Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich Glückwünsche aus zum 60. Geburtstag dem Herrn Abgeordneten von Manteuffel am 14. Januar
und dem Herrn Abgeordneten Siebel zu seinem heutigen 60. Geburtstag.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 12. Januar 1957 die Kleine Anfrage 310 der Fraktion der FDP betreffend Ausführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3078 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 12. Januar 1957 die Kleine Anfrage 303 der Fraktion der DP betreffend Kohleversorgung der Fischdampferflotte beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3091 vervielfältigt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir alsbald zur Tagesordnung.
Einziger Punkt der Tagesordnung ist heute:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und des
Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Drucksachen 2314, 2437, zu 2437);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 3080, zu 3080, Umdrucke 888 bis 900).
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Berg
Abgeordneter Dr. Preller Abgeordneter Schüttler Abgeordneter Dr. Jentzsch
Abgeordneter: Geiger
Das Wort hat zunächst als erster Berichterstatter der Herr Abgeordnete Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung zu dem von mir erstatteten Schriftlichen Bericht *) zum Thema „Kreis der versicherten Personen" möchte ich noch folgendes hinzufügen.
Erstens. Zu erheblichen Auseinandersetzungen führte im Ausschuß die Frage, ob und in welcher Weise nichtbezahlte Arbeitnehmer, also solche, die ohne Lehrvertrag oder ähnliche Bindung etwa als Volontäre lediglich ihrer Ausbildung wegen beschäftigt sind, in die Regelung einzubeziehen sind. Die Auffassung, der soziale Schutz auch dieser Personen sei überwertig gegenüber der Gefahr, die
*) Siehe Anlage 2.
Lehrbetriebe könnten die Anzahl der zur Verfügung stehenden Volontärstellen einschränken, blieb für die Mehrheit des Ausschusses entscheidend.
Zweitens. In gleicher Weise entschied der Ausschuß mit überwiegender Mehrheit, daß Kinder, die in ihrem elterlichen Betrieb beschäftigt sind, der Versicherungspflicht unterliegen sollen, auch wenn gegebenenfalls zu erwarten ist, daß sie etwa als Erben dieses Betriebes angesehen werden können. Unter anderem wurde als Begründung für die Versicherungspflicht solcher Kinder die damit gewonnene Entscheidungsfreiheit bei der weiteren Berufsgestaltung zum Ausdruck gebracht.
Drittens. Das recht schwierige Problem der Angehörigen geistlicher Orden, der Diakonissenverbände, des Deutschen Roten Kreuzes und anderer wurde einstimmig zu der in der Vorlage niedergelegten Lösung gebracht. Auch hier war der Grundsatz maßgebend, denen, die aus der Gebundenheit dieser Gemeinschaften herausstreben sollten, durch Zusicherung des Versicherungsschutzes den Weg in die Freiheit eines selbstgewählten Berufes nicht zu versperren.
Viertens. Gegen die Formulierung des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 — Versicherungsfreiheit bei Beschäftigung ohne Entgelt — erhob sich im Ausschuß eine starke Opposition, die der Befürchtung Ausdruck gab, mit dieser Bestimmung würde dem Bestreben gewisser Arbeitgeber, schutzlose Menschen auszunutzen, Vorschub geleistet. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß es sich bei diesen Arbeitsverhältnissen ausschließlich um die fürsorgerische Betätigung einzelner oder von karitativen Verbänden handle und daß die Einführung einer Versicherungspflicht in solchen Fällen lediglich ,als eine Behinderung solcher sozialen Bestrebungen angesehen werden müsse.
Fünftens. Die Auseinandersetzungen um die gegen früher stark verschärften Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung nahmen im Ausschuß einen sehr breiten Raum ein. Die Auffassung, daß die staatliche Rentenversicherung breitesten Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen solle, konnte sich gegenüber der Forderung nach Erhaltung des Charakters dieser Versicherung als einer reinen Arbeitnehmerschutzeinrichtung nicht durchsetzen. Überhaupt war dieser letzte Gesichtspunkt, daß die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten wirklich eine Angelegenheit der Arbeitnehmer sein und bleiben solle, im Grunde die Auffassung der Mehrheit dieses Ausschusses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Als Mitberichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe über zwei Abschnitte des Gesetzentwurfs zu berichten, einmal über den Abschnitt über Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit — also das, was man draußen landläufig „Rehabilitation" nennt —, zum andern über den Begriff und die Durchführung der Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit.
Zu dem ersten Teil, den Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, ist darauf hinzuweisen, daß die Erkenntnis gewachsen ist, daß es nicht ausreicht, nur
Renten zu gewähren, sondern daß dazu auch eine aktive Gesundheitspolitik, eine Bekämpfung der Berufsunfähigkeit gehört und daß diese Maßnahmen unumgänglich sind, da wir eine erschreckende Zunahme der Berufsunfähigkeit in Deutschland festzustellen haben.
Der Ausschuß war sich völlig darüber einig, daß man solche Maßnahmen durchführen müsse. Er divergierte aber in seinen Auffassungen über das Wie und über das Wo der Durchführung dieser Maßnahmen.
Hinsichtlich der Art der Durchführung war umstritten, ob es ausreiche, im Rahmen einer Rentenversicherung Leistungen für die Wiedergesundung und die Arbeitseingliederung vorzunehmen, oder ob diese Maßnahmen schon stärker bei der vorhergehenden Krankenbehandlung anzusetzen seien. Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich dafür, daß der Rentenversicherung die Möglichkeiten gegeben werden sollten — und zwar über das bisherige Heilverfahren hinaus —, auf die Heilbehandlung einzuwirken und eine Berufsförderung neu hinzuzufügen. Diese Maßnahmen sollen durchgeführt werden, wenn — das ist der Wortlaut —
infolge einer Erkrankung die Erwerbsunfähigkeit eines Versicherten oder seiner Angehörigen
— die Rentner, die nach Auffassung der Opposition einbezogen werden sollten, sind dann draußen geblieben —
gefährdet oder vermindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann.
Die Art der Durchführung ist dann gegenüber dem Regierungsentwurf verschiedentlich durch Anträge der Regierungsparteien und der Opposition verändert worden. Ich darf Sie bitten, diese Einzelheiten aus dem von mir persönlich ausgearbeiteten Bericht *) zu entnehmen.
Nun die zweite Frage, die der Berufsunfähigkeit. Hier war entscheidend die Auseinandersetzung über den Begriff der Berufsunfähigkeit. Es war selbstverständlich, daß eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Begriff der Erwerbsunfähigkeit ,aus der Invalidenversicherung — also der Rentenversicherung der Arbeiter — erfolgen, andererseits keine Verschlechterung gegenüber der Angestelltenversicherung in ihrem Begriff der Berufsunfähigkeit eintreten solle. Ausgangspunkt war in den beiden Vorlagen, mit denen sich der Ausschuß zu beschäftigen hatte, und auch bei der Beratung der Begriff der Berufsunfähigkeit, wie er im Angestelltenversicherungsgesetz bisher bereits verankert war. Dazu ist nun entsprechend der Regierungsvorlage ein Zusatz gekommen, der die in dem Begriff der Berufsunfähigkeit enthaltene „zumutbare Tätigkeit" im einzelnen erläutern soll. Danach ist festgesetzt, daß als zumutbare Tätigkeit auch diejenige anzusehen ist, für die ein Versicherter im Rahmen der vorhin genannten Rehabilitation ausgebildet oder umgeschult worden ist. Dieser Zusatz war Gegenstand von Auseinandersetzungen im Ausschuß und, wie wir alle wissen, auch in der Öffentlichkeit; er ist nicht völlig unbestritten.
Die andere Frage, die es zu entscheiden galt, war die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente. Der Regierungsentwurf und nun auch der vorliegende Gesetzentwurf unterscheiden zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit. Diese beiden Begriffe
*) Siehe Anlage 2.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Als Mitberichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch.
*) Siehe Anlage 2.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Indem ich mich auf die letzten Worte meines Kollegen Schüttler beziehe, darf ich auf den Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht*) verweisen.
Ich bedanke mich, Herr Abgeordneter.
Als Mitberichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Geiger .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich als letzter Berichterstatter den Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten erstatte, so soll damit keine Rangfolge gegeben sein. Die Reihenfolge ergibt sich lediglich aus der Systematik der Gesetze und der Behandlung im Sozialpolitischen Ausschuß. Ich will bei dieser mündlichen Berichterstattung trotz der großen Bedeutung des Gesetzes Ihre Zeit und Geduld auch nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und mich deshalb kurz fassen, weil alle für die Neuordnung der Rentenversicherung wesentlichen Gesichtspunkte bereits in den Schriftlichen Berichten zu diesem Gesetzentwurf niedergelegt sind, vor allem auch weil die Vorberichterstatter bei ihren mündlichen Berichten auf die wesentlichen Gesichtspunkte noch einmal hingewiesen haben.
Das materielle Recht, das im Angestelltenversicherungsgesetz für die versicherten Angestellten festgelegt worden ist, stimmt praktisch mit dem von den Herren Berichterstattern schon behandelten materiellen Recht der Rentenversicherung für die Arbeiter überein. Trotz dieser Übereinstimmung ist der Ausschuß entgegen der Regierungsvorlage und dem SPD-Entwurf zu der Auffassung gekommen, daß es geboten sei, nicht nur, wie es in diesen beiden Entwürfen gefordert worden ist, eine organisatorische und finanzielle Trennung der Angestellten- und der Arbeiterversicherung durchzuführen, sondern für die Angestellten ein besonderes Gesetz zu schaffen. Der Ausschuß wollte durch dieses eigene Gesetz die Selbständigkeit der Angestelltenversicherung besonders unterstreichen. Er wollte vor allen Dingen auch der soziologischen Stellung der Angestellten und ihren besonderen Bedürfnissen entsprechen. Der Ausschuß vermochte allerdings nicht von dem Grundsatz abzuweichen, daß bei gleichem Beitrag auch eine gleiche Leistung gewährt werden soll. Bei seiner Gesetzesfestlegung hat der Ausschuß diesen auch in den erwähnten Entwürfen schon enthaltenen Grundsatz noch einmal besonders betont.
Es ergab sich daher die Notwendigkeit, die Paragraphen, mit denen dieses materielle Recht gesetzt wird, auch im Wortlaut so zu gestalten, wie sie im Gesetz für die Arbeiterrentenversicherung festgelegt wurden.
Die gleiche Gestaltung des Rechtes der Angestellten- und der Arbeiterversicherung sollte nach dem Willen des Ausschusses nicht dadurch erreicht werden, daß die seitherigen Leistungen der Angestelltenversicherung auf das Niveau der Invalidenversicherung herabgedrückt werden. Es ging dem Ausschuß vielmehr darum, die Leistungen der Invalidenversicherung zunächst an die der Angestell-
*) Siehe Anlage 2,
Es bleibt noch hervorzuheben, daß der Ausschuß bei der Übergangsregelung die Berechtigung des § 31 erneut eingehend erörterte. Die in diesem Paragraphen festgelegten Höchstgrenzen wurden von der Bundesregierung als notwendig bezeichnet. Es wurde herausgestellt, daß der nach Pauschbeträgen umzustellende Rentenbestand denselben Höchstsätzen unterworfen sei wie die neu zugehenden Renten nach der künftigen Rentenformel. Diese Regelung begegnete starken Bedenken, da sie nach Meinung eines Teiles des Ausschusses deutlich macht, daß die Umstellung des Bestandes nach den vom Ausschuß beschlossenen Tabellen zu nicht gewünschten Ergebnissen führen würde. Die Mehrheit des Ausschusses konnte sich diesen Bedenken jedoch nicht anschließen.
Auch in der Angestelltenversicherung soll eine Mindestrentenerhöhung durch Sonderzuschüsse in Höhe von 21 DM für den Versicherten und 14 DM für die Hinterbliebenen stattfinden.
Der Entwurf der Bundesregierung sah vor, die Altersversorgung für das deutsche Handwerk bis zur Neuregelung nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen. Der Ausschuß beschloß jedoch, daß die Renten und Rententeile der Handwerkerversorgung nach dem für die Angestellten vorgesehenen Recht festgesetzt bzw. umgerechnet werden sollen. Die Vorschriften hierzu sind im § 48 enthalten. Gleichzeitig beschloß der Ausschuß in Erweiterung des Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk, daß für die Leistungen der Handwerkerversorgung ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung aufkommen soll.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich meinen mündlichen Bericht schließen. Das Nähere ist eingehend im Schriftlichen Bericht dargelegt.
*) Siehe Anlage 2.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Damit, meine Damen und Herren, haben wir die Herren Berichterstatter gehört, denen ich insgesamt danke. Den Dank an die Berichterstatter möchte ich auf den Sozialpolitischen Ausschuß ausdehnen. Der Ausschuß hat mit dieser Vorlage ein ganz außerordentliches Maß von Arbeit vollbracht. Wir haben ihm und im besonderen seinem Vorsitzenden dankbar zu sein.
Schließlich möchte ich in diesen Dank ausdrücklich die Mitglieder der Verwaltung einschließen,
die uns in dieser Sache so zur Hand gegangen sind, daß das Haus heute morgen in der Lage ist, in die zweite Lesung einzutreten.
Gemäß einer Besprechung im Ältestenrat schlage ich Ihnen vor, in der zweiten Lesung so zu verfahren, daß wir beide Gesetze zusammen behandeln, d. h. entsprechend der Ihnen vorliegenden Drucksache 3080. Wir werden diese Drucksache, wenn irgend möglich, in folgender Weise behandeln und dann abstimmen: erst die linke Seite, dann die rechte Seite. Ich hoffe, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich kurzerhand sage: Links, rechts, links, rechts.
Das ist besser, als „Arbeiter" und „Angestellte" zu sagen. Ich meine nicht, daß die einen „rechts", die anderen „links" stehen. Aber in unserer Vorlage stehen die einen links und die anderen rechts. Es ist möglich, meine Damen und Herren, daß man sich einmal verspricht. Man verspricht sich weit weniger einmal links-rechts als Arbeiter-Angestellte. Das ist das eine.
Dann, meine Damen und Herren, will ich Ihnen die freudige Überraschung machen — ich weiß nicht, ob Sie es inzwischen selber gezählt haben —: heute morgen stehen zwölf Umdrucke mit Änderungsanträgen in 440 Ziffern an. Das sind immerhin rund 60 weniger, als ich heute morgen in der Zeitung gelesen habe; und das betrachte ich als einen Fortschritt.
Aber, meine Damen und Herren, zwölf Umdrucke mit 440 Ziffern — das kann in diesem Hause nicht abgehen, ohne daß ich den § 37 der Geschäftsordnung vorlese. Da heißt es: „Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag". Sie wissen alle, daß das in der Geschäftsordnung steht; trotzdem muß ich heute daran erinnern.
„Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen. Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine Ausnahme sein
— die Geschäftsordnung spricht so höflich zurückhaltend: „sollen eine Ausnahme sein"; aber dann kommt es —
und dürfen nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgelesen werden.
Meine Damen und Herren, was den Präsidenten betrifft, ist er jedenfalls entschlossen, für die zweite Lesung diese Genehmigung nicht zu erteilen.
Über die zwölf Umdrucke mit 440 Ziffern werden wir so abstimmen und sie auch so behandeln, daß wir alles, was auf der linken und auf der rechten Seite gleichlautend ist, wenn irgend möglich l zusammen behandeln und zusammen darüber abstimmen. Die gemeinsame Abstimmung ist natürlich nicht möglich, wenn auf der einen Seite auch nur ein Wort verändert oder ein Wort hinzugesetzt oder weggelassen worden ist. Darüber besteht Einmütigkeit. Ich bitte besonders die sachverständigen Mitglieder des Hauses, falls sie irgendeinen Irrtum feststellen, mich rechtzeitig durch Zuruf zu belehren.
Nun beginnen wir. Ich rufe zunächst auf links Artikel 1 Ziffern 1 und 2 bis zum Ersten Abschnitt, Aufgaben der Versicherung und Kreis der versicherten Personen. Zunächst nur links. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesen aufgerufenen Ziffern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ist angenommen.
Ich rufe auf rechts Artikel 1 bis zu dem Passus: Erster Abschnitt, Aufgaben der Versicherung und Kreis der versicherten Personen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — ist angenommen.
Ich rufe gemeinsam auf links den § 1226 und rechts den § 1 auf den Seiten 4 und 5. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf links den § 1227 auf Seite 6. Hierzu bitte ich, meine Damen und Herren, sich folgende Umdrucke bereitzulegen. Ich gebe zunächst einmal die Umdrucke an, die für diesen Paragraphen in Betracht kommen: Umdruck 891 Ziffern 1, 3, 5 und 6, Umdruck 888 Ziffer 1 und Umdruck 890 Ziffer 1. Das ist links. Rechts ist es etwas anders. Infolgedessen müssen wir hier getrennt abstimmen.
Zunächst zum Umdruck 891 Ziffer 1. Er bezieht sich auf § 1227 Abs. 1 Nr. 1 links. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Dr. Hammer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An dieser Stelle der Vorlage kommen zum erstenmal die Worte vor: „Gesetz über die Altersversorgung des Deutschen Handwerks". Auf Umdruck 890*) der FDP und auf anderen ist beantragt worden, in Art. 3, also ganz am Ende des Gesetzes, zu bestimmen, daß dieses Handwerkergesetz aufgehoben wird. Es gibt also, da durch das ganze Gesetz hindurch etwa ein halbes Dutzend von Bestimmungen laufen, die sich mit der Frage der Altersversorgung für das Handwerk befassen, theoretisch zwei Möglichkeiten: entweder jetzt die grundsätzliche Aussprache darüber zu veranstalten und nachher laufend abzustimmen oder aber das Gegenteil zu tun, am Schluß des Gesetzes den Antrag Umdruck 890 und andere zu beraten und die bezüglichen Paragraphen hier auszuklammern. Wir sind der Ansicht, daß das letztere das Klügere ist. Demnach würde ich vorschlagen, Herr Präsident, Sie möchten damit einverstanden sein, daß § 1227 Abs. 1 Nr. 6 vorläufig nicht beraten wird.
Herr Abgeordneter, damit wir uns recht verstehen: 6 bis „befreit sind".
*) Siehe Anlage 5.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Ist das Haus damit einverstanden? — Gut, das Haus ist damit einverstanden. Dann wird Nr. 6 in § 1227 Abs. 1, links, einstweilen ausgeklammert.
Nun aber zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 891**) Ziffer 1. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? — Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Beginn der Debatte über eine Reform der Rentenversicherung mit der Auseinandersetzung über die Grenzen der Versicherungspflicht, die heutige Diskussion über den Personenkreis, der in die Versicherungspflicht einbezogen werden soll, wäre eine einmalige und große Gelegenheit gewesen, die Aufgabe unserer Zeit zu lösen, die die Aufgabe des Parlaments ist: nämlich die sozialen Tatbestände neu zu überprüfen, sich mit der Frage der Schutzbedürftigkeit der Versicherten schlechthin und der Abgrenzung dieser Personenkreise insbesondere zu befassen; die Frage der Versicherungspflicht auch in ihrer Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten neu zu überdenken und den Katalog der Personenkreise den sozialen Tatbeständen anzupassen.
Es wäre aber auch eine Verpflichtung des Parlaments, festzustellen, ob die Grundlagen der Versicherungspflicht, wie sie seit der kaiserlichen Botschaft bestehen, mit den sozialen Tatbeständen unserer Gegenwart, des Jahres 1957, noch übereinstimmen. Eine solche Überprüfung der Grundlagen der Versicherungspflicht vom Grundsätzlichen her ist nicht nur wegen des Zeitdrucks, sondern wahrscheinlich auch aus anderen Gründen nicht in dem Maße erfolgt, wie es meine politischen Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei gewünscht hätten. Aber auch eine Überprüfung der anderen grundsätzlichen Frage ist nicht erfolgt, nämlich ob, nachdem das Ideal der Sicherheit an die Stelle des Ideals der Freiheit gesetzt und verkündet worden ist, nun das Schutzbedürfnis durch das Sicherheitsbedürfnis ersetzt werden muß, und ob die Versicherungspflicht, von der bei der Begründung und Berichterstattung gesagt worden ist, daß sie sich nur auf die Arbeitnehmer beziehen soll, hier nicht durch eine gemeinsame Konzeption sowohl des Arbeitsministers wie der Opposition eine Ausweitung erfahren hat, die der gegenwärtigen sozialen Situation nach unserer Auffassung keineswegs entspricht.
Die Sozialdemokratische Partei, die immer und zu allen Zeiten die totale Versicherungspflicht gefordert hat, hat ihre Auffassung — mit der ich mich an dieser Stelle gar nicht auseinandersetzen will — in ihrer Vorlage und auch bei den Beschlüssen im Ausschuß klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Dagegen ist von unseren Koalitionspartnern — es ist ein offenes Geheimnis, daß wir in diesen Fragen nicht immer einer Meinung gewesen sind — die Frage der Versicherungspflicht, soweit sie die Selbständigen betrifft und soweit sie Ansatzpunkte zur künftigen Einbeziehung der Selbständigen bzw. einen Anreiz, Selbständigwerdende in die Versicherungspflicht einzubeziehen, bietet, nicht mit der Klarheit und Konsequenz behandelt worden, die wir von . der CDU/CSU zur Reform der Rentenversicherung erwartet haben.
**) Siehe Anlage 6.
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete! — Meine Damen und Herren, ich muß dringend bitten, daß bei diesen Vorlagen unmittelbar zur Vorlage gesprochen wird.
Wir haben in der zweiten Lesung keine allgemeine Aussprache. Man kann darüber streiten, ob es nicht zweckmäßig wäre, bei einer Vorlage von solcher Bedeutung eine allgemeine Aussprache in der zweiten Lesung zu haben. Wir haben sie aber heute ganz bestimmt nicht. Ich würde also bitten, daß jeder Sprecher unmittelbar zu der Vorlage spricht. Hier steht zur Debatte ausschließlich der Änderungsantrag auf Umdruck 891 Ziffer 1 bzw. der Eventualantrag. Bitte, Frau Abgeordnete, sprechen Sie dazu!
Herr Präsident! Ich spreche in der zweiten Lesung zu § 1227 Abs. 1 Nr. 1, zu dem Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, mit dem die Streichung der Worte „oder sonst zu ihrer Berufsausbildung" beantragt wird, und muß deshalb auch über die Zusammenhänge mit der Versicherungspflicht sprechen.
Frau Abgeordnete, ich würde dringend bitten, unmittelbar zur Sache zu sprechen!
Ich tue das nur im Zusammenhang mit diesem Antrag. Wenn ein in der Berufsausbildung Befindlicher, bei dem noch nicht feststeht, ob er Arbeitnehmer oder Selbständiger werden wird, in die Versicherungspflicht einbezogen werden soll, dann muß ich, um auch den Kollegen in diesem Hause, die bisher nicht Gelegenheit hatten, sich mit diesen Problemen zu befassen, unseren Antrag zu verdeutlichen, klarmachen, worum es hier geht.
Wer also die Selbständigen nicht einbeziehen will, darf auch die in ihrer Berufsausbildung stehenden Selbständigwerdenden nicht in die Versicherungspflicht einbeziehen. Wer die freiheitliche Wirtschaftsordnung will, und wer verkündet, daß es sich — und das tun wir in diesem Gesetz an verschiedenen Stellen, wir werden noch darauf zurückkommen; Herr Dr. Berg hat es auch in der Begründung gesagt — um das Recht und eine Versicherung der Arbeitnehmer handeln soll, der muß unserem Antrag zustimmen, diejenigen aus der Versicherungspflicht herauszunehmen, die im Zeitpunkt ihrer Berufsausbildung keineswegs unter Beweis stellen können und auch nicht wollen, daß sie Arbeitnehmer sind.
Die Fraktion der Deutschen Partei bekennt sich zu dem Grundsatz, daß alle Arbeitnehmer im Rahmen einer Versicherungspflichtgrenze, wenn sie gegen Entgelt beschäftigt sind, in die Versicherungspflicht einbezogen werden sollen. Sie hält es aber für unklar und inkonsequent und der Konzeption des Gesetzes widersprechend, daß auch volontär- und volontärähnliche Arbeitsverhältnisse, die keineswegs die Ausbildung zu einem Arbeitnehmerberuf zum Ziele haben, ohne das Merkmal des Entgeltbegriffs in den Versicherungszwang einbezogen werden sollen!
Wir haben deshalb — Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich unseren Antrag gleich mitbegründe — einen Eventualantrag gestellt. Für den Fall, daß Sie etwa mit Mehrheit dieser absolut klaren, über-
zeugenden und der Begründung der Mehrheit des Ausschusses entsprechenden Auffassung, daß nur Arbeitnehmer in die Versicherungspflicht einbezogen werden sollen, nicht folgen sollten, haben wir mit unserem Eventualantrag die Forderung erhoben, daß dann die Worte „gegen Entgelt" hinzugefügt werden, damit ganz klar wird, was die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses gewesen ist. Es soll aber auch deutlich werden, daß es hier um die Versicherungspflicht geht und nicht um eine Wahlfreiheit oder um eine Entscheidung, die an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit nicht getroffen werden darf.
Ich bitte Sie daher, dem Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zuzustimmen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der DP sieht vor, vor allem die Volontäre usw., die zur Ausbildung anstehen, aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten herauszunehmen. Wir dagegen haben diesen Personenkreis bewußt miteinbezogen, um den Versicherungsschutz auch auf diese Personen auszudehnen. Wenn Frau Kalinke ausführt, sie bräuchten diesen Versicherungsschutz nicht, dann müssen wir erwidern: Sind wir Hellseher? Wissen wir, ob diese Leute überhaupt einmal die Möglichkeit bekommen, den väterlichen Betrieb zu übernehmen, oder ob sie überhaupt die Eignung besitzen, den väterlichen Besitz bewirtschaften zu können?
Wir meinen, nachdem gerade die Ausfallzeiten eine so große Rolle spielen, daß wir diesen Personenkreis nicht ausnehmen dürfen, sondern daß wir den Versicherungsschutz auch auf diesen Personenkreis ausdehnen müssen. Es würde ihnen sonst diese Versicherungszeit fehlen, was von Bedeutung ist, da gerade die Ausfallzeit eine so große Rolle spielt.
Wir bitten daher das Hohe Haus, den Änderungsantrag der DP zu § 1227 der Rentenversicherung der Arbeiter und zu § 2 der Rentenversicherung der Angestellten abzulehnen.
Wir bitten weiterhin das Hohe Haus, den Änderungsantrag der CDU/CSU wie folgt anzunehmen:
In § 1227 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b werden die
Worte „neben der freien Station" durch die
Worte „neben dem freien Unterhalt" ersetzt.
Einen Augenblick bitte, Herr Abgeordneter! Das bezieht sich nicht auf den Absatz 1 Nr. 1. Ich möchte bitten, daß wir zunächst über den Absatz 1 Nr. 1 verhandeln. Sprechen Sie bitte nachher zu den anderen Bestimmungen; sonst kommen wir hier nicht durch.
Herr Abgeordneter, wollten Sie nicht noch etwas zu dem Eventualantrag sagen?
Den Eventualantrag lehnen wir ebenfalls ab.
Eventualanträge wollen Sie auch ablehnen. Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 891*) Ziffern 1 und 2. Wer diesen Änderungsantrag annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Eventualantrag Umdruck 891 Ziffern 3 und 4. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1227 Abs. 1 Nr. 1 — Seite 6 der Drucksache 3080 —. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die entsprechenden Bestimmungen auf der rechten Seite: § 2 Nr. 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun komme ich zu den Änderungsanträgen zu § 1227 Abs. 1 Nr. 2 auf Umdruck 891*) Ziffern 5 und 6 und sinngemäß auf der rechten Seite. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.
Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein ganz kurzes Wort. Es ist in der Redaktionskommission mit sehr großer Beschleunigung gearbeitet worden, und ich kann mich nur dem Dank des Herrn Präsidenten an das Büro anschließen, daß es uns ausgezeichnet unterstützt hat. Es ist aber trotzdem eine kleine Korrektur notwendig. In Nr. 2 ist das in Nr. 1 eingefügte Wort „die" vergessen worden. Ich wäre also dankbar, Herr Präsident, wenn vor den Worten „als Lehrling" auch in Nr. 2, analog zu Nr. 1, das Wort „die" eingefügt würde.
Die Fassung soll also lauten: „oder die als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind". Änderungsantrag Umdruck 891 Ziffer 5. Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag Umdruck 891 Ziffer 5 ist angenommen.
Der Änderungsantrag Umdruck 891 Ziffer 6 bezieht sich auf § 1227 Abs. 1 Nr. 2; also sinngemäß. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag Umdruck 891 Ziffer 6 ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1227 Abs. 1 Nr. 2, links, in der abgeänderten Fassung und über § 2 Nr. 2 auf Seite 7, rechts. Wer den aufgerufenen Nummern in der geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich komme zu Nr. 3 und Nr. 4, links, auf Seite 6. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Entsprechend rechts — auf Seite 7 — Nummern 3, 4, 5, 6. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
*) Siehe Anlage 6.
Wir kommen zu Nr. 5, links. Dazu liegt ein Änderungsantrag — Umdruck 888 Ziffer 1*) — der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird dazu das Wort gewünscht? —
— Er ist begründet.
Entsprechend rechts Nr. 7; dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 2*) vor. Wird auf Begründung verzichtet? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich stelle zur Abstimmung Nr. 5 links und Nr. 7 rechts mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Nr. 6 links — also auf Seite 6 — ist ausgeklammert. — Ich nehme an, Herr Abgeordneter Hammer, daß Sie natürlich auch Nr. 8 rechts ausklammern.
Dann kommt auf Seite 8 der Absatz 2. Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Absatz 2 auf Seite 8 — links — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun Seite 9 — also rechts —, § 3. Hierzu liegt ein Änderungsantrag — Umdruck 899 Ziffer 1**) —vor. Wird zu diesem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 899 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Wir stimmen ab über § 3 — Seite 9 und Seite 11
— in der so geänderten Fassung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 1228 liegt der Änderungsantrag Umdruck 891 Ziffer 8***) vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Kalinke zur Begründung.
Zu § 1228 ist heute morgen schon vom Berichterstatter gesagt worden, daß die Versicherungsfreiheit der sogenannten MeisterKinder und die Problematik der Beschäftigung von Kindern bei ihren Eltern im Gesetz nicht mehr erscheinen. § 1228 Abs. 1 stellt nur noch versicherungsfrei, wer bei seinem Ehegatten in Beschäftigung steht, und schließt einen alten Grundsatz aus, der nicht nur in der deutschen Sozialversicherung, sondern auch im europäischen Sozialversicherungsrecht immer gegolten hat, nämlich ein Beschäftigungsverhältnis von Verwandten gerader Linie nicht ein Versicherungsverhältnis begründen zu lassen. In den Neujahrsbotschaften dieses Jahres ist immer wieder darauf hingewiesen worden — und das ist stark beachtet worden —, daß mit Umsicht alle die Fragen der Sozialreform diskutiert werden müssen, die, wenn sie einmal beschlossen sind, in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Bei der Ablehnung unseres Antrags auf Freistellung der Volontäre und volontärähnlich Beschäftigten hat der Abgeordnete der CDU/CSU mit dem Argument operiert, daß man ja bei der Einbeziehung dieser Kinder gar nicht weiß, wie die
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 11. ***) Siehe Anlage 6.
Zukunft sein wird, und daß man, weil Ausfallzeiten angerechnet werden, nun diesen Menschen eine Chance geben muß, aus der Versicherung der Arbeitnehmer, also aus den Beiträgen der sozialversicherten Arbeitnehmer und aus den Beiträgen der Steuerzahler, die die Zuschüsse aufbringen, diese Ausfallzeiten rechtzeitig auch für sich in Anspruch nehmen zu können. Ich glaube, ,daß diese Argumentation weder vom Sozialethischen noch vom Sozialpolitischen her zutrifft und daß es unbedingt notwendig ist, sich klarzumachen, daß, wer Eltern und Kinder, die im Familienverband im Betrieb miteinander arbeiten, in diesem Familienbetrieb nur deshalb versicherungspflichtig macht, weil sie im Familienbetrieb arbeiten, weitab ist von jener Konzeption, die die Familie — und ich glaube, daß wir darin zumindest in der Regierungskoalition einig sein sollten — doch noch alsausreichenden Schutzverband anerkennt und fördert.
Es ist auch nicht richtig, was im Ausschuß vertreten worden ist, daß Kinder im Betrieb ihrer Eltern gefährdet seien, weil die Eltern nicht dafür sorgten, daß Versicherungsbeiträge für sie bezahlt würden. Meine Freunde in der Deutschen Partei sind der Auffassung, daß in der Regel der Familienverband funktioniert und daß das, was wir bei der Novelle zum AVAVG hier zu § 69 mit Mehrheit beschlossen haben, richtig ist, daß nämlich Kinder im Betrieb ihrer Eltern grundsätzlich nicht versicherungspflichtig sein sollten. Soweit diese Kinder ein richtiges Lehrverhältnis mit einem Lehrvertrag haben, werden sie ohnehin während ihrer Lehrlingszeit durch § 1227 versicherungspflichtig, und sie haben die Möglichkeit, sich weiterzuversichern. Es ist doch nicht so, daß Handwerker, Bauern, Gewerbetreibende und die Angehörigen aller freien Berufe nicht in der Lage wären, ihren Kindern nach der Ausbildungszeit für die Übernahme des elterlichen Betriebes, wenn sie volljährig sind, die Entscheidung selbst zu überlassen. Es ist auch wirklich ein Bruch in der Konzeption. wenn man immer wieder vom Mittelstand und von der Familienfreundlichkeit spricht, aber hier der Familie nicht zutraut, selbst die Entscheidung zu treffen, ob das Kind desjenigen, der einen eigenen Betrieb hat, versicherungspflichtig sein soll oder nicht. Der Erbe, der noch familienhaft denkt, wird immer selbst entscheiden können, ob er nicht nur die Rechte in Anspruch nehmen, sondern auch die Pflichten, die er im Betrieb seiner Eltern hat, erfüllen kann. Von dem Kollegen der CDU ist erst bei der Frage der Volontäre auf den Zusammenhang mit der Geschäftsnachfolge hingewiesen worden. Es ist nicht umstritten, daß in dem Augenblick, in dem ein Sohn im Betrieb seiner Eltern beschäftigt ist, noch keineswegs entscheidend zu sein braucht, ob er der Nachfolger sein wird. Eines wird er aber immer sein: der Erbe. und als dieser Erbe wird er sich mit seinen Eltern selbst verantwortlich darüber unterhalten, ob er ein Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt, einen Lehrvertrag abschließt oder ob es ihm um die familienhafte Mitarbeit und Zusammenarbeit geht.
Diese familienhafte Mitarbeit und Zusammenarbeit darf nicht zu einem Arbeitnehmerverhältnis schlechthin werden, und deshalb sind wir der Auffassung, daß auch die Frage der Wahlfreiheit, die Sie doch alle nach den Erfahrungen bei der Handwerkerversicherung abgelehnt haben, bei den Söhnen im elterlichen Betrieb ganz eindeutig geklärt
Die SPD-Fraktion hat aus wohlüberlegten Gründen den Antrag auf Streichung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes gestellt. Dann werden, wie es nach der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs und auch nach unserem Gesetzentwurf vorgesehen war, alle Angestellten in die Rentenversicherung einbezogen.
Dabei bleibt es jedem Arbeitnehmer mit höherem Einkommen unbenommen, sich zusätzlich freiwillig Alterssicherungen zu schaffen. Es ist aber nicht sinnvoll, die Angestellten mit höherem Einkommen allgemein aus der Risikogemeinschaft herauszulassen, wenn — und das ist viel öfter der Fall, als man gemeinhin annimmt — später einmal doch die Fürsorge eingreifen muß. Nach Auffassung meiner Parteifreunde wäre es doch viel zweckmäßiger und gerechter, die Angestellten gleich von vornherein gesetzlich in diese Risikogemeinschaft zu' verpflichten, zumal da sie auch am ehesten in der Lage sind, ihre Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft zu erfüllen.
Es ist nicht so — wie man vielleicht auch hier wieder behaupten wird —, daß diese Angestellten gar nicht in die Versicherung hineinwollten. In der Regel verhält es sich umgekehrt. Die meisten Angestellten wären glücklich, wenn der Gesetzgeber die Versicherungspflicht für sie einführte, weil damit ja auch der Arbeitgeberanteil, den der Arbeitgeber für den Angestellten zu leisten hat, eine gesetzliche Verpflichtung wäre.
Noch ein letzter Hinweis, den ich wegen seiner Wichtigkeit machen muß, nämlich den Hinweis, daß der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird, wenn Angestellte und Arbeiter unterschiedlich behandelt werden, indem der Arbeiter unabhängig von der Höhe seines Einkommens versicherungspflichtig ist, der Angestellte aber nicht. Man kann sagen, das war schon immer so. Nun, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, schließlich wollen wir doch eine Neuordnung der Rentenversicherung machen, und bei einem so wichtigen Gesetzeswerk, wie es hier zur Beratung steht, sollte der Bundestag den Grundsatz der Gleichheit beachten.
Wir wissen, daß die früheren sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den Arbeitern und den Angestellten immer mehr ausgeglichen wurden, und das ist gut so. Es gibt also keinen Grund mehr, der hier eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte. Der hochbezahlte Fliesenleger z. B. hat sicherlich einen ebenso gesicherten Arbeitsplatz und ein gleichermaßen gesichertes Einkommen wie irgendein leitender Angestellter in irgendeinem Betrieb. Dennoch — und das ist das Ausschlaggebende dabei — können beide Arbeitnehmer in der heutigen Zeit in der Bundesrepublik außerhalb der gesetzlichen Sozialversicherung keine absolut gesicherte Vorsorge für das Alter treffen.
Wir beantragen deshalb, daß so, wie alle Arbeiter, auch alle Angestellten innerhalb der Rentenversicherung zusammengefaßt werden. Ich bitte Sie namens der SPD-Fraktion, dem hier vorliegenden Änderungsantrag auf Streichung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 — und meine Begründung bezieht sich gleichzeitig auf den nächsten Punkt, auf Streichung des § 5 — zuzustimmen.
Frau Abgeordnete Finselberger hat das Wort zur Begründung ihres gleichlautenden Antrags auf Umdruck 896*) Ziffer 2. — Ich würde empfehlen, daß Sie zunächst nur zu diesem Punkt sprechen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Döhring von der Fraktion der SPD hat den gleichen Antrag für ihre Fraktion gestellt. Wir haben uns auch in unserer Fraktion mit diesem Anliegen beschäftigt und wir sind bei dem Beschluß geblieben, den wir bei anderer Gelegenheit, nämlich im Sozialpolitischen Ausschuß unserer Partei, schon gefaßt hatten, daß alle Arbeiter und alle Angestellten in die Versicherung hineingehören. Der Ablauf der letzten Jahre und die Unsicherheit, die gerade in den Kreisen der sogenannten leitenden und qualifizierten Angestellten festzustellen war, sollten Veranlassung sein, daß das gesamte Haus diesen Antrag unterstützt. Auch heute noch - diejenigen Mitglieder aller Fraktionen des Hauses, die dem Petitionsausschuß angehören, werden mir zustimmen — gehen Eingaben gerade aus den Kreisen der leitenden Angestellten ein, die nicht versicherungspflichtig waren und die heute Fürsorgeempfänger sind.
Diesen Zustand wünschen wir für die Zukunft nicht mehr. Ich weiß aus diesen Kreisen, daß es sehr viele leitende Angestellte gibt, die unter allen Umständen mit eingeschlossen sein und nicht herausfallen möchten. In der Größenordnung der Einkommen bestehen zwischen gewissen Arbeiterberufen und Angestelltentätigkeiten gar keine großen Differenzen mehr. Auch aus diesem Grunde ist nicht einzusehen, weshalb nicht der gesamte Kreis der Angestellten in die Angestelltenversicherungspflicht hineingehören soll. Wir plädieren aus diesen Gründen dafür, diesen Antrag zu unterstützen und auf das zurückzukommen, was in dem Regierungsentwurf vorgesehen war und was durch den Sozialpolitischen Ausschuß leider geändert worden ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich in den kurzen Ausführungen, die ich zu machen habe, auf die Stellungnahme zu den beiden vorliegenden Anträgen, in § 4 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes die Nr. 1 zu streichen. Meine Stellungnahme bezieht sich also auf die Frage: totale Versicherungspflicht für Angestellte oder Beibehaltung einer Versicherungspflichtgrenze? Ich darf dabei auf die Ausführungen Bezug nehmen, die ich zu diesem Punkte bereits bei der Debatte zur ersten Lesung der Regierungsvorlage gemacht habe. Ich habe damals gesagt, daß auch in unseren Reihen die Meinungen darüber noch auseinandergingen und daß wir diese Frage bei uns noch zu klären hätten.
Sicher ist zuzugeben, daß man für die eine wie auch für die andere Auffassung mit Argumenten aufwarten kann, die nicht alle von der Hand zu weisen sind. Aber es ist nicht vonnöten, daß man uns zur Begründung der Streichungsanträge auf gewisse Stellungnahmen und Meinungen verweist, die auch einmal von Ausschüssen oder Persönlichkeiten, die uns parteipolitisch nahestehen, erarbeitet worden sind.
*) Siehe Anlage 9.
werden muß. Ich habe schon auf die Novelle zum AVAVG hingewiesen. Das österreichische Recht, das doch bei Gott nicht verdächtig ist, etwa der konservativen Konzeption der Deutschen Partei nahezustehen, hat ganz eindeutig alle Ehegatten oder ihre Abkömmlinge auch in der Novelle zur österreichischen Rentenversicherung von der Versicherungspflicht ausgenommen, und die Debatte über die Novelle zum AVAVG hat doch gezeigt, daß weder unsere Bauern noch unsere Handwerker der Auffassung sind, daß ihre Söhne im elterlichen Betrieb unbedingt des Schutzes der Versicherungspflicht bedürfen, auch dann nicht, wenn sie nicht gegen Entgelt beschäftigt sind.
Die Fraktion der Deutschen Partei bittet Sie daher, in § 1228 Abs. 1 Nr. 1 nach dem Wort „Ehegatten" die Worte „, seinen Eltern oder Kindern" einzufügen und damit auch in der umstrittenen Frage der Meister-Kinder und Meister-Söhne, die nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts keineswegs erledigt ist, die Pflicht des Gesetzgebers zu erfüllen und in dem Bekenntnis zum Familienverband, aber auch zur Verantwortung im Familienverband einen sozial-ethischen Auftrag der Reform zu sehen.
Meine Damen und Herren, wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 891*) Ziffern 8 und 9 zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Ich komme nun zur Abstimmung über den Absatz 1 links; er ist identisch mit § 4 Abs. 1 rechts. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich kehre jetzt zurück zu § 4 Abs. 1, rechts auf Seite 11. Hier liegen Änderungsanträge vor, erstens der Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 893**) Ziffer 1. Wird er begründet?
— Eine Sekunde, gnädige Frau; ich will das Haus noch darauf aufmerksam machen, daß zum gleichen Punkt der Änderungsantrag Umdruck 896***) Ziffer 1 vorliegt, der inhaltlich gleich ist. Wollten Sie dazu sprechen?
Zu Antrag Umdruck 893**) Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bekanntlich war auch in der Regierungsvorlage ursprünglich vorgesehen, daß zukünftig a 11 e Arbeitnehmer, also auch alle Angestellten, unabhängig von der Höhe ihres Einkommens in die Rentenversicherungspflicht einbezogen werden sollen. Dabei war — wie es auch selbstverständlich ist — für die Beitrags- und Leistungsbemessung eine obere Einkommensgrenze festgesetzt worden. Es ist sehr bedenklich, daß sich die Bundesregierung in ihren eigenen Regierungsparteien nicht einmal in diesem wichtigen grundsätzlichen Punkt des Personenkreises durchsetzen konnte. Vielmehr hatte der Sozialpolitische Aus-
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 9. schuß in seiner Mehrheit nur insoweit für die Einbeziehung der Angestellten gestimmt, als diese ein Einkommen bis zu 1250 DM im Monat haben.
