Protokoll:
2181

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 181

  • date_rangeDatum: 14. Dezember 1956

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:37 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:38 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Dezember 1956 9991 181. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Dezember 1956. Ersatzwahl eines stellvertretenden Mitgliedes der deutschen Delegation der Beratenden Versammlung des Europarates 9993 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 302 und 305 (Drucksachen 2882, 3014; 2918, 3018) 9993 C Zur Tagesordnung: Dr. Menzel (SPD) 9993 D Überweisung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksache 2959) an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und an den Ausschuß für Heimatvertriebene 9993 D Zweite und dritte Beratung der Gesetzentwürfe zu den Verträgen vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage (Drucksache 2901), zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksache 2903), zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg (Drucksache 2904) und zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 2905); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Druck- sache 3000) in Verbindung mit der . . 9994 A, 10022 D Zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksache 2902); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksachen 3001, zu 3001, Umdrucke 877, 879, 882, 883) 9994 A Zweite Beratung: Kiesinger (CDU/CSU) : als Generalberichterstatter . . . . 9994 B Schriftliche Berichte . . . . 10040, 10047 Dr. Pohle (Düsseldorf) (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10049 Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10057 Sabaß (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftliche Berichte) . . . 10064, 10086 Dr. Kreyssig (SPD), Berichterstatter (Schriftliche Berichte) . . . 10075, 10083 Frau Dr. Kuchtner (CDU/CSU), Berichterstatterin . . . . 9996 D. 10087 Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . 9997 A, C, D, 9999 D, 10002 A, 10009 C Brück (CDU/CSU) 9999 A Dr. Kleindinst (CDU/CSU) 9999 D Hübner (FVP) 10000 B Frau Renger (SPD) 10001 A Dr. Kihn (Würzburg) (CDU/CSU) 10001 C, 10008 D Storch, Bundesminister für Arbeit 10003 A, 10007 C Frau Friese-Korn (FDP) 10004 D Frau Kalinke (DP) 10005 A Petersen (GB/BHE) 10006 D Rasch (SPD) 10008 A Dr. Atzenroth (FDP) 10009 A Arndgen (CDU/CSU) 10009 B Abstimmungen . 9997 A, C, 10000 D, 10001 D, 10010 B Namentliche Abstimmungen 10009 D, 10010 A, B Unterbrechung der Sitzung . . 10010 C Dritte Beratung: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . 10023 A Dr. Mommer (SPD) 10024 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 10026 B Feller (GB/BHE) 10029 A Euler (FVP) 10030 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 10031 D Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 10032 D Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen 10034 A Abstimmungen 10034 D Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Drucksache 2993); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 3010, 2960, Umdrucke 881, 884, 885, 886) 10010 C, 10016 D Bals (SPD), Berichterstatter . . . . 10010 D Dr. Schellenberg (SPD) . 10011 A, 10013 D, 10015 A, 10019 C, 10020 C, 10022 B Dr. Jentzsch (FDP) 10011 C, 10015 A, 10016 D, 10021 A Frau Kalinke (DP) 10012 A, 10015 B, 10021 D Arndgen (CDU/CSU) . 10013 C, D, 10018 D, 10020 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 10014 B, 10017 D Frau Döhring (SPD) 10015 D Unterbrechung der Sitzung . 10016 D Dannebom (SPD) 10018 A, 10019 A Horn (CDU/CSU) 10021 B, C Abstimmungen . . . 10015 C, 10016 B, 10017 D, 10020 A, C, 10022 C, D Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 886 10019 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran (Drucksache 2521); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 2957) 10035 B Kalbitzer (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 10091 B Beschlußfassung 10035 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (WBO) (Drucksache 2359); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2982) 10035 C Merten (SPD): als Berichterstatter 10035 C, D Schriftlicher Bericht 10091 C Beschlußfassung 10036 A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verteidigung als Untersuchungsausschuß gemäß Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes über das Verfahren wegen der Äußerungen des Generalmajors Paul Herrmann am 13. August 1956 betr. Kriegsdienstverweigerer (Drucksache 2971) 10036 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Jugendfragen über den Antrag der Abg. Dr. Graf (München), Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja betr. Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher (Drucksachen 2974, 2752) 10036 B Baier (Buchen) (CDU/CSU), Berichterstatter 10036 B Beschlußfassung 10036 D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FVP, DP betr. Hilfe für ungarische Flüchtlinge und den Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn (Drucksachen 3011, 2914 [neu], 2926) 10036 D Priebe (SPD), Berichterstatter . . 10037 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 10037 D, C Einstimmige Annahme 10037 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn (Drucksachen 3012, 2926) 10037 A Einstimmige Annahme 10037 B Beendigung der Bundestagsarbeit des Jahres 1956, Rückblick und Ausblick, Wünsche für Weihnachten und das neue Jahr: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 10037 B Nächste Sitzung 10038 C Berichtigung zum Stenographischen Be- richt der 177. Sitzung 10038 A Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 10038 B Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 3000) über die Gesetzentwürfe zu den Verträgen vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarf rage (Drucksache 2901), zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksache 2903), zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg (Drucksache 2904) und zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 2905) 10039 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (zu Drucksache 3001) . . 10087 A Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 877) 10089 C Anlage 5: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 879) 10089 D Anlage 6: Änderungsantrag der Abg Schmücker, Walz, Becker (Pirmasens) u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 882) 10089 D Anlage 7: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 883) 10090 A Anlage 8: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 881) . . . . 10090 B Anlage 9: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 884) 10090 C Anlage 10: Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 885) 10090 D Anlage 11: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 886) . . . . 10091 A Anlage 12: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran (Drucksache 2957) 10091 B Anlage 13: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung über den Entwurf einer Wehrbeschwerdeordnung (zu Drucksache 2982) 10091 C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD betr. Einfügung eines § 17 b in den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 877 Ziffer 4), 2. über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP betr. Einfügung eines § 17 b in den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 879), 3. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des § 1 Satz 1 des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FVP eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 886 Ziffer 1) 10094 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 177. Sitzung. Auf Seite 9831 D Zeile 7 ist statt „vorzusprechen" zu lesen: vorzupreschen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 15.12. Altmaier 19. 12. Barlage 14. 12. Dr. Bartram 14.12. Birkelbach 14. 12. Fürst von Bismarck 14. 12. Frau Dr. Bleyler 15. 12. Cillien 15.12. Dr. Dehler 15.12. Dr. Dittrich 22. 12. Dr.-Ing. Drechsel 14.12. Dr. Dresbach 30.12. Feldmann 14. 12. Frühwald 15. 12. Frau Dr. Gantenberg 15.12. Frau Geisendörfer 15.12. Gemein 15. 12. Gockeln 14. 12. Grantze 22. 12. Haasler 15. 12. Dr. Hoffmann 14.12. Höfler 14. 12. Hörauf 15. 12. Jahn (Frankfurt) 14.12. Jahn (Stuttgart) 14.12. Kalbitzer 14. 12. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Köhler 15.12. Dr. Königswarter 14.12. Dr. Kopf 14. 12. Kuntscher 15. 12. Dr. Leiske 14.12. Lenz (Brühl) 14. 12. Majonica 15. 12. Massoth 14. 12. Mensing 14. 12. Frau Meyer-Laule 15. 12. Mißmahl 15.12. Morgenthaler 31.12. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 14.12. Müser 14.12. Neuburger 14. 2. Odenthal 31.12. Ollenhauer 15. 12. Dr. Pferdmenges 14.12. Frau Praetorius 14.12. Rademacher 14.12. Raestrup 22. 12. Dr. Reif 14.12. Ruhnke 14.12. Scheel 22.12. Dr. Schmid (Frankfurt) 14. 12. Frau Schroeder (Berlin) 15. 12. Stierle 14.12. Wehr 14. 12. Wieninger 14.12. Drucksache 3000 (Vgl. S. 9994 B, 9996 D). Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über die Entwürfe: eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage (Drucksache 2901), eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksache 2903), eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg (Drucksache 2904) und eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 2905) INHALT Seite A. BERICHTERSTATTUNG I. Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über die Gesetzentwürfe Generalberichterstatter: Abgeordneter Kiesinger 10040 II. Zusätzliche Berichte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) 1. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage — Drucksache 2901- a) Bericht über die rechtlichen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Kiesinger 10047 . b) Bericht über die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pohle (Düsseldorf) 10049 c) Bericht über die finanz- und währungspolitischen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gülich 10057 d) Bericht zu dem Kapitel VI „Kohle" des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Sabaß . . .10064 2. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel — Drucksache 2903 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreyssig 10075 3. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg — Drucksache 2904 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreyssig 10083 4. Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — Drucksache 2905 — Berichterstatter: Abgeordnete; Sabaß 10086 I. Generalbericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage — Drucksache 2901 — Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel — Drucksache 2903 — Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg — Drucksache 2904 — Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — Drucksache 2905 -- Generalberichterstatter: Abgeordneter Kiesinger I. Die große Aufgabe der Wiedervereinigung der Deutschen wird durch das vorliegende Vertragswerk, dessen einzelne Teile nur in ihrem, Zusammenhang richtig gewürdigt werden können, auf einem Gebiet, im Westen unseres Vaterlandes, gelöst. Zwar wird bis zur vollen Bereinigung eine Übergangszeit von höchstens drei Jahren führen, aber die vereinbarte Regelung schafft einen endgültigen Zustand und beseitigt die letzten großen Schwierigkeiten, die zwischen der Bundesrepublik und Frankreich bestanden. Der folgende Generalbericht, dem sieben ausführliche Einzelberichte über die wichtigsten Fragenkomplexe folgen werden, versucht einen Überblick über das umfangreiche Vertragswerk und seine politische und rechtliche Bedeutung zu geben. II. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges hat es den historischen und politischen Begriff eines Saargebiets oder eines Saarlandes nie gegeben. Erst der Versailler Friedensvertrag schuf diesen Begriff. Auf (Kiesinger) Betreiben Frankreichs wurde dieses Gebiet der treuhänderischen Verwaltung durch den Völkerbund übergeben, um französischen Reparationsforderungen zu entsprechen (Artikel 45 des Versailler Vertrages). Über die endgültige staatliche Zugehörigkeit des Saargebietes sollte eine im Jahre 1935 stattfindende Volksabstimmung entscheiden. Das Ergebnis dieser Abstimmung ist bekannt. Nach dem zweiten Weltkrieg, unmittelbar nach der Konferenz von Potsdam im Jahre 1945, verlangte Frankreich in einer Reihe von Erklärungen und Noten gegenüber den Alliierten, daß das Saargebiet, das zur französischen Besatzungszone gehörte, von Deutschland getrennt und wirtschaftlich und währungsmäßig mit Frankreich vereinigt werden sollte. In der Folge unterstützten Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika die französischen Forderungen. Frankreich löste im Jahre 1946 das Saarland aus dem französischen Besatzungsgebiet heraus und unterstellte es einem Sonderregime, das nicht mehr der Kompetenz des Alliierten Kontrollrates unterstand. Es zog Zollschranken gegenüber dem angrenzenden französischen Besatzungsgebiet und führte am 15. November 1947 den französischen Franken als gesetzliche Währung ein. Die im Jahre 1947 eingeführte Verfassung proklamierte, daß die Zukunft des Saarlandes durch enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Frankreich, insbesondere durch Einbeziehung in das französische Zoll- und Währungsgebiet, und durch die politische Unabhängigkeit von Deutschland bestimmt sein sollte. Seit Beginn des Jahres 1948 wurde das Saarland nicht mehr als ein Teil der französischen Besatzungszone verwaltet. Am 20. Februar 1948 wurde ein Dreimächteabkommen zwischen Frankreich, England und den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen, das sich mit den Fragen befaßte, die sich aus der Eingliederung des Saargebietes in das französische Wirtschaftssystem ergaben, vor allem auf dem Gebiete der Steinkohle und den Auswirkungen des wirtschaftlichen Anschlusses auf den Handel zwischen den drei deutschen Westzonen und dem Saarland. Am 1. April 1948 trat eine Zollunion zwischen Frankreich und dem Saarland in Kraft. Am 5. März 1950 wurde zwischen Frankreich und der damaligen Saar-Regierung eine Reihe von Abkommen geschlossen, die im Jahre 1953 weiter ausgebaut wurden, und durch welche die von der französischen Politik bis dahin geschaffenen Verbindungen auf politischem, rechtlichem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet endgültig gefestigt werden sollten. Die geschilderte Entwicklung vollzog sich im wesentlichen vor der Gründung der Bundesrepublik. Diese sah sich daher von Anfang an einer außerordentlich schwierigen, manchmal fast hoffnungslos erscheinenden Aufgabe gegenüber. Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung durften und konnten als Vertreter und Wahrnehmer der Interessen ganz Deutschlands die durch Frankreich vollzogene Entwicklung nicht anerkennen und mußten versuchen, sie rückgängig zu machen. Dies war um so mehr erforderlich, als sich das Saarproblem für die angebahnte europäische Einigung als ein immer gefährlicheres Hindernis erwies. Die von der Bundesregierung unternommenen Schritte und Verhandlungen und die wiederholten Stellungnahmen des Deutschen Bundestages wurden im Geiste der freundschaftichen Verständigung mit Frankreich und mit dem Willen geführt, die europäische Einigung am Saarproblem nicht scheitern zu lassen. Schon in ihrer an die Westmächte gerichteten Note vom 2. Mai 1950 stellte die Bundesregierung ihren Rechtsstandpunkt hinsichtlich des Saargebiets genau dar. Sie protestierte gegen die Abtrennung des Gebietes und die Einführung der sogenannten Saarverfassung, sie wies darauf hin, daß das Saarland Bestandteil des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 geblieben, daß die Bundesrepublik zur Vertretung der Interessen des Saarlandes berufen sei (Kiesinger) und daß die Lösung der Saarfrage keinesfalls gegen den Willen der Saarbevölkerung möglich sei. Der Bundestag hat sich in einer ganzen Reihe von Anträgen und Entschließungen im selben Sinne mit der Saarfrage befaßt. Wiederholte Verwahrungen der Bundesregierung und auch Verhandlungen, die zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung im Jahre 1952 geführt wurden, hatten keinen Erfolg. Mit der Hoffnung, über die europäische Verteidigungsgemeinschaft und eine daraus zu entwickelnde politische Gemeinschaft europäischer Staaten die Einigung wenigstens eines erheblichen Teiles Europas verwirklichen zu können, erhielt auch die Behandlung des Saarproblems neue Impulse und neue Aspekte. Im Rahmen der erhofften europäischen Entwicklung wurde daran gedacht, das Problem nicht mehr durch ein Entweder — Oder zwischen Frankreich und Deutschland, sondern durch eine Europäisierung des Saargebietes zu lösen. Diese Idee fand insbesondere in dem Plan des Holländers van der Goes van Naters ihren Niederschlag. Der Europarat hatte sich im September 1952 mit dem Einverständnis der Franzosen und der Deutschen mit dem Saarproblem befaßt. Die Beratende Versammlung hatte van der Goes van Naters zum Berichterstatter benannt. Sein Bericht mit dem Vorschlag, daß die Saar „europäisches Gebiet" werden sollte, dessen weitere Einzelheiten als bekannt vorausgesetzt werden dürfen, wurde im Frühjahr 1954 von der Beratenden Versammlung den beteiligten Regierungen als Material für die weiteren Verhandlungen zugeleitet. Das Scheitern der Pläne der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der Politischen Gemeinschaft brach diese Entwicklung ab. Erneute Versuche wurden im Zusammenhang mit der Gründung der Westeuropäischen Union eingeleitet. Sie führten am 23. Oktober 1954 zu einem deutsch-französischen Abkommen über das künftige Statut der Saar. Dieses Statut enthielt zwar noch gewisse Ideen, wie sie auch im van der Goes van Naters-Plan Ausdruck gefunden hatten, aber er sah nur eine Übergangsregelung bis zu einem frei vereinbarten Friedensvertrag vor und sicherte der Bevölkerung des Saarlandes das Recht, sowohl über die Annahme des Statuts als auch im Falle der Annahme über die im Friedensvertrag zutreffende Regelung abzustimmen. Am 23. Oktober 1955 wurde das Statut von der Bevölkerung des Saarlandes mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt. Damit hatte die Saarbevölkerung ihre Treue zum gemeinsamen deutschen Vaterland in eindrucksvollster Weise bekundet. Wenn durch diese Abstimmung auch nur das Saarstatut abgelehnt worden war, so war doch vor aller Welt deutlich geworden, daß sich die Saarbevölkerung jedem Versuch der Loslösung des Saarlandes von Deutschland widersetzte. Dieses klare Ergebnis wurde in der Folge auch vom französischen Volk und seiner Regierung in dankenswerter Weise respektiert. Man geht nicht fehl, diesen glücklichen Verlauf auch auf das maßvolle, von nationalistischer Überhitzung freie Verhalten der überwältigenden Mehrheit der Saarbevölkerung zurückzuführen. Auch ist es sicher richtig, festzustellen, daß die schließliche Verständigung zwischen der Bundesrepublik und Frankreich ohne die gemeinsame jahrelange unverdrossene Bemühung um freundschaftliche Verständigung mit dem Ziele eines vereinigten Europas schwerlich erreicht worden wäre. Ich möchte schließlich als Generalberichterstatter für den Saarvertrag bei diesem Anlaß nicht verfehlen, zu erklären, daß auch dem Ministerrat der Westeuropäischen Union und der von ihm bestellten Überwachungskommission unter dem Vorsitz ihres Präsidenten, Senator Fernand Dehousse, in entscheidendem Maße Dank zukommt für den ungestörten Verlauf, den die Abstimmung im Saargebiet genommen hat. (Kiesinger) III. Unmittelbar nach der Volksabstimmung fand zwischen der deutschen und der französischen Regierung ein Gedankenaustausch statt, der zu Verhandlungen führte, die schließlich mit der Unterzeichnung des Saarvertrages am 27. Oktober 1956 abgeschlossen wurden. An diesen Verhandlungen war die inzwischen auf Grund freier Landtagswahlen bestellte Regierung des Saarlandes ständig beteiligt. Die französischen Verhandlungspartner verfolgten bei diesen Verhandlungen im großen und ganzen die folgenden Ziele: 1. Die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sollte erst nach einer längeren Übergangszeit erfolgen. 2. Nach der Übergangszeit sollte der französisch-saarländische Wirtschaftsverkehr in seinem bisherigen Umfang aufrechterhalten und im Saarland befindliche französische Unternehmen (vor allem Banken und Versicherungen) uneingeschränkt tätig sein können. 3. Frankreich wollte sich einen hohen Anteil an der Saarkohle sichern. 4. Die Verpachtung der Grubenfelder im Warndt sollte sich auf weitere 25 Jahre erstrecken. 5. Nach Ablauf der Übergangszeit sollte die Währung des Saarlandes zum offiziellen Kurs umgestellt werden. Die dadurch aus dem Verkehr zu ziehenden französischen Zahlungsmittel sollten in Höhe des vorauszuschätzenden normalen Zahlungsmittelumlaufs im Saarland unentgeltlich an Frankreich zurückerstattet werden. 6. Kulturelle Einrichtungen, die von Frankreich im Saarland geschaffen wurden, sollten weitgehend erhalten bleiben. 7. Personen, die sich im Saarland gegen die Wiedervereinigung bzw. für andere Lösungen eingesetzt hatten, sollten gegen darauf gestützte Benachteiligungen gesichert werden. 8. Als eine Art Gegenleistung für die französischen Zugeständnisse hinsichtlich der Saar wurde die gemeinsame Schiffbarmachung der Mosel verlangt. Von deutscher Seite wurde diesen französischen Forderungen weithin entsprochen, wobei allerdings im Interesse des Saarlandes selbst wichtige Einschränkungen durchgesetzt werden mußten. Als eine Frage von besonderer Schwierigkeit nicht nur im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich erwies sich die Verwirklichung des Projektes der Schiffbarmachung der Mosel. IV. Der Inhalt des schließlich zustande gekommenen Vertragswerkes kann durch die folgende zusammenfassende Darstellung im wesentlichen gekennzeichnet werden: 1. Das Saarland wird ab 1. Januar 1957 ein Teil der Bundesrepublik. Artikel 1 stellt klar, daß es sich dabei nicht um eine Änderung der Grenzen Deutschlands handelt. Frankreich erklärt sein Einverständ- (Kiesinger) nis, daß sich der Anwendungsbereich des Grundgesetzes vom 1. Januar 1957 ab auf das Saarland erstreckt. 2. Jedoch gilt eine tbergangsregelung, die spätestens am 31. Dezember 1959 endet, in welcher die uneingeschränkte Anwendung des deutschen Rechts noch gehemmt ist und in der ein langsamer Abbau des Status quo erfolgen soll. Diese Übergangszeit entspricht nicht nur einem französischen Wunsch, sondern nimmt auch auf das Bedürfnis der Wirtschaft des Saarlandes Rücksicht, sich auf die Eingliederung in die Bundesrepublik vorzubereiten. 3. Auch über die Übergangszeit hinaus enthält der Vertrag Bestimmungen, vor allem die Vereinbarung über den Schutz von Personen, die als Völkervertragsrecht den deutschen Gesetzgeber binden. Diese Schutzbestimmungen sind im Prinzip durch den Artikel 2 geregelt und durch Anlage I im einzelnen ausgestaltet worden. Damit wurde einem Wunsch der Saarbevölkerung entsprochen, es sollte auch das deutsch-französische Verhältnis keiner weiteren Belastung ausgesetzt werden. Danach soll in der Bundesrepublik und in Frankreich niemand wegen seiner in der Saarfrage eingenommenen Haltung einer politischen Verfolgung oder einer Beeinträchtigung durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt oder strafrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen ausgesetzt sein. Darüber hinaus soll der auf Grund der sogenannten „saarländischen Staatsangehörigkeit" erworbene rechtliche Besitzstand gesichert bleiben, d. h. es soll niemandem ein Nachteil daraus erwachsen, daß diese „Staatsangehörigkeit" entfällt. Der Ausschuß hat einmütig erklärt, daß er einer großzügigen Auslegung dieser Bestimmungen entscheidendes Gewicht beimißt. In diesem Zusammenhang darf anläßlich der Lösungen dieser Teilaufgabe der Wiedervereinigung auf die entsprechenden Vorschläge im Memorandum der Bundesregierung vom 2. September 1956 zur Frage der Wiedervereinigung mit den übrigen Teilen Deutschlands hingewiesen werden. 4. Am Abschluß der Übergangszeit werden die deutschen Zollgrenzen an die französisch-saarländischen Grenzen verlegt, wird die deutsche Währung und die unbeschränkte deutsche Gesetzgebungshoheit eingeführt. 5. Die handelspolitischen Vereinbarungen sollen dem französischen Wunsch nach möglichster Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs mit dem Saarland Rechnung tragen. 6. Das sehr schwierige Warndtproblem wurde durch ein Kompromiß geregelt, das in einem besonderen Bericht dargestellt wird. Darüber hinaus erhält Frankreich von der saarländischen Kohlenproduktion außerhalb des Warndtgebietes 33 % und verpflichtet sich zu deren Abnahme. 7. Schließlich wird der Absatz saarländischer und lothringischer Kohle auf anderen Märkten, insbesondere in Süddeutschland, gemeinschaftlich geregelt. 8. Im Zusammenhang mit dem Saarvertrag wurden noch drei weitere Verträge abgeschlossen. Sie stehen mit der Regelung der Saarfrage in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang. Diese Verträge tragen dem alten französischen Wunsch nach Schiffbarmachung der Mosel und einem wichtigen deutschen Anliegen hinsichtlich des Oberrheins Rechnung. Ferner wurde die durch den (Kiesinger) Saarvertrag notwendig gewordene Änderung des Montanvertrags durchgeführt. An dem Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel nahm das Großherzogtum Luxemburg teil. Dabei muß betont werden, daß ohne ein deutsches Entgegenkommen in der Frage der Schiffbarmachung der Mosel eine Einigung über das Saarproblem nicht hätte erzielt werden können. Zu diesen Regelungen wird in den Einzelberichten ausführlich Stellung genommen. V. Es kann festgestellt werden, daß es auch in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses keine Meinungsverschiedenheit darüber gab, daß es die politischen Gesichtspunkte sind, die letztlich die Beurteilung dieser Verträge zu bestimmen haben, selbst dann, wenn es sich mit einer Fülle von wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Problemen auseinanderzusetzen galt, die durch diese Verträge entstanden sind und die zukünftig noch entstehen müssen. Dieser Standpunkt verschließt sich dabei in keiner Weise der Erkenntnis, daß mit den Verträgen gerade auf diesen Gebieten erhebliche Opfer gebracht wurden und Zugeständnisse zu machen waren, die an der Grenze des Zumutbaren liegen. Der Ausschuß betrachtete es darum als seine Pflicht, sich mit den wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Bestimmungen der Verträge besonders eingehend auseinanderzusetzen und in seiner Berichterstattung an den Deutschen Bundestag ,der Beurteilung dieser Aspekte besonderen Raum zu geben. In einem frühen Stadium der Beratungen wurde hierbei Vorsorge getroffen, daß bei der Prüfung und Berichterstattung zu diesen sachlichen Einzelfragen soweit möglich eine Beteiligung der zuständigen Ausschüsse (es handelte sich hierbei um die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Finanz- und Steuerfragen, für Haushaltsfragen, für Rechtswesen und Verfassungsrecht, für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, für Verkehrswesen und für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen) erfolgte. Wenn auch in der 1. Lesung entsprechend der Empfehlung des Ältestenrates, abgesehen von dem federführenden Auswärtigen Ausschuß, der Saarvertrag nur dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik, die Verträge über die Schiffbarmachung der Mosel und den Ausbau des Oberrheins nur dem Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitberatung zugewiesen wurden und der Vertrag zur Änderung des Montanvertrags allein in den Händen des Auswärtigen Ausschusses blieb, so wurde die Mitwirkung der anderen genannten Ausschüsse doch dadurch erreicht, daß ihre Vorsitzenden und jeweils zwei weitere Mitglieder zu den vorbereitenden Beratungen in den Unterausschuß „Saar" des Auswärtigen Ausschusses delegiert wurden. Die abschließenden Beratungen fanden in gemeinsamen Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses und der mitberatenden Ausschüsse statt. Diese Art der Beratung ermöglichte es, nicht nur das vorliegende Vertragswerk gründlich zu behandeln, sondern auch den Entwurf des Eingliederungsgesetzes im Auge zu behalten, für den der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung federführend ist. Bei den Ausschußberatungen ergab sich in sinngemäßer Anwendung der bei den Vertragsverhandlungen vorgenommenen Unterteilung eine Aufgliederung in folgende Beratungskomplexe: I. Vertrag über die Regelung der Saarfrage, und hierbei in die Themengruppen: a) die politischen und rechtlichen Bestimmungen b) die wirtschaftspolitischen Bestimmungen c) die finanz- und währungspolitischen Bestimmungen d) die Bestimmungen über die Kohle (Kiesinger) II. Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel III. Vertrag über den Ausbau des Oberrheins IV. Vertrag zur Änderung des Montanvertrags. Diese Aufgliederung wurde bei der Berichterstattung in entsprechender Weise übernommen. Der Ausschuß glaubte auch hierbei, tunlichst dem Gewicht der wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Probleme, die mit den Verträgen in ihrer Gesamtheit aufgeworfen sind, in besonderem Maße Rechnung tragen und darum erneut im Rahmen des Möglichen Kontakt mit den betroffenen Fachausschüssen suchen zu sollen. Aus diesem Grunde wurde die fachliche Einzelberichterstattung an Mitglieder dieses Hauses übertragen, die nicht nur für ihre besonderen Qualifikationen auf diesen Gebieten bekannt sind, sondern durch eine gleichzeitige Mitgliedschaft in den interessierten Fachausschüssen in der Lage waren, auch hier die gewünschten Kontakte zu schaffen. Gerade die nachfolgenden Einzelberichte werden die Vielfalt der sachlichen Probleme aufzeigen und das große Maß der von deutscher Seite zu übernehmenden finanziellen und wirtschaftlichen Opfer noch einmal ernsthaft vor Augen führen. Wenn der Ausschuß mit diesem Bericht dennoch einmütig und ohne Einschränkung beantragt, den vorgelegten Verträgen die Zustimmung des Hauses zu erteilen, geschieht es in dem Bewußtsein, daß der damit eingeschlagene Weg einen der entscheidendsten Beiträge zur Verwirklichung gemeinsamer großer Ziele bedeutet —der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, der endgültigen freundschaftlichen Bereinigung des deutsch-französischen Verhältnisses und der Schaffung einer aufrichtigen dauernden Verbundenheit mit unseren Nachbarvölkern in einem neuen geeinten Europa. Bonn, den 7. Dezember 1956 Kiesinger Generalberichterstatter II. Zusätzliche Berichte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) 1. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage - Drucksache 2901 - a) Bericht über die rechtlichen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Kiesinger Ein Vertragswerk wie das vorliegende bedingt notwendig die Regelung einer Fülle von Einzelfragen rechtsorganisatorischen und rechtstechnischen Charakters. Insbesondere stellte die rechtliche Bewältigung der vorgesehenen Übergangszeit schwierige rechtliche und rechtstechnische Aufgaben. Das Saarland gehört während dieser Übergangszeit politisch zur Bundesrepublik, ist aber wirtschaftlich noch überwiegend Frankreich zugeordnet. Dabei bestehen zwei Rechtsetzungskompetenzen nebeneinander, deren reibungsloses Zusammenwirken durch eine große Zahl sehr detaillierter Vereinbarungen ermöglicht werden mußte. Der große Umfang des Vertrages zur Regelung der Saarfrage geht auf diese Bestimmungen zurück. Aus der Fülle der rechtlichen Einzelmaterien seien im Folgenden einige der wichtigsten kurz herausgegriffen: 1. Der Ausschuß hatte sich hier zunächst mit der justizförmigen Sicherung gegen Diskriminierung auf Grund vormals gesagter oder zum Ausdruck gebrachter politischer Überzeugungen auseinanderzusetzen. Durch Artikel 10 der Anlage 1 ist die Möglichkeit geschaffen, unter den dort geregelten Voraussetzungen gegen erstinstanzliche Entscheidungen saarländischer Gerichte anstelle des ordentlichen Rechtszuges wahlweise unmittelbar bei dem zuständigen oberen Bundesgericht das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Artikel 8 der schon erwähnten Anlage 1 ermöglicht es Personen, die sich wegen ihrer politischen Einstellung zum Verlassen des Saargebiets veranlaßt sehen, ihr Hab und Gut mitzunehmen und die an sie gezahlten Renten frei zu transferieren. Schließlich knüpft Artikel 9 der Anlage bei der Definition der „Eigenschaft als Saarländer" an, die deshalb notwendig wird, weil es sich bei der hier angezogenen Materie auch um den Schutz von Rechten handelt, die Personen im Vertrauen auf die sogenannte saarländische Staatsangehörigkeit erworben haben. Der Ausschuß erklärt mit allem Nachdruck, daß einer großzügigen Anwendung dieser Bestimmungen entscheidender Wert beigemessen wird. 2. Weiterhin ist im besonderen auf die Bestimmungen betreffend die Übernahme und Fortgeltung französischer Rechtsvorschriften im Saargebiet zu verweisen. Dies ist unter anderem erforderlich, um die Übergangsregelung bei Währungsfragen sicherzustellen und ebenso in dem damit verbundenen devisenrechtlichen Bereich. (Vgl. z. B. Art. 4 bis 8 des Saarvertrages betr. Fortdauer der Zoll- und Währungsunion während der Übergangszeit.) Dabei verdient hervorgehoben zu werden, daß bei dem in diesem Zusammenhang vorgesehenen Verfahren in jedem Falle die Möglichkeit der vorherigen Anhörung der Saarregierung besteht. 3. In Verbindung mit diesen Bestimmungen erhält der vorgesehene deutsch-französische Gemischte Gerichtshof seine Funktion. Er hat, wie der Vertrag sagt, die Einheitlichkeit der saarländischen Rechtsprechung mit der französischen Rechtsprechung „durch Entscheidungen zu gewährleisten, die die grundsätzlichen Rechtsfragen der Anwendung dieser gemeinsamen Gesetzgebung betreffen", d. h. jener französischen Gesetzgebung, die aus den genannten Gründen und für die genannten Sachgebiete auch im Saarland zeitweilig Geltung besitzt. Der Gerichtshof löst die beiden bisher bestehenden saarländisch-französischen Unionsgerichte ab. — Auf den in Artikel 43 genannten Gebieten, für die der Vertrag die ausschließliche Zuständigkeit des gemischten Gerichtshofes konstituiert, ist dieser auch Tatsachengericht. Es handelt sich dabei in er- (Kiesinger) ster Linie um zivilrechtliche Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche gegen den französischen Staat, sowie um Streitigkeiten, die sich aus der weiteren Tätigkeit französischer Verwaltungsbehörden und dem Aufenthalt französischer Streitkräfte im Saargebiet ergeben können. Die Entscheidungen des gemischten Gerichtshofs und vor ihm abgeschlossene Vergleiche, für die seine Zuständigkeit gemäß dem genannten Artikel begründet wird, werden in der Bundesrepublik wie auch in Frankreich vollstreckbar sein. 4. Die Bezugnahme des Vertrages auf Bestimmungen betreffend den Deutschlandvertrag haben in erster Linie Fragen der Stationierung ausländischer Streitkräfte zum Gegenstand und bedürfen insoweit keiner weiteren Erörterung, als in absehbarer Zeit gemeinsames Recht durch den Abschluß eines Vertrages über die diesbezüglichen Fragen im Rahmen der NATO erfolgen wird. Anlage 16 sieht für die Stationierungstruppen gewisse Sonderregelungen vor, die indes nur für eine Übergangszeit gelten. Von Bedeutung erscheinen hier die Bestimmungen des Artikels 54 des Vertrages, der eine weitergehende Erstreckung von Bestimmungen des seinerzeitigen sogenannten Überleitungsvertrages von einer Einzelvereinbarung der beiden Vertragsstaaten abhängig macht, wobei die Frage eines objektiven Bedürfnisses jeweils zu prüfen ist. 5. Einen besonderen Abschnitt bilden Fragen der Niederlassung und des Grenzverkehrs (Artikel 69 bis 77 des Vertrages). Hier wird vornehmlich das Recht natürlicher Personen sowie von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts mit früherer saarländischer „Staatsangehörigkeit" im französischen Staatsgebiet sowie französischer Staatsangehöriger und juristischer Personen im Saargebiet geregelt. Es wird den ergänzenden Berichten vorbehalten bleiben, noch im einzelnen auf die stark technischen Bestimmungen dieser Regelungen einzugehen. 6. Schließlich bedarf der Erwähnung die Schaffung eines Schiedsgerichts, das über die aus der Auslegung oder Anwendung dieses Vertrages entstehenden Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden hat, sofern diese nicht auf diplomatischem Wege beigelegt und bereinigt werden können. Dieses Schiedsgericht, das mit einem neutralen Präsidenten, zwei neutralen Beisitzern und je einem Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten besetzt ist, hat eine besondere Bedeutung im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob die Nichteinführung einer französischen Rechtsvorschrift im Saarland oder die Einführung einer deutschen Rechtsvorschrift im Saarland den Bestimmungen dieses Vertrages widerspricht (Artikel 89 bis 94). 7. Abschließend muß darauf hingewiesen werden, daß die Sonderstellung, die das Saarland in wirtschaftlicher Hinsicht während der Übergangszeit haben wird, bedingt, daß Frankreich zur einheitlichen Wahrnehmung der Interessen des Zoll- und Währungsgebietes in internationalen Konferenzen und Organisationen auch das Saarland in Angelegenheiten vertritt, die einen unmittelbaren Einfluß auf Zoll- und Währungsfragen haben. Ebenso müssen auch die von Frankreich auf diesem Gebiet mit anderen Staaten abgeschlossenen Verträge für das Saarland wirksam sein. Eine besondere Klausel wird die Anwendbarkeit für das Saarland zum Ausdruck bringen. Es ist außerdem erforderlich, die Berücksichtigung des Saarlandes bei solchen Vereinbarungen Frankreichs auf dem Gebiete des Handels sicherzustellen, die Materien regeln, die nicht in die Hypothek der Übergangszeit gehören. In solchen Fällen sollen die internationalen Vereinbarungen eine besondere Klausel enthalten, aus der sich ergibt, welche vertraglichen Verpflichtunen sich nicht auf das Saarland erstrecken. Die französische Regierung hat sich verpflichtet, gegebenenfalls bei den entsprechenden Verhandlungen eine enge Fühlungnahme mit der Bundesregierung und mit Vertretern des Saarlandes herbeizuführen und insbesondere bei internationalen Vereinbarungen, die den Außenhandel betreffen, den saarländischen Anteil an den Einfuhrkontingenten bereits vorher festzulegen (Artikel 13). Bonn, den 7. Dezember 1956 Kiesinger Berichterstatter b) Bericht über die wirtschaftspolitischen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Pohle (Düsseldorf) 1. Die Bestimmungen über die Wiedereingliederung des Saarlandes in wirtschaftspolitischer Beziehung und auf Gebieten, die damit in Zusammenhang stehen, sind dadurch gekennzeichnet, daß das Saarland während einer auf drei Jahre befristeten Übergangszeit durch Währungs- und Zollunion mit Frankreich verbunden bleibt. Nach Beendigung dieses Interregnums wird der saarländische Warenverkehr mit der Zone des französischen Franken durch ein unbefristetes sogenanntes Sonderregime erleichtert. A. Übergangszeit 2. Dem Wesen der Währungs- und Zollunion, die zwischen dem Saarland und Frankreich während der Übergangszeit erhalten bleiben soll, entspricht es, daß während dieser Periode nach Artikel 12 des Vertrages die französischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Zollwesens sowie der Außenhandels- und Devisenkontrolle weiterhin in Kraft bleiben. Auch die künftig in Frankreich auf diesen Gebieten ergehenden Vorschriften müssen im Saarland nach einem in Artikel 41 des Vertrages vorgesehenen Verfahren eingeführt werden. Die Übernahme des französischen Rechts im Saarland erfolgt nicht im Wege der automatischen Anwendung der französischen Bestimmungen. Es bedarf vielmehr eines rechtsetzenden Aktes der saarländischen Regierung. Der Mangel einer Beteiligung der saarländischen Bevölkerung bei der Entstehung der französischen Rechtsvorschriften wird bis zu einem gewissen Grade dadurch abgegolten, daß in Absatz 3 eine Konsultation des Saarlandes bei dem Zustandekommen der französischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Demgemäß sieht das Verfahren vornehmlich eine Mitteilungspflicht der französischen Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber und eine Publikationspflicht inhaltsgleicher Verordnungen durch die Landesregierung Saar vor. Es entspricht ferner der Sachlage, wenn die französische Zollverwaltung und das Office des Changes ausdrücklich beauftragt werden, die Anwendung der französischen Rechtsvorschriften sicherzustellen (Artikel 12). In den Ausschußberatungen wurde durch Befragen der Regierungsvertreter klargestellt, daß Saarregierung und saarländische Behörden, die in Artikel 41 und an anderen Stellen des Vertragswerkes genannt werden, stets nur als Beauftragte oder Vertreter der Bundesregierung handeln. 3. Wenngleich Frankreich für die Dauer der Währungs- und Zollunion das Saarland in internationalen Konferenzen und Organisationen vertreten wird, falls dort Angelegenheiten erörtert werden, die einen unmittelbaren Einfluß auf Zoll-, Währungs- und Außenhandelsfragen haben, ist doch vorgesehen, daß derartige internationale Vereinbarungen eine Klausel enthalten sollen, daß sie auf das Saarland nur für die Dauer der Übergangszeit Anwendung finden. Dementsprechend soll auch bei den von Frankreich auszuhandelnden Einfuhrkontingenten auf Wunsch der saarländischen Regierung der saarländische Anteil an diesen Kontingenten bereits vor Beginn der internationalen Verhandlungen festgelegt werden. Auf Wunsch der Bundesregierung wird die französische Regierung den besonderen Interessen des Saarlandes bei den Verhandlungen Rechnung tragen und eine ständige und enge Verbindung mit Vertretern des Saarlandes sicherstellen (Artikel 13). Durch die Einschaltung der Bundesrepublik an diesen und anderen Stellen des Vertragswerkes ist nach Ansicht des Ausschusses in genügender Form klargestellt, daß das Saarland staats- und völkerrechtlich ein Teil der Bundesrepublik geblieben ist. Der Ausschuß hat vermerkt, daß hier und an anderen Stellen des Vertragswerkes die Tendenz der Bundesrepublik zum Ausdruck gelangt, das Saarland auch während der Übergangszeit nicht als selbständiges Völkerrechtssubjekt in Erscheinung treten zu lassen. 4. Artikel 14 regelt die Zuständigkeit der saarländischen Behörden auf dem Gebiet des Außenhandels während der Übergangszeit, soweit die Antragsteller im Saarland ihren Sitz haben. Für den gesamten Warenverkehr von der Bundesrepublik zum Saargebiet werden bereits in der Übergangszeit die Einfuhrkontingente im Saarland verwaltet. Da dies jedoch für den übrigen Außenhandel Frankreichs, namentlich dort, wo feste saarländische Kontingente bestehen, naturgemäß nicht möglich ist, erfolgt die Verteilung dieser Kontingente während der Übergangszeit in Paris. Wenn ferner auch im Saarland weiterhin alle den Außenhandel betreffenden französischen Vorschriften Geltung behalten werden, ist doch mit Rücksicht darauf, daß sich die Abwicklung einzelner Geschäfte möglicherweise über das Ende der Übergangszeit hinaus erstrecken wird, eine Abgrenzung für gewisse Fragen der Rückerstattung der sozialen und steuerlichen Lasten bei der Ausfuhr, der Kreditversicherung zwischen den beiderseitigen Kreditversicherungsinstituten, der Deutschen Hermes-KreditversicherungAG und der französischen Compagnie Française L'assurance pour le commerce extérieur (Coface), der Preisgarantien und der Sonderregelungen für den Außenhandel, der sogenannten dérogations commerciales getroffen worden (Artikel 14, Anlage 2 und 3). 5. Artikel 20 sucht während der Übergangszeit ein gewisses Gleichgewicht der Wettbewerbsbedingungen im Saarland und in Frankreich sicherzustellen. Das kommt in Absatz 1 durch die Bestimmung zum Ausdruck, daß das normale Spiel der wirtschaftlichen Kräfte nicht zum Vor- oder Nachteil eines der beiden Gebiete verfälscht werden soll. Nach Absatz 3 werden die im Saarland zuständigen Behörden es vermeiden, auf dem Gebiet der Subventionen die Wettbewerbsbedingungen zum Nachteil der Unternehmen eines der beiden Gebiete zu verändern. Absatz 3 bezieht sich auf Subventionen, die nicht ohnehin infolge ihres einheitlichen Charakters, wie Exportförderungsmaßnahmen, in gleicher (Dr. Pohle [Düsseldorf]) Weise für französische wie für saarländische Erzeugnisse Anwendung finden. Da im übrigen Zuschüsse aus staatlichen Haushaltsmitteln zur Sen-. kung der Preise oder zur Verbilligung des Bezuges an Bedarfsgütern im Rahmen des Artikels 16 Abs. 2 Buchstabe a gemeinsame Ausgaben des Saarlandes und Frankreichs sind, erscheint eine Bestimmung über Vermeidung von Subventionen gerechtfertigt, die die französische Wirtschaft schädigen würden. Hierbei handelt es sich z. B. um allgemeine Industriesubventionen, die das Saarland während der Übergangszeit gewähren darf, freilich mit der Maßgabe des Artikels 20 Abs. 3: es darf Frankreich nicht überbieten. 6. Aber auch dem Absatz 2 des Artikels 20 liegt der Gedanke zugrunde, daß das normale Spiel der wirtschaftlichen Kräfte nicht verfälscht werden soll. Offenbar bestand auf französischer Seite die Befürchtung, daß durch künstliche Maßnahmen von deutscher Seite der saarländischen Wirtschaft ein solcher Kostenvorsprung vor der französischen Wirtschaft verschafft werden könnte, daß deren Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gegeben wäre. Dementsprechend und in Übereinstimmung mit der französischen Wirtschaftspolitik, die lenkungswirtschaftliche Maßnahmen nicht ausschließt, wünschte Frankreich daher die Fixierung, daß eine Gleichwertigkeit der Belastung der saarländischen und französischen Unternehmen hergestellt werden soll, soweit die Belastung der französischen Unternehmen auf französischen staatlichen Maßnahmen beruht. Da künstliche Maßnahmen der Wirtschaftsbeeinflussung im Saarland zum Nachteil der französischen Wirtschaft von deutschen Stellen ohnehin nicht beabsichtigt sind, bestätigt der Vertrag im wesentlichen das, was auch sonst eintreten würde: nämlich eine durch die französisch-saarländische Währungs- und Zollunion, insbesondere durch den Wert des französischen Franken bis zu einem gewissen Grade während der Übergangszeit bedingte Parallelität der wirtschaftlichen Entwicklung in beiden Gebieten und damit auch eine Parallelität der Belastung der Unternehmen durch staatliche Maßnahmen sowie der Entwicklung von Löhnen und Soziallasten. Was jedoch die Löhne anlangt, so fallen Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern nicht unter die Bestimmung dieses Artikels. Die Aufrechterhaltung der sogenannten Gleichwertigkeit im Sinne des Artikels 20 Abs. 2 würde nur erfolgen müssen, wenn es zu einem an sich möglichen staatlichen Schiedsspruch käme, weil sich die Sozialpartner in ihren Lohnverhandlungen nicht einigen konnten. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß eine solch formelle Bestimmung Befürchtungen entstehen lassen könnte, daß künstlich eine zu starke Bindung der saarländischen an die französische Wirtschaft herbeigeführt wird. Dies ist in der Tat ein Punkt, auf dessen Problematik mit besonderer Eindringlichkeit im Ausschuß hingewiesen wurde. Die Regierungsvertreter räumten ein, daß die auf französischen Wunsch aufgenommene Bestimmung nicht zu den notwendigen Voraussetzungen eines gemeinsamen Marktes gehört, jedoch zu berücksichtigen war, daß es sich hier um einen spezifisch französisch-saarländischen gemeinsamen Markt handelt. Indes gilt auch insoweit der Grundsatz des Absatzes 1, nämlich die Erhaltung des normalen Spiels der Wettbewerbskräfte. Außerdem wird keine völlige Belastungsgleichheit verlangt; Belastungsunterschiede sind vielmehr möglich, die bereits jetzt aktuell werdende Frage der Löhne und Gehälter bei Bundesbahn und Bundespost wird durch Artikel 20 Abs. 2 Buchstabe b nicht berührt, wenn sie sich auch bei § 13 des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes — Drucksache 2902 — stellen wird. Auch soll eine fühlbare Vergrößerung der Spanne vermieden werden, die zur Zeit zwischen den Belastungen besteht, die auf der Produktion im Saarland und der im übrigen Gebiet der Bundesrepublik ruhen (Artikel 20 Abs. 2 letzter Satz). Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Bestimmung nur für die verhältnismäßig kurze Übergangszeit von höchstens drei Jahren Geltung hat und schon wegen dieser Zeitbegrenzung keinen entscheidenden Bedenken zu unterliegen braucht. 7. In Artikel 21 sind Vereinbarungen über eine Harmonisierung der Preispolitik im Saarland und in Frankreich getroffen worden. Sie beziehen sich aber nur auf Preisbestimmungen nichtregionalen Charakters. Preisbestimmungen, die sowohl für das Saarland wie für Frankreich von Bedeutung sind, müssen in der Tat einheitlich getroffen und gehandhabt werden, wenn sie nicht wirkungslos sein sollen. Jedoch ist es zu begrüßen, daß die Möglichkeit gegeben ist, regionale Preisregelungen für das Saarland in den Fällen zu treffen, in denen Abweichungen von den sonst in Frankreich geltenden Bestimmungen nicht zu einer Störung des saarländisch-französischen Wirtschaftsverkehrs führen. Hervorzuheben ist, daß von einer einheitlichen Regelung des Preisrechts strafrechtliche Bestimmungen ausgenommen worden sind; auf diesem Gebiet ist das Saarland während der Übergangszeit autonom. 8. In Artikel 22 ist für die Produktion der Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen Saarland und Frankreich ausdrücklich anerkannt worden, der zugunsten des Saarlandes bei etwaigen Bewirtschaftungsmaßnahmen, namentlich auf dem im Vertrag besonders erwähnten Gebiet der Rohstoffversorgung besondere Bedeutung erlangen könnte. In diesem Zusammenhang ist auf eine spezielle Frage hinzuweisen. Absatz 2 bestimmt, daß bei etwaigen Bewirtschaftungsmaßnahmen die Gesamtheit der im Saarland und in Frankreich verfügbaren Mengen gleichmäßig zur Deckung des Gesamtbedarfs verwandt werden muß. Bei den Beratungen im Ausschuß ist die Frage aufgetaucht, ob damit stillschweigend eine Regelung dahin getroffen worden ist, daß im Falle einer von der Hohen Behörde etwa erklärten ernsten Mangellage für Kohle das Saarland seinen Kohlenbedarf aus französischen Zuweisungen decken und die Saarkohle von der Hohen Behörde den in diesem Fall Frankreich zugeteilten Kontingenten zugerechnet werden muß. Das ist nach den Feststellungen des Ausschusses nicht der Fall. Wenn bei der Anwendung des Artikels 59 des Vertrages zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — Drucksache 2905 — die ernste Mangellage erklärt und von der Hohen Behörde die Kontingente den einzelnen Ländern der Gemeinschaft zugewiesen werden sollten, gilt das Saarland als Teil der Bundesrepublik. Das Bestehen der Zoll- und Währungsunion für die Dauer der Übergangszeit hat auf diese Betrachtung (Dr. Pohle [Düsseldorf]) keinen Einfluß. Aus Artikel 83 Abs. 2 des Saarvertrages ergibt sich zudem, daß bei dieser Regelung, die die Wahrung der vertraglichen französischen Kohlenbezüge aus dem Saarland zum Gegenstand hat, von einer deutschen Kohlenverteilung im Saarland ausgegangen wird. 9. Wegen der Regelung über eichpflichtige Meßgeräte (Artikel 24) und über die Herstellung und den Vertrieb von Heilmitteln (Artikel 25) wird auf den Vertragsbestimmungen und deren Begründung verwiesen. 10. Mit Rücksicht auf die bis zum Ende der Übergangszeit noch fortbestehende wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Saarland und Frankreich sind auch auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes jene Vorschriften, die bisher das Verhältnis zwischen dem Saarland und Frankreich bestimmten, bis zu diesem Zeitpunkt beibehalten worden. Demgemäß wurden die bisher geltenden Bestimmungen in den Artikeln 26 bis 32 nahezu unverändert in den Vertrag aufgenommen. 11. Die auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit — eines Begriffs, der im wesentlichen dem der deutschen Sozialversicherung entspricht — für die Dauer der Übergangszeit getroffene Regelung der Artikel 33 bis 35 schließt sich aus Zweckmäßigkeitsgründen eng an die bisher im Verhältnis zwischen Saarland und Frankreich geltende an, aber unter Ausdehnung auf alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes. Sie beruht überwiegend auf denselben Grundsätzen wie das deutsch-französische Vertragswerk über die Soziale Sicherheit vom 10. Juli 1950, enthält aber in einzelnen Bestimmungen für die Saarländer günstigere Regelungen, als sie das deutsch-französische Vertragswerk für die deutschen Staatsangehörigen vorsieht. Alle Einzelheiten regelt die umfangreiche Anlage 6. Da während der Übergangszeit die beiden Vertragswerke nebeneinander in Kraft sind, wird in Artikel 34 klargestellt, welches von beiden anzuwenden ist, wenn ein deutscher oder ein französischer Staatsangehöriger im Saarland, im Bundesgebiet und in Frankreich Versicherungszeiten zurückgelegt hat und die Voraussetzungen zur Anwendung beider Vertragswerke erfüllt. Artikel 35 ermöglicht die Zusammenrechnung der in der Bundesrepublik, im Saarland und in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten für Erwerb, Aufrechterhaltung und Wiederaufleben der Ansprüche auf Leistungen sowie für die Berechnung der Leistungen. Der Ausschuß ist sich darüber im klaren, daß die Endregelung des Sozialversicherungsrechts im Saarland eine innerdeutsche Angelegenheit ist, die im Wege der deutschen Gesetzgebung zu regeln sein wird. Dagegen werden die Gegenseitigkeitsverhältnisse zwischen deutschen, im Saarland tätigen und französischen, ebenfalls im Saarland tätigen Arbeitnehmern nach der Übergangszeit zwischenstaatlich zu vereinbaren sein, ebenso wie die Vorschriften des Unterabschnitts F der Anlage 6 durch eine inzwischen zu treffende Regelung zur Ergänzung des deutsch-französischen Vertragswerkes zu ersetzen sein werden. 12. Wegen der Bestimmungen über den Straßenpersonenverkehr einschließlich des Werksverkehrs, den Omnibusverkehr und den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr zwischen dem Saarland und Frankreich während der Übergangszeit sowie dem Transitverkehr durch das Saarland oder durch Frankreich wird auf Artikel 36, Anlage 7, Brief 10, und die Begründung Bezug genommen. Das Unternehmen „Eisenbahnen des Saarlandes" wird zum 1. Januar 1957 in die Deutsche Bundesbahn übergeführt. Artikel 38 sieht einen Gemischten Ausschuß für Eisenbahnfragen als ein in der regionalen Ebene tätiges Gremium mit teils beschließender — Absatz 2 —, teils beratender — Absatz 3 — Funktion vor. Artikel 37 behandelt das Tarifsystem, Artikel 39 nebst Anlage 8 die Binnenschiffahrt, Artikel 40 den Post- und Fernmeldeverkehr. 13. Da die bisher bestehende Einheit des Zoll- und Währungsgebiets zwischen dem Saarland und Frankreich besondere Organe und eine Anzahl besonderer Bestimmungen auf dem Gebiete der Rechtspflege einschloß, wurde die Aufrechterhaltung dieser Sonderregelungen für die Rechtspflege von der französischen Regierung als unentbehrlicher Bestandteil der materiellen Regelung für die Übergangszeit angesehen. Diese Vorschriften sind in den Artikeln 42 bis 47 des Vertrages und den Anlagen 10, 11 und 12 enthalten. (Vgl. Begründung, Besonderer Teil zu Kapitel II Unterabschnitt „Der deutsch-französische Gemischte Gerichtshof"). Die französische Regierung machte hierzu geltend, daß der für die Übergangszeit vereinbarten Weitergeltung und Neueinführung von französischen Rechtsvorschriften (vgl. Artikel 41 des Vertrages und Ziffer 2 dieses Berichts) auch eine Einheitlichkeit der saarländischen mit der französischen Rechtsprechung in bezug auf grundsätzliche Rechtsfragen der Anwendung der genannten Vorschriften entsprechen müsse. Mit Rücksicht auf die Gesamtkonzeption der Lösung für die Übergangszeit konnte dieser Wunsch der französischen Regierung nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Immerhin stellt aber die im Vertrag getroffene Regelung, insbesondere hinsichtlich der Organisation der gemischten Gerichtsbarkeit und hinsichtlich der Zuständigkeit, soweit sie in Artikel 42 des Vertrages geregelt ist, einen nicht unerheblichen Abbau des bisherigen Systems zugunsten der deutschen Gerichtshoheit dar. In verschiedenen Punkten, insbesondere bei der Festlegung des neutralen Vorsitzes im Gemischten Gerichtshof, sind offensichtlich Verbesserungen gegenüber den Regelungen erreicht worden, die in dem nicht wirksam gewordenen saarländisch-französischen Vertrag vom 3. Mai 1955 vorgesehen waren. Die in Artikel 42 getroffene Regelung ist darauf abgestellt, die Verfahren, soweit wie irgend möglich, im Bereich der deutschen Gerichtsbarkeit zu belassen. Auch insoweit sind gewisse Verbesserungen gegenüber der im Vertrage vom 3. Mai 1955 geplanten Regelung erzielt worden. Eine Konkurrenz zwischen der Zuständigkeit des Gemischten Gerichtshofs und der Zuständigkeit der oberen Bundesgerichte wird nicht entstehen, weil die oberen Bundesgerichte für die unter Artikel 42 fallenden Materien nicht zuständig sein werden. 14. Bei den Kompetenzen, die dem Gerichtshof nach Artikel 43 zugewiesen sind und bei deren Ausübung er auch Tatsachengericht ist, handelt es sich (Dr. Pohle [Düsseldorf]) im wesentlichen um die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten und dem französischen Staat. In diesen Fällen stellt es jedenfalls eine Vereinfachung der Rechtsverfolgung dar, daß die in Betracht kommenden — natürlichen oder juristischen — Personen nicht darauf angewiesen sind, Rechtsschutz gegen den französischen Staat oder französische Behörden bei Gerichten in Frankreich — z. B. dem Conseil d'Etat — zu suchen, sondern sich an den Gemischten Gerichtshof in Saarbrücken wenden können. Soweit die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über zivilrechtliche Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche gegen den französischen Staat auf Grund fehlerhafter Handlungen von Bediensteten der französischen Verwaltung im Saarland begründet ist, bestand Einmütigkeit im Ausschuß, daß hierunter auch die sogenannten Sequester zu verstehen sind. Ungeklärt blieb bei der Erörterung dieser Frage im Ausschuß, ob und gegebenenfalls wo es rechtlich möglich ist, etwaige private Ersatzansprüche wegen der Beschlagnahme der sogenannten biens transférables gegen den französischen Staat geltend zu machen. Dabei wurde auch die Frage angeschnitten, daß sich die Bundesrepublik gegenüber solchen Reparationsgeschädigten in der gleichen Lage befände, wie in den Normalfällen von Reparationen der Alliierten gegenüber Privaten in der Bundesrepublik. 15. In Artikel 45 ist — sowohl in bezug auf Artikel 42 wie auf Artikel 43 — die Überleitung der bei Inkrafttreten des Vertrages bei den französischsaarländischen Unionsgerichten anhängigen Sachen auf die saarländischen Gerichte und auf den Gemischten Gerichtshof geregelt. Artikel 47 trifft Bestimmungen über die Vollstreckbarkeit von Entscheidungen des Gemischten Gerichtshofs und von Vergleichen, die vor diesem Gerichtshof abgeschlossen werden. Die Vollstreckbarkeit der Entscheidungen des Gerichtshofs kommt lediglich im Rahmen der in Artikel 43 aufgeführten Zuständigkeiten in Betracht. Von den ferner in Artikel 47 aufgeführten Anlagen regelt Anlage 10 Fragen der Organisation des Gemischten Gerichtshofs. Anlage 11 enthält außer einer Zuständigkeitsregelung für das Landgericht Saarbrücken eine Reihe von Sonderbestimmungen für die Verfolgung von Zoll- und Devisenstraftaten. Diese Bestimmungen, die einen Bestandteil des für die Übergangszeit aufrechterhaltenen einheitlichen Zoll- und Währungsregimes bilden, sollen im wesentlichen sicherstellen, daß die Anwendung der französischen Zoll-, Devisenstrafund -strafverfahrensvorschriften im Saarland soweit wie möglich innerhalb des Rahmens der deutschen allgemeinen strafrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften und Grundsätze erfolgt. Die in Artikel 47 schließlich noch genannte Anlage 12 enthält eingehende Bestimmungen über den Rechts- und einen gewissen Amtshilfeverkehr im Verhältnis zwischen dem Saarland und Frankreich während der Übergangszeit. 16. Schon während der Übergangszeit schafft der Vertrag der saarländischen Wirtschaft durch eine Reihe von Vorschriften die Voraussetzungen dafür, den Warenaustausch mit dem übrigen Gebiet der Bundesrepublik erheblich auszudehnen und durch weitgehende Rationalisierung mittels deutscher Investitionsgüter seine Eingliederung in den deutschen Markt vorzubereiten. Dies entspricht den Wünschen der Bundesregierung und des Saarlandes. Für die Lieferungen saarländischer Erzeugnisse ins übrige Bundesgebiet ist weitestgehende Zollbefreiung vorgesehen (Artikel 48 Abs. 1) und durch einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 12. Oktober 1956 bereits vor Inkrafttreten des Saarvertrages verwirklicht (sogenannter „Vorgriff"). Lieferungen aus dem sonstigen Bundesgebiet ins Saarland sind, soweit es sich um Konsumgüter handelt, durch Erhöhung der im deutschfranzösischen Handelsvertrag vereinbarten Kontingente um 500 Millionen frs jährlich erleichtert (vgl. Artikel 48 Abs. 2 und Anlage 13). 17. Lieferungen von Investitionsgütern, deren Einfuhr für den weiteren Ausbau der saarländischen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, werden weitgehend erleichtert. Für 1957 und 1958 werden jährliche Zusatzkontingente von 1,5 Milliarden frs gewährt. Im Jahre 1959 können Investitionsgüter frei von unangemessenen Beschränkungen im Saarland eingeführt werden. Darüber hinaus sind Zollbefreiungen für Investitionsgüter vereinbart worden, und zwar für drei Fälle: Erstens die in Anlage 14 aufgezählten Großprojekte der öffentlichen Hand (Artikel 48 Abs. 3 Buchstabe a) — dahin gehören insbesondere die Vorhaben des Saarbergbaus, darunter die erste Großschachtanlage in Warndt, die Elektrifizierung der Bahn und der Straßenbahn —, zweitens die Investitionsvorhaben der privaten Industrie (Anlage 15), deren Inbetriebnahme sich erst nach Ablauf der Übergangszeit auf dem Markt auswirkt oder solcher Art ist, daß ihre Einfuhr der französischen Industrie keinen Schaden zufügt (Artikel 48 Abs. 3 Buchstabe b). Wann eine solche etwaige Verletzung berechtigter französischer Interessen vorliegt, ist im Vertrag naturgemäß nicht geregelt. Es kann nur im Einzelfall durch einen von der französischen Regierung gebildeten Sonderausschuß (Artikel 48 Abs. 5) entschieden werden. Drittens gilt Zollfreiheit für die Einfuhr von Investitionsgütern im Jahre 1959. Diese ist also kontingents- und zollfrei — eine Erleichterung, die namentlich für die mittlere und Kleinindustrie von Bedeutung ist. Die zollfreie Einfuhr ist in allen diesen Fällen davon abhängig, daß die Finanzierung dieser Einfuhren keine mittelbare oder unmittelbare Belastung der Zahlungsbilanz des Währungsgebiets des französischen Franken zur Folge hat. Das bedeutet, daß für diese Lieferungen kein Transfer erfolgt, mit anderen Worten: Es müssen entsprechende Zahlungsfristen eingeräumt oder innerdeutsche Kredite eingeschaltet werden, aus denen die deutschen Investitionsüterlieferanten für die Dauer der dreijährigen Übergangszeit befriedigt werden. 18. Auch wenn hiermit die Erwartungen der saarländischen Wirtschaft, besonders auf dem Gebiet der Konsumwaren, nicht in vollem Umfang erfüllt werden, läßt sich nicht verkennen, daß diese Vorschriften aus französischer Sicht ein gewisses Maß an Entgegenkommen darstellen. Der französischen Lage entspricht es, daß — wie bereits in Ziffer 17 ausgeführt — ein Transfer für die Bezahlung der kontingentfrei einzuführenden Investitionsgüter während der Dauer der Währungsunion nicht er- (Dr. Pohle [Düsseldorf]) folgen kann (Artikel 48 Abs. 3). Für eine zügige Erledigung der bei den französischen Behörden zu stellenden Anträge ist Vorsorge getroffen (Artikel 48 Abs. 5 Brief Nr. 11); ein Vertreter des Saarlandes wirkt hierbei mit. Für die Großprojekte der öffentlichen Hand hat die französische Regierung auch eine steuerliche Erleichterung zugesagt, sofern die französische Industrie an den Investitionslieferungen angemessen betiligt wird (Artikel 48 Abs. 6). 19. Sondervorschriften betreffen die möglichen Auswirkungen einer französischen Liberalisierung und einer Änderung der Wechselkurse (Artikel 48 Abs. 2). Die Finanzierung solcher Geschäfte, die sich über die Übergangszeit hinaus erstrecken, wird durch eine Regelung über Finanzierung, Kreditversicherung und Preisgarantien ermöglicht (Anlage 3). B. Wirtschaftliche Endregelung 20. Das mit dem Ende der Übergangszeit in Kraft tretende Sonderregime für den saarländisch-französischen Warenverkehr entspricht einem Anliegen der französischen, aber auch der saarländischen Regierung. Die im allgemeinen seit dem vorigen Jahrhundert bestehende enge wirtschaftliche Verbundenheit des Saarlandes insbesondere mit Lothringen soll hierdurch auch für die Zukunft, und zwar ohne zeitliche Begrenzung, erhalten werden. Wenn in diesem Zusammenhang in Artikel 64 Abs. 5 des Vertrages von dem traditionellen Warenverkehr zwischen dem Saarland und Frank» reich gesprochen wird, so ist mit dieser „Tradition" zweifellos nur dieser wirtschaftliche Austausch zwischen Saar und Lothringen gemeint. Dementsprechend sieht der Vertrag (Artikel 63, 64) einen sich innerhalb bestimmter Kontingente vollziehenden, vom Zoll befreiten Warenverkehr zwischen dem Saarland und der Zone des französischen Franken vor. Die Kontingente sollen 1957 durch den Gemischten Regierungsausschuß festgelegt werden. Seiner Arbeit werden die vom Statistischen Amt in Saarbrücken vorgelegten Listen zugute kommen. Danach kann mit einer Größenordnung von höchstens 135 Milliarden frs für die französischen und von 70 Milliarden frs für die saarländischen Ausfuhrkontingente — ohne Erzeugnisse, die der Montanunion unterliegen—gerechnet werden. Das Verhältnis wird also voraussichtlich etwa 2 : 1 betragen. Eingehende Bestimmungen sorgen dafür, daß die tatsächliche Ausnutzung der beiderseitigen Kontingente in einer gewissen Relation zueinander bleibt; eine komplizierte Swingklausel sieht Toleranzen bis etwa 25 v. H. vor (Artikel 64). In der Anlage zu diesem Berichtsteil einige Beispiele. Weitere Vorschriften sollen eine zügige Erledigung der für die Erteilung der Einfuhrlizenzen zuständigen Behörden sicherstellen (Artikel 48 Abs. 5 Anlage 20). Die Einbeziehung sogenannter finanzzollpflichtiger Waren (Artikel 64 Abs. 2, Anlage 21, Brief Nr. 20) in die Kontingente stellt eine Konzession der Bundesregierung dar, die zunächst zeitlich befristet ist. 21. Den Vorschriften über den Warenverkehr in Übergangs- und Endzeit gemeinsam ist die Bestimmung, daß die eingeführten Waren im Saarland verbleiben sollen (Artikel 48 Abs. 7, 63 Abs. 2). Beide Regierungen haben sich vorbehalten, die erforderlich erscheinenden Vorschriften zur Kontrolle des Warenverbleibs zu treffen. Diese Vereinbarungen entsprechen dem Umstand, daß es sich um eine Regelung wirtschaftlicher Probleme handelt, die ausschließlich das Saarland betreffen. Die privilegierten Warenbezüge der Saar aus Frankreich sollen auch nicht den normalen deutsch-französischen Handelsverkehr beeinträchtigen. Darüber hinaus handelt es sich hier um ein Problem, das nur in der im Vertrag vorgesehenen Weise gelöst werden konnte, wenn die von beiden vertragschließenden Regierungen anerkannten GATT-Grundsätze gewahrt bleiben sollten (s. Brief Nr. 12). 22. In Artikel 66 des Vertrages ist der Grundsatz der Aufrechterhaltung der am Ende der Übergangszeit im Saarland bestehenden französischen und saarländischen gewerblichen Schutzrechte niedergelegt. Ferner enthält diese Vorschrift die Kollisionsnormen, die mit Rücksicht auf die beabsichtigte Erstreckung der deutschen gewerblichen Schutzrechte auf das Saarland vorgesehen werden mußten. Durch Artikel 66 wird damit sichergestellt, daß die Rückgliederung des Saarlandes auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes nicht zu einer Beeinträchtigung bestehender Rechte führt und Schwierigkeiten bei der Erstreckung der deutschen gewerblichen Schutzrechte auf das Saarland vermieden werden. 23. Nach Artikel 67 sollen auf Wunsch der saarländischen Wirtschaft die dem französischen Tarif eigenen Ermäßigungen für Massengutsendungen auch nach Beendigung der Übergangszeit zunächst beibehalten werden. In der Begründung heißt es ausdrücklich, daß diese Vereinbarung der Zustimmung der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bedarf. Der in Artikel 68 vorgesehene Gemischte Ausschuß entspricht dem der Übergangszeit. C. Niederlassungen und Grenzverkehr Kapitel V des Vertrages behandelt die Niederlassungen und den Grenzverkehr. Hierbei ist zwischen den Niederlassungen im allgemeinen, den Niederlassungen von Kreditinstituten und den Niederlassungen von Versicherungsunternehmen zu unterscheiden. 24. Die Artikel 69 bis 73 betreffen Niederlassungs- und Grenzprobleme, die zur Abwicklung der bisherigen engen Verknüpfung des Saarlandes mit Frankreich und zur Erleichterung des künftigen Wirtschaftsverkehrs zwischen dem Saarland und Frankreich geregelt werden mußten. Sie befassen sich dabei nicht mit der Niederlassung der Deutschen im Saarland, die nicht Saarländer sind, weil die Regelung dieser Frage nach der Eingliederung allein Sache der autonomen deutschen Gesetzgebung ist (vgl. § 9 des Entwurfs des Saareingliederungsgesetzes). Die Bestimmungen des Vertrages beziehen sich lediglich auf die Niederlassung der Saarländer in Frankreich und der Franzosen im Saarland. (Dr. Pohle [Düsseldorf]) 25. Artikel 69 Abs. 1 gewährleistet den Fortbestand der Rechte und Vergünstigungen, die Saarländer in Frankreich und Franzosen im Saarland auf Grund der für sie bisher geltenden Regelungen erworben haben. Als derartige „Regelung" ist in erster Linie die saarländisch-französische Niederlassungskonvention vom 3. März 1950 (Amtsblatt des Saarlandes 1951 S. 6) gemeint, durch die den Saarländern und Franzosen mit gewissen Einschränkungen Inländerbehandlung bei der Ausübung eines Gewerbes oder einer unselbständigen Tätigkeit im anderen Lande gewährt worden war. Durch die Sicherung der Rechte, die auf Grund der Konvention erworben wurden, wird die Konvention, deren völkerrechtliche Wirksamkeit von der Bundesrepublik stets in Abrede gestellt wurde, nicht anerkannt, sondern lediglich ,die durch ihre nicht zu bestreitende innerstaatliche Anwendung geschaffene Lage zugunsten der betroffenen Personen respektiert. Da die Konvention sich nicht auf die Bewohner des Saarlandes, sondern auf die sogenannten saarländischen „Staatsangehörigen" bezog, mußte in Artikel 69 wie in Anlage 1 des Saarvertrages zur Umschreibung des begünstigten Personenkreises auf die „Eigenschaft als Saarländer" zurückgegriffen werden. Zur Anwendung der Vorschrift reicht es bereits aus, daß eine berufliche Tätigkeit im anderen Lande ohne Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes ausgeübt wurde. Dadurch werden auch vorübergehend im anderen Lande tätige Personen wie Grenzarbeitnehmer, Handelsreisende sowie vor allem auch Gewerbetreibende, die im anderen Lande eine Zweigniederlassung unterhalten, einbezogen. 26. Diese Regelung gilt nach Artikel 69 Abs. 2 für Gesellschaften entsprechend. Die Anwendung des Artikels 69 Abs. 1 führt dazu, daß nur die Gesellschaften erfaßt werden, die unter die Konvention fielen, nämlich Gesellschaften mit Sitz im Saarland oder in Frankreich, die unter saarländischer oder französischer Kontrolle standen. Diese Kontrolle wurde nach einem saarländischfranzösischen Briefwechsel vom 16. Oktober 1951 dann angenommen, wenn sich die Hauptbetriebsstätte in Frankfurt oder im Saarland befand und zwei Drittel der Mitglieder der Leitungs-, Verwaltungs- oder Überwachungsorgane sowie die Person, die in der Leitung der Gesellschaft den Ausschlag gibt, Saarländer und Franzosen waren. Dieselben Voraussetzungen müssen auch künftig erfüllt sein, wenn die Gesellschaft ihre auf Grund der Konvention erworbene Rechtsstellung nach Artikel 69 beibehalten will. Da sich eine Gesellschaft weder im wörtlichen Sinne „niederlassen" noch „beruflich" betätigen kann, werden bei sinngemäßer Anwendung die Gesellschaften betroffen, die sich beim Inkrafttreten des Vertrages im anderen Lande durch Niederlassungen oder Geschäftsstellen betätigen. 27. Die verwaltungsmäßige Durchführung dieser Bestimmung ist in der Anlage 22, die nach Artikel 69 Abs. 3 durch Regierungsvereinbarung an die jeweilige Rechtslage angepaßt werden kann, geregelt. Die Anlage ändert die Stellung der durch Artikel 69 geschützten Personen insofern, als sie nunmehr entsprechend der veränderten politischen Situation formell den Bestimmungen des Ausländerrechts unterliegen. Insbesondere benötigen künftig die unter Artikel 69 fallenden Saarländer in Frankreich und Franzosen im Saarland die dort jeweils für Ausländer vorgeschriebenen Ausweise und Genehmigungen. Lediglich für selbständige Gewerbetreibende verbleibt es während der Übergangszeit bei dem bisherigen Zustand, um die in diesem Zeitraum besonders schwierige Lage der Saarländer zu erleichtern (Artikel 4 der Anlage). Materiell bleiben die unter Artikel 69 Abs. 1 fallenden Personen aber den Inländern gleichgestellt, da ihnen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Ausweise und Genehmigungen zuerkannt wird. Dies wird zunächst durch Artikel 1 der Anlage, der die Bedeutung einer Generalklausel hat, allgemein festgelegt und dann in den folgenden Artikeln der Anlage unter Berücksichtigung der Besonderheiten des französischen und saarländischen Rechts im einzelnen für die in Betracht kommenden beruflichen Tätigkeiten geregelt. Lediglich für die Aufenthaltsgenehmigung konnte ein Rechtsanspruch auf Verlängerung nur unter Einschränkung vorgesehen werden, weil auch die Konvention einen Vorbehalt für die Polizeigesetze und die Gesetze über die öffentliche Sicherheit enthielt. Für die Gesellschaften ist eine entsprechende Regelung in Artikel 9 der Anlage getroffen worden, wobei die Formulierung den Besonderheiten des französischen Rechts, das an die Tätigkeit der Ausländer in den Gesellschaften anknüpft, Rechnung trägt. Die Bestimmung enthält im übrigen ausdrücklich die bereits genannten Voraussetzungen, unter denen Artikel 69 Abs. 1 für die Gesellschaften gilt. Artikel 69 gilt nach seinem Absatz 4 nicht für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, weil für sie Sonderregelungen bestehen. 28. Artikel 70 betrifft die künftige Niederlassung von Saarländern in Frankreich und Franzosen im Saarland. Grundsätzlich unterliegt diese nunmehr den allgemein zwischen der Bundesrepublik und Frankreich geltenden Regelungen, insbesondere also dem deutsch-französischen Niederlassungsabkommen vom 27. Oktober 1956. Artikel 70 enthält lediglich eine Sonderregelung für Niederlassungen, die speziell der Förderung der im Saarvertrag vorgesehenen engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Saarland und Frankreich dienen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird von dem in Artikel 50 und Artikel 68 vorgesehenen Ausschuß festgestellt. Die zuständigen Behörden müssen dann die erforderlichen Genehmigungen erteilen, sofern nicht ausnahmsweise zwingende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. In diesem Fall ist aber eine Mitteilung an den Ausschuß — regelmäßig unter Angabe der Gründe — erforderlich, um diesem die Möglichkeit zur Überwachung der Anwendung des Artikels 70 zu geben. Da die Bestimmung im Gegensatz zu Artikel 69 der künftigen Entwicklung Rechnung tragen muß, wird der begünstigte Kreis der Personen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt und der Kreis der Gesellschaften ohne Rücksicht auf die über sie ausgeübte Kontrolle durch den Sitz und die Hauptbetriebsstätte bestimmt. Zur Vermeidung von Mißbräuchen ist allerdings eine Frist von 4 Jahren für den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Sitz und die Hauptbetriebsstätte vorgesehen; die Frist ermäßigt sich auf 2 Jahre, wenn der gewöhnliche Aufenthalt oder der Sitz und die Hauptbetriebsstätte bereits beim Inkrafttreten des Vertrages begründet sind. Artikel 70 gilt auch für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. (Dr. Pohle (Düsseldorf]) 29. Artikel 71 regelt den Sonderfall der Beteiligung an Ausschreibungen für öffentliche Aufträge, die für die saarländische Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. Er gibt keinen Anspruch auf Erteilung eines Auftrages, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, sich im anderen Lande gleichberechtigt mit den Inländern zu bewerben. Absatz 1 dient dabei lediglich der Klarstellung, weil die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen bereits in der saarländisch-französischen Niederlassungskonvention geregelt war und damit bereits unter Artikel 69 fällt. Absatz 2 und 3 gewähren die Vergünstigung darüber hinaus allen — wie in Artikel 69 umschriebenen — Saarländern und Franzosen sowie den Gesellschaften mit Sitz und Hauptbetriebsstätte im Saarland oder in Frankreich, wenn dies der Förderung des saarländisch-französischen Wirtschaftsverkehrs dient. 30. Artikel 72 regelt die Tätigkeit der Grenzarbeitnehmer, soweit sie nicht bereits unter Artikel 69 fallen, um den wirtschaftlichen Verhältnissen an der saarländisch-französischen Grenze Rechnung zu tragen. Für diese Personen sind formelle Erleichterungen vorgesehen, die ihnen eine möglichst ungehinderte Arbeitsaufnahme und Tätigkeit im anderen Lande ermöglichen. Artikel 73 in Verbindung mit Anlage 23 enthält eine Regelung für die Personenkontrolle, um die Belastungen, die der Bevölkerung bei der Einführung der Kontrolle an der saarländisch-französischen Grenze entstehen, möglichst weitgehend zu mildern. Zu diesem Zweck räumen die Bundesrepublik und Frankreich ihren Beamten gegenseitig das Recht ein, auf bestimmten Bahnhöfen im anderen Lande sowie in den Zügen zwischen diesen Bahnhöfen und der Grenze Kontrollen durchzuführen und dabei ihre eigenen Rechtsvorschriften anzuwenden. 31. Wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Saarvertrag ergibt, war ihr daran gelegen, den deutschen Kreditinstituten schon während der Übergangszeit eine Tätigkeit im Saarland zu ermöglichen, „um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Gebiet der übrigen Bundesrepublik und dem Saarland möglichst schnell zu verstärken und eine bisher bestehende Diskriminierung zu beseitigen." Die vor dem 15. November 1947 im Saarland tätig gewesenen Kreditinstitute oder deren Nachfolger können im Laufe des Jahres 1957 ihre Tätigkeit unter Errichtung von deutschen Bankniederlassungen im Saarland wiederaufnehmen (Artikel 74). Die Begründung nennt die in Frage kommenden Kreditinstitute im einzelnen. Dem deutschen Wunsch nach Wiederzulassung deutscher Kreditinstitute in der Übergangszeit entsprach der französische Wunsch, französischen Kreditinstituten nach Beendigung der Übergangszeit die Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Diese Institute können grundsätzlich ihre bisherige Tätigkeit im Saarland im Rahmen der in der Bundesrepublik geltenden Bestimmungen ohne besondere Erlaubnis fortsetzen (Artikel 75). Die Gewährung von langfristigen Krediten und die Übernahme von Beteiligungen an nicht im Saarland ansässige Institute und Handelsunternehmen ist jedoch französischen Banken nach Beendigung der Übergangszeit ohne besondere Erlaubnis nicht gestattet (Artikel 75 Abs. 4). Französische Institute müssen ferner ihre Aktivgeschäfte auf das Saarland beschränken (Artikel 75 Abs. 6). Im übrigen wird in gewissem Umfang eine Erstreckung der Geschäftstätigkeit dieser Banken auf das Bundesgebiet möglich sein (Artikel 75 Abs. 5 und 7 bis 9). Sie werden indes der Bankaufsicht nach deutschem Recht unterliegen. 32. In einem Memorandum vom 24. August 1956 haben sich die Versicherungsverbände der vertragschließenden Staaten, nämlich der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft e. V. und die Fédération française des sociétés d'assurances, über die Wiederaufnahme der Tätigkeit der deutschen Versicherungsunternehmen im Saarland und die Behandlung der Versicherungsbestände geeinigt. Das Memorandum wurde als Anlage 24 zum Bestandteil des Saarvertrages gemacht (Artikel 76 Anlage 24). Die Versicherungsbestände waren mit Wirkung vom 1. Oktober 1947 durch besatzungsrechtliche Verfügungen auf Gruppen französischer Versicherungsgesellschaften übergeleitet worden; zum gleichen Zeitraum waren alle bestehenden Zulassungen deutscher Versicherungsunternehmen im Saarland für hinfällig erklärt worden. Die deutschen Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen verzichteten nunmehr auf ihre Versicherungsbestände im Saarland, erhalten dafür aber die Möglichkeit, bereits in der Übergangszeit ihre Tätigkeit im Saarland wiederaufzunehmen. Der Verzicht schließt einen Erwerb von Lebens- und Krankenversicherungsbeständen von den französischen Versicherungsgruppen im Wege der Einzelvereinbarung jedoch nicht aus. Für diesen Fall ist eine Anbietungspflicht an alle deutschen Gesellschaften vorgesehen, von denen die französischen Gruppen 1947 einen Versicherungsbestand erhielten (Anlage 24). In sonstigen Versicherungszweigen können deutsche Gesellschaften ihre Geschäftstätigkeit während der Übergangszeit noch nicht unter eigener Firma, wohl aber im Wege der Beteiligung an Versicherungsunternehmen wiederaufnehmen, die aus der Umgründung von französischen Versicherungsgruppen entstehen. Kehren sie nach Beendigung der Übergangszeit in ihr eigenes Arbeitsgebiet zurück, werden sie hinsichtlich der Möglichkeit des Erwerbs von Versicherungsbeständen der französischen Versicherungsgruppen günstiger gestellt als die Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen. Nach Beendigung der Übergangszeit sind Umgründungen von französischen Versicherungsgruppen und Bestandsübereignungen auf Mitgliedsunternehmen der Gruppe möglich, jedoch darf die Tätigkeit der französischen Versicherungsgruppen von nicht mehr Unternehmen fortgesetzt werden, als Gruppen vorhanden sind (Artikel 77). Umgegründete Versicherungsunternehmen werden, wenn sie ihre Tätigkeit nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes auf das übrige Gebiet der Bundesrepublik ausdehnen wollen, wie Inländer nach Richtlinien behandelt, die auf einer völligen Reziprozität zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland beruhen. Bonn, den 7. Dezember 1956 Dr. Pohle (Düsseldorf) Berichterstatter Anlage (zu Nr. 20) Betr. Kontingente im französisch-saarländischen Warenverkehr (Artikel 64 und Anlage 20) Der ursprüngliche Gesamtwert beträgt bei: Liste A = 120 Liste B = 60 Die Ausnutzung der Liste B beträgt 40, also weniger als 75 v. H. ihres ursprünglichen Gesamtwerts (also weniger als 45). Es wird zunächst der Wert der Ausnutzung der Liste B = 40 zu 3/4 des ursprünglichen Gesamtwerts dieser Liste = 60 ins Verhält- nis gesetzt. Das ergibt 45 . Dieser Wert wird mit dem ursprünglichen Gesamtwert der Liste A multipliziert, so daß sich als neuer Gesamtwert x 40/45 120 4800/45 = 106,6 ergibt. Die Ausnutzung der Liste A wird mit 80 festgestellt. Es wird zunächst der Wert der Ausnutzung der Liste A = 80 zu 3/4 des ursprünglichen Gesamtwerts dieser Liste ins Verhältnis gesetzt. Das ergibt 80/90. Dieser Wert wird mit dem ursprünglichen Gesamtwert der Liste B multipliziert, so daß sich als neuer Gesamtwert x =80/120 0,75 60 = 53,33 ergibt; die Kürzung würde also 60 — 53,33 = 6,67 betragen. Die Formel bezweckt, im Interesse der Aufrechterhaltung eines möglichst hohen Standes des Warenverkehrs auch bei einer umfangreicheren Nichtausnutzung einer der beiden Listen die Kürzung der Kontingente verhältnismäßig niedrig zu halten, also keinen Kontingentverfall eintreten zu lassen. Eine Kürzung ohne Berücksichtigung des Toleranzwertes würde in dem ersten Fall statt 106,6 zu 80, im zweiten Fall statt 53,3 zu 40 führen. c) Bericht über die finanz- und währungspolitischen Bestimmungen des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gülich 1. Da für eine Übergangszeit von höchstens drei Jahren (Artikel 1) im Saarland die Währungs- und Zollunion mit Frankreich weiter bestehenbleibt, mußte folgerichtig auch das französische Finanz-und Steuerrecht, soweit es im Saarland eingeführt worden ist, für die Dauer der Übergangszeit in Kraft bleiben. Diese Tatsache wird somit für die Übergangszeit zum wesentlichen Kern des Haushalts-, Finanz-und Steuerwesens des Saarlandes und gestattet der saarländischen Gesetzgebung und der Bundesgesetzgebung nur einen bescheidenen Raum. Dennoch aber müssen in der Übergangszeit wichtige finanzpolitische Maßnahmen getroffen werden, die sich auch im Bundeshaushalt auswirken. Es soll deshalb dargestellt werden a) das System des Finanz- und Steuerrechtes im Saarvertrag, einschließlich seiner Anlagen und des beigefügten Briefwechsels, sowie die Beurteilung durch den Ausschuß b) die am Ende der Übergangszeit sich aus den Verträgen ergebende Belastung des Bundeshaushaltes c) die schon während der Übergangszeit notwendigen deutschen finanzpolitischen Maßnahmen und deren mutmaßliche Auswirkung im Bundeshaushalt. A. Steuerfragen 2. Saarländische Steuergesetzgebung: Während der Übergangszeit ist die saarländische Gesetzgebung nur für direkte Steuern und Verkehrsteuern zuständig (Artikel 15 Abs. 1), die in ihren Grundzügen weitgehend dem bis 1945 geltenden Reichsrecht entsprechen, aber — infolge der faktischen Abtrennung des Saarlandes — an der Fortbildung des bundesdeutschen Rechts nicht teilgenommen haben (Artikel 15 Abs. 1). Da aus einleitend dargelegten Gründen während der Übergangszeit nicht das gesamte deutsche Steuerrecht eingeführt werden konnte, hat sich der Ausschuß davon überzeugt, daß es folgerichtig ist, dem Saarland das ihm bisher zustehende Steuergesetzgebungsrecht, das nach dem Ende der Übergangszeit auf den Bund übergeht, für die Übergangszeit zu belassen, zumal der saarländische Gesetzgeber die besondere Lage des Saarlandes am besten beurteilen kann. Um aber am Ende der Übergangszeit die steuerrechtliche Angleichung an das in der Bundesrepublik geltende Steuerrecht zu erleichtern, ist festgelegt worden, daß das saarländische Steuergesetzgebungsrecht der Zustimmung der Bundesrepublik bedarf (Artikel 15 Abs. 1). Eine Zusammenstellung der im Saarland erhobenen Steuern und ihres Aufkommens wird in der Anlage beigefügt. 3. Steuerliche Gleichbelastung der Wirtschaft: Bereits im „Wirtschaftsvertrag zwischen Frankreich und dem Saarland" vom 20. Mai 1953 (Amtsblatt des Saarlandes Nr. 53 vom 15. Dezember 1953) war festgelegt worden, daß die Regierung des Saarlandes das ihm zustehende Steuerrecht so gestaltet, daß die saarländischen Unternehmen unter den gleichen Wettbewerbsbedingungen stehen wie die französischen Unternehmen (Artikel 4 Abs. 2). Nunmehr ist vorgesehen, die Belastung der saarländischen Unternehmen der der französischen Unternehmen gleichwertig zu gestalten, soweit diese Belastung auf französischen staatlichen Maßnahmen beruht. Im einzelnen soll für die Dauer der Übergangszeit analog Artikel 4 Abs. 3 Buchstabe a a. a. O. sichergestellt werden, daß die aus Steuern und sonstigen Abgaben sich ergebende Gesamtbelastung von Unternehmen eines jeden Zweiges der gewerblichen Wirtschaft im Saarland keinen fühlbaren Unterschied im Vergleich zu der aus Steuern und sonstigen Abgaben sich ergebenden Gesamtbelastung von Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges in Frankreich ergeben (Artikel 20 Abs. 2). Der Ausschuß erkennt an, daß das Gesamtsteuersystem im Saarland auch vom saarländischen Standpunkt aus als ein Ganzes gesehen werden muß. Das Saarland muß jedoch bestrebt sein, unter voller Beachtung des vertraglich festgelegten Grundsatzes eine schrittweise Annäherung der saarländischen Steuergesetze an die Steuergesetze des Bundes durchzuführen, damit Vorteile und Nachteile für die Steuerzahler jeweils gleichzeitig wirksam werden. Die Regierung des Saarlandes hat mitgeteilt, daß ein erster Entwurf für eine solche Annäherung der Steuergesetzgebung bereits in Vorbereitung ist. 4. Französisches Steuerrecht im Saarland: Mit der Zoll- und Währungsunion wurde im Saarland das französische Recht für indirekte Steuern und Steuern auf Lieferungen und Leistungen eingeführt. Es ist deshalb folgerichtig, daß, so lange die Währungs- und Zollunion bestehenbleibt, auch das französische Steuerrecht weiter bestehenbleiben muß. Hierbei ist folgendes zu unterscheiden: a) Die bei Inkrafttreten des Vertrages geltenden französischen Rechtsvorschriften bleiben während der Übergangszeit weiterhin in Kraft (Artikel 15 Abs. 2). b) Die in Frankreich nach Inkrafttreten des Vertrages neu erlassenen einschlägigen Rechtsvorschriften werden im Saarland unter den in Artikel 41 vorgesehenen Bedingungen eingeführt (Artikel 15 Abs. 3). Das Verfahren regelt Artikel 41, durch den die Regierung des Saarlandes verpflichtet wird, die einschlägigen französischen Rechtsvorschriften durch inhaltsgleiche Verordnungen einzuführen. (Dr. Gülich) 5. Für den Fall, daß besondere Gegebenheiten im Saarland Abweichungen von den Bestimmungen des Artikels 15 Abs. 2 und 3 erfordern, ist vereinbart worden, daß solchen Abweichungen im Einvernehmen mit der französischen Regierung (unter Beachtung der in Artikel 20 — vergleiche Nr. 3 — festgelegten Bedingungen) Rechnung getragen werden kann. Hierbei sind die Bestimmungen des Artikels 20 (vergleiche Nr. 3) zu beachten (Artikel 15, Abs. 4 und Brief Nr. 5 Abs. 2). 6. Um Mißverständnisse auszuschließen, muß hinzugefügt werden, daß unter die in Nr. 4 genannten Rechtsvorschriften ganz allgemein die saarländische Umsatzsteuer ebensowenig gehört wie die französische Lokaltaxe (taxe locale sur le chiffre d'affaires) und ganz allgemein die Lokalsteuern aller Art (Brief Nr. 5). 7. Auch die nach französischem Recht erhobenen Steuern werden von den saarländischen Behörden nach den im Saarland geltenden Verfahrensvorschriften verwaltet (Artikel 15 Abs. 5). 8. Desgleichen ist vereinbart worden, daß für dieselben Steuerarten auch das im Saarland geltende Steuerstrafrecht einschließlich des Verfahrensrechtes angewendet wird (Artikel 15 Abs. 6). 9. Monopole: Das im Saarland bestehende Monopolrecht für a) Tabak b) Zündwaren c) Pulver und Sprengstoffe c) Alkohol bleibt weiterhin in Kraft (Artikel 23). Dies wird damit begründet, daß zwischen der Verbrauchsbesteuerung und dem Monopolrecht, insbesondere bei Tabak, Zündwaren und Branntwein, ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß sich die Weiterführung der Monopole zwangsläufig ergibt. Die monopolrechtlichen Vorschriften werden in der Anlage 5 im einzelnen aufgeführt. 10. Doppelbesteuerung: Da die Zoll- und Währungsunion des Saarlandes mit Frankreich zahlreiche französische Unternehmen veranlaßt hat, im Saarlande Betriebsstätten zu eröffnen, andererseits auch saarländische Unternehmungen in Frankreich Betriebsstätten eröffnet haben oder in anderer Weise ihre Tätigkeit über die Grenzen hinaus ausgedehnt haben, da auch Arbeitnehmer ganz oder vorübergehend jenseits der Landesgrenze beschäftigt werden, war es notwendig, ausführliche Vorschriften über die Vermeidung von Doppelbesteuerung in das Vertragswerk aufzunehmen (Vgl. Artikel 19 und Anlage Nr. 4). 11. Die Anlage 4 regelt auch die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen im Verhältnis zwischen dem Saarland und Frankreich. Die Bestimmungen der Anlage 4 haben entsprechend der besonderen steuerrechtlichen Lage des Saargebietes den Charakter der vollständigen Gegenseitigkeit. B. Finanzausgleich 12. Aus Gründen der finanzrechtlichen Systematik muß an dieser Stelle erwähnt werden, daß als Folge des gleichzeitigen Bestehens alten deutschen, neuen saarländischen und französischen Steuerrechts und der daraus resultierenden Haushaltswirtschaft des Saarlandes das Saarland während der Übergangzeit weder am (vertikalen) Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Artikel 106 Abs. 3 GG) noch am (horizontalen) Finanzausgleich zwischen den Ländern (Artikel 107 Abs. 2 GG) teilnehmen kann. Die Bundesrepublik darf im Saarland keine Steuern erheben und keine Beteiligung an Steuern des Saarlandes fordern (Brief Nr. 9 Abs. 2). Damit wird gleichzeitig der Wunsch Frankreichs erfüllt, eines Transferierung von öffentlichen Einnahmen aus dem Saarland in die Bundesrepublik möglichst auszuschließen (Brief Nr. 9 Abs. 3). Der Finanzausgleich zwischen dem Saarland und den Gemeinden des Saarlandes wird während der Übergangszeit wie bisher geregelt. C. Währungsumstellung 13. Am Ende der Übergangszeit tritt die deutsche Mark an Stelle des französischen Franken als gesetzliches Zahlungsmittel. Die zentralen Fragen bei der Währungsumstellung sind: a) Zu welchem Kurs sollen Bargeld, Giralgeld und Schuldverhältnisse umgetauscht werden? b) Was soll mit den beim Umtausch anfallenden französischen Zahlungsmitteln geschehen? Es entstanden hier, wie bei jeder Währungumstellung, reale Interessengegensätze, so daß die Verhandlungen über diesen Gegenstand naturgemäß schwierig und langwierig waren. Die Verhandlungen endeten mit einem Kompromiß, der vom Ausschuß zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. 14. Kursfrage: Bargeld und Giralgeld werden zu dem offiziellen Kurs umgestellt, der am Umtauschtage gilt. Dem Berechtigten wird der volle Gegenwert in DM zur Verfügung gestellt. Die Umstellung der Schuldverhältnisse — sowohl über wiederkehrende Leistungen wie für einmalige Leistungen — blieb im Vertragswerk offen; sie bedarf späterer Regelung. Schuldverhältnisse zwischen Saarländern und Franzosen, die auf französische Währung abgeschlossen sind, bleiben als solche bestehen (Artikel 55). Brief Nr. 17 erläutert im einzelnen, daß — unter Bezugnahme auf Artikel 55 Abs. 4 — unter dem amtlichen Kurs der beiden Währungen die Parität zu verstehen ist, die sich durch Vergleich der beiden Währungen zum US-Dollar ergibt. (Dr. Gülich) Die französische Regierung hatte zu Beginn der Verhandlungen gefordert, daß am Umtauschtage alles Bargeld, alles Giralgeld und alle Schuldverhältnisse zum offiziellen Kurs des Umtauschtages umgestellt werden sollten. Die Annahme dieser Forderung hätte jedoch Löhne, Gehälter, Mieten, wiederkehrende Leistungen auf einem Niveau gehalten, das sich von dem deutschen Niveau wesentlich unterscheidet. Die Disparität des beiderseitigen Preisniveaus beträgt zur Zeit 20 v. H.; man kann sogar damit rechnen, daß sich die Disparität in der Übergangszeit noch vergrößert. Die Bundesregierung hat sich bemüht, soweit wie möglich zu erreichen, da(3 am Umstellungstage nicht einseitig alle Schuldner einen Umstellungsverlust, alle Gläubiger einen Umstellungsgewinn erhalten sollten und daß eine Verminderung der Investitions-und Konsumneigung im Saarland, in Erwartung eines möglichen Kursgewinns von 20 v. H., vermieden werden sollte. Mit Umstellung der Schuldverhältnisse sind einige noch nicht gelöste Fragen aufgeworfen. Nach Erklärungen der Bundesregierung werden jedoch etwaige spätere Anpassungsmaßnahmen, die auf eine möglichst reibungslose und gerechte Durchführung der Währungsumstellung abzielen, durch den Vertrag nicht ausgeschlossen. 15. Verwendung der beim Umtausch anfallenden französischen Zahlungsmittel: Bei der Einführung der Frankenwährung im Saarland hat die französische Regierung 9 Mrd. Franken als Erstausstattung zur Verfügung gestellt. Die Rückzahlung dieses Betrages bei der neuen Währungsumstellung auf DM war von vornherein unbestritten. Frankreich forderte jedoch bei Beginn der Verhandlungen, daß von dem heutigen Gesamtumlauf — von französischen Franken ausgehend — im Vertrag eine Pauschalsumme von 70 Mrd. Franken festgelegt werden sollte. Der Kompromiß, der schließlich erzielt worden ist, ist für die Bundesrepublik nicht befriedigend, wird jedoch vom Ausschuß zustimmend zur Kenntnis genommen. Es ist vereinbart, daß die französischen Geldzeichen beim Umtausch der Banque de France übergeben werden. Die Bundesrepublik garantiert Frankreich die Zahlung von 40 Mrd. Franken (Artikel 56 Abs. 2), auch wenn weniger als 40 Mrd. Franken französischer Geldzeichen im Saarland im Umlauf sein sollten. Die Bundesregierung hat sich zum Beweis ihres guten Willens also zu einer Mehrzahlung von 31 Mrd. Franken bereit gefunden. 16. Artikel 57 bestimmt, daß die beiden Vertragsstaaten „rechtzeitig" einen paritätischen Währungsausschuß bilden, der die bei der Umstellung auftauchenden Probleme lösen soll. Aufgaben, Befugnisse und Verfahren des paritätischen Währungsausschusses werden in Anlage 18 geregelt. 