Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich folgendes mitteilen. Die Fraktion der CDU/CSU teilt mir mit Schreiben vom 13. Dezember 1956 mit, daß das stellvertretende Mitglied der deutschen Delegation Abgeordneter Minister Lemmer aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidet. Sie schlägt an seiner Stelle die Abgeordnete Frau Dr. Maxsein vor. Ich nehme an, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist, daß dieser Punkt sofort auf die Tagesordnung gesetzt und behandelt wird.
— Ist das Haus mit dem Vorschlag selbst einverstanden? — Widerspruch erfolgt nicht. Damit ist die Abgeordnete Frau Dr. Maxsein als stellvertretendes Mitglied der deutschen Delegation der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 11. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 302 der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen betreffend Industrieverwaltungsgesellschaft mbH, Bad Godesberg — Drucksache 2882 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3014 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 13. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 305 der Fraktion der SPD betreffend Wegfall der Witwen- bzw. Witwerbeihilfen durch das Bundesversorgungsgesetz — Drucksache 2918 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3018 verteilt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, damit einverstanden zu sein, daß wir auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung den Antrag Drucksache 2959 setzen. Es handelt sich um den in der vorigen Woche von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eingereichten Antrag des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verzichtet auf eine Begründung. Daher braucht wohl auch eine Aussprache nicht stattzufinden. Der Antrag kann sofort dem zuständigen Ausschuß überwiesen werden. Ich bitte um Ihr Einverständnis.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Abgeordneten Dr. Menzel gehört, den Antrag Drucksache 2959 — die Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet — auf die Tagesordnung zu setzen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Es fragt sich, an welche Stelle sie gesetzt werden soll. Wenn das Haus auf Begründung und Aussprache verzichtet, könnten wir sie gleich überweisen. — Es besteht Einverständnis.
Dann schlage ich Ihnen zur Überweisung als federführenden Ausschuß den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und als mitberatenden Ausschuß den Ausschuß für Heimatvertriebene vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Damit komme ich zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des
a) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage ,
b) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundes-
republik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel ,
c) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg ,
d) Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 3000).
Zugleich wird aufgerufen Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung
.
Meine Damen und Herren, ich erteile zuerst zu Punkt 1 der Tagesordnung als Generalberichterstatter dem Abgeordneten Kiesinger das Wort.
Kiesinger , Generalberichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben in Ihren Händen die Drucksache 3000, die den Schriftlichen Bericht *) des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Entwürfe eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage, eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel, eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und schließlich eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl enthält.
Die genannten Verträge stehen zueinander in einem inneren Zusammenhang und können daher
*) Siehe Anlage 2.
auch nur gemeinsam gewürdigt werden. Es handelt sich, wie Sie schon aus dem Umfang der Ihnen vorliegenden Drucksachen gesehen haben, um ein sehr umfangreiches Vertragswerk. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat es für seine Pflicht erachtet, über die politische Würdigung des Vertragswerks hinaus, die zuletzt seine Stellungnahme bestimmte, sich mit der Fülle von wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und anderen Einzelfragen ausführlich zu befassen.
Er hat dabei, gerade weil die außerordentliche Fülle der zu prüfenden Bestimmungen besondere Anforderungen an Sachkenntnis stellte, ein besonderes Verfahren eingeschlagen, das ich nicht unerwähnt lassen möchte. An sich wurde das Vertragswerk bei der ersten Lesung nur dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und zu Teilen zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen. Der Ausschuß hat aber in der vorbereitenden Arbeit, für die ein Unterausschuß „Saar" eingesetzt worden war, Wert darauf gelegt, die Mitarbeit all der Ausschüsse unseres Hohen Hauses zu gewinnen, die Rat zu geben in der Lage waren, und zwar dadurch, daß in den Unterausschuß „Saar" von diesen anderen Ausschüssen jeweils der Vorsitzende und zwei weitere Delegierte entsandt wurden. Es handelt sich dabei um die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und Verkehrswesen, für Finanz- und Steuerfragen, für Haushaltsfragen, für Rechtswesen und Verfassungsrecht, für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, so daß man das, was schließlich hier an Berichten zustande gekommen ist, als den Erfolg einer gemeinschaftlichen Anstrengung der dabei Beteiligten bezeichnen darf.
Die Berichterstattung erfolgt derart, daß ein Generalbericht den Versuch machen soll, den großen Zusammenhang des Vertragswerks zu erläutern. Ihm folgen sieben zum Teil sehr ausführliche Einzelberichte, die sich mit den besonderen Problemen, die das Vertragswerk stellt, befassen, und zwar sind es zu dem Vertrag über die Regelung der Saarfrage Einzelberichte über die rechtlichen, wirtschaftspolitischen, finanz- und währungspolitischen Bestimmungen und zu den Bestimmungen über die Kohle. Dann folgen Einzelberichte zu den Verträgen über die Schiffbarmachung der Mosel, den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und ein kurzer Bericht über den Vertrag zur Änderung des Montanvertrages.
Es handelt sich hier um die Erfüllung des ersten Teils der großen Aufgabe, die uns allen gestellt ist, der großen Aufgabe der deutschen Wiedervereinigung. Wir dürfen sie für ein Gebiet — im Westen unseres Vaterlandes — als geglückt bezeichnen, und wir dürfen beim Rückblick auf diesen Erfolg unseren Blick auch vorwärts wenden auf die noch ausstehende Aufgabe der Wiedervereinigung im Osten. Das hat auch der Bericht, wie Sie sehen, an einigen Punkten mit Absicht getan.
Der Generalbericht macht zunächst den Versuch, die geschichtliche Entwicklung des Problems darzustellen. Ich will das in meinem mündlichen Bericht nicht mit Ausführlichkeit wiederholen, aber doch immerhin auf die einzelnen Etappen hinweisen. Es hat bis zum Ende des ersten Weltkriegs keinerlei politischen Begriff eines Saargebiets oder eines
Saarlandes gegeben. Dieser Begriff ist erst im Zusammenhang mit den Bemühungen Frankreichs geschaffen worden, das Saargebiet von Deutschland zu lösen, es entweder Frankreich anzugliedern oder ihm jedenfalls einen anderen Status zu geben. Die Geschichte vor dem zweiten Weltkrieg ist bekannt; sie hat im Jahre 1935, nachdem das Saarland im Zusammenhang mit französischen Reparations-wünschen der treuhänderischen Verwaltung des Völkerbundes unterstellt worden war, zur Rückkehr des Saargebietes zu Deutschland geführt. Nach dem zweiten Weltkrieg hat Frankreich seine Anstrengungen wieder aufgenommen, das Saarland mindestens wirtschaftlich Frankreich zuzuordnen. Es hat in einer Reihe von Maßnahmen, die im Bericht einzeln dargestellt sind, das Saarland aus dem Zusammenhang des Besatzungsgebietes gelöst, hat eine Zollunion geschlossen, die französische Währung dort eingeführt, und schließlich wurde eine Verfassung eingeführt, die die Unabhängigkeit des Saarlandes von Deutschland statuierte. Der Bericht verschweigt auch nicht, daß die französischen Bemühungen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die Unterstützung der beiden anderen großen Westmächte, der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Großbritanniens fanden.
Diese Entwicklung, bei der das Saargebiet aus der Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrats, aus den Besatzungsgebieten herausgelöst und mit dem Ziele der künftigen endgültigen Unabhängigkeit von Deutschland verselbständigt, aber weithin Frankreich zugeordnet wurde, fand zum allergrößten Teil statt, bevor die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Die Bundesregierung und der Bundestag sahen sich von Anfang an einer außerordentlich schwierigen Aufgabe gegenüber, einer Aufgabe, meine Damen und Herren, die, wie Sie sich alle erinnern, uns mitunter fast hoffnungslos erscheinen mußte. Sie haben sich von Anfang an mit den von Frankreich angestrebten Zielen nicht einverstanden erklärt; sie haben sich ihnen widersetzt. Aber man darf es an diesem Tage wohl erwähnen, daß dieser Widerstand nicht in einem Geist des überhitzten Nationalismus geleistet worden ist, sondern in einem geduldigen und unverdrossenen Geist freundnachbarlicher Verständigung und der Bemühung um europäische Zusammenarbeit.
Man darf wohl sagen, daß es gerade diese Haltung war, die letzten Endes ein Klima geschaffen hat, das den erfolgreichen Abschluß der Bemühungen erlaubte.
Der Bericht geht auf die vergeblichen Verhandlungsversuche unmittelbar nach Gründung der Bundesrepublik, auf die vielfältigen Proteste und Verwahrungen auch von seiten dieses Hohen Hauses ein. Er erwähnt jene eigentümliche Zwischenepoche, die auch dem Saarproblem neue Impulse und neue Aspekte gab, in der einen erregenden Augenblick lang die politische Gemeinschaft Europas auf der Grundlage der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bevorzustehen schien und in der man glaubte, das Saarproblem herauslösen zu können aus dem einseitigen Entweder-Oder zwischen Deutschland und Frankreich und daran dachte, dem Saarland in einem vereinigten Europa einen europäisierten Status geben zu können. Das waren die Bemühungen, wie sie sich etwa in dem Van-derGoes-van-Naters-Plan niedergeschlagen hatten, der aus der Beschäftigung des Europarats mit dem Problem hervorgegangen war, einer Beschäftigung übrigens, die der Europarat mit dem Einverständnis der Deutschen und der Franzosen unternommen hatte. Aber mit dem Scheitern dieser europäischen Bemühungen, mit dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und damit auch dem Entschwinden der Hoffnung auf eine nahe Lösung der Europäischen Politischen Gemeinschaft war auch diese Saarkonzeption zum Scheitern verurteilt.
Es eröffnete sich ein neuer Abschnitt der Verhandlungen über das Saarproblem, und dieser Abschnitt führte über die Vereinbarungen zwischen der deutschen und französischen Regierung über das künftige Statut der Saar schließlich zur Ablehnung dieses Statuts durch die Saarbevölkerung und dazu, daß sich die französische öffentliche Meinung und auch die französische Regierung dem Ergebnis beugten. Ich will es mir versagen, auf diesen vielleicht interessantesten Abschnitt der Entwicklung im einzelnen einzugehen, möchte aber auf folgende Tatsachen hinweisen. Das Statut hatte zwar versucht, noch in Anlehnung an gewisse Ideen der gerade abgeschlossenen Epoche, an Ideen, die auch im Van-der-Goes-van-Naters-Plan enthalten waren, eine vorläufige Regelung zu schaffen; der Nachdruck liegt aber auf dem Wort „vorläufig". Der entscheidende Erfolg des Statuts war, daß sowohl über die Annahme des Statuts selber als auch im Falle der Annahme des Statuts durch die Saarbevölkerung über eine endgültig im Friedensvertrag zu lösende Regelung des Saarproblems die Saarbevölkerung selbst abstimmen sollte. Sie hat die Entscheidung schon bei der ersten Abstimmung vollzogen und damit in eindrucksvollster Weise ihre Treue zum gemeinsamen deutschen Vaterland bekundet.
Die Lage war die, daß die Saarbevölkerung nur über die Annahme des Saarstatuts abzustimmen hatte, daß also im Falle der Ablehnung des Statuts ein Vakuum, ein Zustand entstehen mußte, bei dem völlig unberechenbar war, was sich daraus entwickeln konnte. Die französische Bevölkerung und die französische Regierung verdienen unseren Dank, daß sie den Willen der Saarbevölkerung respektiert haben und daß dann über neue Verhandlungen schließlich das uns hier vorliegende Vertragswerk zum Abschluß gebracht werden konnte.
Die französische Regierung verfolgte bei diesen Verhandlungen bestimmte Ziele, die Sie in dem Schriftlichen Bericht aufgezeichnet finden.
Der Inhalt der schließlich zustande gekommenen Vereinbarung läßt sich ganz kurz wie folgt kennzeichnen. Das Saarland wird am 1. Januar 1957 ein Teil der Bundesrepublik. Es ist wichtig, daß Art. 1 dabei klarstellt, daß es sich hier nicht um eine Änderung der Grenzen Deutschlands handelt; vielmehr erklärt Frankreich sein Einverständnis damit — so ist es technisch formuliert —, daß sich der Anwenwendungsbereich des Grundgesetzes vom 1. Januar 1957 an auch auf das Saarland erstreckt. Damit wird ausgedrückt, daß das Saarland immer ein Teil Deutschlands geblieben war.
Es gilt aber eine Übergangsregelung, wie Sie wissen, bis spätestens zum 31. Dezember 1959, die folgendermaßen charakterisiert werden kann: Wäh-
rend dieser Zeit ist das Saarland politisch ein Teil der Bundesrepublik, ist wirtschaftlich aber weiterhin in großem Umfange Frankreich zugeordnet. Während der Übergangszeit soll der Status quo im Saarland langsam abgebaut werden. Gerade auch die Interessen der saarländischen Wirtschaft sollen während dieser Abbau- und Übergangszeit berücksichtigt werden.
Der Vertrag enthält auch über die Übergangszeit hinaus wichtige Bestimmungen, vor allen Dingen die über den Schutz von Personen. Die nicht nur für diese Verträge, sondern auch im Blick auf die zukünftige deutsche Aufgabe der Wiedervereinigung wichtigste dieser Bestimmungen ist jene, in der es heißt, daß in der Bundesrepublik und in Frankreich niemand wegen seiner in der Vergangenheit zur Saarfrage eingenommenen Haltung einer politischen Verfolgung oder einer Beeinträchtigung durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt oder strafrechtlichen oder disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt sein soll. Der Ausschuß legt Wert darauf, zu sagen, daß diese Bestimmung in großzügigster Weise interpretiert werden soll. Daß es sich dabei um einen generellen Grundsatz der Politik der Bundesregierung handelt, kommt auch in dem Memorandum der Bundesregierung vom 2. September 1956 zur Frage der Wiedervereinigung im Osten klar zum Ausdruck, wo ebenfalls dieser Grundsatz der Nichtvergeltung festgelegt worden ist.
Am Abschluß der Übergangszeit werden die deutschen Zollgrenzen an die französisch-saarländische Grenze verlegt. Die handels- und wirtschaftspolitischen Vereinbarungen sollen dem französischen Wunsch nach möglichster Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs mit dem Saarland auch nach der Übergangszeit Rechnung tragen.
Das sehr schwierige Warndtproblem wurde durch ein Kompromiß geregelt, das im einzelnen in einem Sonderbericht dargestellt wird. Darüber hinaus erhält Frankreich von der saarländischen Kohlenproduktion außerhalb des Warndtgebietes einen Anteil von 33 % und verpflichtet sich zur Abnahme dieses Anteils. Der Absatz saarländischer und lothringischer Kohle auf anderen Märkten, vor allem in Süddeutschland, wird gemeinschaftlich geregelt.
Ich erwähnte, daß im Zusammenhang mit dem Saarvertrag drei weitere Verträge abgeschlossen worden sind. Es handelt sich einmal um den Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel. Hier geht es um einen alten französischen Wunsch, und man darf feststellen, daß ohne eine Einigung über diese Frage schwerlich ein Übereinkommen in der Saarfrage erreicht worden wäre. An diesem Vertrag partizipiert außer Deutschland und Frankreich auch das Großherzogtum Luxemburg.
Wichtige deutsche Anliegen galt es in bezug auf den Oberrhein zwischen Basel und Straßburg zu berücksichtigen, wo bekanntlich durch das Rheinseitenkanalprojekt der Landwirtschaft und der Industrie des Oberrheintals auf deutscher Seite schwere Gefährdungen erwuchsen. Auch diese Frage ist befriedigend geregelt worden.
Schließlich mußte der Montanvertrag im Hinblick auf den Saarvertrag geändert werden.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß es auch für den Auswärtigen Ausschuß die politischen Gesichtspunkte waren, die ihn dazu bestimmten, dem Hohen Hause zu empfehlen, sein Ja zu den Verträgen zu geben. Dieses Vertragswerk bringt die Saar in die Bundesrepublik ein, befreit sie aus jenem Zustand, in dem sie sich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges befand, und regelt zugleich die letzte große Streitfrage zwischen Deutschland und Frankreich.
Das Klima, in dem dieser Abschluß gelang, ein Klima, das unsere beiden Länder bestimmt nicht auseinandergebracht, sondern einander nähergerückt hat, ist besonders wichtig, denn auch dieser Vertrag steht unter dem großen politischen Aspekt der europäischen Einigung, einer Notwendigkeit für unseren Kontinent, wenn er die Zukunft bestehen soll.
Ich habe die Ehre, im Namen des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zu beantragen, der Bundestag wolle beschließen, den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Generalberichterstatter.
Da ein Schriftlicher Bericht sowohl des Generalberichterstatters als auch der sieben Einzelberichterstatter vorliegt*), ist das Haus wohl damit einverstanden, daß es bei dem mündlichen Zusatzbericht des Herrn Generalberichterstatters, den wir soeben vernommen haben, verbleibt.
Dann kommen wir zur Berichterstattung über Punkt 2 der Tagesordnung, den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes ). Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Kuchtner.
Frau Dr. Kuchtner , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit seinem Bestehen hat der Deutsche Bundestag keinen so freudigen Anlaß zu einer Gesetzesberatung gehabt wie heute; handelt es sich doch darum, der Saar und der treuen Bevölkerung an der Saar den Weg in das deutsche Vaterland zu ebnen.
Im vollen Bewußtsein der Schwere seiner Verantwortung für das ganze deutsche Volk hat der Auschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung in langen und schwierigen Verhandlungen um die beste Lösung gerungen. Das Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache 3001 vor.
Ich habe den ehrenvollen Auftrag, das Hohe Haus um seine Zustimmung hierzu zu bitten.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
— Einen Augenblick! Zuerst einmal macht mich der Herr Generalberichterstatter darauf aufmerksam, daß in der Drucksache zu 2901 eine Berichtigung der Drucksache 2901 enthalten ist, die zwar nur redaktionellen Charakter hat, damit aber Inhalt unserer Beschlüsse wird.
Zu einer Bemerkung hat das Wort der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich soeben schon mit der Frau Berichterstatterin darüber verständigt, daß insbesondere zu § 13 der Standpunkt der Minderheit in dem vorliegenden Ausschußbericht nicht genügend herausgearbeitet zu sein scheint. Ich möchte aber jetzt den Bericht selbst nicht ergänzen, weil wir ohnehin zu diesem Fragenkomplex die gleichen Anträge, die wir im Ausschuß gebracht haben, hier noch einmal im Plenum vortragen werden, so daß ich bei der Begründung dieser Anträge den Bericht in diesem Sinne ergänzen kann.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Einzelberatung der zweiten Lesung, und zwar zuerst zu Punkt 1 a der Tagesordnung. Das ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Sodann Punkt 1 b. Das ist das Gesetz über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogturn Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Dann kommt 1 c. Das ist das Gesetz über den Vertrag über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg. Ich rufe auf Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Dann Punkt 1 d: Gesetz über den Vertrag zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ich rufe auf Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Damit sind sämtliche Gesetzentwürfe einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes.
Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5,
6, — 7, — 8 — und 9. — Das Wort hierzu wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 10, dazu den Änderungsantrag Umdruck 877*) Ziffer 1. Wird das Wort hierzu gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident.! Meine Damen und Herren! Nachdem materiell unser Antrag im Ausschuß angenommen worden ist, haben wir nur noch den Wunsch nach einer redaktionellen Änderung: ,daß die Worte „für einzelne Rechnungsjahre" durch die Worte „in jedem Rechnungsjahr" ersetzt werden. Das dient zur Klarstellung, daß während der Übergangszeit in jedem Falle der Bund dem Saarland hilft. Wir bitten um Zustimmung zu dieser Änderung.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag der Fraktion ,der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit komme ich zur Abstimmung über § 10 in der soeben geänderten Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 11 und § 12. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 13, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 2. — Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um unseren Antrag zu § 13 und auch zur Einfügung eines § 17 b zu verstehen, müssen wir uns noch einmal mit der Entwicklung des Saarlandes seit 1945, ja, ich möchte sagen, eigentlich seit 1935 beschäftigen. Ich will das nicht tun, um hieraus politische oder sogar außenpolitische Feststellungen zu den Verträgen oder zu ihrer Vorgeschichte oder auch zum Eingliederungsgesetz zu treffen, sondern ich möchte Ihnen nur noch einmal dringlich die Lage an der Saar schildern, und ich hoffe Ihnen dadurch die Annahme unserer Anträge leichter zu machen.
Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß das Saarland nicht aus freien Stücken seit 1945 eine andere wirtschaftliche und soziale Entwicklung genommen hat als die Bundesrepublik. Die Ursache dafür liegt, wie wir alle wissen, darin, daß das
*) Siehe Anlage 4.
Saarland die Folgen des verlorenen Krieges gegenüber Frankreich für Gesamtdeutschland getragen hat. Bei uns allen darf kein Zweifel darüber bestehen, daß die Menschen an der Saar das für Gesamtdeutschland getragen haben. Wir alle wollen und müssen mithelfen, um die Rückstände im Saarland aufzuholen. Wir wissen natürlich, daß das nicht ganz einfach ist und daß die Mühen groß sein werden, um den Wünschen der Menschen an der Saar gerecht zu werden.
Es war immer eines der Hauptargumente der Gegner der Wiedervereinigung des Saarlandes mit der Bundesrepublik, die mehr als ungute Behandlung der Menschen an der Saar nach 1935 in die Erinnerung zurückzurufen. Gerade weil viele Menschen noch wissen, wie es damals war, sollten wir alles daransetzen, daß die Erinnerung verschwindet und daß die Maßnahmen bei der Eingliederung der Saar die besonderen Bedingungen dort berücksichtigen. Das ist schon deswegen notwendig, weil, wie wir von dem Herrn Generalberichterstatter und aus den Einzelberichten wissen, das Saarland für die Übergangszeit ohnehin im Bereich des Währungsgebietes des Franken mit all den sich daraus ergebenden Folgen belassen wird. Diese besondere Lage zeigt sich natürlich besonders sinnfällig bei dem Abschluß von Tarifverträgen. Wir glauben, daß Bundesbahn und Bundespost überfordert sind, wenn wir ihnen den Abschluß zentraler Tarifverträge auch für das Saarland zumuten. Wir möchten bitten, die Tarifverträge für das Saarland nicht in die zentralen Regelungen einzubeziehen, sondern es für die Übergangszeit bei der Zuständigkeit der Oberpostdirektion und der Bundesbahndirektion in Saarbrücken für den Abschluß von Tarifverträgen zu belassen.
Ich darf, Herr Präsident, gleichzeitig den Antrag zu Abs. 6 begründen.
Meine Damen und Herren, die Bestimmungen des § 13 haben im Saarland eine große Rolle gespielt, und es ist mit Vorwürfen gegen die Regierung und auch gegen das hier vorgelegte Eingliederungsgesetz nicht gespart worden. Wir alle wissen, daß zu dieser Verbitterung auch manche Äußerungen beigetragen haben, die, selbst wenn sie nicht so gemeint waren, doch nach ihrem Wortlaut den Menschen an der Saar Anlaß zu Befürchtungen geben mußten.
Worin besteht nun im wesentlichen der Unterschied zwischen der Ausschußvorlage und unserem Antrag? Nach der Ausschußvorlage wird ein Gesetzesbefehl an die Bundesregierung gerichtet, während wir dem Beamten einen unmittelbaren Anspruch auf sein Gehalt zuerkennen wollen. Damit werden wir auch den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Besoldungsrechts gerecht, nach denen der Beamte einen klagbaren Anspruch auf sein Gehalt hat. Nun wird man sagen: Ja, aber nach dem Gesetz steht ihm das ohnehin zu, und der Bundesgesetzgeber — das ist auch in dem Bericht zum Ausdruck gekommen — entmachtet sich sehr, wenn wir hier eine solche Regelung einführen.
Meine Damen und Herren, das trifft den Kern der Sache nicht; denn, ob wir wollen oder nicht, in der Übergangszeit ist für die Gehälter der Beamten an der Saar nun einmal nicht die Höhe der Gehälter in der Bundesrepublik maßgebend, sondern die Höhe der Gehälter der Landes- und Gemeindebeamten, einfach deswegen, weil auch die Bundesbeamten im Wirtschaftsgebiet des Saarlandes leben. Man hat im Ausschuß von einer Entmachtung des Bundesgesetzgebers gesprochen. Meine Damen und Herren, wenn das die einzige Entmachtung wäre, dann wäre es wirklich nicht schlimm. Man sollte nicht mit solchen Argumenten bei den Beamten, die es betrifft, ein ungutes Gefühl aufkommen lassen.
Ich darf den Kollegen Walz, der im Ausschuß immer wieder mit beredten Worten die psychologische Seite der ganzen Frage angesprochen hat, zum Zeugen dafür anrufen, daß die psychologische Seite heute im Saarland eine große Rolle spielt. Tatsache ist doch, daß die Menschen in Sorge sind und daß bestimmte politische Gruppen diese Sorge benutzen und auch zum Teil eine Stimmung hervorgerufen haben, die — das will ich einmal grundsätzlich sagen — hoffentlich in jedem Fall unberechtigt ist, die aber natürlich nicht zuletzt dadurch bedingt ist, daß einiges aus den Vorverhandlungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister bekanntgeworden ist. Ich habe eine Fülle von Pressestimmen — ich will hier darauf verzichten, sie zu zitieren —, die die Sorge der Beamten an der Saar widerspiegeln. Wir haben die Pflicht, den Menschen zu helfen, damit sie, solange sie mit ihrer Familie im Währungsgebiet des Franken leben, die Zusicherung haben, daß sie einen persönlichen Rechtsanspruch auf ein angeglichenes Gehalt haben und daß sie nach den Notwendigkeiten des Wirtschaftsgebietes behandelt werden, in dem sie leben.
Die maßgebenden Politiker — das können wir heute mit lebhafter Freude feststellen — haben gestern abend in großem Verantwortungsbewußtsein den Schritt vollzogen, auf den wir alle mit soviel Freude gewartet haben. Diese verantwortungsbewußten Politiker an 'der Saar sind trotz aller Angriffe diesen Weg in der festen Überzeugung gegangen, daß der Deutsche Bundestag in jedem Falle das Vertrauen der Politiker an der Saar rechtfertigen wird. Sie haben es getan in der Hoffnung, daß wir uns heute bei unseren Beschlüssen der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Menschen an der Saar bewußt sind.
Um wen handelt es sich denn bei den Beamten der Bundespost und der Bundesbahn? Es handelt sich vor allem um Beamte des einfachen und des mittleren Dienstes, um Menschen, die mit ihrem Gehalt des Existenzminimum kaum überschreiten und die auf jeden Pfennig angewiesen sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß jede Verschlechterung vor allem im Hinblick auf die zahlreichen Eigenheimbauten, die insbesondere von Beamten der Post und der Eisenbahn in den letzten Jahren im Saarland erstellt worden sind, ihnen vielleicht die Früchte jahrelanger Arbeit und jahrelangen Sparens rauben könnte.
Ich möchte hier auf etwas hinweisen, was Ihnen vielleicht unbekannt ist, was uns aber die Entscheidung erleichtern sollte. Als 1918 Elsaß-Lothringen zu Frankreich kam, hat Frankreich allen Beamten ein Optionsrecht für ihre Rechtsstellung eingeräumt; die Beamten konnten selbst entscheiden, nach welchem Recht sie behandelt werden wollten. Wir sollten aus diesem Vorgang lernen, daß wir in einer großzügigen Weise für diese Menschen eintreten. Globalregelungen, wie sie die Regierung in § 16 für die Gesetzgebung vorschlägt, waren 1918 in Frankreich nicht bekannt, sondern die französische Nationalversammlung hat für jede Frage ein besonderes Gesetz verabschiedet. Die Gesetzgebung hat sich damals bis in das Jahr 1922
hingezogen, um ja den Belangen der Menschen in Elsaß-Lothringen gerecht zu werden.
Wir haben leider bei den Regierungsparteien keine Zuneigung für eine Änderung des § 16 gefunden. Trotzdem haben wir hier unsere Anträge wiederholt. Wir würden uns freuen, wenn das Hohe Haus sie annähme und damit den Wünschen und Sorgen der Menschen an der Saar entgegenkäme. Wir behalten uns vor, bei der Beratung zu § 16 unsere Anträge ausführlich zu begründen.
Ich möchte aber vor allem für die Abstimmung zu Abs. 6 zu bedenken geben, daß wir, meine Damen und Herren, heute auch beispielgebend für die Wiedervereinigung sein müssen, um für ein erhöhtes Vertrauen bei den Menschen der Zone zu werben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag ist aufgerufen, hier eine politische Entscheidung zu fällen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz mit dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion unter Ziffer 2 des Umdrucks 877*) befassen. In Ziffer 2 Buchstabe a beantragt die Fraktion der SPD eine Bestimmung, wonach während der Übergangszeit Tarifverträge von der Eisenbahndirektion Saarbrücken und der Oberpostdirektion Saarbrücken abgeschlossen werden. Dazu darf ich folgendes sagen.
Auf Grund des Postverwaltungsgesetzes — § 26 — schließt die Post die Tarifverträge generell ab, und auf Grund des Bundesbahngesetzes — § 25 und in Anlehnung an § 14 Abs. 5 — schließt die Bundesbahnhauptverwaltung, vertreten durch ihren Vorstand, diese Tarifverträge ab. Nun wollen Sie dieses Recht auf die Direktionen der Post und der Bahn delegieren. Ich glaube, das kann man aus zwei Gründen nicht tun.
