Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe vor Eintritt in die Tagesordnung bekanntzugeben, daß mit Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen, die sich ergeben, wenn der vom Ausschuß beschlossenen Fassung des Bundesbankgesetzes entsprochen wird, der Ältestenrat dem Hause vorschlägt, diese Vorlage nach § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Weiter ist zur Beratung des Bundeshaushaltsplans bekanntzugeben, daß der Ältestenrat die Behandlung folgender Einzelpläne für heute vereinbart hat: zunächst Einzelplan 01, dann Einzelplan 04, Einzelplan 06, Einzelplan 12. Falls die Behandlung dieser Einzelpläne nicht den ganzen Tag in Anspruch nehmen sollte, werden die Einzelpläne 08, 09, 10 und 11 folgen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 3. Mai 1957 den folgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den erleichterten Straßendurchgangsverkehr zwischen Salzburg und Lofer über deutsches Gebiet und zwischen Garmisch-Partenkirchen und Pfronten/Füssen über österreichisches Gebiet,
Gesetz zur Ergänzung des Dritten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ,
Gesetz zu dem Abkommen vom 26. April 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Filmfragen,
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Obereinkommen über die Fischerei im Nordwestatlantik,
Gesetz zu dem Konsularvertrag vom 30. Juli 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nord-Irland,
Gesetz über das Abkommen vom 22. Dezember 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Kriegsgräber,
Gesetz über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Durchbeförderung von Häftlingen auf den Eisenbahnstrecken Mittenwald - Griesen (Grenze) und Ehrwald (Grenze) - Vils (Grenze),
Gesetz zur Neuregelung der knappschaftlichen Rentenversicherung ,
Gesetz über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Regelung der Amtshaftung aus Handlungen von Organen des einen in grenznahen Gebieten des anderen Staates,
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 15. Juli 1931 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern,
Gesetz über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr,
Gesetz über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den erleichterten Eisenbahndurchgangsverkehr auf den Strecken Mittenwald — Griesen (Grenze) und Ehrwald (Grenze) – Vils (Grenze),
Gesetz über das Abkommen vom 28. Oktober 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Regelung des Grenzübergangs der Eisenbahnen,
Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes
Gesetz über den Aufruf der Gläubiger der IG Farbenindustrie Aktiengesellschaft in Abwicklung.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat verlangt, daß der Vermittlungsausschuß zu den nachfolgenden Gesetzen einberufen wird. Die Gründe hierfür sind in Drucksachen 3442 bis 3448 niedergelegt.
Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages,
Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen ,
Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts ,
Bundesgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger ,
Achtes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ,
Gesetz über die Allgemeine Statistik in der Industrie und
im Bauhauptgewerbe,
Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 (Drucksachen 2900, zu 2900).
Zunächst:
Einzelplan 01, Bundespräsident und Bundespräsidialamt .
Im Ältestenrat war man sich darüber einig, daß dort, wo Schriftliche Berichte gedruckt vorliegen, die Damen und Herren, die die Berichterstattung übernommen haben, nur auf ihren eigenen Wunsch oder auf besonderen Wunsch des Hauses den Schriftlichen Bericht mündlich ergänzen sollten, daß aber dort, wo kein Schriftlicher Bericht gedruckt vorliegt, ein kurzer mündlicher Bericht gegeben werden sollte. Das ist der Fall bei Einzelplan 01. Die Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Rösch.
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auf Drucksache 3450 liegt Ihnen der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses über den Einzelplan 01 vor, Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts. Es handelt sich meist um gering-
fügige Änderungen; bemerkenswert ist allein, daß sich der durchlaufende Posten für den Personalgutachterausschuß verringert hat, weil der Personalgutachterausschuß mit seiner Prüfungsarbeit Ende Juni zu Ende sein wird. Darum sind die Kosten auf ein Viertel des Jahresbetrags ermäßigt.
Ich bitte Sie, den Haushalt in der vorgelegten Fassung der Drucksache 3450 anzunehmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 01 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltung? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Einzelplan 04:
Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Giencke. Ich erteile ihm das Wort.
— Er verweist auf den Schriftlichen Bericht*). —Das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die Beratung über den Einzelplan 04. Es sind eine Reihe von Änderungsanträgen angekündigt. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Beratung dieses Einzelplanes eintreten, habe ich dem Hause die Frage vorzulegen, ob es beabsichtigt, den Haushaltsplan des Herrn Bundeskanzlers ohne die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers zu beraten.
Ich glaube, es ist gestern in hinreichender Deutlichkeit klargeworden, daß dieser Einzelplan der erste ist, der heute zur Sachberatung stehen wird, und so darf das Haus doch wohl erwarten, daß der Chef der Regierung bei der Beratung seines Haushaltsplanes anwesend ist.
Ich meine, daß das Haus nicht in der Lage ist, diesen Haushaltsplan zu ,debattieren, solange der Herr Bundeskanzler nicht anwesend sein kann. Ich beantrage deshalb, daß wir die Sitzung so lange unterbrechen, bis der Herr Bundeskanzler den Raum betreten hat.
Herr Abgeordneter Rasner!
*) Siehe Anlage 2
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, zu übersehen, warum der Herr Bundeskanzler noch nicht hier ist. Sie wissen, daß der Regierungschef Englands gegenwärtig in Bonn ist. Aber ich widerspreche dem Antrag, die Sitzung zu unterbrechen. Ich schlage vor, daß wir mit einem anderen Haushalt fortfahren.
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hatte bereits vor zwei oder sogar drei Wochen beschlossen, heute mit der Beratung des Haushalts des Herrn Bundeskanzlers zu beginnen. Der Herr Bundeskanzler konnte also, da er seit langem wußte, daß der britische Premier in diesen Tagen in Bonn ist, entweder den Ältestenrat bitten, seinen Etat später zu behandeln, oder er mußte hier sein. Aber sich überhaupt nicht zu äußern, ist eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Parlament.
Gemäß § 46 der Geschäftsordnung bitten wir um Herbeirufung des Bundeskanzlers und, da der Einzelplan 06 auch nicht beraten werden kann, weil nicht einmal der Herr Bundesinnenminister anwesend ist, um Unterbrechung der Sitzung, bis
der Herr Bundeskanzler hier ist.
Werden weitere Anträge zur Geschäftsordnung gestellt? — Das ist nicht der Fall.
Es stehen zwei Eventualitäten zur Abstimmung: der Antrag, mit Einzelplan 06 fortzufahren, und der Antrag, die Sitzung zu unterbrechen. Es ist schwer, bei solchen geschäftsordnungsmäßigen Anträgen festzustellen, welcher der weitergehende Antrag ist. Ich halte den Antrag auf Unterbrechung für den weitergehenden. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Auf wie lange wollten Sie unterbrochen haben?
— Der Antrag auf Herbeirufung des Bundeskanzlers würde sicherlich vorgehen. Dann stimmen wir zunächst ab, um festzustellen, ob das Haus wünscht, daß der Herr Bundeskanzler herbeigerufen wird. Wer dafür ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; dann hat das Haus beschlossen, den Herrn Bundeskanzler herbeizurufen, um ihm die Möglichkeit zu geben, bei der Beratung seines Haushaltseinzelplanes anwesend zu sein.
Dann haben wir darüber abzustimmen, was wir in der Zwischenzeit tun. Sollen wir unterbrechen oder den Einzelplan 06 vorziehen?
— Der Innenminister ist auch nicht da. Dann hat es jedenfalls keinen Sinn, den Einzelplan 06 aufzurufen. Der nächste wäre der Einzelplan 12.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann nur dem allergrößten Erstaunen Ausdruck geben über die Art, wie die Haushaltsberatung durch die Regierung behandelt wird.
Denn daß wir mit der Beratung des Haushalts anfangen, war doch absolut klar, und es ist lange genug über die Termine geredet worden. Man konnte doch weiß Gott erwarten, daß die Minister, deren Haushalt zur Debatte steht, wenigstens anwesend sind. Ich möchte einmal wissen, was im englischen Parlament passierte, wenn dort der Regierungschef am Budget Day nicht anwesend wäre!
Das ist doch einfach ein Skandal!
Meine Damen und Herren, ich glaube, es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Beratung auf einige Zeit zu vertagen; denn der Einzelplan 12, der der überübernächste Plan ist, kann nicht gut beraten werden, denn der Herr Verkehrsminister ist verständigt worden, daß die Beratung seines Einzelplans relativ spät drankomme.
— Gewiß, aber man hat ihm gesagt, daß zunächst die anderen Einzelpläne beraten werden. Man kann von ihm nicht erwarten, daß er schon hier ist. — Bitte, Herr Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen Unterbrechung um 15 Minuten. Daß der Herr Bundesinnenminister in diesem Augenblick nicht da ist, daraus kann ihm niemand einen Vorwurf machen. Er hat mit Fug und Recht angenommen, die Debatte über den Einzelplan des Bundeskanzlers werde vorher geführt und sein Etat stehe in diesem Augenblick noch nicht zur Beratung. Ich bitte, die Sitzung auf 15 Minuten zu unterbrechen.
Es ist beantragt, die Sitzung auf 15 Minuten zu unterbrechen. — Das Haus ist einverstanden. Wir unterbrechen. Das Haus tritt um 9 Uhr 30 wieder zusammen.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Das Wort hat Herr Minister Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Herrn Bundeskanzler entschuldigen. Der Herr Bundeskanzler hat, wie Sie wissen, zur Zeit den Staatsbesuch des Herrn britischen Premierministers. Die gestrigen Besprechungen haben es erforderlich gemacht, daß heute früh zu dieser Stunde weitere Vorbesprechungen stattfinden, so daß der Herr Bundeskanzler wider Erwarten leider nicht zur Verfügung stehen kann. Der Herr Bundeskanzler hat die Bitte, daß sein Haushalt, wenn es irgend geht, morgen behandelt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir diese Erklärung gehört haben, bitte ich, den Einzelplan 04 auf die morgige Tagesordnung zu setzen und jetzt mit Einzelplan 06 zu beginnen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat dem Hause nicht mitgeteilt, daß der Herr Bundeskanzler zu Schiff mit den Engländern — nicht zu Schiff nach England — ist. Dies hat er — wie der Herr Innenminister selbst sagt — bereits gestern abend gewußt. Ich weiß nicht, warum der Herr Bundeskanzler nicht dem Hause oder dem Ältestenrat oder dem Präsidenten davon Mitteilung gemacht hat.
Daß sein Herr Staatssekretär Globke hier ist, beweist doch, daß der Herr Bundeskanzler dem Grunde nach mit der Behandlung seines Etats gerechnet hat, aber glaubte, sich hier der politischen Verantwortung in der Debatte entziehen zu können.
Ich habe vorhin von der Brüskierung des Parlaments gesprochen. Das Parlament hat vorhin beschlossen, daß der Herr Bundeskanzler verpflichtet ist, hier zu erscheinen, wie es übrigens nicht nur die Geschäftsordnung, sondern auch die Verfassung, das Grundgesetz, vorschreibt.
Nachdem dieser einstimmige Beschluß gefaßt ist
— Verzeihung, Sie haben recht, mit der Mehrheit des Hauses, aber auch mit vielen Stimmen der Mitglieder der Regierungsparteien — und nachdem es der Herr Bundeskanzler trotzdem ablehnt
— er schwimmt ja noch nicht auf dem Rhein —, zu kommen, bedaure ich feststellen zu müssen,
daß dies nicht nur eine Brüskierung des Hauses ist, sondern eine Mißachtung des Parlaments
und auch eine Mißachtung von Bestimmungen der Verfassung. Die Selbstachtung des Hauses erfordert es, daß es auf der Durchführung seines Beschlusses besteht und sich so lange vertagt, bis der Herr Bundeskanzler geruht, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube kaum, daß ich den Herrn Bundeskanzler gegen den Verdacht in Schutz zu nehmen brauche, er wolle sich der politischen Vertretung seines eigenen Haushalts hier entziehen. Der Herr Bundeskanzler nimmt sicherlich seine Pflichten gegenüber dem Parlament genauso ernst wie irgend jemand anders hier im Hause.
Im übrigen möchte ich den Herrn Kollegen Menzel nur in einem Punkte berichtigen. Der Herr Bundeskanzler befindet sich weder zu Schiff nach England noch zu Schiff auf dem Rhein, sondern er befindet sich
— nein, später als 10 Uhr — derzeit in sehr dringend notwendigen Besprechungen.
— Ich glaube, daß ich in diesem Punkte richtiger unterrichtet bin, als es hier vorgetragen wurde.
Ich habe nochmals die Bitte, den Haushalt des Herrn Bundeskanzlers unter diesen Umständen morgen zu behandeln.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir haben über den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern .
Hierzu liegen eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich gebe die Nummern der Umdrucke bekannt, auf denen Sie diese Änderungsanträge finden: 1043, 1045, 1052, 1065, 1066, 1076, 1077 und 1079. Ich schlage vor, daß wir zu den einzelnen Änderungsanträgen in der nummernmäßigen Reihenfolge sprechen, in der ich sie hier bekanntgegeben habe.
Zunächst muß ich den Herrn Berichterstatter fragen, ob er Wert darauf legt, den Schriftlichen Bericht*) mündlich zu ergänzen.
— Das ist der Fall. Ich erteile ihm das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Gründen der Zeitersparnis möchte ich aus der Fülle des Stoffs, den ein gewissenhafter Berichterstatter bei der Behandlung des Einzelplans 06 eigentlich behandeln müßte, hier und jetzt nur einige wenige Punkte herausgreifen, nämlich jene Punkte, die für Sie und vielleicht auch für eine breitere Öffentlichkeit von besonderem Interesse sein dürften. Im übrigen bitte ich das Hohe Haus, damit einverstanden zu sein, daß ich den Bericht im einzelnen dann zu Protokoll*) gebe.
Zunächst eine kleine Übersicht über die finanzielle Entwicklung des Einzelplans 06. Der Regierungsentwurf sah für das Bundesinnenministerium mit einem Ausgabebetrag von rund 585 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr einen Mehrbedarf von rund 110 Millionen DM vor. Dieser Mehrbedarf war im wesentlichen bedingt durch etwa 81 Millionen DM, die zur Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes auf 20 000 Mann erforderlich sind, durch Mehrausgaben von 121/2 Millionen DM beim zivilen Luftschutz und endlich durch die Erhöhung der Leistungen beim Kapitel Allgemeine Bewilligungen ebenfalls in Höhe von etwa 121/2 Millionen DM.
In den Beratungen des Haushaltsausschusses sind die Ansätze der Regierungsvorlage zum Teil erheblich verändert worden, und zwar fast ausschließlich nach oben. Dies gilt besonders für das Kapitel der Allgemeinen Bewilligungen, bei dem u. a. — um hier nur die wichtigsten Posten zu nennen— ein Betrag von 72 Millionen DM für zusätzliche Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft, ein weiterer Betrag von 33 Millionen DM zur Förderung von begabten und bedürftigen Studenten an deutschen wissenschaftlichen Hochschulen und endlich die Erhöhung der Mittel für den Bundesjugendplan von bisher 37 Millionen DM auf 50,3 Millionen DM beschlossen wurden. Auf Einzelheiten hierzu brauche ich nicht einzugehen. Der Herr Mitberichterstatter, Herr Kollege Willeke, hat dies in seinem Schriftlichen Bericht bereits ausgeführt.
Nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses haben wir an Stelle eines Ausgabebetrages von 585 Millionen DM, den ursprünglich die Regierungsvorlage vorsah, nunmehr eine Gesamtausgabe von rund 700 Millionen DM, genau gesagt von 699 364 000 DM, und damit gegenüber 1956 einen Mehrausgabebetrag von über 225 Millionen DM.
Ich stelle diese finanzielle Entwicklung deshalb so besonders heraus, weil nach meiner Kenntnis bisher noch in keinem Jahr beim Etat des Bundesinnenministeriums vom Parlament so wesentliche Veränderungen vorgenommen wurden.
Nach diesem finanziellen Überblick über den Einzelplan 06 noch ganz kurz ein paar Worte zur
*) Siehe Anlage 3
Entwicklung des Personalstandes. Beim Bundesinnenministerium selbst, also bei Kap. 01, haben wir wie schon im vergangenen Jahr keine Vermehrung des Personals. Ich möchte dies anerkennend hervorheben, da nach den Erfahrungen bei anderen Ressorts diese Erscheinung durchaus nicht selbstverständlich ist.
Leider ist aber bei verschiedenen nachgeordneten Dienststellen des Bundesinnenministeriums der Personalstand immer noch in Bewegung, und zwar natürlich nach oben. Ich füge meinem Schriftlichen Bericht eine Anlage bei, aus der die Personalvermehrung bei den einzelnen Kapiteln des Einzelplans 06 genau ersichtlich ist. Hier führe ich nur die Kapitel und Stellen an, bei denen der Haushaltsausschuß eine nicht unerhebliche Vermehrung des Personals gegenüber dem Vorjahr für richtig und notwendig hielt. Es sind dies Kap. 03, Bundesverwaltungsgericht, mit 15 neuen Kräften, Kap. 05, Bundesdisziplinarhof, mit 14 neuen Kräften, Kap. 08, Statistisches Bundesamt, mit 35 neuen Kräften, Kap. 09, Bundesamt für Verfassungsschutz, mit 65 neuen Kräften, Kap. 13, Bundesarchiv, mit 8 neuen Kräften, Kap. 15, Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern, mit 45 neuen Kräften, Kap. 16, Institut für angewandte Geodäsie, mit
17 neuen Kräften, Kap. 19, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, mit 30 neuen Kräften, Kap. 21, Luftschutzwarndienst, mit 95 neuen Kräften, Kap. 22, Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, mit
18 neuen Kräften, Kap. 25, Bundesgrenzschutz, mit 148 neuen Kräften und Kap. 29, Deutsches Archäologisches Institut in Berlin, mit 17 neuen Kräften. Insgesamt ergibt sich im ganzen Einzelplan 06 eine Personalvermehrung um 522 Kräfte gegenüber dem Vorjahr.
Diese Zahl mag Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr hoch vorkommen, und sie ist es auch in der Tat. Sie ist nur damit zu erklären, daß einerseits einzelne Dienststellen in ihrem Aufbau noch nicht zum Abschluß gekommen waren und andererseits immer wieder neue Aufgaben auf verschiedene Dienststellen zukommen. Der Haushaltsausschuß hat sich jedenfalls in oft stundenlangen und bis ins Detail gehenden Verhandlungen immer bemüht, einen möglichst strengen Maßstab bei den Personalneuanforderungen anzulegen. Er ist auch bei weitem nicht allen Personalwünschen der Regierung nachgekommen, auch wenn sie noch so beredt und vielfach sogar mit guten Gründen vorgetragen wurden. Meine Damen und Herren, diese beiden Entwicklungen wollte ich hier einmal gründlich aufzeigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Herr Abgeordnete Dr. Willeke, der zweite Berichterstatter, will das Wort ergreifen. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schwerpunkt der Beratungen und Beschlüsse des Haushaltsausschusses lag beim Einzelplan 06 stark auf den Allgemeinen Bewilligungen. Dieser Ausgaben-
gruppe kommt im Haushalt des Bundesministeriums des Innern besondere Bedeutung zu. Sie umfaßt die mittelbare Erfüllung bundeswichtiger Aufgaben auf dem Gebiete der Zuschüsse und Förderungsbeihilfen. In diesem Bereich wird der Gestaltungswille des Parlaments verständlicherweise in einem weit höheren Maße angesprochen als etwa bei der Beratung der Haushaltskapitel über die verschiedenen — und mögen sie noch so interessant sein — Dienststellen.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen deshalb mit der Drucksache 3455 eine Reihe zum Teil recht erheblicher Änderungen vor allem bei den Ansätzen für die Wahrnehmung der kulturellen Aufgaben des Bundes vor, die eine starke Erhöhung der Abschlußsumme dieses Kapitels mit sich bringen. Der Gesamtausgabebedarf der Regierungsvorlage betrug, einschließlich der Vorschlagsliste der nachzuschiebenden Beträge mit 487 000 DM bei diesem Kapitel, 152 727 600 DM. Er steigt nach dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses auf 278 622 700 DM, ist also um rund 126 Millionen DM erhöht.
Die Forderung nach einer zusätzlichen, ausgiebigen finanziellen Förderung der deutschen Wissenschaft und Forschung und des Hochschulstudiums hat in der letzten Zeit die Öffentlichkeit stark bewegt.
Es war zu erwarten, daß im Haushaltsausschuß entsprechende Anträge gestellt wurden. Ein solcher Antrag sah bei Kap. 06 02 einen neuen Tit. 614 mit der Zweckbestimmung „Zuschuß für die deutsche Kommission zur Förderung von Wissenschaft und Forschung" mit einem Ansatz von 755 Millionen DM vor. Abgesehen von den Bedenken wegen der Deckung für eine so hohe Mehrbewilligung waren vor allem solche verfassungsrechtlicher Natur — Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern — für die Ablehnung dieses Antrages maßgebend.
Die eingehende Beratung der mit diesem und anderen Anträgen aufgeworfenen Fragen führte dann dazu, daß die Regierungsvorlage in den Titeln 61Z — Zuschuß für die Deutsche Forschungsgemeinschaft —, 617 — Förderung von Schwerpunkten der deutschen wissenschaftlichen Forschung —, 616 — ,Förderung der deutschen wissenschaftlichen Forschung — und 631 — Zuschüsse für den Austausch von Wissenschaftlern usw. — mit den Ansätzen zu einem neuen Tit. 614 a bis d umgestaltet und durch einen Untertitel e — Zusätzliche Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft — mit einem Ansatz von 72 Millionen DMergänzt wurde. Der Ansatz in Tit. 631, jetzt 614 d, wurde dabei auf 220 000 DM erhöht. Ich darf Sie bitten, nähere Einzelheiten dem sogenannten Mündlichen Bericht, Drucksache 3455, zu entnehmen.
Der Zuschuß zur Förderung von begabten und bedürftigen Studenten an deutschen wissenschaftlichen Hochschulen, Tit. 622 — bisher Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes —, wurde von 5 Millionen DM auf 33 Millionen DM, also um 28 Millionen DM erhöht. Von den von uns zusätzlich vorgeschlagenen Mitteln sind 18 Millionen DM für die Förderung durch Darlehen und 10 Millionen DM für Stipendien vorgesehen. Da bisher schon 2 Millionen DM für Stipendien vorgesehen waren, sind hier nunmehr 18 Millionen plus 12 Millionen, also insgesamt 30 Millionen DM veranschlagt. Der Ausschuß schlägt damit zusammen rund 100 Millionen DM bei den Titeln 614 und 622 zusätzlich für die Förderung der Wissenschaft und des Studiums an wissenschaftlichen Hochschulen vor. Was das Verhältnis der Summen der Darlehen und der Stipendien anlangt, glaube ich den Haushaltsausschuß so verstanden zu haben, daß letzten Endes die Praxis entscheiden muß, wie das Verhältnis endgültig bestimmt wird.
Auf kulturellem Gebiet sah die Regierungsvorlage bei den Einmaligen Ausgaben einen ersten Teilbetrag von 200 000 DM für den zweiten Bauabschnitt des Wiederaufbaues der kriegszerstörten Teile des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg — Tit. 950 — und einen Betrag von 200 000 DM für die Inbetriebnahme, Einrichtung und Zwischenverwaltung der drei deutschen Kunstinstitute in Rom und Olevano — Tit. 970 — vor. Der Haushaltsausschuß schlägt zwei weitere neue Titel vor, und zwar Tit. 952, Zuschuß zum Wiederaufbau des Deutschen Museums in München, mit 200 000 DM und Tit. 962, einmaliger Zuschuß zum Bau der Beethovenhalle in Bonn, mit einem ersten Teilbetrag von 500 000 DM; ein gleichhoher Restbetrag für die Beethovenhalle ist im Haushaltsvoranschlag 1958 vorgesehen, so daß der Bund für den Bau dieser Halle, die in erster Linie dem Andenken des größten deutschen Musikers gewidmet ist, insgesamt i Million DM beisteuert.
Auch die übrigen der Wissenschaft dienenden Haushaltstitel hat der Haushaltsausschuß eingehend beraten und in ihren Ansätzen erhöht. Ich darf nur einige wenige Beispiele nennen: Zuschuß an das Institut für Zeitgeschichte in München 190 000 DM — eine Erhöhung um 20 000 DM —, Förderung des Südost-Instituts in München 90 000 DM — statt 50 000 DM in der Regierungsvorlage —, Zuschuß für das Kunsthistorische Institut in Florenz — erhöht auf 210 000 DM —, zur Förderung von methodischen Untersuchungen und Tagungen über Grundlagen der staatsbürgerlichen Erziehung 340 000 statt bisher 170 000 DM. Hierin liegt eine starke Anerkennung der Volkshochschulbestrebungen. Wir haben zu den führenden Persönlichkeiten, insbesondere auch zu dem oft genannten Helmut Becker das Vertrauen, daß sich die erheblichen Mehrmittel für die Volkshochschulbewegung segensreich auswirken.
Am Rande darf ich bemerken, daß in diesem Titel auch 30 000 DM für die Tagungen der Evangelischen und Katholischen Akademien vorgesehen sind. Dieser Betrag ist nicht erhöht worden. Aber ich möchte auf verschiedene Anfragen außerhalb der Berichterstattung bemerken, daß die Untertitel zu diesem Gesamttitel übertragbar sind und dem Minister durchaus die Möglichkeit geben, nach Bedarf hier eine weitere Förderung vorzunehmen.
Zur Förderung der Arbeit der Deutschen UNESCO-Kommission sind 180 000 statt bisher 160 000 DM, zur Förderung der kulturellen und wissenschaftlichen Bestrebungen mit bundeswichtiger Bedeutung 2 Millionen statt bisher 1,8 Millionen DM vorgesehen. Die Erhöhung kommt in erster Linie den Bamberger Symphonikern, den Bayreuther Festspielen und dem Radio-Sinfonie-
Orchester Berlin zugute. Ferner nenne ich den Beitrag für die Deutsche Bibliothek in Frankfurt mit 234 000 statt bisher 200 000 DM und die Zuschüsse zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Kulturbauten mit besonderer nationaler Bedeutung in Höhe von 550 000 DM. Der Titel ist um 150 000 DM erhöht worden. Diese Erhöhung hat den Zweck, in erster Linie der Dreifaltigkeitskirche in Worms zur Verfügung zu stehen, was ich hier mit besonderer Betonung zum Ausdruck bringen möchte.
Ich weise dann noch auf die Beratungen über den Titel Zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt im Rahmen des Bundesjugendplans hin. Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen, obschon dazu der Bericht noch einiges enthält. Ich darf aber wie mein Herr Vorredner darauf hinweisen, daß das, was von mir im einzelnen nicht vorgetragen wird, schriftlich vorliegt und zu Protokoll genommen werden möge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann mich im wesentlichen eigentlich darauf beschränken, auf den gedruckt vorliegenden Bericht*) hinzuweisen. Darin sind wesentliche Einzelheiten vorhanden. Vor allen Dingen möchte ich mir ersparen, dem Hause über die einzelnen Kapitel, über Bundesverwaltungsgericht, Oberbundesanwalt, Bundesdisziplinarhof und wie die einzelnen Dienststellen heißen, mündlichen Bericht zu erstatten. Wahrscheinlich wird uns die Debatte noch zu der einen oder anderen interessanten Aussprache auffordern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich möchte nicht verfehlen, noch einmal darauf hinzuweisen: Wir waren uns im Ältestenrat darüber einig, daß sich die Herren Berichterstatter dort, wo ,ein Schriftlicher Bericht vorliegt, nicht die Mühe zu machen brauchen, ihre Berichte, die wir ja kennen und sicher alle gelesen haben, dem Hause vorzulesen.
Ich darf das Haus darauf aufmerksam machen, daß inzwischen einige neue Anträge eingegangen sind, die Anträge Umdrucke 1078 und 1081. Ergänzen Sie bitte Ihre Aufschriebe in diesem Sinne.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über diesen Einzelplan und erteile das Wort dem Abgeordneten Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter, Kollege Niederalt, hat darauf hingewiesen, daß sich bei den dem Herrn Bundesminister des Innern unterstellten Dienststellen eine Steigerung gewisser Personalanforderungen ergeben habe. Ich möchte diese Feststellung sowie gewisse Bewilligungen des Haushaltsausschusses zum Anlaß nehmen, um zunächst an die Adresse des Herrn Bundesfinanzministers eine Bemerkung zu machen. Er hat es für zweckmäßig gehalten, wiederholt — zuletzt am vergangenen Sonntag und anscheinend auch in der
*) Siehe Anlage 4
gestrigen Pressekonferenz — Bemerkungen des Inhalts zu machen, daß es der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags gewesen sei, der die Ausgabenansätze im Etatsentwurf der Bundesregierung hinaufgetrieben habe. Ich möchte zur Klarstellung darauf verweisen, daß nach der Einbringung des gedruckten Haushaltsplanentwurfs für 1957 die Bundesregierung Ergänzungslisten, Nachschiebelisten, oder wie die Bezeichnungen alle lauten, zur Erhöhung der Ansätze des Entwurfs um 3,1 Milliarden DM vorgelegt hat. Zu den Ansätzen von nicht ganz 34,5 Milliarden DM des ursprünglichen Entwurfs kommen also allein schon 3,1 Milliarden DM Nachforderungen der Bundesregierung hinzu.
Ich habe hier nicht den Haushaltsausschuß zu verteidigen — ich will als Vertreter meiner Fraktion zum Etat des Bundesministers des Innern sprechen —, glaube aber, daß es, besonders nach dem miserablen Auftakt zur Etatsdebatte von heute morgen, im Interesse des Hauses liegt, die Dinge auch in ihrer zahlenmäßigen Bedeutung so zu sehen, wie sie für die Frage der Verteilung der Verantwortlichkeiten gesehen werden müssen.
Nun einige Bemerkungen zu dem Etat des Bundesinnenministers. Wir wissen, Herr Bundesinnenminister, daß Ihr Ministerium sehr fleißig ist und daß dort zum Teil recht nützliche Arbeit geleistet wird. Wir wissen aber auch um den Geist, der nicht zuletzt von Ihnen vertreten wird und nicht gerade als ein Geist der Toleranz bezeichnet werden kann. Auch wissen wir darum, daß in Ihrem Arbeitsbereich eine ganze Reihe von Tatsachen zu verzeichnen sind, aus denen ersichtlich wird, daß die Verantwortlichkeit, die einem Bundesministerium und seinem Chef zufällt, praktisch auf andere Schultern abgewälzt werden soll. Sie haben in Ihrem Ministerium mit treuer Gefolgschaft der Mehrheit des Hauses und der entsprechenden Mehrheit in den Ausschüssen die nette Gewohnheit, nach bester Möglichkeit Kommissionen zu berufen und damit auf die Schultern anderer abzuwälzen, was Sache des Ministeriums sein müßte. Man kann das sachlich begründen und z. B. sagen, daß die Räte im Ministerium nicht verpflichtet seien, alles zu wissen. Auf der anderen Seite kann man aber gerade an Hand des Haushaltsplanentwurfs feststellen, daß auf diesem Gebiet des Guten etwas zuviel getan wird.
Ich darf Ihnen aus Seite 13 des vorliegenden Haushaltsplanentwurfs zu Tit. 218 einmal die Namen der von dem Herrn Bundesinnenminister geschaffenen oder gewünschten Beiräte, Kommissionen und Ausschüsse anführen, um zu belegen, was ich behauptet habe: Beirat für die Lebensmittelrechtsreform, Sachverständigenausschuß für Fragen des Parteienrechts, Sachverständigenausschuß zur Beratung der Grundzüge eines neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes, Sachverständigenausschüsse für national wertvolles Kultur- und Archivgut, Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung, Sachverständigenausschuß zur Erarbeitung von Richtlinien zur Koordinierung der von der Bundesregierung zu treffenden raumbedeutsamen Maßnahmen.
Es fehlen noch einige, beispielsweise der verflossene Luther-Ausschuß oder die Wahlrechtskommission.
Gerade die Existenz einer Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung zwingt mich noch zu einer anderen Feststellung. Dieses Hohe Haus hat einen parlamentarischen Unterausschuß eingesetzt, der sich aus Mitgliedern dreier Ausschüsse des Bundestages zusammensetzt. Dieser Unterausschuß für Fragen der Verwaltungsvereinfachung wird — das darf ich auch unter Hinweis auf den anwesenden Vorsitzenden des Unterausschusses, Herrn Kollegen Dr. Conring, sagen — von der Regierung in einer Weise gehemmt, die dem Willen und den Notwendigkeiten des Parlaments nicht entspricht. Man verhindert in diesem Ausschuß eine echte Stellungnahme, eine echte Erarbeitung von Vorschlägen auf dem Gebiete der Verwaltungsreform. Es ist ein gewisses Zusammenspiel zwischen Koalition und Minister unverkennbar vorhanden. Das bedeutet, daß die eigentliche Aufgabe dieses Ausschusses, der dem Hohen Hause schon längst über seine Tätigkeit hätte berichten sollen, es aber nicht getan hat, mangels Masse wohl bis zur Stunde von ihm nicht erfüllt werden kann, weil das Schwergewicht der Verwaltung auch mit Willen der Mehrheit dieses Ausschusses den Ausschlag zugunsten der Verwaltung gibt.
Ein Wort, Herr Minister, zu dem Tempo der Wiedergutmachung. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja erhebliche neue Summen zur Verfügung stellen müssen. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie alles, was in Ihrer Macht steht — und Sie haben viele Möglichkeiten —, täten, um dafür zu sorgen, daß an alle in Frage kommenden Stellen die Weisung ergeht, das Tempo der Wiedergutmachung zu beschleunigen; das auch in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt in bezug auf die im Ausland mit diesen Fragen betreuten Dienststellen, für deren bessere Personalausstattung der Haushaltsausschuß vor kurzem erhebliche neue Mittel bewilligt hat.
Herr Bundesinnenminister, Sie sind nicht nur unser Verfassungsminister, Sie sind auch unser Kommunalminister. Ich wäre Ihnen verpflichtet, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten, sich zum Schutz der weithin bedrängten kommunalen Finanzen Ihrer Verpflichtungen stärker zu erinnern, die Ihnen gerade im Kampf mit Ihren Herren Ministerkollegen und insbesondere mit dem Herrn Bundesfinanzminister aus dem Art. 106 Abs. 6 und 7 des Grundgesetzes, den ich wohl im Wortlaut hier nicht zu verlesen brauche, erwachsen. Um ein kleines praktisches Beispiel zu nennen: Augenblicklich droht eine Entwicklung, wonach die nicht unerheblichen Kosten der Polioschutzimpfung auf die Gemeinden zukommen sollen. Die Gemeinden wehren sich verständlicherweise wegen Mangels an Mitteln. Der Herr Bundesinnenminister, dem genauso gut wie mir bekannt ist, daß es sich in erster Linie um eine Landesangelegenheit handelt, sollte Veranlassung nehmen, in Erinnerung an Art. 106 des Grundgesetzes dafür zu sorgen, daß eine vermeidbare Neubelastung der Kommunen vermieden wird.
Ich kann an dieser Stelle auch nicht verschweigen, welche Haltung das Bundesinnenministerium lange Zeit hindurch in bezug auf die Kosten des Luftschutzgesetzes eingenommen hat. Erst dem Bundestagsausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und seiner Initiative ist es zu verdanken gewesen, daß das Bundesinnenministerium von dem Verlangen nach Kostenbeteiligung der Gemeinden mit einem Drittel herunter mußte.
Eine weitere Aufgabe scheint Ihnen, Herr Bundesinnenminister, auf dem Gebiete der Einwirkung auf alle in Frage kommenden Zweige der öffentlichen Verwaltung gestellt zu sein. Um die Überlastung der Verwaltungsgerichte und insbesondere des obersten, des Bundesverwaltungsgerichts, einzudämmen, sollten Sie dafür Sorge tragen, daß überflüssige Prozesse im Verwaltungsstreitverfahren — und es gibt deren nicht wenige — von seiten der Vertreter der öffentlichen Verwaltung nach Möglichkeit vermieden werden.
Nun eine Bemerkung zu Ihrer Gesundheitsabteilung. Herr Bundesinnenminister, eine Gesundheitsabteilung ist in unserer Zeit dringend notwendig, und man kann eigentlich gar nicht genug gutes Personal für diese Gesundheitsabteilung bereitstellen. Aber ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten, mir einmal zu sagen, aus welchem Grunde man einen abgetakelten Pressechef der Bundesregierung zur Gesundheitsabteilung versetzt. Ist der Mann medizinisch vorgebildet? Hat er irgendwelche besonderen Spezialkenntnisse?
Oder ist die Gesundheitsabteilung eine Art von Abstellbahnhof?
Ich nehme an, daß die Aufgaben, die sie zu erfüllen hat, so wichtig sind, daß etwas Derartiges nicht vorkommen sollte. Vielleicht finden sich für einen früheren Pressechef noch irgendwo eine andere Verwendungsmöglichkeit. Gegebenenfalls kann man mit Vorschlägen aufwarten.
Im Rahmen der Haushaltsberatung hat die Frage der Sicherungsgruppe beim Bundeskriminalamt eine Rolle gespielt. Diese Sicherungsgruppe ist hier in Bonn ,domiziliert. Es steht fest — und ich verstehe nicht recht, Herr Bundesinnenminister, daß Sie das noch nicht beseitigt haben —, daß diese Sicherungsgruppe überhaupt kein rechtssicherndes Statut hat, daß ein Zustand gegeben ist, der die betreffenden Beamten in Ausübung dienstlicher Verpflichtungen gegebenenfalls in die allergrößten Schwierigkeiten zu stürzen vermag. Diese Sieherungsgruppe wird als Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft in Landesverratsverfahren benutzt. Sie wird benutzt zur Erledigung gewisser Aufgaben, die aus den Ländern auf sie zukommen. Aber ein Hauptbestandteil der Aufgaben der Sicherungsgruppe scheint doch nach allem, was man feststellen kann, die Ausübung von Überwachungs- und Schutzmaßnahmen zugunsten des Herrn Bundeskanzlers und zugunsten einzelner Bundesminister zu sein. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Bundesrepublik und deren Minister und der in diesen Fragen federführende Herr Innenminister sollten Veranlassung nehmen, sich in bezug auf den teilweise sehr 'ausgedehnten und ebenso überflüssigen Schutz des Herrn Bundeskanzlers und der Herren Bundesminister, die diesen Schutz in Anspruch nehmen, besser am englischen Vorbild — ich will vom schweizerischen gar nicht reden — zu
orientieren als am sowjetrussischen Vorbild. Sie tun sehr viel besser daran, wenn sie — na, wie hat man es früher gesagt: „volksverbunden" in Erscheinung treten. Ich glaube nicht, daß die Gefahr besteht, die etwa bei dem englischen Königsbesuch in Paris entstand, daß der Besucher vor lauter Liebe und Begeisterung erdrückt wird. Ich glaube nicht, daß dem Herrn Bundeskanzler oder dem Herrn Bundesaußenminister oder wem sonst an solchen Gefahren etwas in Erscheinung träte, daß er von der Liebe des Volkes erdrückt wird und aus diesem Grunde eines Schutzes bedarf. Es ist mehr offensichtlich ein sowjetrussisch orientiertes Schutzbedürfnis.
Man will sich vor der Liebe der Untertanen schützen.
Meine Damen und Herren! In dem Umdruck 1052*) legt Ihnen die sozialdemokratische Fraktion in Ziffer 2 einen Antrag zu dem Titel „Zuschuß an die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien" vor. Danach soll der Ansatz dieses Titels von 92 000 DM um 20 000 DM auf 112 000 DM erhöht werden. Diese Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien ist die einzige Kommission, die sich mit derartigen Aufgaben befaßt. Ich glaube, auch unter Hinweis auf die Darlegungen und Begründungen, die im Haushaltsausschuß gegeben worden sind, dem Hohen Hause mit gutem Grunde empfehlen zu sollen, die Aufgaben dieser Kommission etwas mehr zu pflegen. Gerade die Tatsache, die wir jetzt eben an dem Münchener Mörderprozeß erleben, zeigt, wie notwendig es ist, die Geschichte des deutschen Parlamentarismus und die Geschichte der politischen Parteien noch gründlicher zu untersuchen und der Allgemeinheit, der Öffentlichkeit so nahezubringen, wie es irgend möglich ist.
In dem gleichen Antrag finden Sie unter Ziffer 4 einen Wunsch meiner Fraktion, den Beitrag für die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main um 80 000 DM auf einen Ansatz von 314 400 DM zu erhöhen. Es handelt sich hier um die Sicherung einer Bibliographie der amtlichen Drucksachen. Wir wollen der Bibliothek in Leipzig auf einem Gebiet, das dort gepflegt wird, nicht Konkurrenz machen; aber wir halten es für unumgänglich notwendig, daß die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main so dotiert wird, daß sie in der Lage ist, eine Aufgabe zu erfüllen, die, wenn sie nicht jetzt und nicht laufend erfüllt wird, niemals mehr erfüllt werden kann. Der Betrag von 80 000 DM ist für diesen Zweck wahrhaftig keine große Sache.
Wir haben von der erneuten Einbringung eines Antrags abgesehen, den mein Freund und Kollege Professor Dr. Gülich im Haushaltsausschuß des Bundestags zu Kap. 09 — Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln — gestellt hat. Dort hat Herr Professor Gülich beantragt, eine andere Formu*) Siehe Anlage 6
lierung der Zweckbestimmung vorzusehen. Er hat verlangt, folgendermaßen zu sagen:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung durch drei Abgeordnete des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.
Meine Damen und Herren, wie in jedem Jahre hat der Haushaltsausschuß den Antrag wieder abgelehnt, und ich befürchte, er würde auch hier abgelehnt werden, wenn wir ihn hier erneut stellten. Aber ich kann nur wünschen, daß die Bundesregierung in Fragen des Verfassungsschutzamtes eine Mitwirkung vertrauenswürdiger Mitglieder des Hohen Hauses, die die hierbei gewonnenen Erkenntnisse vertraulich behandeln, selbst anerkennen wird.
Im Haushaltsausschuß haben wir uns über die Zusammenlegung der Bundesanstalt für Landeskunde und des instituts für Raumforschung unterhalten. Herr Bundesinnenminister, ich bin schon damals darüber erstaunt gewesen, daß die Bundesregierung, also Ihr Ministerium, diesen Fragen der Vermeidung einer Doppelorganisation aus Gründen der Ersparnis, aus Gründen der Vereinfachung der Verwaltung nicht eine weit größere Aufmerksamkeit gewidmet hat, als es wirklich geschehen ist. Ich kann nur wünschen, daß Sie dem Verlangen des Haushaltsausschusses auf Beschleunigung der Zusammenlegung dieser beiden Institute so rasch wie möglich Rechnung tragen.
Ein Wort zum Bundesgrenzschutz. Für den Bundesgrenzschutz, der auf dem Wasser ausgeübt werden soll, hat die Bundesregierung einen erheblichen Betrag für ein Schiff verlangt. Zwar fährt der Zollkutter daneben, aber der Bundesgrenzschutz soll ein eigenes Schiff bekommen. Ich darf hierzu auf das betreffende Protokoll des Haushaltsausschusses, Seite 38 und 39, ausdrücklich verweisen. Im Zuge einer Verwaltungsvereinfachung, die nicht nur Theorie bleiben, nicht nur auf dem Papier stehen darf, hätte es für die Bundesregierung selbstverständlich sein sollen, nicht erst auf den Streichungsbeschluß des Haushaltsausschusses zu warten, sondern angesichts der technischen Möglichkeiten, die gegeben sind, von einer solchen Anforderung aus Gründen der Ersparnis überhaupt abzusehen.
Eine weitere kritische Bemerkung richtet sich nicht nur an die Adresse des Herrn Bundesinnenministers, sondern an die Adresse der gesamten Regierung und ihrer einzelnen Ressortminister. In zahlreichen Kapiteln verschiedener Haushalte finden sich Anforderungen für Beiträge an internationale Organisationen. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, nenne ich keine einzige dieser Organisationen mit Namen. Aber ich stelle in bezug auf fast sämtliche Organisationen fest, daß bei der Höhe der Beiträge auf Grund der Mitverantwortung der Vertreter der Bundesregierung in diesen internationalen Organisationen eine zwingende Notwendigkeit besteht, hier zu bremsen. Es werden hier Gehälter gezahlt und Aufwendungen honoriert, die ins Aschgraue gehen, und wenn unsere Steuerzahler im einzelnen wüßten, was da vorgeht, würde sie wahrscheinlich Entsetzen erfassen. Ich kann nur wünschen, daß die Bundesregierung hierzu erklärt, daß die Bundes-
republik Deutschland nicht in der Lage ist, diesen Wahnwitz in der Verschleuderung öffentlicher Mittel bei vielen dieser internationalen Organisationen mitzumachen.
Ein Wort der Anerkennung zum allgemeinen Haushalt des Herrn Bundesinnenministers. Erfreulicherweise ist es im Haushaltsausschuß möglich geworden, dem für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen vorgesehenen Betrag von 1 Million DM eine Restfinanzierung von Turn- und Sportstätten zugunsten der Gemeinden von 5 Millionen DM hinzuzufügen.
Wenige Bemerkungen zur Bundeszentrale für Heimatdienst. Sie hat sich die Anerkennung auch der Ausschüsse des Bundestages erworben. Einige Dinge sind nicht ganz in Ordnung; ich will sie hier nicht wiederholen. Aber ich möchte auf die unter der Verantwortung der Bundeszentrale für Heimatdienst erscheinende Wochenzeitung „Das Parlament" hinweisen und fragen: Wieviel Bundesbehörden beziehen diese Zeitung? Ist es noch so, daß von den 200 deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland nur 140 „Das Parlament" beziehen? Und im Bereich des Einzelplans 14: Wieviel Truppenteile beziehen „Das Parlament"? Vielleicht kann der Herr Bundesinnenminister alsbald eine Antwort auf diese Fragen geben.
Unter der Verantwortung der Bundeszentrale für Heimatdienst ist ein Film erschienen: „Die Sitzung ist eröffnet". Der Film ist recht gut, aber es gibt noch sehr viel Material, das nicht Verwendung gefunden hat. Ich wiederhole hier meine im Haushaltsausschuß gestellte Frage, ob das Bundesinnenministerium, d. h. die Bundeszentrale für Heimatdienst, bereit ist und bemüht sein wird, in Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Deutschen Bundestag, auf dessen Kosten der Film gedreht wurde, einen weiteren Film, der das Parlament der Öffentlichkeit nahebringen soll, aus dem noch nicht verwendeten Material zu schaffen.
Herr Kollege Dr. Willeke hat im Verlauf seiner Berichterstattung auf zwei besondere Bewilligungen des Haushaltsausschusses hingewiesen, die Ihnen heute mit dem Etat unterbreitet werden. Die eine Bewilligung bezieht sich auf die Beethovenhalle in Bonn, die andere auf die Dreifaltigkeitskirche in Worms. Ich freue mich, sagen zu können, daß die sozialdemokratischen Abgeordneten des Haushaltsausschusses an diesen Bewilligungen aus Gründen, die in der Sache liegen. sehr aktiven Anteil genommen haben. In diesem Haushalt sollen mindestens 100 000 DM für die Dreifaltigkeitskirche, die eigentliche Lutherkirche in Worms, bewilligt werden. Ich möchte darauf hinweisen, daß dem evangelischen Volksteil in der Bundesrepublik und darüber hinaus den evangelischen Menschen draußen in aller Welt, die ihr Scherflein zur Wiedererrichtung der Dreifaltigkeitskirche, jener alten berühmten Lutherkirche, beigetragen haben, ein großer Dienst erwiesen wird. wenn der Bundestag diesen Betrag bewilligt.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen dies Herrn Bundesinnenministers nicht vorgreifen, sondern nur auf eine persönliche Bemerkung des Herrn Kollegen Ritzel eingehen. Der Herr Kollege Ritzel hat gemeint, ich hätte dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages offen oder in der Stille den Vorwurf gemacht, daß er nicht ,genügend — wenn ich so sagen darf — Abwehrkraft gegen an sich unbegründete Ausgabenforderungen gehabt hätte. Ich darf feststellen, was ich gesagt habe; es ist veröffentlicht im Bulletin vom 8. Mai 1957. Ich habe in einer Besprechung mit Pressevertretern dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages „warmherzige Dankesworte", wie es heißt, „für die 'aufopfernde Mühe, der er sich besonders in den letzten Wochen der Haushaltsberatungen unterzogen hat", igewidmet.
Der Ausschuß
— heißt es wörtlich —
nahm eine kaum mehr zumutbare Belastung auf sich und hat sich im großen und ganzen als ein sehr entschlossener Abwehrblock gegen unbegründete Ausgabenwünsche erwisen.
Ich habe dann 'ausdrücklich festgestellt, daß die
Regierung selber in vielen Fällen die Initiative
ergreifen mußte, um sicherzustellen. daß nachträglich aufgetretener Bedarf auch im Voranschlag
berücksichtigt wurde. Es heißt dann weiter:
Es stellt sich immer mehr heraus, daß die Aufstellung des Voranschlags im August und September in unserer schnellebigen Zeit nicht alle Erfordernisse des nachfolgenden Rechnungsjahres zu erfassen vermag. Auch die Verspätung der Beratungen, die eigentlich im Februar abgeschlossen sein müßten. wirkt mit, um immer neue Anforderungen entstehen zu lassen.
Ich möchte also feststellen. daß ichausdrücklich anerkannt und meine Freude darüber ausgesprochen habe, daß der Haushaltsausschuß auch Anforderungen, die an ihn herangetreten sind, pflichtgemäß abgewehrt hat.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Ritzel hat zu Beginn seiner Ausführungen gemeint, im Bundesministerium des Innern herrsche unter meiner Führung nicht der Geist der Toleranz.
— Der Herr Kollege Menzel meint sogar, das sei wohlwollend. Das möchte ich doch gern für das Protokoll festhalten: er hat also offenbar eine wesentlich schlechtere Meinung ,davon.
Beispiele für seine Meinung hat Herr Kollege Ritzel nicht angeführt. Ich möchte ihm gern ein Beispiel der Toleranz geben, indem ich im Sinne der Toleranz auf seine Ausführungen eingehe.
— Herr Kollege, Sie können ja abwarten; dann können Sie die Toleranz anschließend beurteilen; Sie sollten das aber nicht im vorhinein tun.
Der Herr Kollege Ritzel hat im Zusammenhang mit Seite 13 des Haushaltsentwurfs getadelt, daß das Bundesministerium des Innern die Angewohn-
heit habe, Sachverständigenkommissionen heranzuziehen.
— Herr Kollege Conring, ich weiß nicht, ob er damit ganz richtig interpretiert ist. Jedenfalls hat er die Meinung ausgesprochen, daß der Sachverstand der Beamten ausreichen müsse. um in allen Sparten mit den Aufgaben fertig zu werden.
Ich glaube, daß der Weg, den zum Teil schon mein Vorgänger beschritten hat und den ich dann weitergegangen bin, hervorragende Vertreter des öffentlichen Lebens und vor allen Dingen der Wissenschaft zu den Aufgaben der Gesetzesvorbereitung mit heranzuziehen und damit zur Erleichterung der Arbeit dieses Hohen Hauses beizutragen, von den weitesten Kreisen der Öffentlichkeit sehr begrüßt wird
und daß es gerade auf diese Weise gelungen ist, den vergangenen Jahren ein wesentlich engeres Verhältnis in der Mitarbeit der Hochschulen bei den Arbeiten der Bundesregierung und dies Parlaments zu schaffen.
Der Herr Kollege Ritzel hat die Ausschüsse im einzelnen ,aufgeführt. Ich will das nicht wiederholen, um das Hohe Haus nicht zu lange aufzuhalten. Er hat nur eines vergessen: den bescheidenen Gesamtbetrag zu nennen, der für diese von ihm so außerordentlich kritisierte Tätigkeit ausgegeben wird. Diese Ausgaben einschließlich aller erstatteten Gutachten schließen nämlich mit ganzen 100 000 DM ab, und das dürfte in der Tat angesichts eines Haushalts des Bundesministeriums des Innern von derzeit 700 Millionen DM ein sehr, sehr bescheidener Betrag für die Mitarbeit hervorragender Männer des öffentlichen Lebens sein.
Unter diesen Kommissionen hat er z. B. auch die Luther-Kommission getadelt. die die Vorarbeiten für die Neuordnung des Bundesgebietes geschaffen hat. Dazu erübrigt sich eigentlich jedes weitere Wort. Ich weiß überhaupt nicht, wie man diese Arbeiten zustande bringen sollte, ohne eine solche — im übrigen auch zum Teil mit Parlamentariern besetzte — Kommission zur Vorbereitung heranzuziehen.