Es ist erstaunlich, daß immer wieder behauptet wird, höherbezahlte Angestellte benötigten eine gesetzliche Altersversicherung nicht. Ich darf hier ein Wort eines der Herren Vorredner aufgreifen: Auch in diesem Punkte kann man kein Hellseher sein. Die Behauptung, daß höherbezahlte Angestellte einen Versicherungsschutz nicht brauchen, entbehrt jeder Grundlage. Denn o b ein Arbeitnehmer eines Schutzes durch die Rentenversicherung bedarf, kann doch nicht nach dem Stand seines augenblicklichen Einkommens beurteilt werden.
Man wird mir vielleicht entgegenhalten, das sei Ansichtssache. Ich möchte dazu folgendes bemerken: Diese Erkenntnis, daß die allgemeine Versicherungspflicht die beste Lösung darstellt, ist nicht etwa nur bei meinen Parteifreunden und mir vorhanden; sie wurde vielmehr auch von der Sozialen Studienkommission in aller Öffentlichkeit vertreten. Diese Studienkommission wurde seinerzeit vom Deutschen Gewerkschaftsbund aus Anlaß der Neuordnung des Rentenrechts gebildet. Ausgezeichnete und unabhängige Sachkenner aus allen Sparten waren in diese Kommission berufen worden. Einer der Vorsitzenden dieser unabhängigen Studienkommission war der Gewerkschafter Lünendonk aus Frankfurt, der Ihrer Partei — meine Herren und Damen von der CDU — zugehört, der sogar Vorsitzender Ihres Sozialpolitischen Ausschusses ist. Auch diese Studienkommission hat sich dafür ausgesprochen, daß künftig alle Angestellten in die Versicherungspflicht hineingenommen werden sollen, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß sich die Arbeitseinkommen großer Gruppen von Arbeitnehmern, also sowohl der Arbeiter wie auch der Angestellten, in auf- und absteigenden Kurven bewegen.
Die Praxis der Fürsorgeämter hat oft genug gezeigt, daß Angestellte, 'die früher hohe Einkommen bezogen haben, im Alter und besonders bei Berufsunfähigkeit auf die Leistungen der Fürsorge angewiesen waren, weil ihr Lebensweg anders verlaufen ist, als sie es sich vorgestellt hatten.
Man braucht bei solchen Überlegungen durchaus nicht etwa nur an Krisenzeiten zu denken. Vielmehr waren noch zu allen Zeiten auch höher bezahlte Angestellte nicht vor Entlassungen gefeit. Wenn irgendwo, dann trifft gerade in dieser Beziehung das Wort von Friedrich von Schiller hundertprozentig zu: „Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten." Man kann dieses Wort auch abwandeln und kann vielleicht noch viel zutreffender sagen: „Doch mit des Arbeitgebers Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten."
Wenn es sich ältere Angestellte handelt — und meistens handelt es sich um solche —, ist es nicht immer möglich, wieder in eine gleiche oder ähnliche Position zu kommen. Sie kennen ja alle die Stellenangebote in den Zeitungen. Da heißt es meistens: „Leitende Persönlichkeit mit Spezialkenntnissen auf verschiedenen Gebieten und mit reichen Erfahrungen gesucht, aber nicht über 35 Jahre alt."
Bei den weiteren Arbeiten innerhalb der Koalition haben wir uns zu der Kompromißlösung bereit gefunden, durch die wir uns in Abweichung von der Regierungsvorlage bei der Angestelltenversicherung für die Beibehaltung einer Versicherungspflichtgrenze aussprechen. Wir dürfen uns dabei unter anderem auf die Meinungsäußerungen stützen, die dazu aus den Kreisen insbesondere der leitenden Angestellten immer wieder an uns herangebracht worden sind.
Es ist wohl nicht sinnvoll, hier in eine längere Auseinandersetzung um das Für und Wider dieser oder jener Stellungnahme einzutreten. Wir sind der Auffassung, daß wir bei der vorn Ausschuß erarbeiteten Lösung bleiben sollten. Im übrigen ist darauf Bedacht genommen, daß diejenigen, die bei der Ausdehnung der Versicherungspflicht neu versicherungspflichtig werden, hinsichtlich ihrer bereits getroffenen Vorsorge in angemessener Weise berücksichtigt werden. Darauf wird von unserer Seite noch einzugehen sein.
Wir sind der Auffassung, daß es wie in der Vergangenheit so auch künftighin richtig ist, grundsätzlich an einer Versicherungspflichtgrenze festzuhalten. Wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit den übrigen Parteien der Regierungskoalition und, wie ich glaube, auch mit der Freien Demokratischen Partei, also sicherlich mit einer großen Mehrheit dieses Hauses. Wir bitten, die beiden Änderungsanträge der SPD und des GB/BHE abzulehnen und die Ausschußvorlage beizubehalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr gehegten Damen und Herren! Die Freie Demokratische Partei hat zu dem hier vorliegenden Problem von j eher eine einheitliche Haltung eingenommen. Wir haben schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs wir die allgemeine Versicherungspflicht ablehnen. Wir sind für die Beibehaltung einer Versicherungspflichtgrenze und sehen aus unserer politischen Auffassung in dem anderen Wege die Spur, die eindeutig auf den Wohlfahrtsstaat hinweist.
Ich vermag im übrigen nicht zu sehen, sehr verehrte Frau Kollegin Döhring, daß der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird, wie Sie hier vorgebracht haben. Die unterschiedliche Behandlung der Angestellten und der Arbeiter — wenn man diesen Ausdruck einmal so benutzen darf —, ist doch in keiner Form mit einem Nachteil oder einem besonderen Vorteil für eine dieser Gruppen verbunden. Denn das allgemeine Berufsschicksal auch der leitenden Angestellten ist ja, daß sie nicht als Generaldirektoren begonnen haben; vielmehr haben sie alle einmal in einer versicherungspflichtigen Tätigkeit begonnen und sind dann langsam oder unter Umständen schneller in Positionen hineingewachsen, die mit einem Lebensstandard verbunden sind, bei dem ihnen dann aber auch zugemutet werden kann, selber weiter Vorsorge für sich zu treffen. Sie würden es ihrerseits als Zumutung empfinden, wenn man ihnen das nicht überließe.
Wir sind an dieser Stelle an einem Punkt angelangt, wo sich jeder auf sozialpolitische Grundthesen seiner Partei oder seiner Organisationen bezieht. Es ist daher sehr schwer, sich gegenseitig zu überzeugen, wenn der eine etwas von dem aufgeben soll, was für ihn bisher eine feststehende Norm gewesen ist. Das ist eine Tatsache, mit der wir uns abzufinden haben. Jeder muß eben die Dinge so vertreten, wie er sie meint vertreten zu müssen. Jedenfalls habe ich für die Freie Demokratische Partei zu erklären, daß wir den Änderungsanträgen Umdruck 893 Ziffer 1 und Umdruck 896 Ziffer 1 unsere Zustimmung nicht geben können.
Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auf die Ausführungen der Frau Kollegin Döhring und der Frau Kollegin Finselberger für die Fraktionen der SPD und des GB/BHE möchte ich im Namen der Fraktion der Deutschen Partei zum Problem der totalen Versicherungspflicht nicht alles das wiederholen, was wir in diesem Hause im 1. und im 2. Bundestag sowie in der Öffentlichkeit seit zehn Jahren vielleicht als einzige Fraktion mit absoluter Klarheit und nie schwankend vertreten haben.
— Ich nehme das für mich in Anspruch. Sie dürfen darin mit mir beim nächsten Paragraphen wetteifern.
— Sie können ja beim § 5 mit uns wetteifern!
Wir freuen uns, daß wir mit einem großen Teil dieses Hauses in der Grundsatzfrage übereinstimmen und die totale Versicherungspflicht ablehnen. Ich habe bei diesem Punkt lediglich die Absicht, mich in Form eines echten Diskussionsbeitrages mit den Argumenten der beiden Rednerinnen zu beschäftigen. Vorweg möchte ich sagen, daß bedauerlicherweise der Herr Arbeitsminister in seine eigene Vorlage die totale Versicherungspflicht hineingeschrieben hat, obwohl der gleiche Arbeitsminister zu meiner Freude in der Vergangenheit im Beirat noch eine andere Auffassung vertreten hat. Die Regierung hat aber dieser ihrer in der Vorlage gegebenen Erklärung seltsamerweise keine Begründung beigegeben.
Vielleicht kann uns der Herr Arbeitsminister sagen, warum er diese Begründung nicht gegeben hat. Ich hätte sie sehr gerne gehört.
Der Frau Kollegin Döhring möchte ich hier antworten: Es ist gar kein Zweifel — und ich sagte das schon bei der Beratung unserer Anträge zum § 1227 RVO —: wer die Erfahrungen der zwei Kriege und der letzten Jahrzehnte und auch die Erfahrungen mit einer nicht immer zielklaren Sozialpolitik auf sich wirken läßt, der wird feststellen, daß der Sog und der Schrei nach immer umfassenderer Sicherheit zugenommen hat. Aber genau an dieser Stelle setzt die Verantwortung des Parlaments ein. Wir müssen dafür sorgen, daß diejenigen, die der Unsicherheit der Zeitläufte ausgesetzt waren und die nicht das Gefühl eines umfassenden Schutzes durch Mittel des Staates haben
— und das können nicht nur Mittel der Sozialpolitik sein, das müssen auch Mittel der Steuerpolitik, der Währungspolitik, der Arbeitsmarktpolitik, ja der Wirtschaftspolitik schlechthin sein —, dieselben Erfahrungen nicht noch einmal machen
müssen, die eine Generation, der wir angehören, gemacht hat. Hier kommt es darauf an, daß der Gesetzgeber eine Vorstellung, eine Konzeption vom Staat und von den Grenzen hat, die der Bundestag für sich und damit für seine Gesetzgebung erkennen muß.
Frau Kollegin Döhring, Sie werden doch zugeben müssen, daß die totale Versicherungspflicht, die ja ein wesentliches Merkmal des Wohlfahrtsstaates ist, in einem Zeitpunkt, in dem dieser Wohlfahrtsstaat in ganz Europa im Kreuzfeuer der Kritik steht, in einem Augenblick, in dem die Kritik an diesem Wohlfahrtsstaat selbst bei den Betroffenen laut wird, nämlich bei denen, die die Kosten dieses Staates zu tragen haben — und zwar nicht nur die Kosten der Sozialversicherungsbeiträge und der hohen Steuern, sondern auch noch die indirekten Kosten dieses Wohlfahrtsstaates —, daß die totale Versicherungspflicht in einem solchen Zeitpunkt nicht angebracht ist. Ich halte es nicht für glücklich, in diesem Zeitpunkt im Namen der Gleichheit Forderungen an den Staat zu erheben, statt die Forderungen an den Staatsbürger zu richten und ihn zur Selbstverantwortung aufzufordern. Wer Klage führt über die Abstumpfung unserer Staatsbürger und wer berechtigt Klage führt über den immer größeren Schrei, aus der Tasche des anderen Hilfe haben zu wollen, ohne sich auf sich selbst zu besinnen, der muß hier zu den Grundsätzen der Selbstverantwortung und der Selbsthilfe zurückkehren.
Frau Kollegin Döhring hat gemeint, ob ein Arbeitnehmer schutzbedürftig sei, das könne zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich zu beurteilen sein.
— Ich widerspreche Ihnen nicht. Selbstverständlich kann die Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich sein. Gerade unsere älteren Angestellten haben das erlebt. Ich denke nur an die Probleme der Entnazifizierung und der Austreibung sowie all die Schicksale der älteren Angestellten. Dieser Personenkreis ist es doch, der heute noch arbeitslos ist: die 1945 aus ihrer Bahn Gerissenen, die Heimatvertriebenen und die Altgewordenen, die den Anschluß an die Chancen des Wiederaufstiegs der Wirtschaft nicht mehr gefunden haben. Aber diese Menschen waren ja früher einmal in der Versicherungspflicht, und wir geben ihnen doch durch Ausfall- und Ersatzzeiten nun die Möglichkeit, ihre Versicherungsansprüche, die sie in der Vergangenheit erworben haben, zu erhalten. Es trifft vollkommen zu, was Herr Kollege Jentzsch gesagt hat, daß ein leitender Angestellter, auch ein hochqualifizierter Facharbeiter ja nicht mit dem 17. oder 20. Lebensjahr, sondern aus der Versicherungspflicht über die Weiterversicherung in diese Aufgabe hineinwächst. Und wenn Sie von der Studienkommission des Deutschen Gewerkschaftsbundes sprechen, dann könnte ich Ihnen hier — ich will das heute nicht tun, ich schätze, daß Sie sich damit beschäftigt haben — eine Fülle von Studienergebnissen aus ganz Europa gegenüberstellen, die genau das Gegenteil beweist.
Außerdem ist in diesem Zusammenhang von Ihnen gesagt worden, daß die leitenden Angestellten ja nun die Möglichkeit der zusätzlichen Altersversicherung haben. Im Wahlkampf wird in diesem Hause heute und morgen aber bestimmt
auch noch von hohen ethischen Werten der Verantwortung, der Eigentumsbildung, des Sparens und der individuellen Sicherung gesprochen werden. Aber ich frage Sie nun:
Wovon soll dieser Angestellte, Frau Kollegin Döhring und Herr Kollege Arndgen, diese Sicherung vornehmen, wenn er heute 16 % für die Renten- und Arbeitslosenversicherung — wir alle wissen nicht, wie hoch der Beitragssatz in zwei oder drei Jahren sein wird — zahlen muß, wenn er daneben demnächst einen erhöhten Krankenversicherungsbeitrag und wenn er in absehbarer Zeit nicht nur auch noch weitere Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen muß, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich würde doch etwas mehr Ruhe empfehlen.
Ich bitte den Herrn Kollegen Schüttler, es weder als Zumutung noch als Überbeanspruchung zu empfinden, wenn ich in einer so wichtigen Frage der Frau Kollegin Döhring antworten muß.
Frau Kollegin Döhring hat weiter gesagt — und Sie scheinen dem zuzustimmen —, die meisten Angestellten würden glücklich sein, wenn sie in diese Sicherungspflicht einbezogen würden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich muß dringend um Ruhe bitten.
Ich halte keine Vorlesung, sondern habe hier nichts als Stichworte aus den Ausführungen, die Sie beide gemacht haben. Ich habe die Worte aufgeschrieben, die Ihre Kollegin und die Frau Kollegin Döhring gesagt hat.
Die Frau Kollegin Döhring hat weiter darauf hingewiesen, daß es um den Arbeitgeberanteil geht. Meine Herren und Damen, das ist einer der wesentlichen Punkte dieser Debatte. Es geht nämlich vor allem um zwei Dinge: einmal um den Arbeitgeberanteil und der Regierung wahrscheinlich um die Beiträge für die Deckung der nicht ganz klaren finanziellen Untermauerung dieses Gesetzes. Aber, Frau Kollegin Döhring, die leitenden Angestellten können den Weiterversicherungsbeitrag und den Beitrag, den sie an zusätzliche Versicherungen zahlen, ja von ihrer Steuer absetzen, und sie alle tun das, wie Sie wissen, seit Jahren. Ich glaube, daß die Mehrheit der leitenden Angestellten bei einer solchen steuerlichen Absetzung besser fährt, als wenn der Arbeitgeberanteil wieder versicherungspflichtiges Entgelt ist.
Sie haben weiter auf den Gleichheitsgrundsatz verwiesen, den man niemals so perfektionieren darf. Und was wird die Knappschaft, was würden Sie sagen, wenn wir die Auffassung vertreten würden, der Gleichheitsgrundsatz müsse dazu führen, daß alle Sonderrechte der Knappschaft wegfielen, was würde der Mittelstand sagen, wenn der Gleichheitsgrundsatz dazu führen würde, daß alle Vorteile der Landwirtschaft und der mittelständischen Berufe nur mit dem gleichen Argument ohne Ansehen der individuellen Bedürfnisse der einzelnen Berufe und der Lebenstatbestände beseitigt werden! Sie haben auf den hockbezahlten Fliesenleger hingewiesen, der wahrscheinlich in einer viel gesicherteren Situation hinsichtlich seines Arbeitsplatzes und in einer materiell viel besseren hinsichtlich der Höhe seines Lohnes ist als mancher Angestellte. Ich komme aber zu einer genau umgekehrten Konsequenz. Dann wäre es an der Zeit — ich habe das bei § 1227 gesagt —, endlich neu zu überdenken, ob Sie denn dem längst frei und verantwortlich handelnden Facharbeiter nicht die gleiche Selbstverantwortung zumuten wollen, die wir dem leitenden Angestellten unterstellen. Meine Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei sind davon überzeugt, daß es genügend Arbeiter gibt, die sich längst als selbstverantwortliche Staatsbürger fühlen. Die abgeschlossenen Versicherungsverträge in Arbeiterhand und das Eigentum in Arbeiterhand — ich denke nur an die Bausparverträge — beweisen doch sehr deutlich, daß diese Konzeption, die ich hier vertrete, richtiger ist.
Frau Kollegin Finselberger hat das Argument in die Debatte geworfen, leitende Angestellte seien Fürsorgeempfänger. Das ist aber nur jene Gruppe der leider Dauerarbeitslosen, die aus den von mir genannten Gründen aus dem Arbeitsprozeß heraus sind und an idem Aufstieg unserer Wirtschaft keinen Anteil gehabt haben.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer grundsätzlichen Konzeption nicht voneinander getrennt gesehen werden dürfen.
Deshalb ist die Entscheidung, die von uns im Ausschuß mit Mehrheit getroffen worden ist, eine Entscheidung, die einer Wirtschaftspolitik, die die Regierungskoalition mit Erfolg vertreten hat, eine konforme Grundlage der Sozialpolitik entgegensetzt.
Meine Damen und Herren, ich appelliere an das ganze Haus, sich möglichst kurz zu fassen. Es ist unerläßlich notwendig.
Ich erlaube mir kein Urteil darüber, ob nun die eine oder andere Ausführung längere Zeit benötigt und beanspruchen darf. Aber ich appelliere an das ganze Haus, sich so zu verhalten, daß wir mit dieser Vorlage so fertig werden, wie es sich der Ältestenrat vorgenommen hat. Das ist auch im Hinblick auf das Gesamtprogramm des Hauses in diesem Monat dringend notwendig.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweifellos handelt es sich bei dieser
Frage um eine Grundsatzfrage, um eine Frage, die außerordentlich wichtig ist. Ich stimme zwar den Ausführungen des Herrn Präsidenten zu, daß man sich möglichst kurz fassen muß. Aber ich glaube, auch der Herr Präsident selbst wird meinen, daß gewisse grundsätzliche Dinge gut durchdiskutiert werden müssen. Ich bitte, mir das nicht als eine Kritik am Präsidenten auszulegen, sondern lediglich als eine Stellungnahme und als ein Aufmerksammachen darauf, daß es sich hier um eine wirklich grundsätzliche Frage handelt.
Ich bin der Auffassung, daß das, was die Frau Kollegin Kalinke soeben ausgeführt hat, sehr viel weitergreift, als es diese Stelle verdient. Sie hat dies bis zu Worten vom Wohlfahrtsstaat oder Versorgungsstaat, wie es anderweit heißt, ausgedehnt. Hierzu einmal einige wenige kurze Bemerkungen. Das Wort Wohlfahrtsstaat wird — das wissen die Kollegen gerade der CDU sehr genau — mißbraucht.
Diesen Mißbrauch sollten wir in diesem Hause abschaffen. Wir sollten uns darüber einig sein, daß es das höchste Ziel jedes Staatswesens ist, für die Wohlfahrt seiner Staatsbürger zu sorgen.
Wir haben diesen Begriff im Englischen mit dem Wort „welfare state" in einer ganz anderen und viel besseren Bedeutung. Aber ich erinnere daran, daß das Grundgesetz die Bundesrepublik als einen sozialen Rechtsstaat statuiert. Um nichts anderes handelt es sich, wenn wir jetzt von diesen Dingen sprechen. Dabei ist eine Verwechslung möglich, auf die wir ebenfalls hinweisen müssen und die sich gerade bei der Frage der Einbeziehung der höher bezahlten Angestellten ergibt.
Frau Kollegin Kalinke hat heute an einer anderen Stelle auf die Kaiserliche Botschaft aus den 80er Jahren verwiesen. Meine Damen und Herren, seit dieser Zeit sind immerhin rund 80 Jahre verstrichen, und es hat sich einiges geändert. Insofern können wir uns auf diese Dinge, die zu ihrer Zeit außerordentlich wichtig und gut waren, nicht mehr beziehen. Das trifft nun hier zu. Es handelt sich nicht mehr darum, in den Personenkreis nur solche einzubeziehen, die, wie man früher sagte, „sozial schwach" sind. Viele der Vertriebenen, die jenseits der augenblicklichen Grenzen selbständig waren, haben es erfahren, daß derjenige, der sich als Selbständiger zunächst sozial stark fühlte, durch das Schicksal sozial schwach werden kann.
Worum es sich wirklich handelt — und das ist die Grundlage auch dessen, was man fälschlich mit Wohlfahrtsstaat als Schlagwort belegt —, ist die Unsicherheit der Existenz, und diese Unsicherheit der Existenz trifft auch den leitenden Angestellten. Frau Finselberger hat schon davon gesprochen, daß die leitenden Angestellten auch einmal Fürsorgeempfänger werden könnten; sie hat ihre Beispiele sicher aus dem Schicksal der Vertriebenen entnommen. Wenn Herr Kollege Jentzsch sagte: nicht jeder hat als Generaldirektor begonnen, dann möchte ich hinzufügen: nicht jeder endet als Generaldirektor,
und um eben jene handelt es sich, die hier in Betracht zu ziehen sind. Mit dem Schlagwort — anders kann man es nicht bezeichnen — der totalen
Versicherungspflicht — in dem Wort „total" liegen offensichtlich gewisse Anklänge an andere Zeiten — kommen wir hier nicht weiter. Wir müssen uns überlegen: gibt es Gruppen, die das Schicksal der Existenzunsicherheit teilen?, und zu diesen Gruppen gehören auch die höher bezahlten Angestellten.
Das hängt nun mit etwas zusammen, was wir ebenfalls klar- und richtigstellen müssen. Frau Kollegin Kalinke hat heute vormittag schon davon gesprochen — ich nehme an, daß das, um ein zartes und parlamentsfähiges Wort zu wählen, eine der bekannten Umdrehungen ist, die wir bei Frau Kalinke ja gewohnt sind —, ,daß das Ideal der Sicherheit an die Stelle der Freiheit getreten sei. Meine Damen und Herren auch von den Regierungsparteien, ich glaube, dieses Wort dürfen und können Sie nicht annehmen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir in diesem sozialen Rechtsstaat Menschen, die in Existenzunsicherheit leben, nicht damit zur Freiheit verhelfen können, daß wir ihnen die Sicherheit nehmen, sondern nur damit, daß wir ihnen jene Grundchance der Sicherheit gewähren, die überhaupt erst die Grundlage jeglicher Freiheit ist. Ich erinnere an jenen großen Franzosen, der sagte: Jeder Arme und jeder Reiche hat das Recht, unter den Brücken zu schlafen. — Um diese Sicherheit handelt es sich.
Diese Sicherheit bedingt — und damit komme ich zum Abschluß — die Einbeziehung aller Angestellten, wie auch alle Arbeiter einbezogen sind.
Nachdem der Herr Arbeitsminister im Ausschuß gesagt hat, die Beiratssitzungen seien nicht mehr vertraulich, mache ich davon Gebrauch. Ich darf darauf hinweisen, daß der Grundsatzausschuß des Beirats die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke in dem Sinne, wie sie sie soeben gemacht hat, einstimmig abgelehnt hat. Der Grundsatzausschuß des Beirates, dem 'bekanntlich sehr viele Sachverständige und Wissenschaftler aller Richtungen, auch aller parteipolitischen Richtungen, angehören, hat in seinem Punkte e) festgelegt:
Der frühere, vom Beirat gebilligte Beschluß, wonach in der Rentenversicherung der Angestellten eine vom Jahresarbeitsverdienst abhängige Grenze für die Versicherungspflicht nicht bestehen soll, wird aufrechterhalten. Die Einbeziehung auch der Angestellten mit höherem Einkommen mit einem Teil ihres Einkommens in die Rentenversicherung erscheint sowohl im Hinblick auf die Sicherung dieser Angestellten als auch im Hinblick auf die gemeinsame Haftung aller Angestellten für Notstände dieser Gruppe der Arbeitnehmer zweckmäßig.
Dieser Stellungnahme des Beirats sind die Anträge der SPD und des GB/BHE gefolgt.
Ein letztes Wort noch zu den leitenden Angestellten. Meine Damen und Herren, auch die leitenden Angestellten haben das Bedürfnis nach dieser Sicherheit.
Die Mitglieder der beiden großen Berufsorganisationen, der Angestelltensäule des Deutschen Gewerkschaftsbundes wie der Deutschen Angestelltengewerkschaft, sind in diesem Punkte einhellig der Auffassung, daß alle Angestellten einbezogen werden sollten.
Wie ist es aber nun mit jenen, die das nicht wollen? Meine Damen und Herren, machen Sie sich doch einmal klar: Wer als leitender Angestellter nicht in der Sozialversicherung ist, sorgt dafür, daß er von seinem Unternehmen eine ausgezeichnete Pension erhält. Und was geschieht dann? Diese Pensionssicherung über die sogenannte betriebliche Alterssicherung wird steuerlich begünstigt. Der Steuerzahler zahlt für die Altersversorgung des leitenden Angestellten. Da wir das nicht für richtig halten, sind wir der Auffassung, daß wegen der Unsicherheit ihrer Existenz alle Angestellten einbezogen werden müssen.
Wir bitten Sie daher, die gleichlautenden Anträge der SPD und des GB/BHE um der Angestellten willen anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Freunde von der Freien Volkspartei kann ich erklären, daß wir an dem Grundsatz der Versicherungspflichtgrenze festzuhalten wünschen.
Der Kollegin Frau Döhring: ich möchte Sie bitten, den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht allzusehr zu strapazieren.
— Richtig, richtig! Voraussetzung dafür ist nämlich, daß die Voraussetzungen die gleichen sind; und hier sind eben die Voraussetzungen absolut unterschiedlich. Leitende Angestellte sind zwar keine besseren Menschen, aber es sind andere Menschen.
— Da freuen Sie sich; das kann ich mir denken.
Der Herr Kollege Dr. Preller hat von der Unsicherheit der Existenz auch der leitenden Angestellten gesprochen. Ja nun, wenn ein Generaldirektor tatsächlich durch die Lebensumstände einmal gezwungen werden sollte, Fürsorgeempfänger zu werden, dann braucht uns das weiter nicht zu stören.
Die leitenden und höheren Angestellten haben die Möglichkeit, ihre Existenz selber zu sichern; und das ist das, worauf es uns ankommt: die Freiheit der Entscheidung diesen Menschen zu erhalten, die das können. Die anderen wollen wir unter den Schutz der Sozialversicherung stellen. Aber die Grenze soll und muß bleiben.
Weitere Wortmeldungen zu den Änderungsanträgen liegen nicht vor.
— Zur Abstimmung? — Frau Abgeordnete Döhring zur Abstimmung.
Da es sich hier um eine wichtige Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung handelt, beantrage ich namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ausreichend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
— Meine Damen und Herren, ich werde eben noch einmal gebeten, klarzumachen, worüber abgestimmt wird. Es ist namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 893 *) Ziffer 1 beantragt — und damit zugleich über den Änderungsantrag Umdruck 896**) Ziffer 1, denn die beiden Anträge sind gleichlautend —, in § 4 — auf Seite 11 — Abs. 1 Nr. 1 zu streichen. Darüber wird jetzt namentlich abgestimmt.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob jemand im Saal ist, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat. — Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis***) der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen: 436 von stimmberechtigten Abgeordneten und 19 von Berliner Abgeordneten. Mit Ja haben gestimmt 159 stimmberechtigte und 9 Berliner Abgeordnete, mit Nein 276 stimmberechtigte Abgeordnete und 10 Berliner; enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit sind die gleichlautenden Änderungsanträge auf den Umdrucken 893 Ziffer 1 und 896 Ziffer 1 abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 4 Abs. 1 Nr. 1 in der Fassung des Ausschusses, Seite 11, rechts. Wer dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Nr. 1 ist angenommen.
Nun rufe ich gleichzeitig auf Seite 10, links, von Nr. 2 bis Seite 12 Abs. 3 und rechts von Nr. 2 bis § 5 auf Seite 13, aber ausschließlich dieses § 5. Wer diesen Abschnitten zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit komme ich zu '§ 1229, Seite 12.
— Erst § 5. Den gibt es nur auf der rechten Seite. Ich rufe also § 5 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor auf Umdruck 893 Ziffer 2 und auf Umdruck 896 Ziffer 2. Diese Änderungsanträge gehen zweifellos weiter als die Anträge Umdruck 889 Ziffer 1 und 891 Ziffer 10. Zunächst stelle ich die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffer 2 und Umdruck 896 Ziffer 2 zur Beratung, nach denen § 5 gestrichen werden soll. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Hammer.
Kein Wort zur Begründung; die Begründungen sind vorhin implizite reichlich gegeben worden. Ich beantrage lediglich im Auftrag der Fraktionen der DP, FVP und FDP namentliche Abstimmung.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 9. ***) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10300.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Mir ist Ihr Votum entgangen.
— Namentliche Abstimmung zu den Änderungsanträgen?
Ich habe aufgerufen die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffer 2 und Umdruck 896 Ziffer 2, den § 5 zu streichen. Wollten Sie dazu namentliche Abstimmung beantragen?
— Also das Ganze ist gegenstandslos. Hier stehen zur Debatte die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffer 2 und Umdruck 896 Ziffer 2, den § 5 zu streichen. Wollen Sie sie begründen?
— Bitte, ganz kurz.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Streichung des § 5 steht in Zusammenhang mit unserem vorherigen Antrag auf Streichung des § 1. Wenn man alle Angestellten in die Versicherung hineinnehmen will, dann ergibt sich daß man keine Jahreseinkommensgrenze festlegen kann. Das darf ich zur Begründung unseres Antrage. — und vielleicht auch zur Begründung des Antrags der SPD — sagen, und ich bitte, diese beiden Anträge zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge auf Umdruck 893*) Ziffer 2 und Umdruck 896**) Ziffer 2, die beide den Inhalt haben, den § 5 zu streichen. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 889***) Ziffer 1 und dem Änderungsantrag Umdruck 891****) Ziffer 10. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unter dem Eindruck der überwältigenden Mehrheit, mit der eben die Einbeziehung aller Arbeitnehmer in die Versicherungspflicht abgelehnt und der Grundsatz der Anerkennung einer Versicherungspflichtgrenze bestätigt worden ist, kann ich mich kurz fassen, indem ich Ihnen nun vorschlage, daß diejenigen, die die Einführung einer Versicherungspflichtgrenze wollen und den Grundsatz der Einbeziehung aller Arbeitnehmer
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 4. ****) Siehe Anlage 6.
ablehnen, auch konsequent den Änderungsanträgen, die die Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei zur Höhe der Versicherungspflichtgrenze gestellt haben — nämlich die Grenze nicht 'auf 15 000 DM, sondern allerhöchstens auf 12 000 DM festzusetzen —, zustimmen.
Wir sind nicht etwa der Auffassung, daß mit diesem Antrag den in bezug auf die Höhe vorliegenden Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Wir haben mit diesem Antrag einen echten Kompromißvorschlag gemacht, indem wir weit über die Grenze hinausgehen, die heute für die Versicherungspflicht besteht. Die Versicherungspflichtgrenze liegt heute bei 9000 DM, also bei 750 DM Monatsgehalt. Sie würde durch unseren Antrag auf 12 000 DM und damit auf eine Höhe heraufgesetzt werden, die mit der Höhe der Beitragsbemessungsgrundlage in einer vernünftigen Relation steht. Damit würden alle Angestellten, auch jene leitenden, von denen hier gesprochen worden ist, die bis zu 1000 DM verdienen, in die Versicherungspflicht einbezogen. Sie würden gleichzeitig in die Arbeitslosenversicherung einbezogen und würden für den Betrag zur Renten- und Arbeitslosenversicherung den Arbeitgeberanteil erhalten.
Ich bekenne hier offen, daß diese Kompromißvorschläge meiner Fraktion und Freunden aus der Fraktion der Freien Volkspartei schwergefallen sind. Wir meinen aber, daß der Vorschlag, die Grenze bei 12 000 DM festzulegen, ein Vorschlag ist, der von allen angenommen werden kann, die — aus welchen Gründen auch immer — eine Ausweitung der Versicherungspflicht vertreten. Wer einer Festlegung der Grenze bei 15 000 DM, wie sie als Mehrheitsvorschlag des Ausschusses — nicht, wie bei der Begründung hier gesagt wurde, als Vorschlag Ides Ausschusses — in die Vorlage gekommen ist, zustimmt, der stimmt praktisch dem gleichen zu, was er soeben in namentlicher Abstimmung abgelehnt hat. Bei 15 000 DM sind nämlich alle Angestellten in die Versicherungspflicht einbezogen. Wenn Sie sich die vorhandenen Zahlen der Statistiken ansehen — wir haben nur die Zahlen der Volkszählung von 1950 zur Verfügung —, dann werden Sie feststellen, daß bei einer Versicherungspflichtgrenze von 1250 DM allerhöchstens 1 % übrigbleibt, also vielleicht 50 000 Angestellte, sehr hoch gegriffen. Das 'bedeutet also, daß das Bekenntnis gegen eine volle Versicherungspflicht aller und für eine Versicherungspflichtgrenze nicht ganz ehrlich wäre, wenn man sie so hoch setzte, daß es in der Praxis gar keine Grenze mehr ist; denn 15 000 Mark und 1250 Mark im Monat bedeuten, daß eine Versicherungspflichtgrenze hier nicht mehr in Funktion treten kann. Eine solche Grenze schließt dann wirklich nur einen ganz, ganz verschwindend kleinen Kreis von Leuten aus, die längst aus den Bezirken der Versicherungspflicht durch ihren Beruf und ihre Tätigkeit herausgewachsen sind.
Lassen Sie mich zu diesem 12 000-Mark-Antrag diejenigen, die soeben abgestimmt haben, noch bitten, sich klarzumachen, daß auch die Auffassung, die hier vom Kollegen Preller vertreten worden ist, und die Auffassung von Gegnern einer Versicherungspflichtgrenze nicht zutrifft, weil in Zukunft diejenigen, die über 12 000 Mark verdienen werden, sämtlich entweder in der Sozialversicherung weiterversichert sind oder zusätzliche Möglichkeiten haben, die Kosten des individuellen wie des gesetzlichen Versicherungsbeitrags bei der Steuer abzusetzen.
Ich bitte daher alle diejenigen, die aus Grundsatz und Verantwortung gegen die Anträge der SPD und des BHE gestimmt haben, nun auch in konsequenter Entscheidung unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im geltenden Recht liegt die Jahresarbeitsverdienstgrenze bei 9000 Mark. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich im Laufe der Zeit eine Reihe von Verschiebungen ergeben haben, die es angezeigt erscheinen lassen, von dieser 9000-Mark-Grenze abzugehen. Aus diesem Grunde haben wir im Ausschuß beantragt — und haben auch hier einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt —, die Jahresarbeitsverdienstgrenze auf 12 000 Mark festzulegen. Ein Übersteigen dieser Summe, wie es in der Ausschußvorlage vorgesehen ist, wonach die Grenze bei 15 000 Mark liegt, können wir jedoch nicht gutheißen. Wir lehnen dies unter allen Umständen ab. Einer der Gründe dafür ist vorhin schon dargelegt worden. Ein Ausweiten auf 15 000 Mark stellt auch ein Präjudiz für die Arbeitslosenversicherungspflichtgrenze dar. Das ist eine Tatsache, über die wir an anderer Stelle schon gesprochen haben und die wir unter gar keinen Umständen wünschen.
Namens meiner politischen Freunde habe ich den Auftrag, wegen der besonderen Bedeutung dieses Änderungsantrags ebenfalls die namentliche Abstimmung zu beantragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich zu bitten, die gestellten Anträge, die eine Versicherungspflichtgrenze bei 12 000 Mark gezogen haben wollen, abzulehnen. Der Ausschußbeschluß, eine Versicherungspflichtgrenze bei 15 000 Mark festzulegen, ist ein Kompromiß, und zwar ein Kompromiß zwischen der Auffassung, wonach die Versicherungspflichtgrenze ganz beseitigt werden soll, und der, sie schon bei einem niedrigeren Einkommensstand zu ziehen. Dieser Kompromiß hat auch seine Begründung; denn als im Jahre 1911 das Angestelltenversicherungsgesetz geschaffen wurde, hatten wir — in runden Zahlen genannt — ein Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer, das bei 1200 Reichsmark lag. Aber das Gesetz zur Angestelltenversicherung sah damals eine Versicherungspflichtgrenze für die Angestellten vor, die bei 5000 Mark Einkommen lag. Als wir dieser Tage mit Vertretern der Angestelltenorganisationen über diese Dinge ein Gespräch führten, wurde uns von ihnen erklärt, daß diese 5000 Mark damals, im Jahre 1911, ein sehr hohes Einkommen gewesen sei. Wenn wir uns einmal ansehen, wie die Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer im Jahre 1955 gelegen haben, dann müssen wir feststellen, daß dieser Durchschnitt bei rund 4500 DM gelegen hat. Wenn man auch die sonstige Entwicklung mit in Rechnung stellt, müßte die Versicherungspflichtgrenze für die Angestellten gegenüber 1911 um das Dreieinhalbfache erhöht werden, also auf rund 18 000 Mark. Wir geben zu, daß bei den Bemühun-
gen, auch den Arbeitnehmer stärker als bisher an den Erträgnissen der Wirtschaft zu beteiligen, eine Weiterentwicklung in der Lohn- und Gehaltsfrage vor sich gegangen ist.
Als Kompromiß haben wir daher im Ausschuß beschlossen, nur 15 000 Mark — nicht 18 000 Mark
— einzusetzen. Auf Grund der heutigen Diskussion über die Frage „Versicherungspflichtgrenze oder nicht" bin ich der Auffassung, daß der Ausschuß mit seinem Beschluß zu § 5 die richtige Linie gezogen hat, die als Kompromiß gelten kann. Ich möchte Sie daher bitten, der Versicherungspflichtgrenze, die vom Ausschuß auf 15 000 DM festgelegt worden ist, zuzustimmen und die anderen Anträge abzulehnen.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ist der Antrag hinreichend unterstützt?
- Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung müssen es 50 anwesende Mitglieder des Hauses sein; die Fraktionsstärke an sich genügt nicht.
Ich bitte die anwesenden Mitglieder der drei Fraktionen, eine Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, es sind keine 50 Mitglieder des Hohen Hauses. Ich kann demnach nicht namentlich abstimmen lassen.
Wir kommen damit zur Abstimmung.
— Zur Abstimmung können Sie das Wort haben, aber sonst nicht! — Zur Abstimmung! — Meine Damen und Herren, durch allgemeine Ruhe kann der Fortgang der Debatte nur beschleunigt werden.
Herr Präsident! Es ist bisher immer üblich gewesen,
daß bei Beantragung der namentlichen Abstimmung, wenn drei Fraktionen — oder auch nur eine Fraktion —,
deren Mitgliederzahl bekannt ist, einen Antrag unterstützten, so verfahren worden ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe!
Der Antrag ist für drei Fraktionen gestellt. Es ist in diesem Hohen Hause immer üblich gewesen,
wenn eine Fraktion einen Antrag stellte, — —
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Rednerin aussprechen zu lassen. Die Entscheidung fälle ich dann. Sie brauchen sich also gar nicht zu erregen.
Seien Sie beruhigt, der Herr Präsident wird seine Entscheidung nicht rückgängig machen! Aber ich stelle hier zur Abstimmung fest: es ist in diesem Hause üblich gewesen,
daß, wenn von einer Fraktion — oder drei Fraktionen — ein solcher Antrag gestellt wird, dem Rechnung getragen wird.
Meine Damen und Herren, die Rednerin irrt. Jedenfalls habe ich als amtierender Präsident stets und ausnahmslos zur Grundlage genommen, daß 50 Abgeordnete, die den Antrag unterstützen, im Hause sind. Es gibt allerdings Fraktionen, die schon auf den ersten Blick mehr als 50 Abgeordnete hier im Hause haben.
Dann ist der Fall anders. Dann brauche ich es nicht durch Handerheben festzustellen, weil ich die 50 Abgeordneten von vornherein sehe. In diesem Falle konnte ich das nicht feststellen. Gemäß der Geschäftsordnung und der hier gepflogenen Übung kann ich also zu einer namentlichen Abstimmung nicht schreiten.
Ich komme damit zur einfachen Abstimmung über den Antrag der Freien Demokraten Umdruck 889*) Ziffer 1 und den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck 891**) Ziffer 10, die übereinstimmend die Ersetzung der Zahl „15 000" durch die Zahl „12 000" vorsehen. Wer den Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die große Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über § 5 in der Ausschußvorlage. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 5 ist angenommen.
Wir kommen jetzt auf die linke Seite, Arbeiterrentenversicherung. Ich rufe auf § 1229. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem aufgerufenen § 1229 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 1229 ist angenommen.
Ich komme zur rechten Seite, Angestelltenversicherung, § 6. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 6 —Angestelltenversicherung — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit;
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 6.
§ 6 — Angestelltenversicherung — ist angenommen.
Wir kommen wieder auf die linke Seite, Arbeiterrentenversicherung. Ich rufe auf § 1230. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem § 1230 — Arbeiterrentenversicherung — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; § 1230 ist angenommen.
Ich komme zur rechten Seite, Angestelltenversicherung, und rufe auf § 7 zugleich mit den Anträgen Umdruck 888*) Ziffer 3 und Umdruck 889**) Ziffer 2. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ziehen unseren Antrag zugunsten des Antrags der Fraktion der Freien Demokratischen Partei zurück.
Wird sonst das Wort gewünscht? —
Der Antrag Umdruck 889**) Ziffer 2 ist der, der nun zur Abstimmung kommt. Der Antrag Umdruck 888*) Ziffer 3 der Fraktion der CDU/CSU ist zurückgezogen, so daß der Antrag Umdruck 889 Ziffer 2 der Fraktion der FDP übrigbleibt. — Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wer dem Antrag Umdruck 889 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Einstimmig angenommen!
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 7 in der eben geänderten Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr wieder auf die linke Seite.
— Ich wechsle zwischen links und rechts ab und wahre damit die Überparteilichkeit des Präsidenten.
Frau Abgeordnete Kalinke!
Zur Geschäftsordnung! Herr Präsident, darf ich vom Platze sagen: es ist vereinbart, zwischen links und rechts nicht zu wechseln!
Bitte, kommen Sie herauf! Trotz Ihres lauten Organs, Frau Kollegin Kalinke, das sonst sehr dienlich ist, ist es nicht zu verstehen.
Herr Präsident, gestatten Sie darauf aufmerksam zu machen, daß der erste Herr Präsident zur Geschäftsordnung vereinbart hat, zwischen rechts und links nicht abzuwechseln, son-
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4. dern in der Reihenfolge erst links und dann rechts abzustimmen.
Ich sehe hier keinen Unterschied. Aber das mag an meinem mangelnden Begriffsvermögen liegen.
Wir stehen also vorerst einmal bei der Arbeiterrentenversicherung, und zwar bei § 1231. Dazu liegt ein Antrag auf Umdruck 891*) Ziffer 11 vor. Das ist ein Antrag der Deutschen Partei. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Frau Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe bereits an anderer Stelle die Frage der Versicherungspflicht der Volontäre und volontärähnlichen Verhältnisse ausführlich begründet. Ich bitte diejenigen, die zwar der Versicherungspflicht dieser Personenkreise zugestimmt haben, doch nun wenigstens dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zuzustimmen, diese Personenkreise auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien, damit sie die freie Entscheidung haben, ob sie sich als Arbeitnehmer versicherungspflichtig fühlen oder ob sie während ihrer Ausbildung für den Beruf eines Selbständigen nicht versicherungspflichtig sein wollen.
Der Änderungsantrag ist begründet. Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 891*) Ziffer 11, in § 1231 der Arbeiterrentenversicherung einen Absatz „vor 1" einzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1231 der Arbeiterrentenversicherung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich komme nunmehr auf der rechten Seite zur Angestelltenversicherung und rufe § 8 und dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 891*) Ziffer 12 auf, nach dem in § 8 ein Absatz „vor 1" eingefügt werden soll. Ich darf annehmen, daß der Antrag mitbegründet ist, da er offenbar wesensgleichen Inhalts ist. Das Wort wird also nicht mehr gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 891 Ziffer 12 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß in § 8 eine redaktionelle Korrektur vorzunehmen ist. Auf Seite 17 der Drucksache 3080 darf es in der letzten Zeile nicht „innerlich" heißen; vielmehr muß es „innerhalb" heißen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Wer § 8 in der Ausschußfassung mit dieser redaktionellen Korrektur zuzustimmen wünscht, den bitte ich um
*) Siehe Anlage 6.