Erstens würde man damit eine zusätzliche Erschwerung und Komplizierung der Verwaltung eintreten lassen. Denn praktisch würden die Dinge so laufen, daß sowohl die Eisenbahndirektion Saarbrücken wie die Oberpostdirektion Saarbrücken in jedem Falle bei ihren vorgesetzten Stellen Rückfrage halten. Sie sind ja mittelbare Behörden und der Dienstaufsicht ihrer vorgesetzten Stelle unterstellt; sie würden also, sagen wir das doch einmal ganz offen, auf Weisung ihrer vorgesetzten Stellen arbeiten. Ich meine aber — entschuldigen Sie das Wort —, wenn man schon zu Schmitz geht, dann soll man nicht zu Schmitzchen gehen.
Dann darf ich einen zweiten Gesichtspunkt ansprechen. Mir will scheinen, daß in diesem Änderungsantrag ein gewisses Mißtrauen laut wird. Ich möchte meinen, daß es im öffentlichen Dienst unbedingt notwendig ist, das Vertrauen auf beiden Seiten zu erhalten. Es besteht ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, und es muß bestehen, wenn der öffentliche Dienst gut funktionieren soll. Wenn man nun auf der einen Seite Bedenken haben sollte, muß ich sagen: Wer Land und Leute an der Saar kennt, der weiß, daß diese braven und pflichtbewußten Menschen auch im öffentlichen Dienst
*) Siehe Anlage 4. sicherlich das Vertrauen rechtfertigen, das wir in sie setzen. Auf der anderen Seite muß man aber auch sagen, daß die Verwaltungen sicherlich kein Interesse haben, hier Dinge zu machen, die nicht gut sind.
Darf ich weiter folgendes sagen. Die eine Verwaltung, die Bundesbahn, wird repräsentiert a) durch den Verwaltungsrat, b) durch den Vorstand. Im Verwaltungsrat sitzen Herren dieses Hauses, und gerade der Herr Vizepräsident des Verwaltungsrats gehört der Opposition an. Er ist sicherlich ein Mann, der in diesen Dingen Obacht gibt. Auch im Vorstand sitzt ein Mann, der aus diesen Reihen kommt und der sicherlich darauf bedacht sein wird, in der Zukunft diese Dinge gut zu regeln. Wir sollten doch hier die Dinge ruhig und sachlich sehen.
Das gleiche gilt für den Antrag Ziffer 2 Buchstabe b. Wir sollten nicht von vornherein mißtrauisch sein. Mißtrauen können wir im öffentlichen Dienst nicht gebrauchen, das möchte ich noch einmal sagen. Die vornehmste Pflicht des öffentlichen Dienstes ist ja doch, der Allgemeinheit zu dienen. Hier dürfen wir nicht mißtrauisch sein. Ich sehe deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren insbesondere von der Opposition, keinen rechten Grund für die Sorge, die Sie hier anklingen lassen. Ich weiß auch, meine Damen und Herren, aus Verhandlungen der letzten Tage, die mit Ihnen stattgefunden haben, daß Ihre Bedenken zu einem Teil gerade in diesem Punkt inzwischen nicht mehr so groß sind, und ich möchte Sie bitten, die Dinge sachlich zu sehen und nicht mit Mißtrauen zu begleiten.
Ich sehe also für mich und meine Freunde keine Notwendigkeit, dem Abänderungsantrag Umdruck 877 Ziffer 2 a und b zuzustimmen. Ich möchte bitten, es bei der Gesetzesvorlage zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Ersetzung des Wortes „sollen" durch das Wort „sind" ist im Ausschuß eingehend erwogen worden. Wenn hier von psychologischer und politischer Behandlung der Angelegenheit gesprochen wird, so dürfen wir doch auch die verfassungsrechtliche Seite hervorheben. Das Wort „sollen" verpflichtet zu einer regelmäßigen Handlung, wahrt aber auch die verfassungsrechtliche eigene Entscheidung und Entschließung des Bundes, der Bundesregierung und des Bundestages auch in bezug auf das Haushaltsrecht. Das ist der Grund, warum wir das Wort „sollen", das, wie gesagt, eine regelmäßige Verpflichtung in sich schließt, gewählt haben. Diese Entschließungsfreiheit, diese Entscheidungsfreiheit wollen wir dem Bund auch gegenüber dem jetzt heimgeführten Saarland wahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brück hat die Diskussion in eine Richtung gelenkt, die mir völlig unverständlich ist. Hier ist doch überhaupt
nicht die Rede davon, ob die Beamten besonders pflichteifrig sind oder nicht; das hat ja niemand bezweifelt. Ich weiß gar nicht, wie Sie überhaupt in diese Richtung gekommen sind. Was hier zur Diskussion steht, ist nicht eine Sache des Vertrauens oder des Mißtrauens, sondern vor allem eine Frage der Zweckmäßigkeit.
Sie haben so oft schon von Verwaltungsvereinfachung, von Delegation usw. gesprochen. Aber wenn es einmal darauf ankommt, die ortsnahe Verwaltung mit einer Aufgabe zu betrauen, sagen Sie sofort, das müsse zentral geregelt werden.
Sie haben hier das Bundespostgesetz und das Bundesbahngesetz angezogen. Als diese beiden Gesetze geschaffen wurden, hat doch kein Mensch daran gedacht, daß es einmal ein Bundesland geben würde, das einem Wirtschaftsgebiet außerhalb der Bundesrepublik angehört. Gerade weil dieses Bundesland in der Übergangszeit außerhalb unseres Wirtschaftsgebietes steht, wird eine Fülle von Problemen entstehen, die in Ortsnähe viel besser und zweckmäßiger bearbeitet werden können, als wenn wir alles zentral in Frankfurt oder in Bonn regeln.
Ich möchte Sie im Hinblick auf die so oft zitierte
Verwaltungsvereinfachung und das Prinzip der
Delegation bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst zuwenden. Meine Damen und Herren, wenn das Haushaltsrecht zitiert wird, dann gruselt es mir immer. Wir hatten ja gerade gestern eine Haushaltsberatung, und wie die Mehrheit des Hauses sich in Etatfragen oft auch im voraus festlegt, das hat mein Kollege Schmidt sehr anschaulich dargelegt. Hier geht es doch um folgendes. Das Wort „angleichen" ist, Herr Kollege Kleindinst — darüber sind wir uns alle klar —, ein unbestimmter Rechtsbegriff, und dadurch, daß wir statt „sollen angeglichen werden" sagen: „sind anzugleichen", wird die Bestimmtheit nicht stärker. Aber wir geben mit der Ist-Vorschrift den Menschen an der Saar das Gefühl, daß der Deutsche Bundestag in jedem Falle die Schwankungen, die sich aus der besonderen Lage in dem dortigen Wirtschaftsgebiet ergeben, berücksichtigen muß und daß es sich nicht nur um einen Befehl 'an den Gesetzgeber, an die Bundesregierung handelt, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen, über das dann hier erst noch entschieden werden muß. Wir waren uns im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung alle darüber im klaren, daß ohnehin das Wort „angleichen" auch für die Bundesregierung noch einen Spielraum läßt. Ich möchte Sie daher doch noch einmal auch im Hinblick auf die an der Saar entbrannte Diskussion bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Forderung, die hier der Kollege Schmitt zu § 13 Abs. 2 aufgestellt hat, fehlt nicht nur jedes Bedürfnis, sondern sie entbehrt auch jeder Zweckmäßigkeit.
Hier wird doch einfach gefordert, daß das Tarifvertragsrecht von den höchsten Behördenleitern auf den Präsidenten der Oberpostdirektion delegiert werden soll.
— Aber Herr Kollege Schmitt , was bedeutet denn das? Damit stehen doch die Vertreter der Arbeitnehmer einem mittelbaren Tarifvertragspartner gegenüber, der gar kein eigenes Etatrecht hat, der in seinen Entschlüssen jedesmal abhängig, und zwar nach wie vor abhängig ist von den Weisungen des Bundespostministers, weil der Bundespostminister allein für den Etat verantwortlich ist.
Dadurch würde sich doch einfach die Praxis entwickeln, daß die Arbeitnehmervertreter sich nach wie vor an den Bundespostminister wenden werden, und damit ist doch gar nichts gewonnen. Es zeigt sich doch auch immer wieder das Bedürfnis — das spüren wir doch jeden Tag aufs neue —, daß die Vertreter von Forderungen möglichst weit nach oben vorstoßen wollen, um ihre Sorgen und Wünsche unmittelbar vorbringen zu können. Der Kollege Brück hat auch darauf hingewiesen, daß Sie doch gerade im Verwaltungsrat, in dem Sie stark vertreten sind, die Möglichkeit haben, darüber zu wachen, daß hier eine Benachteiligung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Saargebiet, soweit der Bund dafür verantwortlich ist, nicht auftritt. Ich sehe also weder ein Bedürfnis noch irgendeine Zweckmäßigkeit für diese Regelung und bitte Sie deshalb, den Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 877*) Ziffer 2 Buchstabe a. Das ist die Ergänzung des § 13 Abs. 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse sodann abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 877 Ziffer 2 Buchstabe b. Das ist die Änderung in § 13 Abs. 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 13 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 14 und 15. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen angenommen.
`) Siehe Anlage 4.
Ich rufe auf § 16 und dazu die Änderungsanträge auf Umdruck 877 Ziffer 3 und Umdruck 883. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung war so ,.freundlich", die Einführung von Bundesgesetzen im Saargebiet durch Rechtsverordnung in § 16 der Regierungsvorlage damit zu begründen, daß dadurch dem Parlament die Arbeit erleichtert werde. Sie war auch der Meinung, daß die Einschaltung des Bundesrats nicht erforderlich sei.
Unsere grundsätzlichen Bedenken gegen ein solches Verfahren hat meine Fraktion bereits im Ausschuß zum Ausdruck gebracht. Ich will sie hier nicht wiederholen. Die Ausschußvorlage hat den Bedenken der Opposition aber wenigstens teilweise Rechnung getragen, in dem sie vorsieht, daß Rechtsverordnungen, die sich auf Bundesgesetze beziehen, die der Zustimmung des Bundesrates bedurften, zustimmungspflichtig sind. Allerdings ist es der Opposition nicht gelungen, der in § 16 Abs. 2 vorgesehenen Anhörung der Saarregierung vor Erlaß einer Rechtsverordnung insofern ein größeres Gewicht zu verleihen, als im Falle des Widerspruchs der Regierung des Saarlandes die Einführung von geltendem Bundesrecht im Saarland nur auf dem Wege der Bundesgesetzgebung erfolgen könnte. Mit Umdruck 877 Punkt 3*) stellen wir diesen Antrag und bitten Sie, folgende Gesichtspunkte dabei zu berücksichtigen.
Die Diskussion im Saarland in den letzten Wochen hat gezeigt, daß gewissen Kreisen daran lag, bestehende Unruhe in der Bevölkerung über die Entwicklung nach dem 1. Januar 1957 noch zu fördern. Erfreulicherweise — und ich möchte beinahe sagen: selbstverständlich — war die Mehrzahl der politischen Kräfte absolut verständnisvoll und staatspolitisch verantwortungsvoll. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das Saarland währungs- und wirtschaftspolitisch eine völlig andere — und unvergleichbare — Entwicklung durchgemacht hat als jedes andere Land der Bundesrepublik. Die Eingliederung auf allen Gebieten ist sehr behutsam vorzunehmen und bedarf in den entsprechenden Gesetzen der vollen Unterstützung des Bundestages, um hier von einer breiten Vertrauensbasis getragen zu sein. Gerade aus diesem Grunde sollte man der Saarregierung, die gewisse Bedenken anmeldet, keine Schwierigkeiten bereiten, die Einführung von Bundesrecht im Interesse der Saarbevölkerung eingehend und sachlich prüfen zu können und über die bloße Anhörung hinaus das gesamte Bundesparlament einzuschalten. Ich glaube, das ist um so leichter zu erreichen, als der Normalfall eben de .sein wird, diese Gesetze auf dem Verordnungswege im Saarland einzuführen. Aber in Zweifelsfällen sollte man das ganze Parlament einschalten, um der saarländischen Regierung eine gewisse Rückensicherung zu geben.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Ich darf, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis auch gleich den Antrag Umdruck 883**) zu § 16 begründen. Mit diesem Antrag möchten wir dem § 16 einen Abs. 4 hinzufügen. Der Innenminister hat zwar schon erklärt, daß alle Bundesgesetze, die in diesem Jahr verabschiedet werden, auch noch vor dem 31. Dezember 1956 verkündet werden sollen.
s) Siehe Anlage 4.
**) Siehe Anlage 7.
Meine Fraktion möchte aber doch zu bedenken geb en, daß irgendwelche unvorhergesehenen Verzögerungen eintreten könnten und dann diese Gesetze doch erst nach dem 1. Januar 1957 in Kraft treten. In diesem Fall wäre es wünschenswert, wenn diese sich für das Saarland ergebenden Fragen hier noch einmal besprochen werden könnten.
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, der Einfügung des Abs. 4, der da heißt:
Bundesgesetze, die vor dem 31. Dezember 1956 verabschiedet worden sind und nach dem 1. Januar 1957 verkündet werden, treten im Saarland nur nach Maßgabe der Vorschriften der Absätze 1 bis 3 in Kraft
ebenfalls zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beantragte Anfügung an § 16 würde die Einführung von Bundesrecht im Saarland unnötig erschweren. Es ist beabsichtigt, daß sich die Bundesregierung und die saarländische Regierung vor dem Erlaß der Rechtsverordnungen gegenseitig ins Benehmen setzen. Sollte in einem wesentlichen Falle eine Übereinstimmung nicht erzielt werden, so steht es dem Bundesgesetzgeber frei, sich jederzeit einzuschalten und im Wege der Bundesgesetzgebung eine Regelung zu treffen. Ich halte die beiden Anträge für entbehrlich und bitte, sie abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über Ziffer 3 des Antrags der Fraktion der SPD Umdruck 877*) abstimmen, demzufolge in § 16 ein Abs. 3 eingefügt werden soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 883**), demzufolge dem § 16 ein Abs. 4 — es wäre jetzt allerdings dann ein Abs. 3 — anzufügen ist. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 16 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 17 sowie § 17 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe die Anträge Umdrucke 879***) und 877*) Ziffer 4 auf, nach denen ein § 17 b eingefügt werden soll. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe nicht mit sehr viel Mut hier herauf, nachdem wir gesehen haben, daß sogar redaktionelle Anträge wie der zu § 16 Abs. 4 von Ihnen abgelehnt werden. Wenn ich das noch mit der Rundfunkmeldung von heute morgen in Zusammenhang bringe, wonach Sie geschlossen ohne Fraktionszwang alle unsere Anträge ablehnen werden, dann können Sie sich denken, wie es jemandem zumute ist, der hier Anträge vor Ihnen begründen muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für unseren Antrag unter Ziffer 4 gilt das — und es gilt sogar noch in erhöhtem Maße —, was ich bereits zu § 13 ausgeführt habe. Während es sich ja bei unseren Anträgen zu § 13 nur um eine kleine Gruppe von Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes — nämlich um die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Bundespost und der Bundesbahn — handelt, geht es hier um die wirtschaftliche und soziale Stellung aller arbeitenden Menschen an der Saar. Das ist in einem so hochindustrialisierten Gebiet der größte Teil der Bevölkerung, so daß gerade dieser Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und der Antrag der Freien Demokraten besonderes Gewicht haben. Sozialer Besitzstand, meine Damen und Herren, ist, wie im Ausschuß gesagt worden ist, kein bestimmter Rechtsbegriff. Aber ich hoffe doch, daß es niemand in diesem Hause gibt, der nicht weiß, was die Menschen an der Saar heute darunter verstehen.
Es sind die Rechte der Arbeiter und Angestellten, der Rentner und der Kriegsbeschädigten, die nach dem geltenden Recht im Saarland günstiger sind und bei denen die leistungsmäßige Seite dieser Rechte besser als bei uns in der Bundesrepublik ist. Schon vor den Wahlen im Jahre 1955 haben Abgeordnete aller Parteien des Deutschen Bundestages in klarer Erkenntnis der bei einer Eingliederung sich ergebenden Probleme in vielen Versammlungen inner- und außerhalb des Saarlandes erklärt, daß der soziale Besitzstand der Menschen an der Saar erhalten bleiben müsse. Ich darf auch hier auf das Beispiel Elsaß-Lothringens verweisen, wo die französische Regierung damals die deutsche Sozialversicherung hat weiter bestehen lassen, soweit dadurch eine günstigere Regelung für den einzelnen bestand.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dabei hatten sowohl der Herr Bundeskanzler
als auch meine Kabinettskollegen ernste Bedenken gegen den Schlußsatz des dritten Absatzes der Verlautbarung .
Der Herr Bundesarbeitsminister fügt hinzu — man kann eigentlich nur lächeln über diese Art —:
Ich würde Ihnen deshalb sehr dankbar sein, wenn Sie bei der zukünftigen Verwendung unserer Verlautbarung diesen Satz weglassen würden.
Mit diesem Brief war praktisch eigentlich alles Vereinbarte gegenstandslos, und ich frage mich, warum der Herr Bundesarbeitsminister überhaupt eine solche Verlautbarung mit dem saarländischen Arbeitsminister herausgegeben hat. Es sind dann am Mittwoch dieser Woche noch einmal Verhandlungen geführt worden, die nach Mitteilung des Bundespresseamtes erneut zu einem Kabinettsbeschluß geführt haben, den ich Ihnen im Wortlaut zitieren möchte, damit Sie sehen, wie völlig unzureichend dieser Kabinettsbeschluß die Belange der Menschen an der Saar berücksichtigt. Es heißt darin:
Im Saarland gelten zur Zeit für die Gewährung von Lohn- und Sozialleistungen andere, dem deutschen Recht fremde Systeme.
Das ist auch nur bedingt richtig und soll von dem eigentlichen Sachverhalt ablenken.
Es ist daher notwendig, in der Zeit zwischen der politischen und wirtschaftlichen Eingliederung eine Angleichung im System vorzunehmen, um der Saar nach ihrer Eingliederung die Vorteile der deutschen Regelung auch voll zuteil werden zu lassen. Eine Verschlechterung der sozialen Gesamtleistungen
— und hier, meine Damen und Herren, bitte ich besonders aufzumerken —wird hierdurch weder bedingt, noch ist sie beabsichtigt.
Mit einer solchen Erklärung ist niemandem geholfen — darüber sind wir uns alle klar —, denn sie geht an dem Sachverhalt vorbei. Niemand hindert die Bundesregierung daran, Verbesserungen an der Saar einzuführen — weder wir noch die Menschen an der Saar; sie werden von uns in diesem Hause immer begrüßt werden —, aber das Arbeits- und Sozialrecht an der Saar bringt doch unbestritten günstigere Regelungen, und um deren Erhaltung geht es uns. An dieser Frage geht die Erklärung des Bundeskabinetts völlig vorbei.
Wir wollen keine Vereinheitlichung um jeden Preis. Man kann auch die Eingliederung des Saarlandes nicht mit der Bildung der Bundesrepublik und der Angleichung des Rechts innerhalb der früheren Besatzungszonen vergleichen. Dafür ist das Saarland allzusehr einen besonderen Weg auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet gegangen. Das muß heute berücksichtigt werden.
Leider ist unser Antrag auf Einfügung eines § 17 b im Ausschuß abgelehnt worden und hat seinen Niederschlag nur in einem Entschließungsantrag gefunden. Mit Entschließungen und mit Erklärungen ist den Menschen an der Saar nicht gedient. Sie dürfen doch nicht glauben, meine Damen und Herren, daß das, was sich in den letzten Jahren in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Rentenreform und der Kriegsopferversorgung ereignet hat, im Saarland unbekannt geblieben sei!
Die Menschen an der Saar wissen auch, wie groß die Diskrepanz zwischen den Versprechungen, Zusagen, Entschließungen und Empfehlungen einerseits und der sozialen Wirklichkeit hier bei uns andererseits ist.
— Ich habe hier, Herr Kollege Hellwig, ein Telegramm der Kriegsopferverbände an der Saar; Sie werden ja in diesen Tagen auch eine Reihe von Zuschriften bekommen haben.
Wir können die Beunruhigung, die eingetreten ist, heute nur durch eine klare Entscheidung beseitigen. Das muß Ihnen um so leichter fallen, als Sie, wenn Worte einen Sinn haben, dasselbe wollen wie wir.
Ich möchte deshalb bitten: helfen Sie durch Annahme unseres Antrags, den Menschen an der Saar eine klare Rechtsgrundlage zu geben. Wir leisten damit nicht zuletzt auch der Wiedervereinigung einen guten Dienst.
Ich beantrage im Namen der sozialdemokratischen Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ganz selbstverständlich, daß es, wenn die Saar in das Bundesgebiet eingegliedert werden soll, sehr schwierige arbeitsrechtliche, sozialpolitische und auch fürsorgerische Fragen gibt. Die Entwicklung an der Saar war dadurch, daß sie seither politisch, aber auch währungspolitisch und wirtschaftspolitisch in den französischen Bereich eingegliedert war, anders als bei uns. In der Zeit, als wir bei uns in Deutschland 2 Millionen Arbeitslose hatten, gab es an der Saar keine Arbeitslosen. In der Zeit, als wir im Bundesgebiet annähernd 10 Millionen Flüchtlinge eingliedern mußten, war eine derartige Aufgabe an der Saar nicht gegeben.
Nun stehen wir vor der erfreulichen Entwicklung, daß unsere Brüder und Schwestern an der Saar zu uns zurückkehren, leider im Anfang nur politisch. Wir haben es also in Wirklichkeit bei dem auf uns Zukommenden mit drei besonderen Daten und Tatbeständen zu tun. Am 1. Januar erfolgt die politische Eingliederung. Dabei sind wir uns wohl alle klar, daß alle Leistungen, die seither an der Saar finanziell gegeben wurden, auch weiter so gewährt werden müssen, weil die Saar ja auch steuerpolitisch vorläufig nicht eingegliedert wird.
Soweit es sich um die arbeitspolitischen und sozialpolitischen Fragen handelt, stehe ich mit dem Arbeitsminister an der Saar schon so lange in Verbindung, wie es die neue Saarregierung gibt. Der Herr Kollege Conrad und ich waren uns immer wieder darüber völlig im klaren, daß man alle die Probleme, die hier auftreten, gemeinschaftlich behandeln muß.
Dafür ist es erst einmal notwendig, daß man eine ganz klare Ubersicht über die Tatbestände hier und dort hat. Unsere Sachbearbeiter der beiden Ministerien haben diese Gegenüberstellung in monatelanger Arbeit fertiggestellt. Ich stehe gar nicht an, zu sagen, daß jedes interessierte Mitglied dieses Hohen Hauses diese Unterlage von uns bekommen kann. Denn wir werden uns in der Zukunft noch sehr oft mitdiesen Dingen zu beschäftigen haben; darüber bin ich mir völlig im klaren.
Aber man muß letzten Endes auch davon ausgehen, daß arbeitsrechtlich an der Saar andere Verhältnisse bestehen als bei uns. Herr Conrad sagt, bei ihm im Saargebiet sei ein Gesetz über das Tarifvertragswesen fertiggestellt, und es werde am 1. April kommenden Jahres wirksam werden, ein Gesetz, das wörtlich das Tarifvertragsrecht aus unserem Tarifvertragsgesetz übernimmt. Damit kommen wir schon vor ganz neue Tatbestände. Der Staat hat dann nicht mehr in die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen mit einzugreifen, sondern diese unterliegen der Eigenverantwortlichkeit der Sozialpartner. Sie wissen ja, daß sich die Arbeitgeberverbände an der Saar mit den Arbeitgeberverbänden in der Bundesrepublik bereits zusammengeschlossen haben. Bei den Gewerkschaften sehen Sie genau dasselbe Bestreben. Die sogenannten freien Gewerkschaften an der Saar sind heute bereits Bestandteil des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Damit kommen wir meines Erachtens in die echte Diskussion über die zukünftige Gestaltung der Lohnbedingungen überhaupt.
Wenn Sie sich heute die Systeme ansehen, finden Sie bei uns im wesentlichen den Leistungslohn, während an der Saar durch die Kindergeldgesetzgebung mehr ein Familienlohn gegeben ist. Die Dinge laufen auseinander. Wir haben ein Kindergeldgesetz.
— Ob das gut oder schlecht ist, ist in der Gegenüberstellung doch nicht das Entscheidende,
sondern das Entscheidende dabei ist, daß der Mensch, der ernst an den Dingen arbeitet, weiß, was ist.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt die Frage an die Sozialpartner an der Saar: wollen sie in der Zukunft nach 'der in der Bundesrepublik geltenden Ordnung einen Leistungslohn, oder wollen sie einen Familienlohn? Das liegt ganz und gar bei den Verantwortlichen, und das sind dort die Sozialpartner. Denn darüber sind Sie sich doch wohl vollständig klar, daß eine Lohneinheit nicht gebildet werden kann, wenn die eine Seite 12 % des Lohnes vorweg an Familienausgleichskassen zahlen muß.
Das sind Probleme, die vor uns stehen, und da sollten wir uns im politischen Raum meines Erachtens nicht allzusehr ereifern, sondern es erst einmal den Sozialpartnern überlassen, von sich aus eine Meinung zu bilden. Ob wir sie dann politisch anerkennen, ist etwas ganz anderes.
— Die Erklärung? Lesen Sie die Erklärung doch
mit offenen Augen, und Sie finden, daß der Be-
stand, der zur Zeit an der Saar gegeben ist, am
1. Januar nicht geändert wird, sondern er bleibt so.
Dann kommt die zweite Periode: die Zeit des Übergangs. Auch hier sind wir uns völlig einig darüber, daß der gesetzgeberische Stand nicht über diese zweieinhalb oder drei Jahre bestehen wird. Sowohl bei uns als auch an der Saar wird man auf Grund der gegebenen Verhältnisse eine Weiterentwicklung haben. Sie wissen, daß das bei uns auf dem Gebiet der Rentenversicherung der Fall ist. Sie wissen, daß wir vor der Frage stehen, unser Kindergeldgesetz einer Überprüfung und Neuordnung zu unterziehen.
— Meine Damen und Herren, ich verstehe Sie wirklich nicht; Sie haben das doch in einer Entschließung verlangt, nachdem im vergangenen Jahr das Schlußgesetz gemacht worden ist. Und Sie sollten sich doch darüber freuen, wenn die Vorlagen nun auch entsprechend Ihren Beschlüssen erarbeitet werden.
Zur Zeit besteht auf sozialpolitischem Gebiet überhaupt keinerlei Gefahr. Der verantwortliche Minister an der Saar und ich sind uns darüber einig, daß wir in der Zwischenzeit bei der Fortentwicklung der Gesetzgebung so eng zusammenarbeiten wollen, daß sie in der Übergangszeit das Recht nicht mehr auseinanderlaufen läßt, sondern zusammenführt. Das ist doch der Sinn der Verlautbarung.
— Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihnen keine Antwort gebe; diese Zurufe kann ich hier nicht verstehen. Es wäre viel besser, man stellte eine Zwischenfrage oder meldete sich als Redner zu Wort.
Wir kommen dann zu der dritten Phase, zu der endgültigen Eingliederung der Saar nicht nur im politischen, sondern auch im währungs- und wirtschaftspolitischen Raum. Wenn es uns gelingt, in der Zwischenzeit die ganze Gesetzgebung auf beiden Seiten so zu beeinflussen, daß die heute bestehende Lücke auf der einen Seite zugunsten der Einwohner der Bundesrepublik, auf der anderen Seite zugunsten der Leute an der Saar geschlossen wird, wenn es uns also gelingt, die Dinge zusammenzuführen, dann ist es bei der endgültigen Eingliederung der Saar sehr leicht. Wir sollten unsere ganze Tätigkeit in den nächsten Jahren darauf einstellen. Ich bin der Überzeugung, daß uns dies gelingt, wenn nur bei allen der gute Wille vorhanden ist.
Nun ein ganz kurzes Wort zu dem Brief, den ich an den Arbeitsminister an der Saar geschrieben habe. Wir hatten uns zusammengesetzt und eine gemeinschaftliche Verlautbarung erarbeitet. Dabei ist ganz klar ersichtlich, daß das, was im dritten Absatz gesagt worden ist, für die zweite Phase sehr wohl maßgebend sein kann. So hatten wir es gemeint. Man kann es allerdings auch so lesen, wie wenn es für die Endphase bestimmt sei.
Ich habe diesen meinen Brief dem Herrn Kollegen Conrad am 5. geschrieben, und er ist bestimmt am 6. an der Saar angekommen. Der Herr Kollege Conrad hat mir gesagt, er habe ihn erst am 10. abends bekommen. Nichts wäre leichter gewesen, als daß dann der Herr Kollege Conrad zu mir gekommen wäre oder mir auch nur telefoniert und gesagt hätte: der Schlußsatz in dem Abs. 3 ist, wie er es
jetzt auch hier erklärt hat, nur für die Übergangszeit gedacht. Dann hätte ich gesagt: Herr Kollege Conrad, schicken Sie mir den Brief zurück, denn wir sind uns völlig einig.
Sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren, so ist infolge unglücklicher Umstände, weil ich nämlich vorgestern nicht in Bonn, sondern in Luxemburg gewesen bin, ein Wirbel entstanden, der meines Erachtens nicht notwendig gewesen ist; denn bisher ist es bei uns in der Bundesrepublik zwischen den Arbeitsministern der Länder und dem Arbeitsminister des Bundes nicht üblich gewesen, einen Briefwechsel zu veröffentlichen, ohne daß man sich vorher noch einmal über die Dinge ausgesprochen hatte.
— Ich will Ihnen nur eins sagen: selbst diese Vorgänge haben dem guten Einvernehmen zwischen Herrn Conrad und mir keinen Abbruch getan.