Ein weiteres Beispiel ist der Bericht der Wahlrechtskommission. Wenn ich an die Wahlrechtsdebatte hier im Hause zurückdenke, so muß ich sagen, daß es wohl überhaupt keinen Sprecher in der Wahlrechtsdebatte gegeben hat, der nicht aus diesem Bericht der Wahlrechtskommission Honig — nicht immer denselben Honig — gesaugt oder zu saugen versucht hätte und der nicht gesagt hätte: Das ist eine Arbeit gewesen, die für die weitere Grundlegung des Verfassungs- und Staatsrechts in Deutschland außerordentlich Wichtiges bedeutet.
Dasselbe, meine Damen und Herren, verspreche ich mir von dem Bericht der Parteienrechtskommission, der, wie ich hoffe, noch im Laufe der nächsten Wochen oder Monate vorgelegt werden kann.
Das sind Arbeiten, die überhaupt nicht geleistet werden könnten, ohne daß man in einer gewissen angemessenen Breite auf allen hierfür verfügbaren Sachverstand — gerade auch unabhängigen Sachverstand — in Deutschland zurückgreift. Ich glaube, das Hohe Haus wird sich durch die Vorarbeiten gerade solcher Kommissionen in seinen Arbeiten sehr erleichtert sehen.
Daß das z. B. auch auf dem Gebiete der Lebensmittelrechtsreform gilt, ist doch ganz evident; das zeigen doch die Arbeiten, die in den Ausschüssen des Hauses in den letzten Monaten geleistet worden sind. Ich glaube also, daß jeder Tadel an diesen Kommissionen, an der Praxis der Berufung solcher hervorragender Gremien doch nicht ins Schwarze trifft.
Herr Kollege Ritzel hat die Wiedergutmachung angesprochen. Dabei ist er aber nicht ganz an die richtige Adresse gekommen. Soweit sich die Wiedergutmachung — d. h. im wesentlichen ist das die Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst — im Bundesministerium des Innern abspielt, ist sie gerade hier im Hause von verschiedenen Seiten immer nur sehr gelobt und als vorbildlich hingestellt worden. Wir haben auf dem Gebiet der beamtenmäßigen Wiedergutmachung sehr viel schneller gearbeitet, als es irgend jemand erwartet haben konnte.
Ich bin gerne bereit, falls da irgendwelche Zweifel sein sollten, das .auch ,an Hand der Zahlen und der derzeitigen Geschäftslage darzutun.
Herr Kollege Ritzel hat mich dann als Verfassungs- und vor allen Dingen Kommunalminister apostrophiert. Aber er schätzt die Befugnisse des Kommunalministers, wie er sagt, doch viel zu hoch ein.
Wenn er selbst einmal diesen schwierigen Boden zu beackern gehabt hätte oder haben würde, dann würde er sehen, wie eng und begrenzt die Möglichkeiten des Einflusses der Bundesregierung auf diesem Gebiet in der Tat sind.
Er hat z. B. angeregt, wir sollten die Länder an ihre Pflichten gegenüber den Kommunen erinnern, wenn es sich jetzt darum handelt, die Kosten für die Polioschutzimpfung richtig anzusetzen. Nun, ich möchte nicht gerne die Briefe sehen, die ich von den Ländern zurückbekäme, wollte ich ihnen hinsichtlich der Finanzverhältnisse Land-Kommunen Ratschläge dieser Art geben.
Der Kollege Ritzel ist aber in einem Punkte nicht korrekt gewesen, nämlich in der Darstellung der Vorstellungen, die die Bundesregierung hinsichtlich der Luftschutzkosten gehabt hat. Da sich dies etwas zu einer Legende ,auswachsen könnte oder vielleicht schon ausgewachsen hat, möchte ich doch noch einmal in Erinnerung rufen —
— Für Legenden? Da könnte ich eine Menge von der anderen Seite des Hauses lernen, Herr Kollege Schmitt ! Das liegt mir auch nur sehr wenig. — Ich sage also, es könnte sich zu einer Legende auswachsen, was über die Haltung der Bundesregierung in der Frage der Luftschutzkosten gesagt worden ist. Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß wir uns hier um Himmels willen nicht in die Art und Weise einmischen
sollen, wie die Länder und Gemeinden sich auf diesem Gebiet verständigen, sondern wir haben immer nur gesagt, was der Bund glaubt tun zu können, und das wissen Sie. Das war in der Regierungsvorlage ein Drittel.
— Das verstehe ich nicht recht. Wir hatten ein Drittel vorgeschlagen, und wenn das Haus der Meinung ist — dieser Meinung sind die Ausschüsse offenbar gewesen —, daß man die Beträge erhöhen muß, ist das etwas ganz anderes. Wir haben aber niemals von vornherein etwa den Kommunen ganz bestimmte Leistungen zumuten wollen. Dabei möchte ich allerdings gar keinen Zweifel über eins lassen, meine Damen und Herren — wir kommen ja vielleicht im Laufe der Debatte auf diesen Punkt noch zurück —: Die Kosten für den zivilen Bevölkerungsschutz werden so beträchtlich sein und sie werden von so verschiedenen Stellen getragen werden müssen, daß es eine Illusion wäre, anzunehmen, daß das Kosten seien, die allein zu Lasten des Bundes gehen könnten. Wenn jemand den zivilen Bevölkerungsschutz in diesem Sinne ansehen will, dann wird er weder den finanziellen Möglichkeiten noch den verwaltungsmäßig-organisatorischen Anforderungen und dergleichen gerecht. Es wäre ganz falsch, das zu verschweigen und so zu tun, als ob dies Lasten seien, die etwa der Bund allein übernehmen könnte.
Herr Kollege Ritzel hat dann — auch in dem ermahnenden Sinne — ein Wort über die Einwirkung vom Bund auf die Länder im Bereich der Rechtsprechung, im Bereich der Tätigkeit der Verwaltungsgerichte gesagt. Herr Kollege Ritzel, auch das ist ein sehr heikles Kapitel und ein mehr als heißes Eisen. Einwirkungsmöglichkeiten haben wir im Grunde hier überhaupt nur auf zwei Bereichen. Ich darf Ihnen das eben auseinandersetzen. Das eine ist das, was uns in dem Gesetz über die Verwaltungsgerichtsordnung vorschwebt, und hier — das ist ganz eindeutig — ist das Hohe Haus am Zuge und nicht etwa die Bundesregierung.
Das Gesetz über die Verwaltungsgerichtsordnung, das ein großes Stück Reform auf diesem Gebiete darstellt, liegt hier im Hohen Hause, und es gehört zu meinem Morgen- und Abendgebet, daß wir dieses Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode erledigen.
— Nun, Herr Kollege Niederalt, ich weiß nicht, ob ich auf diesem Gebiet mit Ihnen konkurrieren kann. Aber ich nehme mir Ihre Ermahnungen gern zu Herzen. — Das ist also im Punkt 1 eine Sache des Hauses.
In puncto 2 liegt es in der Gestaltung der Gesetzgebung selbst. Das ist ein ungeheuer weites Feld. Nachdem man einen so tiefen Vorstoß in der Richtung Generalklausel gemacht hat, ist es ungeheuer schwer, hier diejenigen Korrekturen vorzunehmen, die man etwa braucht, um zu einer etwas „schnittigeren" Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte kommen zu können. Die Überbelastung der Gerichte wird eben in doppelter Weise angepackt werden müssen: einmal, indem gewisse
Vorkehrungen für die Aufarbeitung der Rückstände getroffen werden, zweitens, indem die Verwaltungsgerichtsordnung summt, und drittens, indem entsprechende weitere gesetzgeberische Verbesserungen vorgenommen werden.
Herr Kollege Ritzel hat sich dann besonders liebevoll der Gesundheitsabteilung des Bundesministeriums des Innern angenommen, und zwar eigentlich nur im Punkte einer Personalie. Auf diese Personalie komme ich sofort zu sprechen. Aber ich glaube, daß man hier an dieser Stelle doch sagen sollte, daß die vorbereitende gesetzgeberische Tätigkeit gerade der Abteilung IV meines Hauses, der Gesundheitsabteilung, in den letzten Jahren außerordentlich bemerkbar gewesen ist. Teilstücke haben wir ja inzwischen in die Scheuern einbringen können, und ich habe sehr den Wunsch
— und das ist eine herzliche Bitte an das Hohe Haus —, daß wir dieses Stück Lebensmittelrechtsreform, das sich jetzt beinahe in der Vollendung befindet, wirklich noch in dieser Legislaturperiode abschließen können. Damit werden wir vielen, vielen Millionen deutscher Hausfrauen und damit natürlich auch uns selbst einen außerordentlichen Dienst erweisen.
Nun komme ich zu der Personalie, die Herr Kollege Ritzel angesprochen hat. Wenn ich richtig unterrichtet bin, Herr Kollege Ritzel, sind gerade Sie es gewesen, der in einer der letzten Haushaltsausschußsitzungen oder überhaupt dort den Standpunkt vertreten hat, daß die Bundesbeamten möglichst weitgehend austauschbar sein sollen. Das ist ein sehr gesunder Grundsatz, ein Grundsatz, der sich wie alle Grundsätze nicht hundertprozentig durchführen läßt, der aber in der Tat den Kern der Personalpolitik bilden sollte: Kräfte zu haben, die nicht nur in dem Sektor X, sondern auch in den Sektoren Y, Z usw. verwendbar sind. Nun, Herr Kollege Ritzel, wenn Sie dieser Auffassung sind, finde ich es nicht ganz richtig, daß Sie personelle Veränderungen im Bereich der Bundesregierung dann tadeln, wenn gerade jemand, der zu den austauschbaren Kräften gehört, einmal ausgetauscht worden ist.
— Darauf komme ich zu sprechen, Herr Kollege Ritzel. Ich komme jetzt auf die Qualifikation; das wollte ich Ihnen gerade auseinandersetzen. Ich möchte aber nicht durch das, was ich jetzt sage, in den Verruf kommen, daß ich für Juristenmonopole sei; denn das ist natürlich ein ganz gefährliches Gebiet. Trotzdem darf ich aber sagen, daß ein normal vorgebildeter Jurist für den höheren Verwaltungsdienst, also jemand, der die beiden juristischen Examen bestanden hat und dann einen Weg durch die Verwaltung, unter Umständen auch einen Weg aus der Öffentlichkeit zurück in die Verwaltung gemacht hat, in der Regel unbedingt zu den Kräften gehören muß, die unter dieser Marke, die Sie selbst ja geprägt haben, also unter der Marke „austauschbar", gehen.
Was den betreffenden Herrn angeht, den Sie, wie ich glaube, nicht sehr liebenswürdig einen „abgetakelten Pressechef" genannt haben, so war er — —
— Ich sage: das war keine sehr liebenswürdige Bezeichnung.
— Na schön, trotzdem ist es nicht sehr liebenswürdig. Ich möchte dazu doch eines sagen. Der betreffende Herr befand sich, bevor er in das Bundespresse-- und Informationsamt berufen wurde, im Bundesministerium des Innern, und zwar, Herr Kollege Ritzel, wie Sie als ein Mitglied des Haushaltsausschusses wissen, in der Abteilung Ziviler Bevölkerungsschutz.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Minister, Sie sprachen vorhin von Austauschbarkeit. Sie scheinen aber in diesem Fall der Meinung gewesen zu sein, daß die Gesundheitsabteilung an einem Juristen nicht genug hatte — nachdem sie acht Jahre mit einem ausgekommen ist. Der Jurist kann ja doch immerhin auch auf gesundheitspolitischem Gebiet — das ist wohl auch Ihre Meinung — nur die juristischen Fragen beurteilen. Darf ich Sie also fragen, wo hier die Austauschbarkeit liegt?
Frau Kollegin, ich werde auf Ihre Zwischenfrage ausführlich antworten. Das ist nämlich tatsächlich ein Punkt, den man nicht mit einem Satz beantworten kann. Ich darf dabei in meinem Gedankengang fortfahren. Der Betreffende kam aus der Abteilung Ziviler Bevölkerungsschutz, einer Abteilung, die diese ganz großen Gesetze, Bundesleistungsgesetz, Schutzbereichgesetz, Landbeschaffungsgesetz usw. usw., ausgearbeitet hat, und er gehört zu den wesentlichen Bearbeitern dieser Gesetze, was man leider nicht weiß und in der Öffentlichkeit natürlich meistens auch nicht erwähnt. Er kehrte also, Herr Kollege Ritzel, an die Stätte seiner Tätigkeit zurück, und an der Stätte seiner Tätigkeit ging er von einer Abteilung in eine andere Abteilung über, eine Abteilung — und nun antworte ich auf das, was Frau Kollegin Dr. Hubert gesagt hat —, in der mir sehr daran lag, das juristische Gewicht zu verstärken. Warum? In dieser Abteilung standen —das sind alles keine Dinge für die Ewigkeit, sondern das sind Dinge auf Zeit und Sicht —, wie die Frau Kollegin selbst besonders gut weiß, wichtige gesetzgeberische Vorhaben im Brennpunkt der Aufgaben. Wir alle in der Rheindorfer Straße haben uns etwas davon versprochen, daß für diese Aufgaben zusätzlich und in diesem Sektor führend ein sehr qualifizierter Jurist angesetzt werden könnte. Ich will die Dinge nicht berufen, aber ich glaube, daß der Erfolg diesen Erwartungen durchaus recht gegeben hat. Die gesetzgeberische Arbeit dieser Abteilung hat — das ist mein Urteil darüber
— ohne Zweifel durchaus gewonnen. Und nun komme ich schließlich wieder zu dem Kollegen Ritzel: dies sind austauschbare Beamte, d. h. der Wandlung fähige personelle Besetzungen. Ich bin der Meinung, daß sich die Personalpolitik in den einzelnen Sektoren jeweils nach dem Bedürfnis richten muß und daß man gewisse Umbesetzungen nur unter diesem Gesichtspunkt vornehmen kann und betrachten sollte.
Ich habe den Worten des Kollegen Ritzel noch etwas anderes entnommen. Ich glaube ihn so verstanden zu haben, daß er in der Lage sei, Angebote für eine Verstärkung im Bereich der Gesundheitsabteilung zu machen.
— Für eine anderweitige Verwendung? Nein, Herr Kollege Ritzel, das möchte ich lieber meiner Disposition vorbehalten. Aber wenn Sie für eine Verstärkung der Abteilung IV, worum wir sehr bemüht sind, einleuchtende Angebote machen können, so sind diese täglich herzlich willkommen.
Einige Worte zu dem, was über die Sicherungsgruppe gesagt worden ist. Ich glaube — ich will mich hier ganz kurz fassen —, daß derzeit der rechtliche Rahmen der Betätigungsmöglichkeit für die Sicherungsgruppe durchaus ausreicht. Ich stimme dem Kollegen Ritzel aber darin bei. daß wir vielleicht in der nächsten Legislaturperiode, in der wir allerhand weitere Vorkehrungen auf dem Gebiet der Staatssicherheit brauchen werden, auch hier gewisse Veränderungen eintreten lassen können. Ich will mich darüber im Augenblick nicht weiter auslassen.
Aber, Herr Kollege Ritzel, Sie haben das bescheidene bißchen Schutz, das wir im Rahmen der Sicherungsgruppe haben, mit sowjetischen Vorbildern vergleichen wollen. Diese, Herr Kollege Ritzel, gehen weit, weit über unsere Einrichtungen hinaus. Ich weiß nicht, wieweit Ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete gehen. Ich kann nur wiederholen, daß ich hinsichtlich der sowjetischen Vorbilder ganz beschränkte Erfahrungen habe.
— Auf dem Gebiet der sowjetischen Vorbilder habe ich bessere Erfahrungen als Sie: Ich spreche von den Erfahrungen an Ort und Stelle. Herr Kollege Ritzel. Über die statistischen Zahlen kann ich Ihnen nur das sagen: sie sind das geradezu astronomisch Vielfache von dem, was wir als Staatssicherheitseinrichtungen hier haben.
Von einem Schutz der Bundesminister ist mir noch nicht viel bekanntgeworden.
- Ich wäre dankbar, wenn ich hier einmal Einzelheiten haben könnte. Was das Maß meines Schutzes angeht, habe ich mich mehr an Ihre Maxime gehalten. Es ist nicht etwa die Erwartung, .,aus Liebe erdrückt zu werden" — Herr Kollege Ritzel, das ist die Formulierung, die Sie gebraucht haben —; aus Liebe erdrückt zu werden, das kann vielleicht anderen passieren, aber wir sind in dieser Richtung etwas stärker englisch erzogen und brauchen keine sowjetischen Vorbilder.
Herr Minister, gestatten Sie dem Abgeordneten Ritzel eine Frage?
Bitte!
Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Minister, ist Ihnen nichts von dem Schutz bekannt, den die Sicherungsgruppe, sagen wir, für den Herrn Bundesaußen-
minister und für den Herrn Bundeskanzler sowohl hier in Bonn als auch in Rhöndorf stellt?
Herr Kollege Ritzel, ich habe ausdrücklich von den Bundesministern gesprochen. Ich habe den Herrn Bundeskanzler ganz bewußt ausgelassen, weil es eine bare Selbstverständlichkeit ist, daß der Herr Bundeskanzler in einem übrigens sehr, sehr bescheidenen Umfang einen gewissen Schutz genießt.
Wir würden unsere Pflichten in grotesker Weise vernachlässigen, wollten wir nicht dafür sorgen. Über den Schutz des Herrn Bundesaußenministers weiß ich übrigens gar nichts im einzelnen. Ich würde annehmen, daß es sich da um dasselbe kaum sichtbare Niveau handelt, wie es im übrigen unserer Praxis entspricht. Wenn in Verbindung mit Staatsbesuchen gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, so werden diese der ausländischen Besucher wegen getroffen — auch das gehört zu unseren internationalen Pflichten —, nicht etwa aus unserem eigenen Schutzbedürfnis. Ich kann noch einmal sagen — diese Formulierung gefällt mir zu gut —: wir haben nicht die Sorge, aus Liebe erdrückt zu werden, wir haben aber auch nicht die Furcht, aus Abneigung verfolgt zu werden.
Hinsichtlich der Kontrolle über den Tit. 300 — das ist ja ein Alle-Jahre-wieder-Antrag — brauche ich nur auf frühere Ausführungen zu verweisen. Dem Kollegen Ritzel möchte ich lediglich sagen: wir befinden uns hier in Übereinstimmung mit der entsprechenden Praxis aller deutschen Länder, wo dasselbe gilt. Ich glaube, wir sollten hier an dem festhalten, was sich eingebürgert hat.
Eine kleine Kritik am Rande hat der Herr Kollege Ritzel am Bundesgrenzschutz angebracht, hier muß ich richtiger sagen: am Bundespaßkontrolldienst. Wenn man das nur so einseitig gehört hat, kommt man leicht zu der falschen Vorstellung, als ob wir auf dem Gebiet des Innern eine seefahrende Nation werden wollten. Davon ist natürlich keine Rede. Bisher spielt sich aber die Kontrolle der Schiffahrt an den betreffenden Stellen mit alten Booten ab, die sehr viel langsamer als die Schiffe sind, wodurch der Wert von Kontrollmaßnahmen stark gemindert wird. Auch hier dachten wir mit dem Fortschritt zu gehen. Es handelt sich übrigens um einen Betrag von 75 000 DM. Hier stehen also nicht die Milliarden der Landesverteidigung zur Debatte, sondern es geht um die Verbesserung der mit alten Booten durchgeführten Kontrollen durch eine neue Barkasse. Das war ein bescheidener Wunsch, den wir hier geäußert haben; nun sind wir halt bei den langsamen Booten, bei der schlechteren Kontrolle. Ob das besser ist als das, was wir vorgeschlagen hatten, darüber kann man sich seine eigene Meinung bilden.
Ich übergehe einige weitere Punkte, die hinsichtlich der Bewilligung wahrscheinlich auf keinen großen Widerstand stoßen, und komme zur Bundeszentrale für Heimatdienst, die zu den wenigen Institutionen gehört, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Ich hoffe, der Herr Kollege Ritzel wird wenigstens dieser Einrichtung den Geist der Toleranz noch ausdrücklich bestätigen; ich fände das jedenfalls im Interesse der Arbeit der Bundeszentrale für Heimatdienst durchaus wünschenswert.
Ich bin heute morgen nicht in der Lage, ihm mit einer Liste darüber zu dienen, wer alles „Das Parlament" bezieht. Aber wir werden versuchen die hier gewünschte Aufstellung zu bekommen, sobald es geht; sie kann dem Hause dann vielleicht schriftlich unterbreitet werden.
— Doch, wenn es interessiert, Herr Kollege Niederalt, natürlich!
Herr Kollege Ritzel hat dann die Anregung gegeben, einen weiteren Parlamentsfilm zu schaffen. Nun, meine Damen und Herren, ich verstehe von der Filmbranche nicht allzuviel. Ich weiß nur, daß es eine Branche ist, die in ihrem Auf und Ab von Glück und Unglück heftig verfolgt wird. Mit anderen Worten: es ist nicht leicht, im Gegenteil, es ist sehr schwer, Filme herzustellen, die auf allgemeines Wohlwollen stoßen. Und wenn man ein Parlament hat, in dem doch recht verschiedene Meinungen, Charaktere und Temperamente vertreten sind, ist es nahezu ausgeschlossen, einen Film herzustellen, bei dem man sich schmeicheln dürfte, die Zustimmung aller Mitglieder des Hauses zu finden. Die Aufgabe dieses Hohen Hauses läßt sich nach draußen filmmäßig nur sehr, sehr schwer wirklich plastisch, überzeugend und eindrucksvoll darstellen. Mir scheint also ein mäßiger Parlamentsfilm viel schlimmer als gar keiner.
Wenn wir allerdings einmal Gelegenheit haben sollten, einen großartigen Parlamentsfilm herzustellen, könnte man über diese Sache noch einmal sprechen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit ganz wenigen Bemerkungen schließen. Der Haushalt des Bundesministers des Innern hat in all den vergangenen Jahren, in denen ich die Ehre hatte, ihn in diesem Hohen Hause zu vertreten, immer folgendes Schicksal gehabt: er kam in einer bestimmten Größenordnung hier an, und wenn ich ihn dann wieder zu sehen kriegte, hatte er sich — während der Ausschußberatungen oder hier in zweiter oder dritter Beratung — beträchtlich erhöht. Eigentlich hätte ich also immer mehr Anlaß — wenn man das so ausdrücken darf —, mich zu bedanken als zu wehklagen. Andererseits gehen die jetzt vorliegenden Anträge auf weitere Erhöhung des Haushalts in sehr, sehr beträchtliche Größenordnungen. Es sind Anträge, die von der Opposition gestellt werden, und Anträge dieser Art haben natürlich spezielle politische Akzente. Ich neige hier zu der Betrachtung „timeo Danaos et dona ferentes". Dies ist das leichtere Latein, und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich vielleicht darauf verzichten, es zu verdeutlichen.
— Jawohl, wenn es verlangt wird: „Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen." Meine Damen und Herren, das heißt natürlich, sich sehr optimistisch ausdrücken; denn daß die Opposition Geschenke brächte, ist ja an sich kaum anzunehmen. Es sind doch wohl Beträge, die nicht zusätzlich von einem bestimmten Teil des Hauses aufgebracht werden sollen, sondern es ist ein Appell an den Steuerzahler oder es geht bestenfalls um die Umverteilung der Haushaltsposi-
tionen. Deshalb habe ich, glaube ich, ein Recht, an dem „timeo", einer gewissen Furcht auf diesem Gebiete, festzuhalten. Ich glaube aber — meine Damen und Herren, ich sage das vorweg ohne Rücksicht darauf, ob ich in dieser Debatte noch einmal darauf zurückkommen muß —, daß der jetzt vorliegende Haushalt des Bundesministers des Innern für die Aufgaben, für die das Haus in der Rheindorfer Straße berufen ist, eine weitere Kräftigung und weitere Unterstützung darstellt und daß wir den Aufgaben, die wir gerade auf dem Gebiet der inneren Sicherheit haben, in manchem besser gerecht werden können, als das bisher der Fall gewesen ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat auf wesentliche Fragen, die auch ich anzuschneiden beauftragt bin, schon eine Antwort zu geben versucht. Ich bin aber der Meinung, daß diese Antworten noch nicht ganz befriedigen.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen auch namens meiner Freunde etwas Gutes sagen. Wir haben uns darüber gefreut, Herr Bundesinnenminister, daß Sie gerade bei Kulturtiteln eine Initiative ergriffen und erkannt haben, daß die Bundesregierung nicht so ohne weiteres an den für unser deutsches Volk wichtigen kulturpolitischen Fragen vorbeigehen kann, obwohl das Grundgesetz für die Zuständigkeit in diesen Dingen — ich möchte
fast sagen: leider — eine Teilung zwischen Bund und Ländern vorgenommen hat. Aber um so schmerzlicher ist uns die Erkenntnis, daß Sie, Herr Bundesminister, auf anderen Gebieten sehr genau und korrekt darauf bedacht sind, diese Kompetenzen zu achten, und es deshalb bei wichtigen Problemen doch ein wenig an der nötigen Initiative fehlen lassen.
Ich denke da besonders an die Fragen der Gesundheitspolitik, auf die auch Herr Kollege Ritzel schon eingegangen ist. Hier vermisse ich eine gewisse Initiative der Bundesregierung, insbesondere Ihres Ressorts, da das Bundesgesundheitsamt in Ihrem Ministerium ressortiert. Wohl haben Sie für das Lebensmittelgesetz eine Vorlage gemacht; aber, Herr Minister, da kam die Initiative mit großer Kraft aus dem Parlament, und gerade wir Frauen waren es doch, die nicht locker gelassen haben, bis das Gesetz mit einiger Verspätung endlich verabschiedet wurde.
Aber das ist doch nicht das einzige Problem. Denken Sie nur einmal daran, was jetzt bei dem Chirurgenkongreß in München wieder in den Blickpunkt des Interesses gerückt wurde: die schreckliche Situation der Krankenhäuser, der Schwesternmangel, die drohende Gefahr, die jetzt auch in den Krankenhäusern durch diesen Mangel eintritt, noch gesteigert durch den „Hospitalismus", wie die Erkrankung an Wundfieber genannt wird, die jetzt wieder epidemisch auftritt, und ähnliche Fragen. Gewiß, diese Probleme berühren Sie nicht allein. Sie gehen in andere Ressorts mit über, in das Arbeitsministerium usw. Aber die Initiative muß doch von dem Ministerium ausgehen. das in erster Linie dazu bestimmt ist, die Gesundheit des deutschen Volkes mit zu beobachten und mit zu betreuen. Ich meine, da sollte von Ihrer Seite wirklich etwas mehr getan werden. Die Gesetzentwürfe, die jetzt auch von anderen Ministerien vorgelegt worden sind, z. B. für die Ausbildung der Krankenschwestern, Diätassistenten usw., können allein das Kernproblem nicht lösen. Es geht nämlich um die Fragen: Wo bringt man die Patienten in den Krankenhäusern unter, wie werden die Schwestern angemessen bezahlt usw.?
— Meine Herren, Sie können doch nicht verlangen, daß die Bevölkerung unter Kompetenzstreitigkeiten leidet und Schaden nimmt.
Wenn wir uns als Bund der Möglichkeit begeben, die Länder zu beeinflussen, verwirken wir ein Recht.
— Dann sind es in der Mehrheit wohl Ihre Freunde, die es sich nicht gefallen lassen, Herr Kollege, und dann sollten Sie auf Ihre Freunde in den Ländern einwirken. Ich frage: Warum haben wir denn dann überhaupt eine Gesundheitsabteilung im Bundesinnenministerium?
— Ach nein, Herr Pelster, Sie sind Regierungspartei, und an Sie muß ich mich wenden, denn Sie haben im Augenblick den wesentlichen Einfluß auf die Länder.
— Da muß ich zur Ehre der Wahrheit gestehen, daß wir in Hessen in der Frage der Einführung der Polioschutzimpfung seinerzeit einige Unterstützung gefunden haben. Das wollen wir, Herr Pelster, um der Wahrheit willen recht deutlich sagen. Aber schließlich obliegt es auch dem Bundesinnenministerium, für die Gesundheit der Bevölkerung Sorge zu tragen. Da muß es eben auf die Länderministerien einwirken, und wenn diese nichts tun, muß der Bund initiativ werden.
Ein zweiter Punkt, auf den Sie geantwortet haben, Herr Bundesinnenminister, betrifft den Luftschutz. Auch wir sind gar nicht damit einverstanden, daß das Luftschutzgesetz noch immer nicht verabschiedet wird. Ich weiß, Herr Bundesinnenminister, daß das nicht nur Ihr Verschulden ist. Sie haben von diesem Platz aus wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen. Es ist durchaus bedauerlich, daß sich die Regierungsparteien im Haushaltsausschuß bis heute nicht entschließen konnten, den Gesetzentwurf so zeitig zu verabschieden, daß wirklich Arbeit geleistet werden kann.
Ich frage immer wieder: Was haben denn die ganzen Institutionen, die in Ihrem Etat aufgeführt sind, überhaupt für einen Sinn, wenn sie in ihrer
Arbeit beschränkt oder gar nicht arbeitsfähig sind? Im wesentlichen führen sie einen Papierkrieg, weil ihnen zu praktischen Maßnahmen einfach die gesetzliche Grundlage fehlt. Gerade Sie, die Regierungsparteien, sollten entschieden darauf hinwirken, daß dieses Gesetz endlich verabschiedet wird. Wenn es auch unvollkommen ist, so macht es doch wenigstens einen Anfang. Ich möchte sehr dringend darum bitten, Herr Minister, daß das geschieht. Es ist einfach unerträglich, daß wir so wenig für den Schutz der Zivilbevölkerung tun. Die ganzen umliegenden Länder versuchen wenigstens einen Schutz ihrer Bevölkerung. Wir können uns nicht damit begnügen, immer wieder den Einwand entgegenzunehmen, daß sich die Grundlagen verändert hätten und die Mittelverteilung noch nicht geregelt sei. Wenn wir nicht einmal einen Anfang machen, weiß ich nicht, wie wir je zu einem echten Schutz der Zivilbevölkerung kommen wollen.
Sodann habe ich noch ein großes Anliegen. Wäre es nicht vielleicht doch gut, wenn Sie, nachdem der Beirat zu dieser Frage bereits eingehend Stellung genommen hat, uns noch in dieser Legislaturperiode ein Parteiengesetz vorlegten? Wir wissen, daß dieses Gesetz nicht mehr verabschiedet werden kann. Aber es wäre doch auch für die Wähler sehr interessant, wenn sie einmal feststellen könnten, in welcher Richtung die derzeitige Bundesregierung tendiert. Es wäre sehr notwendig, und ich weiß, daß gerade in der Bevölkerung das Interesse sehr groß ist. Wir würden es jedenfalls sehr begrüßen, wenn Sie das täten.
Persönlich möchte ich noch einen anderen Wunsch anknüpfen. Herr Minister, es wäre sehr wünschenswert, wenn Sie dem Anliegen der Bundestagsausschüsse entsprächen, die die Bitte an Sie richten, vor den Ausschüssen zu erscheinen. Es ist nicht sehr erfreulich, wenn Sie einem Wunsche nach dieser Richtung hin nicht entsprechen, sondern durch einen der Herren Staatssekretäre dem Ausschuß mitteilen lassen, Sie hätten zu den angeschnittenen Fragen nichts Neues mehr zu sagen und Sie fänden es deswegen auch nicht nötig, selber zu erscheinen. Sie wissen aus den Vorgängen von heute morgen, wie empfindsam das Parlament ist. Es ist das Recht des Parlaments und der das Parlament vertretenden Ausschüsse, den betreffenden Ressortminister zu einer Rücksprache vor die Ausschüsse zu bitten. Ich glaube, gerade für den Herrn Verfassungsminister geziemt es sich nicht, wenn er sich einer solchen Bitte entzieht.
Wenn Sie, Herr Minister, was ich durchaus einräume, mit Arbeit überlastet sind — wir wissen aile, wie groß und umfangreich Ihr Ministerium ist —, dann bitte ich, doch einmal zu überlegen, ob es nicht zweckmäßig wäre, daß wir aus Ihrem Ministerium einige Ressorts, die durchaus dafür geeignet wären, herausnehmen und aus ihnen ein eigenes Ministerium bilden.
Das ist vielleicht wichtig für den nächsten Bundestag, wenn eine Regierung gebildet wird. Da würde nämlich ein Ministerium gebildet werden, das wirklich sinnvoll ist. Dafür könnte das eine oder das andere Ministerium, das sich in den letzten Jahren nicht als sehr nützlich und brauch-
bar erwiesen hat, ad acta gelegt werden. Vielleicht wäre es in Anbetracht der Tatsache, daß Sie immer wieder betonen, wie umfangreich und wie überbelastet Ihr Ministerium ist, zweckmäßig, wenn Sie aus Ihrer Erfahrung heraus entsprechende Vorschläge machten. Ich glaube, es würde in Zukunft dem Innenministerium zugute kommen, und es würde auch der gesamten Parlamentsarbeit dienlich sein.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Frau Kollegin Dr. Ilk sehr dankbar für einige Anregungen, die sie gegeben hat. Ich darf auf einiges ganz kurz eingehen.
Die Sorge für Krankenhäuser, Krankenschwestern usw. gehört zu einer der ernstesten Sorgen, die ich habe. Auf diesem Gebiet ist eine ganze Reihe von Vorkehrungen eingeleitet, nicht nur das Gesetz, das dem Hohen Hause vorliegt und das, wie ich hoffe, noch zur Beschlußfassung in dieser Legislaturperiode kommt. Daß dies ein Problem ist, an dem das ganze Volk außerordentlich großes Interesse nimmt, liegt auf der Hand. Ich möchte mich hier ganz offen und nachdrücklich dazu bekennen, daß wir allen Anlaß haben, gerade die nichtkommunalen, die ganzen freien Krankenhäuser und Krankenpflegestätten nachdrücklich zu fördern, weil sie zu einem unentbehrlichen Bestandteil unseres Volkskörpers und unseres gesamten Lebens im Staate gehören.
— Ja, die dona, Herr Kollege Schmitt , müssen dann natürlich richtig dabeisein. Aber wenn wir hier, gerade was die freien Krankenhäuser angeht, an einem Strange ziehen sollten, so kann ich das nur voll begrüßen.
Die Frau Kollegin hat eine stärkere Aktivität der Gesundheitsabteilung des Bundesinnenministeriums gewünscht. Frau Kollegin Dr. Ilk, wenn Sie sich einmal die Reihe von bis heute nicht verabschiedeten Gesetzesvorlagen ansehen, die in den letzten Jahren gerade ,aus dem Bereich der Gesundheitsabteilung meines Hauses gekommen sind, so werden Sie sehen, daß man an der Aktivität dieser Abteilung sicherlich nicht mit Grund Kritik üben kann. Wir haben eine Menge sehr wichtiger gesetzgeberischer Vorhaben,
für die wir leider hier im Hause, ich möchte sagen, noch nicht die Torschluß-Unterstützung gefunden haben. Vielleicht gelingt es unter Ihrer Mithilfe in dem einen oder anderen Punkte. Wenn gerade die Damen des Hohen Hauses sich auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts als besondere Vorkämpferinnen bewährt haben, nun, so sehe ich es nicht nur als ein Vorrecht der Damen an, sich auf diesem Gebiet zu betätigen, sondern ich habe das immer herzlich begrüßt. Denn wie soll man das Ohr der ganzen Öffentlichkeit für solche im Grunde doch diffizilen Probleme gewinnen können und wie soll man die Widerstände, die sich dagegen selbstver-
ständlich aus Kreisen der Wirtschaft usw. erheben — zum Teil mit ganz guten Gründen erheben —, anders überwinden als mit Hilfe der deutschen Frauen und Hausfrauen! Deswegen habe ich diese parlamentarische Aktion als eine notwendige und wertvolle Unterstützung immer begrüßt.
Die Frau Kollegin Dr. Ilk hat mir die Anregung gegeben, noch in diesem Bundestag wenigstens den Entwurf eines Parteiengesetzes vorzulegen, um sozusagen die Gedanken der Bundesregierung über die Regelung des Parteienwesens bekanntwerden zu lassen. Ich möchte darauf folgendes sagen. Ich verspreche mir an sich nichts davon, nur noch Musterentwürfe vorzulegen, bei denen man ernsthaft nicht mehr mit einer Verabschiedung rechnen kann. Das würde, glaube ich, diese letzten Monate parlamentarischer Arbeit erschweren, ohne eine fruchtbare Hilfe darzustellen.
Wir haben uns dahin verständigt, daß wir zunächst einmal den Bericht der Parteienrechtskommission abwarten wollen, und ich kann Ihnen sagen, daß nicht nur ich selber diesem Bericht mit großem Interesse entgegensehe, sondern daß das wahrscheinlich auch für sehr zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses gelten wird. Der Bericht der Parteienrechtskommission wird voraussichtlich sowohl eine Menge, sagen wir, geschichtliches und vergleichendes Material enthalten als auch gewisse Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
Die Probleme, die uns der Artikel 21 des Grundgesetzes stellt, sind außerordentlich schwer; sie sind eigentlich, möchte ich beinahe annehmen, schwerer, als sich die damaligen Väter dieser Bestimmung das vorgestellt haben. Gerade dann nämlich, wenn Probleme schwierig sind, schreibt man ganz gern ins Grundgesetz: „Das Weitere bleibt einem Gesetz vorbehalten", und dann hat also der nächste Gesetzgeber die ,Aufgabe, ein Problem zu lösen, das sich auf Anhieb einer befriedigenden Lösung doch nicht so ohne weiteres zuführen ließ.
Die Frau Kollegin Dr. Ilk hat mich dafür getadelt, daß ich dem Wunsche, ich weiß nicht, welcher Ausschüsse, mich dort zu sehen, nicht entsprochen hätte. In keinem Falle habe ich einem Wunsche eines Ausschusses — es sei denn, daß ich einmal darum gebeten habe, eine bestimmte Sache zu verschieben — nicht entsprochen. Ich könnte mich ja auch der Verfassungsvorschrift gar nicht entziehen, mich vor einem Ausschuß zu stellen, der diesen Wunsch äußert oder der dahin beschließt. Aber die Frau Kollegin Dr. Ilk war wenigstens gerecht genug, anzuerkennen, daß die Arbeit des Innenministers sich leider nicht auf einem oder zwei oder einige wenige Ausschüsse konzentriert, sondern daß es mehr als ein Dutzend Ausschüsse sind, die ziemlich unmittelbar in Verbindung mit dem Bundesministerium des Innern stehen; und ein Blick, Frau Kollegin, allein auf die Termintafel zeigt Ihnen, daß es — wörtlich — ausgeschlossen ist, mich den Ausschüssen so intensiv zu widmen, wie ich das manchmal gern tun möchte. Das ist angesichts der Vielzahl schon aus rein zeitlichen Gründen einfach ausgeschlossen. Das muß man anerkennen, und deswegen habe ich ja einige Vorschläge auf diesem Gebiet gemacht. Ich habe den Vorschlag gemacht, daß man einige Ausschüsse — ich will die Vorschläge hier nicht im einzelnen wiederholen — zusammenfassen sollte. Ich tue mich in meiner Arbeit viel leichter, wenn ich es nur mit einem Auswärtigen Ausschuß oder einem Verteidigungsausschuß oder was immer zu tun habe. Das würde meine Arbeit ganz außerordentlich erleichtern. Aber ich habe z. B. hier nicht sehr viel Gefolgschaft für den Vorschlag gefunden — ich sehe den Kollegen Maier gerade vor mir —, den Ausschuß für Inneres zwar nicht ganz auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern zu erweitern, aber ihm doch wenigstens etwa die Hälfte dieses Geschäftsbereichs zuzuweisen. Das würde, glaube ich, für die Arbeit im Ausschuß wie für die Arbeit des Hauses eine Erleichterung bedeuten. Das sind also Vorschläge, die durchaus praktisch sind.
Nun ist die Frau Kollegin noch ein Stück weitergegangen. Sie hat den Gedanken geäußert, aus dem Bundesministerium des Innern heraus einige zusätzliche Ministerien zu entwickeln.
— Nur eins. Ich weiß nicht, inwieweit die Frau Kollegin damit schon den Erwägungen über die künftige Regierungsbildung vorausgeeilt ist. Aber ich habe immer auf dem Standpunkt gestanden und vertrete diesen Standpunkt auch heute, daß wir in Fragen der Kabinettsorganisation elastisch sein sollten. Wenn ich mein persönliches Vorbild dafür nennen darf, so möchte ich sagen, daß es die englische Kabinettsorganisation ist. Die Engländer sind in meinen Augen geradezu Künstler darin, mit großer Elastizität, von den Grundressorts abgesehen, immer wieder zu Gestaltungen zu kommen, die den aktuellen Notwendigkeiten entsprechen. So könnte ich mir vorstellen, Frau Kollegin Dr. Ilk, daß der von Ihnen hier ausgesprochene Gedanke — ohne daß ich mich damit auf das Gebiet der Prophetie begeben will — noch zu unseren Lebzeiten in dieser oder jener Form eine Verwirklichung finden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in wohlgesetzten Worten wieder von dem Respekt gesprochen, den er dem Parlament und den Ausschüssen zollt. Ich muß hier die Frau Kollegin Dr. Ilk unterstützen. Herr Minister, Ihr Amtsvorgänger, Herr Minister Lehr, war in der verhältnismäßig kurzen Zeit seiner Amtsführung elfmal im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Sie haben es in vier Jahren auf ganze vier Anwesenheiten gebracht.
Ich glaube, das ist charakteristisch für die Art, wie der Herr Minister mit dem Ausschuß verkehrt hat.
Ich darf Ihnen hierfür nur ein Beispiel aus den letzten Tagen geben, das die Aussprache über den Bundesgrenzschutz betrifft. Herr Minister, Sie wissen, daß der Ausschuß schon seit langem den Wunsch hatte — er ist letztmals anläßlich der Vorführung des Bundesgrenzschutzfilms protokollarisch festgehalten worden —, mit Ihnen eine Aussprache über den Bundesgrenzschutz zu führen. Ich werde auf diese Angelegenheit bei der Beratung des Einzelplans 25 ohnehin noch zurückkommen. Ich möchte jetzt nur sagen, daß Sie
uns in diesem Fall gar keine unmittelbare Nachricht haben zukommen lassen, sondern lediglich eine Protokollnotiz über ein Gespräch von Herrn Staatssekretär von Lex mit dem Herrn Ausschußvorsitzenden hinterlassen haben. Also diese Form, mit dem Ausschuß zu verkehren, daß Sie es gar nicht für notwendig halten — das geht nämlich aus der Notiz hervor —, mit uns ein Gespräch zu führen, sondern daß Sie auf Ihre Herren Beamten verweisen, ist doch ungewöhnlich und entspricht durchaus nicht der Form, wie wir uns die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ressortminister vorstellen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu einigen der Ausführungen des Herrn Ministers, der ja mit der Frage der Legendenbildung begonnen hat. Ich muß sagen, auch wir legen Wert darauf, daß sich durch die heutige Debatte keine Legenden bilden, und ich muß deshalb einige Dinge klarstellen. Da ist zunächst der Hinweis des Herrn Ministers, daß er gar keine Möglichkeit habe, auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte einzuwirken. Natürlich nicht, Herr Minister, aber der Kollege Ritzel wollte auch etwas ganz anderes sagen. Er wollte sagen, daß Sie die Ihnen unterstellten Behörden darauf hinweisen, daß es nicht richtig ist, in völlig aussichtslosen Sachen Berufung einzulegen
und bis zum Bundesverwaltungsgericht zu gehen, obwohl man bereits in der ersten Instanz klar sehen kann, daß die Frage entschieden ist. Es gibt eine Reihe von Fällen, die vor allem auch im Beamtenrechtsausschuß schon im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Sprache gekommen sind, in denen die Behörden immer wieder den Rechtsweg beschritten haben, obwohl sie in der ersten Instanz eindeutig verloren hatten. Ich hoffe, daß die neue Verwaltungsgerichtsordnung, die unterliegenden Behörden die Kosten auferlegt, die Behörden davon abhalten wird, unnötig Verfahren in die Rechtsmittelinstanzen gehen zu lassen. Nur so war der Hinweis des Kollegen Ritzel gemeint.
Ein Wort zu den Sachverständigenkommissionen. Herr Minister, hier war der Hinweis des Kollegen Ritzel nur so zu verstehen, daß die Sachverständigenkommissionen bloß dann einen Zweck haben, wenn Sie als der verantwortliche Minister selbst ein Urteil haben und in der Lage sind, dem Parlament eine Vorlage zu machen. Sie haben beispielsweise den Sachverständigenbericht der Wahlrechtskommission gehabt. Sie haben dem Hohen Hause keinen Entwurf zum Wahlgesetz vorgelegt. Die Bundesregierung wäre verpflichtet gewesen, aus den Gutachten Konsequenzen zu ziehen und hier Entwürfe vorzulegen. Das ist nicht geschehen. So ist es auch auf anderen Gebieten. Wir wollen nicht, daß Sachverständigengutachten dazu benutzt werden, daß der zuständige Ressortminister der politischen Verantwortung ausweicht, indem er selbst keine eigenen Vorlagen einbringt.
Nun zu der Frage Verteilung der Luftschutzkosten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Herr Minister, ich habe hier die Drucksache 1978 vor mir, die sicher auch Ihnen und Ihren Herren bekannt ist. Sie haben gesagt, Sie seien ja schließlich nicht dafür verantwortlich, daß den Gemeinden ein Drittel der Luftschutzkosten auferlegt werde. Es heißt hier:
Der Ausgleich zwischen Land und Gemeinden wird im Gesetz nicht geregelt, muß vielmehr dem Landesfinanzausgleich überlassen bleiben. Doch geht der Entwurf bei der Regelung der Finanzierung der Ausgaben in § 31 davon aus, daß Bund, Länder und Gemeinden je ein Drittel dieser Ausgaben leisten.
Damit ist ganz klar, daß die Regierungsvorlage von dieser Drittelung ausgegangen ist. Es ist mir unverständlich, wie Sie angesichts dieser klaren Sachlage davon sprechen können, daß Sie nicht den Gemeinden ein Drittel der Kosten hätten auferlegen wollen.
Noch eine andere Sache, die uns sehr bedrückt hat. Vor den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz, Herr Minister, am Samstag, dem 10. November 1956, ist im Anzeigenteil einer Tageszeitung in Rheinland-Pfalz ein Aufruf an die evangelische Bevölkerung von Worms erschienen, in dem es unter anderem hieß, daß nur solche Kandidaten gewählt werden sollten, die christliche Grundsätze verträten und sich ihrer Verantwortung vor Gott bewußt seien. Der Aufruf war unterschrieben: Dr. Schröder, Bundesminister des Innern.
Herr Minister, wenn Sie in Ihrer Tätigkeit als Vorsitzender der Evangelischen Arbeitskreise der CDU/CSU tätig werden, dann, glaube ich, ist es auch recht und billig, klar herauszustellen, in welcher Eigenschaft Sie an die Öffentlichkeit treten.
Wir haben noch eine andere Sache sehr zu beklagen, bei der wir auch das Gefühl haben, daß die Abgrenzung nicht immer klar erkennbar ist. Das ist Ihre Auseinandersetzung mit der evangelisch-theologischen Fakultät der Bonner Universität. Sie wissen von dem Aufsatz, der in der Arbeitskreis-Zeitschrift „Evangelische Verantwortung" erschienen ist. In dieser Zeitschrift ist ein Angriff gegen die evangelisch-theologische Fakultät der Bonner Universität gestartet worden, den wir in Form und Inhalt außerordentlich bedauern.
Zu der Einladung des Moskauer Patriarchen, eine offizielle Delegation zum Besuch der orthodoxen Kirche in der UdSSR zu entsenden, wird dort gesagt: das seien „evangelische Moskau-Pilger" und „westdeutsche Schwärmer-Theologen". Derartige Ausdrücke sind in diesem Aufsatz zur Diffamierung dieser Theologen verwendet worden.
Wennschon eine solche Zeitschrift unter Ihrer Verantwortung — Sie sind ja als Verfassungsminister für Toleranzfragen zuständig — erscheint, dann müßten Sie in der geeigneten Form von einem derartigen Aufsatz abrücken. Ich bedaure außerordentlich, daß Sie und der Herr Oberkirchenrat Cillien sich nur dazu entschließen konnten, sich in einem Schreiben von den Schärfen dieses Artikels zu distanzieren, und daß Sie es abgelehnt haben, eine klare Gegenerklärung abzugeben. Ich würde es außerordentlich begrüßen, und es wäre sicher auch im Interesse der Allgemeinheit, wenn hier eine klare und eindeutige
Scheidung der Aufgaben des Ministers von denen des Vorsitzenden des Arbeitskreises erfolgte, damit in der Öffentlichkeit keine Verwirrung entsteht.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß offen gestehen, daß mich die letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Schmitt etwas merkwürdig berühren, weil ich nicht weiß, was das mit der Diskussion des Haushalts des Bundesministeriums des Innern zu tun hat.
— Herr Kollege Heiland, Sie kennen die Sache nicht so genau, daß Sie da einen Zwischenruf machen sollten. Den Artikel habe ich nämlich nicht geschrieben.
— So habe ich Ihren Zwischenruf verstanden. Aber jetzt muß ich auf diese Sache leider eingehen, eine Sache, von der die deutsche Öffentlichkeit bisher keine Notiz genommen hat.
— Die deutsche Öffentlichkeit hat mit Recht, wie ich glaube, keine Notiz davon genommen.
In der von Herrn Kollegen Cillien, den ich gerade vor mir sehe, und mir in meiner Eigenschaft als Politiker — nicht in meiner Eigenschaft als Ressortchef — in Verbindung mit einer Reihe anderer Damen und Herren herausgegebenen „Evangelischen Verantwortung" ist ein Aufsatz erschienen, der sich mit der Frage gewisser Moskau-Reisen evangelischer Theologen beschäftigt hat. Dieser Aufsatz war kritisch. Ich würde gar nicht mal sagen, daß er sehr kritisch war; denn es handelt sich dabei um ein sehr schwieriges Problem mit mancherlei Aspekten, zu dem ich mich, wie Sie verstehen werden, an dem heutigen Tage hier nicht weiter äußern möchte.
Die Redaktion dieser Zeitschrift hat daraufhin eine große Fülle sehr positiver Zuschriften von evangelischen Christen bekommen, die der Meinung waren, daß das, was in dem Aufsatz ausgesprochen wurde, wirklich einmal gesagt werden mußte; diese Leute haben es sehr begrüßt, daß es gesagt worden ist. Wir haben, wie das zu sein pflegt, auch einige negative Zuschriften gehabt, und unter den negativen Stellungnahmen fand sich die Stellungnahme der Bonner EvangelischTheologischen Fakultät, die auf diesem Gebiet sehr aktiv gewesen war.
Nun sind wir wirklich so weit gegangen, wie man aus christlicher Verantwortung überhaupt nur gehen kann. Es ist eingehend mit den Betreffenden gesprochen worden. Wir sind übereingekommen, daß — ich scheue mich jetzt beinahe es zu sagen; aber vielleicht lasse ich den Namen weg, dann kann ich es leichter sagen — das hervorragendste Mitglied dieser Fakultät, das Mitglied dieser Fakultät, das jedenfalls den weitestbekannten Namen hat, in unserer Zeitschrift einen eigenen Aufsatz in dieser Sache bringen würde. Ich dachte, daß wir auf diese Weise weiß Gott alles getan hätten, was man tun konnte. Unter uns gesagt : es tut mir um das schöne Papier leid, das wir mit so negativem Erfolg zur Verfügung gestellt haben. Ich sage noch einmal: das nach meiner Meinung hervorragendste Mitglied dieser Fakultät hat einen entgegnenden ausführlichen Aufsatz geschrieben, der, wenn ich mich recht erinnere, länger war als der angegriffene Aufsatz. Darüber hinaus sind die Herausgeber sogar noch ein Stück weitergegangen. Ehrlich gesagt: es tut mir hinterher ein bißchen leid; aber das habe ich mit mir selber abzumachen.
Die Herausgeber haben ihrerseits noch einmal eine sorgfältig abgewogene Stellungnahme, verfaßt von Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt, die sich sehr viel Mühe damit gegeben hat, abgegeben, in der wir einen möglichst versöhnlichen Standpunkt eingenommen haben. Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, daß wir nun aus denselben Kreisen verfolgt werden.
— Herr Kollege Schmitt , Sie werden nicht glauben, daß ich vor dieser Art von Verfolgung eine furchtbare Sorge hätte; natürlich nicht. Aber trotzdem, wir werden nun verfolgt.