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf Umdruck 895*) Ziffer 1 auf Einfügung eines § 1231 a auf. Es ist ein Antrag der Fraktion der Freien Volkspartei. Wird das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den §§ 1230 und 1231 haben Sie soeben beschlossen, daß auf ihren Antrag bzw. auf den Antrag des Arbeitgebers Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe unter Umständen von der Versicherungspflicht befreit werden können, wenn gleichwertige Versicherungsverträge vorliegen. Nach unserer Auffassung dürfte es recht und billig sein, den Versicherungsverträgen zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitnehmern das gleiche Recht einzuräumen. Sie kennen die Übung in der Industrie, Versicherungsverträge mit den Angestellten und Arbeitern abzuschließen. Es gibt da eine große Zahl von Möglichkeiten, die ich hier nicht erörtern will. Es handelt sich hier lediglich um das Problem: Wie sichert man den Arbeitnehmern die Erhaltung ihrer Ansprüche? Wir glauben mit unserem Antrag diese Sicherstellung in genügender Weise zu erreichen. Einmal muß nach unserem Antrag für die Freistellung von der Versicherungspflicht die 15jährige Wartezeit, die für das Altersruhegeld nötig ist, unter allen Umständen erreicht sein, bevor der Antrag überhaupt gestellt werden kann. Zum zweiten wollen wir dem Bundesversicherungsamt, also der obersten Behörde der deutschen Sozialversicherung, ein Recht der Kontrolle über die Bedingungen für eine derartige Freistellung von der Versicherungspflicht einräumen.
Nun könnte das Argument auftauchen, daß mit der Freistellung von der Versicherungspflicht durch private Versicherungsverträge eine negative Risikoauslese eintreten könnte, daß also — ich darf es ruhig sagen — ähnlich wie in der Altersversorgung des deutschen Handwerks die guten Risiken in die Lebensversicherung abwandern und die schlechten bei der Angestelltenversicherung bleiben. In diesem Fall brauchen wir diese Furcht nicht zu haben; denn diese Verträge werden meistens als Gruppenversicherungsverträge kollektiv abgeschlossen, so daß hierin ein genügendes Sicherungsmoment gegen diese negative Risikoauslese liegt.
Ich bitte das Haus, unseren Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren, wird weiterhin das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen. Ich habe dazu folgende kurze Ausführungen zu machen.
Ein wesentliches Prinzip der Sozialversicherung ist es, daß der Personenkreis, der der Versicherungspflicht unterliegt, möglichst groß ist. Nun mußten wir ja aus den verschiedensten Gründen schon eine weitgehende Einengung vornehmen, wie Sie aus den vielen Paragraphen ersehen. Hier wird nun der Versuch gemacht, eine weitere Einengung durchzuführen. Das würde aber das Grundprinzip über ein Maß hinaus durchlöchern, das nicht mehr
*) Siehe Anlage 8.
tragbar wäre. Ich möchte nicht noch im einzelnen darauf zu sprechen kommen, warum dieser ganze Antrag auch schwer praktikabel wäre, wenn er Gesetz würde. Ein so umständliches Verfahren, festzustellen, in welchen Fällen die Versicherungspflicht entfällt, wäre, wie gesagt, für die Verwaltung eine ungeheure Belastung.
Wir sollten also aus all diesen Gründen diesen Antrag der FVP Umdruck 895 Ziffern 1 und 2 ablehnen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Volkspartei auf Umdruck 895*) Ziffer 1 auf Einfügung eines § 1231 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zur rechten Seite, zur Angestelltenversicherung, zum Antrag der Fraktion der Freien Volkspartei auf dem gleichen Umdruck Ziffer 2. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Hier wird vorgeschlagen, einen § 8 a einzufügen. Wer dem Antrag der Fraktion der Freien Volkspartei zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das letztere ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr § 1232 auf der linken Seite auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 1232 der Arbeiterrentenversicherung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe § 9 auf der rechten Seite auf. Änderungsanträge liegen nicht vor.
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weber .
Meine Damen und Herren! In § 9 tritt unter anderem das Problem auf, daß auch derjenige Beamte, der auf Grund eines ordnungsmäßigen Disziplinarverfahrens entlassen worden und seiner Pension- und Versorgungsansprüche für verlustig erklärt worden ist, nunmehr auf Grund dieses Gesetzes eventuell nachversicherungspflichtig würde. Und zwar würde der Arbeitgeber, in diesen Fällen also der öffentlich-rechtliche Dienstherr, sogar gezwungen werden, die gesamten Beiträge nach § 124 nachzuzahlen, ohne daß der Arbeitnehmer, der wegen schwerer Dienstvergehen entlassen worden ist, nunmehr mindestens die Hälfte der Beiträge nachzuentrichten brauchte.
Ich kann das Problem bei der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung stand, nicht vollständig übersehen. Eine Reihe meiner Freunde und ich werden uns in der zweiten Lesung der Stimme enthalten. Wir behalten uns vor, in der dritten Lesung auf dieses Problem zurückzukommen.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 8.
Wir kommen zur Abstimmung über § 9, Angestelltenversicherung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme nunmehr wiederum zu der linken Seite, zu dem Antrag Umdruck 893*) Ziffer 3 auf Einfügung eines § 1232 a. Bitte sehr, Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion stellt den Antrag, auf der linken Seite einen § 1232 a, auf der rechten Seite einen § 9 a einzufügen. Diese Paragraphen sehen vor, daß, wie nach bisherigem Recht, alle deutschen Staatsangehörigen im In- und Ausland vom vollendeten 15. Lebensjahr bis zum vollendeten 40. Lebensjahr berechtigt sein sollen, freiwillig in die Versicherung einzutreten. Nach dem Beschluß des Ausschusses ist eine solche Möglichkeit nicht mehr gegeben; das bisherige Recht wird also erheblich verschlechtert. Wir sind der Meinung, daß diese Verschlechterung für die Gruppen, die bislang von der Möglichkeit des freiwilligen Eintritts in die Versicherung Gebrauch machen konnten, eine sozialpolitische Härte bedeutet. Es sind insbesondere Angehörige geistiger Berufe, Angehörige des Handels, Bauern und auch Hausfrauen, also alles Personengruppen, die noch durch keine Gesetzgebung in eine Alterssicherung einbezogen sind und die diese Möglichkeit bislang benutzt haben, freiwillig für ihre Alterssicherung
„was zu tun. Der Gesetzgeber sollte daher der Bereitschaft, zur Vorsorge für das Alter etwas zu tun, keinen Riegel vorschieben. Wir alle wissen, daß gerade die Hausfrauen gern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, um sich dadurch eine Alterssicherung zu verschaffen. Ich weiß, daß von mancher Seite erhebliche Bedenken gerade gegen die Hereinnahme der Nur-Hausfrauen in die Rentenversicherung geltend gemacht wurden. Dabei bitte ich aber doch zu bedenken, daß immer wieder und, ich glaube, von allen Seiten gefordert wird, auch die Hausfrauenarbeit als Berufsarbeit anzuerkennen. Diese Anerkennung schließt unseres Erachtens die Möglichkeit einer Alterssicherung ein.
Noch ein anderer Gesichtspunkt muß geltend gemacht werden, der eine solche Regelung, wie wir sie beantragen, durchaus rechtfertigt. Die bisherigen Rentenleistungen setzten sich aus einem festen Grundbetrag und dem Steigerungsbetrag zusammen. Gegen die Selbstversicherung wurde immer mit Recht — auch ich sage: gegenüber der früheren Regelung mit Recht — das Argument geltend gemacht, daß den Selbstversicherten oft bei niedrigsten Beiträgen die volle Höhe des Grundbetrages sicher war und daß das als eine Benachteiligung der Pflichtversicherten angesehen werden mußte. Der Grundbetrag fällt jetzt fort. Das Gesetz ist auf dem Gedanken des Versicherungsprinzips aufgebaut. Die Leistungen entsprechen also den Beiträgen, so daß in diesem Zusammenhang von keiner Ausnutzung mehr die Rede sein kann. Sie wissen, wir hatten in unserem Gesetzentwurf ursprünglich einen weitergehenden Vorschlag gemacht. Wir machen diesen Kompromißvorschlag, das bestehende Recht zu erhalten, um es Ihnen leichter zu machen, unserem Antrag zuzustimmen.
*) Siehe Anlage 7.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine fundamentale Bestimmung der Sozialversicherung. Die Sozialversicherung ist seinerzeit für die Arbeiter bzw. für die Angestellten geschaffen worden, d. h. für Menschen, die in unselbständiger Arbeit ihr Brot verdienen. Leider hat ausgerechnet die Hitler-Regierung die Selbstversicherung als Fremdkörper in die Sozialversicherung eingebaut, und nun soll die Gelegenheit einer echten Reform der Rentenversicherung dazu benutzt werden, alle Fremdkörper wieder zu beseitigen. Diese Fremdkörper haben ja nicht etwa nur den Charakter eines Schönheitsfehlers, sondern es sind echte Charakterfehler der ganzen Versicherung.
Die Sozialversicherung ist ihrem Wesen nach — wenn ich einmal von der Gesamtwirtschaft spreche — eine Kollektivversicherung, d. h. man kann nur einen Personenkreis versichern, der objektiv abgrenzbar und auch abgegrenzt ist. Mit anderen Worten: ich kann, wenn ich diesen fundamentalen Versicherungsgrundsatz zur Richtschnur nehme, es niemals dem einzelnen überlassen, ob er in die Versicherung hineingehen will oder nicht, sondern ich muß einen objektiv abgegrenzten Personenkreis zwingen, in die Versicherung einzutreten.
Ich sagte, die Sozialversicherung ist eine Kollektivversicherung. Sie hat damit noch ein zweites Merkmal. Sie versichert die Teilnehmer der Versicherung, die also zwangsweise hineingekommen sind, zu einem Einheitsbeitrag im Gegensatz zu der Individualversicherung, wo die Prämie nach dem Beitrittsalter festgesetzt wird und wo es zudem der Versicherung auch noch vorbehalten bleibt, den betreffenden Antragsteller auf seinen Gesundheitszustand zu untersuchen und gegebenenfalls seine Aufnahme überhaupt abzulehnen oder ihn eventuell nur unter erschwerten Bedingungen einzubeziehen. Die Sozialversicherung muß ihrem Charakter nach auf alle diese Vorteile verzichten. Ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, ob gesund oder krank, alle müssen in die Versicherung einbezogen werden; es kann keiner abgelehnt werden, wenn er zu dem objektiv abgegrenzten Personenkreis gehört.
Ich glaubte, Ihnen diese kurzen grundsätzlichen Ausführungen machen zu sollen, weil es schon aus diesem von mir erwähnten Grunde unmöglich ist, dem Antrag der SPD zuzustimmen. Vielmehr müssen alle diejenigen, denen es ernst damit ist, den ursprünglichen Charakter der Sozialversicherung wiederherzustellen, die Rentenreform dazu benutzen, diesen Charakter, der durch Hitler verwischt worden ist, wiederherzustellen.
Nun sagt Frau Kollegin Korspeter, man müsse allen Menschen die Möglichkeit geben, der Versicherung beizutreten. Ich habe nichts dagegen, wenn sich andere Bevölkerungsgruppen, die auch objektiv irgendwie abgrenzbar sind, solche Einrichtungen schaffen. Ich kann mir denken, daß der Gesetzgeber diesen Personengruppen dann auch eine gleiche oder ähnliche Hilfestellung gibt, wie es nun einmal bei der Sozialversicherung seit jeher der Fall gewesen ist und wie es auch gegenwärtig wieder geschieht. Aber wenn wir das machen wollten, was hier verlangt wird, dann würden wir sozusagen auf diesem Umwege zu
einer allgemeinen Volksversorgung kommen, wobei allerdings der Weg noch nicht zu Ende gegangen sein würde, weil man es jedem einzelnen überlassen würde, ob er an den Segnungen teilnimmt oder nicht.
Frau Korspeter sagte, bisher sei die Selbstversicherung vielleicht doch sehr bedenklich gewesen, weil man mit den niedrigsten Beiträgen Ansprüche habe erwerben können, wodurch das Prinzip einer versicherungsgerechten Relation von Beitrag und Leistung verletzt wurde, was jetzt nicht der Fall sei, da der Grundbetrag nun wegfalle; die versicherungsgerechte Relation von Beitrag und Leistung sei in dem Antrag der SPD-Fraktion berücksichtigt. Das ist nicht der Fall. Sie übersehen, daß zu den Leistungen des Gesetzes, das hier beschlossen werden soll, nicht nur die Renten zu zählen sind, sondern auch alle die Ausgaben, die mit dem Stichwort „Rehabilitation" zu bezeichnen sind. Es ist ja auch ein ungeheuerer Fortschritt dieses Gesetzentwurfs, daß die Berufsunfähigkeitsrentner in sehr vielen Fällen, wahrscheinlich in den meisten Fällen, wesentlich höhere Renten erhalten, als sie ihnen bei einer versicherungsgerechten Relation von Beitrag und Leistung zukämen.
— Nein, das ist nicht ausgeschlossen. Dann würde die Berufsunfähigkeitsrente eines Selbstversicherers, der mit 30 Jahren berufsunfähig wird und der bis dahin natürlich nur sehr wenig Beiträge hat zahlen können, so festgesetzt, als wenn er schon 55 Jahre alt wäre und bis zum 55. Lebensjahr Beiträge gezahlt hätte. So ist die gegenwärtige Regelung. Sie sehen also, daß eine versicherungsgerechte Relation hier gar nicht möglich ist.
Aber entscheidend ist der erste Gesichtspunkt, wo ich von dem Charakter einer sozialen Versicherung im Gegensatz zu dem Charakter einer individualen Versicherung sprach. Die Selbstversicherung ist eine Belastung für den Personenkreis, für den an sich die Sozialversicherung geschaffen wurde, nämlich für die Arbeiter und die Angestellten. Deshalb sollten wir dafür sorgen, daß diese Belastung endlich herauskommt. Wenn gesagt wird, diejenigen, die sich bis jetzt versichert hätten, würden benachteiligt, so muß ich entgegnen: Leider können wir sie nicht benachteiligen. Ich würde das als Abgeordneter auf mein Gewissen nehmen; das geht aber aus rechtsstaatlichen Gründen nicht, denn der Besitzstand muß gewahrt bleiben. Daher werden wir leider diese schwere Hypothek von Hitler aus dem Jahre 1937 noch viele Jahrzehnte mitschleppen müssen, nämlich so lange, bis der in der Sozialversicherung als Selbstversicherer zunächst untergebrachte Personenkreis sozusagen ausgelaufen sein wird. Das wird nicht nur den Staat, nicht nur den Bund infolge der Beträge, die er im Haushaltsplan zur Verfügung stellt, viel Geld kosten, sondern den viel größeren Teil der Kosten werden auf Jahrzehnte die pflichtversicherten Arbeiter und Angestellten zu tragen haben.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, den Antrag der SPD auf Umdruck 893 Ziffer 3 abzulehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich richtig, daß es nicht systematisch ist, in einer Rentenversicherung der Arbeiter und in einer Rentenversicherung der Angestellten Möglichkeiten der Selbstversicherung vorzusehen. Aber leider gestalten wir jetzt nicht eine systematische Sozialreform. Bei einer solchen systematischen Sozialreform müßte auch die Frage der Sicherung der Selbständigen geregelt werden.
Herr Kollege Schneider, es ist kein gutes Argument, wenn Sie auf die mögliche spätere Regelung einer Rentenversicherung der Selbständigen hinweisen. Jetzt muß eine Entscheidung getroffen werden. Was Sie vorhaben, ist, den Selbständigen oder Hausfrauen die bisher bestehende Möglichkeit einer Selbstversicherung abzuschneiden,
das heißt also, den gegenwärtigen Rechtszustand zu verschlechtern.
Gerade Sie sprechen immer von der freien Initiative, die dem einzelnen gegeben werden soll. Hier ist eine Möglichkeit gegeben, durch die Form der Selbstversicherung im Rahmen der Sozialversicherung freie Initiative tätig werden zu lassen, und diese Möglichkeit wollen Sie einengen.
Im übrigen ist das, was Sie vorgetragen haben, Herr Kollege Schneider, sachlich nicht ganz richtig. Das ist ein Beweis dafür, wie kompliziert die Materie ist, die wir hier zu regeln haben. Es erfolgt nämlich für den freiwillig Versicherten bei der Berufsunfähigkeitsrente keine Aufstockung auf das 55. Lebensjahr; das ist ausdrücklich ausgeschlossen. Wir haben für den Selbstversicherten eine reine Beitragsrente.
Die Sozialdemokraten haben durch die hier vorgeschlagene Formulierung Mißstände, die durch ein Urteil des Bundessozialgerichts offenkundig geworden sind — indem nämlich Kinder selbstversichert werden können — ausdrücklich ausgeschlossen. Aber bis zu einer gesetzlichen Regelung über die Möglichkeit zur Sicherung der Selbständigen sollten wir den gegenwärtigen Rechtszustand einer Selbstversicherung nicht verschlechtern. Deshalb der Antrag der SPD.
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Professor Schellenberg einiges zu sagen.
Es liegt ihnen die Tendenz zugrunde, zunächst einmal die Möglichkeit offenzulassen, alle hineinzubekommen, um sie später, wenn wir die Frage auch für die Selbständigen irgendwie regeln, wieder zu trennen. Hier unterscheiden wir uns grundsätzlich. Wir wollen nicht von vornherein sagen, auch die Selbständigen müssen unter allen Umständen in eine soziale Versicherung, die gesetzlich geregelt ist. Deswegen können wir uns dem Argument schon nicht anschließen.
Der zweite Punkt. Der freien Initiative ist Raum und Möglichkeit genug gegeben, Dazu brauchen wir die Sozialversicherung wahrlich nicht, sie braucht sich nicht nach der Rentenversicherung zu orientieren. Für diese Initiative ist in der Privatversicherung allüberall Raum und Platz. Also auch
diesem Argument meines Herrn Vorredners können wir uns auf keinen Fall anschließen.
Nun das dritte. Warum lehnen wir diese Selbstversicherung ab? Die neue Grundlage der Rentenversicherung verbietet es eigentlich, dem einzelnen die Freiheit zu überlassen, sich in die Versicherung hineinzubegeben oder herauszubleiben. Die ganze Neuordnung ist so, daß kein Kapitaldekkungsverfahren angewandt wird, sondern daß ein Umlageverfahren den größten Teil der Versicherung finanziert. Dieses Umlageverfahren bringt es mit sich, daß auch eine Stetigkeit von Beitragzahlenden und Rentnern vorhanden sein muß. Da hat die Freiheit eigentlich gar keinen Raum mehr. Schon aus diesem Grunde müssen wir es unterlassen, einigen die Möglichkeit zu geben, sich freiwillig nach Gutdünken in die Versicherung zu begeben.
Viertens ist die Risikoauslese viel zu groß. Jeder, der in der Privatversicherung nicht mehr unterkommt, der auf Grund des ärztlichen Befundes in der Privatversicherung nicht mehr Aufnahme findet, hätte nach dem Antrag der SPD die Möglichkeit, sich in die Risikogemeinschaft der Zwangsversicherten zu begeben, und würde dort ein sehr großes Risiko darstellen.
Wir haben die Dinge reiflich überlegt, haben sie hin und her erwogen. Die neue Konzeption der Rentenversicherung läßt den hier von der SPD gewünschten privaten Spielraum nicht zu. Wir möchten eine Versicherung haben, die sich auf die wirklich unselbständig tätigen Arbeitnehmer — Angestellte und Arbeiter — bezieht und es dabei auch beläßt. Was später mit den freien Berufen geschehen soll und was diese etwa aus ihrer Initiative heraus tun möchten, bleibt der Zeit überlassen. Hier jedenfalls können wir es nicht regeln, und hier hat solche Regelung keinen Platz.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß die Verwirklichung der in der Ausschußvorlage vorgesehenen Änderungen für die Zukunft eine wesentliche Verschlechterung der sozialversicherungsrechtlichen Stellung der Landbevölkerung, insbesondere der Bauern und da wieder insbesondere der Kleinbauern, bedeuten würde. Bei der Verabschiedung der Rentenversicherungsgesetze in der jetzt dem Bundestag vom Ausschuß vorgelegten Fassung würde die Landbevölkerung nahezu hundertprozentig aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen werden. Das ist besonders bedeutsam für die Länder mit vorwiegend kleinbäuerlicher Struktur, wie beispielsweise Baden-Württemberg, wo 90 % aller Betriebe weniger als 10 Hektar und 70 % weniger als 5 Hektar aufweisen.
Das hat dazu geführt, daß ein sehr hoher Prozentsatz der landwirtschaftlichen Bevölkerung der gesetzlichen Rentenversicherung angehört. Fast die Hälfte der hauptberuflichen Landwirte, nämlich 45 %, wie das Arbeitsministerium Baden-Württemberg seinen Abgeordneten mitgeteilt hat, und 90 % der Nebenerwerbslandwirte in Baden-Württemberg sind Mitglieder der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung. Die Abschaffung der Selbstversicherung, die hier gefordert wird, die weitgehende Einschränkung der freiwilligen Weiterversicherung, die auch Platz greifen soll, und nachher die Ausdehnung der gesetzlichen Versicherungsfreiheit für vorübergehende Nebenbeschäftigungen würden dazu führen, daß eine Schicht des Volkes, die man nicht gerade als sozial und wirtschaftlich sehr konsolidiert bezeichnen kann, dieser sozialen Vergünstigung und dieser Regelung der sozialen Sicherheit verlustig gehen würde.
Meine Damen und Herren, Sie haben gestern sicherlich auch den kleinen Artikel im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung gelesen, in dem über die Ergebnisse einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes berichtet wird. Danach sind 33 % der Betriebsinhaber und 16 % der Familienangehörigen in der Landwirtschaft des gesamten Bundesgebietes — es liegen also auch Zahlen für das Bundesgebiet vor; die eben von mir vorgetragenen bezogen sich auf das Land Baden-Württemberg — gegen Alter und Invalidität versichert. Von diesen 374 000 hauptberuflichen Betriebsinhabern und 387 000 Familienangehörigen sind 91 %, nämlich 692 000, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Eine Regelung für die Alterssicherung der selbständigen Landwirte liegt noch nicht vor. Es ist bekannt, daß das Bundesarbeitsministerium einen Entwurf vorbereitet hat. Aber da es noch einige Zeit dauern kann, bis eine solche Regelung Platz greift und die jetzt beratene Neuregelung am 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten soll, bitte ich Sie im Interesse der Kleinlandwirte der Bundesrepublik dringend, dem Antrag der SPD zuzustimmen, der nichts anderes beinhaltet als die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes bis zu einer anderweitigen Regelung für diese Schicht der Bevölkerung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist vorhin schon mit aller Klarheit gesagt worden, daß das, worüber man sich momentan streitet, eine Einrichtung ist, die in der nationalsozialistischen Zeit in die Gesetzgebung eingebaut worden ist. Herr Kollege Frehsee, praktisch ist es doch so, daß gerade die von Ihnen zu betreuenden Leute auch in der Zeit vor 1937 in der Sozialversicherung versichert waren, weil gerade der Kleinstlandwirt, den Sie in den Vordergrund gestellt haben, seine Familienangehörigen niemals vom 14. Lebensjahr an im eigenen Betrieb beschäftigen kann. Die Kinder dieser selbständigen Landwirte müssen anderwärts in das Erwerbsleben eintreten und werden dann zwangsversichert. Die Folge davon ist, daß diese Leute eindeutig die Möglichkeit der Weiterversicherung haben. Das ist ja das Kernstück. Die meisten, die sich für diese freiwillige Versicherung einsetzen, vertreten doch gewisse Gruppen, die sich anderwärts schwerer tun, eine Altersversorgung durch eine freiwillige Versicherung zu bekommen. Das wissen wir sehr wohl. Aber ich frage Sie allen Ernstes: Können Sie es verantworten, daß die negative Auslese, die bei diesen Gruppen für die Sozialversicherung vorgenommen worden ist, von den Pflichtversicherten finanziert werden soll? Hier möchte ich doch die Damen und
Herren des Hauses, ganz gleichgültig, auf welcher Seite sie sitzen, bitten, keine soziale Ungerechtigkeit gegenüber den Pflichtversicherten einzuführen.
Dann ist gerade im Zusammenhang mit den freiwilligen Versicherungen sehr viel von den Hausfrauenversicherungen gesprochen worden. Es wurde vorhin auch gesagt: diese Hausfrauenversicherung hatte ganz bestimmt eine stärkere Begründung in der Zeit, als die Rente nur als eine Zusatzrente berechnet wurde und die Witwenrente aus der Versicherung des versorgungsverpflichteten Ehemannes nicht ausreichte. Sehen Sie sich doch die Höhe der neuen Renten für unsere Witwen an! Sie werden dann finden, daß wir heute vor anderen Tatbeständen stehen. Es ist tatsächlich so, wie vorhin gesagt worden ist: Wir müssen bei dieser grundsätzlichen Umstellung auch die Schlacken beseitigen, die uns die seitherige durcheinanderlaufende Gesetzgebung hinterlassen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei allen Diskussionen um das heutige Thema müssen wir nach meinem Dafürhalten von der Überschrift des Gesetzes ausgehen. Sie lautet: Entwurf eines Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und Entwurf eines Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes. Es handelt sich also um ein Gesetz, das lediglich für Arbeitnehmer geschaffen wird, und ich bin der Meinung, daß man dann, wenn man sich mit einem Gesetz für die Arbeitnehmer beschäftigt, nicht Dinge diskutieren soll, die die Selbständigen betreffen.
Wir wollen nach der Struktur des Gesetzes vom Kapitaldeckungsverfahren zum Umlageverfahren übergehen und würden dann, wenn wir die Selbstversicherung beibehielten, zu einer nicht gewünschten Ausnutzung der gesetzlichen Einrichtung kommen. Mit dieser Auffassung steht die CDU/CSU-Fraktion nicht allein. Vorhin ist von einigen Abgeordneten der SPD-Fraktion auf die Studienkommission des Deutschen Gewerkschaftsbundes verwiesen worden. Diese Studienkommission des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat sich auch mit der Selbstversicherung beschäftigt. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten will ich kurz verlesen, welche Stellungnahme sie zur Selbstversicherung bezogen hat. Es heißt dort:
Nach dem geltenden Recht kann jeder deutsche Staatsangehörige, der nicht versicherungspflichtig ist, freiwillig in die Rentenversicherung eintreten. Diese Form der Selbstversicherung ist äußerst umstritten. Es wird darauf hingewiesen, daß sie für spekulative Zwecke ausgenutzt und durch sie die Versicherungsgemeinschaften der Arbeiter und der Angestellten mit ungünstigen Risiken belastet werden können. Die Kommission hält daher die freiwillige Selbstversicherung für entbehrlich.
Das ist die Auffassung der Studienkommission des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und ich glaube, daß ich dieser Auffassung nichts hinzuzufügen brauche.
Ich beantrage daher, den Antrag der SPD-Fraktion Umdruck 893 Ziffer 3 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen hat auf die Überschrift dieses Gesetzes verwiesen. Er hat aber nicht beachtet, daß das Haus in § 2 ausdrücklich beschlossen hat, gewisse Gruppen von Selbständigen sogar weiter pflichtzuversichern.
— Wie bisher! Wir wollen auch die Selbstversicherung gestalten wie bisher.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 893*) Ziffer 3 auf Einfügung eines § 1232 a in die Arbeiterrentenversicherung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum gleichen Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 893 Ziffer 4, in der Angestelltenversicherung einen § 9 a einzufügen. Die Begründung ist bereits erfolgt. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum § 1233. Hierzu rufe ich auf die Änderungsanträge auf den Umdrucken 890**) Ziffer 2, 893*) Ziffer 5 und 888***) Ziffer 4. Ich finde hier eine Bemerkung vor, nach der die Fragen der Handwerkerversicherung zurückzustellen sind. Demgemäß stelle ich den ganzen Paragraphen zurück.
— Was ist dann zurückzustellen?
Bei dem § 10 auf der rechten Seite der Vorlage handelt es sich um die gleichen Probleme; dazu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 890 Ziffer 3, 893 Ziffer 6 und 888 Ziffer 5 vor. Soll das Ganze zurückgestellt werden?
Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Korspeter.
Wir sind der Ansicht, daß wir zu § 10 Abs. 1 Stellung nehmen können. Da ich schon einmal hier stehe. bitte ich. Herr Präsident, unseren Antrag gleich begründen zu dürfen.
Darf ich zuerst einmal feststellen: Wollen wir jetzt doch über die Paragraphen verhandeln?
— Das ist die allgemeine Meinung.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 3,
Bitte, Frau Abgeordnete Korspeter.
Der § 1233 und der § 10 behandeln die Möglichkeiten der freiwilligen Weiterversicherung. Auch hier ist gegenüber dem bisher geltenden Recht eine erhebliche Verschlechterung eingeführt warden. Während bisher die Möglichkeit bestand, daß man sich freiwillig weiterversichern konnte, wenn man mindestens sechs Monate versicherungspflichtig gewesen war, soll jetzt diese Möglichkeit nur dann gegeben werden, wenn man innerhalb von zehn Jahren 60 Kalendermonate lang eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Der Änderungsantrag der CDU will die Ausschußfassung noch weiter verschlechtern, indem er vorschreiben will, daß während mindestens 60 Kalendermonaten Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sein müssen. Das bedeutet, daß Ersatzzeiten für diese fünfjährige Beschäftigungszeit nicht anerkannt werden sollen. Das ist eine erhebliche Verschlechterung.
Wir müssen uns darüber klar sein, daß das zu manchen Härten führen kann, die schon vorhin — ich brauche das deshalb nicht zu wiederholen — bei unserem Antrag zur Selbstversicherung angedeutet worden sind. Ich finde sogar, daß diese Einschränkung familienfeindlich wirken kann. Es wäre deshalb richtig, wenn sich der Herr Familienminister einmal mit dieser Regelung beschäftigte. Sie kann nämlich dazu führen, daß man in jungen Ehen, wenn die junge Ehefrau diese fünf Jahre versicherungspflichtiger Beschäftigung noch nicht erreicht hat, vorläufig auf Kinder verzichtet, um der Ehefrau die Weiterarbeit zu erleichtern und zu ermöglichen und ihr damit auch die freiwillige Weiterversicherung zu .gestatten. Wir sind nicht der Meinung, daß es aus sozialpolitischen Gründen notwendig ist, in der Weiterversicherung eine solche Einschränkung durchzuführen, und wir bitten deshalb, auch hier bei diesen §§ 10 und 1233 den bisherigen Rechtszustand, wie ich ihn geschildert habe, zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Ziffer 4 des Änderungsantrags der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 888*) — bzw. zu Ziffer 5 für die Angestelltenversicherung — sprechen. Wir beantragen da, eine Berichtigung der Ausschußfassung vorzunehmen. Der Sinn dieser Änderung ist der, daß nicht die Tatsache, daß jemand 60 Monate rentenversicherungspflichtig beschäftigt war, Grundlage der Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung sein soll, sondern daß in dieser Zeit auch Beiträge gezahlt worden sein müssen. Um das zu verdeutlichen und um dem Versicherungsgedanken Rechnung zu tragen, ist diese kleine Änderung der Formulierung des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundestages notwendig, und ich bitte Sie, den Ziffern 4 und 5 des Antrags der CDU/CSU auf Umdruck 888 zuzustimmen.
Dann spreche ich weiter zu den Ziffern 5 bzw. 6 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 893. In dem einen Fall ist das Arbeitergesetz gemeint, in dem anderen Fall das Angestell-
*) Siehe Anlage 3. tengesetz. Frau Korspeter hat soeben schon begründet, warum die SPD diese Änderung hier wünscht. Man kann den Sinn dieses Änderungsantrages auf die Formel bringen: Was direkt im Wege der Selbstversicherung nicht gelungen ist, soll nunmehr durch die Hintertür — ich sage nicht, daß Sie das so gemeint haben; aber man könnte es so bezeichnen — geschehen. Das heißt also, man will in der Form der freiwilligen Weiterversicherung doch noch die Selbstversicherung zum großen Teil wieder einführen, die wir eben aus den bekannten Gründen abgelehnt haben. Man sagt nämlich: Nicht 60 Kalendermonate sollen Beiträge in versicherungspflichtiger Beschäftigung geleistet sein, um sich freiwillig weiterversichern zu können, sondern es sollen schon 6 Monate genügen. — So verstehe ich den Antrag.
Das würde den Scheinarbeitsverhältnissen Tür und Tor öffnen; denn nun könnten sich Meier und Müller die Hände schütteln und reiben
und könnten sich gegenseitig 6 Monate lang beschäftigen, und dann hätten sie die Voraussetzung für das Recht auf freiwillige Weiterversicherung geschaffen. Damit würden ungezählte Massen wieder in die Sozialversicherung der Arbeiter bzw. der Angestellten hineinströmen, die gar nicht hineingehören.
Im Kern handelt es sich also auch bei diesem Antrag um die Frage, über die ja schon entschieden worden ist: Soll die Rentenversicherung der Arbeiter bzw. die Rentenversicherung der Angestellten im wesentlichen eine Versicherung für diese Personengruppen bleiben oder soll sie auf alle möglichen Gruppen ausgeweitet werden? Nach dem, was der Sozialpolitische Ausschuß beschlossen hat und wofür auch die CDU/CSU hier noch einmal plädiert, ist es also so, daß jeder, der fünf Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt war und auch Beiträge entrichtet hat, dann, wenn er als Angestellter die Versicherungspflichtgrenze überschreitet oder selbständig, Unternehmer wird — Klein- oder Großunternehmer — oder in einen freien Beruf überwechselt, sich natürlich weiterversichern können soll. Hier ist auch nicht das Versicherungsprinzip durchbrochen, d. h. diese Personen haben sich nicht wahlweise entscheiden können, ob sie hinein wollten oder nicht, sondern sie sind ursprünglich nach objektiven Gesichtspunkten hineingekommen, nämlich nach dem Gesichtspunkt, daß sie Arbeitnehmer waren. Man kann also hier nicht von einer Auslese schlechter oder guter Risiken sprechen, sondern hier ist der Versicherungsgesichtspunkt einer gerechten Auslese tragbarer Risiken durchaus gewahrt.
Ich bitte Sie aus diesen Gründen, die ich noch einmal glaubte anführen zu sollen, die Anträge der SPD Umdruck 893 unter Ziffer 5 und Ziffer 6 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? Ich darf jetzt festhalten: die Anträge Umdruck 890 Ziffer 2 links und Umdruck 890 Ziffer 3 rechts werden zurückgestellt, ida sie die Handwerkerversicherung betreffen. Die anderen Umdrucke, die ich genannt habe, werden jetzt behandelt. Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 893*) Ziffer 5; er betrifft links die Arbei-
*) Siehe Anlage 7.
terrentenversicherung. Wer diesem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es wird wohl zweckmäßig sein, wenn ich im Zusammenhang damit die Ziffer 6 desselben Umdrucks aufrufe, die den gleichen Gegenstand bei der Angestelltenversicherung, also rechts, betrifft. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Antrag Umdruck 888**) Ziffer 4 der Fraktion der CDU/CSU; er betrifft links die Arbeiterrentenversicherung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
— In jedem Fall oder in diesem Falle?
Ich darf also fragen, wer sich bei der letzten Abstimmung enthalten wollte. — Einige Enthaltungen.
Wir kommen nunmehr, weil es wohl das einfachste ist, zu dem gleichen Antrag unter Ziffer 5 dieses Umdrucks, der die gleiche Frage bei der Angestelltenversicherung behandelt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
— „Eine Enthaltung" wird zugerufen; ich habe es nicht genau festgestellt.
Ein Änderungsantrag betreffend die Handwerkerversicherung wurde zurückgestellt. Damit muß auch formell die Schlußabstimmung über den Paragraphen zurückgestellt werden. Das gilt für § 1233 links und für § 10 rechts.
Damit kommen wir zu § 1234, Arbeiterrentenversicherung. Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme rechts zu § 11. Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Damit kommen wir zum Zweiten Abschnitt, „Leistungen aus der Versicherung", „A. Regelleistungen". Ich rufe § 1240 mit dem Antrag Umdruck 896*) Ziffer 3 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Reichsstein!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag will nichts anderes als eine Vervollständigung des Ka-
**) Siehe Anlage 3. *) Siehe Anlage 9.
talogs der Regelleistungen. Wir halten es daher für zweckmäßiger, darüber zu debattieren, wenn wir über die materielle Frage selber sprechen, also über die Leistungen überhaupt. Wir bitten deshalb um Zurückstellung bis zur Behandlung dieses Punktes, d. h. konkret bis zum § 80.
Ich möchte gleich, wenn ich das darf, Herr Präsident, dasselbe für den unter Ziffer 5 unseres Umdrucks aufgeführten Änderungsantrag sagen; auch er möge im gleichen Sinne bis zur Behandlung des § 80 zurückgestellt werden.
Also die Ziffern 3, 4, 5 und 6 Ihres Antrags werden zurückgestellt bis zur Behandlung des § 80. Dann kann aber über § 1240 bei der Arbeiterrentenversicherung und über § 12 bei der Angestelltenversicherung jetzt nicht abgestimmt werden. Die beiden Paragraphen müssen zurückgestellt werden.
Ich komme nunmehr zum Antrag Umdruck 893*) Ziffer 7 auf Einfügung eines § 1240 a in der Arbeiterrentenversicherung und zu dem Antrag Umdruck 893 Ziffer 8 auf Einfügung eines § 12 a in der Angestelltenversicherung. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt kurz vor der Mittagspause zu einem Komplex, der eine Einheit bildet, nämlich zu dem Abschnitt über die Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Ich bitte, Herr Präsident, mir zu gestatten, unsere Anträge Umdruck 893 Ziffern 7 bis einschließlich 16, die insofern eine Einheit bilden, gemeinsam zu begründen. Unsere Anträge Umdruck 893 Ziffern 17 und 18 werden gesondert begründet werden.
Bei dieser Frage tritt der Unterschied der Auffassungen — ich brauche hier wohl nicht zu sagen: der Fraktionen, sondern das geht ziemlich quer durch — bereits bezüglich der Überschrift zutage. Es heißt im Regierungsentwurf und nun auch in dem Entwurf, der uns vorliegt, in der Überschrift: „Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit." Gerade mit diesem Bezug auf die Erwerbsfähigkeit sind sozusagen alle Befürchtungen gerechtfertigt, die insbesondere von ärztlicher Seite gegen diesen Abschnitt geäußert worden sind. Der Deutsche Ärztetag hat sich vor noch nicht ganz drei Monaten ganz entschieden dagegen gewendet, daß bei dieser Gelegenheit nur die Frage der Erwerbsfähigkeit und nicht die der Gesundheit und der Gesundung eine Rolle spielen soll. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich im gleichen Sinne sehr scharf ausgesprochen. Endlich haben sich im Ausschuß bei der Sachverständigenanhörung sämtliche Krankenkassenvereinigungen im gleichen Sinne gegen Formulierungen, wie sie nun in das Gesetz kommen sollen, gewendet. Der Deutsche Ärztetag — das darf ich hier wörtlich zitieren — hat wie folgt formuliert: Es dürfe der Rentenversicherung „nicht ein umfassender Monopolauftrag auf dem Gebiete der gesamten vorbeugenden Gesundheitspflege, der Rehabilitation und der kurativen Medizin eingeräumt" werden.
Wir müssen uns bei diesem Abschnitt also fragen, was eigentlich unter „Rehabilitation" gemeint ist. Mir scheint — und ich beziehe mich damit auf
*) Siehe Anlage 7.
Äußerungen aus Sachverständigenkreisen —, daß wir unter diesem Sammelbegriff „Rehabilitation" — wenn ich das Wort hier der Einfachheit halber so gebrauchen darf — verstehen sollten: Maßnahmen, die zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung gesundheitlicher und beruflicher Leistungsfähigkeit dienen sollen. Das Entscheidende ist hier die Gesundheit und nicht die Erwerbsfähigkeit. Die Gesundheit soll geschützt und die berufliche Leistungsfähigkeit soll gesichert werden.
Entgegen dieser Auffassung hat die Ausschußvorlage wie schon der Regierungsentwurf sozusagen nur die Erwerbsfähigkeit als solche geschützt, teilweise auch die Berufsfähigkeit. Nun, das ist die Fähigkeit zum Erwerb. Das ist ein reiner Nützlichkeitsstandpunkt, meine Damen und Herren, der hier eingenommen wird. Es wird gefragt: Kommen etwa Renten in Frage? Wird die Erwerbsfähigkeit gemindert, dann soll etwas getan werden, dann wollen wir etwas tun. Das Ziel ist also, den Erwerb zu erhalten, und nicht, das zu tun, worauf es bei uns in allererster Linie im gesamten deutschen Volke ankommt, nämlich die Gesundheit als solche durch die Rehabilitation zu erhalten.
Die Folge dieser, wie wir glauben, Fehlkonstruktion ist, daß das Ziel die Einsparung von Rente und nicht die Erhaltung der Gesundheit ist. Das heißt, durch die Ausschußvorlage wird ein materielles Ziel in den Vordergrund gestellt statt des allgemeinen und insofern immateriellen Ziels, daß jemand gesund sein soll. Das bedeutet — und darauf möchte ich Sie besonders hinweisen — ein sehr verhängnisvolles Abgehen von dem Gedanken der umfassenden Sozialreform. Auch hier wird — wie dann später in der Frage der Anpassung der Renten an den Lebensstandard — statt einer echten Reform, die wir dringend nötig haben und um die wir in diesem Hause praktisch seit vier Jahren, seit dem damaligen SPD-Antrag auf Einsetzung einer unabhängigen Studienkommission gerungen haben und immer noch ringen, statt einer umfassenden Reform, die übrigens auch der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung versprochen hat, wieder eine kleine Ausbesserung vorgenommen, praktisch Flickwerk gemacht.
Deshalb haben wir in unseren Anträgen unter den Ziffern 9 und 10 für die entsprechenden §§ 1241 bzw. 13 vorgeschlagen, den Begriff „Erwerbsfähigkeit" durch den Begriff „Gesundheit" zu ersetzen; denn die Gesundheit allein ist es, die uns hier bei der Rehabilitation interessieren kann, nicht die Erwerbsfähigkeit. Weiter haben wir vorgesehen, daß auf diese Leistung ein Rechtsanspruch bestehen soll.
Aber, meine Damen und Herren, es ist gar kein Zweifel, daß eine endgültige Lösung dieses schwierigen Fragenkomplexes nur dann möglich ist, wenn wir auch die Reform der Krankenversicherung, bzw., wie wir sagen möchten, eine umfassende Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung in Angriff genommen haben. Solange das nicht geschehen ist, können wir keine Ruhe innerhalb der Rentenversicherung erwarten.