17. Verbindlichkeiten des Saarlandes: Das Saarland hat gegenüber Frankreich eine Reihe von Verbindlichkeiten, die nach dem Vertragswerk durch die Bundesrepublik geregelt werden. Es handelt sich zum Teil um eindeutige und jetzt übersehbare Forderungen und Verbindlichkeiten, zum Teil um Forderungen und Verbindlichkeiten, deren zahlenmäßige Festlegung erst mit oder nach der Währungsumstellung möglich ist. Sie werden in den folgenden Punkten behandelt. 18. Bei Einführung der französischen Währung hat Frankreich den Kreditinstituten und Versicherungsanstalten des Saarlandes Frankenvorschüsse eingeräumt, die zurückgezahlt werden müssen (Artikel 58). Die Höhe der Vorschüsse beläuft sich nach dem derzeitigen Stand auf rund 28 Mrd. Franken. 19. Die Bundesrepublik übernimmt die dem Saarland 1955 gewährte Anleihe von 8 Mrd. Franken (Artikel 59 Abs. 1). Der Anleihebetrag von 8 Mrd. Franken wird sich je nach der Dauer der Übergangszeit um die Amortisationsbeträge ermäßigen. Der Amortisationssatz beträgt 1,6 v. H. 20. Die Bundesrepublik übernimmt die Forderungen Frankreichs aus Darlehen und Vorschüssen, die der französische Trésor den Steinkohlenbergwerken im Saarland außer den Marshallplan-Darlehen zur Verfügung gestellt hat (Artikel 59 Abs. 2). Der derzeitige Stand der Forderungen beträgt nach Mitteilung der Saarregierung rund 4,6 Mrd. Franken. Tilgungssatz auch hier 1,6 v. H. Mit dem Übergang der Steinkohlenbergwerke im Saarland auf den neuen Rechtsträger tritt die Bundesrepublik in bezug auf die Garantieverpflichtungen des französischen Trésors gegenüber den Gläubigern der Steinkohlenbergwerke an die Stelle des französischen Trésors (Artikel 59 Abs. 3 und Brief Nr. 19). 21. Tresorverbindlichkeiten: Artikel 60 bestimmt, daß die Forderungen und Verbindlichkeiten im Verhältnis zwischen dem französischen Tresor einerseits und dem saarländischen Tresor und der Bundesrepublik andererseits nach den Vereinbarungen der Anlage 19 geregelt werden; sie werden in den folgenden Punkten behandelt. 22. Anlage 19 Artikel 1 regelt die Behandlung der Anleihen, die aus Marshallplanmitteln oder als sogenannte „marshallisierte" an die Stelle von Marshallplanmitteln getretene Kredite nach dem Saarland geflossen sind. Hierzu ist im einzelnen zu bemerken: a) Die Höhe der Darlehen aus Marshallplangeldern beläuft sich auf rund 10 Mrd. Franken (Anlage 19 Artikel 1 Abs. 1). b) Die Darlehen an die Steinkohlenbergwerke im Saarland und an die saarländische Universität belaufen sich insgesamt auf 15,9 Mrd. Franken, davon sind 100 Mio Franken Darlehen an die Universität des Saarlandes gegeben (Anlage 19 Artikel 1 Abs. 2). c) Die Höhe der Rückflüsse aus den gewährten Marshallplandarlehen von 10 Mrd. Franken ist mit etwa 6 v. H. (4,5 v. H. Zinsen, 1,6 v. H. Tilgung) der geschuldeten Darlehenssumme anzunehmen (Anlage 19 Art. 1 Abs. 3). (Dr. Gülich) 23. Postscheckguthaben: Der Monatssaldo aus dem Abrechnungsverkehr zwischen der französischen Postverwaltung und der saarländischen Postverwaltung beträgt etwa 6,5 Mrd. Franken. Abgerechnet und beglichen wird im allgemeinen ein Zweimonatssaldo in Höhe von rd. 12 Mrd. ffrs. Ein solcher Ende 1956 bestehender Saldo wird dem Saarland auf Antrag auf die Dauer von 18 Monaten vom Inkrafttreten des Vertrages an zinslos gestundet werden (Anlage 19 Artikel 2). 24. Da sich aus allen jetzt erörterten Positionen bei der Abrechnung ein beträchtlicher Saldo ergeben kann, dessen kurzfristige Abrechnung der Regierung des Schuldnerlandes haushaltsmäßige Schwierigkeiten bereiten könnte, ist eine Vereinbarung getroffen worden, nach der auf Wunsch der betroffenen Regierung über die Abwicklung dieser Verpflichtungen erneut gesprochen werden kann (Anlage 19 Artikel 4 Abs. 2). 25. Die Bundesrepublik übernimmt die Transfergarantien, die Frankreich vor dem Ende der Übergangszeit Personen gewährt hat, die nicht im Währungsgebiet des französischen Franken ansässig sind, aber Kapital im Saarland angelegt haben; sie übernimmt insbesondere die Transfergarantien, die von Frankreich der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl aus Anlaß der Bewilligung von Anleihen der Hohen Behörde Personen im Saarland gewährt worden sind (Artikel 61 Abs. 1). Es wird vereinbart, daß innerhalb von 6 Monaten — vom Ende der Übergangszeit gerechnet — der Transfer von Beträgen aus dem Saarland nach Frankreich und umgekehrt genehmigt wird (Artikel 61 Abs. 2 und 3). D. Haushaltsrecht 26. Als gemeinsame Einnahmen des Saarlandes und Frankreichs (Artikel 16 Abs. 1) gelten a) das Aufkommen der nach französischem Recht erhobenen indirekten Steuern und Steuern auf Lieferungen und Leistungen b) das Aufkommen im Saarland und in Frankreich an Zöllen, Steuern. Gebühren und Einnahmen aller Art, die durch die (französische) Zollverwaltung erhoben werden. 27. Als gemeinsame Ausgaben des Saarlandes und Frankreichs (Artikel 16 Abs. 2) gelten a) Zuschüsse zur Senkung der Preise oder zur Verbilligung des Bezugs von Bedarfsgütern b) Aufwendungen für Exportsubventionen (zur Schaffung der Wettbewerbsfähigkeit saarländischer und französischer Unternehmen auf Märkten außerhalb der französischen und saarländischen Zoll- und Währungsunion in Form von Preisgarantien und der Rückerstattung steuerlicher und sozialer Abgaben) (hierzu Brief Nr. 7). c) Ausgaben der französischen Zollverwaltung (einschließlich der Pensionen). 28. Die Anteile des Saarlandes und Frankreichs an den gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben werden jährlich nach dem Verhältnis der Bevölkerungszahl ermittelt (Artikel 16 Abs. 3). 29. Das Saarland trägt wie bisher die Kosten für den Bau und die erste Einrichtung der nach dem 1. April 1948 fertiggestellten Neubauten für die Zollverwaltung und deren Bedienstete. Gebäude und E inrichtungen bleiben Eigentum des Saarlandes. Frankreich zahlt eine Entschädigung, welche den Zinsen für die dem Saarland in Ausführung dieser Bestimmungen entstandenen Kosten entspricht (Artikel 16 Abs. 4). 30. Die Feststellung und der Zahlungstermin der Anteile an den gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben erfolgt jährlich durch die saarländische und französische Finanzverwaltung. Vier Abschlagszahlungen jeweils am Ende des Kalendervierteljahrs. Abschlußzahlungen sind jeweils am 1. Juli des folgenden Jahres fällig (Artikel 17). 31. Der Artikel 18 umfaßt die Finanzierungsmöglichkeiten des saarländischen Tresors durch Dauervorschüsse, Vorschüsse, kurzfristige Schatzwechsel und Kassenkredite. Der Artikel entspricht Artikel 7 des Wirtschaftsvertrages zwischen Frankreich und dem Saarland vom 20. Mai 1953. Die französische Regierung hat bei den Vertragsverhandlungen wegen des Fortbestands der Tresorbeziehungen während der Übergangszeit die Übernahme des Artikels 7 des Wirtschaftsvertrages in den neuen Vertrag gewünscht. Auch die Bundesregierung hat diese Regelung für zweckmäßig gehalten. Im einzelnen ist zu Artikel 18 folgendes auszuführen: Zu Absatz 1 Der mit Beendigung der Übergangszeit an Frankreich zu erstattende Dauervorschuß beläuft sich auf 1 087 000 000. Zu Absatz 2 Bei der Banque de France hat das Saarland vorübergehend Vorschüsse nicht aufgenommen; sie werden voraussichtlich auch in Zukunft nicht in Anspruch genommen. Zu Absatz 3 Das Saarland hat von der in Absatz 3 vorgesehenen Möglichkeit der Ausgabe kurzfristiger Schatzwechsel keinen Gebrauch gemacht; es ist nicht zu erwarten, daß in Zukunft Schatzwechsel ausgegeben werden. Zu Absatz 4 Kassenmittel hat das Saarland bisher von Frankreich nicht angefordert. (Dr. Gülich) 32. Die Beziehungen zwischen dem saarländischen Tresor und dem französischen Tresor und zwischen der saarländischen Finanzverwaltung und dem Trésorier Général de France im Saarland bleiben bis zum Ende der Übergangszeit unverändert. Insbesondere werden die Geldmittel des saarländischen Tresors weiterhin heim französischen Tresor eingezahlt (Brief Nr. 8). 33. Infolge des Fortbestehens der Währungsunion in der Übergangszeit ist der Haushalt des Saarlandes ein Haushalt in Frankenwährung. Frankenguthaben der Bundesrepublik werden auf besonderen Konten beim saarländischen Tresor geführt und unterschieden von den Konten, die der saarländische Tresor in eigenem Namen unterhält. Die Bundesrepublik kann über ihre Guthaben im Währungsgebiet des französischen Franken zur Dekkung des Bedarfs von Verwaltungsbehörden im Saarland verfügen. Bundesbahn und Bundespost können ihre Einnahmen auch für betriebliche Investitionen verwenden (Brief Nr. 9). E. Auswirkungen auf den Bundeshaushalt 34. Finanzielle Auswirkungen, die sich nach dem Saarvertrag (Anlage 19 Artikel 3) am Ende der Übergangszeit und später ergeben werden, also Forderungen Frankreichs an die Bundesrepublik darstellen: Betrag (ffrs.) a) Forderungen aus dem Notenumtausch 40 000 000 000 (ffrs. in DM) (Artikel 56 Abs. 2) b) Vorschüsse gemäß Artikel 2 des französischen Gesetzes zur Einführung der französischen Währung im Saarland (Nr. 47 —2158 vom 15. November 1947) (Artikel 58 Abs. 1) 28 000 000 000 Es bleibt späterer Entscheidung des Bundesgesetzgebers vorbehalten, ob und inwieweit die Aufwendungen für die in Buchstaben a) und b) genannten Beträge durch Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder gegen den Bund gedeckt werden. c) Anleihe vom 22. Juni 1955 (Artikel 59 Abs. 1) 8 000 000 000 d) Darlehen und Vorschüsse an die Steinkohlenbergwerke im Saarland von ursprünglich 2 200 000 000 ffrs. und 2 400 000 000 ffrs. (Artikel 59, Abs. 2) 4 600 000 000 Bei den Positionen c) und d) handelt es sich also um die Übernahme der Gläubigerstellung durch die Bundesrepublik; hiermit ist jedoch die endgültige Behandlung der Forderung zu d) noch offengeblieben. Die Forderungen Frankreichs an die Bundesrepublik belaufen sich mithin auf rd. 80 Milliarden ffrs., was rd. 960 Millionen DM entspricht. Die endgültige Belastung des Bundes wird mithin auch von der Entscheidung abhängen, welche nach den Ausführungen zu Position b) noch getroffen werden muß. 35. Die Begleichung des Postschecksaldos (siehe Nr. 23) wird das Saarland am 30. Juni 1958 in Höhe von rd. 12 Mrd. ffrs. aus Haushaltsmitteln leisten müssen, weil die französischen Postscheckguthaben nicht nur als Betriebsmittel in Anspruch genommen, sondern auch zu Haushaltsausgaben verwendet worden sind. Für die Erfüllung dieser Verbindlichkeit haftet der Bund (Anlage 19 Artikel 4 Abs. 3). 36. Nach der gleichen Bestimmung haftet der Bund für einen Betrag (ffrs.) am 26. Oktober 1954 dem Saarland gewährten Dauervorschuß gemäß Artikel 7 des Wirtschaftsvertrages zwischen Frankreich und dem Saarland vom 20. Mai 1953 (Artikel 18 Abs. 1) in Höhe von 1 087 000 000 soweit nicht das Saarland mit folgenden Forderungen aufrechnen kann: a) Guthaben der Landeshauptkasse am Ende der Übergangszeit aus der Anlage von Betriebsmitteln beim französischen Tresor rd 1 000 000 000 b) Guthaben des Saarlandes am Ende der Übergangszeit aus der Abrechnung über die gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben Frankreichs und des Saarlandes nach Artikel 16 und 17 des Saarvertrages . . . . rd. 1 000 000 000 37. Der Ausschuß ist sich klar darüber, daß schon während der Übergangszeit das Saarland einer wirksamen Finanzhilfe bedarf. Er hält es deshalb für erforderlich, daß der Bund schon jetzt seine grundsätzliche Bereitschaft dazu erklärt. Dieser Auffassung des Ausschusses kommt die Erklärung der Bundesregierung entgegen, die der Bundesminister der Finanzen am 7. Dezember 1956 im Deutschen Bundestag abgegeben hat. Es heißt in dieser Erklärung, daß in den Entwurf des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 für das neue Bundesland an der Saar noch nichts eingesetzt sei, weil noch freie Beträge aus dem jetzt laufenden Jahr vorhanden seien und der saarländische Haushalt noch nicht vorgelegen habe. Darüber hinaus erklärte der Herr Bundesfinanzminister: „Ich glaube aber, daß es bei den in das neue Jahr übertragenen Mitteln für das Saarland nicht bleiben kann und daß von anderen Haushaltsstellen wesentliche Ersparnisse zugunsten der Saar erbracht werden müssen." Nach dem Memorandum der Saarregierung vom 20. November 1956 handelt es sich um folgende Gruppen: (Dr. Gülich) a) Die für die Rationalisierung des Kohlenbergbaus erforderlichen Investitionen sollen vor allem bereitgestellt werden für die Errichtung einer neuen Schachtanlage, die Erhöhung der Tagesförderung, den Ausbau der Kraftwerke, die Erweiterung der Kokereien. Die hierfür notwendigen und nicht durch das Saarland und nicht durch Abschreibungen und Kredite aufzubringenden Beträge würden sich nach dem Memorandum auf rund 45 Mrd. ffrs. belaufen. b) Auch die übrige Industrie, die Energiewirtschaft, der Handel, das Handwerk werden eine erhebliche Hilfe z. B. für Investitionen, Wertminderung der Lagerbestände, Transferverluste bei Aufnahme von DM-Krediten erhalten müssen. Diese Hilfe wird sich nicht nur auf Steuererleichterungen beschränken können, die sich in Mindereinnahmen des saarländischen Haushaltes auswirken werden. c) Der Ausbau des Straßennetzes im Saarland und sein Anschluß an das Straßennetz des übrigen Bundesgebietes, insbesondere der Ausbau der Autobahn Mannheim-Saarbrücken mit Anschlußstraßen, der Bau einer Kraftfahrstraße als Anschluß von Saarbrücken zur Hunsrückhöhenstraße, der Bau einer Kraftfahrstraße von Luxemburg Grenze-Saarbrücken und der Grenzstraßen vom Saarland in die Bundesrepublik erfordern neben wasserwirtschaftlichen Maßnahmen und einer Reihe verschiedener anderer Anliegen der Saarregierung erhebliche Mittel des Bundes. Obgleich das Memorandum konkrete Zahlenangaben zu den einzelnen Positionen gemacht hat, konnte der Ausschuß nur die grundsätzliche Bereitschaft zur Hilfe erklären; die Weiterbehandlung des Memorandums müssen Parlament und Regierung überlassen bleiben. Bonn, den 7. Dezember 1956 Dr. Gülich Berichterstatter Anlage (zu Nr. 2 und 4) Betr. Steuern im Saarland (Artikel 15) Istaufkommen in den Redmungsjahren Istaufkommen in den Redmungsjahren Steuerart 1954 1955 1956 Steuerart 1954 1955 1956 (geschätzt) (geschätzt) in Mio in Mio in Mio in Mio in Mio in Mio ffrs ffrs ffrs ffrs ffrs ffrs A. Besitz- und C. Anteil des Saar- Verkehrsteuern landes an den ge- Lohnsteuer (Staatsan- ureinsamen Einnah- teil) 5 624 6 491 8 000 men Frankreichs und des Saarlandes Kapitalertragsteuer . . 171 154 360 nach den Bestim- Steuerabzug von Auf- mungen des Steuer- sichtsratsvergütun- und Haushaltver- gen 35 42 80 trags v. 20. Mai 1953 Steuerabzug von Ein- 1. Indirekte Steuern, künften bei be- die im Saarland er- schränkt Steuer- hoben werden: pflichtigen 47 87 85 Produktionsteuer . 12 087 325 125 Veranlagte Einkom- Mehrwert- u. Dienst- mensteuer leistungsteuer (ab (Staatsanteil) . . . 3 822 4 646 4 700 1. Juli 1954 an die Körperschaftsteuer Stelle der Produk- (Staatsanteil) . . . . 2 171 2 976 3 800 tionsteuer getreten) . 7 026 19 205 21 000 Vermögensteuer . . . 680 730 600 Einheitssonderab- Erbschaftsteuer . . . . 108 142 80 gaben auf Mineral- 259 240 240 wasser, Biere usw. . Grunderwerbsteuer Pauschale Fleischab- (Staatsanteil) . . . . 171 183 190 gabe 1 056 1 013 1 095 Urkundensteuer . . . 582 634 620 Pauschale Weinab- Versicherungsteuer . . 154 180 190 gabe 85 86 85 Feuerschutzsteuer . . 32 37 35 Umlaufsteuer auf Gesellschaftsteuer . . . 49 99 160 Wein und Obstwein . 24 23 23 Umsatzsteuer Verbrauchsteuer auf (Staatsanteil) 4 971 3 281 1 900 Alkohol (Brannt- wein) 632 665 670 Überschuß der Tabak- und Zündwarenregie 3 650 3 700 4 000 Zusatzabgabe für Aperitife auf Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Stundungszinsen 161 225 105 Alkoholbasis . . . 12 10 14 usw Zusatzabgabe für Zucker 1 1 1 Sprengstoffsteuer . . 61 71 72 Summe A: 22 428 23 607 24 905 Stempel-, Ausferti- B. Gemeinschaftshilfe- gungs- und Suchge- abgabe bühren 13 13 12 (zweckgebunden) 3 060 4 056 4 000 Garantieabgabe für Edelmetalle einschl. Prüfungsgebühren . 2 2 2 2. Abschlagszahlungen . Frankreichs auf den Anteil des Saarlan- des an den gemein- samen Einnahmen . 8 200 10 500 22 000*) Summe C: 29 458 32 154 45 339 *) In dem Betrag ist eine Nachzahlung Frankreichs für das Rechnungsjahr 1955 in Höhe von 4,5 Milliarden ffrs. enthalten. d) Bericht zu dem Kapitel VI „Kohle" des Vertrages Berichterstatter: Abgeordneter Sabaß I. Allgemeines Im Rahmen des deutsch-französischen Saarvertrages kommt der Neuordnung des Steinkohlenbergbaus im Saarland in besitzmäßiger und organisatorischer Hinsicht sowie der Neuregelung des Absatzes der Saarkohle besondere Bedeutung zu. Mit Rücksicht hierauf sind die betreffenden Vertragsbestimmungen in einem besonderen Abschnitt „Kohle" (Kapitel VI Artikel 78 bis 88 und den zugehörigen Anlagen 25 bis 30) zusammengefaßt. Übersicht über den Inhalt der einzelnen Artikel des Kapitels VI des Saarvertrages 1. Abschnitt: Warndt Artikel 78 Abschluß eines Pachtvertrages über einen Teil des Kohlenvorkommens des Warndt zwischen dem neuen Rechtsträger der Steinkohlenbergwerke im Saarland und den Houillères du Bassin de Lorraine. Anlage 25 Entwurf eines Pachtvertrages über Kohlenvorkommen im Warndt. Artikel 79 Regelung der Bergaufsicht unter und über Tage in den verpachteten Teilen des Warndt-Kohlenvorkommens. Anlage 26 Überwachung des Abbaus im verpachteten Warndt-Gebiet. Artikel 80 Erleichterungen im Grenzund Zollverkehr für den Betrieb der im deutschen Hoheitsgebiet gelegenen Außenschächte der Houillères du Bassin de Lorraine. Artikel 81 Lieferung von 1,2 Mio t Saarkohle jährlich an Frankreich für 20 Jahre als Gegenleistung für die vorzeitige Aufgabe des Abbaufeldes Vuillemin im Warndt. Anlage 27 Bestimmungen über die Kohlenlieferungen gemäß Artikel 81 des Vertrages. Artikel 82 Ausgleich der sich in bezug auf den Abbau im Warndt ergebenden gegenseitigen Forderungen der Bundesrepublik und Frankreichs. 2. Abschnitt: Kohlenabsatz Artikel 83 Frankreich erhält 33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung für die Dauer von 25 Jahren. Anlage 28 Kohlenabsatz. Artikel 84 Errichtung einer paritätischen deutsch-französischen Gesellschaft für die Koordinierung des Absatzes der Saarkohle und der lothringischen Kohle. Anlage 29 Organisation des Kohlenabsatzes, Richtlinien für das Statut der deutschfranzösischen Verkaufsgesellschaft. 3. Abschnitt: Organisation des Steinkohlenbergbaus im Saarland und Sonderregelung für das französische Personal Artikel 85 Schaffung eines neuen Rechtsträgers für den Saarbergbau. Artikel 86 Führung des Saarbergbaus während der Übergangszeit. Einsetzung eines paritätischen Beirates. Artikel 87 Übertragung der Vermögenswerte der „Saarbergwerke" auf den neuen Rechtsträger, Übernahme der Verpflichtungen durch diesen. Erlöschen der Finanzierungsverpflichtungen Frankreichs gegenüber den „Saarbergwerken". Deutscher Verzicht auf etwaige Ansprüche aus dem von Frankreich geführten Betrieb der Saargruben. Artikel 88 Sonderregelung betr. die Stellung der französischen Bediensteten der „Saarbergwerke" nach Übergang des Unternehmens auf den neuen Rechtsträger. Anlage 30 Bestimmungen über die französischen Bediensteten der „Saarbergwerke". II. Die Bestimmungen im einzelnen 1. Abschnitt: Warndt Wie in der Begründung der Bundesregierung ausgeführt, erforderte die Lösung der Warndtfrage eine Sonderregelung. Für Kenner der Verhältnisse stand von vornherein fest, daß Frankreich in Anbetracht seiner großen bergbaulichen Investitionen im Warndt und der Unmöglichkeit, bei sofortiger Einstellung des Abbaus im Warndt die für die Versorgung der französischen Wirtschaft ausfallenden beträchtlichen Kohlenmengen rasch zu ersetzen, sich nicht dazu verstehen würde, und sich wohl auch nicht dazu verstehen konnte, den Abbau (Sabaß) im Warndt mit Inkrafttreten des Saarvertrages sofort einzustellen. Die Lösung konnte bei dieser Sachlage nur durch beiderseitiges Entgegenkommen gefunden werden. Den Bemühungen der deutschen Verhandlungsführung ist es denn auch gelungen, einen annehmbaren Kompromiß zu erreichen, der in seinen Grundzügen wie folgt aussieht: Der Abbau im Warndt wird von seinem jetzigen Träger, dem staatlichen französischen Bergbauunternehmen Houillères du Bassin de Lorraine (HBL) noch für die Dauer von längstens 25 Jahren weitergeführt, jedoch nur noch in einem regional, mengen- und zeitmäßig genau begrenzten Umfange. Innerhalb bestimmter Zeitabschnitte (5, 15, 25 Jahre) verringert sich die Pachtfläche durch Rückgabe von Feldesteilen an den Verpächter immer mehr, so daß der Abbau nach und nach in der Richtung auf die französisch-saarländische Grenze zurückverlegt und schließlich ganz eingestellt werden muß. Die Grundlage des zukünftigen Abbaus der HBL bildet der Pachtvertrag (PV), der nach einem vereinbarten Muster (Anlage 25) zwischen dem neuen deutschen Rechtsträger der Saargruben und der HBL als dem bisherigen Träger des Abbaus abgeschlossen werden soll (Artikel 78). Ihm kommt im Rahmen des Vertragswerkes besondere Bedeutung zu, weil in ihm in Ausführung der Rahmenbestimmung des Artikels 78 des Saarvertrages der Abbau in den Pachtfeldern des Warndt im einzelnen geregelt ist. Zu dem Pachtvertrag ist im einzelnen folgendes zu bemerken: Die Fläche, die die HBL nach dem neuen Pachtvertrag als Abbaugebiet behalten (Abgrenzung Artikel 3 PV), ist wesentlich kleiner als die Fläche, die dem Unternehmen in dem Pachtvertrag vom Jahre 1949 zugestanden war. Der Abbau der drei unter der Grenze des Saarlandes hinweg den Abbau im Warndt betreibenden lothringischen Gruben der HBL wird durch den neuen Pachtvertrag auf den Südostteil des Warndt beschränkt. Dadurch, daß sich die Einzelpachtfelder St. Charles-Vuillemin, Ste. Fontaine und Merlenbach-Cuvelette, in die der Pachtvertrag das den HBL belassene Gesamtpachtfeld aufteilt (Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe a PV), den jetzigen Baufeldern der lothringischen Gruben im Warndt entsprechen, ist sichergestellt, daß die HBL ihren Abbau im Warndt nicht über den bisherigen Bereich ausdehnen können. Eine weitere Sicherung in dieser Hinsicht bilden die Fristen des Pachtvertrages. Die HBL müssen das nördlich des Warndtsprunges gelegene Einzelpachtfeld St. Charles-Vuillemin bereits 5 Jahre nach dem Inkrafttreten des Pachtvertrages (1. Januar 1957) vollständig räumen, um Platz für die erste im Warndt zu errichtende deutsche Großschachtanlage zu machen. Von den südlich des Warndtsprunges gelegenen Einzelpachtfeldern Ste. Fontaine und Merlenbach-Cuvelette müssen die HBL das erstere nach 15 Jahren, das letztere nach 25 Jahren zurückgegeben (Artikel 2 und 3 Abs. 1 PV). Nicht weniger wichtig als die flächenmäßigen und zeitlichen Beschränkungen sind die mengenmäßigen Begrenzungen des Pachtvertrages. Für die einzelnen Zeitabschnitte der Verpachtung sind bestimmte Höchstmengen für -die Entnahme von Kohle festgesetzt, und zwar sollen im Rahmen der für das Gesamtpachtfeld auf 66 Mio t verwertbare Förderung festgesetzten Höchstmenge während des ersten Zeitabschnittes von 5 Jahren nicht mehr als 20 Mio t, während des zweiten und dritten Zeitabschnittes (Dauer je 10 Jahre), also während der folgenden 20 Jahre, nicht mehr als 46 Mio t Kohle gewonnen werden. Es ist den HBL zwar gestattet, die für den ersten Zeitabschnitt festgelegte Förderung aus dem Gesamtpachtfeld von 20 Mio t um bis zu 10 v. H. zu überschreiten, also während der ersten 5 Jahre der Verpachtung bis zu 22 Mio t zu gewinnen; jedoch verringert sich in diesem Fall die zulässige Entnahme während der folgenden 20 Jahre um die Mehrförderung von 2 Mio t während der ersten 5 Jahre, also von 46 Mio t auf 44 Mio t (Artikel 4 PV). Dem Bestreben der deutschen Verhandlungsführung, eine Schwächung der Kohlenvorräte in dem nördlich des Warndtsprunges gelegenen Teil des Pachtfeldes durch den Abbau der HBL im Interesse der neuen dort zu errichtenden deutschen Förderschachtanlage möglichst gering zu halten, entspricht die Vertragsbestimmung, daß die HBL in diesem Feldesteil insgesamt nicht mehr als 12 Mio t Kohle abbauen darf (Artikel 4 Abs. 1 PV). Die Verpachtung endet bereits vor Ablauf des betreffenden Zeitabschnittes, sobald die für das betreffende Feld festgesetzte Höchstfördermenge erreicht ist oder die Gewinnung endgültig eingestellt wird (Artikel 5 PV). Für die Pachtfelder Ste. Fontaine und Merlenbach-Cuvelette sind mit Rücksicht auf die verhältnismäßig lange Pachtzeit (15 bzw. 25 Jahre) auch noch teufenmäßige Begrenzungen in dem Pachtvertrag festgesetzt. Im Pachtfeld Ste. Fontaine dürfen die HBL nur bis zur 760-m-Sohle, in dem Pachtfeld Merlenbach-Cuvelette nur bis zu der geplanten 826-m-Sohle abbauen (Artikel 2 Abs. 3 PV). Der Pachtvertrag (Anlage 25) enthält weiterhin Bestimmungen über den Bergwerksbetrieb in den Pachtfeldern (Artikel 6 bis 11), Übergangsbestimmungen über die Beendigung der Verpachtung (Artikel 12 bis 16 PV) und allgemeine Bestimmungen (Artikel 17 bis 23 PV). In der Durchführung und in der Planung des Abbaus ist der Pächter (HBL) grundsätzlich frei. Nur für die Errichtung neuer Anlagen über Tage von größerer Bedeutung wie von Schächten, Siebereien und Wäschereien, Kokereien, bedarf er der vorherigen Zustimmung des Verpächters, d. h. des neuen Rechtsträgers der Steinkohlenbergwerke im Saarland (Artikel 6 PV). Der Pächter hat den Abbau nach den üblichen bergtechnischen und bergwirtschaftlichen Grundsätzen zu führen und ist verpflichtet, jeden Raubbau zu vermeiden. Ferner hat er auf den späteren Abbau der Lagerstätte durch den Verpächter Rücksicht zu nehmen (Artikel 7 PV). Die Unterrichtung des Verpächters über den im Pachtgebiet durchgeführten Abbau ist dadurch gewährleistet, daß der Pächter ihm die Grundzüge seines Abbauprogramms für die Vertragsdauer bekanntzugeben und ihm zu Beginn jedes Jahres Abbau- und Zeitpläne zu übermitteln hat. Er ist auch verpflichtet, ihm Grubenbilder für das Pachtfeld zu übergeben und diese regelmäßig nachtragen zu lassen (Artikel 8 PV). Alljährlich hat der Verpächter dem Pächter eine Aufstellung über die abgebauten Kohlenmengen einzureichen. Damit der Verpächter die Aufstellung sachlich prüfen kann, sind ihm weitgehende Kontrollrechte vertraglich eingeräumt. Er hat nicht nur das Recht, alle einschlägigen Unterlagen an Ort und Stelle (Sabaß) einzusehen, sondern er kann auch die Arbeiten und Betriebsanlagen im Pachtgebiet besichtigen sowie alle ihm notwendig erscheinenden Prüfungen vornehmen und Feststellungen treffen lassen (Artikel 9 PV). Hinsichtlich der Bergschäden gilt der Grundsatz des Allgemeinen Berggesetzes, daß der Pächter für alle durch seinen Abbau in den Pachtfeldern verursachten Schäden uneingeschränkt haftet, und zwar auch noch nach Beendigung des Pachtverhältnisses. Maßnahmen zur Verhütung von Bergschäden, wie die im Saarland teilweise angewandte Fundamentverstärkung der Häuser, kann der Verpächter auf Kosten des Pächters durchführen lassen. Dieser ist allerdings nur dann verpflichtet, die Kosten zu tragen, wenn die Maßnahmen notwendig erscheinen und im Saarland üblich sind. Auch kann der Pächter verlangen, daß sich der Verpächter in einem angemessenen Verhältnis an den Kosten beteiligt, falls die Maßnahmen während der letzten 5 Jahre der Verpachtung durchgeführt werden und nicht nur der Verhütung von Schäden infolge des auslaufenden Abbaus des Pächters, sondern auch des derzeitigen oder künftigen Abbaus des Verpächters dienen können (Artikel 10 PV). Während der letzten 3 Jahre vor Beendigung der Verpachtung haben Pächter und Verpächter ihre Pläne und Maßnahmen so miteinander abzustimmen, daß der Abbau der lothringischen Gruben im Warndt ordnungsgemäß auslaufen und sich der von deutscher Seite betriebene Abbau in den früheren Pachtfeldern störungsfrei anschließen kann (Artikel 12 Abs. 1 PV). Im Interesse der Grubensicherheit verpflichten sich die beiden Vertragspartner, mit Arbeiten, die die Arbeiten des anderen Vertragspartners beeinflussen können, nicht zu beginnen, bevor die Zustimmung der Bergbehörde vorliegt (Artikel 12). Hinsichtlich der Übergabe der Grubenräume und des betriebszugehörigen Materials konnte sich die deutsche Auffassung durchsetzen, daß der Pächter als Gegenleistung für seine Leistungen (u. a. Kohlenlieferungen gemäß Artikel 81, Verzicht auf Pachtzins gemäß Artikel 82 Abs. 7 usw.) grundsätzlich die kostenfreie Abgabe der Grubenräume und des Materials in gutem Zustand beanspruchen kann, soweit er beides zur Fortführung des Betriebes benötigt. Während das ortsfeste Material, zu dem nach dem Vertrage auch der Strebausbau, die gesamten Rohrleitungen, die bewehrten Kabel sowie die Streckenbänder rechnen, kostenlos zu übergeben ist (Artikel 13 Abs. 1 PV), wurde hinsichtlich des ortsbeweglichen Materials eine den praktischen Erfordernissen Rechnung tragende besondere Regelung vereinbart (Artikel 13 Abs. 2 und 3 PV). Aus der Erwägung heraus, daß der Pächter bei der Verschiedenartigkeit des im deutschen und im französischen Bergbau verwendeten ortsbeweglichen Materials dieses für seinen späteren Betrieb nur teilweise mit Nutzen verwenden kann, wurde festgelegt, daß es im Gegensatz zu dem ortsfesten Material mit seinem Gesamtwert dem Verpächter gutgeschrieben wird, der nach einem besonderen Bewertungsverfahren ermittelt wird (Artikel 14 Abs. 3 PV). Als Wert gilt der halbe Neuwert (Zeitwert). Der Verpächter kann die Gutschrift nach seinem Ermessen sowohl zum Kauf des ihm erwünschten ortsbeweglichen Materials, dessen Preis im Einzelfall vereinbart werden muß, als auch zum Erwerb der Einrichtungen des Schachtes St. Charles IV verwenden (Artikel 13 Abs. 3 PV). Der neue Rechtsträger der Saargruben hat nämlich den Wert dieses auf saarländischem Gebiet gelegenen Außenschachtes der lothringischen Grube St. Charles und der zugehörigen, im Artikel 14 Abs. 1 PV genau abgegrenzten Anlagen und Einrichtungen unter und über Tage den HBL zum halben Buchwert zu vergüten, weil dieser Schacht nicht nur als Wetterschacht für das Pachtfeld, sondern auch für die unter lothringischem Gebiet liegenden Feldesteile der Grube St. Charles errichtet worden ist. Zur Vorbereitung des Abbaus des Verpächters müssen voraussichtlich in den letzten Jahren vor Ablauf der Verpachtung auch Arbeiten in den noch von dem Pächter benutzten Grubenräumen durchgeführt werden. Die Zugeständnisse der französischen Seite in dieser Hinsicht entsprechen allerdings nur teilweise den deutschen Forderungen. Der Pächter ist nämlich nur insoweit verpflichtet, solche Arbeiten in seinem Pachtfeld durchzuführen oder dem Verpächter die Vornahme zu gestatten, als dies ohne Schädigung seiner eigenen Förderung irgendmöglich ist. Nur unter der gleichen Einschränkung ist er ferner verpflichtet, die von ihm nicht mehr benötigten Grubenräume zu unterhalten, die der Verpächter später für seine Zwecke zu benutzen wünscht (Artikel 16 PV). Etwaige Streitigkeiten über die Anwendung des Pachtvertrages sollen einem besonderen Schiedsverfahren unterworfen werden (Artikel 19 PV). Während der Pachtvertrag die privatrechtlichen Beziehungen regelt, die sich aus dem Abbau der HBL in den Warndt-Pachtfeldern zwischen ihr und dem neuen Rechtsträger der Steinkohlenbergwerke im Saarland ergeben, bildet das deutsch-französische Abkommen „Überwachung des Abbaus im verpachteten Warndtgebiet" (Anlage 26) gemäß Artikel 79 des Vertrages die Grundlage für die Ordnung der sich aus dem Abbau unter zukünftigem deutschen Hoheitsgebiet ergebenden zwischenstaatlichen Beziehungen. Das Abkommen enthält vor allem Bestimmungen über die bergpolizeiliche Überwachung des Bergwerksbetriebes unter und über Tage, den Arbeitsschutz und das Tarifrecht. Wie in zwischenstaatlichen Abkommen ähnlicher Art, z. B. in dem deutsch-polnischen Bergwerksabkommen vom 22. Juni 1922 und dem deutsch-niederländischen Vertrag über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutsch-niederländischen Grenze liegende Steinkohlenfelder vom 18. Januar 1952 gilt auch in dem Berghoheitsabkommen über den Warndt der Grundsatz, daß die Grubenräume als Hoheitsgebiet desjenigen Staates behandelt werden, auf dessen Gebiet die Kohle zutage gefördert wird, während die Betriebsanlagen über Tage in der Hoheit desjenigen Staates verbleiben, in dessen Gebiet sie liegen. Dementsprechend wird die Bergpolizei in den unter deutschem Hoheitsgebiet gelegenen Grubenräumen der lothringischen Gruben der HBL von den für diese zuständigen französischen Bergbehörden ausgeübt (Artikel 1 Abs. 1 des Abkommens), während für die Betriebsanlagen über Tage die deutsche Bergpolizei zuständig bleibt (Artikel 2 Abs. 1 des Abkommens). Eine wesentliche Abweichung von den erwähnten zwischenstaatlichen Verträgen ist allerdings dadurch bedingt, daß durch die beiden im Warndt gelegenen Schächte Merlenbach-Nord und St. Charles IV der (Sabaß) HBL eine Verbindung zwischen unter und über Tage und damit zwischen dem französischen und dem deutschen Zuständigkeitsbereich besteht. Entsprechend der zwischen dem Saarland und Frankreich bereits bestehenden Regelung gelten auf dem Gebiet der Bergpolizei für die Tagesanlagen und die Schächte bis zu den Füllörtern die deutschen, für die übrigen Grubenbaue die französischen Rechts-und Verwaltungsvorschriften (Artikel 2 Abs. 2 und 3 des Abkommens). Dagegen gilt im Interesse der Rechtseinheitlichkeit für die Belegschaft, auch soweit sie über Tage beschäftigt wird, französisches Arbeitsschutz- und Tarifrecht wie in den in Frankreich gelegenen Bergwerksbetrieben der HBL (Artikel 2 Abs. 4 des Abkommens). Entsprechend dem Grundsatz, daß die Grubenräume unter Tage mit Ausnahme der Schächte zum französischen Zuständigkeitsbereich gehören, werden alle Handlungen oder Unterlassungen, die unter Tage begangen werden, hinsichtlich ihrer zivil-und strafrechtlichen Folgen so behandelt, als ob sie auf französischem Hoheitsgebiet geschehen wären (Artikel 10 des Abkommens). Bergpolizeiliche Vorschriften, die die deutsche Bergbehörde für die im Warndt gelegenen Schächte der HBL und für die zugehörigen Betriebsanlagen über Tage erläßt, sollen im Interesse einer einheitlichen Regelung im ganzen Abbaugebiet der französischen Bergwerke soweit als möglich den einschlägigen französischen Vorschriften entsprechen. Falls die deutsche Bergbehörde von diesem Grundsatz abweichen möchte, wird sie vor dem Erlaß abweichender Vorschriften mit der französischen Bergbehörde Verbindung aufnehmen (Artikel 2 Abs. 2 des Abkommens). Einen verhältnismäßig breiten Raum in dem Berghoheitsabkommen nehmen die Vorschriften zum Schutze der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs ein. Grundsätzlich unterliegen die Auswirkungen, die sich über Tage aus dem Abbau unter Tage ergeben, dem Recht und der Gerichtsbarkeit des Staates, auf dessen Gebiet die Auswirkungen über Tage in Erscheinung treten (Artikel 6 Abs. 1 des Abkommens). Hinsichtlich der Anlagen über Tage, die im öffentlichen Interesse zu schützen sind (Eisenbahnen, Straßen, Wasserläufe, Gas- und Wasserleitungen usw.), verpflichtet das Abkommen die HBL und die französische Bergbehörde, die in Deutschland üblichen Grundsätze zum Schutz derartiger Anlagen einzuhalten. Sofern die deutsche Bergbehörde darüber hinaus besondere Maßnahmen im Interesse des Schutzes der Oberfläche oder der persönlichen Sicherheit für erforderlich hält, muß sie sich über diese mit der französischen Bergbehörde verständigen. Soweit Einvernehmen erzielt wird, wird die französische Bergbehörde darauf hinwirken, daß die gemeinsam festgelegten Maßnahmen durchgeführt werden (Artikel 8 des Abkommens). Da sich die Aufsicht der deutschen Bergbehörde gemäß § 196 des Allgemeinen Berggesetzes u. a. auf den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs sowie auf den Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaus erstreckt, ist es für die Behörde unerläßlich, Planung und Verlauf des Abbaus unter Tage ständig verfolgen zu können. Das Abkommen räumt ihr in dieser Hinsicht weitgehende Möglichkeiten und Rechte ein. So wurde vereinbart, daß die französische Bergbehörde der deutschen Bergbehörde auf deren Wunsch alle notwendigen Auskünfte über diejenigen Maßnahmen erteilt, die die HBL bei ihren bergmännischen Arbeiten zum Schutz der Oberfläche getroffen hat (Artikel 7 Abs. 1 des Abkommens). Zur Unterrichtung der deutschen Bergbehörde dient auch die Bestimmung, daß sie von der französischen Bergbehörde zu Anfang jedes Jahres einen Abbau- und Zeitplan für die Arbeiten unter deutschem Hoheitsgebiet erhält, in dem die Art des Abbauverfahrens (Bruchbau oder Versatzbau) des Näheren angegeben sein muß. Ferner ist in dem Abkommen (Artikel 4 und 5) ein Austausch von Grubenbildern zwischen der französischen und der deutschen Bergbehörde vereinbart. Auf den alljährlich nachzutragenden Grubenbildern müssen die Grubenbaue in den Pachtfeldern und die benachbarten Grubenbaue unter deutschem und unter französischem Gebiet bis zu einer Entfernung von 200 m von den Pachtfeldgrenzen aufgetragen sein (Artikel 4 Abs. 1 und Artikel 5 Abs. 1 des Abkommens). Im übrigen sind die Vertreter der deutschen Bergbehörde berechtigt, ihre aus den Abbau- und Zeitplänen sowie aus den Grubenbildern gewonnenen Kenntnisse über den Verlauf und den Stand des Abbaus durch Befahrungen der Baue im Pachtgebiet zu ergänzen. Im Hinblick darauf, daß sie bei solchen Befahrungen von einem Vertreter der französischen Bergbehörde begleitet werden, ist eine 48stündige Voranmeldung dazu erforderlich (Artikel 7 Abs. 3 des Abkommens). Im Zusammenhang mit den hoheitsrechtlichen Fragen, die sich aus der Verpachtung von Grubenfeldern im Warndt an die HBL ergeben, soll auch der Artikel 80 des Vertrages behandelt werden, der die Zollüberwachung des betrieblichen Personen-und Warenverkehrs zwischen den in Lothringen gelegenen Förderschächten der HBL und den zugehörigen Außenschächten — Merlenbach-Nord und St. Charles IV — im Warndt regelt. Um diesen Verkehr, der betriebsnotwendig ist — u. a. müssen täglich große Mengen von Spülversatzgut (Sand) mit einer die Grenze überschreitenden Grubenbahn von Lothringen zum Schacht Merlenbach-Nord gebracht und dort in die Grube eingespült werden —, nicht zu behindern, hat die deutsche Regierung den HBL alle für den Betrieb ihrer Anlagen auf deutschem Hoheitsgebiet notwendigen Erleichterungen für den Grenzverkehr zugesagt Artikel 80 Abs. 1). Beim Erlaß ihrer Überwachungsbestimmungen wird die deutsche Zollverwaltung auf das Interesse an einer reibungslosen Abwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs von und zu den Betriebsanlagen der HBL größtmögliche Rücksicht nehmen (Art. 80 Abs. 10). Im grenzüberschreitenden Personenverkehr sind die Belegschaftsmitglieder der HBL, die mit der Bedienung, Unterhaltung oder Überwachung der Betriebsanlagen der HBL im Warndt beauftragt sind, vom Paß- und Sichtvermerkzwang befreit. Sie dürfen die Grenze mit einem von der zuständigen Bergwerksverwaltung der HBL ausgestellten, von den zuständigen deutschen und französischen Dienststellen bestätigten Ausweis überschreiten, und zwar — falls ihr Ausweis eine entsprechende Ergänzung enthält — auch außerhalb der amtlichen Öffnungszeiten der Grenzüberwachungsstellen oder auch an anderen Stellen. Sie sind befugt, ihre Fahrzeuge, ihre Arbeitsgeräte und ihre Verpflegung mitzuführen, soweit dies nach den für Grenzgänger (Sabaß) allgemein geltenden Bestimmungen zulässig ist (Artikel 80 Abs. 2). Der grenzüberschreitende betriebliche Warenverkehr genießt ähnliche Erleichterungen. Alle Materialien für den Betrieb der lothringischen Grüben unter Tage, insbesondere Versatzgut, Baustoffe, Grubenholz, Grubenausbau aus Stahl, Schienen, Rohre, Lutten, Maschinen, Werkzeuge, Ersatzteile sowie Schmierstoffe mit alleiniger Ausnahme von Sprengmitteln, dürfen frei von Abgaben und Beschränkungen jeder Art von Lothringen aus auf den öffentlichen Verkehrswegen oder der privaten Grubenbahn der HBL über die Grenze nach den Außenschächten Merlenbach-Nord und St. Charles IV befördert und dort eingehängt werden. Ebenso dürfen diese Materialien, so z. B. ausbesserungsbedürftige Maschinen, auf den Außenschächten zu Tage gefördert und über Tage nach den lothringischen Förderschächten zurückgebracht werden (Artikel 80 Abs. 3). Die Durchleitung von Gas und Strom mittels der den Warndt durchquerenden Hochspannungsfreileitungen sowie der Kokerei-und Methangasleitungen unterliegt keinerlei Abgaben, Beschränkungen oder Verboten (Artikel 80 Abs. 4). Nicht für den Verbrauch bestimmte Güter, insbesondere Maschinen für den Übertagebetrieb der Außenschächte der HBL und der zugehörigen Nebenanlagen, z. B. den am Schacht St. Charles IV gelegenen Steinbruch für die Gewinnung von Spülversatzgut, können ohne Sicherheitsleistung vorübergehend zollfrei eingeführt werden. Falls sie im Betrieb verbleiben und nach Ablauf der Verpachtung zusammen mit den übrigen Betriebseinrichtungen der Außenschächte dem neuen Rechtsträger der Steinkohlenbergwerke im Saarland übergeben werden, wird kein Zoll erhoben (Artikel 80 Abs. 5). Waren, die im Übertagebetrieb der Außenschächte verbraucht werden, sind dagegen zollpflichtig, jedoch werden die Zollabgaben nur vierteljährlich erhoben (Artikel 80 Abs. 6). Die deutschen Zollbeamten sind berechtigt, die auf deutschem Hoheitsgebiet gelegenen Betriebsanlagen der HBL zum Zwecke der Zollkontrolle zu betreten (Artikel 80 Abs. 9). Die Grenz- und Zollbehörden beider Staaten haben sich gegenseitig Amtshilfe zu leisten, insbesondere um strafbare Handlungen zu verhindern oder zu verfolgen (Artikel 80 Abs. 11). 2. Abschnitt: Kohlenabsatz Bei der Neuordnung des Absatzes der Saarkohle ging es vor allem um die Lösung folgender Probleme: a) Zukünftige Beteiligung Frankreichs an der Saarförderung, b) Sicherung des Absatzes der Saargruben in Krisenzeiten. Das Bestreben Frankreichs, auch nach Rückgliederung des Saarlandes über einen möglichst hohen Anteil an der Saarförderung zugunsten des eigenen Verbrauchs verfügen zu können, beruht vor allem darauf, daß Frankreich seit jeher einer der Hauptabnehmer der Saarkohle war, und daß es trotz der erfolgreichen Entwicklung des lothringischen Nachbarreviers, das die Förderung seit 1938 verdoppeln konnte, nach wie vor die Saarkohle nicht entbehren kann. Seinen bisherigen Einfluß auf den Absatz und die Verteilung der Saarkohle suchte Frankreich sich dadurch auch für die Zukunft zu sichern, daß es bei den Verhandlungen zunächst auf seiner bisherigen 50prozentigen Beteiligung an der Verwaltung der Saargruben bestand. Erst nachdem Deutschland ihm einen namhaften festen Anteil am Absatz der Saarförderung zugesagt hatte, fand sich Frankreich bereit, auf seine Beteiligung an der Verwaltung der Saargruben zu verzichten. Die endgültige Regelung sieht vor, daß der Saarbergbau für die Dauer von 25 Jahren 33 v. H. seiner verkaufsfähigen Förderung an Frankreich liefert. Dieser Anteil ist etwas höher als der Anteil, den Frankreich im Durchschnitt der Nachkriegszeit an Saarkohle bezogen hat. Wenn auch eine Lieferverpflichtung in dieser Höhe bei der derzeitigen Vollbeschäftigung ein nicht zu unterschätzendes Opfer bedeutet, so steht ihr auf der anderen Seite der Vorteil gegenüber, daß sich Frankreich zur Abnahme dieser Mengen auf die Dauer von 25 Jahren verpflichtet hat. Auf die Bedeutung dieser Abnahmeverpflichtung wird im folgenden Abschnitt noch näher eingegangen werden. Auch die Lösung des zweiten Problems — Sicherung des Absatzes der Saarkohle in Krisenzeiten —gelang erst nach schwierigen Verhandlungen. Wenn auch der Saarbergbau den Anforderungen des Marktes zur Zeit nicht entsprechen kann, vielmehr nach Mitteln und Wegen suchen muß, seine Förderung weiter zu steigern, so darf dies doch nicht als ein Dauerzustand angesehen werden. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ist damit zu rechnen, daß der Saarbergbau von etwaigen Absatzkrisen schwerer als die mit ihm in Wettbewerb stehenden Kohlenreviere getroffen werden wird. Die besondere Krisenempfindlichkeit der Saarkohle ist vor allem durch die absatzmäßig ungünstige Lage und Stellung des Reviers bedingt. Das unbestrittene Absatzgebiet der Saarkohle beschränkt sich auf das verhältnismäßig kleine Saarland. Außerhalb des Saarlandes — insbesondere auf ihren natürlichen und traditionellen Absatzmärkten Mittelfrankreichs, Süddeutschlands, der Schweiz, Österreichs und Oberitaliens — steht die Saarkohle überall mit der Kohle und dem Koks von der Ruhr und aus Lothringen in ständigem Wettbewerb. Diese Reviere besitzen aber dank ihrer meist besseren natürlichen Verhältnisse und niedrigen Gestehungskosten eine stärkere wettbewerbsmäßige Stellung als das Saarrevier. In Zeiten allgemeinen Absatzmangels hat der Saarbergbau daher stets einen besonders schwierigen Stand gehabt, zumal auch der Saarkoks wegen seiner wesentlich geringeren Härte mit dem Ruhrkoks als Hochofenkoks nicht in Wettbewerb treten kann und die Aufhaldemöglichkeiten der Saarzechen örtlich sehr beschränkt sind. Zu einem Teil konnte die Frage der Sicherung des künftigen Absatzes der Saarkohle dadurch gelöst werden, daß Frankreich — wie bereits erwähnt — sich im Verlauf der Verhandlungen bereit fand, für seinen Anteil von 33 v. H. an der verkaufsfähigen Saarförderung eine Abnahmeverpflichtung für 25 Jahre zu übernehmen. Offen blieb danach noch die Frage der Sicherung des Absatzes auf den übrigen Hauptmärkten, insbesondere auf dem umstrittenen süddeutschen Markt, auf dem die Saarkohle in Wettbewerb mit der Ruhr- und der lothringischen Kohle steht. Die Lö- (Sabaß) sung wurde in einem Zusammengehen des Saarbergbaus mit dem lothringischen Bergbau gefunden. Sie lag insofern nahe, als die Saarkohle und die lothringische Kohle bereits seit 1946 auf dem süddeutschen Markt und in Österreich durch eine gemeinsame Verkaufsgesellschaft, die Union Charbonnière Rhénane (Unichar) in Straßburg vertrieben wird. An dieser französischen Kohlenhandelsgesellschaft ist die jetzige Trägerin des Saarbergbaus, die „Saarbergwerke", allerdings nur mit einer Minderheit von 35 v. H. beteiligt, während sich die Mehrheit des 100 Mio ffrs. betragenden Aktienkapitals in französischem Besitz befindet. Im Laufe der Verhandlungen gelang es, Frankreich dazu zu bewegen, der deutschen Seite eine paritätische Beteiligung am Kapital und an der Verwaltung der Unichar zuzugestehen. Dazu wird die Unichar in eine deutsch-französische Verkaufsgesellschaft umgewandelt, an deren Kapital deutsche und französische Aktionäre je zur Hälfte beteiligt sein werden. Die Rechtsgrundlage der neuen (umgebildeten) Unichar ist mit Rücksicht auf den internationalen Charakter der Gesellschaft im Vertrage und in der Anlage 29 — Organisation des Kohlenabsatzes, Richtlinien für das Statut der deutschfranzösischen Verkaufsgesellschaft — besonders geregelt. Im einzelnen ist zu den Bestimmungen des Artikels 83 des Vertrages und der Anlage 28, in denen die Lieferverpflichtungen von Saarkohle an Frankreich festgelegt sind, folgendes zu bemerken: Die Frankreich zugestandenen 33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung werden einer von der französischen Regierung bestimmten im Vertrag nicht namentlich genannten französischen Verteilungsorganisation zur Verfügung gestellt. Beide Regierungen werden veranlassen, daß zwischen dieser Organisation und dem neuen Rechtsträger der Saargruben ein Liefer- und Abnahmevertrag abgeschlossen wird (Artikel 83 Abs. 1, Anlage 28 Artikel 2). Die Tätigkeit der Organisation wird sich ausschließlich auf den Absatz und die Verteilung der Saarkohle auf dem französischen Markt beschränken. Die Organisation hat für eine möglichst gleichmäßige, der bisherigen Belieferung der einzelnen Verbrauchergruppen entsprechende Verteilung der von ihr übernommenen Mengen an Saarkohle zu sorgen. In Zusammenarbeit mit dem neuen Rechtsträger der Saargruben hat sie sich ferner zu bemühen, eine größtmögliche Regelmäßigkeit der Lieferungen zu gewährleisten (Anlage 28 Artikel 4). Wie bereits erwähnt, steht der deutschen Lieferverpflichtung eine französische Abnahmeverpflichtung gegenüber. Sollte Frankreich nicht in der Lage sein, die Vertragsmenge von 33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung abzunehmen, so hat es die nicht abgenommene Menge zunächst den Saargruben anzubieten. Lehnen diese die Zurücknahme ab, so hat Frankreich selbst für die Unterbringung zu sorgen. Muß es mangels Absatzmöglichkeiten im eigenen Lande Absatz im Auslande für die Überschußmengen suchen, so dürfen diese weder auf dem Gemeinsamen Markt der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl noch in Österreich oder in der Schweiz angeboten werden (Anlage 28 Artikel 3). Diese Bestimmung soll verhindern, daß auf den traditionellen Märkten der Saarkohle in Mitteleuropa ein preisdrückendes Überangebot dadurch entsteht, daß größere Mengen von Saarkohle aus zweiter Hand angeboten werden. Um eine Schädigung der Absatzinteressen des Saarbergbaus möglichst zu vermeiden, wird sich Frankreich in derartigen Fällen bemühen, bei der Unterbringung der von den Saargruben nicht zurückgenommenen Kohle die Hilfe der .Unichar in Anspruch zu nehmen (Anlage 28 Abs. 3). Die Frankreich im Rahmen seines Anteils von 33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung zustehenden Kohlenmengen sind zu den für Saarkohle allgemein geltenden Listenpreisen und Bedingungen zu liefern (Anlage 28 Artikel 2). Bei Berechnung der an Frankreich zu liefernden Menge wird die Grube Velsen, die in den kommenden Jahren wesentlich ausgebaut werden soll, nur mit ihrer Förderung des Jahres 1956 eingesetzt. Die neu zu errichtenden Anlagen im Warndt bleibei bei der Berechnung ganz unberücksichtigt (Artikel 83 Abs. 1). Bei der Aufteilung der zu liefernden Mengen — in Betracht kommen etwa 5 Mio t Kohle, darunter schätzungsweise 1 bis 1,5 Mio t Kokskohle — ist der Zusammensetzung der saarländischen Förderung nach Arten und Sorten Rechnung zu tragen. (Anlage 28 Artikel 1). Für die Berechnung der zuliefernden Jahresmengen an Koksfeinkohle gelten besondere Bestimmungen. Bezugsmenge für die Berechnung der künftigen Jahresmengen ist die Menge, die Frankreich in der Zeit vom 1. Juli 1955 bis 30. Juni 1956 an Koksfeinkohle von der Saar bezogen hat (Anlage 28 Artikel 1 Buchstabe a). Erhöht oder ermäßigt sich die Förderung des Saargebietes, so erhöht oder ermäßigt sich in gleichem Ausmaße die Menge an Koksfeinkohle, die an Frankreich zu liefern ist. Ändert sich der Anteil der Kokskohlenförderung an der Gesamtförderung des Saarbergbaus, so ändert sich der an Frankreich zu liefernde Anteil von Koksfeinkohle an der zu liefernden Gesamtmenge im gleichen Verhältnis (Anlage 28 Artikel 1 Buchstabe b). Falls sich die für den Absatz verfügbaren Mengen an Kokskohle infolge Zunahme der eigenen Kokserzeugung der Saargruben verringert, womit gerechnet werden muß, so hat Frankreich einen vertraglichen Anspruch auf eine entsprechend höhere Belieferung mit Saarkoks. Bei der Berechnung der Ausgleichslieferungen an Koks ist der Verkokungsverlust zu berücksichtigen (Anlage 28 Artikel 1 Buchstabe c). Vom 1. Januar 1962 ab sind neben dem Anteil von 33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung auch noch 1,2 Mio t Steinkohle jährlich für die Dauer von 20 Jahren an die HBL oder andere von der französischen Regierung zu bezeichnende Empfänger zu liefern (Artikel 81 Abs. 1). Diese schwerwiegende Verpflichtung mußte von deutscher Seite eingegangen werden, weil die französische Seite sonst nicht bereit gewesen wäre, das Pachtfeld Vuillemin, in dem die erste neue deutsche Schachtanlage im Warndt erbaut werden soll, 5 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages zu räumen. Erst dieses deutsche Zugeständnis ermöglichte eine Lösung der Warndtfrage; es geht auf eine Vereinbarung der beiden Regierungsschefs zurück. Die Lieferung der 1,2 Mio t Kohle jährlich stellt sozusagen eine Entschädigung der HBL in natura dar für den Förderausfall, der der Gesellschaft durch die Rückgabe des Pachtfeldes Vuillemin am 1. Januar 1962 entstehen wird (vgl. Anlage 25 Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe a und Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe a). Bei den Bestimmungen, die die Lieferung der 1,2 Mio t Kohle jährlich im einzelnen regeln, sind die Vertragsparteien davon ausgegangen, daß die ge- (Sabaß) plante neue deutsche Schachtanlage im Warndt, die den französischen Abbau im Felde Vuillemin fortsetzen wird, Ende 1961 voll förderfähig sein wird. Hieraus erklärt sich die Festlegung in Artikel 81 Abs. 1, daß die zu liefernden Kohlen aus dem Felde Vuillemin stammen oder so beschaffen sein sollen wie die aus diesem Feld gewonnenen Kohlen. Sollte die neue deutsche Schachtanlage die den HBL vertraglich zugesicherte Menge zum 1. Januar 1962 noch nicht oder noch nicht voll liefern können, so darf als Ersatz Kohle anderer Saargruben geliefert werden, die allerdings von gleicher Beschaffenheit sein muß (Artikel 81 Abs. 1). Arten und Sorten der zu liefernden Kohlen bestimmen sich nach dem Arten- und Sortenfall der zukünftig aus dem Felde Vuillimin geförderten Kohlen. Ändert sich der Arten- und Sortenanfall, so sollen die Lieferungen der Änderung angepaßt werden. Als Bezugszeit für die Aufteilung der Lieferungen nach Arten und Sorten kann entweder der Anfall eines Jahres oder das Mittel mehrerer Jahre zugrunde gelegt werden. Alle zwei Jahre nach Beendigung einer zeitlich nicht festgelegten Anlaufzeit der neuen Schachtanlage sollen die Lieferungen darauf überprüft werden, ob sie hinsichtlich ihrer Aufteilung nach Arten und Sorten dem tatsächlichen Anfall an Arten und Sorten entsprechen. Ist dies nicht der Fall, so müssen auf Verlangen eines jeden der beiden Vertragspartner die Lieferungen nach Arten und Sorten neu aufgeteilt werden (Anlage 27 Artikel 3 Abs. 2). Die Lieferungen sollen unter Berücksichtigung der Transportverhältnisse in monatlich möglichst gleichmäßigen Teilmengen bewirkt werden. Vierteljährliche Lieferprogramme, die zwischen dem neuen Rechtsträger des Steinkohlenbergbaus und den HBL zu vereinbaren sind, sollen die Abwicklung erleichtern (Anlage 27 Artikel 1). Die französische Seite hatte zunächst die Lieferung der 1,2 Mio t Kohle jährlich zu dem sehr niedrigen Selbstkostenpreis der lothringischen Gruben gefordert, und zwar als Ausgleich für den ihr durch die vorzeitige Aufgabe des Feldes Vuillemin entgehenden Gewinn. Dieses Verlangen erschien der deutschen Seite nicht annehmbar. Beide Vertragspartner einigten sich schließlich dahin, diese und andere sich aus der beschränkten Verpachtung der Warndtkohlenfelder ergebenden Forderungen gegen deutsche Forderungen im Rahmen einer Global- und Pauschalregelung auszugleichen, über die an anderer Stelle noch berichtet wird. Auf Grund dieser Regelung werden die Warndtkohlen zu den allgemeinen Listenpreisen und Bedingungen der Saargruben geliefert (Artikel 81 Abs. 2). Die Frachtkosten sind von der HBL oder anderen von der französischen Regierung zu bestimmenden Empfängern zu tragen. Lediglich bei Lieferungen, die für den eigenen Gebrauch der HBL bestimmt sind und 17,5 v. H. der vierteljährlichen Gesamtlieferungen nicht übersteigen dürfen, trägt der zukünftige Rechtsträger der Steinkohlenbergwerke an der Saar die Frachtkosten bis zu dem in der Nähe der lothringischen Grube gelegenen Anschlußbahnhof Beningen der Grube St. Charles/ Vuillemin der HBL (Anlage 27 Artikel 2 Abs. 2). Erwähnt sei schließlich noch die Bestimmung, daß der neue Rechtsträger der Saargruben und die HBL die Bedingungen der Anlage 27 über die Lieferungen der 1,2 Mio t Kohle jährlich durch gemeinsame Vereinbarungen abändern oder ergänzen können, ohne daß dazu die Zustimmung der beiden Regierungen erforderlich ist (Anlage 27 Artikel 5). Hinsichtlich der Koordinierung des Absatzes der Saarkohle und der lothringischen Kohle enthält der Saarvertrag im einzelnen folgende Bestimmungen: Zum Zwecke der Koordinierung des Kohlenabsatzes der Reviere Saar und Lothringen wird eine als Einheit zu gestaltende privatrechtliche deutschfranzösische Gesellschaft geschaffen. Wie bereits erwähnt, soll dies durch Umbildung der Unichar geschehen (Anlage 29 Artikel 1). In der Gesellschaft sollen die deutschen und die französischen Interessen paritätisch vertreten sein. Die paritätische Vertretung darf nicht durch die Staatsangehörigkeit des Vorsitzenden des Aufsichtsrates (Conseil d'Administration) beeinträchtigt werden. Diese Bestimmung soll verhindern, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrates seine Stellung dazu ausnutzt, Sonderinteressen seines Landes durchzusetzen (Artikel 84 Abs. 1). Da für die Rechtsverhältnisse der deutsch-französischen Gesellschaft nicht zweierlei Recht (deutsches und französisches Recht) nebeneinander maßgebend sein kann, mußte für ihre Konstruktion eine besondere Rechtsgrundlage geschaffen werden. Das ist in der Weise geschehen, daß die grundlegenden Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft in den Vertrag (Artikel 84), die Bestimmungen über ihre Errichtung und die Kapitalbeteiligung der beiden Vertragsstaaten in die Richtlinien für das Statut (Anlage 29) aufgenommen worden sind. Die wichtigsten Bestimmungen sind folgende: Die Gesellschaft besitzt in beiden Staaten Rechtspersönlichkeit. Sie wird zwei Sitze haben, einen in Deutschland (wahrscheinlich Saarbrücken) und einen in Frankreich (wahrscheinlich Straßburg) (Artikel 84 Abs. 1). Ihre Rechtsverhältnisse bestimmen sich nach dem Artikel 84 des Vertrages, der Anlage 29 (Richtlinien für das Statut) und nach dem Statut, das auf der Grundlage dieser Rahmenbestimmungen zu errichten ist. Das Statut hat gegenüber dem nationalen Recht der beiden Vertragsstaaten den Vorrang. Zu seiner Wirksamkeit bedarf das Statut der Genehmigung der beiden Regierungen (Artikel 84 Abs. 3). Beschließen die Aktionäre der Gesellschaft eine Änderung des Statuts, wozu sie berechtigt sein sollen, so wird diese Änderung erst durch die Genehmigung der beiden Regierungen wirksam (Artikel 84 Abs. 4). Hinsichtlich der Kapitalbeteiligung der beiden Vertragsstaaten an der Gesellschaft ist festgelegt, daß ihre Aktionäre ausschließlich deutsche und französische natürliche oder juristische Personen sein werden. Während des Jahres 1957 wird die deutsche Beteiligung an der Unichar 45 v. H. und vom 1. Januar 1958 ab 50 v. H. betragen und damit der vertraglich vorgesehenen Parität entsprechen (Anlage 29 Artikel 4). Die Generalversammlungen der Aktionäre der Gesellschaft werden abwechselnd in Deutschland und in Frankreich abgehalten. Um zu vermeiden, daß Deutschland in der Zeit bis zum 1. Januar 1958, in der seine Kapitalbeteiligung noch 45 v. H. beträgt, überstimmt wird, ist festgelegt, daß die Beschlüsse bis dahin mit einer Mehrheit von mindestens 56 v. H. gefaßt werden müssen. Von den 12 Sitzen im (Sabaß) Verwaltungsrat werden Deutschland bis zum 1. Januar 1958 4 Sitze, von da ab 6 Sitze zugestanden, womit auch hier dem Grundsatz der Parität entsprochen ist. Der Vorsitz im Verwaltungsrat war bis kurz vor der Unterzeichnung des Vertrages umstritten. Frankreich hatte zunächst gefordert, daß der Vorsitzer des Aufsichtsrates für die ganze Dauer des Vertrages von 25 Jahren eine französische Persönlichkeit sein müsse. Der schließlich zustande gekommene Kompromiß sieht vor, daß in den ersten 5 Jahren nach Umwandlung der Unichar der jetzige französische Vorsitzende des Verwaltungsrates diese Stellung behält. 4 Jahre nach dem Geschäftsbeginn der Gesellschaft werden die beiden Regierungen Verhandlungen über den Vorsitz im Verwaltungsrat aufnehmen. Falls keine Einigung über die Person des Vorsitzers zustande kommt, kann jeder der beiden Vertragspartner von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Mit dem Inkrafttreten des neuen Statuts der Unichar wird die Geschäftsführung zwei Direktoren mit gleichen Befugnissen übertragen, von denen der eine von den deutschen Aktionären, der andere von den französischen Aktionären vorgeschlagen werden wird (Anlage 29 Artikel 4 Abs. 2). Die Bilanz der Gesellschaft wird sowohl in Deutscher Mark als auch in Französischen Franken aufgestellt, und zwar unter Zugrundelegung der amtlichen Kurse (Anlage 29 Artikel 5). Um zu vermeiden, daß die Gesellschaft durch ihren internationalen Status steuerlich benachteiligt wird, ist ihr durch den Artikel 84 des Vertrages und die Anlage 29 eine Sonderbehandlung in steuerlicher Hinsicht zugesichert: So wird die Gründung der Gesellschaft steuerfrei sein (Artikel 84 Abs. 5). In Deutschland und in Frankreich wird die Unichar steuerlich so behandelt werden, als ob auf jeden ihrer Sitze die Hälfte ihres Kapitals, ihrer Aktiven und Passiven entfiele, ferner an jedem der beiden Sitze die Hälfte des Umsatzes und der Gewinne erzielt worden wäre und schließlich die Hälfte der Ausschüttungen an die Aktionäre verteilt werden würde (Artikel 84 Abs. 6). Weiterhin haben sich die beiden Regierungen vertraglich verpflichtet, ihre zuständigen Verwaltungen anzuweisen, alles Notwendige zu veranlassen, um eine zusätzliche Belastung der Gesellschaft als Folge ihres internationalen Charakters zu vermeiden (Artikel 84 Abs. 10). Andererseits haben sich beide Regierungen verpflichtet, sich bei der Festsetzung und Einziehung der von der Gesellschaft zu entrichtenden Steuern gegenseitig zu unterstützen. Sie haben sich auch damit einverstanden erklärt, daß die steuerliche Nachprüfung der Gesellschaft an jedem ihrer beiden Sitze durch die zuständige innerstaatliche Behörde durchgeführt wird (Artikel 84 Abs. 7). Die steuerliche Sonderbehandlung der Gesellschaft erstreckt sich jedoch nicht auf ihre Angestellten, diese unterliegen vielmehr den für ihren Wohnort geltenden nationalen Steuer- und Sozialgesetzen (Artikel 84 Abs. 8). Die allgemeinen Grundsätze für die Koordinierung der Verkaufspolitik durch die Gesellschaft bedürfen der Genehmigung der beiden Regierungen. Falls die Gesellschaft Änderungen dieser Grundsätze vornimmt, wozu sie berechtigt sein soll, so werden diese wirksam, sofern keine der beiden Regierungen innerhalb einer Frist von 3 Wochen Einspruch erhebt (Artikel 84 Abs. 2). Die Aufgaben der neuen Unichar ergeben sich aus einem Briefwechsel der beiden Regierungen. Durch diesen ist festgelegt, daß die neue Gesellschaft weder für die Kohlenlieferungen der Saar und Lothringens nach Frankreich, noch für die Lieferungen der Saargruben an Verbraucher im Saargebiet und an die Deutsche Bundesbahn zuständig ist. Das Unternehmen hat dagegen alle übrigen Märkte, insbesondere den süddeutschen Markt, mit Saar- und lothringischer Kohle zu beliefern. Der Gedanke liegt nahe, daß die Deutschlandverkäufe von dem deutschen Sitz der Gesellschaft und die übrigen Verkäufe (Italien, Schweiz, Österreich, Skandinavien usw.) von dem französischen Sitz der Gesellschaft abgewickelt werden. Da bei den Verhandlungen die Stellung der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu dem Saarvertrag, insbesondere zu den Frankreich zugesicherten Lieferungen an Saarkohle (33 v. H. der verkaufsfähigen Saarförderung gemäß Artikel 83, 1,2 Mio t/Jahr gemäß Artikel 81 Abs. 1), noch nicht klar zu übersehen war, hat sich die deutsche Regierung im Vertrage verpflichtet, die französische Regierung davon in Kenntnis zu setzen, falls „internationale Behörden im Rahmen ihrer Aufgaben Maßnahmen ins Auge fassen sollten, die die vorgesehenen Lieferungen nach Frankreich beeinträchtigen könnten", um ihr die Vertretung ihrer Interessen zu erleichtern. In diesem Falle hätte die deutsche Regierung die Hohe Behörde auf das besondere Interesse Frankreichs an diesen Lieferungen hinzuweisen (Art. 83 Abs. 2). Inzwischen hat sich durch einen Briefwechsel zwischen den beiden Regierungen einerseits und der Hohen Behörde andererseits ergeben, daß diese keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die Bestimmungen des Saarvertrages über den Kohlenabsatz (Artikel 83 bis 84) hat. In ihrem an den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amtes gerichteten Schreiben vom 24. Oktober 1956 betont die Hohe Behörde allerdings, daß die deutsch-französische Verkaufsgesellschaft (Artikel 84) eine Organisation für einen gemeinsamen Verkauf sei, die ihrer Genehmigung nach Artikel 65 des Montanvertrages unterliegt. Die Hohe Behörde behalte sich vor zu prüfen, ob bei dieser von dem Bergbau des Saarlandes und Lothringens zum gemeinsamen Absatz ihrer Förderung gegründeten Organisation auch die Produzenten die Mehrheit des Kapitals erhalten würden. Allgemein weist die Hohe Behörde noch darauf hin, daß die Bestimmungen des Montanvertrages denen des Saarvertrages vorgehen. Bei Genehmigung der allgemeinen Grundsätze für die Koordinierung der Verkaufspolitik der deutschfranzösischen Verkaufsgesellschaft seien die Regierungen verpflichtet, die in Artikel 4 (Gemeinsamer Markt) und Artikel 65 (Kartelle und Zusammenschlüsse) des Montanvertrages festgelegten Grundsätze zu beachten. Die Bundesregierung wie auch die französische Regierung haben der Hohen Behörde deren Auffassung bestätigt, daß der Saarvertrag sie nicht von den im Montanvertrag übernommenen Verpflichtungen entbinde. Die Bundesregierung hat sich ferner damit einverstanden erklärt, die Grundsätze der gemeinsamen Verkaufspolitik der deutsch-französischen Verkaufsgesellschaft mit der Hohen Behörde zu erörtern, sobald das Statut der Gesellschaft feststehe. (Sabaß) Finanzielle Fragen Eine besondere Regelung erforderten die sich aus der weiteren Verpachtung des Warndt ergebenden finanziellen Fragen. Die Verhandlungen hierüber gestalteten sich deshalb besonders schwierig, weil die Meinungen der beiden Verhandlungspartner über die Höhe des Pachtzinses, den Preis der an die HBL zu liefernden Kohlen und die Entschädigung für die der deutschen Seite durch den Abbau im Warndt entgehenden Steuern sehr weit auseinandergingen. Der bisher von den HBL an die Saarbergwerke bezahlte Pachtzins in Höhe von 2 bis 2,5 v. H. des durchschnittlichen Listenpreises für lothringische Kohle erschien der deutschen Seite bei besonders günstig berechneten Lagerungs- und Abbauverhältnissen in den Pachtfeldern nicht angemessen. Die Lieferung von 1,2 Mio t Kohle zu besonders niedrig berechneten Gestehungskosten der lothringischen Gruben, die Frankreich als Entschädigung für die vorzeitige Aufgabe des Pachtfeldes Vuillemin verlangte, erschien nicht annehmbar. Überdies hätte die Erfüllung dieser Forderung die deutsche Seite mit großen laufenden Verpflichtungen gegenüber dem neuen Träger der Saargruben belastet. Namentlich war über Begriff und Berechnung dieser Gestehungskosten eine übereinstimmende Auffassung insbesondere hinsichtlich der Behandlung der Abschreibungen nicht zu erzielen. Auch die Vorstellungen über die Höhe des Ausfall an Steuern infolge des Abbaus der HBL unter deutschem Gebiet klafften weit auseinander. Die Verhandlungen wurden schließlich noch dadurch erschwert, daß die französische Seite weitgehende Forderungen auf Ersatz der erheblichen Investitionsaufwendungen der HBL in den Pachtfeldern Ste. Fontaine und Merlenbach-Cuvelette erhob. Angesichts der so weit auseinandergehenden Meinungen erschien eine Überbrückung der Gegensätze nicht erreichbar. Es wurde daher zunächst erwogen, die finanziellen Fragen nicht im Vertrage selbst, sondern durch ein Schiedsverfahren nach Abschluß des Vertrages zu regeln. Angesichts der großen Unsicherheiten, die eine solche Hinausschiebung der endgültigen Lösung mit sich gebracht hätte, tauchte der Gedanke auf, die beiderseitigen Forderungen gegeneinander aufzuheben. Nähere Überlegungen ergaben, daß sich Forderungen und Gegenforderungen in etwa gleicher Größenordnung bewegten und damit ihr Ausgleich grundsätzlich möglich erschien. Ein solcher bot gegenüber den mit vielen wirtschaftlichen und zeitlichen Unsicherheiten behafteten Schiedsgerichtsverfahren den großen Vorzug einer vollständigen Bereinigung aller sich aus dem Warndt-Problem ergebenden finanziellen Streitfragen noch vor Inkrafttreten des Vertrages. Für den neuen Rechtsträger der Saargruben ist von besonderer Bedeutung, daß diese Lösung ihm klare und übersichtliche Verhältnisse bringt. Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß auf diese Weise von der deutschen Seite nicht unerhebliche Opfer gebracht werden mußten. Sie erscheinen aber durch die Erwägung gerechtfertigt, daß die Erlangung der freien Verfügung über die Saargruben hiermit keineswegs zu teuer erkauft ist. Beide Vertragspartner einigten sich schließlich auf folgende Regelung: 1. Die finanziellen Forderungen, die im Zusammenhang mit der Verpachtung von Teilen der Warndt-Kohlenfelder erhoben werden können, werden gegeneinander aufgehoben (sogenannte Global- und Pauschalregelung, Artikel 82 Abs. 1). 2. Die deutsche Seite verzichtet für die Verpachtung im Warndt für die Zeit ab 1. Januar 1957 auf den Pachtzins (Artikel 82 Abs. 2). Sie verzichtet ferner auf die Erhebung der Steuern vom Ertrag, vom Umsatz und vom Vermögen, die nach dem im Saarland geltenden Recht für die Ausübung des Abbaus in den Warndtpachtfeldern zu zahlen wären. Der Verzicht erstreckt sich auf alle Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern (Artikel 82 Abs. 3). Für die Zeit vorher verbleibt es bei den bereits gezahlten und für 1956 noch zu zahlenden Beiträgen für Pachtzins und Steuern (Brief Nr. 23). 3. Für die Lieferungen von 1,2 Mio t Kohle/Jahr (zusammen 24 Mio t) bezahlen die HBL die normalen Listenpreise statt einen den weit niedrigeren Gestehungskosten der lothringischen Gruben entsprechenden Preis (Artikel 81 Abs. 2, Anlage 27). 4. Bei Beendigung der Verpachtung sind die gesamten Einrichtungen für den Bergwerksbetrieb im Pachtfeld über und unter Tage dem Verpächter kostenfrei zu übergeben. Nur für den im Pachtfelde St. Charles/Vuillemin gelegenen Schacht St. Charles IV hat der Verpächter, wie bereits erwähnt, die Hälfte des Neuwertes (Zeitwertes) zu zahlen (Artikel 82 Abs. 5 und 6, Anlage 25 PV Artikel 13 und 14). 3. Abschnitt: Organisation des Steinkohlenbergbaus im Saarland und Sonderregelung für das französische Personal Organisation des Steinkohlenbergbaus Bei Rückgliederung des Saargebietes im Jahre 1935 hatte das Deutsche Reich die ursprünglich dem Preußischen Bergfiskus gehörigen, durch den Versailler Vertrag Frankreich zugesprochenen Saargruben zu einem Kaufpreis von etwa 900 Mio ffrs. zurückgekauft. Im Jahre 1936 wurde das gesamte Vermögen der Saargruben in die neugegründete Saargruben AG in Saarbrücken eingebracht, deren Kapital voll vom Reich übernommen wurde. Die Saargruben AG, die den Betrieb und die Verwaltung der Steinkohlenbergwerke im Saarland bis in die Kriegszeit hinein geführt hat, wurde nach Besetzung des Saarlandes durch die Franzosen im Jahre 1945 unter Sequesterverwaltung gestellt. An deren Stelle trat von 1948 ab die Régie des Mines de la Sarre. Die Saargruben AG erhielt einen Liquidator, der berechtigt sein sollte, alle beweglichen und unbeweglichen Güter der Saargruben AG sowie ihr Vermögen der Régie des Mines de la Sarre zur Verfügung zu stellen. Die Régie des Mines de la Sarre war eine rein französische Verwaltung. Sie erwarb vom 1. Januar 1948 den Besitz aller Güter und Rechte der Saargruben AG i. L. mit gewissen Ausnahmen (Kassenbeständen usw.). Im Jahre 1950 wurde sodann die erste saarländisch-französische Grubenkonvention abgeschlossen. Die Régie des Mines de la Sarre blieb in abgewandelter Form bestehen. Die endgültige Rege- (Sabaß) lung der Eigentumsfrage wurde vorbehalten. Jedoch sollten die während der Vertragsdauer erworbenen oder errichteten Immobilien Eigentum des Saarlandes werden und von diesem der Régie des Mines de la Sarre für den Betrieb der Gruben zur Verfügung gestellt werden. Wenige Jahre später wurde durch die zweite Grubenkonvention von 1953 die Régie des Mines de la Sarre ersetzt durch eine besondere juristische Person des öffentlichen Rechts, die „Saarbergwerke", die in Form einer Anstalt mit den notwendigen Organen, insbesondere dem Vorstand und dem Saargrubenrat, errichtet wurde. Der Grundgedanke war, die gemeinschaftliche Verantwortung für den Abbau der Kohlenfelder im Saarland Frankreich und dem Saarland zu übertragen und daher der saarländischen Seite einen entsprechenden Einfluß in der Verwaltung der Saarbergwerke zu verschaffen. Die Konvention sollte für lange Zeit Geltung haben. Die „Saarbergwerke" wurden als Rechtsnachfolger der Régie des Mines de la Sarre bezeichnet, der das Vermögen, die Rechte und Verpflichtungen der Régie des Mines de la Sarre übernehmen sollte und zwar sowohl die bereits entstandenen wie auch die noch entstehenden, insbesondere solche, die sich aus der Tatsache der Liquidation der Saargruben AG i. L. ergaben. An dem Eigentumserwerb der neuen Immobilien durch das Saarland wurde nichts geändert, ebenso wenig an der Verpflichtung für das Saarland, die erworbenen Immobilien den „Saarbergwerken" zur Verfügung zu stellen. Die Befugnisse des Liquidators der Saargruben AG wurden Ende 1953 vorübergehend auf die Régie des Mines de la Sarre übertragen und sofort nach Errichtung der „Saarbergwerke" von diesen übernommen. Die vorstehende Entwicklung läßt erkennen, daß sie zu einem Abschluß weder in organisatorischer noch in materieller Beziehung geführt hat. Insbesondere wurden auch die Eigentumsfragen nicht abschließend gelöst. Bei diesem Sachverhalt ist es nicht zu umgehen, daß eine klare Rechtslage geschaffen werden muß. Dazu sind einmal die Errichtung eines neuen Rechtsträgers und weiter die Vereinigung des gesamten Vermögens im weitesten Sinne und — in der gleichen Weise — aller Verbindlichkeiten der Steinkohlenbergwerke in der Hand des neuen Rechtsträgers nötig. Im einzelnen sieht der Vertrag hinsichtlich der Neuordnung des Saarbergbaus folgendes vor: Die Bundesregierung wird nicht vor 6 Monaten und nicht nach 9 Monaten vom Inkraftreten des Vertrages an gerechnet einen neuen Rechtsträger für die Steinkohlenbergwerke im Saarland schaffen (Artikel 85). Falls der Vertrag ab 1. Januar 1957 in Kraft tritt, bedeutet das, daß die Gründung der Aktiengesellschaft, die als neuer Träger des Steinkohlenbergbaus im Saarland in Aussicht genommen ist, spätestens am 1. Oktober 1957 durchgeführt sein muß. Es ist beabsichtigt, die Übertragung des Vermögens der Saarbergwerke, das, soweit es sich um Liegenschaften handelt, auf den Namen verschiedener früherer Rechtsträger (Preußischer Bergfiskus, Bayerischer Bergfiskus, Saargruben AG, Saarland, Saarbergwerke) in den Grubenbüchern eingetragen ist, auf die neue Aktiengesellschaft in einem besonderen Bundesgesetz zu regeln. Bis zum Übergang werden die Steinkohlenbergwerke im Saarland von dem Unternehmen „Saarbergwerke" wie bisher Weiterbetrieben werden (Artikel 86 Abs. 1). Als Überleitungsmaßnahme für die Dauer dieser Übergangszeit wird ein besonderer Beirat aus 6 Mitgliedern geschaffen, von denen 3 durch die deutsche und 3 durch die französische Regierung ernannt werden. Der Beirat soll zu allen Angelegenheiten gehört werden, die nach der Grubenkonvention von 1953 der Genehmigung der französischen und saarländischen Regierung bedürfen, insbesondere zu den größeren Investitionsvorhaben (Artikel 86 Abs. 2). Sämtliche beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerte, Forderungen, Rechte und Interessen aller Art, die dem Unternehmen Saarbergwerke zur Verfügung stehen oder von ihm verwaltet oder genutzt werden, werden auf den neuen Rechtsträger übertragen werden, der seinerseits die Verpflichtungen des alten Rechtsträgers übernimmt (Artikel 87 Abs. 1). Dem neuen Rechtsträger sind die Bücher und Unterlagen der Saarbergwerke, die sich auf deren Betrieb oder Geschäftsführung beziehen, zu übergeben (Artikel 87 Abs. 2). Nach dem Übergang der Steinkohlenbergwerke im Saarland auf den neuen Rechtsträger enden sämtliche Finanzierungsverpflichtungen, die Frankreich und das Saarland in der Grubenkonvention von 1953 übernommen hatten (Artikel 87 Abs. 3). Die deutsche Regierung wird gegen die französische Regierung keine Ansprüche erheben, die sich auf den französischen Betrieb oder den gemeinsamen saarländisch-französischen Betrieb der Steinkohlenbergwerke an der Saar stützen könnten (Artikel 87 Abs. 4). Die Errichtung des neuen Rechtsträgers für den Saarbergbau ist auf der Grundlage eines besonderen Bundesgesetzes beabsichtigt, nach welchem die Steinkohlenbergwerke im Saarland in eine bundeseigene Bergwerksgesellschaft mit Beteiligung des Saarlandes eingebracht werden sollen. Erst bei Beratung dieses Gesetzes wird festgestellt werden können, in welchem Umfang der Bund und das Saarland finanzielle Aufwendungen im Zusammenhang mit der Schaffung dieses neuen Rechtsträgers erbringen müssen. Sonderregelung für das französische Personal Die Entwicklung der Nachkriegszeit hat es mit sich gebracht, daß sich Frankreich bei den „Saarbergwerken" einen überwiegenden Einfluß sowohl in den Organen dieser Gesellschaft (Vorstand und Grubenrat) als auch durch die Besetzung zahlreicher Angestelltenstellen durch französische Staatsangehörige geschaffen hat. Die Bundesregierung und die französische Regierung waren sich darüber einig, daß dem neuen Rechtsträger der Steinkohlenbergwerke im Saarland die Möglichkeit gegeben werden muß, personelle Umbesetzungen vorzunehmen. Andererseits müsse aber auch den französischen Bediensteten, die ihre Stellung in dem nunmehr rein deutschen Unternehmen aufgeben wollen, das Recht gegeben werden, ihre Stellung zu kündigen. Einzelheiten sind in der Anlage 30 — Bestimmungen über die französischen Bediensteten der Saargruben — geregelt. Beiden Teilen — dem neuen Rechtsträger der Saargruben und den französischen Bediensteten — steht das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten zu. Diese Sonderregelung ist auf einen (Sabaß) Zeitraum von 3 Jahren nach Übergang der Steinkohlenbergwerke im Saarland auf den neuen Rechtsträger beschränkt. Im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung ist den hiervon betroffenen französischen Bediensteten eine Abfindung, deren Voraussetzungen, Umfang, Höchstbetrag und Zahlungsweise von der französischen Regierung bestimmt werden, zugesichert (Anlage 30 Artikel 5 Abs. 1). Die Bundesregierung hat aus diesem Grunde zugestanden, daß der neue Rechtsträger der saarländischen Bergwerke der französischen Regierung einen Pauschalbetrag von 12 Mio DM für diese Abfindung zur Verfügung stellt. Die Zahlung des Pauschalbetrages verteilt sich auf 3 Jahre. Binnen 2 Wochen nach dem Übergang sind 6 Mio DM, 1 Jahr nach dieser Zahlung 3 Mio DM und 2 Jahre nach der ersten Zahlung 3 Mio DM zu leisten (Anlage 30 Artikel 5 Abs. 2). Die Versicherungspflicht der französischen Bediensteten und etwaige zu leistende Heimreisekosten beim Ausscheiden der französischen Bediensteten sind besonders geregelt (Anlage 30 Artikel 3 und 4). Bonn, den 7. Dezember 1956 Sabaß Berichterstatter 2. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel - Drucksache 2903 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreyssig I. 1. Die Bundesregierung gibt in der Begründung des Vertrages eine Darstellung der Vorgeschichte für die nunmehr getroffene Vereinbarung, den Mosellauf zwischen Diedenhofen und Koblenz für 1500-t-Schiffe schiffbar zu machen. Entscheidend für das Zustandekommen des Vertrages bleibt danach die Tatsache, daß das französische Parlament bei der Verabschiedung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl der französischen Regierung die Verpflichtung auferlegt hat, mit der Bundesregierung unverzüglich in Verhandlungen über die Verwirklichung der Schiffbarmachung der Mosel einzutreten. Im Artikel 2 des Gesetzes vom 10. April 1952, das den Präsidenten der französischen Republik ermächtigt, den Montanvertrag zu ratifizieren, hat die französische Regierung vorgeschrieben, „vor Errichtung des Gemeinsamen Marktes mit den betreffenden Regierungen in Verhandlungen einzutreten, um zu einer schnellen Verwirklichung der Kanalisierung der Mosel zwischen Thionville (Diedenhofen) und Koblenz zu gelangen." 2. Bei den Besprechungen über die deutsch-französische Zusammenarbeit anläßlich des Abschlusses der Pariser Verträge im Oktober 1954 wurde von französischer Seite die Moselkanalisierung nachdrücklich zur Sprache gebracht. Bei der Begegnung des deutschen und des französischen Regierungschefs am 14. Januar 1955 in Baden-Baden und gelegentlich des Besuches des französischen Außenministers Pinay anläßlich seines Besuches in Bonn am 30. April 1955 wurde französischerseits erneut die Initiative ergriffen. Da die Ansichten beider Partner sowohl über die finanziellen als auch über die wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Voraussetzungen für die Schiffbarmachung der Mosel weit auseinandergingen, vereinbarten beide Regierungen die Einsetzung einer Kommission von Regierungsvertretern, die in gemeinsamer Arbeit Untersuchungen über alle mit der Moselkanalisierung zusammenhängenden Fragen anstellen sollte. 3. Diese „Deutsch-französische Kommission zum Studium der Moselkanalisierung" hat ihre Arbeit Anfang September 1955 aufgenommen und den beiden Regierungen vom 17. bis 20. Februar 1956 Bericht erstattet. Die Bundesregierung stellt dazu fest, daß auch in diesem Bericht, abgesehen von Fragen der technischen und teilweise organisatorischen Art der Durchführung des Bauvorhabens, in allen wesentlichen Punkten die Übereinstimmung fehlt. Die Bundesregierung wurde in der Befürchtung gestärkt, daß eine Schiffbarmachung der Mosel überwiegend nachteilige Folgen für die deutsche Volkswirtschaft haben werde. 4. Im einzelnen führt die Bundesregierung dazu aus: „1. Es ist damit zu rechnen, daß durch die mit der Schiffbarmachung der Mosel verbundene Abwendung eines Teils des Verkehrs auf die Wasserstraße sich das Fachaufkommen der Bundesbahn vermindert und Einnahmeausfälle eintreten. Wie groß diese Einnahmeausfälle sein werden, hängt von der Höhe der Tarife auf der kanalisierten Mosel, der Höhe der Schiffahrtsabgaben und den Tarifen der konkurrierenden Verkehrsträger ab. 2. Die mit der Schiffbarmachung der Mosel verbundene Verbesserung der Wettbewerbslage der lothringischen Industrie benachteiligt andere Reviere. Dies wird sich vor allen Dingen gegenüber dem Saarland bemerkbar machen, dessen ohnehin ungünstige Standortlage im montanindustriellen Raum Lothringen—Luxemburg—Saar weiter verschlechtert wird. 3. Andererseits wird das Moseltal ohne Zweifel eine gewisse Belebung erfahren, obgleich sich die erhöhte Industrialisierung infolge der Enge des Tales in Grenzen halten wird. Ferner wird die internationale Schiffahrt eine Ausdehnung ihrer Tätigkeit erwarten dürfen. 4. Außerdem hatte die Bundesregierung, vom internationalen Standpunkt gesehen, erhebliche Bedenken, ob das Projekt unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung zu rechtfertigen wäre." 5. Trotz all dieser Bedenken hat die Bundesregierung schließlich ihre Zustimmung zur Schiffbarmachung der Mosel erklärt, weil sich in den vorangegangenen Verhandlungen ergeben hat, daß weder eine Einigung über die Saarfrage noch über die Frage des Oberrheinausbaues auf anderem Wege erreichbar gewesen wäre. 6. Die Mosel wird dem Vertrag Abschnitt I zufolge etwa für die Hälfte des Flußlaufes, nämlich 270 von 550 km, kanalisiert werden, wobei 28 km auf französisches Gebiet und rund 200 km auf deutsches Gebiet entfallen. Der Verkehr für 1500-t-Schiffe erfordert eine ganzjährige Fahrwassertiefe (Dr. Kreyssig) von 2,5 m und eine Breite von ca. 40 m. Der Kanal soll, von zwei unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, dem Lauf der Mosel folgen. Zwischen Diedenhofen und Koblenz ist eine Wasserspiegeldifferenz von 70 m auszugleichen, wofür 13 Staustufen vorgesehen sind, von denen 10 Wasserkraftanlagen erhalten. Auf 40 km Länge bildet die Mosel die Grenze zwischen Luxemburg und der Bundesrepublik bzw. dem Saargebiet. In Artikel 1 des Vertrages wird festgelegt, daß beim Ausbau die Bedürfnisse der Elektrizitätswirtschaft, der Landeskulturen, der Fischerei, der Wasserwirtschaft und des Fremdenverkehrs berücksichtigt werden und der Ausbau unter tunlichster Schonung des Landschaftsbildes vorgenommen werden soll. Die Beschreibung der Arbeiten, die nach dem Vertrag auszuführen sind, und ihre Abgrenzung gegenüber den Kraftwerksbauten wurden mit der Anlage I des Vertrages vorgelegt. Bei der Durchführung des Bauvorhabens werden die nationalen Wasserbauverwaltungen engstens zusammenarbeiten. Die Vorschriften bzw. Regelungen entsprechen denen, die bei der Neckar-AG, der Mittelweser-AG und der Staustufe Geesthacht GmbH bestehen. 7. Abschnitt II des Vertrages handelt von der Gründung der „Internationale Mosel-Gesellschaft mit beschränkter Haftung", der die Finanzierung der vorgesehenen Bauvorhaben und die Überwachung ihrer Durchführung übertragen wird (Artikel 8). Die Gesellschaft ist eine GmbH, deren Rechtsverhältnisse sich nach den Vorschriften einmal des Vertrages, zum anderen nach dem Gesellschaftsvertrag und schließlich subsidiär nach den Vorschriften des deutschen Gesetzes, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bestimmen. In dem Gesellschaftsvertrag, der als Anlage II dem Vertrag beigefügt ist, ergibt sich, daß die Gesellschaft ihren Sitz in Trier hat und daß die Höhe des Stammkapitals 102 Millionen DM beträgt, wobei sich die Einlagen der Gesellschafter auf das Stammkapital wie folgt verteilen: 1. die Bundesrepublik Deutschland 50 Millionen DM, 2. die französische Republik 50 Millionen DM, 3. das Großherzogtum Luxemburg 2 Millionen DM. Die Geschäftsanteile werden in selbständige, für sich veräußerliche Gesellschaftsanteile von je 10 000 DM geteilt. Die Übertragung von Geschäftsanteilen bedarf der einstimmigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Es werden zwei Geschäftsführer bestellt, von denen der eine von den französischen Gesellschaftern, der andere von den deutschen Gesellschaftern genannt wird. Die Gesellschaft wird einen Aufsichtsrat von 14 Mitgliedern haben — die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder erfolgt durch die Entsendung der Mitglieder seitens der Gesellschafter, und zwar werden je 6 Mitglieder deutscherseits, 6 Mitglieder von den französischen Gesellschaftern und 2 Mitglieder von den luxemburgischen Gesellschaftern entsandt. Der Aufsichtsrat wählt alljährlich im Anschluß an die ordentliche Gesellschafterversammlung einen Vorsitzer und zwei Stellvertreter. Beschlüsse des Aufsichtsrates werden mit 2/3 Mehrheit der anwesenden oder vertretenden Mitglieder gefaßt. Beschlösse, die jedoch unmittelbar luxemburgisches Gebiet betreffen, bedürfen der Zustimmung der luxemburgischen Aufsichtsratsmitglieder. Aufsichtsratsmitglieder mit Ausnahme des Vorsitzers des Aufsichtsrates können sich durch eine mit schriftlicher Vollmacht versehene Person vertreten lassen. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen einer Mehrheit von mindestens 2/3 des Stammkapitals, soweit nicht im Vertrag oder nach dem Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, zwingend eine höhere Stimmenmehrheit angeordnet ist. Das Geschäftsjahr läuft vom 1. Januar bis 31. Dezember mit der Maßgabe, daß das erste Geschäftsjahr am 31. Dezember 1957 endet. Der Gesellschaftsvertrag legt weiter fest, daß die Geschäftsführung der Gesellschaft durch eine deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter Beachtung der Richtlinien zu prüfen ist, die von der Regierung oder der sonst zuständigen Rechnungsprüfungsstelle der Bundesrepublik Deutschland, der französischen Republik und des Großherzogtums Luxemburg in gegenseitigem Einvernehmen erlassen werden. Dieser Prüfungsbericht ist gleichzeitig der Gesellschaft, den Regierungen und den sonst zuständigen Rechnungsprüfungsstellen der Beteiligten zuzustellen. Aus dem Gesellschaftsvertrag ist festzuhalten, daß die Ausschließung von Gesellschaftern und der Austritt von Gesellschaftern auch aus wichtigem Grunde nicht zulässig ist. 8. Im Vertrag ist in Artikel 10 festgelegt, daß außer den drei beteiligten Ländern auch Gebietskörperschaften Gesellschafter sein können, daß die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister erfolgen darf, nachdem ein Zwanzigstel der von jedem Gesellschafter zu leistenden Einlage eingezahlt ist, und daß die GmbH mit der ordnungsmäßigen Eintragung in das Handelsregister entsteht. Aus der Begründung des Vertrages ergibt sich, daß z. B. daran gedacht ist, das Land Rheinland-Pfalz zu einem späteren Zeitpunkt zum Mitgesellschafter der Gesellschaft zu machen. Die zweite Bestimmung hinsichtlich der Einzahlung von nur einem Zwanzigstel der zu leistenden Einlagen erfolgte im Hinblick auf § 7 des Gesetzes, betreffend die GmbH, der die Einzahlung von 25 v. H. jeder Stammeinlage vorschreibt. Da die Gesellschaft zu Beginn ihrer Tätigkeit im wesentlichen nur Entwurfsarbeiten zu finanzieren haben wird, würde die Innehaltung des § 7 des GmbH-Gesetzes öffentliche Gelder aus Steuereinnahmen der beteiligten Länder unverantwortlicherweise zeitweise unwirtschaftlich festlegen. 9. Artikel 11 des Vertrages bestimmt, daß die „Internationale Mosel-Gesellschaft mbH" baldigst, spätesens einen Monat nach Inkrafttreten des Vertrages, errichtet wird. Die Artikel 12 und 13 regeln die Parität der deutschen und der französischen Seite in der Geschäftsführung und im Amt des Vorsitzers des Aufsichtsrates. 10. Der Abschnitt III des Vertrages handelt von der Finanzierung, wobei im Artikel 15 festgestellt wird, daß die Kosten des Bauvorhabens nach dem (Dr. Kreyssig) Stand vom August 1955 auf 370 Millionen DM veranschlagt sind. An der Deckung dieser veranschlagten Kosten beteiligt sich die Bundesrepublik mit 120 Millionen DM, Frankreich mit 248 Millionen DM und Luxemburg mit 2 Millionen DM. Die den Betrag von 370 Millionen DM übersteigenden Ausgaben werden durch zusätzliche deutsch-französische Einzahlungen im Verhältnis 120 : 250 gedeckt. Für andere Interessen als die der Schiffahrt werden seitens der Bundesrepublik 70 Millionen DM und seitens der französischen Republik 10 Millionen DM nicht rückzahlbare Zuwendungen eingebracht (Artikel 16). 11. Die von den Vertragspartnern eingegangenen Gesamtfinanzierungsverpflichtungen bis zur Höhe der veranschlagten Kosten von 370 Millionen DM regeln sich wie folgt: Die Bundesrepublik erbringt die von ihr übernommenen 120 Millionen DM durch ihre Stammeinlage von 50 Millionen DM und die nicht rückzahlbare Zuwendung von 70 Millionen DM. Die Republik Frankreich erfüllte ihre finanziellen Verpflichtungen in Höhe von insgesamt 248 Millionen DM durch die Einzahlung der Stammeinlage von 50 Millionen DM, eine nicht rückzahlbare Zuwendung von 10 Millionen DM und durch die Gewährung von Darlehen im Betrage von 188 Millionen DM. Wenn die Kosten des Bauvorhabens höher als die veranschlagten 370 Millionen DM sind, werden die Mehrkosten durch die Bundesrepublik und Frankreich als Darlehen gegeben (Artikel 17 Abs. 1 Buchstabe c), deren Verzinsung und Tilgung in den Artikeln 20 und 50 des Vertrages geregelt sind (5 v. H. jährlich auf Darlehen; Darlehensrückzahlung auf der Grundlage einer die Zinsen einschließenden gleichbleibenden Annuität von 5,5 v. H. des Gesamtbetrages; 3 v. H. jährliche Gewinnausschüttung auf das Stammkapital). Die „Internationale Mosel-GmbH" kann Anleihen nur begeben, wenn der betreffende Staat die Bürgschaft hierfür sowie alle mit dieser Art der Vertragserfüllung verbundenen Kosten übernimmt. 12. In den Artikeln 18 bis 21 werden die Modalitäten für die Reihenfolge der Anforderung der erforderlichen Mittel für die Verwendung des Aufkommens an Schiffahrtsabgaben für die Zahlung von Zinsen, Rückzahlung von Darlehen, Gewinnausschüttung usw. geregelt. Danach werden von den Schiffahrtsabgaben etwa 2,4 Millionen DM für die tatsächlich entstandenen Kosten der Erhebung der Schiffahrtsabgaben, für eigene Verwaltungskosten, für das Personal der Schleusen und Wehre und für Unterhaltung und Erneuerung benötigt. Wenn bei der Ausführung des Gesamtprojekts keine Mehrkosten entstehen, wird für Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen von 188 Millionen DM ein Betrag von 10,34 Millionen DM benötigt. Zur Gewinnausschüttung in Höhe von 3 v. H. auf das Stammkapital von 102 Millionen DM wären 3,6 Millionen DM erforderlich. Die Deckung aller vorgesehenen Beträge erfordert somit 15,8 Millionen DM jährlich. (Die im Artikel 20 ebenfalls aus den Einnahmen aus Schifffahrtsabgaben vorgesehene Rückzahlung des Stammkapitals bleibt dabei außer Betracht.) Diese 15,8 Millionen DM würden aufgebracht werden bei einem Jahresverkehr von 10 Millionen Tonnen und einer Abgabenhöhe von durchschnittlich 1,58 DM je Tonne. Aber auch im günstigsten Fall eines Jahresverkehrs von 10 Millionen Tonnen bleibt es fraglich, ob der Tarif für die Schiffahrtsabgaben eine durchschnittliche Einnahme von 1,58 DM/t erbringen würde. Nach dem gegenwärtigen Tarifniveau dürfte die Tonne-Kilometer-Einnahme etwa bei 1,20 DM im Durchschnitt aller Transporte liegen. Daraus ergibt sich, daß selbst bei günstigster Annahme der Frachtenentwicklung die Schiffahrtsabgaben nicht ausreichend sind, um die Kosten zu decken. Da die im Artikel 20 aufgeführten Verpflichtungen nur abgedeckt werden, soweit sie aus den der Gesellschaft zufließenden Einnahmen möglich sind, erhält Artikel 20 Abs. 2 besondere Bedeutung: Die Zinsen, Annuitäten und die Gewinnanteile sind nämlich, wenn sie nicht oder nur teilweise erfüllt werden können, nachzuzahlen, sobald der Gesellschaft die notwendigen Einnahmen aus Schifffahrtsabgaben zur Verfügung stehen. Allen vorliegenden Berechnungen zufolge wird das nie möglich sein, die Mosel-Schiffahrt also laufend subventioniert werden müssen. 13. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß die Bauvorhaben überwiegend auf deutschem Hoheitsgebiet ausgeführt werden und die Vorteile der Energieerzeugung allein der Bundesrepublik zugute kommen, während Frankreich hauptsächlich von der Verkehrsverbesserung profitiert. Die Mittel für den Energieausbau in Deutschland (10 Wasserkraftanlagen) werden ausschließlich von der deutschen Energiewirtschaft aufgebracht, so daß die Verwendung dieser Mittel eine ausschließlich innerdeutsche Angelegenheit ist. Das RheinischWestfälische Elektrizitätswerk (RWE) nimmt die ihm gegebene Konzession voll in Anspruch — Optionsrecht aus dem Koblenzer Vertrag — und geltet die Vorteile, die sich aus der Verwendung der Verkehrsanlagen für den Kraftwerkbau ergeben, mit einer einmaligen Zuwendung von 60 Millionen DM ab. Dieser Betrag wird auf die gemäß Artikel 16 des Vertrages von der Bundesrepublik zu erbringenden, nicht rückzahlbaren Zuwendungen in Höhe von 70 Millionen DM angerechnet, so daß sich per Saldo ergibt, daß die Bundesrepublik außer dem Stammkapital von 50 Millionen DM aus Haushaltsmitteln einen Betrag von 10 Millionen DM aufwenden muß, was dem gleich hohen Betrag der französischen Republik entspricht. Bei den 60 Millionen DM handelt es sich ausschließlich um die auf deutschem Hoheitsgebiet liegenden neun Staustufen von Trier abwärts, während über die auf der deutsch-luxemburgischen Grenzstrecke liegenden Staustufe Grevenmacher die Entscheidung über den Träger des Energieausbaues noch aussteht. 14. Abschnitt IV des Vertrages behandelt die Schifffahrtsabgaben, die dem sechsklassigen Güterverzeichnis zu den Tarifen für die Schiffahrt- und Flößereiabgaben auf den Bundeswasserstraßen in der Fassung vom 1. Juli 1956 entsprechen (Artikel 23). Im übrigen werden die auf der Mosel zu erhebenden Schiffahrtsabgaben in eine feste Beziehung zu den entsprechenden Abgaben auf dem (Dr. Kreyssig) Neckar und auf dem Main (zwischen Mündung und Aschaffenburg) gebracht. 