Die deutsche Presse hat davon mit Recht keinen Gebrauch gemacht, denn wir sind weit über das hinausgegangen, was wir unter dem Gesichtspunkt des Presserechts usw. zu tun gehabt hätten. Nur die politische Linke, sehr besorgt darum, daß die Rechte der Evangelischen Theologischen Fakultäten nicht verkürzt werden, hat sich in ihrem Pressedienst und in ein, zwei Zeitungen dieser Sache angenommen. Das ist das einzige Echo in der deutschen Öffentlichkeit gewesen. Ich sage: ein begrüßenswert geringes Echo. Ich habe ja den Sachverhalt dargestellt, Herr Schmitt . Ich möchte gern einmal wissen, wie es wäre, wenn ich bei einem Ihrer Angriffe dasselbe Verfahren anwenden wollte. Ich lese ja Ihre Publikationen. Was hätte ich da zu tun! Ich müßte die dreifache Arbeitskraft täglich aufbringen, um nur auf die Angriffe zu antworten, die ich aus Ihren Reihen und aus den Ihnen nahestehenden Organen täglich erfahre. Diese Zeit kann ich unmöglich aufbringen. Aber ich bezweifle eines, Herr Kollege Schmitt (Vockenhausen) : daß mir irgendeine Ihrer Publikationen so viel Platz zu einer Antwort auf einen Angriff zur Verfügung stellen würde wie die unter meiner Herausgeberschaft stehende „Evangelische Verantwortung" sie der Evangelisch-Theologischen Fakultät gegeben hat. Man sollte nun diesen Vorfall wirklich nicht hier noch ein bißchen ins Große loben. Was die evangelischen Interessen in Deutschland angeht, so glaube ich, daß sie bei den Leuten, die sich ihrer in besonders betonter Weise seit langem und nicht erst seit vorgestern annehmen, durchaus richtig aufgehoben sind.
Nur ganz wenige weitere Bemerkungen zu dem Herrn Kollegen Schmitt ! Auch von dem angeblichen Wormser Aufruf weiß ich natürlich gar nichts. Ich habe ihn nie vor mir ge-
sehen. Aber es ist durchaus möglich, daß das ein Brief gewesen ist, den ich geschrieben habe, den jemand zur Veröffentlichung benutzt hat. Wie gesagt, ich muß mir die Sache erst ansehen. Ich kann dazu nichts sagen. Ich gehöre bestimmt nicht zu denjenigen, die aus ihrer Amtsstellung einen ungebührlichen Einfluß auf die Meinungsbildung ausüben.
Ich bin auf diesem Gebiet eher etwas zu zurückhaltend, wie mir gelegentlich sogar tadelnd entgegengehalten wird.
— Sie denken darüber anders; aber es gibt Leute, die finden, ich sei zu zurückhaltend.
— Ja, ja, man muß sehen, Herr Kollege Schoettle, wo man seine guten Zeugnisse herkriegt,
und wenn Sie sich dafür anbieten, werde ich eines Tages gerne darauf zurückgreifen.
Herr Kollege Schmitt hat seinen Fraktionskollegen Ritzel etwas herausgepaukt oder herauspauken wollen. Ich muß dabei bleiben, Herr Kollege Schmitt (Vockenhausen), daß unser Einfluß auf die Masse der Verwaltungsgerichtsprozesse wirklich gleich Null ist. Einen präzisierten, treffenden Vorwurf könnten Sie nur dann erheben, wenn die mir unterstehenden Behörden ungebührlich viele Klage-, Berufungs- und Revisionsfälle verursacht hätten. Ich fordere Sie auf, diesen Nachweis zu erbringen, kann Ihnen aber den Rat geben, sich diese Mühe zu sparen. Sie werden diesen Nachweis nicht führen können.
Nun zu dem, was über mein Verhältnis zu den Ausschüssen 'gesagt worden ist! Gerade der eine Fall, den Herr Schmitt erzählt hat, war besonders traurig. Da tagten nämlich drei der Ausschüsse, an deren Arbeiten ich beteiligt bin: der Haushaltsausschuß saß, die Beratungen des Ausschusses für innere Angelegenheiten liefen, und der Ausschuß zum Schutz der Verfassung tagte. Ich kann nur sagen: in diesem Fall darf ich auf ein Wort, das der gerade amtierende Präsident einmal zitiert hat, zurückgreifen. Er sagte, ihm sei nicht die Gabe der Bilozität verliehen, die mittelalterliche Heilige angeblich hatten. Aber eine dreifache Anwesenheit zur gleichen Zeit ist noch schwerer als eine nur zweifache herzustellen. Wenn jedoch Herr Kollege Schmitt (Vockenhausen) etwas zu meiner Erleichterung auch in der kommenden Zeit tun will, möge er sich dafür einsetzen, daß die Ausschüsse auf meinen Arbeitsgebieten so eng wie möglich zusammengelegt werden, damit der erfreuArbeitskontakt, den wir haben, nur noch enger und besser werden kann, Herr Kollege Schmitt (Vokkenhaasen) .
Es handelte sich eben wohl um die Bilokation, eine Fähigkeit, die den Mitgliedern dieses Hohen Hauses leider nicht gegeben ist.
Meine Damen und Herren, zur allgemeinen Aussprache liegen keine Wortmeldungen mehr vor. [ch darf damit zu den einzelnen Änderungsanträgen kommen und tue das in der Reihenfolge der Kapitel und Titel. Zum Kap. 06 01 Tit. 104 liegt der Umdruck 1076*) vor. Wird dieser Antrag begründet? — Nein. Wer diesem Antrag der Abgeordneten Frau Rösch, Schneider , Frau Albrecht (Mittenwald), Lenz (Trossingen), Dr. Blank (Oberhausen), Dr. Schild (Düsseldorf), Dr. Sornik und Genossen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist ,die Mehrheit; der Antrag istabgelehnt.
Ich komme zu Kap. 06 02 Tit. 614. Dazu liegen die Anträge auf den Umdrucken 1052**) Ziffer 1 und 1066***) vor. Das Wort — zugleich zu einigen anderen Ziffern des aufgerufenen Umdrucks 1052 — hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl von dem Berichterstatter als auch in der 'Debatte ist heute darauf hingewiesen worden, wie sehr sich das Bundesinnenministerium in diesem Jahre der kulturellen Aufgaben angenommen hat. Hier muß ich allerdings etwas Wasser in den Wein gießen; denn die meisten dieser Ausgaben waren durch Erhöhungen der Personal- und Sachtitel bedingt, und die wesentlichen Änderungen des Haushalts sind durch den Haushaltsausschuß erfolgt.
In diesem Zusammenhang ist der Tit. 614 besonders bedeutungsvoll. In ihm sind zum erstenmal alle Hilfsmaßnahmen für Wissenschaft und Forschung zusammengefaßt, und in seinem Buchstaben e ist das Bedürfnis für die „zusätzliche Förderung dringender Bedürfnisse der Wissenschaft" anerkannt. Dort ist die Notwendigkeit anerkannt, daß auch der Bund über die bisherige Förderung der Forschung, einzelner Forschungsaufträge hinaus ganz allgemein die wissenschaftlichen Hochschulen und überhaupt die Wissenschaft in der Bundesrepublik unterstützen muß.
Im Haushaltsausschuß des Bundestags ist auch darüber gesprochen worden, wer die zusätzlichen Mittel vorschlagen und wer die Planung vornehmen soll, wie die Mittel auf die einzelnen Hochschulen verteilt werden sollen.
Im Haushaltsausschuß ist dann gemäß der Ausschuß-Drucksache des Haushaltsausschusses Nr. 1353 folgender Beschluß gefaßt worden:
Ein zu schaffendes Gremium wird in Zusammenarbeit von Wissenschaft, Bundesregierung und Länderregierungen die erforderlichen Maßnahmen und Kosten für die zusätzliche Förderung der 'deutschen Wissenschaft feststellen. Nach Vorlage dieser Feststellungen wird nach Fühlungnahme mit den Ländern ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zur Stellungnahme zugeleitet wird. Der Wirtschaftsplan kann zunächst auch über Teilbeträge des Ansatzes aufgestellt werden.
Es sind dann Mittel in Höhe von 72 Millionen DM eingesetzt worden, und zwar mit dem Zusatz: „Die Mittel ... sind gesperrt, bis klargestellt ist, welche zusätzlichen Mittel in angemessener Höhe von den
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 7
Ländern insgesamt für den gleichen Zweck bereitgestellt werden." Das geht auch aus dem Bericht des Berichterstatters hervor. Diesem Zusatz haben meine Freunde und ich uns allerdings nicht anschließen können, weil wir der Meinung sind, daß hier nicht auf gleiche oder überhaupt auf angemessene Zuschüsse der Länder gewartet werden darf, sondern daß hier ohne gleichzeitige Beteiligung der Länder vom Bunde etwas getan werden sollte.
Die bereitgestellten 72 Millionen DM erscheinen uns für die gestellte Aufgabe aber in jeder Beziehung zu gering. Daher hat meine Fraktion auf dem Umdruck 1052) unter Ziffer 1 den Antrag gestellt, diese Mittel um 683 Millionen auf 755 Millionen DM zu erhöhen und davon zunächst 455 Millionen DM zu sperren. Sie finden in dem Ihnen vorliegenden Antrag auch eine Unterteilung, aus der Sie ersehen können, wie wir uns die Aufteilung dieser Mittel vorstellen.
Ich möchte bei dem letzten Posten, nämlich der Summe von 50 Millionen DM für den Bau von Ingenieurschulen, beginnen. Im Ausschuß ist uns entgegengehalten worden — und es wird auch sonst oft gesagt —, daß die Förderung der Ingenieurschulen nicht mehr zur Förderung der Wissenschaft als solcher gehöre, daß es sich hierbei um reine Länderaufgaben handele und daß man deshalb für den Bau von Ingenieurschulen in den Ländern nicht eine Summe in den Bundeshaushalt einsetzen könne.
Nun, einmal ist es eine Tatsache, daß im Bundesgebiet 24 000 Ingenieure, die aus solchen Ingenieurschulen hervorgehen, fehlen und daß bestimmte Gebiete der Technik ganz besonders an einem Nachwuchsmangel leiden. Es fehlt an Ingenieuren für den Schiffsbau, für den Flugzeugbau und insbesondere für die Elektrotechnik. Ich bin vor kurzem in einer Hochschule gewesen, wo mir elektrotechnische Apparate gezeigt wurden und dazu gesagt wurde: Die Apparate sind zwar da, aber es fehlen die Menschen, um diese Apparate zu bedienen.
Erfreulicherweise finden wir im Etat des Bundesministeriums für Atomfragen einen Tit. 951 „Zuschüsse für die Modernisierung und Erweiterung von Ausbildungsstätten für Ingenieure und technische Hilfskräfte zur Förderung der Atomtechnik". Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, daß man, wenn man hier bereit ist, auf dem Gebiete der Atomtechnik, die außerordentlich wichtig ist, einen Zuschuß für die Ingenieurschulen zu geben, dann plötzlich so ängstlich ist, wenn es sich darum handelt, ganz allgemein den hier bestehenden Nachholbedarf zu befriedigen und dem Nachwuchsmangel auf dem Gebiete der technischen Fachschulen, insbesondere der Ingenieurschulen, abzuhelfen und die Länder hierin zu unterstützen.
Allein im Lande Hessen liegen Planungen in Höhe von 23 Millionen DM für den Bau neuer Ingenieurschulen vor. Ich glaube daher, daß die Summe von 50 Millionen DM, die wir in unserem Antrage vorgesehen haben, für diesen Zweck keineswegs zu hoch gegriffen ist.
Sie werden fragen — und diese Frage wird vielfach gestellt —: Was tun denn nun eigentlich die Länder? Die Länder haben allgemein in diesem Jahre ihren Kulturetat außerordentlich erhöht. Ich brauche z. B. nur auf den Stadtstaat Hamburg hin-
*) Siehe Anlage 6
zuweisen, der in seinem Etat für 1957 allein 8 Millionen DM für Universitätsbauten eingesetzt hat. Hamburg hat erst kürzlich drei Studentenheime für je 1 Million DM erstellt. Baden-Württemberg hat die Zahl seiner Dozentenstellen um 323 erhöht, da sich die Studentenzahl in diesem Lande vervierfacht hat. Im Lande Hessen beträgt der Kulturetat 410 Millionen DM; das sind 35 % seines Steueraufkommens.
Allein für 1957 sind 27 Millionen DM Bauaufwand für die Hochschulen vorgesehen. Das reiche Land Nordrhein-Westfalen kann es sich leisten, 15 Millionen DM als erste Rate für Ingenieurschulen, 8 Millionen DM für die Atomforschung — acht neue Dozentenstellen für die Atomwissenschaft —, 250 000 DM für die Geisteswissenschaften im Jahre 1957 auszugeben, und Sie alle wissen, daß die größte kernphysikalische Maschine, ein 30-Millionen-Volt-Zyklotron, gerade jetzt hier in Bonn erstellt wird. Ich glaube also, man kann nicht sagen, die Länder täten nicht das Ihre.
Wir haben aber an den Hochschulen über das hinaus, was die Länder tun können — und sie machen alle Anstrengungen, sind aber, besonders die finanzschwachen Länder, nicht in der Lage, das Notwendige zu tun —, einen großen Nachholbedarf. Für Sofortmaßnahmen sind 60 Millionen DM in unsere Anforderungen eingesetzt. Das entspricht nicht einmal den Mitteln, die die Rektorenkonferenz auf der Grundlage der Länderhaushalte für die Ausstattung unserer Institute mit neuen und modernen Apparaten und für die Erneuerung und Vermehrung vor allen Dingen auch unserer Bibliotheken für notwendig hält; denn hier ist einschließlich Berlins die Summe von 332 350 000 DM errechnet worden. Sie sehen aus dieser ins Detail gehenden Summe, daß hier ganz genaue Planungen vorliegen und daß die Beträge nicht etwa gegriffen sind. Diese Mittel können im Jahre 1957 voll verausgabt werden. Wir haben ferner in unsere Planungen zwei Beträge als gesperrt eingesetzt. Das sind die Mittel für den weiteren Bedarf der Hochschulen sowohl an Bauten wie an Apparaturen und für neue Ordinariate und auch Dozentenstellen an unseren Hochschulen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister, der ja bedauerlicherweise die Anforderungen, die von Fraktionen des Bundestages im Hinblick auf kulturelle Notwendigkeiten gestellt worden sind, als ein trojanisches Pferd fürchtet, hat unsere in Düsseldorf erhobenen Forderungen damit zurückweisen und als übertrieben bezeichnen zu können geglaubt, daß er statistische Vergleiche angestellt hat, die beweisen sollten, daß wir gleich nach Großbritannien kommen, daß wir ja eigentlich an der Spitze liegen, daß also bei uns überhaupt alles in schönster Ordnung ist. Leider widersprechen die nackten Tatsachen diesen statistischen Feststellungen. Herr Minister, ich glaube, auch Sie wissen, daß man mit Statistik im allgemeinen sehr vieles beweisen kann, ohne daß es den wirklichen Tatsachen entspricht. Es sollte vielleicht auch Ihnen nicht entgangen sein, daß z. B. England im Jahre 1956 neue Mittel für die Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten an seinen Hochschulen in Höhe von 100 Millionen Pfund, das sind 1200 Millionen DM, in seinen Haushalt eingestellt hat. Auch die französische Regierung hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Pädagogen und Ingenieuren einen umfangreichen Zehnjahresplan für die För-
derung der Wissenschaft und Forschung aufgestellt.
Bezüglich der Situation an unseren Hochschulen darf ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze aus der letzten Veröffentlichung der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die angewandte Forschung zitieren. Es heißt dort, daß „die angewandte Forschung durch den steigenden umfangreichen Bedarf an Auftragsforschung eine weitere starke Belastung ihrer Forschungskapazität erfahren wird. Sie ist weder in der apparativen noch in der personellen Besetzung noch in den baulichen Veränderungen noch im Nachwuchs gegenwärtig solchen Anforderungen gewachsen." Im Jahre 1956 hat eine Umfrage an den Technischen Hochschulen einschließlich Westberlins ergeben, daß 113 Professorenstellen — das sind 25 % der bisherigen —, 773 Oberingenieur- und Assistentenstellen — das sind 62 % —, 581 Hilfsassistentenstellen — das sind 71 % der bisherigen — und 1044 Stellen für technisches Personal für Werkstätten und ähnliches — das sind 96 % — zusätzlich benötigt werden.
Wir geben in diesem Jahr zwar 40 Millionen DM für die Atomforschung im Etat des Bundesministers für Atomfragen aus — es ist ohne Zweifel zu begrüßen, daß die Entwicklung der Atomenergie für friedliche Zwecke auch in der Bundesrepublik nun intensiv gefördert werden soll —, aber, meine Damen und Herren, die Atomwissenschaft steht nicht allein da; sie ist mit vielen anderen Wissensgebieten aufs engste verbunden. Die einzelnen Wissensgebiete greifen heute sehr stark ineinander. Man kann nicht eines allein fördern und die anderen brachliegen lassen.
Auch die Wissenschaftler in der Bundesrepublik haben bereits ihre warnende Stimme gegen diese einseitigen Förderungsmaßnahmen und die Vernachlässigung anderer Gebiete, die schon seit langem Not leiden, erhoben. Es wäre auch gefährlich, wenn unsere Forschung von den für seine eigenen Zwecke immer sehr locker sitzenden Milliarden des Bundesverteidigungsministeriums gespeist werden sollte. Echte Forschung und Wissenschaft darf weder politischen noch militärischen Zwecken dienen. Sie muß ihre Ergebnisse völlig frei veröffentlichen können, auch ihre Fehlschläge, auch die mißlungenen Versuche. Was soll man davon halten, wenn es Stellen gibt, die die Vermittlung von Forschungsaufträgen anbieten, bei denen die Verpflichtung besteht, daß die Veröffentlichung nur mit der Zustimmung dessen, der den Forschungsauftrag erteilt hat, erfolgen darf? Es bedeutet das Ende jeder echten Wissenschaft und Forschung, wenn nicht die Freiheit der Veröffentlichung jederzeit gegeben ist.
Wie aber konnte es überhaupt zu solchen Zuständen an unseren Universitäten kommen? Doch einfach dadurch, daß der wissenschaftliche Nachwuchs, die jungen Dozenten, die jungen Forscher nicht genügend gefördert worden sind; weil sie überhaupt forschen und naturgemäß auch leben wollten, nahmen sie dann schließlich Forschungsaufträge auch unter solchen Bedingungen an. Darum ist das Anliegen, gerade idem Mangel an Professoren- und Dozentenstellen an den Universitäten abzuhelfen und auch vom Bund Mittel dafür zu geben, eines unserer dringendsten Anliegen. Wir glauben, daß die 195 Millionen, wenn wir sie auf die über 30 Hochschulen des Bundesgebiets verteilen, keineswegs zuviel sind, ja daß sie auch noch
in diesem Etatjahr — wir haben sie gesperrt, bis das Gremium, das wir in unserem Antrag „Deutsche Kommission" nennen, gebildet und zusammengetreten ist und sich über die Planung geeinigt hat — verwandt werden können, um neue planmäßige Stellen für Ordinarien wie für Dozenten und Assistenten zu schaffen.
Wir haben es, auch im Haushaltsausschuß, schon immer bedauert — ich glaube, die Kollegen von der CDU waren da mit uns der gleichen Meinung —, daß wir durch die Vergabe von Forschungsaufträgen, die ja immer begrenzt waren, dem jungen Nachwuchs nicht die Möglichkeit gaben, nach der Qualifizierung durch die Erteilung der venia legendi völlig frei forschen zu können, sondern daß er immer wieder von Jahr zu Jahr Ergebnisse aufweisen mußte. Forschungsergebnisse reifen im allgemeinen erst nach Jahren. Heute mag manches unbedeutend erscheinen, was sich vielleicht in einigen Jahren als grundlegend erweist. Darum sind wir der Meinung, daß in erster Linie hier etwas getan werden muß, aber nicht nur für die Naturwissenschaften und für die Technik, sondern in ganz besonderem Maße auch für die bei uns allzusehr vernachlässigten Geisteswissenschaften.
Wie sieht es denn auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften aus? Universitäten wie Frankfurt, Göttingen, Heidelberg haben je ein Ordinariat für Romanische Philologie. Das bedeutet für Französisch, Italienisch und Spanisch ein Ordinariat. Die Universität München hat bei einer Hörerzahl von 1100 Studenten der Germanistik nur drei Ordinariate, Berlin bei 1200 Hörern zwei Ordinariate und ein Extraordinariat. Meine Damen und Herren, Seminare mit 300 Hörern sind keine Seminare mehr. Von den Wirtschaftswissenschaften, bei denen diese Zahl in die tausend Hörer geht, möchte ich hier überhaupt nicht sprechen.
Pope hat einmal gesagt, das eigentliche Studium der Menschheit sei der Mensch. Ganze drei Lehrstühle und ein Extraordinariat für Soziologie gibt es in der Bundesrepublik. Meine Damen und Herren, müßte im anbrechenden Atomzeitalter, wo man sich fragt, wie die gesellschaftliche und geistige Situation des Menschen ist, nicht jeder Student die Möglichkeit haben, sich an jeder Universität mit diesen Fragen auseinanderzusetzen?! Der Mensch, der das Atom, das „Unteilbare" spaltete, der hiermit an die Grenzen der Naturwissenschaft gelangt zu sein scheint, muß mit diesen Problemen geistig fertig werden, wenn er nicht sich selbst und die Menschheit zerstören will.
Ganz besonders ist der demokratische Staat auf die geistige Freiheit seiner Bürger angewiesen. Freie Wissenschaft, freie Forschung sind die Grundlagen seiner Kraft. Sie allein geben ihm die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit den Ideologien des Ostens, nicht Wochenkurse, Herr Minister, die im Rahmen der Bundeszentrale für Heimatdienst, die damit ihrer eigentlichen Aufgaben überhaupt entfremdet wird, in Köln abgehalten werden und durch die nichts weiter als Halbbildung vermittelt und Schlagworte gelehrt werden können.
Wir brauchen eine Vermehrung der Lehrstühle um 30 % und der Assistentenzahl um mindestens 200 %, wenn wir für unsere Studenten wieder einen lebendigen Kontakt zwischen Lehrenden und Ler-
nenden herstellen wollen. Das, was heute an den Universitäten geschieht, ist im wesentlichen nur eine Aneignung von Fachwissen. Ich glaube, daß auch ohne ein besonderes Studium generale dem Studenten die Universität wieder zu einem
stigen Erlebnis, zu einer geistigen Anregung werden könnte, wenn er einen echten Kontakt mit den Hochschullehrern, den Dozenten und den Professoren treten kann und es wieder ein Gespräch gibt, was bei Seminaren und Übungen mit 300 Hörern einfach nicht mehr möglich ist.
Damit komme ich auch zu dem Problem unserer Studenten. Genau wie der Dozent braucht auch der Student Unabhängigkeit und Muße. Es ist nicht sinnvoll,wenn die Universitätsferien heute von dem überwiegenden Teil unserer Studenten dazu verwandt werden müssen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Sinn der Universitätsferien ist doch gerade der, daß sich der Student mit dem im Semester Gehörten beschäftigt, daß 'er es erarbeitet und vertieft. Darum bin ich der Meinung, daß es ein öffentliches Interesse ist, die Studenten von der Werkarbeit zu befreien. Hier handelt es sich nicht nur um die Förderung etwa der Studenten der Technik und der Naturwissenschaft, nein, gerade auch der Studenten oder Geisteswissenschaft. Ich meine nicht, daß diese Sprößlinge der klassischen Disziplinen unbedingt mittelmäßig sein müssen, sondern da sind sehr viele Begabungen zu fördern, denen wir ja schließlich einmal in den Schulen unsere Kinder anvertrauen. Gerade hier liegt ja doch die Bedeutung der Geisteswissenschaften, daß sie die Lehrer an den Volkshochschulen, an den Mittelschulen und an den höheren Schulen heranbilden sollen. Diese Lehrer müssen in ihrem Studium auf der Universität eine echte Auseinandersetzung mit den geistigen und politischen Problemenerleben, die uns die heutige Zeit stellt.
Es wird vorgeschlagen, man solle die Studienförderung im wesentlichen mit Darlehen vornehmen, und erinnert an idie Zeit nach dem ersten Weltkrieg, da habe man auch Werkstudenten gehabt und mit Darlehen geholfen. Darauf ist zunächst einmal zu erwidern, daß es nur in den ersten Jahren nach dem ersten Weltkrieg der Fall gewesen ist; heute sind seit dem letzten Krieg immerhin zwölf Jahre vergangen. Und dann, glaube ich, sind die finanziellen Größen sehr verschieden. Nach dem ersten Weltkrieg konnte man mit 100 Mark monatlich auskommen. Ich entsinne mich an Kollegen, die mit 70 Mark ausgekommen sind. Ich selber habe 100 Mark gehabt, kann es also beurteilen, daß man sich davon durchaus noch einiges gönnen konnte. Die damaligen Gebühren an den Universitäten sind mit den heutigen überhaupt nicht zu vergleichen. Damals konnte man sein Studium mit einem Darlehen von 2000 bis 3000 Mark finanzieren. Heute braucht man dafür das Doppelte; heute braucht man — und das ist schon knapp gerechnet — mindestens 6000 bis 8000 Mark. Diese Darlehnssummen stellen für den Studenten eine große Belastung dar. Wir dürfen doch nicht nur an diejenigen denken, die in die Industrie gehen und dort sehr schnell in gute und hochdotierte Stellungen kommen, sondern müssen auch an die denken, die Lehrer oder Richter oder Verwaltungsbeamte werden, überhaupt an alle die Gruppen, die erst dann in höhere Einkommensstufen kommen, wenn auch die Bedürfnisse der Familie gestiegen sind.
Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, daß Darlehen nur in Ausnahmefällen gegeben werden können, nämlich dort, wo es sich um einen zusätzlichen Bedarf handelt, etwa für eine Doktorarbeit oder für ein Auslandsstudium, das das Gesamtstudium verlängert. Dafür können Darlehen gegeben werden, aber nicht zur Finanzierung des eigentlichen Studiums.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich nun ganz kurz mit einer Veröffentlichung im „Spiegel" dieser Woche auseinandersetzen. Da ist von Herrn Wittneben gesagt worden, wir wollten als Anfang, als Übergangslösung 500 Millionen DM für die Studentenförderung. Nun, das ist ein Mißverständnis von Herrn Wittneben. Herr Senator Landahl hat in Düsseldorf ausgeführt, daß !bei einer angenommenen Zunahme der Studenten um 10 bis 20 O/0 für das Jahr 1961 500 Millionen DM in Frage kommen könnten.
Wir haben in unserem Antrag 110 Millionen DM gefordert; diese Summe ist durchaus durchdacht, sie schließt sich an das Honnefer Modell an. Sie selbst, meine Damen und Herren, haben vorgeschlagen, die Mittel für die Förderung der allgemein gut begabten Studenten auf 30 Millionen zu erhöhen. Auch Sie schließen sich in Ihrem Antrag an :das Honnefer Modell an. Wenn wir aber nur 30 Millionen in Ansatz bringen, können wir nur die Anfangssemester fördern. Es scheint mir aber eine ,außerordentliche Ungerechtigkeit zu sein, daß man nur diejenigen niit einem Stipendium bedenken will, die zufällig in diesem und im Wintersemester auf die Universität kommen, während man alle, die im vorigen Jahr in .die Universität gekommen sind, und erst recht die Examenssemester noch davon ausschließen will.
Meine Damen und Herren, die 30 Millionen reichen nicht aus, wenn Sie das Honnefer Modell anlaufen lassen wollen.
— Herr Conring, so ist es immer gesagt worden, und auch die Studentenschaft hat sich darauf berufen, daß diese 30 Millionen das Honnefer Modell anlaufen lassen sollen.
— Ich würde mich freuen, wenn Sie mit mir darin übereinstimmen, daß man so nicht beginnen kann. Ich bin der Meinung, daß das Honnefer Modell, wenn, dann in seiner Gesamtheit eingeführt werden muß, weil es sonst zu Ungerechtigkeiten führt.
Wir haben 184 000 Studenten auf den Universitäten. Davon werden laut der Sozialenquete der Studentenschaft 61 000 durch ihre Eltern finanziert. Es bleibt ein Rest von 123 000 Studenten. 18 O/o der Studenten sind bereits staatlich gefördert, z. B. durch Lastenausgleich oder Heimkehrerhilfe, und 1 °/o durch Begabtenförderung; das macht noch einmal 30 000. Es bleiben dann 90 000 Studenten übrig, die nach dem Honnefer Modell gefördert werden müssen. Da die Anfangssemester nur in den Semestermonaten gefördert werden sollen, würden sie uns im Jahr 1200 Mark pro Kopf kosten. Für die höheren Semester, die nach Odem Honnefer Mo-
dell und auch nach unseren Vorstellungen für die gesamte Zeit des Studiums 200 Mark erhalten sollen, also für jeden Monat, würden wir 2400 Mark brauchen.
Da wir uns aber völlig darüber klar sind, daß man die Spätsemester, die erst hinsichtlich ihrer Qualifizierung geprüft werden müssen, im Jahr 1957 nicht ,das ganze Jahr hindurch fördern kann, einfach weil solche Prüfungen eine Anlaufzeit bis zum Herbst brauchen, haben wir angenommen, daß in diesem Jahr alle bedürftigen Studenten, alle die, die heute ihr Studium durch Werkarbeit finanzieren müssen, nur mit 1200 Mark gefördert werden. Das macht — bei 90 000 Studenten mit je 1200 Mark — insgesamt 108 Millionen. Wir haben diesen Betrag auf 110 Millionen aufgestockt, um die Möglichkeit zu geben, auch noch Studenten zu finanzieren, die vielleicht vor dem Abschluß stehen, bedürftig sind und zusätzlich Förderung brauchen.
Wir wollen nicht — auch das ist von Herrn Witt-neben im „Spiegel" nicht richtig gesagt — das Studienhonorar. Wir wollen den bedürftigen und gut begabten Studenten fördern. Wir sind der Meinung, daß wir es uns aber nicht leisten können, weiter bei der Hochbegabtenförderung von 1 % unserer Studierenden stehenzubleiben. Gerade wenn man in der Prüfungsarbeit der Studienstiftung des deutschen Volkes tätig ist, die im wesentlichen neben einigen anderen Institutionen diese Hochbegabtenförderung betreibt, dann weiß man, daß neben wenigen Hochbegabungen die große Gruppe der sehr gut Begabten steht, denen man einfach nicht helfen kann. Wir können für diese Begabten die Möglichkeit zum Studium nicht von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängig machen. Aus diesem Grunde wollen wir diese umfassende Studentenförderung haben.
Es wird da immer soviel vom Drängen an die Futterkrippe des Staates gesprochen. Nun, denken wir doch einmal an die Zeiten vor dem ersten Weltkrieg! Da gab es kein Werkstudententum. Es gab allerdings neben denen, die das Studium ihrer Kinder finanzieren konnten — ihre Zahl war natürlich in Deutschland vor zwei Währungsschnitten sehr viel größer als heute —, sehr reichlich Stipendien. Von der Universität Greifswald erzählte man scherzhafterweise, daß einem dort schon am Bahnhof ein Stipendium entgegengebracht würde. Die Universitäten verfügten damals ja noch über eigene Mittel, über eigene Vermögen und konnten infolgedessen in weitem Maße — in weitem Maße, meine Damen und Herren! — Stipendien überall da geben, wo es eben den Eltern nicht möglich war, das Studium zu finanzieren. Ich weiß nicht, warum wir heute so ängstlich sein wollen, wo heute, da die Universitäten kein eigenes Vermögen mehr haben, der Staat, die Allgemeinheit an deren Stelle treten muß.
Nun noch ein Wort zur Auswahl der zu fördernden Studenten, einer Frage, die gerade auch in dem heute erschienenen Artikel angeschnitten worden ist.
Wir sind nicht der Meinung, daß das Abitur nicht als Berechtigung zum Zugang für die Hochschule gelten soll. Darum sind wir der Meinung, daß man eine Prüfung erst nach drei Semestern setzen soll, wo sich erwiesen hat, ob der Betreffende die Erwartungen, die man auf Grund der Schulleistungen haben konnte, auch auf der Hochschule erfüllt. Schulleistungen und Hochschulleistungen sind außerordentlich verschieden. Wir würden sehr viele Fehlleitungen haben, wenn wir hier Schulzeugnisse maßgebend sein ließen. Mancher entwickelt erst dann, wenn er in sein eigentliches Gebiet kommt, die Fähigkeiten, die sich auf der Schule noch nicht gezeigt haben.
Wir glauben aber auch nicht, daß es eine so große Belastung für die Hochschule sein wird, Prüfungen — und zwar ernsthafte Prüfungen, nicht Prüfungen in Gestalt von Fleißübungen — durchzuführen, damit wir nur diejenigen fördern, die dann auch zum Abschlußexamen kommen, nicht wie heute, wo wir in manchen Fächern Versager beim Examen in Höhe von 60% haben. Es gibt eine ganze Reihe Gebiete, auf denen heute schon Vorexamen stattfinden. Ich erinnere nur an das geplante Vorphysikum; es gibt solche Vorexamen auch auf anderen Wissensgebieten. Hier kann also eine Prüfung eingeschaltet werden, von der dann die Vollförderung im Falle der Bedürftigkeit abhängig gemacht werden kann.
Meine Damen und Herren, es liegt ein absolut öffentliches Interesse vor, daß wir Stipendien in dem von uns gewünschten Rahmen geben. Ich beantrage daher wegen der Wichtigkeit dieser Aufgabe für den Antrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 1052 namentliche Abstimmung. Wollen wir nicht im Wettbewerb der Völker um den technischen Fortschritt zurückbleiben, wollen wir nicht die Grundlagen unserer geistigen Substanz vernachlässigen, aus der wir ja gerade auch die Kraft für die Auseinandersetzung mit östlichen Ideologien ziehen, dann müssen wir jetzt auf diesem Gebiet etwas Grundlegendes tun.
Und halten Sie uns bitte nicht die eine Milliarde vor, die diese kulturellen Forderungen insgesamt ausmachen. Wir werden Ihnen nachher auch Dekkungsvorschläge machen; ich möchte darauf zunächst nur hinweisen. Aber meine Damen und Herren, wir haben jahrelang — jahrelang! — global Milliarden für den Verteidigungshaushalt bewilligt. Heute wollen wir bei einer Milliarde für die Förderung unserer Wissenschaft und unseres wissenschaftlichen Nachwuchses zögern? Ich glaube, Sie werden mir recht geben: Milliarden, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern in die Rüstung gesteckt worden sind, haben sich, wenn nicht als gefährlich, so immer als totes Kapital erwiesen. Das, was wir in unsere Hochschulen und in unseren Nachwuchs investieren, trägt uns in jedem Fall Zins und Zinseszins.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1066 hat der Abgeordnete Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich mit der Begründung unseres Antrags auf Umdruck 1066*) Gehör finde, obwohl wir uns hier in Regionen bewegen, die nicht an die Milliardengrenze gehen, sondern nur bei 133 Millionen liegen. Ich sage ausdrücklich „nur" und werde das auch begründen, weil ich an sich mit der Kollegin Hubert der Auffassung bin, daß man gerade für die Forschung,
*) Siehe Anlage 7
für die Förderung der Ausbildung und für die Bereitstellung des notwendigen Nachwuchses in der Zukunft nicht genug tun kann. Das hier investierte Kapital wird sich zweifellos verzinsen. Es ist kein Danaergeschenk, sondern wirklich ein Kapital, das man gewissermaßen in einen Betrieb hineinsteckt und das sich dann auch rentieren wird, während das bei einem Geschenk nicht immer der Fall zu sein braucht.
Ich bestätige, daß sich die Förderung der Ausbildung nicht nur auf die naturwissenschaftliche Seite erstrecken darf, sondern daß die geisteswissenschaftliche Seite keine Vernachlässigung erfahren darf. Alles ist zweifellos eng miteinander verflochten. Wir müssen hier — das ist jedenfalls unsere Auffassung — mit der Förderung aller Hochschulen anfangen.
Ich bedaure außerordentlich, daß wir uns noch nicht in der Lage gesehen haben, auch die Ingenieurschuren in einen Antrag einzubeziehen; denn natürlich sind diese Ingenieurschulen von ebenso großer Wichtigkeit wie die Hochschulen, ja ihr Ausbau ist sogar noch wesentlich vordringlicher. Es ist absolut richtig, daß der Andrang zu den Ingenieurschulen wesentlich größer ist und daß die Leute, die sich dort melden, noch nicht sämtlich angenommen werden können. Hier muß also etwas getan werden.
Sie wissen aber, meine Damen und Herren, daß die Betreuung der Ingenieurschulen ein Streitfall zwischen Bund und Ländern ist. Dieser Streitfall müßte unserer Auffassung nach erst ausgestanden werden, bevor im Bundeshaushalt Mittel auch für die Förderung der Ingenieurschulen, insbesondere für Bauten, bereitgestellt werden können. Aus diesem Grunde haben wir ,die Ingenieurschulen nicht in unseren Antrag aufgenommen. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß wir die Bedeutung dieser Angelegenheit durchaus nicht verkennen, und hoffen, ,daß sich in einiger Zeit auch für ,den Bund eine Möglichkeit ergeben wird, in den Fällen eine Unterstützung zu geben, in denen die Länder — ich will nicht sagen: ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können — jedenfalls den Notwendigkeiten nicht nachkommen können.
Die Bereitstellung eines zahlreicheren Nachwuchses auch aus den Hochschulen ist unerläßlich. Die Zahlen, die Frau Dr. Hubert angegeben hat, treffen zweifellos zu. Ich möchte sie nur noch in einem Punkt etwas ergänzen. Zur Zeit kommen in Rußland 60- bis 70 000 Hochschulingenieure im Jahre hinzu. In den Vereinigten Staaten sind es 22 000; diese Zahl soll in Kürze auf 50 000 erhöht werden. In Großbritannien sind es zur Zeit 3000 und bei uns in der Bundesrepublik 2200. Hier spielt sehr viel ineinander. Wenn man die Ausbildung solcher Ingenieure fördern will, darf man nicht nur an Apparaturen und Gebäude denken, sondern dann müssen genauso die Lehrkräfte und die Assistenten sowie gewisse Imponderabilien bereitgestellt werden. Wir sind ja auch — so hoffe ich wenigstens — in diesem Hause darüber einig, daß wir über die Zahlen, über d e Quantitäten nicht erschrecken sollen. Es kommt meiner Auffassung nach nicht darauf an, ob es 40 000 oder 50 000 oder 60 000 Ingenieure sind, die ihre Ausbildung abschließen, sondern es kommt auf die Qualität an, mit der das Studium beendet wird. Es besteht aber kein Zweifel, daß die Fortschritte, die Rußland und Amerika gerade auf diesem Gebiet in der letzten Zeit zu verzeichnen gehabt haben, auch in ,den Fortschritten erkennbar sind, die diese Länder auf dem wirtschaftlichen oder technischen Gebiet hinsichtlich ihrer weltpolitischen Bedeutung erreicht haben.
Wir haben es sehr begrüßt, daß über idas Atomministerium gerade für die Förderung der Atomtechnik besondere Mittel bereitgestellt worden sind, und wenn Frau Kollegin Hubert sagt, daß die Atomtechnik in die anderen Dinge hineinspielt, hat sie vollkommen recht. Trotzdem, glaube ich, kann man rechtfertigen, daß gerade für die Förderung dieses Gebiets über das Atomministerium gesondert Mittel bereitgestellt werden.
- Da bin ich mit Ihnen völlig einig. Das habe ich eingangs schongesagt. Aber ich meine, man kann befürworten, daß über das Atomministerium besondere Mittel für die Entwicklung auf diesem Gebiet bereitgestellt werden, weil wir hier einen erheblichen Nachholbedarf haben, der vielleicht in einigen Jahren abklingt, so daß dann alles wieder zusammengefaßt werden kann.
Jedenfalls überschreiten die hier gestellten Aufgaben fdie Möglichkeiten der Länder. Darüber besteht kein Zweifel. Eine Bundeshilfe ist erforderlich, und zwar, fdartiber imüssen wir uns auch im klaren sein, nicht nur für ein Jahr, sondern für Jahre. Wir sind der Auffassung, daß eine Verbindung zwischen den Mitteln, idie der Bund zur Verfügungstellt, und den Mitteln, die von den Ländern aufgebracht werden, geschaffen werden muß, und haben ,deshalb die Bestrebung sehr begrüßt, ein Gremium zu bilden, das nu:n endlich irgendeine Koordinierung hinsichtlich ,der Möglichkeiten, der Aufgaben und der Aufgabenverteilung mit gewissen Schwerpunktbildungen herbeiführen kann. Soweit ich unterrichtet bin, hat am vergangenen Montag eine neuerliche Besprechung stattgefunden, die sich mit der Bildung einer Art zentralen Wissenschaftsrats befaßt hat. Hoffentlich kommt er nun zustande. Ich habe auch begrüßt, Idaß nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses idie Mittelbereitstellung in gewissem Maße davon abhängig sein soll, daß dieses Gremium endlich gebildet wird. Wir haben !deshalb in unserem Antrag in Anlehnung an den Vorschlag, der wohl im Haushaltsausschuß bearbeitet worden ist, ,den Sperrvermerk formuliert. Er lautet nach unserem Antrag:
Die Mittel . . sind gesperrt, bis ein zu schaffendes Gremium Feststellungen über die zusätzliche Förderung der deutschen Wissenschaft getroffen hat und einen entsprechenden Wirtschaftsplan nach Fühlungnahme mit den Ländern dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zugeleitet hat.
Daraus ist nicht zu lesen, daß nun etwa unbedingt aus der Bereitstellung von Mitteln ,des Bundes eine, wie man so häufig sagt, Beteiligung der Länder resultieren muß. Die Länder haben natürlich auch ihre Verpflichtungen, und das Gremium kann ja feststellen, ob sie diesen Verpflichtungen nachkommen und wie weit sie die Mittel eventuell erhöhen können; aber eine Koppelung in der Form, daß man sagt: Nur dann, wenn das Land entsprechende Mittel gibt, werden die Bundesmittel freigegeben, wollen wir nicht.
Ich hoffe aber, daß sich idle Bundesregierung bemüht, dieses Gremium baldigst zu schaffen, und
daß dann die Vorschläge über die Mittelverteilung unterbreitet werden können.
Ich möchte nun kurz begründen, weshalb wir gerade zu der Erhöhung um 133 Millionen DM gekommen sind. Frau Kollegin Hubert hat bereits auf die von der Rektorenkonferenz beantragten Mittel hingewiesen. Es handelt sich dabei um —in runden Zahlen gesprochen - 63 Millionen DM, die für die Bereitstellung von Apparaturen, für Ausstattungen usw . als erforderlich angesehen werden, und weiterhin um 175 Millionen DM für Bauvorhaben, insgesamt also um 238 Millionen DM einschließlich des Bedarfs Berlins. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat ihrerseits 55 Millionen DM beantragt und einen ähnlichen Antrag an den Haushaltsausschuß gerichtet. Insgesamt handelt es sich also um 293 Millionen DM. Berücksichtigt man zunächst einmal nur das, was über die Deutsche Forschungsgemeinschaft gehen soil, und das, was für die Bereitstellung von Apparaturen, Ausstattungen usw. erforderlich ist, so sind es 55 Millionen plus 63 Millionen. also 118 Millionen DM Sachbedarf. Von diesen sind in dem jetzigen Haushaltsvorschlag 72 Millionen DM eingesetzt, so daß 46 Millionen DM fehlen.
Nun käme die Frage: Wie soll man sich zu den angeforderten 175 Millionen DM für Bauvorhaben stellen? Da haben wir uns gesagt, daß der Ausbau von Ingenieurschulen zweifellos wichtiger ist. Denn raummäßig werden die Hochschulen in der nächsten Zukunft nicht so beengt sein. wie es gerade die Ingenieurschulen sind, von denen ich eingangs gesprochen habe. Außerdem muß man sich bei den Bauvorhaben überlegen, daß eis sich hier zweifellos um langfristige Vorhaben handelt unid daß man sie auch nicht so beschleunigt durchführen darf, weil sich sonst unter Umständen unerwünschte Auswirkungen der Konjunktur auf dem Baumarkt ergeben könnten. Wir sind deshalb nur von der Hälfte dieser angeforderten 175 Millionen DM ausgegangen unid kommen damit auf den Betrag von 133 Millionen DM. In diesem Betrag ist noch nicht ein ebenfalls geforderter zusätzlicher Bedarf für das Max-Polanck-Institut berücksichtigt. Dieser Bedarf muß in den jetzigen Mitteln auch berücksichtigt werden.
— Über die Forschungsgemeinschaft!
— Bezüglich der Deckung würde ich mich Frau Dr. Hubert anschließen. Es werden zweifellos im Laufe dieser Haushaltsdebatte nach andere Anträge gestellt werden. Dann wird man zum Schluß dazu Stellung nehmen müssen. wie die Deckung gefunden werden kann. Ich wollte auf die Deckung hier nicht eingehen. Das wird in anderem Zusammenhang gemacht werden müssen. Ich habe hier nur zu begründen. wie wir zu den 133 Millionen DMgekommen sind.
Wenn ich, ohne auf die Deckungsfrage einzugehen, den .ganzen Haushalt ¡ansehe, so kann ich nur wiederholen: diese 133 Millionen DM werden den Haushalt des Bundes nicht umstürzen. Das in Form dieser 133 Millionen DM 'angelegte Kapital wird sich aber gut rentieren. Dieser Aufwand ist notwendig, um überhaupt den Gleichschritt unseres Volkes mit den ,großen Industriemächten zu sichern. Zu diesen Ländern kommen, wie Sie alle wissen, weitere hinzu, die alle kräftig daran arbeiten. uns auf wirtschaftlichem Gebiet Konkurrenz zumachen. Wenn wir nicht die Grundlagen schaffen, die es ermöglichen, modernere und bessere Erzeugnisse herauszubringen, dann werden wir i Kürze die Folgen am eigenen Leibe verspüren. Vergessen Siebitte nicht. ¡daß das. was sich heute beispielsweise auf dem Gebiete der Kernenergie praktisch auswirkt. auf Forschungsergebnissen basiert, .die vor mehr als 50 Jahren von Albert Einstein oder vor annähernd 25 Jahren von Hahn, Heisenberg usw. an den Schreibtischen oder Laboratoriumstischen erarbeitet wurden. Solche Forschungen setzen sich erst nach Jahrzehnten, teilweise auch nach Generationen in die Wirklichkeit um. Aber wenn die Grundlagen nicht geschaffen werden, so wird sich nach Jahrzehnten, vielleicht auch nach einer Generation bei uns der Rückschritt zeigen.
Deshalb bitte ich dringend, unserem Antrag wohlwollend gegenüberzustehen. Er entspricht meiner Auffassung nach den Notwendigkeiten. Die Rektorenkonferenz und die Forschungsgemeinschaft haben schon eine sorgfältige Auswahl der Anträge vorgenommen. die bei ihnen eingegangen sind; sie haben sie durchstudiert, haben sie gekürzt und haben sie auf das Notwendigste beschränkt. Wir haben noch einmal eine Kürzung vorgenommen. Ich glaube also. daß es durchaus berechtigt ist, wenn wir den Antrag stellen, die jetzt schon eingesetzten 72 Millionen DM auf 133 Millionen DM zu erhöhen.
Die beiden Anträge sind begründet. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß „Finanzielle Hilfe für deutsche Bildungsanstalten, insbesondere Hochschulen" könnte für jeden einen Anreiz bieten, sein Herz besonders zu enthüllen, um von seiner Geneigtheit und Liebe zur deutschen
Wissenschaft und zu deutscher Bildung aus Stellung zu nehmen.
Aber ich darf einmal .eines vorausschicken: Wir beraten hier einen Haushalt, und weil wir einen Haushalt beraten. müssen wir uns auch wirklich an die Pflichten der Haushaltungsberatung halten. Ich glaube kein Wort darüber verschwenden zu dürfen, daß der Redner. der jetzt zu Ihnen spricht, genauso ein Herz für die deutsche Bildung und für die deutschen Studenten und für die deutsche Wissenschaft hat. wie es andere haben. Aber er will Ihnen gegenüber wahrhaft sein, und da möchte ich keine Illusionen erwecken, keine Vorstellungen, deren Verwirklichung unmöglich ist.
in diesem Zusammenhang möchte ich jetzt doch noch .etwas sagen. Wir haben als Föderalisten einen Staat — Länder und Bund — aufgebaut. Die Länder haben den größten Wert darauf gelegt, daß ihre Berechtigung darin besteht, das kulturelle Gebiet, das Gebiet des Kultus. der Wissenschaft und. Erziehung in ihrer Hand zu behalten.
Jetzt darf ich, wenn ich unter diesem Gesichtspunkt prüfe, einmal fragen, was auf diesem Gebiet in finanzieller Hinsicht geschehen st. Ich sah mich neulich schon einmal genötigt, ,darauf hinzuweisen: Die letzte Steuerreform, die den Wegfall des Berliner Notopfers usw. brachte, hat zur Folge gehabt,
daß die Einnahmen des Bundes gegenüber dem Vorjahr um 5 % und die Einnahmen der Länder um 30 % steigen.
Wenn er die Einnahmen der Länder und ihre Finanzkraft stärkt, dann tut das der Deutsche Bundestag deshalb. weil er die Aufgaben erfüllt sehen will, deren Erfüllung den Ländern zusteht.
Diese Aufgaben sind in erster Linie das Gebiet des Kultus und die Fragen, über die wir uns hier unterhalten. Deswegen hat man an die Länder und ihre Finanzkraft gedacht und deshalb wollte man den Ländern auch die Freiheit in der Verwaltung, die Freiheit in der Verwendung der Mittel vorbehalten.
Wenn ich aber jetzt die Anträge lese, stelle ich fest, daß den Ländern zu ihren sämtlichen Aufwendungen auf 'diesem Gebiet, um das die Anträge gehen, in Höhe von bisher 800 Millionen von Bundes wegen der gleiche Betrag — und zwar nach der Erhöhung der Steuereinahmen der Länder —dazugegeben werden soll. Wer behält denn im deutschen Kultus die Verantwortung in der Hand? Immer der, der zahlt!
Wenn die Länder 'auf ihre Kultushoheit verzichten wollen, dann sollen sie die Verantwortung für das Zahlen auf den Bund übertragen. Gerade weil ich ein Freund der Länder bin und gerade weil ich, sagen wir einmal, die Kultuspflege in der Hand der Länder will, muß auch die finanzielle Verantwortung für dieses Gebiet von den Ländern getragen
werden. Das ist die Folge, die sich ergibt.
Zu den Anträgen selbst darf 'ich ganz kurz folgendes sagen. In erster Linie: Ist es überhaupt möglich, die Beträge aufzubringen, die hier genannt sind? Wie sollen diese Beträge verwendet werden? Wir haben uns bisher im Haushaltsausschuß — Haushaltsausschuß und Regierung und Länderregierungen — auf einen Betrag von 72 plus 28 Millionen, also insgesamt 100 Millionen freiwillige Leistungen des Bundes zur Unterstützung der Länder auf einem Gebiet geeinigt, von dem die Länder sagen, daß sie allein dafür zuständig seien. Ich darf dazusetzen, daß auf diesem Gebiet, nämlich der Pflege des deutschen Kultus, sogar der wesentliche Teil der Landeszuständigkeit liegt. Wir haben diese 100 Millionen gegeben — das ist eine Erhöhung von 12,8 % —, und ich bin der festen Überzeugung, daß es, wenn ich das mit den bisherigen Aufwendungen der Länder vergleiche, einer wirklichen Prüfung der zweckmäßigen Verwendung dieser Gelder noch bedarf. Deswegen ist auch im Benehmen mit Ländern und Bund an eine Kommission gedacht, die die Verwendung dieser im Bundeshaushalt bereits ausgebrachten Summen regelt.
Nun darf ich aber zur Aufbringung ein kurzes Wort sagen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber letzten Endes wird doch immer der Finanzminister als der hingestellt. der zu allem nein sagt, der für nichts ein Herz hat. Lassen Sie nun den Finanzminister sein Herz ausschütten!
Der Finanzminister hat eine Verantwortung, und
der Finanzminister verweist darauf, daß diese Verantwortung nach der deutschen Verfassung von allen Mitgliedern dieses Hauses mit ihm geteilt werden müßte.
Diese Verantwortung geht dahin, daß wir nicht nur die deutsche Wirtschaft. sondern auch den deutschen Geldwert aufrechterhalten, und um das aufrechtzuerhalten, schreibt uns die Verfassung vor, daß wir Einnahmen und Ausgaben des Haushaltes abgeglichen halten müssen.
Deswegen ist es der Sinn der Beratung eines Haushalts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob das noch zu erwarten ist.
