Siehe Anlage 24 Grund, will ich hier nicht untersuchen. Die Bundesregierung hat, um den Anträgen der Länder wenigstens größtenteils zu entsprechen, den Ansatz für die Kapitalabfindung in den letzten Jahren laufend erhöht. Für 1955 waren 45 Millionen DM bereitgestellt. Die Länder sind — nach meinem Dafürhalten, wie ich ganz offen aussprechen muß, ohne Rechtsgrundlage — über diesen Betrag weit hinausgegangen, dabei die einzelnen Länder sehr verschieden weit, das eine Land weit, das andere Land nicht oder nur wenig. Ich will auf die Unzulässigkeit dieser Haushaltsilber chreitungen hier nicht eingehen. Ich stelle nur fest: der Bund hat, nachdem im Jahre 1955 45 Millionen DM bereitgestellt waren, im Jahre 1956 60 Millionen DM bereitgestellt und im Laufe des Rechnungsjahres diesen Ansatz auf 85 Millionen DM erhöht. Für 1957 hat die Bundesregierung 95 Millionen DM vorgeschlagen, was vom Haushaltsausschuß auch bewilligt worden ist.
Ich kann angesichts der Verschiedenartigkeit der Handhabung dieser Bestimmungen in den einzelnen Ländern nicht verhehlen, daß man sich veranlaßt sehen sollte, die ganze Handhabung zu ändern und zu einer gleichartigeren Verteilung dieser Hilfe im gesamten Bundesgebiet zu kommen. Ich befinde mich deshalb zur Zeit auch in Verhandlungen mit dem Herrn Bundesarbeitsminister. Die Bundesregierung sieht die Pflicht ein, für die Belange der Gesamtheit der Kriegsopfer und der Hinterbliebenen in allen Ländern des Bundesgebietes möglichst gleichmäßig Sorge zu tragen. Das scheint mir im Rahmen des jetzt auf 95 Millionen DM erhöhten Ansatzes auch wirklich möglich zu sein.
Ich möchte deshalb bitten, die beiden Anträge Umdruck 1054 *) Ziffer 1 und Umdruck 1062 **), die zu einer zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts führen, für die ein Deckungsvorschlag von keiner Seite gemacht warden ist, abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hütter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Minister, trotz Ihrer Ablehnung muß ich noch einmal für die gestellten Anträge das Wort ergreifen.
Ich komme aus einem Land, in dem der Bauwille stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Ländern der Bundesrepublik. Dem Landesversorgungsamt in Stuttgart liegen allein 4878 unerledigte Anträge auf Kapitalabfindungen aus dem Jahre 1956 vor. 2000 Erstanträge und 1500 Nachholanträge, die sich aus den Erhöhungen der 5. und 6. Novelle ergeben, kommen für das Jahr 1957 hinzu. Der geschätzte Betrag zur Deckung dieser Anträge beläuft sich auf 34 Millionen DM.
Man weiß sich in dieser Lage nicht mehr recht zu helfen; denn auch die Einführung von Dringlichkeitsstufen zur Regelung der vorliegenden Anträge ist keine Lösung des Problems, sondern lediglich ein Weg zur Vertröstung der Antragsteller. Dieser Zustand ist unerträglich. Die Kriegsopfer müssen der Meinung sein, daß man ihnen die vielgepriesenen Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes in diesem Punkte vorenthält, und sie haben begonnen, bei den zuständigen Beamten aufsässig zu werden. Dabei ist zu bedenken, daß der erfor-
*) Siehe Anlage 24 **) Siehe Anlage 23
derliche Betrag nicht so hoch ist, daß man diesem Wunsch nicht entsprechen könnte, um so mehr als es sich, wie Herr Kollege Pohle schon sagte, lediglich um eine Vorauszahlung handelt, die im Laufe der Jahre wieder hereinkommt.
Wir bitten Sie deshalb, Herr Minister, durch Bereitstellung von genügend Mitteln in den Ländern, in denen besonders viel gebaut wird, wie gerade in Baden-Württemberg, dem Bauwillen der Kriegsopfer zu entsprechen.
Dem Antrag des BHE stimmen wir zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen meiner Freunde mache ich Ihnen folgenden Vermittdungsvorschlag.
Wir erhöhen den Ansatz bei Tit. 300 in Kap. 11 10 nicht, sondern wir ändern die Erläuterung zum Tit. 300, in der es heißt: „Es entfallen auf 5. Kapitalabfindungen 95 000 000 DM." Diesen Betrag stocken wir auf 105 Millionen DM auf. Diese zehn Millionen DM, die hier aufgestockt werden, werden anteilmäßig an den Anschlägen zu den Ziffern 1 bis 4 gekürzt; d. h. Beschädigtenrenten, Witwen-und Waisenrenten, Elternrenten und Bestattungsgeld werden entsprechend anteilmäßig gekürzt. Dann haben wir das erreicht, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken wollen. Wir haben aber vermieden, den Bundeshaushalt zusätzlich mit 10 Millionen DM zu belasten.
Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Kollege Krammt, ist dies ein Änderungsantrag zum Antrag der SPD, oder wie muß ich das geschäftsordnungsmäßig verstehen?
— Sie wollen es als eigenen Antrag haben. Und
das gilt nur für Ziffer 1; für Ziffer 2 gilt das nicht?
Meine Damen und Herren, ich ,schlage Ihnen vor, daß wir den Umdruck 1062*) —Antrag des GB/BHE — und den Umdruck 1054**) Ziffer 1 — Antrag der SPD — gemeinsam diskutieren und zur Abstimmung stellen und uns erst dann der Aussprache zu. Ziffer 2 des Antrags der SPD zuwenden. Ist das zweckmäßig?
Sind Sie damit .einverstanden? — Wird zu den Anträgen Umdruck 1062 und Umdruck 1054 Ziffer 1 sowie zu dem Antrag, den Herr Kollege Krammig soeben eingebracht hat, noch das Wort gewünscht? — Herr Bazille!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Argumente, die der Herr Bundesfinanzminister hier zum Thema der Kapitalabfindung für Kriegsbeschädigte vorgetragen 'hat, können nicht unwidersprochen bleiben. Es ist zwar rich-
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24 tig, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes die Kapitalabfindung eine Kann-Leistung ist; aber auf der anderen Seite schreibt das Gesetz vor, daß 'der Beschädigte den Anspruch auf einen Arbeitsplatz hat, den er noch ausfüllen kann. Nun ergibt sich aus der Verschiedenartigkeit der Wirtschaftsstruktur im Bundesgebiet, daß einige Gebiete nicht imstande sind, ihre Beschädigten in den Arbeitsprozeß einzugliedern; sie müssen deshalb in Gebiete umgesiedelt werden, in denen Arbeitsplätze vorhanden sind. Das ist nur in Verbindung mit der Schaffung von Wohnraum möglich.
Aus diesem Grunde ist es völlig unmöglich, so zu verfahren, wie der Herr Bundesfinanzminister dem Hause glaubt vorschlagen zu müssen, d. h. eine gleichmäßige Streuung der Kapitalabfindung auf das ganze Bundesgebiet vorzunehmen. Zwangsläufig werden diejenigen Wirtschaftsgebiete, die dem beruflichen Einsatz von Schwerbeschädigten besonders entgegenkommen, auch diejenigen Gebiete sein, in denen die Kapitalabfindung in besonderem Maße beansprucht wird.
Eine Notwendigkeit, den Ansatz zu erhöhen, ergibt sich auch aus der Verabschiedung der 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz. Denn mit der Erhöhung der Leistungen ist der Anspruch auf eine Nachkapitalisierung in den Fällen verbunden, in denen früher bereits eine Kapitalabfindung gewährt worden ist. Angesichts der ständigen Erhöhung der Baukosten ist zu erwarten, daß die Mehrzahl derer, die eine Kapitalabfindung bekommen haben, von dieser gesetzlichen Möglichkeit der Nachkapitalisierung Gebrauch machen wird.
Auch wäre es vom Staatshaushalt her gesehen kurzsichtig, wollte man auf 'den Versuch verzichten, die Beschädigten in geeignete Arbeitsstätten einzuweisen; denn einmal werden durch Vermittlung geeigneter Arbeitsplätze Ausgleichsrenten eingespart, und zum anderen wird die wirtschaftliche Grundlage der Beschädigten durch die Schaffung von Eigentum gestärkt, ein, wie ich meine, erklärtes Ziel insbesondere auch der CDU-Fraktion.
Ich vermag also nicht einzusehen, weiche Gründe gegen eine Erhöhung dieses Ansatzes sprechen, nachdem durch die Praxis deutlich geworden ist, daß entsprechende Mehranforderungen im laufenden Haushaltsjahr an den Bund gestellt werden.
Meine Damen und Herren, wird zu den aufgerufenen drei Anträgen noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich kann also insoweit die Aussprache schließen.
Am weitesten geht meines Erachtens der Antrag der Fraktion des GB/BHE .auf Umdruck 1062*). Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte isst die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1054**) Ziffer 1. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme jetzt zu dem Antrag des Herrn Abgeordneten Krammig und darf ihn bitten, diesen Antrag, da er noch nicht verteilt ist, noch einmal vorzulesen.
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24
Meine Damen und Herren, den Kopf des Antrags kann ich mir wohl schenken. Der Text müßte dann lauten:
Zu Kap. 11 10 — Kriegsopferversorgung — gleichartige Leistungen —.
In Titel 300 — Versorgungsbezüge —
a) werden in den Erläuterungen die Ansätze für Kapitalabfindungen von insgesamt 95 Millionen DM auf insgesamt 105 Millionen DM erhöht; von dem erhöhten Betrag entfallen auf das Bundesgebiet 103 Millionen DM, auf das Land Berlin 2 Millionen DM,
b) werden die Ansätze in den Erläuterungen in den Ziffern 1 bis 4 entsprechend anteilräßig um 10 Millionen DM gekürzt.
Meine Damen und Herren, es ist Ihnen also bekannt, worüber abgestimmt wird. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag Umdruck 1054*) Ziffer 2. Er ist bereits begründet durch den Abgeordneten Pohle. Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1054 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es folgt der Antrag Umdruck 1106**) der Fraktionen der CDU/CSU, SPD. Wird hierzu das Wort zur Begründung oder zur Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1106 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 11. Wer dem Einzelplan mit den beiden Änderungen, die beschlossen wurden, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 20: Bundesrechnungshof .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Conring.
— Verzichtet das Hohe Haus, wie es der Herr Berichterstatter vorschlägt, auf einen mündlichen Bericht? — Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Einzelplan 20 keine Polemik über die Tätigkeit des Bundesrechnungshofs entfesseln. Der Bundesrechnungshof ist, vom
*) Siehe Anlage 24 **) Siehe Anlage 25 **') Siehe Anlage 26
Standpunkt des Parlaments aus gesehen, eine der wichtigsten Institutionen für die Kontrolle der Verwaltung, die ja auch die Aufgabe des Parlaments sein sollte. Der Bundesrechnungshof mit seiner umfassenden Aufgabe im Bereich der öffentlichen Verwaltung, soweit sie den Bund und seine Organe betrifft sowie die Mittel, die aus der Bundeskasse in andere Bereiche fließen, ist eine nicht bloß sympathische, sondern eine notwendige, eine wichtige, ja geradezu eine lebenswichtige Institution für die demokratische Ordnung. Wovon ich sprechen möchte, meine Damen und Herren, ist ein besonderes Kapitel, das weniger die Institution als vielmehr diejenigen angeht, die die Personalpolitik des Bundesrechnungshofs, vor allem an der Spitze, machen.
Meine Damen und Herren, der Bundesrechnungshof hat zu Beginn dieses Jahres seinen Präsidenten • durch Erreichen der Altersgrenze verloren. Der Präsident Mayer war eigentlich längst über die normale Altersgrenze hinaus. Seine Amtszeit ist mehrmals verlängert worden, und im Januar ist er endgültig aus dem Amt geschieden. Sein Vizepräsident, der auch Meyer hieß, allerdings aber etwas anders geschrieben wurde, ist schon einige Zeit vorher ausgeschieden. Das Amt des Vizepräsidenten war zwei Jahre lang verwaist. Daß es nicht besetzt wurde, lag weniger daran, daß niemand vorhanden wäre, der es hätte besetzen können, als an einer Reihe von anderen Umständen; vielleicht auch daran, daß man die jetzt so oft bei Personalbesetzungen mitwirkenden konfessionellen Gründe nicht hatte, um eine Besetzung vorzunehmen. Aber das nur am Rande.
Es hat lange genug gedauert, bis endlich eine Entscheidung über die Besetzung der Stelle dies Präsidenten des Bundesrechnungshofs fiel. Nicht ohne guten Grund ist gesagt worden — ich zitiere hier nur, ohne die Autoren zu nennen —, daß im Grunde genommen der Bundesrechnungshof von Ende 1956 bis zur Besetzung des Präsidentenpostens praktisch nicht existent gewesen sei; weil er nämlich infolge des Fehlens der Spitze nicht wirklich funktionsfähig war.
Warum es so lange gedauert hat, bis die Bundesregierung endlich zu Stuhl kam mit der Bestellung eines neuen Präsidenten in der Person des Herrn Professor Dr. Oeftering, den eine Reihe von Damen und Herren aus diesem Hause aus unmittelbarer Berührung mit seiner Arbeit kennen, das entzieht sich der Kenntnis des Sprechers. 'Man kann sich vieles vorstellen. Jedenfalls war auch diese Bestellung eines Präsidenten nur eine sehr kurze Episode. Daran hat nicht die Bundesregierung schuld, wie ich offen zugeben muß. Da der Tod eingegriffen und einen für die Nachfolge des Präsidenten der Bundesbahnverwaltung prädestinierten Mann dahingerafft, so daß dort eine Vakanz entstand und Herr Präsident Oeftering wieder ins Gespräch kam als ein Nachfolger für den ausscheidenden Professor Dr. Frohne, an dessen Stelle ursprünglich der uns allen bekannte ehemalige hessische Finanzminister Dr. Hilpert hätte treten sollen. Aber daß Herr Oeftering dann gleich aus der Stelle des Präsidenten des Bundesrechnungshofs in die des Präsidenten der Bundesbahn hinübergewechselt ist
— „hinübersprang" kann man auch sagen; denn
es war eine beinahe im Zeitraffertempo erfolgte Aktion —, ist eine Sache für sich. Ich will darüber nicht rechten. Man kann es schließlich einem Manne, der eine solche Chance hat, nicht übelnehmen, daß er diese Chance wahrnimmt, und die Regierung war vielleicht in einer Zwangslage, wenn sie einen solchen Wechsel für richtig hielt.
Worüber ich aber reden möchte, ist nicht nur und nicht in erster Linie das Personelle bei der Sache, obwohl inzwischen, wie man weiß, eine Kabinettsentscheidung gefallen ist und man einen neuen Präsidenten kreiert hat. Ich bin ein viel zu braver Parlamentarier und auch ein guter Demokrat — ich hoffe, daß mir das bestätigt wird — und möchte deshalb weder den Namen nennen noch hier eine Charakterisierung des neuen, des Favoriten der Bundesregierung zum besten geben, obwohl sie mir auf der Zunge liegt.
— Es steht schon in der Zeitung? Ich bin so mit dem Haushalt beschäftigt gewesen, daß ich noch nicht dazu kam, diese Nachricht zu lesen. Immerhin weiß man, wer der neue Mann sein wird, und ich kann nur so viel sagen — und das will ich sagen —: diese neue Bestellung ist geradezu symptomatisch und typisch für die Personalpolitik der Bundesregierung.
Das Gesangbuch scheint wieder einmal eine entscheidende Rolle gespielt zu haben, und weniger die Qualifikation.
Da möchte ich doch jetzt die prinzipielle Frage aufwerfen — ich weiß, daß sie heute nicht entschieden werden kann —, ob es richtig ist, daß die Regierung — sie mag im übrigen heißen, wie sie will — ihre eigenen Chefkontrolleure selber bestellt.
Es gibt eine Reihe von Ländern in der Bundesrepublik, in denen die Mitwirkung des Parlaments bei der Bestellung der Präsidenten der Rechnungshöfe gesetzlich begründet ist. Weder im Grundgesetz noch im Gesetz über den Bundesrechnungshof, noch in der Reichshaushaltsordnung, die für unsere Zwecke hier gilt, gibt es eine Bestimmung, die die Bundesregierung notwendigerweise zum Besteller ihrer eigenen Kontrolleure macht. Ich bin der Meinung — und ich spreche im Namen meiner Fraktion —, daß die jetzige Praxis auf die Dauer ein unerträglicher Zustand ist.
Wir werden alles ins Werk setzen, um in der Zukunft dafür zu sorgen, daß das Parlament bei der Bestellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes beteiligt ist.
Da soll man nicht etwa mit der berühmten Ausrede kommen, daß das ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung sei. Das hat damit überhaupt nichts zu tun, denn der Bundesrechnungshof ist eine Figur für sich in unserem staatlichen Aufbau, und die Gewaltenteilung kann da nicht strapaziert werden, weil der Bundesrechnungshof nach dem Gesetz und nach der Reichshaushaltsordnung eine unabhängige, der Bundesregierung gegenüber selbständige und nur dem
Gesetz unterworfene oberste Bundesbehörde ist. Wenn das einen Sinn haben soll, dann müssen seine Präsidenten auch im vollen Umfange von der Bundesregierung unabhängig sein und dürfen nicht durch die Art ihrer Bestellung in eine mindestens innere Abhängigkeit geraten.
Meine Damen und Herren! Bei den Personalbesetzungen, die in der letzten Zeit erfolgt sind, könnte man den Eindruck gewinnen, als ob es sich bei den beteiligten Herren um eine Flucht nach vorn handele: heraus aus dem Bundesfinanzministerium, an dessen Politik sie ja unmittelbar beteiligt waren.