Meine Damen und Herren, ich mache auf eine sehr ernste Statistik aufmerksam. Wir haben seit Jahr und Tag eine jährliche Veränderung des Nettozuganges an Renten wegen vorzeitiger Berufsunfähigkeit. Jährlich werden — nachdem wir schon die Abgänge abgesetzt haben — zusätzlich mindestens 100 000 Menschen neu berufsunfähig zu dem großen Block von über einer Million Berufsunfähigen, den wir augenblicklich bereits haben. Das ist die eigentliche Gefahrenquelle, um die es sich hier handelt. Diese Gefahrenquelle darf nicht erst dann verstopft werden, man darf nicht erst dann Regelungen treffen, wenn Erwerbsunfähigkeit infolge Erkrankung — das ist der Wortlaut des Entwurfs — eingetreten ist. Die Vorbeugung, um die es sich hier handelt, muß — das wissen alle, nicht nur die Ärzte, sehr genau — viel früher einsetzen, nämlich nicht erst dann, wenn eine Rente droht, sondern schon dann, wenn die Gesundheit als solche gefährdet ist. Bei jeder erstmaligen Erkrankung muß gewissenhaft geprüft werden, ob die Gesundheit, ob die berufliche Leistungsfähigkeit für dauernd gefährdet ist. Und Rehabilitation kommt in Wahrheit zu spät, wenn sie erst bei Drohen der Verrentung beginnt. Sie muß, wie wir alle wissen, sofort am Krankenbett beginnen. Eine solche allein sinnvolle Rehabilitation ist aber nicht möglich, wenn sie, wie das der Entwurf tatsächlich tut, praktisch — praktisch, sage ich — nur der Rentenversicherung überantwortet ist. Denn die Rentenversicherung kann nur einen Ausschnitt dieses gesamten Verfahrens mit regeln. Deshalb hatten wir in unserem SPD-Entwurf im dortigen § 63 vorgesehen, daß alle die Maßnahmen, die auch wir innerhalb der Rentenversicherung für erforderlich halten, bis zur endgültigen Regelung der Gesundheitssicherung nur im Sinne vorläufiger Regelungen getroffen werden. Wir hatten gleichzeitig in unserem SPD-Entwurf vorgesehen, daß sich auch das Heilverfahren nur auf das beschränken sollte, was für diesen Teil der Rehabilitation sinnvoll ist. Deshalb haben wir in unseren Anträgen Ziffern 7 und 8 vorgeschlagen, einen Vorparagraphen vor den gesamten Abschnitt zu stellen, der sagt: alles das, was hier in Betracht l kommt, ist eine Regelung vorläufiger Art. Ich weiß, daß auch die FDP, mindestens im Ausschuß, ähnlicher oder gleicher Auffassung war. Zum anderen haben wir in unseren Anträgen Ziffern 9 und 10 gesagt, daß die Gesundheit eines Versicherten gefährdet sein muß und daß ein Rechtsanspruch auf die Maßnahmen gegeben sein soll.
Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, wenn ich kurz vor Mittag diese Dinge noch etwas ausführlicher behandeln muß. Es ist tatsächlich einer der Kernpunkte des gesamten Entwurfs, der, glaube ich, von allen Seiten anerkannt wird. Wir befinden uns, alle Parteien in diesem Hause, in dieser Frage in einer ausgesprochenen Notlage, nämlich etwas regeln zu sollen, was im Grunde voraussetzt, daß wir die Regelung der Krankenversicherung oder Gesundheitssicherung schon vorgenommen hätten. Aus dieser Notlage müssen wir das Beste herauszuholen versuchen, aber, meine Damen und Herren, ohne daß wir der künftigen Regelung der Gesundheitssicherung so vorgreifen, daß sie in ihren Grundzügen etwa gefährdet ist. Wesentlich ist, w o die Rehabilitation stattfindet, d. h. praktisch die Abgrenzung dessen, was die Rentenversicherung tun soll und kann, gegenüber dem, was der Krankenversicherung zukommt. Was in dem Gesetzentwurf in § 1241 bzw. § 13 im Absatz 3 dazu gesagt ist, reicht eben nicht aus. Es kann nicht, wie es dort heißt, die Zuständigkeit der Krankenversicherung, Kriegsopferversorgung und was sonst noch in Betracht kommt, „unberührt" bleiben. Das reicht nicht aus; denn mit diesem Wort ist die Prärogative der Rentenversicherung bereits gegeben. Wir haben deshalb unter den Ziffern 9 und 10 in dem Absatz 2 ausdrücklich gesagt, daß diese Rehabilitation für die Rentenversiche-
rung nur dann gelten soll, „wenn zur Durchführung dieser Maßnahmen kein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung oder gesetzlichen Unfallversicherung" usw. „zuständig ist". Das heißt — wir möchten es ganz positiv ausdrücken —, daß die Krankenversicherung in diesen Fragen den Vorrang vor der Rentenversicherung hat.
Meine Damen und Herren, weshalb legen wir auf diesen Punkt so großen Wert? Ich will Ihnen einmal sagen, was nach dem Entwurf sonst eintreten müßte. Die Rentenversicherung würde nämlich nach dem Entwurf in der Lage sein, die gesamte Heilbehandlung — nicht nur Heilverfahren, wie bisher, sondern die gesamte Heilbehandlung —, wenn sie will, an sich zu reißen. Außerdem stellt die Rentenversicherung nach dem Entwurf auch den Heilplan als sogenannten Gesamtplan nach § 1242 Abs. 5 auf, also das, was für den Versicherten das Entscheidende ist: wie die Rehabilitation vor sich gehen soll. Sogar die nachgehenden Maßnahmen sollen ebenfalls von der Rentenversicherung übernommen werden. Meine Damen und Herren, was bleibt denn nun praktisch für die Krankenversicherung und — ich spreche jetzt die Ärzte in diesem Hause an — für den frei praktizierenden Arzt nach dieser Regelung überhaupt noch als Aufgabe übrig? Ich möchte sagen — ich weiß, daß ich jetzt ein wenig übertreibe —: die Krankenversicherung darf zahlen. Das ist das, was im Grunde dabei übrigbleibt. Aber die Rentenversicherung kann nach § 1244 an Stelle der zuständigen Krankenversicherung sogar die gesamte Rehabilitation, also die Heilbehandlung, wenn sie will, voll übernehmen.
Wir haben deshalb unter den Ziffern 13 und 14 beantragt, daß wenigstens die Worte „im Benehmen mit dem Träger der Krankenversicherung" in die Worte „im Einvernehmen mit dem Träger der Krankenversicherung" umgewandelt werden. Daß wir hier so zäh für diese Dinge eintreten, hat seinen Grund. Wir lalle wissen, daß wir vor der Gefahr einer ständig zunehmenden Berufsunfähigkeit, die zur Verrentung führt, stehen, ja, darüber hinaus in der Gefahr eines zunehmenden Leistungsabfalls derer, die noch im Betrieb tätig sind. Diese Gefahr, in der wir heute bereits stehen, wird dann, wenn wir die Maßnahmen nicht richtig ansetzen, noch erhöht.
Die Rehabilitation kann ja nur zu einem Erfolg führen, wenn sie mit dem inneren Einverständnis und unter der äußeren Mitwirkung dessen erfolgt, der zu betreuen ist. Die Rehabilitation kann deshalb von der Rentenversicherung, die relativ entfernt von den Versicherten arbeiten muß, nicht richtig durchgeführt werden. Wenn die Rehabilitation von der Rentenversicherung durchgeführt wird, so besteht nicht nur die Gefahr — jeder Kenner der Sachlage wird sagen: so ist es —, daß der Versicherte sagt: Was wollt ihr denn mit der Rehabilitation? Das ist eine andere Form dessen, was der Volksmund mit „Rentenquetsche" bezeichnet; ihr wollt uns nur von der Rente abhalten! — Gerade diesen Eindruck möchten wir vermeiden. Wir möchten nicht, daß der Eindruck entsteht, es handle sich um eine Einsparung von Rente, auch wenn es nicht so gemeint ist, sondern wir möchten, daß alle Menschen wissen: Es handelt sich um die Wiederherstellung unserer Gesundheit, nicht um die Frage der Rente. Schon dieser Grund würde dazu zwingen, die Rehabilitation nicht bei der Rentenversicherung und durch sie, sondern von der Krankenversicherung durchführen zu lassen. Denn die Landesversicherungsanstalten oder die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sind bereits räumlich ganz weit weg von den Versicherten, während die Krankenkasse ,am Orte ist. Die Landesversicherungsanstalt hat gar keinen ständigen Kontakt mit den Versicherten; praktisch kennt sie ihn überhaupt nicht, während die Krankenkasse sozusagen täglich mit ihm zu tun hat. Die Landesversicherungsanstalt ist nicht in der unmittelbaren Verbindung zu jenen Institutionen, die für die Rehabilitation so wichtig sind, nämlich zum Arbeitsamt und zur Berufsberatung. Vor allem aber —das möchte ich noch einmal betonen — kann die Rentenversicherung zu dem behandelnden Arzt, der immer das entscheidende Wort zu sprechen hat, gar nicht in so enger Fühlung stehen, wie sie für das Verfahren erforderlich ist.
Nun werden Sie vielleicht einwenden, § 1243 Abs. 1 besage doch, daß die Rentenversicherungsanstalt diese Aufgabe auf andere Stellen übertragen könne. Ja, hier möchte ich nun einmal ganz boshaft fragen: warum einfach, wenn's auch umständlich geht? So etwa kommt mir das vor. Denn wie würde nun das Verfahren nach dem Entwurf aussehen? Zunächst wird der Arzt eine Mitteilung an die Krankenkasse geben: hier ist ein Fall, den ich für rehabilitationsfähig halte. Dann muß die Krankenkasse das weiterreichen an die Landesversicherungsanstalt oder an die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in 'Berlin. Bei der Landesversicherungsanstalt erfolgt nun die umständliche Überlegung am grünen Tisch — ich betone: am grünen Tisch —, was eigentlich geschehen soll. Gegebenenfalls gibt es Rückfragen, und schließlich wird, ebenfalls am grünen Tisch, der Heilplan aufgestellt, an dem sich der behandelnde Arzt freundlichst beteiligen darf, wenn der Versicherte dies wünscht, in den 'anderen Fällen nach dem Wortlaut nicht, und die LVA kann dann, wenn sie will, das gesamte Heilverfahren durchführen. Mit anderen Worten: Bis der Fall praktisch zur Rehabilitation kommt, vergehen Tage, Wochen, vielleicht noch eine längere Zeit. Die Landesversicherungsanstalt kann dann — darauf mache ich noch besonders aufmerksam — alle medizinischen Maßnahmen praktisch durchführen, sogar die nachgehenden Maßnahmen, von denen ich vorhin gesprochen habe. Endlich sind — auch deswegen stellen wir einen Antrag — diese nachgehenden Maßnahmen unter dem sehr unschönen Wort „soziale Betreuung" erfaßt. Deshalb möchten wir Sie bitten, in den entsprechenden Paragraphen gemäß den Ziffern 11 und 12 unseres Änderungsantrages Umdruck 893 das Wort „Betreuten" durch das Wort „Anspruchsberechtigten" zu ersetzen.
Im Ausschuß ist von Regierungsseite gesagt worden, diese Art des Verfahrens entspringe dem Bedürfnis, dem Versicherten zur Wahrung seines Rechtsanspruchs die Möglichkeit zu geben, sich an einen klar erkennbaren Rechtsträger zu wenden. Nun, dies könnte man genauso hinsichtlich der Krankenversicherung tun; auch das ist ein Rechtsträger, an den sich der Versicherte wenden könnte. Diese Argumentation schlägt also nicht durch.
Man kann nur feststellen, daß die Vorrangstellung der Rentenversicherung offenbar gewollt ist. In der Begründung des Regierungsentwurfs ist auf Seite 67 ausdrücklich gesagt, daß damit der Rentenversicherung „über das bisherige Heilverfahren hinaus" nun Heilbehandlung gegeben werden solle. Ja, die Begründung — das ist wieder für die Ärzte — spricht es ausdrücklich aus, daß „neue
Einrichtungen nur nach sorgfältiger Abstimmung eingerichtet" werden sollten. Die Begründung des Regierungsentwurfs sieht also die Möglichkeit voraus, daß auch neue Einrichtungen geschaffen werden.
Nun noch zu der Frage der Weigerung ohne triftigen Grund. Wenn der Betreffende sich ohne triftigen Grund weigert, die Maßnahmen durchzuführen, dann kann ihm also die Rente entzogen werden. Hier kommt das Ziel der Unterstellung unter die Rentenversicherung am deutlichsten zum Ausdruck. Die Begründung sagt auch sehr frei: Es kann „nicht zugemutet werden, Rentenleistungen für den Versicherten aufzubringen", der die Rehabilitation nicht wahrnimmt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs und nunmehr auch des Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung ist alles darauf abgestellt, statt die Gesundheit zu verbessern, Renten zu ersparen. Damit wird dem Instrument der Rehabilitation, das, wie wir wissen, in Deutschland noch relativ neu ist, jedenfalls für diesen Bereich neu ist, von vornherein die falsche Marschrichtung gegeben.
Die Frage, um die es sich hier handelt, ist bereits im Ansatz verfehlt angepackt. Da wir nicht die umfassende Sozialreform bekommen, die der Bundeskanzler seinerzeit versprochen hat, sondern praktisch — lassen Sie mich das einmal aussprechen, meine Damen und Herren — nur eine Rentenverbesserung, aber keine Rentenreform durchführen, ist es gar nicht möglich, in diesem Entwurf die Dinge so zu regeln, wie es erforderlich ist. Die Regelung sollte nicht, wie es jetzt geschehen ist, für den potentiellen Rentner geschehen, sondern für den potentiellen Gesunden.
Deshalb bitten wir nach idem SPD-Entwurf und nach unserem Änderungsantrag Ziffern 7 und 8, die gesamte Regelung als eine vorläufige Regelung bis zur endgültigen Regelung in einem Gesetz über Krankenversicherung oder ähnlichem zu deklarieren und aus dem Gebiet der Rentenversicherung herauszunehmen, was herausgenommen werden kann.
Ich möchte abschließend sagen: Geben Sie der Rentenversicherung, was sie benötigt; aber lassen Sie der Krankenversicherung, was den Versicherten und der Versicherung gut ist!
Meine Damen und Herren, gemäß den Vereinbarungen im Ältestenrat legen wir nunmehr die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.
Die Sitzung wird um 14 Uhr 30 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Becker wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir haben heute die Freude, den Präsidenten des Nationalrates der Republik osterreich und mit ihm eine Reihe angesehener Abgeordneten des Nationalrates als unsere Gäste hier begrüßen zu dürfen.
Ich glaube im Namen aller Mitglieder dieses
Hohen Hauses zu sprechen, wenn ich unsere Gäste
in Bonn herzlich willkommen heiße. Sie haben Gelegenheit gehabt, die vorläufige Bundeshauptstadt Bonn, die von uns hier geschaffenen Einrichtungen, insbesondere auch das Bundeshaus, zu besuchen, und sind im Begriff, sich auch von dem Fortgang unserer Arbeiten zu unterrichten. Wir begrüßen das Interesse, das unsere Gäste uns zeigen, und danken ihnen sehr dafür.
Wenn man im Geiste die Hauptstadt Österreichs, das unvergängliche Wien, mit der vorläufigen Bundeshauptstadt vergleicht, dann werden nicht nur wir, sondern vermutlich auch unsere Gäste manche Unterschiede feststellen können. Wir haben hier kein Burgtheater und keine Staatsoper. Wir haben kein Parlamentsgebäude, das sich mit dem in Wien irgendwie vergleichen oder messen ließe. Wir haben auch keinen Ballhausplatz, noch nicht einmal wieder die Wilhelmstraße; wir begnügen uns mit der Koblenzer Straße. Wir haben hier noch keine bleibende Statt. Diese vorläufige Bundeshauptstadt Bonn gleicht — so könnte wohl mancher sagen — nur einem großen Campingplatz am Ufer des Rheins, bevölkert von einer Regierungskarawane, die nach der alten Regierungshauptstadt Berlin strebt.
Wir beglückwünschen Sie dazu, daß Ihr Land ungeteilt ist und daß Ihre Hauptstadt immer die gleiche geblieben ist. Ihre Hauptstadt hat Tradition, hat Geschichte und hat auch eine Zukunft. Wien ist nach unserer Auffassung prädestiniert, wenn ein einiges Europa geschaffen sein wird, das auch die osteuropäischen Völker in Freiheit umfaßt, einmal die Hauptstadt dieses Gesamteuropas werden zu können.
Möge diese unseren beiden Völkern gemeinsame europäische Zukunftshoffnung, getragen von der Erinnerung gemeinsamer geschichtlicher Vergangenheit, genährt von gemeinsamem Kulturschaffen und freundnachbarlicher Gesinnung, unseren beiden Völkern auch die Kraft verleihen, Bitteres aus vergangenen Tagen zu vergessen und dem gemeinsamen Ziel eines Friedens in Freiheit und der Einigung aller europäischen Völker zuzustreben. Das sei unser Wunsch heute auch an das Volk Österreichs.
Wir fahren nunmehr in der Tagesordnung fort. Wir waren stehengeblieben bei der Debatte über § 1240 a, Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffer 7. Das Wort hatte Herr Preller gehabt. Jetzt hat Herr Dr. Moerchel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem schönen Wachrufen erhebender Gefühle für das ehrwürdige Wien ist es meine Pflicht, nun wieder auf nüchterne Themen zu sprechen zu kommen. Ich habe die Aufgabe, einiges zu den Paragraphen zu sagen, die sich mit der Rehabilitation befassen. Ich folge gern dem Vorschlag des Herrn Kollegen Preller, die Rehabilitation insgesamt zu sehen und deshalb auch zu den Änderungsanträgen Stellung zu nehmen, sowie unseren eigenen Änderungsantrag zu § 1241 mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zu begründen. Es ist der Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 6*). Dies gehört zusammen, und wir werden es in der Diskussion nicht trennen können.
*) Siehe Anlage 3,
Über die Rehabilitation ist in den letzten Jahren viel gesprochen worden, und wir haben wiederholt angekündigt, daß wir uns um die Klärung des Begriffs und um die Praktizierung, die dahintersteckt, bemühen werden. Was heißt Rehabilitation? Die Rehabilitation ist in dem § 1226 des Gesetzentwurfs ganz eindeutig beschrieben. Dort heißt es, daß es sich um Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten handelt. Herr Kollege Preller hat in der Begründung seines Antrags zu § 1240 a gesagt, daß wir nicht von der Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Berufsunfähigkeit ausgehen sollten, sondern von dem Begriff der Gesundheit. Es gibt sehr große Abhandlungen darüber, was Gesundheit ist, was Krankheit ist und wo die Übergänge liegen. Ich möchte hier eine solche Darstellung nicht vornehmen. Wenn wir von dem Begriff der Gesundheit ausgehen, brauchen wir nicht zu rehabilitieren. Der Begriff der Gesundheit ist der natürliche Begriff, und ich habe nur etwas zu tun, um diese Gesundheit zu erhalten. Beschäftige ich mich aber mit dem Ziel des Herrn Kollegen Preller, diese Gesundheit zu erhalten, dann frage ich mich doch: was ist das Ziel; weshalb will ich diesen Naturzustand erhalten? Doch :selbstverständlich, um dem Menschen, und zwar allen Menschen, die Möglichkeit des Erwerbs, die Möglichkeit der Arbeit zu geben und ihm die Grundlagen dafür zu vermitteln! Es kann doch nicht das Ziel des Versicherten arbeitenden Menschen sein, vor Erreichung der Altersgrenze eine Rente zu bekommen. Das Ziel des arbeitenden Menschen ist doch, die Gesundheit zu erhalten, um arbeiten zu können.
Nun sagt man: es gibt genug Versicherte, die die Frührente erstreben. Aber hier haben wir es doch in sehr großem Maße mit einem Restzustand aus den beiden vergangenen Kriegen zu tun. Hier haben wir den Menschen, die eine solche Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit feststellen oder bei denen die Gefahr der Beeinträchtigung feststeht, die Möglichkeit zu geben, ihre volle oder ihre optimale Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen. Das Recht auf Gesundheit steht allen Menschen zu und nicht nur einem Versichertenkreis. In dieser Frage gehe ich mit vielen Kollegen konform. Wir haben es hier aber mit einer Reform der Rentenversicherungen zu tun und nicht mit einer umfassenden Sozialreform.
— Eine umfassende Sozialreform muß auch durchgeführt werden, und dazu gehört, Herr Kollege Schellenberg, auch eine Reform der sozialen Krankenversicherung.
— Darüber sind wir uns völlig einig, und wir werden, wenn wir die Reform der sozialen Krankenversicherung behandeln, auf diese Probleme noch einmal zu sprechen kommen. Das ist doch eine natürliche Sache. Wir werden dann möglicherweise eine Lösung finden und Gesetz werden lassen, die sich von den hier eingeschlagenen Wegen unterscheidet. Wir legen hier nicht einen Weg ein für allemal fest. Wir begeben uns mit der Rehabilitation — der Ausdruck sei in dem Zusammenhang weiter erlaubt — auf Neuland und haben im Gegensatz zu England erst einmal speziell deutsche Erfahrungen zu sammeln. Deshalb erscheint uns
der in den §§ 1241 bis 1249 vorgeschlagene Weg zur Erprobung und zur Erforschung unserer Möglichkeiten der geeignete.
Nun sagen Sie: dann aber nur bis zur Neuregelung des Gesamtkomplexes! Ich muß hier, wenn wir schon über die Einschränkung „bis zur gesetzlichen Neuregelung dieses Gesamtkomplexes" sprechen, fragen: wie stellen wir uns oder wie stellen Sie sich eine Neuregelung dieses Komplexes vor? Wir müssen dazu etwas Genaueres hören. Ich sagte schon: es handelt sich bei unseren Vorschlägen nicht darum, im Rahmen der Rentenversicherung Reglementierungen über die Vorbeugung und über die Sicherung der Gesundheit des Menschen vorzunehmen. Diese Frage gehört in ein anderes Kapitel. Im Rahmen der Rentenversicherung ist dieses andere Kapitel, das im allgemeinen als vorbeugende Gesundheitspflege oder — um das Fremdwort zu benutzen — als Prävention bezeichnet wird, in § 1308 in Ansätzen behandelt. Wir sind der Auffassung, daß die Frage einer vorbeugenden Gesundheitspolitik nicht im Rahmen eines Teils einer umfassenden Sozialreform geregelt werden kann, sondern daß sie in Zusammenarbeit mit allen denen geregelt werden muß, die damit zu tun haben. Dazu gehört selbstverständlich auch die soziale Krankenversicherung.
Herr Kollege Preller hat den Deutschen Ärztetag zitiert und hat gesagt, man möge der Rentenversicherung keine Monopolstellung einräumen. Auch wir wünschen keine Monopolstellung eines Trägers in der Sozialversicherung. Wir wünschen eine Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit ohne Vorrechtstellung, ohne Vormachtstellung und ohne Monopolstellung wird in ihren Anfängen in § 1249 begründet. Sowenig wie wir eine Monopolstellung der Rentenversicherungsträger wünschen, sowenig darf es eine Monopolstellung anderer Versicherungsträger geben.
Nun werden Sie sagen, dann sollte man diese Frage bei einer Reform der Krankenversicherung regeln. Jawohl! In der Krankenversicherung haben wir uns um eine Reform des § 182 zu bemühen. Was sagt der § 182 im Zweiten Buch der Reichsversicherungsordnung? — Daß im Falle von Erkrankung Krankenhilfe, und zwar als Krankenpflege und Krankengeld gegeben werden, daß diese Krankenpflege ausreichend und zweckmäßig zu sein hat und daß das Maß des Notwendigen nicht überschritten werden darf. Hierin liegt die Fessel; eine Vorbeugung zu betreiben, die eine Erkrankung verhindern oder auf ein Mindestmaß beschränken kann. Vorbeugung ist immer noch einfacher und billiger als Heilen. Das ist ein Grundsatz, der im Hause nicht bestritten wird. Aber ich wiederhole es: wir haben uns hierbei nicht darum zu bekümmern, wie die Sache bei einer Reform der Krankenversicherung aussehen wird, sondern wie wir sie im Rahmen der Rentenversicherungsreform machen können.
Sie fragten: Was bleibt dann für den frei praktizierenden Arzt übrig? Ich glaube, kein Mensch hier im Hause will die Wirksamkeit der frei praktizierenden Ärzte in irgendeiner Form einschränken. Jeder Mensch muß erwarten, daß ihre Mitarbeit in dem Maße, wie es notwendig ist, gewährleistet wird, nicht zuletzt — ich möchte sogar sagen: zu allererst — zum Nutzen des Versicherten.
Nun zu den übrigen Erklärungen des Herrn Kollegen Preller. Er sagte: Sie machen hier eine
Rehabilitation aus Nützlichkeitsgesichtspunkten. Er sagte: hier herrscht der Nützlichkeitsstandpunkt vor. Herr Kollege Preller, Sie sprachen von potentiellen Rentnern. — Das kann in gar keinem Falle das Gebot sein. Ich frage: was ist Ihr Ziel bei der Einführung einer allgemeinen Gesundheitsfür- und -vorsorge? Dieses Ziel muß auch bei Ihren Plänen sein, die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit sicherzustellen; denn in der Arbeit liegt das Glück auf dieser Erde. Darüber gibt es keinen Streit. Wer ohne Beschäftigung ist und wer keine Möglichkeit hat, sich in irgendeiner Weise zu betätigen, wird innerlich unglücklich, und deshalb muß er sich in irgendeiner Weise beschäftigen. Dazu benötigt er körperliche und seelische Gesundheit. Darin haben wir vielleicht den Ansatz einer Definition dessen, was Gesundheit ist. Das geht ja weit über den Versuch hinaus, die Unterschiede zwischen Gesundheit, gesundheitswidrigen Zuständen, Erkrankung und dem konkreten, faßbaren Begriff der Krankheit zu finden.
Damit komme ich eigentlich schon zu dem § 1241, der in der Fassung, die uns hier vorliegt, von dem Begriff „Erkrankung" spricht. Der Begriff „Erkrankung" ist ein einengender Begriff und umfaßt ganz gewisse Tatbestände, aber beispielsweise nicht die Zustände der altersmäßigen Abnützung. Weil diese altersmäßige Abnützung und andere Tatbestände nicht erfaßt werden können und weil dann die Maßnahmen nach § 1226 nicht getroffen werden können, haben wir Ihnen einen Antrag unterbreitet — und ich bitte um Zustimmung —, der diesen Begriff ausdehnt, jedoch nicht so weit ausdehnt, daß man ihn nicht mehr begrenzen kann. Deshalb schlagen wir Ihnen in den Ziffern 6 und 7 unseres Antrags auf Umdruck 888 vor, wiederum die alte Fassung, die bei den Beratungen im Ausschuß zur Grundlage gemacht worden war, zu nehmen.
Wenn ich damit versucht habe, über die Abgrenzung zwischen Rehabilitation und Prävention — um es deutsch zu sagen: zwischen der Erhaltung und Wiederherstellung und Besserung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit und über die Möglichkeiten, diese Zustände durch Vorbeugung erst gar nicht eintreten zu lassen — zu sprechen, dann habe ich damit versucht, die große Problematik, die in der Gesamtfrage liegt, zu erörtern. Wir können hier in diesem Gesetz nicht zu einer umfassenden Regelung kommen, und deshalb sind wir der Auffassung, daß der Weg, der hier beschritten wird, um Neuland zu erforschen und Erfahrungen zu sammeln, gut ist.
Nun ist gesagt worden, ein Erfolg dieser Maßnahmen könne niemals gegen den Widerstand des Versicherten erreicht werden. Ich möchte noch weiter gehen: Nur mit Einverständnis — und ich möchte noch weiter gehen — und nur bei Mithilfe des Versicherten, mit der inneren Bereitschaft, wieder gesund zu werden und wieder die volle oder annähernd volle Arbeitskraft zu erlangen, ist es möglich, diese Maßnahmen mit Erfolg durchzuführen.
In Ihrem Antrag sagen Sie, daß aus den „Kann"-Leistungen „Muß"-Leistungen gemacht werden sollen, daß — um es andersherum zu sagen — die Versicherten einen Anspruch auf diese Leistungen nach § 1226 haben sollen. Ich habe eben schon gesagt: hier handelt es sich um Neuland. Bisher waren die Maßnahmen der Heilverfahren in der Rentenversicherung auf § 1310 der Reichsversicherungsordnung gegründet. Diese Maßnahmen waren sehr eingeengt. Sie kosteten in der Vergangenheit ungefähr 500 Millionen Mark pro Jahr. Wir können nicht absehen, welche Mittel in der Zukunft für die Rehabilitation aufzubringen sind, und nicht absehen, wo haltgemacht werden muß, um nicht eine — und hier soll es mal gesagt werden — allgemeine Staatsmedizin, eine Staatsgesundheitspolitik durchzuführen, um andererseits aber eine genaue Begrenzung der Möglichkeiten im Rahmen des Rentenversicherungsträgers zu finden. Deshalb ist es nicht möglich, Ihrem Antrage zu entsprechen, statt des Wörtchens „kann" das Wörtchen „hat" zu setzen.
Herr Kollege Preller sprach davon, daß es sich bei der Frage der Rehabilitation — ich möchte annehmen, daß er meint: auch der Frage der Prävention — um ein Kernstück der Reform handelt. Auch wir sind der Auffassung, daß es sich um ein Kernstück der Reform handelt, meinen aber, daß es ganz behutsam behandelt werden muß, um nicht von vornherein Wege zu gehen, die in anderen Ländern gegangen worden sind und in anderen Ländern mit mehr oder weniger — ich möchte sagen: mit weniger — Erfolg durchgeführt werden konnten.
Herr Kollege Preller sagte, man möge hier nicht die Möglichkeit einer Rentenquetsche schaffen. Es ist schade, daß dieses Wort gefallen ist.
Es handelt sich hier niemals um die Möglichkeit einer Rentenquetsche.
— Aber entschuldigen Sie, Herr Kollege Schellenberg, wenn der Deutsche Ärztetag von einer Rentenquetsche spricht, dann verpflichtet uns das doch nicht, diese Terminologie hier ebenfalls anzuwenden.
Es handelt sich hier einzig und allein um Maßnahmen, die dem Versicherten gewährt werden sollen, um ihm die Arbeitskraft zu erhalten, um sein seelisches und körperliches Wohlbefinden zu gewährleisten.
Deshalb empfehlen wir Ihnen, unsere Anträge Umdruck 888 Ziffer 6 und Ziffer 7 anzunehmen und die übrigen Anträge abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich sehe aus der Begründung der Änderungsanträge, daß § 1241 schon mit in Angriff genommen worden ist. Ich rufe ihn hiermit offiziell noch auf.
Dann darf ich bitten, den letzten Änderungsantrag zu § 1241 auf Umdruck 889 Ziffer 3 — und den entsprechenden zu § 13 — noch zu begründen. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu dem Gesamtproblem Prävention und Rehabilitation folgendes zu sagen. Die beiden Ausdrücke — scheinbar so außerordentlich modern — beinhalten eine uralte Weisheit. Sie sind als Grundlage einer sehr segensreichen Tätigkeit von den deutschen Berufsgenossenschaften angewandt worden. Dort sind Vorbeugung, Unfall-
verhütung und Rehabilitation im Heilverfahren Jahrzehnte hindurch mit dem allerbesten Erfolg durchgeführt worden.
Es ist also eigentlich nicht nötig, sich gerade im Augenblick dieser beiden Fremdwörter mit Leidenschaft zu bedienen. Zur ärztlichen Tätigkeit haben Prävention und Rehabilitation immer gehört. Wir begrüßen es, daß in dem Rentengesetz, das wir heute behandeln, diesen Gedankengängen Ausdruck gegeben worden ist, und haben die Absicht, mit Anregungen und Änderungsvorschlägen bei der Durchführung zu helfen.
Als ersten Änderungsantrag in der Reihe der vorgelegten Anträge haben wir Ihnen zu § 1241 Abs. 1 eine neue Fassung vorgeschlagen, in der das Wort „hat" steht. Die Präventivmaßnahmen sind in den Katalog der Regelleistungen aufgenommen worden, und zwar als Punkt 1. Wenn Sie sie zu Regelleistungen gemacht haben, dann weiß ich nicht, wie Sie bei Regelleistungen eine Kann-Vorschrift vertreten wollen. Ich hätte sie auch nicht an erster Stelle in diesem Katalog aufgeführt, sondern das Überragende der Rentengewährung und der Rentengestaltung zuerst gebracht. Aber nachdem das so geschehen ist, können wir nicht davon absehen, Ihnen den Vorschlag zu machen, das Wort „kann" durch das Wort „hat" zu ersetzen.
In dem Parallelvorschlag der vierehrlichen CDU zu § 1241 Abs. 1 ist eine Verdeutlichung des Begriffs „Erkrankung" erfolgt: „infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte". Wir sind gern bereit, diesen Ausdruck, den wir begrüßen,
in unseren Änderungsantrag aufzunehmen. Im
übrigen bestehen wir auf dem Wörtchen „hat".
In § 1244 ist die Rede von Heilbehandlung. Der Herr Arbeitsminister hat bei den Ausschußberatungen in erfreulicher Deutlichkeit erklärt, daß die Anstalten selbstverständlich nicht an die Eröffnung von Ambulatorien dächten, auf die sie gar nicht vorbereitet seien.
Wenn dem so ist, dann halten wir es auch im Interesse der Klarstellung für richtig, daß dem Wort „Heilbehandlung" in § 1241 Abs. 1 bzw. in § 13 Abs. 1 der Zusatz „stationäre" beigefügt wird.
Zu § 1249 Abs. 1 haben wir eine wesentlich anders formulierte Fassung beantragt. § 1249 Abs. 1 der Ausschußfassung hält lediglich die Träger der Rentenversicherung zur Zusammenarbeit an. Wir sind der Ansicht, daß das nicht genügt, und sehen vor, daß eine Reihe weiterer Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Art und Behörden zur Zusammenarbeit verpflichtet werden. Das ergibt den Katalog, der in der von uns unter Ziffer 7 des Umdrucks 889 beantragten Neufassung des § 1249 Abs. 1 enthalten ist. Das Wort „Ärzte" ist nicht mit der Absicht weggelassen worden, bestimmte Personenkreise auszuschalten, sondern deshalb, weil die hier angesprochenen Organisationen — Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Verwaltungsbehörden, Gesundheitsbehörden, Kassenärztliche Vereinigungen — Körperschaften öffentlichen Rechts sind und als solche von uns angesprochen werden können. Es besteht aber keine Möglichkeit, in diesem Gesetz dem einzelnen Arzt — das hätte das Wort „Ärzte" bedeutet — die Auflage zu machen, an dieser Gemeinschaftsarbeit mitzuwirken.
Im übrigen mache ich Sie darauf aufmerksam, daß über die Funktion der umstrittenen Kassenärztlichen Vereinigungen in der Reichsversicherungsordnung andernorts, in § 368 n, etwas steht.
Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden können die Vereinigungen weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung, insbesondere für die Ersatzkassen und für andere Träger der Sozialversicherung übernehmen; die Übernahme ist den Bundesausschüssen mitzuteilen.
Im Vorgespräch zu diesen Verhandlungen ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit es ermöglicht werden soll, das Beste, was an Chirurgen, Orthopäden und Psychotherapeuten zur Verfügung steht, bei der Rehabilitation einzusetzen. Meine Damen und Herren, daß alles getan werden muß und alles zur Verfügung stehen wird, darüber besteht gar kein Zweifel. Es besteht überhaupt kein Zweifel darüber, daß die medizinische Rehabilitation ohne Ärzte nicht auszuführen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich den Herrn Redner so verstehen, daß der Antrag Umdruck 889 Ziffer 7 zu § 1249 auch gleich mitbegründet sein soll?
Das Wort hat Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dieses Thema, das lange Monate hindurch in der öffentlichen Diskussion als ein Kernstück der Rentenreform betrachtet worden ist und dessen Bedeutung in der öffentlichen Diskussion — mir scheint, durchaus zu Recht — ein wenig zurückgegangen ist, ist nicht mehr von der Frage her diskutiert worden, was im Augenblick geschehen kann. Vielmehr sprach Herr Professor Preller von einem großen, in die Zukunft schauenden Plan, der der Gesundheitssicherung aller Menschen dient. Dieser Plan steht nach der Tagesordnung heute nicht zur Diskussion. Nachdem weiter von den Ärzten in diesem Hause ergänzend zur Rehabilitation gesprochen worden ist, gestatten Sie mir noch einige ergänzende Ausführungen zu Fragen, die sich aus der Diskussion ergeben haben, für diejenigen zu machen, die abstimmen sollen, die aber wahrscheinlich die Zauberworte Prävention und Rehabilitation — Herr Dr. Hammer hat es schon ausgedrückt — genauso belasten wie das andere Zauberwort von der Produktivitätsrente, über die wir noch sprechen werden.
Herr Dr. Hammer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die in England und anderswo ausprobierten Zentren zur Rehabilitation für uns Deutsche ja kein Neuland sind, sondern daß in unserer Unfallversicherung die Probleme der Wiederherstellung der Gesundheit und die Vorbereitung der Menschen für eine erneute Tätigkeit im Arbeitsprozeß auch nach einer langen Erkrankung — durch Umschulung — vorbildlich für die Welt gelöst sind.
Dasselbe, was ich von der Unfallversicherung gesagt habe, kann ich von der Kriegsopferversorgung sagen. Auch dort haben wir in Deutschland besonders wieder nach dem letzten großen Krieg in bezug auf Wiederherstellung der Gesundheit und der Erwerbsfähigkeit Vorbildliches geleistet.
Nun soll in unserer Rentenversicherung unser gutes altes Heilverfahren, das viel besser ist als sein augenblicklicher Ruf, ausgebaut werden. Neben die medizinische Behandlung soll die Vorbereitung des Menschen auf die Zeit treten, wo er wieder erwerbsfähig ist. Dafür sehen wir hier beim Rentenreformentwurf — diesen behandeln wir gegenwärtig, nicht die Krankenversicherungsreform; das hat Herr Dr. Moerchel schon richtig dargestellt — einen guten Ansatzpunkt. Das, was sich in der Unfallversicherung und in der Kriegsopferversorgung bewährt hat, soll nun hier in der Rentenversicherung ausgebaut werden. Angesichts der großen Besorgnis, die die Volkserkrankungen uns bereiten — ich denke nur an das Rheuma und die Herzerkrankungen —, aber auch im Hinblick auf die frühzeitige Invalidität versucht man, zu neuen Wegen zu kommen und vielleicht durch die Auswahl der Versicherten innerhalb der Rentenversicherung dafür zu sorgen, daß die Menschen lange gesund, aber auch länger erwerbsfähig bleiben. Ich glaube, von einem solchen Ziel der Rentenversicherung kann man, ohne sich des Zieles schämen zu müssen, genauso offen sprechen, wie man von der Fürsorge sprechen kann, ohne daß man sich dessen zu schämen braucht. Gewisse Maßnahmen und Leistungen der Versicherung und der Fürsorge, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, werden auch für die Zukunft gut sein.
Uns geht es also — das kann ich wohl für die Koalition sagen — mit unseren Beschlüssen im Ausschuß und mit der Ablehnung der Vorstellung, die uns Herr Professor Preller hier heute vorgetragen hat, nicht um einen großen Gesundheitsplan, auch nicht um ein neues Modell eines staatlichen Gesundheitsinstruments auf der Grundlage einer Bundesgesundheitsführung, es geht uns nicht um Ambulatorien oder einen Anreiz zu neuen Organisationen und Anstalten, sondern um einen echten Ausbau des Vorhandenen in der Rentenversicherung. Dabei — dazu bekenne ich mich für die Fraktion der Deutschen Partei — sehen wir es auch absolut als ein gutes Ziel an, eine Einsparung von Renten zu erreichen, wenn gleichzeitig Sorge dafür getragen wird, daß die Menschen länger und erfolgreicher im Erwerbsleben stehen können. Denn die Erhaltung der Leistungsfähigkeit eines Menschen kann unter Umständen ein größeres Lebensglück sein als eine frühzeitige Rente.
Es ist selbstverständlich, daß sich die Gesundheitspolitik eines jeden Staates darum bemüht, die Menschen gesund zu erhalten. Diese Aufgabe wird weder die Rentenversicherung allein noch die Krankenversicherung allein lösen können. Ich bin überzeugt: die Rentenversicherungsträger und die Krankenversicherungsträger würden sich, wenn sie hier zu Wort kämen, entschieden dagegen verwahren, wenn man von einem Monopolauftrag für die einen oder die anderen spräche. Für die Rentenversicherung kann ich sagen — ich habe das damals in vielen Beratungen um diese Fragen miterlebt —, daß sie ganz bestimmt kein Monopol will, ja, daß ihr Angst würde, wenn sie neben den vielen Aufgaben, die der Verwaltung durch dieses schwierige Gesetz gestellt werden, nun auch noch eine Aufgabe etwa einer vollkommenen Gesundheitspolitik lösen sollte.
Es ist kein Zweifel, daß einer umfassenden Sozialreform — da unterscheide ich mich von den
Ausführungen des Herrn Dr. Moerchel — sehr wohl die Aufgabe gestellt sein muß, zu koordinieren, daß einer umfassenden Sozialreform sehr wohl die Aufgabe gestellt ist, nach neuen und vielleicht auch nach vorläufig noch ungewöhnlichen Wegen zu suchen. Aber diese Aufgabe haben wir nicht gelöst, und wir können sie auch in diesem Gesetz nicht lösen. Wir werden wahrscheinlich im neuen Bundestag über diese Dinge sprechen.
Deshalb bitte ich Sie auch im Namen der Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei: Geben Sie diesem Modellversuch in der Rentenversicherung eine echte Chance. Hier sind die Ansatzpunkte zum Koordinieren, hier ist eine riesengroße Aufgabe, und hier sollte dafür Sorge getragen werden, daß keine Leistung, die die Krankenversicherung bisher vorbildlich gewährt hat, eingeengt wird.
Es darf ja nicht verschwiegen werden, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung — ich denke da an die Pionierarbeit der Ersatzkassen, an die Leistungen der Betriebskassen, an die Modellversuche, die die Innungskrankenkassen veranstaltet haben — an den vielen Versuchen und den vielen erfolgreich gelösten Aufgaben aus dem Bereich der Ortskrankenkassen doch erkennbar ist, wie aufgeschlossen die Versicherungsträger dieser Aufgabe gegenüber sind. Hoffen wir, daß sie aus den Ansatzpunkten zur Koordinierung nicht nur den Mut, sondern wirklich auch einen tüchtigen Anlauf nehmen, gemeinsam das vorzubereiten, was wir im künftigen Bundestag im Rahmen einer größeren Reform lösen sollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich habe die Zeit dazu benutzt, einmal etwas auszurechnen. Wir haben von den 200 Druckseiten, die wir erledigen wollen — ohne die Anträge —, bis jetzt 25 erledigt, das heißt auf Deutsch 121/2% oder 1/8. Dazu haben wir gut 41/2 Stunden gebraucht. Das gesamte Volumen würde, wenn ich das einmal so gleichmäßig über den Daumen weg durchrechne, 36 Stunden ausmachen. Die Zeit, die wir vorgesehen hatten, beträgt eigentlich nur noch 161/2 Stunden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz dieser mathematisch zweifellos völlig unanfechtbaren Bemerkungen des Herrn Präsidenten fühle ich mich genötigt, auf einige Ausführungen, insbesondere des Herrn Kollegen Moerchel, zu einem kleineren Teil auf das, was Frau Kollegin Kalinke hier gesagt hat, einzugehen.
Herr Dr. Moerchel, wir sind uns völlig einig darin, daß wir die sehr viel größere und umfassendere Aufgabe der Rehabilitation, die nicht dasselbe wie Prävention aussagt, im Rentengesetz nicht endgültig regeln können. Gerade aus diesem Grunde möchten wir, um Ihre Worte aufzugreifen, noch behutsamer vorgehen. Deshalb der Vorspann eines Paragraphen, der sagt: Bis die Geschichte endgültig geregelt werden kann — kann! —, soll zunächst einmal das gelten, was in den folgenden Paragraphen steht.
Aber in einem kann ich Ihnen nicht zustimmen, Herr Kollege Moerchel, nämlich darin, daß im
Grunde die Erhaltung der Gesundheit stets auch dem Erhalten des Erwerbs diene. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wenn Sie es so gemeint haben, wie Sie es hier jedenfalls ausgedrückt haben, ist hier der Unterschied der Auffassungen völlig deutlich. Ich kann es Ihnen am Gesetzestext nachweisen. Sie, die Regierungsparteien, haben die Einbeziehung der Rentner — und Rentner bedeutet ja nicht nur alte Leute, sondern auch diejenigen, die nur berufs- oder erwerbsunfähig sind — in diese Rehabilitation abgelehnt. Wir haben diese Frage in unserem Vorschlag wieder aufgegriffen und möchten die Rentner hinein haben. Dort handelt es sich zweifellos viel weniger oder überhaupt nicht um die Möglichkeit des Erwerbs, sondern um die ganz menschliche Aufgabe, daß jemand, der nicht gesund ist, durch derartige Maßnahmen nach allen Möglichkeiten der ärztlichen Kunst wieder seiner Gesundheit zugeführt wird. Sie wissen doch genau wie ich, daß die Klagen der älteren Leute bis zu einem gewissen Grade — wollen wir uns ganz vorsichtig ausdrücken — zu Recht bestehen, daß dann, wenn man 60, 61 Jahre alt ist, die Rentenversicherung sagt: Heilverfahren brauchst du nicht mehr, du stellst deinen Rentenantrag. — Das ist jetzt besser geworden. Aber das ergab sich eben daraus, daß die Rentenversicherung nur von der Einsparung der Rente ausgehen konnte, weil dort die Erwerbsfähigkeit im Mittelpunkt der begrifflichen Bestimmung stand und steht. Das möchten wir ausräumen. Insofern ist Ihre Argumentation, wie ich meine, nicht ganz schlüssig. Ich habe volles Verständnis für Ihre nicht ganz einfache Situation in dem Punkte, den wir hier gerade besprechen. Vielleicht kann ich mir aus eben diesem Grunde ein bißchen mehr Logik erlauben als Sie.