Meine Damen und Herren. ich habe in der Öffentlichkeit und Ihnen allen schon gesagt, daß dieses Jahr besonders schwer geworden ist, weil in diesem Jahr die letzten Reste dessen, was überhaupt an Ersparnissen der früheren Zeit vorhanden ist, verbraucht werden. Lesen Sie das Bulletin aus den letzten Tagen. da habe ich es Ihnen noch einmal vorgerechnet: Die 6.1 Milliarden DM, die wir am 31. März dieses Jahres gehabt haben, haben wir heute schon nicht mehr. es sind heute schon um Hunderte von Millionen weniger geworden. Die 6.1 Milliarden DM. die wir hatten, sind durch den Haushaltsansatz bereits restlos verbraucht worden. Der Finanzminister kann nicht stillschweigen, wenn Anträge gestellt werden. ohne daß die Antragsteller einen konkreten Vorschlag machen, wie sie die Mittel aufbringen wollen, ohne daß sie ihren Antrag mit einem anderen Antrag, Ausgaben zu streichen 'oder Einnahmen zu erhöhen, verbinden. Wenn also ohne diese Verantwortung, der zu entsprechen Pflicht jedes einzelnen Antragstellers wäre, Anträge gestellt werden. hat der Finanzminister die Pflicht. um des deutschen Steuerzahlers willen darauf hinzuweisen. daß er es nicht verantworten würde. wieder mit Anträgen auf Steuererhöhungen etc. zu kommen. Denn er muß das, was beschlossen worden ist, nachträglich ausgleichen; und er darf einen Haushalt. der nicht abgeglichen ist, gar nicht unterschreiben. da ihm die Verfassung die Pflicht der Abgleichung auferlegt. Das, meine Damen und Herren. möchte ich einmal betonen.
Ich habe Ihnen schon gesagt, daß die 6,1 Milliarden Reserve im Haushalt — wenn Sie die Zahl nehmen: ich will jetzt über das Wie gar nicht reden. ich wollte. ich hätte sie noch — völlig verbraucht sind und daß Sie am 31. März 1958 mit einem Null dastehen und mit einem Null den neuen Haushalt beginnen können. Das ist die Situation. und das ist die Verantwortung, die wir tragen. Ich wünschte. daß im Bewußtsein dieser Verantwortung die ganze heutige Debatte stattfände. Ich halte es für eine Pflicht der Wahrhaftigkeit der Öffentlichkeit gegenüber. nur von Ausgaben zu reden. die man auch wirklich decken und wirklich verantworten kann. Rhetorische Vorschläge auf Ausgaben. für die die Antragsteller vielleicht selber weder einen Deckungsvorschlag machen noch einen Deckungsvorschlag zu machen jetzt bereit und in der Lage sind, solche Vorschläge liegen nach meinem Dafürhalten außerhalb dessen, was ich die haushaltsmäßige Wahrhaftigkeit heiße.
Meine Damen und. Herren, gemäß den Vereinbarungen im Ältestenrat treten wir nunmehr in die Mittagspause ein.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 30 Minuten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir fahren in der Sitzung fort.
Es war aufgerufen Kap. 06 02 Tit. 614 und Umdruck 1052*) Ziffer 1. Dazu hatte zunächst der Herr Bundesfinanzminister gesprochen. Ich habe noch eine Reihe von Rednermeldungen hier vorliegen. Von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ist der Wunsch an mich herangetragen worden, Herrn Dr. Gülich dem Herrn Bundesfinanzminister sogleich antworten zu lassen. Ich frage Herrn Abgeordneten Vogel, der als nächster Redner auf der Rednerliste steht, ob er damit einverstanden ist.
Dann erteile ich Herrn Professor Gülich das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte dem Herrn Bundesfinanzminister auf seine Worte von vorhin sofort gerne eine Erwiderung geben. Aber dazu müßte dann doch billigerweise der Herr Bundesfinanzminister hier sein.
Das kann ich doch sonst nicht machen. Ich schlage deshalb vor, Herr Kollege Vogel, daß Sie jetzt erst sprechen.
— Ich habe nur deswegen darum gebeten, meine Damen und Herren, weil ich es für fair halte, dem Herrn Bundesfinanzminister nur während seiner Anwesenheit zu antworten. Denn man muß ihm doch die Möglichkeit geben, eventuell auch wieder etwas zu sagen.
— Gewiß, aber der Herr Staatssekretär hätte mutmaßlich das alles nicht so gesagt. Ich wollte im Interesse der sachlichen Fortführung der Debatte ein paar kurze Bemerkungen machen. Denn der Herr Bundesfinanzminister war außerordentlich erregt, und bei dieser Erregung sind ihm nun wirklich einige falsche Töne und auch ein paar irrige Auffassungen unterlaufen.
Die wissenschaftliche Forschung ist nach dem Grundgesetz auch Sache des Bundes, nämlich in der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Anträge meiner Fraktion betreffen in erster Linie die Förderung der Forschung und in zweiter Linie in dem anderen Ansatz die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie greifen mithin in die Kulturhoheit der Länder gar nicht ein. Außerdem ist
*) Siehe Anlage 6
die neuere Entwicklung doch die, daß gewisse Wissenschaftszweige
— danke sehr, ich freue mich — überhaupt nicht bei den Ländern gepflegt werden können. Denken Sie an die Atomwissenschaft! Der Bund hat das ja auch richtig erkannt und hat ein Atomministerium eingerichtet, welches im wesentlichen — betrachten Sie sich die einzelnen Ausgabenansätze! — eine koordinierende Funktion hat. Die Grundlagenforschung wird bisher überall bei den Ländern betrieben; das Atomministerium koordiniert. Es ist also gar nicht nötig, hier jetzt so zu tun, als ob den Ländern Gewalt angetan werden sollte. Das Bundesinnenministerium hat Gott sei Dank eine wissenschaftliche Abteilung und befruchtet die Wissenschaft und koordiniert. Der Bund unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft; das Auswärtige Amt hat eine große Kulturabteilung. Also insoweit treffen die Vorwürfe nicht zu.
Im übrigen haben das Grundgesetz in dieser Form ja nicht wir gemacht. Wir haben uns gegen diese Regelungen ausgesprochen, die Bayern hingegen waren die besonderen Befürworter. Dafür haben sie nachher allerdings bei der Verabschiedung das Grundgesetz abgelehnt.
Was die Frage der Deckung anbetrifft, so sehen Sie zunächst, daß die Fraktion der SPD die Summe von fast einer halben Milliarde DM von vornherein für gesperrt erklären will, weil sie all die gründlichen Vorbereitungen wünscht, die notwendig sind, um die Sache durchzuführen.
Im übrigen glauben wir, daß die wissenschaftliche Forschung und ihre Förderung einen absoluten Vorrang haben vor den sinnlosen Ausgaben für die Aufrüstung,
über die klare Vorstellungen ja ohnehin nicht bestehen,
obwohl hier und da umgedacht und umgerüstet wird. Allerdings haben Sie nicht umgedacht, als es Zeit war und Sie rechtzeitig schon die Rüstungspläne hätten umstellen können; Sie haben sich im Umdenken immer nur den Amerikanern angeschlossen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird im einzelnen begründen, wie sie sich die Deckung denkt. Ich wollte hier nur die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers im Grundsätzlichen nicht unwidersprochen lassen.
Ich las heute morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", daß der Herr Bundesfinanzminister gestern wörtlich erklärt habe: „Sollte Gottes Fluch es wollen, daß ich noch einmal das Amt des Bundesfinanzministers antrete, dann werde ich eine Wallfahrt antreten, damit er mir den Verstand und vor allem die nötigen Nerven dafür gibt." Ich glaube nicht, daß Gottes Fluch jemanden, der sein Amt mit Ernst, Fleiß und Treue ausgefüllt hat, treffen wird, indem er es ihm neu gibt. Aber ich glaube in der Sache etwas anderes zu
sehen. Was die Nerven anbetrifft, Herr Bundesfinanzminister, da gebe ich Ihnen nach Ihrem heutigen Auftritt zu: die müssen aufgebessert werden.
Das ist wahrscheinlich der Wunsch des ganzen Hauses. Was den Verstand anbetrifft, so hat Gottes Gnade Sie mit einem ausgezeichneten Verstand ausgerüstet, dem ich meine Hochachtung nie versagt habe. Ich bedaure nur, daß Sie einen so schlechten Gebrauch von diesem Verstande gemacht haben.
Ich befinde mich in voller Übereinstimmung mit der gesamten sogenannten bürgerlichen Presse, die Ihre Finanzpolitik, Ihre Hortungspolitik ja seit Jahren — wie auch ich das getan habe — mit guten Gründen bekämpft hat. Ich bin also der Meinung, die Wallfahrt hätten Sie ein paar Jahre früher antreten sollen. Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schlußworte des Herrn Vorredners waren so nett, daß es mich eigentlich reizt, darauf sogleich etwas zu sagen. Aber ich möchte das Sachliche nicht in den Hintergrund treten lassen. Ich freue mich ja immer, wenn ich zu einer gewissen Aufklärung beitragen kann. Herr Kollege Gülich, Sie haben Ihre Deckungsvorschläge sehr leicht genommen. Sie haben angedeutet, daß die Kosten der gestellten Anträge — insgesamt über 2 Milliarden — im Verteidigungshaushalt eingespart werden könnten. Sie sollten sich doch bewußt sein, daß das, was der Verteidigungshaushalt heuer beansprucht, die Summe von 9 minus 1,2, also 7,8 Milliarden ist, im Monatsdurchschnitt also rund 650 Millionen,
und es dürfte Ihnen bekannt sein, daß die Ausgaben des Verteidigungshaushalts heute bereits die Summe von 500 Millionen monatlich weit überschritten haben. Dabei steigen sie von Monat zu Monat. Wenn ich die ganze Tendenz kenne, dann weiß ich auch, daß mit Einsparungen auf diesem Gebiet nicht zu rechnen ist.
Sie waren aber so nett und liebenswürdig, mir einige freundliche Worte über meinen Verstand zu sagen, von dem ich, wie Sie wohl meinen, zu wenig Gebrauch mache.
— Wenn die Mehrheit Ihrer Freunde der Meinung
ist, daß ich falschen Gebrauch davon mache, dann
freut es mich, weil der Weise meistens allein ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst noch nicht in das Geplänkel einschalten, das eben zwischen Herrn Professor Gülich und dem Herrn Bundesfinanzminister stattgefunden hat, sondern möchte zunächst wieder zu den Argumenten zurückkehren, die meine verehrte
Kollegin Frau Dr. Hubert hier vorgetragen hat, um die Anträge der Opposition zu begründen. Sie ist von einer Berichtigung des Studenten Wittneben ausgegangen und hat dabei den „Spiegel" zitiert. Darf ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aber gleich noch ein weiteres Zitat anfügen, das ungewöhnlich interessant ist. Der „Spiegel" hat sich ja mit dem Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Studentenschaften ausführlich unterhalten. und er Hat hierbei eine Frage gestellt, die zugleich die Frage des Hohen Hauses ist.
Wir glauben,
— sagte der Interviewer -
daß nur zehn bis allerhöchstens zwanzig Prozent der Studenten zu den Bedürftigen zählen. Fänden Sie es nicht doch sinnvoll, bevor Sie Ihren alarmierenden Streik in Szene setzen, noch einmal durch eine Erhebung festzustellen, wo denn nun wirklich die äußerste Grenze der zumutbaren Belastung des einzelnen Studenten liegt? Man müßte doch einfach um der staatsbürgerlichen Gesittung willen nicht den Kräften Vorschub leisten, die an die Krippe drängen und nun die zeitgenössische Drift zum Wohlfahrtsstaat ausnützen.
Die Antwort des Studenten Wittneben:
Das ist nicht vergessen worden; die Vorbereitungen zu einer soziologischen Untersuchung etwa unter dem Thema .Die zumutbare Belastung einer Familie durch die Studienkosten" haben bereits begonnen.
SPIEGEL: Sie schießen also Ihre Salven ab, bevor das Ergebnis vorliegt. Sie wissen .jetzt schon. obwohl das Ergebnis nicht vorliegt. daß Sie 200 oder 120 Millionen Mark brauchen? WITTNEBEN: Wir haben gesagt, daß wir die Bereitstellung von 120 Millionen fordern. Dies heißt nicht. daß wir hundertprozentig sicher sind, daß dieser Betrag nicht um fünf oder zehn Millionen niedriger oder um zwanzig Millionen höher liegen könnte.
Meine Damen und Herren, hier wird etwas offenbar, was leider auch meine Befürchtungen waren, nämlich die Fragwürdigkeit des Zahlenmaterials, das uns bis jetzt unterbreitet worden ist.
Es ist ja ganz offensichtlich, daß hier, sagen wir einmal, mit Vermutungen gearbeitet worden ist, die bis jetzt keineswegs als absolut stichhaltig angesehen werden können. Ich möchte überhaupt fragen, wie es generell mit den Unterlagen steht. Jeder, der sich damit befaßt hat, hat in den letzten Monaten von den verschiedensten Seiten eine Fülle von Material unterbreitet bekommen. Wer sich überhaupt die Zeit nehmen konnte, sich durch diese Fülle von Unterlagen hindurchzuarbeiten, der konnte feststellen, daß überall sehr große Differenzen vorhanden waren und daß keineswegs etwa eine völlig einmütige Meinung vorgebracht wurde. Schließlich darf man ja auch nicht ganz vergessen, daß, wer die Hoffnung hat, hier möglichst viel herauszuholen, sich natürlich bemühen wird, sein Zahlenmaterial entsprechend darzustellen. Das ist verständlich. Außerdem gebe ich doch sehr zu erwägen, verehrte Frau Kollegin — Sie haben vorhin die nach Ihrer Überzeugung irrige Auffassung von Wittneben zurückgewiesen —, ob nicht doch die Phantasie all derer, die jetzt um Stipendien nachsuchen,
sehr stark angeregt worden ist durch die Zahlen, die ursprünglich in die Welt gesetzt worden sind. Angesichts der hohen Zahlen, die man zuerst auf Ihrer Seite genannt hat, war es durchaus verständlich, daß die Studenten ihrerseits dachten: Nun, wenn es hier schon um Hunderte von Millionen geht, dann, bitte, ran an die Staatskasse; dann wird entsprechend auch etwas für uns abfallen, wenn wir uns nun recht kräftig nach dem Vorbild bewährter Interessenverbände rühren! Das war vorauszusehen. Wir haben das ja dann auch alles erlebt. Auf der anderen Seite haben wir aber eben gesehen, daß es bis jetzt keine Unterlagen gibt, die hieb- und stichfest sind. Der Herr Bundesinnenminister hat vorhin schon einige Zahlen genannt. Wir sind der festen Überzeugung, daß unserem Vorschlag auf 30 Millionen für Stipendien und Darlehen eine durchaus gerechtfertigte Auffassung von der gegenwärtigen Bedürftigkeit und der Begabung zugrunde liegt.
Wir legen den Nachdruck ausdrücklich auf das Wort „Begabung" und nicht zuerst auf die „Bedürftigkeit"; denn hier sind sehr ernste Probleme zu klären. Wir haben — auch das Beispiel England ist zitiert worden — in England ungefähr 70 000 Studenten. Wir haben in der Bundesrepublik bei fast gleicher Bevölkerungszahl und minderem Reichtum des Landes über 140 000 Studenten. In England haben wir ein Zulassungssystem, aber zugleich eine staatliche Lenkung dahin, wo man den geförderten Studenten gern studieren sehen möchte. Bei uns wird nichts von alledem gefordert. Wir haben bei uns ein Abitur, das als, ich möchte einmal sagen, Zulassungsklausel zur Hochschule in seinem Wert erheblich nachgelassen hat. Wir alle beklagen das außerordentlich, und die Länder werden, glaube ich, sehr ernst darüber nachzudenken haben, wie sie gerade diese fast schrankenlose Freiheit des Zugangs zur Hochschule etwas eindämmen können.
Auf der anderen Seite haben wir heute einen Rechtsanspruch eines jeden, der ein Abitur gemacht hat, an einer Hochschule zugelassen zu werden. Hier sind also die Ausgangsbasen grundsätzlich verschieden. Ich möchte ausdrücklich vermeiden, etwa auf Förderungsmaßnahmen im totalitären System hinzuweisen; denn was dort auf der anderen Seite des Studikers harrt, das haben die Maßnahmen der letzten Tage so eindeutig bewiesen, daß wir es uns ersparen sollten, überhaupt noch ein Wort darauf zu verschwenden.
Auf der anderen Seite ergibt sich für uns die sehr, sehr kritische Frage: Hat der Staat als solcher überhaupt ein Interesse daran, auch alle die Zehntausende von Studenten zu fördern, deren Studium vom Volksganzen her gesehen keineswegs besonders erwünscht ist?
Wir haben nun leider einmal einen beklagenswerten Überfluß an Studenten der Volkswirtschaft, der Betriebswirtschaft, zum Teil auch bereits der Juristen und einer ganzen Reihe anderer Fakultäten, während sich andererseits bei naturwissenschaftlichen Fakultäten, bei bestimmten — aber nur bestimmten — Bereichen des technischen Studiums ein außerordentlicher Mangel dartut.
Sicher sind wir uns darin einig, von niemandem zu verlangen, daß er, vom Staate gelenkt, ein bestimmtes Studium ergreift. Wir wollen das nicht. Aber geben wir doch einmal allen Studenten zu bedenken, wohin zwangsmäßig die Art von Forderungen führen muß, die wir in der letzten Zeit gehört haben. Wir möchten mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir kein Interesse daran haben, mit Gewalt zu einem gelenkten Studium zu kommen,
und daß wir noch weniger Interesse daran haben, uns in irgendeiner Form totalitären Systemen auch nur zu nähern.
— Sie werden, Herr Kahn-Ackermann, nicht leugnen können, daß, wenn Sie über ein bestimmtes Ausmaß hinaus Summen dafür auswerfen, Sie sich zwangsläufig, selbst wenn Sie es nicht wollen
— ich unterstelle Ihnen, daß Sie es nicht wollen, genausowenig wie wir —, diesen Dingen nähern.
— Ich werde später auch noch darauf zu sprechen kommen.
Lassen Sie mich noch auf etwas anderes eingehen. Auch das Honnefer Modell hat eine ausgewogene Mischung von Darlehen und Stipendien vorgesehen; es hat keineswegs die Darlehen außer acht gelassen. Bei den Betrachtungen und den Argumenten, die wir bis jetzt hier gehört haben, ist mir eines aufgefallen. Es ist mit keinem Wort darauf eingegangen worden, wie nötig heute Darlehen gerade für eine ganz bestimmte Kategorie älterer Semester wären, die bis jetzt durch Werkstudium am Abschluß ihres Studiums durch ein Examen verhindert worden sind. Hier ist noch ein großer Unterschied zu beachten. Wenn ich mir nach dem Honnefer Modell ein Stipendium verschaffen will, muß ich mich Prüfungen unterwerfen. Wir verlangen mit Recht, daß diese Prüfungen ernstgenommen werden, daß sie nicht zu einer Formalität herabsinken. Aber auf der anderen Seite haben wir noch eine Möglichkeit geschaffen. Nach den Schätzungen, die mir vorliegen, sind noch mindestens 3000 bis 4000 derartiger älterer Semester da, denen man nicht gut zumuten kann, daß sie jetzt noch Fleißprüfungen ablegen, sondern sie sollen möglichst rasch ihr Staatsexamen hinter sich bringen. Für die sind diese Darlehen in erster Linie da. Sie brauchen sich keinen Prüfungen und keinem Rigorosum zu unterwerfen, sondern können mit der Hilfe, die wir bieten, ihr Studium vollenden.
Eins müssen wir allerdings mit aller Entschiedenheit zurückweisen: nämlich den falschen Zungenschlag, der in einigen Briefen aufgetaucht ist, in denen von einer „unzumutbaren Belastung" der Studenten gesprochen wurde, überhaupt Darlehen von seiten des Staates in Anspruch zu nehmen. Der Staat hat in den Jahren nach der ersten Inflation ausgezeichnete Erfahrungen mit den Darlehen gemacht. Warum sollen diese Erfahrungen heute plötzlich beiseite gestellt werden, und warum
sollen sie heute plötzlich schlecht geworden sein? Wir hatten in bezug auf die Zahlungsmoral unter wesentlich schwierigeren Bedingungen in den Jahren 1930 bis 1934 ganz ausgezeichnete Erfahrungen. Es sage uns niemand, daß die Situation meiner Generation, die kurz nach dem ersten Weltkrieg zu studieren gezwungen war, irgendwie besser gewesen wäre als die Situation der heutigen Studenten.
Ich glaube, ganz das Gegenteil ist richtig. Während damals selbst in den Großstädten, in Berlin, Leipzig und Hamburg, ein Student tage- und wochenlang wandern mußte, um überhaupt einen Nebenverdienst zu finden, wird ihm das heute relativ leicht gemacht. Infolge der Umbewertung von geistiger Arbeit und Handarbeit ist heute Handarbeit und selbst Hilfsarbeit unendlich viel besser bezahlt, als sie nach dem ersten Weltkrieg bezahlt war.
Das ist auch ein Argument, das nicht ohne weiteres ganz beiseite zu stellen ist.
Ich möchte noch auf eine Reihe weiterer Punkte zu sprechen kommen. Wir haben ein für allemal erklärt, daß wir einen Versorgungsstaat ablehnen. Wir haben auch erklärt, daß wir von den jungen Semestern, zumindest von den ersten drei Semestern — ich glaube, mit Fug und Recht —, eine eigene Leistung erwarten, daß wir von diesen ersten Semestern zunächst einmal Beweise der Ernsthaftigkeit ihres Studiums und auch eine gewisse Energie und einen Befähigungsnachweis erwarten, ein solches Studium durchzuhalten. Für uns — und das möchte ich ausdrücklich auch zum Honnefer Modell sagen — sollte dieses Modell grundsätzlich erst nach dem dritten Semester beginnen. Es wird vielleicht hier und da einmal Ausnahmefälle ungewöhnlicher Begabung geben, wo körperliche Unzulänglichkeit zur Aufnahme einer Werkarbeit vorliegt. Auch in solchen Fällen sollte geholfen werden, aber grundsätzlich erst dann, nachdem der Student in den ersten drei Semestern eine Bewährungsprobe abgelegt hat, daß er willens ist, für sein eigenes Studium auch Opfer zu bringen.
Ich möchte aber an das Hohe Haus eine weitere, grundsätzliche Aufforderung richten: Hüten wir uns, mit der massenhaften Ausschüttung von Stipendien ein neues Privileg zu schaffen! Das würde unweigerlich eintreten, wenn wesentlich über die Summe von 30 Millionen hinausgegangen würde, die wir eingesetzt haben. Ich möchte in aller Eindringlichkeit die Frage aufwerfen: Mit welchem Recht gewährleisten wir hier einem kleinen Teil des deutschen Volkes die vollkommene Ausbildungsfreiheit, und mit welchem Recht werden wir nachher Millionen anderer junger Leute das gleiche verweigern können? Wenn ich schon für eine bestimmte Kategorie der deutschen Jugend so außergewöhnlichen Aufwand treibe, mit welchem Recht will ich dann einem gut begabten Lehrling oder einem anderen begabten jungen Mann das gleiche Recht verweigern?
Lassen Sie mich noch ein kritisches Wort zu bestimmten Äußerungen, die in der letzten Zeit gefallen sind, sagen. Keiner von uns, der selbst auf einer Alma Mater war, wird das Wort vom Studentenstreik besonders ernst nehmen. Wir haben für Studenten und ihr Temperament — und Gott sei Dank, daß sie Temperament haben — alles Verständnis. Aber wir wollen doch eins einmal klargestellt haben: Die Studentenschaft ist niemals der Sozialpartner des Staates.
Es wäre gut — wir haben mit Vergnügen festgestellt, daß sich in der letzten Zeit, wie ich glaube, die Wogen etwas beruhigt haben —, wenn man ruhiger und sachlicher über diese Dinge dächte, wir würden das sehr begrüßen. Wir sind der Überzeugung, daß der zu erreichende Zweck, die wirklich Begabten zu fördern — und auf die allein kommt es an —, mit den von uns eingesetzten Mitteln voll und ganz erreicht werden kann.
Lassen Sie mich noch ein Wort sagen, gleichzeitig als Begründung für den Antrag meiner Fraktion! Wir haben — wie Sie vielleicht aus dem Antrag entnommen haben — jetzt die 30 Millionen gemeinschaftlich in einem Titel als Darlehen u n d Stipendien ausgebracht. Dieser Antrag wäre an sich nicht unbedingt notwendig gewesen; denn auch nach der bisherigen Fassung wären diese Mittel innerhalb des Titels ausgleichbar gewesen. Aber wir wollten absichtlich, daß die Darlehen gerade diesen vor dem Examen stehenden älteren Semestern eine Chance geben, und sie sollten sie nutzen. Denn wer weiß, ob sich ein zweites Mal für sie eine solche Möglichkeit ohne weiteres eröffnen wird. Wir glauben, daß das Ziel, das wir uns gesetzt haben, erreicht werden wird, wenn man auf diesem Weg konsequent und mit Überlegung und ganz ruhiger Betrachtung der Argumente weiter fortfährt.
Ich habe nicht die Absicht, eingehender zu dem Kapitel Forschung und Wissenschaft zu sprechen. Das wird mein Fraktionsfreund Professor Dr. Friedensburg tun. Aber ich behalte mir vor, notfalls noch einmal am Schluß der Debatte auch auf das finanzielle Problem etwas näher einzugehen; denn ich nehme an, daß wir uns bei dem erneuten Antrag der Opposition hinsichtlich der Schulhausbauten noch einmal über dieses Kapitel unterhalten werden müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt mir sehr daran, zur Frage der Studienförderung noch ein paar Worte zu sagen, obwohl vieles von dem, was ich zu sagen vor hatte. Herr Kollege Dr. Vogel hier schon vorgetragen hat. Man kommt ja sehr schnell in ein falsches Licht. wenn man Forderungen ablehnt oder in ihrer Höhe zu begrenzen versucht, die eine sehr populäre Untermalung haben. Aber ich glaube. wir würden uns auf einen ganz falschen Weg begeben, wenn wir auf dem Gebiete der Studienförderung jedes ausländische Vorbild um jeden Preis nachahmen wollten. Es ist hier schon ausgeführt worden. daß die Studienförderung in einem Lande wie z. B. England völlig andere Voraussetzungen hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen — das gilt für die Förderung der Forschung im allgemeinen —, daß man alle ausländischen Vergleichsbeispiele mit
einer gewissen Vorsicht vortragen muß, weil das Verhältnis zwischen Zentralgewalt und Regionalgewalten zum Teil völlig anders geregelt ist und zum Teil bei den zum Vergleich herangezogenen Ländern überhaupt unbekannt ist und weil die Vergleichbarkeit der Systeme dadurch beeinträchtigt wird. Deswegen eignen sich gewisse Vergleiche mit englischen und französischen Verhältnissen gerade .auf diesem Gebiet gar nicht.
Wir legen aber auf zwei Dinge ganz entscheidenden Wert, und diese zwei Akzente sind sehr leicht ausgedrückt. Sie heißen nämlich freie Forschung und freie Hochschulen und freie Studenten. Wir können uns nicht zu der Auffassung verstehen, daß es eigentlich richtig sei, den Zugang zur Hochschule in einer ganz besonderen Weise zu verengen. Wir haben heute den Zugang zur Hochschule jedenfalls grundsätzlich für jeden, der das Reifezeugnis einer höheren Schule mitbringt. Das ist keineswegs in allen Ländern der Fall, die hier zum Vergleich herangezogen werden. Der eine Preis, den wir dafür zahlen müssen, ist der, daß wir auf unseren Hochschulen eine gewisse Überfülle haben. die keineswegs daraus resultiert, daß die Talente in Deutschband in einem international ungewöhnlichen Maße blühten, sondern was darauf zurückzuführen ist, daß wir eben einen ungehindert freien Zugang haben. Der ungehindert freie Zugang mit der :bescheidenen Voraussetzung des Abiturs hat seine Lichtseiten, er hat aber auch seine Schattenseiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, verzeihen Sie, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Minister, wollten Sie damit sagen, daß sich die Zunahme der Zahl der Studenten an Hochschulen in anderen Ländern etwa nicht in der gleichen Entwicklung wie in Deutschland befindet, daß in anderen Ländern die Zunahme geringer sei als bei uns? Das wäre eine völlig falsche Darstellung der Lage.
Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich schlage vor, wir bleiben bei einem Beispiel, das in der letzten Zeit oft herangezogen worden ist, .dem englischen Beispiel. Da ist doch ganz evident, daß bei einer ungefähr gleich großen Bevölkerungszahl — eine Differenz von 10 % wollen wir einmal außer Ansatz lassen — die Studentenzahl um rund 60 000 geringer als bei uns ist. Das ist bei einer Gesamtzahl von 140 000 oder 145 000 Studenten bei uns eine Riesenzahl, die uns zu denken geben sollte. Ich kann nicht darum herumkommen, daß man eben wegen dieser gerade geschilderten Bedingungen englische Verhältnisse nicht ohne weiteres heranziehen kann.
— Ja, bitte sehr, Herr Kollege Gülich!
Herr Bundesinnenminister, ist Ihnen bekannt, daß vor kurzem in :einem hochinteressanten Aufsatz über die „Akademisierung der Welt" dargelegt worden ist, in welch unerhörter Entwicklung in allen Ländern der Welt, den
weniger entwickelten besonders, die Akademisierung fortschreitet? Wenn er Ihnen nicht bekannt ist, will ich ihn Ihnen gerne übergeben.
Herr Kollege Gülich. seien Sie versichert, .daß ich auf diese 'Dinge sorgfältig ein Auge gerichtet halte. Aber kommen wir wieder auf konkrete Beispiele zurück! Für England liegen jetzt die Zahlen zum Vergleich mit Deutschland vor. Ich behaupte hier gar nicht, daß wir nicht einen gewissen Prozentsatz Studenten mehr vertragen können als 1925 oder 1930, oder welchen Zeitpunkt Sie wählen wollen. Aber vergleichen können wir doch nur die Ist-Stärke. England ist ganz bestimmt nicht ein Land, das sich auf diesem Gebiet ausgerechnet hinter Deutschland verstecken müßte, das werden Sie nicht behaupten wollen. Amerika können wir schwer vergleichen, weil das ganze Schul-, Bildungs- und Erziehungssystem dort anders ist. In England ist es so, wie 'ich gerade dargelegt habe. Ich will aber diesen Gedanken gern etwas weiter ausspinnen.
— Bitte sehr!
Ist Ihnen nicht bekannt, daß gerade bei den Studierenden aus den weniger entwickelten Ländern und aus den Ländern, die früher unter der Kolonialherrschaft europäischer Mächte standen, ein ganz besonderer Drang nach Deutschland, nach der Bundesrepublik besteht und daß wir aus diesem Grunde eine Erhöhung der Studentenzahl über das Gewöhnliche und über das mit den Jahren der Weimarer Republik Vergleichbare hinaus haben müssen?
Herr Kollege Gülich, Sie sind in einem ganz anderen Maße wie ich ein Mann der Zahlen; aber es liegt doch wohl auf der Hand, selbst wenn ein ganz großer Teil der Welt zu unserer Freude wieder deutsche Hochschulen besuchen möchte — —
— Herr Kollege Vogel ruft mir gerade zu, es seien 5000. Aber selbst wenn wir von 5000 auf 10 000 oder auf 15 000 gehen, selbst wenn wir so weit gehen und sagen, daß 10 % ausländischer Studenten in der Gesamtzahl ein begrüßenswerter Zuzug wäre, ändert das doch gar nichts an der Zahlenrelation, die ich aus dem Verhältnis Deutschland-England — die beiden Länder kann man am ehesten vergleichen — dargestellt habe.
Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich in dem Aufsatz im Bulletin vom 17. April unter der Überschrift „Studentenförderung als Begabtenauslese, nicht als Jedermann-Programm" geschrieben habe. Ich wäre wirklich dankbar und könnte meine Ausführungen kürzer halten, wenn man darin einem Blick werfen wollte. Ich habe im groben dort folgendes gesagt: Wir haben Erhebungen darüber, wie es heute an den Hochschulen aussieht, teils nach unseren Beobachtungen, teils nach Angaben der Studenten; und ein Erfahrungssatz ist doch .der, daß eine allgemein aufsteigende wirtschaftliche und soziale Entwicklung sich auch auf die Elternhäuser und auf dem Wege über die Elternhäuser selbstverständlich auf die Universitäten
auswirkt. Es wäre ja ganz merkwürdig, wenn dieser Erfahrungssatz nicht mehr gelten sollte.
Der zweite Satz, meine Damen und Herren, ist aber der und das ist ein wesentlich älterer Erfahrungssatz —, daß man, befragt nach seinen eigenen finanziellen Verhältnissen im Blick auf eine mögliche Unterstützung, nicht dazu neigt, seine eigene finanzielle Kraft zu hoch einzuschätzen, sondern daß man hier die Vorsicht etwas walten läßt und lieber eine Eigeneinschätzung angibt, die einen nicht von vornherein um die Aussicht bringt, etwas dazuzubekommen. Niemand im Hause wird, glaube ich, die Richtigkeit dieser psychologischen Feststellung bestreiten.
Wenn man mit diesem Vorbehalt, den ich gerade gemacht habe, an die Angaben der letzten studentischen Untersuchung herangeht, sieht man: ein Drittel aller Studenten erklärt von vornherein, voll und ganz von zu Hause unterstützt zu werden — ein Drittel! —; ein zweites Drittel erklärt, zu einem Teil — mal ein größerer, mal ein kleinerer Teil — unterstützt zu werden. Damit haben wir also schon zwei Drittel belegt. Nun darf ich folgendes in Erinnerung rufen. Zu dem einen Drittel, das nach seinen eigenen Erklärungen von zu Hause voll und ganz getragen wird, kommen noch 18 % weitere Studenten, die auf Grund aller irgendwie sich ergebenden Möglichkeiten ganz entscheidend gefördert werden: Flüchtlingsstudenten — —
— Die Begabtenauslese, Frau Kollegin, will ich auf diesem speziellen Sektor nicht allzusehr empfehlen; damit kriegen wir den allergrößten Ärger, wenn wir das hier empfehlen. Aber das ist ein kleiner und vorübergehender Teil.
Ich darf also noch einmal sagen: dabei handelt es sich um Flüchtlingsstudenten, um Kriegswaisen nach dem Bundesversorgungsgesetz, um Spätheimkehrer und um Empfänger von Ausbildungsbeihilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz. Das sind insgesamt nichtweniger als 32,9 Millionen DM. Von denen wird merkwürdig wenig gesprochen, obwohl doch rund 33 Millionen DM ein sehr hoher Betrag sind.
Folgen Sie mir jetzt einen Augenblick, dann werden Sie sehen, daß jenes Drittel, das ganz von zu Hause getragen wird, plus die 18 % Fälle bereits über die Hälfte aller Studenten ausmachen. Wenn wir dann davon ausgehen, daß tatsächlich nicht nur von der Begabung gesprochen werden soll, sondern daß die überdurchschnittliche Begabung und die Bedürftigkeit den Maßstab abgeben sollen, kommen wir auf Sätze — über das hinausgehend, was wir hier außer Ansatz lassen können — in der Größenordnung von 15 bis 25 %. Das würde, wenn wir bis an den höheren Wert von 25 % herangehen, bedeuten, daß für rund 75 % aller Studenten tatsächlich kaum noch Schwierigkeiten bestünden. Das ist doch ein außerordentlich beträchtliches Ergebnis. Niemand wird behaupten wollen, daß der Prozentsatz der überdurchschnittlichen Begabung über diesen von mir gerade genannten Gesamtbereich der 15 bis 25% hinausgeht. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, daß das, was derzeit getan wird, was wir im Haushalt schon drinhatten und was wir jetzt durch den 30-Millionen-Antrag weiter hineinbringen werden, vollauf ausreicht — auch hier eine gewisse Eigenbeteiligung der Länder eingerechnet —, dieses Problems Herr zu werden.
Wir stellen uns das in der Tat aber nicht so vor, daß man mit Nummer Soundso an Kasse Soundso erscheint und seine Förderungsmittel abholt, sondern wir stellen uns ein System vor, das sich wirklich mit allem Ernst — und das ist ein Ernst, der auch von der Studentenseite verlangt wird — darum bemüht, die Förderungsvoraussetzung, nämlich die überdurchschnittliche Begabung und die entsprechende Bedürftigkeit, festzustellen. Das bedeutet auch gewisse Anstrengungen auf seiten der Hochschule. Das bedeutet, daß wir Förderungsassistenten, Förderungsdozenten und Förderungsprofessoren brauchen. Das ist eine Mühe, die man sich unter allen Umständen machen muß; denn sonst könnten wir es gar nicht verantworten, Gelder in so beträchtlichem Umfang zu Lasten des allgemeinen Steuerzahlers in diesem ganz besonderem Sektor zu investieren. Das geht nur dann, wenn die Allgemeinheit wirklich die Überzeugung gewinnt, daß das, was sie tut, nicht zum Wohle einzelner — das kann uns relativ gleichgültig sein —, sondern zum Wohle aller beiträgt. Das ist überhaupt nur einigermaßen zu erreichen, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind.
Meine Damen und Herren, es ist außerordentlich instruktiv, einmal einen Blick in die Verzeichnisse derjenigen zu werfen, die aus der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert worden sind. Man kann wirklich sagen, daß mit dem dort gewählten Auslesesystem hervorragende Ergebnisse erzielt worden sind. Sie werden, wenn Sie in diese Verzeichnisse hineinsehen, auf eine Fülle geläufiger Namen stoßen, die Empfänger dieser Studienstiftung gewesen sind, und Sie alle werden sagen: Diese Art von Förderung soll beibehalten werden. Ich will nun keineswegs die Hochbegabten und die überdurchschnittlich Begabten in eine Kategorie hineinbringen. Dem Hause ist ja bekannt, daß die Studienstiftung des deutschen Volkes keinen Wert darauf legt, beträchtlich erweitert zu werden; sonst verliert sie ihren Charakter. Aber wenn wir, wie ich das hier gerade vorschlage, sozusagen eine Zwischenkategorie der überdurchschnittlich Begabten schaffen, dann können wir mit den vorhandenen Mitteln alles tun, um zu einer nachdrücklichen Förderung zu gelangen.
Ich lege auch großen Wert darauf, daß sich die Studentenschaft das selbst einmal mit allem Ernst klarmacht und sich nicht auf den wesentlich bequemeren Weg der allgemeinen pauschalen Forderungen begibt. Herr Kollege Vogel hat dazu schon das Nötige gesagt. Die deutschen Studenten müssen sich vor Augen halten, daß ein generelles kollektives pauschales Förderungssystem, wie es derzeit in manchen Köpfen vorhanden zu sein scheint, zwangsläufig und in kürzester Zeit zu Zuständen führt, die ihnen selbst keineswegs angenehm sein können. Ich schlage vor, dazu einmal einen Aufsatz von Herrn Stehle durchzulesen, den gestern die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter der Überschrift „Eine Errungenschaft und ihr Preis" veröffentlicht hat. Und wenn Sie die letzen sowjetzonalen Publikationen zur Studentenförderung durchsehen, dann gewinnen Sie allmählich ein Bild davon, was für ein Halsband dort an die Studenten und die Studentenschaft angelegt wird, das gar nichts mehr mit den Vorstellungen zu tun hat, wie sie hier im Hause, wenn nicht ganz, so doch weit überwiegend, vertreten werden.
Nun noch zwei Worte an die Adresse der verehrten Kollegin Frau Dr. Hubert. Ich habe nicht gesagt, daß die Anträge der Opposition trojanische Pferde darstellen. Frau Kollegin, da sind Sie in der Ausdeutung dieses Zitats doch zu schnell gewesen. Das „timeo Danaos et dona ferentes" ist zwar angeblich angesichts des trojanischen Pferdes ausgerufen worden; aber ich meinte die Sache sehr viel wörtlicher, ich beschäftigte mich nur mit den „dona", ohne ,das trojanische Pferd zu sehen. Das möchte ich doch klargestellt haben; sonst verliert das Zitat an literarischem Reiz.
Sie und Herr Kollege Dr. Drechsel haben danach gefragt, wie es denn nun mit den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Förderung der Forschung, insbesondere mit dem Wissenschaftsrat, stehe. Ich glaube, daß die Standpunkte von Bundesregierung und Länderregierungen — diesmal nimmt die Bundesregierung einen Standpunkt ein, der, wie Sie wissen, von der weitesten Öffentlichkeit lebhaft begrüßt wird — noch nicht aneinander angeglichen sind, wenn sich auch gemeinsame Gesichtspunkte abzeichnen. Wir halten an dem Gedanken eines möglichst einheitlichen Gremiums fest, weil wir glauben, daß auch die Verantwortung für den Rat, den die Wissenschaftler selbst geben können, viel stärker und unmittelbarer ist, wenn die Wissenschaftler von vornherein als Gleichberechtigte in einem Gremium sitzen, als wenn zwischen Regierung, Verwaltung und einem mehr oder weniger unverbindlichen Beirat unterschieden wird. Ich habe die Hoffnung, daß wir auf diesem Gebiet in absehbarer Zeit doch zu einer übereinstimmenden Betrachtung kommen können.
Ich möchte noch einen einzigen Gedanken hinzufügen und in dieser Beziehung unterstützen, was mein verehrter Kollege, Herr Schäffer, gesagt hat. Es hat keinen Zweck, diese Fragen so anzusehen, als ob eine mehr oder weniger vorübergehende Tätigkeit des Bundes angesichts eines unzulänglichen Bundes-Länder-Finanzausgleichs ins Auge gefaßt werden sollte. Das ist nicht der Maßstab, den man anlegen kann, und das ist ein Gesichtspunkt, ,den man unter allen Umständen aus der Debatte heraushalten muß. Der Bund kann sich auf diesem Gebiet nur in dem Maße betätigen, wie es ihm das Grundgesetz, seine allgemeine Finanzlage und seine allgemeine Verantwortung erlauben. Ich glaube, man kann wirklich sagen, daß wir in diesem Jahr beträchtliche zusätzliche Aufwendungen für die Förderung der Forschung machen werden. Das ist ein Ergebnis, dessen Bedeutung nach Lage der Dinge nicht verkleinert, sondern als angemessen empfunden werden sollte.
Der Bund wird hier nicht weitergehen können, als daß er initiativ, anregend und auf diese Weise mitgestaltend bleibt. Wir können nicht durch finanzielle Beschlüsse das staatsrechtliche System, in dem wir leben, einfach umkehren; das würde uns auf die Dauer in Verwicklungen bringen und zu unlösbaren Problemen führen.
Ich glaube, wir gehen bei der Förderung von Studenten und bei der Förderung der Forschung jetzt so weit, daß wir tatsächlich beruhigt sein können. Wir werden den an uns gestellten Forderungen durchaus gerecht, und es wäre sehr gut, wenn die deutsche Öffentlichkeit über diese Gesichtspunkte von allen Seiten des Hauses in einer, wie soll ich sagen, von der eigenen politischen Betrachtung losgelösten Weise unterrichtet werden könnte. Wir können diese Dinge nicht unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs im Anbieten sehen. Wenn es nur auf dem Wettbewerb im Anbieten ankäme, brauchte niemand zurückzustehen. Wir können der Öffentlichkeit — um mit den Worten des Herrn Kollegen Schäffer zu sprechen — nur einen Haushalt vorlegen, der nach unserem Verfassungsrecht und unserer finanziellen Leistungsfähigkeit ein angemessenes und ausgewogenes Gebilde ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung hat uns erst vor kurzem in diesem Hause ausgiebig beschäftigt, und wir glauben nicht, die damalige Aussprache heute wiederholen zu sollen. Meine politischen Freunde glauben es auch nicht nötig zu haben, zu beweisen, daß sie in diesem Kulturfragen nicht weniger für eine aktive Staatspolitik eintreten, als es die Opposition für sich in Anspruch nimmt.
Aber das Anliegen der hier behandelten Anträge ist ernst genug, und die Anträge sind zumindest nach ihrer ziffernmäßigen Höhe gewiß wichtig genug, es nicht bei der sicher auch von Ihnen erwarteten einfachen Ablehnung dieser Anträge zu belassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gewiß leichter und angenehmer, als Opposition zum Haushalt zu sprechen; aber so leicht, wie Sie es sich heute gemacht haben, sollten Sie es sich doch nicht machen.
Es ist heute wiederholt das englische Vorbild angesprochen worden, und ich bin gern bereit, es auch einmal auf diesen Gegenstand anzuwenden: Stellen Sie sich vor, im englischen Parlament würden finanzielle Anträge von dieser Tragweite eingebracht, so unzulänglich begründet und hinsichtlich der Deckung so unzulänglich erläutert, wie das heute hier geschehen ist!
Das wäre im englischen Parlament völlig unmöglich, und keine Partei könnte es riskieren, in dieser Form Anträge über Milliardenbeträge einzubringen.
Aber das englische Vorbild ist heute vielleicht auch noch in anderer Hinsicht für uns interessant. In England herrscht der sehr gesunde Grundsatz, daß finanzielle und sachliche Verantwortung zusammengehören; das gilt dort für den ganzen Staatsaufbau. Es wäre dort völlig undenkbar, daß man - wie hier — Anträge für Bauten und alle möglichen anderen Dinge mit Ausgaben von Hunderten von Millionen stellte, für deren sachliche Ausführung der Träger des Haushalts — bei uns der Bund — nicht zuständig ist. Als Berliner bin ich nicht besonders glücklich über die grundgesetzlichen Bestimmungen zur Regelung der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern. Aber ich stimme dem Herrn Bundesfinanzminister — soweit ich mangels eines bayrischen Wörterbuchs seinen temperamentvollen Ausführungen habe folgen können; entschuldigen Sie, verehrter Herr Minister! — vollkommen zu in
dem, was er heute gesagt hat: man kann in diese Zuständigkeiten nicht so willkürlich hineinregieren, sondern sollte eine klare Regelung vorher treffen.
Die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern mit der weitgehenden Betonung des Föderalismus hat ja, abgesehen von gewissen Prinzipien, auch eine sachliche Berechtigung, die wir uns gerade in diesem Zusammenhang einmal vor Augen halten sollten. Man wünscht doch die Zuständigkeit der Länder nicht nur aus irgendeiner Prinzipienreiterei, sondern weil man der Ansicht ist, daß gewisse Angelegenheiten des Staates möglichst von denen entschieden werden sollten, die der betreffenden Sache örtlich nahestehen und die deshalb ein besseres Urteil für die Dinge haben.
Glauben Sie, daß Sie in einem der Länder, wo Sie die Mehrheit haben, es wagen könnten, auf diesen Gebieten Anträge in dieser globalen Form vorzutragen? Da würden Sie nämlich erfahren, wie schwierig nachher die praktische Durchführung ist und wie wenig man es verantworten kann, Anträge in dieser Form zu stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege Friedensburg, würden Sie die Freundlichkeit haben, auch auf das zu antworten, was ich vorhin über die moderne Entwicklung der Wissenschaften, der Naturwissenschaften, die Errichtung eines Ministeriums für Atomfragen beim Bund und überhaupt über die Mäglichkeit des Bundes, in der konkurrierenden Gesetzgebung ,die Forschung auch bundesseitig zu unterstützen, gesagt habe?
Verehrter Herr Kollege Gülich, ich kann nicht behaupten, daß das eine Frage war. Eine Frage, ob ich bereit bin, eine Rede zu halten, die Sie wünschen, kann ich dahin beantworten, daß ich die Rede nach meinem eigenen Programm halten möchte.
Ich werde das vortragen, was ich auf dem Herzen habe.
Aber ich bin mit Ihnen einig, daß wir zweifellos auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung — darauf werde ich zu sprechen kommen — auf die Dauer ein sehr aktives Mitwirken des Bundes haben sollten. Doch ein großer Teil der Anträge bewegt sich ja gar nicht in dieser Richtung, sondern betrifft Gebiete, auf denen zweifellos die ausschließliche Zuständigkeit der Länder gegeben ist; dagegen richteten sich meine Ausführungen.
Ich bin auch der Ansicht — gerade aus dem Gefühl heraus, daß der örtlich nahe Finanzträger auch die Verantwortung tragen sollte —, daß die freie Wirtschaft für die Forschung unmittelbar sehr viel mehr tun könnte, als sie bisher getan hat. Ich bin neulich bei der sehr schönen und eindrucksvollen Jahrestagung des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft gewesen: ein Riesenaufwand, ein Haufen von Rektoren der deutschen Universitäten und Hochschulen, alle großen Generaldirektoren der Wirtschaft. Wenn ich dann höre, daß dieser Stifterverband ganze 34 Millionen Mark aufgebracht hat, dann muß ich mir sagen: hätte einer der Herren Generaldirektoren, die da anwesend waren, diesen Betrag alleine aufgebracht, so wäre es berechtigt, solch große und repräsentative Veranstaltung abzuhalten.
Hier könnte sehr viel mehr geschehen.
Ich habe gerade heute einen Bericht von meinem Sohn, der in Detroit tätig ist, gelesen. Danach hat die amerikanische Automobilfirma General Motors Forschungseinrichtungen, die an Umfang und Zahl der darin Beschäftigten mit dem, was wir anzubieten haben, überhaupt nicht verglichen werden können. Sie umfassen ein Gebiet von der Größe des Tempelhofer Feldes und einen Stab von Tausenden von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Angestellten; sie erledigen allein für diese Firma Forschungsaufgaben.
Es wäre sehr schön, wenn Idle Wirtschaft den Bund und die Länder bei den hier zweifellos notwendigen Ausgaben in freiwilliger Leistung mehr unterstützte.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wir sind uns mit Ihnen darüber ,einig, daß etwas zu geschehen hat. Ich habe ,das ja bereits dem Kollegen GÜlich gegenüber ausgesprochen. Meiner Ansicht nach müßten dafür aber doch eine Reihe von Voraussetzungen wesentlich besser als bisher erfüllt, zumindest geklärt stein.
Herr Bundesminister des Innern, ich wäre sehr dankbar, wenn wirr entsprechend der Debatte, die wir hier vor einigen Wochen geführt haben, zur Frage des Wissenschaftsrates recht bald einen Bericht von Ihnen darüber bekämen, was hier geschehen ist. Wir können es meiner Ansicht nitsch im jetzigen Zeitpunkt, wo ,der von uns gewünschte Wissenschaftsrat überhaupt erst gebildet werden soll, nicht verantworten, Ergebnisse schon vorwegzunehmen, d. h. über das zu entscheiden, wozu wir eigentlich den Wissenschaftsrat ins Leben rufen wollen. Ich hoffe, Sie werden uns recht bald Möglichkeiten nach dieser Richtung eröffnen. Wenn wir dann der Ansicht sind. daß wir das, was der Wissenschaftsrat für notwendig und unentbehrlich hält, unterstützen sollten. dann — dessen können Sie gewiß sein — werden wir in der ChristlichDemokratischen und Christlich-Sozialen Union nicht die letzten sein. die Ihnen dabei zur Hilfe kommen werden. Aber dann muß auch das Verhältnis zu den Ländern geklärt sein, und dann muß auch wirklich festgestellt werden, daß die Wissen- schaft diese Beträge, die wir ihr zur Verfügung stellen, tatsächlich verarbeiten kann.
Meine verehrte Kollegin Hubert, die Forderung, die Zahl unserer Dozenten zu verdoppeln, habe ich ja selber aufgestellt. Aber es ist doch nicht damit getan, daß ich das Geld zur Verfügung stelle und mir dann nachträglich überlege: Wie kann ich das unterbringen? Das ist doch nur in einem mühseligen, organischen Wachstum möglich. Sie ahnen vielleicht gar nicht, wie schwer es ist, heute wissenschaftlichen Nachwuchs für viele Disziplinen zu bekommen. Das ist nicht nur eine Geldfrage, son-
dern das ist eine Frage, die von vielen anderen und wichtigen Voraussetzungen abhängen kann.
Noch ein letztes Wort. meine Damen und Herren. Kollege Gülich hat hier von dem bedingungslosen Vorrang der wissenschaftlichen Forschung gegenüber den sinnlosen Ausgaben für die Aufrüstung gesprochen. Wenn die Ausgaben für die Aufrüstung sinnlos sind, ,dann handelt es sichnicht um einen „bedingslosen Vorrang"; sinnlose Ausgaben wollen auch wir nicht haben. Aber diese Ausgaben, Kollege Gülich, sind nun einmal nicht sinnlos. Sollte es — ich will hier nicht das Gespenst an die Wand malen: ich will es sehr vorsichtig ausdrücken — an der Elbegrenze oder am Brandenburger Tor zu ernsten Schwierigkeiten kommen — und niemand im Hause hat den Mut, zu sagen: Das ist unmöglich —, dann nutzt uns das vollkommenste Forschungssystem und das vorbildlichste Fürsorgesystem nichts. Dann muß der Staat eben auch andere Mittel bereithalten, und gerade um die Forschung und um die Fürsorge zu schützen, muß der Staat auch andere Dinge bereithalten. Es ist meiner Ansicht nach gerade ,die Aufgabe einer verantwortungsbewußten Staatsregierung und eines verantwortungsbewußten Parlaments, ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen den Ausgaben herzustellen. mit denen die Aufgaben der verschiedensten Art nebeneinander berücksichtigt werden sollen.