Ich habe Verständnis für seine Situation. Er hat aus dem Brief etwas anderes gelesen, als eigentlich damit gemeint war, und das nehme ich ihm nicht übel.
— Nun ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, im politischen Raum werden Briefe so und so kommentiert, das wissen Sie, selbst in Ihren eigenen Reihen.
Deshalb bin ich der Meinung, Sie sollten in das Gesetz heute auf keinen Fall eine Bestimmung einbauen, die die organische Eingliederung und die organische Fortentwicklung der Gesetzgebung auf der einen oder auf der anderen Seite hemmen oder beeinflussen könnte.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Friese-Korn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich mit der Begründung unseres Antrages auf etwas offenere Ohren stoße, als sie Herr Kollege Schmitt für seinen Antrag vermutet hat, zumal es sich in unserem Antrag nur um ein Recht für die Empfänger von Sozialleistungen handelt. Meine Herren und Damen, wir halten es nicht nur für unsere Ehrenpflicht, sondern auch für eine notwendige Anerkennung der besonderen Verhältnisse an der Saar, daß in dem Eingliederungsgesetz die Wahrung des Besitzstandes der Beamten, Angestellten, Arbeiter und der Empfänger von Sozialleistungen geregelt wird. Unser Antrag bezieht sich allerdings nur auf die Empfänger von Sozialleistungen, weil wir der Meinung sind, daß in diesem Gesetzentwurf bereits durch die Hinzufügung des Abs. 6 in § 13 durch den Ausschuß für innere Verwaltung die Rechte der künftigen Bundesbeamten in dem von uns gewünschten Sinne geregelt werden. Wir sind ferner der Meinung, daß die Beamtenrechte der Landesbeamten genauso einer landesgesetzlichen Regelung unterliegen wie die der Landesbeamten anderer deutscher Bundesländer, und wir möchten, daß dieses Eigenrecht auch erhalten bleibt, zumal
auch die Beamtengesetze der übrigen Länder durchaus verschieden sind. Noch viel mehr stehen die tarifvertraglichen Bestimmungen für Angestellte und Arbeiter nach unserer Ansicht außerhalb der Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung. Deren Regelung müssen wir den Tarifpartnern überlassen, wie es allezeit unsere Meinung war und wie es ja auch der Wunsch der Tarifpartner ist.
Mit Entschiedenheit halten wir es aber für notwendig, daß der Besitzstand der Empfänger von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung gewahrt wird. Wir legen besonderen Wert darauf, daß sich die Wahrung des Besitzstandes nicht nur auf die bereits fälligen und errechneten Renten bezieht, sondern auch auf die bereits erworbenen Rechtsansprüche, allerdings nur für die, die bis zum 1. Januar 1957 bestanden haben.
Meine Herren und Damen, wir halten diese Einfügung in das Gesetz für so dringend notwendig und die Entscheidung darüber für eine so außerordentlich politische Frage, daß auch wir die namentliche Abstimmung über unseren Antrag Umdruck 879 beantragen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist eine etwas bedrückende Angelegenheit für einen Menschen, der selber aus einem Gebiet Deutschlands kommt, in dem Deutsche jahrelang den Wunsch nach dem Anschluß und das Gefühl dafür gehabt haben, was der Anschluß an das größere Vaterland bedeutet. Es ist ein bedrückendes Gefühl, daß wir die erste Auseinandersetzung um das Recht an der Saar nun in einem Gespräch führen müssen, bei dem keine einheitliche Meinung in diesem Hause herrscht. Ich glaube, es sollte uns alle zutiefst bewegen, daß nun etwas ganz Natürliches geschieht, auf das wir alle Jahr und Tag gehofft haben: daß das Saarland wieder als ein Teil der Bundesrepublik bestätigt ist, der es in unseren Augen und in unseren Herzen immer gewesen ist. Der Anwendungsbereich des Grundgesetzes wird sich auf das Saarland erstrecken.
Es ist kein Zweifel— insofern stimme ich dem Herrn Arbeitsminister zu —, daß die schwierigsten Probleme des Anschlusses auf dem Gebiet der Lohn-und Sozialpolitik liegen werden. Wir glauben aber, daß die Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Situation zwischen dem Land an der Saar und den übrigen Ländern des Bundesgebietes nicht so groß sind, als daß eine Anpassung an ein einheitliches Bundesrecht zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich wäre. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß wir alle helfen wollen, die großen, schwierigen Probleme — ich denke da nur an die frühzeitige Invalidität der Berg- und Hüttenarbeiter an der Saar — mit zu lösen. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß genau wie damals in Berlin, als die Berufsgenossenschaften des Bundesgebiets mit der Solidarhaftung eingegriffen und wir die Unfallversicherung wiederhergestellt haben, auch hier für die Knappschaft die große Risikogemeinschaft aller Deutschen Wirklichkeit werden wird.
Wir wissen auch, daß der Saarhaushalt diese Lasten und die dazu notwendigen Zuschüsse allein nicht wird tragen können. Hier geht es um eine große gemeinsame Aufgabe. Aber das kann doch nicht Anlaß sein für parteipolitische Auseinandersetzungen oder für irgendwelche Anträge, bei denen man dann aus dem Ergebnis einer namentlichen Abstimmung etwa folgert: Der eine ist für die Arbeitnehmer und für die Beamten an der Saar und der andere ist, wenn er einen vernünftigen, der Gesetzgebung entsprechenden Standpunkt einnimmt, dagegen.
Ich habe es an dieser Stelle so oft gesagt: sozialpolitische Beschlüsse sind niemals Entscheidungen für eine Stunde, auch nicht für wahlpolitische Auseinandersetzungen, auch dann nicht, Herr Kollege von der SPD, wenn die Parteien an der Saar das im Wahlkampf versprochen haben. Über den Wert der „Errungenschaften der französischen Sozialpolitik" — ich meine Errungenschaften in Anführungszeichen, weil ich ihre Kosten, ihren Preis kenne — haben sich ja auch die Arbeiter und Angestellten an der Saar eine klare Meinung gebildet. Nur bei einem gemeinsamen Wohlstand in der Bundesrepublik, von der die Saar ein Teil, und zwar ein unlösbarer Bestandteil ist und für alle Zukunft sein soll, wird es möglich sein, allen deutschen Arbeitern und Angestellten einschließlich der Beamten die gleichen Chancen, die gleichen Möglichkeiten und das gleiche Recht zu geben. Ich glaube, die Menschen an der Saar sind davon überzeugt, daß nur die gleiche wirtschaftliche Chance auch die Garantie für die gemeinsame Sozialpolitik ist.
Deshalb sollten wir doch die Probleme, die sich aus dem Wechselkurs und dem wirklichen Kaufkraftverhältnis der Löhne und Leistungen ergeben, die Probleme der Lohn- und Sozialpolitik an der Saar so ruhig und so sachlich diskutieren, wie wir sie auf der Grundlage des jetzigen Vertrags allein diskutieren dürfen. Wir sollten — ich warne die Kollegen, die das tun— keinen Zweifel in den Willen zum Helfen und in das Wollen zur gemeinsamen Sozialpolitik setzen.
In der jetzigen Phase ist es Sache des Landtages an der Saar, Beschlüsse zu fassen, und die verantwortlichen Abgeordneten an der Saar müssen sich darüber klar sein, daß ihre Beschlüsse möglichst jetzt schon in Übereinstimmung mit dem einheitlichen Wollen der deutschen Menschen im ganzen Bundesgebiet gebracht werden sollten.
Hier ist auf die Höhe des Sozialetats an der Saar hingewiesen worden. Meine Herren und Damen, die Höhe des Sozialetats an der Saar sagt über die Wirklichkeit der sozialen Leistungen und ihre Wirkung für den einzelnen genauso wenig aus wie die Höhe des Sozialetats in anderen Ländern. Der Kollege der SPD hat auf Elsaß-Lothringen hingewiesen und uns aufgefordert, doch recht großzügig zu sein. Meine Herren und Damen, es ist immer eine gefährliche Sache, Modelle der Sozialpolitik mit Aufforderungen zu errichten, die nie mehr reparabel sind, noch dazu mit emotionellen Begründungen, die, was so ungeheuer gefährlich ist, Zündstoff und Anlaß zu fortgesetzten politischen Auseinandersetzungen geben, die unnötig sind. Die Erfahrungen mit dem Berliner Sozialversicherungsrecht, die bedauerliche Erfahrung, daß wir heute nach zwölf Jahren noch keine Rechtseinheit im Bundesgebiet und Berlin haben, sollten alle unsere
' Freunde an der Saar abschrecken, sich etwa auf eine gleiche Auseinandersetzung einzulassen. Die Gespräche bei jeder Kabinettsbildung in Berlin sollten genauso abschreckend sein.
Es ist mit Recht gesagt worden: „Sozialer Besitzstand" ist kein besonderer Begriff. Ich will mich jetzt mit Ihnen nicht darüber unterhalten, was in unserer Generation „sozialer Besitzstand" für die Millionen Heimatvertriebener und derjenigen, die keine Chance mehr haben, an dem Erfolg unserer Wirtschaft teilzuhaben, bedeutet. Aber ich warne auch alle diejenigen, die immer wieder glauben, daß man Wahlversprechungen machen und Gespräche führen kann, ohne deren Inhalt nachher einhalten zu müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man sollte auch Briefe so schreiben, daß sie nicht unterschiedlich kommentiert werden können.
Man sollte immer sehr deutlich sagen, was man will, was man kann und was man zur Zeit noch nicht kann oder noch nicht will. Im übrigen, meine Kollegen und Kolleginnen, erwecken Sie nicht durch Versprechungen Hoffnungen, die zu erfüllen nicht die Aufgabe des Bundestages in dieser Stunde ist und kein kann!
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat uns gesagt, daß er uns die Vergleiche zur Verfügung stellen will. Nun, ich glaube, die verantwortungsbewußten Sozialpolitiker in diesem Hause in allen Fraktionen haben sich längst mit diesen Vergleichen beschäftigt. Wir wissen selbstverständlich, daß Sozialpolitik nicht ohne Ansehen der Steuerpolitik, der Währungspolitik und der Wirtschaftspolitik gemacht werden kann. Das gilt für die Saar genauso gut wie für die ganze Bundesrepublik.
Worum handelt es sich denn bei den Gesprächen um die Lohnpolitik? Es handelt sich in Wirklichkeit darum, daß an der Saar ein Teil der Lohnsumme abgezweigt wird und als Familienzulage neu verteilt wird. Ohne die Familienzulagen sind die Löhne an der Saar wesentlich niedriger als in vergleichbaren Gebieten. Aber bei einem Lohnvergleich zwischen dem Familienlohn an der Saar und dem Reallohn an der Ruhr werden die Leute von der Saar, wenn ihre Gewerkschaften die Lohnpolitik des Bundesgebiets betreiben werden, immer im Vorteil sein.
Ich gebe Frau Friese-Korn recht, daß das Recht der Landesbeamten den Ländern erhalten bleiben sollte. Ich freue mich über dieses Bekenntnis zu einem gesunden und natürlichen Föderalismus. Ich gebe ihr auch recht, daß die Tarifpartner autonom bleiben sollten. Wir sollten nicht versuchen, immer wieder dann, wenn es uns paßt, in die Autonomie der Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzugreifen. Wir wollen keine staatliche Schlichtung und keine staatliche Lohnpolitik. Wir wollen die Freiheit der Gewerkschaften und der Arbeitgeber an der Saar, in dieser Periode selber zu entscheiden, wohin der Weg gehen soll. Wir wollen die Freiheit für den Landtag an der Saar in der entscheidenden dritten Periode.
Aber wenn es um die Eingliedrung geht und wenn es um das einheitliche Recht für alle Deutschen geht, dann wollen wir — das möge dann beispielgebend für Gesamtdeutschland und für die
DDR sein — nicht sogenannte soziale Errungenschaften der französischen Sozialpolitik und nicht sogenannte soziale Errungenschaften der DDR, sondern dann wollen wir hier gemeinsam sozialpolitische Erfolge unserer Wirtschaftspolitik für a 11 e Deutschen beraten.
Daß dies nicht geschehen kann ohne Geben und Nehmen, ohne die Bereitschaft, das gemeinsame Schicksal auch da zu tragen, wo man Opfer bringen muß, das werden die Menschen an der Saar sicherlich besser verstehen als mancher hier in der Bundesrepublik.
Die Wünsche der Arbeiter und Angestellten an der Saar werden wir zu respektieren haben. Schon liegen uns diese Wünsche vor. Die Anpassung an das gleiche System der Krankenversicherung, die anderen Versicherungspflichtgrenzen, das Problem der Familienzulagen, die Rentenreform, die Knappschaftsreform usw. müssen auch jetzt schon im Hinblick auf das große Gemeinsame der deutschen Sozialpolitik gesehen werden.
Meine Herren und Damen! Ich schließe mit dem Appell, daß Sie bei Ihrer Entscheidung doch bedenken mögen, daß die Tugenden unseres Volkes, für eine bessere Sozialpolitik mehr zu arbeiten, von der Bevölkerung an der Saar, die ein unlösbarer Bestandteil dieses Volkes ist, genauso gut verstanden werden wie unsere Abstimmung jetzt, mit der wir den Antrag der SPD ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht wohl Klarheit und Einmütigkeit in diesem Hause darüber, daß der soziale Besitzstand an der Saar auf vielen Gebieten erheblich besser ist als bei uns im Bundesgebiet, insbesondere in der Kriegsopferversorgung und in der Kindergeldgesetzgebung. Die Forderungen des Saarlandes nach Erhaltung seines besseren sozialen Besitzstandes haben ein moralisches Gesicht und Gewicht, zumal dann, wenn ihnen Versprechungen vorausgegangen sind. Diese Versprechungen wurden keineswegs etwa nur im Wahlkampf gemacht, sondern sie sind auch von dem Herrn Bundesarbeitsminister erst vor wenigen Tagen in einer Besprechung mit dem zuständigen Ressortminister des Saarlandes Conrad abgegeben worden. Aber sie sind dann widerrufen worden, und sowohl die Erklärungen, die bei dem Widerruf, als auch die, die in den heutigen Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers gegeben wurden, haben keinerlei Klarheit gebracht. Klarheit besteht nur insofern, als die Unklarheit der Bundesregierung darüber, was sie nun eigentlich auf dem sozialen Gebiet für die Saarländer tun will, eindeutig ist.
Wir müssen uns doch drei Fragen vorlegen: Will die Bundesregierung den sozialen Besitzstand an der Saar so, wie er ist, vollkommen erhalten, oder will sie ihn auf Teilgebieten erhalten, und auf welchen, oder will sie ganz generell in eine Überprüfung eintreten und den sozialen Besitzstand der Saarländer auf unsere Basis bringen und damit zumindest zum Teil erheblich verschlechtern?
Der Herr Bundesarbeitsminister hat beispielsweise in der Frage der Kindergeldgesetzgebung —
an der Saar wird schon für das erste Kind das Kindergeld gezahlt — dahin argumentiert, daß das Kindergeld an der Saar ein Teil des Lohnes, also ein Familienlohn sei. Nun, meine Damen und Herren, dann müßte er sich doch mit der Frage auseinandersetzen: Ist unser Kindergeld in seiner Gestaltung gut, oder ist es nicht gut? Bietet die Saar nicht auch für den Herrn Familienminister den Anreiz, Fortschritte auf diesem Wege auch bei uns zu suchen? Oder will der Herr Bundesarbeitsminister unter Beibehaltung des weitergehenden Kindergeldes im Saarland dann etwa die dort knapperen Löhne bestehen lassen?
Eines haben wir aber beim Herrn Bundesarbeitsminister besonders vermißt: ein Wort zur Kriegsopferversorgung; sie ist überhaupt nicht angesprochen worden. Hier liegt aber eines der wesentlichen Argumente für die Wahrung des sozialen Besitzstandes, die auch Frau Kollegin Friese-Korn unterstrichen hat. Die Kriegsopferrenten an der Saar sind ganz erheblich höher als bei uns. Es wird hier keiner großen Überlegungen arbeitsrechtlicher und lohnpolitischer Art bedürfen. Man wird , bekennen müssen, ob man eine Kriegsopferversorgung auf der besseren gesunden Basis anstrebt, wie sie das Saarland hat, oder ob unsere Kriegsopferversorgung für das Saarland ausreichend und genügend sein soll, das heißt, daß die Kriegsopfer an der Saar gegenüber dem jetzigen Zustand schlechtergestellt werden sollen. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmitt hat vorhin schon angedeutet, daß wir von Kriegsopferverbänden der Saar hilferufende Telegramme erhalten haben. Alle Fraktionen haben sie erhalten, und ich hoffe, daß ihr Inhalt auch allen Kollegen und Kolleginnen des Hauses bekannt ist. Wir sind uns wohl nicht darüber im Zweifel, daß die Kriegsopfer, abgesehen von ihrem persönlichen Leid, das ihnen der Krieg auferlegt hat, bei der Abstimmung für Deutschland einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Wir können es, glaube ich, nicht verantworten, daß sie diesen Beitrag für die Wiedervereinigung Deutschlands etwa mit einer sozialen Schlechterstellung bezahlen.
Meine Damen und Herren, es sollten hier keine Zweifel bleiben, wir werden notwendige Klarheiten schaffen müssen, und ich denke — das haben wir schon bei der Beratung der 5. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz von diesem Podium aus erklärt —, daß wir danach trachten werden, unsere schwächeren Sozialleistungen in der Kriegsopferversorgung anzuheben. Wir sollten uns einmal mutig dazu bekennen, daß wir das Wirtschaftswunder zwar sehr oft feiern, aber auf dem Gebiet der Sozialpolitik noch eine ganze Reihe von erheblichen Schwächen auszugleichen haben. Meine Damen und Herren, schon tönen — das sei unterstrichen — völlig unberechtigte Propagandafanfaren aus Pankow, etwa in der Richtung, daß die Wiedervereinigung des Saarlandes mit einer sozialen Schlechterstellung verbunden sei. Die Herren in Pankow haben gar kein Recht zu solchen Zweckmeinungen, weil es dort überhaupt keinen echten sozialen Besitzstand gibt. Aber wir dürfen ihnen auch nicht ein billiges Argument liefern; das muß auf jeden Fall vermieden werden.
Meine politischen Freunde werden den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und gegebenenfalls auch den Antrag der Fraktion der FDP voll unterstützen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mal einige Worte zu dem sagen, was Herr Petersen hier vorgetragen hat. Sicher ist eines: daß bei uns vor allen Dingen das Kriegsopferversorgungsrecht einen ganz andern Weg gegangen ist als im Saargebiet. In den Besatzungszonen der Engländer, der Amerikaner und der Russen war die Fortführung des Versorgungsrechts aus der Weimarer Zeit verboten. Wir standen daher im Jahre 1950 bei einer ungeheuren Sozialbelastung durch die Arbeitslosigkeit und durch den Flüchtlingsstrom vor dem Problem, eine Kriegsopferversorgung aufzubauen, die einmal den berechtigten Interessen weitgehend entgegenkam und auf der andern Seite wirtschaftlich tragbar war. Dabei sind wir in Übereinstimmung mit den bestehenden Kriegsopferverbänden von dem früheren Recht abgegangen und haben eine geteilte Rente eingeführt, die nur in der Grundrente einen unbedingten Rechtsanspruch darstellt. Diese Rente ist verhältnismäßig niedrig gehalten worden, weil alle Leute unseres Erachtens im Arbeitsprozeß standen. Im Saargebiet ist man von dem früheren Versorgungsrecht ausgegangen und hat das auch weiterentwickelt. So haben wir heute den Tatbestand, daß der weniger Beschädigte im Saargebiet eine höhere Rente hat, während bei uns die Renten für den Schwerstbeschädigten einschließlich der Pflegerzulage höher sind.
Beide Dinge haben wir zu sehen, wenn wir in der nächsten Zeit versuchen wollen, bei der gesetzlichen Weiterentwicklung diesen Start, wie ich vorhin gesagt habe, in etwa auszugleichen. Ich bin' nicht der Meinung, daß wir mit diesem Gesetz alle arbeitsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Gesetze anschneiden und auswalzen sollten; dafür ist der Rahmen, der uns hier gegeben ist, einfach zu klein. Grundsätzliche Erörterungen darüber werden jedoch notwendig sein; darüber bin ich mit jedem in diesem Hause einig.
Nun hat Frau Friese-Korn bei der Begründung ihres Antrags eine Sicherung des Besitzstandes auch auf dem Gebiet der Sozialrenten verlangt. Ich möchte dazu einmal auf folgendes 'aufmerksam machen. Wenn wir nach der Übergangszeit in einem einheitlichen Staatsgebilde sind, wird die Zahlung der Renten für die Angestellten an der Saar über die Angestelltenversicherungsanstalt in Berlin vorgenommen. Wir wollen doch wahrscheinlich nicht, daß diese Anstalt die Leute danach beurteilt, in welchem Gebiet Deutschlands sie wohnen. Wir müssen bis dahin also zu einer Einheitlichkeit gekommen sein.
Dazu kommt etwas anderes, was meines Erachtens noch viel schwerwiegender ist. In der Invalidenversicherung haben wir keinen bundeseinheitlichen Versicherungsträger, sondern die einzelnen Landesversicherungsanstalten. Es gibt bei uns Landesversicherungsanstalten, die einen wesentlichen Kassenüberschuß haben, und es gibt andere, bei denen die Mittel für die Leistungen nicht ausreichen, die aus den Beiträgen erfüllt werden müssen. Deshalb haben wir dort den Lastenausgleich. Wir geben beispielsweise heute — und dagegen wendet sich kein Mensch, weil wir die Einheitlichkeit im Bundesgebiet wollen — jährlich zur Erfüllung dieser Aufgaben ungefähr 40 Millionen DM aus den
Beiträgen in Westdeutschland nach Berlin. Wir werden auf Grund dieses Lastenausgleichs später der Saar noch viel mehr zu geben haben. Man muß sich darüber klar sein, daß dort das Verhältnis zwischen Beitragsaufkommen und Rentenlast viel schlechter ist als bei uns. Dort hat bereits der Staatszuschuß in der Knappschaftsversicherung 60 % erreicht. Er wird, wenn das neue von uns angestrebte Recht im Saargebiet eingeführt wird, 70 % und wahrscheinlich noch mehr ausmachen. Ich wollte mit diesen Ausführungen nur klarstellen, daß bei der Formulierung des Eingliederungsgesetzes die Anpassungsversuche, die in den nächsten Jahren notwendig sein werden, nicht irgendwie durch eine gesetzlich bindende Bestimmung verhindert werden dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.
Herr Präsident! Meine Damen. und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit dem Herrn Bundesarbeitsminister über grundsätzliche Fragen des Rechts der Kriegsopferversorgung zu unterhalten, sondern will lediglich einige Tatsachen doch einmal in das richtige Licht rücken. — Herr Arbeitsminister, vielleicht wären Sie so freundlich, einmal zuzuhören. Sie haben in Ihrem Schreiben an den Herrn Arbeitsminister an der Saar im letzten Satz des zweiten Absatzes ausgeführt — ich darf einmal zitieren —:
Dabei kämen wir aber zu einer sozialen Ungerechtigkeit, weil dann die höheren Leistungen, die in der Bundesrepublik an die arbeitsunfähigen Schwerbeschädigten gezahlt werden, abgebaut werden müßten.
Wo steht denn das geschrieben, daß Sie das tun müßten? Ich möchte Ihnen sagen, Herr Arbeitsminister: was Sie geschrieben haben, ist objektiv falsch!
— Sie sagen: Das ist nicht wahr! Ich beschäftige mich seit zehn Jahren mit dem Kriegsopferrecht, und Sie müssen mir schon zugestehen, daß ich davon ein klein wenig verstehe.
Ich verwahre mich auch dagegen, daß hier einige Kollegen in bezug auf die Kriegsopferversorgung vom französischen Sozialrecht ,an der Saar gesprochen haben. Ich bin Ihnen, Herr Minister, dankbar, daß Sie es richtiggestellt haben: das Kriegsopferrecht an der Saar ist kein französisches Recht, sondern ein Recht aus der Weimarer Republik. Es ist die Fortentwicklung des Rechts, das 1920 durch die Weimarer Republik geschaffen wurde. Meine Damen und Herren, Sie alle haben die Telegramme aus dem Saarland erhalten, und Sie werden doch wohl nicht annehmen, daß die saarländischen Kriegsopfer in Sorge darum sind, daß sie in Zukunft mehr erhalten. Sie sind vielmehr in Sorge darum, daß sie weniger erhalten; deshalb doch diese Telegramme.
Ich darf es einmal ganz kurz an einem Beispiel darstellen. Ein zu 70 % Schwerbeschädigter — das bedeutet Verlust eines Oberschenkels — an der
Saar erhält, wenn die Währungsumrechnung erfolgt ist, 172 DM. Er erhält in der Bundesrepublik 64 DM. Das sind Renten, Herr Arbeitsminister, die unantastbar sind. Sie werden ihm ja gewährt für seinen erlittenen körperlichen Schaden, während die Personen, die Sie in ihrem Schreiben anführen, nur dann eine höhere Rente erhalten, wenn sie den fürsorgerechtlichen Bestimmungen unterliegen, d. h. wenn sie nicht mehr Einkommen haben, als das deutsche Fürsorgerecht jedem Bürger zugesteht. So ist doch der Tatbestand. Es ist eine Tatsache, daß die Renten an der Saar in der Kriegsopferversorgung im wesentlichen zweieinhalbmal so hoch dotiert sind wie in der Bundesrepublik. Herr Minister, Sie haben mir einmal persönlich vor Wochen gesagt, Sie werden eine Gegenüberstellung machen lassen. Sie haben heute hier erklärt, daß diese Gegenüberstellung gemacht wird. Wir als Opposition und wir als Kriegsopfer haben diese Gegenüberstellung schon fertig. Es wäre vielleicht besser gewesen für Ihre Argumente, wenn Sie uns in diesem Hause diese Gegenüberstellung schon früher gegeben hätten,
als daß Sie sie heute ankündigen.
Gerade die Kriegsopfer und Rentner an der Saar haben einmütig ein Bekenntnis zu Deutschland abgelegt. Wir möchten hier erklären: Wir wollen ihnen ja kein Geschenk machen, wir wollen ihnen nur das erhalten, was sie jetzt haben. Das ist das Entscheidende, und wenn Sie das mit uns wollen, dann bleibt Ihnen nur noch die Verpflichtung, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthält den Begriff ,,Besitzstand", einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ein solcher ist wohl auslegungsfähig, wenn es sich um die Angleichung von zwei Gesetzen handelt, z. B. von zwei Sozialversicherungsgesetzen. Aber im vorliegenden Falle handelt es sich um die Angleichung verschiedener Rechtssysteme, Sozial-, Wirtschafts-und Währungsrechtssysteme. Die Auslegung würde meines Erachtens für Verwaltung und Rechtspflege große Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube, diese Ergänzung des Gesetzentwurfs wird keine klare Rechtsgrundlage bieten. Es ist natürlich auch möglich, daß Berufung auf den Besitzstand unter Umständen eine Verschlechterung bedeutet. Zu bemerken ist auch, daß ein Stichtag fehlt, nach dem sich der Besitzstand bemißt.
Die Bundesregierung hat ihren Willen kundgetan, den sozialen Status im Saarland zu halten. Die Entschließung, die der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung vorgeschlagen hat, hat das gleiche Ziel. Sollte es sich als notwendig erweisen, so kann der Bundesgesetzgeber dem Anliegen wohl aller Mitglieder dieses Hohen Hauses, den sozialen Status im Saarland weiterhin zu halten, im Wege der Gesetzgebung entsprechen. Da wir der Auffassung sind, daß die Einfügung des § 17 b keine klare Rechtsgrundlage bietet und daher aus den angeführten Gründen entbehrlich ist, bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Minister Storch hat das Anliegen unseres Antrags nicht in vollem Umfang erkannt. Wir fordern nicht, so wie es die SPD in ihrem Antrag verlangt, daß grundsätzlich in den nächsten drei Jahren alle Rechte beibehalten bleiben, die im Saarland bestehen, sondern wir wollen eine Wahrung des Besitzstandes an individuellen Rechten, die am 1. Januar den Saarländern zustanden. Das ist eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem, wie Sie unseren Antrag ausgelegt haben.
Nun sagen Sie, eine solche Wahrung des Besitzstandes sei eigentlich nicht möglich, und man könne den gemeinsamen Mitgliedern in einer Sozialversicherung nicht zweierlei Recht zuerkennen. Wir sind aber nur einem Beispiel gefolgt, das Sie uns gegeben haben; denn in Ihrem Rentenreformgesetzentwurf ist ja auch eine Klausel über die Wahrung des Besitzstandes enthalten. Dort halten Sie es für möglich, daß gewisse Kreise einen höheren Rentenanspruch als die Allgemeinheit behalten. Technisch wären die Dinge also durchaus durchführbar.
Wir selbst sind mit Frau Kalinke der Meinung, daß wir in unserer Bundesrepublik nicht die Fälle Berlin und Bremerhaven wiederholen sollten. Darin sind wir absolut mit Ihnen einig. Wir wollen auf die Dauer nicht zweierlei Recht in der Sozialversicherung in unserem Lande haben. Das besagt auch unser Antrag nicht. Ich wiederhole: Er fordert nur eine gewisse Besitzstandswahrung für die individuellen Rechte, die der einzelne am 1. Januar besessen hat und die — so muß man unseren Antrag auch weiterhin auslegen — langsam in der Zeit, in der die währungsmäßigen Unterschiede verschwinden werden, angeglichen werden. Dann werden auch aus dieser Besitzstandswahrung kaum noch Unterschiede gegenüber den Menschen in gleicher Lage in der Bundesrepublik bestehenbleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß die Änderungsanträge, die bezüglich der Besitzstandsklausel gestellt wurden, nicht notwendig sind;
denn dieses Hohe Haus hat bewiesen, daß man, wenn es darum geht, verschiedene Rechtssysteme in Einklang zu bringen, Wege finden kann.