Wir müssen uns doch klarmachen, daß wir hier nur mit einem Teilstück arbeiten können.
Nun haben Sie gesagt, die Frage der Prävention, der Vorbeugung, ist durch den § 182 RVO zur Zeit abgeschnitten, hier müßte die Reform der Krankenversicherung einsetzen. Vollkommen einverstanden! Aber, Herr Dr. Moerchel, gerade dann müßten Sie für unsere Fassung stimmen, weil nämlich unter diesen Umständen die Krankenversicherung zweifelsfrei zur Zeit nicht das ausüben kann, was auch in die Rehabilitation hineingehört, nämlich rechtzeitig einzugreifen. Nach Ihren Begriffsbestimmungen müßte nun die Rentenversicherung über den § 1308 tatsächlich auch in die Vorbeugung eingreifen. Das ist nicht ihre Aufgabe und das kann nicht ihre Aufgabe sein. — Sie nicken; das ist vollkommen selbstverständlich, wir sind hier einig, und das war der Grund, weshalb ich hier die Logik in Anspruch genommen habe. Mir scheint, daß das, was Sie ausgeführt haben, nicht völlig richtig ist.
Nun ist das, was in diesem Paragraphen zum Ausdruck kommt, erweitert. Über das Heilverfahren hinaus ist auch die Heilbehandlung der Rentenversicherung zugeordnet, und, ich wiederhole, die Rentenversicherung kann die Heilbehandlung auch dann an sich ziehen, wenn an sich die Zuständigkeit der Krankenversicherung gegeben ist. Das ist einer der, sagen wir, gefährlichen Paragraphen. Das „gute alte Heilverfahren", das — nun, ich darf mich höflich ausdrücken — unsere gute Frau Kalinke hier zitiert hat, ist eben unvollständig und kann diese Aufgabe nicht erfüllen.
— Leider, Frau Kalinke! Deshalb müßten Sie gerade aus Ihrer Vorstellung heraus für unseren Antrag stimmen. Denn — und das darf ich abschließend sagen, und das muß ich leider sowohl Herrn Kollegen Moerchel wie Frau Kollegin Kalinke sagen — hier ist wieder einmal ein Wort umgedreht worden. Ich habe nicht von einer staatlichen umfassenden Gesundheitssicherung gesprochen.
Das möchte ich ausdrücklich sagen, damit uns nicht ständig das Wort im Munde herumgedreht wird, was für die Betroffenen, die das tun, allmählich etwas peinlich wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
— Ich danke Ihnen sehr und glaube, dabei im Namen des ganzen Hauses zu sprechen.
Die Wortmeldungen sind damit erledigt. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf Umdruck 893*) Ziffer 7 in Verbindung mit Umdruck 893 Ziffer 8, also die beiden Änderungsanträge, welche die Schaffung eines neuen § 1240 a auf der linken Seite und eines neuen § 12 a auf der rechten Seite betreffen. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 1241, und zwar zunächst über die dazu gestellten Änderungsanträge. Ich rufe auf Umdruck 893 Ziffer 9 in Verbindung mit Umdruck 893 Ziffer 10. Die Anträge beziehen sich auf die zweite Zeile der jeweiligen Paragraphen, d. h. auf die Worte „infolge einer Erkrankung", die wegfallen sollen. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 888**) Ziffer 6 in Verbindung mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 888 Ziffer 7. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —— Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge auf Umdruck 889***) Ziffer 3 und Umdruck 889 Ziffer 4. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe auf § 1241 — linke Seite —, § 13 — rechte Seite — in der jetzt so geschaffenen Fassung. Wer für diese Paragraphen zu stimmen wünscht,
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 4.
den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltunge angenommen.
Ich rufe auf § 1242 linke Seite — und § 14 — rechte Seite —. Dazu liegen vor folgende Änderunganträge: Umdruck 891*) Ziffer 13 — links —, Umdruck 891 Ziffer 14 — rechts -, Umdruck 893**) Ziffer 11 — links — und Umdruck 893 Ziffer 12 — rechts —. Werden die Anträge begründet? — Frau Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir waren im Ausschuß übereinstimmend der Meinung, daß die Bezeichnung „soziale Betreuung" nicht glücklich ist. Wir haben vergeblich nach einem anderen Wort gesucht, das den Tatbeständen Rechnung trägt. Die Fraktion der Deutschen Partei schlägt Ihnen nun vor, statt dessen „ergänzende Leistungen" zu sagen. Ich würde auch die Fraktion der SPD bitten, dieser Formulierung, die ich für besser halte, zuzustimmen, denn Ihre Formulierung kann von uns deshalb nicht angenommen werden, weil wir dabei in Konflikt kommen mit der Pflicht- oder KannLeistung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Anträge auf Umdruck 891*) Ziffer 13 — links — und Umdruck 891 Ziffer 14 — rechts — zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke Ihnen.
Das Präsidium ist sich im Zweifel. Ich bitte, die Abstimmung wiederholen zu dürfen. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag zu stimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 893**) Ziffern 11 und 12. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe auf § 1242 links und § 14 rechts in der Ausschußfassung. Wer für diese Fassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 1243 links und § 15 rechts. Es liegt kein Änderungsantrag vor. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den § 1243 links und den § 15 rechts zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den § 1244 links und den § 16 rechts. Dazu liegen vor die Änderungsanträge Umdruck 889***) Ziffern 5 und 6 und Umdruck 893**) Ziffern 13 und 14. Werden die Anträge begründet? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte, weil keine Wortmeldungen vorliegen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 889 Ziffern 5 und 6 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Hand-
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 4. zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wer für den Antrag Umdruck 893 Ziffern 13 und 14 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wer für den § 1244 links und den § 16 rechts zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 1245 links und § 17 rechts. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 1245 links und dem § 17 rechts zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 1246 links und § 18 rechts. Dazu liegt vor der Änderungsantrag Umdruck 888*) Ziffern 8 und 9. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Antrag Umdruck 888 Ziffern 8 und 9 anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 1246 und § 18 in der so geänderten Fassung. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen in der geänderten Fassung angenommen.
Wir kommen jetzt zu § 1247 — links — und § 19 — rechts —. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für § 1247 in der Ausschußfassung — linke Seite — und § 19 in der Ausschußfassung — rechte Seite — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 1248 — links — und § 20, rechte Seite. Hierzu liegen drei Änderungsanträge auf jeder Seite vor, und zwar Umdruck 891**) Ziffer 15 — links -- bzw. Ziffer 16 — rechts —, Umdruck 893***) Ziffer 15 - links — und Ziffer 16 — rechts — und Umdruck 893 Ziffer 17 — links — und Ziffer 18, rechts. Werden die Anträge begründet? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Rasch.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, für meine Fraktion den Antrag Umdruck 893 Ziffern 15 und 16 zu begründen. Es handelt sich hier um die Freistellung von Schwerkriegsbeschädigten und sonstigen Schwerbeschädigten im Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes. Wir haben zur Zeit rund 900 000 Schwerbeschädigte, von denen der größte Teil sich im Erwerbsleben befindet. Es ist heute so viel von „Erfahrungsschatz" gesprochen worden. Der Erfahrungsschatz, der uns aus der Kriegsopferversorgung zuströmt, sagt aus, daß` von den Schwerbeschädigten, die über 55 Jahre alt sind, also im Lebensalter zwischen 55 und 65 Jahren stehen, annähernd 90 %
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 7.
aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Wir beantragen, daß für Schwerbeschädigte im Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes die Strafmaßnahmen — oder Ordnungsmaßnahmen, möchte ich besser sagen; wir sind der Meinung, Ordnung muß sein — nicht gelten sollen, wenn sie das 55. Lebensjahr erreicht haben. Selbstverständlich ist die Voraussetzung, daß sie versicherungspflichtig waren und die Anwartschaft erfüllt haben.
Ich möchte Sie bitten, unseren Anträgen zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich fragen, ob auch der Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffer 17 begründet wird? — Bitte schön, Herr Kollege Pohle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann eigentlich auf eine Begründung verzichten. Denn es gehört zur guten Übung des Hauses, in alle Gesetze — angefangen beim Bundesversorgungsgesetz — eine verbindliche Bestimmung einzufügen, daß, wenn eine Operation verweigert wird, dem Betreffenden daraus kein Schaden entstehen soll. Ich bitte, an dieser Übung des Hauses festzuhalten und diesem Ergänzungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke zum Änderungsantrag Umdruck 891*) Ziffer 15.
Es ist nur eine Ergänzung des schon abgelehnten Antrages, die sich selbstverständlich ergeben hätte, wenn ihm zugestimmt worden wäre.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Steinbiß.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesen sozialdemokratischen Antrag abzulehnen. Schon im Grundgesetz ist dem Menschen das Recht auf Unversehrtheit des Kör-pens zugesichert. Auch eine nichtlebenbedrohende Operation wäre eine unzumutbare Behandlung, würde also dem Patienten einen triftigen Grund zur Weigerung geben, sich operieren zu lassen; und der Patient hätte aus seiner Weigerung keine weiteren Folgen zu erwarten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Voß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion mag besonders sozial erscheinen. Trotzdem bitte ich das Hohe Haus, ihn abzulehnen. Hier wird gewünscht, daß Versicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, aus der Rehabilitation ausgeschlossen werden. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie, wenn Sie das tun, die Altersgrenze für die Berentung in einem kaum vorstellbaren Maß vorziehen.
*) Siehe Anlage 6. Zunächst einmal möchte ich mich damit auseinandersetzen, daß Sie sagen: das 55. Lebensjahr.
— Entschuldigen Sie bitte, meine Herren; ich habe Ihren Änderungsantrag schon verstanden.
Nehmen Sie einmal folgendes Beispiel: Ein Dachdeckermeister ist bei der Ausübung seines Berufes verunglückt; der Fuß muß ihm amputiert werden. Dann erleben Sie es ohne Zweifel bei dem Willen, den ein solcher Mann oft hat, daß er arbeiten will und daß ihm die Rehabilitationsmaßnahmen helfen können, daß er, wenn auch nicht seinen alten Beruf, so doch zum mindesten einen Beruf ausüben kann, der ihm das Wertbewußtsein gibt, daß er wirklich noch zu den Menschen gehört, die arbeiten und schaffen können.
— Doch, meine Damen und Herren!
Zum zweiten darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es hier darum geht, dem Menschen, sofern er ein Einsehen hat, wirklich zu helfen, damit er sich der Gesundheitsmaßnahmen, die wir ihm angedeihen lassen wollen, bedient. Ich darf aus diesem Grunde herzlichst bitten, den Antrag der Sozialdemokratischen Partei abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Dr. Hubert hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann wirklich nicht ganz verstehen, warum Frau Kollegin Steinbiß im Namen ihrer Fraktion unsere Zusatzanträge Ziffer 17 und Ziffer 18 ablehnt, nach denen hinzugefügt werden soll: „Abs. 1 bis 3 gelten nicht, wenn der Versicherte sich weigert, sich einer Operation zu unterziehen", und darauf hinweist, daß das Grundgesetz genüge. Als wir das Soldatengesetz schufen, waren wir Ärzte uns alle darüber einig, daß das Grundgesetz eben nicht genügt. Wir haben darum in § 17 dieses Gesetzes, der sich damit befaßt, was der Soldat alles ,für die Erhaltung seiner Gesundheit zu tun hat, den Passus stehen:
Der Soldat muß ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Seuchenbekämpfung dienen;
und weiter:
„Nicht zumutbar
— und um die Zumutbarkeit geht es ja hier, wenn wir diesen Zusatz haben wollen —
ist eine ärztliche Behandlung, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten verbunden ist,
— der Herr Präsident wird verzeihen, daß ich aus dem Gesetzblatt zitiere —
eine Operation auch dann, wenn sie einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeutet.
Gerade um Klarheit zu schaffen, um nicht nachher die Frage aufkommen zu lassen, was zumutbar
ist und was der Soldat dulden muß, hatten wir diese Bestimmungen eingefügt. Ich glaube, unsere Einfügung hier bedeutet, mit etwas anderen Worten gesagt, nichts anderes als das, was auch für den Soldaten gilt; im Soldatengesetz wird ja darauf hingewiesen, daß er sonst seiner Versorgungsansprüche verlustig gehen kann. Beides ist völlig analog. Wir sind uns damals alle einig gewesen. Ich möchte Sie darum sehr dringend bitten, unserem Antrag zuzustimmen, damit dies auch hier eindeutig klargestellt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eigentlich den Herrn Bundesarbeitsminister zum Kronzeugen herbeirufen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat auf den großen Kundgebungen der Kriegsbeschädigten immer davon gesprochen, daß man den Schwerbeschädigten im Arbeitsprozeß zuviel zumutet und daß sie frühzeitig verschleißen. Wenn dieser frühzeitige Verschleiß selbst vom Herrn Bundesarbeitsminister anerkannt worden ist, sollte man, glaube ich, einem solchen Menschen die Möglichkeit geben, sich von besonderen Maßnahmen frei zu halten. Wenn er nicht verschlissen ist, wird er von selbst das Gefühl haben, daß er sich den vorgesehenen Maßnahmen unterziehen sollte.
Im übrigen hat auch schon bei der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes das Grundgesetz bestanden, und wir haben trotzdem diese Bestimmung hineingebracht. Es geht doch darum, Frau Dr. Steinbiß, eine Bestimmung vorzusehen, auf Grund deren eben eine Verwaltungsbehörde nicht sagen kann: Weil du nicht willst, fällst du unter diese Strafbestimmung. Das wollen wir doch vermeiden. Wir haben das auch in den vergangenen Jahren hier im Hause einstimmig geübt, und ich bitte Sie, von dieser guten Übung nicht abzugehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.
Meine Damen und Herren, ich bedaure außerordentlich, daß ich hier noch einmal heraufkommen muß, aber ich muß die Ausführungen des Kollegen Voß richtigstellen. Es ist doch nicht wahr, daß wir diese Leute über 55 Jahre ausschließen wollen. Wir wollen nur die Ordnungsmaßnahmen auf die Kriegsopfer, die schon auf Grund ihrer Beschädigung einen derartigen Wiedergesundungs- und Berufsförderungsprozeß mitgemacht haben, nicht angewendet wissen, wenn diese bei ihrem Arbeitseinsatz — die Leistung ist doch physisch höher zu bewerten — sagen: Es geht einfach nicht mehr! Weiter geht unser Anliegen nicht, und ich möchte Sie im Interesse dieser Schwerbeschädigten bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Dr. Steinbiß.
Ich glaube, Frau Hubert, Sie haben mich falsch verstanden. In dem § 1248 handelt es sich doch um zumutbare und unzumutbare Maßnahmen. Wenn eine Maßnahme zumutbar ist, soll sie der Patient an sich vollziehen lassen. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß auch eine Operation, die nicht lebensbedrohend ist, einem Patienten, der widerstrebt, nicht zugemutet werden kann. Das wird schon im Grundgesetz klar ausgesprochen, indem dem Menschen die körperliche Unversehrtheit garantiert wird. Daraus und auch aus dem § 1248 in der jetzigen Fassung geht klar hervor, daß einem Patienten eine Operation, der er widerstrebt, auch wenn sie nicht lebensbedrohend ist, nicht zugemutet werdenkann. Damit ist meines Erachtens der Antrag hinfällig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß ich darauf noch etwas erwidern muß. Aber, Frau Dr. Steinbiß, erstens ist jede Operation — das wissen wir doch alle — irgendwie mit einer Gefahr verbunden, und deshalb kann ich sie nicht gegen den Willen eines Menschen durchführen lassen. Darüber haben wir uns doch eingehend unterhalten, als wir das Soldatengesetz berieten. Es handelt sich hier um denselben Gedankengang, nämlich den, daß wir es nicht einer Verwaltungsbehörde überlassen können, zu entscheiden, was nun zumutbar ist und was nicht. Ich möchte Sie doch dringend bitten, diesem Grundsatz auch hier zuzustimmen. Der Fall ist völlig analog.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine verehrliche Kollegin Hubert hat darauf hingewiesen, daß im Soldatengesetz eine ausgezeichnete Formulierung steht. Nur eines stimmt nicht: diese Formulierung deckt sich nicht mit dem Vorschlag, den sie hier gemacht hat. Hier steht klipp und klar: „ ... gelten nicht, wenn der Versicherte sich weigert, sich einer Operation zu unterziehen". Ganz eindeutig: jeder Operation. Das steht aber im Soldatengesetz nicht. Im Soldatengesetz wird ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine Operation zugemutet werden kann. Das brauchen Sie in diesem Gesetz nicht auszuführen, weil in Deutschland alte Rechtspraxis ist, was der Operationsduldungspflicht unterliegt und was der Operationsduldungspflicht nicht unterliegt. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 891*) Ziffern 15 und 16. Sie bezwecken nur sprachliche Änderungen. Wer für diese Anträge ist, den bitte ich um ,das Handzeichen.
— Umdruck 891 Ziffern 15 und 16.
*) Siehe Anlage 6.
— Der Antrag ist eben noch begründet worden.
— Wir sind in der Abstimmung.
Ich rufe also noch einmal die Änderungsanträge Umdruck 891 Ziffern 15 und 16 auf. Wer dafür ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge sind angenommen.
Ich rufe die Änderungsanträge Umdruck 893*) Ziffern 15 und 16 auf, die einen Zusatz für Schwerbeschädigte einfügen wollen. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um 'die Gegenprobe. — Ich bitte um Enthaltungen. — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 893*) Ziffern 17 und 18; durch sie soll ein Zusatz wegen der Operationspflicht eingeführt werden, über die wir gesprochen haben. Wer für diese Anträge ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den § 1248 und den § 20 in der Ausschußfassung. Wer für diese Fassung zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe den § 1249 und den § 21 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 889**) Ziffer 7 und Ziffer 8 vor, die vorhin Herr Dr. Hammer im Zusammenhang mit einem anderen Antrag begründet hat. Es liegen ferner Änderungsanträge auf Umdruck 891***) Ziffer 17 und Ziffer 18 vor.
Das Wort hat Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben den Antrag gestellt, die Worte „den kassenärztlichen Vereinigungen" zu streichen, nicht weil wir etwas gegen die kassenärztlichen Vereinigungen hätten, sondern weil wir meinen, daß, wenn danach steht: „den Ärzten", der Oberbegriff der Ärzte in diesem Gesetz richtig ist; er genügt nicht nur, sondern ist auch notwendig. Wir glauben — die Ausschußberatung hat das auch gezeigt —, daß es falsch wäre, nur eine Ärzteorganisation zu nennen, daß es aber bei der unterschiedlichen Form der ärztlichen Organisationen auch nicht richtig wäre, in einem Katalog alle ärztlichen Organisationen aufzuzählen.
Die kassenärztliche Vereinigung ist auf Grund des Kassenarztrechts ein Vertragspartner der Krankenversicherung.
— Doch! Sie ist kein Vertragspartner der Rentenversicherung. Dagegen wünschen die Rentenversicherten und wünschen meine politischen Freunde
— und ich glaube, das ist unser aller Anliegen —, daß der zu Betreuende, wie es hier in diesem Gesetz heißt, die Möglichkeit hat, den besten Therapeuten, den besten Arzt mit hinzuzuziehen, also nicht nur den zugelassenen Kassenarzt — gegen dessen ausgezeichnete Behandlung damit gar nichts gesagt ist —, sondern auch den Facharzt, der nicht zur Kassenpraxis zugelassen ist, den Krankenhausarzt, den Professor, den guten Therapeuten, der vielleicht gerade Spezialist auf dem einen oder anderen Gebiet ist. Wir glauben, wenn da steht:
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 6.
„den Ärzten", dann ist den ärztlichen Organisationen vollkommen freie Hand gegeben, sich zur gegebenen Zeit zu verständigen, vor allem aber ist — was viel wichtiger als das Interesse der Organisationen ist — dem Versicherten die Chance garantiert, daß er wirklich keine Schwierigkeiten dadurch bekommt, daß durch einen Organisationsstreit irgendwelche Auseinandersetzungen mit den Versicherungsträgern beginnen.
Wir bitten Sie daher um Annahme unseres Antrags, erstens um der Versicherten willen — die haben den Vorrang, damit sie den Rat jedes Arztes haben können —, zum andern aber auch, damit nicht durch das Gesetz unnötige Schwierigkeiten für die Verwaltung entstehen. Für die Verwaltung wird es unnötig mühevoll sein, wenn nun auf Grund der Nennung der kassenärztlichen Vereinigungen im Gesetz unter Umständen Verhandlungen einsetzen, die die Ärzte in der Ebene ihrer Organisationen unter sich führen sollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Zu den §§ 1249 und 21 liegt der Antrag Umdruck 889*) Ziffern 7 und 8 vor. Das ist eine völlige Neufassung des Absatzes 1 dieser Paragraphen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich wiederhole; es war eben unklar, was Sie wollten. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffern 17 und 18 des Umdrucks 891**), den Frau Kalinke begründet hat. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Paragraphen insgesamt, § 1249 auf der linken Seite der Drucksache und § 21 auf der rechten Seite, in der Ausschußfassung. Wer diesen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen jetzt zu Ziffer 6 des Antrags Umdruck 896***), den der GB/BHE gestellt hat. Danach soll ein neuer § 1250 — links — bzw. ein neuer § 21 a — rechts — geschaffen werden. Wird das Wort gewünscht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß wir gebeten haben, die Ziffern 5 und 6 unseres Antrags bis zur Behandlung des § 80 zurückzustellen. Ich hatte das bereits heute vormittag beantragt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich entsinne mich; es ist bei § 1240 beschlossen worden. Ich darf Sie aber daran erinnern, meine Damen und Herren, daß im Interesse der Übersichtlichkeit der Abstimmung und der Arbeit an sich im Ältestenrat vorgesehen
*) Siehe Anlage 4.
**) Siehe Anlage 6.
***) Siehe Anlage 9.
war, derartige Zurückstellungen nicht zu akzeptieren; denn sonst ist es sehr leicht möglich, etwas Derartiges später zu übersehen. Ich bitte Sie also um Ihre Unterstützung für die späteren Abstimmungen. — Der Antrag Umdruck 896 Ziffer 6 wird jetzt zurückgestellt.
Dann rufe ich den übernächsten Abschnitt —„Renten" — § 1251 links, § 22 rechts — auf. Hier liegt kein Änderungsantrag vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Debatte.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesen eben aufgerufenen §§ 1251 — links — und 22 — rechts — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 1252 links, § 23 rechts. Zu § 1252 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 893*) unter Ziffer 19 vor, entsprechend zu § 23 auf Umdruck 893 Ziffer 20. Ferner liegen Änderungsanträge vor: zu § 1252 auf Umdruck 895**) Ziffer 3 und zu § 23 auf Umdruck 895 Ziffer 4. Dann liegt noch zu § 23 ein Antrag auf Umdruck 891***) Ziffer 19 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die §§ 23 und 1252 bestimmen in ihrem Abs. 1, daß Rente an Berufsunfähige gezahlt wird. In Abs. 2 dieser Paragraphen wird der Begriff der Berufsunfähigkeit festgelegt. Während im bisherigen Angestelltenversicherungsgesetz derjenige als berufsunfähig bezeichnet wurde, der nicht mehr imstande war, mehr als 50 % dessen zu erwerben, was ein Gesunder zu erwerben imstande ist, soll dieser Begriff jetzt nach der Vorlage des Ausschusses eingeengt werden. Der Berufsunfähige soll auch auf andere gleichgeartete Arbeiten — seiner Ausbildung entsprechende usw.; es ist ein ganzer Katalog von Möglichkeiten bzw. Voraussetzungen — verwiesen werden können. Hierdurch wird der Begriff wesentlich verschlechtert.
Schon gegen den Regierungsentwurf haben sich eine große Zahl von Angestellten draußen gewendet, die durch die hier zutage tretende Verschlechterung, die sehr bedeutend ist, beunruhigt waren. Die Angestellten sind der Meinung, daß durch die Einengung dieses Begriffes ein typisches und wesentliches Merkmal der Angestelltenversicherung verlorengeht, ein Begriff, der in der Rechtsprechung überall schon gut fundiert ist. Während der seitherige Begriff der Berufsunfähigkeit einen objektiven Tatbestand zur Grundlage hatte, der sehr gut festgestellt werden konnte, führt die jetzige Verweisung auf andere Tätigkeiten, auf die Umschulung und auf die Zumutbarkeit zu Ermessensentscheidungen mit all ihren Nachteilen. Eine solche Ermessungsentscheidung kann nur nach subjektiven Wertungen vorgenommen werden. Es ist völlig unmöglich, daß die Ärzte heute bei der differenzierten Arbeitsteilung überhaupt in der Lage sind, zu entscheiden, ob dem Berufsunfähigen eine andere seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit zugemutet werden kann. Die Tätigkeiten sind so spezifiziert, daß die Ärzte dadurch einfach überfordert sind.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 6.
Die Folge dieser Neufestlegung wären auch verschiedene Entscheidungen der verschiedensten Versicherungsträger, die eigene Entscheidungen je nach der Aufgabe ihrer Versicherung fällen würden. Ich darf nur an das Arbeitsamt, an die Angestelltenversicherung und an die Arbeiterversicherung erinnern. Damit kämen eine Fülle von Widerspruchsverfahren und eine Fülle von Klageverfahren vor die Sozialgerichte, was eine weitere Rechtsunsicherheit hinsichtlich des gesamten Begriffes bedeuten würde.
Die Angestellten haben, nicht zuletzt durch ihre Organisationen — wie den Deutschen Gewerkschaftsbund und die Deutsche Angestelltengewerkschaft —, in den Denkschriften ausdrücklich darauf hinweisen lassen, daß es bei dem seitherigen Begriff der Berufsunfähigkeit um einen altbewährten, in der Rechtsprechung fundierten und um einen fest geprägten Begriff geht, der für beide Versicherungszweige unbedingt erhalten bleiben muß.
Die sozialdemokratische Fraktion macht Ihnen deshalb den Vorschlag, den Begriff der Berufsunfähigkeit nach dem Angestelltenversicherungsgesetz festzulegen, das schon jahrzehntelang in Kraft ist und das eine Bewährung dieses Begriffes mit sich gebracht hat. Es ist besonders zu beachten, daß bei der jetzigen Festlegung der Berufsunfähigkeit der Berufsunfähige künftig nicht mehr den vollen Steigerungsbetrag, sondern nur noch 1 v. H. seines Jahresarbeitsverdienstes als Steigerungsbetrag für die Berufsunfähigkeit erhält. Wir bitten Sie, unserem Antrag zu entsprechen, damit die begründeten Sorgen der Angestellten behoben werden, vor allen Dingen aber auch, damit der menschlichen Unzulänglichkeit bei den subjektiven Wertungen des Vergleiches und der Zumutbarkeit nicht Tür und Tor geöffnet werden.
Da die Veränderung eine wesentliche Verschlechterung des seitherigen Rechts mit sich bringt, beantragt die sozialdemokratische Fraktion eine namentliche Abstimmung über die Anträge Umdruck 893 Ziffer 19 und Ziffer 20.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird der Antrag der FVP Umdruck 895 Ziffer 3*) begründet? — Herr Dr. Berg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag soll dem Schutz vor Mißbrauch von sozialpolitischen Einrichtungen dienen, diesmal des Mißbrauchs der Berufsunfähigkeitsrente. So, wie es zur Zeit in § 1252 Abs. 2 vorgesehen ist, stellt die Berufsunfähigkeit einen Status dar. Der Betreffende bekommt einen Schein in die Hand gedrückt, der besagt, daß er berufsunfähig ist, und bezieht die entsprechende Rente. Wenn es ihm hinterher gelingt, trotzdem aus regelmäßiger Erwerbsbtätigkeit mehr als das zu verdienen, was ihm der Gesetzgeber zubilligen will, kräht meistens kein Hahn danach. Diesem Mißbrauch zu steuern, hat unser Antrag zum Ziel. Durch ihn soll festgelegt werden, daß jemandem, der mehr verdient, der Charakter der Berufsunfähigkeit wieder zu entziehen ist.
*) Siehe Anlage 8.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich spreche zunächst zum Änderungsantrag der SPD, der soeben begründet worden ist, und dann zum Änderungsantrag zu § 23.
Es entbehrt nicht der Tragik und es ist sicher eine der seltsamsten Situationen in der Nachkriegszeit, daß ich in dieser Stunde hier nach fast zehnjährigem Kampf um die Erhaltung der Angestelltenversicherung und des besonderen Angestelltenversicherungsrechts zu einem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion spreche, dessen Inhalt ich für absolut richtig und im Sinne der Angestelltenversicherung für absolut berechtigt halte. Ich glaube, daß sich der Begriff der Berufsunfähigkeit der Angestelltenversicherung in der Praxis wie in der Rechtsprechung bewährt hat, und wenn sich in der Sozialpolitik etwas in der Praxis, in der Anwendung und in der Rechtsprechung bewährt hat, dann besteht kein Anlaß, etwas so Bewährtes aufzugeben. Das ist immer ein alter Grundsatz der Vorkämpfer in der Sozialpolitik, seien sie aus der Beamtenebene, seien sie aus der politischen Ebene, seien sie aus der Verwaltung gekommen, gewesen, den man auch für die Zukunft anerkennen sollte.
Die sozialdemokratischen Kollegen, die hier gesprochen haben, hätten aber auch etwas dazu sagen sollen, wie sich der neue Berufsunfähigkeitsbegriff in der Invalidenversicherung auswirken wird. Ich sprach von einer Tragik, weil es gerade die Sozialdemokratische Partei war, die sich immer gegen ein besonderes Angestelltenversicherungsrecht ausgesprochen hat, und weil es neuerdings unsere Koalitionspartner sind — —
— Sie haben sich nicht für die besondere Angestelltenversicherung ausgesprochen, soweit es um ein individuelles Angestelltenversicherungsrecht geht, sondern Sie haben in der ersten Lesung
wie im Ausschuß heute gesagt — und dem hat auch die CDU im Ausschuß zugestimmt —, „wenn Arbeiter und Angestellte für gleichen Beitrag die gleichen Leistungen bekommen, dann wollen Sie das gleiche Recht für Arbeiter und Angestellte".
— Ich bin der Auffassung, Herr Kollege Preller, daß man sehr wohl für besondere Berufsgruppen, in denen noch ein ausgesprochenes Bewußtsein ihrer Gruppe vorhanden ist, ein individuelles Recht setzen kann. Und genauso, wie niemand der Knappschaft, der Bahn und der Post ihre Besonderheiten bestreiten wird, so sollte man auch den Angestellten den Anspruch auf ihr individuelles Versicherungsrecht nicht bestreiten.
Die Angestellten haben sich in ihrer Selbstverwaltung und in ihren Gewerkschaften, und zwar in allen ihren Gewerkschaften, immer wieder zu diesem besonderen Recht bekannt, und man sollte ihnen die Möglichkeit, dieses ihr besonderes Recht auch in Zukunft zu praktizieren, nicht mit einer vereinfachenden Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes nehmen.
Ich behalte mir vor, in der dritten Lesung zu diesem Problem der Behandlung der Angestelltenversicherung noch Besonderes zu sagen. In der zweiten Lesung werden meine Freunde und ich dem § 1252 Abs. 2 sowie dem § 23 Abs. 2 mit dem Änderungsantrag der SPD zustimmen. Nur für den Fall, daß dieser Änderungsantrag nicht angenommen wird, beantrage ich als Eventualvorschlag die Ersetzung des Wortes „stets" durch „insbesondere" in § 23, Herr Präsident, damit die Angestellten nicht durch die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in eine schwierige Situation kommen, die einen sozialen Abstieg, eine gewisse Deklassierung zur Folge haben könnte, wenn die Rehabilitation — denn man weiß nie, was daraus gemacht werden wird — zu solchen Zwekken benutzt wird, wie wir sie in anderen Ländern und in der Vergangenheit der deutschen Geschichte in der Arbeitsmarktpolitik bereits erlebt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, sämtliche Änderungsanträge zu dem § 1252 links und dem § 23 rechts abzulehnen und es bei der Ausschußvorlage zu belassen. Wir haben uns im Sozialpolitischen Ausschuß mit der Neufassung des Invaliditätsbegriffs sehr eingehend befaßt und lange Zeit gerade über diesen Punkt diskutiert.
Die Neufassung des § 1252, also des Invaliditätsbegriffs, entspricht der Entwicklung der Rechtsprechung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte um etwas Ruhe.
Es ist eine Tatsache, daß sich im Laufe der letzten Jahre in der Rechtsprechung der Invaliditätsbegriff der Invalidenversicherung immer mehr dem der Angestelltenversicherung angeglichen hat. Diese Neufassung bedeutet für die Arbeiter eine Verbesserung, für die Angestellten aber keineswegs eine Verschlechterung, sondern eher eine Verfeinerung des bisherigen Berufsunfähigkeitsbegriffs.
Ich bitte Sie, das zu beachten, und empfehle Ihnen, den zweiten Satz des Abs. 2 des § 1252 bzw. des § 23 der Vorlage nachzulesen, wo es heißt:
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, dem Redner doch Gehör zu schenken.
Der Redner spricht ja hier sowieso nur fürs Protokoll.
Mehr, als es hier in dieser Formulierung geschieht, kann man auf die bisherige berufliche Entwicklung nicht abheben.
Zum Schluß darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß es in dem bereits beschlossenen § 14 Abs. 6 heißt:
Die Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 5 bedarf der Zustimmung des Betreuten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich habe durchaus Verständnis dafür, daß sich die Damen und Herren, die von außen hereinkommen, über den Stand der Debatte orientieren wollen. Aber ich glaube, das könnte etwas leiser geschehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ruf hat die Auffassung vertreten, daß der neue, vom Ausschuß beschlossene Begriff der Berufsunfähigkeit keine Beeinträchtigung für die Angestellten bedeute. Mit dieser Auffassung sind die Mehrheit des Ausschusses und die Regierung, die diesen Begriff vorgeschlagen hat, allein geblieben. Diejenigen, die es angeht, die Angestellten, vertreten jedoch durch ihre Gewerkschaften einheitlich den Standpunkt, daß der neue Begriff eine Beeinträchtigung des bisherigen Begriffes der Berufsunfähigkeit und damit eines Fundaments der Angestelltenversicherung bedeutet. Meine Damen und Herren von der CDU, die Sie wohl hinter dieser Fassung stehen: machen Sie sich doch bitte die Mühe, diesen neuen Begriff mit den bisherigen Begriffen zu vergleichen. Dann werden Sie folgendes feststellen: Satz 1 ist der Begriff des Angestelltenversicherungsgesetzes alter Fassung, Satz 2 ist im wesentlichen der Begriff der Rentenversicherung der Arbeiter, und der dritte Satz bringt das Moment der Rehabilitierung mit seiner Zumutbarkeit und mit seinem indirekten Zwang hinein. Solche Zwangsmöglichkeit haben Sie vorhin in Gestalt der Möglichkeit zur Entziehung der Rente, wenn sich der Betreffende nicht den Maßnahmen der zumutbaren Rehabilitierung unterzieht, geschaffen. Diese drei Begriffe fügen Sie jetzt zu einem Mischmaschbegriff der Berufsunfähigkeit zusammen.
Wir beantragen, den Begriff der Berufsunfähigkeit der Angestelltenversicherung für die Angestellten zu erhalten und ihn für die Arbeiter zur sozialen Gleichstellung einzuführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch nach der jetzt von Herrn Kollegen Dr. Schellenberg noch einmal gegebenen Darstellung über Qualität und Unwert der hier vorgesehenen Bestimmung sind wir nicht in der Lage, seinen Argumenten zu folgen. Wenn die Gewerkschaften der Auffassung sind, daß es sich hier um eine Verschlechterung der bisher geltenden Bestimmungen handelt, so sind wir der Meinung, daß das nicht der Fall ist. Tatsache ist — und das hat Herr Schellenberg richtig dargestellt —, daß in dem ersten Satz der § 27 des Angestelltenversicherungsgesetzes wörtlich übernommen wird. Der zweite Satz gibt eine nähere Darstellung darüber, welcher Kreis von Tätigkeiten hier in Frage kommt, und zwar auf Grund der Erfahrungen, die bisher in der Rechtsprechung der Sozialgerichte usw. gemacht worden sind. Das ist keine Verschlechterung, meine verehrten Damen und Herren. Jeder objektiv Denkende, der aus den Vorschriften, die für die Rehabilitation gelten, selbstverständlich auch bei diesem Begriff der Berufsunfähigkeit die entsprechenden Folgerungen zieht, muß doch zugeben, daß ich die Bestimmungen über die Rehabilitation nicht vorher treffen kann, ohne daß ich beim Begriff der Berufsunfähigkeit überhaupt irgendwelche Kenntnis davon nehme. Das geht unter gar keinen Umständen.
Gegenüber den Befürchtungen, die vielleicht unter den Arbeitnehmern, insbesondere unter den Angestellten, aufgetreten sind, daß man ihnen in diesem Fall unter Umständen unter der Formulierung „Zumutbarkeit" irgendwelche Tätigkeiten zumuten könne, die mit ihrer bisherigen Angestelltenfunktion auf Grund eben der Voraussetzungen, die vorher sichergestellt sind, nicht vereinbar sind, möchte ich mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß die Rehabilitation und auch die Voraussetzungen dieses Paragraphen beispielsweise von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in völlig eigener Zuständigkeit geprüft und entschieden werden. Man wird dabei natürlich auf den Personenkreis der Angestelltenversicherung die gebotene Rücksicht zu nehmen haben und in der Praxis selbstverständlich nehmen.
Man sollte diesen Paragraphen auch nicht in dieser Weise darstellen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß in den vorher verabschiedeten Paragraphen über die Rehabilitation auch die freiwillige Mitwirkung und die Zustimmung des Versicherten zu den für ihn in Aussicht genommenen Rehabilitations- oder Umschulungsmaßnahmen vorgesehen ist. Nur dann, wenn sich der Versicherte ohne triftigen Grund der Durchführung solcher Maßnahmen widersetzt, muß der Gesetzgeber selbstverständlich, wie wir es vorhin beschlossen haben, die Möglichkeit haben, auch im Interesse des Versicherten selber und der Wiederherstellung seiner Gesundheit diese Maßnahmen zu treffen.
Wenn man die §§ 1248 und 1252 zusammen sieht, dann muß man als objektiver. unvoreingenommener Beurteiler mit uns zu dem Schluß kommen, daß hier keinerlei Benachteiligung — weder der einen noch der anderen — vorliegt. Wir glauben, daß es eine fortschrittliche. der heutigen Situation angepaßte neue Formulierung ist, die wir hier gefunden haben. Ich kann das Hohe Haus nur wiederholt bitten, der Ausschußvorlage zuzustimmen und die gestellten Änderungsanträge abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Horn hat von der objektiven Beurteilung gesprochen: diese ist durch den Antrag der Sozialdemokraten gewährleistet. Sie bringen das subjektive Moment einer Zumutbarkeit in die Berufsunfähigkeit hinein, und das bedeutet eine Verschlechterung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte, möchte aber zur Abstimmung noch einiges klargestellt sehen.
Es liegt einmal vor der Antrag auf Umdruck 891 Ziffer 19*). Nach seinem Inhalt und nach der Erklärung der Frau Kollegin Kalinke hat er aber nur Eventualbedeutung. Es liegen ferner vor die Anträge auf Umdruck 893 Ziffern 19 und 20, die beide dem Absatz 2 eine neue Fassung geben wollen. Prima facie haben diese Anträge als die weitergehenden den Vorzug. Nun liegt aber auch noch ein Antrag der FVP vor auf Umdruck 895 Ziffern 3 und 4. Wenn ich ihn richtig interpretiere, kommt er inhaltlich und sachlich auf dasselbe hinaus, was die Anträge auf Umdruck 893 Ziffern 19 und 20 wünschen. Ich möchte also, ohne die Debatte neu zu eröffnen, nur den Antragstellern Gelegenheit geben, diese meine Auslegung noch zu korrigieren oder zu bestätigen. Bitte, Herr Kollege Berg!
Die Auffassung des Herrn Präsidenten ist leider nicht richtig. Der Zusatz, der von uns gefordert wird, müßte genauso gemacht werden, wenn der SPD-Antrag in Ziffer 20, den wir unterstützen, angenommen würde. Ich muß also darum bitten, daß die Abstimmung auch über diesen unseren Antrag stattfindet, allerdings natürlich nicht namentlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich das so verstehen, daß der Antrag gestellt wird sowohl für den Fall, daß die bisherige Ausschußfassung bleibt, wie auch für den Fall, daß der Antrag der SPD angenommen wird?
— Dann hat also der Antrag der SPD**) den Vorrang. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich frage, ob dieser Antrag von 50 anwesenden Mitgliedern unterstützt wird.
— Ja, „Oho", meine Damen und Herren! Heute morgen hat einer der Herren Kollegen mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß das nach dem Wortlaut der Geschäftsordnung festgestellt werden muß. Anwesenheit ist noch keine Zustimmung.
Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung. Ich eröffne hiermit die namentliche Abstimmung.
Sind alle Karten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen. —
Ich gebe das vorläufige Ergebnis***) der Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen 438. Mit Ja haben gestimmt 223, mit Nein 215 Abgeordnete. — Berliner Abgeordnete: Abgegebene Stimmen 18. Mit Ja haben 13, mit Nein 5 Berliner Abgeordnete gestimmt.
Demgemäß ist der Änderungsantrag angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der FVP, Umdruck 895 Ziffern 3 und 4****). Sie haben vorhin Herrn Kollegen Berg gehört,
*) Siehe Anlage 6.
**) Umdruck 893 Ziffern 19 und 20.
***) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10300.
****) Siehe Anlage 8. der erklärt hat, daß dieser Antrag in jedem Fall gestellt wird, ganz gleich, ob der vorhergehende Antrag angenommen wird oder nicht. Ich stelle also diesen Antrag zur Abstimmung. Darf ich bitten, vorher Platz zu nehmen, damit man übersehen kann, wie die Abstimmung ausfällt.
Wir kommen also zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 895 Ziffern 3 und 4 für beide Teile des Entwurfs. Wer diesem Antrag Umdruck 895 Ziffern 3 und 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich .bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
— Der Antrag Umdruck 891 Ziffer 19 entfällt damit?
Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über § 1252 — links — und § 23 — rechts — in der Fassung, die er durch die Annahme des Änderungsantrages Umdruck 893 Ziffern 19 und 20 gefunden hat. Wer für § 1252 und § 23 mit dieser Änderung, im übrigen in der Ausschußfassung, zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Wir wiederholen die Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die für den § 1252 — linke Seite — und den § 23 — rechte Seite — in der Fassung, die er durch die namentliche Abstimmung erhalten hat, zu stimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke Ihnen. Das Präsidium ist im Zweifel. Wir schreiten zur Auszählung.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, die Türen wieder zu öffnen.
Die Abstimmung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis bekannt: Ja — also für den Paragraphen — 206 Stimmen, Nein 207; eine Enthaltung. Damit existiert der § 1252 für diese zweite Lesung nicht. Ich stelle jetzt die Frage zur Debatte: Wünschen Sie die Fortsetzung der zweiten Lesung?
— Dann müssen wir uns aber darüber klar sein, daß wir in der dritten Lesung dieses Loch stopfen müssen.
— Gut, dann rufe ich auf — —
— Ich bitte doch, Platz zu nehmen, damit die Verhandlungen weitergehen können.
— Meine Damen und Herren, ich appelliere nochmals, Rücksicht auf diejenigen zu nehmen, die weiterverhandeln wollen und den weiteren Verhandlungen auch zu folgen wünschen.
Wir kommen zu § 1252 a und § 23 a. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich eröffne die Debatte.
— Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den §§ 1252 a und 23 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Wir kommen zu § 1253 und § 24. Hierzu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 893*) Ziffer 21 und Ziffer 24, Umdruck 893 Ziffer 22 und Ziffer 25, Umdruck 893 Ziffer 23 und Ziffer 26 vor. Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht?
Frau Abgeordnete Döhring
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Herabsetzung der Altersgrenze beim Bezug von Altersruhegeld für Frauen auf 60 Jahre ist eine Forderung, die quer durch alle Berufe geht und — mit wenigen Ausnahmen — von allen Frauen in der Bundesrepublik vertreten wird. Eine der Ursachen für diese Einhelligkeit der Auffassung unter den Frauen ist nicht zuletzt die bedauerliche Tatsache, daß Frauen zu einem viel früheren Alter invalidiert werden müssen als die männlichen Versicherten.
Die sozialdemokratische Fraktion hat der Forderung, die Altersgrenze für Frauen auf 60 Jahre herabzusetzen, in ihrem Gesetzentwurf Rechnung getragen. Die Regierungsvorlage sah dagegen für das Altersruhegeld allgemein die Altersgrenze von 65 Jahren vor; das galt also auch für alle Frauen.
Nun ist es gewiß kein kleiner Erfolg, wenn im Sozialpolitischen Ausschuß die Forderung der sozialdemokratischen Fraktion wenigstens insoweit verwirklicht wurde, als jetzt Frauen mit dem 60. Lebensjahr ihr Altersruhegeld beantragen können, wenn sie innerhalb der letzten 20 Jahre vor der Antragstellung mindestens 10 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt waren. Diese Bestimmung findet selbstverständlich auch auf weibliche Angestellte Anwendung, soweit sie wegen Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze nicht mehr versicherungspflichtig waren und ihre Versicherung freiwillig aufrechterhalten haben.
Die sozialdemokratische Fraktion kann sich aber mit der Einschränkung, die der Ausschuß gegenüber ihrem Gesetzentwurf beschlossen hat, nicht einverstanden erklären. Mit einer solchen Einschränkung würde in dieses neue Gesetz — schließlich machen wir eine Reform der Rentenversicherung — ein Faktor hineinkommen, der nach verschiedenen Seiten hin ungleiches Recht, ja, ich muß sogar sagen, ein großes Unrecht schaffen würde. Es gibt sicherlich einen großen Kreis von Frauen, die bis zum 48. oder 49. Lebensjahr berufstätig waren, die aber aus irgendwelchen Gründen — sei es aus gesundheitlichen Gründen, indem sie nicht bis zur Grenze der Invalidisierung arbeiten, sondern sich der Familie erhalten wollten, sei es, daß sie Enkelkinder oder kranke Angehörige zu betreuen hatten — aus dem Beruf ausschieden. Alle diese Frauen würden von dem Recht, mit 60 Jahren ihr Altersruhegeld beantragen zu können, ausgeschlossen sein,
obwohl die meisten von ihnen vom 15. Lebensjahr an bis über das 40. Lebensjahr hinaus gearbeitet haben, nur eben keine 10 Jahre vor dem 60. Lebensjahr.
*) Siehe Anlage 7.
Meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, der Gesetzgeber sollte es sich meiner Auffassung nach sehr wohl überlegen, ob er in diesem Gesetzwerk ein solches unterschiedliches Recht für die Frauen schaffen kann, ja, ich möchte sogar fragen, schaffen darf. Wenn das Hohe Haus die Ausschußfassung annehmen sollte, dann wären die Betroffenen — also die von dem Unrecht Betroffenen
— allein die Hausfrauen oder, besser gesagt, die Nur-noch-Hausfrauen. Aber gerade sie sind es auch, die in früheren Jahren oft jahrzehntelang, wie ich bereits sagte, berufstätig waren.
Ganz abgesehen davon, daß nach unseren Verfassungen die Hausfrauenarbeit der Berufsarbeit gleichzustellen ist, sollte der Bundestag hier auch einmal eine etwas familienfreundlichere Haltung einnehmen.
— O ja, sehr wohl, Herr Schüttler, möchte ich das behaupten, gerade Ihnen gegenüber, Herr Schüttler, der Sie Ihre familienfreundliche Haltung ja immer so stark herausstellen.
Zudem, meine Herren und Damen, möchte ich daran erinnern, daß es eine Empfehlung der Europäischen Konferenz des Internationalen Arbeitsamtes gibt, wonach in den einzelnen Ländern das Alter, das zum Bezug von Renten berechtigt, für Frauen gegenüber den Männern jeweils um fünf Jahre herabgesetzt werden sollte. Alle nach der jetzigen Fassung ausgeschlossenen Frauen können mit Fug und Recht erwarten, daß der Bundestag entsprechend dieser Empfehlung gleiches Recht schafft und die Altersgrenze beim Ruhegeld für Frauen mit 60 Jahren einheitlich festlegt.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem vorliegenden Änderungsantrag meiner Fraktion zuzustimmen, wonach der Abs. 3 sowohl des § 1253 — linke Seite — als auch des § 24 — rechte Seite der Vorlage — nunmehr lauten soll:
Altersruhegeld erhält auf Antrag auch die Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist und wenn sie eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr ausübt.
Da es sich hierbei um eine wichtige, grundsätzliche Entscheidung handelt, beantrage ich namens meiner Fraktion die namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Ruf hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Regierungsvorlage eine einheitliche Altersgrenze für Frauen und Männer vorgesehen hat. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich die Gedankengänge und die Vorschläge des Bundesrates zu eigen gemacht. Er hat sie sich nicht nur zu eigen gemacht; er hat sogar diese Vorschläge noch verbessert. Er hat sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, daß die berufstätigen Frauen einen Doppelberuf als Hausfrau und als Arbeitnehmer ausüben und daß ihre Kräfte infolgedessen vorzeitig und stärker abgenutzt werden.
Wir haben uns allerdings dann davon leiten lassen müssen, daß die Herabsetzung der Altersgrenze an eine überwiegende Zeit rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung in den vorhergehenden 20 Jahren zu binden ist, und zwar deswegen,
weil ja diese Doppelbelastung nur für Frauen in Frage kommt, die als Arbeitnehmer tätig sind.
Ich bitte im Namen meiner politischen Freunde, den Änderungsantrag abzulehnen und es bei der Fassung der Ausschußvorlage zu belassen. Wir sehen in dieser Regelung einen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Recht und empfehlen Ihnen aus diesem Grunde die Annahme dieses Paragraphen.
Frau Abgeordnete Kalinke hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Frau Kollegin Döhring hat in der Begründung der Anträge der sozialdemokratischen Fraktion mit Recht gesagt, daß es kein kleiner Erfolg ist, wenn in dem Ausschußbericht festgestellt werden konnte, daß trotz der Beschlüsse, die im Kabinett gefaßt worden waren und die in der Regierungsvorlage standen, dem Anspruch - ich sage bewußt: dem Anspruch — der berufstätigen Frauen in der Volkswirtschaft, dem berechtigten Anspruch des doppelbelasteten berufstätigen Frauen und Mütter Rechnung getragen ist. Wir von der Fraktion der Deutschen Partei haben diese Forderungen in unserem Rentenantrag im Oktober 1955 hier erhoben und haben in der Öffentlichkeit — gemeinsam mit den Frauenorganisationen, von denen Frau Döhring sprach — schon immer die Auffassung vertreten, daß der Staat eine Verpflichtung gegenüber seinen Müttern, vor allem aber auch gegenüber den Müttern, die als berufstätige Frauen eine große Doppelbelastung tragen, hat.
Wir verraten sicherlich kein Geheimnis, wenn wir sagen, daß es eine schwere Entscheidung war, die wir sehr mühevoll erreicht haben, und wir, meine Freunde in der Deutschen Partei, sind deshalb sehr glücklich darüber, daß unser Antrag gemeinsam mit dem Antrag der SPD wenigstens einen Teilerfolg gehabt hat.
Ich muß der Frau Kollegin Döhring aber antworten, daß es doch die Dinge verschieben heißt, wenn man hier von den Frauen schlechthin spricht. Es war unser Anliegen, vor allen Dingen den berufstätigen Frauen zu helfen, den Frauen, die die Doppellast tragen, auch den berufstätigen Frauen, die verheiratet, verwitwet, geschieden sind; ja selbst die ledigen 'berufstätigen Frauen sind in der Regel auch noch mit der Haushaltsführung und mit der Pflicht der Versorgung von älteren oder jüngeren Angehörigen belastet. Es liegt uns also ganz besonders daran, den berufstätigen Frauen, deren Anliegen wir hier mit der gesetzlichen Entscheidung Rechnung getragen haben, die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Bezug der Rente vom 60. Lebensjahr an zu geben.
Ich will in aller Offenheit aussprechen, daß es in der ersten Beratung auch Kollegen der CDU/ CSU gegeben hat, die meinten, die Frauen selbst seien dagegen. Mir ist bisher weder von dem Herrn Arbeitsminister, der damals diese Auffassung ausgesprochen hat, noch von sonst jemandem gesagt worden, welche Frauen dagegen sind.
Trotzdem sollte uns die heutige Situation nun befriedigen, Frau Kollegin Döhring, nachdem so viele Kollegen aus der CDU/CSU sich haben überzeugen lassen. Bei der Situation hier im Parlament — der heutige Tag zeigt es wieder — hat es wirklich
einen Seltenheitswert, wenn jemand jemanden überzeugen kann. Daß uns Frauen das im Ausschuß gelungen ist, sollten wir tatsächlich ganz groß schreiben. Denn bisher sind die Fronten bedauerlicherweise, sage ich, so versteift, daß selbst die vernünftigsten sozialpolitischen Erwägungen außerordentlich schwer durchsetzbar sind.
Ich bedaure daher bei aller Anerkennung der Berechtigung des Wunsches — daß auch die weiterversicherten Ehefrauen und die selbstversicherten mit 60 Jahren gern die Rente haben —, aus sozialpolitischen Gründen in diesem Fall dem Antrag der SPD nicht zustimmen zu können.
— Wenn Frauen Jahrzehnte berufstätig waren, dann wird sich die Belastung aus der Berufstätigkeit wahrscheinlich auf die Zeit erstrecken, in der die Frauen besonders überfordert waren, nämlich zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr. Wenn sie zwischen 18 und 20 oder 25 'berufstätig waren und dann geheiratet haben, besteht das Problem nicht.
— Die meinen Sie nicht. Es wird sicher, Frau Kollegin Döhring, auch dazwischen Grenzfälle geben, die hart sind. Aber lassen Sie uns darin einig sein, daß die Probleme der Vollbeschäftigung uns gerade für die doppeltbeschäftigten Frauen ein unendliches Problem zur Lösung aufgeben werden. Ich bin bei Gott nicht eine Fürsprecherin für diejenigen, die immer von den Kosten sprechen, wenn es um die Frauen geht, aber keineswegs von den Kosten sprechen, wenn es etwa um andere Leistungen geht, und Sie wissen um meinen Kampf für die berufstätigen Frauen. Wir sollten in dieser Frage zunächst versuchen, festzustellen, wie die Dinge sich in der Praxis bewähren. Sie werden in mir eine mutige Vertreterin jeder fortschrittlichen sozialpolitischen Entwicklung auf diesem Gebiet finden, wenn wir festgestellt haben werden, wie sich die Entscheidung, die wir heute treffen, auswirkt.
Ihre übrigen Anträge, Frau Kollegin Döhring, zielen ja praktisch auf eine Vorziehung der Altersgrenze. Eine so entscheidende Frage wie die Vorziehung der Altersgrenze, die ja die gesamten Leistungen aus der Knappschaft und für alle gesundheitsgefährdeten Berufe betreffen würde, können wir nach meiner Auffassung in der augenblicklichen Situation der Reformdebatte ohne Kenntnis der genauen finanziellen Auswirkungen, aber auch ohne Berücksichtigung aller der Folgen, die sich daraus ergeben könnten, nicht lösen, wenn wir verantwortungsbewußt handeln wollen. Wenn wir mit den vielen schweren Problemen, die zu lösen uns dieses Gesetz aufgibt, erst ein Stück weiter sind, dann werden wir überlegen müssen, wieweit wir den Katalog der Berufskrankheiten revidieren und erweitern. Wir werden beim Gesetz über die Knappschaft ohnehin noch manche harte Nuß zu knacken haben. Ich empfehle Ihnen, Ihre Anträge im Sozialpolitischen Ausschuß bei der Debatte über die Reform der Knappschaft von neuem zu stellen.
Herr Abgeordneter Franzen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Ziffern 22, 23, 25 und 26 des Antrags Umdruck 893*) beantragt die SPD-Fraktion, in § 1253 — auf der linken Seite der Vorlage — und in § 24 — auf der rechten Seite der Vorlage — je einen Absatz 3 a und 3 b einzufügen. Eine Annahme dieser Anträge würde eine erhebliche Erweiterung der Leistungen und eine sehr große Belastung der Versicherungsträger mit sich bringen. Damit würden alle diejenigen, die in einem gefährdeten Beruf arbeiten, die Möglichkeit haben, die Altersgrenze vorzuziehen. Ich will damit nicht sagen, daß die gefährdeten Berufe nicht geschützt werden sollten. Dieses Problem wurde im Sozialpolitischen Ausschuß eingehend behandelt, und die Mehrheit war der Auffassung, daß dieses Risiko bei der Neuordnung der Unfallversicherung berücksichtigt werden müsse. Aus diesem Grunde bitte ich Sie im Namen meiner Freunde, diese Anträge abzulehnen.
Herr Abgeordneter Dannebom!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte der Einfachheit halber, nicht nur Ziffer 22, sondern auch Ziffer 25 unserer Änderungsanträge behandeln zu dürfen, weil hier inhaltlich dasselbe Problem angesprochen wird.
Wir bitten hinter Absatz 3 in § 1253 einen neuen Absatz 3 a einzufügen, wonach auf Antrag auch derjenige Versicherte Altersruhegeld erhalten soll, der das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat und der in den letzten fünf Jahren eine gesundheitsgefährdende Beschäftigung ausgeübt hat. Wir sind natürlich der Auffassung, daß er nur dann Anspruch auf Altersruhegeld haben soll, wenn er die versicherungspflichtige Tätigkeit aufgibt. Wir sind ferner der Auffassung, daß, weil der Katalog der gesundheitsgefährdenden Berufe nicht in dieses Gesetz aufgenommen werden kann, die Bundesregierung, der Bundesarbeitsminister ermächtigt werden soll, diesen Katalog durch eine Rechtsverordnung zu bestimmen.
Dabei denke ich jetzt nicht nur an den Bergbau als gesundheitsgefährdenden Beruf. Es gibt sicher auch noch andere. Sehen Sie sich das heutige Ausmaß der Frühinvalidität an! Es gibt in der heutigen Wirtschaft Berufe, die nicht nur wegen ihrer Gefährlichkeit, wegen ihrer Schwere die Gefahr der Erkrankung erhöhen, sondern in denen auch die Unfallhäufigkeit größer und damit die Fälle der Berufsunfähigkeit zahlreicher sind als in anderen Berufen. Das Vier-Professoren-Gutachten spricht davon, daß von den heutigen Renten 970 000 an Männer und 280 000 an Frauen unter 60 Jahren gewährt werden. Das beweist den Umfang der Frühinvalidität, der sicher auf die Gefährlichkeit der Berufsarbeit zurückgeht.
Nun werden Sie sagen: dafür hat der davon Betroffene Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, auf Frühinvaliditätsrente und Ähnliches. Das ist zwar richtig. Dafür gibt es aber nur den Steigerungsbetrag von 1 %. Wir meinen, daß für diesen Personenkreis, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, das Altersruhegeld mit dem höheren Steigerungssatz, nämlich dem Steigerungssatz von 1,5 %, gegeben werden sollte.
*) Siehe Anlage 7.
Gerade unter den Gesichtspunkten der Erhaltung der Gesundheit und der Anerkennung als gefährliche Berufsarbeit ist es sicher begründet, daß wir Ihnen hier dieses Anliegen vortragen. Der Berichterstatter, Herr Kollege Schüttler, hat davon gesprochen, daß der Ausschuß in der Frage des Altersruhegeldes ab 60 Jahre bei denjenigen, die ein Jahr arbeitslos gewesen sind, dem Anliegen schon in etwa Rechnung getragen habe. Er hat weiter ausgeführt, daß man dagegen dem Anliegen der SPD, dem in unserem Gesetzentwurf bereits entsprochen war, nicht habe stattgeben können, weil, wie er sagte, die Rentenversicherung nicht dafür da sei, ein fremdes Risiko, das eigentlich der Unfallversicherung zufallen müsse, zu decken. Das kann man als guten Grund anführen. Mit der gleichen Begründung könnte man aber auch sagen, daß das Altersruhegeld wegen einjähriger Arbeitslosigkeit ein der Rentenversicherung fremdes Element ist.
Allgemein sind wir der Auffassung, daß man auch in der Rentenversicherung der Arbeiter dem Versicherten, der ein Jahr arbeitslos gewesen ist und das 60. Lebensjahr erreicht hat, dasselbe Recht geben sollte wie den Versicherten in der Angestelltenversicherung.
Wenn man das will, so ist es, meine ich, kein unbilliges Verlangen, auch den Personengruppen, die
eine gesundheitsgefährdende Beschäftigung ausüben, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt haben
und nicht mehr erwerbstätig sind, also nicht mehr
versicherungspflichtig sind, nach Vollendung des
60. Lebensjahres das Ruhegeld mit dem entsprechend höheren Steigerungssatz zu gewähren.
Ich bitte um Annahme unseres Änderungsantrages.
Herr Abgeordneter Rasch hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrage meiner Fraktion die Anträge Umdruck 893*) Ziffern 23 und 26 zu begründen.
Ich möchte den vorigen Entscheid dieses Hohen Hauses, der den Schwerbeschädigten keinerlei Vergünstigung zusprach, sehr bedauern. Er kann nur so zustande gekommen sein, daß man glaubt, die Schwerbeschädigten seien mehr oder weniger Faulenzer.
— Ja, regen Sie sich nur auf, meine Damen und Herren; das kann mich gar nicht anfechten. Bei den Schwerbeschädigten wird dieser Eindruck aufkommen.
Um einen solchen Eindruck aus der Welt zu schaffen, möchte ich sagen, daß nach den statistischen Angaben von den 880 000 Schwerbeschäidgten zur Zeit nur 26 000 arbeitslos sind. Ich glaube, dies ist Beweis genug dafür, daß der Arbeitswille dieser Menschen geradezu als hervorragend zu bezeichnen ist.
*) Siehe Anlage 7.
In dem Antrag, den ich nun zu begründen habe, geht es darum, daß den schwerbeschädigten Versicherten, die ihre Anwartschaft erfüllt und das 60. Lebensjahr erreicht haben, das volle Altersruhegeld gewährt wird. Der Herr Bundesarbeitsminister hat auf den verschiedensten Veranstaltungen der Kriegsopfer immer wieder erklärt, nach seinem Dafürhalten sei es nicht mehr als recht und billig, daß diese Schwerbeschädigten früher als die anderen Versicherten aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden, weil die physische Belastung größer ist. Und wer mag bestreiten, daß es einem Amputierten schwerer fällt, ein Leben lang zu arbeiten, als einem, der seine gesunden Beine oder sonst seine gesunden Glieder noch hat!
Wir haben das Problem der Schwerbeschädigten bei der Fünften Novelle zum Bundesversorgungsgesetz behandelt und in diesem Hause einstimmig beschlossen, daß den Schwerbeschädigten über 65 Jahre eine sogenannte Alterszulage zur Grundrente gewährt wird. Es gab zuerst auch ein großes Geschrei. Es wurde gesagt: Das ist nicht tragbar, das ist nicht möglich usw. Und nachher stellte sich bei den Beratungen heraus, daß es zur Zeit nur knapp 20 000 versorgungsberechtigte Schwerbeschädigte über 65 Jahre gibt. Meine Damen und Herren, es ist mir manchmal peinlich, dieses aussprechen zu müssen: Wer die Sterblichkeitsziffer gerade dieser Schwerbeschädigten kennt und mit diesen Menschen insbesondere nach diesem Kriege zu tun hatte, muß immer wieder feststellen, daß sie, wenn sie einmal das 60. Lebensjahr erreicht haben, der Schnitter Tod fast stündlich oder minütlich ereilen kann. Ich glaube, daß diese Menschen, die ihre Arbeit mit einer schweren körperlichen Beschädigung getan und die Beiträge geleistet haben, auch einen Anspruch darauf haben, einen Obolus zu erhalten. Man spricht immer vom Dank des Vaterlandes. Dieser kann dadurch zum Ausdruck kommen, daß man sagt: hier, ihr Schwerbeschädigten, ihr habt es verdient, daß man euch diese kleine Vergünstigung einräumt!
Ich möchte daher bitten, den Anträgen meiner Fraktion zuzustimmen.
Sie haben die Begründung der Änderungsanträge gehört. — Herr Abgeordneter Schüttler hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar Sätze. Wir sollten doch von dieser Art Argumentation abkommen, sollten nicht immer nur das Negative sehen. Wir haben uns hier schon oft darüber unterhalten: Welches ist das 'höchste Glück für den Schwerbeschädigten? — Daß wir ihm baldmöglichst eine irgendwie geartete Beschäftigung geben, damit er über sein Leiden nicht nachdenkt; das ist hier immer gesagt worden. Er will doch etwas tun, er will etwas um die Hand haben. Wir wollen ihm daneben mit einer Rente behilflich sein, damit er über die materiellen Sorgen hinwegkommt. Das sind doch die Argumente, die wir immer gehört haben: Laßt doch den Beschädigten arbeiten, sorgt doch dafür, daß er irgendeine Berufsstellung findet! Und nun argumentiert man gegenteilig und sagt, der Schwerbeschädigte müsse früher aus der Arbeit heraus. Nein, er will ja Betätigung haben, wenn er auch nicht voll beschäftigt ist. Man kann nicht jetzt wieder mit der negativen Seite argumentieren.
— Nein, liebe Freunde, so geht es wahrlich nicht. Und wenn dem Schwerbeschädigten die Arbeit zu mühsam wird, dann hat er die Möglichkeit, auszuscheiden. Wenn er die Arbeit nicht mehr ertragen kann, bekommt er nicht eine Steigerung von 1 %, sondern er bekommt eine Steigerung von 1,5 %, als wenn er die Altersrente erhielte. In genau dem gleichen Maße bekommt er die volle Rente, wenn er arbeitsunfähig ist, und nicht die Teilrente mit 1 %. Das muß hier auch einmal gesagt werden. Es sind also auch für den Schwerbeschädigten Möglichkeiten gegeben, in den Genuß der Rente zu kommen, wenn ihm die Arbeit eine Last wird. Solange sie ihm aber nicht eine Last wird, sollten wir ihn auch nicht unter dieses Sonderrecht stellen, sondern ihm seine Arbeitsstelle solange wie möglich auch in seinem eigenen Interesse erhalten. Wir haben nicht daran gedacht, ihn schlechterzustellen oder ihn nicht zu berücksichtigen.
Wir sollten es bei der Regierungsvorlage belassen und nur für die Fälle, wo ein Versicherter mit 60 Jahren, Angestellter oder Arbeiter, nicht wieder unterkommen kann, ihm dieses Vorrecht geben, mit 60 Jahren nicht mehr als Arbeitsloser stempeln gehen zu müssen, sondern in den Genuß der Altersrente zu kommen.
Frau Abgeordnete Friese-Korn hat das Wort.
Ich muß dem Kollegen Schüttler etwas erwidern, damit hier keine falschen Vorstellungen erweckt werden. Herr Kollege Schüttler, es handelt sich hier doch um den ganz klaren Fall, daß der Mann gar keinen Gebrauch davon machen muß. Das Antragsrecht erhält er, er kann den Antrag stellen. Der Schwerbeschädigte, der sich noch in dem Zustand fühlt, den Sie am Anfang Ihrer Ausführungen schilderten, macht keinen Gebrauch davon. Er wird den Antrag auf Altersrente eben nicht im 60. Jahr stellen. Aber in dem umgekehrten Fall, Herr Kollege, würde die Situation des Schwerbeschädigten, der seine Kräfte im Kampf gegen seine Körperschäden verbraucht hat, wesentlich erleichtert. Wir möchten darum den Antrag der SPD-Fraktion unterstützen.
Herr Kollege Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Anträgen der SPD zu diesem Paragraphen ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, daß wir hier ein Versicherungsgesetz beraten und nicht ein Gesetz für Menschen, die ein besonderes Schicksal getroffen hat.
Für diese Menschen, die ein besonderes Schicksal
getroffen hat, haben wir Sondergesetze geschaffen.
Diese Gesetze sind großzügig gestaltet worden, und wir werden auch weiterhin in diesen Gesetzen das Notwendige tun. Aber wenn wir bei diesem Paragraphen der Auffassung der SPD folgten, dann würde die Konstruktion unseres Gesetzes gefährdet, das auf Beiträgen aufbaut und eine beitragsgerechte Rente als Ziel hat. Wenn wir das wollen
— und das wollen Sie doch auch, meine Herren von der SPD —, dann können wir eine derartige Ausweitung, wie Sie sie hier beantragt haben, nicht durchführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Arndgen veranlassen mich, zu dieser Frage noch ein paar Worte zu sagen. Kollege Arndgen, die Dinge sind doch so, daß der Schwerbeschädigte wie jeder andere Arbeitnehmer seine Beiträge zur Versicherung leistet.
Nun können Sie aber nicht bestreiten, daß ein Mensch, der unter der Vorbelastung einer mehr als 50%igen Minderung seiner Erwerbsfähigkeit — so lautet die ärztliche Formel — im Arbeitsprozeß tätig ist, einem unvergleichbar höheren Verschleiß seiner Gesundheit ausgesetzt ist als sein gesunder Arbeitskollege und deshalb eine ungleich geringere Chance hat, jemals den Tag zu erleben, an dem die Einzahlung, die er in die Versicherung leistet, wieder auf ihn zurückwirkt in Form einer Rente zu seiner Alterssicherung, weil der Zeitraum, der ihm als Lebensabend beschieden ist, durch den Schuß in die Lebenslinie verkürzt wurde. Es ist also eine Frage der Gerechtigkeit, nicht nur vom Menschlichen und vom Sozialen, sondern durchaus auch vom Versicherungsgedanken her gesehen, daß man diesem Personenkreis die Möglichkeit gibt, in den Genuß der Leistungen zu kommen, auf die er durch seine Beitragszahlungen den gleichen Anspruch erwirkt wie die übrigen Arbeitnehmer.
Aber auch noch ein paar Worte zu dem, was über die Regelung im Bundesversorgungsgesetz gesagt wurde. Sie können auch nicht bestreiten, daß die Schwerbeschädigten in der Bundesrepublik einen außerordentlichen Beitrag zum Aufbau unseres Staates geleistet haben,
indem sie ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen haben trotz der Lasten, die zu tragen ihnen aufgegeben ist. Die Zahl derjenigen, die ausschließlich von der Staatsversorgung leben, macht einen geringen Prozentsatz aus. Wir machen dieses Gesetz im Deutschen Bundestag für das deutsche Volk, in dessen Stellvertretung wir handeln, und es ist durchaus angemessen, auch an diese staatspolitische Seite der Angelegenheit zu denken. Denn diese Menschen sind im Zeitpunkt der Stunde X für den Staat eingetreten, als er von ihnen den Einsatz von Leben und Gesundheit gefordert hat.
Weitere Wortmeldungen zu diesen Änderungsanträgen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen, zunächst über den Antrag auf Umdruck 893*) Ziffer 21 bzw. Ziffer 24, d. h. also auf der linken bzw. rechten Seite der Vorlage. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
*) Siehe Anlage 7.
Ist noch jemand im Saal, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? —
Sind alle Stimmkarten abgegeben?
— Dann bitte ich, sich zu beeilen. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung: Abgegebene Stimmen 431 und 16 Stimmen von Berliner Abgeordneten. Mit Ja haben gestimmt 168 und 10 Berliner, mit Nein 262 und 6 Berliner bei einer Enthaltung. Der Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffer 21 bzw. Ziffer 24 ist damit abgelehnt.
Nun komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 893**) Ziffer 22 und Ziffer 25.
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Rasch.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffer 23 und Ziffer 26.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, das ist zu den Ziffern 23 und 26. — Aber jetzt stimmen wir erst einmal über die Ziffern 22 und 25 ab; dazu haben Sie nicht namentliche Abstimmung beantragt.
Wir stimmen also zunächst ab über die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 22 und 25. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Zu den Änderungsanträgen Umdruck 893 Ziffern 23 und 26 ist namentliche Abstimmung beantragt. Sie ist ausreichend unterstützt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob alle Stimmkarten abgegeben sind. — Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis***) der namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 23 und 26 bekannt. Abgegebene Stimmen: 428 und 18 Berliner. Mit Ja haben gestimmt 196 Abgeordnete und 11 Berliner Abgeordnete, mit Nein 232 Abgeordnete und 7 Berliner Abgeordnete. Damit sind die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 23 und 26 abgelehnt.
Nun, meine Damen und Herren, können wir über den unveränderten § 1253 — links — und § 24 — rechts — in der Fassung des Ausschusses abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich bin gebeten worden, zu dem Problem des § 1252 zurückzukommen. Das kann ich nur tun, wenn das Haus mit einer Zweidrittelmehrheit diese Abweichung von der Geschäftsordnung nach § 127
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10300. **) Siehe Anlage 7.
***) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10300.
genehmigt. Ich kann sonst in die zweite Lesung dieses Paragraphen nicht noch einmal eintreten. Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist. — Das Haus ist damit einverstanden, nicht nur mit Zweidrittelmehrheit, sondern sogar einmütig.
Ich rufe deshalb noch einmal § 1252 auf. Soll noch einmal dazu gesprochen werden?
Dann stelle ich den Paragraphen zur Abstimmung.
— Ein Änderungsantrag ist angenommen worden.
- Meine Damen und Herren, wenn ein Änderungsantrag angenommen worden ist, dann muß der Paragraph mit dem angenommenen Änderungsantrag zur Debatte gestellt werden.
— Dann muß in diesem Falle noch einmal von der Geschäftsordnung abgewichen 'werden, wenn Sie damit einverstanden sind. Die erste Abweichung von der Geschäftsordnung ist wegen § 81 der Geschäftsordnung notwendig, wonach zu einem bereits behandelten Gegenstand nicht nach Belieben zurückgekehrt werden kann. Das Haus war damit einverstanden, daß wir insofern zu § 1252 zurückkehren.
Jetzt, Herr Kollege Schüttler, wollen Sie noch eine zweite Abweichung von der Geschäftsordnung, und zwar nach § 127; Sie möchten, daß nicht abgestimmt wird — wie es üblich ist —rüber den Paragraphen mit der angenommenen Änderung, son-dem daß über die Ausschußfassung abgestimmt wird. Das aber ist doch unmöglich!
— Wollen Sie zur Abstimmung das Wort? — Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollten in Abweichung von der Geschäftsordnung erreichen, die Beratung so zu fördern, daß wir zum Schluß in einem mit diesem oder jenem materiellen Inhalt verabschiedeten § 1252 eine Grundlage haben. Wenn wir zu diesem Ziel gelangen wollen, kann das doch nur in der Form geschehen, daß zunächst die Ausschußfassung beraten und über den Abänderungsantrag dazu abgestimmt wird, d. h. daß die vorherige Abstimmungsprozedur — d a s ist das Wiedereintreten in die Behandlung — wiederholt wird. Darum möchte ich gebeten haben.
Herr Abgeordneter Schellenberg zur Abstimmung!
Wenn so prozediert werden soll, dann beantrage ich namens der sozialdemokratischen Fraktion namentliche Abstimmung über die Anträge Umdruck 893 *) Ziffern 19 und 20.
*) Siehe Anlage 7.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Haus ist damit einverstanden? — Ich habe so verstanden, Herr Abgeordneter Schellenberg, daß über diese Änderungsanträge hier im Plenum schon einmal abgestimmt worden ist. Das Haus ist damit einverstanden, daß wir auch hierzu noch einmal zurückkehren. Das ist der zweite Punkt, in dem § 127 der Geschäftsordnung in Anspruch genommen wird.
Wir stimmen zunächst über die beiden Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 19 und 20 ab. Kann über beide Anträge zusammen abgestimmt werden?
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist so, daß mir die Herren Schriftführer nahelegen, noch einmal durchzählen und genau vergleichen zu lassen. Es geht um zwei, drei Stimmen hin und her, und ich glaube, daß der Vorbehalt der Schriftführer hier berechtigt ist. Ich schlage dem Hause vor, daß wir in den Abstimmungen fortfahren. Ich komme, sobald die Kontrolle durchgeführt ist, auf diesen § 1252 und das einstweilige Ergebnis der namentlichen Abstimmung zurück.
Ich fahre jetzt also fort mit dem § 1254 — links — und dem § 25 — rechts —. Hier liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 893 Ziffer 27 und ein gleichlautender Änderungsantrag auf Umdruck 893 Ziffer 28 vor. Wird zur Begründung dieser Änderungsanträge das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Bals!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der sozialdemokratischen Fraktion zwei Änderungsanträge begründen — ich möchte sie gleich zusammen begründen —, und zwar den Änderungsantrag auf Umdruck 893 Ziffer 27, der den § 1254 in der Arbeiterrentenversicherung betrifft, und den Änderungsantrag auf Umdruck 893 Ziffer 28, der den § 25 in der Angestelltenversicherung betrifft. Wir wollen, daß § 1254 folgende Fassung erhält:
Auf die Wartezeit für die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit und für das Altersruhegeld werden alle Versicherungszeiten angerechnet.
Wir wollen mit diesem und einem analogen Änderungsantrag für die Angestelltenversicherung erreichen, daß alle Versicherungszeiten, auch jene vor dem 1. Januar 1924, auf die Wartezeit angerechnet werden. Mit der Neuordnung der Rentenversicherung sollte ein Schlußstrich unter alle Versäumnisse gezogen werden.
Bei der Arbeiterrentenversicherung wollen wir, daß in § 1256 ein neuer Abs. 1 a eingefügt wird. Er lautet:
Für die Erfüllung der Wartezeit werden ferner die Ausfallzeiten als Ersatzzeiten angerechnet.
Für die Angestelltenversicherung lautet es in der Klammer „§ 34 Abs. 1 Nr. 1 bis 3". Die Zeiten, in denen Versicherungspflichtige ihre Tätigkeit durch Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit länger als sechs Wochen unterbrochen haben und die nach der jetzigen Fassung Ausfallzeiten sind, sollen als Ersatzzeiten angerechnet werden. Bei der Berechnung der Altersrente würden sonst erhebliche Nachteile für diese Versicherten entstehen.
Ich bitte namens meiner Fraktion, diesen Anträgen zuzustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über die Änderungsanträge Umdruck 893*) Ziffern 27 und 28 abstimmen. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; die Änderungsanträge unter den Ziffern 27 und 28 sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die Ausschußfassung des § 1254 und des § 25. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die beiden Paragraphen sind in der Ausschußfassung angenommen.
§ 1255 und § 26: keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 1256 und § 27. Zu Abs. 1 Nr. 1 liegen die Änderungsanträge Umdruck 899**) Ziffern 2 und 3 vor. Wird zur Begründung dieser Änderungsanträge der CDU/CSU das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Friese-Korn.
Meine Herren und Damen! Bei unserem Antrag handelt es sich nur um eine redaktionelle Änderung, zu der ich aber doch noch ein Wort sagen möchte. Hier, wo von militärischem oder militärähnlichem Dienst die Rede ist, vertun wir uns gleich in der Sprache. Während wir von zurückgelegten Versicherungszeiten sprechen wollen, spricht der Text dieses Paragraphen von „geleisteten" Zeiten. Ich glaube, Sie sind alle mit mir einverstanden, daß wir bei Versicherungszeiten wieder zu dem Wort „zurückgelegt" zurückkehren und nicht „geleistet" sagen sollten. Man kann eine Wehrdienstpflicht ableisten, aber Versicherungszeiten nur zurücklegen.
Das war die Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 889 Ziffern 9 und 10.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 899**) Ziffern 2 und 3. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit Mehrheit angenommen.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 11.
- Frau Abgeordnete Friese-Korn, sind Sie einverstanden, daß wir über Ihren Antrag Umdruck 889 Ziffern 9 und 10 nicht mehr abstimmen, weil er nach der Annahme des CDU-Antrags Umdruck 899 Ziffern 2 und 3 entfällt?
— Einverstanden!
Nun liegt noch der Änderungsantrag auf Umdruck 896*) Ziffer 7 bzw. Umdruck 896 Ziffer 10 vor. Das ist ein Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE. Soll er begründet werden? — Herr Abgeordneter Dr. Gille!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um den Antrag unter Ziffer 7 des Umdrucks 896 und den Parallelantrag unter Ziffer 10 des gleichen Umdrucks. Ich möchte namens meiner Fraktion erklären, daß wir auf eine Abstimmung über diesen Antrag in zweiter Lesung verzichten, d. h. ihn für die zweite Lesung zurückziehen, und zwar aus folgendem Grund. In einer Besprechung, die inzwischen mit Herren des Bundesarbeitsministeriums stattgefunden hat, sind wir dahin belehrt worden, daß dem Anliegen dieses Antrags bereits durch das Fremdrentengesetz Rechnung getragen sei. Wir möchten uns aber vorbehalten — und nur dazu nehme ich das Wort —, diesen Antrag in der dritten Lesung wieder aufzunehmen, falls die Nachprüfung uns nicht überzeugt.
- Ziffer 7 und Ziffer 10, für beide Anträge.
Jetzt bitte zu Umdruck 896 Ziffer 8!
Was unseren Antrag auf Umdruck 896 Ziffer 8 betrifft, so handelt es sich dabei nach unserer Meinung nur um eine rein redaktionelle Änderung. In § 1256 bzw. § 27 ist in der Nr. 6 auf die §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes Bezug genommen. Deswegen darf man nicht nur von der Zeit der Vertreibung, sondern muß auch von der Flucht sprechen. Wir beantragen daher, in Nr. 6 hinter dem Wort „Vertreibung" die Worte „oder Flucht" einzufügen.
Mit unserem Antrag unter Ziffer 9 des Umdrucks 896 bitten wir, der bisherigen Formulierung der Nr. 6 des Abs. 1 des § 1256 folgenden Satz anzufügen:
Das Nähere wird durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates geregelt.
Uns scheint hier eine nähere Regelung notwendig zu sein; denn die Frage, was „Zeit der Vertreibung" im einzelnen bedeutet, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Wir glauben, daß hierin gewisse Schwierigkeiten stecken, und möchten deshalb die Möglichkeit offenlassen, die einzelne Abgrenzung durch eine Rechtsverordnung festzulegen. Für den Antrag auf eine entsprechende Regelung in der Parallelbestimmung gilt die gleiche Begründung.
*) Siehe Anlage 9.
Herr Abgeordneter Gille, damit sind wohl gleichzeitig die Anträge unter den Ziffern 11 und 12 begründet?
— Gut.
Meine Damen und Herren, die Begründung zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 893 Ziffer 29 haben Sie vorhin gehört.
Wir stimmen nun zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 896*) Ziffern 8 und 11 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag des GB/BHE auf Umdruck 896 Ziffern 9 und 12 ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Abstimmung muß wiederholt werden, meine Damen und Herren. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 893**) Ziffern 29 und 30. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; sie sind abgelehnt.
Ich stelle nunmehr den § 1256 und den § 27 mit den Änderungen, die angenommen worden sind, zur Abstimmung. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Hier soll ein neuer Paragraph eingefügt werden. Dazu liegt vor der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 893**) Ziffern 31 und 32. Es liegt weiterhin vor der Ergänzungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 897***) Ziffern 1 und 2. Ich gebe zunächst das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD auf Einfügung des neuen § 1257.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, einen § 1257 wieder einzufügen mit folgender Fassung:
Die Wartezeit gilt als erfüllt, wenn der Versicherte
1. infolge eines Arbeitsunfalles oder einer anerkannten Berufskrankheit,
2. wegen einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes,
3. durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes,
4. infolge Vertreibung oder Flucht als Vertriebener oder Sowjetzonenflüchtling im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes oder
5. infolge Internierung oder Verschleppung im Sinne des Heimkehrergesetzes berufsunfähig geworden oder gestorben ist.
Herr Präsident, ich bitte, weil es inhaltlich dasselbe ist, damit zugleich unseren Antrag unter Ziffer 32 als behandelt anzusehen.
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 10.
Das ist inhaltlich ungefähr dieselbe Formulierung, die auch die Regierungsvorlage vorsah. Ich freue mich, daß auch die CDU in ihrem Antrag dieses Anliegen angesprochen hat und der Auffassung ist, daß § 1257, den der Ausschuß gestrichen hat, wiederhergestellt werden soll.
Leider unterscheiden wir uns darin, daß wir unter Nr. 1 die Wartezeit nicht nur für den Fall eines Arbeitsunfalls, sondern auch für den Fall einer anerkannten Berufskrankheit anerkennen wollen. Hierin liegt der Unterschied zwischen dem Änderungsantrag der SPD und dem Änderungsantrag der CDU. Wir meinen, meine Damen und Herren, wenn man schon dem jungen Menschen helfen will, der nicht durch eigene Schuld die Wartezeit nicht erfüllen kann, dann darf man das nicht auf den Arbeitsunfall beschränken, sondern sollte auch die Tatbestände der Berufsunfähigkeit dabei berücksichtigen.
Über die anderen Punkte dieser Bestimmung sind wir uns inhaltlich einig. Da auch Sie dieses Anliegen für notwendig erachten — das geht aus Ihrem Antrag hervor —, können wir hier also eine Gemeinsamkeit der Auffassungen bezüglich der Notwendigkeit, diese Bestimmung wieder einzuführen, feststellen.
Herr Abgeordneter Stingl, Sie wollen sicher das Wort zur Begründung des Antrags der CDU/CSU. — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat so, wie Herr Kollege Dannebom sagte, daß das Anliegen im Antrag der SPD und in unserem Antrag das gleiche ist. Wir haben seinerzeit in der Ausschußberatung gemeinsam geglaubt, daß das ein Problem der Übergangsbestimmungen sei, mußten uns aber bei näherer Prüfung davon überzeugen, daß wir die Bestimmung an dieser Stelle in einigen Fällen als ein fortwirkendes Recht brauchen, insbesondere in der Frage, die Sie zuletzt erwähnt haben, Herr Kollege Dannebom, nämlich dann, wenn es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Nur sind wir zu Ziffer 1 nicht Ihrer Meinung, daß wir hier die anerkannte Berufskrankheit anführen müßten; denn nach der Rechtsprechung ist eine anerkannte Berufskrankheit in die Unfallversicherung einbezogen.
Deshalb würden wir Sie gern bitten, unseren Änderungsantrag anzunehmen, der insofern etwas präziser ist, als er jeweils auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist.
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, daß ich gleich zu dem BHE-Ergänzungsantrag ein Wort sage; dann kann ich mir das nachher ersparen. Ich bitte den BHE, in diesem Punkte genauso zu verfahren, wie er vorher dankenswerterweise verfahren ist. Nach unserer Überzeugung würde Ihrem Anliegen auch durch unseren Antrag entsprochen werden; denn die Beschäftigungszeiten im Vertreibungsgebiet, auch wenn sie keine Beiträge zur Pflichtversicherung zur Folge hatten, gelten nach dem Fremdrentengesetz als Versicherungszeiten, die angerechnet werden, so daß also in jener Zeit eine fiktive Versicherungspflicht nach dem Fremdrentengesetz bestanden hätte. Wir sind aber gern bereit, diese Frage zwischen zweiter und dritter Lesung noch einmal zu prüfen. Wenn es nicht notwendig ist, brauchen wir es nicht in das Gesetz aufzunehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Gille.
Ich bitte, den Änderungsantrag für die zweite Lesung zurückziehen zu dürfen, um ihn in der dritten Lesung eventuell zu wiederholen.
Meine Damen und Herren, mir scheint der Änderungsantrag der Fraktion der SPD der weitergehende zu sein. Wenn niemand mehr dazu sprechen will, stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 893*) Ziffern 31 und 32 ab; die Ziffern sind wortgleich. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist idle Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun kommen wir zu dem Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 888**) Ziffern 10 und 11. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag scheint einstimmig angenommen zu sein. Damit ist ein neuer § 1257 und 27 a eingefügt.