Ich lehne es ab, daß wir das eine gegen das andere ausspielen. Beides ist notwendig, und wir würden pflichtvergessen handeln, wenn wir nicht alle Auf- gaben nebeneinander erfüllten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, uns alle überkommt ein leichtes Gruseln, wenn wir uns vorstellen, daß wir uns erst bei der Behandlung des ersten Haushaltsplans befinden, und wir uns einmal ansehen, was wir alles an Arbeit noch vor uns haben. Aus diesem Gesichtspunkte heraus will ich versuchen, so kurz wie möglich zu den angeschnittenen Fragen Stellung zu beziehen, zumal wir uns vor nicht allzu langer Zeit in diesem Hause gerade über Fragen der Wissenschaft und Forschung ausführlich unterhalten haben.
Aber vorweg noch etwas über einen Eindruck aus der Zeit vor der Mittagspause! Ich habe noch den Klang der Philippika des Herrn Bundesfinanzministers in den Ohren. Meine politischen Freunde und ich und vielleicht auch manch andere in diesem Saale würden sich eine ähnliche Härte des harten und „eisernen" Bundesfinanzministers und eine ähnliche emphatische Auflehnung manchmal auch auf anderen Feldern wünschen, z. B. dann, wenn über die Frage der Stationierungskosten in der Bundesrepublik gesprochen wird.
In der keineswegs sehr glücklichen Ära Blank im Bundesverteidigungsministerium wären diese Emphase und diese Härte ebenfalls sehr oft am Platze gewesen. Das bedeutet kein Ausspielen der
beiden Angelegenheiten, wie es Herr Kollege Friedensburg eben sagte, sondern es ist nur ein Vergleichen der Emphase, der Härte und der Einsatzfreudigkeit des „eisernen" Finanzministers.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bei der letzten Behandlung dieser Materie keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir über das, wie es hier hieß, System der föderativen Aufteilung unseres Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesens nie ganz glücklich gewesen sind, wenngleich wir nicht die totalitäre Auffassung vertreten, die da leugnet, daß es gerade im Felde von Kulturentwicklung, -entfaltung und auch Erziehung und Bildung natürlich gewisse Fragen und Reservate geben kann und immer geben wird, die aus der föderativen Struktur heraus lösbar, ja vielleicht gut lösbar sind. Aber sowohl im IdeellSachlichen wie auch im Materiellen hat doch die Vergangenheit bewiesen, daß dem Bund größere Zuständigkeiten gegeben werden müßten.
— Nicht nur finanzieller Art! Angesichts auch einer bestimmten kulturpolitischen Aufgabe, die wir als Grenzland gerade gegenüber einer uns feindlichen Ideologie und einer uns fremden Welt zu erfüllen haben, sind wir der Auffassung, daß manche Dinge im Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtswesen einer strafferen, einheitlicheren Zusammenfassung bedürfen und daß die hierzu notwendigen Zuständigkeiten dem Bund zufallen sollten.
Insbesondere aber angesichts der heute hier vorliegenden Materie wird doch sichtbar, daß es materielle Anliegen gibt, die heute Länder kaum mehr, ja zum Teil gar nicht mehr vollkommen wahrnehmen können. Nachher wird wohl der Antrag hinsichtlich der Schulhausbaumittel begründet werden. Auch da wird es wohl keinen Vernünftigen geben, der nicht sagen müßte, daß es sich dabei um Kriegsfolgen handelt, und zwar von einem so großen Ausmaß und solchen Größenordnungen, daß die Länder allein mit der Schulraumnot und den Aufgaben des Schulhausbaues und allen derartigen Fragen einfach nicht fertig werden.
— Herr Kollege Niederalt, vergessen Sie nicht, daß bei den Schulen zusätzliche Momente dazugekommen sind: eine viel größere Schülerzahl und andere Momente, die ebenfalls in den Sektor der Kriegsfolgen gehören. Ich glaube, daß es sich da tatsächlich um Kriegsfolgen besonderer Art handelt.
Ich bin aber mit Ihnen einer Meinung, daß auf demjenigen Gebiete, das das eigentümlichste der Länder ist, dem der Kulturpolitik nämlich, die Ministerien sich manchmal nicht so betätigen, wie es sein sollte.
Das enthebt uns aber, glaube ich, nicht der Feststellung, daß die Länderkräfte zur Behebung dieser Kriegsfolgen zweifellos nicht ausreichen.
Aber auch das Gebiet, das heute hier angesprochen wird — Wissenschaft, Forschung, Hochschulreform, technisch-wissenschaftlicher Nachwuchs usw. —, ist durch die Entwicklung, die die Dinge nun einmal in den letzten Jahren genommen haben, aber auch infolge gewisser Kriegsfolgen so gewor-
den, daß auch da eine gewisse zentralere Steuerung und zentralere Hilfeleistung fraglos nötig ist. Wir sind der Auffassung, daß wir, wenn wir da nicht vom Bund aus das Notwendige tun, eine Unterlassungssünde begehen; denn vielleicht wird gerade auf diesem Gebiet in der Zukunft auch über unsere ganze Entwicklung und Gesellschaftsform die Entscheidung fallen.
Es ist hier gesagt worden, es entstehe ein „Wettbewerb im Anbieten", und in diesem Wettbewerb tue sich die Opposition leichter oder sehr leicht. Ich glaube aber, daß man — abgesehen davon, daß die Dinge auch zahlenmäßig halbwegs fundiert erscheinen und wir wohl auch noch Deckungsvorschläge der Antragsteller vernehmen werden — ganz grob sagen könnte: „Auf diesem Gebiet kann gar nicht genug getan werden" und wir, das ganze Haus, sollten im Rahmen des halbwegs Möglichen — und das Mögliche liegt hier in Sichtweite — in diesen Wettbewerb eintreten.
Ich möchte mich im übrigen denen anschließen, die hier gesagt haben, daß auch dem Hause des Herrn Bundesinnenministers zum mindesten ein kleines Loblied angestimmt werden müßte. Wir sind der Auffassung, daß tatsächlich seitens des Ministeriums und in Zusammenarbeit mit dem Hause eine gewisse Bresche auf dem Gebiet geschlagen worden ist, das wir hier besprechen, und daß eine Fülle von Titeln zweifellos eine merkbare Mittelerhöhung aufzeigen, über die wir uns alle gemeinsam freuen sollten. Aber es wird auch niemanden geben, der nicht sagen würde, daß das nur ein erster Schritt sei und daß in dieser Richtung o manche Dinge und gerade die hier angesprochenen gebessert werden könnten, wenn wir uns nur dazu entschließen. Aus diesem Gesichtspunkt heraus werden meine politischen Freunde und ich den Antrag der SPD und auch der FDP zu Tit. 614 unterstützen.
Herr Kollege Friedensburg, Sie sagten, es handle sich bei den Hochschulen primär nicht um Geldfragen. Aber wenn Sie sich — und Sie wissen es vielleicht sogar besser als ich — einmal vergegenwärtigen, weich schäbige Bezahlung die wissenschaftlichen Assistenten, die wirtschaftlichen Hilfskräfte und überhaupt die Hochschullehrer erhalten, und wenn man weiß, wie es gerade auch der Wirtschaft gelingt, Studenten noch vor Abschluß ihres Studiums von der wissenschaftlichen Laufbahn abzuhalten, dann muß man auch anerkennen, daß die Lösung der Geldfrage eine Voraussetzung dafür ist, ob wir überhaupt in Zukunft unsere Hochschulen anständig ausgestalten, besetzen und mit dem entsprechenden wissenschaftlichen Nachwuchs versehen können. So gehen Ursache und Wirkung, Geld und Mensch und Forscher, glaube ich, in einem Kreislauf Hand in Hand.
Ein Wort auch zu den Planstellen an den Hochschulen. Hier ist sehr richtig gesagt worden, wie arg es in dieser Hinsicht bei uns bestellt ist und wie viele Leerstellen es gerade im Sektor der Geisteswissenschaften gibt. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es noch schlechter als in der Romanistik in der Slawistik aussieht und daß dies einfach eine Farce ist, wenn man bedenkt, daß wir hier am Eisernen Vorhang gegenüber der anderen, durch das Slawenum geprägten Welt heute in puncto Slawistik eine skandalöse Vernachlässigung zeigen.
Was den Tit. 622, also den Zuschuß zur Förderung von begabten und bedürftigen Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen anlangt, so sind meine politischen Freunde und ich gleichfalls nicht der Auffassung, daß eine Art automatisch zu gewährenden Studentengehalts seitens des Staates für jedermann gegeben werden sollte. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß eine sinnvolle Mischung von Hilfeleistung nach sozialer Dringlichkeit sowie nach Begabtenauslese mit Darlehensmöglichkeiten geschaffen werden sollte. Aber auch in diesem Sektor, in bezug auf Darlehen, ist eine stärkere Dotierung notwendig. Gar so rosig, wie Sie, sehr verehrter Herr Minister Dr. Schröder, die Situation unserer Studenten ausgemalt haben, sehen wir sie nicht. Uns sind viele Beispiele dafür bekannt, wie bitter schwer es der heutige Werkstudent hat und mit welchen Schwierigkeiten er infolge der Ablenkung von seiner Arbeit zu kämpfen hat.
Es ist das Wort gefallen, hier solle kein Privileg einer bestimmten Schicht geschaffen werden. Niemand von uns wird einem solchen Privileg das Wort reden. Aber es hat sich in der Vergangenheit und es hat sich auch gegenwärtig jenseits des Eisernen Vorhanges gezeigt, daß aus dieser Schicht heraus, die wir hier bedacht wissen wollen, zumeist die prägenden und gestaltenden Kräfte der Geschiente eines Volkes erwachsen sind und immerdar erwachsen. Wir sollten, zumal drüben aus ganz anderen Gesichtspunkten und mit ganz anderen Mitteln — die wir ablehnen — so getan wird, als ob ailes und alles der studierenden Jugend zuliebe geschehe, uns hier noch mehr anstrengen, um üble oder falsche Vergleiche der deutschen Studenten zwischen hier und drüben bei uns auszuschalten.
Wir sind daher hinsichtlich des Tit. 622 mit den Antragstellern einer Meinung und werden sowohl dem SED- wie auch dem FDP-Antrag, der ja wohl ais eine Art Eventualantrag aufzufassen ist, vollinhaltlich zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich muß mich zunächst mit einigen Ausführungen, die von Herrn Kollegen Vogel und auch von Herrn Minister Schröder gemacht worden sind, auseinandersetzen.
Herr Kollege Vogel, ich habe ausdrücklich erklärt, daß auch wir der Darlehnsgewährung für besondere Fälle zustimmen, und wenn Sie hier sagen, daß Sie für 3- bis 4000 vor dem Examen Stehende, die eben keine Prüfung mehr durchlaufen sollen, solche Darlehen geben wollen, so stimmen wir dem durchaus zu. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn es sich um die Finanzierung eines ganzen Studiums handelt. Da halten wir Darlehen nicht für geeignet, sondern da halten wir Darlehen für eine künftige Belastung der jungen Menschen, die dadurch in Verschuldung geraten können. Das ist nicht tragbar.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte!
Frau Kollegin, Ihnen ist doch genauso wie mir bekannt, daß das Honnefer Modell Stipendien u n d Darlehen in den Aufbauplan mit einschließt, Wer also zum Honnefer Modell ja sagt, muß doch genauso wie Sie, gnädige Frau, auch zu den Darlehen ja sagen.
Nun, Herr Kollege Vogel, wir machen unsere Vorschläge auf der Grundlage ders Honnefer Modells, was aber nicht bedeutet, daß wir in der Setzung der Akzente unibedingt dem Honnefer Modell folgen. Wir sind der Meinung: Darlehen, so wie Sie sie hier vorgeschlagen haben, für ein paar tausend vor dem Examen Stehende oder für Doktorarbeiten, aber nicht für die Finanzierung eines Studiums!
Nun zu ihrem Vorschlag, idle Förderung nach dem dritten Semester beginnen zu lassen, wobei dann eine Prüfung eingeschaltet werden soll, um die Begabung festzustellen. Auch wir sind durchaus der Meinung, daß die Begabung die Grundlage ist unid eben dann der Bedürftige die staatlichen Zuschüsse erhalten soll. Ich halbe zunächst den Gedanken gehabt: nun, ist es nicht etwas schwierig, schon vom ersten Semester an junge Leute mit einem Stipendium zu versehen, deren Befähigung für die Hochschule wir noch nicht kennen? Ich meine - und hier stimme ich dem Minister zu —: wir sollten nicht davon abgehen, daß das Abitur das Recht verleiht, die Hochschule zu besuchen. Aber wenn wir eine Prüfung erst nach dem dritten Semester verlangen, weil erst dann Ergebnisse der Hochschule vorliegen, und erst dann mit der Förderung beginnen, so geben wir den Studenten nicht die gleichen Chancen. Die 30 bis 40 % der Studenten, deren Studium von den Eltern finanziert wird, können sich in den Ferien mit dem in den Semestern Gehörten beschäftigen und ihre Studien vertiefen, die anderen aber, deren Eltern diese finanzielle Möglichkeit nicht haben, müssen in den Ferien arbeiten. Es ist ganz klar, daß die Prüfungsergebnisse dann nach drei Semestern unterschiedlich ausfallen müssen, wenn der eine die Zeit und die Muße gehabt hat, sich mit dem gehörten Stoff zu beschäftigen, der andere aber nicht. Aus diesem Grunde müssen wir, wenn wir hier Gerechtigkeit walten lassen wollen, vom ersten bis dritten Semester an eine Förderung rein nach der Bedürftigkeit vornehmen, damit die Chance für die Prüfung für alle Studenten gleich ist. Dann riskieren wir unter Umständen, daß wir während der ersten drei Semester vielleicht einmal den einen oder anderen gefördert haben, der die Erwartungen nicht erfüllt. Aber auch heute riskieren wir, daß mancher gefördert wird, der schließlich das Examen nicht macht. Dieses geringe Risiko muß man der Gerechtigkeit wegen auf sich nehmen.
Sie sprachen von einem Privileg, Herr Kollege Vogel. Dazu ist zu sagen, daß im Gegensatz zu anderen Berufen — etwa Lehrlingen im Handwerk — der Student einflach gezwungen ist, außerhalb zu wohnen. Es gibt nur wenige, die das Glück haben, ihr Elternhaus in einer Universitätsstadt zu haben. Es ist doch die große Erschwerung, daß der Student gezwungen ist, sich ein Zimmer zu mieten, das Sie heute unter 50 DM nirgends mehr bekommen, und daß der Student während seiner Ausbildung seinen Lebensunterhalt nicht im Elternhaus haben kann.
Herr Minister Schröder, ich habe auf kein ausländischies Beispiel hinsichtlich der Studentenförderung hingewiesen. Ich habe nur gesagt, daß England ganz generell, um seine Ausbildungsmöglichkeiten zu erweitern, 100 Millionen Pfund in seinen Haushalt eingestellt hat. Mir ist völlig bewußt, daß das System der englischen Hochschule mit unserem nicht zu vergleichen ist. In England bestimmen die Hochschulen souverän darüber, wen sie annehmen und wen nicht. Daraus resultieren auch die verhältnismäßig geringen Studentenzahlen in England gegenüber unseren Zahlen. Aber das Förderungsprogramm, das die Engländer seit 1956 durchführen, geht gerade davon aus, daß die Studentenzahlen zu gering sind unid daß man die Ausbildungsmöglichkeiten erweitern muß.
Ich glaube, daß die bei uns gegenüber 1938 sehr stark vermehrte, ja fast verdoppelte Zahl von Studenten durchaus dem Bedarf entspricht, den Wirtschaft und Schule heute an Nachwuchs haben. Sie vertreten den von Ihrer Fraktion gestellten Antrag, den Betrag von 30 Millionen DM einzusetzen. Diese 30 Millionen DM würden gerade für die Förderung von 12 500 Studenten ausreichen, wenn Sie jeden Studenten im Semester durchgängig fördern wollen. Ich habe auch erwähnt, daß nach der Sozialenquete der Studentenschaft — ich glaube, das Ergebnis dieser Sozialenquete kann nicht angezweifelt werden — für 61 000 das Studium vom Elternhaus voll finanziert wird, 18 % durch die von Ihnen erwähnten Gesetze staatlich gefördert werden; es bleiben also 90 000 übrig, die auf Werkstudententum angewiesen sind. Von diesen 90 000 können Sie mit Ihren 30 Millionen DM 12 500 fördern.
Sie sprachen hier immer von Hochbegabtenförderung oder von der Förderung überdurchschnittlich Begabter. Nun weiß ich nicht genau, wo der feine Unterschied zwischen Hochbegabten und überdurchschnittlich Begabten liegt. Nach den sehr positiven Erfahrungen mit der Studienstiftung, die eine Hochbegabtenförderung ist, kann ich nur folgendes sagen. Wenn Sie 20 Studenten vor sich haben, dann ,fallen vielleicht zwei oder drei absolute Hochbegabungen heraus, die sofort beeindrucken. Einer oder zwei sind negativ. Dazwischen liegt aber die große Schar derer, bei denen Sie keinen Unterschied machen können, wo Sie sich also wirklich, ich kann nur sagen, dann an den Knöpfen abzählen können, wer von den übrigbleibenden 15 oder 16 noch in die Förderung hineingenommen werden soll und wer nicht. Für diese Schicht der gut Begabten, eben nicht überdurchschnittlich Begabten — denn idols geht mit der Hochbegabung ziemlich Hand in Hand —, brauchen wir eine Förderung, und da ist es nicht damit getan, wenn wir jetzt noch zu der Hochbegabtenförderung, die 1 % betrifft, 9 % dazutun. Dann haben wir etwa 10 % ;gefördert; das reicht aber nicht aus, wenn wir nicht ungerecht sein wollen. Denn es gibt da leinfach keine Unterschiede, die so in die Augen fallen, daß man sagen könnte: Der ja, der nicht! Das gibt es nur bei einer ganz, ganz dünnen Schicht.
Wir haben gerade auch mit dem Auswahl- und Ausleseprinzip der Studienstiftung gute Erfahrungen gemacht. Ich möchte ,diese Erfahrungen an den einzelnen Universitäten in bezug auf die gut Begabten verwertet seihen und möchte glauben, daß das Modell der Studienstiftung, das dort zentral angewendet wird, an den einzelnen Universitäten mit einem sehr geringen Apparat — die Stu-
dienstiftung hat ja auch nur einen sehr kleinen Apparat — Anwendung finden kann. Sie haben auf den Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hingewiesen, der diese Frage betrifft. Ich habe diesen Aufsatz auch gelesen. Es ist ganz klar, daß wir das, was dort geschildert wird, auf gar keinen Fall wollen; aber ich glaube nicht, daß diese Gefahr irgendwie besteht.
Nun noch ein paar Worte zu dem, was Herr Kollege Friedensburg gesagt hat. Er hat gemeint, unsere Forderungen für die Forschung seien nur sehr unzulänglich begründet worden. Ich glaube, Herr Kollege Friedensburg, ich habe sie sehr ins Detail gehend begründet, und ich habe mich auf Zahlen gestützt, die von der Rektorenkonferenz sehr genau ausgerechnet worden sind. Ich möchte das Hohe Haus nicht mit der Wiederholung dieser Zahlen langweilen, die ich vorhin schon angegeben habe. Wenn Sie sich überlegen, daß diese Zahlen elf Länder betreffen, bei denen Pläne sowohl für Bauvorhaben als auch für weitere Ausstattung der Hochschulen mit Apparaturen schon vorliegen, dann sehen Sie, daß die Summe sehr, sehr gering wird und sich durchaus noch in diesem Jahr aufbringen läßt.
Forschung und Wissenschaft können allein von den Ländern einfach nicht mehr getragen werden, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß sich letzten Endes überhaupt nur noch die reichen, die finanzstarken Länder dieser Dinge annehmen können. — Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an mein Land Niedersachsen, dem Sie in diesem Jahr ja sogar eine Bundeshilfe haben geben müssen. Die finanzschwachen Länder können eben dann für ihre Universitäten nichts tun. Ich glaube, die Stärke der deutschen Wissenschaft und Forschung liegt gerade darin, daß sie an verschiedenen Stätten in den verschiedenen Ländern gleichmäßig betrieben wird.
— Ich sagte ja, Nordrhein-Westfalen ist schließlich noch das einzige Land, das etwas tun kann. Darum wollen wir auch die Mittel nicht etwa prozentual auf ,die Länder verteilen, sondern wir wollen, daß die Kommission tätig wird, dir dafür sorgt, daß die Mittel dorthin fließen, wo sie notwendig sind, nämlich in die finanzschwachen Länder und nicht zusätzlich noch in ein Land, das von sich aus allerhand leisten kann. — Ich verstehe nicht ganz — der Herr Bundeskanzler hat ja mit den Ministerpräsidenten schon hinsichtlich eines Verwaltungsabkommens verhandelt, soweit ich orientiert bin, ist man sich da gar nicht so uneinig —, daß man unsern Forderungen so gar nicht entgegenkommen kann.
Wir müssen auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung unserer Volkswirtschaft Wissenschaft und Forschung fördern, wenn wir nicht in Rückstand kommen wollen. Wir müssen von seiten des Bundes unsere Verantwortung 'erkennen und etwas Grundlegendes tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister, der Herr Bundesinnenminister, Herr Dr. Vogel und Herr Dr. Friedensburg haben versucht, uns in dieser Debatte in den Fächern Verfassungskunde, Rechnen und staatsbürgerliche Verantwortung — wenn ich alles zusammenziehe, was ich hier von dieser Seite gehört habe — die Note 5 zu erteilen, und sie haben dabei mit einigen Tricks versucht, 'die Dinge in einigen Punkten auf eine Ebene zu schieben, auf der sich die Sache gar nicht befindet. Zum Beispiel der Hinweis auf den Finanzausgleich scheint mir in dieser Sache schon deswegen deplaciert, weil der Finanzausgleich ja für einige Zeit festliegt und weil er im Augenblick den Ländern gar nicht erlaubt, diese dringenden Aufgaben in dem Umfang zu erfüllen, wie es nun einmal notwendig ist.
— Herr Dr. Vogel, Ihre Finanz- und Ihre Wirtschaftspolitik und sehr viele Gesetze, die in diesem Hause mit Ihrer Mehrheit gemacht worden sind, bringen es mit sich, daß die Länderhaushalte auf diesem Gebiet und überhaupt bis zum äußersten angespannt sind,
besonders bei den armen Ländern, die es sich nicht leisten können, und daß auf dem Gebiet ides Kulturhaushalts die Beanspruchung schon heute bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit geht. Das können Sie doch nicht abstreiten.
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Gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr, Herr Dr. Vogel!
Können Sie die nackte Tatsache bestreiten, daß das Haushaltsjahr 1956 bei den Ländern mit :einem Überschuß an Steuereinnahmen von 1,5 Milliarden DM und bei dem Bund nur mit 500 Millionen DM Überschuß abgeschlossen hat?
Herr Dr. Vogel, Sie verschweigen aber, welches Übermaß von Aufgaben von diesem Hause den Ländern auferlegt worden ist.
Es besteht gar kein Zweifel — das haben wir ja auch aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers und verschiedener Mitglieder :der Bundesregierung und auch aus Ihren Reihen immer dann gehört, wenn Reden auf wissenschaftlichen Kongressen und sonstwo vor der deutschen Öffentlichkeit gehalten wurden, wo es galt, den Geist zu verteidigen —, wie notwendig ,die Unterstützung der Studentenschaft, wie notwendig — ich möchte einmal den Ausdruck gebrauchen — die Aufrüstung der Wissenschaft und was es dergleichen Dinge mehr gibt, sind. Nur wenn es hier darangeht, diese Dinge wirklich 'in Angriff zu nehmen, dann gibt es hier Rückzieher, und dann verschanzt man sich hinter der Kulturzuständigkeit der Länder. Im übrigen, Herr Kollege Friedensburg, hat es mich merkwürdig berührt, daß ausgerechnet Sie sich hier zum Herold dies Kulturföderalismus aufgeworfen haben. Bisher 'habe ich aus Ihrem Munde immer ganz andere Bemerkungen zu 'diesem Thema gehört.
Jedenfalls besteht kein Zweifel darüber, daß wir auf diesem Gebiet allerhand nachzuholen haben und daß wir, wenn die Sache nicht bald in Angriff genommen wird — wir haben ja im übrigen schon im letzten Jahr darüber geredet —, ins Hintertreffen kommen. Der Bund muß seine Verpflichtungen ;auf diesem Gebiet übernehmen, darüber gibt es gar keinen Zweifel. Sie können sich Ihrer Verantwortung in dieser Frage nicht dadurch entziehen, daß Sie immer mit dem Zeigefinger auf die Länder und deren Finanzen deuten. Wenn Sie glauben, daß die Länder in diesem Punkt ihre Sache nicht richtig machen, dann ändern Sie halt die Verfassung und zwingen sie, sie richtig zu machen, und beteiligen Sie den Bund daran!
— Bitte, mißverstehen Sie mich nicht! Man kann diese Dinge nicht einfach von sich abschieben und sagen: Wir haben in diesem Punkt gar keine Verantwortung. Herr Dr. Vogel, Sie wissen ganz genau, daß es eine Reihe von Dingen gibt, .die weit über die Kraft der Länder hinausgehen, und Sie wissen auch, daß es eine Reihe von Fragen gibt, die aus dem Gesichtskreis der Länder überhaupt nicht gelöst werden können, und daß die armen Länder gar nicht in der Lage sind, ihre Maßnahmen auf dem Gebiete der Hochschulen so durchzuführen, wie es notwendig ist.
Mit der Politik, die Sie treiben, kommt es dahin,
daß einige wohlhabende Länder in der Lage sind,
einen großen Teil ihrer Jugendlichen studieren zu
lassen, während in den .armen Ländern die Menschen nicht auf die Universitäten kommen.
— Lesen Sie doch die Berichte des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft! Dann haben Sie es schwarz auf weiß.
Meine Damen und Herren, wenn wir hier ermuntert werden und der Appell an unser Staatsbürgerbewußtsein gerichtet wird, doch nicht solche Anträge zu stellen, mit denen der ganze Haushalt zerrissen werde, möchte ich Ihnen folgendes sagen. Auch der Herr Bundesfinanzminister unterscheidet ja immer Pflichtaufgaben und Ermessensaufgaben. Zu den Ermessensaufgaben zählen beispielsweise die meisten Ausgaben auf ,dem kulturellen Gebiet; die Verteidigungsausgaben sind Pflichtausgaben.
Meiner Meinung nach ist es manchmal auch eine Ermessensfrage, wie man diese Aufgaben eingruppiert. Ich sage Ihnen: Auch bei diesen Dingen, bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung, geht es um eine Verteidigungsaufgabe, eine Verteidigungsaufgabe, die möglicherweise sehr bald gelöst werden muß und die wichtiger ist als manche Dinge, wofür Sie heute in Ihrem Verteidigungshaushalt Milliardenbeträge eingesetzt haben. Dias haben Sie bloß noch nicht begriffen.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel sagen: letztes Jahr haben wir 20 Millionen DM für Stipendien für Hochschulstudenten gefordert; da haben Sie gesagt: Kommt gar nicht in Frage, das ist überfordert usw. In diesem Jahr geben Sie selber 28 Millionen DM für diesen Zweck aus. Es ist immer so, daß Sie in dieser Hinsicht etwas nachkommen, und ich sehe auch schon voraus, daß Sie sich in den kommenden Jahren vielleicht die Argumente zu eigen machen, die wir in dieser Debatte vorgetragen haben.
Da möchte ich noch ein Wort besonders an den Herrn Minister Schröder richten, der der Meinung ist, daß wir in Deutschland zuviel Studenten haben. Herr Minister, es gibt auch noch eine andere Seite dieses Problems: in Deutschland züchten wir auch zu viele Hilfsarbeiter heran. Das ist eine Angelegenheit, die zwar nicht unmittelbar damit zusammenhängt, die aber einen inneren Zusammenhang damit hat, wenn man das Problem als Ganzes betrachtet. Sie gehen von der Voraussetzung aus, daß viele Studenten sowieso etwas Schlechtes sind — wo doch die ganze Entwicklung dahin geht, daß wir in Zukunft sehr viel mehr Menschen und Mitbürger brauchen, die eine Hochschulausbildung gehabt haben, für die Aufgaben, die vor uns stehen. Sehen Sie sich doch die Sonntagszeitungen mit den Stellenangeboten an! Von Jahr zu Jahr schwillt der Bedarf an Akademikern, der hier angemeldet wird. In einzelnen Bereichen mögen sicherlich im Augenblick ziemlich viele oder vielleicht sogar zu viele dasein, aber dafür haben wir auf anderen Gebieten Mangel.
Übersehen Sie doch eines nicht! Es ist gar nicht immer erforderlich, daß, wer die Universität besucht hat, nun unbedingt auch in einer Stellung unterkommt, welche der Studienrichtung entspricht, die er eingeschlagen hat. Aber es gibt andere Länder, in dienen man die Universität besucht, um ein gewisses Maß — ich möchte mich vorsichtig ausdrücken — an Lebenstüchtigkeit zu erreichen und sich für eine ganze Reihe von Berufen zu qualifizieren. Das hat jetzt nicht im besonderen mit den Problemen zu tun, die wir heute diskutiert haben, sondern es ist eine Frage der Einstellung zu dieser Sache. Ich finde, man kann sich als Bundesinnenminister nicht hier hinstellen und dem Hause mitteilen: Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, wir haben zu viele Studenten.
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Das Wort hat der Bundesinnenminister Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu den Ausführungen meiner verehrten Vorredner einige nur ganz kurze Bemerkungen machen. Frau Kollegin Dr. Hubert hat bezweifelt, daß es die Möglichkeit der Auslese gibt, so wie ich von ihr gesprochen habe. Nun, Frau Kollegin, ich darf in Erinnerung rufen, daß ich besonders nachdrücklich auf eine Förderung mit Hilfe von Assistenten, Dozenten usw. hingewiesen habe. Ich habe selber die Ehre gehabt, etwa zwei, drei Jahre lang Fakultätsassistent und auch später Assistent an einem wissenschaftlichen Institut zu sein. In dieser Zeit habe ich die Arbeiten von vielen, vielen Hunderten von Studenten in der Hand gehabt, wie das mit dieser Tätigkeit verbunden ist. Ich
glaube, jeder, der eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt hat, weiß sehr wohl, in welche Kategorien sich ganz natürlich und ohne Zwang die Universitätsaktivität und die Universitätsbegabung zerlegen läßt, so daß ich der Meinung bin, wir haben eine Möglichkeit, auch außerhalb der Förderung, die die Studienstiftung des deutschen Volkes für Hochbegabte vorsieht, den Prozentsatz, der im Interesse der Allgemeinheit — und das ist das Entscheidende — eine Förderung verdient, auszulesen und dann von der Allgemeinheit ein Opfer für die Menschen zu verlangen, die die Aussicht dafür bieten, daß sie der Allgemeinheit das zurückgeben, was sie von ihr vorher empfangen haben.
Ich will die Zahlen im einzelnen nicht wiedergeben. Aber, Frau Kollegin, ich muß zum Verständnis der Debatte klarstellen, daß wir von ganz verschiedenen Zahlen ausgehen. In Ihrem Zahlenbild spielt immer eine Rolle, daß Sie die rund 50 000 Besucher der Ingenieurschulen usw. mit hineingerechnet haben. Das verändert natürlich das Zahlenbild. Das Zahlenbild, das ich entwickelt habe, beschränkt sich auf das, was der Bund nach unserer Auffassung tun kann und nach dem Haushaltsvoranschlag auch tun soll, nämlich die Studierenden an den wissenschaftlichen Hochschulen zu fördern. Im übrigen treffen die Zahlen und ihre Analyse in der Tat zu, wie ich sie gegeben habe. Der Landahl-Plan, der, glaube ich, dem Namen nach nicht erwähnt worden ist — er betrachtet die Dinge unter dem Motto „Mobilisierung des Geistes" —, geht ebenso von den Zahlen aus, die Sie selbst genannt haben. Das ergibt ein anderes Bild. Wenn wir uns aber auf die Förderung der Studenten der wissenschaftlichen Hochschulen beschränken, sind die Ergebnisse erzielbar, die ich aufgezeigt habe.
Ich möchte aber doch, damit man einmal den Kontrast deutlich sieht, zu einem ganz anderen, von uns abgelehnten Förderungssystem aus dem Aufsatz, den ich vorhin genannt habe, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur zwei Sätze vorlesen. Dort heißt es:
„Ob der Abiturient schließlich zum Studium delegiert wird, darüber entscheiden die Arbeiter seines Betriebes ... die besser als ein Schulzeugnis einschätzen können, ob er ihnen die Gewähr dafür bietet, ... im Sinne der Arbeiterklasse zu wirken", triumphiert das FDJ-Organ „Junge Welt".
Und eine Parteizeitung jubelt: „Die von uns erzogenen Menschen verlieren sich dann nicht mehr für uns unkontrollierbar in den Hörsälen ..."
Meine Damen und Herren, Sie fragen: „Was soll das?" Ich habe gerade — Sie können meine Ausführungen darüber, wenn Ihnen daran gelegen ist, ja nachlesen — ein Programm der Begabtenauslese, das nach unserer Meinung möglich ist, einem Jedermannprogramm gegenübergestellt, und ich habe dabei das absolute Extrem mit den Folgen aufgezeichnet, die ein bestimmtes, angeblich generelles Förderungssystem hat. Was ich gerade vorgelesen habe, stammt aus dem nach meiner Meinung besonders aufschlußreichen Aufsatz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von gestern mit dem Titel „Eine Errungenschaft — und ihr Preis".
Ich will Ihnen sagen, warum ich diesen Kontrast sehr scharf ziehe. Ich sehe ganz deutlich, daß durch die Agitation in manche Kreise — ich denke hier ganz besonders an studentische Kreise — auch Gedankengut eingedrungen ist, das importiert wurde. Es ist unsere Pflicht, das zu sehen, und es ist meine Pflicht, das auszusprechen.
Und diese Pflicht möchte ich hier nicht versäumen.
Nun einige Ausführungen zu dem, was der Kollege Kahn-Ackermann gesagt hat. Er hat in nicht sehr liebenswürdiger Weise, wie mir scheint, die Betrachtungen, die wir hier anstellen, als Tricks bezeichnet. Sie wissen, Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich bin nicht empfindlich, aber das Wort „Trick" ist nicht die richtige Bezeichnung.
— Aber, Herr Kollege Kahn-Ackermann, Sie werden uns doch erlauben, daß wir das Bild der deutschen Entwicklung und der derzeitigen Situation so darstellen, wie es in unseren Augen erscheint. Und in unseren Augen ist der Gegensatz zu dem, was drüben ein völlig anderes System betreibt, ein außerordentlich wichtiges Faktum und eine tägliche Ermahnung an uns alle. Wir haben die Verpflichtung, dem deutschen Volke klarzumachen, wo Verwirrung droht, wo auf bestimmten Gebieten die Unterschiede, die Beweggründe, die Grenzen usw. liegen. Das als einen Trick zu bezeichnen, scheint mir nicht ganz die richtige Einschätzung dieser Seite der Wirklichkeit zu sein.
Ein weiteres Anliegen an die Adresse des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann. Es ist gesagt worden
— ich glaube, von ihm, möchte ihm aber nicht Unrecht tun —, unsere Wirtschaftspolitik habe dazu geführt, daß die Länder nicht in der Lage seien
— Sie haben „Wirtschafts- und Finanzpolitik" gesagt; es spielt keine große Rolle, ob so oder so —, hier Leistungen zu erbringen, die man von ihnen erwartet. Nun, Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich glaube, das ist eine Behauptung, die einer auch nur halbwegs sachlichen Analyse schwer standhalten wird.
Ich liebe es nicht, den Ausdruck von dem „deutschen Wirtschaftswunder" zu gebrauchen. Unter manchen Gesichtspunkten ist die Sache gar nicht so ,,verwunderlich". Aber es ist nicht zu bestreiten, daß sich in diesen Jahren das Sozialprodukt etwa verdreifacht hat und, wenn ich es aus dem Gedächtnis richtig wiedergebe, bei 180 Milliarden DM liegt. Das ist eine Zahl, die niemand von uns jemals in seine Vorstellungen einbezogen hat. Daraus herzuleiten, daß man auf Grund der von uns betriebenen Politik den mit dem Aufstieg verbundenen Aufgaben nicht gerecht werden könne, ist eine Verzerrung, die hier lieber nicht vorgenommen werden sollte.
Ich bitte, sich doch einmal vor Augen zu halten, was beispielsweise der Wiederaufbau einer einzigen Universität kostet. Das sind Beträge, die zum Teil in die Hunderte von Millionen für ein Land gehen. Ganz abgesehen davon müßten auch mal neue Universitäten gebaut werden. Gerade unter Berücksichtigung solcher Größenordnungen müßte man das sehen, was ich gesagt habe.
Dr. Schröder, Bundesminister 'des Innern: Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich möchte mich streng im Rahmen einer ganz sachlichen Betrachtung dieses Problems halten. Die Zuwachsraten sind doch ganz deutlich sichtbar. Ich habe die Zahlen schon häufig unterbreitet. Ich gebe allerdings zu, daß es unter den Ländern ein gewisses Gefälle gibt. Ich habe sehr interessante Beispiele dafür gesehen, die ich hier nicht weiter zu erzählen brauche. Dieses Gefälle sollte auf diese oder jene Art abgestellt werden. Aber wer wird denn bestreiten — hoffentlich braucht man nicht erst ausländische Zeugen dafür anzurufen —, daß das, was in den letzten Jahren z. B. an Kliniken und Instituten in Deutschland gebaut worden ist, zum Teil als das Modernste gilt, was man auf diesem Gebiet in der Welt sehen kann. Da diese Institute ja gebaut und nicht Projekte auf dem Papier sind, sind wir also offensichtlich doch in der Lage gewesen, mit der wirtschaftlichen Entwicklung pari passu auch hier ein gutes Stück weiterzukommen.
Nun will ich Ihnen aber ein Beispiel für etwas nennen, was einen doch sehr nachdenklich stimmt. Ich höre, daß der Herr Kollege Schäffer das neulich an anderer Stelle auch einmal gebracht hat. Wir haben uns entschlossen — es handelt sich um einen kleinen Betrag, der keine großen Leidenschaften auslösen wird; deswegen erwähne ich das —, die Mittel für das Deutsche Museum in München, in einer Stadt, in der Sie selbst einen Teil ihrer literarischen Tätigkeit entfalten, um 200 000 DM aufzustocken. Wissen Sie, was im selben Moment passierte? Im selben Moment setzte der Bayerische Landtag seine Unterstützung um 100 000 DM herab.
Wenn solche Dinge passieren, Herr Kollege Kahn-Ackermann, ist es doch sehr schwierig, an die Damen und Herren hier im Hause zu appellieren, daß sie zu Lasten anderer Bundesausgaben diese Beträge bewilligen, also umdisponieren, wenn das Ergebnis ist, daß die Länder dann sagen: Na ja, nun kommt es von dieser Seite, also brauchen wir weniger zu geben.
Das ist ein kleines Beispiel. Die Symptome sind meistens kleine, unbedeutende Dinge; aber solche Beispiele sind unter Umständen beweiskräftiger als lange Ausführungen.
Ich sage gar nicht generell, daß es in Deutschland für künftige Aufgaben zu viele Studenten gibt, sondern bin der Meinung, daß wir im Vergleich zu anderen Ländern offenbar sehr viel mehr Studenten haben, daß wir ein geringerwertiges und weniger anspruchsvolles Auslesesystem besitzen, daß wir aber ein geeignetes Auslesesystem brauchen, wenn wir die Entwicklung an den Hochschulen und damit für das ganze Volk erreichen
wollen, die uns vorschwebt. Wenn sich dann nach den gesunden Grundsätzen, die von uns hier entwickelt sind, die Zahl der Studenten beträchtlich vermehren sollte, kann man nur sagen: um so besser, dann werden sie den Aufgaben gerecht werden können. Aber wir können nicht sagen: Macht zunächst einmal ein Jedermann-Programm, und wir warten dann ab, was dabei herauskommt. Das wäre mit unseren Pflichten nicht vereinbar.
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Weitere Wortmeldungen zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 1052 Ziffer 1 und 1066 betreffend Tit. 614 liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, ich darf als amtierender Präsident nur ganz bescheiden darauf hinweisen, daß wir zur Beratung dieser beiden Änderungsanträge über fünf Stunden gebraucht haben. Ich bitte das Haus, sich zu überlegen, wann wir mit der Beratung des gesamten Haushalts fertig werden, wenn wir in dieser Weise weiterprozedieren.
Ich komme zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist der Antrag auf Umdruck 1052*) Ziffer 1 zu Tit. 614. Es ist der Antrag der Fraktion der SPD, den Ansatz von 72 Millionen DM um 683 Millionen DM auf 755 Millionen DM zu erhöhen und davon 455 Millionen DM zu sperren. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1066**), der die gleiche Materie betrifft, nur geringere Summen enthält. Nach diesem Antrag soll nämlich der Ansatz von 72 Millionen DM nur um 133 Millionen DM auf 205 Millionen DM erhöht werden. Wer diesem Antrag auf Umdruck 1066 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Kap. 06 02 Tit. 621. Dazu liegt der Antrag Umdruck 1052 Ziffer 2 vor. Er ist begründet; das Wort wird dazu nicht mehr gewünscht.
Wer dem Antrag Umdruck 1052 Ziffer 2, wonach der Zuschuß an die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien um 20 000 DM auf 112 000 DM erhöht werden soll, zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Tit. 622. Dazu liegen die Anträge Umdruck 1052 Ziffer 3 und Umdruck 1081***) vor. Beide Anträge sind begründet worden. Wird das Wort dazu noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Antrag Umdruck 1052 Ziffer 3. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln. —
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 8.
Sind noch Damen und Herren im Hause, die in der namentlichen Abstimmung noch nicht ihre Stimme abgegeben haben? — Dann bitte ich, sich zu beeilen. Denn die ganze maschinelle Auszählung hat keinen Sinn, wenn wir uns nicht bei der Abstimmung etwas beeilen.
Ich frage noch einmal: Sind noch Damen und Herren da, die ihre Abstimmungskarte in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgegeben haben? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die namentliche Abstimmung.
Ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Von den stimmberechtigten Abgeordneten haben 375 abgestimmt, von den Berliner 17. Mit Ja haben gestimmt 145 Abgeordnete, mit Nein 228, enthalten haben sich 2. Von den Berlinern haben 10 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 1052 Ziffer 3 abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag der CDU/CSU Umdruck 1081. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf im gleichen Kapitel den Tit. 625, dazu den Antrag Umdruck 1045**) Ziffer 1.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Änderungsantrag Umdruck 1045 liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Im Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern sind unter Kap. 06 02 Tit. 625 — Studienförderung von Flüchtlingsstudenten — ein Ansatz von 4 Millionen DM und unter Tit. 661 — c — Beihilfen an jugendliche Zuwanderer für ihre Schul- und Berufsausbildung (einschließlich Umschulung und Fortbildung) — Mittel in Höhe von 7,5 Millionen DM vorgesehen. Die angesetzten Beträge sind dieselben wie im Jahre 1956
Die jugendlichen Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone erhalten ein monatliches Stipendium von 150 DM. Wir glauben, daß dieser Betrag zu niedrig ist angesichts der Tatsache, daß diese jungen Menschen von ihrer Familie abgeschnitten sind. Schon wenn sie die Grenze überschritten haben, entstehen postalische Schwierigkeiten, die dazu führen, daß sie ganz allein auf sich gestellt sind. Sie wissen, meine Damen und Herren, welche Kosten die Lebenshaltung für eine einzelstehende Person heute hervorruft. Die Ansätze in den beiden Titeln sind effektiv zu gering. Wir haben beantragt, sie um ein Drittel zu erhöhen, damit die Möglichkeit besteht, an jeden einzelnen pro Monat 200 DM zu zahlen. Wir glauben, daß das eine durchaus zumutbare Forderung ist. Wir sind weiter der Meinung, daß wir in den Fällen, wo wir unsere Verbundenheit mit unseren Brüdern und Schwestern drüben in der Zone durch die Tat beweisen können, das auch einmal tun sollten. Ich bin nicht frei von dem Unbehagen, daß die Entwicklung allmählich dahin geht, daß die Wieder-
*) Vgl. Seite 11965 **) Siehe Anlage 9
vereinigung nach und nach zu einer konventionellen Phrase wird.
Wenn hier eine tatsächliche Möglichkeit gegeben wird, zu helfen, sollten wir das tun.
Ich möchte Sie alle herzlich bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1045*) Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zu Tit. 640. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 1052**) Ziffer 4 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat den Ansatz für die Deutsche Bibliothek in Frankfurt erfreulicherweise um 34 000 DM erhöht, so daß zunächst einmal die weitere Arbeit in dem bisherigen Rahmen möglich ist. Daß das Land Hessen, die Stadt Frankfurt und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sich im gleichen Umfange wie bisher an der Aufbringung der Mittel für die Aufrechterhaltung der Bibliothek beteiligen, dürfen wir als sicher ansehen. Die Bibliothek benötigt aber, um ihren Aufgaben wirklich nachkommen zu können, aus zwei Gründen weitere Mittel. Sie muß eine Bibliographie der amtlichen Drucksachen ausbauen und darüber hinaus eine Bibliographie des nicht im Buchhandel erscheinenden Schrifttums für die Bundesrepublik schaffen.
Früher hatte die Aufgaben der Bibliographie der amtlichen Drucksachen die Preußische Staatsbibliothek in Berlin, dann die Deutsche Bücherei in Leipzig, bis diese Arbeit im Jahre 1944 aus kriegsbedingten Vereinfachungsgründen eingestellt wurde. Nachdem das Auswärtige Amt den Austausch von amtlichen Drucksachen mit idem Ausland in erhöhtem Umfang aufgenommen hat, ist es besonders notwendig, daß die Katalogisierung der amtlichen Drucksachen in Frankfurt durchgeführt wird. Gerade hierfür werden diese Mittel dringend benötigt.
Ferner ist es notwendig, das nicht im Buchhandel erscheinende Schrifttum zu ordnen. Es handelt sich um wissenschaftliche Schriften, Festschriften, Schriften von Kammern und Verbänden, Publikationen der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Verbände, für die Leipzig ja nicht geeignet ist. Bei den Bemühungen der Bibliothek, die Arbeitsgrundlage zu verbreitern, ist darauf geachtet worden, daß keine Aufgaben, die heute noch als gesamtdeutsche Aufgaben von der Deutschen Bücherei in Leipzig wahrgenommen werden können, von der Bibliothek aufgenommen werden, so daß das Hohe Haus in dieser Beziehung keine Bedenken zu haben braucht. Es ist auch nicht mit Nachforderungen von der Deutschen Biblio-
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 6
thek zu rechnen. Wenn die von mir näher bezeichneten Aufgaben in den Kreis der Arbeiten der Bibliothek aufgenommen werden, wird sie die Aufgaben erfüllen können, die ihr gestellt sind. Ich möchte das Hohe Haus 'bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich darf noch hinzufügen, daß im Haushaltsausschuß gewisse Bedenken bestanden haben, ob nicht mit den bisher zur Verfügung gestellten 234 000 DM alle diese Aufgaben erfüllt werden könnten. Es hat sich inzwischen herausgestellt, daß das nicht möglich ist, und ich darf nochmals bitten, diese 80 000 DM zu bewilligen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Gülich das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich eben bemüht, mit den Kollegen Dr. Vogel und Dr. Conring eine Verständigung herbeizuführen. Aber das ist in der Eile nicht gelungen, und deswegen muß ich kurz folgendes sagen.
Ich habe die Angelegenheit in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 3. April eingehend begründet. Ich habe dargelegt, daß ich selbst dagegen bin, daß die Deutsche Bibliothek in Frankfurt alle Bibliographien in der Bundesrepublik macht, die man auch heute in Leipzig machen kann. Wir haben in der Deutschen Bücherei in Leipzig noch einige der wenigen gesamtdeutschen Institutionen, die funktionieren. Aber die Bücherei in Leipzig kann unmöglich eine Bibliographie der Amtsdruckschriften in der Bundesrepublik machen, und sie ist auch nicht imstande, eine vollständige Bibliographie des außerhalb des Buchhandels bei Verbänden, Firmen usw. erscheinenden Schrifttums anzufertigen. Deswegen hatte ich mich nach eingehender Prüfung der Sache entschlossen, diesen Antrag am 3. April im Haushaltsausschuß zu stellen und eingehend zu begründen. Es wurde dann das Bedürfnis empfunden, die Angelegenheit mit den Fraktionen zu besprechen. In der Sitzung am Mittwoch, dem 28. März, ist jedoch während meiner vorübergehenden Abwesenheit — ich war im Finanzausschuß — beschlossen worden, es beim Ansatz zu belassen, weil der Referent des Finanzministeriums gemeint hat, die Deutsche Bibliothek könne das wohl noch im Rahmen ihrer Aufgaben machen. Das kann sie aber nicht. Ich habe das genau geprüft und bitte Sie, die 80 000 DM, die hier mehr benötigt werden, zu bewilligen. Es ist keine Summe, um die es sich lohnt zu reden, und die Sache ist wichtig, weil die Bundesrepublik seit Jahren ohne einen amtlichen Nachweis der gesamten Amtsdruckschriften dasteht, und das kann sich einfach eine Kulturnation nicht leisten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schliefe ich die Beratung und komme zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1052*) Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das
*) Siehe Anlage 6 Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen und bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Tit. 661 c und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1045 Ziffer 2. Gilt er als begründet?
— Haben Sie mitbegründet.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zum Änderungsantrag Umdruck 1045**) Ziffer 2 gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1045 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 1065***) und erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Reitzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich den vom GB/BHE mitunterschriebenen Änderungsantrag Umdruck 1065 begründen. Er lautet dahin, daß der Bundestag beschließen wolle, für kriegsbedingten Nachholbedarf auf dem Gebiet des Schulhausbaus 250 Millionen DM zu bewilligen.
Wir erleben in Deutschland Tag für Tag den Beweis, daß nur wenige wichtige Fragen im Bewußtsein unserer Mitbürger bleiben. Der Topf kocht oft, aber dann wird der Deckel draufgesetzt und der siedende Topf zur Seite gestellt, bis er abkühlt. Wir haben das bei den Freiheitskämpfern des ungarischen Volksaufstandes erlebt. Der Lorbeer, den wir selbst geflochten haben, ist heute schon verwelkt. So geht es mit vielen wichtigen Fragen. Aber eine wichtige Frage, die immer im Bewußtsein unseres Volkes bleibt, ist die Frage unserer Schulen, die Frage der Reformen, der Instanzen und natürlich Lauch der Mittel, um die es sich bei dem Antrag handelt. Schulfragen
kommen auf uns täglich zu. Die Mütter, die Eltern und die Ärzte erleben das. Ich glaube, die Wichtigkeit unseres Schulproblems ist auch den Mitgliedern des Hohen Hauses voll bewußt. Darüber herrscht wohl gar kein Zweifel. Ich bin sicher, daß alle Mitglieder die Bedeutung dieses Problems richtig einschätzen. Aber trotzdem möchte ich um einige Minuten Gehör bitten.
Ich habe schon einleitend gesagt, daß es sich um ein besonderes Anliegen handelt. Meine Fraktion hat dieses Anliegen schon im Vorjahr aufgegriffen. Die SPD hat am 20. April 1956 in einer Großen Anfrage die Bundesregierung gefragt, ob der Regierung die hohe Zahl von fehlenden Schulgebäuden und Unterrichtsräumen bekannt ist und ob sich die Regierung der Tatsache bewußt ist, daß dieser Zustand schwere Auswirkungen auf die körperliche und geistige Entwicklung unserer Jugend haben muß. Die Empfindung war damals ziemlich gleichmäßig die, daß man helfen müßte.
**) Siehe Anlage 9 ***) Siehe Anlage 10
In allen Teilen dieses Hauses war man einmütig der Überzeugung, man müsse rasch und auch von seiten des Bundes helfen.