15. Abschnitt V regelt die Bestimmungen, denen die Binnenschiffahrt im grenzüberschreitenden Verkehr auf der schiffbar gemachten Mosel von Koblenz bis Metz unterworfen wird. Danach ist die Schiffahrt auf der Mosel bei Tal- und Bergfahrt für Fahrzeuge aller Länder zum Schleppen und zur Beförderung von Gütern und von Personen frei, und es besteht kein Lotsenzwang. Die einzelnen Artikel regeln die Zollbehandlung, das Paßwesen, Polizei, Gesundheitswesen, die Errichtung der Moselschiffahrtsgerichte, die Ausstellung der Schifferpatente usw. Gemäß Artikel 39 wird spätestens ein Jahr vor dem für die Eröffnung der Großschifffahrt auf der Mosel vorgesehenen Zeitpunkt die sogenannte „Moselkommission" eingesetzt, der Vertreter jedes der drei Uferstaaten angehören und die ihren Sitz in Trier hat. Jeder Uferstaat benennt 2 Vertreter (Artikel 41). Die Kommission muß ihre Beschlüsse mit Einstimmigkeit der anwesenden Delegierten bzw. deren Vertreter fassen (Artikel 44). Die Moselkommission hat Zuständigkeiten hinsichtlich der Modalitäten der Erhebung der Schiffahrtsabgaben. Sie ist zugleich Berufungsgericht (Artikel 34 Abs. 4) und befindet darüber, ob und wieweit die nach dem ersten Jahr 1956 von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt beschlossenen Maßnahmen auf dem Gebiete der Zollbehandlung, der Schiffahrt, des Paßwesens, der Polizei, des Gesundheitswesens, der sozialen Sicherheit, der Schiffahrtsuntersuchung und der Mindestbemannung auf der Mosel Anwendung finden sollen (Artikel 31 und 32). 16. Die Bestimmungen über die Schiffahrt auf der Mosel beschränken sich auf den grenzüberschreitenden Verkehr; für sie gilt der Grundsatz der Freiheit der Schiffahrt. Zum anderen beschränkt sich die Moselkommission auf die Vertreter der Uferstaaten der Mosel. 17. Aus Abschnitt VI — Allgemeine Bestimmungen — ist festzuhalten, daß die luxemburgische Regierung gemäß dem Vertrag über die belgisch-luxemburgische Zollunion vom 25. Juni 1921 alles Erforderliche veranlassen wird, um, soweit nötig, die Zustimmung der Behörden des Königreiches Belgien zu den Zollbestimmungen des Vertrages zu erhalten (Artikel 48). In Artikel 51 verpflichten sich die Vertragsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Währungsfrage für die Internationale Mosel-GmbH zu regeln. Gemäß Artikel 52 verpflichtet sich die französische Republik, auf ihre Kosten in möglichst kurzer Frist die Arbeiten auszuführen, die erforderlich sind, um die Mosel zwischen Diedenhofen und Metz für Schiffe von 1500 t zugänglich zu machen. 18. Abschnitt VII regelt das Schiedsverfahren. Gemäß Artikel 59 wird von Fall zu Fall ein Schiedsgericht gebildet, für das jeder Streitteil ein Mitglied bestellt und diese Mitglieder sich auf den Angehörigen eines dritten Staates als Obmann einigen. Wenn der „neutrale" Obmann nicht innerhalb dreier Monate bestellt wird, kann jeder Streitteil den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. II. 19. Die Bundesregierung weist in ihrer Begründung darauf hin, daß sie für den Fall, daß sich infolge der Schiffbarmachung der Mosel zugunsten des Saarlandes Ausgleichsmaßnahmen gemäß Artikel 67 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl als notwendig erweisen und diese Maßnahmen einer Genehmigung der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bedürfen sollten, mit den anderen Regierungen ein gemeinsames Vorgehen verabredet hat. 20. Artikel 67 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl hat den folgenden Wortlaut: „§ 1. Jede Maßnahme eines Mitgliedstaates, die eine fühlbare Auswirkung auf die Wettbewerbsbedingungen in der Kohle- und Stahlindustrie haben kann, ist der Hohen Behörde durch die beteiligte Regierung zur Kenntnis zu bringen. § 2. Ist eine solche Maßnahme geeignet, eine schwere Störung des Gleichgewichts hervorzurufen, indem sie die Unterschiede der Produktionskosten in anderer Weise als durch Veränderung der Produktivität wesentlich vergrößert, so kann die Hohe Behörde nach Anhörung des Beratenden Ausschusses und des Rates folgende Maßnahmen ergreifen: Hat die Maßnahme dieses Staates schädliche Auswirkungen auf die Kohle- oder Stahlunternehmen innerhalb der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates, so kann die Hohe Behörde ihn ermächtigen, ihnen eine Beihilfe zu gewähren, deren Höhe, Bedingungen und Dauer im Einvernehmen mit ihr festgesetzt werden. Dieselben Vorschriften finden bei Änderungen von Löhnen und Arbeitsbedingungen Anwendung, welche die gleichen Wirkungen haben, auch wenn sie nicht auf einer Maßnahme des Staates beruhen. Hat die Maßnahme dieses Staates schädliche Auswirkungen auf die Kohle- oder Stahlunternehmen innerhalb der Hoheitsgewalt anderer Mitgliedstaaten, so richtet die Hohe Behörde an ihn eine Empfehlung mit der Aufforderung, diese Auswirkungen durch Maßnahmen zu beseitigen, die nach seiner Ansicht am besten mit seinem eigenen wirtschaftlichen Gleichgewicht vereinbar sind. § 3. Vermindert die Maßnahme dieses Staates die Unterschiede der Produktionskosten, indem sie den Kohle- oder Stahlunternehmen innerhalb seiner Hoheitsgewalt im Vergleich zu den anderen Industrien desselben Landes einen besonderen Vorteil bringt oder ihnen besondere Lasten auferlegt, so kann die Hohe (Dr. Kreyssig) Behörde an diesen Staat nach Anhörung des Beratenden Ausschusses und des Rates die erforderlichen Empfehlungen richten." Auf die Probleme, die sich auf Grund des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel hinsichtlich der Montangemeinschaft ergeben, wird später noch eingegangen. 21. Zusammenfassend stellt die Bundesregierung fest, daß die grundsätzliche Zustimmung zur Schiffbarmachung der Mosel ein erhebliches wirtschaftliches Opfer für die Bundesrepublik bedeutet, das jedoch unvermeidbar war. Andererseits hätten die Bestimmungen über die Durchführung des Projektes weitgehend nach den deutschen Wünschen festgelegt werden können. Der Ausschuß hatte demzufolge zu untersuchen, in welchem Umfange tatsächlich wirtschaftliche Opfer seitens der Bundesrepublik gebracht werden und wer die eigentlichen Träger der wirtschaftlichen Benachteiligungen sind. Die Literatur bzw. Dokumentation zur Frage der Kanalisierung der Mosel ist so umfangreich, daß eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente unerläßlich ist. 22. Eindeutiger Befürworter der Mosel-Kanalisierung ist an erster Stelle die französische Stahlindustrie, die aus der Mosel-Kanalisierung erheblichen Frachtnutzen zieht und für das lothringische Industriegebiet den Zugang zum Meer erhält. In gleicher Weise interessiert ist die französische Rheinschiffahrt, die sich bessere Beschäftigungsmöglichkeiten erhofft. Zu den Befürwortern des Projektes gehört sodann der Hafen Rotterdam, dessen Umschlag zweifellos steigen würde. An vierter Stelle wäre die Mosel-Wirtschaft zu nennen, die sich wirtschaftliche Erschließungsmöglichkeiten für Neuindustrien erhofft. Es muß dabei darauf hingewiesen werden, daß die früheren Pläne der Schiffbarmachung des ganzen Flußlaufes der Mosel von 1880, 1900 und 1919 nicht zur Ausführung kamen, weil sich keine Wirtschaftlichkeit des Projektes nachweisen ließ, weil keine einheitliche Beurteilung der interessierten Wirtschaftskreise zustande kam und weil die Staatsregierungen eine Beeinträchtigung der Einträglichkeit der Staatsbahnen befürchteten. 23. Erklärter Gegner des Kanalisierungsprojektes ist die Deutsche Bundesbahn, die große Frachtausfälle befürchtet und glaubt, daß der Verkehr besser und billiger bewältigt werden könnte, wenn er auf einer zu elektrifizierenden Strecke Diedenhofen—Koblenz abgewickelt würde. Die Deutsche Bundesbahn hat die Kapazität der zweigleisigen Strecke Koblenz—Trier im internationalen Durchgangsverkehr auf über 10 Millionen Tonnen im Jahr veranschlagt. Die Strecke ist gegenwärtig zu etwa zwei Dritteln ausgelastet. Die Elektrifizierung der Strecke wurde nach den Preisen von 1953 mit 170 Millionen DM angegeben und hätte mindestens die Verdoppelung der Kapazität zur Folge. Zur gleichen Zeit schätzte die Bundesbahn ihre Frachtausfälle auf 70 Millionen DM jährlich, während das französische Mosel-Konsortium zu einem Frachtausfall von 39 Millionen DM kam. Die Gesamtverluste aller beteiligten Eisenbahnen wurden damals auf 250 Millionen DM geschätzt. 24. Bei diesen Schätzungen — das gilt auch für alle anderen Schätzungen und Zahlenangaben — ist zu berücksichtigen, daß sie auf Berechnungen des möglichen Verkehrsaufkommens auf der kanalisierten Mosel beruhen, ohne daß dessen wirkliche Größe mit Sicherheit festgestellt werden kann. Bei dem Versuch, das wirtschaftliche Opfer der Bundesrepublik und die wirtschaftlichen Folgen für die beteiligten Gebiete, Verkehrsträger und Industrien zu berechnen, ist dieser Tatbestand der „Schätzung" die entscheidende Ursache für die teilweise außerordentlich weit auseinandergehenden Ergebnisse. Bei einem Verkehrsaufkommen von 9 Millionen Tonnen auf der kanalisierten Mosel, wie es französischerseits in der deutsch-französischen Studienkommission angenommen wird, schätzte die Bundesbahn ihren Verlust auf 5,2 Millionen Tonnen, was einem Frachtausfall von 90 Millionen DM entsprechen würde. Bei den bekannten hohen fixen Kosten der Deutschen Bundesbahn belaufen sich die Ersparnisse nur auf 33 v. H. der Bruttofracht, so daß sich ein Nettoausfall von 60 Millionen DM ergeben würde. Dieser Ausfall könnte verringert werden, wenn die Bundesbahn durch tarifliche Maßnahmen ihren Besitzstand wenigstens teilweise verteidigen könnte. Wohlgemerkt ist in dieser Berechnung nicht nur der effektive Ausfall der heutigen Verkehrsmenge enthalten, sondern auch die Schätzung über den der Bundesbahn entgehenden Mehrverkehr. 25. Gegner des Kanalisierungsprojektes ist sodann die Ruhrindustrie, weil sich insbesondere die Wettbewerbslage der deutschen Eisen- und Stahlindustrie gegenüber der lothringischen Industrie empfindlich verschlechtern würde und zudem die Verkokung sich nach Lothringen verlagern würde, da der Koks für den Schiffsversand ungeeignet ist. Skeptisch steht die deutsche Energiewirtschaft dem Projekt gegenüber, da kein Zweifel darüber ist, daß es vordringlichere Projekte gibt als die der Kraktwerkerrichtung an der Mosel. Zudem kosten Kraftwerke mit inkonstanter Leistung, wie es an der Mosel der Fall ist, 1500 bis 2000 DM/kW, während Kraftwerke mit konstanter Leistung nur 500 DM/kW beanspruchen. Für die Kraftwerke an der schiffbar gemachten Mosel wird mit einer Jahres-Nettoleistung von 767 Millionen kW/h gerechnet. Die deutsche Rheinschiffahrt scheint sich keine sonderlichen Vorteile von dem Projekt zu versprechen. Sowohl das „Wasserkreuz Europas" — Straßburg — als auch die Häfen von Antwerpen und Dünkirchen befürchten Verkehrseinbußen. 26. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß in dem Bericht der deutsch-französischen Kommission zum Studium der Mosel-Kanalisierung in allen wesentlichen Punkten — und das sind die wirtschaftlichen Gesichtspunkte — die Übereinstimmung fehlt. 27. Die Schätzungen über den künftigen Verkehr auf der Mosel zeigen folgende Kontraste: Frankreich (Dr. Kreyssig) schätzte 1953 die Transporte stromaufwärts auf 5,4 Millionen t (darunter 2,6 Millionen t Koks, 1,9 Millionen t Kokskohle, 0,5 Millionen t Erz, 0,4 Millionen t sonstige Güter), stromabwärts auf 3,9 Millionen t (darunter 1,0 Millionen t Erz, 1,9 Millionen t Hüttenerzeugnisse, 0,1 Millionen t Halbfertigwaren der Eisenindustrie, 0,5 Millionen t Schlacke und Zement, 0,3 Millionen t Transit) und den örtlichen Verkehr auf 1,4 Millionen t, zusammen 10,7 Millionen t. Deutsche Fachkreise schätzten zur selben Zeit den Bergverkehr auf 1,0 Millionen t (hauptsächlich Koks und Kokskohle), den Talverkehr auf 1,4 Millionen t (hauptsächlich Minette), den Lokalverkehr auf 500 000 t, insgesamt 2,9 Millionen t, wobei eine Steigerung nach Errichtung des Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl mit 0,5 Millionen t angenommen wurde. Die französische Delegation der „Deutsch-französischen Kommission zum Studium der MoselKanalisierung" schätzte im Bericht vom 20. Februar 1956 den Bergverkehr auf 4,7 Millionen t (darunter 2,5 Millionen t Koks, 1,5 Millionen t Kohle, 0,6 Millionen t Erz und Schrott, 0,1 Millionen t sonstige Güter), den Talverkehr auf 4,25 Millionen t (darunter 0,7 Millionen t Kohle, 1,85 Millionen t Stahl und Eisen, 0,3 Millionen t Getreide, 0,45 Millionen t Holz, 1,0 Millionen t sonstige Güter), den Lokalverkehr auf 1,0 Millionen t, insgesamt rund 10 Millionen t. Ältere Schätzungen des französischen Transportministeriums gelangten zu insgesamt 5 Millionen Jahrestonnen. 28. Die gleichen nicht in Übereinstimmung zu bringenden Schätzungen liegen bezüglich der Kosten der Kanalisierung vor. Der „Internationale Studienkreis für die Mosel-Kanalisierung" kam 1953 auf rund 450 Millionen DM (38 Milliarden ffrs.). Im Bericht der deutsch-französischen Kommission kommen die französischen Sachverständigen auf 530 Millionen DM gegenüber der deutschen Schätzung von 638 Millionen DM. Von den Gesamtbaukosten entfallen rund 30 v. H. auf die Kraftwerke, ein gutes Drittel auf Schleusen und etwa 25 v. H. auf Baggerarbeiten und Wehre. Der Rest wird für Schutzhäfen und die Beseitigung von Stauschäden benötigt. Nach Abzug der von der Elektrizitätswirtschaft übernommenen Baukosten verbleiben für die Kanalisierung nach deutscher Auffassung Baukosten in Höhe von 417 Millionen DM, nach französischer Berechnung 335 Millionen DM, während der Vertrag zu der „mittleren Baukostenannahme" von 370 Millionen DM kommt. Die Differenzen zwischen der Höhe der Baukosten nach deutscher und französischer Auffassung gehen darauf zurück, daß deutscherseits zweite Schleusen für notwendig gehalten und einkalkuliert wurden. Die deutsch-französische Regierungskommission war sich darüber einig, daß die Baukosten nach dem Stande von 1955 ohne Berücksichtigung zweiter Schleusen 335 Millionen DM betragen würden. Zu diesem Betrag hat die Kommission einen Teuerungszuschlag für die nächsten Jahre von etwa 15 v. H. berechnet, woraus sich die Summe von 370 Millionen DM ergibt. 29. Erhebliche Differenzen bestehen auch hinsichtlich des erforderlichen Jahresaufwandes für Betriebsunterhaltung und Erneuerung des Kanals, der deutscherseits auf 2,7 Millionen DM, französischerseits jedoch nur auf 2,2 Millionen DM veranschlagt wird. 30. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen aus der Kanalisierung der Mosel wird zweifellos erleichtert, wenn man als ein Beispiel die Stellungnahme der „Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie" heranzieht. Es wird davon ausgegangen, daß die jährliche Gesamtbelastung für die Schiffahrt nach mittlerer Annahme 29,4 Millionen DM beträgt. Die vereinnahmten Kanalabgaben können höchstens 12 Millionen DM davon erbringen, so daß eine jährliche Subventionierung in Höhe von mindestens 17,4 Millionen DM erforderlich ist. Von den in Höhe von 12 Millionen DM aus Schiffahrtsabgaben zu erwartenden Einnahmen stehen 9 Millionen DM für Tilgung und Verzinsung der der Schiffahrt zurechenbaren Baukosten zur Verfügung. Die durch die Subventionierung zu erzielende Frachtersparnis für die lothringische Industrie beträgt im Hinblick auf die Rohstoffe etwa 6,50 DM pro Tonne Walzstahl. Zusammen mit den Frachtsenkungen, die sich beim Absatz der französischen Erzeugnisse ergeben, ist es für die lothringischen Werke möglich, bei Exporten über Seehäfen den Walzstahlpreis um 16,35 DM/t und bei Ausfuhren in die Bundesrepublik um durchschnittlich 19,70 DM/t billiger anzubieten. Wenn die deutsche eisenschaffende Industrie aus Wettbewerbsgründen in die lothringischen Preise eintritt, würde sich daraus eine jährliche Erlösminderung um 220 Millionen DM ergeben. Falls eine generelle Preisangleichung vorgenommen werden müßte, wäre mit einer Einnahmeschmälerung in Höhe von rund 500 Millionen DM zu rechnen. Es wird zudem darauf hingewiesen, daß die Vorteile, die der lothringischen Industrie aus der Mosel-Kanalisierung erwachsen, erst dann richtig eingeschätzt werden, wenn berücksichtigt wird, daß sie bereits in den letzten Jahren schon eine Reihe erheblicher Begünstigungen erfahren hat (Marshall-Plan-Kredite, staatliche Subventionen, günstige Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes). Die Gesamtvorteile werden in einer Größenordnung von 500 Millionen DM geschätzt. Hinzu kommt, daß Ausgleichsmaßnahmen, die für die den lothringischen Hüttenwerken benachbarte Hüttenindustrie nach der Kanalisierung der Mosel vorgesehen sind, weitere durch Subventionen hervorgerufene Begünstigungen der Konkurrenten der Stahlindustrie der Bundesrepublik bedeuten. 31. Die Kohlenfracht von der Ruhr zur Mosel, die durch die bisherigen vom Montanvertrag ausgelösten Maßnahmen, insbesondere durch die direkten Tarife, von 28 auf 19 DM pro Tonne ermäßigt worden ist, wird sich nach Fertigstellung der Großschiffahrtsstraße Mosel auf 14 DM ermäßigen. Umgekehrt werden die Frachten für Walzstahl in der Richtung Lothringen-Bundesrepublik um durchschnittlich 13 DM pro Tonne-bezogen auf das Ruhrgebiet um 16 DM/t - ermäßigt, so daß sich für die französische Eisen- und Stahlindustrie eine Wettbewerbsverbesserung ergibt, die zwischen 20 und 23 DM pro Tonne Walzstahl liegt, was etwa 5 v. H. der derzeitigen Eisenpreise entspricht. 32. Die „Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie" weist darauf hin, daß die Frage offen (Dr. Kreyssig) ist, ob der Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel mit dem Montanvertrag vereinbar ist und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß Luxemburg bereits Ausgleichsmaßnahmen gegenüber Frankreich durchgesetzt hat. Die französische Regierung hat die unentgeltliche Lieferung von 20 Elektrolokomotiven im Wert von 20 Millionen DM zugesagt und auf die Zins- und Amortisationsannuitäten für ihren Kapitalanteil an den luxemburgischen Eisenbahnen verzichtet (Annuität etwa 450 000 DM, kapitalisiert etwa 45 bis 50 Millionen DM). 33. Nach Auffassung der „Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie" bedeutet die Kanalisierung der Mosel, daß zugunsten der französischen Eisen- und Stahlindustrie ein Betrag von 440 Millionen DM auf 75 Jahre zur Verfügung gestellt wird, für den an Zinsen und Amortisation nur 2 v. H. jährlich aufgebracht werden müssen. Unter Berücksichtigung der höheren deutschen Produktion würde sich daraus bei Gleichstellung mit der französischen Eisen- und Stahlindustrie für die deutsche Schwereisenindustrie ein 1,7facher Investitionskredit in der Größenordnung von 750 Millionen DM ergeben. Als weitere Ausgleichsmaßnahmen zieht die „Wirtschaftsvereinigung Eisen-und Stahlindustrie" in Erwägung 1. steuerliche Erleichterungen 2. Bestätigung der Zulässigkeit der bestehenden deutschen Ausnahmetarife für Montan-Güter und 3. die sofortige Beseitigung der Fracht-Disparitäten im grenzüberschreitenden Lastkraftwagenverkehr. 34. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß der Bundesverband der deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelstag gemeinsam am 9. November 1953 dem Bundeskanzler gegenüber dem Projekt der Mosel-Kanalisierung die schweren Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlich nachteiligen Folgen zur Kenntnis gebracht haben. 35. Die Vertreter der Bundesregierung haben bei den Ausschußberatungen die Auffassung vertreten, daß solche Ausgleichsansprüche nicht gerechtfertigt sind. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß alle Ansprüche, Befürchtungen oder Vermutungen sich auf Schätzungen stützen, die für einen Zeitpunkt gemacht werden, der in 8 bis 10 Jahren eintreten wird. Es ist unverkennbar, daß diese Schätzungen mit sehr subjektiven Momenten verbunden sind und daß es im heutigen Stadium unmöglich ist, genau zu sagen oder gar zu entscheiden, wer Recht oder Unrecht hat. Die Bundesregierung hält Ausgleichsansprüche im Prinzip nur für die Saar für berechtigt (siehe Nr. 37 und 38). 36. Andererseits erhoffen sich die Handelskammern in Trier und Koblenz für ihre Bezirke Vorteile aus der Intensivierung des Schiffsverkehrs auf der Mosel und dem Rhein. Diese dürfen aber auch nicht überschätzt werden. Die Aussichten für die Ansiedlung von Massengutindustrien, die hauptsächlich aus einem Wasserweg Nutzen ziehen würden, sind hier nur in beschränktem Umfang vorhanden. Zwischen Trier und Alf steht guter Sandstein an. Dachschiefer gibt es in den Kreisen Kochern und Bernkastel. Schließlich sei noch auf die Gesteine und Erden aller Art im Randgebiet der Eifel hingewiesen. — Im Gegensatz zu dieser Grundstoffgewinnung sind arbeitsorientierte Fertigwarenindustrien nicht in erster Linie von einer Wasserverbindung abhängig. Die chemische Industrie könnte an der Mosel günstige Standortsbedingungen finden. Auch die holzverarbeitende Industrie könnte aus der Kanalisierung Frachtvorteile ziehen. Die genannten Kammern erhoffen sich vorn Kanalbau eine Erschließung von Eifel und Hunsrück und weisen auf die positiven Auswirkungen auf Wasserhaushalt, Abwasserwirtschaft und Landeskultur hin, z. B. Verbesserung des Weinbauklimas durch Wasserstauung. 37. Daß für das Saargebiet umfangreiche wirtschaftliche Maßnahmen notwendig sind, die eine Benachteiligung der Saarwirtschaft aus der Kanalisierung der Mosel beheben, geht aus der Denkschrift hervor, die die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes unter dem 7. Dezember 1955 veröffentlicht hat. Aus dieser Denkschrift sei lediglich erwähnt, daß der Frachtenvorsprung für die Saarhütten gegenüber den lothringischen Werken. der z. B. beim Versand nach Würzburg 6,20 DM je Tonne Stahl betrug, in einen Frachtenvorsprung für Lothringen in Höhe von 15,39 DM je Tonne umgewandelt würde. Für die saarländischen Stahlwerke wird eine Wettbewerbsbenachteiligung in der Größenordnung von 21,59 DM pro Tonne Stahl errechnet. Entsprechende Frachtenbenachteiligungen würden für Stuttgart 13,30 DM, für Frankfurt 14,15 DM und für Koblenz 12,40 DM betragen. In der Denkschrift wird erklärt, daß die Kanalisierung der Mosel die Standortlage, die Wettbewerbsfähigkeit der Grundstoffindustrien des Saargebietes — Gruben, Hütten und Elektrizitätswirtschaft — verschlechtert und im Zusammenhang damit auch die Standortlage der darauf aufbauenden weiterverarbeitenden Industrien in Mitleidenschaft gezogen werde. Im Hinblick auf die Tatsache, daß die Bezugs- und Absatzgebiete des saarländischen und des lothringischen Industriereviers und somit auch die Frachtbelastungen für die vergleichbaren Verkehrsverbindungen weitgehend übereinstimmen, erwartet die Saarwirtschaft als Ausgleich für die durch die Mosel-Kanalisierung eintretende Standortverschlechterung die Gewährung von Eisenbahnfrachten in der Höhe, wie sie Lothringen für die gleichen Transporte über den Mosel-Wasserweg hat. Um eine weitere Rückentwicklung der Verkehrs- und Frachtenlage im Saargebiet zu verhindern, wird als unerläßlich und vordringlich angesehen 1. die Elektrifizierung der Hauptstrecken des saarländischen Eisenbahnnetzes; 2. die Fortführung der Elektrifizierungsarbeiten auf den Strecken der französischen Eisenbahn von Metz bis zur Saargrenze Forbach und von Metz bis zur Saargrenze Hargarten; 3. die Elektrifizierung der Anschlußstrecken der Deutschen Bundesbahn von Homburg bis Ludwigshafen und von Saarhölzbach bis Trier, sowie (Dr. Kreyssig) 4. der Ausbau der Hauptverkehrsstraßen, insbesondere die Weiterführung der Autobahn ab Kaiserslautern bis Saarbrücken mit Anschluß bis Metz, sowie der Ausbau der Straßen Zweibrükken—Landau—Rhein und der Straßen in Richtung Trier--Köln und in Richtung Straßburg. 38. In der Denkschrift der Regierung des Saarlandes vom 20. November 1956 wird hinsichtlich des Ausgleichs für die Mosel-Kanalisierung erklärt: „C — Ausgleich für die Mosel-Kanalisierung Trotz der Elektrifizierung der saarländischen Eisenbahnen und des Ausbaues des Straßennetzes in dem vorgesehenen Umfang wird mit dem Zeitpunkt der Benutzung des Moselkanals die Konkurrenzlage der Saarwirtschaft zugunsten der lothringischen Industrie erheblich benachteiligt sowohl im Hinblick auf den Absatz im süddeutschen Raum als auch beim Exportabsatz über die Seehäfen. Um dies auszugleichen, müssen der Saarwirtschaft Frachtermäßigungen für den Kohlenzulauf sowie für den Erzzulauf gewährt werden, und zwar für die Strecke Moselhafen—saarländische Empfangsstation, so als ob das Saarrevier unmittelbar an den Moselkanal angeschlossen wäre. Was den Absatz der Saarerzeugnisse betrifft, so gilt für den Export über die Seehäfen analog, daß das Saarland für die Vorlauffrachten bis zum Moselhafen so gestellt wird, als ob es an das Kanalsystem angeschlossen wäre. Für den Absatz in den süddeutschen Raum müssen die Eisenbahntarife für Transportgüter so gesenkt werden, als ob eine direkte Beförderung auf dem Wasserwege nach Ludwigshafen zu den gleichen Frachtsätzen wie auf dem Moselkanal möglich wäre. Soweit nach dem Montanvertrag für Sondertarife die Genehmigung der Hohen Behörde nicht erteilt werden sollte, müßte sich der Bund zur entsprechenden Frachterstattung sowohl beim Bezug von Kohle und Erz als auch beim Absatz der Eisen- und Stahlerzeugnisse nach dem süddeutschen Raum und für ,den Seehafen-Verkehr verpflichten." III. 39. Die Beispiele und angeführten Stellungnahmen erschöpfen keineswegs vollinhaltlich alle Argumente, die für und gegen die Kanalisierung der Mosel vorgebracht sind, und lassen bewußt außer Betracht, inwieweit sich aus der Vertragsschließung Konsequenzen im Hinblick auf den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ergeben. Aus der aufgezeigten Problematik ist völlig klar, daß sich auch für die Montan-Industrien Belgiens und der Niederlande möglicherweise wettbewerbsverschiebende bzw. wettbewerbsverfälschende Folgen ergeben können. Trotz der unzweifelhaft großen wirtschaftlichen Opfer ist der Ausschuß der Meinung, daß der vorliegende Vertrag die Zustimmung des Bundestages finden muß, weil er verkoppelt ist mit dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Regelung der Saarfrage und. weil zugleich ein Vertrag über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg abgeschlossen worden ist, den die Bundesrepublik begrüßt. IV. 40. Zusammenfassend hat der Ausschuß festgestellt, daß sich unter Abwägung aller Gesichtspunkte Für und Wider die Tatsache ergibt, daß bei ökonomischer Beurteilung auf Grund der Erfahrungen, mit denen in Deutschland jahrzehntelang Wasserstraßenprojekte geprüft werden, das Projekt der Schiffbarmachung der Mosel nicht empfohlen werden kann. Ein Gutachten, das das Auswärtige Amt bei dem Professor der Nationalökonomie NappZinn in Auftrag gegeben hat, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß rein volkswirtschaftlich gesehen das Projekt nicht zu empfehlen ist. Der Ausschuß teilt diese Meinung und unterstreicht vor allem, daß auf der kanalisierten Mosel eine Kostendekkung in absehbarer Zeit nicht erreicht werden kann. Selbst für den günstigsten Fall einer so starken Frachtenentwicklung, daß der Kanal als solcher als „wirtschaftlich" bezeichnet werden könnte, wäre damit noch keineswegs gesagt, daß er auch volkswirtschaftlich nützlich und erwünscht ist. 41. Nach Schiffbarmachung der Mosel wird ein Teil des Verkehrsvolumens von der Bundesbahn auf die Moselschiffahrt abwandern. Die dadurch der Bundesbahn entstehenden Einnahmeausfälle und sonstigen Belastungen werden von der Bundesbahn nicht aus eigener Kraft getragen werden können. Sie sind vom sogenannten Wetzler-Ausschuß als echte politische Lasten dargestellt und anerkannt worden. Der an den Beratungen des Vertrages beteiligte Ausschuß für Verkehrswesen bittet, diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Er empfiehlt der Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß die sich für die Bundesbahn aus der Schiffbarmachung der Mosel ergebenden Ertragsminderungen und sonstigen Belastungen über den Bundeshaushalt ausgeglichen werden. 42. Im vollen Bewußtsein der zweifellos großen Opfer, die die Wirtschaft der Bundesrepublik mit der Zustimmung zur Schiffbarmachung der Mosel auf sich genommen hat, und trotz der Ungewißheit, wie hoch letzten Endes die Gesamtlast der Benachteiligungen sein wird, die die deutsche Wirtschaft in Kauf nehmen muß, bleibt sich der Ausschuß der Tatsache bewußt, daß es sich bei allen Verträgen, die im Zusammenhang mit der Regelung der Saarfrage zwischen der Bundesrepublik und Frankreich geschlossen worden sind, um einen politischen Entschluß handelt, der es unmöglich macht, den einen oder anderen der Verträge — aus welchen Motiven auch immer — abzulehnen. Die Belastungen, die der Abschluß des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel mit sich bringt, sind ein Teil des Opfers, das die Bundesrepublik für die Rückkehr der Saar erbringt. Bonn, den 7. Dezember 1956 Dr. Kreyssig Berichterstatter 3. Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg - Drucksache 2904 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreyssig I. 1. Hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung der Rheinseitenkanalfrage wird auf die Begründung des Vertrages verwiesen. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt 1925 einen französischen Entwurf für den Seitenkanal von Kembs bis Straßburg und einen schweizerischen Entwurf für eine Niederwasserregulierung gutgeheißen hat. Die Oberrheinregulierung zwischen Straßburg/Kehl und Istein wurde in den Jahren 1930 bis 1956 von der zuständigen deutschen Wasserbaubehörde ausgeführt, und Deutschland und die Schweiz haben die Kosten im Verhältnis 40 : 60 getragen. Als Erfolg der Regulierung hat sich die Rheinschiffahrt nach Basel unerwartet gut entwickelt. Der Verkehr erreichte 1955 fast 5 Millionen Tonnen. Die Folge des Baues des Rheinseitenkanals war die Tatsache, daß die Schiffahrt in dem parallel zum Kanal verlaufenden Rheinbett nicht mehr möglich war. Abgesehen von den Nachteilen, die sich dadurch ergaben, daß durch den Bau des Kanals die Abtrennung des deutschen Ufers vom Schiffahrtsweg und damit zugleich von dem wasserreichen, die industrielle Ansiedlung fördernden Vorfluter erfolgte, haben sich weitere schwerwiegende Nachteile ergeben. Teilweise ist auch insbesondere unterhalb Breisach durch die Rheinkorrektur erheblicher wirtschaftlicher Nachteil durch das plötzliche Absinken der Grundwasserstände eingetreten, was bei einer weiteren Verfolgung dieser Arbeiten zu landwirtschaftlichen Schäden von ganz erheblicher Tragweite hätte führen müssen. 2. Die Beunruhigung der deutschen Öffentlichkeit über die möglichen wirtschaftlichen Folgen der Auswirkungen bei weiterem Fortschreiten des Baues des Rheinseitenkanals in der ursprünglichen Form hat steigend zugenommen. In der 145. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. Mai 1956 wurde in der Fragestunde das zuständige Ressort der Bundesregierung um Auskunft gebeten, ob die Bundesregierung das Problem des Rheinseitenkanals mit der Behandlung der Frage des Baues des Moselkanals gekoppelt habe und ob die Bundesregierung bei diesen Verhandlungen erreicht habe, daß die Bauarbeiten an der Staustufe „Vogelgrün" gestoppt worden seien. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes antwortete, daß die Bundesregierung beide Projekte gekoppelt habe und ihre Beschwerde gegen den Rheinseitenkanal in seiner damaligen Form auf allgemein völkerrechtliche Grundsätze stütze, denen zufolge Arbeiten an einem Grenzfluß nicht bei Verletzung lebenswichtiger Interessen des anderen Grenzanliegers vorgenommen werden dürfen. Sie erkenne keine Verpflichtung an, für die französische Anerkennung dieser These eine Gegenleistung zu machen. Darüber hinaus sei bereits auf der Pariser Konferenz vom Oktober 1954 von deutscher Seite erklärt worden, daß, wenn es zur MoselKanalisierung kommen sollte, die Bundesregierung darin einen weiteren Grund für die französische Regierung erblicken werde, auf die deutschen Wünsche hinsichtlich der Vermeidung von Schäden für die Landwirtschaft beim Bau des Rheinseitenkanals sowie des Zuganges der deutschen Ufergebiete zum Rheinschiffahrtsweg einzugehen. Hinsichtlich der Bauarbeiten an der Staustufe „Vogelgrün" wurde vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes mitgeteilt, daß bereits vor Aufnahme der eigentlichen Bauarbeiten, und zwar schon am 15. Juli 1955, der französischen Regierung gegenüber formell der Erwartung Ausdruck gegeben wurde, seitens Frankreichs keine vollendete Tatsache zu schaffen, die der Erfüllung der der französischen Regierung übermittelten Wünsche deutscherseits entgegenstehen würde. Die französische Regierung habe sich jedoch nicht bereit gefunden, die Bauarbeiten an der Staustufe „Vogelgrün" einzustellen, weil nach ihrer Meinung die deutscherseits befürchteten Schäden nicht eintreten würden. Staatssekretär Hallstein erklärte, daß die Regierung der Auffassung sei, daß das große Opfer, daß ein deutsches Eingehen auf den französischen Wunsch der Mosel-Kanalisierung bedeuten würde, von ihr nur erwartet werden könne, wenn die Frage des Rheinseitenkanals im Sinne der deutschen Wünsche geregelt werde. 3. Dazu ist in Erinnerung zu bringen, daß der Bundestag sich bereits am 15. Juli 1954 veranlaßt gesehen hat, die Bundesregierung zu ersuchen, „bei Verhandlung mit der französischen Regierung auf die Auswirkungen, die der Ausbau des Rheinseitenkanals in der beabsichtigten Form mit seiner für weite Bevölkerungskreise wirtschaftlich nachteiligen Form hervorrufen wird, hinzuweisen und sich für eine dem Gedanken des europäischen Zusammenlebens Rechnung tragende Lösung einzusetzen, die folgende Regelung vorsieht: 1. Auf der Strecke zwischen Breisach und Straßburg werden die Kraftwerke im bisherigen Laufe des Rheins errichtet; von der Anlegung eines Seitenkanals wird abgesehen. 2. Das Verbleiben einer angemessenen Mindestwassermenge im Rheinbett wird festgelegt. 3. Die Wasserentnahme aus dem Rhein zum Zwecke der Bewässerung der Oberrheinlandschaft wird ermöglicht." (Dr. Kreyssig) 4. Auf deutsches Drängen wurde im November 1955 eine deutsch-französische Studienkommission zur Prüfung aller Möglichkeiten für eine befriedigende Lösung eingesetzt. Die deutsche Delegation strebte dabei eine „Teilkanallösung", auch ,,Schlingenlösung" genannt, an. 5. Mit dem vorliegenden Vertrag hat die Bundesregierung erreicht, daß Frankreich seinen ursprünglichen Plan zum Weiterbau des Rheinseitenkanals stromabwärts von Breisach aufgibt. Der ursprünglich in einer Länge von 118 km geplante Rheinseitenkanal wird auf einer Länge von 65 km nicht gebaut werden, und zwar gerade auf derjenigen Strecke nicht, auf der deutscherseits die wesentlichsten Nachteile zu befürchten waren. Der Ausbau auf dieser Strecke wird sich aus vier „Haltungen" zusammensetzen, und zwar umfaßt jede ein Hauptwehr im Rhein, ungefähr in der Mitte der Haltung; einen Abschnitt im Flußbett oberhalb des Hauptwehres, in dem das Wasser angestaut zwischen zweiseitigem Staudamm fließt; einen Abschnitt auf dem linken Ufer des Rheins unterhalb des Hauptwehres, der aus einem Ableitungskanal, dem Kraftwerk und Schleusen besteht und dem bisherigen Projekt des Rheinseitenkanals entspricht. Der vierte Teil schließlich ist die Rückführung zum Rhein. Die Schiffahrt folgt dieser für die Wasserkraftnutzung geschaffenen Teilstrecke; unterhalb jedes der Wehre bleiben bis zur Rückführung des Wassers Teilstrecken des natürlichen Rheinbettes bestehen, denen ein großer Teil der Wasserführung entzogen wird und auf denen die Schiffahrt nicht mehr verkehren kann. Durch Einbau von Landeskulturwehren und durch Rückstau des jeweils unterhalb gelegenen Hauptwehres wird der Wasserstand auf einer für den Grundwasserstand in der Rheinebene ausreichenden Höhe gehalten. Der Ausbau bleibt in französischen Händen. Im Vertrag ist weiterhin festgelegt, daß sowohl im Flußbett von Kembs bis Breisach als auch in der Reststrecke zwischen Breisach und Straßburg grundsätzlich eine Mindestwassermenge von 50 m3/s verbleibt. Außerdem ermächtigt der Vertrag die Bundesrepublik zur Entnahme von Wasser für Bewässerungs- und industrielle Zwecke. 6. Durch den Vertrag sind drei wesentliche Ziele erreicht: 1. Es ist Vorsorge getroffen gegen eine Absinkung des Grundwasserstandes. 2. Die auf unmittelbaren Wasseranschluß angewiesene gewerbliche Wirtschaft erhält genügend lange Rheinstrecken zur Ansiedlung. 3. Die Rheinschiffahrt kann das deutsche Ufer und vor allem die Stadt Breisach erreichen. Die Erhaltung des Hafens von Breisach ist das Kernstück der Vertragsabmachungen. 7. Die Kosten des gesamten Oberrheinausbaues einschließlich der durch die Teilkanallösung verursachten Mehrkosten trägt, wie bisher, ausschließlich Frankreich. Deutschland braucht nur für die Kosten der Landeskulturwehre bei Breisach (Größenordnung etwa 5 Millionen DM) aufzukommen. 8. Die Bundesrepublik verzichtet dafür auf den halben Wert der am Rhein zwischen Straßburg und Basel erzeugten Energie (abzüglich der Produktionskosten), auf den Deutschland gemäß Artikel 358 des Versailler Vertrages Anspruch hatte. Dieser Anspruch hat ohnehin in der Vergangenheit zu Zahlungen nicht geführt und ließ auch für die Zukunft wesentliche Vorteile nicht erwarten. Gleichzeitig sind die sehr lästigen und diskriminierenden Beschränkungen des Versailler Vertrages hinsichtlich der Wasserentnahme auf dem rechten Rheinufer für Bewässerung, Verbrauch und industrielle Zwecke gefallen. 9. Der Vertrag erreicht, daß endgültige Verhältnisse geschaffen sind und etwa noch erforderliche zwischenstaatliche Verhandlungen erleichtert bzw. vereinfacht werden. 10. Der Ausschuß stellt mit Genugtuung fest, daß eine Vereinbarung über die Einstellung der Spoliationsprozesse Frankreichs gegen die deutschen Rheinreedereien getroffen worden ist. Das mit diesen Prozessen verbundene nicht unbedeutende finanzielle Risiko war dadurch entstanden, daß rheinische Reedereien während des Krieges auf Weisung der damaligen Reichsregierung französische Rheinschiffe benutzt hatten. 11. Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß der Vertrag Landwirtschaft und Industrie der badischen Rheinebene von einer drückenden Sorge um die wirtschaftliche Zukunft dieses Landes befreit. Mit den zum Teil sehr hoch angestzten Schäden bei einem weiteren Ausbau des Rheinseitenkanals in unverminderter Form braucht nicht mehr gerechnet zu werden, und außerdem erhält die Industrie den Zutritt zu der Großschiffahrtsstraße Rhein. II. 12. Im Vertrag gibt Abschnitt A die allgemeine Beschreibung und die Grundsätze. Die vier Haltungen sind Markolsheim, Sundhausen, Gerstheim und Straßburg. Gemäß Artikel 5 setzen die Vertragsstaaten einen paritätischen technischen Ausschuß ein, der aus Vertretern jeder Regierung besteht, die von Sachverständigen unterstützt werden. Aus Artikel 10 ist erkennbar, daß die Haltung „Vogelgrün" entgegen den früher vorgebrachten deutschen Wünschen vor der Inbetriebnahme steht. (Dr. Kreyssig) Artikel 11 stellt fest, daß Frankreich das ausschließliche Recht auf die erzeugte elektrische Energie hat. Im Abschnitt B werden im wesentlichen die technischen Grenzfragen geregelt. 13. Abschnitt C regelt die Entschädigung. Gemäß Artikel 20 wird die Bundesrepublik den Eigentümern von Grundstücken, die mit Dienstbarkeiten belastet oder durch die Bauarbeiten auf andere Weise endgültig in Anspruch genommen werden, angemessene Entschädigung leisten. Frankreich erstattet diese Entschädigung der Bundesrepublik. 14. Im Abschnitt D — Schiedsverfahren — bestimmt Artikel 25, daß Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Vertrages, soweit möglich, durch die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten beigelegt werden sollen, daß jedoch im Streitfalle von Fall zu Fall ein Schiedsgericht gebildet wird (Artikel 27), für das jeder Vertragsstaat ein Mitglied bestellt, die sich auf einen Angehörigen eines dritten Staates als Obmann einigen. Für das Schiedsverfahren hinsichtlich des Ausbaues des Oberrheins gelten die gleichen Abmachungen, wie sie im Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel vorgesehen sind. 15. In einem Zusatzprotokoll wird eine Interpretation des Artikels 22 des Vertrages gegeben, demzufolge Frankreich der Bundesrepublik angemessene Entschädigung für die Schäden leisten wird, die durch die Haltungen Kembs bis „Vogelgrün" einschließlich verursacht werden, wobei Schäden, die aus den Regulierungsarbeiten oder der Rheinkorrektur des letzten Jahrhunderts herrühren, nicht berücksichtigt werden. Im Zusatzprotokoll wird festgelegt, daß etwaige landwirtschaftliche Schäden keinen Anlaß zu Erörterungen oder Schadensersatz geben werden, obwohl die deutschen Sachverständigen im Gegensatz zu den französischen Sachverständigen der Auffassung sind, daß der Bau des Rheinseitenkanals landwirtschaftliche Schäden zur Folge haben könnte. Artikel 2 regelt Schadensersatzfragen hinsichtlich der Schwellen für die Staustufen Markolsheim bis Straßburg. III. 16. Dem Ausschuß ist bekannt, daß die Regierung des Landes Baden-Württemberg für die Regulierung des Oberrheins ursprünglich eine andere als die jetzt getroffene Regelung lieber gesehen hätte. Jedoch konnte der Vorschlag, die zu errichtenden Wehre ins Rheinbett zu legen, aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht verwirklicht werden. Auch der Wunsch, die zu errichtenden Wehre umschichtig wechselweise an beiden Ufern zu erstellen, war politisch nicht durchsetzbar. 17. Der Ausschuß nimmt zur Kenntnis, daß eine günstigere als die erreichte Lösung für den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg nicht erreichbar gewesen ist. Er stellt mit Genugtuung fest, daß wirtschaftlich befriedigende Lösungen gefunden worden sind, daß der Rheinhafen Breisach erhalten geblieben ist und die Landschaft der badischen Rheinebene zwischen Breisach und Straßburg als gerettet angesehen werden kann. Bonn, den 7. Dezember 1956 Dr. Kreyssig Berichterstatter 4. Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl - Drucksache 2905 - Berichterstatter: Abgeordneter Sabaß Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) am 5. Dezember 1956 den Bericht seines Unterausschusses Nr. 5 (Saar-Ausschuß) zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl entgegengenommen, sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. Der am 27. Oktober 1956 in Luxemburg von den Regierungen aller Mitgliedstaaten der Montanunion unterzeichnete Vertrag zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist der erste Änderungsvertrag zum Vertrag über die Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951. Die Notwendigkeit der Vertragsänderung ergibt sich aus dem Saarvertrag. Nach Artikel 21 Abs. 3 des Montanvertrages sind die Vertreter der Saarbevölkerung in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten für die Gemeinsame Versamrung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl eingerechnet. Diese Vertragsbestimmung wird durch den Abänderungsvertrag gestrichen, die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten für die Gemeinsame Versammlung bleibt unverändert, und die Saar wird in Zukunft durch die deutschen Bundestagsabgeordneten mit vertreten. Nach Artikel 28 Abs. 3 und 5 des Montanvertrages haben Länder mit großer Produktionskraft auf dem Gebiete von Kohle und Stahl im besonderen Ministerrat ein bevorrechtigtes Stimmgewicht. Das Produktionskriterium ist auf 20 v. H. des Gesamtwertes der Kohle- und Stahlerzeugung festgesetzt. Durch den Übergang des Saarlandes mit seiner Kohle- und Stahlerzeugung auf die Bundesrepublik vermindert sich der Produktionsanteil Frankreichs an dieser Erzeugung möglicherweise unter 20 v. H. Dadurch würde Frankreich den Vorzug seines bisherigen bevorrechtigten Stimmgewichtes nicht mehr genießen können. Deshalb werden in Artikel 28 Abs. 3 und 5 die Worte „20 v. H." durch „ein Sechstel" ersetzt und das bisherige Stimmgewicht Frankreichs im Ministerrat unverändert weiterhin erhalten. Bonn, den 7. Dezember 1956 Sabaß Berichterstatter Anlage 3 zu Drucksache 3001 (Vgl. S. 9996 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (8. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 2902, 3001). Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Kuchtner Am 27. Oktober 1956 haben die Bundesrepublik Deutschland und die französische Republik einen Vertrag über die Eingliederung des Saarlandes zum 1. Januar 1957 geschlossen. Für den Vollzug der wirtschaftlichen Eingliederung ist eine Übergangszeit von höchstens 3 Jahren vorgesehen. Es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, nunmehr die durch den Saarvertrag ermöglichte innerstaatliche Einordnung des Saargebiets durchzuführen. Diesem Zweck dient der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Eingliederung des Saarlandes — Drucksache 2902 —. Der Deutsche Bundestag hat in seiner 174. Sitzung vom 29. November 1956 diesen Entwurf dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung — federführend — und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung überwiesen. Die beteiligten Ausschüsse haben den Gesetzentwurf eingehend beraten, und zwar der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung in den Sitzungen vom 3., 6. und 10. Dezember 1956, darunter am 6. Dezember 1956 in einer gemeinschaftlichen Sitzung mit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Zusätzlich wurden mit Rücksicht auf die weitreichenden Folgen des Gesetzes die Stellungnahmen der Ausschüsse für Beamtenrecht und für Wirtschaftspolitik eingeholt, die zu den §§ 9, 13 und 17 a des Entwurfs Abänderungen in Vorschlag brachten. Der Entwurf bringt zum ersten Mal seit Erlaß des Grundgesetzes dessen Artikel 23 Satz 2 zur Anwendung, wonach das Grundgesetz in einem anderen Teil Deutschlands als in den in Satz 1 aufgezählten Ländern nach dessen Beitritt in Kraft zu setzen ist. Darüber, daß das Saarland nie aufgehört hat, ein Bestandteil des Deutschen Reichs zu sein, das trotz der Ereignisse von 1945 noch fortbesteht, bestand volle Einmütigkeit des Ausschusses mit der Bundesregierung, so daß die grundsätzliche Anwendung des Artikels 23 Satz 2 GG auf die Rückgliederung der Saar einhellig feststeht. Da die deutsche Rechts-und Wirtschaftsordnung im Saarland aber nur stufenweise eingeführt werden kann, und zwar sowohl mit Rücksicht auf die Bindungen, die Deutschland im Saarvertrag gegenüber Frankreich eingegangen ist, wie auch zur Vermeidung von Nachteilen für das Saarland selbst, kann auch das Grundgesetz im Saarland am 1. Januar 1957 noch nicht in vollem Umfang in Kraft treten. Diesen Umstand berücksichtigt der Entwurf in zahlreichen Punkten, so in dem der Festlegung besonderer Fristen für das Neugliederungsverfahren, der Einführung eines besonderen Wahlverfahrens für die saarländischen Abgeordneten zum Deutschen Bundestag der 2. Wahlperiode, der Ermächtigung der Saar, eigene Gesetze auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung als Bundesrecht mit Zustimmung der Bundesregierung zu erlassen, im Recht der gewerblichen Niederlassung und in der Finanzgebarung. Darüber, daß derartige Regelungen an sich sachlich erforderlich sind, war sich der federführende Ausschuß einig. Er war es sich dagegen nicht über die Frage, ob für derartige vom Grundgesetz abweichende Regelungen Artikel 23 Satz 2 GG eine ausreichende Rechtsgrundlage bietet. Eine Minderheit des federführenden Ausschusses hat sich den Beschluß des mitberatenden Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 6. Dezember 1956 zu eigen gemacht, wonach § 1 Abs. 2, §§ 2, 6, 9 und 10 des Entwurfs nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien und daher nicht durch einfaches Bundesgesetz beschlossen werden könnten. Die Notwendigkeit der Verfassungsergänzung wird von der Minderheit verschieden begründet. Von einem Teil der Minderheit, die eine Verfassungsergänzung fordert, wird aus dem Wortlaut des Artikels 23 Satz 2 GG — „das Grundgesetz ist in Kraft zu setzen" — die Schlußfolgerung gezogen, daß im Falle eines Beitritts zum Geltungsbereich des Grundgesetzes auch sofort das Grundgesetz uneingeschränkt in dem beigetretenen Teil Deutschlands in Kraft zu setzen sei. Das sei zum Zwecke der Wahrung der Strukturgleichheit Deutschlands das Korrelat zu der Verpflichtung der Bundesrepublik, jeden anderen Teil Deutschlands, der seinen Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland erkläre, als zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zugehörig aufzunehmen. Wenn aus irgendwelchen Gründen die unverzügliche und vollständige Inkraftsetzung des Grundgesetzes nicht möglich ist, so bedürfe es für die Übergangszeit einer Verfassungsergänzung, die die Ermächtigung zu den vom Grundgesetz abweichenden Regelungen erteile. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 1955 (BVerfG E 4/157), wonach eine durch die außenpolitische Lage oder durch Besatzungsrecht bedingte Regelung dann nicht verfassungswidrig sei, wenn der durch sie geschaffene Zustand näher beim Grundgesetz stehe als der vorhergehende, könne hier grundsätzlich nicht in Betracht kommen, weil dort davon ausgegangen sei, daß es sich um einen deutschen Gebietsteil außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes handele. Ein anderer Teil der Minderheit ist dagegen der Auffassung, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 1955 mache keinen Unterschied zwischen Gebieten innerhalb und außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes; Artikel 23 Satz 2 GG lasse also, wie schon die Analogie zu Artikel 29 GG (Neugliederung des Bundesgebietes) ergebe, die stufenweise Inkraftsetzung des Grundgesetzes durch einfaches Bundesgesetz zu. Einer Verfassungsergänzung bedürfe es jedoch da, wo es sich um die nicht durch rechtliche Notwendigkeit, insbesondere völkerrechtliche Verpflichtungen, veranlaßte freie, vom Grundgesetz abweichende Gestaltung gewisser Rechtsprobleme handle, wie insbesondere die Wahl der saarländischen Abgeordneten zum derzeitigen Bundestag und die konkurrierende Gesetzgebung im Saarland. Die Ausschußmehrheit war mit Bundesregierung und Bundesrat der Auffassung, daß auch derartige Rechtsgestaltungen durch Artikel 23 Satz 2 GG gedeckt sind; anderenfalls könnte von der in Artikel 23 GG dem einfachen Gesetzgeber erteilten Ermächtigung wegen der in einem solchen Falle ja immer gegebenen Schwierigkeit der Verhältnisse nie Gebrauch gemacht werden. Es kann nach überwiegender Meinung des Ausschusses nicht der Sinn des Grundgesetzes sein, die in Artikel 23 Satz 2 (Frau Dr. Kuchtner) geschaffene Erleichterung für die Aufnahme derartiger Gebiete in allen Fällen wiederaufzuheben. Im übrigen waren noch besondere Beratungsgegenstände das in § 2 des Entwurfs vorgesehene Wahlverfahren für die saarländischen Mitglieder des Bundestages, die Fragen der Rechtsüberleitung und bei allem Bestreben nach Rechtsvereinheitlichung die Sicherung des sozialen Besitzstandes der Saarbevölkerung einschließlich der Wahrung des Rechtsstandes der öffentlichen Bediensteten. Im einzelnen hat der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung die aus der Drucksache 3001 ersichtlichen Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen: Präambel und § 1 Abs. 1 fanden, nachdem die Frage der Verfassungsmäßigkeit bejaht war, einstimmige Annahme. Zu§1 Abs. 2 In Absatz 2 soll nach dem Vorschlag des Bundesrates der Beginn der für Neugliederungsmaßnahmen nach Artikel 29 GG in Betracht kommenden Fristen nicht auf den 1. Januar 1960, sondern auf das Ende der Übergangszeit festgelegt werden, um der Möglichkeit einer etwaigen Verkürzung der Übergangszeit Rechnung zu tragen. Zu §2 Die Bundesregierung glaubte durch ihren Vorschlag, der dem saarländischen Landtag eine Auswahl unter den von den Parteien vorgeschlagenen Bewerbern gestattete, eine echte Persönlichkeitswahl zu ermöglichen. Die Mehrheit des Ausschusses I) sah darin jedoch eine unzulässige Vermischung von Verhältniswahl und Mehrheitswahl und entschloß sich daher, eine der Wahl zur Bundesversammlung nach Artikel 54 Abs. 3 GG entsprechende Regelung mit der Maßnahme vorzunehmen, daß nur saarländische Landtagsabgeordnete zum Zuge kommen können. Zu den §§ 3, 4, 5, 6, 7 und 8 Diese Vorschriften behandeln die Überleitung und Fortbildung des am 1. Januar 1957 im Saarland geltenden Rechts. Die in § 3 des Entwurfs bestimmte Kontinuität des Rechts im Saarland sowie die in den §§ 4 und 5 vorgesehene Überleitung saarländischen Rechts in Bundes- und Landesrecht in Angleichung an Artikel 124 und Artikel 125 GG wurden vom Ausschuß widerspruchslos gebilligt. Dagegen war die Regelung in § 6 des Entwurfs, wonach das Saarland die Befugnis haben soll, künftig mit Zustimmung der Bundesregierung partielles Bundesrecht zu schaffen, Anlaß eingehender Erörterungen. Wenn die Mehrheit des Ausschusses sich entschloß, den Regierungsvorschlag anzunehmen, so deshalb, weil sich keine andere Möglichkeit, eine Vermengung von Bundes- und Landesrecht in der gleichen Rechtsvorschrift zu vermeiden, findet. Wenn im Saarland dasjenige Recht Landesrecht bleiben sollte, das im übrigen Bundesgebiet Bundesrecht ist, so würde das die angestrebte Integration des Saarlandes erschweren. Das Grundgesetz bietet im übrigen in Artikel 80 ein, wenn auch bestrittenes, Vorbild für die Setzung von Bundesrecht durch Landesbehörden und z. B. in Artikel 32 Abs. 3 und Artikel 113 für die Beteiligung der Exekutive am Gesetzgebungsverfahren. Eine Ausdehnung dieser Sonderregelung für die Saar über die Übergangszeit hinaus hielt die Mehrheit des Ausschusses jedoch nicht für tragbar. Zu §9 Der Ausschuß machte sich den Vorschlag des Bundesrates und die Empfehlung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundestages zu eigen. die in Absatz 1 vorgesehene Schutzfrist von 6 Monaten für die saarländische Wirtschaft auf ein Jahr nach Ablauf der Übergangszeit zu verlängern. Der weitere im Ausschuß als Antrag aufgenommene Vorschlag des Bundesrates, für die saarländische Wirtschaft selbst weiterhin im gewerblichen Zulassungsverfahren die Bedürfnisprüfung zuzulassen, fand dagegen in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik nicht die Billigung der Mehrheit des Ausschusses. Zu § 10 Hier war der Ausschuß der Auffassung, daß die Verpflichtung des Bundes zur Finanzhilfe an die Saar bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eindeutig festzulegen ist. Für die Finanzhilfe der Länder wurde mit Rücksicht auf Artikel 107, 109 GG eine bindende Verpflichtung nicht ausgesprochen. Zu §§ 11, 12 Diese Bestimmungen betreffen die Übergangsregelung für das saarländische Post- und Eisenbahnwesen. Sie wurden unverändert gebilligt. Zu § 13 Zu dieser Bestimmung, die die Überleitungsvorschriften für das Recht der öffentlichen Bediensteten enthält, die in den Bundesdienst übernommen werden, fand ein Abänderungsvorschlag des Beamtenrechtsausschusses Annahme. Er hat zum Ziel, den sozialen Besitzstand dieses Personenkreises zu wahren und ihn nicht etwa schlechter zu stellen als vergleichbare Landesbeamte des Saarlandes. Um jedoch die Bundesorgane bei der Festlegung der einschlägigen Bezüge nicht grundsätzlich auszuschalten, hielt es die Mehrheit des Ausschusses für angebracht, diese Angleichung durch eine Sollvorschrift vorzusehen, die nach der Rechtspraxis einer bindenden Vorschrift gleichzuerachten ist. Die Mehrheit des Ausschusses hielt ferner die Einführung einer generellen Besitzstandklausel für die Saarbevölkerung auf gesetzlichem Wege nicht für möglich, da der Begriff „Besitzstand" hierzu zu unbestimmt ist. Da der Ausschuß jedoch die soziale Stellung der Menschen an der Saar gesichert sehen will, wurde die vorgelegte Entschließung angenommen. Zu § 14 Diese Vorschrift behandelt die Einführung des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (BGBl. I S. 383) im Saarland. Sie fand ebenso wie die dazugehörige Anlage über die Wahlkreiseinteilung des Saarlandes die einstimmige Billigung des Ausschusses. Zu § 15 Nach übereinstimmender Meinung des Ausschusses soll der Katalog der sofort im Saarland in (Frau Dr. Kuchtner) Kraft zu setzenden Gesetze grundsätzlich nicht mehr erweitert werden. Das Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen vom 31. Juli 1951 (BGBl. I S. 480) und die 3. Durchführungsverordnung hierzu vom 25. März 1953 (BGBl. I S. 75) sollen jedoch, soweit sich die Rechtsvorschriften auf die Beaufsichtigung der privaten Bausparkassen beziehen, noch im Saarland eingeführt werden, um die Beaufsichtigung der Bausparkassen auch im Saarland durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen zu ermöglichen. Zu § 16 Nach § 16 Abs. 1 soll der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben werden, im Saarland Bundesrecht ohne materielle Änderung einzuführen. Satz 2 dieser Bestimmung ermöglicht die Anpassung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften. Der Ausschuß hielt diese von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung im Interesse der Entlastung des Bundesgesetzgebers für zweckmäßig und notwendig. Dazu, das vorgeschlagene Anhörungsrecht der Saarregierung in ein förmliches Widerspruchsrecht umzuwandeln, konnte sich der Ausschuß nicht entschließen, da die Bundesregierung bei Meinungsverschiedenheiten ohnedies eine Gesetzesvorlage einbringen wird. Was die in Absatz 2 des § 16 vorgeschlagene Ausschaltung des Bundesrates angeht, so war die Mehrheit des Ausschusses der Meinung, daß dies jedenfalls nicht für an sich zustimmungsbedürftige Gesetze gelten solle. Zu §§ 17,17a Diese Vorschriften beziehen sich auf die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes. Der vom Bundesrat vorgeschlagene, vom Ausschuß als Antrag übernommene § 17 a ist erforderlich, um die Verschiedenheit der steuerlichen Ausgangsbasis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Saarland insbesondere hinsichtlich der Besteuerung des Warenumsatzes auszugleichen. Um dieses Ziel noch besser zu erreichen, fügte der Ausschuß im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik in § 17 a Nr. 2 noch die Worte „und Steuern über Lieferungen und sonstige Leistungen" ein. Dem gleichen Zweck dient der vom Ausschuß neu eingeführte Satz 2 der Nr. 2. Dagegen konnte sich der Ausschuß nicht davon überzeugen, daß eine sofortige Regelung der in § 17 a Abs. 3 angesprochenen Fragen der Zollbefreiung saarländischer Waren über den in Artikel 48 Abs. 1 des Saarvertrages hinausgehenden Umfang und die vom wirtschaftspolitischen Ausschuß vorgeschlagene Umsatzsteuererleichterung für Lieferungen aus dem Saarland in das Bundesgebiet im Saareingliederungsgesetz notwendig sei. Der Ausschuß war der Meinung, daß der Gesetzgeber hier erst entscheiden könne, wenn gewisse Erfahrungen vorliegen. § 18 enthält die Berlin-Klausel. § 19 bestimmt als Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes den 1. Januar 1957. Bonn, den 12. Dezember 1956 Frau Dr. Kuchtner Berichterstatterin Anlage 4 Umdruck 877 (Vgl. S. 9997 C, 9999 A, 10000 D, 10009 A, 10010 A) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 3001, 2902). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 10 Nr. 4 sind im ersten Satz die Worte „für einzelne Rechnungsjahre" durch die Worte „in jedem Rechnungsjahr" zu ersetzen. 2. a) In § 13 Abs. 2 ist folgender Satz 4 anzufügen: Während der Übergangszeit nach Artikel 3 des Saarvertrages schließen die Eisenbahndirektion Saarbrücken und die Oberpostdirektion Saarbrücken die entsprechenden Tarifverträge mit den Tarifpartnern des Saarlandes ab. b) In § 13 Abs. 6 sind im ersten Satz das Wort „sollen" durch das Wort „sind" und die Worte „angeglichen werden" durch das Wort „anzugleichen" zu ersetzen. 3. In § 16 wird folgender Abs. 3 angefügt: (3) Soweit die Regierung des Saarlandes der Einführung von geltendem Bundesrecht widerspricht, kann die Einführung nur im Wege der Bundesgesetzgebung erfolgen. 4. Es wird folgender § 17 b neu eingefügt: § 17b (1) Bei der Eingliederung des Saarlandes ist bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern und bei den Empfängern von Sozial- und Versorgungsleistungen im Saarland, soweit sie am 1. Januar 1957 Einwohner des Saarlandes waren oder im Saarland in einem Arbeitsverhältnis standen, der Besitzstand zu wahren. (2) Absatz 1 gilt auch nach dem Ende der Übergangszeit entsprechend. Bonn, den 11. Dezember 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 879 (Vgl. S. 10001 D, 10010 A, B) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 3001, 2902). Der Bundestag wolle beschließen: Nach § 17 a wird folgender § 17 b neu eingefügt: § 17 b Für Ansprüche und Renten in den gesetzlichen Rentenversicherungen und der Kriegsopferversorgung, die am 1. Januar 1957 im Saarland bestanden haben, bleibt der Besitzstand gewahrt. Bonn, den 13. Dezember 1956 Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Anlage 6 Umdruck 882 (Zurückgezogen) Änderungsantrag der Abgeordneten Schmücker, Walz, Becker (Pirmasens) und Genossen zur zwei- ten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 3001, 2902). Der Bundestag wolle beschließen: Dem § 9 wird folgender Abs. 4 angefügt: (4) Die Vorschrift des Absatzes 2 kann für die Zulassung von Gewerbebetrieben nach dem saarländischen Gesetz über die Zulassung von Gewerbebetrieben vom 31. Januar 1951 entsprechende Anwendung finden. Bonn, den 13. Dezember 1956 Schmücker Walz Becker (Pirmasens) Blöcker Diedrichsen Franzen Friese Holla Knobloch Koops Mayer (Birkenfeld) Meyer-Ronnenberg Dr. Siemer Spies (Brücken) Wieninger Anlage 7 Umdruck 883 (Vgl. S. 10001 D) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 3001, 2902). Der Bundestag wolle beschließen: Dem § 16 wird folgender Abs. 4 neu angefügt: (4) Bundesgesetze, die vor dem 31. Dezember 1956 verabschiedet worden sind und nach dem 1. Januar 1957 verkündet werden, treten im Saarland nur nach Maßgabe der Vorschriften der Absätze 1 bis 3 in Kraft. Bonn, den 13. Dezember 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 8 Umdruck 881 (Vgl. S. 10011 A, C, 10015 C, 10016 B) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußzahlungsgesetz — RVZG —) (Drucksachen 3010, 2993). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: Empfänger von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erhalten vom 1. Januar 1957 ab bis zum Ablauf des Monats, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die Rente neu festgesetzt ist, auf die Rentenerhöhung nach den Rentenversicherungsgesetzen einen monatlichen Vorschuß. 2. Nach § 1 wird folgender § 1 a eingefügt: § 1a Überschreitet der Vorschuß den Betrag, der sich als Nachzahlung nach Inkrafttreten der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen ergibt, so findet eine Rückforderung nicht statt. Bonn, den 13. Dezember 1956 Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Anlage 9 Umdruck 884 (Vgl. S. 10011 A, C, 10015 C, 10016 B) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußzahlungsgesetz — RVZG —) (Drucksachen 3010, 2993). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 1 erhält folgende Fassung: § 1 (1) Empfänger von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die für den Monat Januar 1957 und die folgenden Monate Anspruch auf Rente haben, erhalten auf die Rentenerhöhungen nach den Rentenversicherungsgesetzen einen monatlichen Vorschuß. Der monatliche Vorschuß wird in Höhe einer halben Monatsrente einschließlich Kinderzuschuß gewährt. Die Vorschußzahlung endet mit Ablauf des Monats, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die Rente neu festgesetzt ist. (2) Der Vorschuß ist kein Bestandteil der Rente. 2. Es wird folgender § 1 a eingefügt: § 1a Der Vorschuß wird auf Leistungen der Unfallversicherung, der Arbeitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung aus dem Bundesentschädigungsgesetz sowie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung nicht angerechnet. Überschreiten die Vorschüsse den Betrag, der sich als Nachzahlung nach Inkrafttreten der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen ergibt, so findet eine Rückforderung nicht statt. Bonn, den 13. Dezember 1956 011enhauer und Fraktion Anlage 10 Umdruck 885 (Vgl. S. 10011 A, 10015 D, 10016 B) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußzahlungsgesetz — RVZG —) (Drucksachen 3010, 2993). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 1 ist das Wort „Vorschuß" durch die Worte „einmalige Überbrückungszahlung" zu ersetzen. 2. Folgender § 1 a wird eingefügt: § la Die auf Grund dieses Gesetzes zu zahlenden Rentenbeträge werden aus Haushaltsmitteln des Bundes an die Versicherungsträger erstattet. 3. Folgender § 1 b wird eingefügt: § l b Die einmalige Überbrückungszahlung wird auf Leistungen der Unfallversicherung, der Ar- beitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung aus dem Bundesentschädigungsgesetz sowie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung nicht angerechnet. Bonn, den 13. Dezember 1956 Dr. Brühler und Fraktion Anlage 11 Umdruck 886 (Vgl. S. 10017 D, 10019 D) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußzahlungsgesetz — RVZG —) (Drucksachen 3010, 2993). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: Empfänger von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die für den Monat Januar 1957 und die folgenden Monate Anspruch auf Rente haben, erhalten auf die Rentenerhöhungen nach den Rentenversicherungsgesetzen einen monatlichen Vorschuß. 2. Dem § 1 wird folgender Satz 3 angefügt: Die Vorschußzahlung endet mit Ablauf des Monats, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die Rente neu festgesetzt ist. 3. Es wird folgender § 1 b eingefügt: § 1 b Überschreiten die Vorschüsse den Betrag, der sich als Nachzahlung nach Inkrafttreten der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen ergibt, so findet eine Rückforderung nicht statt. Bonn, den 14. Dezember 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Drucksache 2957 (Vgl. S. 10035 B) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran (Drucksache 2521). Berichterstatter: Abgeordneter Kalbitzer. Der mitbeteiligte Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat in seiner Sitzung vom 9. November 1956 den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran — Drucksache 2521 — beraten und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen empfohlen, die Gesetzesvorlage anzunehmen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich mit dieser Vorlage am 28. November 1956 befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. Bonn, den 28. November 1956 Kalbitzer Berichterstatter Anlage 13 zu Drucksache 2982 (Vgl. S. 10035 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung über den Entwurf einer Wehrbeschwerdeordnung (Drucksachen 2982, 2359). Berichterstatter: Abgeordneter Merten Das Parlament wünscht hier zum Ausdruck zu bringen, daß auf diesem Teilgebiet des inneren Gefüges völlig neue und andere Verhältnisse eintreten, als sie einmal üblich waren. Es gab Zeiten, in denen die Beschwerde eines Soldaten so erschwert wurde, daß sie praktisch zur Unmöglichkeit wurde. Man befürchtete von einer freien Beschwerdemöglichkeit die Vernichtung oder Verminderung der Autorität des militärischen Vorgesetzten. Die Beschwerde wurde als eine Art von Meuterei angesehen und daher nicht als reguläres Rechtsmittel in das Gefüge des Heeres eingebaut. Die Dienstaufsicht allein erschien ausreichend, um Unrecht und Mißstände zu beseitigen. Dieser Zustand auf dem Gebiet des Beschwerderechts wurde zwar nach dem ersten Weltkrieg in Richtung auf eine bessere Beschwerdemöglichkeit geändert. Es ist jedoch bekannt, daß eine befriedigende Lösung auch dann noch nicht gefunden werden konnte und praktiseh Mißstände und Ungerechtigkeiten auf dem Wege des Beschwerderechts nur unzureichend beseitigt werden konnten. Grundsätzlich gehen die Bestimmungen der vorliegenden Wehrbeschwerdeordnung davon aus, daß die Beschwerde erleichtert wird. Die im Soldatengesetz verankerten Pflichten des Soldaten und die von ihm geforderte Disziplin sollen den einzelnen Soldaten nicht zum rechtlosen Untertan machen. Er bleibt auch innerhalb der Bundeswehr der Staatsbürger, der sich seiner Freiheit und seines Rechtes gewiß sein darf. Die Notwendigkeiten des militärischen Dienstes werden um so mehr auf das Verständnis und die innere Zustimmung des einzelnen Soldaten stoßen, als ihm selbst die Verfolgung seiner Rechte erleichtert und garantiert wird. Der Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes sagt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben." Durch diese Bestimmung war für den militärischen Bereich dringend geboten, eine neuartige Regelung zu schaffen. Bei den Ansprüchen der Soldaten auf Besoldung und Versorgung hatte der Soldat bereits früher die Möglichkeit, sein Recht vor den ordentlichen Gerichten zu suchen. Hier tritt heute der Verwaltungsrechtsweg an die Stelle der ordentlichen Gerichte. Dasselbe gilt für die Wahrung der Rechtsstellung des Soldaten, z. B. bei Begründung und Beendigung seines Dienstverhältnisses. Neu ist, daß der Rechtsweg auch eröffnet wird in den Fällen, in denen der Soldat im eigentlichen militärischen Dienstbereich in seinen Rechten sich verletzt fühlt. Hier sollen jedoch nicht die Verwaltungsgerichte, sondern Truppendienstgerichte tätig (Merten) werden, die in dem vorliegenden Entwurf eingebaut sind, ihre eigentliche Begründung jedoch bei der Verabschiedung der Wehrdisziplinarordnung finden werden. Das Vorverfahren für den Rechtsweg wird vereinfacht und vereinheitlicht. An seine Stelle tritt das Beschwerdeverfahren nach diesem Entwurf. Welcher Rechtsweg auch immer im einzelnen eingeschlagen werden muß, der Soldat kann sicher sein, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, wenn er sich mit einer Beschwerde an seinen nächsten Disziplinarvorgesetzten wendet. Die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Vorverfahrens ist die Voraussetzung dafür, jedem einzelnen Soldaten die Verfolgung seiner Rechte zu erleichtern und zu sichern. Die in der Wehrbeschwerdeordnung vorgesehene Einheitsbeschwerde kann sowohl als Dienstaufsichtsbeschwerde als auch als Vorverfahren für Entscheidungen der Truppendienstgerichte und Verwaltungsgerichte angesehen werden. Eine bedeutende Abweichung von dem Beschwerderecht der früheren Wehrmacht ist darin zu sehen, daß die Wehrbeschwerdeordnung nur zwei Instanzen vorsieht, in denen militärische Vorgesetzte über die Beschwerde und die weitere Beschwerde zu entscheiden haben. Nach dem früheren Recht mußte im Falle einer Ablehnung der Beschwerde dieselbe Beschwerde dann bei dem nächsthöheren Vorgesetzten erneuert und so auf dem Dienstwege bis zur höchsten Instanz fortgesetzt werden. Es mußten so sieben oder sogar mehr Instanzen durchlaufen werden, bis der höchste Dienstvorgesetzte mit der Beschwerde erreicht war. Diese Ausdauer und Idieser Kraftaufwand ist erfahrungsgemäß nur sehr selten von einzelnen Beschwerdeführern aufgebracht worden. Jetzt kann der Rechtsweg beschritten werden, wenn die weitere Beschwerde in der 2. Instanz erfolglos geblieben ist. Es kann aber auch nach der weiteren Beschwerde unmittelbar der Bundesminister für Verteidigung angerufen werden. Auch hier soll durch diese Möglichkeit erreicht werden, das Vertrauensverhältnis zwischen den Soldaten und der Bundeswehr bzw. dem Staat zu stärken und zu festigen. Im einzelnen gestatte ich mir noch folgende Bemerkungen zu dem vorliegenden Entwurf. § 1 enthält die materiellen Grundlagen des Beschwerderechts. Der persönliche Geltungsbereich beschränkt sich auf die Soldaten. Die Wehrbeschwerdeordnung findet keine Anwendung auf die Beschwerde der zivilen Bediensteten in der Truppe und in der Wehrverwaltung. Das Beschwerderecht ist gegeben erstens im Falle der unrichtigen Behandlung durch Vorgesetzte oder Dienststellen der Bundeswehr und zweitens im Falle der Verletzung durch pflichtwidriges Verhalten von Kameraden. Damit ist ein weiter Spielraum für die Einlegung der Beschwerde gegeben. Sie kann nicht nur wegen rechtswidriger Befehle und Maßnahmen eingelegt werden, sondern auch dann, wenn die Zweckmäßigkeit bestritten wird. Auch Disziplinarverstöße können Gegenstand der Beschwerde sein. In Abs. 2 des § 1 wird dem Soldaten auch dann die Beschwerdemöglichkeit gegeben, wenn ihm auf einen Antrag innerhalb von zwei Wochen ohne zureichenden Grund ein Bescheid nicht erteilt worden ist. Der Gesetzgeber will klar zum Ausdruck bringen, daß in diesen Fällen die Beschwerde ohne jede Einschränkung zulässig ist, ohne Rücksicht darauf, ob sie sich hinterher als begründet erweist oder nicht. § 3 will verhindern, daß der militärische Dienst durch Beschwerden gestört oder beeinträchtigt wird. Diesem Ziel dient die Vorschrift, nach der die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat. Auch die Beschwerde befreit den Soldaten grundsätzlich nicht davon, einen ihm erteilten Befehl auszuführen. Selbstverständlich bleiben hiervon die Bestimmungen des § 11 des Soldatengesetzes unberührt, in dem es heißt, daß Ungehorsam nicht vorliegt, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist. Ferner regelt § 11 des Soldatengesetzes, daß ein Befehl nicht befolgt werden darf, wenn dadurch ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde. Wenn auch die Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat, so kann doch der für die Entscheidung zuständige Vorgesetzte der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung verleihen. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, beanstandeten Übelständen unverzüglich abzuhelfen. In § 4 ist die auch schon früher vorhandene Regelung der Vermittlung vor Einlegung der Beschwerde übernommen. Allerdings gilt sie im Gegensatz zu der früheren Regelung nicht nur für Offiziere, sondern steht a 11 en Soldaten offen. Hier soll die Möglichkeit geschaffen werden, Unrecht zu beseitigen, das infolge mangelnder Überlegung oder in Übereilung zugefügt wurde, ohne daß eine formelle Beschwerde notwendig wird. Diese Vermittlung darf nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden. Der Ausschuß hat sich der Regierungsvorlage nicht angeschlossen, die eine Ablehnung nur aus zwingenden Gründen vorsah. Der Ausschuß ist der Erwägung gefolgt, daß der Begriff des „wichtigen Grundes" in der Rechtsprechung geläufig ist und daher durch diese Regelung Schwierigkeiten nicht entstehen können. Die §§ 5 bis 16 regeln Formen und Fristen bei der Einlegung der Beschwerde und der weiteren Beschwerde. Zu erwähnen ist, daß in § 8 die Zurücknahme einer Beschwerde geregelt wird. Der Ausschuß hat die Möglichkeit geschaffen, die zurückgenommene Beschwerde erneut einzulegen, wenn die Beschwerdefrist von 14 Tagen noch nicht abgelaufen ist. Hierzu kam der Ausschuß deshalb, weil die Bestimmungen der Wehrbeschwerdeordnung nicht nur für die rein militärische Beschwerde, sondern auch für die Beschwerde als Vorverfahren für gerichtliche Entscheidung gelten. Im Text ist diesen Erwägungen dadurch Rechnung getragen, daß in § 8 Abs. 1 der letzte Satz der Regierungsvorlage geändert wurde und das Wort „die" durch „diese" ersetzt wurde. Der Soldat kann also eine zurückgenommene Beschwerde, soweit die Frist dies noch zuläßt, noch einmal einlegen. § 18 regelt den weiteren Verlauf der Fälle, in denen der Soldat mit seiner Beschwerde und der weiteren Beschwerde nicht zum Erfolg gekommen ist. Das gilt auch für den Fall, daß über seine weitere Beschwerde nicht innerhalb eines Monats entschieden wurde. Im Falle von Klagen wegen der statutarischen Rechte des Soldaten, d. h. derjenigen Rechte. die seine Rechtstellung begründen, bleibt der § 59 des Soldatengesetzes unberührt, der den Verwaltungsrechtsweg vorsieht. Das gilt auch für diejenigen Klagen aus den §§ 24, 25, 30 und 31 des Soldatengesetzes über die Haftung, das Wahlrecht, Geld- und Sachbezüge, Heilfürsorge, Versorgung (Merten) und Fürsorgeleistung. Für diese Klagen scheint der Verwaltungsrechtsweg geeignet zu sein. Geht es jedoch um die Verletzung seiner Rechte oder die Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber dem Soldaten, erschien ein anderer Weg zweckmäßiger wegen der Notwendigkeit schneller Entscheidung oder weil die zu behandelnde Frage für das innere Gefüge der Bundeswehr wesentlich ist oder weil die Entscheidung Gerichten zugewiesen werden soll, die dem Soldaten auch bei einem Ortswechsel leicht erreichbar bleiben. Art. 96 Abs. 3 des Grundgesetzes sieht vor, daß der Bund für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und Bundesrichter Bundesdienststrafgerichte sôwie für Dienststrafverfahren gegen Soldaten und für Verfahren über Beschwerden von Soldaten Bundesdienstgerichte errichten kann. Der Ausschuß hat daher an dieser Stelle für die nach der weiteren Beschwerde anzurufenden Gerichte erster Instanz die Bezeichnung „Truppendienstgerichte" eingeführt. Das Nähere über diese Truppendienstgerichte bleibt der Regelung durch die Wehrdisziplinarordnung vorbehalten. Artikel 96 Abs. 3 des Grundgesetzes eröffnet die Möglichkeit, Gerichte zu bilden, die sich nach ihrer Organisation und Zusammensetzung für die Beurteilung von Beschwerden aus dem militärischen Bereich besonders eignen. Die vielfach geäußerte Sorge, daß die Anrufung unabhängiger Gerichte den militärischen Dienstbetrieb lähmen oder die nötige Entscheidungsfreudigkeit der militärischen Vorgesetzten beeinträchtigen könnte, erscheint nicht begründet. Zunächst einmal soll sowohl die Beschwerde als auch der folgende Antrag auf gerichtliche Entscheidung keine aufschiebende Wirkung haben. Die Einlegung einer Beschwerde oder der Antrag auf gerichtliche Entscheidung befreien den Soldaten nicht davon, einen Befehl, gegen den sich die Beschwerde richtet, auszuführen. Der Soldat soll also die Ausführung eines Befehls nicht mit dem Hinweis auf eine beabsichtigte Beschwerde verweigern können, wobei ich hier die Grenzfälle unerörtert lassen darf, in denen aus übergeordneten Gründen des Rechts ein Befehl unausgeführt bleiben darf. Die Dienstgerichte sollen auch nicht über die Z w eck mäßigkeit eines militärischen Befehls, sondern — wie es allein dem Wesen der Gerichtsbarkeit gemäß ist — nur über die Recht mäßigkeit der in Frage stehenden Maßnahme befinden. Es sollen also allein die dem Soldaten durch Gesetz — insbesondere im Soldatengesetz — eingeräumten Rechte Gegenstand gerichtlicher Anträge sein können. Der weite Bereich militärischer Tätigkeit, in dem allein Zweckmäßigkeitserwägungen für das Handeln des einzelnen Vorgesetzten maßgebend sind, entzieht sich der gerichtlichen Beurteilung. Erst wenn ein Vorgesetzter dabei den Rahmen der dienstlichen Befugnisse überhaupt überschritten oder diese dienstlichen Befugnisse mißbraucht hat, können — das ist in dem Entwurf ausdrücklich geregelt — die Gerichte um eine Entscheidung angegangen werden. Für diese gerichtlichen Entscheidungen sollen keine eigenen Gerichte gebildet werden. Vielmehr soll diese Aufgabe von den Truppendienstgerichten wahrgenommen werden, für deren Errichtung die dem Bundestag bereits vorliegende Wehrdisziplinarordnung die Grundlage bilden soll. In diesen Gerichten wird ein unabhängiger Berufsrichter den Vorsitz führen, dem zwei militärische Beisitzer beigegeben sind. Für den Bereich der Beschwerdeordnung soll der Dienstgrad eines dieser beiden Beisitzer sich nach demjenigen des Beschwerdeführers richten. 21 regelt die unmittelbare Anrufung des Bundesministers für Verteidigung, wenn der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Beschwerde nicht zum Erfolg gekommen ist. Hierzu habe ich bereits in der allgemeinen Einleitung das Notwendige gesagt. Der vom Ausschuß neu eingefügte § 22 a tritt an die Stelle des § 17 der Regierungsvorlage. Nachdem durch den § 18 für einen großen Teil der in Frage kommenden Fälle die Zuständigkeit des Truppendienstgerichtes begründet ist, ist die Bedeutung des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens geringer geworden. An die Stelle des Vorverfahrens nach den geltenden Verwaltungsgerichtsordnungen der Länder oder einer Verwaltungsgerichtsordnung des Bundes tritt für den Soldaten das Beschwerdeverfahren nach diesem Gesetz. Es vereinfacht und erleichtert den Zugang zum Verwaltungsrechtsweg. Abschließend ist zu bemerken, daß das Beschwerderecht des Soldaten, abgesehen von dem Art. 17 des Grundgesetzes und der in § 1 Abs. 4 vorgesehenen Einschränkung dieses Artikels, noch eine Ergänzung erfährt durch das Gesetz über den Wehrbeauftragten. Es sind dem Soldaten also neben dem Petitionsrecht des Art. 17 Grundgesetz noch weitere Möglichkeiten außerhalb der Wehrbeschwerdeordnung gegeben, zu seinem Recht zu kommen. Damit dürfte dem in § 34 des Soldatengesetzes festgelegten Recht des Soldaten, sich zu beschweren. eine Regelung gegeben sein, die dem Geiste des Grundgesetzes und damit eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates entspricht. Bonn, den 14. Dezember 1956 Merten Berichterstatter Namentliche Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD betr. Einfügung eines § 17 b in den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 877 Ziffer 4) (vgl. S. 10009 D, 10010 A, 10089 C) 2. über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP betr. Einfügung eines § 17 b in den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Umdruck 879) (vgl. S. 10010 A, B, 10089 D) 3. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des § 1 Satz 1 des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FVP eingebrachten Entwurfs eines Rentenvorschußzahlungsgesetzes (Umdruck 886 Ziffer 1) (vgl. S. 10019 D, 10091 A) Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 CDU/CSU Frau Ackermann . . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Adenauer Nein Nein — Albers Nein Nein Nein Albrecht (Hamburg) . . Nein Nein Nein Arndgen Nein Nein Nein Baier (Buchen) Nein Nein Nein Barlage beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Bartram beurlaubt beurlaubt beurlaubt Bauer (Wasserburg) . Nein Nein Nein Bauereisen Nein Nein Nein Bauknecht Nein Nein Nein Bausch Nein Nein Nein Becker (Pirmasens) . . Nein Nein Nein Bender Nein Nein Nein Berendsen Nein Nein Nein Dr. Bergmeyer * * * Fürst von Bismarck . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Blank (Dortmund) . . . Nein Nein Nein Frau Dr. Bleyler (Freiburg) Nein Nein Nein Blöcker Nein Nein Nein Bock Nein Nein Nein von Bodelschwingh . . . Nein Nein Nein Dr. Böhm (Frankfurt) . Nein Nein Nein Brand (Remscheid) . . . Nein Nein Nein Frau Brauksiepe . . . . Nein Nein Nein Dr. von Brentano . . . . Nein Nein — Brese Nein Nein Nein Frau Dr. Brökelschen . . Nein Nein Nein Dr. Brönner Nein Nein Nein Brookmann (Kiel) . . Nein Nein Nein Brück Nein Nein Nein Dr. Bucerius Nein Nein Nein Dr. von Buchka . . . . Nein Nein Nein Dr. Bürkel Nein Nein Nein Burgemeister Nein Nein Nein Caspers Nein Nein Nein Cillien beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Conring Nein Nein Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Dr. Czaja Nein Nein Nein Demmelmeier Nein Nein Nein Diedrichsen Nein Nein Nein Frau Dietz Nein Nein Nein Dr. Dittrich beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Dollinger Nein Nein Nein Donhauser — — — Dr. Dresbach Nein Nein Nein Dr. Eckhardt Nein Nein Nein Eckstein — — Ehren Nein Nein Nein Engelbrecht-Greve . . . Nein Nein Nein Dr. Dr. h. c. Erhard . . . - - - Etzenbach . Nein Nein Nein Even Nein Nein Nein Feldmann . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Gräfin Finckenstein . . Nein Nein Nein Finckh Nein Nein Nein Dr. Franz Nein Nein Nein Franzen Nein Nein Nein Friese Nein Nein Nein ~ Fuchs Nein Nein Nein Funk Nein Nein Nein Dr. Furler Nein Nein Nein Frau Ganswindt . . . . Nein Nein Nein Frau Dr. Gantenberg . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Gedat Nein Nein Nein Geiger (München) . . . Nein Nein Nein Frau Geisendörfer . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Gengler . Nein Nein Nein Gerns . Nein Nein Nein D. Dr. Gerstenmaier . Nein Nein Nein Gibbert Nein Nein Nein Giencke . Nein Nein Nein 1 Dr. Glasmeyer Nein Nein Nein Dr. Gleissner (München) Nein Nein Nein Glüsing Nein Nein Nein Gockeln . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Götz Nein Nein Nein Goldhagen Nein Nein Nein Gontrum Nein Nein * Günther Nein Nein Nein Haasler beurlaubt beurlaubt beurlaubt Häussler Nein Nein Nein Hahn Nein Nein Nein Harnischfeger Nein Nein Nein Heix Nein Nein Nein Dr. Hellwig Nein Nein Nein Dr. Graf Henckel . . . Nein Nein Nein Dr. Hesberg Nein Nein Nein Heye Nein Nein * Hilbert * * * Höcherl * * * Dr. Höck Nein Nein Nein Höfler beurlaubt beurlaubt beurlaubt Holla Nein Nein Nein Hoogen Nein Nein Nein Dr. Horlacher * * Nein Horn Nein Nein Nein Huth Nein Nein Nein Illerhaus Nein Nein Nein Dr. Jaeger Nein Nein Nein Jahn (Stuttgart) . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Dr. Jochmus . . Nein Nein Nein Josten Nein Nein Nein Kahn Nein Nein Nein Kaiser (Bonn) Nein Nein Nein Frau Kaiser (Schwäbisch-Gmünd) . Nein Nein Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Karpf Nein Nein Nein Kemmer (Bamberg) Nein Nein Nein Kemper (Trier) Nein Nein Nein Kiesinger Nein Nein Nein Dr. Kihn (Würzburg) . Nein Nein Nein Kirchhoff Nein Nein Nein Klausner Nein Nein Nein Dr. Kleindinst Nein Nein Nein Dr. Kliesing Nein Nein Nein Knapp Nein Nein Nein Knobloch Nein Nein Nein Dr. Köhler beurlaubt beurlaubt beurlaubt Koops Nein Nein Nein Dr. Kopf beurlaubt beurlaubt beurlaubt Kortmann Nein Nein Nein Kraft Nein Nein Nein Kramel Nein Nein Nein Krammig Nein Nein Nein Kroll Nein Nein Nein Frau Dr. Kuchtner . . Nein Nein Nein Kühlthau Nein Nein Kuntscher Nein Nein Nein Kunze (Bethel) Nein Nein Nein Lang (München) . . . Nein Nein Nein Leibing Nein Nein Nein Dr. Leiske beurlaubt beurlaubt beurlaubt Lenz (Brüht) beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Lenz (Godesberg) . . Nein Nein Nein Lenze (Attendorn) . . Nein Nein Nein Leonhard Nein Nein Nein Lermer Nein Nein Nein Leukert Nein Nein Nein Dr. Leverkuehn . . . . Nein Nein Nein Dr. Lindenberg . . . . Nein Nein Nein Dr. Lindrath Nein Nein Nein Dr. Löhr Nein Nein Nein Lotze Nein Nein * Dr. h. c. Lübke . . . . — — — Lücke Nein Nein Nein Lücker (München) . . . — — Nein Lulay Nein Nein Nein Maier (Mannheim) . . Nein Nein Ja Majonica beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Baron Manteuffel. Szoege Nein Nein Nein Massoth . . . . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Mayer (Birkenfeld) . Nein Nein Nein Menke Nein Nein Nein Mensing beurlaubt beurlaubt beurlaubt Meyer (Oppertshofen) . Nein Nein Nein Meyer-Ronnenberg . Nein Nein Nein Miller Nein Nein * Dr. Moerchel Nein Nein Nein Morgenthaler beurlaubt beurlaubt beurlaubt Muckermann Nein Nein Nein Mühlenberg Nein Nein Nein Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) beurlaubt beurlaubt beurlaubt Müller-Hermann . . . Nein Nein Nein Müser — — — Nellen Nein Nein — Neuburger beurlaubt beurlaubt beurlaubt Niederalt Nein Nein Nein Frau Niggemeyer . . . Nein Nein Nein Dr. Dr. Oberländer . . Nein Nein Nein Dr. Oesterle Nein Nein Nein Oetzel Nein Nein Nein Pelster Nein Nein Nein Dr. Pferdmenges . . . Nein Nein Nein Frau Pitz — — Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Dr. Pohle (Düsseldorf) . Nein Nein Nein Frau Praetorius . . . . Nein Nein Nein Frau Dr. Probst . . . . Nein Nein Nein Dr. Dr. h. c. Pünder . * * * Raestrup beurlaubt beurlaubt beurlaubt Rasner Nein Nein Nein Frau Dr. Rehling . . . Nein Nein Nein Richarts Nein Nein Nein Frhr. Riederer von Paar Nein Nein Nein Dr. Rinke Nein Nein Nein Frau Rösch Nein Nein Nein Rösing Nein Nein Nein Rümmele Nein Nein Nein Ruf Nein Nein Nein Sabaß Nein Nein Nein Sabel Nein Nein Nein Samwer Nein Nein Nein Schäffer Nein Nein — Scharnberg Nein Nein Nein Scheppmann Nein Nein * Schill (Freiburg) . . . Nein Nein Nein Schlick Nein Nein Nein Schmücker Nein Nein Nein Schneider (Hamburg) . Nein Nein Nein Schrader Nein Nein Nein Dr. Schröder (Düsseldorf) Nein Nein Nein Dr.-Ing. E. h. Schuberth . Nein Nein Nein Schüttler Nein Nein Nein Schütz Nein Nein Nein Schulze-Pellengahr . . Nein Nein Nein Schwarz Nein Nein Nein Frau Dr. Schwarzhaupt Nein Nein Nein Dr. Seffrin Nein Nein Nein Seidl (Dorfen) — — — Dr. Serres Nein Nein Nein Siebel Nein Nein Nein Dr. Siemer . Nein Nein Nein Solke Nein Nein Nein Spies (Brücken) . . . . Nein Nein Nein Spies (Emmenhausen) Nein Nein Nein Spörl Nein Nein * Stauch Nein Nein Nein Frau Dr. Steinbiß . . Nein Nein Nein Stiller Nein Nein Nein Storch Nein Nein Nein Dr. Storm Nein Nein Nein Strauß — — — Struve Nein Nein Nein Stücklen * * Nein Teriete Nein Nein Nein Thies Nein Nein Nein Unertl Nein Nein Nein Varelmann Nein Nein Nein Frau Vietje Nein Nein Nein Dr. Vogel * * Nein Voß * * * Wacher (Hof) Nein Nein Nein Wacker (Buchen) Nein Nein Nein Dr. Wahl Nein Nein Nein Walz Nein Nein Nein Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) Nein Nein Nein Dr. Weber (Koblenz) . Nein Nein Nein Wehking Nein Nein Nein Dr. Wellhausen . . . . Nein Nein Nein Dr. WeLskop Nein Nein Nein Frau Welter (Aachen) . — — Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Dr. Werber Nein Nein Nein Wiedeck Nein Nein Nein Wieninger beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Willeke Nein Nein Nein Winkelheide Nein Nein Nein Dr. Winter Nein Nein Nein Wittmann Nein Nein Nein Wolf (Stuttgart) . . . . Nein Nein Nein Dr. Wuermeling . . . . Nein Nein — Wullenhaupt Nein Nein Nein SPD Frau Albertz Ja Ja Ja Frau Albrecht Ja Ja Ja Altmaier beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Arndt Ja Ja Ja Arnholz Ja Ja Ja Dr. Baade — Ja Ja Dr. Bärsch Ja Ja Ja Bals Ja Ja Ja Banse Ja Ja Ja Bauer (Würzburg) . . . Ja Ja Ja Baur (Augsburg) . . . * * Bazille Ja Ja Ja Behrisch Ja Ja Ja Frau Bennemann . . . Ja Ja Ja Bergmann Ja Ja Ja Berlin Ja Ja Ja Bettgenhäuser Ja Ja Ja Frau Beyer (Frankfurt) . — — — Birkelbach beurlaubt beurlaubt beurlaubt Blachstein Ja Ja Ja Dr. Bleiß Ja Ja Ja Böhm (Düsseldorf) . . Ja Ja Ja Bruse Ja Ja Ja Corterier Ja Ja Ja Dannebom — Ja Ja Daum Ja Ja * Dr. Deist Ja Ja Ja Dewald Ja Ja Ja Diekmann Ja Ja Ja Diel Ja Ja Ja Frau Döhring Ja Ja Ja Dopatka Ja Ja Ja Erler Ja Ja Ja Eschmann Ja Ja Ja Faller Ja Ja Ja Franke Ja Ja Ja Frehsee Ja Ja Ja Freidhof Ja Ja Ja Frenzel Ja Ja Ja Gefeller Ja Ja Ja Geiger (Aalen) Ja Ja Ja Geritzmann Ja Ja Ja Gleisner (Unna) . . . . Ja Ja Ja Dr. Greve Ja Ja Ja Dr. Gülich Ja Ja Ja Hansen (Köln) Ja Ja * Hansing (Bremen) . . Ja Ja Ja Hauffe Ja Ja Ja Heide Ja Ja Ja Heiland Ja Ja Ja Heinrich Ja Ja Ja Hellenbrock Ja Ja Ja Frau Herklotz Ja Ja Ja Hermsdorf Ja Ja Ja .Herold Ja Ja Ja Höcker Ja Ja Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Höhne Ja Ja Ja Hörauf beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Dr. Hubert . . . Ja Ja Ja Hufnagel . Ja Ja Ja Jacobi Ja Ja Ja Jacobs Ja Ja Ja Jahn (Frankfurt) . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Jaksch — — Ja Kahn-Ackermann . . Ja Ja * Kalbitzer beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Keilhack Ja Ja Ja Frau Kettig Ja Ja Ja Keuning * * * Kinat Ja Ja * Frau Kipp-Kaule . . . Ja Ja Ja Könen (Düsseldorf) . . . Ja Ja Ja Koenen (Lippstadt) . . Ja Ja Ja Frau Korspeter . . . . Ja Ja Ja Dr. Kreyssig Ja Ja Ja Kriedemann Ja Ja Ja Kühn (Köln) Ja Ja * Kurlbaum * * * Ladebeck Ja Ja Ja Lange (Essen) Ja Ja Ja Leitow Ja Ja Ja Frau Lockmann . . . Ja Ja Ja Ludwig Ja Ja Ja Maier (Freiburg) . . . Ja Ja Ja Marx Ja Ja * Matzner Ja Ja Ja Meitmann Ja Ja Ja Mellies Ja Ja Ja Dr. Menzel Ja Ja Ja Merten Ja Ja Ja Metzger Ja Ja Ja Frau Meyer (Dortmund) Ja Ja Ja Meyer (Wanne-Eickel) . Ja Ja Ja Frau Meyer-Laule . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Mißmahl beurlaubt beurlaubt beurlaubt Moll Ja Ja Ja Dr. Mommer Ja Ja Ja Müller (Erbendorf) . . . Ja Ja Ja Müller (Worms) . . . Ja Ja * Frau Nadig Ja Ja Ja Odenthal beurlaubt beurlaubt beurlaubt Ohlig Ja Ja Ja 011enhauer Ja Ja Ja Op den Orth Ja Ja Ja Paul Ja Ja Ja Peters Ja Ja Ja Pöhler Ja Ja Ja Pohle (Eckernförde) . . Ja Ja Ja Dr. Preller Ja Ja Ja Prennel Ja Ja * Priebe Ja Ja Ja Pusch Ja Ja * Putzig . Ja Ja Ja Rasch Ja Ja Ja Dr. Ratzel Ja Ja Ja Regling Ja Ja Ja Rehs Ja Ja Ja Reitz Ja Ja Ja Reitzner Ja Ja Ja Frau Renger Ja Ja Ja Richter Ja Ja Ja Ritzel Ja Ja Ja Frau Rudoll Ja Ja Ja Ruhnke beurlaubt beurlaubt beurlaubt Runge Ja Ja Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Frau Schanzenbach . . Ja Ja * Scheuren Ja Ja Ja Dr. Schmid (Frankfurt ) . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja Ja Ja Schmidt (Hamburg) . . * * Schmitt (Vockenhausen) . — Ja Ja Dr. Schöne Ja Ja Schoettle Ja Ja Ja Seidel (Fürth) Ja Ja Ja Seither Ja Ja Ja Seuffert Ja Ja Ja Stierle Ja Ja Ja Sträter Ja Ja Ja Frau Strobel Ja Ja Ja Stümer Ja Ja Ja Thieme Ja Ja Ja Wagner (Deggenau) . . Ja Ja Ja Wagner (Ludwigshafen) — * — Wehner Ja Ja Ja Wehr beurlaubt beurlaubt Ja Welke Ja Ja Ja Weltner (Rinteln) . . . Ja Ja Ja Dr. Dr. Wenzel Ja Ja * Wienand Ja Ja Ja Wittrock * * Ja Zühlke Ja Ja Ja FDP Dr. Atzenroth . . . Nein Ja enthalten Dr. Becker (Hersfeld) . . Nein Ja Ja Dr. Bucher Nein Ja Ja Dr. Czermak Nein Ja Ja Dr. Dehler beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr.-Ing. Drechsel beurlaubt beurlaubt beurlaubt Eberhard Nein Ja Ja Frau Friese-Korn . . Nein Ja Ja Frühwald beurlaubt beurlaubt beurlaubt Gaul Nein Ja Ja Dr. von Golitschek . Nein Ja Ja Graaf (Elze) — -- Ja Dr. Hammer Nein Ja Ja Held Nein Ja * Dr. Hoffmann beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Hütter Nein Ja Ja Frau Dr. Ilk Nein Ja Ja Dr. Jentzsch Nein Ja Ja Kühn (Bonn) Nein Ja Ja Lenz (Trossingen) . . . Nein Ja Ja Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein Nein Ja Ja Margulies Ja Ja Ja Mauk Nein Ja Ja Dr. Mende Nein Ja * Dr. Miessner Nein Ja Ja Onnen Nein Ja * Rademacher beurlaubt beurlaubt beurlaubt Scheel Nein Ja Ja Schloß Nein Ja * Schwann Nein Ja Ja Stahl Nein Ja Ja Dr. Stammberger . . . Nein Ja Ja Dr. Starke Nein Ja Ja Weber (Untersontheim) . Nein Ja Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 GB/BHE Elsner Ja Ja Ja Engell Ja Ja Ja Feller Ja Ja Ja Frau Finselberger . . Ja Ja Ja Gemein beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Gille Ja Ja Ja Dr. Kather Ja Ja Ja Dr. Keller Ja Ja Ja Dr. Klötzer Ja a Kunz (Schwalbach) . Ja Ja Ja Kutschera Ja Ja Ja Dr. Mocker Ja Ja Petersen Ja Ja Ja Dr. Reichstein Ja Ja Ja Seiboth Ja Ja Ja Dr. Sornik Ja Ja Ja Srock Ja Ja Ja Dr. Strosche Ja Ja Ja DP Becker (Hamburg) . . Nein Nein Nein Dr. Brühler Nein Nein Nein Eickhoff Nein Nein Nein Dr. Elbrächter Nein Nein Nein Fassbender Nein Nein Nein Frau Kalinke Nein Nein Nein Matthes Nein Nein Ja Dr. von Merkatz . . . . — — — Müller (Wehdel) . . . Nein Nein Nein Platner Nein Nein Nein Dr. Schild (Düsseldorf) . Nein Nein Nein Schneider (Bremerhaven) Nein Nein Ja Dr. Schranz Nein Nein Nein Dr.-Ing. Seebohm . . . — — — Walter Nein Nein Nein Wittenburg Nein Nein Nein Dr. Zimmermann . . . Nein Nein Nein FVP Dr. Berg Nein Ja Nein Dr. Blank (Oberhausen) . Nein enthalten Nein Dr. h. c. Blücher . . Nein Nein Nein Euler Nein Nein Nein Dr. Graf (München) . . Gumrum a s Hepp Nein enthalten Nein Körner Nein Ja Ja Lahr Nein enthalten Nein von Manteuffel (Neuß) Nein enthalten Nein Neumayer — — — Dr. Preiß Nein enthalten Nein Dr. Preusker — — — Dr. Schäfer Nein Ja Nein Dr. Schneider (Lollar) Nein Nein Nein Fraktionslos Brockmann (Rinkerode) Ja Ja Ja Stegner Ja Ja — *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Zusammenstellung der Abstimmungen Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Abgegebene Stimmen 409 411 391 Davon: Ja 149 181 167 Nein 260 225 223 Stimmenthaltung . — 5 1 Zusammen wie oben . . 409 411 391 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 CDU/CSU Nein Nein * Dr. Friedensburg beurlaubt beurlaubt beurlaubt Grantze Nein Nein Nein Dr. Krone — — — Lemmer Nein Nein Nein Frau Dr. Maxsein . . . Nein Nein Nein Stingl SPD Ja Ja Ja Brandt (Berlin) . . . Ja Ja Ja Frau Heise Ja Ja Ja Klingelhöfer beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Königswarter . . . Ja Ja Ja Mattick . .. Ja Ja Ja Neubauer s * * Neumann Ja Ja Ja Dr. Schellenberg . . . beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Schroeder (Berlin) Ja — Ja Schröter (Wilmersdorf) Ja Ja Ja Frau Wolff (Berlin) . FDP beurlaubt beurlaubt beurlaubt Frau Dr. Dr. h. c. Lüders beurlaubt beurlaubt beurlaubt Dr. Reif Nein Ja Ja Dr. Will FVP Nein Nein enthalten Nein Dr. Henn Nein Nein Hübner Zusammenstellung der Abstimmungen der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abstimmung Abstimmung 1 2 3 Abgegebene Stimmen 15 14 14 Davon: Ja 8 8 9 Nein 7 5 5 Stimmenthaltung . — 1 — Zusammen wie oben . . 15 14 14 *) Für Teile der Sitzung beurlaubt.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich folgendes mitteilen. Die Fraktion der CDU/CSU teilt mir mit Schreiben vom 13. Dezember 1956 mit, daß das stellvertretende Mitglied der deutschen Delegation Abgeordneter Minister Lemmer aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidet. Sie schlägt an seiner Stelle die Abgeordnete Frau Dr. Maxsein vor. Ich nehme an, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist, daß dieser Punkt sofort auf die Tagesordnung gesetzt und behandelt wird.