Ich möchte in aller Form ankündigen, daß wir den gegenwärtigen Zustand nicht auf die Länge ertragen und daß wir — das wird eine Aufgabe des kommenden Bundestags sein — eine gesetzliche Änderung der Zuständigkeit für die Bestellung der obersten Persönlichkeiten des Bundesrechnungshofs betreiben werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß das Parlament selber ein unmittelbares Interesse daran haben müßte, daß eine solche Änderung erfolgt. Denn schließlich haben wir ja gute Vorbilder. Wir haben für die obersten Gerichte der Bundesrepublik die Richterwahl durch Richterwahlausschüsse, und wir glauben, daß es kein Hindernis in der rechtlichen Grundlage unseres Staatswesens gibt, das verhindern könnte, daß die leitenden Persönlichkeiten des Bundesrechnungshofs derselben Prozedur unterworfen würden, ohne daß sie dadurch in die Abhängigkeit von den Parteien geraten. Ich möchte also hier mit aller Deutlichkeit ankündigen, daß wir den gegenwärtigen Zustand ändern werden, sobald wir dazu die Möglichkeit und eine Mehrheit in diesem Hause haben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Kollege Schoettle wird mit mir einig sein, wenn ich als Grundsatz auch für die Personalpolitik der Bundesregierung aufstelle, daß sie sich nach den bestehenden Gesetzen zu richten hat. Die Ernennung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes erfolgt nach § 119 der Reichshaushaltsordnung. Hier heißt es: „Der Reichspräsident ernennt unter Gegenzeichnung des Reichsministers der Finanzen den Präsidenten und den Vizepräsidenten sowie die Direktoren und die Ministerialräte." Danach wird verfahren, und an das bestehende Gesetz hat sich die Bundesregierung gehalten. Wenn Wünsche auf eine Änderung des Gesetzes bestehen, so ist das Sache des Parlaments. Wenn das Parlament die bestehenden Gesetze geändert hat, wird sich eine treue Bundesregierung an das nunmehr bestehende Recht halten.
Sie hat sich aber jeweils an das geltende Recht zu halten.
Ich darf noch etwas feststellen. Herr Kollege Schoettle, Sie haben in Ihrer Begründung das
Wort „Gesangbuch" erwähnt. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß die Konfession — also das „Gesangbuch" — bei allen Vorschlägen, die ich mache, wirklich nicht die geringste Rolle spielt.
Bei dem Betreffenden kann man gar nicht von „Gesangbuch" sprechen, weil der Mann der Konfession, wo man dieses Wort gebrauchen kann, gar nicht angehört.
Wenn ich einen Vorschlag mache, mache ich den Vorschlag nach der Eignung der betreffenden Persönlichkeit,
ganz gleichgültig, welches „Gesangbuch" sie hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe der Bundesregierung keineswegs vorgeworfen, daß sie gegen die Gesetze gehandelt hat.
— Wenn Sie das geschmerzt hat, tut mir das furchtbar leid.
Man kann auch an die Stelle des Gesangbuchs das
richtige Parteibuch setzen; aber das ist eine andere Frage. Die habe ich hier gar nicht erörtert.
Im übrigen sage ich noch einmal: ich habe der Bundesregierung nicht vorgeworfen, daß sie gegen die bestehenden Gesetze verstoßen hat. Ich habe erklärt, daß uns die gegenwärtige Regelung nicht gefällt, weil wir sie für sachlich falsch und unzweckmäßig halten, und daß wir sie zu ändern wünschen. Das ist unser gutes Recht, und wir werden diese Änderung betreiben. Darauf können Sie sich verlassen.
— Wer?
sear
— Lieber Herr Kollege Krammig, das ist ein Argument, das eigentlich unterhalb Ihres Niveaus liegt. Sie wissen ganz genau, daß wir nicht acht Jahre Zeit hatten, die Besetzung — —
— Es wäre wunderbar, wenn Sie mitmachten. Ich könnte mir keine bessere Gelegenheit wünschen. Dann wollen wir es doch gleich beschließen, Herr Krammig!
Herr Abgeordneter Schoettle, dazu bedarf es erst eines schriftlichen Antrags.
Ja, ich weiß, das geht nicht. Soviel kenne ich mich aus.
Aber noch einmal zur Sache! Der Herr Bundesfinanzminister hat hier nachdrücklich erklärt, daß nur sachliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Ich bin nicht ganz so sicher, ob der Herr Bundesfinanzminister überhaupt den Vorschlag für die jetzige Besetzung des Amtes gemacht hat. Das wage ich sogar zu bezweifeln. Ich glaube, der Vorschlag ist von höherer Stelle gekommen und ist dann im Kabinett akzeptiert worden.
Sie sprechen davon, Herr Bundesfinanzminister, daß nur die Eignung und nicht das Gesangbuch entscheidend sei. Ich sage Ihnen, daß ich gerade in diesem speziellen Fall die Eignung bezweifle. Angesichts der Tatsache, daß es sich hier um eine Besetzung auf Jahre hinaus handelt, bedeutet das praktisch eine Festlegung an einer Stelle, wo man wünschen muß, daß einmal ein gewisser Fortschritt erzielt wird, der weiß Gott gerade im Bundesrechnungshof — und das ist das einzige Wort der Kritik, das ich gegenüber dem Bundesrechnungshof zu sagen habe — seit langem fällig ist.
Ich denke nur daran, wie lange jetzt die Reform unseres Haushaltsrechts in der Schwebe ist, und das liegt doch auch daran, daß die Dinge an bestimmten Stellen nicht vorwärtsgegangen sind. Schließlich, meine Damen und Herren — und das geht das Parlament an —, vergessen Sie doch eines nicht: der Präsident des Bundesrechnungshofes ist in Personalunion auch Beauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, und da eine energische, eine zielbewußte,
— eine von der Regierung völlig unabhängige Persönlichkeit zu haben, ist doch ein elementares Interesse des Parlaments. Ich bezweifle, daß wir das bei den personalpolitischen Entscheidungen des Bundeskabinetts bekommen haben, und ich sage noch einmal, wir werden Ihnen Gelegenheit geben, zu dieser Frage auch auf dem Wege der Gesetzgebung Stellung zu nehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle nur eines feststellen: ich habe, durch die Bestimmungen dazu berufen, dem Kabinett den Vorschlag gemacht, und das Kabinett hat meinen Vorschlag gebilligt. Ich übernehme die Verantwortung.
Meine Damen und Herren, wird zum Einzelplan 20 weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthal-
tungen? — Der Einzelplan ist einstimmig angenommen.
— Wie bitte?
— Das Hohe Haus nimmt Ihre Bemerkung zur Kenntnis.
Ich rufe auf:
Einzelplan 24: Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Heiland. —
— Verzichtet das Hohe Haus auf eine Berichterstattung? — Das ist der Fall. Ein Schriftlicher Bericht*) liegt vor.
Meine Damen und Herren, es liegen Änderungsanträge vor auf den Umdrucken 1072**), 1085***) und 1086****).
Wird zu diesen Umdrucken eine Begründung gegeben oder das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Anträge Umdrucke 1085 und 1086 begründen. Dem Haushaltsausschuß waren zwei Kapitel vorgelegt worden, die zwei Bundesbeauftragte, einen zur Förderung der Mittelstandsfragen und einen zweiten zur Förderung der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen, mit einem entsprechenden Stab von Beamten, Angestellten, Sachausgaben, allgemeinen Ausgaben usw. vorsahen. Im Haushaltsausschuß sind diese beiden Kapitel gestrichen worden. Ein Änderungsantrag, den ich selbst idem Haushaltsausschuß vorgetragen hatte, ist nicht angenommen worden.
Ich möchte diesen Änderungsantrag hier erneut einbringen. Sie werden gebeten, den folgenden beiden neuen Titeln zuzustimmen. Ich möchte ausdrücklich zur Klarstellung betonen, daß es sich nicht um die Wiederherstellung der beiden Kapitel in dem Änderungsvorschlag der Bundesregierung zum Einzelplan 24, sondern um die Wiederherstellung der ursprünglichen Regierungsvorlage Drucksache 2900, Seite 11 und Seite 12, handelt. In dieser ursprünglichen Regierungsvorlage war unter Tit. 310 ein Betrag in einer Höhe von 600 000 DM ausgebracht worden. Wir wünschen nicht, daß er in der alten Höhe ausgebracht wird, sondern wir wollen, daß dieser Tit. 310 in einer Größenordnung von 320 000 DM und der Tit. 311 in einer Größenordnung von 215 000 DM wiedererstehen, weil wir glauben, daß diese beiden Geldtitel ausreichen werden, die Aufgaben, die mit diesen Titeln ver-
*) Siehe Anlage 27 **) Siehe Anlage 28 ***) Siehe Anlage 29 ****) Siehe Anlage 30 bunden sind, zu lösen. Ich möchte allerdings der
Ordnung halber diesen beiden Anträgen hinzufügen, daß folgender Satz eingebaut werden soll:
Aus dem Titel dürfen auch Personal- und Sachausgaben bestritten werden.
Diese beiden Zusätze darf ich dem Herrn Präsidenten mit einer Änderung des Antrags zu seiner Vervollständigung überreichen.
Ich glaube, daß mit diesen beiden Geldtiteln tatsächlich auch dem Verlangen der Bundesregierung entgegengekommen wird. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses und meine Freunde im Haushaltsausschuß haben sich stets seit Jahren dagegen gewandt, daß zusätzliche Ministerien entstehen. Wir haben immer geglaubt, daß auch mit der Ausbringung von Geldtiteln die gleichen Aufgaben erfüllt werden können durch Abordnung von Beamten und durch Bestreitung von Personalausgaben aus diesen Geldtiteln. Wir haben niemals die Notwendigkeit eingesehen, hier zusätzlich einen Personalaufwand durch Planstellen zu verankern, der nicht absolut notwendig ist. Im Grunde genommen wäre eine solche Handlungsweise auch schon deshalb nicht zulässig, weil es sich hier um zeitgebundene Aufgaben und nicht um Daueraufgaben handelt. Für die Bestreitung von zeitgebundenen, temporären Aufgaben genügen auch die Titel und kann im Wege von Abordnungen das dafür notwendige Personal gewonnen werden.
Ich möchte mich hier nicht noch näher über diese Dinge auslassen; sie sind hinreichend genug, glaube ich, auch schon in den vergangenen Jahren erörtert worden. Ich betone im Auftrage meiner Freunde, daß wir die Bewältigung dieser beiden Aufgaben — Förderung des ,Mittelstandes und vor allen Dingen Förderung der Wasserwirtschaft — nach wie vor wünschen, daß wir aber den Ergänzungsvorschlag der Regierung nicht für zweckmäßig gehalten haben. Wir glauben, Ihnen mit diesen beiden neuen Änderungsvorschlägen etwas vorlegen zu können, was den Bedürfnissen absolut entspricht.
Haben Sie die Änderungen schriftlich?
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages möchte zwei amtierenden Bundesministern eine Freude bereiten. Zuerst dem verehrten Herrn Bundesfinanzminister; er hat heute morgen in bezug auf die Sparanträge der bösen Opposition ein schlechtes Gedächtnis gehabt. Herr Bundesfinanzminister, wir offerieren Ihnen aus Anlaß der soeben von Herrn Kollegen Dr. Vogel begründeten beiden Änderungsanträge eine Ersparnis von 500 000 DM. Die beiden Anträge, die von Herrn Dr. Vogel begründet wurden, erfordern rund 535 000 DM. Wir haben im Haushaltsausschuß bereits darauf hingewiesen, ,daß man die Sache auch mit etwa 35 000 DM machen kann. Die Wasserwirtschaft kann durchaus mit etwa zwei oder drei Angestellten in den Bereich des Bundesverkehrsministeriums — ohne neue Beamtenbestellungen — eingebaut werden. Die Frage des Mittelstandes kann ohne jede Beamtenvermehrung im B'eredch des Wirtschaftsministeriums bearbeitet
werden. Diese Sparmaßnahmen also als Offerte an die Adresse des Herrn Bundesfinanzministers!
Eine zweite Freude möchten wir unserem verehrten Herrn stellvertretenden Bundeskanzler bereiten, der sich ja ohnedies nicht wohlfühlt in bezug auf die Zuweisung, ich möchte es höflich sagen, zweier im Augenblick nicht verwendeter Bundesminister. Er hätte sie nicht gerne in seinem Bereich, aber er soll sie nun 'im Bereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit bekommen. Ich verstehe sehr gut, daß er sich den Kabinettsbeschlüssen beugen muß; der Herr Bundeskanzler ist da stärker als sein Vertreter. Aber wir machten ihm helfen, auf die gleiche Weise!
Herr Kollege Dr. Vogel, Sie haben bei Ihrer Argumentation übersehen, daß Teile Ihrer Fraktion im Haushaltsausschuß dem Sparantrag zugestimmt haben. Ich bin nun auf die Haltung dieser Mitglieder der CDU-Fraktion begierig — ich will keinen Namen nennen —, die im Haushaltsausschuß dem Sparantrag der sozialdemokratischen Fraktion zugestimmt haben und die jetzt Gelegenheit haben, zu ihrer Haltung zu stehen.
Nun, meine Damen und Herren, ich habe noch eine kleine Aufgabe: wie alljährlich — die Dinge wiederholen sich, Herr Minister — beantragen wir. den Einzelplan 24 überhaupt zu streichen, weil wir der Auffassung sind, daß ,die Organisation der Bundesregierung und die Zahl der Bundesministerausreichen und daß der Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf die im übrigen vorhandenen zahlreichen Bundesministerien ohne Schaden für die Sache aufgeteilt werden kann.
Herr Bundesfinanzminister, da Ihr ,Gedächtnis Sie heute morgen verlassen hat, bitte ich Sie ausdrücklich, davon Kenntnis zu nehmen, daß wir Ihnen auf diese Weise eine weitere Sparmöglichkeit dankbar offerieren.
Wird zum Einzelplan 24 sonst noch das Wort gewünscht? — Dann schließe ich die Aussprache zum Einzelplan 24.
Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß der Übung dieses Hauses kann der Antrag Umdruck 1072*) auf Streichung des Einzelplans als solcher nicht zur Abstimmung gestellt werden, sondern es wird über den Einzelplan selber abgestimmt; wird er abgelehnt, so ist damit Ihrem Streichungsbegehren entsprochen. So ist es bisher in allen derartigen Fällen gemacht worden.
Wir kommen damit zuerst zum Antrag Umdruck 1086**) in der soeben berichtigten Form. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; ,angenommen.
Ich komme zum Änderungsantrag Umdruck 1085***) in der ebenfalls berichtigten Form. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um 'die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
*) Siehe Anlage 28 **) Siehe Anlage 30 ***) Siehe Anlage 29
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 24 mit ,den vorgenommenen beiden Änderungen. Wer dem Einzelplan 24 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 24 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 25: Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Hilbert. Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor; auf eine Ergänzung wird verzichtet.
Ich rufe zusammen mit dem Einzelplan die Anträge Umdrucke 1061, 1092, 1068, 1067, 1059, 1063 und 1049 auf. Ich schlage vor, zuerst die Anträge ,auf ,den Umdrucken zu begründen. — Herr Dr. Hesberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt und der Bericht des Haushaltsausschusses zum Etat des Wohnungsbauministeriums geben Anlaß zu einigen Feststellungen und Bemerkungen. Unter Berücksichtigung der höheren Ansätze der Regierungsvorlage und der Beschlüsse des Haushaltsausschusses ergibt sich bei Außerachtlassung der Maßnahmen für den Altwohnraumbestand, daß im Jahre 1957 im Haushalt des Bundeswohnungsbauministeriums für die Förderung der Neubautätigkeit 550 Millionen DM mehr als im Jahre 1956 zur Verfügung stehen. Hierin manifestieren sich die Folgerungen aus dem Wohnungsbaugesetz, das wir im Sommer vergangenen Jahres verabschiedet und in dem wir höhere Mittel aus dem Bundeshaushalt vorgesehen haben, und zwar zunächst 200 Millionen DM und 40 Millionen DM weitere Gelder für die Sparprämien. Wir haben in diesem Gesetz sodann vorgesehen, daß die Zins- und Tilgungsrückflüsse ebenfalls der Wohnungsbauförderung zufließen sollen. Ferner resultieren ,diese höheren Ansätze der Mittel für 'die Wohnungsbauförderung im Wohnungsbauhaushalt laus der Novellierung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes. Wir kommen also im Etat des Wohnungsbauministeriums auf insgesamt 13/4 Milliarden DM Wohnungsbauförderungsmittel für 1957.
Es muß hinzugefügt werden, daß weitere Mittel für die Wohnungsbauförderung in den übrigen Etats enthalten sind, und zwar Mittel von über 1 Milliarde DM, die gegenüber dem vergangenen Jahr durch die Kürzung der ,Aufbaudarlehen allerdings einen gewissen Rückgang erfahren haben. Hier ist aber festzustellen, daß dieser Ausfall bei den Aufbaudarlehen zum Teil durch die Zahlung der Hauptentschädigung wettgemacht werden dürfte, soweit diese für die Eigentumsförderung durch Wohnungsbau zur Verfügung stehen wird.
Insgesamt kommen wir daher zu dem Ergebnis, daß im Jahre 1957 für die Wohnungsbauförderung über 3 Milliarden DM aus Bundesmitteln, und zwar mindestens 250 Millionen DM mehr ,als im Jahre zuvor, zur Verfügung stehen werden, ungeachtet der Tatsache, daß für die Zwecke der Vorfinanzierung erststelliger Hypotheken Millionenbeträge bereitgestellt warden sind. Daher steht fest, daß auch im Jahre 1957 ein Drittel des Finanzierungsbedarfs
*) Siehe Anlage 31
für ein Wohnungsbauvolumen im Umfang des vergangenen Jahres bereitsteht. Damit ist das Wohnungsbauvolumen des Vorjahres gewährleistet.
Hieran wird nun Kritik geübt. Die eine Seite bemängelt die Höhe des Einsatzes von Steuergeldern und bezeichnet sie als übersteigerten Staatskapitalismus: sie fordert mit Rücksicht auf die Steuerzahler andere Methoden. Die andere Seite fordert eine wesentliche Erhöhung. Hiermit befaßte sich vor kurzem die Wohnungsbaudebatte. Der Optimismus, der von seiten des Herrn Wohnungsbauministers und auch von der Seite der Regierungskoalition bei dieser Wohnungsbaudebatte obwaltete, ist durch den neuesten Bericht der Bank deutscher Länder vollinhaltlich bestätigt worden.
Daher ist äußerste Zurückhaltung bei dem Einsatz zusätzlicher Mittel geboten, zumal, da wir durch die neuen, elastischeren Methoden der Finanzierung im Wohnungsbaugesetz die Möglichkeit gegeben haben, Aufgaben gerecht zu werden, die eine höhere Anforderung mit sich bringen.