Deswegen haben eine Reihe von Kollegen aus allen Fraktionen einen gemeinsamen Antrag unterschrieben. Das war am 6. Juni 1956. In diesem Antrag wurde die Errichtung einer Deutschen Stiftung für den Schulbau gewünscht. Aufgabe dieser Stiftung sollte es sein, für die Errichtung und den Ausbau der deutschen Schulen zusätzliche Mittel bereitzustellen, und zwar ohne die sonstige Finanzierung des Schulbaues zu beeinträchtigen. Durch die Stiftung sollte eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der Behebung der Schulraumnot ohne Einschränkung der Kulturhoheit der Länder ermöglicht werden. So wohlgemeint der Antrag auf Errichtung einer Deutschen Stiftung für den Schulbau gewesen ist — auch ich habe ihn mit einigen meiner Kollegen unterschrieben —, so wenig Aussicht hat er, rasch und genügende Hilfe zu bringen. Diese Einsicht, daß man rasch und genügende Hilfe bringen muß, war aber, wie ich sagte, allgemein vorhanden.
Ich bin gestern unter anderem auch bei der Deutschen Partei gewesen und habe gebeten, unseren Antrag auf Bewilligung von 250 Millionen DM für den Schulhausbau mit zu unterschreiben. Die Deutsche Partei hat das gestern abgelehnt. Sie hat uns erklärt, sie werde diesen Antrag nicht mit unterschreiben. Aber im „DP-Dienst Mitteilungen und Kommentare" vom 7. Februar 1957 finde ich folgenden Artikel; mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, darf ich zitieren:
Sofortaktion gegen die Schulraumnot erf orderlich!
Vollkommen richtig! Es heißt dann weiter:
Die beschämende Tatsache, daß die durch die Zerstörung der meisten Schulen entstandene Schulraumnot — insbesondere in den finanzschwachen Ländern — immer noch nicht behoben ist, sollte endlich alle verantwortlichen Stellen zu unverzüglichen und durchgreifenden Maßnahmen veranlassen, um die so dringend notwendigen Schulneubauten zu beschleunigen. Insbesondere sollte alles getan werden, um den die Gesundheit der Kinder schädigenden und das Familienleben gefährdenden Schichtunterricht endgültig zu beseitigen.
Ausgezeichnet! Genau das ist es, was unser heutiger Antrag will, und ich hoffe, daß die Deutsche Partei unserem Antrag noch zustimmt; denn hier in dieser Verlautbarung wird dasselbe gewünscht, was wir wollen.
Allerdings heißt es am Ende der Verlautbarung des DP-Dienstes: „Die Kollegin Kalinke" — die ich nicht sehe — „hat sich in dieser Angelegenheit mit einem persönlichen Schreiben heute an den Bundeskanzler gewandt."
Wir wissen etwas Besseres als einen Brief an den Herrn Bundeskanzler — der auch gut sein mag; er kann gut gemeint sein —, nämlich heute und hier — hic Rhodus, hic salta — für unseren Antrag zu stimmen. Ich glaube, meine Damen und Herren, man muß gerade in dieser Sache überall mit der gleichen Zunge sprechen.
— Darauf komme ich zu sprechen.
Ich habe mir heute sagen lassen, daß sich unter anderen und vielen Beispielen auch in Bonn — da, wo wir sitzen — ein Notstand ergeben hat. Es handelt sich um einen Zuschuß für die Errichtung eines Behelfsbaues für das Nikolaus-CusanusGymnasium. Dieser Antrag wird heute noch debattiert, er ist u. a. von den Kollegen Prinz zu Löwenstein und Dr. Kather unterschrieben. Er trägt weitere 39 Unterschriften, darunter auch solche von Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion, die sich aber heute aus mir unerklärlichen Gründen entschlossen haben, ihre Unterschrift zurückzuziehen.
— Ja, ich halte diese Art nicht für gut, draußen vor den Eltern der Schüler des Gymnasiums zu sagen: Wir werden da anal Ordnung machen, und dann dort, wo man Ordnung machen kann, wo man helfen kann — nämlich hier! —, dies nicht zu tun. Das ist doch der Tatbestand.
— Ich komme schon noch auf die Deckungsfrage zu sprechen. Ich weiß ganz genau, was man :da zu sagen hat und daß man das nicht übersehen :darf. Es sind doch Notstände — —
— Ich rede nicht :allein von Nordrhein-Westfalen, sondern von den Notständen, die ich an Hand von Zahlen aufzeigen werde.
Es gibt in Deutschland Schul-Notstände. Wir hören, wenn wir hören wollen, jeden Tag von diesen Notständen, und wenn wir sie sehen wollen, sehen wir sie auch jeden Tag, 'und wir lesen jeden Tag davon, wenn wir davon lesen wollen. Ich brauche gar nicht danach zu suchen oder in ein Archiv zu gehen. Ein Tag — der heutige — genügt mir. Zwei große Zeitungen schreiben heute über dieses Problem, die „Frankfurter Allgemeine"
— die heute der Herr Innenminister so lobend erwähnt hat — und die „Süddeutsche Zeitung". Ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, ganz kurz die Frankfurter Allgemeine Zeitung von heute zitieren. — Ich habe nicht gesucht; ich habe :den Artikel rein zufällig gefunden. Solche Aufsätze kommen morgen wieder und übermorgen, jeden Tag kommt das auf uns zu. — Dort ist also von dem Mangel an Ingenieurschulen die Rede, und es wird in einem Leserbrief — nicht aus Nordrhein-Westfalen, sondern aus Schleswig-Holstein — gesagt, der Kultusminister von Schleswig-Holstein habe in Kiel seiner Enttäuschung darüber Ausdruck gegeben, daß der Bundestag dem Wunsch der Kultusministerkonferenz auf Bereitstellung von 50 Millionen Mark für :die Ingenieurschulen nicht stattgegeben habe. „Es ist Tatsache" — so heißt es —, „daß nicht Hunderte, sondern Tausende von jungen Leuten jährlich ein Studium auf den mittleren Ingenieurschulen trotz Eignung" —„trotz Eignung", :die Begabung ist da, Herr Bundesinnenminister! — „nicht beginnen können, weil für sie kein Platz vorhanden ist. Andererseits ist es in der gesamten Öffentlichkeit bekannt, daß ein Unterschuß von 40 000 Mittelschul-Ingenieuren in Deutschland zur Zeit besteht. Die Wirtschaft drängt auf einen Ausgleich. . . . Ob sich das der Gesetzgeber in Bonn richtig vor Augen geführt hat" — sagt der Briefschreiber —, „möchte ich bezweifeln."
In der Süddeutschen Zeitung von heute wird über einen Notstand in Augsburg berichtet. Es handelt sich um die bei Beginn ides Wintersemesters zu erwartende Katastrophe bei der Rudolf-Diesel-Schule. Diese Schule benötigt zu ihren ständig überbelegten 19 Unterrichtssälen noch 28 weitere Räume, darunter einen Physiksaal mit 300 Plätzen.
So geht es landauf, landab, überall das gleiche. Das Übel ist da, und es ist akut. Wir sollten in unserem Bewußtsein den Tatbestand verankern, daß zwölf Jahre nach dem Kriegsende — welchen Eindruck muß das auf die Ausländer machen, welchen Eindruck macht das auf die Bevölkerung; sie macht sich Gedanken — zwar Kinopaläste, Bankgebäude, Geschäftspassagen und jetzt viele Kasernen entstehen, daß es aber — das ist ein Tatbestand — an Schulräumen und an Klassenräumen mangelt. Herr Kollege, es mangelt heute an mindestens 30 000 Klassenräumen in Deutschland — das sind Zahlen der Kultusministerkonferenz der Länder —, so daß der Unterricht heute noch oft in zwei bis drei Schichten erteilt werden muß. Es gibt heute überfüllte Klassen mit Inneneinrichtungen, die manchmal altertümlich sind. Die Klassen der Schulen sind oft von früh bis zum Abend besetzt. Die Mutter einer größeren Kinderzahl muß viermal am Tage kochen; viermal am Tage kommen die Kinder nach Hause.
Nach den Verlautbarungen des Ärztetages im September 1956 melden die Schulärzte eine bedeutende Zunahme der neurotischen Kinder. Wir können doch vor diesem Tatbestand nicht einfach die Augen verschließen! Dazu kommt noch die geringe Zahl von Turn- und Sporthallen einschließlich von Lehrschwimmbecken, die die Gemeinden
und Länder einfach nicht bauen können, weil sie dazu nicht die Mittel haben, und daraus ergeben sich neue Schäden: ein geringer Sportunterricht an den Schulen, gesundheitliche Schäden, eine ständige Zunahme der Zahl der schwimmunkundigen Jugendlichen usw.
Ich habe vorhin von einem Kollegen einen Brief aus Hannover bekommen. Er illustriert nur an einem Beispiel die :allgemeine Tatsache, daß es in der Stadt Hannover im Jahre 1945 83 zerstörte Schulhäuser gegeben hat und nur vier unbeschädigt gewesen sind. Das zeigt das Ausmaß dieser Zerstörung und den Wiederaufbau, der nachgeholt werden muß, weil die Folgen der Schulraumnot immer schlimmer werden.
Meine Damen und Herren, man muß hier den Menschen als Maß der Dinge sehen, man muß hier den Schüler und den Lehrer sehen. Wenn nämlich das Maß mißachtet wird, dann leidet der Mensch, dann leiden unsere Kinder, und dann leidet natürlich auch die gesamte Erziehung und Fortbildung. Da ist z. B. nur ein Aspekt, den ich anführen möchte. Wenn die Schulräume zu eng werden, wenn die Kinder aufeinandersitzen, wenn in einem Schulraum 45 oder 50 oder mehr Kinder sind, dann parieren die Buben manchmal nicht, dann ist es schwierig, sie zu beherrschen, und dann kommt der Stock zu Hilfe. Das sind keine Mittel, mit denen wir weiter unser Auskommen finden können. Die gesundheitlichen und geistigen Schäden sind die Folgen dieses Schichtunterrichts.
Meine Damen und Herren, ich will nur einige Schüler-, Mütter- und Ärztestimmen zitieren, die wieder für die Allgemeinheit gelten. Aus meinem Wahlkreis Freising schreibt ein Schüler:
In Freising hatten wir auch Schichtunterricht. Das war zum Verrücktwerden. Die Patres schimpften den ganzen Tag, weil die eine Klasse von 8 bis 11 Uhr Unterricht hatte und erst ein Viertel nach ein Uhr zum Essen kam, während die zweite Gruppe um ein Uhr mit der Schule anfing und die dritte Gruppe um zwei Uhr. Da ging alles durcheinander.
Oder eine andere Schülerstimme:
Bei uns daheim gibt es fast jeden Tag ein Theater. Wir sind vier Geschwister. Jedes kommt zu einer anderen Zeit zum Essen. Dia wird die Mutter oft fuchsteufelswild, so daß der letzte Esser alles verbrannt bekommt.
Allgemein hören wir, daß sich viele Schüler über Schmutz, schlechte Luft, Unordnung und Unsauberkelt, die sich in den Schulzimmern beim Wechsel vorfinden müssen, beklagen und beschweren. Die Mütter klagen, daß die Kinder zu viele Kräfte verbrauchen, um das Durcheinander des Tageslaufes immer wieder zu überwinden. Der Arzt sieht die größte Gefahrenquelle des Schichtiunterrichts in der geistigen Überforderung. Die Lehrer stellen fest, daß der tägliche Wechsel der Arbeitszeit die Kinder innerlich unruhig macht und sie an Unstetigkeit gewöhnt; dazu kommt der Nachmittagsunterricht in den heißen Sommermonaten, der die Arbeitsfähigkeit verringert unid die Leistung herabmindert.
Natürlich haben sich mit diesen Sorgen auch die Länder beschäftigt, und auch die Ständige Konferenz der Kultusminister hat sich des öfteren damit befaßt. Wir finden im Bericht der 52. Plenarsitzung der Kultusminister neben vielen Feststellungen folgenden Satz: „Das Ende des Schichtunterrichts 'ist nach dein Berichten der Länder abzusehen." Allerdings ist nicht vermerkt, w a n n das Ende des Schichtunterrichts abzusehen ist. Aber wir können das Ende des Schichtunterrichts leicht übersehen, well die Kultusminister der Länder selber den finanziellen Bedarf für die Überwindung der Schulraumnot auf rund 5 Milliarden DM schätzen. Demzufolge ist leider im Augenblick das Ende des Schichtunterrichts nicht abzusehen. Im besten Fall kann die Schulraumnot bei gleichbleibender Leistung der Länder — die Länder haben vieles getan, soweit sie konnten; sie haben jährlich ungefähr 500 bis 600 Millionen DM aufgebracht — in acht bis zehn Jahren, also zwischen den Jahren 1965 und 1967, beseitigt, d. h. auf den alten Stand zurückgebracht werden. Dia kann das Ende des Schichtunterrichts erreicht werden. Ein solcher Zustand, wie er heute ist, meine Damen und Herren, ist beängstigend, und wir sollten über diese Frage nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen.
Natürlich gibt es schöne Schulen, natürlich gibt es luftige Schulen und sonnige Schulen, und es gibt Schulen, ich kenne einige, da würde ich selber noch einmal gern 'in die Schule gehen oder Lehrer sein; unbestritten gibt es das. Aber sosehr auch Länder und Gemeinden in anerkennenswerter Weise in den letzten Jahren bedeutende Mittel zur Milderung der Schulraumnot aufgebracht haben, muß mit Nachdruck — auch an dieser Stelle — darauf hingewiesen werden, daß die Mittel, die wir heute dem öffentlichen Erziehungswesen zuwenden, immer noch in einem nicht mehr vertretbaren Maß hinter Mitteln zurückbleiben, die wir für andere Gebiete aufbringen und ausgeben. In Wahrheit hängt doch das Gedeihen aller Bereiche des öffent-
lichen Lebens von einer sorgfältigen Pflege der Jugend, der Erziehung und der Bildung ab. Wir sollten das Unsere tun, um diese Mängel zu beseitigen.
Nun wird nicht zu Unrecht gefragt: was ist mit der Deckung? Gewiß, Herr Finanzminister, es ist ja nicht die Frage, daß sich idle Sozialdemokraten, die Anträge stellen, nicht Gedanken über die Dekkung machten; wir wissen schon, daß ein Haushalt ausgeglichen sein muß. Aber das, was der Herr Finanzminister in den letzten Jahren zu tun beliebt, ist, daß er von verschiedenen wichtigen Dingen überhaupt nicht spricht. Herr Finanzminister, es handelt sich nicht allein um die Deckung und um den Ausgleich — Ausgleich ist wichtig, Deckung ist notwendig —, sondern es handelt sich vor allem um die Rangordnung, um die Wichtigkeit, um die Notwendigkeit: was kommt an ,erster Stelle, was kommt an zweiter Stelle, was kommt an dritter Stelle?!
— Ja, der Bund ist dafür zuständig; ich werde nachher Art. 120 dies Grundgesetzes zitieren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Reitzner, sind Sie so felsenfest davon überzeugt, daß die von Ihnen mit Recht geforderte Rangordnung dier Bauten in den deutschen Großstädten und Gemeinden innegehalten worden ist, wenn Sie sich heute einmal die Nachkriegsbauten ansehen?
Ich habe jetzt, Kollege Vogel, nicht allein von der Rangordnung gesprochen, sondern von dem Versuch des Herrn Finanzministers, die Dinge auf eine andere Ebene einseitig zu verschieben, und von anderen Dingen, die er ja heute in dier Süddeutschen Zeitung nachlesen kann. Ich glaube — das ist meine Überzeugung —,
der jakobinische Eifer des Herrn Finanzministers kann uns nicht überzeugen ,daß er hier richtig liegt. Was wir gern sehen möchten, ist, daß man sich zu diesen Problemen nicht nur theoretisch bekennt — eine platonische Liebeserklärung nutzt uns gar nichts, davon haben wir nichts —, sondern wir wollen die praktische Durchführung.
Jetzt kommt Herr Kollege Niederalt mit dem Einwand: Wer ist zuständig? Der Bund ist auch zuständig. Er wäre natürlich im höheren Sinne moralisch und politisch verantwortlich. Aber er ist auch formatrechtlich nach idem Grundgesetz zuständig. Ich möchte mir gestatten, darüber einiges zu sagen, weil ich mich auf den Artikel 120 des Grundgesetzes berufen möchte. Die rechtlichen Schwierigkeiten eines Bundeszuschusses werden häufig überdramatisiert und überdimensioniert.
Der Herr Bundesinnenminister hatte in der letzten Debatte über unsere Große Anfrage die Ansicht vertreten — ich zitiere ihn jetzt wörtlich —, daß jede Hilfe ides Bundes an die Schullastträger
das überaus schwierige Problem der Verteilung des Steueraufkommens und der Lasten zwischen Bund und Ländern neu aufrollen würde. Allerdings, sagt der Herr Innenminister weiter, gebe es von diesem Grundsatz eine Ausnahme: die Förderung von Schulbauten in den Grenzgebieten. Hierfür habe der Bund bis 1956 36 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Also, Ida haben wir's ja: von höchster Stelle wird ,anerkannt, daß es sachlich und auch formalrechtlich zulässig ist. Demgegenüber enthält das Grundgesetz keine positiv-rechtliche Bestimmung, die Zuschüsse des Bundes nicht an andere Gebietskörperschaften zu geben. Nirgends findet sich eine solche Bestimmung. Das Argument, daß den Ländern :angesichts erheblicher Zuschüsse für kulturelle Aufgaben eine Begründung für eine Änderung der 'gegenwärtigen Verteilung des Steueraufkommens gegeben würde, besonders da es sich angeblich um ausschließliche Länderkompetenzen handelt, ist nicht stichhaltig.
Ziel der in unserem SPD-Antrag vorgeschlagenen Bundeshilfe für den Schulbau ist die Behebung eines nationalen Notstandes und nicht die Übernahme laufender normaler Aufwendungen dier Schullastträger. Es hieße auch dem Problem der Steuerverteilung Gewalt antun, wenn die Länder eine Hilfsaktion des Bundes zur Begründung einer Revisionsforderung heranziehen würden. Länder und Gemeinden haben im Gegenteil einen Anspruch auf Hilfe des Bundes für diesen Zweck.
Nach Artikel 120 hat der Bund die Aufwendungen für die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten, allerdings nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes, zu tragen. Zweifellos ist der große ungedeckte Bedarf an Schulbauten im wesentlichen auf Kriegszerstörungen sowie auf die Eingliederung und den Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen zurückzuführen.
— Sie fragen: Wo ist das Gesetz? Aus verschiedenen Gründen ist Idas Kriegsfolgenschlußgesetz noch nicht ergangen. Trotzdem kann die Verpflichtung des Bundes nicht in Abrede gestellt werden. Ich glaube, daß den Ländern gerade unter diesem Gesichtspunkt eine Zustimmung zum Abschluß von Verwaltungsvereinbarungen eher abgerungen werden kann. Das muß geschehen; denn eine Verwaltungsvereinbarung ist unerläßlich. Man sollte dabei nicht übersehen, daß Zonenrandgebiete und diesen gleichgestellte Gebiete besonders zu berücksichtigen sind
— ja, ja, sehen Sie! —, weil diese Gebiete durch Kriegs- oder Nachkriegsfolgen belastet sind und ihre Finanzkraft wie auch die einiger Länder so schwer beeinträchtigt ist, daß wir hier beispringen müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Appellschließen; er ist schoneinige hundert Jahre alt und stammt von ,einem Mann, der, wie ich glaube, bei vielen in Ihren Reihen Anerkennung und Nachahmung findet. Deshalb wird Sie der Appell aus seinem Munde besonders beeindrucken. Dieser Appell ist übrigens auch sonst unerhört interessant. Er richtet sich an die „christlichen Ratsherren aller Städte deutschen Landes", daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen.
— Wenn Sie es wissen, dann tun Sie danach! Dieser Appell lautet: „Liebe Herren! Muß man jährlich soviel aufwenden für Schießwaffen, Wege, Stege, Dämme und sonst noch unzählige ähnliche Dinge, damit eine Stadt zeitlich Frieden und Sicherheit habe, warum sollte man denn nicht vielmehr ebensoviel Laufwenden für die arme, bedürftige deutsche Jugend!" Der Mann, der dies den „lieben Ratsherren" ,gesagt hat, heißt Martin Luther. Wir sollten uns die gleiche Frage vorlegen und •eine Antwort darauf geben.
Ich glaube, wir begreifen es, welches Gewicht dem Bildungs- und Schulwesen für das Ansehen Deutschlands im Hinblick auf die deutsche Jugend in Wahrheit zukommt. Heute ist der Bundestag aufgerufen, sich dazu zu äußern. Sie, meine Damen und Herren, halben das Wort. Wegen der Wichtigkeit beantrage ich im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich über eine Sache klar ist, kann man sie auch in wenigen Worten schildern.
Lange Ausführungen sind eigentlich immer nur der Beweis dafür, daß eine Sache in sich selbst nicht überzeugend ist, sonst bedürfte sie keiner besonders ausführlichen Begründung.
Ich möchte einmal über die Cusanus-Schule sprechen, weil sie ein typisches Beispiel ist. Schulen, insbesondere Mittelschulen zu errichten und zu unterhalten ist unbestreitbar Sache der Länder.
Behaupten zu wollen, daß das hier zuständige Land Nordrhein-Westfalen aus Verschulden des Bundes zu Ausgaben gezwungen wäre, die seine Kräfte überstiegen, und daß deswegen der Bund einzuspringen hätte, ist geradezu grotesk angesichts der Zahlen, die sich da ergeben. Letzten Endes hat der Bund durch die Errichtung der Bundeshauptstadt die Steuerkraft dieser Gegend ganz besonders gesteigert. Ich will Ihnen nur einmal eine Zahl nennen. Das Lohnsteueraufkommen der Bundesbediensteten im Finanzamtsbezirk Bonn-Stadt hat im Kalenderjahr 1956 allein 20,9 Millionen DM betragen.
Von diesen 20,9 Millionen DM fließen zwei Drittel dem Lande Nordrhein-Westfalen zu.
Herr Minister, der Abgeordnete Menzel hätte gern eine Frage an Sie gestellt.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mich zuerst abschließen lassen würden. Ich bin gerne bereit, am Schluß meiner Ausführungen auf die Frage zu antworten, möchte aber meinen Gedankengang in geschlossener Form vortragen.
Ich darf weiter bemerken, daß man hier letzten Endes nicht nur die Lohnsteuerzahlungen, sondern die gesamten Steuerzahlungen berücksichtigen muß, die dadurch hereinkommen, daß sich die Bundesverwaltung in Bonn befindet. Wenn ich die Jahre 1949 bis 1956 nehme, muß ich annehmen, daß mindestens ungefähr 60 Millionen DM aufgebracht worden sind. Dabei ist nicht berücksichtigt, was mittelbar durch die Tatsache, daß Bonn Bundeshauptstadt geworden ist, und durch das damit verbundene Aufblühen in der Wirtschaft und im gewerblichen Leben an Steuern zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen angefallen ist.
Ich verstehe nicht, wie man angesichts dieser Ziffern sagen kann, daß der Bund, der doch dadurch, daß Bonn Bundeshauptstadt ist, die Steuerkraft des Landes Nordrhein-Westfalen so enorm steigert, verpflichtet sei, für Ausgaben und Lasten einzutreten, die entsprechend der ganzen Lastenverteilung, die wir im Bundesgebiet haben, ihrer Natur nach ausschließlich Sachen des Landes Nordrhein-Westfalen sind. Abgesehen davon will doch wohl niemand von Ihnen behaupten. daß das Land Nordrhein-Westfalen etwa das steuerschwächste und finanziell ärmste unter den deutschen Ländern wäre.
Zweitens zu der grundsätzlichen Frage. Sie verlangen einen Betrag von 250 Millionen DM an Bundesmitteln für die Erhaltung von Schulgebäuden.
— Für die Errichtung oder den Ausbau. — Das Kapitel Grenzland bitte ich auszuscheiden. Dabei handelt es sich um eine ganz besondere Frage, und die Länder, die dabei gewonnen haben, sollten dem Bunde und dem deutschen Parlament dankbar dafür sein, daß sie in der Grenzlandfrage ein so weites Entgegenkommen bewiesen und so viel Mittel zur Verfügung gestellt haben.
Es wäre aber nicht der richtige Weg, wenn man sagte, daß deswegen, weil dem notleidenden Grenzland mit Bundesmitteln geholfen werden soll, alle Wirtschafts-, Schul- und sonstigen Angelegenheiten, die im Grenzland einer Unterstützung bedürfen, im ganzen Bundesgebiet auf Bundeskosten übernommen werden müßten. Die Länder wollen es auch gar nicht, weil sie genau wissen, daß sie, wenn sie keine Aufgaben mehr zu erfüllen hätten, nicht mehr existenzberechtigt wären.
Gerade weil ich ein Föderalist bin, und gerade weil ich nicht will, daß wir die Länder bekämpfen, muß ich sagen: die Länder haben ihre Berechtigung angesichts der Aufgaben, die sie für das gesamte deutsche Volk erfüllen, und es sollte ihr Stolz sein, daß ihre erste _Aufgabe bisher die Kultur und gerade die Erziehung gewesen ist. Wenn ich Landesminister für Unterricht und Erziehung wäre, dann würde ich eisern darum kämpfen, daß ich auf diesem Gebiet allein derjenige bin, welcher die Sorgen und Lasten trägt.
Damit würde ich meine Berechtigung nachweisen.
Die Länder — um das nur nebenbei zu sagen — haben jetzt ganz bestimmt keinen Grund, zu sagen, daß sich die Verhältnisse zu ihren Ungunsten geändert hätten und deshalb jetzt eingegriffen werden müsse. Ich habe Ihnen vorhin die Zahlen genannt, wie sich die Steueraufkommen inzwischen geändert haben. Durch die Gesetzgebung, die auch unter dem Einfluß des Finanzausschusses des Bundesrates, also der Finanzminister, erfolgt ist, hat der Bund eine Steigerung um 5% erfahren, während die Länder eine solche um 30% erfahren haben. Die Mehreinnahmen der Länder gehen in diesem Jahr über die Milliarde weit hinaus. Das ist der ungeeignetste Zeitpunkt, um behaupten zu können, daß man Aufgaben, die man für sich beansprucht, die man für sich bisher erfüllt hat, jetzt nicht mehr erfüllen könne. Wenn die Länder wollen, daß das jetzige Verfassungssystem bleibt und als berechtigt anerkannt wird, dann müssen sie die Aufgaben, die sich für sie aus der Aufgabenteilung nach der Verfassung ergeben, auch aus eigener Kraft erfüllen.
Nun grundsätzlich. Wir haben mit den Länderfinanzministern auch bereits darüber gesprochen. Es sollte Ihnen doch bekannt sein, daß wir uns bei den Beratungen über das Finanzausgleichsgesetz auch darüber unterhalten haben, welche Aufgabengebiete unter den Art. 120 des Grundgesetzes, also unter die Bundesverpflichtung fallen. Sie können die Einzelheiten in der Begründung der Vorlage Drucksache 2675 nachlesen, wo über dieses Kapitel ausführlich berichtet worden ist. Ich stelle ausdrücklich fest, daß bei Inkrafttreten des Vierten Überleitungsgesetzes und des Finanzverfassungsgesetzes Übereinstimmung zwischen dem Bund und den Ländern dahin bestand, daß die Aufgaben, die unter Art. 120 des Grundgesetzes fallen, grundsätzlich die alten Aufgaben sind, die zum Teil dort erwähnt sind. Es ist ausdrücklich festgestellt worden, daß es bezüglich aller anderen Aufgaben bzw. Ausgaben, soweit es sich um solche handelt, die bereits vor dem Inkrafttreten des Finanzverfassungsgesetzes bekannt waren — und die Ausgaben für die Schulen waren vorher bekannt — und in der Gesetzgebung nach Art. 120 des Grundgesetzes berücksichtigt worden sind, bei der alten vereinbarten Verteilung verbleiben soll und daß sie nicht mehr nach dem Prinzip des Art. 120 des Grundgesetzes neu einzufügen und zu behandeln sind. Das ist auch selbstverständlich. Wenn ich Aufgaben und Ausgaben neu verteile, dann muß ich auch die Einnahmen neu verteilen, und die Länder denken natürlich gar nicht daran, eine neue Einnahmenverteilung vorzunehmen.
Ich möchte deshalb sagen: wer will, daß es bei der bisherigen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern bleibt, wer will, daß die Länder ihre Lebensfähigkeit behalten, wer will, daß die Länder ihre eigenen Aufgaben mit eigenen Mitteln erfüllen können und sollen, der muß den Antrag der SPD ablehnen.
Herr Bundesfinanzminister, Sie hatten in Aussicht gestellt, auf eine Frage zu antworten.
Bitte!
Herr Bundesfinanzminister wenn das, was Sie soeben allgemein und insbesondere über die Finanzierung des Nikolaus-CusanusGymnasiums in Bonn gesagt haben, stimmt, wie erklärt es sich dann, daß Mitglieder Ihrer Fraktion vor der Elternschaft in Bonn ausdrücklich erklärt haben, daß der Bund zum Bau und zur Mitfinanzierung dieses Gymnasiums verpflichtet sei und sich die Elternschaft darauf verlassen könne, daß die Regierungsparteien im Bundestag für die Beschaffung der erforderlichen Mittel sorgen würden? Oder war das nur eine billige Wahlpropaganda?
Herr Kollege, ich darf Ihnen zunächst zur Antwort geben
— ganz offen —: Sie wissen ganz genau, daß diese Frage mit dem, was ich ausgeführt habe, gar nichts zu tun hat.
— Nein! Sie wissen ganz genau, daß Sie diese Frage hier nur aufwerfen wollen, um eine gewisse Verlegenheit der einzelnen zu erzeugen. Allerdings, Herr Kollege — so sage ich Ihnen ganz offen —, kommt es manchmal vor, daß man unter dem Druck einer Versammlung, unter den lauten Rufen einer Versammlung usw. sich zu Redewendungen verleiten läßt, die man in besonnener Stunde nicht machen würde.
— Ich sage das nicht von meinen Freunden.
Ich versichere Ihnen, daß jeder das Recht hat, sich zu vergewissern, wie die Dinge wirklich liegen, und daß keiner sich dazu verleiten lassen sollte, unter dem Druck schreiender Menschenmengen eine bindende Zusage zu geben.
Herr Finanzminister, wollen Sie auch noch eine Frage des Abgeordneten Reitzner beantworten?
— Meine Damen und Herren, wenn auf diese Weise die Debatte abgekürzt wird, soll mir das alles recht sein. Wenn ich die Frage nicht zulasse, wird sich der Betreffende doch in der Diskussion zu Wort melden.
Herr Bundesfinanzminister, Sie sind also der Auffassung, daß die Existenz der Länder und der föderalistische Gedanke in Deutschland um so besser gewahrt bleiben, je mehr Aufgaben und Lasten man den Ländern zuteilt?
— Das werden Sie im Protokoll lesen! Sie haben sinngemäß gesagt: Wenn die Länder keine Aufgaben haben, ist ihre Existenzberechtigung zunichte.
Ja, Herr Kollege, jetzt muß ich einmal ehrlich fragen: Wenn Sie den Ländern all ihre Aufgaben wegnehmen, glauben Sie, den Ländern damit dienen zu können? Ich will, daß die Länder ihre Aufgaben behalten, und ich will, daß sie die Verantwortung dafür tragen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Schäffer eine so entscheidende Bresche zu diesem Thema geschlagen hat,
will ich mich auf einen Einzelpunkt beschränken. — Ja, aber habe ich nicht das Recht der Meinungsfreiheit wie alle hier? Ich trage meine Meinung vor, in der Tat.
Herr Kollege Reitzner hat bei seiner Begründung aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute zitiert. Ich habe das inzwischen nachgesehen. Es handelt sich um eine Leserzuschrift unter der Überschrift „Zu wenig Ingenieurschulen".
— Ja, Herr Kollege Dresbach, das können Sie hier leichter aussprechen als ich. Ich kriege es mit den Journalisten leichter zu tun als Sie. — Aber das bezog sich offensichtlich, Herr Kollege Reitzner, auf einen Punkt, der durch eine ablehnende Abstimmung schon erledigt worden ist. Da Sie aber den Punkt Ingenieurschulen noch einmal aufgegriffen haben, möchte ich dazu folgendes sagen. Auch die Untersuchung, die die Bundesregierung veranstaltet hat und deren Ergebnisse dem Hohen Hause inzwischen in einer Druckschrift zugänglich gemacht worden sind, kommt zu der Schlußfolgerung, daß wir auf dem Gebiet der Ingenieure, vor allen Dingen der Ingenieure für Maschinenbau und Elektrotechnik — das sind die beiden Zweige —, einen beträchtlichen, auch in den nächsten Jahren noch steigenden Bedarf haben werden.
Nach dem, was Herr Kollege Schäffer gerade ausgeführt hat, steht die Bundesregierung auf dem Standpunkt, daß dies Problem in erster Linie Sache der Länder sein muß. Wir können uns mit den wissenschaftlichen Hochschulen beschäftigen. Aber wir können uns unmöglich ohne Zerreißung des Zuständigkeitsgefüges in die letzten Angelegenheiten der Länder einmischen.
Was das Problem der Ingenieurschulen angeht, möchte ich doch sagen, daß auch hier die öffentliche Diskussion dadurch etwas verwirrt worden ist, daß die Länder zwar hier mit einer einheitlichen Forderung auftreten, sich aber nicht in einer einheitlichen Lage befinden. Zum Beleg dafür möchte ich Ihnen nur kurz eine Unterhaltung wiedergeben, die ich ganz kürzlich mit einem der Herren Ministerpräsidenten gehabt habe. Ich habe gesagt: „Nun sagen Sie mir doch mal, wie steht es bei Ihnen tatsächlich mit den Ingenieurschulen?", und er hat gesagt — und hoffentlich schließen Sie jetzt nicht aus der Zahl auf den Ministerpräsidenten —: „Dieses Programm wird für uns 40 Millionen ausmachen. Sie sind aber bei uns haushaltsmäßig gedeckt." Meine Damen und Herren, das war etwas, was ich bis dahin in den literarischen und in den öffentlichen Äußerungen nie gehört habe und was ich als die Wahrheit anzuzweifeln keinen Anlaß habe; wie könnte ich! Ich halte es auch für die Wahrheit.
Das zeigt doch aber deutlich, daß man diesen Fragen eben nicht beikommt, indem man gewisse
Soll-Zahlen und Erwartungszahlen multipliziert und daraus Riesenprogramme entwickelt, die den Anschein erwecken sollen, als ob wir in Deutschland weit hinter dem zurückblieben, was andere Länder auf diesem Gebiete vorsorglich tun.
Ich bin also der Meinung, daß alle diese Fragen einer sehr, sehr viel spezielleren Untersuchung von Land zu Land bedürfen, daß dabei die Karten ganz offen auf den Tisch gehören und daß man nur, wenn man diese Art von Unterlagen hat, wirklich abschließend beurteilen kann, was etwa der Bund gerade auf dem Gebiete der Ingenieurschulen zusätzlich tun könnte.
Der Herr Bundeskanzler selbst — er hat das in der letzten Besprechung mit den Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht — neigt durchaus dazu, diesem Problem eine sehr hohe Priorität zuzubilligen, und er tut das in Übereinstimmung mit vielen führenden Männern auch aus der deutschen Wirtschaft. Aber man muß hier einmal öffentlich ausgesprochen haben, daß sich diese Probleme eben nur dann lösen lassen, wenn wir nicht vor eine einheitliche Front von Länderforderungen gestellt werden, sondern wenn die Probleme so behandelt werden, wie es einzig möglich ist, nämlich mit Einzeluntersuchungen von Land zu Land und von Fall zu Fall. Ich glaube, wir werden in den nächsten Monaten nach Abschluß der Besprechungen zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder noch einmal Gelegenheit haben, auf das Problem der Ingenieurschulen und ihrer möglichen Förderung zurückzukommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Benno Graf.
Dr. Graf (DP[FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reitzner hatte vorhin die Freundlichkeit, den interfraktionellen Antrag über die Errichtung einer Deutschen Stiftung für den Schulhausbau zu erwähnen, den wir seinerzeit im Kulturpolitischen Ausschuß erarbeitet haben. Er hat aber vergessen, die sonstigen Arbeitsergebnisse des Kulturpolitischen Ausschusses hier mit zu erwähnen und in seine Ausführungen einzubauen. Ich glaube, manche Bemerkungen seinerseits wären sonst nicht gefallen. Wir haben uns ja mit dem Problem der Schulraumnot, insonderheit mit dem Problem der kriegsbedingten, d. h. der als mittelbare oder unmittelbare Kriegsfolgelast zu betrachtenden Schulraumnot im Kulturpolitischen Ausschuß in dieser Bundestagsperiode lang und breit auseinandergesetzt. Wir haben uns darüber auseinandergesetzt im Anschluß an zwei Anträge der DP, Drucksachen 622 und 623. Wir haben darüber auch mit den Kultusministern und mit anderen Sachverständigen ausführlich gesprochen.
Meine Damen und Herren! Der Begriff „Schulraumnot" beinhaltet nicht ein einfaches Problem, das durch Zuweisung bestimmter Mittel von seiten des Bundes zu lösen ist, sondern ein sehr komplexes Problem, das überhaupt nur zum Teil finanzpolitisch angegangen werden kann.
Es handelt sich bei der Schulraumnot um regionale Unterschiede in der Schulraumausstattung. Wir haben auf dem Gebiet des Schulhausbaus in der Bundesrepublik starke Unterschiede zwischen den Ländern, wir haben ein Land-Land-Gefälle. Und wir haben es doch gehört, Herr Kollege Reitzner, wie uns von den Kultusministern im Ausschuß gesagt wurde, daß in manchen Ländern die vorhandenen Mittel überhaupt nicht verbaut werden können.
— Jawohl, das ist im Kulturpolitischen Ausschuß gesagt worden. Ich behaupte ja nicht, daß es überall so ist; ich sage nur, daß nicht überall die Schulraumnot von der Finanzsituation abhängt; es sind auch andere Gründe maßgebend.
Wir haben da nicht nur regionale Unterschiede, nicht nur Land-Land-Unterschiede, wir haben auch Unterschiede zwischen den Gemeinden innerhalb der einzelnen Länder. Das kommt, wie wir alle, die wir mit den Dingen zu tun haben, wissen, zum großen Teil daher, daß die Länder ihre Zuweisungen an die Gemeinden als Träger des Schulhausbaues davon abhängig machen, wieviel die Gemeinden in jedem Falle selber aufbringen. Daraus ergibt sich die paradoxe Situation, daß gerade die armen Gemeinden dann weniger bekommen als diejenigen, die ohnehin selbst etwas für den Schulhausbau tun können. Das ist aber ein Verwaltungsproblem, das ist ein Problem der Finanzzuteilung innerhalb der Länder, das meines Erachtens in diesem Hause gar nicht gelöst werden kann.
Dann darf ich noch etwas sagen. Es war hier
heute schon von München die Rede, und weil ich Münchner bin, darf ich hier erwähnen, daß beispielsweise in meiner eigenen Vaterstadt eine sehr erhebliche Kluft zwischen den verschiedenen Schularten klafft
und daß es dort Glückliche gibt, die bedacht werden, und Unglückliche, die nicht bedacht werden. In München ist es so, daß wir in bezug auf die Volksschulen Gott sei Dank heute aus dem Gröbsten heraus sind, während wir auf dem Gebiet der höheren Schulen glücklich da sind, wo seinerzeit der Prinzregent Luitpold aufgehört hat, weil nichts mehr hinzugebaut werden konnte.
Ich erwähne diese Dinge hier nur ganz kurz, um das Hohe Haus darauf hinzuweisen, daß das Problem der Schulraumnot sehr kompliziert und differenziert ist und deswegen mit differenzierten Mitteln und auf differenzierte Weise angegangen werden muß, und daß mit einem gutgemeinten Antrag, wie er hier von der sozialdemokratischen Fraktion gestellt worden ist, die Dinge nicht wesentlich gefördert werden. Vielleicht würde in dem einen oder anderen Fall sogar genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist, erreicht werden.
Ich erkläre deshalb, daß meine Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen wird, daß wir uns aber für die dritte Lesung einen Entschließungsantrag vorbehalten, der der Vorbereitung gezielter Maßnahmen — und gezielte Maßnahmen brauchen. wir auf diesem Gebiet - in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden dienen soll.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Vietje.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz einige Worte zur Richtigstellung verschiedener Bemerkungen, die hier gemacht worden sind. Auf das Rechtliche will ich nicht eingehen; das ist von Herrn Minister Schäffer klargelegt worden. Dagegen möchte ich zu den Vorwürfen Stellung nehmen, die man der CDU mündlich und schriftlich vielfach gemacht hat,. man sehe bei uns die Lage der Schulen und die Schulraumnot nicht und wir hätten kein oder nur geringes Verständnis dafür. Da muß ich allerdings auf unsere Politik in den verschiedensten Ländern, Kreisen und Gemeinden hinweisen. Es läßt sich ohne weiteres nachweisen, daß sich insbesondere die CDU-Abgeordneten immer besonders für die Schulbauten eingesetzt haben. Ich werde dazu gleich noch etwas Konkretes sagen. Ich weiß das deshalb, weil ich in meiner Eigenschaft als Ratsmitglied in Hannover diese Dinge mitgemacht habe.
Also ich glaube, wir alle, auch wir, sehen diese Dinge richtig. Auch die gesundheitlichen Schäden, die durch Schichtunterricht entstehen, sehen wir. Es fragt sich nur, wie man hier eine Lösung finden kann. Da möchte ich auf eine merkwürdige Tatsache hinweisen. Herr Kollege Reitzner hat vorhin gesagt, daß hier ein nationaler Notstand bestehe und daß deswegen jetzt der Bund das bisher Versäumte nachholen müsse. Es ist wirklich merkwürdig, daß man jetzt von einem Notstand spricht, nachdem in den Jahren nach dem Kriege schon bis zum Jahre 1955 mehr Schulen gebaut worden sind als in den 50 Jahren von 1890 bis etwa 1940.
Wenn aber so viele Schulen gebaut worden sind, dann finde ich, daß der Zeitpunkt verspätet ist, in dem man die Meinung äußert, daß hier ein nationaler Notstand bestehe. Wenn man das als Notstand angesehen hat, hätte man früher dagegen angehen sollen und kann nicht erst jetzt in den Schreiben unter Hinweis auf die Wahlen mit diesen Dingen kommen.
Für uns handelt es sich hier jedenfalls um ein pädagogisches und ein soziales Anliegen.
Vorhin ist von Herrn Reitzner auch gesagt worden, wir müßten die Rangordnung innehalten. Ich sehe aber die Rangordnung so, daß man zunächst die Not beseitigt, dann das Nützliche und schließlich das Schöne tut. Wenn wir in den Ländern und in den Gemeinden in die Schulen hineingehen, dann sehen wir dort Aufwendigkeiten, die sehr schön sind, die aber nicht die Schulraumnot beseitigten. Wir von der CDU haben dagegen sehr oft protestiert. Ich stehe mit meiner Meinung nicht allein, sondern auch sehr viele Schulmänner und Pädagogen von Rang teilen die Ansicht, daß man als Erstes und Dringlichstes die Schulräume hätte berücksichtigen sollen. Zunächst gilt es, Schulräume
zu schaffen, und erst dann kommen die Schönheit und die Größe. So ist es doch.
— Ich glaube, unsere Architekten sind in der Lage, die Schulbauten vorweg so zu planen, daß in späterer Zeit, wenn uns mehr Gelder zur Verfügung stehen, Erweiterungen vorgenommen werden können. Wichtig sind zunächst einmal aber die Räumlichkeiten.
Jedenfalls muß ich sagen: Als wir noch im Treppenhaus unterrichteten, sind solche Schreie nicht gekommen, weil man wußte, daß man in diesen Dingen nur langsam vorgehen kann. Als dann aber die aufwendigen Schulbauten kamen, da kamen von uns Proteste.
Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen. Es sind gar nicht meine Worte; es sind Worte des Deutschen Ausschusses für Erziehung und Bildung aus dem Jahre 1954. Da ist gerade von der Notwendigkeit der Schulbauten bzw. von der Schulgeldfreiheit die Rede. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren; es heißt dort unter den Bedingungen, unter denen man die Schulgeldfreiheit anstreben will, folgendermaßen:
Durch die Gewährung der Schulgeldfreiheit dürfen andere noch dringlichere Aufgaben nicht in den Hintergrund gedrängt werden. Als besonders vordringlich erscheint der Bau von Schulräumen und die Verminderung der Klassenfrequenz.
Das sind Aussagen des Deutschen Ausschusses. Wenn ich weiß: es ist ein nationaler Notstand, und wenn ich ihn in bezug auf die Schulräume als solchen bezeichne, dann kann ich nicht dieses dringlichste Anliegen zurückstellen gegenüber der Bemühung, allgemein Schulgeldfreiheit zu gewähren, sondern dann habe ich die dringlichste Not zu beseitigen
und durch Beihilfen den sozial Schwachen die Schulgeldfreiheit zu gewähren, sie aber nicht allgemein einzuführen; das war nicht das Dringlichste.
Noch etwas anderes: auch wieder Worte des Deutschen Ausschusses aus dem Jahre 1954 über die Lernmittelfreiheit, die man auch in immer höherem Maße anstrebt und durch die auch Gelder für den öffentlichen Haushalt verlorengehen. Da wird vor der Lernmittelfreiheit unter Berücksichtigung erzieherischer Bedenken sogar ein wenig gewarnt. Das sind nicht meine Worte und meine Gedanken; sie sind da schon ausgesprochen. Und so könnte ich manches anführen, was gerade im Laufe der letzten zwei Jahre gesagt worden ist und das, was ich eben behauptet habe, nur noch unterstützt.
Also die CDU steht positiv zu den Schulfragen,
aber sie steht auch positiv zu den Bestimmungen des Grundgesetzes. Wir wollen nicht das Grundlegende unserer gesamten Staatsverfassung erschüttern, indem wir Dinge tun, die wir auf andere
Weise regeln können. Länder und Gemeinden haben gerade auf Grund des Finanzausgleichs, der ihnen bessere Möglichkeiten gibt, diese Aufgaben als erste und hauptsächlichste mit zu sehen und zu erfüllen. Wenn wir unsere Politiker in den Ländern und Gemeinden daraufhin ansprechen und unsere Bemühungen aktivieren, dann gehen wir den richtigen Weg. Wir haben das getan, wir haben auch bisher nicht anders gedacht und denken auch heute nicht anders. Wir werden diesen Weg wiederum gehen und ihn bevorzugen. Wir dürfen nicht übersehen, daß die Zonengrenzländer schon manche Mittel bekommen haben. Wir dürfen aber nicht etwas verlangen, was der Bund auf Grund des bestehenden Rechts nach dem Grundgesetz nicht leisten darf; andernfalls erschüttern wir die ganzen Grundlagen.
Herr Abgeordneter Niederalt!
— Sie haben Schluß der Debatte beantragt?
— Herr Kollege Pelster, vielleicht entschließen Sie sich, das formell zu beantragen. Auf den Zuruf hin kann ich darüber nicht abstimmen lassen.
Herr Abgeordneter Niederalt, bitte sprechen Sie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen haben wir hier in diesem Hohen Hause eine lebhafte Debatte gehabt, in der auch Sprecher aus der Fraktion der SPD beredt dafür eingetreten sind, daß unsere Gesetze verfassungsmäßig sind. Es handelte sich damals um den Stichentscheid des Vaters und des Ehemannes. Bei der damals zur Erörterung stehenden Frage war es aber sehr zweifelhaft, ob man wegen der Verfassungsmäßigkeit überhaupt Bedenken haben konnte. Heute sehe und höre ich zu meinem Erstaunen, daß man sich über verfassungsmäßige Zuständigkeiten vollständig hinwegsetzt.
Ich glaube, wir sollten unser Grundgesetz — das sage ich mit vollem Ernst —, gleichgültig, ob wir den föderativen Charakter liebhaben, ob wir ihn betonenoder nicht, etwas höher achten. Herr Kollege Reitzner, es gibt doch keinen Zweifel: auf dem Gebiet der Erziehung hat der Bund nach dem geltenden Grundgesetz keinerlei Zuständigkeit. Da sind Sie doch mit mir einig. Es ist eine andere Frage, ob Sie das Grundgesetz ändern wollen oder nicht. Das steht hier nicht zur Debatte. Auf dem Gebiet der Erziehung hat der Bund weder eine Gesetzgebungszuständigkeit noch eine Verwaltungszuständigkeit.
Sie sagen nun: Zuschüsse haben mit Verwaltungszuständigkeit nichts zu tun. Das ist nicht richtig. Jedes Finanzierungsrecht bedeutet praktisch zugleich auch eine Verwaltungszuständigkeit. Wie wollen Sie denn erwarten, daß wir den Ländern vom Bund her 250 Millionen DM geben, ohne irgendwelche Richtlinien aufzustellen oder Auflagen zu machen, wie die 250 Millionen DM verwendet werden sollen? Wie könnten wir denn dann im Haushaltsausschuß bestehen? Wie könnten wir dann die Verantwortung für diese 250 Millionen DM, die wir doch in diesem Hohen Hause bewilligen, vor dem Steuerzahler übernehmen? Mit anderen Worten: Finanzierungsrecht bedeutet Verwal-
tungszuständigkeit. Das kann doch niemand leugnen, der die Dinge ernsthaft behandelt.
— Nun kommen Sie mit der Ausrede — ich bin freundlich und sage nicht: mit dem Trick —, der Bund könnte eventuell auf dem Weg über Artikel 120 — Kriegsfolgelasten — zuständig sein. Sie wissen so gut wie ich, daß wir etwa vor eineinhalb Jahren ein Finanzverfassungsgesetz beschlossen haben, in dem Ausgaben, Bedarf und Lasten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wurden. Wenn das Finanzverfassungsgesetz einen Sinn haben soll, kann es doch nur den haben, daß jeder — der Bund auf der einen Seite und die Länder auf der anderen Seite — in seinem Wirkungsbereich mit den ihm zugewiesenen Mitteln wirken muß.
Daß der Umweg über den Artikel 120, meine Damen und Herren von der SPD, eine Ausrede ist, erhellt ohne weiteres daraus, daß Sie dann mit diesem Artikel 120 praktisch jedes Gebiet heute als zur Zuständigkeit des Bundes gehörig an sich ziehen können. Beantworten Sie mir doch bitte die Frage: Warum haben wir heute in den Ländern — denken Sie an die Landeshauptstädte — Verwaltungspaläste, warum in den Gemeinden wunderbare neue Rathäuser, und warum haben wir bei den Schulen zum Teil noch eine Misere, wie ich Ihnen zugebe? Warum denn? Weil man in den Ländern die Reihenfolge der Dringlichkeit der Probleme offensichtlich nicht richtig einschätzt oder aber weil die Kultusminister anscheinend viel zu vornehme Leute sind, um sich gegenüber ihren Finanzministern entsprechend durchzusetzen. Ich wünsche den Kultusministern der deutschen Län- der etwas stärkere Ellenbogen, damit sie sich in ihren Kabinetten und in ihren Parlamenten durchsetzen.
— Es genügt nicht, Herr Kollege Kahn-Ackermann,
daß sich ein Kultusminister vor das Parlament hin-
stellt und sagt: Hier habe ich einen wunderbaren
Plan aufgestellt, er kostet 2 bis 3 Milliarden, der
Bund bezahlt. — Meine Damen und Herren, so ein-
fach darf man sich die Lösung einer Aufgabe nicht
machen, wenn man im öffentlichen Raum arbeitet.
— Herr Kollege Reitzner, der Herr Hundhammer hat solche Forderungen auch nicht erhoben.
Sie haben, Herr Kollege Reitzner — das fällt mir noch ein —, mit geradezu beschwörenden Worten auf die Schulraumnot in Hannover hingewiesen. Ich habe mir erzählen lassen, daß im Land Niedersachsen im allgemeinen und in Hannover im besonderen tatsächlich arge schulische Verhältnisse herrschen. Wenn ich das höre, taucht bei mir sofort die Frage auf: Warum hat denn der Rat der Stadt Hannover ein geheiztes und wunderbar ausgestattetes Affenhaus für mehrere hunderttausend Mark gebaut? Warum hat er denn nicht für dieses Geld eine Schule gebaut?
— Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Kollege, dann verstehen Sie meine Gedanken.
Ich denke gar nicht daran, mich in die Zuständigkeit des Rates der Stadt Hannover einzumischen. Möge der Rat dort beschließen, was er will. Aber falsch ist es, wenn man auf der einen Seite diese Ausgaben beschließt und dann sagt: Für die Schulhäuser habe ich kein Geld, da ist der Bund zuständig. Dafür muß ich eine Dotation von 250 Millionen verlangen.