(Zustimmung.)

— Ist das Haus mit dem Vorschlag selbst einverstanden? — Widerspruch erfolgt nicht. Damit ist die Abgeordnete Frau Dr. Maxsein als stellvertretendes Mitglied der deutschen Delegation der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 11. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 302 der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen betreffend Industrieverwaltungsgesellschaft mbH, Bad Godesberg — Drucksache 2882 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3014 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 13. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 305 der Fraktion der SPD betreffend Wegfall der Witwen- bzw. Witwerbeihilfen durch das Bundesversorgungsgesetz — Drucksache 2918 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3018 verteilt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0218100100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, damit einverstanden zu sein, daß wir auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung den Antrag Drucksache 2959 setzen. Es handelt sich um den in der vorigen Woche von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eingereichten Antrag des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verzichtet auf eine Begründung. Daher braucht wohl auch eine Aussprache nicht stattzufinden. Der Antrag kann sofort dem zuständigen Ausschuß überwiesen werden. Ich bitte um Ihr Einverständnis.

(Abg. Rasner: Einverstanden!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100200
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Abgeordneten Dr. Menzel gehört, den Antrag Drucksache 2959 — die Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD zur Änderung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet — auf die Tagesordnung zu setzen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Es fragt sich, an welche Stelle sie gesetzt werden soll. Wenn das Haus auf Begründung und Aussprache verzichtet, könnten wir sie gleich überweisen. — Es besteht Einverständnis.
Dann schlage ich Ihnen zur Überweisung als federführenden Ausschuß den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und als mitberatenden Ausschuß den Ausschuß für Heimatvertriebene vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Damit komme ich zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des
a) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage (Drucksachen 2901, z u 2901),
b) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundes-
republik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Drucksache 2903),
c) Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg (Drucksache 2904),
d) Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 2905);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß) (Drucksache 3000).