Sie wissen, daß im Jahre 1950 für die Kriegsopfer das Bundesversorgungsgesetz geschaffen wurde. In der damaligen Zeit hatten wir auch verschiedene Rechtssysteme. Die Leistungen in der damals französisch besetzten Zone waren anders und höher als in der damals amerikanisch bzw. britisch besetzten Zone. Sie waren nach dem damals in der französischen Zone geltenden alten Rechtssystem aber höher als die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz des Jahres 1950. Seinerzeit ist in diesem Hause gemeinsam ein Weg gefunden worden, um diese beiden Rechtssysteme in einer gewissen Übergangszeit in Einklang zu bringen.
Meine Fraktion ist mit mir der Meinung, daß es uns in diesem Hause dann, wenn über die Einzelfragen der Eingliederung des Saargebietes entschieden werden muß und wenn es um die Angleichung der verschiedenen Rechtssysteme geht, gemeinsam gelingen wird, die Dinge in Ordnung zu bringen. Daher habe ich den Auftrag, zu erklären, daß meine Fraktion diese beiden Änderungsanträge — sowohl den der SPD wie auch den der FDP — ablehnt.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In „Iphigenie" heißt es: „Man spricht vergebens viel, um zu versagen, der andre hört von allem nur das Nein." Der Herr Minister und die Herren aus der Koalition haben dazu verschiedene Wege gewählt. Die Frau Kollegin Kalinke hat es für richtig gehalten, grundsätzliche Thesen zur Arbeits- und Sozialpolitik zu erörtern, über die wir heute gar nicht zu sprechen haben. Es geht um die Wahrung des Besitzstandes im Saarland, und auf diese konkreten Fragen ist sie leider nicht so eingegangen, daß den Belangen der Menschen dort Rechnung getragen worden wäre.
Der Kollege Rasch hat ja das Problem der Kriegsopferversorgung beispielgebend erläutert, und ich glaube, die Damen und Herren des Hauses konnten sich daraus ein anschauliches Bild machen. Es ist mir auch unverständlich, daß die Frau Kollegin Kalinke in hohen Renten einen Zündstoff sieht. Ich bin der Meinung, in zu niedrigen Renten liegt ein sozialer Zündstoff und nicht in zu hohen Renten. Es ist mir unverständlich, wie man zu solchen Schlußfolgerungen kommen kann, vor allem dann, wenn man doch die Verhältnisse und nicht zuletzt die Diskussion über die Rentenreform bei uns kennt.
Die Frau Kollegin widerspricht sich zum Schluß ihrer Ausführungen auch selbst, indem sie sagt: Wir wollen den Willen der arbeitenden Menschen, der Angestellten und der Arbeiter an der Saar respektieren. Wenn Sie das wollen, dann bleibt gar kein anderer Weg als der Weg, diesen Antrag anzunehmen, der ja auch von der Regierung des Saarlandes voll vertreten wird.
Zu den Ausführungen des Herrn Ministers kann ich nur bestätigen, was mein Kollege Rasch schon gesagt hat. Herr Minister, es wäre besser gewesen, wenn Sie schon heute dem Hause mit konkreten Tatsachen hätten dienen können. Aber es ist offensichtlich das Pech Ihres Hauses, daß es allzu oft zu spät kommt.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich kann damit zur Abstimmung kommen. Von den beiden vorliegenden Anträgen ist der Antrag der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 877*) Ziffer 4 der weitergehende. Ich lasse deshalb über ihn zuerst abstimmen. Der Herr Abgeordnete
*) Siehe Anlage 4.
Schmitt hat im Namen seiner Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Da mehr als 50 Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion im Saale sind, ist der Antrag hinreichend unterstützt. Ich lasse namentlich abstimmen. Ich bitte die Schriftführer, die Karten mit den Abstimmungsurnen einzusammeln. — Es wird also abgestimmt über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Umdruck 877 Ziffer 4.
Wenn noch Damen und Herren im Saale sind, die ihre Stimme nicht abgegeben haben, dann bitte ich das zu tun. —
Ich frage noch einmal, ob Damen und Herren im Saale sind, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben. — Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 4 bekannt. Es haben 411 stimmberechtigte Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja haben 151, mit Nein 260 gestimmt; keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Von den Berliner Abgeordneten haben 15 abgestimmt, mit Ja 8, mit Nein 7; keine Enthaltungen.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 879***) der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Einfügung eines § 17 b. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, festzustellen, ob dieser Antrag unterstützt wird. Wer ihn unterstützen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Das sind allerdings mehr als 50 Mitglieder des Hauses.
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 879 der Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Ich bitte die Schriftführer, die Karten mit den Abstimmungsurnen einzusammeln.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis****) der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 879 bekannt. Es haben 411 stimmberechtigte Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 181, mit Nein 225, enthalten haben sich 5. Der Antrag ist abgelehnt.
Es haben 15 Berliner Abgeordnete teilgenommen. 9 haben mit Ja, 5 mit Nein und 1 mit Enthaltung gestimmt.
Ich rufe auf § 18 und § 19 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen an-
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102. ***) Siehe Anlage 5.
****) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102. genommen. Damit sind Punkt 1 und 2 der Tagesordnung erledigt.
Die Fraktion der CDU/CSU hat Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde beantragt, um Gelegenheit zu einer Fraktionsberatung über die weiteren Punkte der Tagesordnung zu haben. — Widerspruch erfolgt nicht.
Ich unterbreche die Sitzung bis 12 Uhr 10 Minuten.
Die Fraktion der CDU/CSU versammelt sich zu einer Fraktionssitzung.
Die Sitzung wird um 12 Uhr 16 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat rufe ich jetzt Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Drucksache 2993);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 3010), Umdrucke 881, 884 bis 886).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Bals.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Sozialpolitik wurden von diesem Hohen Hause in der 179. Sitzung am 12. Dezember die Anträge Drucksache 2993 — Entwurf eines Rentenvorschußzahllungsgesetzes, eingebracht von den Fraktionen der CDU/CSU und der FVP — und Drucksache 2960 — Entwurf eines Rentenvorschußgesetzes, eingebracht von der Fraktion der SPD — überwiesen. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat beide Vorlagen am 13. Dezember 1956 beraten.
Der Antrag der CDU/CSU und der FVP auf Drucksache 2993 sieht eine Vorschußzahlung für den Monat Februar vor entsprechend der Regelung, wie sie das Hohe Haus für den Monat Dezember beschlossen hat. Die finanzielle Größenordnung liegt zwischen 240 und 260 Millionen DM.
Der Antrag der SPD sieht die Zahlung einer zusätzlichen halben Monatsrente für den Monat Januar vor. Die Größenordnung liegt bei 500 Millionen DM.
Die Mehrheit im Ausschuß für Sozialpolitik hat den SPD-Antrag abgelehnt.
Ein Vermittlungsvorschlag der FDP, welcher von der SPD und dem GB/BHE unterstützt wurde, sah eine Vorschußzahlung in der gleichen Höhe wie für den Monat Dezember für die Zeit vom Januar bis zur Verwirklichung der Rentenreform vor. Dieser Antrag verfiel ebenfalls der Ablehnung.
Der Ausschuß bittet Sie, den Gesetzentwurf Drucksache 2993 unverändert anzunehmen und den Gesetzentwurf Drucksache 2960 abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf § 1 des Gesetzes, dazu Änderungsanträge auf Umdruck 884*) Ziffer 1, 881**) Ziffer 1 und 885***) Ziffer 1.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 1 der vorliegenden Fassung sieht nach dem Beschluß der Ausschußmehrheit vor, daß nur im Monat Februar ein Vorschuß in Höhe des sogenannten Zweiten Sonderzulagegesetzes gewährt werden soll.
Bei den Ausschußberatungen und in der Öffentlichkeit mußten die Sprecher der Regierungsparteien zugeben, daß die Renten nach der Neuordnung günstigstenfalls erst im April oder gar im Mai 1957 zur Auszahlung kommen können. Nach dem Willen der Ausschußmehrheit sollen die Rentner also während des Zeitraums von Januar bis April, der härtesten Zeit des Jahres, nur einmal, und zwar im Februar, eine Sonderzahlung in Höhe der Zulage von Dezember erhalten. Die Rentner würden danach also im Januar, März und April nächsten Jahres schlechter gestellt sein als im Dezember dieses Jahres. Nach Auffassung der Sozialdemokraten dürfen die Rentner auf keinen Fall unter der von der Bundesregierung und den Regierungsparteien verschuldeten Verzögerung der Rentenreform leiden.
Deshalb beantragen die Sozialdemokraten, vom Januar an laufend in jedem Monat eine Vorschußzahlung zu gewähren.
Da die Rentenreform rückwirkend mit Wirkung vom 1. Januar in Kraft treten soll, gibt es kein sachliches Argument dagegen, laufend vom Januar an Vorschüsse zu gewähren.
Weil sachliche Gründe für eine Weigerung, laufend Vorschußzahlungen zu leisten, fehlen, sollen nach dem Willen der Kollegen der CDU verwaltungstechnische Gründe für eine solche Weigerung herhalten.
Angeblich ist es aus postinternen Gründen nicht möglich, den Rentnern im Januar einen Vorschuß zu zahlen. Wir Sozialdemokraten meinen, daß es bei gutem Willen bewerkstelligt werden müßte, innerhalb eines Zeitraumes von — von jetzt an gerechnet — vier bis fünf Wochen den Rentnern eine halbe Monatsrente auszuzahlen, deren Höhe auch von versicherungstechnisch ungeschulten Kräften ohne weiteres berechnet werden kann. Die Vorschußzahlung ist auch deshalb möglich, weil bekanntlich die Renten nicht ins Haus zugestellt werden, sondern die Rentner sich auch diese Zahlung von den Postämtern abholen müßten. Wir Sozialdemokraten haben jedenfalls das Zutrauen zu den Mitarbeitern der Bundespost, daß sie im Interesse der Rentner die Aufgabe einer Vorschußzahlung auch im Monat Januar bewältigen würden.
Wie fadenscheinig es ist, die Vorschußzahlung aus verwaltungstechnischen Gründen im Januar ver-
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 10.
weigern zu wollen, zeigt sich auch darin, daß die Ausschußmehrheit nicht bereit war, für die folgenden Monate, für März und April, für die man keinerlei verwaltungstechnische Gründe an den Haaren herbeiziehen kann, in eine Vorschußzahlung einzuwilligen.
Die SPD fordert mit dem Änderungsantrag Umdruck 884*) Ziffer 1, als Vorschuß den Betrag einer halben Monatsrente zu gewähren. Nach dem Regierungsentwurf soll die Rentenerhöhung im Gesamtdurchschnitt bei 70 v. H. der gegenwärtigen Rente liegen. Deshalb ist es sachlich durchaus begründet, eine Vorschußzahlung wenigstens in Höhe von 50 v. H. zu gewähren.
Schließlich beantragen wir Sozialdemokraten mit Ziffer 1 unseres Antrags, festzulegen, daß die Vorschußzahlung in dem Zeitpunkt endet, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die neue Rente ausgezahlt wird. Die Sozialdemokraten werden wie bisher alles tun, damit dieser Zeitpunkt möglichst bald kommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Jentzsch zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 881**) Ziffer 1.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Drucksache 2993, die von der CDU/CSU und der FVP vorgelegt worden ist, wird vorgesehen, daß erst im Februar eine Vorschußzahlung einsetzen soll. Nachdem auf ausdrückliches Verlangen der CDU/CSU bei den Beratungen über das Zweite Renten-Mehrbetrags-Gesetz im Oktober darauf abgestellt wurde, daß die zu gewährende Überbrückung ausschließlich für den Monat Dezember bestimmt sei, und die Vorschläge, die ich damals zu vertreten die Ehre hatte — sie sahen das Zehnfache eines Rentenmehrbetrags vor —, die Möglichkeit gegeben hätten, über den kritischen Punkt, über den wir uns heute unerfreulicherweise wieder auseinandersetzen müssen, leichter hinwegzukommen, diese Vorschläge aber nicht akzeptiert wurden, habe ich die Frage zu stellen: Wie denken Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, darüber, was die Rentner im Januar machen sollen? Nachdem man in Ihrem Antrag jetzt ausdrücklich von einem Vorschuß spricht, ist es logisch, den Vorschuß dann beginnen zu lassen, wenn die zu überbrückende Zeit anfängt, und das ist der Termin ab 1. Januar 1957. Ich darf Sie daran erinnern, daß gestern in den Erörterungen des Sozialpolitischen Ausschusses Ihr Sprecher darauf hingewiesen hat, daß die kommenden Renten für den hier in Frage stehenden Kreis sehr beträchtlich sein werden und sich wesentlich und wohltuend von dem niedrigen Niveau unterscheiden werden, auf dem dieser Empfängerkreis zur Zeit steht. Ich habe mir erlaubt, gestern im Ausschuß dazu die Frage zu stellen: Wenn das der Fall ist, welche Bedenken sind dann gegeben, daß man nicht schon mit Wirkung ab Januar den Vorschuß gewährt? Es ist ein Vorschuß auf die künftigen Leistungen. Sicherlich werden die künftigen Leistungen in etwa dem Dreifachen des Mehrbetrages entsprechen. Auf die Spitzen sind Sie in Ihrem ursprünglichen Antrag
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8.
überhaupt nicht eingegangen. Die Frage der Rückzahlungspflicht ist offengelassen. Das haben wir noch in einem zusätzlichen Antrag mit aufgefangen. Es entspricht also den Grundgesetzen der Logik, wenn man bei diesem Sachverhalt vom Monat Januar an die Vorschußzahlung beginnen läßt und nicht erst ab Februar, indem man den gesamten Monat Januar ausklammert und über die zukünftigen Fristen gar nichts sagt. Es wird dabei unterstellt, daß die Reform im April beginnen kann; sie kann auch im Mai, sie kann auch im Juni beginnen. Darüber werden wir uns allerdings im Grundsätzlichen noch etwas näher in der dritten Lesung auseinanderzusetzen haben.
Zur Begründung unseres Antrags kann ich Ihnen nur noch einmal wiederholen: es gibt keinen logischen Grund, der dagegen stände, mit Wirkung vom 1. Januar dasselbe zu gewähren, was Sie ursprünglich lediglich für den Monat Dezember gewähren wollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer begründet Umdruck 885 Ziffer 1? — Frau Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Kollege Schellenberg hat soeben in der Diskussion seines Antrags die Frage der Schuld an der Verzögerung der Rentenreform angesprochen. Ich möchte diese Frage im Augenblick nicht untersuchen. Wir werden darüber bei der zweiten und dritten Lesung der Rentenreform sprechen müssen. Aber ich möchte ihm sagen, daß an dieser Verzögerung auch seine Fraktion mit ein Teil der Kollektivschuld trägt,
da sie im Oktober 1955 den Antrag der DP nicht diskutieren wollte, der die Grundlagen für eine frühzeitigere Vorlage enthielt und den Beschluß des Bundestages vorsah, der den Herrn Arbeitsminister gezwungen hätte, am 1. April die Vorlage zu bringen.
— Ich habe ja auch nicht von Ihrer Alleinschuld gesprochen, sondern von der Kollektivschuld, die Sie mit meinen Freunden der CDU haben.
— Ja, wir haben uns damals darum bemühen müssen, daß unser Antrag noch kurz vor Weihnachten 1955 auf die Tagesordnung kam, und Sie erinnern sich Ihrer Erklärung, „daß keine Zeit für die Diskussion sei". Das war genau vor einem Jahr, vor Weihnachten.
Aber, wie gesagt, ich wollte daran nur erinnern, weil ich eine Feststellung der „Schuldfrage" für die Fraktion der Deutschen Partei zurückweise. Ich bin der Auffassung, daß diejenigen, die es angeht, nämlich die Rentner, gar nichts davon haben, wenn wir uns darüber unterhalten, wer mehr oder weniger Schuld hat,
woran der Zeitdruck liegt, wenn wir uns in polemischen Diskussionen draußen darüber ergehen oder Flugblätter verteilen, wie und welche besonderen Entscheidungen nun gefallen sind oder fallen werden. Für die Rentner ist — meine Herren
und Damen, darin sollten wir uns doch alle einig sein — nach der leider nach unserer Auffassung viel zu kräftig und vielleicht in mancher Beziehung viel zu gründlich erfolgten Vordiskussion und Versprechungen über die Höhe der Leistungen eben nur noch die Höhe interessant.
Wir wären sehr glücklich, wenn wir heute über diese Dinge nicht zu sprechen brauchten — —
— Das wird nicht bezweifelt, Herr Kollege, Sie können ja nachher das Wort nehmen. —Wir wären auch sehr glücklich, wenn wir heute nicht über Vorschüsse zu sprechen brauchten. Gegen solche Vorschüsse haben meine Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei ganz grundsätzliche Bedenken. Deshalb haben wir auch den Antrag der CDU und der FVP nicht mit unterschrieben. Wir glauben nämlich, daß es angesichts all der Schwierigkeiten, die sich jetzt schon zeigen und die sich in der Zukunft zeigen werden, wenn wir mit den schweren Problemen, die sich aus den Gesetzentwürfen — auch aus dem Gesetzentwurf der SPD — ergeben, hier bei der zweiten und dritten Lesung werden ringen müssen, nicht gut ist — ganz abgesehen von den Verwaltungsschwierigkeiten —, bei dieser Sonderzahlung, die den Rentnern im Februar gegeben werden soll, wiederum festzulegen, daß den Rentnern diese Sonderzahlung bei der „rückwärtigen Wiedergutmachung der Versäumnisse", wie Sie es genannt haben. abgezogen wird.
Wir glauben, daß wir alles tun müssen — wir, das Parlament insbesondere, aber auch diejenigen, die draußen reden, und da appelliere ich an die Gewerkschaften genauso wie an die Kriegsopferverbände und andere Rentnerorganisationen —, um nicht weitere Unruhe, weitere Enttäuschungen und weitere Sorgen in der Öffentlichkeit geradezu noch zu steigern oder hervorzurufen.
Wir möchten deshalb auch, daß Klarheit darüber besteht, daß die versprochenen Rentenerhöhungen rückwirkend ab 1. Januar um jeden Preis in Kraft treten müssen, ohne Rücksicht auf den Termin, wann hier die zweite oder dritte Lesung stattfindet. Ich freue mich, daß Herr Kollege Schellenberg das hier so deutlich ausgesprochen hat. Es besteht kein Zweifel und darf auch nicht in Zweifel gesetzt werden, daß bei allen Fraktionen der gleiche Wille besteht, daß das so geschieht und daß die Beratungen so gründlich wie möglich, aber auch so schnell wie möglich fortgesetzt werden müssen.
Wir widersetzen uns der Vorschußzahlung auch aus folgendem Grunde: Wir glauben, daß es eine schlechte sozialpolitische Sache ist, mit der einen Hand zu geben und später mit der anderen Hand wieder wegzunehmen, was man versprochen und gegeben hat. Wenn ich das noch einmal mit dem Appell an alle sage, meine ich, daß trotz aller Qualen, die wir, die Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses, gemeinsam infolge Zeitdrucks und politischen Drucks jetzt leiden müssen, die sozialpolitische Verantwortung doch immer noch in der vordersten Linie unser Handeln bestimmen muß. Diese sozialpolitische Verantwortung sollte auch bei unserer Entscheidung über eine Zahlung, die wir im Februar mit beschließen wollen, zwingende Grundlage unseres Handelns sein. Wir werden deshalb diesem Antrag der CDU/CSU zustimmen, damit bei dieser Zahlung, die auch wir
geben wollen, nicht etwa denjenigen, die sie bekommen, schon heute klar ist, daß sie im April von der versprochenen Nachzahlung nichts oder nur ungewöhnlich wenig in der Hand haben werden. Wir wollen auch nicht, daß die öffentliche Fürsorge oder der Lastenausgleich oder die Kriegsopferversorgung entlastet wird und von der anderen Stelle, die aus Steuermitteln zu zahlen hat, den Rentnern wieder das genommen wird, was ihnen auch nach dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, dem sich die FVP angeschlossen hat, nun gegeben werden soll.
Wir wollen daher an Stelle von „Vorschußzahlung" sagen eine „einmalige Überbrückungszahlung". Wir sind der Auffassung, daß es im Hinblick auf die großen Finanzierungsverpflichtungen, die auf uns zukommen, dem Bund sehr wohl möglich ist, diesen Betrag den Rentenversicherungsträgern und damit den Versicherten, die als Gesamtheit das Risiko tragen, zu erstatten.
Wir sind uns der Gefahr bewußt, daß eine solche grundsätzliche Forderung, wenn wir heute auf ihr bestehen, so ausgelegt werden könnte, als wollten wir die rechtzeitige Auszahlung dieser Zulagen verhindern, als wollten wir durch unseren Änderungsantrag zu § 1 und 1 a nicht etwa haushaltsrechtliche Bedenken — die wären zu beheben, wenn wir die notwendigen Mittel als Überbrückungsdarlehen den Versicherungsträgern gäben —, aber geschäftsordnungsmäßige Bedenken hervorrufen, weil mit Recht gesagt werden könnte: Dieser Antrag muß in den Haushaltsausschuß, und zwischen der zweiten und dritten Lesung wird der Haushaltsausschuß nicht bereit sein, dem Antrag mit seinen finanziellen Auswirkungen zuzustimmen.
Deshalb sind meine Freunde bereit, unseren Änderungsantrag zu § 1 und § 1 a für die jetzige Beratung zurückzuziehen. Sie werden ihn als Initiativantrag sofort wieder einbringen, damit wir uns im Januar darüber unterhalten können, daß die für diese Zahlung an die Rentner notwendigen Mittel nicht als Vorschuß, sondern als einmalige Überbrückungszahlung gegeben und nicht von der Gemeinschaft der Rentenversicherungsträger gezahlt werden.
Wir halten aber den Änderungsantrag betreffend § 1 b aufrecht, weil wir es für unerläßlich halten, daß diese einmalige Überbrückungszahlung auf Leistungen der Unfallversicherung, der Arbeitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung und des Lastenausgleichs und auf Fürsorgeunterstützungen nicht angerechnet wird. Auch auf die Schwierigkeiten der Auszahlung durch die Post werden wir Rücksicht nehmen, damit nicht gesagt werden kann, der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei habe diese Schwierigkeiten vermehrt. Ich glaube, daß die sozialpolitische Entscheidung denVorrang hat und daß die verwaltungsmäßigen Fragen, so wichtig sie sein mögen, wirklich von sekundärer Bedeutung sind.
Entscheidend aber für unser Handeln — und das ist der Grund unserer Stellungnahme heute — sollte der Grundsatz sein, nur Versprechungen zu machen, die wir auch erfüllen können, und wenn wir sie gemacht haben, sie so zu erfüllen, daß wir glaubwürdig bleiben, daß nicht ein sozialpolitisches Geschenk entwertet wird, weil im Enderfolg derjenige, der es bekommen soll, nichts davon hat als nur eine soziale Enttäuschung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Kalinke, zur Klarstellung darf ich Sie noch fragen: Habe ich es richtig verstanden, daß Sie Ihren Änderungsantrag Ziffer 1 und Ziffer 2 zurückziehen?
— Und Ziffer 3 halten Sie aufrecht? — Danke schön.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung zu den Änderungsanträgen gehört. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Rentner von langen Diskussionen, die in diesem Hause geführt werden, nicht viel haben, werde ich mich sehr kurz fassen. Zunächst darf ich feststellen, daß Frau Kalinke von ihrem Antrag die Ziffern 1 und 2 zurückgezogen hat, so daß dazu am heutigen Tage nichts zu sagen ist.
Wenn aber der Herr Kollege Schellenberg sagt, die CDU-Fraktion habe zugegeben, daß die Renten erst gegen Ende März oder Anfang April ausgezahlt werden könnten, dann möchte ich dazu doch folgendes sagen. Herr Schellenberg muß als Fachmann im Rentenwesen auch wissen, daß Renten, wenn sie Beschlüssen dieses Hauses oder einem Gesetz angepaßt werden sollen, entsprechend neu berechnet werden müssen und daß die Neuberechnungen trotz der technischen und sonstigen Einrichtungen nicht über Nacht vor sich gehen können. Die CDU/CSU-Fraktion hat immer und immer wieder erklärt, daß sie alles daransetzen wird, um die jetzt zur Beratung stehenden Gesetze bezüglich Neuregelung der Rentenversicherung mit dem 1. Januar 1957 wirksam werden zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?
Bitte schön!
Herr Kollege Arndgen, ist Ihnen bekannt, daß bei der Beratung des sogenannten Zweiten Sonderzulagen-Gesetzes die Mitglieder Ihrer Fraktion hier im Hause erklärt haben, daß die Rentenreform ab 1. Januar eine praktische Wirksamkeit für die Rentner erhalten soll? Eine solche praktische Wirksamkeit kann wohl nicht bedeuten, daß die Rentner bis April oder Mai warten müssen!
Zu dieser Frage, Herr Dr. Schellenberg, kann ich Ihnen sagen, daß wir immer von einem Wirksamwerden ab 1. Januar geredet haben, nicht nur während der Beratungen des Sonderzulagen-Gesetzes, sondern von dem Zeitpunkt an, seit dem wir von Sozialreform geredet haben.
Nun weiß jeder — das muß auch Herr Schellenberg wissen —, daß die Umrechnungen erst vor sich gehen können, wenn die grundsätzlichen Beschlüsse vorliegen.
— Jawohl, deshalb Vorschüsse! Weil wir wissen, daß das kommende Gesetz ab 1. Januar wirksam werden soll und Nachberechnungen, Nachzahlungen notwendig sind, haben wir ja unseren Entwurf eingebracht, der Vorschußzahlungen vorsieht.
Um diese Vorschußzahlungen recht schnell durchführen zu können, sind wir von den Leistungen ausgegangen, die nach dem Gesetz im Dezember gezahlt wurden, weil alle technischen Einrichtungen auf die Zahlungen eingestellt sind. Dadurch ist es möglich, daß die Vorschußzahlungen — wenn wir den Beschluß fassen — zu dem vorgesehenen Zeitpunkt auch geleistet werden können. Das ist der Sinn unseres Antrages, und es ist ein sinnvoller Vorschlag; das muß jeder zugeben, der sich in der Technik der Rentenzahlungen auskennt.
Nun hat die DP-Fraktion durch Frau Kalinke erklären lassen, daß sie ihren Antrag unter Ziffer 3 aufrechterhalte. Zu dieser Ziffer 3 des Antrags Umdruck 885 der DP-Fraktion habe ich im Auftrag meiner Fraktion einen Änderungsantrag zu stellen. Wir beantragen, in § 1 b unter Ziffer 3 die Worte „einmalige Überbrückungszahlung" durch das Wort „Vorschußzahlung" zu ersetzen und in der ersten Zeile nach dem Wort „wird" einzufügen „bei der Auszahlung". Nach diesem Änderungsantrag würde der § 1 b unter Ziffer 3 des Antrags der DP-Fraktion folgenden Wortlaut erhalten:
Die Vorschußzahlung wird bei der Auszahlung auf Leistungen der Unfallversicherung, der Arbeitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung aus dem Bundesentschädigungsgesetz sowie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung nicht angerechnet.
Ich bitte, wenn über den Antrag der DP-Fraktion abgestimmt wird, zunächst über diesen Änderungsantrag zu befinden. Im übrigen bitte ich, alle sonstigen Anträge, die zu dem Ausschußbeschluß gestellt worden sind, abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nicht ganz ohne Grund habe ich in der 167. Sitzung vom 26. Oktober an den Herrn Bundesarbeitsminister die Frage gestellt, ob er glaubt, daß die Rentenversicherungsgesetze zum 1. Januar 1957 gültig werden, oder ob es so gemeint ist, daß die Rentenversicherungsgesetze in einem späteren Zeitpunkt mit Rückwirkung vom 1. Januar an verabschiedet werden. Der Herr Bundesarbeitsminister war so freundlich, mir in der gleichen Sitzung bald darauf zu antworten, daß, wenn alle Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses guten Willens seien, seiner Meinung nach die Gesetze ab 1. Januar 1957 wirksam werden könnten. Ich möchte hier nur einmal feststellen — das wird wohl von niemandem bestritten werden, auch nicht von dem Herrn Bundesarbeitsminister, und in einer der letzten Pressekonferenzen hat das ja auch der Herr Bundeskanzler ausdrücklich bestätigt —, daß wir im Sozialpolitischen Ausschuß bei der so schwierigen und vielschichtigen Materie immerhin sehr fleißig gewesen sind und daß es trotzdem nicht hat geschafft werden können. Es wäre deshalb notwendig gewesen, daß wir uns im
Ausschuß am gestrigen Tag geeinigt hätten, um zu einer Überbrückung dieser Zeit zu kommen, die auch wirklich dem Sinn eines Überbrückungsgesetzes zu den Rentenversicherungsgesetzen entsprochen hätte.