Nun habe ich das Wort „Dotation" genannt.
— Ich verfüge nicht, der Herr Präsident verfügt.
Wenn es der Redner gestattet, können Sie eine Frage stellen, Herr Kollege.
Herr Niederalt, sind Sie sich bei Ihren Ausführungen der Tatsache bewußt, daß das, was wir verlangen, ja nicht, wie es hier dargestellt wird, eine Verlagerung der Schullasten auf den Bund bedeutet — Sie wissen doch, daß Idle Länder Hunderte von Millionen für den Schulhausbau Jahr für Jahr ausgeben —, sondern daß es sich hier lediglich um Zusatzgelder handelt, mit denen wirklich dringende Notstände, die trotz größter Anstrengung nicht beseitigt werden konnten, in einer vertretbar kurzen Frist bereinigt werden sollen? Sie werden mir doch zugeben, daß hier die ganze Zeit versucht wird, dieses Problem auf ein völlig falsches Gleis zu bringen?
Herr Kollege Kahn-Ackermann, wenn ich ein Lehrer wäre, müßte ich jetzt sagen: Sie haben nicht aufgepaßt! Sie haben anscheinend nicht gehört, wie ich anfangs meiner Ausführungen dargelegt habe, daß jeder Zuschuß praktisch auch eine Verwaltung und damit eine Zuständigkeit bedeutet. Der Bund ist und bleibt nicht zuständig, Herr Kollege! Wir kommen um das Problem nicht herum.
Zum Schluß noch eine kurze Bemerkung. Ich war erschüttert 'darüber, daß vor allem von den Ländern selbst dieser Ruf kommt, und ich war versucht, zu sagen: Herr, sie wissen .nicht, was sie tun. Aber 'bei näherem Zusehen scheint mir doch, die Länder wissen genau, was sie tun. Ein Teil der Länder, 'die diese Forderungen erheben, will — das ist meine feste Überzeugung — auf diesem Umweg mehr Zuständigkeit des Bundes auf kulturellem Gebiet, und ein anderer Teil der Länder oder der Ministerpräsidenten, die diese Forderungen erheben, will eine Vorwegnahme eines Finanzausgleichs, der am 1. April 1958 wahrscheinlich
Meine Damen und Herren, worum geht es hier? Es geht um die Beseitigung der Schulraumnot. Ich unterstelle, daß nach den Zahlen, die der Herr Kollege Reitzner angegeben hat und die, wie er sagte, von der Ständigen Konferenz der Kultusminister, also — es ist heute soviel von Zuständigkeit gesprochen worden — in diesem Falle von den zuständigen Stellen, gegeben worden sind, 30 000 Schulklassen fehlen. Sie führten dann weiter aus, von den vielen Fachräumen für den Physikunterricht, Naturwissenschaftsunterricht, für die musischen, die handwerklichen, die sportlichen Fächer wollten Sie überhaupt nicht reden. 30 000 Klassen fehlen! Meine Damen und Herren, was bedeutet das? Ich sage Ihnen zum Thema Schichtunterricht, daß unsere Kinder, unsere Eltern, besonders die Mütter, und die Lehrer sehr stark unter diesem Übel leiden.
Nun kann Idas Problem, wie wiederum die Kultusminister gesagt haben, erst in acht bis zehn Jahren gelöst sein. Ich rechne einmal aus: 250 Millionen DM werden hier gefordert, ich rechne auf den Klassenraum etwa 40 000 DM — denn wenn heute leine zehnklassige Schule erstellt wird, rechnet man mit rund einer halben Million; ziehe ich .also die anderen ab, komme ich auf 40 000 DM —; dann könnten wir mit 250 Millionen — Herr Dr. Pferdmenges nickt — 6250 Klassenräume bauen, — mit dem Geld, das hier vom Bund gefordert wird. Beteiligten sich die Länder mit derselben Kraft, würden wir in Idem gleichen Jahr 12 500 Klassenräume bauen, und wir hätten die ganze Geschichte in zweieinhalb Jahren hinter uns gebracht.
Warten wir aber, wie Sie :es wollen, acht bis zehn Jahre, meine Damen und Herren, — das dauert zu lange, und was dann an der Ausbildung und Erziehung derer, die hinter uns kommen, vernachlässigt wird, ist nicht wiedergutzumachen.
Es ist so viel von der Zuständigkeit gesprochen worden. Herr Kollege Niederalt, Sie sind beinahe bis an den Kern gekommen, und ich bedauere, daß Sie nicht ganz den Kern herausgeschält haben. Der Bund ist nicht zuständig, gut; ob wir das nun über Art. 120 machen, ist zweifelhaft — über einen anderen bringen wir es aber wahrscheinlich nicht fertig —, und wenn wir den Art. 120 heranziehen, müssen wir doch sehr großzügig ein wenig nachhelfen. Der Bund ist also nicht zuständig, zuständig sind die Länder. Und können die Länder es allein nicht schaffen — und ich gehe noch einen Schritt weiter: wollen die Länder es allein nicht schaffen —, dann ist die Frage für uns mit einer solchen Verantwortung verbunden, daß dann der Bund das Grundgesetz ändern muß. Darum kommen Sie nicht herum: wir werden es in diesem Bundestag nicht können.
— Nun gut, dann müssen wir alber zumindest einmal zeigen, daß wir es wollen.
Wenn wir einen solchen Antrag hier stellen und das Grundgesetz wird geändert,
dann werden wir wahrscheinlich darangehen, eine Stelle zu schaffen, die sich mit allen diesen Fragen vom Bund aus beschäftigt.
Herr Abgeordneter Könen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich nur zu Wort gemeldet., um Herrn Dr. Vogel die Frage nach der Rangliste zu beantworten. Ich habe also nicht gewußt - ich kann auch nichts dazu —, daß man mittlerweile über das Affenhaus gesprochen hat. Ich habe gemerkt: je länger man darauf wartet, bis man hier vorn ,ans Pult kommt, desto schwieriger wird es, den Vorsatz durchzuführen, sich so kurz wie möglich zu fassen.
Also die Frage vom Affendaus! Ernst zu nehmende Pädagogen befürworten seit Jahr und Tag den Wiederaufbau der Zoologischen Gärten in unseren Großstädten file unsere Jugend, damit sie die Verbindung zur Natur und zum lebendigen Tier endlich einmal wieder bekommt. Ich wundere mich, daß man das Argument vom Aufbau eines Affenhauses in Hannover, wo man 75 Schulen wieder aufgebaut hat, in die Debatte wirft. Mehr will ich dazu nicht sagen. Das ist ja albern. Hat man keine besseren Gründe anzuführen, dann sollte man es lieber bleiben lassen. Das war die Sache mit dem Affenhaus.
Nun kommt die Sache mit den „Verwaltungspalästen". Meine Damen und Herren, ich bin Düsseldorfer. Wenn ich mir überlege, daß ich noch nicht so 'alt bin wie die Pläne zum Neubau eines Rathauses in Düsseldorf, und wenn ich bedenke, wie schwer man sich in dieser reichen Stadt in Nordrhein-Westfalen tut, auch nur einen Verwaltungskomplex hinzukriegen, dann muß ich schon sagen: mit den „Verwaltungspalästen" ist das nicht so schlimm. Natürlich, wenn eine Stadt ein Rathaus baut, dann ist es ein• Rathaus, dann ist es, wenn es so, gebaut ist, meinetwegen auch ein „Verwaltungspalast". Aber Herr Kollege Dr. Vogel ist ein Mann, der aus dem Zahlenreich kommt, und ich vermute, daß ihm Zahlen am meisten imponieren. Deswegen habe ich ihm den Zwischenruf gemacht. Aus seiner Frage an Herrn Kollegen Reitzner, ob er wisse, wie die Gemeinden und Gemeindeverbände bei den Ausgaben für Bauten den Schulbau behandelten, ob sie da die richtige Rangfolge einhielten, habe ich gemerkt, daß er davon nichts versteht; sonst hätte er das nicht gefragt. Er hätte wissen müssen, daß die Beantwortung dieser Frage für ihn nicht gerade sehr schmeichelhaft ist. Ich habe mir die Antwort schnell geholt. Ich will sie Ihnen kurz bekanntgeben. Das war der eigentliche Grund, warum ich hier heraufging.
Das Deutsche Institut far Wirtschaftsforschung hat am 1. Februar 1957 folgende Zusammenstellung gemacht. Die öffentliche Hand hat im zivilen Bereich, also nicht Rüstung usw., insgesamt einen Betrag von 24,4 Milliarden DM seit dem Stichtag X des Jahres 1948 bis Ende 1956 investiert. Von diesen 24,4 Milliarden DM sind 7 Milliarden DM
für den Neubau und die Instandsetzung von Straßen verwendet worden, 4,9 Milliarden DM für den Bau von Schulen, 2,5 Milliarden DM im sozialen Sektor, insbesondere für Krankenhäuser, 3,8 Milliarden DM für öffentliche Einrichtungen, Straßenbeleuchtung, Entwässerung, Feuerlöschwesen usw. In diesen Milliardenbeträgen sind auch Mittel, die nicht von den Gemeinden stammen.
Wie sieht nun die Geschichte aus, wenn wir nur die Investierungen aus den gemeindlichen Mitteln ansehen? Die Gemeinden haben seit dem Stichtag der Währungsreform 1948 bis heute aufgewandt: für den Straßenbau 27,5% der investierten Mittel, für den sonstigen Verkehr einschließlich der Trümmerbeseitigung 3,5%, für Schulen 20% der gesamten Mittel!
Meine Damen und Herren, wenn sich wegen des Schulhaus die Leute auf anderen Ebenen die Köpfe ebenso zerbrächen wie in ,den Gemeindeparlamenten, sähe es ein bißchen anders aus.
Das andere will ich Ihnen nicht alles vorlesen; es sind auch Dinge, die in den Gemeinden lebenswichtig sind.
Nun will ich auf, die „Verwaltungspaläste" kommen. Insgesamt sind 2,3°/o für „sonstige Verwaltungszweige" ausgegeben worden. In ,diesen 2,3% stecken also dann die „Verwaltungspaläste". Ich hielt es für notwendig, das zur Ehre der Gemeinden zu sagen.
Im übrigen darf ich feststellen: die Ausführungen von Frau Vietje, die sich bemühte, hier darzutun, wie sehr sich die CDU ,auf der kommunalen Ebene bemüht habe, können nur geeignet sein, uns zu helfen. Die Gemeinden, das wissen Sie ganz genau, könnten diese Beträge sehr gut gebrauchen, um ihre Wünsche bezüglich des Schulbaus zu verwirklichen. Reden Sie nicht so viel darüber, machen Sie es!
Keine weiteren Wortmeldungen? — Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen über den Änderungsantrag ,der Fraktionen der SPD, GB/BHE auf Umdruck 1065*) ab. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. — Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.
— Es tut mir schrecklich leid, meine Damen und Herren, die Abstimmung ist geschlossen. Sind Sie denn entschuldigt, gnädige Frau? — Auch nicht; dann sind 25 Mark weg.
Sehen Sie, das ist nun das Ergebnis unserer maschinellen Technik. Bis jetzt konnten wir viel humaner sein und bis zum Schluß warten. Aber jetzt können wir es nicht mehr ändern. Die 25 Mark müssen Sie bezahlen.
*) Siehe Anlage 10.
— Nein, stimmen können Sie auch nicht. Zahlen müssen Sie, und stimmen dürfen Sie auch nicht mehr!
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt: 376 abgegebene Stimmen, davon 156 Ja, 220 Nein. Berliner Abgeordnete: 17 abgegebene Stimmen, davon 12 Ja und 5 Nein. Der Änderungsantrag auf Umdruck 1065 ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 1077. Es ist der Änderungsantrag der Abgeordneten Schoettle, Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Dr. Kather und Genossen. Wer begründet den Antrag? — Herr Abgeordneter Prinz zu Löwenstein!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen ,und Herren! Seit über einer Stunde steht der Name Nicolaus Cusanus im Raume. Das macht mir meine Aufgabe, den Antrag auf Umdruck 1077 **) betreffend einen Zuschuß von 500 000 DM für die Errichtung eines Behelfsbaues für das Nicolaus-Cusanus-Gymnasium II in der Stadt Bonn zu begründen, nicht leichter. Der erste, der mir meine Aufgabe erschwert hat, war der Herr Kollege Reitzner, wenn er auch in guter Absicht gehandelt hat. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Er griff in den Kampf ein, und zwar mit beiden Seelen, die in seiner Brust wohnen, mit der Seele des Finanzministers und des Abgeordneten von Passau. So entbrannte der Kampf für und wider den Föderalismus in Deutschland.
Der historische Nicolaus Cusanus war nun zwar ein Mann, der zur Reform der Reichsverfassung sehr konkrete Vorschläge zu machen hatte und der als erster erkannte, daß das Verhältnis zwischen der zentralen Gewalt und den Territorien gründlich geändert werden müßte, damit aus Deutschland nicht ein Monstrum sui generis werde. Aber dieser Antrag hat nun wirklich nichts mit diesem Problem zu tun. Er berührt nicht die Stellung der Länder, er soll nicht in versteckter Weise eine Änderung des Grundgesetzes herbeiführen,
um die Schulhoheit der Länder anzutasten.
Nur optisch handelt es sich bei diesem Antrag um ein Petitum, das von den Oppositionsparteien allein ausgeht. In Wirklichkeit ist es doch wohl ein Anliegen, das durch alle Parteien hindurchgeht. Es handelt sich hier um einen Not- und Ausnahmefall, was sich auch ganz klar aus dem Antrag ergibt, und zwar um einen Not- und Ausnahmefall, für den der Bund eine klare Verantwortung trägt.
Die Nicolaus-Cusanus-Schule ist im Herbst 1951 errichtet worden, um einem gesamtdeutschen und europäischen Bedürfnis Rechnung zu tragen. Man nennt sie in der Presse — gerade in den letzten Wochen seit denn Schulstreik ist der Ausdruck immer mehr aufgekommen — die Prominentenschule. Das ist ein irreleitender Ausdruck. Es geht hier nicht um eine „Prominentenschule", es geht um eine ganz gewöhnliche Schule, deren Zusammen-
*) Vgl. S. 11965.
**) Siehe Anlage 11.
setzurig allerdings die Aufmerksamkeit des Bundes erfordert: 55 % der Schüler sind 'die Kinder von Bundesbediensteten, 10 % der Schüler sind die Kinder ausländischer Diplomaten, und 40 % stammen aus der Sowjetzone oder aus den deutschen Provinzen östlich der Oder-Neiße-Linie. Die Bundesregierung hat das Po st ministerium nach Bonn verlegt. Das Bundesverteidigungsministerium wird ausgebaut. Es werden jetzt 1000 Wohnungen für die Beamten des Bundesverteidigungsministeriums errichtet. Der Zustrom von Schülern wird sich daher weiter steigern. Hinter Nicolaus Cusanus II taucht bereits Nicolaus Cusanus III auf.
Wir sind der Meinung, daß in diesem ganz besonderen Fall nicht der Landtag von Nordrhein-Westfalen herangezogen werden kann, sondern daß die erste Hilfe, diese einmalige Hilfe, vom Bunde kommen muß, der diese Notlage herbeigeführt hat. Aus diesen Gründen ist ja Anfang 1956 Nicolaus Cusanus II mit 500 Schülern gegründet worden. 80 % dieser Schüler sind die Kinder von Bundes- bediensteten. Es ist nötig geworden, den Nachmittagsunterricht einzuführen. Dieser Schichtunterricht, über ,den heute schon einiges gesprochen wurde, ist ein sehr schweres und großes Problem, und ich bin froh, daß es heute ganz allgemein angesprochen worden ist. Wer das Bonner Klima kennt, wird bestätigen, daß der Nachmittagsunterricht hier mit besonderen gesundheitlichen Gefahren verbunden ist. Es war eine so unerträgliche Lage entstanden, daß sich das Kultusministerium entschlossen hat, den Schichtunterricht auf beide Schulen, Nicolaus Cusanus I und Nicolaus Cusanus II, auszudehnen, wodurch die Lage allerdings nicht besser geworden ist. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Natur dieser Schule, der Europa-Schule, wie sie auch genannt wird, zur Folge hat, daß die Schüler mit verschiedenen schulischen Vorbildungen hierherkommen. Daher ist die Durchführung des Schichtunterrichts ganz besonders schwierig.
Das hat bereits zu einer auch außenpolitisch sehr unerwünschten Lage geführt. Diese Schule ist ja auch geschaffen worden, um die deutsche Erziehung an die Kinder der ausländischen Diplomaten heranzubringen. Wir sind stolz und glücklich gewesen, daß das möglich war. Nun hat die Vorsitzende der ausländischen Eltern, Mrs. Brown, am 5. Oktober 1956 einen Brief an die Schule geschrieben, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz zitieren möchte. Sie sagt darin, man müsse mit Bedauern feststellen, daß in der vorläufigen Bundeshauptstadt für diese Kinder nicht mehr die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Schulausbildung gegeben wäre, sollte der Schichtunterricht weitergeführt werden. Es besteht also heute die Gefahr, daß wir diese Kinder verlieren. Ich meine, daß auch aus diesem Gesichtspunkt eine besondere Pflicht des Bundes gegeben ist.
Woher sollen wir das Geld nehmen, meine Damen und Herren? Man kann doch schließlich nicht für die Bundeshauptstadt Bonn das Geld aus dem Fonds für die unterentwickelten Gebiete nehmen! Ein festes Gebäude ist zugesagt; es wird erstellt werden. Die Stadt Bonn hat bereits Grund und Boden zur Verfügung gestellt. Aber es wird eine gewisse Zeit dauern, bis dieses Gebäude da ist. Daher haben die Pflegschaft der Schule und die Vertreter der Eltern die Angelegenheit genau überdacht. Sie haben sich mit Firmen in Verbindung gesetzt. Man kam zu dem Ergebnis, daß eine Barackenlösung möglich und nötig ist und daß eine
solche Lösung, so unvollkommen sie auch sein mag, immer noch besser ist als der jetzige gesundheitsschädigende Schichtunterricht, vor allem in der heißen Jahreszeit. Nach Angabe der Firmen könnte dieses provisorische Schulgebäude in 10 bis 12 Wochen fertiggestellt werden. Es würde vorläufig ausreichen, um diesen Notständen zu begegnen, und dafür ist das Geld erforderlich.
Ich darf vielleicht noch einmal betonen, daß ich hier wirklich eine Pflicht des Bundes sehe. So wie der Bund die Pflicht hat, für die Wohnungen für seine Beamten und Angestellten zu sorgen, so besteht auch eine Pflicht des Bundes, für den Unterricht zu sorgen, wenn die Schulbedürfnisse durch die besonderen bundesbedingten Umstände herbeigeführt worden sind.
Ich darf noch eines sagen, meine Damen und Herren. Bei der vom Herrn Bundesfinanzminister erwähnten Elternversammlung hat es sich nicht etwa um eine turbulente Versammlung gehandelt, dazu bestimmt, das deutsche Parlament unter Druck zu setzen. Die Majorität der Eltern besteht aus deutschen Beamten. Muß ich noch mehr sagen, um zu beweisen, daß es eine höchst geordnete und staatstreue Versammlung gewesen ist? Aber es war eine Versammlung, die überparteilich und durch alle Fraktionen hindurchgehend auch ihrerseits diese Bitte an den Deutschen Bundestag gerichtet hat, Abhilfe zu schaffen, damit außenpolitische Schäden abgewehrt und gesundheitliche Schäden von den Schülern abgewendet werden können.
Ich möchte daher das Hohe Haus bitten, diesen Antrag nicht irgendwie parteipolitisch werten zu wollen, sondern ihm in breiter Mehrheit zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hermsdorf.
— Verzichtet; ausgezeichnet. Niemand wünscht sonst das Wort. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1077*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Mein Herr Schriftführer zur Rechten meint, wir sollten durch Aufstehen abstimmen. Also: wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 1043**). Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. von Buchka. — Er ist nicht im Saal. — Auf Begründung wird verzichtet. Wünscht jemand zu diesem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. von Buchka, Dr. Arndt, Frau Dr. Dr. h. c. Lüders usw. das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch im Einvernehmen mit dem Herrn Kollegen Dr. von Buchka habe ich die Ehre, für alle Antragsteller diesen Antrag zu begründen. Der Antrag ist von Mitgliedern aller. Fraktionen unterzeichnet und wohl einhellig von den beiden
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 12.
Fachausschüssen, dem Ausschuß für innere Verwaltung und dem Ausschuß für Rechtswesen, erarbeitet worden.
Es handelt sich um das Bundesverwaltungsgericht. Der Antrag entspricht den Wünschen des Bundesverwaltungsgerichts selbst, insbesondere den Vorschlägen, die der Herr Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hier im Bundestag auf Wunsch der Ausschüsse selber vorgetragen hat.
D as Bundesverwaltungsgericht braucht unbedingt zwei neue Senate, und zwar einen zusätzlichen Senat für die Fragen des Wehrverwaltungsrechts — Fragen, die besonders schnell entschieden werden müssen — und einen Senat, um die Rückstände aufzuarbeiten und um es zu ermöglichen, daß das Bundesverwaltungsgericht künftig auf dem laufenden bleibt.
Die Geschäftslage des Bundesverwaltungsgerichts ist so, daß man von einer ordnungsmäßigen Rechtspflege wegen der großen Verzögerungen nicht mehr sprechen kann. Das Bundesverwaltungsgericht that seine Tätigkeit im Jahre 1953 aufgenommen und damals bereits einen solchen Anfall von Rechtsstreitigkeiten vorgefunden, daß es im ersten Jahre seiner Tätigkeit nur 519 Prozesse erledigen konnte, während 1180 Prozesse unerledigt in das nächste Jahr übernommen werden mußten. Im zweiten Jahr seiner Tätigkeit, 1954, haben ,die Rückstände um mehr als die Hälfte, um 540/o, zugenommen und sich auf 1821 erhöht gegenüber 1363 Erledigungen. Im Jahre 1955 ist eine weitere Steigerung der Rückstände um 34°/o auf insgesamt 2431 zu verzeichnen. Die Lage hat sich auch 1956 nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Das Bundesverwaltungsgericht ist mit den Richtern, die ihm zur Verfügung stehen, außerstande, den großen Anfall an Verwaltungsstreitigkeiten, der ganz naturgemäß bei einer so großen Verwaltung in Bund und Ländern entsteht, zu bewältigen. Ich darf nur einmal gegenüberstellen, daß wir bisher, wenn es nach dem Haushaltsvoranschlag ginge, 30 Bundesrichter und fünf Präsidenten beim Bundesverwaltungsgericht hätten, während wir in Bund und Ländern zusammen — mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, für die sich das im Etat nicht nachweisen läßt, und des Saarlandes — 37 Staatssekretäre, 118 Ministerialdirektoren, 198 Ministerialdirigenten und 906 Ministerialräte haben. Das sind insgesamt ungefähr 1200 Ministerialbeamte höchsten Ranges, die fortgesetzt allein auf 'der Ministerialebene — von der mittleren oder der unteren Ebene und den Kommunen gar nicht zu sprechen — Verwaltungsakte hervorbringen, die in letzter Instanz nur von bisher weniger als 30 Bundesrichtern geprüft werden sollen. Es ist ein völlig unverantwortliches Mißverhältnis, das hier besteht und das dazu geführt hat, daß in einer Schrift, die uns alle alarmieren sollte, die der Tübinger Rechtslehrer Otto Bachof in den letzten Wochen über die Lage des Rechtsschutzes in Deutschland veröffentlicht hat, eindringlich von wissenschaftlicher ,Seite :darauf hingewiesen wird, daß diese strukturelle Überlastung des Bundesverwaltungsgerichts, die keineswegs vorübergeht, sondern auf seine zu kleine Anlage zurückzuführen ist, institutionell heute schon eine Gefährdung seiner allerersten Aufgabe, nämlich der Wahrung der Rechtseinheit, bedeutet,
ganz zu schweigen davon, daß Prozesse so lange dauern, daß man sich dunkel an das Reichskammergericht in Wetzlar erinnert.
Aus diesen Gründen bitten die Unterzeichner aus allen Fraktionen, die dringend notwendige Vervollständigung des Bundesverwaltungsgerichts vorzunehmen und die vom Gericht selber gewünschte und für notwendig erachtete Verstärkung seiner Arbeitskraft vorzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in einer nicht ganz leichten Lage, da ich das Prinzip, daß die Bundesminister an die Kabinettsvorlagen gebunden sind, innehalten muß.
— Deswegen bemühe ich mich jetzt, Herr Kollege Schmitt, mich sehr vorsichtig auszudrücken.
— Sie werden es sofort hören, Herr Kollege Greve!
Die Kabinettsvorlage sprach den Wunsch aus, einen weiteren Senat zu bekommen. Das ist im Haushaltsausschuß nicht zugestanden worden. Ich bin durchaus berechtigt, mich unter Innehaltung des gerade genannten Prinzips nachdrücklich für einen Senat auszusprechen. Herr Kollege Arndt hat einige Zahlen genannt. Ich will Sie hier mit Zahlen über die Geschäftslage, die in der Tat sehr beängstigend sind, nicht lange aufhalten. Im Prinzip bin ich Anhänger höchstrichterlicher Gerichte mit möglichst begrenzter Personenzahl und von möglichst hoher Qualität. Das läßt sich aber kaum durchhalten, wenn man den Sockel der Verwaltungsgerichtsbarkeit so breit gemacht hat, daß das sicher ideale Prinzip schwer durchführbar wird.
Ich möchte nun doch sehr gern sehen, daß man wenigstens den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Stand erreicht. Würde aber der jetzt vorliegende Antrag, der auf zwei Senate lautet, abgelehnt, hätten wir weniger als das, was in der Regierungsvorlage erbeten worden ist. Vielleicht findet das Hohe Haus einen Weg, auf jeden Fall einen Senat sicherzustellen. Nach der technischen Anlage des Antrags ist das nicht ganz leicht, weil er einheitlich gefaßt ist und man ihn schwer in Ziffern zerlegen kann. Aber vielleicht gibt es jemanden, der einen technischen Weg findet, auf dem es möglich ist, wenigstens den einen Senat sicherzustellen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1043*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Zur Abstimmung?
— Aber ich habe gerade die Aussprache geschlossen. Jetzt lassen Sie uns abstimmen! — Wer diesem
*) Siehe Anlage 12.
Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! -- Welch verwunderliche Situation; das ist die Mehrzahl!
— Na ja, bei so vielen Abstimmungen! — Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer ist dagegen? — Es tut mir leid, ich kann es nicht ändern; wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
Sind nur noch Berliner Abgeordnete im Saal? — Ich bitte, die Türen zu schließen. - Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte die Türen zu schließen.
Ergebnis der Auszählung: Der Änderungsantrag Umdruck 1043 ist angenommen; 173 Ja-Stimmen, 169 Nein-Stimmen bei einer Stimmenthaltung.
— Nein, die Stimmenthaltung war die des Bundestagspräsidenten, denn dieser hat noch nicht studiert, worum es sich hier eigentlich handelt, der muß aufpassen und zählen; infolgedessen kann er nicht auch noch auf den Inhalt der Vorlage achten.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1078*). Wer begründet? — Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat heute morgen unseren Antrag auf die Überprüfung der Jahresrechnung für die Ausgaben des Titels 300 in Kap. 06 09 einleitend sofort mit der Devise abgewertet: Alle Jahre wieder! Ich möchte Ihnen, Herr Innenminister, sagen, daß der Antrag gerade in diesem Jahre eigentlich diese Abwertung nicht verdient hätte. Das hätten Sie feststellen können, wenn Ihr Haus Ihnen noch einmal die Protokolle des letzten Jahres vorgelegt hätte.
Wir sind uns doch wohl alle einig über die Tatsache, daß die Geheimfonds in einem unerträglichen Ausmaß wachsen. Die Prinzipien der öffentlichen Kontrolle aller Finanzmaßnahmen müssen aber auch hier gewahrt werden, weil bei den Geheimfonds immer wieder die Gefahr des Mißbrauchs besteht. Wir haben es im letzten Jahre sehr begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler für die Überprüfung der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes ein dreiköpfiges Gremium zugelassen hat. Wir hatten bestimmt gehofft, daß das auch für Sie ein Anlaß sein würde, uns in diesem Jahre Vorschläge zu machen, wie Sie die Ausgaben des Bundesverfassungsschutzamts in ähnlicher Weise für das Parlament offenlegen und uns die Möglichkeit geben wollen, diesen Titel zu überprüfen.
Darüber hinaus, Herr Minister: Ihr Haus hat immer wieder darauf hingewiesen, daß auch in der Weimarer Republik diese Mittel der Kontrolle des Parlaments entzogen gewesen seien. Ich möchte doch einmal ausdrücklich feststellen, daß das nicht richtig ist. Die Überprüfung der Jahresrechnung über die Mittel zur Förderung des Nachrichtenwesens im In- und Ausland — das war damals der Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen
*) Siehe Anlage 13.
Ordnung — in Höhe von 240 000 Reichsmark im Durchschnitt oblag dem Reichsschuldenausschuß. Dieser tagte unter dem Vorsitz des Präsidenten des Rechnungshofs und hatte sechs Mitglieder des Reichsrates und sechs Mitglieder des Reichstags. Die parlamentarische Kontrolle war also durchaus gesichert.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände bittet unsere Fraktion das Hohe Haus, doch nunmehr den Haushaltsvermerk in der vorgeschlagenen Form zu beschließen:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aus drei Mitgliedern zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Auch der Hinweis auf die Praxis in allen deutschen Ländern schlägt nicht durch. Im Etat von Berlin z. B. ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Ausgaben für die Nachrichtenbeschaffung — es sind hier 450 000 DM - nicht der Prüfung des Rechnungshofs unterliegen, sondern daß der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses laufend darüber unterrichtet wird. Meine Damen und Herren, Sie sollten dem Antrag auf eine wirkliche Durchleuchtung aller Geheimfonds folgen!
— Das muß Ihre Fraktion dort beantragen!
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schmitt hat recht, daß ich schon in meiner Entgegnung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Ritzel darum gebeten hatte, diesen Antrag abzulehnen wie auch in den vergangenen Jahren. Er hat mir den Herrn Bundeskanzler als Vorbild vorgehalten. Meine Damen und Herren, ich würde mich gar nicht scheuen, zu sagen, daß das ein sehr nachahmenswertes Vorbild ist.
— Ja, ist jemand dagegen? Ich kann es nicht verneinen. Es muß sich nur um vergleichbare Tatbestände handeln. Der Tatbestand, für den der Herr Bundeskanzler eine andere Auffassung vertreten hat, liegt eben anders als der Tatbestand hier.
Das Berliner Beispiel, das Herr Kollege Schmitt genannt hat, kann ich im Augenblick, wie Sie verstehen, nicht nachprüfen. Es bleibt richtig, was ich gesagt habe — nun, Berlin nehme ich aus —: daß im übrigen die Praxis, die ich beizubehalten bitte, auch die Praxis der anderen Landtage hinsichtlich der Verfassungsschutzfonds — wenn ich sie so nennen soll — ist. Das ist eine gute alte Praxis, es ist auch eine internationale Praxis. Es würde der Sache nicht dienen, wollte man davon abweichen.
Deswegen habe ich die Bitte an das Hohe Haus, wie in den vergangen Jahren so auch diesmal diesen Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD 'auf Umdruck 1078*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1079**) auf. Wird der Antrag begründet? — Frau Abgeordnete Renger, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Da-Damen und Herren! Es ist sehr bedauerlich, daß meine Fraktion heute nach mehrjährigen Versuchen feststellen muß, daß die Bundesregierung ihr Versprechen nicht gehalten hat, die Sorge um den Schutz der zivilen Bevölkerung an die erste Stelle ihrer Bemühungen zu setzen. Der Herr Bundesinnenminister hat im April 1954 erklärt, nachdem er die Vereinigten Staaten besucht habe, werde er ein .,umfassendes, gut vorbereitetes Luftschutzprogramm" dem Hause vorlegen. Dieses Versprechen hat er, wie beinahe anzunehmen, nicht eingehalten. Seitdem Luftschutzfragen durch die Alliierte Kommission bereits im Herbst 1951 der Bundesregierung übertragen wurden, erschöpft sich hier in der Bundesrepublik und im Innenministerium die ganze Diskussion um diese wichtigen Fragen in der Planung über das völlig unzulängliche Luftschutzgesetz. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen auf diesem Gebiet sind überhaupt nicht der Rede wert. Man kann also feststellen, daß das zuständige Ministerium, wie schon so häufig, offensichtlich überfordert warden ist. Es hat in dieser Frage einfach versagt. Nicht einmal dieses unzulängliche Luftschutzgesetz — Sie erinnern sich an die vielen Diskussionen in diesem Hause —, das in unendlichen Ausschußsitzungen, so gut es ging, verbessert worden ist, ist zustande gekommen, einfach deshalb, weil der Herr Bundesfinanzminister offensichtlich die Bemühungen um die Wiederaufrüstung und die Stationierungskosten für bedeutsamer und wichtiger gehalten hat als die Sorge für die Bevölkerung. Sie wissen alle, daß in der letzten Zeit die Sorge in der Bevölkerung noch viel größer geworden ist, nachdem die Menschen draußen wissen, daß in der Bundesrepublik Atomwaffen lagern und daß bis heute von der Bundesregierung nicht definitiv 'erklärt worden ist, daß die Bundeswehr nicht mit Atomwaffen ausgerüstet werden soll. Die Sorge ist also ungeheuer verstärkt worden. Ich möchte hinzufügen: der gleiche Herr Finanzminister ist aber bereit, an die Stationierungsmächte über die vertraglich festgelegten Summen hinaus viele hundert Millionen zusätzlich zu verschenken, eine Summe, die in ihrer Endzahl überhaupt noch nicht errechnet werden kann; der Herr Bundesfinanzminister wird dem kaum widersprechen können.
Der ehemalige Herr Verteidigungsminister Blank hat in diesem Hause und vor der Bevölkerung erklärt, daß der zivile Bevölkerungsschutz den Vorrang vor der militärischen Aufrüstung haben soll. Auch dieses Versprechen ist, wie selbstverständlich, nicht eingehalten worden. Diese Regierung hat die Bevölkerung völlig im unklaren darüber gelassen, was an Schutzmaßnahmen möglich ist und welcher Art die Gefahren sind, die möglicherweise auf die-
*) Siehe Anlage 13 **) Siehe Anlage 14
ses Volk zukommen. Ich meine aber, die Bevölkerung hat ein Recht darauf, Auskunft zu erhalten, welche Konsequenzen — ich sage: möglicherweise
— aus dieser Regierungspolitik entstehen können. Den Schluß, den ich daraus ziehe, mögen Sie sehr widerwillig hinnehmen; man könnte aber zu der Meinung kommen, daß die Bundesregierung ein gewisses Interesse daran hat, die Konsequenzen zu verschleiern, um das Volk in eine Sicherheit zu wiegen, die es gar nicht hat.
— Einen Moment, wenn Sie später reden wollen!
— Ich frage nur eines, meine Damen und Herren: warum eigentlich in diesen Fragen, die uns alle angehen, die ewige Geheimniskrämerei? In anderen Ländern wird die Bevölkerung von ihrer Regierung aufgeklärt. Der Herr Bundesinnenminister hat sich auch heute hingestellt und so nett gesagt, die Regierung sei verpflichtet, immer auszusprechen, was ist. Nun, Herr Bundesinnenminister, sagen Sie der Bevölkerung draußen die Wahrheit, was möglicherweise geschehen kann!
In der Drucksache 3430, die mit fünfmonatiger Verspätung dem Parlament vorgelegt worden ist
- wie die Vorlagen immer —, ist die Bundesregierung in ihren Überlegungen wenigstens so weit gekommen, zu sagen, wie die katastrophalen Möglichkeiten aussehen können, nämlich welche Gefahren es itiberhaiupt geben kann, Gefahren des radioaktiven Niederschlags, der chemischen und biologischen Kampfmittel, und mit welchen Schwierigkeiten die ärztliche Versorgung zu rechnen haben werde. Unter dem Ganzen standdann wieder : Nicht entscheidungsreif, und : Die Finanzierung ist nicht gesichert. Immer ist diese Frage sehr viel wichtiger als die Sorge, die uns hier alle bewegen sollte.
In idem ,gleichen Bericht ist auch von Evakuierungsmaßnahmen die Rede, die inzwischen geprüft werden sollen. Ich frage Sie, Herr Bundesinnenminister: Wollen Sie der Bevölkerung vielleicht einmal sagen. wann sie sich evakuieren lassen soll, wenn die Warnzeichen heute mit drei bis fünf Minuten von der NATO angegeben werden, mit der Sie ja eng zusammenarbeiten. Und wollen Sie den Menschen auch einmal sagen, wohin sie sich eigentlich evakuieren lassen sollen. Sie müssen den Menschen hier die Wahrheit sagen. Sie können den Menschen draußen doch nicht verheimlichen, daß dort, wo Atombomben lagern und wichtige Industriezentren sind, in einem Konflikt auch die ersten Atombomben fallen können. Sie können den Menschen — das können Sie doch nicht widerlegen — auch nicht verheimlichen, daß dort, wo Atombomben fallen, jedes Leben ausgelöscht ist.
Sagen Sie den Menschen draußen einmal ganz klar. was möglich ist. Sagen Sie ihnen, daß die Bombe von Hiroshima 12 Quadratkilometer Fläche zerstört, 78 000 Menschen getötet. 70 000 verwundet hat; 14 000 werden vermißt. Eine Atombombe neueren Ausmaßes würde eine viel größere Zerstörung hervorrufen. Aber so klar und so nüchtern und so kalt das klingt, — je weiter die Men- schen vom Nullpunkt, von dem Punkt des Einschlagens einer Bombe, entfernt sind, um so besser sind wahrscheinlich die Möglichkeiten, ihnen zu helfen. Deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, zu erklären, daß es einen absoluten Schutz nur dann gibt, wenn unsere Bundesregierung entscheidend dazu beiträgt, daß durch ihre Politik — ich will ihr nicht abstreiten, daß sie das möchte — der
Frieden erhalten bleibt. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, das Ihrige dazu beizutragen, um bei Iden Abrüstungsgesprächen zu positiven Ergebnissen zu kommen und ,die Lagerung und die Ausrüstung mit Atomwaffen konsequent abzulehnen. Erklären Sie das ganz verbindlich! Die deutsche Bevölkerung ist äußerst beunruhigt — Sie sind ja alle in Versammlungen und können die Reden hören — über die letzten Erklärungen der NATO-Strategen: daß eine Verteidigung an der Elbe nicht möglich ist und in jedem Fall Atomwaffen verwendet werden.
— Aber natürlich haben wir welche auf deutschem Boden — noch! Schauen Sie, damit wäre Deutschland automatisch in einen Atomkrieg hineingezogen.
Ich möchte den Herrn Bundeskanzler, der leider nicht hier sein kann, fragen, wo seine Erklärung bleibt, daß er einer solchen militärischen Planung nicht zustimmen kann. Und wann will er den Beweis für seine Behauptung antreten, die er den Wissenschaftlern gegenüber aufgestellt hat, daß er über Kenntnisse verfüge, wie ein Schutz der Zivilbevölkerung möglich sei. Ich habe es mir abgewöhnt, an Wunder zu glauben. Hierzu möge sich der Herr Bundeskanzler und nicht der Bundesinnenminister äußern; denn der Herr Bundeskanzler hat diese Behauptung aufgestellt.
— Einen Moment, Sie können zum Schluß Fragen stellen.
— Dann lassen Sie es. — Es ist doch ein ernstes Problem; tun Sie es doch nicht einfach mit einem Lächeln ab.
Den Schleier über das, was möglich ist, haben die 18 Wissenschaftler zerrissen. Das können Sie so und so bereden, die Sache ist klargelegt. Übrigens hat die Opposition auch in dieser Richtung ihre Auffassungen schon lange gesagt.
Meine Damen und Herren, es ist vielleicht möglich, den Überlebenden einer solchen Katastrophe Hilfe zu bringen, und dieser Verpflichtung will sich die Opposition unterziehen. Durch die Schuld der Regierung befinden wir uns heute, obgleich sie wohlgemerkt seit 1951 die Gefahren sehen mußte, in der Situation, daß die Bevölkerung, wenn heute oder in absehbarer Zeit etwas einträte, in ihrer großen Masse vermutlich der Vernichtung preisgegeben wäre; nicht ein bißchen Hilfe könnte geleistet werden. Die Überlebenden der Katastrophe könnten keine Hilfe erhalten, weil vorher die notwendigsten Maßnahmen wie Bevorratung von ärztlichen Hilfsmitteln, von Lebensmitteln und anderen Dingen sowie die Aufklärung der Bevölkerung nicht durchgeführt worden sind. Die Regierungsparteien haben jahrelang die Anträge der Opposition niedergestimmt.
— Natürlich haben sie sie niedergestimmt. Wären sie angenommen worden, dann wäre für diese
Hilfsmaßnahmen wenigstens schon ein Anfang gemacht. So ist aber praktisch nichts vorhanden. Vielleicht denkt ein einzelner: Ich möchte so eine Katastrophe überhaupt nicht überleben. Hier geht es aber darum, daß diejenigen, die das Grauen überleben, nicht durch das Versagen der Regierung unter zusätzlichen Qualen grauenvoll „verrecken".
Wenn in Hiroshima andere Mittel vorhanden gewesen wären, hätte man vielen Menschen das Leben retten können; sie wären nicht umgekommen.
— Aber lassen Sie mich doch reden; Sie können ja nachher sprechen.
Meine Damen und Herren, weil es einen umfassenden Luftschutz nicht gibt, sollte man in Zukunft dieses irreführende Wort auch nicht mehr gebrauchen, sondern von Selbstschutz sprechen. Nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion muß es die Verpflichtung der Regierung sein, jedes Menschenleben zu retten. Wer Menschenleben gegen D-Mark aufrechnet, handelt unmenschlich. Daß das in einem gewissen Sinne geschehen und offensichtlich auch jetzt noch ausschlaggebend ist, zeigt doch die merkwürdige Zurückhaltung der Bundesregierung nach dem Abschluß der Beratung des Luftschutzgesetzes, nachdem nämlich beschlossen worden ist, daß der
I) zivile Bevölkerungsschutz zu den Verteidigungslasten des Bundes gehört und damit auf seine Kosten geht. Dieser Beschluß ist in der gemeinsamen Sitzung des Kommunalpolitischen Ausschusses, des Wohnungsbauausschusses, des Ausschusses für innere Verwaltung und des Haushaltsausschusses einstimmig oder nahezu einstimmig gefaßt worden. Damals hat der Herr Bundesfinanzminister in dieser Sitzung erklärt, daß er nicht bereit sei, für diesen zivilen Bevölkerungsschutz auch nur einen Pfennig mehr als vorgesehen auszugeben.
Dann, als die Sache in seiner eigenen Fraktion nicht gut lief, ließ er durchblicken, er sei bereit, auf, ich glaube, 70 : 30 zu gehen.
Nun kommt noch etwas hinzu. Der Herr Bundesinnenminister sprach vorhin davon, daß er den Gemeinden nicht hineinreden wolle. Es wurde vorhin schon erwähnt. Nicht nur, daß man sogar die Organisation bis in die Gemeinden hinein vom Bundesinnenministerium vorgeplant hatte — darüber könnte man noch reden —, nein, es ist voll beabsichtigt gewesen: ein Drittel Gemeinden, ein Drittel Länder, ein Drittel Bund. Bisher ist mir nicht bekannt, Herr Bundesinnenminister, daß die Gemeinden Finanzpartner des Bundes sind. Bisher haben wir in unserem Finanzaufbau noch nicht das, was die Sozialdemokratie schon lange will, nämlich die Gemeinden als dritte Säule neben Bund und Ländern. Nur müßten die Gemeinden dann bei der Steuerverteilung auch die entsprechenden Zuweisungen erhalten.
Merkwürdigerweise ist es um das Luftschutzgesetz sehr still geworden. Das läßt zwei Schlüsse
zu, von denen Sie sich einen aussuchen können. Entweder handelt die Regierung der Bevölkerung gegenüber verantwortungslos oder sie hat die Erkenntnis gewonnen, daß es keine sinnvollen Schutzmaßnahmen gibt. Wenn das letztere aber die Meinung der Regierung sein sollte, dann sollte sie vor das Volk draußen hintreten und erklären, sie betreibe getreu den NATO-Richtlinien eine militärische Aufrüstung, vor den Konsequenzen einer solchen Politik könne sie dieses Volk aber nicht schützen.
Meine Fraktion, die für diese Politik keine Verantwortung trägt, ist der Meinung, daß man die Auswirkungen auf die Überlebenden einer solchen Katastrophe vielleicht begrenzen kann. Sie ist der Meinung, daß dieser Versuch in jedem Fall unternommen werden muß.
Deswegen beantragen wir mit unserem Änderungsantrag auf Umdruck 1079 *), Herr Bundesinnenminister, für die Einleitung von Sofortmaßnahmen auf dem Gebiet der ärztlichen Hilfeleistung, des unterirdischen Krankenhausbaus, der Bevorratung von Blutkonserven, der Bevorratung von Lebensmitteln, der Forschungsaufgaben für den Strahlenschutz und andere Auswirkungen der atomaren Bomben und die Ausbildung von weiteren Hilfskräften in diesem Haushalt 1 Milliarde DM einzusetzen.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß Sie Verständnis dafür haben, daß es uns wichtiger ist, erst einmal für den Schutz der zivilen Bevölkerung zu sorgen, ehe wir so viel in die Bewaffnung hineinstecken. Wir schlagen Ihnen deshalb auch vor — Sie können es auch von den überschießenden Beträgen nehmen, die 'der Herr Bundesfinanzminister verschenkt hat —, diesen Betrag vom Haushalt des Verteidigungsministeriums abzusetzen. Wir bitten Sie um die Zustimmung zu diesem Antrag.
Das Wort hat der Herr Bundesminister dies Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Kollegen gab schon ein Zeichen des Entsetzens von sich, daß ich zu diesem Punkte noch einmal das Wort ergreifen wollte. Aber 'ich glaube, ich muß es tun trotz der vorgerückten Stunde und obwohl wir schon etwas aus unserer 'zeitlichen Disposition herausgekommen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden am Freitag dieser Woche, wenn ich nicht irre, auch auf dieses Thema zurückkommen. Deswegen kann ich mich hier sehr kurz fassen. Der Antrag, der heute vorgelegt wird, ist in der textlichen Formulierung etwas anders, als wir ihn in den vergangenen Jahren kennengelernt haben. Aber den Milliardenantrag als solchen kennen wir schon. Ich muß dazu folgendes sagen. Die Frau Kollegin meinte, wir hätten, wie sie so schön sagte, selbstverständlich ein Versprechen nicht gehalten,
*) Siehe Anlage 14.
das wir 1954 abgegeben hätten. Frau Kollegin, ich kann darauf mit derselben Gelassenheit sagen: selbstverständlich haben wir unsere Versprechungen gehalten, wie wir das zu tun pflegen. Daß wir unsere Versprechungen gehalten haben, ergibt sich daraus, daß die Punkte, die Sie in Ihrem Antrag zitieren, Bestandteile des Luftschutzprogramms der Bundesregierung darstellen.
- Ich spreche zunächst von dem Luftschutzprogramm und gehe dann einen Schritt weiter; lassen Sie mich doch bitte von einem Punkt zum anderen kommen! Jetzt bin ich bei dem Programm der Bundesregierung; es war zunächst ein Dreijahresprogramm
in Beträgen von 1,2 Milliarden DM, die sich nach gewissen Veränderungen auf 1,8 Milliarden DM belaufen.
Wir haben also das Programm vorgelegt und, wie Sie wissen oder wissen könnten, Frau Kollegin — ich habe es hier und an anderer Stelle ausgeführt —, vorbereitend schon eine ganze Menge getan, auch ohne die gesetzliche Grundlage, auf die wir ¡allerdings noch warten; darauf komme ich gleich zu sprechen. Ich will das Hohe Haus nicht mit der Anführung von vielen Zahlen aufhalten, darf aber darauf hinweisen, daß mit Unterstützung des Bundes über eine Million — das dürfte eine hohe Zahl sein — freiwilliger Helfer für die Aufgaben des zivilen Bevölkerungsschutzes ausgebildet worden sind. Das ist wesentlich mehr, Herr Kollege Schmitt, als wir bisher an Solldaten auch nur von ferne zu sehen bekommen haben. Also auch auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes — ich habe eben nur einen Punkt herausgegriffen — haben wir vorbereitend das getan, was uns vor dem Abschluß der Gesetzesberatungen möglich war. Ich will die weiteren Punkte, falls dazu Ausführungen erforderlich sein sollten, der Aussprache am Freitag vorbehalten.
Die Frau Kollegin hat gemeint, die Bundesregierung solle vor idas Volk hintreten und bestimmte Erklärungen abgeben. Frau Kollegin, die Bundesregierung steht täglich vor dem ganzen Volk und steht täglich in der öffentlichen Auseinandersetzung über diese Fragen. Sie haben den Herrn Bundeskanzler heute in dieser Debatte vermißt. Ich kann Ihnen sagen, Sie werden Gelegenheit haben, ihn am Freitag selbst zu diesen Fragen sprechen zu hören.
Nun aber ein sehr wesentlicher Punkt! las Luftschutzgesetz, Idas dem Hohen Hause ja bereits seit Herbst 1955 vorliegt und vorher auch einen recht mühseligen Weg durch den Bundesrat gehabt hat, der sich seinerseits auch nicht übermäßig hilfreich in der Kostenfrage gezeigt hat, liegt in der Tat noch unverabschiedet in diesem Hohen Hause. Soviel ich weiß, sind die Ausschußberatungen abgeschlossen. Ich halte es für unbedingt erforderlich
— das erkläre ich im Namen der Bundesregierung —, daß das Luftschutzgesetz in aller Kürze zur Verabschiedung gelangt, und ich sehe eigentlich auch nicht, was dem entgegenstehen sollte. Was mich betrifft, so verfüge ich über 1 von 497 Stimmen, und diese Stimme werde ich für das Luftschutzgesetz abgeben, wie es ja auch niemand anders erwarten wird.
— Die Bevölkerung läßt sich nicht durch einen, aber durch 497 schon sehr viel eher beruhigen.
— Nein, die Saarländer müssen dazugezählt werden, dann sind es 497.
— Das glaube ich gar nicht; das ist eine Frage des Hohen Hauses; es hat die Gelegenheit, das Luftschutzgesetz so schnell wie möglich zu verabschieden. Ich bin der Ansicht, daß alle Verzögerungsmomente, von denen die Frau Kollegin ganz mit Recht einige erwähnt hat, inzwischen ausgeräumt sind oder der Sache nach ausgeräumt sein können. In dieser Debatte sprechen wir über das, was in den Haushalt mit Sinn und Verstand — wenn Sie mir den Ausdruck nicht übelnehmen wollen — auf der Basis der gesetzlichen Bestimmungen jetzt eingesetzt werden kann. Die Vorschläge, die die Bundesregierung dafür gemacht hat, reichen aus, um den Bedarf, der hier zunächst entsteht, zu decken.
Ich weigere mich allerdings absolut, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihnen hier gigantische Luftschutzprogramme vorzusetzen. Denn — wir wollen doch unter uns hier ganz offen sein — diese gigantischen Programme werden von denen, die sie ,aufstellen, nicht deshalb ¡gemacht, weil sie die Absicht hätten, die darin enthaltenen gigantischen Mittel aufzubringen, sondern um damit ebenso gigantischen politischen Zwecken und Absichten zu dienen. Dias liegt so klar auf der Hand, daß ich das im einzelnen nicht zu begründen brauche.
Ich glaube, daß wir hier wie bei anderen Fragen Schritt für Schritt und auf gesunder gesetzlicher Basis vorgehen sollten. Wir haben immer gesagt: Das Luftschutzgesetz, oder sagen wir lieber: das Gesetz zum Schutz der Zivilbevölkerung, 'das Ihnen jetzt vorliegt, ist das erste in dieser Serie. Ich bin in der Tat der Meinung, daß die Aufwendungen, die wir in den kommenden Jahren für zivilen Bevölkerungsschutz zu machen haben werden, steigen. Dias habe ich immer mit voller Offenheit ausgesprochen, und das ist nicht zuletzt ein Grund, weswegen wir uns gegen andere, dem Bund zunächst nicht zukommende finanzielle Belastungen wehren müssen, weil wir sonst die künftigen Möglichkeiten des Bundes, seine Pflicht auf den vordringlichsten Gebieten wahrzunehmen, nur verkürzen.