Wir kommen zu § 1258 — links — und § 28 — rechts —. Hierzu liegt auf Umdruck 889***) unter den Ziffern 11 und 12 ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Soll er begründet werden? — Bitte sehr, Herr Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von uns beantragte Änderung des § 1258 ist nur sinnvoll im Zusammenhang mit § 1260. Wir wollen nämlich das jetzt in § 1258 enthaltene Wort „Jahresbetrag" durch das Wort „Monatsbetrag" ersetzen. Ich muß daher bitten, die Abstimmung hierüber so lange auszusetzen, bis wir § 1260 behandelt haben, weil die Konstruktion, die wir im § 1260 vorschlagen, Auswirkungen auf § 1258 und § 1259 in der Arbeiter-Rentenversicherung und auf § 28 und § 29 in der AngestelltenRentenversicherung hat. Es wäre meiner Auffassung nach sinnwidrig, jetzt schon — bevor feststeht, in welcher Fassung § 1260 verabschiedet wird — darüber zu befinden, ob in § 1258 und § 28 — und ebenso in § 1259 und § 29 — statt „Jahresbetrag" „Monatsbetrag" gesetzt werden soll.
Vor weiterem rufe ich den Änderungsantrag der SPD Umdruck 893 Ziffer 33 auf. Dieser Antrag scheint auf jeden Fall 'der weitestgehende zu sein, denn er beinhaltet eine Neufassung des ganzen Paragraphen. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Meyer.
Meyer (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während bisher mehr allgemeine grundsätzliche Probleme behandelt wurden, glaube ich, wird es jetzt ernst. Es geht jetzt um die materielle Höhe der Rente. Herr Kollege Dr. Jentzsch hat vollkommen recht: eigentlich müßte § 1260, die neue Rentenformel, erst behandelt werden, weil der Steigerungsbetrag, der zunächst bei der Berufsunfähigkeit und der Erwerbs-
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 4.
unfähigkeit und dann in § 1259 beim Altersruhegeld in Erscheinung tritt, ein Bestandteil der neuen Rentenformel ist, die sich ja aus verschiedenen Prozeduren ergibt. Schon hier, an dieser Stelle, kommen wir zum Steigerungssatz, d. h. zu der Errechnung eines prozentualen Anteils, der sich aus dem Vergleich der individuellen Bemessungsgrundlage mit der allgemeinen Bemessungsgrundlage ergibt, und ich darf hervorheben, daß in § 1260 Abs. 8 ausdrücklich bestimmt werden soll — wir haben noch nicht darüber befunden —, daß nur „die vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit geleisteten Beiträge berücksichtigt werden."
Theoretisch ist es möglich, daß die Berufsunfähigkeit mit dem 30. oder 35. Lebensjahre eintritt. Nach der neuen Konstruktion soll dann, um die Rente nicht gar zu gering zu halten — sie wird noch sehr gering sein —, auf das 55. Lebensjahr aufgestockt werden. Wenn wir also im günstigsten Falle annehmen, daß vom 15. Lebensjahre an gearbeitet worden ist und unabhängig vom Eintritt der Berufsunfähigkeit bis zum 55. Lebensjahre aufgestockt wird, haben wir für 40 Jahre 40 mal 1 %, also 40 %, aber nicht, wenn ich auf § 1260 Abs. 8 zurückschalten darf, 40 % des durchschnittlichen Arbeitseinkommens — das wäre eine theoretische und falsche Annahme —, sondern auf Grund des ersten Teiles, nach den beiden Rechenoperationen der neuen Rentenformel ist, da nur diese wenigen Jahre angerechnet werden, die Bemessungsgrundlage schon ganz bedeutend herabgedrückt. Wenn Sie nun von dieser bedeutend herabgedrückten Bemessungsgrundlage nur im günstigsten Falle 40 % als Rente für einen Berufsunfähigen errechnen wollen, dann werden wir wieder dasselbe erleben, was in den letzten Jahren draußen eine Rolle gespielt hat, nämlich eine viel zu geringe Rente. Bei dieser Berechnungsart, bei der nur die bis zur Berufsunfähigkeit geleisteten Beiträge berücksichtigt werden, wirken sich die aufgestockten Jahre beim Vergleich der individuellen Bemessungsgrundlage mit der allgemeinen Bemessungsgrundlage ja nicht aus. Das ist überhaupt das Problem, das dabei in Erscheinung tritt. Wir rechnen zwar Zeiten hinzu und werten sie mit einem Steigerungsbetrag von 1 % bis 1,5 % auf, ziehen aber die Jahre in der allgemeinen Bemessungsgrundlage nicht mit hoch, sondern diese wird gewisermaßen noch gesenkt.
Aus diesen Erwägungen und aus den Erfahrungen der hinter uns liegenden Zeit, die wir jetzt überwinden wollen, glaube ich, müssen wir den Mut haben, zu erkennen, daß bei der Berufsunfähigkeit und auch bei der Erwerbsunfähigkeit — ich möchte meine knappen Darlegungen angesichts der vorgerückten Zeit nicht noch mit Beispielen, die ich durchgerechnet habe, erhärten — durch den Steigerungsbetrag von 1 %, der im günstigsten Fall 40 % ergibt, viel zu niedrige Renten herauskommen werden. Damit möchte ich kein Schlagwort gebrauchen; ich bitte Sie aber, an die Menschen zu denken, die lange Zeit leidend gewesen sind und deswegen sehr wenig verdient haben. Aus diesem Grunde beantragen wir die Neufassung des § 1258 und des § 28 mit der Maßgabe, den Steigerungsbetrag von 1 auf 1,8 % zu erhöhen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Umdruck 896*) Ziffer 13 mit dem Parallelantrag Umdruck 896 Ziffer 15 sowie den Antrag Umdruck 896 Ziffer 14 mit dem Parallelantrag Umdruck 896 Ziffer 16. Wer begründet bitte? — Abgeordnete Frau Finselberger!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mir wäre auch, wie meinem Vorredner, wegen des engen Zusammenhangs lieber gewesen, daß wir die §§ 1258 und 1260 gemeinsam diskutiert hätten.
Lassen Sie mich einmal ganz kurz auf das zurückkommen, was ich in der ersten Lesung zu diesem Gesetz gesagt habe. Wir benötigen in der Gegenwart und in der Zukunft Bedarfsrenten. Das ist ein besonderes Anliegen der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks gewesen, und es erscheint uns notwendig, erneut darauf hinzuweisen. Bei der Überrechnung, die meine Kollegen und ich an Hand einzelner Beispiele — solche Beispiele sind soeben angedeutet worden — vorgenommen haben, haben wir feststellen müssen, daß die Höhe einer tatsächlichen Bedarfsrente, wie sie nun einmal die Gegenwart erfordert, mit den Steigerungsbeträgen, wie sie in der Ausschußfassung vorgesehen sind, nicht erreicht wird.
Aus diesem Grunde stellt meine Fraktion mit Umdruck 896 Ziffern 13 und 14 sowie Ziffern 15 und 16 den Antrag, in § 1258 Abs. 1 die Worte „1 vom Hundert" durch die Worte „1,2 vom Hundert" und in § 1258 Abs. 2 die Worte „1,5 vom Hundert" durch die Worte „1,2 vom Hundert" und ersetzen sowie auf der anderen Seite — für die Angestellten — in § 28 Abs. 1 die Worte „1 vom Hundert" durch die Worte „1,8 vom Hundert" zu in § 28 Abs. 2 die Worte „1,5 vom Hundert" durch die Worte „1,8 vom Hundert" zu ersetzen. Unsere Nachrechnungen haben ergeben, daß diese Sätze nötig sind, wenn man zu einer Bedarfsrente kommen will. Ich darf den Herrn Bundeskanzler daran erinnern — er ist leider nicht mehr da —, daß wir immer von dem auszugehen haben, was den Rentnern einmal, als man von der Sozialreform zu sprechen anfing, gesagt worden ist, daß nämlich im Regelfall 70 bis 75 % ihres Arbeitseinkommens erreicht sein würden. Das ist aber nur möglich, wenn Sie die Steigerungssätze anerkennen, die wir Ihnen mit diesen Anträgen vorschlagen.
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Ich rufe die weiteren Änderungsanträge zu diesen Paragraphen auf: Umdruck 895**) Ziffern 5 und 6 zu § 1258 Absätze 1 und 2 und Umdruck 895 Ziffern 7 und 8 zu § 28. — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Meyer von der Sozialdemokratischen Partei hat schon recht: Wir kommen jetzt zum Kern der Dinge, zur Gestaltung der materiellen Rente. Allerdings sollte man dabei unter allen Umständen gewisse wirtschaftliche und finanzielle Betrachtungen anstellen, und
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. dazu dient die Erörterung unseres Änderungsantrags. Ich bitte, die Anträge Umdruck 895 Ziffern 5 bis 12 gemeinsam begründen zu dürfen; denn sie stehen in einem inneren Zusammenhang.
Zwei Probleme der Rentenreform haben die Öffentlichkeit seit vielen Monaten sehr erheblich beschäftigt: einmal das Problem der Produktivitätsrente und zweitens das Problem der Finanzierung der vorgesehenen sehr hohen Rentenleistungen. Ich erinnere an die heftigen Kontroversen zwischen dem Bundesarbeitsministerium und der Deutschen Gesellschaft für Versicherungsmathematik und stelle hier fest, daß es dem Bundesarbeitsministerium nicht gelungen ist, die schweren Bedenken, die gegen die Einnahmen- und Ausgabenrechnung für die kommenden Jahrzehnte erhoben worden sind, zu zerstreuen. Auch wer nicht geneigt ist, die Beitragsentwicklung, wie sie von der Bundesvereinigung der Versicherungsmathematiker angegeben wird — 1961 15,4 %, 1966 18,1 %, 1976 23 % —, ohne weiteres als gesichert anzuerkennen — dafür stecken in der gesamten Rentenrechnung zu viele Unsicherheitsfaktoren —, hätte erwarten müssen, daß das federführende Ministerium in seinen Voraussagen über die Möglichkeit der Finanzierung derart hoher Leistungen viel zurückhaltender gewesen wäre.
Ich habe durchaus nicht die Absicht, den gesamten Fragenkomplex noch einmal aufzurollen. Aber es bleibt die Feststellung, daß selbst unter der Voraussetzung gleichbleibender Konjunktur die Versicherten die Rentenleistungen schon nach wenigen Jahren mit einer erheblichen Steigerung der Beitragssätze zu bezahlen haben werden, mit Beitragssteigerungen in einem Ausmaß, bei dem mit Sicherheit die Grenze des sozial und wirtschaftlich Erträglichen überschritten werden wird.
Ich sagte schon: unter der Voraussetzung anhaltender Konjunktur. Wer aber weiß, wie die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten — ich sage: Jahrzehnten — sich gestalten wird? Ich habe von dieser Stelle aus schon einmal gesagt: Konjunkturpropheten und Meteorologen haben das miteinander gemeinsam, daß die Wahrscheinlichkeit ihrer Aussagen mit den Zeiträumen, über die sie sich erstrecken, schnell geringer wird. Ich will gar nicht den Teufel einer Krise an die Wand malen. Aber es genügt ein Abbau des jetzigen Zustandes der Überbeschäftigung, ein Wegfall der zur Zeit in großem Umfang geleisteten Überstunden, ein Ausscheiden der vielen zusätzlich beschäftigten geringerwertigen Arbeitskräfte, es genügt die Rückkehr zum Normalzustand des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage auf allen Märkten, daß sofort der Ausgleich zwischen Beiträgen und Rentenleistungen gefährdet wird.
Nicht genug damit. Den Berechnungen der Vorlage liegen Tabellen über die Lebenserwartung sowohl der Versicherten wie vor allem der Rentner, der alten Leute über 65 Jahre, zugrunde, die einer kritischen Erörterung nie und nimmer standhalten. In aller Welt ist die Erkenntnis einer geradlinigen Steigerung der Lebenserwartung anerkannt und gesichert. Ausgerechnet unser deutsches Rentengesetz, die Vorlage, mit der wir es hier zu tun haben, rechnet mit einer gleichbleibenden Lebenserwartung, und die Kosten dieser Fehlrechnung werden in absehbarer Zeit die Versicherten in Form erhöhter Beiträge und die Steuerzahler zu tragen haben.
Nun sieht der § 1383 dieser Vorlage an sich die Möglichkeit einer Korrektur nicht nur der Beitragssätze, sondern auch der Steigerungssätze, die in den §§ 1258 und 1259 behandelt werden, vor. Jedoch sollte darüber Klarheit herrschen, daß die Möglichkeit, die Steigerungssätze später herabsetzen zu können, blasse Theorie ist und bleibt. Renten herabzusetzen, bringen nun einmal höchstens Diktatoren fertig, und wir wollen ja Demokraten sein und bleiben.
Ich sage noch einmal: Die Finanzierung der Leistungen nach diesem Gesetz steht auf schwachen, auf sehr schwachen Füßen. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß die Einschränkung der Leistungen auf das vertretbare Maß jetzt und hier eintreten sollte. Dabei möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß von der Herabsetzung um ein Sechstel die Kleinrenten des bisherigen Bestandes nicht betroffen werden, daß weiterhin die Rentenzuschläge von 21 und 14 DM nach § 35 der Übergangsbestimmungen nicht betroffen werden, ferner, daß der in der Vorlage vorgesehene Steigerungssatz von 1,5 % für die letzten 15 Jahre des Arbeitslebens erhalten bleiben soll.
Meine Damen und Herren, es kann gar kein Zweifel über das sein, was auf uns zukommt: Die Leistungen werden in absehbarer Zeit nur durch Beitragserhöhungen zu decken sein, die schlechthin nicht mehr erträglich sind. Dann muß auf Erhöhungen des Bundeszuschusses und auf die Bundesgarantie — also auf Steuermittel — zurückgegriffen werden, und das in einem solchen Maße, daß jede Bewegungsfreiheit bei der Gestaltung des Sozialhaushalts des Bundes und der Länder verlorengeht.
Es muß hier einmal gesagt werden, daß die Alterssicherung, so dringend sie ist, nicht das einzige sozialpolitische Problem ist, das auf uns zukommt. Auf die Dauer kann ja für die Alten nur gesorgt werden, wenn die Jugend nachwächst. Die Gegenwart sieht hier sehr betrüblich aus. Unser Volk ist im Begriff, ein sterbendes Volk zu werden. Wir haben die Aufgabe, zur Bestandswahrung unseres Volkes etwas zu tun. Konkret heißt das: Wir brauchen das Kindergeld für das zweite Kind und das erhöhte Kindergeld für das dritte und das folgende Kind. Wenn wir uns aber hier die Hände binden, um in ein finanziell völlig unübersehbares Experiment hineinzurutschen, dann bleibt uns für wichtigste sozialpolitische Aufgaben anderer Art kein Spielraum mehr übrig.
Ich bitte Sie also, die Anträge auf Herabsetzung der Steigerungsbeträge um ein Sechstel anzunehmen.
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Meine Damen und Herren, die Änderungsanträge zu den aufgerufenen Paragraphen sind nun alle begründet. Ich eröffne die Aussprache. — Herr Abgeordneter Ruf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU liegt wie gewöhnlich wieder einmal in der goldenen Mitte. Die einen wollen die Steigerungsbeträge und damit die Leistungen der Rentenversicherung heraufsetzen, die anderen wollen die Steigerungsbeträge ermäßigen. Wir liegen in der Mitte. Wir wollen weder 1,8 noch 1,2 %, sondern 1,5 % Steigerungsbetrag für die Altersrente.
Der Herr Kollege Meyer von der SPD sagte, wir müßten in dieser Zeit den Mut haben, die Steigerungsbeträge heraufzusetzen und damit die Rentenleistungen noch zusätzlich zu erhöhen. Er hat gut reden, meine Damen und Herren.
Das hat mit Mut nichts zu tun. Renten werden nur mit dem Rechenstift errechnet und festgesetzt; das wollen wir nicht vergessen.
Dann kommt es doch darauf an, daß wir das, was wir heute gewähren, für alle Zukunft gewähren können, daß wir nicht später einmal in die Verlegenheit versetzt werden, Rentenleistungen wieder zu ermäßigen und wieder rückgängig zu machen.
Wir tragen die Verantwortung.
Ich darf Ihnen sagen, meine Damen und Herren — Herr Kollege Berg hat einiges angedeutet; ich gehe nicht so weit wie er, ich komme nachher noch darauf zu sprechen —: Wir sind an der Grenze, und wir dürfen das Leistungsvolumen nicht noch mehr erhöhen. Es hat alles seine Grenzen in dieser Welt, besonders im wirtschaftlichen Bereich, und es gibt auch eine Grenze der Belastbarkeit der Wirtschaft.
Wir tragen die Verantwortung nicht nur für die Rentner und für die Höhe der Renten, sondern auch für die Versicherten, für diejenigen Menschen nämlich, die heute noch im Erwerbsleben stehen. Wir tragen die Verantwortung dafür, daß wir diesen Menschen und auch den jungen Menschen nicht zu viel von ihrem Einkommen abnehmen, daß wir nicht zu viel Beiträge von ihnen verlangen. Wir tragen die Verantwortung für den Bundeshaushalt,
daß wir nicht zu viel aus allgemeinen Steuermitteln in die Rentenversicherung geben usw. Es ist leicht, hohe Leistungen und hohe Renten zu versprechen; es ist aber sehr, sehr schwer, diese Leistungen zu finanzieren. Wir tragen dafür die Verantwortung. Die CDU meint deswegen, daß sie den richtigen Weg gegangen ist, wenn sie die Renten mit 1,5 % Steigerungsbetrag errechnet wissen will.
Für eine Herabsetzung des Steigerungsbetrags können wir uns allerdings auch nicht aussprechen. Wir wollen das geltende Recht in keiner Weise verschlechtern. Wir wollen in der Rentenreform einen sozialen Fortschritt haben, und den sehen wir bei einem Steigerungsbetrag von 1,5 % gewährleistet, im Zusammenhang — und das müssen Sie sehen, meine Damen und Herren von der SPD — mit der neuen Produktivitätsrente, auf die wir nachher bei den §§ 1260 und den folgenden noch zu sprechen kommen werden.
Ich darf insbesondere unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialpolitischen Ausschuß daran erinnern, daß sich nahezu sämtliche Sachverständige für Maßhalten bei der Rentenreform ausgesprochen haben. Einer der vier Professoren des Rothenfelser Gutachtens hat gesagt: Maßhalten ist das Problem der Rentenreform. Man darf eben nicht, meine Damen und Herren, von der irrigen Auffassung ausgehen, daß die Rente die alleinige Quelle für die Sicherung des Lebensunterhalts von alten Menschen sei. Das wäre ganz verkehrt. Ich darf Sie daran erinnern, daß Herr Dr. Schreiber , einer der Väter der Produktivitätsrente, ebenfalls gesagt hat: Maßhalten! Wir sind ihm dankbar dafür, daß er auf Anregung des Herrn Bundeskanzlers diese Gedanken in die Reform-
diskussion hineingebracht hat, die lange Zeit steril war; Sie kennen ja den Verlauf der Beratungen des Beirats beim Bundesarbeitsministerium. Wir sind ihm dankbar, daß er diese Dinge auf Initiative des Herrn Bundeskanzlers vorwärts gebracht hat, daß er durch seine Ideen die Reform befruchtet hat. „Mir würde", sagte er, „eine Rente von 50 % genügen." Vergessen Sie das nicht! Lesen Sie das Protokoll aus dem Sozialpolitischen Ausschuß nach!
— Wir können ja nachher miteinander darüber reden. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Gutachten zitieren. Ich nehme an, daß Sie sich in den letzten Wochen und Monaten alle eingehend mit der Sache beschäftigt haben, auch soweit Sie nicht dem Sozialpolitischen Ausschuß angehören. Ich könnte es noch durch andere Stimmen belegen — und Sie werden es nicht bestreiten können —, daß gesagt worden ist: Wir müssen maßhalten, wir müssen die Leistungen begrenzen.
— Herr Kollege Berg, ich komme auf Sie noch zu sprechen, keine Angst!
— Bitte, stellen Sie eine Frage! Ich werde mich hüten, Ihnen eine Frage zu verweigern.
Ist Ihnen klar, daß sich der Vorschlag Schreiber genau mit meinen Vorschlägen deckt? Mein Vorschlag würde einem Steigerungssatz von 1,2 % entsprechen.
Darauf darf ich sagen, daß sich der Vorschlag Schreiber nicht mit dem deckt, was wir hier beschlossen haben. Der Vorschlag Schreiber sieht z. B. den Wegfall der Bundeszuschüsse vor. Der Vorschlag Schreiber will in Zukunft überhaupt keinen Bundeszuschuß mehr haben. Wir können also den ursprünglichen Vorschlag Schreiber nicht mit dem vergleichen, was wir heute vor uns liegen haben.
Nun, verehrter Herr Kollege Berg — wir verstehen uns ja sonst gut —,
komme ich auf Sie zu sprechen. Sie haben das leidige Kapitel der Rechnungsgrundlagen der Rentenversicherungsreform angesprochen. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das getan haben; diese Dinge sollen hier ruhig angesprochen werden. Aber ich meine, wir sollten die versicherungsmathematische Diskussion der Versicherungsmathematiker an diesem Ort, im Plenum, nicht fortsetzen.
Das wäre vollkommen unmöglich. Dann wäre jeder von uns überfordert.
— Herr Kollege Schellenberg, ich weiß, es würde Ihnen Freude machen. Aber es sind nicht alle Spezialisten wie Sie.
— Herr Kollege Schellenberg, lassen gerade Sie es sich sagen: Sie haben am allerwenigsten Grund, die Rechnungsgrundlagen des Regierungsentwurfs anzuzweifeln. Denn die Feststellungen des Herrn Dr. Heubeck richten sich a fortiori, um so mehr gegen Ihre Rechnungsgrundlagen — —
— Darüber können wir noch sprechen. Ich will es hier jedenfalls zunächst einmal erwähnen.
Bei den Auseinandersetzungen um die Rechnungsgrundlagen standen auf der einen Seite das Bundesarbeitsministerium, auf der anderen Seite Vertreter der privaten Versicherungsmathematik. Es ist sehr viel Kritik geübt worden, sehr viel sachliche Kritik, aber auch sehr viel unsachliche Kritik. Es hat sich sehr viel bitterböse Polemik in diese Auseinandersetzung hineingeschlichen.
Es ist nicht immer nur um eine sachliche Auseinandersetzung gegangen, sondern es ist teilweise auch darum gegangen, die Produktivitätsrente, wie sie von der Regierung vorgeschlagen worden ist, hinfällig zu machen; das wollen wir nicht verkennen. Es ist leider so, wie es bei uns im politischen Leben ist und wie es auch hier im Saale vor sich geht: man überzeugt sich ja gar nicht mehr gegenseitig, man spricht gar nicht mehr zueinander, man redet aneinander vorbei, es ist oft alles für die Katz, was man sagt. Jeder beharrt auf seiner Meinung und nimmt nichts von dem anderen an.
— Ich spreche von allen, Herr Kollege Schellenberg; wir wollen alle an unsere Brust schlagen, wollen lernen, uns im politischen Leben bessere Sitten anzugewöhnen und uns gegenseitig ein bißchen anzuhören, ein bißchen anzunehmen voneinander und uns auch einmal überzeugen zu lassen.
Wenn Herr Tietz eine ganze Reihe der Vorwürfe, die ihm gemacht worden sind, durch sachliche Feststellungen entkräftet hat, hat man davon überhaupt keine Notiz genommen. Man hat darauf nicht reagiert, man ist auf seinem Standpunkt verblieben, man hat erklärt: Das Arbeitsministerium ist nach wie vor im Unrecht, die Rechnungsgrundlagen des Regierungsentwurfs sind grundfalsch. — So geht es nicht! Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen, und das soll ruhig auch die Öffentlichkeit wissen. Dr. Heubeck hat behauptet, die nach dem Regierungsentwurf entstehenden Ausgaben würden, der Betrag des Jahres 1957 gleich 100 % gesetzt, bis zum Jahre 1986 auf 142 % ansteigen. Das Bundesarbeitsministerium hat das nachgerechnet, hat gewisse Berechnungen korrigiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Ausgaben nicht auf 142 % ansteigen werden. wie Herr Dr. Heubeck behauptet, sondern lediglich auf 112 %.
Wir im Sozialpolitischen Ausschuß sind alle miteinander keine Versicherungsmathematiker. Auch Herr Professor Schellenberg ist kein Versicherungsmathematiker. Es gibt in der ganzen Bundesrepublik keinen Mann, der sich in allen Zweigen der Sozialversicherung auskennt. Sie mögen sich auf dem Gebiet der Versicherungstechnik hervorragend auskennen — das bestreitet niemand —, Sie mögen ein guter Versicherungsjurist sein; aber die versicherungsmathematische Seite zugleich zu beherrschen, dazu ist kein Mensch in der Lage. Ich will damit nur sagen, daß wir alle miteinander
überfordert wären, wenn wir sagen sollten, wer zu hundert Prozent recht und wer zu hundert Prozent unrecht hat. Wir haben uns lediglich ein gewisses Urteil zu bilden, und dazu sind wir wahrhaftig in der Lage.
Wir haben uns die Bildung dieses Urteils nicht leicht gemacht. Ich weiß von vielen Kollegen meiner Fraktion: wir haben Tage und Nächte darüber beraten, und mancher von uns hat kaum geschlafen, so haben uns diese Zahlen bedrückt, auf Grund deren wir unsere Beschlüsse fassen müssen, die wir zu verantworten haben.
Wie gesagt, wir sind keine Versicherungsmathematiker. Wir glauben allerdings, daß auf der Seite des Bundesarbeitsministeriums — das will ich deutlich aussprechen — mehr Recht ist, weil es über die besseren Argumente und die besseren Erkenntnisse verfügt. Wir haben die Dinge nachgeprüft, aber es kann eben doch niemand von uns in die Zukunft sehen. Wir sind alle keine Hellseher, wir wissen alle nicht, welche Daten der wirtschaftlichen Entwicklung sich ergeben werden. Deswegen haben wir — Herr Dr. Hellwig, Sie haben dabei sehr mitgeholfen — einige Kautelen in den Gesetzentwurf eingebaut, bei § 1260, bei § 1261 a usw.; wir werden darauf noch zu sprechen kommen.
Ich kann damit meine Ausführungen beenden. Wir liegen, wie gesagt, als CDU in der gesunden Mitte. Bitte, stimmen Sie den Steigerungsbeträgen von 1,5 % so, wie es der Sozialpolitische Ausschuß vorgesehen hat, zu und lehnen Sie die entsprechenden Änderungsanträge ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns vorgenommen, möglichst systematisch zu diskutieren. Die Diskussion über die volkswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge sollten wir, glaube ich, nicht hier bei dem Steigerungsbetrag führen, sondern bei der Frage der Anpassung der Renten und bei der Frage der Aufbringung der Mittel. Deswegen gehe ich an dieser Stelle nicht auf die Ausführungen des Kollegen Ruf ein. Ich mache nur zwei Bemerkungen zu seinen Ausführungen, damit sie nicht unwidersprochen im Raume stehen.
Sie haben gesagt, daß Sie die Verantwortung für die Finanzierung der Renten tragen.
Die trägt das ganze Haus, die trägt das ganze deutsche Volk; denn es handelt sich um eine Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft.
Und noch etwas Zweites. Sie haben hier von den Sachverständigen gesprochen. Einer der ersten Sachverständigen, Herr Geheimrat Vocke, hat im Sozialpolitischen Ausschuß erklärt: Es kommt bei der Betrachtung der volkswirtschaftlichen Fragen der Rentenreform auf den Gesamtzusammenhang aller Staatsausgaben an.
Darin, wie das Gewicht der Staatsausgaben verteilt werden soll, sind wir Ihnen gegenüber sehr unterschiedlicher Meinung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Schellenberg hat bereits darauf hingewiesen, daß wir wahrscheinlich morgen bzw. bei den entsprechenden Paragraphen morgen auf die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge im einzelnen einzugehen gedenken. Ich werde selbst die Ehre haben, das zu tun. Aber ich glaube, wir müssen doch auf das, was der Herr Abgeordnete Berg und vor allem der Herr Abgeordnete Ruf gesagt haben, wenigstens mit zwei oder drei Sätzen eingehen, nämlich auf die Fragen, die hier anscheinend ausgeklammert werden sollen, die Fragen der sogenannten Versicherungsmathematik. So schwierig sind die Dinge nun nicht, daß wir uns hier ein Armutszeugnis ausstellen lassen müßten, niemand von uns verstehe die Dinge. Denn sonst könnten Sie ja genauso wenig wie wir die Verantwortung für dieses Gesetz tragen.
So müssen wir denn zu dem, was Herr Heubeck vorgetragen hat und was in dem Gutachten, das der Herr Finanzminister angefordert hat, steht, sagen, daß Herr Heubeck sich in wesentlichen Punkten deswegen geirrt hat, weil er genauso wie die Herren Lucius, Bauer, Mehring usw. von der Privatversicherung ausgegangen ist, anstatt den Gesamtzusammenhang der Sozialversicherung zu betrachten.
Dort liegt die eigentliche Diskrepanz. Das können wir hier im Hause feststellen. Das haben ja das Bundesarbeitsministerium und sein Versicherungsmathematiker, wie ich glaube — und da stimme ich Herrn Kollegen Ruf zu —, vollkommen beweiskräftig dargelegt. Die Ausflüchte — darf ich das mal so nennen —, die jetzt die Versicherungsmathematische Gesellschaft macht — daß sie sagt: Herrn Tietz antworten wir nicht mehr —, sind meines Erachtens ein Armutszeugnis.
Zum anderen darf ich sagen, daß diese Berechnungen ja schon deshalb nicht stimmen können, weil in der Grundlage der Ausführungen der Herren Heubeck usw., nämlich in den Ausrechnungen, die der Versicherungsmathematiker Rueff, ich glaube, aus Stuttgart, vorgenommen hat, wichtige Geburtsjahrgänge überhaupt nicht berücksichtigt worden sind, nämlich die Geburtsjahrgänge bis zum 5. Lebensjahr, bei denen, wie wir alle wissen, leider noch eine besonders hohe Sterblichkeit vorhanden ist. Das ließ — und hier liegt der Fehler dieser Versicherungsmathematiker — den Schluß zu, daß die Zahl der Beitragszahler im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung der über 65jährigen nicht genügend ansteige. Um diese Diskrepanz handelt es sich. Ich habe die Zahlen hier; ich kann sie Ihnen nennen. Nach den Darlegungen der Herren Lucius, Bauer und Mehring würde im Jahre 1968 unter Zugrundelegung der Rueffschen Zahlen die Zahl der Alten, also derjenigen über 65 Jahre, um über 217 000 steigen, die der Beitragszahler, der Leute, die potentielle Beitragszahler sind, d. h. der Menschen zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr ebenfalls, und zwar um 133 000; das sind 60 % der Zahl der Alten mit steigender Lebenserwartung. Das glauben die Herren Versicherungsmathematiker als belanglos nicht berücksichtigen zu brauchen. So steht es in dem Gutachten
von Herrn Heubeck für das Bundesfinanzministerium.
Die Zahlen für 1978 sind — das möchte ich in aller Offenheit sagen — etwas ungünstiger. Sie liegen bei den Alten infolge Steigens der Lebenserwartung bei 880 000 und bei den potentiellen Beitragszahlern bei 324 000. Aber diese Zahlen erfassen nur die Leute vom 20. Lebensjahr an. Die Versicherungsmathematiker haben erstens die Menschen zwischen 15 und 20 Jahren, die ja auch Beitragszahler sind, zweitens die Säuglingssterblichkeit nicht berücksichtigt. Vielleicht kommen wir nochmals darauf zu sprechen; jetzt möchte ich das nicht allzusehr vertiefen. Nur an Hand weniger Zahlen wollte ich klarstellen, daß wir als Volkswirtschaftler durchaus in der Lage sind, das, was uns die Versicherungsmathematiker dargelegt haben, zu durchschauen und zu überprüfen. Diese Überprüfung führt zu dem Resultat, daß das, was in dem Gutachten für das Finanzministerium steht, den Sozialversicherungsgrundsätzen nicht standhält. Insofern, Herr Kollege Berg, können Sie nicht behaupten, daß die Beitragserhöhung, die die Versicherungsmathematiker der Privatversicherung für erforderlich halten, auch nur entfernt in Betracht kommt. Die Herren sind ja zu phantastischen Beitragserhöhungen um 35% und 40% des Arbeitseinkommens in den späteren Jahrzehnten gelangt. Das ist alles nicht richtig. Darauf können wir uns nicht einlassen. Ich glaube, daß in diesem Falle die stärkste Regierungspartei einer Meinung mit der SPD ist. Die Einwendungen der Versicherungsmathematiker halten der Nachprüfung nicht stand. Wir sind in der Lage, das, was von dieser Seite vorgebracht worden ist, zu widerlegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Preller, ich muß Ihnen einiges erwidern. Die Sterbetafeln mit der steigenden Lebenserwartung sind weder auf Sozialversicherungsrentnerbasis noch auf Privatversicherungsrentnerbasis aufgebaut, sondern sind eben Lebenserwartungstabellen einer Bevölkerung. So macht man das in der Bevölkerungsstatistik. Das sollte doch wohl berücksichtigt werden.
Sodann haben Sie die Zahlen des Zuwachses an Aktiven und des Zuwachses an Alten, die ich mir von Ihnen abgeschrieben habe — Sie werden sich erinnern, im Ausschuß — genannt: 1968 Zuwachs an Aktiven 133 000 und an Rentnern 217 000. Sie haben dabei aber nicht bedacht. daß sich die 133 000 auf 44 Jahre verteilen, während sich die 217 000 auf 13 Jahre verteilen. Auf das Jahr des Arbeitslebens kommt also eine sehr. sehr geringe Quote. Wir sind eben ein sterbendes Volk.
— Ich würde Tiber einen solchen Tatbestand nicht lachen. Ich habe viel Sinn für Humor, aber für diesen Humor habe ich keinen Sinn.
Diese Zahlen, Herr Professor Preller, beweisen — daß habe ich Ihnen damals, glaube ich, auch schon gesagt — genau das Gegenteil von dem, was Sie angeführt haben. Ich habe mich bei meinen Ausführungen nicht unbedingt auf das Votum der Versicherungsmathematiker gestützt, sondern habe nur gesagt, in der ganzen Rentenberechnung seien so unendlich viel Unsicherheitsfaktoren, daß Sie in ein völlig unerforschtes Gebiet hineingehen, und da ist aller Anlaß zur Vorsicht gegeben. Das habe ich gesagt, und das halte ich aufrecht. Ob wir nach zehn Jahren noch bei einem Beitragssatz von 14 % sind oder ob wir nach zwanzig Jahren oder zehn Jahren bei einem Beitragssatz von 23 % sind, können Sie und ich nicht sagen. Aber diese eine Prophezeihung gebe ich Ihnen: daß wir beide es noch erleben werden, daß der Beitragssatz nach diesem Rentengesetz die wirtschaftlich erträgliche Grenze überschreitet.
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Herr Abgeordneter Preller, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Berg, ich habe Ihnen damals die Zahlen gegeben. Ich hatte gehofft, Sie würden daraus andere Schlußfolgerungen ziehen. Ihre Auffassung, daß sich diese 133 000 auf 44 Jahre verteilen würden, ist nur bedingt richtig. Denn diese 44 Jahre verteilen sich über sämtliche Jahrgänge der Beitragszahler, so daß diese Menschen insgesamt als 133 000 bezahlen. Sie geben Beiträge, und das ist die einzige Entscheidung. Außerdem habe ich Ihnen nachzuweisen versucht — ich hoffe doch, daß Sie es verstehen —
— das war nicht ironisch gemeint! —, daß sich diese Zahl von 133 000 noch erhöht, wenn man die 15-bis 20jährigen und die Quote der 0- bis 5jährigen hinzunimmt. Ich glaube, daß der Gesetzgeber immer eine gewisse Prognose für die Zukunft stellen muß; er kommt gar nicht darum herum. Wir sind in dieser Lage. Die Versicherungsmathematik gibt uns nur Grundlagen. Natürlich gibt es keine verschiedene Mathematik für die Privatversicherung und für die Sozialversicherung. Aber die mathematischen Ansätze von beiden müssen verschieden sein, weil die Voraussetzungen beider verschieden sind.
Nun möchte ich nur noch zu der steigenden Lebenserwartung etwas sagen. Es wäre wunderschön, wenn der Herr Rueff recht hätte. Das Bundesarbeitsministerium hat bereits nachgewiesen, daß er leider nicht recht hat; man muß die Zahlen aus der Zeit nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg zu Rate ziehen. Aber das eine können auch Sie und ich, auch wenn wir nicht Versicherungsmathemattiker sind, von vornherein feststellen: Die Steigerung der Lebenserwartung der letzten 80 Jahre — Sie sind ja Arzt, Herr Dr. Berg — beruht doch, wie wir alle wissen, in erster Linie auf den Entdeckungen von Robert Koch, auf der Tätigkeit von Rudolf Virchow usw., d. h. auf Entdeckungen und medizinischen Erkenntnissen und Methoden, die um die Jahrhundertwende die Lebenserwartung ganz besonders und erfreulich steigen ließen. Glauben Sie wirklich, daß der Versicherungsmathematiker recht hat, wenn er sagt: Das, was in den vergangenen 80 Jahren war, können wir auf die nächsten 40 oder 50 oder gar 80 Jahre erstrecken? Dazwischen liegen zwei, Kriege, Inflationen, Belastungen der Menschen, negative Auswahl durch die Kriege. Alles das macht diese Hypothese nicht sehr beweiskräftig.
Für die Privatversicherung mußte das Privatversicherungsaufsichtsamt diese These zunächst einmal anerkennen, um eine Berechnungsgrundlage für die Prämien derjenigen zu haben, die als Mitglieder erst geworben werden müssen. Die Sozialversicherung hat Pflichtversicherte, sie hat insofern unmittelbare Beitragszahler. Die Beitragszahler und die steigende Lebenserwartung sind in einer nicht richtigen Weise gegenübergestellt worden. Deshalb hat, wie ich glaube, die Versicherungsmathematik — was ich ihr gar nicht übelnehme, was wir aber hier berücksichtigen müssen — praktisch nicht recht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Ganz kurz! Herr Professor Preller hat mich etwas gefragt, ich muß antworten. Er hat mich gefragt, ob ich daran glaube, daß in den nächsten 40 Jahren der Trend der letzten 80 Jahre sich fortsetzt. Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Professor Preller, daß in anderen Ländern, Holland, Belgien, der Schweiz, Norwegen, die Lebenserwartung schon jetzt erheblich über unseren Ziffern liegt. Nach Ansicht sämtlicher Bevölkerungspolitiker besteht auch für uns keinerlei Grund, daran zu zweifeln, daß sich der lineare Trend der Steigerung der Lebenserwartung — die logarithmische Darstellung; Sie wissen, worum es geht— in den nächsten Jahrzehnten noch fortsetzen wird. Ob das 40 oder 50 Jahre sind, Herr Professor, dafür kann ich Ihnen natürlich nicht garantieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu dem aufgerufenen § 1258 — links — und zu § 28 — rechts.
Meine Damen und Herren, als ich gerade ablöste, hat der Sprecher der FDP, Herr Dr. Jentzsch, den Antrag auf Umdruck 889 Ziffer 11 bzw. Ziffer 12 begründet und den amtierenden Präsidenten gebeten, die Abstimmung darüber bis nach der Erledigung des § 1260 oder im Zusammenhang mit diesem zurückzustellen. Der Herr Präsident hat, soweit ich das noch sehen konnte, diesem Wunsche stattgegeben. Ich möchte nun an das Haus die Frage richten: Soll ich die Abstimmung über § 1258 im übrigen vornehmen? Kann ich sie vornehmen? Ich übersehe von hier aus nicht, auch weil ich kein Fachmann bin, was der Änderungsantrag der FDP, nach dem das Wort „Jahresbetrag" durch das Wort „Monatsbetrag" ersetzt werden soll, materiell bedeutet.
Herr Professor Schellenberg zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns doch im Ausschuß darüber einig gewesen, daß wir die Abstimmung in den Grundsatzfragen durchführen und nicht bei den technischen Fragen wie hier bezüglich Monats- oder Jahresbetrag. Im Interesse der weiteren Arbeit würde ich doch bitten, daß wir jetzt abstimmen, zumal wir in der dritten Lesung etwaige redaktionelle Unstimmigkeiten ohne weiteres bereinigen können, falls später eine andere Abstimmung erfolgen sollte. Sonst kommen wir in die Lage, immer mehr Paragraphen aufschieben zu müssen, und die Dinge werden dann für das Hohe Haus noch unklarer, als sie es ohnehin schon sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gerade deshalb, meine Damen und Herren, habe ich das vorgetragen. Denn wenn man jetzt auch noch einen anderen Paragraphen dazunimmt, alle diese Änderungsanträge zurückstellt und morgen vielleicht noch ein anderer hier präsidiert, dann wird es beinahe unmöglich, die Dinge sich noch logisch abwickeln zu lassen.
— Ich habe das Einverständnis der antragstellenden Fraktion — durch Kopfnicken - zur Kenntnis genommen.
Ich komme also zur Abstimmung. Ich bin der Auffassung, daß der Antrag der SPD auf Umdruck 893*) Ziffer 33 bzw. Ziffer 34 — beide sind wortgleich und können deshalb zusammen abgestimmt werden - der weitergehende ist. Ich lasse deshalb über ihn abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 893 Ziffer 33 bzw. Ziffer 34 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag auf Umdruck 889**) Ziffer 11 bzw. Ziffer 12. Das ist der Antrag der Fraktion der FDP, den wir soeben besprochen haben. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Bei Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 896***) Ziffern 13 und 14 sowie 15 und 16. Die Anträge sind zusammen begründet worden; sie gehören auch zusammen. Sie betreffen die Änderung des § 1258 Abs. 1 bzw. des § 28 Abs. 1 sowie des § 1258 Abs. 2 und des § 28 Abs. 2. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über die Änderungsanträge Umdruck 895****) Ziffern 5, 6, 7 und 8. Auch diese Änderungsanträge stehen in dem gleichen inneren Zusammenhang. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Damit sind in der zweiten Beratung alle Änderungsanträge abgelehnt. Ich lasse nunmehr über den § 1258 in der Arbeiterrentenversicherung und über den § 28 in der Angestelltenversicherung in der Ausschußfassung abstimmen. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich kehre nunmehr zurück zu dem § 1252 — links —und dem § 23
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 9. ****) Siehe Anlage 8.
—rechts — und gebe das nachgeprüfte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Es haben 430 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt. Mit Ja haben gestimmt 214, mit Nein 216. Enthalten hat sich niemand. Von den Berliner Abgeordneten haben 18 abgestimmt; davon mit Ja 14, mit Nein 4. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 893 Ziffern 19 und 20 abgelehnt.
Soweit ich orientiert bin, ist vorhin — ich war nicht im Hause — in der Schlußabstimmung der ganze Paragraph aus dem Gesetz eliminiert worden, so daß wir ihn jetzt wieder hineinbringen müssen. Das stimmt doch wohl?
Bitte, Herr Abgeordneter Horn!
Ich beantrage zu dieser Abstimmung über die Ausschuß-Vorlage namens meiner Freunde namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Kalinke!
Ich erinnere daran, daß zu § 23 noch ein Zusatzantrag zu beraten ist, den wir zurückgezogen hatten unter der Voraussetzung, daß der Antrag der SPD angenommen würde. Ich erinnere erneut an diesen Antrag als Eventualantrag. Es handelt sich um den Antrag, in § 23 Abs. 2 nach den Worten „zumutbar ist" das Wort „stets" durch das Wort „insbesondere" zu ersetzen. Hier handelt es sich darum, daß bei den Bedenken, die in der Debatte gegen den letzten Satz des § 23 Abs. 2 hier vorgetragen worden sind, insbesondere für die Angestellten verhindert werden soll, daß bei der Auslegung dieses Paragraphen etwa im Sinne der Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ein sozialer Abstieg die Folge ist. Ich bitte Sie, dieser kleinen Änderung doch zuzustimmen, die dem Anliegen der Angestellten und auch dem entsprechen würde, was bei der Auslegung der alten Bestimmung des Angestelltenversicherungsgesetzes bisher Rechtens war.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, es war der Eventualantrag gestellt - das ist richtig —, und es ist sinnvoll, daß wir darüber jetzt abstimmen, bevor wir dem Paragraphen die letzte Form geben. Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse also, bevor ich über den gesamten Paragraphen abstimmen lasse, über den Änderungsantrag Umdruck 891*) Ziffer 19 abstimmen, wonach in § 23 Abs. 2 Satz 3 das Wort „stets" durch das Wort „insbesondere" ersetzt werden soll. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltung? — Abgelehnt.