Ich kann Ihre Argumentation, Herr Kollege Arndgen, nicht hinnehmen und habe ihr auch gestern widersprochen. Wenn die neuen, d. h. die höheren Renten mit Wirkung ab 1. Januar 1957 neu festgesetzt werden, hätte doch eine von allen Fraktionen des Hauses gebilligte Möglichkeit gefunden werden müssen, eine Überbrückungszahlung für die Zeit bis zur Ausrechnung der neuen Renten vorzusehen. Denn wir wissen ja wirklich noch nicht, ob die neuen Renten bis zum 1. April ausgerechnet sein werden, und sollten vorsichtig in bezug auf die Festsetzung dieses Termins sein. Die Beamten der Landesversicherungsanstalten und der Bundesanstalt für Angestelltenversicherung können nicht mit Sicherheit sagen, ob die Neuberechnung bis zum 1. April möglich sein wird. Wir waren bei der Dezember-Zahlung doch davon ausgegangen, daß es den Rentnern nicht zugemutet werden sollte, im Dezember weniger Rente zu bekommen als im November. Nach dem gleichen Grundsatz hätten wir fortfahren müssen, zumal es in diesem Falle gar kein finanzpolitisches Problem ist. Denn es sollen ja Vorschußzahlungen sein, die dann wieder aufgerechnet werden, so daß also irgendeine finanzielle Belastung nicht eintreten würde.
Selbst wenn es nicht möglich sein sollte, die Vorschußzahlungen im Januar verwaltungsmäßig vorzubereiten — und ich bin davon in der Ausschußsitzung gestern nicht bis ins letzte überzeugt worden —, bleibt immer noch die Frage — und da muß ich unterstreichen, was schon gesagt worden ist —: was wird denn, wenn es im Februar geschieht, im März, April und in den weiteren Monaten? So weit sollten wir in einer gewissen Vorsorge denken, da eine solche Maßnahme doch verwaltungsmäßig durchaus möglich wäre. Ich kann auch nicht dem Standpunkt der Sprecherin Frau Kalinke von der DP beipflichten, daß es bei den Vorschußzahlungen nicht angehe, mit der einen Hand zu geben und mit der andern Hand zu nehmen. Wenn ab 1. Januar 1957 ein Rechtsanspruch da ist, ist es durchaus verwaltungsüblich, auch verwaltungsmäßig in Ordnung und eine gute Übung, daß man in diesem Falle eine Abschlags- oder Vorschußzahlung leistet und sie nachher verrechnet. Das finden wir in allen möglichen Gebieten der Wirtschaft, der Dienststellen, der Betriebe usw., und noch niemals hat jemand mit Rücksicht hierauf gesagt, man solle nicht mit der einen Hand wieder das nehmen, was man mit der anderen Hand gegeben habe, wenn es sich um echte Vorschußzahlungen auf einen Rechtsanspruch handelt. Meine politischen Freunde und ich sind sehr unzufrieden darüber, daß es wegen einer solchen Angelegenheit hier wieder zu Auseinandersetzungen kommt, von denen, wie hier ganz richtig gesagt worden ist, die Rentner in Wirklichkeit nichts haben.
Zu dem DP-Antrag möchte ich nur folgendes sagen. Er ist nun eigentlich unter den Tisch gefallen. Er ist eingereicht worden, und ehe er überhaupt zur Besprechung kam, ist er in wesentlichen Teilen zurückgezogen worden und hat sich damit von selbst erledigt. Die CDU/CSU sollte sich dies noch einmal überlegen, schon damit hier nicht Vorstellungen und Überlegungen ausgesprochen werden müssen, weshalb sie es zu einer sehr erheblichen
Nachzahlung zu einem Zeitpunkt kommen lassen will, wo wir nicht gern sehen, daß eine Debatte über die Angelegenheit der Rentenversicherungsgesetze in der Öffentlichkeit stattfindet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Professor Schellenberg.
Meine Damen und Herren! Den Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion, die heute für eine Vorschußzahlung im Februar gesprochen haben, ist offensichtlich nicht mehr in Erinnerung, was die CDU/CSU-Fraktion vor zehn Tagen, am 4. Dezember, nachdem der sozialdemokratische Gesetzentwurf zur Vorschußzahlung eingebracht worden war, erklärt hat. Ich möchte es Ihnen deshalb vorlesen. Der Deutschland-UnionDienst vom 4. Dezember erklärt:
Die CDU/CSU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, daß Vorschußzahlungen noch im Laufe des Januar erfolgen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen vermißt, daß er auf meine Darlegungen eingegangen ist. Ich hatte die Frage gestellt, welche logischen Einwendungen dagegen bestehen, daß man Vorschußzahlungen, wenn ) man sich zu ihnen überhaupt bekennt, schon im Januar beginnen läßt, und warum man diese Vorschußzahlungen nicht fortlaufend bis zu dem Tage gewährt, wo die Rentenreform wirklich in Kraft tritt.
Es handelt sich um einen Personenkreis, der dieser Hilfe dringend bedarf. Da aus den Erkenntnissen der CDU/CSU hervorgeht, daß die künftigen Renten diesen Vorschußzahlungen durchaus entsprechen — ich wiederhole es —, ist kein logischer Grund vorhanden, mit den Vorschußzahlungen nicht am 1. Januar zu beginnen, es sei denn, daß ein anderes Ziel verfolgt werden soll.
Das ist vorhin schon von der Frau Kollegin Finselberger angedeutet worden. Das ist expressis verbis gestern im Ausschuß von einem Ihrer Kollegen, zwar unter dem Strich, aber immerhin gesagt worden. Ich möchte hier nicht noch deutlicher werden; es könnte verlockend sein. Ich glaube aber, daß bei diesem ganzen Problem in dem Zeitpunkt, den Sie vielleicht ins Auge gefaßt haben, nicht der Erfolg zu erzielen sein wird, den Sie sich vorstellen. Man wird nämlich dann mit anderen Mitteln der Aufklärung arbeiten müssen; aber das wäre dem, was uns sozialpolitisch am Herzen liegt, im gesamten gesehen, gar nicht förderlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zu unserem Änderungsantrag auf Einfügung eines § 1 b ergänzend C sagen, daß hinter den Worten „der Kriegsopferversorgung" zusätzlich geschrieben werden sollte: „und der Leistungen" aus dem Bundesentschädigungsgesetz.
Der Frau Kollegin Finselberger möchte ich nur eines antworten: Sie irren. Wir stimmen der Auszahlung und der Nichtanrechnung zu. Das ist der erste und entscheidende Akt. Unser im Januar zu behandelnder Initiativantrag wird dafür sorgen, daß der zweite Akt über die Finanzierung und Verwaltungsdurchführung folgt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu § 1.
Wir kommen zur Abstimmung. Es scheint mir außer jedem Zweifel zu stehen, daß der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 884*) Ziffer 1, dem § 1 einen ganz anderen Inhalt zu geben, der absolut weitestgehende ist. Ich lasse deshalb zuerst über ihn abstimmen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 884 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 881**) Ziffer 1, der nur dem Satz 1 des § 1 eine andere Fassung geben möchte. Wer dem Umdruck 881 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist ebenfalls abgelehnt.
Dann komme ich zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen, bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf Umdruck 884 auf, mit dem beantragt wird, zwischen die §§ 1 und 2 einen § 1 a einzufügen. Ich rufe ferner Umdruck 881 Ziffer 2 auf, mit dem dasselbe beantragt wird. Schließlich rufe ich Umdruck 885***) auf, wobei ich mit Einverständnis der Antragsteller den einzufügenden § 1 b abändern darf in § 1 a, nachdem sie den anderen zurückgenommen haben.
Ich erteile das Wort zur Begründung des Umdrucks 884*) Ziffer 2 der Frau Abgeordneten Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie haben soeben mit der Abstimmung über § 1 leider beschlossen, daß der Vorschuß ein Bestandteil der Rente ist. Wir bedauern diese Entscheidung allgemein, insbesondere aber deshalb, weil nun abermals der unerfreuliche Zustand geschaffen werden soll, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Rentenempfänger im Monat Februar zwar eine Zulage erhält, aber daran keine reine Freude haben kann, wenn der Vorschuß auf andere Sozialleistungen eventuell angerechnet wird.
Meine Herren und Damen, ich bitte Sie, bei Ihrer Entscheidung, die Sie jetzt zu dem Änderungsantrag zu § 1 a, den wir Ihnen vorgelegt haben,
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 10.
fällen, einmal zu überlegen, daß es sich hierbei um die sozial schwächsten Schichten handelt. Es sind langfristige Arbeitslose, ein beträchtlicher Teil von Kriegsopfern und Kriegsgeschädigten sowie Fürsorgeunterstützungsempfängern, wobei insbesondere die Zivilblinden betroffen werden, deren Pflegegeld ebenfalls um den Betrag gekürzt werden würde. Das sollte das Hohe Haus nicht tun. Wir sollten vielmehr daran denken, auch diesen Personengruppen mit dem jetzt zur Beratung stehenden Gesetz eine wirkliche Weihnachtsfreude zu bereiten.
Dieser Entschluß zum Guten würde uns um so leichter fallen, wenn wir bedächten, daß die Verwaltungsarbeit, die den verschiedenen Ämtern durch die Anrechnung und die spätere Zurückrechnung entsteht, in gar keinem Verhältnis zu den in Frage kommenden Ausgaben stehen würde.
Aus diesen beiden Überlegungen hat Ihnen meine Fraktion den Änderungsantrag auf Umdruck 884 zu § 1 a vorgelegt. Er ist der weitergehende, weil er in seinem letzten Satz beinhaltet, daß eine Rückforderung nicht stattfindet, falls die Vorschüsse den Betrag überschreiten, der sich als Nachzahlung auf Grund des jetzt zu beratenden Gesetzes ergibt.
Da unser Änderungsantrag zu § 1 a der weitergehende ist, möchte ich Sie namens der SPD-Fraktion bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit das hier zur Verabschiedung stehende Gesetz auch eine wirkliche Nachzahlung für die betroffenen Rentner bringt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer begründet den Antrag auf Umdruck 881 Ziffer 2? Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch?
— Haben Sie vorhin mit einbezogen. — Ebenso Frau Abgeordnete Kalinke. Danke sehr.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Antrag auf Umdruck 884*) Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 884 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zu dem Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 881**) Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Mit Mehrheit abgelehnt.
Dann komme ich zu dem Antrag auf Umdruck 885. Der Antrag auf Umdruck 885***) Ziffer 2 ist von den Antragstellern zurückgezogen worden. Der Antrag unter Ziffer 3 wird zunächst dahin abgeändert, daß die Bezeichnung des einzufügenden Paragraphen in „§ 1 a" geändert wird.
Weiter haben die Antragsteller um eine sprachliche Ergänzung gebeten, die ich, damit es keinen Irrtum gibt, noch einmal wiederholen möchte. Frau
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 10.
Kalinke, Sie haben doch gebeten, hinter den Worten „der Kriegsopferversorgung" die Worte „und der Leistungen" einzufügen?
— Das ist also die Ergänzung von seiten der Antragsteller.
Sodann liegt von seiten der CDU/CSU ein Änderungsantrag zum Änderungsantrag vor, nach dem erstens die beiden Worte „einmalige Überbrükkungszahlung" durch das Wort „Vorschußzahlung" ersetzt werden und zweitens hinter dem Wort „wird" die drei Worte „bei der Auszahlung" hinzugefügt werden sollen.
Ich lasse zuerst über diesen Änderungsantrag zum Änderungsantrag abstimmen. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, mit großer Mehrheit angenommen.
Wer nunmehr dem § 1 a mit diesen Zusätzen, im übrigen in der von den Antragstellern auf Umdruck 885 Ziffer 3 beantragten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ,das Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist der § 1 a in dieser Form neu in das Gesetz eingefügt.
Ich rufe auf § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, einer interfraktionellen Vereinbarung gemäß soll die Sitzung jetzt auf Wunsch der SPD-Fraktion vor der dritten Beratung dieses Gesetzes noch einmal auf eine halbe Stunde unterbrochen werden. Ich unterbreche bis 13 Uhr 35 Minuten.
Die Sitzung wird um 13 Uhr 37 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
das Gesetz über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen, Drucksache 2993, Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, Drucksache 3010.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der zweiten Lesung ist es nicht möglich gewesen, die nach meiner Auffassung hinreichend begründeten Änderungsvorschläge durchzusetzen. Aus den Erklärungen und aus dem Verhalten der Mehrheit ist eindeutig zu entnehmen, daß ein erneutes Vorbringen der gleichen Argumente denselben Erfolg oder Mißerfolg haben würde. Aber ich möchte doch noch einige allgemeine und grundsätzliche Bemerkungen zu dem gesamten Problem machen.
Meine Damen und Herren, woher rührt es, daß wir uns heute wieder einmal in dieser Form über diese Dinge auseinandersetzen müssen? Es rührt daher, daß wir von Anfang an unter einem Zeitdruck gestanden haben, der sich aber auch als ein moralischer Druck ausgewirkt hat, weil man allzu leicht geneigt war, diejenigen zu diskreditieren, die immer wieder gewarnt und darauf aufmerksam gemacht haben — und sie haben jetzt, in dieser Stunde recht behalten —, daß das, was uns als Regierungsvorlage, was uns als Arbeitsmaterial gegeben wurde, unvollständig war, daß es unrichtig war, daß die Ergebnisse, die daraus zu erarbeiten waren, fragwürdig sein müßten und daß sich in dem gesamten Komplex, der untrennbar hiermit verbunden ist, auf Jahrzehnte hinaus Konsequenzen ergeben, die im Augenblick noch gar nicht in vollem Umfange übersehbar sind.
Wir haben als Parlamentarier eine besonders hohe und besonders verantwortungsvolle Aufgabe erhalten in dem Recht, Gesetze zu beraten und zu beschließen. Als Gesetzgebern ist uns dieser Auftrag erteilt worden. Als Gesetzgeber haben wir uns zu verhalten. Ich verwahre mich dagegen, daß man bald dazu gezwungen wird, hier als Gesetzesmacher tätig zu sein.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie das bitte so, wie es gemeint ist. Es gibt eine Grenze der physischen und der psychischen Kraft. Sie kennen nicht die Atmosphäre, die wir leider in der letzten Zeit im Sozialpolitischen Ausschuß in steigendem Maße haben feststellen müssen, daß aus der anfänglich vernünftigen, kollegialen und loyalen Zusammenarbeit durch das forcierte Tempo immer mehr Schwierigkeiten entstanden sind, daß die Luft dikker geworden ist und daß dabei eine Gereiztheit zutage getreten ist, die dem, was wir wollen und was wir sollen, nämlich ein vernünftiges Gesetz zu beschließen, alles andere als zuträglich ist.
Das gilt, glaube ich, in dem gleichen Maße für unsere übrige gesetzliche Arbeit. Aber der Sozialpolitische Ausschuß, der beauftragt worden ist, das innenpolitische Thema Nr. 1 zu behandeln und zu verabschieden, hat weiß Gott wohl doch einen ganz besonderen Rahmen. Ich halte es für verantwortungslos — und ich bin mir der Tragweite dieses Ausspruchs durchaus bewußt —, wenn weiterhin unter dem bisherigen Zeitdruck gearbeitet werden soll. Die Sozialpolitik kennt leider — nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das so sage — nur sehr wenige Sozialpolitiker, aber desto mehr Sozialromantiker und Sozialhysteriker.
Hüten wir uns davor, daß diese die Oberhand gewinnen!
Meine Damen und Herren, wir haben in der Beziehung leider Gottes schon sehr viel erlebt.
— Ich verstehe gar nicht, warum Sie das so sehr kränkt. Es ist doch ein sehr nettes Wortspiel.
Die Sozialromantiker und die Sozialhysteriker machen sich meistens den Zeitdruck ganz besonders zunutze, und sie bringen damit Verwirrung und eine Verschärfung herein, die der echten Aufgabe der Gesetzgebung im Wege stehen. Das ist es, was hier einmal gesagt werden muß. Die Gesetze der Logik, der rechtlichen Logik, der philosophischen Logik und auch der politischen Logik dürfen nicht immer wieder verletzt werden.
Hüten wir uns weiterhin davor — ich sage auch das noch einmal mit allem Nachdruck —, aus diesen Dingen in irgendeiner Form so etwas wie einen Wahlschlager machen zu wollen.
— Nein, der Wahlschlager ist nicht mehr drin!
— Aber absolut nicht bin ich dabei! Ich sage Ihnen ja nur mit allem Nachdruck — das gilt für alle Seiten — —
— Nein, Herr Krone, das gilt für alle Seiten dieses Hauses, und ich glaube, das ist im allgemeinen schon erkannt worden. Aber über die Absicht, daraus eventuell einen Wahlschlager zu machen, ist in der zweiten Lesung recht deutlich gesprochen worden, und ich möchte auch diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, noch einmal mit allem Nachdruck darauf aufmerksam zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung weiter das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte im Anschluß an das, was Herr Kollege Dr. Jentzsch eben gesagt hat, für meine politischen Freunde und für mich folgendes sehr deutlich zum Ausdruck bringen.
Wir möchten uns in keinem Falle von Teilen des Hohen Hauses unterstellen lassen — darauf habe ich vorhin in einer, wie Sie wohl anerkennen müssen, meine Kollegen von der CDU/CSU, sehr zurückhaltenden Form hingewiesen —,
daß uns ein gewisses Odium anhaftet. Meine politischen Freunde und ich wenden uns von Anfang an dagegen, daß hieraus ein Wahlschlager gemacht wird. Dafür sind uns die Rentner und auch die Versichertenkreise zu schade.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Wir sind noch nicht bei der Abstimmung. Also das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht mehr gewünscht; dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1 und dazu den Antrag Umdruck 886*). Ich weiß nicht, ob er inzwischen schon verteilt ist. Es han-
') Siehe Anlage 11.
delt sich um einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Wenn er in der Zwischenzeit nicht verteilt werden konnte, werde ich ihn nachher noch verlesen.
Ich erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der sozialdemokratischen Fraktion diesen Änderungsantrag zur dritten Lesung zu begründen. Da er sicher noch nicht verteilt sein wird, darf ich ihn vielleicht gleich kurz vorlesen:
§ 1 Satz 1 erhält folgende Fassung:
Empfänger von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die für den Monat Januar 1957 und die folgenden Monate Anspruch auf Rente haben, erhalten auf die Rentenerhöhungen nach den Rentenversicherungsgesetzen einen monatlichen Vorschuß.
Das ist inhaltlich ungefähr dasselbe, was der FDP-Antrag besagt. Wir wollten aber den im Ausschuß geltend gemachten Bedenken, daß eine Auszahlung des Vorschusses, wie wir ihn gefordert hatten, im Januar technisch nicht möglich sei, entgegenkommen und praktisch — und das ist der Sinn unseres Antrags — eigentlich eine Fortsetzung des im Oktober beschlossenen Rentenzulagengesetzes haben, das ja den dreifachen Mehrbetrag beinhaltet. Dadurch sollte den technischen Schwierigkeiten begegnet werden. Wir wollen es aber auch — und das sage ich ganz offen — unter dem Gesichtspunkt, daß wir es einfach nicht verantworten können, die Rentner im Monat Januar 1957 auf dem Rentenstand Ende des Jahres 1954 zu belassen. Der Tatbestand ist nämlich, daß dadurch, daß das Rentenmehrbetragsgesetz nicht mehr wirksam ist, die Witwe und der Rentner im Januar 1957 mit der Rente ihr Leben fristen müssen, die sie Ende 1954 gehabt haben. Das aber erscheint angesichts der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht tragbar. Ich möchte deshalb den letzten Versuch machen, Sie zu bitten, diesem doch berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen und unserem Änderungsantrag zu § 1 Satz 1 zuzustimmen.
Wir beantragen ferner, dem § 1 folgenden dritten Satz anzufügen:
Die Vorschußzahlung endet mit Ablauf des Monats, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die Rente neu festgesetzt ist.
Wir sollten das aus folgenden Gründen tun. Herr Kollege Dr. Jentzsch hat schon auf den Zeitdruck hingewiesen, unter dem der Sozialpolitische Ausschuß leidet. Ich will das nicht wiederholen. Aber daß wir eine Fortzahlung bis zum Inkrafttreten der Rentenneuordnungsgesetze fordern, hängt sehr eng mit dem Zeitdruck zusammen.
Das Hohe Haus hat heute seine letzte Sitzung vor den Weihnachtsferien. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich bereiterklärt, nach dem es beim Herrn Präsidenten beantragt worden ist, auch noch die nächste Woche für Ausschußsitzungen zu benutzen. Wir sind im Ausschuß noch nicht einmal mit dem Rentenneuordnungsgesetz für die Invalidenversicherung fertig. Eine große Zahl von Änderungsanträgen, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, vorgelegt haben, müssen noch beraten werden. Es gibt auch noch einige andere Bestimmungen, die ebenfalls noch nicht beraten und zurückgestellt worden sind, über die also noch nicht entschieden worden ist. Aus steht noch das Gesetz über die Neuordnung des Angestelitenversicherungsrechts. Aus steht auch noch das Gesetz, das die Neuordnung der knappschaftlichen Rentenversicherung beinhaltet. Wie, meine Damen und Herren, wollen Sie nun angesichts der schwierigen Materie, die vor uns liegt und vom Ausschuß bewältigt werden muß, von dieser Stelle sagen: „Die Rentner können mit Gewißheit damit rechnen, daß ihnen im März oder Anfang April die nach den reformierten Gesetzen zu berechnende Rente ausgezahlt wird"? Das ist doch — entschuldigen Sie, daß ich das sage — ein Leichtsinn, der nicht nur Sie belastet, meine Damen und Herren von der CDU, sondern dieses ganze Haus in Mißkredit bringt, nämlich daß ein Versprechen, das den Rentnern gegeben wird, von diesem Hause nicht eingelöst werden kann.
Meine Damen und Herren, davor möchte ich warnen, und deshalb bitten wir Sie, unserem Vorschlag zu Satz 3 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich möchte noch ein abschließendes Wort sagen. Herr Kollege Arndgen, Sie haben vorhin anläßlich der zweiten Lesung davon gesprochen, daß Sie gewillt sind, das gegebene Versprechen einzuhalten, daß das Inkrafttreten der Gesetze zum 1. Januar wirksam werde. Aber das Wirksamwerden eines Gesetzes ermißt der Rentner doch erst dann, wenn er am Rentenzahltag weiß, was er mehr zu bekommen hat. Da wir das Versprechen, daß der Rentner zum 1. März oder zum 1. April eine Zulage erhält, angesichts der Schwierigkeit der Materie höchstwahrscheinlich nicht einhalten können, dürfen wir dieses Versprechen einfach nicht geben.
Unter diesem Gesichtspunkt, den Rentner nicht auf dem Rentenstand des Jahres 1954 zu belassen, und unter dem zweiten Gesichtspunkt, den Ausschuß von diesem Zeitdruck zu entlasten, darf ich Sie noch einmal herzlich bitten, unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in der dritten Lesung muß ich namens meiner Fraktion erklären, daß wir den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Es ist nicht richtig, Herr Kollege Dannebom, daß der Rentner auf den Stand von 1954 zurückgedrückt wird. Einmal wird das Renten-Mehrbetrags-Gesetz, das 1954 erstmalig beschlossen wurde. Geltung behalten, bis es durch das Reformgesetz abgelöst wird. Dazu haben wir ein zweites Renten-Mehrbetrags-Gesetz in diesem Hause verabschiedet, und dieses Renten-Mehrbetrags-Gesetz sah vor, daß einmal der sechsfache Renten-Mehrbetrag des Jahres 1954 im Dezember 1955 gezahlt wurde und daß zweitens noch einmal der sechsfache Renten-Mehrbetrag in Juni 1956 gezahlt worden ist. Dann wird in diesem Monat Dezember noch einmal der dreifache Mehrbetrag des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes von 1954 gezahlt, und durch dieses Gesetz, das jetzt beschlossen werden soll, noch einmal der dreifache Betrag. Es kann also doch
nicht die Rede davon sein, daß der Rentner auf den Stand von 1954 zurückgeworfen wird. Durch die Mehrbetragsgesetze, wie ich sie kurz angesprochen habe, ist er doch mit in die Steigerung, wie sie sich bisher ergeben hat, einbezogen, und wir werden auch dafür sorgen, daß die Rentner auf die neuen, erhöhten Renten ab 1. Januar einen Rechtsanspruch erhalten.
Ich glaube also, daß der Gesetzentwurf, der in der zweiten Lesung verabschiedet worden ist, all dem entspricht, was hier vorgetragen worden ist. Wir von der Fraktion der CDU/CSU stehen auch in der dritten Lesung zu den Beschlüssen der zweiten Lesung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen, Sie haben erklärt, daß meine Angabe, die Rentner stünden im Januar auf dem Rentenstand von Ende 1954, nicht richtig ist. So habe ich Sie verstanden. Sie haben auf die Renten-Mehrbetragsgesetze hingewiesen. Wir haben im Jahre 1955, wir haben im Jahre 1956 bis zum Dezember 1956 eine zweimalige Rentenzahlung nach dem Renten-Mehrbetragsgesetz gehabt. Für den Monat Dezember war keine Zulage vorgesehen. Wir haben dafür dann im Oktober das Zulagegesetz beschlossen. Sie haben jetzt einen Entwurf eingebracht, der nun zur Entscheidung steht, wonach für den Monat Februar 1957 der dreifache Betrag, den wir im Oktober beschlossen haben, noch einmal gezahlt wird.
— Das habe ich gar nicht bestritten, Herr Kollege Pelster. Ich habe gesagt — —
— Aber bitte, Herr Kollege Pelster, ich spreche doch so anständig mit Ihnen, daß ich annehme, daß Sie das auch ruhig mit genau derselben Gelassenheit entgegennehmen können.
Ich habe gesagt: Im Monat Januar steht der Rentner auf dem Rentenstand des Jahresendes 1954. Das ist doch ein Tatbestand, der nicht zu widerlegen ist, weil die anderen Rentenzahlungen, die infolge des Mehrbetrags-Gesetzes erfolgt sind, einfach nicht mehr da sind. Das ist doch der Tatbestand, und um den allein handelt es sich. Ich glaube, Herr Kollege Arndgen, Sie wissen doch ganz genau, daß das richtig ist. — Aber wenn Sie noch immer dabei bleiben, daß es nicht richtig ist, dann bitte, sehen Sie doch einmal die bestehenden Gesetze, die wir verabschiedet haben, nach.
Das ist also der Tatbestand. Im Februar sind Sie gewillt, dies zu ändern, indem Sie für den Monat Februar etwas Zusätzliches geben wollen. Im Monat Januar wird es nicht geschehen. Wie es im Monat März wird, vermag heute noch keiner zu sagen.
Wenn sich die Behandlung des Rentengesetzes noch hinauszögern wird, werden wir uns demnächst noch einmal mit derselben Materie hier beschäftigen müssen, und wenn die Ausschußarbeit
eine rechtzeitige Verabschiedung der Gesetze nicht ermöglicht, darf ich schon heute im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir wieder ein besonderes Gesetz hier vorlegen werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren, scheint mir diese Frage von solch fundamentaler Bedeutung zu sein, daß ich namentliche Abstimmung über unseren Änderungsantrag beantrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Meine Damen und Herren! Wie fragwürdig Sie selber den Zeitplan der Verabschiedung sehen, ergibt sich aus dem „Deutschland-Union-Dienst"
vom 11. Dezember, in dem es heißt: wenn die Rentenreform in der zweiten Januarwoche verabschiedet wird, wenn die dritte Beratung dann in der gleichen oder folgenden Woche stattfindet, wenn — dritte Voraussetzung! — der Bundesrat im zweiten Durchgang das Gesetz dann gleichfalls ohne Verzögerung verabschiedet, dann wird ab 1. Mai — man höre! —
die laufende normale Rentenzahlung nach dem neuen Gesetz eintreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 886*) Ziffer 1. Da namentliche Abstimmung von der SPD-Fraktion beantragt ist und auch mehr als 50 ihrer Mitglieder im Saale sind, findet namentliche Abstimmung statt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich bitte die Damen und Herren, die in der namentlichen Abstimmung ihre Abstimmungskarten noch nicht abgegeben haben, sich zu beeilen. — Ich frage, ob noch Damen und Herren da sind, die in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgestimmt haben. — Dann bitte ich sich zu beeilen.
Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. Es haben 394 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt, mit Ja 169, mit Nein 224; enthalten hat sich ein Abgeordneter. Berliner Abgeordnete haben 14 abgestimmt, mit Ja 9, mit Nein 5. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 886 Ziffer 1 abgelehnt.
Es erübrigt sich damit wohl auch eine Abstimmung über den Änderungsantrag unter Ziffer 2, denn er hat zur Voraussetzung, daß der erste angenommen wird. Ich stelle das fest.
*) Siehe Anlage 11.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102.
Dann rufe ich in der dritten Beratung noch den Änderungsantrag Umdruck 886*) Ziffer 3 auf, nach dem ein neuer § 1 b eingefügt werden soll. Soll der Antrag noch besonders begründet werden?
— Er ist schon mitbegründet. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zur dritten Lesung auf Umdruck 886 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen wir vor der Schlußabstimmung in der dritten Beratung. Ich gebe das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Abgeordneten Professor Schellenberg.
— Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, in der dritten Beratung pflegen wir nach der Geschäftsordnung so vorzugehen. Der § 1 a ist vorhin in einer bestimmten Fassung angenommen worden. Dann hätten Sie mir Ihre Absicht, zu dem vorhin angenommenen § 1 a auch in der dritten Beratung einen Änderungsantrag stellen zu wollen, rechtzeitig bekanntgeben müssen.
— In der dritten Beratung werden die Paragraphen nicht mehr in der Reihenfolge der zweiten Beratung aufgerufen, sondern nur noch diejenigen, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich den § 1 a aufrufe, weil ein Änderungsantrag dazu gestellt werden soll?