Ich will mich heute auf diese Ausführungen beschränken. Ich glaube, daß alles, was dazu weiter gesagt werden muß, am Freitag vorgetragen werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in diesem Hause regierende Mehrheit hat in der nun auslaufenden Legislaturperiode von den Möglichkeiten, die ihr das Wahlergebnis von 1953 gegeben hat, hinreichend Gebrauch gemacht; das war ihr gutes Recht. Ob sie dabei immer gut beraten war, mag dahingestellt sein.
Aber bei der Frage des Luftschutzes handelt es sich nicht mehr um ein parlamentarisches Spiel der Kräfte, wo man so oder so stimmen und entscheiden kann, sondern es geht um das Leben eines großen Teiles, ja vielleicht des größten Teiles unseres Volkes. Wir weigern uns, meine Damen und Herren, diese Dinge so zu betrachten, daß wir etwa von taktischen, parteipolitischen oder gar wahltechnischen Überlegungen ausgehen. Herr Minister, was Sie unterstellt haben, daß die sogenannten Milliardenprogramme, die hier vorgelegt werden, gar nicht ernst gemeint seien, daß sie aus politischer Hintergründigkeit vorgebracht würden, das sollte man in diesem Hause nicht sagen.
Meine Damen und Herren, wie sieht es denn mit den Milliardenprogrammen aus? Die gewerbliche Wirtschaft, ,die doch wahrscheinlich nicht hinter den „bösen Sozialdemokraten" steht, hat uns im Ausschuß gesagt, daß für den Schutz ihrer Betriebe etwa 16 Milliarden erforderlich seien.
Nehmen Sie alle anderen Probleme hinzu, z. B. die ganzen Einrichtungen des Verkehrs. Zählen Sie dazu, was für den Schutz der Bevölkerung in ihren Wohnstätten zu tun ist; man weiß gar nicht mehr, wie der durchführbar ist. Denken Sie an den Bestand der Althäuser und die große Zahl der Neubauten. Wo soll all Idas Geld herkommen? Wir geben zu, das ist eine sehr ernste Frage. Ich sage immer: Diese Frage endet bei der Endstation aller menschlichen Überlegungen, sie endet bei der Irrationalität dieser Welt. So ist die Situation; so können wir auch miteinander sprechen.
Eine sehr ernste Frage ist: Sind wir bei den Zerstörungen, mit denen wir in einem atomaren Krieg rechnen müssen, überhaupt in der Lage, die Schutzmaßnahmen zu treffen, die erforderlich wären, um tatsächlichen Schutz zu bieten, und welche Folgen wird ein atomarer Krieg, welche Folgen werden diese Atomangriffe haben, vielleicht für ein, zwei Jahre? Müssen wir alle unter der Erde leben, oder wie liegen die Dinge? Das wissen wir alles nicht.
Aber, Herr Minister, wie sieht denn die Sache praktisch aus? Wir sitzen seit Jahr und Tag an einer Tafel und warten, daß irgend etwas aufgetragen wird; und jetzt. nicht wahr, jetzt legt man ein Tischtuch herauf, das ist das Luftschutzgesetz; und wir sitzen vielleicht noch dort, um nach Jahr und Tag eine Haselnuß zu verspeisen —
so sieht es doch aus —, um einen Vergleich zu bringen.
Herr Minister, Sie sind sich doch völlig darüber klar, daß für diesen Luftschutz Milliarden erforderlich sind. Jeder wird sich überlegen: Bestehen Möglichkeiten und Aussichten, diese Investitionen des Irrsinns nicht durchzuführen? Besteht nicht die Möglichkeit, dafür etwas Besseres für das allgemeine Wohl unseres Volkes zu tun?
Das alles sind Überlegungen, über die wir sehr ernsthaft mit Ihnen sprechen wollen. Aber Sie müssen zugeben: im Falle X, wenn er kommt —und Sie reden doch von der Möglichkeit und rechnen mit ihr; vielleicht müssen wir heute noch leider damit rechnen —, ist der Luftschutz, wie er heute da ist, ein Nullum. Was sollen denn die ausgebildeten Leute machen? Sollen die das auswendig hersagen, was sie in ihren Schulungen gelernt haben? Und was sollen sie weiter machen? Das ist doch die ganze Lage.
So kann man die Dinge nicht abschieben. Wir wehren uns dagegen, daß Sie in dieser Art und Weise in diesem Hohen Hause diese Lebensfragen unseres Volkes behandeln. Offenbar werden wir mit in die Diffamierung eingeschlossen, die da sagt: Alles, was Opposition ist, ist entweder moskauhörig oder hat irgendwelche dunklen Absichten. Wir werden uns weigern, wenn Sie solche Sachen machen, noch irgendwelche Gespräche mit Ihnen nach dieser Richtung weiter zu führen. Unerhört war das.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt . — Einen Augenblick bitte, ich hatte die Meldung des Herrn Bundesinnenministers übersehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Engell — —
Herr Abgeordneter Pelster, ich darf um etwas Ruhe bitten. — Das gilt auch für die übrigen — oder für einige andere Mitglieder des Hohen Hauses.
Ich möchte mich gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Engell nachdrücklich verwahren. Er hat eine völlig falsche Darstellung von dem gegeben,
Herr Bundesminister, fahren Sie bitte fort.
Ich
möchte mich gegen die Ausführungen, die Herr
Kollege Engell hier gemacht hat, nachdrücklich
verwahren, weil sie eine totale Verzeichnung und
Verzerrung dessen darstellen, was ich gesagt
habe, — vielleicht für ihn zu abgekürzt gesagt
habe. Herr Kollege Engell, ich muß sagen, — —
— Ich verstehe die Aufregung nicht. Ich habe — —
— Ich muß dabei bleiben, ich verstehe die Aufregung nicht und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir so ruhig zuhören würden, wie ich hier ruhig spreche.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, daß wir, wenn es möglich sein sollte, ein Gesamtbild dieses Problems am Freitag entwickeln werden, wenn alle der Meinung sein sollten, daß das der richtige Rahmen dafür ist; und man kann diese Auffassung haben. Das wird selbstverständlich etwas vom Verlauf der Debatte am Freitag und der Anlage dieser Debatte abhängen.
Aber nun muß ich doch einmal ganz offen und klar und deutlich eines sagen: Entweder will man Luftschutz; dann muß man sich darüber unterhalten, welche Aufwendungen für Luftschutz möglich sind. Es gibt Auffassungen, die dahin gehen, man brauche keinen Luftschutz, man müsse nur eine — letzt sage ich mal in Anführungszeichen — „Friedenspolitik allgemeiner Art" betreiben, auf eine bestimmte Entspannung hoffen, dann sei das alles nicht nötig und man brauche sicherlich große Aufwendungen nicht zu machen.
— Nun, ich bin leider durch gewisse Ausführungen genötigt worden, etwas ausführlicher zu sein;
ich hatte ursprünglich keineswegs die Absicht, so ausführlich zu sein.
Man kann diesen Standpunkt 'durchaus haben, und daß einen solchen Standpunkt, und zwar eine Kombination von Standpunkten, wie ich gleich auseinandersetzen werde, bedeutende Länder haben, sehen Sie derzeit an dem Beispiel von Großbritannien. Sie kennen das Weißbuch, das die britische Regierung über die Verteidigung Großbritanniens erst kürzlich publiziert hat. Sie kennen die Ausführungen des Herrn britischen Verteidigungsministers auch zu der Frage des zivilen Bevölkerungsschutzes. Ich will das nur abgekürzt wiedergeben, weil es sonst zu ausführlich wird. Im Grunde hat sich Großbritannien entschlossen, wie dort dargelegt wird, auf aktive Luftschutzmaßnahmen, also sagen wir einmal, wiederum abgekürzt, auf beträchtliche Baumaßnahmen und dergleichen zu verzichten, seine Kraft auf den militärischen Sektor, auf die Möglichkeit, sich gegen einen Angriff wehren zu können, zu legen und zu erklären: Wir wollen im übrigen ganz bewußt — wie die Briten sagen - das Risiko laufen, auf weitere Maßnahmen auf diesem Gebiete zu verzichten. Die Engländer verzichten auf alles bis auf solche Maßnahmen, von denen wir, wie ich das gerade angedeutet habe, eine ganze Reihe eingeleitet haben, also Maßnahmen des Hilfsdienstes, der Ausbildung von Menschen für einen Katastrophenfall, damit sie wissen, wie sie in einem solchen Fall sich selbst und anderen helfen können, wie das in dem Programm der Bundesregierung ausführlicher auseinandergesetzt ist.
Wenn Sie sich die übrigen Länder — und praktisch sind für uns dabei zunächst die europäischen Länder von großem Interesse — ansehen, dann werden Sie finden, daß Länder wie z. B. Schweden und die Schweiz auf dem Standpunkt stehen, daß
es richtig sei, auch beträchtliche Schutzbauten zu haben, Vorschriften zu 'haben — dies ist gerade in ,der Schweiz der Fall —, nach denen Neubauten mit Luftschutzräumen auszustatten sind usw. Derartige Vorschläge hat die Bundesregierung in dem Entwurf des Luftschutzgesetzes selbst schon gemacht. Schweden kommen bei seinen Vorkehrungen gewisse natürliche Bedingungen zu Hilfe, die bei uns nicht gegeben sind. Der Schweiz kommen ebenfalls gewisse natürliche Vorbedingungen zu Hilfe, 'die bei uns auch nicht da sind. Die Programme in Frankreich z. B. basieren im wesentlichen auf, sagen wir einmal, Evakuierungs- und Umquartierungsgedanken, Gedanken und Plänen, wie wir sie des näheren auch entwickelt haben, was ich im einzelnen weiter ausführen könnte.
Darf ich nun einmal einen Blick auf die Vereinigten Staaten werfen, um zu zeigen, wie schwierig die Entscheidung über die richtige Politik gerade auf dem Sektor des zivilen Bevölkerungsschutzes ist. Wir waren sehr bemüht — ich darf an Erklärungen erinnern, die ich seit dem Jahre 1954 in diesem Hohen Hause abgegeben habe —, ein Luftschutzprogramm vorzulegen, das den modernsten Erkenntnissen Rechnung tragen würde. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß die Bundesregierung es gewesen ist, die hervorragende 'deutsche Physiker mit dem Auftrag nach Amerika geschickt hat, dort die Vernichtungskraft moderner nuklearer Waffen und überhaupt die Frage zu studieren, welches nach dem Stand der derzeitigen Erkenntnisse ein realistisches, d. h. ein mögliches Luftschutzprogramm sein würde. Sie wissen, daß uns im übrigen drei Unterzeichner der Göttinger Erklärung noch vor wenigen Tagen attestiert haben — ich kann das am Freitag noch einmal im einzelnen darlegen —, daß das Luftschutzprogramm der Bundesregierung nach ihren — der Physiker — Erfahrungen und Auffassungen die Art von Schutz, die überhaupt denkbar sei — das ist sicherlich eine gewisse Einschränkung —, realistisch und nach dem neuesten Stand der Betrachtungen zu verwirklichen strebe.
Ich kehre zurück zu der Haltung .der Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet, um Ihnen zu zeigen, wie sehr die Auffassungen von der richtigen Politik auf dem Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes in ganz wenigen Jahren gewechselt haben. Die Vereinigten Staaten hatten zunächst ein Programm, das ganz überwiegend auf Evakuierungen beruhte. Inzwischen haben die Vereinigten Staaten ein Programm entworfen — es handelt sich nicht etwa um ein durchgeführtes Programm, ,aber um den Entwurf eines 30-Milliarden-Dollar-Programms nach den Zahlen, die wir von dort kennen, Milliarden, ,die auf zehn Jahre verteilt werden sollen —, das wieder Schutzraumbauten vorsieht.
Meine Damen und Herren, wenn das die Lage ist, so glaube ich, daß wir in unserer besonderen Situation weder berechtigt sind, uns irgendwelchen optimistischen Erwartungen hinzugeben, noch daß wir diejenigen sein sollten, die sich nun gerade den pessimistischsten Befürchtungen hingeben;
denn aus der Haltung der verschiedenen anderen Länder, nicht zuletzt Großbritanniens, sieht man, was für praktische politische Folgerungen die Nationen, die über diese Frage sicherlich genauso ernsthaft nachdenken wie wir, aus den gegebenen Verhältnissen zu ziehen beabsichtigen. Wenn Sie sich im Lichte dessen, was ich soeben umrissen
habe, nun noch einmal das Luftschutzprogramm der Bundesregierung ,ansehen, aus dem das vorliegende Luftschulgesetz ein Ausschnitt eist, dann werden Sie sagen müssen — ich halbe die drei Physiker schon erwähnt; obwohl ich die Urteile dier Physiker auf dem Gebiet politischer Entscheidungen nicht immer gerade als der Weisheit letzter Schluß .ansehen möchte, haben wir sie mit ihrem Sachverstand in diesem Rahmen unterstützend herangezogen —, daß wir ein Programm haben, von dem man sich versprechen kann, daß es in dem möglichen begrenzten Umfang gewissen Eventualitäten Rechnung trägt. Hier können nicht alle Schritte gleichzeitig getan werden, sondern hier muß ein Schritt nach dem anderen getan werden. Der erste Schritt — abgesehen von dem, was wir schon vorher getan haben — ist und bleibt die Verabschiedung des Luftschutzgesetzes, und davon werden mich noch so dramatische Ausführungen nicht abbringen können.
Nun noch ein abschließendes Wort. Wenn sie hier die Vertreter der Wirtschaft einladen und ihnen die Möglichkeit geben, auszuführen, was ein nach ihrer Vorstellung kompletter Schutz der Wirtschaft kosten könnte, und wenn die Herren idann sagen: 16 Milliarden DM, so mag diese Zahl von 16 Milliarden DM genauso richtig sein wie eine größere oder eine wesentlich niedrigere Zahl, .aber jede Veranschlagung auf diem Gebiete des Luftschutzes kann doch wohl nur im Lichte .der internationalen Erwägungen und Erfahrungen erfolgen, und es gibt kein Land der Welt, das etwa auf die Idee kommen könnte oder über die finanzielle Kraft verfügte, seiner Wirtschaft einen hundertprozentigen Schutz in einem nuklearen Krieg zu geben. Das würde praktisch bedeuten, die ganze Wirtschaft unter der Erde weiterbetreiben zu sollen, um es einmal plastisch auszudrücken. Daß das nicht möglich ist, weiß jeder. Aber daß es in anderen Ländern Erwägungen über den Luftschutz gibt, die wir auch hier in mancher Beziehung vergleichend heranziehen können, wissen wir aus gewissen neueren sowjetischen Ausführungen. Der Marschall Schukow hat sich anläßlich seiner Indien-Reise über gewisse Luftschutzvorkehrungen in der Sowjetunion verbreitet und am Beispiel Moskaus einige Darlegungen ,darüber gemacht. Wenn man aber hier erstens zur richtigen Einstellung und zweitens zu einer gerechten Darstellung auch der Auffassung der Bundesregierung kommen will, muß man versuchen, ein gewisses Mittel aus den Vorkehrungen, Betrachtungen und Erwartungen in der Welt zu ziehen.
Ich komme auf meinen Ausgangspunkt zurück. Das Programm der Bundesregierung, sicherlich kein Hundertprozentprogramm, sicherlich nicht ein Programm gigantischer Ziffern, ist ein durchführbares Programm.
Ein ganz anderer Gesichtspunkt. Wir wissen aus den Befragungen, die wir auf diesem Gebiet seit Jahren anstellen lassen, daß die Auffassung unserer Bevölkerung darüber, ob Luftschutzmaßnahmen möglich und nötig sind, sich ständig nach der positiven Seite hin gewandelt hat. Wenn ich die letzten Zahlenergebnisse richtig in Erinnerung habe, sind es etwa 80 % der Bevölkerung gewesen, die sich für die Möglichkeit und Notwendigkeit, mit anderen Worten also für die Bejahung von Luftschutzmaßnahmen ausgesprochen haben.
Auf diesem Gebiet findet man eine sehr merkwürdige Auffassung, und sie ist nicht etwa auf
einfache Menschen beschränkt, sondern bei Menschen ,in allen Lebens- und Berufslagen vorhanden. Jeder — mindestens die genannte Zahl von 80% — ist der Überzeugung, daß Luftschutz möglich und nötig ist. Aber er soll um Himmels willen nicht auf seine Kosten durchgeführt werden. Jeder ist durchaus bereit, sich komplett ausstatten zu lassen, soweit es die Möglichkeit kompletter Sicherheitsausstattung überhaupt gibt. Sie werden aber kaum jemanden treffen, der sich von vornherein dazu bereit erklärte, das auch als etwas anzusehen, was schließlich mit eigenen Aufwendungen —sei es ganz, sei es teilweise — in Verbindung stehen müsse.
Nun muß man nachdrücklich vor der Auffassung warnen — das gilt für die Einzelpersonen wie für die Wirtschaft —, daß es irgendeinem Finanzträger im Bund - sei es dem Bund allein, sei es den Ländern, sei es ,den Gemeinden — möglich wäre, alle notwendigen Vorkehrungen auf diesem Gebiet für die Betroffenen kostenfrei zu treffen. Das ist eine Utopie. Wir würden unehrlich sein., wenn wir in unserer Bevölkerung die Vorstellung erweckten: bezahlen wird es schon jemand.
Deswegen, Frau Kollegin, ist es auch so, daß die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern und Gemeinden über die Frage der Kostentragung einerseits etwas sehr Grundsätzliches hatte und andererseits etwas sehr Symptomatisches darstellte. Es ist nicht etwa so gewesen, daß die Vertreter der Länder das Luftschutzprogramm der Bundesregierung nicht gebilligt hätten. Es ist nicht etwa so, ,daß die Vertreter der Kommunen das Luftschutzprogramm der Bundesregierung nicht für ein richtiges und durchführbares Programm hielten. Nur in puncto der Kostenbeiteiligung stehen alle auf dem Standpunkt: Das wird irgend jemand anders — außer uns natürlich — dann schon machen. Dais ist heute vielleicht der Kern der Sache, mindestens einer ihrer ganz entscheidenden Aspekte.
Wir haben ein Programm. Wir halben angefangen, die Vorkehrungen 'für die Durchführung des Programms zu treffen. Wir werden in dieser Sache konsequent, Schritt für Schritt und Stück für Stück fortfahren, sobald uns dieses Hohe Haus das erste nachdrückliche Mittel in die Hand gibt, idas wir brauchen, und das ist das erste Gesetz zum Schutze der Zivilbevölkerung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der ersten der beiden Erklärungen, die der Herr Bundesinnenminister abgegeben hat, kann man, glaube ich, abgesehen von der nonchalanten Note des Vortrages, nur sagen: im Inhalt unbefriedigend.
Der Herr Bundesinnenminister hat die Dinge erst ernst genommen, als der Herr Kollege Engell vom BHE seiner berechtigten Empörung Ausdruck gegeben hat; dann ist er ein zweites Mal hierher gegangen. Ich muß sagen, daß die Erwiderung, die
der Herr Schröder auf die Erklärung des Herrn Kollegen Engell gegeben hat — —
Ich bitte doch, Privatgespräche zu unterlassen und dem Herrn Redner zuzuhören.
Ich muß sagen, daß die Erwiderung, die der Herr Schröder auf die Erklärung des Herrn Kollegen Engell gegeben hat, dem Ernst des Anliegens nach wie vor nicht gerecht geworden ist.
Man kann, Herr Bundesinnenminister, offenbar sehr verschiedener Meinung darüber sein, wieweit unter den Verhältnissen einer modernen Kriegführung ein Schutz der Zivilbevölkerung möglich ist. Wir sind der Auffassung, daß ein absoluter Schutz für große Teile der Bevölkerung ausgeschlossen ist, daß ein Schutz immer nur für Bruchteile der Bevölkerung zu erreichen sein wird, daß aber Vorkehrungen für den Fall getroffen werden müssen, daß in irgendeiner Stadt die Bombe gefallen ist.
Sie haben es sich zu leicht gemacht, sich mit diesem Argument meiner Kollegin Frau Renger auseinanderzusetzen. Sie haben das Weißbuch der englischen Regierung und alle möglichen ausländischen Auffassungen zitiert, um darzutun, es gebe eben verschiedene Meinungen. Für die eigene Meinung der Bundesregierung haben Sie sich auf den Hinweis beschränkt, Sie hätten ja ein Luftschutzprogramm. Leider ist das einstweilen aus Papier. Die Versprechungen, die Sie im Jahre 1954 abgegeben und von denen Sie, Herr Schröder, vorhin behauptet haben, sie seien erfüllt worden, haben Sie doch nur in Form dieses papierenen Programms erfüllt. Der Hinweis, Sie hätten eine Million Menschen im Luftschutz unterrichtet, ist doch im Hinblick auf das, was zu tun nötig wäre, wenn man ernsthaft etwas auf diesem Gebiet tun wollte, geradezu lächerlich.
Außerdem möchte ich Sie fragen, was diese Million von Helfern wirklich gelernt hat; wahrscheinlich doch die Anlegung eines Korn-Ähren-Verbandes und ähnliche Dinge, wie wir sie alle früher mal im Kursus „Erste Hilfe" gelernt haben. Für das, was wirklich notwendig wäre, was die Menschen als Helfer nach einem solchen Angriff tun müßten, brauchen Sie ja Hilfsmittel und Geräte, und die sind doch gar nicht da. Es ist eine Tatsache — oder wollen Sie das abstreiten? —, daß Sie noch nicht einmal alles von den rund 80 Millionen des vorigen Haushalts ausgegeben haben! Wie hoch sind denn eigentlich Ihre Haushaltsreste auf diesem Gebiet, Herr Bundesinnenminister?
Aber nun noch einmal zurück zu der von Ihnen zitierten englischen Regierungserklärung! Dort heißt es, es müsse offen zugegeben werden, daß gegenwärtig keine Möglichkeit bestehe, die Bevölkerung Großbritanniens gegen die Folgen eines Angriffs mit nuklearen Waffen ausreichend zu schützen. Obwohl im Falle eines Krieges die Jäger der RAF zweifellos den feindlichen Bombern
schwere Verluste beibringen würden, werde doch unweigerlich ein Teil immer durchkommen. Selbst wenn es nur ein Dutzend wäre, könnten sie mit Megatonbomben weitgehende Verwüstungen anrichten.
Sie hätten gar nicht auf die Erklärung der englischen Regierung zurückzugreifen brauchen, sondern, um diese selben Sätze zitieren zu können, hätten Sie auf das hinweisen können, was uns viel näherliegt, nämlich die Erklärung der Göttinger Atomwissenschaftler.
Die Göttinger Professoren haben am 15. April erklärt:
Für die Entwicklungsmöglichkeiten der lebensausrottenden Wirkung der strategischen Atomwaffen ist keine natürliche Grenze bekannt. Heute kann eine taktische Atomwaffe eine kleinere Stadt zerstören, eine Atombombe aber einen Landstrich von der Größe des Ruhrgebiets zeitweilig unbewohnbar machen. Durch die Verbreitung von Radioaktivität mit Wasserstoffbomben könnte die Bevölkerung der Bundesrepublik wahrscheinlich heute schon ausgerottet werden.
Die Professoren schrieben damals:
Wir kennen keine technische Möglichkeit, große Bevölkerungsmengen vor dieser Gefahr sicher zu schützen.
Haben Sie das gemeint, als Sie das englische Weißbuch zitierten? Es ist inhaltlich dasselbe, Herr Bundesinnenminister.
Darauf hat nun die Bundesregierung ihrerseits eine Erklärung abgegeben. Am Tage darauf hat der Bundeskanzler gesagt:
Es scheint mir, daß die Herren
— damit hat er damals die Professoren gemeint — doch nicht im Besitze des Ergebnisses der Versuche sind, die in den Vereinigten Staaten gemacht worden sind zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Soldaten vor den Wirkungen dieser furchtbaren Waffen. Ich glaube, daß wir Ihnen gerne diese Ergebnisse mitgeteilt hätten.
Stehen diese Ergebnisse eigentlich in Ihrem Luftschutzprogramm, oder wo stehen sie? Wenn es Ergebnisse gibt, Herr Bundesinnenminister, dann haben Sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das Geld aufzuwenden, um diese theoretischen Ergebnisse in praktische Möglichkeiten umzusetzen.
Der Herr Bundesinnenminister hat gesagt, die Debatte sei verfrüht, das mache der Kanzler alles am Freitag. Am Freitag, Herr Innenminister, wird über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr gesprochen. Das ist ein Thema des Herrn Kollegen Strauß. Hier wird über den Luftschutzhaushalt gesprochen. Das ist ein Thema des Herrn Kollegen Schröder. Da haben Sie keine Möglichkeit, auszuweichen mit dem Hinweis, es werde ja demnächst eine große politische Debatte im Zusammenhang mit dem Stichwort „Atom" stattfinden. Es wird hier heute auch nicht über das Luftschurtzgesetz debattiert, Herr Bundesinnenminister. Das ist eine Verschiebung der Nuancen. Hier wird über die
Zahlen und Ansätze Ihres Haushaltes debattiert, und da müssen wir es uns verbitten, daß Anträge von dieser Seite des Hauses von Ihnen abqualifiziert werden, indem Sie, vorsichtig im Ausdruck, aber eindeutig in der Tendenz, davon sprechen, mit Sinn und Verstand könne so etwas ja wohl nicht zugehen, wörtlich: mit Sinn und Verstand könne man nicht weitergehen, als die Bundesregierung gegangen sei.
Dann das weitere Wort von dem „gigantischen Programm"! Ich will Ihnen einmal erzählen, was gigantische Programme sind. Die gibt es massenhaft in Bonn, allerdings nicht auf diesem Gebiet. Wir haben heute so en passant während der Mittagspause von anderthalb Stunden ein gigantisches Programm der Bundesregierung verabschiedet. Da handelte es sich zwar nicht ganz um eine Milliarde, sondern urn drei Viertel Milliarden, um 740 Millionen DM ganz genau. Dia haben Sie einen Vertrag mit der türkischen Staatsregierung über die Lieferung von Munition im Betrage von 740 Millionen Markabgeschlossen; da haben Sie innerhalb von zwei Stunden allein für drei Viertel Milliarden Munition unter den zweifelhaftesten Voraussetzungen bestellt. Ich will das hier nicht schildern, weil wir beim Innenetat und nicht beim Verteidigungsetat sind. Und hier stellen Sie sich hin und erklären, eine Milliarde für Luftschutz sei Gigantomanie. Wie paßt das zusammen? Das ist eine Art, die man kaum noch verstehen kann. Sie haben nicht einmal die Vorjahrsmittel verbraucht. Sie haben dieses Jahr in Ihrem Haushalt für Luftschutzzwecke insgesamt rund 170 Millionen DM. Wahrscheinlich werden Sie auch diesen Betrag nichtganz ausgeben. Dias ist nach Ihrer Meinung alles, was man mit Sinn und Verstand tun könnte!
Ich möchte Sie noch einmal fragen: Stimmt das, was der Bundeskanzler gesagt hat, ist das Wahrheit, ,ist das Wirklichkeit, daß Sie in der Lage sind, die Zivilbevölkerung und die Soldaten vor den Atomwaffen zu schützen? Hat der Kanzler die Wahrheit gesprochen oder hat er geflunkert, Herr Schröder? Wenn er die Wahrheit sprach, dann muß das auch verwirklicht werden!
Meine Damen und Herren von der Rechten des Hauses, wenn Sie unseren Antrag, über dessen Modalitäten, ob es eine Milliarde oder 1200 oder 600 Millionen DM sein müssen, um einen ersten kleinen Schritt auf diesem Gebiet zu tun, sich noch reden läßt, so vollständig und vom Grunde her, wie es den Anschein hat, ablehnen, dann geben Sie damit ,am Vorabend der Atomdebatte, von der Herr Schröder sprach, zu erkennen,
daß entweder der Kanzler mit seiner Behauptung, es gebe Möglichkeiten zum Schutze sowohl der Zivilbevölkerung als auch der Soldaten vor Atomwaffen, von der Wirklichkeit sehr weit entfernt war oder daß Sie es trotz der vom Kanzler behaupteten Kenntnis möglicher Schutzvorkehrungen ablehnen, Geld dafür auszugeben, weil es Ihnen für andere Zwecke wichtiger scheint.
Der letzte Grund, so vermute ich, weswegen Sie es Jahr für Jahr und auch in diesem Jahr wieder ablehnen, etwas Ernsthaftes zum Schutz der Zivilbevölkerung zu tun, ist der: Sie müßten, wenn mit Ihren Stimmen in den Haushalt nicht nur dreiviertel Milliarden für türkische Munition eingeplant werden, sondern mit Ihren Stimmen auch eine Milliarde für Luftschutzvorkehrungen eingebaut würde, damit vor dem Volke ja zugeben, daß es auf das schwerste gefährdet ist,
was Sie genau wie wir seit vielen Jahren wissen. Nur haben Sie dabei die große Sorge, daß das Volk Ihnen darauf kommen könnte; denn Ihre große These, immer wiederholt und dadurch um kein Quentchen wahrer, ist doch die: Was für eine großartige Sicherheit haben wir der Bevölkerung der Bundesrepublik geschaffen! Und damit diese Lüge nicht entkräftet wird —
Herr Abgeordneter Schmidt, ich darf Sie doch bitten, eine gewisse Zurückhaltung an den Tag zu legen, wie sie in parlamentarischen Debatten üblich ist.
Ich lege mir, meine Damen und Herren, Ihnen gegenüber nicht mehr Zurückhaltung auf, als sich Herr Schröder gegenüber dem BHE-Kollegen Engell auferlegt hat.
Im übrigen verstehe ich nicht, weswegen Sie sich über die Vokabel „Lüge", die ich niemandem persönlich zugemünzt hatte, so erregen,
— Herr Kollege Hellwig, an und für sich hatte ich nicht die Absicht, hier längere Ausführungen zu machen.
Aber es ist vielleicht ganz gut, am Schlusse noch einmal das auseinanderzunehmen, was sich hier im Augenblick dartut. Wissen Sie, Sie wurden in dem Augenblick laut, als davon die Rede war, daß das mit der Sicherheits-Mythologie, die Sie überall in Deutschland verbreiten, in Wirklichkeit nicht stimmt.
Mag nun der Ausdruck „Lüge" ein wenig scharf oder weniger scharf gewesen sein, bleiben wir dabei: weil Sie nicht zugeben können, daß die Bevölkerung des Bundesgebietes, nicht nur der Ruhr, sondern allenthalben, auf das schwerste gefährdet ist — und das seit Jahren —, deswegen müssen Sie konsequent immer wieder die Luftschutz-Anträge ablehnen und auf papierene Luftschutz-Programme verweisen, die nicht realisiert werden und wo Sie mit dem Streit über die Zuständigkeit der Länder oder des Bundes dann wunderschön Jahre um
Jahre hinbringen können, damit Sie nur ja nichts zu tun brauchen.
— Das ist nicht billig, so ist es tatsächlich! Ich bin einmal wirklich gespannt, Herr Conring, ob der Herr Innenminister jetzt anschließend hergeht und sagt: Der Herr Kanzler war im Besitze der Wahrheit; wir wissen tatsächlich, wie wir die Zivilbevölkerung schützen können, wir wissen tatsächlich, wie wir die Soldaten schützen können, bloß wir tun es nicht. — Ich bin mal gespannt, ob er das jetzt sagen wird!
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird kaum jemanden im Hause geben, der aus den Ausführungen meines Vorredners etwa das LuftschutzProgramm kennengelernt hätte, für das er eintritt.
Aber ich halte es doch für angezeigt, damit hier nicht ein falscher Eindruck bestehenbleibt, Ihnen die Erklärung vorzulesen, die die drei Herren Physiker, die seit Jahren im Auftrag der Bundesregierung sich gerade mit diesem Problem beschäftigt haben, am 17. April abgegeben haben. Es sind die Herren Professor Haxel, Professor Maier-Leibnitz und Professor Riezler. Die Erklärung lautet folgendermaßen:
Die von uns mitunterzeichnete Göttinger Erklärung vom 12. d. M. hat bei manchen Stellen an dem Wert und der technischen Möglichkeit eines Schutzes der Zivilbevölkerung im Falle eines Atomkrieges Zweifel hervorgerufen. Als Mitglieder der Schutzkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben wir uns seit Jahren mit den Fragen des Schutzes der Zivilbevölkerung vor den Folgen eines Einsatzes von atomaren Waffen befaßt. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß zwar ein Vollschutz gegenüber den außerordentlich weitreichenden Wirkungen der Atomwaffen nicht durchführbar ist, daß aber Schutzmaßnahmen technisch und finanziell verwirklicht werden können, die die Verluste an Menschenleben entscheidend verringern.
— Die Erklärung scheint mir wichtig genug, daß ich sie ganz vorlese. Die unterzeichneten Atomphysiker fahren fort:
Wir halten die Pläne der Bundesregierung, die die Einrichtung eines schnellen und sicheren Warnsystems, den Bau von Schutzräumen, die Aufstellung eines Luftschutzhilfsdienstes, die Anlegung von Arzneimittelvorräten und im Falle der Gefahr gewisse Evakuierungsmaßnahmen vorsehen, für zweckmäßig. Die Vorbereitung eines wirksamen Schutzes der Zivilbevölkerung erscheint uns unbedingt notwendig. Die Deutsche Schutzkommission wird weiterhin alles daransetzen, durch ihre wissenschaftliche Arbeit die Vorbereitung geeigneter Schutzmaßnahmen zu unterstützen.
Damit schließt die Erklärung.
Ich kann namens der Bundesregierung nur sagen: dadurch wird unser Programm von wesentlicher Seite entscheidend unterstützt, und wir sind gewillt, ein Programm dieser Art durchzuführen. Und ich sage heute zum soundsovielten Male: das Hohe Haus wird einen entscheidenden Beitrag dazu dann geleistet haben, wenn es das ihm vorliegende Luftschutzgesetz verabschiedet haben wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, nicht den Eindruck zu machen, daß ich polemisieren will. Ich hoffe auch, daß der Herr Minister nicht den Eindruck von mir gewinnt, daß ich nicht in der Lage gewesen sei, ihm zu folgen. Ich habe sehr aufmerksam zugehört und habe mich schon lange, jahrelang vorher auch mit diesen Fragen beschäftigt. Ich glaube, meine Damen und Herren und auch Herr Minister, es handelt sich bei dieser Frage keineswegs nur um eine rein technische Angelegenheit, es handelt sich auch nicht um eine nur finanzielle Angelegenheit, sondern es handelt sich um eine schwerwiegende, weil in ihren Wirkungen weitgehende, ja, unübersehbare psychologische Angelegenheit.
Meine Damen und Herren, wie denkt man sich denn die psychologische Wirkung dieser Maßnahmen auf die Bevölkerung? Ich nehme an, daß Sie einen Teil der Bevölkerung schützen können. Aber sagen Sie mir einmal: wie wollen Sie denn die Durchführung Ihrer Bestimmungen sicherstellen? Ohne diese Sicherstellung wird ja nicht einmal ein Teil der Bevölkerung oder wenigstens kein größerer Teil geschützt werden können. Wie stellt man sich eine Evakuierung mit ihren psychologischen und tatsächlichen Wirkungen vor?
Wann soll evakuiert werden? Wohin soll evakuiert werden? Wer soll evakuiert werden? Wer soll wen mitnehmen oder zurücklassen? Bei einer Warnzeit von drei Minuten, Herr Minister, ist doch an eine Evakuierung überhaupt nicht zu denken. Es müßte schon vorgeschrieben werden, daß der größte Teil der Bevölkerung der dann bedrohten Gegend vorher unter die Erde kriecht. Was glaubt man, welche Wirkung es psychologisch hat, wenn unter der Erde Mütter und Kinder oder Großeltern sitzen, über der Erde der Mann arbeiten oder ich weiß nicht was tun soll, und die unten haben keine Ahnung, was oben vor sich geht? — Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zu schütteln, Kollege Kunze, Sie brauchen sich nur an die Tatbestände des letzten Krieges zu erinnern, die gegen das, was uns erwartet, ein Kinderspiel gewesen sind.
Genau die gleichen Gefühle beseelen mit vollem
Recht den Mann und Vater, wenn er aus technischen Gründen, aus Produktionsgründen unter
der Erde sitzen muß, wenn auch nur für Tage. Wie lange, Herr Minister, wird er dort bleiben müssen? Sie würden ja auch nicht unten bleiben, Herr Minister, wenn Sie um Ihre Frau und Ihre Kinder fürchteten oder wenn Sie nichts von dem ahnten, was im Bereich Ihrer Frau oder Ihrer Kinder oben vorgeht. Das ist psychologisch einfach undenkbar.
Sie haben auf die für den Schutz der Bevölkerung günstigen geologischen Bedingungen in Schweden hingewiesen, nämlich auf die dort von Gott gegebene Beschaffenheit der Erde, auf den Schutz durch Felsen. Herr Minister, ich darf Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung ein ganz kleines Beispiel aus dem letzten Kriege erzählen, und zwar aus den letzten Tagen. Ich war damals zuletzt wegen eines Knieleidens nach Gunzenhausen in Mittelfranken evakuiert. In jener Gegend gibt es die weithin bekannten und ausgezeichneten Felsenbierkeller. Die sind ungeheuer tief, sehr hoch und bestehen einzig und allein aus einer sehr schwer durchschlagbaren Erd- oder Gesteinsmasse. Es gibt dort eine ganze Menge solcher Felsenkeller. Selbstverständlich mußten wegen der vielen Leute, die bei jedem Warnsignal täglich dorthin stürzten, Lüftungsanlagen vorhanden sein. Es war auch eine Lüftungsanlage da, und zwar in senkrechter Richtung von oben nach unten. Das Pech wollte es, Herr Minister, daß durch diese Lüftungsanlage eine Bombe heruntersauste und daß auf einen Schlag 53 Leute, glaube ich, tot waren.
Herr Minister, ich kann mir sehr gut denken, daß man aus solchen Erfahrungen die Konsequenzen ziehen und die Lüftungsanlagen anders machen wird. Jeder Schaden aber an der Lüftungsanlage, Jeder Schaden an der Wasserzuführung und vieles andere muß unter den Leuten schwere psychologische Wirkungen ausüben, muß sie zusätzlich beängstigen. Wer bleibt dann noch unter der Erde? Und wer kann das überhaupt noch lange?
107 Millionen DM wollen Sie, Herr Minister, für den vorbeugenden Luftschutz verwenden. Schön, das ist ein Anfang; aber es ist bei den Tatsachen, denen man zu einer heute noch unberechenbaren Zeit gegenüberstehen kann, einfach eine Lappalie. Es ist „für die Katz" mit diesen 107 Millionen DM. Ich will nichts gegen Ihre Luftschutzabsichten an sich vorbringen; aber, Herr Minister, wenn schon — denn schon, dann bitte erheblich mehr für diesen Zweck! Ich glaube, den größten Teil der Bevölkerung, obschon sie sich begreiflicherweise nicht vorstellen kann, was passieren kann, und begreiflicherweise auch keine klaren Vorstellungen von Luftschutzvorkehrungen hat, würden Sie für einen solchen Antrag auf Ausgabenerhöhung hinter sich haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Innenminister hätte sich die Verlesung der Erklärung der drei Professoren vom 17. April sparen können. Diese Erklärung war uns allen bekannt; sie war ja im Bulletin veröffentlicht und im übrigen mit die Grundlage der Überlegungen bei den Beratungen über diesen Antrag. Herr Minister, Sie waren in jener entscheidenden Sitzung, in der die kombinierten vier Ausschüsse mit dem Herrn Bundesfinanzminister um die Mittel gerungen haben, leider nicht da; da hätten wir alle dringend Ihrer Unterstützung bedurft.
In jener Sitzung ist es gewesen, in der ich an einen der anwesenden Herren Professoren — das Protokoll wird es ausweisen — die Frage gestellt habe: Herr Professor, halten Sie die bisher aufgewandten Mittel und die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung für ausreichend? Da war es der Herr Kollege Lücke, der Einspruch gegen diese Frage erhob,
so daß es nicht möglich war, eine genaue Antwort darauf zu erhalten.
Ich darf Ihnen aber sagen, meine Damen und Herren: die Ausführungen des Professors waren so eindeutig, daß man ihnen entnehmen konnte, daß die bisherigen Maßnahmen seiner Auffassung nach völlig unzureichend sind und höchstens als ein Anfang angesehen werden können.
Der Herr Minister hat selbst das Wort „Programm" gebraucht. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgetaucht, in welcher Höhe eventuell Kosten entstehen. Der Herr Kollege Könen hat sie gestellt. Da sind Zahlen in einer Größenordnung von 20 bis 25 Milliarden DM genannt worden.
Herr Minister, Sie haben hier leider nicht die Frage nach den Ausgabenresten aus den Vorjahren beantwortet. Es wäre für das Haus interessant, gerade diese Frage von Ihnen beantwortet zu bekommen.
Abschließend möchte ich nur sagen, und zwar auch für Sie, Herr Minister: die beteiligten Ausschüsse haben in der damaligen Sitzung, obwohl Sie nicht anwesend waren, einstimmig beschlossen, der Luftschutz solle Bundesaufgabe sein.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist wirklich die kürzeste Erklärung, die ich heute abgebe: Ich wäre dem Kollegen Schmitt dankbar, wenn er sich an die drei Namen erinnern wollte, die ich hier verlesen habe. Darunter steht u. a. Professor Riezler. Professor Riezler ist der Professor, den er zitiert hat. Er dürfte durch die heutige Unterschrift von Herrn Professor Riezler, wie ich hoffe, befriedigt worden sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Schneider (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme mir die Freiheit, als Mitglied des Verteidigungsausschusses auch einige Worte zu dem hier anstehenden Problem zu sagen, zumal ich im Zusammenhang mit meiner damaligen Denkschrift „Schwert und Schild" auch sehr nachdrücklich auf die erforderlichen Luftschutzmaßnahmen hingewiesen habe.
Es hat meine Freunde und mich einigermaßen verwundert, daß der Herr Kollege Schmidt hier ausgeführt hat, die Regierungsparteien hätten Angst davor, der Bevölkerung die rauhe Wirklichkeit vor Augen zu stellen, ihr nämlich zu sagen, wie es um ihre Sicherheit bestellt sei. Ich glaube, dazu kann ich mit Fug und Recht hier feststellen: Wenn es in den vergangenen Jahren überhaupt jemand getan hat, so sind es die Regierungsparteien gewesen, die den Mutaufgebracht und auch die Unpopularität auf sich genommen haben, der deutschen Bevölkerung vor Augen zu stellen, wie es um ihre Sicherheit bestellt ist.
Allerdings muß ich bei dieser Gelegenheit gleich hinzufügen — meine Damen und Herren von der Opposition, ich bitte Sie, mir das nicht zu verübeln —, daß ich es manchmal gern gesehen hätte, wenn auch Sie diesen Mut aufgebracht hätten.
— Herr Kollege Baur, ich weiß, daß Sie auch Mut haben!
Aber ein kleines Beispiel. Daß Sie in Ihrer Partei gar keine einheitliche Meinung über diese Dinge haben, zeigt doch beispielsweise, daß bei den Etatberatungen in der Stadt, aus der ich komme, vor zwei Jahren die sozialdemokratische Frak ion die wenigen tausend Mark, die für erste Luftschutzausgaben zur Verfügung gestellt werden sollten, mit dem Hinweis ablehnte, daß man mit diesen Dingen nichts zu tun haben wolle,
also aus purem Ressentiment. So sehen die Dinge aus!
Ich darf mir aber im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt noch eine weitere Bemerkung erlauben. Der Herr Kollege Schmidt ist hier mit einer Handbewegung über die rund eine Million ausgebildeter Luftschutzhelfer hinweggegangen. Ich erinnere Sie alle daran, daß bereits einmal sehr viele Menschen in Deutschland bestraft worden sind, weil Sie sich — größtenteils gezwungenermaßen — für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt haben. Wir sollten es angesichts der sowieso psychologisch ungünstigen Situation gar nicht erst dazu kommen lassen, daß diejenigen, die sich heute ehrenamtlich und freiwillig praktisch für das Allgemeinwohl hergeben, in irgendeiner Form diffamiert werden. Ich muß das also ganz entschieden zurückweisen
und hier feststellen, daß wir in diesen Dingen zwar noch in den Anfängen stecken
— jawohl, wir stecken in den Anfängen —, daß wir aber allesamt bestrebt sind, hierbei zu besseren Resultaten zu kommen. Ich glaube, keine Fraktion dieses Hauses kann den Stein aufheben und auf eine andere werfen, wenn es darum geht, all die Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherheit unserer Bevölkerung notwendig sind. Hier liegt, ähnlich wie in Fragen der Verteidigung, wieder ein Anlaß vor, wo wir uns nicht um des Kaisers Bart streiten, sondern gemeinsam dafür wir-
ken sollten, daß die Sicherheit der Bevölkerung erreicht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, noch reinige wenige Ausführungen anschließen zu müssen. Zunächst, Herr Bundesinnenminister: Die von Ihnen verlesene Erklärung der drei Professoren, die Sie und Ihr Haus beraten, spricht eine Billigung raus in bezug auf Ihr Programm. Sie spricht keinerlei Billigung aus in bezug auf die von Ihnen bisher vorgesehenen Aufwendungen finanzieller Art und auf die Zeitspanne, in der Sie dieses Programm verwirklichen wollen. Sie sind sich doch darüber klar, daß diese Erklärung, die Sie dort erhalten haben, sehr platonisch ist, weil sie in keiner Weise darüber etwas aussagt, ob die tatsächlichen Aufwendungen und Vorkehrungen der Bundesregierung zweckmäßig und ausreichend sind. Diese Erklärung sagt nur etwas über Ihr Programm. Das ist Papier, habe ich gesagt, und Sie haben dieser Behauptung noch nicht einmal widersprochen.
Nun aber zu dem Herrn Kollegen Schneider! Herr Kollege Schneider, ich habe weder die Bundesregierung noch die Luftschutzhelfer diffamieren wollen. Es tut mir leid, daß Sie so etwas herausgehört haben. Aber der Bundesregierung habe ich sehr ernsthafte Vorwürfe machen wollen, und ich glaube, ich habe das auch in entsprechender Form zum Ausdruck gebracht, so daß es nicht mißdeutet werden konnte. Wenn wie hier versucht wird, in einer Erwiderung in die Rede eines Sprechers, der sich mit der Bundesregierung auseinandersetzt, nachträglich hineinzulegen, er habe eine Million Luftschutzhelfer diffamieren wollen, dann habe ich dafür kein Verständnis.
Nur tun mir die Luftschutzhelfer leid, die vielleicht zu einem Teil jetzt in ,der Überzeugung leben, sie seien rausgebildet und hätten die Hilfsmittel, um im Falle des Krieges ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Menschen tun mir wirklich leid, einstweilen; denn daß es in Wirklichkeit damit nicht getan ist, wissen wir alle.
Ein weiteres Wort zu den Ausführungen von Herrn Schneider. Herr Schneider hat gesagt, die Regierungspartelen hätten es seit Jahren auf sich genommen, dem Volk zu sagen, in welch ungesicherter Situation es lebt. Was die Regierungsparteien tatsächlich gesagt haben, ,das kulminiert in der Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers, die er, ich glaube am 21. Februar 1955, in diesem Saal in der Debatte über die Ratifikation der Pariser Verträge gemacht hat. Ich kann es aus dem Kopf zitieren, so erstaunlich ist mir diese Bemerkung gewesen, sosehr hat sie sich mir eingeprägt. Der Bundeskanzler sagte: Meine Damen und Herren, wenn res einen Krieg geben sollte zwischen der Sowjetunion rund den Vereinigten Staaten, dann wird Deutschland das Schlachtfeld sein; wenn wir aber der NATO beigetreten sind, werden wir das Schlachtfeld nicht mehr sein. — Das war die Sicherheitsmythologie, die ich vorhin meinte und die von der Wahrheit sosehr entfernt ist.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Punkt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1079*). Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Kap. 06 24 Tit. 313. Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 1052 **) Ziffer 5 hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will das Haus in dieser Stunde nicht mehr lange aufhalten, aber einige Worte müssen doch noch zu der hier zu behandelnden Materie .gesagt werden. Der Herr Minister hat bei dem Übergang eines Teils des Bundesgrenzschutzes am 9. Mai 1956 und hier bei den Haushaltsberatungen am 21. Juni 1956 recht optimistische Ausführungen über die Wiederauffüllung des Bundesgrenzschutzes gemacht. Denselben Optimismus haben sein Staatssekretär und seine verantwortlichen Herren immer wieder im Ausschuß gezeigt. Ich will heute nur feststellen, daß keine der Erwartungen sich so erfüllt haben, wie es die Bundesregierung ursprünglich gedacht hatte. Das heißt, es ist noch nicht gelungen, den Bundesgrenzschutz wieder aufzufüllen, wie es die Regierung ursprünglich geplant hatte. Das nächste Ziel ist jetzt der 1. April 1958. Ich bin der Meinung, daß es sich hier um Zweckoptimismus handelt. Die Ansätze sind also nach wie vor überhöht.
Wir haben leider nicht im Ausschuß die Möglichkeit gehabt, über die Frage, wie die polizeimäßige Ausbildung des Bundesgrenzschutzes gesichert und durchgeführt wird, eine ausführliche Aussprache mit dem Herrn Minister zu führen. Es ist natürlich auch nicht möglich, das heute im Plenum nachzuholen. Wir hatten eine Reihe von Pressemeldungen über die Neuausrüstung des Bundesgrenzschutzes. Auch darüber war es nicht möglich, im Ausschuß die Aussprache durchzuführen, die wir gern gehabt hätten. Ähnliches gilt für die Fragen, die bei einer Besichtigungsfahrt des Bundesgrenzschutzes aufgetaucht sind. Sie werden sicher, Herr Minister, die Berichte über die rauhen Sitten kennen, die auch Herr Bargatzky bei dieser Besichtigungsfahrt feststellen mußte. Wir hätten natürlich gern von Ihnen gewußt, was Sie alles getan haben und was Sie tun wollen, um die echte polizeimäßige Ausbildung des Bundesgrenzschutzes sicherzustellen. Denken Sie darüber hinaus nur an das Problem der fehlenden Kasernen, an die Tatsache, daß die Landbeschaffung für diese Kasernen große Schwierigkeiten macht, an die Doppelwerbung — hier Polizei der Länder, der Gemeinden, hier Grenzschutz und hier Bundeswehr — und all diese Fragen.
Im Hinblick auf die Tatsache, daß der Bundesgrenzschutz in absehbarer Zeit doch nicht in der vorgesehenen Form wieder aufgefüllt werden kann, halten wir es deshalb für richtig, daß ein Verwaltungsabkommen mit den Grenzländern abgeschlossen wird, das die Bereitschaftspolizei mit
*) Siehe Anlage 14 **) Siehe Anlage 6
heranzieht. Wir wünschen, daß ein Betrag von 50 Millionen aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern dafür abgezweigt wird. Es ist ohne weiteres möglich, die bei dem Einzelplan 06 Kap. 25 bereitgestellten Mittel um 50 Millionen zu kürzen, so daß wir auf diese Weise die Mittel den Ländern zur Verfügung stellen und die Sicherheit und den Schutz der Grenze erreichen können, den wir alle für notwendig halten.
Ich bitte daher um Annahme unseres Antrags.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag abzulehnen. Es ist ein Antrag, der im Effekt auf die Zerstörung des Bundesgrenzschutzes hinzielt,
und es ist ein Antrag, der uns bei der schwierigen Aufgabe, dieses einzige innere Sicherheitsinstrument des Bundes wiederaufzubauen, nicht unterstützt, sondern uns im Gegenteil diese Aufgabe unmöglich machen würde. Wir sind derzeit mit wachsendem Ergebnis bemüht, die uns vorgeschriebenen und die von uns vorgenommenen Wiederaufstellungszahlen zu erreichen. Wir brauchen dafür die Unterstützung des Hohen Hauses und nicht Anträge wie den vorliegenden, die den Bundesgrenzschutz nicht fördern, die die Sicherheit nicht fördern, sondern im Gegenteil ein Stück Abbau von Sicherheit bedeuten würden.
Ich darf hinzufügen, daß ein großer Teil der Länder eine Erhöhung der Stärke ihrer Bereitschaftspolizei aus verschiedenen Gründen abgelehnt hat.
Meine Damen und Herren! Ich darf wohl davon ausgehen, daß der Änderungsantrag Umdruck 1052 in Ziffer 5 und 6 gemeinsam behandelt und auch gemeinsam abgestimmt wird.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Ich lasse abstimmen über den Umdruck der Fraktion der SPD Umdruck 1052*) Ziffern 5 und 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, damit sind alle Änderungsanträge beschieden. Ich komme zur Gesamtabstimmung über den Haushalt des Bundesministeriums des Innern — Einzelplan 06 — hi der Ausschußfassung bzw., falls Änderungsanträge angenommen sind, mit dieser Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit ohne Enthaltungen angenommen.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 9. Mai 1957, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.