Gleichwohl sind wir der Meinung, daß es in der Übergangszeit, in der wir uns jetzt befinden, wo der Kapitalmarkt erst lallmählich ergiebiger wird, notwendig ist, höhere Mittel für die Behebung der Notstände bei der wohnungsmäßigen Unterbringung der Aussiedler einzusetzen. Deswegen legen wir Ihnen von seiten der Koalitionsparteien auf Umdruck 1092 den Antrag vor, in Kap. 25 03 — Förderung des Wohnungsbaues — die im Haushaltsvermerk bei Tit. 532 erteilte Ermächtigung von 200 Millionen DM um 170 Millionen DM auf 370 Millionen DM heraufzusetzen. Damit soll dieser schon vom Haushaltsausschuß heraufgesetzte Betrag abermals erhöht und einer schwierigen Situation Rechnung getragen werden, die dadurch eingetreten ist, daß in diesem Jahr zusätzlich 85 000 Aussiedler aufzunehmen sind. Ihnen durch den Wohnungsbau eine Heimat zu schaffen, ist das Anliegen, das diesem Antrag zugrunde liegt. Wir bitten urn Ihre Zustimmung hierzu.
Darüber hinaus wollen wir eine stärkere Berücksichtigung der Evakuierten gewährleistet wissen, deren Wohnungsversorgung uns besonders am Herzen liegt. Daher wird unter Ziffer 2 dies Antrags Umdruck 1092*) beantragt, als Tit. 534 einen Leertitel für Darlehen an die Länder zur Finanzierung dies Wohnungsbaus zugunsten von Evakuierten einzusetzen. Es wird die Ermächtigung erteilt, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen für das Rechnungsjahr 1958 bis zur Höhe von 30 Millionen DM vertragliche Bindungen einzugehen. Diese Bindungserächtigung soll ermöglichen, daß die Mittel auch zur Restfinanzierung zugunsten der Evakuiertenrückführung von außerhalb des Bundesgebietes, namentlich aus der sowjetisch besetzten Zone, eingesetzt werden. Das bedeutet eine erhebliche Erleichterung der Wohnungsbaufinanzierung zugunsten dieses Personenkreises; diese Finanzierung erfolgt im übrigen nachstellig aus den für Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone bestimmten Mitteln.
Wenn wir im übrigen zu den höheren Ansätzen im Wohnungsbauhaushalt stehen, wie sie sich aus dem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz ergeben, dann bestimmen uns dabei nach wie vor die wohnungspolitischen Grundsätze des Wohnungsbaugesetzes, nämlich die bevorzugte Förde-
*) Siehe Anlage 32 rung der Eigentumsbildung unter gleichzeitiger Förderung der Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen. Es ist daher im Zusammenhang mit der Erörterung des Wohnungsbauhaushaltes darauf aufmerksam zu machen, daß an uns zahlreiche Berichte gelangen, die uns Anlaß zu der Sorge geben, daß 1957 mit dem Wohnungsbaugesetz nicht das erreicht wird, was wir uns bei dessen Verabschiedung vorgestellt hatten.
Das ist darauf zurückzuführen, daß die Vorverplanung der Mittel für 1957 im Herbst 1956 mit zum Anlaß genommen worden ist, die Darlehen nach den Richtlinien des Ersten Wohnungsbaugesetzes zu vergeben, so daß dadurch die Bewerber für Familienheime ins Hintertreffen gekommen sind.
Wir haben den Eindruck, daß in den Länderverwaltungen hier am Alten festgehalten wird und daß man dort vielfach konträr zu den Grundsätzen eingestellt ist, die wir im Wohnungsbaugesetz aufgestellt haben. Man tut oft so, als wenn die Grundsätze des Wohnungsbaugesetzes betreffend die Förderung des Familienheimes von Ideologen aufgestellt worden wären, die von der Wohnungspolitik nichts verstehen. Dem steht entgegen, daß wir mit den im Wohnungsbaugesetz niedergelegten wohnungspolitischen Grundsätzen zugleich mit dem Anliegen der Wohnungsuchenden übereinstimmen, die auf breitester Linie das Familienheim erstreben. Diese Wünsche der Verbraucher haben sich schon in der Vergangenheit trotz der Hemmungen von seiten der Verwaltungen durchsetzen können. Die Wohnungsbaustatistik der letzten Jahre gibt uns darüber einen interessanten Aufschluß. 1952 waren 28 % der erstellten Gebäude Familienheime im Sinne unseres Gesetzes, und 1956 machten die geförderten Familienheime 42 % des gesamten Wohnungsbauvolumens aus. Wie stark der Wille der Bevölkerung zum Eigentum ist, zeigt uns auch die Statistik der Bausparkassen. Sie läßt eine ständig steigende Beteiligung zwecks Erwerbs eines Eigenheims gerade in den Kreisen der Arbeitnehmer erkennen.
Wir haben also zu beklagen, daß die Förderung des Familienheims nicht die Ausmaße angenommen hat, die wir erwartet haben. Ich darf der Hof fnung Ausdruck geben, daß die vom Wohnungsbauminister und der Bundesregierung vorgelegte Verordnung zur Ablösung der öffentlichen Mittel für Familienheime bald verabschiedet wird. Wir sind davon überzeugt, daß die Bauherren der Familienheime angesichts der Vergünstigungen, die die Ablösungsverordnung vorsieht, die öffentlichen Mittel in großem Umfange zurückzahlen werden. Es sei hier angeregt, diese Rückflüsse bevorzugt für Eigentumsmaßnahmen im Sinne des Familienheimgesetzes einzusetzen.
Ich habe noch eine weitere bemerkenswerte Tatsache dieses Haushalts hervorzuheben, nämlich das Bestreben, die Förderung der Eigentumsbildung durch Förderung der Eigentumserhaltung zu ergänzen, und zwar durch den Ansatz von Zinszuschüssen und die Bereitstellung von Mitteln für die Gebäudeinstandsetzung, zur Finanzierung des Nachholbedarfs im Altwohnraumbestand, soweit dieser erhaltenswürdig ist. Hierfür sprechen volkswirtschaftliche, soziale und wirtschaftspolitische Erwägungen. Indirekt wird damit auch eine Entlastung der Ansprüche an den Neubau bezweckt.
Nach dem Auslaufen der ersten Bundesmaßnahmen von 1952 wurde im vergangenen Jahr der Versuch gemacht, mit Hilfe von Zinszuschüssen in Höhe von 7,5 Millionen DM für fünf Jahre der Lage der Bundesfinanzen Rechnung zu tragen und mit diesem Kapitalbetrag Gelder des Kapitalmarktes in einem Umfang von 150 bis 180 Millionen DM zu erschließen. Die Kapitalmarktentwicklung und die verspätete Herausgabe der Richtlinien für diese Zinszuschüsse haben diese Maßnahme im vergangenen Jahre nicht zur praktischen Auswirkung kommen lassen. Zwischenzeitlich sind wir aber auch zu der Erkenntnis gekommen, daß ein großer Teil der Grundeigentümer nicht in der Lage ist, das Kapital für die Finanzierung des Nachholbedarfs innerhalb von fünf Jahren zu tilgen; die Zinszuschüsse werden nur für einen Zeitraum von fünf Jahren gewährt.
Die Situation der Hausbesitzer ist folgende. Nach den Erfahrungen in der Vergangenheit ist bei der Finanzierung des Nachholbedarfs an Gebäudeinstandsetzungen im Durchschnitt ein Zweijahresbetrag der Miete erforderlich. Bei fünfjähriger Tilgung ergibt sich, daß im Schnitt alljährlich 45 bis 50 % der Miete für die Verzinsung und Tilgung aufgewandt werden müssen. Das ist bei den Mieten im Altwohnraumbestand, die den Preisbindungen unterliegen, nicht aufzubringen.
Diese Situation gab den Koalitionsparteien Anlaß, zunächst im Haushaltsausschuß einen Betrag von 50 Millionen DM anzusetzen. Nunmehr stellen wir auf Umdruck 1063 den weiteren Antrag, diesen Betrag auf 100 Millionen DM zu erhöhen. Mit diesen Mitteln soll es Hausbesitzern in bedrängter wirtschaftlicher Lage ermöglicht werden, ihr Eigentum instand zu setzen und den Nachholbedarf auszugleichen. Dazu sollen ihnen Darlehen mit einer Laufzeit bis zu 15 Jahren gewährt werden. Was die Zinsgestaltung anlangt, so muß — nach den Verhandlungen im Haushaltsausschuß — unter Umständen die Möglichkeit gegeben werden, auf die Verzinsung dieser Darlehen zu verzichten.
Mit den Zinszuschüssen und mit diesem im Antrag auf Umdruck 1063 *) vorgesehenen Fonds von 100 Millionen DM wird es möglich sein, Wohngebäude mit 200- bis 250 000 Wohnungen instand zu setzen und den Altwohnraumbestand in einem erheblichen Umfang zu verbessern. Zwar ist das im Vergleich zum gesamten Altwohnraumbestand ein bescheidener Betrag. Gleichwohl möchte ich hier sagen, daß nach Auffassung der Regierungskoalition im 3. Bundestag ein großzügiges Programm dieser Art gestartet und hierbei vor allen Dingen eine Sanierung bestimmter Wohnviertel in Großstädten, die heute als unwürdig anzusehen sind, vorgesehen werden muß. Ich nenne hier nur das Wohnviertel des Wedding in der Stadt Berlin.
So ist die Aufgabe, die wir uns hier gestellt haben, nicht nur eine solche der Eigentumserhaltung, sondern wir dienen hier den mittelständischen Schichten, die Träger des Wohnraumbestandes sind. Vor allen Dingen aber sehen wir hierin ebensosehr einen Beitrag zur Hebung des Wohnungsstandards im Altwohnraumbestand.
Darum darf ich Sie bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 1063 ebenso Ihre Zustimmung zu geben wie dem Antrag Umdruck 1092.
s) Siehe Anlage 33
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kunz zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 1061.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE eingebrachte Antrag auf Umdruck 1061*) beinhaltet eine Erhöhung der in Kap. 25 03 Tit. 532 vorgesehenen Mittel für Darlehen an die Länder zur Finanzierung des Wohnungsbaues zugunsten von Sowjetzonenflüchtlingen und Aussiedlern aus den Gebieten östlich der Oder und der Neiße von den vorgesehenen 458 Millionen auf 520 Millionen DM, also um rund 62 Millionen DM.
Zur Begründung des Antrags darf ich darauf hinweisen, daß nach den bisherigen Erfahrungen auch in diesem Jahr mit 250 000 Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone gerechnet werden muß. Wenn man berücksichtigt, daß davon ungefähr zwei Drittel familiengebunden sind. so handelt es sich um 160 000 Personen, für die unbedingt Wohnungen hergestellt werden müssen. Dazu kommen voraussichtlich 100 000 Aussiedler aus den Gebieten östlich der Oder und der Neiße, nachdem im ersten Vierteljahr 1957 bereits 25 000 bei uns in der Bundesrepublik eingetroffen sind. Außerdem muß mit der Aufnahme von 6000 bis 8000 Volksdeutschen aus Jugoslawien und aus Ungarn gerechnet werden, für die ebenfalls Wohnraum 'erstellt werden soll.
Bekanntlich sind die bisherigen Durchgangslager überfüllt. Die Städte und Gemeinden, für die Anträge auf Zuschußgenehmigung gestellt wurden, sind nicht mehr aufnahmefähig. Eine Errichtung von neuen Lagern ist nach unserer Meinung nicht zu verantworten. Es ist viel sinnvoller, dieses Geld zum Bau neuer Wohnungen zu verwenden.
Zur Durchführung des Wohnungsbauprogramms für 260 000 Personen werden bei Zugrundelegung einer Kopfquote von 2000 DM Darlehen an die Länder in Höhe von 520 Millionen DM benötigt. Daher verlangt unser Antrag die Aufstockung von 458 auf 520 Millionen DM.
Mir ist bekannt, daß einzelne Länderregierungen heute schon behaupten, es sei unmöglich, mit 2000 DM pro Person Wohnraum zu erstellen. Die Länder stellen sich auf den Standpunkt, daß zur Erstellung neuen Wohnraums pro Person mindestens 2500 bis 3000 DM notwendig sind.
Die nunmehr in die Bundesrepublik einströmenden deutschen Menschen aus der sowjetisch besetzten Zone und aus unseren deutschen Ostgebieten haben zwölf Jahre 'in Unfreiheit und oft auch in bitterster Not leben müssen. Es ist meiner Ansicht nach eine Verpflichtung des Parlaments, dafür zu sorgen, daß sie so rasch wie möglich menschenwürdig untergebracht werden.
Aus diesen Gründen 'bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem von der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE gestellten Antrag zuzustimmen.
1 Siehe Anlage 34
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1068*) dem Abgeordneten Stierle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Hesberg hat einleitend bemerkt, es sei mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau im Jahre 1957 verfügbar, und das Volumen könne gehalten werden. Und daran wird nun Kritik geübt. Er meinte, die letzte Äußerung der Bank deutscher Länder habe die Wohnungsbaupolitik des Ministeriums bestätigt; und er kam zu dem Schluß, es sei äußerste Zurückhaltung gegenüber den Forderungen nach neuen Mitteln langebracht.
Sie kamen, Herr Czaja, dann zu einer kurzen Stellungnahme zu Ihren Änderungsanträgen. Bei Titel 532, wo es um den Bau von Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge geht, sind Sie sehr großzügig und gehen dazu über, ;die Ermächtigungssumme, die von ursprünglich 150 Millionen DM auf 200 Millionen DM erhöht wurde, um weitere I 70 Millionen auf 370 Millionen zu erhöhen. Nun, diesen Mut schätze ich nicht sehr. Da ist mir der Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE schon sympathischer, der die Summe von 458 Millionen DM für zu niedrig erklärt und 520 Millionen DM beantragt. Da hat man echt letwas in der Hand und kann wissen, was ,daraus wird. Was aus Ihrer Ermächtigung wird, weißkein Teufel.
Nun sagen Sie in Ihrem Antrag Umdruck 1063 *), die 50 Millionen DM, die für Instandsetzungsdarlehen vorgesehen sind, seien zu wenig, die wollen Sie auf 100 Millionen DM erhöhen. Sie kamen selber zu der Erkenntnis, das sei ein verhältnismäßig bescheidener Betrag.
Nun, ich muß Ihnen gestehen: wir von der sozialdemokratischen Fraktion können nicht so bescheiden an diesen Haushalt herangehen. Wie ist denn praktisch ,die Situation? In einem der letzten Hefte der „Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft" wird in einem sehr gründlichen Aufsatz untersucht, wie es eigentlich mit dem Fehlbestand an Wohnungen bei uns aussieht; und man kommt zu dem Ergebnis, daß selbst dann, wenn wir intensiv weiter bauen wie etwa bisher, wir Ende 1962 mach optimistischer Auffassung noch einen Fehlbestand von 2 Millionen Wohnungen haben werden. Eine pessimistischere Auffassung kommt zu dem Ergebnis, daß es sogar 4,2 Millionen sein werden.
Es ist also allenfalls eine Entspannung, in keinem Falle ein voller Marktausgleich erreichbar. Denn für diesen wäre erforderlich, daß 3 bis 5 % des Wohnungsbestandes als leerstehende Wohnungen verfügbar wären. Dann könnten wir von einem ausgeglichenen Markt sprechen. Überlegen Sie sich, was das bei unseren heutigen Verhältnissen bedeuten würde. Wir rechnen mit einem Bestand von etwa 12 Millionen Wohnungen Ende 1955. 5 % davon als leerstehend und als Reserve anzusehen würde bedeuten, daß 600 000 Wohnungen frei verfügbar dasein müßten. Vergleichen Sie diese Zahl mit dem tatsächlich heute noch vorhandenen Fehlbestand von mindestens 21/2 bis 3 Millionen, dann
*) Siehe Anlage 35 sehen Sie die unendliche Größe der Aufgabe, die noch vor uns steht.
— Das wissen Sie; das freut mich.
Nun wollen wir uns aber mal ansehen, wie es draußen wirklich aussieht. Sie glauben, es seien genügend finanzielle Mittel da, und man müsse also der Forderung nach neuen Mitteln äußerst zurückhaltend gegenüberstehen. Wir sind der Auffassung, daß die 700 Millionen, die jetzt im Haushalt vorgesehen sind, zuwenig sind. Wir beantragen deshalb die Erhöhung dieser 700 Millionen auf 1000 Millionen. Ich will Ihnen aber auch Gründe angeben, die Sie hoffentlich überzeugen und Sie dazu bringen, sich unserem Antrag anauschlteßen.
Wie sieht es denn draußen aus, gerade beim Bau von Familienheimen? Wenn ein Bauwilliger — im vorliegenden Fall ein Polizeikommissar — auf seinen Bewilligungsantrag vom Januar 1957 vom Regierungspräsidium mitgeteilt bekommt, daß sein Antrag in die Rangstufe 1 der Förderungsbestihmmungen 1957 eingereiht und vorgemerkt worden sei, dann freut er sich. Dann geht es aber in dem Schreiben der Regierung wie folgt weiter:
Der Antrag muß jedoch wegen Mangels an Mitteln vorerst leider zurückgestellt werden. Es müssen weitere Mittel durch die oberste Baubehörde im Staatsministerium des Innern in entsprechender Hähe zugeteilt werden. Wann das der Fall ist, ist der Regierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Möglicherweise muß das Landesprogramm 1958 abgewartet werden, wobei es durchaus ungewiß ist, ob dessen Zuteilungen ausreichen, um auch nur die jetzt schon vorliegenden Staatsbaudarlehensanträge der Rangstufe 1 zu befriedigen.
— Nun, was ich hier zitiere, ist z. B. aus Bayern. Sollten Sie Ihren Antrag dennoch aufrechterhalten,
— heißt es dann in diesem Schreiben —
dürfen Sie erst nach Zustellung des Bewilligungsbescheides mit den Bauarbeiten beginnen. Sonst ist jede weitere Förderung ausgeschlossen.
— Diesen Brief haben aber Tausende von Bauwilligenbekommen. Sie sehen, wie das mit Ihrer Auffassung übereinstimmt, nach der ja angeblich genügend öffentliche Mittel dia seien und man der Forderung nach neuen Mitteln vorsichtig und zurückhaltend ,gegenüberstehen müsse.
Die Hoffnungen der Bauwilligen auf das Zweite Wohnungsbaugesetz werden zerstört. Das ist die Wirklichkeit. Wenn es in einem Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, der aus dem Bundeswohnungsbauministerium selbst stammt, in den Erläuterungen zu § 30 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in Anmerkung 6 heißt:
Die zur Entsprechung aller Anträge dieser Art erforderlichen Mittel muß die oberste Landesbehörde zuteilen,
dann empfinden die enttäuschten Bauwilligen, die solche Briefe, wie zitiert, erhalten, das als bittere Ironie.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Stierle, stammt der Brief vom Regierungspräsidium Oberfranken?