— Zur Abstimmung? — Bitte.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bitte Sie, bei der Endabstimmung über § 1252 - Arbeiterrentenversicherung
*) Siehe Anlage 6. — und § 23 — Angestelltenversicherung — getrennt abstimmen zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, über § 1252 und § 23 separat abzustimmen. Der Antragsteller oder der Sprecher der CDU hat namentliche Abstimmung über beide Paragraphen beantragt. Das bedeutet also einheitliche Abstimmung. Daß der Antrag auf namentliche Abstimmung genügend unterstützt ist, unterstelle ich. Die Frage ist: ist das Haus mit getrennter Abstimmung einverstanden? Soll ich über diese Frage formell abstimmen lassen? — Herr Professor Schellenberg!
Von den Antragstellern ist eine gemeinsame namentliche Abstimmung über beide Paragraphen beantragt worden. Frau Kollegin Kalinke hat getrennte Abstimmung beantragt. Ich glaube, der Herr Präsident müßte das Haus fragen, ob der Antrag von Frau Kalinke eine ausreichende Unterstützung durch 50 Mitglieder des Hauses hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich frage das Haus: Soll getrennt abgestimmt werden? Wer für getrennte Abstimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Mit großer Mehrheit abgelehnt. Wir stimmen also einheitlich ab, und zwar namentlich, über den § 1252 — links — und den § 23 — rechts — in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung zu § 1252 bzw. § 23 bekannt. Von stimmberechtigten Abgeordneten wurden 436 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 221. mit Nein 214 gestimmt: enthalten hat sich ein Abgeordneter. Von den Berliner Abgeordneten wurden 21 Stimmen abgegeben, 6 mit Ja und 15 mit Nein. Damit sind 'die §§ 1252 und 23 in namentlicher Abstimmung in der zweiten Lesung in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den § 1259 und den § 29 und dazu die Änderungsanträge auf den Umdrukken 889 Ziffer 13 und 14, 893 Ziffer 35 und 37, 896 Ziffer 17 und 18, 895 Ziffer 9 und 11, 895 Ziffer 10 und 12, 893 Ziffer 36 und 38 und 889 Ziffer 15 und 16. Ich gebe dem Hause bekannt, daß die Antragsteller der Änderungsanträge auf Umdruck 895 Ziffern 9, 10, 11 und 12 diese Anträge zurückziehen, da sie der Meinung sind. daß die Anträge durch die Abstimmung zu § 1258 erledigt sind.
Wer begründet den Änderungsantrag auf Umdruck 889 Ziffer 13 und 14?
— Es ist das gleiche wie vorhin; das Wort „Jahresbetrag" soll durch „Monatsbetrag" ersetzt werden.
Ich rufe jetzt den Änderungsantrag Umdruck 893**) Ziffer 35 und 37 auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Meyer .
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10301. **) Siehe Anlage 7.
Meyer (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vorausgegangenen versicherungsmathematischen Debatte zu § 1258 sind leider die von mir vorgebrachten Argumente vollkommen untergegangen. Ich darf feststellen, daß der Herr Kollege Ruf auf meine Argumente in keiner Form eingegangen ist.
Da unter der Mehrheit der Kollegen eine sehr große Unklarheit herrscht, habe ich an den Herrn Bundesarbeitsminister eine Frage zu stellen, die dieses Problem klären soll. Ich habe festgestellt — ich weiß nicht, ob ich recht habe —, daß zwar die Ausfallzeiten und Ersatzzeiten in der neuen Rentenformel rentensteigernd wirken. Ich habe auf den § 1260 Abs. 8 hingewiesen, der die Berufsunfähigkeitsrenten behandelt. Zu diesen Renten wurde ausdrücklich festgestellt, daß nur die Beitragszeiten gerechnet werden. Meine Frage zunächst zur Klärung dieses Problems, da es jetzt auch bei § 1259 in bezug auf die Höhe der Rente eine Rolle spielt: Sind die Bestimmungen in den Paragraphen unid besonders in § 1260 so zu verstehen, daß diese Jahre der Ausfall- und Ersatzzeiten nicht nur im letzten Teil der Rentenformel rentensteigernd wirken? Mir sind Hunderte von Beispielen bekannt, wo in bezug auf die zurückliegende Rentenformel 10 Jahre vorhanden sind — Krieg, Gefangenschaft, erster Weltkrieg und ähnliche Ausfallzeiten —, die nicht rentensteigernd gewirkt haben. Herr Bundesarbeitsminister, sind die Bestimmungen des § 1260 so zu verstehen, daß nun diese Ausfall- und Ersatzzeiten in die Rentenformel eingebaut werden, so daß also, wenn jemand — ich nehme jetzt zurückliegende Zeiten — im Jahre 1914 eingezogen wurde und am Weltkrieg teilnahm, bei dem Vergleich zwischen der individuellen Bemessungsgrundlage und der allgemeinen Bemessungsgrundlage für dieses Jahr 1914 das Jahreseinkommen des Jahres 1913 voll eingesetzt wird, damit es hier im ersten Teil der neuen Rentenformel vergleichbar in Erscheinung tritt? Wiederholt haben eine Reihe Kollegen diese Frage an mich gestellt.
Wir müssen also die Frage klären, falls sie nicht schon dahin geklärt ist, daß also immer das voraufgegangene Jahr in die Berechnung der sogenannten Punktzahlen — um bei diesem Begriff zu bleiben —überhaupt nicht eingesetzt wird. Wenn das so ist, muß ich alles das aufrechterhalten, was ich in bezug auf die Berufsunfähigkeit festgestellt habe: daß in Wirklichkeit nur 30 % des Arbeitseinkommens herauskommen. — Herr Kollege Ruf, das hat nichts mit Einsparungen usw. zu tun, sondern wir machen doch eine Rentenreform, um die Not in diesen Kreisen zu beheben. Wir können die Kinder und Angehörigen solcher Berufsunfähiger
— früher: Frühinvaliden — nicht gewissermaßen zu Parias herabwürdigen. Das würde uns viel teurer zu stehen kommen, als wenn wir vernünftige und anständige Renten zahlen, weil wir sonst an anderer Stelle doppelt und dreifach zahlen müssen, von den politischen Schäden einmal ganz zu schweigen.
Diese Frage möchte ich also einmal von dem Herrn Bundesarbeitsminister und auch, wenn ich so sagen darf, von den einzelnen Experten der Fraktionen beantwortet haben.
— Nein, sie haben sich ausdrücklich zu ihrer Verantwortung bekannt. Dann bitte ich eben hier den Kollegen, die diese Dinge unid die neue Rentenformel noch nicht verstanden haben, eingehend zu erklären, wie der erste Teil der Rentenformel — das Verhältnis des individuellen Arbeitsverdienstes zum jeweiligen Jahresarbeitsverdienst, um zur Punktzahl zu kommen — gestaltet ist. Wenn dieser erste Teil so gestaltet ist, wie ich ihn auffasse, daß nicht auf den Arbeitsverdienst bezogen wird, dann muß ich alle Argumente, die ich zu § 1258 hier aufgeführt habe, bei § 1259 noch einmal heranziehen, und sie geben mir dann die Begründung für meine Behauptung, daß wir auch hier nicht einmal zu den in Aussicht gestellten 60 % des durchschnittlichen Arbeitseinkommens kommen, sondern daß die neuen Renten weit, weit unter diesem Satz liegen. Wir gingen aber davon aus — ich darf es gewissermaßen als Ausgangspunkt der Rentenreform ansprechen —, daß der alte Mensch nicht nachhinken soll und nicht wesentlich von dem erreichten Status, den er sich in seinem Leben erarbeitet hat, 'absinken soll.
Aus diesem Grunde beantragen wir unter Ziffer 35, in § 1259 Abs. 1 die Worte „1,5 vom Hundert" durch die Worte „1,8 vom Hundert" zu ersetzen, damit die Renten an die 60 % wenigstens herankommen. Mit Ziffer 36 beantragen wir, daß ein Absatz 1a mit folgender Fassung eingefügt wird:
Ist die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mindestens zur Hälfte mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt, so ist die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage mindestens 200 Deutsche Mark monatlich.
Die gleichen Anträge — ich brauche sie nicht näher zu begründen — stellen wir unter Ziffer 37 und Ziffer 38 zu § 29, auf der rechten Seite.
Wie wichtig die in den Ziffern 36 und 38 beantragte Formulierung ist, haben Sie selber bezüglich der Einführung eines Mindestzuschlages bei Ihren Tabellenwerten, wo Sie nicht zurechtkamen
— Mindestzuschläge für die jetzt umzurechnenden 61/2 Millionen laufende oder, wenn man so will, Altrenten —, erkennen müssen. Dieses Problem wird immer eine Rolle spielen, besonders wenn die Dinge nicht so sind, wie sie im allgemeinen zunächst angesehen wurden.
Wir wünschen also eine Rentenberechnungsart, bei der man, wenn alle Bedingungen der Anwartschaft usw. erfüllt sind, mindestens von einem monatlichen Arbeitseinkommen von 200 Deutschen Mark ausgeht. Da es sich hierbei um eine wirklich grundsätzliche und entscheidende Beschlußfassung handelt, hat meine Fraktion beschlossen, zu unseren Ziffern 36 und 38 namentliche Abstimmung zu beantragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 896*) Ziffer 17 und Ziffer 18 auf. — Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte an das anknüpfen, was ich zu § 1258 bzw. § 28 gesagt habe: es ist eine politische Forderung des Gesamtdeutschen Blocks — die auch von seiner Fraktion vertreten wird —, daß wir bei einer Rentenreform
— und von einer solchen sprechen wir hier; ob
*) Siehe Anlage 9.
es nachher eine wird, wird sich in der dritten Lesung ergeben — unter allen Umständen eine Bedarfsrente erreichen.
Bei den §§ 1258 und 28 haben wir von den Berufsunfähigkeitsrenten gesprochen. Bei den §§ 1259 und 29 beschäftigen uns die Altersruhegelder. Wir sind der Meinung, daß auch hier der Steigerungsbetrag von 1,5 v. H. durch einen solchen von 1,8 v. H. ersetzt werden muß. Ich beziehe mich auf die Beispiele, die wir errechnet haben und die ich vorhin schon vorgetragen habe: das, was den Rentnern gesagt worden ist — daß sie 60 bis 70 % ihres Einkommens an Renten erhalten —, kann überhaupt nicht erreicht werden.
Vorhin wurde durchaus richtig, Herr Kollege Ruf, auf die Beitragspflicht und die Beitragshöhe hingewiesen. Ich darf daran erinnern, daß ich namens meiner Fraktion auch in der ersten Lesung dieser Gesetze einen Bundeszuschuß zur Finanzierung der Altersruhegelder gefordert habe. Wir wollen also nicht, daß infolge der von uns beantragten Erhöhung der Leistungen die Beiträge, die in den Gesetzentwürfen vorgesehen sind, heraufgesetzt werden, sondern wünschen, daß auch für das Altersruhegeld Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden. Darauf werde ich an anderer Stelle noch zurückkommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag Umdruck 889*) Ziffern 15 und 16 auf. Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Friese-Korn.
Meine Herren und Damen! Unser Antrag bezieht sich auf die Umwandlung der Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrente in Altersrenten. Wir möchten erreichen, daß die in § 1253 vorgesehene Regelung, die für Frauen bereits bei Vollendung des 60. Lebensjahrs die Möglichkeit des Bezugs von Altersrente eröffnet, hier entsprechend eingebaut wird. Es soll also eine Brücke zwischen dem Antrag der SPD, der auch nach unserer Meinung zu weit geht, und der jetzigen Fassung geschlagen werden. Es muß möglich sein, daß Frauen, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres längere Zeit erwerbs- oder berufsunfähig waren, bei Vollendung des 60. Lebensjahrs auf die bisher in § 1253 geforderten zehn Berufsjahre auch diese Zeiten der Berufs- und der Erwerbsunfähigkeit angerechnet bekommen. Von diesen Frauen Ist nicht zu erwarten, daß sie nach Vollendung des 60. Lebensjahrs noch einmal erwerbsfähig werden. Ihre Zahl ist bestimmt nicht groß. Es dürfte in der Absicht aller hier anwesenden Frauen liegen, diese Gruppe zu berücksichtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nachdem alle Anträge begründet worden sind, erteile ich das Wort dem Herrn Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, die der Abgeordnete Meyer an mich gerichtet hat, möchte ich wie folgt beantworten. Die Steigerungsbeträge für die Ersatzzeiten errechnen sich nach dem Gesamtdurchschnitt des Arbeitsverdienstes im Gesamtarbeitsleben. Das ist doch wohl verständlich?
*) Siehe Anlage 4.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 893 und der Antrag auf Umdruck 896 haben beide die gleichen Grundlagen für eine höhere Berechnung der Alters- bzw. auch der anderen Renten. Wir dürfen nicht übersehen, daß wir schon bisher mit mit den Renten bis an die Grenze des Möglichen gegangen sind. Bei 1,5 % Steigerung kommen wir in den Spitzen doch immerhin schon bis zu 75 % und bei 40 Jahren bis zu 60 %.
— Wenn die Ausfallzeiten und die Ersatzzeiten wie hier vorgesehen wirksam werden, dann gelangt man im Durchschnitt zu höheren Anrechnungszeiten als bisher. Wir können also, glaube ich, unter keinen Umständen bis an die Grenze herangehen, die Sie jetzt in Ihrem Antrag vorschlagen, nämlich 1,8 % Steigerung für das Jahr. Dann kämen wir fast mit allen Renten an die Höchstleistung. Also Maßhalten ist, glaube ich, im Augenblick das Gebot der Stunde. Wir sollten jetzt bei der Reform die Dinge nicht bis an die äußerste Grenze überziehen. Sonst müssen wir nachher vielleicht wieder große Korrekturen vornehmen.
Sie sagen, die Beiträge sollen nicht erhöht werden; dafür sollen die Staatsleistungen eintreten, wenn je die Mittel nicht ausreichen, um die erhöhten Renten zu zahlen. Das ist eine einfache Lösung, zu sagen: anstatt 3,8 oder 3,7 Milliarden DM, wie sie jetzt vorgesehen sind, sollen nachher 4,5 oder 5 Milliarden DM gezahlt werden. Sie sagen aber nicht, woher diese Mittel im nächsten Etat kommen sollen.
— Ja, bitte, eine Steuerreform haben wir jetzt hinter uns, und wir haben keine vor uns. Sie können vielleicht sagen: Dann bleibt die nächste Steuerreform, die vielleicht in einem Jahr oder in zwei Jahren stattfinden könnte, eben im Stock sitzen und wird nicht durchgeführt. Aber ich glaube, so können wir keinen Wechsel auf die Zukunft ziehen. Wir müssen mit den Realitäten rechnen, wie wir sie heute vor uns sehen. Wenn Sie die Einnahmen und Ausgaben einander gegenüberstellen, sehen Sie mit aller Klarheit, daß wir bis an die Grenze des Erlaubten gegangen sind. Diese Grenze sollte man nicht überschreiten. Man kann in jedem Falle etwas übertreiben, was einem später teuer zu stehen kommt und was nicht mehr zu korrigieren ist. Das ist zu dem Kapitel der Erhöhung der Steigerungsbeträge von 1,5 auf 1,8 % zu sagen.
Dann das andere Kapitel, die Festlegung von Mindestrenten. Ja, wenn wir schon Reformen wollen, wenn wir uns schon entschlossen haben, Beitrag und Leistung in ein gerechtes Verhältnis zu bringen, das Versicherungsprinzip wieder zur Grundlage zu machen, dann dürfen wir auch diese Festlegung der Mindestrenten nicht ins Gesetz hineinnehmen. Wir haben leider Gottes schon allzuviel von diesen Dingen im Gesetz. das sage ich Ihnen offen. Ich würde es begrüßt haben, wenn wir diese Mindestrenten nicht hätten halten und dazu noch einmal 21 DM als Mindestzulagen hätten gewähren müssen. Aber die Umstellung, der
Übergang, kann nicht ad hoc vorgenommen werden; hier können wir nicht so gradlinig abschneiden. Deswegen haben wir uns entschlossen, die Renten nicht zu kürzen und nochmals einen Mindestzuschlag von 21 DM, und zwar für die nächsten fünf Jahre, unter den gleichen Kautelen zu gewähren. Aber dann, glaube ich, haben wir alles ausgeschöpft und müssen endlich zur beitragsgerechten Leistung kommen.
Das war das Grundprinzip, von dem wir ausgegangen sind, und von diesem Prinzip dürfen wir uns jetzt mitten in den Gesetzesmaßnahmen nicht schon wieder trennen. Ich bitte also dringlich, beide Anträge, sowohl den Antrag der SPD als auch den Antrag des GB/BHE, abzulehnen. Wir können das Maß, das wir uns gesetzt haben und mit dem wir bis an die äußerste Grenze gehen, nicht überschreiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst eine Bemerkung mehr geschäftsordnungsmäßiger Art. Das, was der Antrag enthält, den Frau Kollegin Friese-Korn begründet hat — Umdruck 889*) Ziffer 15 und Ziffer 16 —, gehört meines Erachtens gesetzessystematisch zu den rentensteigernden Ausfallzeiten.
Zu § 12E3 liegt auch ein entsprechender Antrag
meiner Fraktion vor. Ich würde der Systematik
wegen vorschlagen, daß wir über diese Frage bei
1263 abstimmen. Ich bitte die Kollegen von der FDP, sich § 1263 mit den verschiedenen Ausfallzeiten durchzusehen. Dort sind auch Zeiten des Bezuges einer Rente angeführt, die als Ausfallzeiten rechnen, und dort würden meines Erachtens auch diese Altersrenten hingehören. Im übrigen wird eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bei Erreichung der Altersgrenze auf Antrag ohne weiteres umgewandelt.
Nun aber zu einer sehr wichtigen Sache. Herr Kollege Schüttler, Sie sind meines Erachtens etwas zu leicht über den Antrag bezüglich der Mindestaltersrenten, den mein Kollege Meyer begründet hat, hinweggegangen.
Worum geht es? Es geht dabei nicht um eine allgemeine Mindestrente, sondern um eine Mindestrente für Menschen, die die Altersgrenze erreicht haben und die vom Beginn der Versicherung, also vom Eintritt in ihr Arbeitsleben bis zum Erreichen der Altersgrenze überwiegend Arbeiter oder Angestellte gewesen sind. Unser Anliegen ist, daß wir diesen Menschen, die in früheren Jahren und Jahrzehnten als Heimarbeiter, als Landarbeiter derart unterentlohnt waren, daß sie trotz der Vorschriften der §§ 1260 und folgende nicht auf einen durchschnittlichen monatlichen Arbeitsverdienst von mindestens 200 DM als Bemessungsgrundlage kommen, die Rente unter Zugrundelegung von mindestens 200 DM berechnen. Das bedeutet nicht, daß sie die Rente von 200 DM erhalten, sondern daß sie die Rente unter Zugrundelegung von 200,— DM Verdienst nach ihrer Versicherungs-
*) Siehe Anlage 4.
Bauer erhalten, also, wenn sie beispielsweise 40 Jahre gearbeitet haben, eine Rente von 160 DM.
Meine Damen und Herren, das ist ein sehr wichtiges Anliegen. Was wir für die alten Menschen wollen ,das stellen Sie praktisch, Kollege Schüttler, für jüngere Menschen sicher, und zwar durch Ihre Aufstockungs- und Umrechnungsfaktoren jener komplizierten Tabelle der Anlage.
Die Regierung hat uns auf unsere Fragen erklärt, daß die Faktoren unter Berücksichtigung der allgemeinen Bemessungsgrundlage berechnet sind. Praktisch würde also ein jüngerer Mensch eine Rente so erhalten, als ob er einen Arbeitsverdienst von 356 Mark, nämlich nach der allgemeinen Bemessungsgrundlage, erhalten hätte. Nun wollen Sie, Herr Kollege Schüttler, einen Antrag der Sozialdemokraten, alten Menschen eine Rente wenigstens unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsverdienstes von 200 DM zu gewähren, als finanziell unmöglich ablehnen.
Herr Kollege Schüttler, wir wissen, es sind im Gesetz viele Probleme enthalten, und manche Dinge sind finanziell durchaus großzügig behandelt worden.
Deshalb sollten Sie nicht bei den Renten der Alten derart sparen, daß die Alten noch zur Fürsorge gehen müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Kollege Schellenberg, der Antrag ist uns vollkommen klar gewesen. Wir, wußten, daß das nicht eine Rente von 200 DM bedeutet, sondern daß die 200 DM nur die Ausgangsbasis für die Berechnung der Rente sein sollten. Wir wehren uns auch nicht gegen den finanziellen Faktor. Die finanziellen Auswirkungen habe ich soeben im Zusammenhang mit dem Steigerungsbetrag von 1,8 dargelegt. Worum es hier geht, ist, daß ein neuer Begriff von Mindestrente in das Gesetz kommen soll. Bei der Aufstockung der Leistungen von Leuten, die früh invalide werden und eine gewisse Zeit ein hohes Einkommen hatten, geht es um ein Risiko, das in einer Sozialversicherung einfach nicht ausgeschaltet werden kann. Hier handelt es sich aber darum, den Begriff „Grundrente", „Mindestrente" neu zu formulieren. Es tut mir leid, daß es Personen gegeben hat, die im Leben so wenig verdient haben, daß sie mit den wenigen Beiträgen, die sie auf Grund ihres niedrigen Verdienstes geleistet haben, nicht in eine angemessene Rente hineinwachsen konnten. Aber gerecht ist diese aus den Beiträgen und aus der Versicherungszeit errechnete Rente. Wenn dann ein Bedürfnis vorhanden ist, müssen andere Instanzen eintreten, um den Mann lebensfähig zu machen.
— Ja, auch; unter gewissen Umständen ist die Fürsorge keine Schande. Die Fürsorge war bisher immer noch ein ausgleichendes Element, und das werden wir auch in der Zukunft nicht entbehren können. Hier ist die Grundlage für eine beitragsgerechte Rente. Wir wollen die Reform nicht schon wieder verwässern, indem -wir solche Kautelen einbauen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Verlauf dieser Debatte veranlaßt mich, doch einiges Grundsätzliches zu dem sozialpolitischen Anliegen zu sagen, das mit den Änderungsanträgen der SPD verfolgt wird. Was ist das Anliegen der Sozialreform im allgemeinen, und was ist das Anliegen einer Rentenversicherungsreform im besonderen? Doch nicht nur die Renten zu erhöhen, neue Prinzipien zu ersinnen, über deren Wert und Bestand erst die Zukunft Entscheidendes aussagen wird, sondern als allererstes und mit moralischem und ethischem Vorrang, das Schicksal derjenigen zu bessern, die in der sozialen Wirklichkeit heute der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.
Das ist der Ausgangspunkt der deutschen Sozialversicherungsgesetzgebung gewesen. Sie war aber nicht Individualversicherung im wahrsten Sinne des Wortes. Das stelle ich, die ich bekannt bin als Verfechterin des Versicherungsprinzips, fest.
Das Versicherungsprinzip der Individualversicherung und das Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung sind zweierlei. Die Sozialversicherung hat von Anfang an den sozialen Ausgleich gekannt. Der „gute alte Grundbetrag" — und hier wiederhole ich, was ich heute vom „guten alten Heilverfahren" gesagt habe — hat einen sozialen Effekt gehabt und einen sehr vernünftigen Sinn! Er war gut durchdacht tim Sinn eines sozialpolitischen Ausgleichs. Wer das Versicherungsprinzip durchführen will, kann das sehr wohl auf zwei Wegen tun. Er kann eine Mindestsicherung schaffen und darauf den Ausgleich auf der Grundlage der geleisteten Beiträge oder, wie Sie wollen, auf der Grundlage des Lohnindexes und der Lohnbezogenheit aufbauen. Wer das aber nicht tun will und ein reines Individualprinzip in der sozialen Rentenversicherung einführt, der braucht ein so kompliziertes Gesetz gar nicht zu machen. Er braucht nur einen Paragraphen zu formulieren: „Jeder muß zwangsversichert sein nach Individualprinzipien." Dann brauchten wir die ganze Debatte um die Mindestzuschläge und Mindestrenten und um die Reform der Rentenversicherung nicht zu führen.
Ich habe bei den verschiedenen Renten-Mehrbetrags- und Sonderzulagengesetzen im Ausschuß und an dieser Stelle immer wieder betont, daß unsere Sozialpolitik nicht richtig ist, wenn sie die Aufgabe nicht löst und „soziale Reformen" nicht dazu benutzt, gezielte Leistungen mit den Mitteln der Steuerzahler und der Staatsbürger dort zu geben, wo die Hilfe der Gemeinschaft notwendig ist. Alles, was seit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz in dieser Beziehung getan worden ist, hat den sozialen Anliegen unserer Zeit nicht entsprochen.
Wir haben immer wieder Zulagen aus der Tasche der Steuerzahler, Zulagen aus den Mitteln der Versicherungsträger und damit der Versicherten gegeben. Aber wir haben sie nicht gezielt gegeben, sondern wir haben sie auch denen gegeben, die nur mit wenig Beitragsmarken als Selbständige und Weiterversicherte zwar keine Renten erhalten — aber nicht in Not sind — und damit ein zusätzliches Taschengeld hatten, während wir denen, die dieser Hilfe dringend bedurft hätten, nicht genug geben konnten!
Lassen Sie mich das für die Nichtkenner der Materie an einem ganz einfachen Beispiel klarmachen. Wenn eine Kriegerwitwe oder ein heimatvertriebener alter Rentner, die beide nur von ihrer Rente leben, 70 oder 90 Mark haben, dazu 10 oder 20 Mark erhalten, so ist ihnen damit nicht entscheidend geholfen. Wenn wir aber einer großen Zahl der alten Rentner, die einen Zuschuß nicht brauchen, diese 20 Mark nicht geben würden, um dafür dem armen Rentner und der alleinstehenden Frau und vielen Alten 40 Mark geben zu können, so wäre denen wesentlich geholfen. Diese gezielte Leistung kann man aber — und das gilt für die Herren der Sozialdemokratie — im Rahmen des Versicherungsprinzips nicht geben.
— Natürlich auch für die Damen, selbstverständlich! — Es ist eine alte und uns allen bekannte Tatsache, daß das Versicherungsprinzip die Möglichkeiten der Anwendung des Fürsorgeprinzips und der Prüfung der sozialen Tatbestände nicht in sich schließt. Aber wir haben Zeit gehabt, und wir haben noch rechtzeitig vor der Beratung im Ausschuß den zweiten Teil der L-Statistik kennengelernt. Dieser zweite Teil der L-Statistik sagte genau aus, daß Rentner nicht in ihrer Gesamtheit arme Leute sind und daß es deshalb keineswegs sozial ist, allen Rentnern das gleiche aus Steuermitteln zu geben, daß es vielmehr eine falsche, vielleicht sogar gefährliche Anwendung der Hilfe der Gemeinschaft unter Verkennung des Subsidiaritätsprinzips ist, allen etwas und vielen zuwenig zu geben, statt den wenigen, auf die es nach der L-Statistik ankommt, nämlich denjenigen, die nur von der Rente leben, genug geben zu können.
Deshalb, meine Herren und Damen, lassen Sie uns doch um Gottes willen, wenn es in diesem Bundestag nicht mehr gelingt, dann als erste Aufgabe im nächsten Bundestag ohne den Druck der bevorstehenden Wahlen und ohne Zeitdruck an diese echte Reformaufgabe herangehen! Lassen Sie uns dafür sorgen, daß der Beschluß, den wir hier gefaßt haben, Versicherung, Versorgung und Fürsorge wieder in ihre Grenzen zu weisen, auch Wirklichkeit wird! Es geht hier nicht, so hat Herr Kollege Schellenberg gesagt, um eine allgemeine Mindestrente für alle. Es geht nur, so sagt er, um eine Mindestrente für alte Leute. Ich würde ihm recht geben, wenn ich ihm darin zustimmen könnte, daß alle alten Leute arme Leute seien. Aber auch alle alten Rentner sind nicht arme Leute, sondern nur die alten Rentner, die ausschließlich von ihrer Rente leben.
Nun haben Sie, Herr Kollege Schellenberg, in einer Sache etwas sehr Wichtiges angesprochen. Selbstverständlich — und das ist nicht zu bestreiten — fehlt dieser Rentenreform die soziale Komponente da, wo es sich um Heimarbeiter, Landarbeiter,
Hausangestellte, Menschen mit geringem Einkommen, geringem Entgelt, geringen Sachbezügen handelt, die nun bei der Reform sehr schlecht davonkommen werden. Aber darüber werden wir bei dem Paragraphen, der die Mindestzulagen behandelt, noch zu sprechen haben.
Wir sollten es uns wirklich nicht so leicht machen. Wir sollten, noch ehe wir diese Debatten abschließen, uns gemeinsam in einer Entschließung dazu verpflichten, dieses Problem der notwendigen Hilfe für die alten Menschen, die der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen, durch ein vernünftiges soziales Prinzip zu lösen!
Dabei stimme ich dem Kollegen Schüttler in einem Punkte zu: die Fürsorge ist etwas, was unserer höchsten Achtung wert ist. Die Reform der Fürsorge gleichzeitig mit der Reform der Rentenversicherung wäre wahrscheinlich die Chance gewesen, viele Probleme besser und gründlicher anzupacken.
Für die Fraktion der Deutschen Partei erkläre ich: Wir werden nicht müde werden, Sie zu mahnen, und wir werden die Regierung auffordern, nach dem alten Vorschlag der Fraktion der Deutschen Partei einen Weg zu finden, eine gerechte und sozial wirksame Ausgleichsrente denjenigen zu geben, die dieser Hilfe rechtzeitig, noch ehe sie sterben, bedürfen.
Dem Antrag der SPD aber können wir aus diesen grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen. Die Fraktion der Deutschen Partei wird sich bei der Abstimmung über den SPD-Antrag der Stimme enthalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Schüttler ebenso wie die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke bedürfen einer Erwiderung.
Herr Kollege Schüttler hat sich auf das Versicherungsprinzip bezogen. Das kann er in diesem Zusammenhang nicht; denn auch die Vorlage, die mit Hilfe der größten Regierungspartei zustande gekommen ist, hat — mit vollem Recht, wie wir glauben — das reine Versicherungsprinzip durchbrochen. Mein Kollege Schellenberg hat bereits über die Aufstockung für die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente gesprochen, zweifellos ein Vorgang, der mit dem Versicherungsprinzip, wie es von der Privatversicherung aufgestellt wird, nicht mehr in Einklang zubringen ist.
Ich erinnere gerade im Zusammenhang mit der sogenannten Mindestrente an die 21 DM und 14 DM Sonderzuschuß, die Sie selbst, wie ich zugebe, aus Not und gedrängt von politischen Gründen, die nicht wir zu verantworten haben, sondern Sie, hier zugestehen mußten.
— Ach, das Arbeitsministerium hat nicht daran gedacht? Darüber wollen wir später einmal reden, Herr Kollege Schütz. — Jedenfalls wurde mit diesen 21 und 14 DM zweifellos das reine Versicherungsprinzip ebenfalls durchbrochen. Ja, es wird sogar etwas Ähnliches wie eine Art Mindestrente geben, nur daß die Dinge nicht sauber klargelegt sind; aber darauf kommen wir später zu sprechen.
—Was haben Sie denn gesagt?
— Ja, wenn Sie das nicht für die Sozialversicherung sagen, wenn Sie glauben, daß die Sozialreform sich etwa darauf beziehen müsse, dann verstehe ich allerdings nicht, warum Sie angesichts der Fälle, in denen notorisch die Fürsorge eintreten wird — Sie wissen ebenso wie ich, daß das in sehr vielen Fällen der Fall sein wird, wenn der Mindestbetrag nicht gegeben wird —, nicht den Weg gehen wollen, in diesen Fällen die Fürsorge auszuschalten. Wir kommen hier mit dem Begriff des Gezielten nicht aus. Wir müssen davon ausgehen, daß die Sozialversicherung — sie ist eben keine Individualversicherung, sondern eine Sozialversicherung — Vorsorge treffen muß, damit diejenigen, die sich durch ihre Lebensarbeit nur ganz kleine Renten erworben haben, wenigstens im Alter gesichert dastehen.
Meine Damen und Herren, wer, wie vielleicht viele von Ihnen, wie auch ich, während der Nazizeit soundso oft hart am Rande des Existenzminimums gestanden hat, der weiß doch, daß der Bedarf, der in diesen Fällen zu befriedigen ist, sehr viel höher liegt, als wenn man 400 oder 500 oder gar 1000 Mark Einkommen hat. Wir wissen also, daß man gerade in den Fällen, die für die Mindestrenten in Betracht kommen, einen möglichst hohen festen Bedarf decken können muß. Das möchten wir durch unseren Antrag erreichen.
Zum Abschluß ein Wort zu der L-Statistik. Ich nehme gern diese Gelegenheit wahr, darauf hinzuweisen, daß bei der L-Statistik nach unserer Auffassung etwas nicht berücksichtigt worden ist, nämlich die Frage: Wie stand der Rentner, bevor er Berufsunfähigkeitsrentner wurde, in seinem Familieneinkommen? Es wird jetzt darauf hingewiesen, daß das Familieneinkommen nach dieser Statistik zum Teil 500 und mehr Mark im Monat betrage. Die eigentliche Frage ist: Wie war denn das Einkommen dieser Familien vorher? Alles spricht da-
für, daß das Einkommen zuvor höher war und daß durch die Berufsunfähigkeit das Gesamteinkommen der Familie zurückgegangen ist. Wir können also — und insofern wende ich mich gegen die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke — nicht davon reden, daß die Rentner nicht arme Leute seien.
- Nicht alle. — Auch die L-Statistik hat das nicht bewiesen. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit ganz deutlich sagen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wenn Sie konsequent denken und wenn Sie nicht von der Individualversicherung, sondern von der Sozialversicherung ausgehen, müssen Sie konsequenterweise für unsere Mindestrenten eintreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen zu dem Herrn Kollegen Schüttler. Sie haben, Herr Kollege Schüttler, gesagt, daß Sie unseren Anregungen nicht folgen könnten — Begründung dafür: daß sie mit dem Versicherungsprinzip nicht auf eine Linie zu bringen seien — und sich deshalb gegen unser Wollen aussprechen müßten. Meine Damen und Herren, das Versicherungsprinzip hat schon mein Kollege Preller angesprochen. Auch die Zurechnungszeit ist mit dem Versicherungsprinzip nicht in Einklang zu bringen. Ich verweise weiter darauf, daß Sie auch in den Übergangsvorschriften, in § 35, um den Besitzstand zu wahren und um die 1 Million Rentner, die nach diesem Gesetz leer ausgehen, wenigstens in den Genuß von 21 DM oder — bei den Witwen — von 14 DM monatlich zu bringen, vom Versicherungsprinzip, aber auch von dem Prinzip der Beitragsrente abgegangen sind.
Meine Damen und Herren, daß gerade der Gewerkschaftler, als der Kollege Schüttler doch anzusprechen ist, sich hier so gegen die Belange der Ärmsten der Armen ausgesprochen hat,
vermag ich im Interesse der davon betroffenen
Personenkreise nur auf das äußerste zu bedauern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorhergehende Diskussion um den § 1259 kann die Tatsache nicht verwischen, daß wir hier nicht ein Fürsorgegesetz, sondern ein. Rentenversicherungsgesetz, und zwar ein Versicherungsgesetz mit Rechtsansprüchen, beraten.
Rechtsansprüche, meine Damen und Herren, sind auf die Dauer nur zu halten, wenn Vorleistungen vorhanden sind.
— Wenn Vorleistungen vorhanden sind.
— Kollege Preller, ich glaube, daß der Zwischenruf gerade von Ihnen nicht richtig ist; denn auch Sie wissen, daß die auf Grund des Versorgungsgesetzes Versorgten eine Vorleistung dem Volk gegenüber aufweisen können. Wenn wir in einer Solidaritätsgemeinschaft Rechtsansprüche in einem Gesetz festlegen, dann sind in dieser Solidaritätsgemeinschaft die Rechtsansprüche nur dann aufrechtzuerhalten, wenn Vorleistungen vorhanden sind, zumal dann, wenn es sich um eine Beitragsrente handelt. Eine Mindestrente birgt auf die Dauer die Gefahr in sich, die Bedürftigkeitsprüfung nach sich zu ziehen. Man kann nämlich nicht auf die Dauer von irgendeinem anderen Leistungen verlangen, wenn man selbst keine Vorleistungen aufzuweisen hat. Weil wir die Gefahr sehen, daß mit dem Antrag der SPD-Fraktion zu § 1259 die Bedürftigkeitsprüfung kommt, lehnen wir diesen Antrag ab.
Im übrigen stimmt es nicht, Kollege Dannebom, daß das Gesetz, das hier beraten wird, am Ende Millionen Rentner ohne Steigerung der bisherigen Leistungen ließe. Das möchte ich auch noch einmal unterstrichen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion der SPD auf einen Mindestbetrag von 200 DM können wir uns nicht sehr befreunden. Ich muß das ganz offen sagen. Wir haben aber das Problem, das Sie bewegt, genau so erkannt und in der Form einer Zusatzrente, die wir zu § 1279 noch gesondert beantragen werden, angesprochen. Ich habe gegen Ihren Änderungsantrag folgendes Bedenken. Es ist durchaus möglich, daß dann jemand, der es tatsächlich nicht nötig hat, auf Grund dieser Bestimmung in den Genuß der 200 DM kommt. Das ist wie immer die Problematik, die mit Mindestrenten verbunden ist. Aber über diese Dinge ist jetzt schon genügend gesprochen worden, und ich will die Diskussion darüber nicht weiter vertiefen. Ich habe nur noch mitzuteilen, daß sich meine politischen Freunde bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns von den Sprechern der sozialdemokratischen Fraktion immer wieder entgegengehalten worden, wir beharrten so sehr auf dem Prinzip der Versicherungsgerechtigkeit, daß wir uns dagegen aussprächen, durch die Einführung einer Mindestrente oder Mindestbemessungsgrundlage dieses Versicherungsprinzip zu durchbrechen, während wir doch im andern Fall, nämlich bei den Mindestzulagen sowohl wie bei der Umrechnung der noch bis 1961 anstehenden Renten selbst diesem Prinzip nicht treu blieben. Ich gestehe freimütig zu, daß bei dieser Mindestzulage selbstverständlich nicht bestritten werden kann, daß das Versicherungsprinzip durchbrochen ist. Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen
sich doch eines vor Augen halten: Wir gehen aus einer Rechtsform in eine andere Rechtsform hinein. Wir ändern das ganze System. An diesem Übergang vom alten zum neuen System gibt es eben Dinge, die dadurch ausgeräumt werden müssen, daß man in diesem Zeitpunkt auch über Prinzipien, die man sonst hat, hinweggeht.
Ich möchte Ihnen auch noch sagen, daß Sie nach meiner Überzeugung mit dem Antrag, den Sie eingebracht haben, schon rein technisch nicht zu Rande kommen können, weil Sie z. B. auch dem, der allein die 15 Jahre Wartezeit in einer niedrigen Beschäftigung verbringt — ich will gar nicht unterstellen, daß das unter Umständen Scheinbeschäftigung ist —, dann ebenfalls eine Mindestrente einräumen, die, wenn wir unterstellen, daß § 1260 in der Vorlage des Ausschusses angenommen wird, 45 DM betragen würde, ohne daß eine entsprechende Gegenleistung erbracht worden wäre. Sie müßten außerdem Ihr Prinzip nicht auf einen Geldbetrag abstellen, sondern auf Prozente der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Aber das wäre eine technische Angelegenheit, die sich ohne weiteres klären ließe. Unbestritten bleibt, daß durch die Annahme Ihres Antrags fortwirkend in die Zukunft hinein eine Mindestrente geschaffen würde, und dem können wir - auch wenn wir hier in den Übergangsfällen Abhilfe schaffen — nicht beitreten.
Der Grund, weshalb ich mich zu Wort gemeldet habe, ist eigentlich nicht diese Prinzipienfrage. Ich wollte vielmehr einige Worte zu dem Antrag der FDP sagen, die in § 1259 die Regelung zu treffen wünscht, daß Zeiten, in denen eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder eine Berufsunfähigkeitsrente bezogen wurde, gewissermaßen als fiktive Beitragszeiten — Sie nennen es Versicherungszeiten — in die Berechnung des Altersruhegeldes eingehen. Nach einer Rücksprache mit Frau Kollegin Friese-Korn habe ich den Eindruck, daß man sich tatsächlich über diese Frage auch noch unterhalten muß, insbesondere deshalb, weil hier eine Möglichkeit gesehen werden kann, dem Problem näherzutreten, daß viele Frauen der Bedingung, in den letzten 20 Jahren überwiegend beschäftigt gewesen zu sein, nicht nachkommen können, weil sie erwerbsunfähig gewesen sind. Ich bitte Sie aber um Verständnis dafür, daß ich mich der Meinung des Herrn Kollegen Schellenberg anschließe. Es ist falsch, das Problem an dieser Stelle zu behandeln, sondern es muß an einer anderen Stelle noch einmal überdacht werden. Ich erkläre die Bereitschaft meiner Freunde, sich mit dem Problem noch einmal auseinanderzusetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge: ich will hier keine Rede halten!
Aber die Bemerkungen der Kollegen Schüttler und Arndgen über die Fürsorge haben mich heraufgebracht. Herr Kollege Arndgen, weil wir nicht dabei sind, ein Fürsorgegesetz zu machen, weil es ein Rentengesetz werden soll, möchten wir die Rentner, die Vorleistungen erbracht haben, nicht in die Fürsorge hineinbringen.
Zweitens ist, Herr Kollege Schüttler, Fürsorge keine Schande für denjenigen, der sie in Anspruch nehmen muß; es ist eine Schande für den Gesetzgeber, der den Menschen dorthin bringt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu den aufgerufenen §§ 1259 bzw. 29.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Antrag Umdruck 889*) Ziffern 13 und 14.
— Bitte, zur Abstimmung!
Auf Grund der vorangegangenen Debatte ziehe ich den von uns gestellten Änderungsantrag zu § 1259 Abs. 2 zurück und behalte mir vor, ihn, wie vereinbart, bei § 1263 erneut einzubringen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 889 Ziffern 13 und 14. Wer dem Antrag auf Umdruck 889 Ziffern 13 und 14 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 35 und 37 und in Verbindung damit Umdruck 896 Ziffern 17 und 18; beide Anträge sind inhaltlich gleich. Wer den Änderungsanträgen Umdruck 893**) Ziffern 35 und 37 bzw. 896***) Ziffern 17 und 18 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Nun komme ich zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 893 Ziffern 36 und 38**). Hier ist von der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Daß sie genügend unterstützt ist, ist offenkundig. Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffern 36 und 38. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Wer von den Damen und Herren des Hohen Hauses hat in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgestimmt? — Ich bitte, sich zu beeilen. — Meine Damen und Herren, ich frage zum letztenmal, ob in der namentlichen Abstimmung noch eine Stimmkarte abzugeben ist. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis****) der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben 430 stimmberechtigte Abgeordnete, davon mit Ja
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 9. ****) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10301.
163, mit Nein 228; enthalten haben sich 39. Von den Berliner Abgeordneten haben 20 ihre Stimme abgegeben; mit Ja haben gestimmt 10, mit Nein 7 und enthalten haben sich 3. Damit ist der Änderungsantrag der SPD, einen neuen Absatz 1 a in die beiden Paragraphen einzufügen, abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Schlußabstimmung über den § 1259 - links - und den § 29 - rechts - in der Ausschußfassung. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich brauche nicht zu sagen: jetzt sollte nach einer Vereinbarung des Hauses Schluß sein. Wir hatten geglaubt, wir würden mit 'der Beratung des § 1259, nach der wir die Sitzung beenden wollten, viel früher fertig sein. Nun sind wir aber auch zeitlich an dem vereinbarten Schluß.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 17. Januar 1957, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.