— Das Haus ist damit einverstanden; dann verfahren wir so.
Bitte, Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für notwendig, daß dem § 1 a noch folgender Satz angefügt wird:
§ 5 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes gilt entsprechend.
Diesen Satz müssen wir in den § 1 a noch hineinbringen, wenn bei Zusammentreffen von Renten keine Kürzungen vorgenommen werden sollen. Dadurch werden iauch Kürzungen nach § 1274 RVO ausgeschlossen. Ich bitte, den Antrag, diesen Satz dem § 1 a anzufügen, anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich lese den Antrag noch einmal vor. Es soll am Schluß des § 1 a, den wir in der zweiten Lesung beschlossen haben, folgendes angefügt werden:
§ 5 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes gilt entsprechend.
1 Siehe Anlage 11.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Nun stehen wir wirklich vor der Schlußabstimmung. Ich erteile das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung zur Abstimmung ab.
Erstens. Im Gegensatz zu allen früheren Erklärungen der Bundesregierung mußte der Herr Bundeskanzler letzte Woche auf seiner Pressekonferenz zugeben, daß die praktische Verwirklichung der Rentenreform, d. h. die Auszahlung der neuen Renten, frühestens im April oder Mai möglich sei. Der Bundeskanzler hat zugegeben, daß die Schuld daran die Bundesregierung trägt, die, wie er wörtlich erklärte, die Gesetzesvorlage dem Bundestag früher hätte zuleiten sollen.
Zweitens. Auch die Mehrheit des Bundestages ist an der weiteren Verzögerung schuld; denn sie hat es abgelehnt, den Gesetzentwurf der SPD zur Rentenneuordnung vom April dieses Jahres sogleich dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen. Die Ausschußberatungen wurden somit erst im September aufgenommen, wodurch eine Verzögerung von fast fünf Monaten eingetreten ist.
Bei !den Beratungen hat sich jetzt gezeigt, daß die Versäumnisse von Jahren nicht in Wochen und Tagen wiedergutgemacht werden können,
was seinen Ausdruck z. B. darin findet, daß die Regierungsparteien bis jetzt 161 Änderungsanträge zum Regierungsentwurf gestellt haben.
Weitere stehen noch bevor.
Drittens. Bundesregierung und Mehrheit dieses Hauses sind leider nicht bereit, den durch sie verursachten Schaden gegenüber den Rentnern dadurch zu mildern, daß sie ihnen wenigstens vom Januar an laufend Vorschüsse auf die Renten gewähren. Jetzt ist das eingetreten, was die Sozialdemokraten im April befürchtet und wovor sie gewarnt haben: daß unsere Alten und Arbeitsunfähigen wiederum einem Winter mit Sorgen und Nöten entgegengehen.
Viertens. Die Sozialdemokraten sind nicht bereit, der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses die ihnen obliegende Verantwortung gegenüber den Alten und Arbeitsunfähigen abzunehmen.
— Sie drücken sich vor der Verpflichtung zur sofortigen Hilfe, sie haben sich auch in der heutigen Entscheidung wieder davor gedrückt.
Die Sozialdemokraten werden dem vorliegenden Gesetzentwurf trotz der schweren Mängel zustimmen,
zumal die Sozialdemokraten die Initiative dazu ergriffen haben, daß eine Vorschußzahlung gewährt wird.
Wir erklären aber aus Anlaß der Schlußabstimmung, daß wir im neuen Jahre so lange weitere Anträge auf Gewährung von Vorschüssen an die Rentner stellen werden,
bis die Rentner in den Genuß der Leistungen gekommen sind, die ihnen nach der Rentenneuordnung zustehen sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben. Die Freien Demokraten haben sich bemüht, durch echte und gerechte sozialpolitische Mittel den Rentnern für die Zeit vom gesetzlichen Wirksamwerden der Rentenreform bis zur tatsächlichen Verwirklichung zu helfen. Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FVP, Drucksache 2993, stellt nach unserer Auffassung keine ausreichende Befriedigung der dem Grunde nach anerkannten Ansprüche der Rentner aus der kommenden Reform dar.
Die Regierungsmehrheit hat gleichwohl ihren Entwurf als Gesetz beschlossen.
Damit den Rentnern wenigstens im Februar eine gewisse Hilfe zuteil wird, stimmt die Fraktion der FDP trotz grundsätzlicher und schwerster Bedenken dem Gesetz zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Schellenberg hat die Pressekonferenz, die der Herr Bundeskanzler in der vorigen Woche abgehalten hat, zum Anlaß genommen, daher die Argumente für seine Behauptungen zu holen. Meine Damen und Herren, ich erkläre hier namens meiner politischen Freunde: das, was Herr Kollege Schellenberg soeben hier dazu vorgetragen hat, führt in der Auswirkung zur Irreführung in der Öffentlichkeit.
Es ist gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt der Sozialpolitische Ausschuß mit seinen Beratungen begonnen hat und in welchem wirklich schweren Arbeitstempo er sie hat durchführen müssen.
Wir sind uns darüber einig, daß das Gesetz mit ' dem 1. Januar 1957 wirksam wird. Das hat gar nichts damit zu tun, wie und wann die Beratungen durchgeführt werden mußten. Die Berechnungen müssen in jedem Falle nach der Verabschiedung der Vorlage angestellt werden, und sie beanspruchen ihre Zeit, sie beanspruchen einige Monate, bevor die Gelder den Rentnern wirklich in die Hand gegeben werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Horn, ich darf Sie doch bitten, die Form zu wählen, zu der ich Ihnen das Wort gegeben habe, nämlich Erklärung zur Schlußabstimmung.
Dann möchte ich ergebenst den Herrn Präsidenten bitten, zu beurteilen, ob Herr Dr. Schellenberg sich besser an die Form der Erklärung gehalten hat als ich.
Meine Damen und Herren, es soll hier wiederholt werden, was auch imAusschuß gesagt wurde: Wenn die Bestimmungen zum 1. Januar wirksam werden — und das in die Tat umzusetzen, ist die sozialdemokratische Fraktion genauso in der Lage wie wir, wenn wir unsere Arbeit in der nächsten Woche entsprechend tun —, dann ist die Praxis, die Verwaltung, in der Lage, die Nachzahlung für die Rentenerhöhungen im Laufe des April vorzunehmen.
Zu dem, was zur laufenden Vorschußzahlung zu sagen ist, habe ich dem, was vorhin Herr Kollege Arndgen gesagt hat, nichts hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat in der Frage jetzt genau dasselbe gute Gewissen, das sie auch bei unseren bisherigen Arbeiten gehabt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure, daß ich infolge des Verlaufs der Debatte und auf Grund der abgegebenen Erklärungen auch namens der Fraktion der Deutschen Partei zu Beginn noch einmal erklären muß, daß die Schuld für die Hetze, für manches hektische Gespräch, für manches ungute sozialpolitische Gespräch und für die Erklärungen, die hier heute zum Teil abgegeben worden sind, durchaus eine Kollektivschuld ist.
Die Deutsche Partei bedauert, daß es die SPD mit gewesen ist, die verhindert hat, daß vor einem Jahr auf Grund unseres Antrages eine rechtzeitige Aussprache stattfinden konnte.
Die Deutsche Partei bedauert auch, daß Sie Änderungsanträge redaktioneller Art, deren redaktionellen Inhalt Sie kennen und die sich auf gesetzliche Bestimmungen beziehen, die absolut nicht immer materielle Änderungen bedeuten, nun
nach Zahl und Fülle gezählt haben und damit die Schwierigkeit der Beratungen begründen wollen. Nach Ansicht der Fraktion der Deutschen Partei ist die Beratung hinsichtlich des Inhalts der Regierungsvorlage genauso schwierig wie hinsichtlich des Inhalts des SPD-Gesetzesantrages.
Ich wiederhole: Die Schwierigkeit der Beratungen ist durch den sachlichen Inhalt der beiden Gesetzesvorlagen bedingt.
Die Deutsche Partei hat den Wunsch, daß die Rentenerhöhungen, auf die die Rentner hoffen, so schnell wie möglich in Kraft gesetzt werden können, und ist überzeugt, daß alle Voraussetzungen geschaffen werden können, damit die erhöhten Renten rückwirkend ab 1. Januar 1957 gezahlt werden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß auch die SPD weiß, daß die von ihr geforderten Zahlungen am 1. Januar verwaltungsmäßig gar nicht möglich sind, selbst wenn wir das Gesetz heute in dritter Lesung verabschieden könnten. Die Sozialdemokratische Partei weiß
genauso gut wie wir, wie gefährlich es ist, in der Öffentlichkeit soziale Versprechungen zu machen — an denen sie reichlich beteiligt ist —, weil solche Versprechen erfüllt werden müssen.
Die Deutsche Partei hat im Ausschuß sachliche Anträge zur Verbesserung des Gesetzes gestellt. Sie ist leider oft nicht nur von ihren eigenen Koalitionspartnern, sondern besonders auch von der SPD im Stiche gelassen worden. Die Deutsche Partei hat Bedenken gegen Vorschußzahlungen, weil sie will, daß das, was den Rentnern versprochen ist, ihnen auch ungekürzt gegeben werden soll. Sie wird dem Gesetzesantrag der CDU/CSU-
Fraktion zustimmen, damit die Zahlung im Februar erfolgen kann, und wird, wie ich in der zweiten Lesung im Auftrage meiner Fraktion erklärt habe, im Januar ihren Änderungsantrag einbringen, damit hinsichtlich der Finanzierungsgrundlagen das Nötige geschieht und aus der beschlossenen Vorschußzahlung eine ungekürzte Überbrückungszahlung wird.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es, daß ihr Antrag auf Nichtanrechnung in zweiter Lesung einstimmig angenommen worden ist. Sie knüpft daran die Hoffnung, daß diese Auseinandersetzung um die Rentner und um die für sie bestimmten Leistungen die letzte vor der Verabschiedung der Rentenreform gewesen sein möge!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort noch einmal Herrn Professor Schellenberg.
Ich stelle zu der Erklärung von Frau Kalinke folgendes fest. Die SPD hat es Ende vergangenen Jahres abgelehnt, hier weiter über Rentenreform zu reden, weil sie einen Gesetzentwurf zur Rentenreform erarbeitete, den sie dem Hause vorgelegt hat.
Zu der Erklärung des Herrn Kollegen Horn stelle ich fest, daß der Herr Bundeskanzler laut Wortprotokoll in der Bundespressekonferenz vom 7. Dezember folgendes erklärt hat.
Ich zitiere:
Ich muß hier offen bekennen, daß die Bundesregierung,
als deren Sprecher ich hier auftrete, gut daran getan hätte, wenn sie die ganzen Vorlagen schon früher dem Bundestag hätte zugehen lassen.
Der Bundeskanzler hat damit das Verschulden der Bundesregierung an der Verzögerung der Rentenreform zugegeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung des aufgerufenen Gesetzes in der dritten Lesung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte vom Platz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, wir müssen noch die Nr. 2 des Ausschußantrags erledigen, den Sie auf der Drucksache 3010 finden und der lautet, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Gewährung eines Vorschusses auf Rentenleistungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen — Drucksache 2960 — als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen. Das kann nur in der Form einer Ablehnung in der zweiten Beratung geschehen.
Ich rufe deshalb auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung eines Vorschusses auf Rentenleistungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen (Drucksache 2960).
Ich rufe auf§ 1,—§2,—§3,—§4,—§5,—Einleitung und Überschrift. —
Ich eröffne die Beratung. Wird in der zweiten Beratung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wer den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letzte ist die Mehrheit; das Gesetz ist in der zweiten Beratung abgelehnt. Eine dritte Beratung schließt sich daher nicht mehr an. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Dritte Beratung der Gesetzentwürfe zu den Verträgen vom 27. Oktober 1956 zur Regelung der Saarfrage, über die Schiffbarmachung der Mosel, über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und zur Abänderung des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung der Saar.
Das Haus ist damit einverstanden, daß wir für die allgemeine Aussprache der dritten Lesung die Tagesordnungspunkte 4 bzw. 1 a, b, c, d und 2 miteinander verbinden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Lesung und gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Lenz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann ein gewisses Bedauern nicht unterdrücken, daß die zweite und dritte Lesung der Saarverträge nicht geschlossen durchgeführt worden ist. Ich hätte es gewünscht, daß ein nationales Ereignis von dieser Bedeutung hier in einer geschlosseneren Form erörtert worden wäre.
Nachdem die Stunde schon so spät geworden ist und schon zu den Überleitungsbestimmungen sehr viel gesagt worden ist, möchte ich mich auf einige ganz grundsätzliche Ausführungen beschränken.
Ich glaube, wir alle haben ohne Unterschied der Fraktion Anlaß, uns darüber zu freuen, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nunmehr die Saar zu Deutschland zurückkehrt.
Ich will nicht auf die wechselvolle Geschichte eingehen, die das Saargebiet innerhalb einer Generation gehabt hat. Aber ich glaube, wir alle, die wir es erlebt haben, als das Saargebiet zum zweitenmal von Deutschland abgetrennt wurde, hatten große Zweifel, ob und wann das Saargebiet die Möglichkeit haben würde, wieder zu Deutschland zurückzukehren. Ich erinnere daran, daß die französische Regierung noch bis 1950 zäh an der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland festgehalten hat und daß auch eine amerikanisch-englische Garantie für den Status der Abtrennung vorlag.
Die Einzelphasen, die zu diesem Vertrag geführt haben, will ich hier nicht mehr erörtern. Ich glaube aber, daß wir nicht zu dieser Lösung gelangt wären, wenn nicht der europäische Gedanke in der Nachkriegszeit so viel Kraft entwickelt hätte, daß alle am Europarat beteiligten Nationen eingesehen haben, daß eine Lösung der Saarfrage zwischen Frankreich und Deutschland auch in europäischem Interesse eine Notwendigkeit ist.
Wenn man auch die Lösungen, die einmal im Europarat erörtert worden sind, nicht für besonders glücklich hielt, so waren sie doch, glaube ich, wichtige Vorstufen, um nun zu diesem Ergebnis zu gelangen. Ich erinnere mich daran — und ich glaube, meine Kollegen, die mit im Europarat sind, erinnern sich auch noch daran —: Als im Europarat die Ablehnung des Saarstatuts bekannt wurde, haben sich Delegierte aller Länder darum bemüht, daß nun keine schwere Verstimmung zwischen Frankreich und Deutschland eintrat, und sie haben sich dafür eingesetzt, daß das Abstimmungsergebnis und der Wille der Saarbevölkerung respektiert wurden. Herr Kollege Mommer, ich glaube, wir erinnern uns beide noch daran, daß wir mit dem damaligen Präsidenten des Europarates und heutigen Regierungschef Guy Mollet das Fernsehinterview in Straßburg hatten und daß damals Guy Mollet in sehr nobler Weise die Erklärung abgab, daß Frankreich nunmehr in seiner Politik dem Votum der Saarbevölkerung Rechnung tragen werde. Wir müssen heute mit Anerkennung feststellen, daß dies auch geschehen ist und daß er Wort gehalten hat.
Wir haben auch mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die französische Kammer mit so großer Mehrheit ihrerseits nunmehr die Verträge ratifiziert hat. Das ist ein günstiges Zeichen für den Stand der deutsch-französischen Beziehungen.
Wir alle hoffen und erwarten, daß die letzten nationalen Streitfragen zwischen Frankreich und Deutschland damit abgetan sind. Wir hoffen, daß das für immer der Fall ist.
In einer Entwicklung wie der heutigen können es sich zwei Länder, die durch Kultur, Nachbarschaft und ihre Geschichte so eng miteinander verbunden sind, nicht mehr leisten, tiefgehende nationale Streitigkeiten zu haben.
Unser besonderer Dank muß heute der Bevölkerung des Saargebiets gelten.
Sie hat sich bei der Abstimmung mit heißem Herzen für das Vaterland Deutschland ausgesprochen. Sie wollte den direkten Weg zur Heimat gehen und nicht den Umweg, den die Politik vorgesehen hatte. Doch glaube ich, daß ohne die mühseligen Verhandlungen, die vorangegangen waren und die zum Saarstatut geführt haben, dieser direkte Weg nicht möglich gewesen wäre.
Der Vertrag legt uns gewiß schwere Opfer auf, und über manche Regelung ist keine reine Freude, insbesondere auch über die angeblich zu lange Dauer der Übergangsperiode. Aber ich glaube, dies mußten wir in Kauf nehmen zur Erreichung des Endergebnisses und auch im Interesse einer möglichst reibungslosen Überführung der Saarwirtschaft in das deutsche Wirtschaftsgebiet. Wir wollen nur hoffen, daß die Übergangsvereinbarungen nun großzügig gehandhabt werden. Denn ein noch so perfektionistischer Vertrag — und ich muß sagen, dieser Vertrag hat anscheinend den Ehrgeiz, eine sehr minutiöse Regelung anzustreben — kann nicht alle Streitfragen, alle Probleme im voraus regeln. Es wird auch im Verhältnis zu dem neuen Bundesland Saar noch manches abzustimmen sein. Wir wollen hoffen, daß wir da Lösungen finden, die den Erwartungen der Saarbevölkerung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik entsprechen.
Wir bedauern sehr, daß heute manche Kreise im Saargebiet die Zustimmung zu diesem Vertrag und die Zustimmung zur Wiederangliederung an die Bundesrepublik von Bedingungen abhängig machen wollen.
Das widerspricht der Politik, die sie bisher immer vertreten haben, und ich glaube auch nicht, daß das eine vorbildliche nationale Haltung ist.
Eine Änderung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit der Eingliederung des Saargebiets haben wir nicht für erforderlich gehalten. Wir
stehen auf dem Standpunkt, daß die Möglichkeit der Eingliederung der alten deutschen Gebiete durch einfaches Gesetz in Art. 23 ausdrücklich vorgesehen ist. Wir würden, glaube ich, dieses Privileg beeinträchtigen, wenn wir wegen gewisser Abweichungen während einer kurzen Übergangszeit eine Änderung des Grundgesetzes verlangen wollten. Wir glauben auch nicht, daß die Verfasser des Grundgesetzes an so etwas gedacht haben. Wir begrüßen es sehr, daß ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden ist.
Wir haben in der heutigen Stunde allen Anlaß, der Bundesregierung und allen Persönlichkeiten, die zum Gelingen dieser Verträge beigetragen haben, unsern herzlichsten Dank auszusprechen.
Ich glaube, die einstimmige Annahme der Verträge im Auswärtigen Ausschuß bedeutet schon eine Anerkennung.
Meine Damen und Herren, zum Schluß nur noch ein paar Worte. Wenn am 1. Januar 1957 die Bundesflagge an den Fahnenmasten im Saargebiet hochsteigt und dieses nationale Ereignis festlich begangen wird, werden sicherlich 18 Millionen Deutsche jenseits des Eisernen Vorhanges sich fragen, wann auch für sie die Zeit der Heimkehr da ist. Wir wären wohl alle glücklich, wenn in ähnlicher Weise wie hier die Frage ihrer Rückkehr geregelt werden könnte.
Daß sie gelöst werden muß, darüber sind wir uns alle einig. Wenn der Gedanke an die 18 Millionen Deutschen jenseits des Eisernen Vorhanges auch wie ein Schatten auf der Rückkehr des Saargebietes lastet, so soll das nicht unsere Freude und unsere Dankbarkeit über die Entwicklung beeinträchtigen; es soll uns aber eine ständige Mahnung sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden den Ratifikationsgesetzen und dem Eingliederungsgesetz zustimmen, obschon wir an einigen Punkten einige Vorbehalte anzumelden hätten. Ich darf im Namen meiner Fraktion feststellen, daß die Lösung, wie sie heute vertraglich und gesetzestextlich vor uns liegt, in ihren großen Linien der Politik entspricht, die die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren immer vertreten hat, sei es in diesem Hause, sei es im Europarat, sei es gegenüber unseren sozialistischen Freunden im Ausland. Es ging uns immer darum, die Freiheitsrechte zu wahren und das Recht auf Einheit der gewachsenen Nation durchzusetzen. Wir sind davon nie abgewichen, auch nicht in der gefährlichsten Periode dieses Kampfes, als der separatistische Saarwolf im europäischen Schafspelz einherging.
Jetzt können wir aufatmen. Dieses Problem ist bereinigt, und damit kann die Entkrampfung des deutsch-französischen Verhältnisses wirklich werden. Wir freuen uns, daß schon vor uns die französische Nationalversammlung mit einer beachtlichen
Mehrheit die Verträge ratifiziert hat. Die SPD ist besonders glücklich darüber. Das bedeutet auch für uns das Ende von Spannungen, die wir immer bedauert haben, die aber unausweichlich waren und die wir nicht durch die Preisgabe von Grundsätzen beseitigen konnten, von denen wir annehmen, daß sie die Grundlagen der Freundschaft und der Einheit unter den europäischen Nationen sein müssen.
Aus den Verhandlungen, die zu diesen Verträgen geführt haben, und auch aus der Debatte, die anläßlich der Ratifizierung in der französischen Kammer stattgefunden hat, hat man überall ein gewisses Mißtrauen uns gegenüber spüren können, ein Mißtrauen nämlich, daß wir die Leistung Frankreichs jetzt entgegennehmen, daß wir aber widerspenstig sein würden, wenn es in den kommenden Jahren darum geht, unsere Gegenleistung zu erbringen. Ich möchte hier erklären, daß für uns die Opfer dieses Vertrages, so groß sie auch sein mögen, ein Teil des Vertrages sind, und daß wir für pünktliche und korrekte Vertragserfüllung eintreten werden, auch dann, wenn es weh tut, und daß in Frankreich niemand fürchten soll, daß wir die Möglichkeit — die wir theoretisch hätten —, in Verzögerungs- und Verschleppungstaktik zu machen, wahrnehmen werden. Wir werden die Freundschaft mit Frankreich, die jetzt möglich ist, nachdem die blutende Wunde, die allzu oft mit Schweigen zugedeckt wurde, beseitigt ist, nicht dadurch trüben, daß wir nachträglich an den Leistungen, die wir zu vollbringen haben, herum-arbeiten werden.
Wir Sozialdemokraten sind immer hart und unerbittlich in den Grundsätzen gewesen, aber immer ebenso konziliant in dem, was an Zugeständnissen an französische Wünsche und Interessen gemacht werden konnte. Wir haben Frankreichs Sicherheitsinteressen und Frankreichs Wirtschaftsinteressen, insbesondere das Interesse an der Kohle, immer anerkannt. Wir waren immer bereit, darüber zu reden. Die Berichte der Ausschüsse, die in unserer sehr schnellen Behandlung heute etwas zu kurz gekommen sind, zeigen die Größe dieser Opfer. Dabei drücken sich die Opfer im Augenblick nur in Zahlen aus, aber in kommenden Jahren werden es Zahlungen sein, und dann wird es zwar erlaubt sein zu stöhnen, aber nicht erlaubt sein, nicht zu zahlen.
Alles das, was wir hier getan haben, wäre nicht ausreichend gewesen, um zu dem glücklichen Ende zu gelangen, wenn sich die Saarländer mit der Teilung, mit der Trennung von uns abgefunden hätten, wenn sie den Stiftern einer neuen Nation gefolgt wären, statt den Willen zur Wiedervereinigung in einem einigen Volke wachzuhalten. Es mußte vieles zusammenkommen. Viele Kausal-ketten mußten zusammenlaufen, um das heutige Resultat möglich zu machen. Weil es so viele waren, darum gibt es auch viele Verdienste, und sehr viele können sagen, daß sie dabeigewesen sind.
Aber der Angelpunkt war immer der Wille der Saarbevölkerung zur Rückgliederung, und was da gilt, das gilt auch für die Wiedervereinigung. Solange das Flämmchen der Hoffnung und der Sehnsucht nach Einheit in Freiheit glimmt in den Herzen der Deutschen, die von uns getrennt leben, ein Flämmchen, das, wie wir gesehen haben, zur lodernden Flamme wird, wenn sich der Druck mindert und wenn die Verhältnisse günstig werden, solange ist die Trennung auf Sand gebaut,
solange ist das Gebäude, das Siegermächte aufrichten, ein Kartenhaus.
Aber dieses gesunde Nationalgefühl ist nicht ein isoliertes Gefühl, isoliert von der Gesamtheit der Gefühle und der Interessen der Menschen. Es hat in der Vergangenheit auch an der Saar der Stütze und der Pflege von hier aus bedurft, und es bedarf auch in Zukunft, insbesondere bei den Menschen jenseits der Zonengrenze, der Pflege und der Stütze. Das war im Saarkampf sehr wichtig und ist im Kampf für die große Wiedervereinigung sehr wichtig. Wir müssen diesen Menschen die Gewißheit geben, daß die Erfüllung ihrer nationalen Freiheitshoffnungen nicht mit Opfern auf wichtigen Lebensgebieten, im Sozialen, im Wirtschaftlichen, zu bezahlen sein wird. Ein geteiltes Land muß sich notwendigerweise in seinen einzelnen Teilen unterschiedlich entwickeln. Die Verfechter der Teilung argumentieren dann mit gewissen Vorzügen, die die Menschen in diesem abgetrennten Gebiet genießen. Es war wichtig, daß wir diesen Argumenten die Versicherung entgegenhielten, daß nach der Rückgliederung der Besitzstand gewahrt wird und daß wirtschaftliche und finanzielle Hilfe im Augenblick der Rückgliederung in ausreichendem Maße von uns zur Verfügung gestellt wird.
Wir Sozialdemokraten, die FDP-Fraktion und die BHE-Fraktion haben im Oktober 1955 diese Versicherung der Wahrung des Besitzstandes gedruckt in einem Antrag hier im Bundestag in der Drucksache 1781 niedergelegt. Wir müssen heute bedauern, daß die Erörterungen, die es in den vergangenen Wochen und heute morgen in der zweiten Lesung gegeben hat, nicht übereinstimmten mit dem politischen Geist und Willen, der hinter unseren schon frühzeitig abgegebenen Versicherungen stand.
Das Ereignis, das den heutigen Tag möglich gemacht hat, war doch die Abstimmung vom 23. Oktober 1955.
Um diesen Ausgangspunkt zu schaffen, war es nötig, daß die Menschen an der Saar wußten: Hier im freien Teil Deutschlands übt man Solidarität, hier wird man dafür sorgen, daß sie, wenn sie für die Einheit des Vaterlandes eintreten, sich dabei auch im Sozialen und Wirtschaftlichen nicht schlecht stehen werden.
Deshalb muß ich es bedauern, daß heute morgen hier eine Diskussion stattgefunden hat, die an diesem entscheidenden politischen Punkt immer vorüberging. Darauf kommt es an, daß die Menschen, die von uns getrennt leben müssen, den Willen spüren, ihnen Opfer, die vermeidbar sind, zu ersparen, wenn der Tag der Wiedervereinigung kommt. Wenn man das will, dann finden unsere Fachleute und Techniker sicher immer die nötigen Wege, um das in Verwaltung und Gesetzgebung auch entsprechend zu regeln. Aber, meine Damen und Herren, dieses Bedauern müssen wir hier aussprechen. Gerade die Behandlung dieses Problems in diesen Tagen hat uns wieder gezeigt, daß der Bundesregierung geradezu das Organ für die Bedeutung des Sozialen in den Problemen der Wiedervereinigung fehlt.
— Prüfen Sie sich selbst!
Dahinter steht ein wenig die Überzeugung, daß wir in der besten aller möglichen Welten leben. Man sollte sich doch nicht darüber wundern, Herr Bundesarbeitsminister, daß die Menschen an der Saar keine besondere Lust verspüren, von der Kindergeldregelung, die sie haben, „heruntergeglichen" zu werden zum schlechtesten Kindergeldgesetz, das es in Europa gibt.
— Meine Damen und Herren, ich mußte so etwas heute sagen, weil wir heute morgen hier in diesem Saal bei der zweiten Beratung dieses traurige Schauspiel der Debatte um die Wahrung des sozialen Besitzstandes erlebt haben und die Mehrheit des Hauses sich geweigert hat, die Wahrung des sozialen Besitzstandes in das Eingliederungsgesetz hineinzubauen.
Meine Damen und Herren, bei diesen Dingen mag die Rechtseinheit in der wiederhergestellten Staatseinheit wichtig sein; aber der Wille der abgetrennten Bevölkerungsteile nach Wiedervereinigung ist wichtiger, und auch das Einhalten von Versprechungen ist wichtiger. Wir haben uns diesen Menschen gegenüber engagiert, auch Sie, auch wenn Ihre Fraktion nicht unter jenem Antrag und anderen Erklärungen dieser Art steht; denn Sie basieren, indem Sie diese Verträge ausgehandelt haben, auch darauf, daß die Saarbevölkerung im Vertrauen auf die soziale und wirtschaftliche Solidarität gewissen Ratschlägen nicht gefolgt ist, das Statut nicht angenommen, sondern verworfen und damit den Willen zur Rückgliederung bekundet hat.
Durch die Einbeziehung des Saargebietes als ein Bundesland in den Geltungsbereich des Grundgesetzes wird der Art. 23 Satz 2 des Bonner Grundgesetzes verwirklicht. Seine Vorschrift ist zu diesem Zweck geschaffen. Wir waren uns immer darüber einig, daß es keiner Verfassungsänderung bedarf, um das Grundgesetz auch im Saarland in Kraft zu setzen.