Der stammt aus Oberfranken, aus der Coburger Ecke.
— Verehrter Kollege, ich werde Ihnen gleich an anderen Beispielen nachweisen, daß es woanders ganz genauso ist und daß das keineswegs etwa eine Erscheinung aus einer Ecke ist, die Sie vielleicht in Verdacht haben, sie sei rot.
Wer von den Bauwilligen eine erste Hypothek zugesagt bekommen hat, steht vor der schweren Entscheidung, zu verzichten oder hohe Bereitstellungsprovisionen auf unbestimmt lange Zeit zu zahlen. Die oberste Baubehörde hat die Auffassung des Regierungspräsidiums bestätigt und ergänzend mitgeteilt, daß der Bund nicht annähernd genug Mittel zur Jerfügung stellen könne, um die Erwartungen zu erfüllen, die von den Bauwilligen mit Recht an das Zweite Wohnungsbaugesetz geknüpft worden seien.
Man spricht von verbitterten Bauwilligen und Bauinteressenten. Die haben kostenreiche Vorarbeit geleistet, um zum Bauen zu kommen. Ihnen mutet man jetzt zu, daß sie unter Umständen noch auf Jahre in ihren schlechten Wohnverhältnissen ausharren sollen, und ihnen droht noch eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Baukosten, die sie dann auch noch verkraften müssen. Die Werbung, die man mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz betrieben hat, darf dann aber nicht in einem solchen Gegensatz zur Wirklichkeit stehen, daß keine oder nur unzureichende Mittel vorhanden sind.
Mir liegt eine Entschließung aus derselben Ecke, vom Kreistag Coburg vor, wo in der gleichen Sache bittere Klage geführt wird, und Sie können mir nicht sagen, daß die Menschen, die dort zusammensaßen und diese Entschließung angenommen haben, etwa alle nun unserer Auffassung wären, auch vom Politischen her gesehen. Ich darf Ihnen vielleicht mit freundlicher Erlaubnis des Herren Präsidenten einiges aus dieser Entschließung des Kreistags Coburg zur Kenntnis bringen:
Der Kreistag nimmt mit ernster Besorgnis davon Kenntnis, daß sämtlichen Antragstellern auf Staatsbaudarlehen, die von der Regierung in die Rangstufe I eingereiht worden waren
und für die das Landratsamt die Anträge fristgerecht eingereicht hatte, von der Regierung mitgeteilt worden ist, daß ihre Anträge aus Mangel an Mitteln vorerst zurückgestellt worden seien. Das Zweite Wohnungsbaugesetz als sogenanntes Familienheimgesetz hatte in der Bevölkerung große Erwartungen über den Umfang der staatlichen Förderung des Eigenheimbaus erweckt, die nun in eine außerordentliche Enttäuschung und Verbitterung der Bauinteressenten umgeschlagen sind.
Es waren vom Landratsamt Coburg nur Anträge vorgelegt worden, die die Voraussetzungen der Dringlichkeitsstufe I a erfüllen und für die bis auf die staatlichen Mittel die Finanzierung, vor allem der ersten Hypotheken, voll nachgewiesen war. Wenn die Antragsteller nun auf das Jahr 1958 vertröstet werden, so wird damit unter Umständen die gesamte Vorbereitungsarbeit beim einzelnen sowohl als auch bei der unteren Verwaltungsbehörde wertlos. Bei erneuter Einreichung im kommenden Jahr muß evtl. eine Erhöhung der Baukosten und damit die vollständige Überarbeitung aller Unterlagen in Kauf genommen werden. Aber nicht genug damit: Es können zahlreiche Wohnungselendsfälle jetzt nicht beseitigt werden, obwohl ihre Bereinigung erst in einem Jahr kaum zu verantworten ist. Die untere Verwaltungsbehörde und die Mitglieder des Kreistages werden von den verbitterten Bauinteressenten bestürmt, Abhilfe zu schaffen.
Der Kreistag fordert deshalb die verantwortlichen Stellen mit allem Nachdruck auf, umgehend die erforderlichen Mittel zur Befriedigung wenigstens des größten Teiles der vorliegenden Anträge auf Bewilligung von Staatsbaudarlehen bereitzustellen.
Nun, ich darf Sie immer wieder daran erinnern, verehrter Herr Kollege Hesberg: Halten Sie diese Dinge zu Ihrer optimistischen Auffassung, daß genügend Geld da sei! Es reicht nicht einmal für den Bau von Familienheimen, und wenn jetzt gesagt wird: die Länder verteilen die Mittel, die sie vom Ministerium bekommen, einseitig, dann ist zahlenmäßig nachzuweisen, daß das auch nicht stimmt.
— Die Presse bringt zu dieser Sache einen Aufsatz „Baulustige erleben arge Enttäuschungen". Daraus will ich Ihnen nur einige Zahlen vorlesen, die zeigen, daß das eine ganz allgemeine Erscheinung ist. Von 21 vorliegenden Anträgen, die am 15. Februar 1957 vorlagen, konnten nur 3 genehmigt werden. Inzwischen — laut Auffassung des Kreisbaumeisters — liegen weitere 60 Anträge vor. Sie können nicht an das Regierungspräsidium weitergegeben werden, „weil dort bereits Tausende von termingemäß eingereichten Anträgen liegen, und von diesen nachträglich eingegangenen 60 Anträgen wird sehr wahrscheinlich kaum noch einer genehmigt werden."
Bei dem Regierungspräsidium in Bayreuth liegen zur Zeit viermal soviel Anträge auf Darlehen
vor, als nach den zur Verfügung stehenden Mitteln bewilligt werden können.
Wenn wir also zu der Auffassung kommen, daß diese 700 Millionen nicht reichen, dann haben wir nicht etwa einseitig den Bau von Genossenschaftsund Mitwohnungen im Auge, sondern gleichermaßen den Bau von Familienheimen, der Ihnen ja so am Herzen liegt. Sie sollten also durchaus unserem Antrag zustimmen können.
Nun, verehrte Damen und Herren, von zehn vorliegenden Anträgen — das sind jetzt Beispiele aus anderen Landkreisen — wird einer genehmigt, von 43 vorliegenden 13, von 59 sechs, von 9 drei. Dazu kommt noch, daß die Berücksichtigung des Überhangs von 1956 nach 1957 ja noch durchaus zweifelhaft ist, denn es ist ja in vielen Fällen eine Prüfung notwendig, ob die Antragsteller noch in die erste Rangstufe nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz einzureihen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Stierle, wären Sie so nett, uns einmal mitzuteilen, wieviel Millionen in die Regierungsbezirke gekommen sind und für welche Zwecke man diese Millionen nach dem Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetz in diesen von Ihnen genannten Regierungsbezirken ausgegeben hat?
Nach meinen Unterlagen ist es so, daß von den 10 Millionen Förderungsmitteln rund 5,5 Millionen für den Bau von Familienheimen, von Eigenheimen zur Verfügung standen
und daß diese Mittel gegenüber der Fülle von vorliegenden Anträgen einfach nicht ausreichen. Ihre Behauptung, daß die Mittel einseitig, etwa zugunsten des Miet- und Genossenschaftswohnungsbaus, verteilt worden seien, stimmt also nicht. — Bitte schön!
Herr Kollege Stierle, ist Ihnen klar, daß in diesem Regierungsbezirk dann nicht den bindenden Weisungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, zunächst die Anträge in Dringlichkeitsstufe 1 zu befriedigen, nachgekommen worden ist?
wohnung!)
Nun, über die Dringlichkeitsstufe, wie sie im Zweiten Wohnungsbaugesetz vorgesehen ist, kann man ja durchaus streiten.
— Das ist Gesetz, natürlich. Aber nach diesem
Gesetz ist es so, daß der Neubau von Familienheimen nicht generell einen Vorrang vor dem Neubau anderer Wohnungen hat,
sondern daß der Neubau von Familienheimen für Wohnungssuchende mit geringem Einkommen gleichrangig mit dem Neubau für Familienheime für Wohnungssuchende ist, die durch den Bezug des Familienheimes eine andere für Wohnungssuchende mit geringem Einkommen geeignete Wohnung frei machen.
Auch dazu kann ich Ihnen gleich ein kritisches Wort sagen, das Sie auch irgendwie berühren müßte. Ist es nicht ein Wahnsinn, daß derjenige, der über genügend Geld verfügt und sich aus eigenen Mitteln ein Eigenheim schaffen. könnte, nun Anspruch auf öffentliche Mittel hat, weil er seine billig erworbene Wohnung einem Minderbemittelten zur Verfügung stellt? Ist das gerecht? Ich kann Ihnen Fälle nachweisen, wo Leute mit einem Jahreseinkommen zwischen 24 000 und 25 000 Mark dieses durch allerhand Kunststücke so heruntermanipuliert haben, daß sie in den Kreis der Bevorzugten gekommen sind.
Ich wollte Ihnen nur nachweisen, daß man über die Rangfolge noch durchaus streiten kann.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es anderswo nicht anders ist, zeigt Ihnen eine andere Notiz: „Wohnungsbau in Schwierigkeiten" — Nordrhein-Westfalen erhält weniger Bundesmittel als erwartet. Trotz großer Anstrengungen der Landesregierung wird das Bauvolumen des sozialen Wohnungsbaus 1957 nicht die Höhe des Vorjahres erreichen. Dies erklärte der nordrhein-westfälische Wiederaufbauminister. Die Hauptursache sieht er in den Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt, der Baupreisentwicklung und den nicht ausreichenden Bemühungen der Bundesregierung. Nordrhein-Westfalen wird nach Angabe des Ministers aus dem Lastenausgleich und anderen Bundesmitteln rund 100 Millionen Mark weniger als erwartet für den sozialen Wohnungsbau erhalten. Im Jahre 1956 wurden in Nordrhein-Westfalen im sozialen Wohnungsbau 113 000 Wohnungen neu geschaffen. Für 1957 wird nur mit etwa 87 000 neuen Wohnungen zu rechnen sein, obwohl die nordrhein-westfälische Landesregierung die Etatmittel für den Wohnungsbau erheblich aufgestockt hat.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß es anderswo in dieser Sache nicht anders steht.
Mit diesen Beispielen soll es aber zunächst sein Bewenden haben. Nicht das allein aber hat uns zu unserem Antrag auf Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau gebracht. Die angeführten Beispiele zeigen auf, daß die 700 Millionen, die in Tit. 530 aufgeführt sind, zu gering sind, um die geweckten Hoffnungen zu erfüllen. Verschiedene andere Umstände aber führen außerdem noch dazu, daß die Förderungsmittel in Höhe von 700 Millionen gekürzt werden können.
Sie finden unter Tit. 532 die 458 Millionen für ein Wohnungsbauprogramm für Sowjetzonenflüchtlinge. Danach sollen aus diesem Titel Förderungsmittel im Höchstbetrag von 8000 Mark für eine Wohneinheit zur Verfügung stehen.
— Das können Sie sich selbst ausrechnen. Rechnen Sie bitte mit: Die Wohnung wird insgesamt — nicht zu hoch gerechnet — 20 000 Mark kosten. Die erste Hypothek wird nicht höher als etwa 7000 Mark sein. Dazu kommen die vorgesehenen Förderungsmittel in Höhe von 8000 Mark. Es bleibt also ein Rest von 5000 Mark. Wenn von den Ländern aus ihren Mitteln kein Zuschuß geleistet werden kann — und das wird fast überall der Fall sein —, dann kommt die Abwicklung dieses Wohnungsbauprogramms für Sowjetzonenflüchtlinge ins Stocken. Oder — und jetzt fängt es wieder an für uns interessant zu werden — man geht dazu über und nimmt die pro Wohneinheit fehlenden 5000 Mark aus dem Topf, in dem die an sich schon zu geringen allgemeinen Förderungsmittel für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 700 Millionen liegen. Das würde bedeuten, daß von den rund 55 000 Wohnungen, die man mit diesen 458 Millionen — umgerechnet auf 8000 Mark — bauen könnte, jeweils 5000 Mark — das wären 275 Millionen von den 700 Millionen — wieder wegnimmt. Ob es bei den 5000 Mark, die pro Wohneinheit fehlen, bleiben wird, ist noch sehr fraglich. 20 000 Mark für eine Wohneinheit ist kein feststehender Betrag. Die Preise gehen leider nach oben.
Darum also unser Antrag, wonach die Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge nur aus den 458 Millionen finanziert werden sollen. Wenn Sie dem Antrag des BHE, diese 458 Millionen auf 520 Millionen zu erhöhen, zustimmen, werden auch wir mit Freude dabeisein, weil das eine Sache wäre, mit der wir wirklich weiterkommen. Mit Ihrer Ermächtigung zur Verfügung über 370 Millionen ist uns nicht geholfen.
Ich sprach von verschiedenen Umständen. Einer I ist jetzt erwähnt worden. Aber eine weitere drohende Gefahr für die sowieso zu geringen allgemeinen Förderungsmittel in Höhe von 700 Millionen steckt in dem Tit. 620, in den Prämienbeträgen nach dem Wohnungsbauprämiengesetz. Hier sind 100 Millionen vorgesehen. In den Erläuterungen zu Tit. 620 und auch zu Tit. 530 finden Sie, daß die Prämienmittel, die über 100 Millionen hinausgehen, von den Ländern aus den ihnen gemäß § 18 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zugeteilten Mitteln zu entnehmen und demgemäß aus den Mitteln dieses Titels aufzubringen sind. — So heißt es dort wörtlich.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind die Haushaltsansätze für Prämienmittel um mehr als das Doppelte überschritten worden. 1955 waren es 129,8 Millionen. Im Jahre 1956 waren es 60 Millionen DM. In Wirklichkeit sind es über 120 Millionen DM, also mehr als 60 Millionen DM, die von den 700 Millionen DM abgehen, also von den Mitteln, die man den Ländern zur Förderung des allgemeinen Wohnungsbaues zur Verfügung stellt. Deswegen sagen wir mit Recht: wenn man jetzt, im Jahre 1957, 100 Millionen DM für diesen Zweck einsetzt, kann mit Sicherheit gesagt werden, daß in Wirklichkeit über 200 Millionen DM gebraucht werden. Mit anderen Worten: Von den 700 Millionen DM allgemeiner Förderungsmittel werden wieder 100 Millionen DM den Ländern abgezogen. Erhöhen wir also die 100 Millionen DM Prämienmittel nicht um mindestens weitere 100 Millionen DM, dann geht dieser Betrag, sicherlich sogar noch ein höherer, von den 700 Millionen DM an Förderungsmitteln verloren. Daß das stimmt, kann ich mit einer Äußerung des Herrn Wohnungsbauministers belegen. Er hat in der 197. Sitzung am 14. März 1957, als es um die Mittel ging, die verfügbar sind, selbst erklärt: Es stehen für 1957 700 Millionen DM minus 125 Millionen Prämienmittel zur Verfügung, so daß von den 700 nach dieser Rechnung nur noch 575 Millionen DM übriggeblieben wären. Darum beantragen wir zu Tit. 620, den Ansatz von 100 Millionen DM auf 200 Millionen DM zu erhöhen.
Bei dem Förderungsprogramm für LandarbeiterWerkswohnungen droht den 700 Millionen DM eine ähnliche Gefahr wie bei dem Programm für die Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge. Auch hier reicht der Ansatz nicht aus, und es droht, daß der Mehrbetrag der notwendigen Förderungsmittel von den 700 Millionen DM weggenommen wird. Vorsichtig gerechnet, gingen damit wieder 50 Millionen DM in ein Sonderprogramm. Die gleiche Gefahr droht vom Bergarbeiter-Wohnungsbauprogramm.
Ich rechne zur Verdeutlichung einmal zusammen, was von den 700 Millionen DM unter Umständen noch übrigbleibt und womit man dann den Sozialen Wohnungsbau noch allenfalls fördern könnte. Es droht und ist in vielen Fällen sogar sicher ein Abzug bzw. eine Anrechnung für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge zwischen 250 und 275 Millionen DM, bei den Prämienmitteln von 100 bis 150 Millionen DM, bei dem Landarbeiter-und Bergarbeiterwohnungsbau zwischen 50 und 75 Millionen DM. Zusammengerechnet sind das im günstigsten Falle 400, im ungünstigsten Falle 500 Millionen DM, die von den 700 Millionen DM abgehen, so daß dann noch lächerliche 200 bis 250 Millionen DM allgemeine Förderungsmittel zur Verfügung blieben.
Ich hoffe, daß dieser Beweis Sie nachdenklich macht und vielleicht dahin bringt, daß Sie unserem Erhöhungsantrag zustimmen. Wenn wir so verfahren, daß wir die 700 Millionen DM auf eine Milliarde DM erhöhen, dann retten wir, selbst wenn noch einiges angerechnet oder abgezogen werden sollte, immerhin noch die 700 Millionen DM, die dann echt zur Förderung des Sozialen Wohnungsbaus verfügbar sind.
Verehrte Kollegen, wir sind nicht die einzigen, die mehr Geld fordern. Der Gesamtvorstand des Deutschen Volksheimstättenwerkes hat durch seinen Vorsitzenden, unseren Kollegen Pünder, ein Schreiben an den Bundesminister für Wohnungsbau gerichtet und darin gebeten, sich für eine wesentliche Erhöhung der im Bundeshaushaltsplan 1957 Einzelplan 11 Kap. 11 10 Tit. 300 für Kapitalabfindungen nach dem Bundesversorgungsgesetz vorgesehenen Etatmittel in Höhe von 95 Millionen DM einzusetzen.
— Es ist genau dieselbe Geschichte.
Es wird gesagt, für diese Zwecke müßten mehr Gelder zur Verfügung stehen.
Es geht dem Gesamtvorstand des Deutschen Volksheimstättenwerks darum, daß den Leuten dies(
Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen
Sie bringen das Geld, das sie für die Restfinanzierung brauchen, nicht mehr auf.
Meine Damen und Herren, zu dem Haushaltsvorschlag, der uns hier gemacht wird, ist noch in mancherlei anderer Beziehung etwas zu sagen. Unter Tit. 830 — auf Seite 30 — finden Sie ein Wohnungsbeschaffungsprogramm für Angehörige der Bundesverwaltung. Dort sind 48 Millionen DM vorgesehen, mit denen 3000 Wohnungen gebaut werden sollen. Rechnen Sie das auf eine Wohnung um, dann ergeben sich 16 000 DM pro Wohneinheit.
Unter Tit. 832 — auf Seite 31 — finden Sie 1 251 000 DM, mit denen 33 Wohnungen gebaut werden sollen. Umgerechnet ergeben sich 40 000 DM pro Wohneinheit.