Aber eine Besonderheit der jetzigen Regelung besteht doch darin, daß unser Grundgesetz nicht schon zum 1. Januar 1957 in seinem vollen Umfange im Saarland in Kraft gesetzt werden kann, sondern daß während einer Übergangszeit von drei Jahren noch schwerwiegende Vorbehalte hingenommen oder zugunsten der Saar gemacht werden müssen. Dadurch ist die Frage entstanden, ob solche Vorbehalte und derartige Sonderbestimmungen ohne eine Ergänzung des Grundgesetzes zulässig sind. Wir haben auf diese Frage zeitig hingewiesen. Nach unserer Auffassung und nach der Uberzeugung auch der anderen Fraktionen — mit Ausnahme der größten Fraktion dieses Hauses — hätte man die Wirksamkeit dieser Vorbehalte und Sonderregelungen durch eine Grundgesetzergänzung sichern sollen. Zu unserem Bedauern aber hat sich diese Fraktion dieser Einsicht verschlossen.
Die Verantwortung dafür, ob die nunmehr getroffene Regelung sich auch als verfassungsrecht-
lieh wirksam erweist, müssen wir dieser Fraktion überlassen.
Wir legen Wert und Gewicht auf zwei weitere Feststellungen. Erstens: Mit der Einbeziehung des Saarlandes in den Geltungsbereich des Grundgesetzes wird die dafür geschaffene Vorschrift des Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes gegenstandslos. Der Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes ist konsumiert.
Zweitens: Das Verfahren der Einbeziehung der Saar in den Geltungsbereich des Grundgesetzes ist kein Präzedenzfall für die Wiedervereinigung. Die Wiedervereinigung vollzieht sich gemäß Art. 146 des Grundgesetzes durch freie Wahlen in ganz Deutschland zu einer gesamtdeutschen verfassunggebenden Nationalversammlung. Der Entwurf einer Wahlordnung für gesamtdeutsche Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung ist bereits vom 1. Bundestag beschlossen worden und hat bis heute nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Die Wiedervereinigung wird sich also in anderen Formen abspielen müssen als die Eingliederung der Saar auf Grund des Art. 23. Insoweit ist die Eingliederung kein Präzedenzfall für die Wiedervereinigung.
Jedoch wird auch der Wiedervereinigung eine Verständigung und schließlich ein Vertrag mit der anderen Siegermacht vorausgehen müssen. Auch bei diesem Vertrag werden das Prestige und das Sicherheitsbedürfnis und andere Interessen in Rechnung zu stellen sein. Auch bei diesem Vertrag wird man nach dem Grundsatz verfahren müssen: Gib, damit dir gegeben werde. Wir werden uns auch auf der anderen Seite durch kein noch so oft wiederholtes Nein und durch kein Ausweichen entmutigen lassen. Auch auf ,der anderen Seite ist der Freiheitswille der Bevölkerung die wichtigste Trumpfkarte in unserem politischen Streben, eine Trumpfkarte, deren Durchschlagskraft weitgehend durch unser politisches Verhalten beeinflußt wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns gleich — ich denke alle und wie ein Mann — von unseren Sitzen erheben, um in dritter Lesung die Verträge und das Eingliederungsgesetz zu billigen, dann ist das ein besonderer Augenblick in der Geschichte des Deutschen Bundestages. Unseren Landsleuten an der Saar rufen wir damit ein bewegtes Willkommen zu. Unsere Landsleute in Mitteldeutschland, die — Gott und der Welt sei es geklagt — noch weiter in leidvoller Trennung von uns leben müssen, mögen aus diesem großen nationalen Ereignis der Rückkehr eines anderen bisher abgetrennten Teiles unseres Vaterlandes Ermutigung und Hoffnung schöpfen. Eine Nation hat einen langen Atem. Wir als die frei gewählten Vertreter des deutschen Volkes wollen nicht ruhen und nicht rasten und keine Mittel der friedlichen Politik un-ausgeschöpft lassen, bis die Einheit der ganzen Nation in Freiheit vollendet ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten werden dem Gesetzgebungswerk und den Verträgen zustimmen. Wir stimmen dem Eingliederungsgesetz trotz erheblicher Bedenken in verfassungsrechtlicher Beziehung, die schon angedeutet sind, zu. Wir stimmen den Verträgen zu und verbinden damit die Hoffnung, daß sich nicht nur die politischen Dinge, sondern auch — vielen von uns ist das ein persönliches Anliegen — unser Verhältnis zu unseren französischen Nachbarn so gestalten, daß wir von der Nachbarschaft zur Freundschaft übergehen können und daß wir damit die Grundlage zu einer Zusammenfassung aller europäischen Völker in einem vereinigten Europa bilden, das dann freilich auch die osteuropäischen Staaten mit umfassen müßte.
Wenn wir die Verträge annehmen, so geschieht das mit der selbstverständlichen Erklärung — ich darf unterschreiben, was der Kollege Mommer soeben gesagt hat —, daß nicht später daran gemäkelt wird, sondern daß wir diese Verträge nach Wortlaut und Sinn einhalten werden. Wir werden aber auch nach Wortlaut und Sinn das einhalten, was wir im Oktober des vergangenen Jahres zusammen mit zwei anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses für die Zukunft der Bevölkerung des Landes an der Saar in Aussicht gestellt haben.
Ich möchte nun, nachdem in der Begründung zu dem Vertragswerk und in dem Bericht des Herrn Generalberichterstatters auf die geschichtliche Entwicklung des Saarproblems eingegangen worden ist, doch noch einige Worte hinzufügen, auch im Hinblick auf die Debatten, die wir einmal in diesem Hause gehabt haben. Ich tue das nicht etwa aus irgendwelchen Ressentiments heraus; nach der persönlichen Seite nämlich sind die Dinge ausgeglichen, wenn auch erst nach elf Monaten. Aber was das Politische betrifft, so gestatten Sie mir, auf diese Entwicklung einmal etwas einzugehen, schon allein aus dem Gesichtspunkt, daß man aus der Vergangenheit auch etwas für die Zukunft lernen kann. So bitte ich das zu sehen.
Ich möchte an die Spitze dieses historischen Rückblicks einen Satz aus der Atlantik-Charta stellen, den die Westmächte zwar für sich formuliert haben und der meiner Auffassung nach auch für Rußland gilt. Dieser Satz der Atlantik-Charta vom 14. August 1941 verpflichtete die Alliierten, für ihre Länder keine Gewinne territorialer Art zu suchen, keinen territorialen Veränderungen zuzustimmen, die nicht den Wünschen dieser Völker entsprechen. Er verpflichtete sie ferner, das Recht aller Völker zu beachten, sich diejenige Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen.
Nachdem dieser Grundsatz festgelegt war, wurde Deutschland besetzt. Das Saarland, Teil des Deutschen Reichs, wurde besetzt und dann abgetrennt; Sie kennen die geschichtliche Entwicklung. 1947 wurde eine saarländische Verfassung geschaffen. Wir haben hier des öfteren, ich glaube, beinahe jedes Jahr, in den vergangenen Jahren uns über die Unfreiheiten, die unter dem System an der Saar damals zu Hause waren, beklagt, haben darüber debattiert und um Abhilfe ersucht. Wir haben es dann erlebt, daß im November 1952 im Saargebiet Landtagswahlen stattfanden und daß unter dem Druck, der damals herrschte, diejenigen, die den damals herrschenden Gewalten nicht paßten, nur durch weiße unbeschriebene Stimmzettel ihrer Meinung Ausdruck geben konnten, und das waren 26 %. Daraus erwuchs die Meinung der französischen Verwaltung, die Meinung des Herrn Grand-val, daß die Bevölkerung an der Saar wohl in
jeder Volksabstimmung für Frankreich zu haben sei. Deshalb — auf Wunsch Frankreichs — kam die erste Volksabstimmung in das Saarstatut. Dann ist versucht worden — Sie kennen auch diese Geschichte —, über den Europarat, durch Herrn van der Goes van Naters ein mit europäischen Zutaten und Worten versehenes Statut auszuarbeiten, das erfreulicherweise nicht zur Annahme gekommen ist. Wir haben dann erlebt, daß im April 1954 in Straßburg noch einmal der Versuch gemacht worden ist, einen Saarvertrag zwischen Frankreich und der Bundesrepublik zustande zu bringen, der aber deshalb nicht zustande gekommen ist, weil das französische Kabinett die Unterschrift seines Mitgliedes, des Herrn Teitgen, nicht honoriert hat.
Am 23. Oktober 1954 sind wir dann schließlich in Paris zu dem Saarstatut gekommen. Sie kennen die Entwicklung, die hierzu geführt hatte. Die Auffassung der Freien Demokraten war die: Wenn ein Land besetzt worden ist, kann es nach den Grundsätzen der Atlantik-Charta nicht zum Zweck territorialen Erwerbs besetzt sein, sondern nur als Pfand im Krieg. Ausgehend von dieser Erwägung hatten wir, hatten unsere Minister, die Herren Blücher und Preusker, damals, als der Herr Bundeskanzler nach Paris fuhr, vorgeschlagen, durch wirtschaftliche, durch finanzielle Vorschläge dieses Pfand, das Frankreich an der Saar hatte, zu lösen. Die Vorschläge sind leider in Paris nicht vorgetragen worden. Die Vorschläge sind dann auch hier im Hause nicht nur nicht weiter erörtert worden, sondern in einer bekannten Debatte hier in einer Form behandelt worden, daß ich darauf noch etwas eingehen muß, und zwar deshalb, weil wir der Meinung sind, daß, wenn wir die vorliegenden Verträge abgeschlossen haben, sie abgeschlossen sind gerade auf der Basis, die wir damals vorgeschlagen hatten, nämlich auf der Grundlage, daß ein besetztes Land nur ein Pfand sein kann und daß ein solches Pfand ausgelöst werden kann. Ich trage das hier vor, weil — ich habe es schon einmal gesagt — wir für die Zukunft meiner Ansicht nach daraus lernen und eine gemeinsame Auffassung auch für die Wiedervereinigung im Osten daraus herausarbeiten könnten. Als wir damals diesen Vorschlag machten — die Sache nur als ein Pfand zu betrachten, das ausgelöst werden könne —, wurde er zurückgewiesen. Heute stellen wir mit Genugtuung fest, daß der Abschluß dieser Verträge auf der Grundlage erfolgt ist, die wir damals gewiesen haben. Wir freuen uns darüber, daß die Bundesregierung diese Grundlage angenommen hat, nachdem die Bevölkerung an der Saar in einem erfreulichen Elan und mit einem Mut ohnegleichen durch ihre Abstimmung die Voraussetzungen dafür geschaffen hatte. Ich möchte einmal einen Satz zitieren, den der Herr Bundeskanzler seinerzeit gesprochen hat. Er sprach damals davon: „Wer an solche völkerrechtliche Probleme herangeht auf Grund einer dreißigjährigen notariellen Erfahrung, der bleibt besser davon." Ich nehme sehr gern Belehrungen entgegen. Aber ich freue mich doch, daß das, was auf Grund dreißigjähriger Erfahrung als Theorie der Einlösung eines Pfandes erwachsen war, von der Regierung nunmehr akzeptiert ist. Ich hoffe, daß wir uns in Zukunft auf diesem Boden finden.
Ich entsinne mich auch noch eines weiteren Vorfalls, dessen Wiedergabe heute nicht aggressiv gemeint ist. Ich hatte damals — Februar 1955 — formuliert: Geld und Gut hinzugeben, um Land und Leute für uns zu bewahren. Der Herr Bundeskanzler zückte damals als Antwort hierauf und auf den Vorschlag der Herren Blücher und Preusker auf dieser Tribüne seine Geldbörse und sagte — ich möchte wörtlich zitieren —:
Ich kann nur wiederholen: wenn wir, das besiegte Deutschland, das besetzte und geteilte Deutschland, hingegangen wären und den Franzosen Geld angeboten hätten, weil wir es haben und sie nicht, dann hätten Sie das machen sollen, Herr Dr. Becker, nicht ich.
Ich freue mich, daß nicht ich habe hinzugehen brauchen, um so zu verhandeln, sondern daß der Herr Bundeskanzler zusammen mit seiner Regierung nun den Weg gegangen ist, nachdem die Abstimmung der tapferen Menschen an der Saar den Weg frei gemacht hatte.
Ich muß aber auch feststellen, daß die deutsche Regierung nicht nur mit einer kleinen Geldbörse, sondern mit einer ziemlich dicken Brieftasche hingegangen ist.
Ich brauche mir nur einmal die Summen anzusehen, die auf uns zukommen: Abfindung für die Währung 480 Millionen DM, Rückerstattung für Vorauszahlungen an Kreditinstitute und dergleichen 330 Millionen DM, usw., alles zusammen eine unbestrittene Summe, die zwischen 900 Millionen und einer Milliarde DM liegt. Dann die Kohlenlieferungen, die meistens zu Lasten des Saarlandes gehen: 66 Millionen t ohne Pachtzins auf 25 Jahre, steuerfrei zu liefern, ferner 1,2 Millionen t Kohlen jährlich auf 20 Jahre gegen Bezahlung, 33 % der verfügbaren Kohlenförderung zur Lieferung an die neue Firma Unichar. Das sind natürlich Beträge, an denen wir — wir akzeptieren sie — nicht mäkeln wollen, aber die immerhin zu erkennen geben, wie im Bedarfsfalle solche Pfänder ausgelöst werden können.
Wir kommen noch zum Moselkanal. Die Zahlen sind auch nicht ganz gering. Ich glaube, man darf sie einmal nennen, da sie in der Öffentlichkeit wohl nicht so ganz bekannt sind: 120 Millionen DM Baukosten, die wir zuzuschießen haben, dazu noch weitere 12/37 etwaiger Mehrkosten, 70 Millionen DM für andere Zwecke als reine Schiffahrtsinteressen, 50 Millionen DM Stammeinlage der GmbH, welche den Moselkanal baut, Darlehen an die GmbH, die eventuell nötig werden, usw. usw.
— Ja, wir sagen ja; das kostet uns viel Geld, das wissen wir. Es ist nur die Frage, verehrter Herr Kollege Krone, ob in anderen Ländern, wenn die bisherige Richtung einer Politik nicht zum Ziele geführt hat wie hier beim Saarstatut, nicht eine andere neue Regierung die Verhandlungen geführt hätte und ob das uns vielleicht nicht billiger gekommen wäre. Aber ich lasse das mal dahingestellt.
Ich wollte nur Ihren Zwischenruf aufgreifen.
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Nun, wir werden also trotzdem — Sie sagten es richtig — zustimmen, weil die Erledigung der ganzen Angelegenheit und die Bereinigung unseres Verhältnisses zum Westen für uns von besonderer Bedeutung ist. Die Zustimmung wird uns dadurch leicht gemacht, daß Frankreich den Sinn der Volksabstimmung sofort richtig verstanden und sie dementsprechend zur Grundlage der weiteren Verhandlungen genommen hat. Das erkennen wir hoch an. Ich darf bemerken: daß Frankreich, obwohl es, wie ich weiß, abgeschlossene Verträge sehr genau einzuhalten wünscht — ich mache ihm daraus keinen Vorwurf —, trotzdem in diesem Punkt, entsprechend der Großzügigkeit seines Nationalcharakters, entsprechend seiner Traditionen von 1789 und in Anerkennung der Grundthesen der Atlantikcharta diese Entscheidung hingenommen hat, erleichtert es uns, in vielen Dingen auch Lasten auf uns zu nehmen, die an sich sehr beträchtlich sind.
Ich sage Ihnen: Vielleicht können wir aus der Vergangenheit etwas lernen, nämlich in bezug auf die Theorie, daß nach den Grundsätzen der Atlantikcharta besetztes Gebiet immer nur Pfand sein kann. Denn die Atlantikcharta gilt auch für Rußland, seitdem sie auf Jalta zur Grundlage der Abmachungen gemacht ist; sie gilt auch für und gegen Rußland, seitdem diese Grundsätze in einer Deklaration der Vereinten Nationen niedergelegt sind.
Ich könnte mir also vorstellen, daß man nun an die Sowjetunion klipp und klar die Frage stellt, ob sie die Besetzung der Mittelzone als Versuch einer Annexion ansieht oder ob sie darin nur eine Pfandnahme erblickt. Nach den Grundsätzen der Atlantikcharta kann sie darin nur eine Pfandnahme sehen. Dann — wenn diese von Deutschland zu stellende Frage in diesem Sinne bejaht ist — würde sich die Frage anzuschließen haben: Wie wird das Pfand gelöst?
Ich bin einverstanden mit dem letzthin von der Bundesregierung vorgetragenen Grundsatz, daß Konferenzen für solche Zwecke nicht dienlich sind. Konferenzen werden groß aufgezogen, dienen propagandistischen Zwecken; es werden Reden gehalten, und keiner ist geneigt, von seinen Grundsätzen abzugehen. Noten haben vielleicht das gleiche Schicksal. Ich glaube, unmittelbare Verhandlungen, in denen offen und intern gesprochen werden kann, könnten uns da weiterführen.
Der Herr Außenminister hat in der Einführungsrede mit Recht davon gesprochen, daß die Atmosphäre, die im Laufe der Jahre zwischen Deutschland und Frankreich geschaffen worden sei, sehr viel dazu beigetragen habe, dieses Vertragswerk nun zustande zu bringen. Ich glaube, dieser Grundsatz gilt nach allen Seiten. Die Sowjetunion hat zweifellos, ich will mich vorsichtig ausdrücken, Maßnahmen ergriffen, die uns alle sehr schockiert haben, und sie hat uns in kleinen Dingen, in protokollarischen Dingen Veranlassung gegeben, festzustellen, daß das, was da geschieht, um mit Talleyrand zu reden, eigentlich nicht ein Unrecht, sondern eine Dummheit ist. Ich rede von kleinen, protokollarischen Dingen. Ich meine, dann sollte man das, was da begangen worden ist, auf der Seite lassen und nicht glauben, daß, wenn die einen eine Torheit begehen, wir verpflichtet seien, nun auch eine zu machen. Ich will mit anderen Worten sagen: Man sollte trotz des Schweren, was wir jetzt erlebt haben, doch versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir wieder miteinander ins Gespräch kommen, nämlich über die Kernfrage, ob die Sowjetunion anerkennt, daß die besetzten Gebiete nur als Pfand genommen sind, oder ob sie diese — offen oder versteckt — zu annektieren wünscht.
Sie wissen ja, daß Rußland einen Kolonialismus zweierlei Art verfolgt hat. Sie kennen den alten Kolonialismus, in dem es sich die Länder vom Baltikum bis zum Pazifischen Ozean angeeignet, aber geographisch mit dem Mutterland verbunden hat, so daß das Ganze eine Einheit bildete und nicht als Kolonialismus erschien. Der andere Kolonialismus ist der neue Kolonialismus, der scheinbar national selbständige Staaten durch eine einheitlich gelenkte und einheitliche totalitäre Partei zusammenfaßt. Das ist der moderne russische Kolonialismus. Es wird in der Welt viel zuwenig von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, diese Art von Kolonialismus anzuprangern und damit den Versuch Rußlands, sich bei den Völkern der BandungKonferenz als Hüter der Freiheit, als Hüter der Selbständigkeit anzubiedern, zunichte zu machen. Ich glaube, man sollte, wenn wir nun auf die Frage der Wiedervereinigung mit dem Osten zugehen, auch diese taktischen Dinge mit beachten.
Vielleicht darf ich hier noch etwas anschließen, was ich unseren französischen Abgeordneten-Kollegen, als wir im November dieses Jahres mit ihnen in Neuenahr zusammen waren, vorgetragen habe. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir uns in Deutschland, die wir ja in der Mitte des Kontinents liegen und mit dem Westen verbunden sein wollen, im Hinblick auf unsere ganze Zukunft, insbesondere die Frage der Wiedervereinigung, auch dem Osten stellen müssen, daß aber diese Absicht, sich zu stellen, keineswegs ein Abgang von unserer Meinung ist, mit dem Westen verbunden zu sein. Ich habe damals auf die Tatsache verwiesen, daß Deutschland im Jahre 1926 dem Locarno-Pakt beitrat und sich damit auf die Seite des Westens stellte, damals auch in den Völkerbund eintrat und damit dem Westen ebenfalls verbunden war, daß Deutschland sich aber gleichzeitig ausbedungen hatte, daß es gewisse Verpflichtungen des Völkerbundes gegenüber Aggressoren nicht auszuführen brauche, wenn die deutsche Regierung nicht selbst eine Aggression als gegeben ansieht. Gestützt auf diese Ausnahme, konnte dann Stresemann mit Zustimmung der westlichen Staatsmänner den Berliner Vertrag von 1926 mit Rußland abschließen. Dieser Vertrag bedeutete für die beiden Mächte einen Nichtangriffspakt, bedeutete die Anerkennung der gegenseitigen Neutralität, also für den Fall Neutralität, daß der eine oder andere Vertragspartner angegriffen ist, ohne den Angriff seinerseits provoziert zu haben. Wenn wir nunmehr an das Problem der Wiedervereinigung im Osten herangehen, müssen wir auch die Theorie der Pfandauslösung anwenden; und müßten — außenpolitisch — eine Regelung analog dem vorgenannten Vertragswerk — Locarno einerseits, Berliner Vertrag andererseits — anstreben.
Wenn am kommenden Silvestertag die Glocken von Saarbrücken bis Berlin übers deutsche Land tönen, dann läuten sie damit die Rückkehr des Saargebietes zur Heimat, zur Bundesrepublik ein und geben damit auch denen, die noch hinter dem Eisernen Vorhang wohnen, die Versicherung, daß wir an sie denken. Wenn der Herr Bundeskanzler dann nach Saarbrücken fahren wird — er wird es ja wohl vor dem Herrn Bundespräsidenten tun —,
dann darf ich bitten, in jener Nacht auch einmal unsere vergangenen Debatten zur Hand zu nehmen und durchzulesen
— Sie haben noch nicht zu Ende gehört —, darunter auch meine Schlußbemerkung von damals, in der ich sagte: Darüber, ob der eine oder der andere recht hat, wird niemand anders urteilen als nur die Geschichte. Aber das soll nun nicht der letzte Satz sein, sondern mein letzter Satz soll der sein: ich hoffe, daß wir uns für den anschließenden zweiten und weitaus schwierigeren Teil der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes auf Grundlagen, die wir nunmehr als richtig anerkannt haben, von rechts bis links und von links bis rechts durch das ganze Haus und durch das ganze Volk hindurch zusammenfinden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE durfte ich schon bei der ersten Lesung der heute zur Verabschiedung anstehenden Zustimmungsgesetze zu den außenpolitischen Verträgen über die Rückgliederung der Saar erklären, daß wir bereit seien, ihnen zuzustimmen. Diese Zustimmung ist bedingt durch die von uns stets eingenommene Haltung, daß die Wiedervereinigung mit der deutschen Bevölkerung und dem Land an der Saar eine unerläßliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung ganz Deutschlands ist und mit allen friedlichen Mitteln und unter Erbringung aller vertretbaren Opfer herbeigeführt werden muß.
Wenn wir nun heute an der entscheidenden Stelle der Entwicklung der Saarfrage stehen, an der Stelle, welche die politische Rückgliederung des Saarlandes bedeutet und die wirtschaftliche Rückgliederung einleiten wird, läßt uns die Genugtuung darüber hinwegsehen über die Gegensätze, in die uns die Meinungsverschiedenheiten über den einzuschlagenden Weg in der Vergangenheit oft gebracht haben. Sie läßt uns auch hinwegsehen über manches Bedenken, das uns die vertraglichen Bestimmungen bei ihrer Überprüfung im einzelnen verursacht haben.
Es ist bei der dritten Lesung angesichts der übereinstimmenden Bereitschaft aller in diesem Hohen Hause, den Verträgen ihre Zustimmung zu geben, kein Anlaß mehr gegeben, auf die sich im einzelnen daraus möglicherweise ergebenden finanziellen und wirtschaftlichen Konsequenzen einzugehen. Wir können und wollen auch aus den verschiedenen Verträgen keine zusammenfassende finanzielle Bilanz ziehen, einmal deshalb nicht, weil sich die zahlenmäßigen Folgen heute nur sehr unvollständig überblicken lassen, zum anderen aber vor allem deshalb, weil das Ganze für uns keine wirtschaftliche oder finanzielle Frage, sondern nur eine politische Entscheidung sein kann und sein darf. Diese Entscheidung kann auch nur so lauten, daß wir die sich aus den Verträgen ergebenden Lasten um des politischen Erfolges willen übernehmen müssen, wenn sich ihre Übernahme aus der Finanz- und Wirtschaftskraft der Bundesrepublik auch nur einigermaßen rechtfertigen läßt.
Wir wiederholen dabei, was ich schon bei der ersten Lesung ausgeführt habe: daß diese Lasten nicht allein vom Bund getragen werden können, sondern auch von den Ländern und von der deutschen Wirtschaft mitgetragen werden müssen. Denn nur das gemeinsame Opfer aller kann dieser Rückgliederung deutschen Landes eine in die Zukunft wirkende gesamtdeutsche Bedeutung geben.
Wir sind aber nicht der Meinung, daß der Bevölkerung an der Saar ein überwiegender oder auch nur ein erheblicher Anteil an den Opfern zugemutet werden kann. Sie darf unter keinen Umständen das Gefühl erhalten, daß sie für ihr Bekenntnis zu Deutschland, für das wir ihr zu tiefem Dank verpflichtet sind, nun auch nachträglich noch bestraft werden soll.
Wir meinen damit nicht, daß nun alle aus dem Saarland an uns herantretenden Forderungen in Bausch und Bogen als gerechtfertigt angesehen und erfüllt werden sollten. Sie bedürfen einer Überprüfung auf ihre Notwendigkeit und auf unsere Leistungsmöglichkeiten. Das gilt zunächst für die Forderungen nach einem Ausgleich für den Saarhaushalt und nach Investitionen für Bergbau und Industrie an der Saar, die sicherlich weithin gerechtfertigt und notwendig sind. Es gilt auch für die Forderungen nach einem Ausbau der Verkehrswege und andere der Allgemeinheit dienende Einrichtungen. Das kann aber am allerwenigsten geltend gemacht werden, wenn es sich um soziale Leistungen handelt, die den wirtschaftlich schwachen Bevölkerungskreisen zugute kommen sollen. Deshalb bedauern wir es, daß es die Bundesregierung nicht verstanden hat, den Mißklang zu vermeiden, der durch die auch durch die heutigen Erklärungen und die Ablehnung der Änderungsanträge nicht beendigte Diskussion über die Wahrung des sozialen Besitzstandes in die Freude über die Rückkehr der Saar dort und bei uns hineingekommen ist. Wenn damit an der Saar falsche Eindrücke über die Absichten der Bundesregierung oder der Bundesrepublik entstanden sind, muß die Bundesregierung dafür verantwortlich gemacht werden, einmal wegen der reichlich ungeschickten Manipulation mit schriftlichen Zusagen, die dann nach angeblich falscher Kommentierung wieder zurückgezogen wurden, und nicht zuletzt auch wegen der im Saarland schon als Entmachtungsbestimmungen gegenüber der Saarregierung bezeichneten Formulierungen des Eingliederungsgesetzes, die auch in der zweiten Lesung leider keine Änderung mehr erfahren haben.
Wir meinen, daß man dies alles gar nicht nötig gehabt hätte und daß man hätte vermeiden können, in der Bevölkerung an der Saar das Gefühl eines Mißtrauens unsererseits oder gar einer Überheblichkeit entstehen zu lassen. Dazu haben wir sicherlich keine Veranlassung trotz der verschiedenen Übertreibungen, die nach den inneren Kämpfen, die an der Saar geführt worden sind, verständlich sind. Aber es wird sich in der engeren Zusammenarbeit — dessen sind wir gewiß — mit dem Bund und den deutschen Ländern bald vieles von selbst ausgleichen.
Das gilt sicherlich auch für die Angleichung in der Sozialgesetzgebung. Aber wir halten die Bundesrepublik nicht für einen sozialen Musterstaat, der sich die Auffassung leisten könnte, eine Formulierung wie die „Erhaltung des sozialen Besitzstandes" könne einem hinzutretenden Volksteil mehr Nachteile als Vorteile bringen. Auch die Vergleiche mit den sogenannten sozialen Errungenschaften in der Sowjetzone, die hier angestellt wurden, und die daraus abgeleiteten Befürchtungen hinsichtlich
der Wiedervereinigung im größeren Rahmen scheinen uns unangebracht, ja, sie scheinen uns gefährlich zu sein. Denn was wir dort ablehnen und als unannehmbar ansehen, das sind die Ausflüsse eines verwerflichen und von uns allen bekämpften politischen Systems, es dürfen aber niemals soziale Einrichtungen als solche sein. Wer mit so groben Vergleichen arbeitet, unternimmt etwas, was einmal zu unangenehmen Folgen führen könnte.
Wir würden nach unserer Meinung besser daran tun, wenn wir uns überlegten, welche einzelnen Regelungen, die zur Zeit im Saarland Geltung haben, als gut und auch für uns nachahmenswert anerkannt werden können, und wenn wir uns dann bemühten, sie im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Allgemeingut unserer sozialen Ordnung werden zu lassen. Denn nicht darin besteht für uns die Gefahr — die heute schon von manchen an die Wand gezeichnet wurde —, daß die sozialpolitische Weiterentwicklung von der Saar her einen Anstoß zum Sich-Überschlagen erhalten könnte, sondern darin, daß aus einer solchen Befürchtung heraus falsche Wertungen vorgenommen werden.
Wir haben davon abgesehen, die wirtschaftlichen und finanziellen Bestimmungen der Verträge einer isolierten und scharfen Wertung zu unterziehen, weil sie nur in Verbindung mit dem politischen Erfolg betrachtet werden können. Wir dürfen daher auch die sozialpolitischen Tatbestände, die wir an der Saar vorfinden, nur nach den politischen Folgen werten, die sich aus der Art ihrer Anpassung oder Angleichung an die in der Bundesrepublik geltenden Verhältnisse ergeben können.