Unter Ziffer 2 des gleichen Titels werden 569 000 DM aufgeführt, mit denen 9 Wohnungen gebaut werden sollen. Umgerechnet bedeutet das pro Wohneinheit 63 200 DM.
Ich frage Sie: wie sieht denn eigentlich die Finanzierung dieser Wohnungsbauten aus? Wie sieht insbesondere die Wirtschaftlichkeitsberechnung dieser Wohnungen aus?
Wie hoch ist die Miete in solchen Wohnungen, wer kommt in diese Wohnungen? Und wir fragen ganz naiv: warum sind denn die Mieter, die man in diese kostspieligen Wohnungen stecken will, nicht reif für eine Darlehensgewährung?
Ich weiß, was man mir vielleicht antworten wird. Man wird sagen: Mit diesen Programmen sollen Familien zusammengeführt werden, sollen Trennungsentschädigungen eingespart werden! Ob diese Finanzierungsprogramme berechtigt und notwendig sind, wird erst eine nähere Betrachtung ergeben. Nehmen wir aber für unsere heutige Betrachtung einmal als gegeben an, daß das, was uns hier aufgeführt wird, stimmt. Dann zeigen diese Beispiele doch sehr deutlich, welch hohe Zuschüsse notwendig sind, wenn man den Wohnungsbau finanzieren will oder es tun muß. Ziehen Sie bitte einmal einen Vergleich zwischen diesen Zahlen von 16 000 DM bis über 60 000 DM pro Wohneinheit an Darlehen aus öffentlichen Mitteln und dem Gehänge und Gewürge in den Bewilligungsstellen der Länder! Dann sehen Sie auch von dieser Stelle aus, wie notwendig die Erhöhung der 700 Millionen DM auf mindestens 1 Milliarde DM ist.
Nun, die Verhältnisse sind leider nicht so, wie sie der Zentralverband der deutschen Haus- und Grundbesitzer etwa sehen möchte. Im Februar hat dieser Verband in Bonn eine Tagung gehabt. Man kam dort zu der Auffassung, es müsse endlich mit der Wohnraumbewirtschaftung Schluß gemacht werden, es dürfe keine Mietpreisbindungen mehr geben, und statt Mieterschutz müsse die Vertragsfreiheit Platz greifen; man hält Mietsteigerungen von 40 %, gestaffelt auf eine gewisse Zeit von etwa zwei Jahren, für durchführbar. Der Herr Bundeswohnungsbauminister meinte dort, wenn im nächsten Bundestag wieder eine bürgerliche Koalition am Ruder sei, dann sei es durchaus möglich, daß in drei Jahren die Wohnraumbewirtschaftung und die Mietpreisbindung über Bord gingen.
Nun, der Optimismus des Herrn Bundeswohnungsbauministers hat sich auch in anderer Beziehung nicht bewahrheitet. Damals ging er so hoffnungsfreudig an die Arbeit, daß er meinte: wenn ich hier vier Jahre lang gewirkt habe, dann bin ich nicht mehr notwendig, weil es dann keine Wohnungsnot mehr gibt.
Die Zahlen. die ich Ihnen vorhin genannt habe, stellen eine ganz andere, krasse Wirklichkeit dar: noch jetzt fehlen uns 21/2 bis 3 Millionen Wohnungen, und von einem verfügbaren Überschuß an leeren Wohnungen kann überhaupt keine Rede sein.
Ich habe aber den Eindruck, daß der Bundeswohnungsbauminister hinsichtlich der Zielsetzung, die er auf der Tagung des Zentralverbandes der deutschen Haus- und Grundbesitzer skizziert hat, schon eifrig an der Vorarbeit ist. Er hat einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Die Regierung hat ihn gutgeheißen. Er ist zunächst dem Bundesrat zugegangen. Danach war für den Altbestand an Wohnungen, sofern ihre Miete eine gewisse hohe Grenze hat, geplant, daß künftig die Mietpreisbindung wegfällt. Ursprünglich war daran gedacht — und zwar galt das dm Frühjahr 1956 —, daß die Einraumwohnung, die 70 DM kostete, dann also nicht mehr mietpreisgebunden sein sollte. Nach den neuesten Vorschlägen ist man auf 50 DM heruntergegangen. Von 100 DM für eine Zweiraumwohnung ist man auf 75 DM heruntergegangen. Bei der Dreiraumwohnung hat man die Miete von 130 DM neuerdings auf 110 DM ermäßigt. So staffelt sich das auf 130 bzw. 180 DM. Der Bundesrat hat sowohl im Wohnungsbauausschuß als auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß diesen Vorschlag der Bundesregierung, also des Ministers, abgelehnt. Und zwar sagt man mit Recht: Dazu ist die Zeit nicht reif, und das Durcheinander, das wir auf diesem Gebiet jetzt schon haben, würde durch diese Neuordnung noch größer.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mich wegen ,der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen. Es wäre noch eine ganze Menge zu diesen Dingen zu sagen. Die praktischen Erfahrungen, die bis jetzt mit dem Zweiten Wohnungsbaugesetz gemacht wurden, lassen befürchten, daß dieses Gesetz unzureichend ist. Die Rangfolge, von der ich schon bei der Förderung gesprochen habe, entspricht nicht den Verhältnissen und der Dringlichkeit und enthält Ungerechtigkeiten. Die öffentlichen Förderungsmittel entsprechen nicht den Bedürfnissen. Die genossenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Sozialen Wohnungsbaus geht in erschreckendem Maße zurück. Überall, wo wir hinsehen, wo wir mit den Leuten von der Wohnungswirtschaft sprechen, oder wenn wir bei den Bewilligungstellen Erkundigungen einholen, wird uns immer wieder mit Bedauern bestätigt, daß der Wohnungsbau für den Leistungsschwachen zu kurz kommt.
Ich habe Ihnen schon vorhin gesagt, welch krasse Fälle von Ungerechtigkeit es heute gibt. Jemand mit 24- bis 25 000 DM Jahreseinkommen bringt es durch geeignete und geschickte Manipulationen fertig, in den Kreis der Bevorrechtigten eingestuft zu werden.
— Ich werde Ihnen Beispiele dafür .bringen, daß es wahr ist. So, meine Damen und Herren, sieht es praktisch aus.
Nun noch ein Beispiel für Sie, die Sie uns immer im Verdacht haben, wir wären von Haus aus, gewissermaßen von Geburt aus gegen die Schaffung von Eigentum eingestellt. Eine große Genossenschaft in Nürnberg, die Biber genügend Baugelände verfügt, war bereit, dieses Gelände im Erbbau zum Bau von Familienheimen abzugeben.
— Na, das genügt Ihnen noch nicht! Es wäre doch schon eine Wohltat, wenn die Betreffenden für die Zeit von 99 Jahrein in diesen Heimen sitzen könnten und es als Eigentum ansehen könnten. Und in aller Regel ist es doch so, daß dieses Erbbaurecht entsprechend verlängert wird. Sie fragen also ganz zu Unrecht: „Warum nur im Erbbau?" Man hatte bei dieser Genossenschaft ausgerechnet: Wir brauchen pro Quadratmeter 5 DM und nehmen auf sen Betrag 3 % Erbbauzinsen. Rechnen Sie ein kleines bescheidenes Beispiel aus: 300 qm zu je 5 DM, das sind 1500 DM. 3 % davon sind im Jahr 45 DM Erbbauzinsen. Man verlangte von den Interessenten, sie sollten 5 000 DM beibringen, einerlei, ob das gespartes Geld, Arbeitgeberdarlehen, Lastenausgleichsmiittel oder Geld aus Bausparverträgen war.. Man hatte im Bereich dieser Genossenschaft genügend Leute, die auf dieser günstigen Basis sich ein .Heim schaffen wollten. Das Ergebnis war null, denn man erklärte ihnen, als man die Anträge weiterbearbeiten wollte, das Volumen an verfügbaren öffentlichen Mitteln zum Bau von Familienheimen für Bauherren mit geringen Einkommen sei bereits restlos aufgezehrt. Sie sehen also auch hier wieder ein Beispiel dafür, daß die 700 Millionen DM, selbst wenn sie voll erhalten blieben, zuwenig sind.
Aber die Beispiele, die ich Ihnen hier angeführt halbe, zeigen Ihnen, daß die 700 Millionen DM nicht erhalten bleiben, sondern auf Grund von Anrechnungen und Abzügen auf einen 'Bruchteil zusammenschmelzen.
Ich frage Sie: Was soll man denn eigentlich im Zeichen des Wirtschaftswunders und unseres finanziellen Aufstiegs den Evakuierten sagen, die endlich wieder in ihrem Heimatort oder am Ort ihres letzten Wohnsitzes vor der Evakuierung zu einer angemessenen Wohnung kommenwollen, damit aber auf unbestimmte Zeit vertröstet werden?! Die Koalitionsparteien haben bei der vorjährigen Haushaltsberatung über den Einzelplan 25 unseren Antrag auf Erhöhung der Etatmittel für die Rückführung der Evakuierten auf 100 Millionen DM abgelehnt. Wir könnten mit denselben guten Gründen und noch viel dringlicher als damals dem Hohen Hause heute den gleichen Antrag vorlegen. Vielleicht hätten wir heute mehr Aussicht auf Erfolg. Es scheint sich bei Ihnen die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, daß hier eine Auigalbe vorliegt, an deren Lösung man bisher nicht energisch genug herangegangen ist. Was Sie uns vor einem Jahr ablehnten, holen Sie jetzt, wenn auch nicht ganz, so doch teilweise nach.
Auf Umdruck 1092*) beantragen Sie von der CDU/CSU und von der DP [FVP] die Einsetzung eines Leertitels 534 für Darlehen an die Länder zur Finanzierung des Wohnungsbaes zugunsten
*) Siehe Anlage 32 von Evakuierten, worin die Ermächtigung erteilt wird, für das Rechnungsjahr 1958 his zur Höhe von 30 Millionen DM vertragliche Bindungen einzugehen. Damit werden praktisch die 35 Millionen DM, die unter Tit. 535 schon eingesetzt sind, auf 65 Millionen DM erhöht. Da kann man nur sagen: spät kommt ihr, doch ihr kommt! Hätten Sie im vorigen Jahre unserem Antrag zugestimmt, dann brauchten Sie heute nicht mit einem Leertitel zu kommen, der allenfalls die Möglichkeit vorsieht, für weitere 30 Millionen DM Bindungen einzugehen.
— Sie werden zugeben, daß ja auch das Thema wichtig und das Anliegen dringend ist. Sie entsinnen sich wohl noch der Zeit, wo wir einmütig der Auffassung waren, der soziale Wohnungsbau sei die Aufgabe Nummer eins. Ich bedaure, daß wir heute in so 'später Stunde und bei so schlechter Besetzung über diese Dinge verhandeln müssen. Mir wäre es viel lieber gewesen, wir hätten zwischen fünf und sechs Uhr über diese Sache sprechen können.
Was ich Ihnen heute vorgetragen habe, sollte Sie zu der Überzeugung bringen, daß die Anträge, die wir stellen, wirklich gute Gründe für sich haben. Es muß gewissermaßen in jedem von uns heißen: helfe schnell, indem du mehr gibst! Jeder von uns müßte sich darüber klar sein, es kann mehr gegeben werden angesichts der Not, die vor uns liegt. Müssen wir uns bei all unserem Wohlstand, bei all den Erfolgen, die wir auf weiß Gott welchen Gebieten erreicht haben, nicht schämen, wenn wir es nicht fertigbringen, in diesen Zeiten, in denen es uns gut geht, in diesen 'Zeiten unserer finanziellen Fülle mit den Dingen fertig zu wer- den, die eine Schande für uns sind?!
In dem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zu unseren Anträgen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, sich habe noch den Umdruck 1059 und den Umdruck 1067 vorliegen. Sie sind inhaltlich gleich. Ich möchte fragen, ob die Antragsteller wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht auf die Begründung verzichten wollen.
Ich kann das natürlich nicht bestimmen. Bitte, Frau Abgeordnete Heise.
Meine Damen und Herren! Die Begründung dieser beiden Anträge geht, glaube ich, sehr schnell. Sie gründen sich auf die Drucksache 1890. Dieses Kind hat die DP in die Welt gesetzt; sie hat sich aber recht wenig darum gekümmert. Schließlich hat der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen nach zwei Jahren den Antrag zur Bewilligung der Mittel an den Haushaltsausschuß überwiesen, nachdem wir und auch der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einmütig dafür gestimmt hatten. Im Haushaltsausschuß ist der Antrag dann am 14. März
*) mit der Begründung abgelehnt worden, daß dafür keine Mittel mehr vorhanden seien.
Die beiden Anträge send inhaltlich gleich. Der eine stammt von den Fraktionen der SPD und des GB/BHE, und der andere ist von Mitgliedern aller Fraktionen unterschrieben. Es handelt sich darum, zur Förderung des Kleingartenwesens bzw. zur Finanzierung der Anlage von Dauerkleingärten 2 Millionen DM bereitzustellen. Diese Mittel sollen einen Anreiz für die Länder darstellen, etwas mehr als bisher für die Anlage und die Erhaltung solcher Kleingärten zu tun. Seien Sie, meine Damen und Herren, doch nicht so abweisend gegenüber diesen Anträgen! Die Kieingartenverbände im Bundesgebiet haben immerhin etwa 5.20 000 Mitglieder mit einer dreiviertel Million Kleingärten. Sie werden das beim Wahlkampf auch noch merken. Täglich müssen einige von diesen Gärten ein ,allen Ländern der vorrückenden Bebauung weichen.
Gewiß haben einige Länder schon von sich aus die Anlage von Dauerkleingärten gefördert. Aber allein in dem Industriebezirk von Nordrhein-Westfalen gibt es 16 000 Anwärter für Dauerkleingärten. Man sollte auch daran denken, daß diese Menschen es nötig haben, wenigstens samstags und sonntags aus dem Staub und Dreck heraus an die Peripherie zu kommen. Bei den finanzschwachen Ländern ist es so, daß Ländermittel wicht zur Verfüguahg stehen und daß die Kleingartenwilligen immer wieder abgewiesen werden.
Ich darf hier vielleicht noch einen Sprecher zitieren, der Ihnen nicht ganz unangenehm sein wird, nämlich Ihren Ersten Vorsitzenden, den Herrn Bundeskanzler. Er hat neulich bei der Eröffnung der Bundesgartenschau sehr warme Worte für diese Angelegenheit gefunden.
Er hat gesagt, man müsse die Verbundenheit mit der Natur und mit dem Garten wachhalten.
An einer anderen Stelle spricht er dann davon
— unterbrechen Sie mich doch nicht dauernd; es geht viel schneller, wenn 'ich allein spreche —, daß die Beziehung zwischen Wohnhaus und Garten hergestellt werden müsse.
Mißt diesen 2 Millionen DM für das Bundesgebiet können wir gewiß keinen Riesenerfolg erzielen. Aber wir können damit den Ländern den Vorwand nehmen, daß kein Geld für Neuanlagen vorhanden sei. Auch die Gemeinden können dann darauf verweisen. Die zahlreichen kleinen Vereine werden mit ihren Informiationsblättchen schon dafür sorgen, daß die Kleingartenvereine wissen, an wen sie sich zu wenden haben.
Ich bitte Sie also, den beiden Anträgen zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, es liegt schließlich noch der interfraktionelle Antrag auf Umdruck 1049*) vor. Ich glaube, das Haus kann hier auf eine Begründung verzichten. — Das Haus verzichtet auf die Begründung. Dann wären wir am Ende der Begründung der Anderungsanträge.
*) Siehe Anlage 38
Ich eröffne die Diskussion, mache aber darauf 'aufmerksam, daß wir in der zweiten Lesung sind, daß wiralso keine generelle Diskussion haben. Ich weiß, daß man Mer nicht ganz scharf trennen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Kollegen StierLe erfordern sowohl hinsichtlich der Zahlen als auch hinsichtlich der Grundlagen einige Richtigstellungen.
Der Herr Kollege Stierle hat bezeichnenderweise eine Reihe von Beispielen angeführt, in denen Anträge von Personen mit geringem Einkommen. auf Familienheime nicht befriedigt werden können. Er hat aber kein einziges Beispiel angeführt, in dem Mietwohnungsanträge nicht befriedigt werden können. Die Beispiele, die er genannt hat, haben erstens gezeigt, wie notwendig das Familienheimgesetz gewesen ist.
Sie haben zweitens gezeigt, wieviel Anträge von Personen mit gerlingem Einkommen auf Familienheime mit einer Vollfinanzierung gestellt werden und wie sehr selbst in diese Kreise unserer Bevölkerung schon die Sparfreudigkeit und der eiserne Sparfleiß eingedrungen sind.
Woher kommt es, daß die Ansprüche' nicht befriedigt werden können? Der Herr Kollege 'Stierle ist dieser Frage immer wieder aus dem Wege • gegangen. Er hat gesagt: Mietwohnungen müssen auch gebaut werden. Sicherlich, aber sollten wir nicht alle gemeinsam, insbesondere nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Kurlbaum von der SPD heute vormittag, der hier mit Emphase und feierlich erklärt hat, die SPD sei entschlossen und bereit, an der Eigentumsbildung für die Arbeitnehmer in vollem Ausmaß mitzuwirken, sollten wir da nicht froh sein, daß so viele Anträge auf ein Familienheim von Personen mit geringem Einkommen gestellt werden? Sollten wir nicht angesichts dieser Tatsache den Mietwohnungsbau gerade für diese Kreise noch stärker einschränken, als es bisher auf Grund des Gesetzes für die Dringlichkeitsstufe 1 geschehen mußte?
Hic Rhodus, hic salta! müßte man der SPD in der Frage der Eigentumsbildung sagen.
Warum können diese Anträge in dem Regierungsbezirk, den Sie genannt halben, nicht befriedigt werden? Ich habe hier heute nachmittag von einem Kollegen gehört, daß in den nordbadischen Förderbezirken drei Fünftel der Anträge von Einkommensschwachen auf Familienheime nicht befriedigt werden können. Warum nicht? Weil die Mittel in übermäßigem Ausmaß in die überfüllten und platzenden Großstädte gehen, wo sie ausschließlich in den Mietwohnungsbau gegeben werden.
Hier liegt der Hase im Pfeffer!
— Ja, eben, dann ist die Verteilung auf die Regierungsbezirke seitens des Landes Bayern eben nicht richtig gewesen und hat sich vor allem nicht genau an die Kompromißformel gehalten, die die Länder hinsichtlich der Dringlichkeitsstufen und der Mel-
dungen bei der Verplanung der Mittel selbst vorgeschlagen haben. So liegen die Dinge.
Wenn ich diese Frage noch einmal anschneide, so deshalb, weil wir von der SPD endlich einmal eine klare Antwort auf die Frage hören möchten, wie sie zur Eigentumsbildung durch Wohnungsbau stehen.
Die Antwort wird nicht dadurch gegeben, daß man — ich komme auch sauf die Mittelforderung gleich zurück — immer mehr Mittel fordert, sondern die Antwort wird dadurch gegeben, daß man den Finger wirklich ,auf die Wunde legt und sich fragt, wie es zu dem Mißstand kommt, daß die Mittel für den Familienheimbau verweigert werden.
Von der SPD werden immer wieder die Schwierigkeiten hervorgekehrt. Der Schwierigkeiten sind wir uns sehr wohl bewußt. Aber Sie sagen nie klar, mit welchen Mitteln — außer: Bund, gib du mehr Mittel! — Sie die Schwierigkeiten bekämpfen wollen. Sie sagen nie etwas Positives zu der Sache, wie Sie auch zum Gesetz selbst — und dessen rühmen Sie sich immer — nein gesagt haben. Hier wäre die Möglichkeit gewesen! Seit 1949 55 Milliarden DM Investitionen im Wohnungsbau! Antworten Sie klar sauf die Frage: Wollen Sie, daß weiterhin nur 20 bis 25 % der aufgewandten 19 Milliarden öffentlicher Mittel — und für diese 55 Milliarden DM Investitionen sind 19 Milliarden DM öffentliche Mittel aufgewandt worden — dem Familienheimbau zugute kommen? Soll es so bleiben, daß nur 20 bis 25 % zur Eigentumsbildung derer dienen, die in diesen Wohnungen wohnen, während die übrigen drei Viertel mit ihrer Miete dazu beitragen, daß Dritte, meist große GmbHs — keineswegs kleine gemeinnützige Genossenschaften; die haben sich sehr weitgehend in die Betreuung hinemgefunden — mit 60 000 und 80 000 Wohnungen, die sich noch gemeinnützig nennen, von diesen Mieten Zinsen, Kapitalkosten und Bewirtschaftungskosten tilgen und diesen Komplex erhalten?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um diese Frage geht es. Dabei wären wir der SPD dankbar, wenn sie hier eine eindeutige, klare Antwort zum Gesetz und zur Tendenz „Eigentum durch Wohnungsbau" geben und nicht immer wieder ausweichen würde. Heute vormittag haben Sie Herrn Minister Erhard gesagt: Sie kamen zu spät mit Ihrer Volksaktie! — Uns sagen Sie immer wieder: Sie kommen zu früh mit dem Familienheim; es ist noch nicht so weit!
Hier muß einmal Farbe bekannt werden. Wenn man wirklich Eigentum in der Hand des Arbeitnehmers haben will: das ist der einfachste und klarste Weg, Eigentum zu schaffen.
Sie haben niemals die Hand auf die Wunde gelegt — ich komme zu den Anträgen, die Sie gestellt haben —, nämlich daß die vom Bund bereitgestellten Mittel in den Ländern tatsächlich viel zu spät verplant und erst nach einem Jahr oder sogar erst nach eineinhalb Jahren verbaut werden. Ich werde Ihnen hierfür aus der Statistik der Länder nachher genaue Zahlen nennen. Sie legen hier nicht den Finger drauf. Und warum nicht? Weil Sie mit den Wohnungsbauministerien, die in den Ländern in großer Zahl in Ihren Händen sind, oder aber mit den Regierungen, die von Ihnen wesentlich kontrolliert werden, um der Bekämpfung der Not willen in den Ländern ein sehr ernstes Wort sprechen müßten. Das ist höchste Zeit!
Sie sagen nichts. Sie sprechen von den hohen Kapitalkosten bei den Hypotheken. Sie sagen aber nichts davon, daß die Lastenbeihilfen, die wir hier beschlossen haben, in den Ländern nicht angewendet werden — mit Ausnahme der Stadtstaaten —, obwohl wir sie dazu ermächtigt haben und obwohl wir ihnen aus Bundesmitteln die Möglichkeit gegeben haben, einen großen Teil dieser Lastenbeihilfen zu tragen.
Sie sagen nichts über die von den Ländern dauernd verhinderte Ablösungsverordnung. Ich muß mit Schrecken hören, daß einige Präsidenten der Landeskreditanstalten , vor allem einer, der sogar in zwei großen Bankanstalten Präsident ist, aus rein verwaltungstechnischen und bankmäßigen Gründen immer wieder versucht, die Ablösungsverordnung zu verzögern. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Wohnungsbaugesetzes ist es höchste Zeit, daß die Ablösungsverordnung, die nicht nur Kapital, sondern auch dem Familienheim Vorteile bringt, endlich erlassen wird.
Meine sehr Verehrten, wir könnten noch viele dieser Versäumnisse in den Ländern anführen. Wir sprachen vorhin von Großstädten und Anträgen für Gebiete am Rande der Ballungszentren, wo man Familienheime bauen kann. Ich möchte nur in Stichworten sagen: Industrie-Streuung, — Landesplanung, — Verteilung der Mittel innerhalb der Länder dorthin, wo der Boden noch zu halbwegs vernünftigen Preisen zu haben ist und wo viele Leute wirklich Eigenheime bauen wollen, aber die Mittel nicht hingelenkt werden. Ich will nur auf die Macht der Großstädte hinweisen, die immer wieder die Mittel auf sich ziehen, und auf vieles andere.
Aber die Zeit ist kurz. Lassen Sie mich nur noch zu den 400 Millionen DM einiges sagen, die auch mit dem Antrag des BHE in Zusammenhang stehen.
Wir haben in dem Änderungsantrag Umdruck 1092*) Ziffer 1 die wirklich brennende Frage der Lagerräumung angesprochen, die wir, wie wir glauben, mit wirksameren Mitteln vorantreiben wollen. Warum halten wir diese Mittel für wirksamer? Wir gehen einmal in der Höhe des Ansatzes weit über den Antrag des BHE von 62 Millionen DM hinaus. Wir halten unseren Antrag auch deshalb für wirkungsvoller — obwohl er nur eine Ermächtigung enthält —, weil aus der Ermächtigung jene Länder etwas bekommen sollen, die die Wohnungsbaumittel für Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler tatsächlich verbraucht haben.
Das ist ein Minimum der Länder. Wir wollen hier schwarz auf weiß haben, welches Land den Antrag auf mehr Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler stellt, und das erfahren wir durch die Ermächtigung. Ich glaube, daß der Herr Finanzminister keinen Moment zögern wird, wenn diese Gelder nachweisbar verbraucht worden sind und neue gebraucht werden, diese zur Verfügung zu stellen im Vorgriff auf 1958, wie es im Haushalt enthalten ist. — Ich schließe aus seinem Nicken, daß er diese Meinung teilt.
Wie sind aber die Tatsachen? Das Problem ist zu ernst, als daß wir uns mit Anträgen über die Wirklichkeit hinwegtäuschen könnten. Das Problem ist viel zu ernst! 400 000 Menschen! Wer ein-
*) Siehe Anlage 32
mal in diesen Lagern mit 50 oder 60 Personen in einem Raum, Personen beiderlei Geschlechtes und jeden Alters, gewesen ist, um das dort mit anzusehen, die physischen Schmerzen usw., der weiß, wie ernst diese Frage ist. Wir müssen dem Herrn Bundestagspräsidenten dankbar sein, daß auf das Drängen seiner Gattin und einer Reihe anderer führender Persönlichkeiten nun systematisch auch führende Männer unseres Volkes in diese Lager hineingeführt werden, um dort die Wirklichkeit zu sehen.
Aber wo liegt denn der Krebsschaden? Ich will Ihnen ein paar Zahlen aus den Statistiken der Länder nennen. Ich habe einige schon in der Debatte vom 14. März angeführt. Von den Mitteln, die vom Bund am 27. Mai 1955 freigegeben worden sind, waren am 1. Januar 1957 noch 6500 Wohnungen nicht bezugsfertig — nach fast eindreiviertel Jahren. Das kann man nicht mit der Bauzeit und das kann man auch 1955 nicht mit den ersten Hypotheken beschönigen; das liegt daran, daß in gewissen Ländern diese Mittel nicht rechtzeitig oder mit großem Unwillen verplant werden.
Weiter: Es gab sogar Bundeswohnungsmittel vom 6. August 1953, für die es am 1. Januar 1957 zum Teil noch keine bezugsfertigen Wohnungen gab, und auch die Wohnungen, die mit den am 12. Oktober 1954 ausgeschütteten Mitteln erstellt werden sollten, waren zum Teil am 1. Januar 1957 nicht bezugsfertig. Und jetzt, meine sehr Verehrten, wird es ganz schlimm: Von den Mitteln, die am 5. März 1956 vom Bund zur Verfügung gestellt wurden, hat Holstein im Bau am 1. Januar des folgenden Jahres 35 % dieser Wohnungen,
Hamburg 0 % — das sind Statistiken der Länder, die dem Bundesvertriebenenministerium zur Verfügung stehen und die vervielfältigt auch in den Ausschüssen, z. B. im Vertriebenenausschuß, zur Verfügung gestellt wurden —, Hessen 10 %, Nordrhein-Westfalen und Bremen 42 %, Rheinland-Pfalz 20 %, Bayern 30 %, Berlin 0 %, Baden-Württemberg 65 %. Meine sehr Verehrten, nach dreiviertel Jahren waren so wenig Wohnungen für diese Mittel im Bau!
Nun werden Sie mit den ersten Hypotheken kommen. Ich weiß schon, was da kommt. Auch dazu werde ich Ihnen gleich noch ein Wort sagen.
Noch schlimmer ist die Sache bei der folgenden, bei der nächsten Aktion, deren Mittel etwas später zur Verfügung gestellt wurden. Hier waren am 1. Januar 1957 überhaupt noch nicht im Bau ein großer Teil in Schleswig-Holstein, Hessen, Bremen und Berlin. Ich will Sie nicht zu sehr mit Zahlen aufhalten; ich will nur auf den Einwand „erste Hypothek" eingehen und auch auf die 8000 DM, die ebenfalls einer Richtigstellung bedürfen. Es werden pro Person, und zwar für Kinder und Erwachsene mit Ausnahme von alleinstehenden Jugendlichen, vom Bund 2000 DM gegeben. Die Länder haben sich verpflichtet, das um 20 °/o aufzustocken. Das bedeutet, daß, wenn Sie in eine Vierraumwohnung fünf Personen geben, mindestens 12 000 DM zur Verfügung stehen — 12 000 DM an öffentlichen Mitteln. Wenn Sie sechs Personen — sagen wir, vier Kinder und zwei Eltern — in diese Vierraumwohnung geben, stehen 14 000 DM zur Verfügung.
Es kommen immer mehr Aussiedler. Diese und die C-Ausweis-Leute bekommen noch Aufbaudarlehen für Wohnungsbau, 4- bis 5000 DM, insgesamt also 19 000 DM.
Herr Bundesfinanzminister, man müßte auch sehr stark darauf sehen, was eigentlich mit den Ersparnissen aus der pauschalierten Kriegsfolgen-hilfe geschieht. Denn für jeden Flüchtling und Aussiedler, der aus dem Lager herausgenommen wird, werden Ausgaben in den Lagern eingespart. Nach dem Vierten Überleitungsgesetz dürfen Ersparnisse aus der Kriegsfolgenhilfe, die den Ländern pauschaliert gegeben wird, nur zu den gleichen Zwecken und für den gleichen Personenkreis verwendet werden; also wenn sie für die Verwaltung der Lager nicht gebraucht werden, für den Wohnungsbau, so wie damals, als der Bundesfinanzminister noch die Mittel unter seiner Obhut hatte, als sie nicht pauschaliert waren. Damals wurden alle Ersparnisse in die Lagerräume durch Wohnungsbau hineingelegt. So müßte es auch hier sein. Wenn Sie das zusammenstellen, Herr Kollege Stierle, so haben Sie ohne erste Hypothek Ihre 21- bis 22 000 DM. Wenn man jetzt zwei Familien auf ein Eigenheim mit zwei Wohnungen rechnet, so sind das 40- bis 44 000 DM an Mitteln für dieses Eigenheim. Dafür kann man für jene Leute, die sparwillig sind und die das bewiesen haben und die zwei, drei Jahre in den Lagern waren, sogar Eigenheime bauen. Ich bin dankbar, daß, wie ich gehört habe, in Hamburg eine solche Aktion angelaufen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön.
Herr Kollege Czaja, haben Sie bei Ihren jetzigen Ausführungen auch berücksichtigt, daß die Baukosten in den zurückliegenden Jahren gestiegen sind und daß die Restfinanzierung dieser Wohnungen ein sehr schwieriges Problem ist? Haben Sie auch berücksichtigt, daß die Familien der Sowjetzonenflüchtlinge, die da unterzubringen sind, im Durchschnitt nicht aus fünf oder sechs Personen bestehen und daß Ihre Rechnung in demselben Augenblick zusammenbricht, wo die Familie nur aus drei Personen besteht? Und letztens: Wäre es nicht besser, mit den Ländern über die ungelöste Frage der Restfinanzierung zu reden, anstatt sie hier auf die Anklagebank zu setzen?
Herr Kollege, Sie haben eine Fülle von Fragen gestellt. Ich will versuchen, sie in aller Kürze zu beantworten.
Was die Restfinanzierung im Wohnungsbau betrifft, so glaube ich einige Erfahrungen zu haben. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich bei einer ganz einfachen Rechnung auf 22 000 DM ohne erste Hypothek gekommen bin. Wenn Sie noch eine erste Hypothek von 5000 DM dazunehmen, kommen Sie auf 26- bis 27 000 DM. Soweit sind wir noch nicht, daß die Kosten einer Mietwohnung — nicht einmal eines Eigenheims! — so hoch sind, daß wir nicht für 22 000, 23 000, 24 000 DM eine sehr vernünftige Vierraumwohnung erstellen können. Dieses Argument, Herr Kollege Jaksch — ich bin froh, daß Sie die Dinge so offen zur Sprache bringen —, verfängt also nicht.
Ernster ist das Argument mit den drei Personen zu nehmen. Aber Sie wissen so gut wie ich,
Herr Kollege, daß Sowjetzonenflüchtlinge und Aussiedler gar nicht alle in neuen Wohnungen untergebracht werden, sondern daß sie nur zumutbar unterzubringen sind, und daß ein Großteil dieser Personen, insbesondere auf dem Lande, gar nicht in die neuen Wohnungen kommt, sondern leider in Teilwohnungen und in Altwohnungen.
Herr Kollege Dr. Czaja, hat nicht die derzeitige Regierungskoalition durch Ihre Mietengesetzgebung dafür gesorgt, daß die Wohnungsbehärden gar nicht in der Lage sind, Altbauwohnungen als Ersatz anzubieten? Man hat es doch dem Hausbesitzer freigestellt, zwischen einigen Bewerberfamilien zu wählen.
— Gewiß, aber die Neigung, im Zweifelsfall Flüchtilingsfamilien vorzuziehen, müßte da vorhanden sein.
Herr Kollege Jaksch, da darf ich eine sehr einfache Antwort geben. Wir haben ein marktkonformes Mittel gefunden, um dieses Problem zu lösen. Wir haben nämlich einen Anreiz gegeben. Wir haben gesagt: Wenn du eine Wohnung für einem Einkommensschwachen, für einen SBZ-Flüchtling, für einen Aussiedler frei machst, dann kommst du, wenn du in den sozialen Wohnungsbau fällst — nicht wenn du 25 000 DM Einkommen hast —, auch in die Dringlichkeitsstufe I für den Bau von Familienheimen. Die Beispiele, die Kollege Stierle angeführt hat, zeigen, daß auch sehr viele Leute diesen sehr marktkonformen, mit normalen Mitteln zum Freimachen anreizenden Weg wählen.
Sie haben die dritte Frage ,gestellt, ob wir die Länder auf die Anklagebank setzen. Nein, Herr Kollege Jaksch, .nein, das möchten wir nicht. Ich möchte auch niemanden diskriminieren. Ich möchte hier nur den ganzen Ernst der Situation darstellen. Es geht hier um 400 000 Menschen. Manches davon mag Strandgut sein. Aber es gibt ja auch Menschen, junge und alte, junge Mädchen und junge Männer, die sich in den furchtbarsten Verhältnissen ungebrochen, sauber erhalten haben, und Menschen, die schon im Schwanken sind, die wir retten müssen. Ich habe .die Sache hier angesprochen, weil sie mir so ernst erscheint und weil jetzt einige Länder dazu übergehen, zu sagen: Die 2000 DM reichen uns auch nicht mehr; wir bauen keine Wohnungen für Aussiedler und Sowjetzonenflüchtlinge mehr, Ich wollte darstellen, daß wir an diesem Problem nicht vorbeigehen können und daß wir — da bin ich Ihrer Meinung — die Dinge erörtern sollen. Ich wollte auch den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, sich mit den Ministerpräsidenten der Länder zusammenzusetzen, so wie sich im Jahr 1955, als wegen der Überfüllung der Lager alles am Platzen war, der Herr Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten der Länder sich zusammengesetzt, mit ihnen verhandelt hat und dann zu einem Ergebnis gekommen ist.
Ich wollte auch damit zeigen, daß die Antragstellung auf Erhöhung der Bundesmittel nicht weiterhilft, sondern daß wir dien Finger dorthin legen müssen, wo tatsächlich die Mängel sind. Wir müssen die Bundesmittel schnellstens verbauen. Darum geht es. Dann bekommen wir schneller die Lager frei. Freilich werden wir die Wohnungsnot nicht in den nächsten zwei, drei Jahren beheben. Wir brauchen, insbesondere in ,den Ballungszentren, längere Zeit.
Abschließend folgendes. Wir in der CDU/CSU, die als Ergebnis ihrer Wohnungsbaupolitik 3,5 Millionen erstellter Wohnungen nach 1949 ,aufweisen kann, die einen ersten Schritt zur Eigentumsbildung begonnen hat, sind uns nicht bewußt, im Wohnungsbau in der Defensive zu stehen,
wir sind uns bewußt, in dieser Frage mit einem guten Gewissen in der Offensive zu stehen.