Wir sind nicht etwa geneigt, unbesehen Dinge zu übernehmen, die sich in unsere Ordnung nicht irgendwie, wenn auch unter Opfern, einfügen lassen. Aber wir müssen alles, was wir, wie vorhin schon gesagt worden ist — die Oppositionsparteien expressis verbis, Sie alle aber durch Ihr Verhalten nach der Volksabstimmung — für die Saarbevölkerung als selbstverständliche Zusage haben erscheinen lassen, jetzt auch realisieren. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, als ob wir das, was wir an wirtschaftlichen und finanziellen Opfern gegenüber Frankreich zu bringen bereit sind, auf der anderen Seite an der Saar wieder in irgendeiner Form einsparen wollten. Hier sollten auch keine Rücksichten auf technische und rechtssystematische Schwierigkeiten der Angleichung vorgebracht werden. Es sollte vielmehr alles so angelegt sein, daß es keiner späteren Korrekturen mehr bedarf. Denn was hier und heute geschieht, gilt nicht nur für heute und für die Saar allein, sondern es gilt — ohne daß ich das etwas primitive Wort vom Testfall für die Wiedervereinigung gebrauchen möchte — für ganz Deutschland, ja, es gilt für ganz Europa. Wenn wir hier schon über Angleichungsschwierigkeiten auf bestimmten Gebieten im kleinen Bereich straucheln und wenn wir hier schon die Erwartungen der Betroffenen nicht gerecht zu erfüllen vermögen, wie soll es dann einmal im größeren Rahmen werden! Die Rückgliederung der Saar soll nicht nur in den äußeren Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland eine dauernde Befriedung bringen, sondern sie soll auch insofern eine befriedigende Wirkung haben, als den einzelnen betroffenen Menschen damit bewiesen wird, daß ein wirtschaftliches und vielleicht auch einmal ein politisches Ineinanderübergehen europäischer Volksteile und Gebiete sie nicht zu benachteiligen braucht. Insofern kann dieser Vorgang vielleicht noch stärkere Wirkungen als europäischer denn als gesamtdeutscher Testfall haben, und insofern kann auch die Entscheidung der Saarbevölkerung gegen eine Scheineuropäisierung und für Deutschland letztlich vielleicht eine sehr europäische Entscheidung gewesen sein.
Diese Hoffnung und die Erwartung, daß wir doch noch auf allen Gebieten des Rückgliederungsvorgangs zu befriedigenden Lösungen gelangen werden, veranlaßt uns, über viele Einzelbedenken hinwegzugehen und trotz der Schönheitsfehler des Eingliederungsgesetzes den vorliegenden Gesetzen als einem Ganzen unsere Zustimmung zu geben. Möge die Annahme dieser Gesetze ein erster Schritt auf dem Wege einer Entwicklung sein, an deren Ende die Einheit ganz Deutschlands steht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Volkspartei nimmt die Verträge an, und sie tut das mit Dankbarkeit, ungeachtet dessen, daß gerade die Ausschußberatungen im einzelnen ein Bild über die Schwere der materiellen Opfer ergeben haben, die wir auf uns genommen haben. Aber es war uns ja seit langem klar, daß die Rückgewinnung der Saar, ihre Eingliederung in die Bundesrepublik nur unter der Bereitschaft zu schweren Opfern zu erzielen war.
Wenn wir heute einen kurzen Rückblick zu vollziehen allen Anlaß haben, dann soll das nur geschehen, um daraus für die Zukunft nur um so verstärkter die berzeugung erhalten zu sehen, daß wir nur durch die konsequente Fortsetzung der Politik, die der Festigung des Friedens auf der Grundlage der Geltung von Recht und Freiheit dient, auch hoffen können, die weiteren Akte der größeren Wiedervereinigung mit den Deutschen, die jetzt noch nicht der Bundesrepublik angehören, erfolgreich vollziehen zu können.
Es wurde mit Recht festgestellt, daß, wenn in den letzten sechs Jahren, seit 1950, seitdem zum ersten Male die französische Regierung zu erkennen gab, daß sie die bis dahin hartnäckig vollzogene Annexionspolitik nicht in der Rigorosität fortzusetzen trachte, eine Entwicklung vollzogen wurde, die bis zum heutigen Ereignis führte, der Schlüssel für diese Entwicklung doch nur darin liegt, daß sich die Bundesregierung und die Koalitionsparteien trotz der Schärfe des deutsch-französischen Gegensatzes in der Saarfrage damals nicht davon abhalten ließen, eine konsequente Politik der deutsch-französischen Freundschaft, der europäischen Einigung und der gemeinsamen Zukunftssicherung der europäischen Völker zu treiben.
Dabei ließen wir uns von der Überzeugung tragen, daß die freiheitlichen Prinzipien gerade der westlichen Welt der Lösung der Saarfrage im deutschen Sinne um so stärker zugute kommen müßten, als wir uns in den Aufbau einer internationalen Ordnung nach den Prinzipien der Freiheit und des Rechts positiv tragend mit hineinbegaben und alsdann unter dem Einfluß dieser positiven deutschen Politik gehofft werden konnte, daß der Haß der Kriegszeit und der ersten Nachkriegszeit nur um so stärker überwunden würde.
Die Politik, die zur Eingliederung der Bundesrepublik in den Europarat, in die Montanunion führte, das Ringen um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, das Zustandekommen der Westeuropäischen Union, all dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren Stufen zur Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik. Je mehr Formen der europäischen Zusammenarbeit erstanden und je mehr die Bundesrepublik in den internationalen europäischen Organisationen als gleichberechtigter Partner erschien und in ihnen mitwirkte, um so unmöglicher wurde es, der Bundesrepublik gegenüber die freie Selbstbestimmung der Bevölkerung an der Saar zu verweigern.
Die Festigkeit, mit der die deutsche Außenpolitik in diesen ganzen Jahren an ihren Prinzipien festgehalten hat, ihr unverrückbares Festhalten an der Freiheitsidee, an dem Streben nach einer internationalen Rechtsordnung, ihre Tendenz der gleichberechtigten Eingliederung der Bundesrepublik in die Welt der freien Völker auch und gerade um den Preis, daß wir die entsprechenden Opfer beitragen mußten, um die Verteidigungskraft der westlichen Welt zu stärken, waren unerläßlich als Voraussetzung für die Rückkehr der Saar. Je länger die Entwicklung der Nachkriegszeit durch diese Politik der Bundesrepublik im Rahmen der westlichen Welt positiv wurde zum Vorteil aller beteiligten Völker und Staaten, die diese Politik trugen, um so sicherer bahnte sich der Kompromiß an mit der einzigen Lösung, die man nicht nur als einzige für Deutschland tragbare Lösung, sondern als einzige tragbare europäische Lösung bezeichnen darf: die Saar als Bestandteil der Bundesrepublik, mit der Verpflichtung für uns, diesen politischen Gewinn mit materiellen Opfern wirtschaftlicher Art zu begleichen.
Erblicken wir darin die Auslösung der Saar aus den unseligen Verstrickungen einer unseligen Periode europäischer Vergangenheit und entnehmen wir aus der Rückkehr der Saar die Zuversicht, daß die tragische Vergangenheit des Streites und der Kriege zwischen europäischen Völkern mit freiheitlicher Konstitution ein für allemal abgeschlossen ist.
Insofern ist der Tag der Rückkehr der Saar, ihrer Eingliederung in die Bundesrepublik der Tag, an dem man sagen kann, daß die deutsch-französische Freundschaft, die deutsch-französische Einigung zur Gewährleistung eines funktionierenden Europa endgültig sichergestellt ist und daß keinerlei Rückfälle in die Vergangenheit mehr vorkommen können.
Die Saarbevölkerung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat uns durch ihr Verhalten in Pflicht genommen. Wir sind ihr gegenüber Dank schuldig und sollten mit der großzügigsten Betrachtungsweise uns dem Ziele verpflichtet fühlen, die Zeit der Schlechterstellung, die sie auf den verschiedensten Gebieten zu ertragen hatte, dadurch zu beenden, daß wir alle Initiative einsetzen, um die wirtschaftlichen Schwächen auszumerzen sowie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung an der Saar das zu geben, was bisher vermißt wurde, nicht aber Schlechterstellungen eintreten zu lassen, die sich zu einer gewaltigen Enttäuschung verdichten könnten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch innenpolitisch ist meiner Meinung nach durch die Lösung der Saarfrage nunmehr eine wirkliche Entspannung möglich geworden. Es soll keine Bitterkeit übrigbleiben. Wir mögen uns bewußt sein, daß Gegnerschaften, die aus der vergangenen Epoche stammen, doch im Ringen um ein gemeinsames Ziel entstanden sind und daß dieses Ziel heute erreicht ist. Das sind die großen Aspekte, unter denen der heutige Tag steht. Freilich wäre noch viel Wesentliches zum Detail zu sagen; aber wir wollen ihm nicht gestatten, das Gesamtbild zu trüben.
Verträge, vor allem Verträge zwischen Freunden und Nachbarn, sind etwas Lebendiges. In diesen Verträgen sind Bestimmungen enthalten, die von beiden Seiten in ihrer praktischen Wirksamkeit sehr genau beobachtet werden müssen. Es scheint mir wesentlich zu sein, daß nunmehr tabula rasa gemacht wird, daß nicht neue Rechtsunsicherheit und am Ende neue politische Streitigkeiten entstehen. Gerade daher ist es notwendig, diese lebendigen Verträge ständig zu beobachten, um, wenn es nötig sein sollte, im gegenseitigen Einverständnis die Verträge im Laufe der Entwicklung der Wirklichkeit, wie sie sich herausstellen wird, anzupassen.
Große Aufgaben stehen vor der deutschen Gesetzgebung. Die Saar ist nicht Objekt — darüber sind wir uns ja alle im klaren, und wir sind uns alle darin einig —, sondern die Saar als deutsches Land mit einer deutschen Bevölkerung ist Mit-träger der deutschen Souveränität. Vor Jahren haben wir das Wort geprägt, daß die Wiedervereinigung im Westen beginnen muß. Sie hat begonnen, und sie kann zu einem Vorbild werden für die Wiedervereinigung in Freiheit für ganz Deutschland. Lassen Sie mich in einem Satze die Haltung kennzeichnen, die ich in unserer Gesetzgebung gegenüber der Saar für die richtige halte: was gut für die Saar ist, ist gut für Deutschland. Es gibt hier keine Trennung und kein Abwägen, ob dies oder jenes für den einen Landesteil oder für den anderen besser ist oder nicht. Es ist ein gemeinsames Schicksal und es ist eine gemeinsame Zukunft, auf die wir zugehen. Ich möchte von dieser Stelle aus die Freunde an der Saar bitten, Geduld zu haben und zu glauben, daß ja alles geschehen wird. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat. soviel ich weiß, bereits die Summe von 345 Millionen DM für Förderungsmaßnahmen des Bundes in Aussicht gestellt. Es sollte möglich sein, diese Summe auch haushaltsmäßig zu verankern. Wenn heute noch Sorgen an der Saar bestehen, was denn im Haushalt 1958 geschehen wird, so meine ich, daß auch das Probleme sind, die in gemeinsamer Arbeit gelöst werden können. Es darf nichts davon übrigbleiben, was in diesen Tag der Freude irgendwie einen Wermutstropfen gießen könnte.
Dank gebührt dem Volk an der Saar aller Parteien. Der Dank gebührt — das möchte ich in aller Deutlichkeit aussprechen — den Unterhändlern auf der deutschen und auf der französischen Seite.
Über allen Schwierigkeiten und Problemen, die sich zweifellos noch aus diesen Verträgen ergeben werden und die noch auf uns zukommen, soll eines unverrückbar heute vor uns stehen: daß zur Wirklichkeit geworden ist, was viele von uns erhofft und alle angestrebt haben, daß heute nichts Trennendes mehr zwischen diesen beiden Schwesternationen steht, daß eine gemeinsame Verteidigung eines gemeinsamen Erbes möglich geworden ist und daß wir heute gemeinsam nach Europa gehen können, gehen müssen, wenn wir nicht getrennt in Knechtschaft und sowjetische Kzs gehen wollen.
Es ist also nicht zuviel gesagt, wenn ich abschließend bemerke: das historische Gesetz, von dem ein Mann wie Veit Valentin oft gesprochen hat, wird sich auch hier wieder auswirken, nämlich daß ausgekämpfte Gegnerschaften zur Freundschaft zwischen Völkern führen. Der Geist von Locarno, der Geist von Genf und Thoiry ist wieder lebendig geworden. Das Werk von Briand, von Chamberlain und Stresemann darf jetzt seine Er-
füllung finden. Sich darüber zu freuen und der höchsten Fügung der Geschichte dankbar zu sein, dazu besteht gerade in dieser Weihnachtszeit jeder Grund.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Weber.
— Sie verzichten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Redner dieses Hohen Hauses haben den Verträgen ihre Zustimmung erteilt, und alle Redner des Hohen Hauses haben sich zu den Pflichten bekannt, die die Bundesrepublik in diesen Verträgen auf sich genommen hat. Ich möchte namens der Bundesregierung aussprechen, daß auch wir in der Bundesregierung uns dieser Pflichten bewußt sind, die wir gegenüber dem Vertragspartner, gegenüber Frankreich übernommen haben, ebenso wie der Pflichten, die wir gegenüber den Deutschen an der Saar übernommen haben. Ich möchte erklären, daß wir sie getreulich erfüllen werden.
Ich möchte nicht polemisieren, ich möchte auch kein Wort der Kritik an dem sagen, was vorgetragen worden ist. Ich möchte nur sagen: Ich hoffe, daß wir uns gemeinsam über die soziale Ordnung und den sozialen Besitzstand aller Deutschen verständigen, derer an der Saar und derer in der Bundesrepublik. Wir haben nicht die beste soziale Ordnung; ich gebe es zu. Wir können sie nicht haben nach dem, was hinter uns liegt. Aber ich glaube, wir bemühen uns gemeinsam, eine gute soziale Ordnung zu schaffen, und wir bemühen uns gemeinsam, sie ständig und von neuem zu verbessern.
Ich möchte auch nicht davon sprechen, wer diese Verträge herbeigeführt hat. Ich glaube, wir sollten es nicht tun. Ich bin dankbar, daß es auch nicht angeklungen ist. Der Abschluß dieser Verträge ist, so glaube ich, der Erfolg des unbeirrbaren Willens des ganzen deutschen Volkes, sich in Frieden und Freiheit wiederzuvereinigen.
Er ist auch der Ausdruck des unbeirrbaren Willens des ganzen deutschen Volkes, seine politischen Ziele, und seien sie noch so drängend und quälend, nur auf dem Wege der Verständigung zu erreichen.
Wir haben alle empfunden, daß wir mit diesen Verträgen einen entscheidenden Schritt getan haben. Sie werden es mir nicht übelnehmen — ich sage es ohne Pathos —, wenn ich hier ausspreche, daß ich am 27. Oktober, als ich die Verträge namens der deutschen Bundesregierung in Luxemburg unterzeichnete, das beglückende Gefühl hatte, daß
an diesem Tage das ganze deutsche Volk diese Unterschrift billigte.
So hoffe ich auch, daß an einem Tag, an dem ein Deutscher seine Unterschrift unter ein Vertragswerk setzen darf, das allen Deutschen die Einheit und die Freiheit und den Frieden wiederbringt, das ganze deutsche Volk hinter diesem Mann und hinter seiner Unterschrift steht.
Als vorgestern das französische Parlament die Verträge ratifizierte, hat der französische Ministerpräsident Guy Mollet einen bewegenden Appell an sein Parlament, an das deutsche Volk und an die Welt gerichtet. Wir haben diesen Appell gehört, und wir sind bereit, ihn zu beantworten. Wir empfinden in dieser Stunde Dankbarkeit für die Menschen an der Saar, die in ihrer Treue nicht versagt haben, wir empfinden Dankbarkeit für das französische Volk, für das französische Parlament und für seine Regierung, die sich zu einem mutigen Entschluß durchgerungen haben.
Aber ich glaube sagen zu dürfen, die Antwort des deutschen Volkes auf diesen Appell, die Antwort des deutschen Volkes auf die Bereitschaft seines westlichen Nachbarn, eine alte schwere Last vom deutsch-französischen Verhältnis wegzunehmen und die Voraussetzungen für eine dauerhafte und tiefe innere Freundschaft zu schaffen, und diese Bereitschaft sollten auch unseren Nachbarn im Osten zum Beispiel dienen. Auch im Osten sollte man wissen, daß das deutsche Volk auf einen Appell zu antworten bereit ist, wenn ihm erst einmal die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit geschenkt ist.
Die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 ist damit beendet.
Wir kommen zu der Abstimmung. Ich rufe die unter Tagesordnungspunkt 1 a aufgeführte Vorlage Drucksache 2901 auf. Wer dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel, Drucksache 2903. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme auch dieses Gesetzentwurfes fest.
Hier liegt noch eine Entschließung vor, die der Ausschuß in Drucksache 3000 unter Ziffer 2 vorschlägt. Wer dieser Entschließung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur Abstimmung auf über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 1 d, Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Drucksache 2905. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu er-. heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle auch für dieses Gesetz einstimmige Annahme fest.
Ich komme zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2, Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes . Änderungsanträge liegen zur dritten Lesung nicht vor. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle die einstimmige Annahme des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes fest.
Meine Damen ,und Herren, wir stimmen noch über den Antrag des Ausschusses Drucksache 3001 Ziffer 2 ab, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Der Ausschuß schlägt unter Ziffer 3 weiter vor, die Entschließung zu fassen, die Sie auf Drucksache 3001 vorliegen haben. Wer dieser Entschließung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Entschließung ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind diese Tagesordnungspunkte erledigt. Wir fahren in der Tagesordnung mit Punkt 5 fort. Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 2957).
Berichterstatter: Abgeordneter Kalbitzer.
Ich frage, ob das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht wird. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Aussprache der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht zu den Art. 1, 2, 3? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Gesetz in Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift in zweiter Lesung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Ich eröffne die Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wart wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich
*) Siehe Anlage 12. zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (Drucksache 2359).
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2982). (Erste Beratung: 146. Sitzung.)
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. — Herr Abgeordneter Merten als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 2982 legt Ihnen der Ausschuß für Verteidigung die Wehrbeschwerdeordnung in der Fassung vor, wie sie in einer Sitzung des Ausschusses einstimmig verabschiedet worden ist. Als Berichterstatter des Ausschusses möchte ich die Erläuterungen zu dem Gesetz im allgemeinen und zu den einzelnen Paragraphen angesichts der schon weit vorgeschrittenen Zeit zu Protokoll geben**).
Ich möchte bloß noch zwei grundsätzliche Bemerkungen machen. Die Wehrbeschwerdeordnung stellt eine Neuerung insofern dar, als damit das Parlament selber eine Materie regelt, die bis dahin immer nur durch Ausführungsverordnungen des Verteidigungsministers bzw. seiner Vorgänger geregelt worden ist. Die Tatsache, daß das Parlament an dem Erlaß der Beschwerdeordnung selber mitwirkt, möge ein Zeichen dafür sein, daß eine neue Basis gefunden worden ist, auf der das Verhältnis des Soldaten zum Staat und Volk seine Regelung finden soll. Wenn sich das Parlament derartige Dinge selbst vorbehält, die für die Stellung des Soldaten innerhalb der Bundeswehr und für die Wahrung seiner staatsbürgerlichen Rechte von erheblicher Bedeutung sind, so auch deshalb, weil der Soldat voll und ganz das Vertrauen haben soll, daß er sich gegen ungerechte Behandlung und Mißstände zur Wehr setzen kann, ohne daß ihm daraus ein Nachteil erwächst.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren, ich bitte dringend, obwohl wir lange tagen, so viel Ruhe zu bewahren, daß wir den Berichterstatter wenigstens verstehen.
Fahren Sie bitte fort!
Das Bild des rechtlosen und willenlosen Objekts eines militärischen Apparats paßt nicht in den Rahmen einer Truppe, die selbst Freiheit und Recht schützen soll. Die Pflicht zu treuem Dienst und zur Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes muß auf der Grundlage des Vertrauens wachsen, daß Recht und Freiheit den Geist der Bundeswehr bestimmen.
Im Namen und Auftrage des Ausschusses für Verteidigung bitte ich Sie, dem Entwurf einer Wehrbeschwerdeordnung in der Fassung der Drucksache 2982 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
**) Siehe Anlage 13.
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Lesung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, — 15, — 16, — 17, — 18, — 19, — 20, — 21, — 22, 22 a, — 23, — Einleitung und Überschrift. — Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist, wie mir scheint, einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich bitte, doch Platz zu nehmen, solange hier Abstimmung ist. Ich muß doch wenigstens sehen, wer dafür und wer dagegen ist. Ich glaube mit diesem Vorbehalt sagen zu können, daß dieses Gesetz in zweiter Lesung einstimmig angenommen ist.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache in dritter Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Form zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, vielleicht ist es ein Trost für das Haus, wenn ich sage, daß im Ältestenrat vereinbart worden ist, daß Punkt 7 vom Haus ohne Aussprache zur Kenntnis genommen werden möge. Ich rufe auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Verteidigung als Untersuchungsausschuß gemäß Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes über d as Verfahren wegen der Äußerungen des Generalmajors Paul Herrmann am 13. August 1956 betreffend Kriegsdienstverweigerer (Drucksache 2971). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker (Hersfeld).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Damit ist der Punkt erledigt. Eine Beschlußfassung ist in keiner Weise beantragt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Jugendfragen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Graf (München), Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher (Drucksachen 2974, 2752).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort nehmen will. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Dr. Graf , Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja auf Drucksache 2752 war dem Ausschuß für Jugendfragen vom Bundestag in der 167. Sitzung am
26. Oktober 1956 überwiesen worden. Der Ausschuß hat bei der Erörterung des Antrags einmütig die Auffassung vertreten, daß die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher die bestmögliche Förderung zu erfahren hat. Es muß das Bestreben sein, allen jenen deutschen Kindern und Jugendlichen, die infolge des Kriegsgeschehens oder der Kriegsereignisse in den ost- oder südosteuropäischen Vertreibungsgebieten zwangsweise zurückgehalten, ihrer deutschen Muttersprache entfremdet bzw., soweit es bei der Verschleppung Kleinkinder waren, ihrer Muttersprache völlig unkundig waren und im Sinne der marxistisch-leninistischen Gesellschaftsordnung erzogen wurden, Möglichkeiten zu einer raschen Schließung ihrer Schullücken und zur beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung zu geben, damit sie im Sinne des Art. 12 des Grundgesetzes die gleichen Startmöglichkeiten wie die übrige deutsche Jugend haben.
Einer solchen besonderen Förderung bedürfen, da grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen vorliegen, jugendliche Aussiedler und Verschleppte, jugendliche Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft oder Internierung, aus politischem Gewahrsam entlassene Jugendliche und in der Kriegsgefangenschaft, Internierung oder Verschleppung geborene Kinder.
Die in der Bundesrepublik vorhandenen rund 30 Fördereinrichtungen mit 1300 Plätzen reichen nicht aus, um alle jene Jugendlichen, bei denen Nachholbedarf vorliegt, aufzunehmen. Die Unterstützung dieser Maßnahmen durch Bund und Länder ist unzureichend. Es fehlt insbesondere an der Bereitstellung von Mitteln durch die Länder zur Einrichtung von Schulräumen und zur Besoldung ' geeigneter Lehrkräfte. Die Mittel des Bundesjugendplans reichten bisher nicht aus, um eine ausreichende Zahl von Heimplätzen in den Fördereinrichtungen zu schaffen. Von den Jugendlichen waren bisher nur die Aussiedler in den Vorlage-und Zuschußtitel für jugendliche Zuwanderer einbezogen, so daß für die übrigen der Beginn der schulischen, beruflichen und staatsbürgerlichen Förderung wesentlich verzögert wurde.
Das Ersuchen an die Bundesregierung, bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vorstellig zu werden, um die Änderung der Zweckbestimmung der Titel 661 a und 661 c sowie die Festlegung einer bestimmten Summe im Bundesjugendplan zu erreichen, soll nunmehr dieser dringenden Förderung deutscher Kinder und Jugendlicher dienen und den geschilderten derzeitigen Notstand beheben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 9 der Tagesordnung und rufe auf die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FVP, DP betreffend Hilfe für ungarische Flüchtlinge und den Antrag der
Fraktion der SPD betreffend Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn .
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht?
— Herr Abgeordneter Priebe, einen Satz!
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat in seiner gestrigen Sitzung den Antrag, der Ihnen auf der Drucksache 3011 vorliegt, einstimmig beschlossen und bittet das Hohe Haus, diesem Ausschußantrag ebenso einmütig seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Bei dieser Einmütigkeit verzichtet das Haus gewiß auf eine Aussprache. Oder wünscht dennoch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 9 b:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn (Drucksachen 3012, 2926).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinke
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort nehmen will. — Der Herr Berichterstatter Dr. Rinke verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag des Ausschusses. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir nicht nur am Ende der Tagesordnung dieses Tages, sondern am Ende der Tagesordnung dieses Jahres. Das gilt zwar leider nur eingeschränkt; denn einige Ausschüsse, insbesondere der Sozialpolitische Ausschuß, der in den letzten Wochen besonders hart arbeiten mußte, werden auch in der nächsten Woche tagen müssen. Aber das Haus wird sich jetzt gleich vertagen, und wir werden uns hoffentlich alle im neuen Jahr wohlbehalten wiedersehen.
Meine Damen und Herren! Es war nie unsere Sache, hier am Jahresende einen langen Rückblick zu geben. Sie werden in den Neujahrsansprachen, in den Rundfunkkommentaren und vor allem in den Presseberichten feststellen, was wir in diesem Jahr getan und was wir in diesem Jahr nicht getan haben. Es fällt mir schwer, mir hier eine Zahl ganz zu verkneifen; aber ich werde auch darauf verzichten, und ich werde nicht einmal sagen, wieviel Gesetze wir in diesem Jahr gemacht haben.
Ich glaube, daß die Tagesordnung von heute symptomatisch war für vieles, was uns in diesem Jahr in diesem Haus und in diesem Raum heiß beschäftigt hat. Ich glaube, daß die Verabschiedung der Beschlüsse zur Hilfe für Ungarn, die in verständlicher Eile heute hier in diesem Haus vollzogen worden ist, mehr bedeutet, als in diesem Vorgang zum Ausdruck gekommen ist; denn dieses Haus und mit ihm das deutsche Volk ist solidarisch mit allen, die um der Menschenwürde und Freiheit willen in dieser Welt einen bitteren Kampf zu kämpfen und schwere Leiden zu tragen haben.
Meine Damen und Herren! Was wir — ich sage: mit den Mitteln des Friedens — für sie tun können, was in unserer Kraft steht, das sollen wir tun, und das wollen wir tun; denn wir sind zur Freiheit entschlossen, wir stehen auf der Seite der Freiheit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist unverändert wahr, daß die Völker Europas der Einigung und der Einheit bedürfen. Daß diese Einigung nur in Freiheit, in Eintracht und Frieden sich vollenden kann, das wissen wir. Was uns betrifft, so ist es, glaube ich, keine Übertreibung und auch nicht nur eine feierliche Abschiedsfloskel, wenn wir sagen, daß es in diesem Hause, das der Auseinandersetzung gewidmet ist — und in dem Auseinandersetzungen auch geführt werden sollen — über alle Auseinandersetzungen hinweg, über alle Grenzen der Parteien, der Konfessionen, der Meinungen und Anschauungen hinweg auch — darüber sollte sich niemand täuschen — eine Einheitlichkeit des Willens gibt, des Willens, zur Einheit unseres Volkes entschlossen das Unsere beizutragen, so mühsam es auch sein mag.
Wir wollen das Unsere tun, soweit wir es können, für die Wiederherstellung Deutschland als eines in sich gegliederten, frei, gerecht und friedlich denkenden und handelnden Landes im Herzen Europas.
Ich habe bedauert, daß wir an diesem Tage nicht zu einer gemeinsamen Erklärung über die Wiederherstellung Berlins als Hauptstadt Deutschlands gekommen sind. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen heute eine gemeinsame Erklärung der Fraktionen vorzutragen. Aber ich bin auch nicht der Meinung, daß dieses Thema abgeschlossen ist, sondern daß es weitergeführt werden muß, und wie ich meine, schon in den ersten Wochen des nächsten Jahres. Die Bemühungen, die innerhalb und außerhalb dieses Hauses der Wiedervereinigung Deutschlands und der Wiederherstellung Berlins als Hauptstadt gegolten haben, müssen fortgesetzt werden.
Denn, meine Damen und Herren, es ist und bleibt nun einmal unsere Pflicht, nach neuen Mitteln und Wegen dafür zu suchen und dabei weder der Rhetorik noch der Illusion oder dem Kleinmut zu verfallen. Die Beschlüsse, die wir zu fassen haben werden, müssen den Belastungen einer harten und, wie wir gesehen haben, feindlichen Umwelt standhalten
l können. Ich hoffe, daß das Haus über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg sich im neuen Jahr ebenso in der Bereitschaft zum vertretbaren - zum vertretbaren! - Wagnis wie in dem Mut zur nüchternen, wirklichkeitsgerechten Bescheidung zusammenfindet.
Damit, meine Damen und Herren, bin auch ich am Schluß. Es bleibt mir noch, Ihnen meine herzlichsten Wünsche für eine gute Weihnachtszeit und für ein gesegnetes neues Jahr mit auf den Weg zu geben.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf den 10. Januar 1957, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.