Freilich können wir nicht Wunder wirken. Sie können uns 'immer Notfälle ,anführen, noch drei, vier, fünf Jahre lang, insbesondere in den Ballungszentren. Aber wir sind den richtigen Weg gegangen und haben das Menschenmögliche getan. Mögen die Länder das Ihre dazu tun, daß die Mittel, die hier gegeben werden, entsprechend verplant, entsprechend schnell verplant werden; mögen die Mittel aufgestockt werden in den Ländern, die am meisten danach rufen und mögen auch dort größere Anstrengungen gemacht werden! Möge über alle Parteien hinweg der Grundsatz „Eigentumsbildung durch Wohnungsbau; Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand durch Wohnungsbau" gefestigt werden! Mögen wir gemeinsam die echten Schwierigkeiten vom Boden und von der Industriestreuung und Landesplanung her bekämpfen! Denn diesem Grundsatz gehört die Zukunft. Das natürliche Denken und die natürliche Urteilskraft der Menschen gehendiesen Weg. Wenn auch heute praktisch nur eine kleine Gruppe darum kämpft,
wir hoffen, daß die Zukunft in-- recht gibt.
Beifall bei den Regierungsparteien. —
Abg. Schoettle: Sie klatschen entgegen
Ihrer Einsicht! — Weitere Zurufe von
der SPD.)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, daß wir immer wieder dieselbe Platte bekommen, obwohl Sie ganz genau wissen, daß Sie an der Wirklichkeit vorbeireden.
Ich möchte Ihnen hier einmal mit aller Deutlichkeit wiederholt etwas sagen. Wir als Sozialdemokraten haben durch unsere Politik in den Gemeinden, in den Ländern und im früheren Reich dem Arbeiterbereits zum Eigenheim verholfen, als die Leute, die heute in Ihrer Fraktion sitzen, dem Arbeiter noch das Recht auf eine anständige Wohnung streitig machten. Das nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis.
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Wenn Sie sich heute hierherstellen und den Vertreter für den notleidenden Althausbesitz spielen, dann hätten Sie das, was Sie heute anbieten, schon zwei Jahre vor-
) her haben können. Lesen Sie bitte im Protokoll nach, was ich im Jahre 1955 auf der Landesversammlung der schleswig-holsteinischen Haus- und Grundbesitzer zur Frage „SPD und Hausbesitz" gesprochen habe, und lesen Sie den Antrag nach, den ich beim Bundesmietengesetz hier gestellt habe: 50 Millionen DM für den notleidenden Hausbesitz, für die kleinen Leute, die die 7 %igen und fünf Jahre laufenden Darlehen nicht in Anspruch nehmen können, weil Sie einfach nicht in der Lage sind, für die Restfinanzierung zu sorgen, und Sie dieses Geld dann eben bloß denen geben konnten, die praktisch stark genug sind, auf den Kapitalmarkt zu gehen, der ja damals noch ein bißchen Geld hatte!
— Die Mieterhöhung haben Sie gegen uns durchgesetzt, und Sie haben trotzdem im Jahr 1955 die Hilfe für den kleinen Hausbesitzer abgelehnt.
Das nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis!
Jetzt möchte ich Ihnen zu Ihrer Phraseologie etwas sagen, daß wir gegen das Familienheim seien.
— Herr Abgeordneter Lücke, das werden Sie niemals beweisen können.
— Das ist eine Behauptung, die nicht wahr ist, und sie wird auch nicht dadurch wahr, daß man sie ein dutzendmal wiederholt.
— Sie können ruhig so lange toben, wie Sie wollen. Wenn Sie schimpfen, wird es höchstens noch interessanter. Dann habe ich endlich einmal Gelegenheit, mich mit allen diesen Dingen ganz konsequent auseinanderzusetzen.
Nun will ich Ihnen sagen, daß diese Zahlen, die soeben mein Kollege Stierle gebracht hat, aus dem Regierungsbezirk stammen, in dem ich beheimatet bin.
— Ja, ist das ein Wunder? Ich weiß in meinem Regierungsbezirk Bescheid.
— Regierungspräsident ist gegen unseren Willen kein Sozialdemokrat geworden;
er ragt mehr in Ihre Kategorie hinein. Er ist aus Oberbayern gekommen. Jedenfalls ist er aber kein Sozialdemokrat.
Es ist der ehemalige Landrat von Bad Aibling, und Sie werden doch nicht behaupten, daß wir in Bad Aibling schon einmal einen sozialdemokratischen Landrat gehabt hätten.
— Sein Vorgänger war ein Mann, der als Jurist sehr bekannt war. Es war Herr Dr. Gebhard, und ich glaube, daß keiner behaupten kann, daß Herr Dr. Gebhard Sozialdemokrat war. Als Jurist aber war er eine Kapazität, die weit über die Kreise Frankens und Bayerns hinaus anerkannt wird. Ich glaube, daß Sie Herrn Dr. Gebhard aus dieser Diskussion der parteipolitischen Hin- und Her-Argumentation herauslassen könnten.
Aber jetzt will ich zu den Dingen kommen, die Sie uns vorwerfen. Schauen Sie, im Regierungsbezirk Oberfranken wären von den 101/2 Millionen, die für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen, im ersten Quartal um die Hälfte mehr Anträge für den Bau von Familienheimen zu erfüllen gewesen, als überhaupt an Mitteln für das ganze Jahr zur Verfügung steht, selbst wenn damit keine Mietwohnung, keine Genossenschaftswohnung, keine Wohnung für Sowjetzonenflüchtlinge, keine Wohnung im Grenzlandraumprogramm usw. gefördert worden wären.
— Das ist an sich bis zu einem gewissen Grade, Herr Kollege Lücke, eine erfreuliche Erscheinung. Aber der Pferdefuß kommt nach, nämlich durch diesen komischen Nachsatz betreffend die Familienheime, daß den Bevölkerungskreisen mit geringem Einkommen die Leute gleichgestellt sind, die eine Wohnung für Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen frei machen. Es passierte folgendes. Es kamen Leute, denen man bisher bei der Gemeinde oder beim Landratsamt bereits gesagt hatte: Mein lieber Freund, du gehörst zwar dem Buchstaben des Gesetzes nach noch mit zu dem durch den Sozialen Wohnungsbau zu betreuenden Kreis, aber deine ganzen Familien- und Vermögensverhältnisse sind so, daß du dein Heim allein finanzieren kannst. Wir haben hier noch genügend arme Teufel, denen die Hilfe wirklich zufallen muß.
Bisher war es bei uns so, daß die Mittel vom Regierungsbezirk auf die Land- und Stadtkreise aufgeteilt wurden. Da hat dann das Landratsamt oder der Stadtrat gewußt, daß für 500 000, 600 000 oder 700 000 DM Anträge vorzulegen sind, hat sie geprüft und weitergeleitet. Die Leute haben gewußt — bis auf einzelne Fälle, wo vielleicht etwas falsch war —, daß sie ihre Mittel bekommen und bauen können. Heute wird alles Mögliche losgelassen, es werden Hoffnungen erweckt, es kommt ein X-faches an Anträgen, weil nämlich unten der Kommunalbehörde jede Möglichkeit der Mitwirkung genommen ist, außer die Dinge anzunehmen und weiterzuleiten. Damit werden Illusionen erweckt, die nachher in einem Nichts zusammenbrechen. Das ist Tatsache.
— Nein, nicht in der Oberpfalz. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: ich bin aus Oberfranken und nicht aus der Oberpfalz; ich möchte meine Heimat nicht verleugnen.
Ich will Ihnen aber noch etwas anderes sagen. Wir haben gerade in Oberfranken sehr viele Eigenheime gebaut, und wir haben mit unseren unter sozialdemokratischer Führung stehenden Genossenschaften bereits vor dem ersten Weltkriege Eigenheime gebaut.
Bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis, und korrigieren Sie Ihre falschen politischen Behauptungen!
Ich möchte Ihnen sagen, was unser Grundsatz ist. Wir wünschen, daß, soweit es irgend möglich ist, Eigenheime gebaut werden, weil das Eigenheim die gesündeste Wohnform ist, die es gibt. Aber Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß die Wohnungsfrage in den Großstädten mit Eigenheimen gelöst werden kann.
Deswegen können Sie hier nicht sagen: bloß Eigenheime,
und Sie können auch nicht sagen: bloß Mietwohnungen. So etwas ist von uns niemals gesagt worden.
Jetzt möchte ich an meine bayerischen Kollegen appellieren, die ja so gute Föderalisten sind. Sie müßten sich eigentlich meiner Forderung anschließen, daß wir nämlich wie bisher die Mittel im größten Umfang zur Verfügung stellen, und als gut föderativ denkende Menschen und als gute Demokraten müßten wir die Entscheidung, wie in den einzelnen Gemeinden gebaut wird — ob Miethäuser oder Eigenheime —, den Gemeinden übertragen, weil nämlich die Gemeinde allein in der Lage ist, darüber zu entscheiden, wie die Wohnungsnot an dem betreffenden Ort behoben werden kann.
Es kommt noch etwas anderes hinzu, und dabei möchte ich Sie an Ihre Doppelzüngigkeit in dieser Frage erinnern. Gerade die Leute in Ihrer Fraktion und in Ihren Kreisen sind nicht bereit, nachher in den Gemeinden unten die Bodenbeschaffungsaktionen einzuleiten, die notwendig sind, um die Eigenheime wirklich zu bauen.
Unsere kommunalen Behörden und Gemeinden — und wenn Sie noch so dreckig lachen — haben sich mit ihrem Grundbesitz ausverkauft!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf hinweisen, daß der Ausdruck „dreckig lachen" kein parlamentarischer Ausdruck ist.
Das nehme ich zur Kenntnis. Mir ist im Moment nichtsanderes eingefallen.
Aber das ist doch nun mal die Tatsache, und Sie können die Dinge politisch nicht auf den Kopf stellen.
Etwas anderes kommt noch hinzu. Wir haben gerade in Oberfranken — das möchte ich Ihnen sagen, Herr Dr. Czaja —nicht restlosalle Mittel für den Eigenheimbau einsetzen können, weil wir die Schwerpunktprogramme für die Sowjetzonenflüchtlinge und die Grenzlandgemeinden und dergleichen mehr ebenfalls mit berücksichtigen müssen.
Aber wir haben immerhin die größere Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel für den Eigenheimbau verwandt.
Daß wir bei uns ein gutes Verhältnis der Wohnformen zueinander haben. habe ich während der Beratung des Wohnungsbaugesetzes schon mehrfach erwähnt. Deswegen glaube ich, daß gerade die Ziffern aus unserem Regierungsbezirk so markant für die Verhältnisse sind. Sie sollten sich endlich einmal dazu durchringen, nicht mit einem starren Dirigismus von Bonn aus bis in die letzte Gemeinde, in die Möglichkeiten der Gemeinden hineinzuregieren. Sie sollten der Gemeinde, der untersten Stufe der Demokratie, Elastizität und Wirkungsmöglichkeit geben. Was Sie hier machen, ist auf deranderen Seite ein Aushungern der Demokratie, ein Aushungern der Gemeinden und damit eine Schädigung der Demokratie.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit betonen: wenn Sie unsere Wirksamkeit auf der politischen Ebene bis hinunter in die Gemeinden verfolgen und wenn Sie speziell meiner Tätigkeit im Wohnungsbau und in der Wohnungswirtschaft nachgehen, werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, daß alle Ihre Behauptungen über die sozialdemokratische Wohnungsbaupolitik grundsätzlich falsch sind.
Sie dürfen nicht die Situation einiger Großstädte, die sich nicht anders als mit dem Mietwohnungsbau oder dem Genossenschaftswohnungsbau helfen können, dazu benutzen, hier den Ankläger gegen die Länder zu spielen. Selbst wenn Sie gute Föderalisten sind, müssen Sie auch die Politik der Länder in den Ländern bekämpfen und nicht dort, wo die Länder nicht die Möglichkeit haben, mit Ihnen die Klinge zu kreuzen.
Ich möchte noch einmal betonen, trotz aller gegenteiligen Behauptungen sind wir für den kleinen Hausbesitz und sind bereit zu helfen.
Trotzdem bleibt unsere Forderung: das Eigenheim soweit wie möglich und die Mietwohnung soweit wie nötig!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was der Kollege Czaja an Rechenkunststückenangestellt hat, um nachzuweisen, daß es mit den 8000 DM pro Wohnungseinheit im Wohnungsbauprogramm für Sowjetzonenflüchtlinge nicht stimmt, hat deutlich gezeigt, wie er sich anstrengen mußte, indem er erklärte: Es gibt zwar pro Kopf 2000 DM,
aber die Länder sollen hier urn 20 % aufstocken. Dann kam die Bemerkung: Wenn jetzt eine große Familie in eine Drei-, Vier- oder Fünfraumwohnung hineinkommt, stehen 12- bis 14 000 DM bereit. So kann man das nicht rechnen. Die 8000 DM stimmen, weil sie eben den echten Durchschnitt darstellen. So ist es.
Nun noch ein Wort zu dem, was bei Ihnen immer wieder eine große Rolle spielt: Wie steht die Sozialdemokratie zum Eigentum und zur Schaffung des Familienheimes? Der Kollege Krammig hat ja heute morgen anläßlich der Debatte über die Möglichkeit, Eigentum zu bilden, auch die Frage gestellt: Warum hat die SPD seinerzeit bei der Schaffung des Familienheimgesetzes gegen das Gesetz gestimmt? Nun, der Kollege Hauffe hat schon eine Antwort zu geben versucht. Es geht ,doch bei der ganzen Angelegenheit immer darum, wie die zu geringen Mittel auf die verschiedenen Sektoren verteilt werden, die wir nun einmal vor uns haben: auf der einen Seite die Eigentumswohnung oder das Familienheim, auf der anderen Seite die Mietoder Genossenschaftswohnung. Darum geht der Streit.
Ich will, Ihnen zur Beruhigung, nur noch ein Zitat bringen. Ein führender Mann der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, der Sozialdemokrat ist, hat sich zu diesen Problemen geäußert und gesagt:
Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist seit Jahrzehnten und durchaus mit beachtlichen Erfolgen darum bemüht, diese Gruppe der Eigenheimer und des wohnungswirtschaftlichen Kleineigentums zu fördern und zu stärken, sei es durch die Betreuungshilfe in der Neuproduktion, sei es durch Verkauf von Kleinsiedlerstellen und Ein- und Zweifamilienhäusern. Wenn erfreulicherweise von der wachsenden Zahl der Arbeiterhausbesitzer gesprochen werden kann, so ist das weitgehend ein Verdienst der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Hier gibt es also für uns gar keinen Gegensatz und schon gar nicht irgendeine Konkurrenzhaltung. Es wird auch künftig wie schon in der Vergangenheit für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft wohnungspolitisch unbedingt förderungswürdig sein, das Klein-und individuelle Einzeleigentum in der wohnungswirtschaftlichen Selbstversorgung auszuweiten. Alle Angriffe in dieser Richtung, auch wenn sie von uns nicht wohlwollenden einseitigen und manchmal recht überheblich auftretenden Organisationen kommen, gehen wirklich fehl.
Unzweifelhaft liegen ganz andere Sachverhalte vor, wenn mit steuerlichen Vorteilen großen Stiles große Wohnungsbestände in den Händen privater, nichtgemeinnütziger Einzeleigentümer geschaffen werden. Die Steuervorteile gehen wertmäßig oft weit über die öffentliche Förderung mit zinsgünstigen, aber rückzahlungspflichtigen Darlehen hinaus. Zweifellos besteht hier eine echte Wettbewerbssituation und von unserer Seite das Bestreben, daß ein wirklich echter, gleicher Start nicht nur in den Vergünstigungen, sondern auch in den Bindungen gilt. Dieser Wettbewerb ist nicht Böses oder Verwerfliches. Er
entspricht durchaus einem marktwirtschaftlichen Prinzip.
Es liegt aber zweifellos eine sehr ernste wirtschafts- und sozialpolitische Grundsatzfrage vor, ob die Bildung großer privater Vermögen auf erwerbswirtschaftlicher Grundlage — und zwar über die Förderung von Klein- und Einzeleigentum hinaus — in dem bisherigen Ausmaße durch steuerliche Vergünstigungen ermöglicht werden kann und darf, während gleichzeitig die öffentliche Wohnungsbauförderung, insbesondere für die leistungsschwachen Kreise, zurückgeht. Diese Grundsatzfrage kann nur im politischen Raum entschieden werden.
Um diese Dinge geht es.
Sie haben weiter gesagt, in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft werde nicht genügend für die Schaffung von Eigentum getan. In den letzten Veröffentlichungen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wird festgestellt, daß von ihren 1,6 Millionen Wohnungen 171 000 Wohnungen in Kleinsiedlungen und Kaufeigenheimen zur Eigentumsübertragung bestimmt sind.
Der Schluß meiner Darlegungen soll folgender sein. Ich zitiere aus einem Bericht, der Sie interessieren wird:
Im Rahmen des Wohnungsnotstandsprogramms steht . . . neben einem Kontingent Landesbaudarlehen auch ein Kontingent Annuitätenbeihilfe zur Verfügung. Es ist zu hoffen, daß die in Frage kommenden Wohnungsbauträger in der Lage sind, in Kürze sowohl die I. als auch die mit Annuitätenbeihilfen zu verbilligende II. Hypothek für das Wohnungsnotstandsprogramm nachzuweisen, so daß diese besonders dringend benötigten Wohnungen wirklich gebaut werden. Es muß allerdings hervorgehoben werden, daß die Bedingungen für die I. und II. Hypothek sich anscheinend so ungünstig gestalten, daß im allgemeinen sozialen Wohnungsbau ein ganz beträchtlicher Rückgang der zu fördernden Wohnungen zu erwarten ist ...
Die Höhe der Zinsen für die Kapitalmarkthypotheken läßt entweder eine Ausnutzung des erststelligen Beleihungsraumes nicht mehr zu oder bedingt erhöhte Annuitätenbeihilfen oder überhaupt öffentliche Mittel.
Und nun heißt es — meine Damen und Herren, hören Sie sehr gut zu;
das ist nämlich das Urteil eines Mitglieds Ihrer eigenen Fraktion, das Sie sehr schätzen! —:
Es muß reiflich überlegt werden, ob nicht doch
in einem gewissen Umfange dem Bau von
Mietwohnungen der Vorzug gegeben werden
muß eine größere Zahl von wohnungs-
suchenden Familien angemessen unterzubringen. Es sei darauf hingewiesen, daß erfahrungsgemäß die Kosten für ein Familienheim etwa doppelt so hoch sind wie die Kosten für eine Mietwohnung. Da aber die Miete für die Mietwohnung und die Belastung des Familienheimes nur denselben Anteil am Familieneinkommen ausmachen dürfen,
ist letzten Endes durch die starke Förderung von Familienheimen ein außerordentlicher Rückgang der Gesamtzahl der Wohnungen unvermeidlich. Das ist eine an sich bedauerliche,
aber nach unserer Erfahrung zwingende Feststellung.
Dieses Urteil hat ein Mitglied Ihrer Fraktion gefällt.
Es ist ein Beweis dafür, wie recht wir haben, wenn wir sagen: die Mittel müssen insgesamt erhöht werden! Gegen meine Bedenken, daß den 700 Millionen große Gefahren drohen, hat keiner von Ihnen ein Wort gesagt. Ich bitte nochmals, unseren Anträgen zuzustimmen.
— Den können Sie gerne wissen, es ist der Bürgermeister von Frankfurt am Main, Ihr Kollege L e i s k e. Sind Sie zufrieden?
Ich bitte Sie nochmals: stimmen Sie unseren Anträgen zu!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Heise.
Ich darf Sie nur ganz kurz in Anspruch nehmen, meine Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal,
daß der Herr Abgeordnete Czaja sich bemüßigt gefühlt hat, Berlin vorzuwerfen, daß es nicht genug Wohnungen für Sowjetzonenflüchtlinge baut. Wir bauen im Jahr 20 000 Wohnungen. Davon waren bisher 16 000 zweckgebunden, d. h. 4000 waren für den Normalverbraucher.
Ihre CDU in Berlin, Herr Dr. Czaja, hat im April einen Antrag eingebracht, der verlangt, es sollen jetzt weniger Wohnungen für Lastenausgleichsberechtigte gebaut werden, und zwar 40 % Der Vorsitzende des dortigen Wohnungsbauausschusses im Abgeordnetenhaus, Herr Dr. Rosenstein, hat im Plenum am 2. Mai folgendes gesagt:
Wir bitten also, daß 40 % Wohnungen für Nichtbevorrechtigte endlich gebaut werden. Der Ausschuß hat sich dieser Meinung angeschlossen. Es sollen nicht noch mehr Lastenausgleichsberechtigte in den Genuß von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau kommen können. Der Ausschuß war sich darüber klar,
daß, um diesen Wunsch zu verwirklichen, der
Senat neue Möglichkeiten schaffen müsse.
Er sagt dazu — einen Satz will ich Ihnen noch zitieren —:
Darüber hinaus bittet der Ausschuß die Fraktionen dieses Hauses, bei ihren Bundestagsfraktionen vorstellig zu werden, damit zusätzlich Mittel für nicht lastenausgleichsgebundene Wohnungen aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden!
Dem Antrag der CDU ist in Berlin entsprochen worden. Für Normalverbraucher sind jetzt nicht mehr nur 20 %, sondern 40 % vorgesehen, aber bitte, auf Kosten der Leute, die als Flüchtlinge aus der Sowjetzone kommen, und der Lastenausgleichsberechtigten.
Nun bitten wir Sie, eines zu bedenken. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 15. November festgestellt: Es besteht die einhellige Auffassung — —
— Ich kann wirklich nicht noch lauter sprechen, Herr Präsident!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß das Haus bitten, Platz zu nehmen und nicht so unruhig zu sein.
Der Bundesrat hat gesagt: „Es besteht die einhellige Auffassung, daß auf der Basis von 8000 DM Bundesmitteln je Wohnung eine Finanzierung des Wohnungsbaus nicht möglich ist". Das hat der Bundesrat an dem Tag gesagt, an dem er den Einzelplan 25 beraten hat. Ich stelle Ihnen das Material, wenn Sie es nicht haben, gern zur Verfügung.
Ich finde es unfair, Herr Czaja, daß Sie immer wieder mit derselben Sache kommen, obwohl ich Ihnen im Gespräch und auch hier im Plenum schon einmal gesagt habe: Länder, die unter politischen Umständen wie Berlin leben müssen, haben es viel schwerer, als Sie es sich vorstellen können. Aber wir können nicht den Normalverbraucher immer wieder in die Ecke drängen. Wir müssen versuchen, auch für diese Menschen zu bauen. Mit Ihren lyrischen Vorstellungen über den Eigenheimbau in Großstädten komme ich nicht mit. Sollte der Bundestag einmal nach Berlin ziehen, dann bin ich gern bereit, dafür zu sorgen, daß Sie 30 km vor Berlin ein Eigenheim kriegen, wenn Sie durchaus keine Mietwohnung haben wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Meine Damen und Herren, ich fürchte, die vorgerückte Stunde ist unserer Atmosphäre nicht gerade günstig. Ich will mich bemühen, die Dinge möglichst kurz zu behandeln und sie darauf zurückzuführen, was eigentlich geschehen soll, nämlich die Beschäftigung mit dem Haushalt. Die Auseinandersetzung,
die wir bisher gehabt haben, war zum großen Teil keine Beschäftigung mit dem Haushalt. Es ist richtig, daß man auch in der zweiten Lesung nicht darum herumkommt, auch grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Ich meine, daß über die grundsätzlichen Bemerkungen die eigentliche Aufgabe der zweiten Lesung, die Beschäftigung mit den Anträgen, zu kurz gekommen ist.
Lassen Sie mich deshalb weniges vorausschicken. Der Einzelplan 25 stellt immerhin einen wesentlichen Fortschritt dar. Er ist erheblich größer geworden. Die Summe der Ausgaben ist immerhin von 1,1 Milliarden auf 1,777 Milliarden DM gestiegen. Es ist eine Tatsache, daß dieser Haushalt zu 97 % der Förderung des Wohnungsbaus dient und — nach meiner überschlägigen Rechnung — nur 2 bis 3 % Personal- und andere Ausgaben enthält. Man kann also nicht sagen, daß etwa auf dem Ge-. biet der Förderung des Wohnungsbaus nicht sehr viel mehr geschehe, als es bisher möglich war. Daß man noch mehr tun könnte, ist sicher. Daß Anträge, wie sie jetzt von der SPD gestellt werden, dann erfreulich sind, wenn man sie erfüllen kann, darüber sind wir uns auch einig. Die Frage ist nur, ob man einfach schlechtweg statt 700 Millionen 1 Milliarde DM verlangen kann. Warum dann nicht gleich anderthalb Milliarden?! Es handelt sich doch darum, Ansätze vorzusehen, die wirklich erfüllt werden können; das ist das Entscheidende. Das maßgebende Wort hat der Finanzminister. Dieses ganze Thema des Wohnungsbaus beschränkt sich doch beinahe nur noch auf die Finanzierung. Von der Kapazität her hat es eigentlich kaum jemals Schwierigkeiten gegeben.
Ich möchte mich jetzt auch nicht in eine Erörterung darüber einlassen, ob die Einfamilienbauten hinreichend gefördert worden sind oder nicht. Ganz automatisch werden die Meinungen darüber etwas auseinandergehen, je nachdem, aus welchem Gebiet man kommt. Ich stimme meiner Kollegin Frau Heise durchaus zu, daß wir in Berlin — woher auch ich komme — die Dinge anders ansehen müssen als auf dem flachen Land. Im übrigen sind wir uns völlig klar darüber — Sie sind ja in diesem Punkt mit mir immer der gleichen Meinung geWesen —, daß man Berlin nicht in derselben Weise behandeln kann wie etwa Oberfranken oder ein anderes Gebiet. Im Gegenteil, ich möchte sogar meinen: Wir sollten — das ist von Herrn Dr. Hesberg angesprochen warden — daran denken, daß wir auch nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, das bekanntlich den Wiederaufbau an erster Stelle nennt, gerade in den Großstädten, in den Ballungszentren noch eine Menge mehr tun müssen. Hier ist Berlin angesprochen worden. Das ist in der Tat eine Aufgabe auch für den Bund, weil Berlin schon dadurch überfordert ist, daß es eine ungewöhnlich große Zahl von Zuwanderern aus dem Osten, von Personen, die nicht aufgenommen werden, aber auch nicht zurückgehen, unterzubringen hat.
Der Zweck des Zweiten Wohnungsbaugesetzes ist Ihnen bekannt. Wir wollten erreichen, daß größere Wohnungen gebaut werden, daß sie besser ausgestattet sind, daß sie hauptsächlich Leistungsschwachen zugute kommen und daß sie in der Form des Einfamilienhauses erstellt werden, soweit das möglich ist.
Nun ein Wort zu dem Haushalt selber! Ich möchte gern vom Herrn Wohnungsbauminister wissen, wie die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist. Ich habe den kürzlich in der Zeitung erschienenen
Aufsatz gelesen. Aber worauf es mir ankommt, ist, daß der Wohnungsbauminister — ich nehme an, daß er es tut — sein Wort einlöst, das er am 14. März gegeben hat. Damals hat er gesagt, daß bis zum Mai die Zahlen der Erhebung vom September vorliegen würden. Der Mai ist gekommen, und ich nehme an, auch die Zahlen liegen vor. Vielleicht wird uns der Herr Wohnungsbauminister aus seiner amtlichen Schau etwas darüber sagen können, wie groß der Wohnungsbedarf ist, nicht nach irgendwelchen Schätzungen, sondern danach, was diese immerhin recht kostspielige Erhebung tatsächlich ergeben hat.
Ich hätte bei dieser Gelegenheit von ihm gern ein Wort darüber gehört, wie der Stand der Bewilligungen im ersten Quartal gewesen ist.
Das interessiert mich sehr. Vor allem möchte ich von ihm wissen, wie es mit dem steuerbegünstigten frei finanzierten Wohnungsbau steht. Bisher haben wir nur von dem anderen etwas gehört. Zu einem Zeitpunkt, in dem auch die Hypothekenbanken zu einem Zinsfuß von 7,5 % übergegangen sind, interessiert uns das am meisten.
Ich hätte schließlich noch etwas anderes — und das ist das letzte, was ich heute in dieser Stunde sagen will — recht gern gewußt, nämlich die Auffassung des Herrn Bundeswohnungsbauministers zu der Meinung, die unlängst laut geworden ist. Ich meine die bekannte Äußerung im Bericht der Deutschen Pfandbriefanstalt, daß man eine Finanzierung in erheblichem Umfang sehr leicht dadurch ereichen könne, daß man die Zinsen für früher im Rahmen des geförderten Wohnungsbaus gegebene Darlehen erhöhe. Das ist übrigens auch im Jahre 1934 geschehen, und zwar in den Fällen, in denen man es dem betreffenden Mieter zumuten konnte, weil seine veränderte Lage die Umlegung der erhöhten Kosten für ihn tragbar erscheinen ließ.
Zu den vorliegenden Anträgen ist von der Fraktion der Freien Demokraten folgendes zu sagen:
Von dem Antrag Umdruck 1049*) habe ich überhaupt nichts gehört. Er ist wohl auch nicht so wichtig; er betrifft Darlehen zur Schaffung von Wohnraum für Abgeordnete des Bundestages sowie für Angehörige der inländischen Presse in einem geringen Umfang.
Ferner liegt vor der Antrag Umdruck 1059**), wonach für Dauerkleingärten Darlehen in Höhe von 2 Millionen DM bewilligt werden sollen. Ich bin überzeugt, Frau Kollegin Heise, alle Fraktionen werden diesem Antrag zustimmen.
Etwas anders sieht es schon mit dem Antrag des BHE — Umdruck 1061***) — aus, wonach der Betrag für Darlehen an die Länder zur Finanzierung des Wohnungsbaus zugunsten von Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone usw. von 458 Millionen auf 520 Millionen DM erhöht werden soll. Das ist weitgehend eine reine Mittelfrage. Ich möchte daran erinnern, daß im abgelaufenen Jahr nur 160 Millionen DM hierfür zur Verfügung gestanden haben. Wenn wir jetzt auf 458 Millionen DM gehen, ist das schon etwas, was sich sehen lassen kann. Natürlich kann man in diesem Bereich immer noch mehr verlangen. Aber ob es gerecht-
*) Siehe Anlage 38 **) Siehe Anlage 36 ***) Siehe Anlage 34
fertigt ist, muß eine Überlegung ergeben, die sich auf das Gesamtzahlenwerk stützt. Ich glaube also nicht, daß das Haus dieser Forderung, über die Steigerung von 160 auf 458 Millionen DM hinaus auf 520 Millionen DM zu gehen, zustimmen kann.
Besonders dankenswert ist die Erhöhung der Summe durch den Ausschuß von 50 Millionen auf 100 Millionen DM zur Förderung der Instandsetzungsarbeiten beim Altwohnungsbau. Ich glaube mich zu entsinnen, daß der Bedarf einmal mit einundeinhalb Milliarden DM angegeben worden ist. Infolgedessen wird auch der Betrag von 100 Millionen DM noch nicht ausreichen. Ich entsinne mich, daß bei uns in Berlin — Frau Heise, Sie wissen es auch — die zur Verfügung stehenden Darlehen von den Althausbesitzern gar nicht in Anspruch genommen worden sind. Wir haben heute gehört, daß die Zuschüsse in Höhe von 7,5 Millionen DM, von denen Herr Hesberg sprach, auch nicht in Anspruch genommen worden sind.
Das ist auch eine Frage, bei der wir noch durch die Erfahrung feststellen müssen, ob hier ein praktischer Effekt erzielt werden kann.
Es liegt noch ein Antrag von den Fraktionen der CDU und der DP vor, die im Haushalt erteilte Ermächtigung von 200 Millionen auf 370 Millionen DM auszudehnen. Es ist hier untergegangen, daß es sich dabei um eine Vorwegnahme für das Rechnungsjahr 1958 handelt. Das heißt praktisch, es ist ein Betrag, der sich im Rahmen dessen bewegen wird, was wir jetzt für 1957 in einer wesentlich größeren Höhe gegeben haben. Ich sehe keine Schwierigkeit, hier einen Betrag von 3/4 des Etatpostens von 1957 für das Jahr 1958 vorzusehen und auf diese Weise den Wohnungsbauminister zu ermächtigen, rechtzeitig über diese Darlehen zu verfügen, damit die Bauherrn entsprechend disponieren können.
Dieses Haus hat also, wie ich glaube, durchaus Veranlassung, aus Anlaß der Beratung des Einzelplans 25 darauf hinzuweisen, daß durch den Gesetzgeber außerordentlich viel geschehen ist.
Denn wenn für etwa 14 Millionen Menschen im Laufe von 6 Jahren neue, moderne und gesunde Wohnungen gebaut worden sind, die auch den Bedürfnissen der Familien entsprechen,
dann ist das immerhin eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Das sollte man dem Wohnungsbauminister heute bestätigen.
Ich glaube, wir werden im ganzen über diese Dinge hinwegkommen. Meine Fraktion wird dem Einzelplan 25 zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundeswohnungsbauminister.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bitte nur darum, daß ich zu den Fragen, die heute aufgeworfen warden sind, in der dritten Lesung in sachlicher Weise Stellung nehmen darf.
Es scheint mir heute abend nicht mehr die notwendige Konzentration zu 'herrschen — das ist schließlich auch nicht zu verwundern —, die vorhanden sein müßte.
Die Bundesregierung bittet, dem Antrag auf Umdruck 1092*) — Aufstockung der Bindungsermächtigung um 170 Millionen auf 370 Millionen DM, davon 30 Millionen DM zugunsten der Rückführung der Evakuierten von Land zu Land — und dem Antrag auf Umdruck 1063 **) — Erhöhung der Darlehen für Instandsetzungsarbeiten von 50 Millionen auf 100 Millionen DM — zuzustimmen. Ich bedauere, daß wir den anderen Anträgen trotz ihrer sicher gut gemeinten Tendenz nicht zustimmen können, weil hierfür Mittel im Haushalt an keiner ,Stelle mehr haben mobil gemacht werden können. Trotzdem darf ich schon jetzt 'in der zweiten Lesung die Zusicherung ,abgeben: Das Programm der Bundesregierung, in diesen vier Jahren 2,2 Millionen Wohnungen zu bauen, wird mit den vorliegenden Haushaltsansätzen mit Sicherheit erreicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag Feller und Fraktion auf Umdruck 1061***) abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
Umdruck 1092*) Ziffern 1 und 2. Wer diesen
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Anträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Einstimmigangenommen.
Umdruck 1068****) Ziffer 1. Wer diesem Anderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Kap. 25 03 Tit. 541. Dazu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 1067 und 1059 vor.
Ich lasse zunächst über den Antrag auf Umdruck 1067*****) einschließlich der hier beantragten Erläuterung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den Antrag auf Umdruck 1059 abstimmen.
— Ist erledigt.
Dann lasse ich nunmehr über den Änderungsantrag auf Umdruck 1068****) Ziffer 2 zu Kap. 25 03 Tit. 620 abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den Ansatz für die Prämien nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz um 100 Millionen DM aufzustocken, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
*) Siehe Anlage 32
**) Siehe Anlage 33 ***) Siehe Anlage 34 ****) Siehe Anlage 35 *****) Siehe Anlage 37
Umdruck 1068 Ziffer 3. Wer diesem Antrag, dem Ansatz in Tit. 530 300 Millionen DM zuzusetzen, zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Nunmehr komme ich zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1063 *). Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Nunmehr komme ich zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag auf Umdruck 1049**). Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig langenommen.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zur Abstimmung über den Einzelplan 25 in der teilweise durch die Annahme der Änderungsanträge geänderten, im übrigen aber in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung. Wer dem Einzelplan 25 in dieser Fassung in 'der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit verabschiedet.
*) Siehe Anlage 33 **) Siehe Anlage 38
Meine Damen und Herren, ich muß noch einen Augenblick um Gehör bitten.
Der Ältestenrat hat in seiner heutigen Sitzung die Abwicklung der morgigen Tagesordnung wie folgt vereinbart.
1. Beratung des Gesetzentwurfs zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall; Punkt 2 der Tagesordnung vom 24. Mai.
2. Fortsetzung der Zweiten Beratung des Haushalts sowie der in Verfolg der Zweiten Beratung zu erledigenden Anträge; Punkte 5 bis 10 der Tagesordnung vom 23. Mai.
3. Erste Beratung des Änderungsgesetzes zu den Kindergeldgesetzen; Punkt 11 der Tagesordnung vom 23. Mai.
4. Erledigung der weiteren Tagesordnungspunkte der Tagesordnung vom 24. Mai.
Die Fragestunde wird auf die nächste Woche verlegt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste, die 212. Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, den 24. Mai 1957, 9 Uhr, und schließe die 'heutige Sitzung.