(Erste Beratung: 174. Sitzung.)

Zugleich wird aufgerufen Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksache 2902);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (8. Ausschuß)


(Drucksachen 3001, zu 3001, Umdrucke 877, 879, 882, 883).


(Erste Beratung: 174. Sitzung.)

Meine Damen und Herren, ich erteile zuerst zu Punkt 1 der Tagesordnung als Generalberichterstatter dem Abgeordneten Kiesinger das Wort.
Kiesinger (CDU/CSU), Generalberichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben in Ihren Händen die Drucksache 3000, die den Schriftlichen Bericht *) des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über die Entwürfe eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage, eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel, eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und schließlich eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl enthält.
Die genannten Verträge stehen zueinander in einem inneren Zusammenhang und können daher
*) Siehe Anlage 2.
auch nur gemeinsam gewürdigt werden. Es handelt sich, wie Sie schon aus dem Umfang der Ihnen vorliegenden Drucksachen gesehen haben, um ein sehr umfangreiches Vertragswerk. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat es für seine Pflicht erachtet, über die politische Würdigung des Vertragswerks hinaus, die zuletzt seine Stellungnahme bestimmte, sich mit der Fülle von wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und anderen Einzelfragen ausführlich zu befassen.
Er hat dabei, gerade weil die außerordentliche Fülle der zu prüfenden Bestimmungen besondere Anforderungen an Sachkenntnis stellte, ein besonderes Verfahren eingeschlagen, das ich nicht unerwähnt lassen möchte. An sich wurde das Vertragswerk bei der ersten Lesung nur dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und zu Teilen zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen. Der Ausschuß hat aber in der vorbereitenden Arbeit, für die ein Unterausschuß „Saar" eingesetzt worden war, Wert darauf gelegt, die Mitarbeit all der Ausschüsse unseres Hohen Hauses zu gewinnen, die Rat zu geben in der Lage waren, und zwar dadurch, daß in den Unterausschuß „Saar" von diesen anderen Ausschüssen jeweils der Vorsitzende und zwei weitere Delegierte entsandt wurden. Es handelt sich dabei um die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und Verkehrswesen, für Finanz- und Steuerfragen, für Haushaltsfragen, für Rechtswesen und Verfassungsrecht, für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, so daß man das, was schließlich hier an Berichten zustande gekommen ist, als den Erfolg einer gemeinschaftlichen Anstrengung der dabei Beteiligten bezeichnen darf.
Die Berichterstattung erfolgt derart, daß ein Generalbericht den Versuch machen soll, den großen Zusammenhang des Vertragswerks zu erläutern. Ihm folgen sieben zum Teil sehr ausführliche Einzelberichte, die sich mit den besonderen Problemen, die das Vertragswerk stellt, befassen, und zwar sind es zu dem Vertrag über die Regelung der Saarfrage Einzelberichte über die rechtlichen, wirtschaftspolitischen, finanz- und währungspolitischen Bestimmungen und zu den Bestimmungen über die Kohle. Dann folgen Einzelberichte zu den Verträgen über die Schiffbarmachung der Mosel, den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und ein kurzer Bericht über den Vertrag zur Änderung des Montanvertrages.
Es handelt sich hier um die Erfüllung des ersten Teils der großen Aufgabe, die uns allen gestellt ist, der großen Aufgabe der deutschen Wiedervereinigung. Wir dürfen sie für ein Gebiet — im Westen unseres Vaterlandes — als geglückt bezeichnen, und wir dürfen beim Rückblick auf diesen Erfolg unseren Blick auch vorwärts wenden auf die noch ausstehende Aufgabe der Wiedervereinigung im Osten. Das hat auch der Bericht, wie Sie sehen, an einigen Punkten mit Absicht getan.

(Beifall in der Mitte.)

Der Generalbericht macht zunächst den Versuch, die geschichtliche Entwicklung des Problems darzustellen. Ich will das in meinem mündlichen Bericht nicht mit Ausführlichkeit wiederholen, aber doch immerhin auf die einzelnen Etappen hinweisen. Es hat bis zum Ende des ersten Weltkriegs keinerlei politischen Begriff eines Saargebiets oder eines


(Kiesinger)

Saarlandes gegeben. Dieser Begriff ist erst im Zusammenhang mit den Bemühungen Frankreichs geschaffen worden, das Saargebiet von Deutschland zu lösen, es entweder Frankreich anzugliedern oder ihm jedenfalls einen anderen Status zu geben. Die Geschichte vor dem zweiten Weltkrieg ist bekannt; sie hat im Jahre 1935, nachdem das Saarland im Zusammenhang mit französischen Reparations-wünschen der treuhänderischen Verwaltung des Völkerbundes unterstellt worden war, zur Rückkehr des Saargebietes zu Deutschland geführt. Nach dem zweiten Weltkrieg hat Frankreich seine Anstrengungen wieder aufgenommen, das Saarland mindestens wirtschaftlich Frankreich zuzuordnen. Es hat in einer Reihe von Maßnahmen, die im Bericht einzeln dargestellt sind, das Saarland aus dem Zusammenhang des Besatzungsgebietes gelöst, hat eine Zollunion geschlossen, die französische Währung dort eingeführt, und schließlich wurde eine Verfassung eingeführt, die die Unabhängigkeit des Saarlandes von Deutschland statuierte. Der Bericht verschweigt auch nicht, daß die französischen Bemühungen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg die Unterstützung der beiden anderen großen Westmächte, der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Großbritanniens fanden.
Diese Entwicklung, bei der das Saargebiet aus der Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrats, aus den Besatzungsgebieten herausgelöst und mit dem Ziele der künftigen endgültigen Unabhängigkeit von Deutschland verselbständigt, aber weithin Frankreich zugeordnet wurde, fand zum allergrößten Teil statt, bevor die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Die Bundesregierung und der Bundestag sahen sich von Anfang an einer außerordentlich schwierigen Aufgabe gegenüber, einer Aufgabe, meine Damen und Herren, die, wie Sie sich alle erinnern, uns mitunter fast hoffnungslos erscheinen mußte. Sie haben sich von Anfang an mit den von Frankreich angestrebten Zielen nicht einverstanden erklärt; sie haben sich ihnen widersetzt. Aber man darf es an diesem Tage wohl erwähnen, daß dieser Widerstand nicht in einem Geist des überhitzten Nationalismus geleistet worden ist, sondern in einem geduldigen und unverdrossenen Geist freundnachbarlicher Verständigung und der Bemühung um europäische Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man darf wohl sagen, daß es gerade diese Haltung war, die letzten Endes ein Klima geschaffen hat, das den erfolgreichen Abschluß der Bemühungen erlaubte.
Der Bericht geht auf die vergeblichen Verhandlungsversuche unmittelbar nach Gründung der Bundesrepublik, auf die vielfältigen Proteste und Verwahrungen auch von seiten dieses Hohen Hauses ein. Er erwähnt jene eigentümliche Zwischenepoche, die auch dem Saarproblem neue Impulse und neue Aspekte gab, in der einen erregenden Augenblick lang die politische Gemeinschaft Europas auf der Grundlage der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bevorzustehen schien und in der man glaubte, das Saarproblem herauslösen zu können aus dem einseitigen Entweder-Oder zwischen Deutschland und Frankreich und daran dachte, dem Saarland in einem vereinigten Europa einen europäisierten Status geben zu können. Das waren die Bemühungen, wie sie sich etwa in dem Van-derGoes-van-Naters-Plan niedergeschlagen hatten, der aus der Beschäftigung des Europarats mit dem Problem hervorgegangen war, einer Beschäftigung übrigens, die der Europarat mit dem Einverständnis der Deutschen und der Franzosen unternommen hatte. Aber mit dem Scheitern dieser europäischen Bemühungen, mit dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und damit auch dem Entschwinden der Hoffnung auf eine nahe Lösung der Europäischen Politischen Gemeinschaft war auch diese Saarkonzeption zum Scheitern verurteilt.
Es eröffnete sich ein neuer Abschnitt der Verhandlungen über das Saarproblem, und dieser Abschnitt führte über die Vereinbarungen zwischen der deutschen und französischen Regierung über das künftige Statut der Saar schließlich zur Ablehnung dieses Statuts durch die Saarbevölkerung und dazu, daß sich die französische öffentliche Meinung und auch die französische Regierung dem Ergebnis beugten. Ich will es mir versagen, auf diesen vielleicht interessantesten Abschnitt der Entwicklung im einzelnen einzugehen, möchte aber auf folgende Tatsachen hinweisen. Das Statut hatte zwar versucht, noch in Anlehnung an gewisse Ideen der gerade abgeschlossenen Epoche, an Ideen, die auch im Van-der-Goes-van-Naters-Plan enthalten waren, eine vorläufige Regelung zu schaffen; der Nachdruck liegt aber auf dem Wort „vorläufig". Der entscheidende Erfolg des Statuts war, daß sowohl über die Annahme des Statuts selber als auch im Falle der Annahme des Statuts durch die Saarbevölkerung über eine endgültig im Friedensvertrag zu lösende Regelung des Saarproblems die Saarbevölkerung selbst abstimmen sollte. Sie hat die Entscheidung schon bei der ersten Abstimmung vollzogen und damit in eindrucksvollster Weise ihre Treue zum gemeinsamen deutschen Vaterland bekundet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Lage war die, daß die Saarbevölkerung nur über die Annahme des Saarstatuts abzustimmen hatte, daß also im Falle der Ablehnung des Statuts ein Vakuum, ein Zustand entstehen mußte, bei dem völlig unberechenbar war, was sich daraus entwickeln konnte. Die französische Bevölkerung und die französische Regierung verdienen unseren Dank, daß sie den Willen der Saarbevölkerung respektiert haben und daß dann über neue Verhandlungen schließlich das uns hier vorliegende Vertragswerk zum Abschluß gebracht werden konnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die französische Regierung verfolgte bei diesen Verhandlungen bestimmte Ziele, die Sie in dem Schriftlichen Bericht aufgezeichnet finden.
Der Inhalt der schließlich zustande gekommenen Vereinbarung läßt sich ganz kurz wie folgt kennzeichnen. Das Saarland wird am 1. Januar 1957 ein Teil der Bundesrepublik. Es ist wichtig, daß Art. 1 dabei klarstellt, daß es sich hier nicht um eine Änderung der Grenzen Deutschlands handelt; vielmehr erklärt Frankreich sein Einverständnis damit — so ist es technisch formuliert —, daß sich der Anwenwendungsbereich des Grundgesetzes vom 1. Januar 1957 an auch auf das Saarland erstreckt. Damit wird ausgedrückt, daß das Saarland immer ein Teil Deutschlands geblieben war.
Es gilt aber eine Übergangsregelung, wie Sie wissen, bis spätestens zum 31. Dezember 1959, die folgendermaßen charakterisiert werden kann: Wäh-


(Kiesinger)

rend dieser Zeit ist das Saarland politisch ein Teil der Bundesrepublik, ist wirtschaftlich aber weiterhin in großem Umfange Frankreich zugeordnet. Während der Übergangszeit soll der Status quo im Saarland langsam abgebaut werden. Gerade auch die Interessen der saarländischen Wirtschaft sollen während dieser Abbau- und Übergangszeit berücksichtigt werden.
Der Vertrag enthält auch über die Übergangszeit hinaus wichtige Bestimmungen, vor allen Dingen die über den Schutz von Personen. Die nicht nur für diese Verträge, sondern auch im Blick auf die zukünftige deutsche Aufgabe der Wiedervereinigung wichtigste dieser Bestimmungen ist jene, in der es heißt, daß in der Bundesrepublik und in Frankreich niemand wegen seiner in der Vergangenheit zur Saarfrage eingenommenen Haltung einer politischen Verfolgung oder einer Beeinträchtigung durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt oder strafrechtlichen oder disziplinarischen Maßnahmen ausgesetzt sein soll. Der Ausschuß legt Wert darauf, zu sagen, daß diese Bestimmung in großzügigster Weise interpretiert werden soll. Daß es sich dabei um einen generellen Grundsatz der Politik der Bundesregierung handelt, kommt auch in dem Memorandum der Bundesregierung vom 2. September 1956 zur Frage der Wiedervereinigung im Osten klar zum Ausdruck, wo ebenfalls dieser Grundsatz der Nichtvergeltung festgelegt worden ist.
Am Abschluß der Übergangszeit werden die deutschen Zollgrenzen an die französisch-saarländische Grenze verlegt. Die handels- und wirtschaftspolitischen Vereinbarungen sollen dem französischen Wunsch nach möglichster Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs mit dem Saarland auch nach der Übergangszeit Rechnung tragen.
Das sehr schwierige Warndtproblem wurde durch ein Kompromiß geregelt, das im einzelnen in einem Sonderbericht dargestellt wird. Darüber hinaus erhält Frankreich von der saarländischen Kohlenproduktion außerhalb des Warndtgebietes einen Anteil von 33 % und verpflichtet sich zur Abnahme dieses Anteils. Der Absatz saarländischer und lothringischer Kohle auf anderen Märkten, vor allem in Süddeutschland, wird gemeinschaftlich geregelt.
Ich erwähnte, daß im Zusammenhang mit dem Saarvertrag drei weitere Verträge abgeschlossen worden sind. Es handelt sich einmal um den Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel. Hier geht es um einen alten französischen Wunsch, und man darf feststellen, daß ohne eine Einigung über diese Frage schwerlich ein Übereinkommen in der Saarfrage erreicht worden wäre. An diesem Vertrag partizipiert außer Deutschland und Frankreich auch das Großherzogtum Luxemburg.
Wichtige deutsche Anliegen galt es in bezug auf den Oberrhein zwischen Basel und Straßburg zu berücksichtigen, wo bekanntlich durch das Rheinseitenkanalprojekt der Landwirtschaft und der Industrie des Oberrheintals auf deutscher Seite schwere Gefährdungen erwuchsen. Auch diese Frage ist befriedigend geregelt worden.
Schließlich mußte der Montanvertrag im Hinblick auf den Saarvertrag geändert werden.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß es auch für den Auswärtigen Ausschuß die politischen Gesichtspunkte waren, die ihn dazu bestimmten, dem Hohen Hause zu empfehlen, sein Ja zu den Verträgen zu geben. Dieses Vertragswerk bringt die Saar in die Bundesrepublik ein, befreit sie aus jenem Zustand, in dem sie sich seit dem Ende des zweiten Weltkrieges befand, und regelt zugleich die letzte große Streitfrage zwischen Deutschland und Frankreich.
Das Klima, in dem dieser Abschluß gelang, ein Klima, das unsere beiden Länder bestimmt nicht auseinandergebracht, sondern einander nähergerückt hat, ist besonders wichtig, denn auch dieser Vertrag steht unter dem großen politischen Aspekt der europäischen Einigung, einer Notwendigkeit für unseren Kontinent, wenn er die Zukunft bestehen soll.
Ich habe die Ehre, im Namen des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zu beantragen, der Bundestag wolle beschließen, den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage unverändert nach der Vorlage anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100300
Ich danke dem Herrn Generalberichterstatter.
Da ein Schriftlicher Bericht sowohl des Generalberichterstatters als auch der sieben Einzelberichterstatter vorliegt*), ist das Haus wohl damit einverstanden, daß es bei dem mündlichen Zusatzbericht des Herrn Generalberichterstatters, den wir soeben vernommen haben, verbleibt.

(Zustimmung.)

Dann kommen wir zur Berichterstattung über Punkt 2 der Tagesordnung, den Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksachen 3001, zu 3001**)). Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Kuchtner.
Frau Dr. Kuchtner (CDU/CSU), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit seinem Bestehen hat der Deutsche Bundestag keinen so freudigen Anlaß zu einer Gesetzesberatung gehabt wie heute; handelt es sich doch darum, der Saar und der treuen Bevölkerung an der Saar den Weg in das deutsche Vaterland zu ebnen.
Im vollen Bewußtsein der Schwere seiner Verantwortung für das ganze deutsche Volk hat der Auschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung in langen und schwierigen Verhandlungen um die beste Lösung gerungen. Das Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache 3001 vor.
Ich habe den ehrenvollen Auftrag, das Hohe Haus um seine Zustimmung hierzu zu bitten.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100400
Ich danke der Frau Berichterstatterin.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Zu dem Bericht eine Bemerkung!)

*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

— Einen Augenblick! Zuerst einmal macht mich der Herr Generalberichterstatter darauf aufmerksam, daß in der Drucksache zu 2901 eine Berichtigung der Drucksache 2901 enthalten ist, die zwar nur redaktionellen Charakter hat, damit aber Inhalt unserer Beschlüsse wird.
Zu einer Bemerkung hat das Wort der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218100500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich soeben schon mit der Frau Berichterstatterin darüber verständigt, daß insbesondere zu § 13 der Standpunkt der Minderheit in dem vorliegenden Ausschußbericht nicht genügend herausgearbeitet zu sein scheint. Ich möchte aber jetzt den Bericht selbst nicht ergänzen, weil wir ohnehin zu diesem Fragenkomplex die gleichen Anträge, die wir im Ausschuß gebracht haben, hier noch einmal im Plenum vortragen werden, so daß ich bei der Begründung dieser Anträge den Bericht in diesem Sinne ergänzen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100600
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Einzelberatung der zweiten Lesung, und zwar zuerst zu Punkt 1 a der Tagesordnung. Das ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Sodann Punkt 1 b. Das ist das Gesetz über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogturn Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Dann kommt 1 c. Das ist das Gesetz über den Vertrag über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg. Ich rufe auf Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Dann Punkt 1 d: Gesetz über den Vertrag zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ich rufe auf Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Damit sind sämtliche Gesetzentwürfe einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes.
Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5,
6, — 7, — 8 — und 9. — Das Wort hierzu wird nicht gewünscht.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 10, dazu den Änderungsantrag Umdruck 877*) Ziffer 1. Wird das Wort hierzu gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt (Vockenhausen) !

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218100700
Herr Präsident.! Meine Damen und Herren! Nachdem materiell unser Antrag im Ausschuß angenommen worden ist, haben wir nur noch den Wunsch nach einer redaktionellen Änderung: ,daß die Worte „für einzelne Rechnungsjahre" durch die Worte „in jedem Rechnungsjahr" ersetzt werden. Das dient zur Klarstellung, daß während der Übergangszeit in jedem Falle der Bund dem Saarland hilft. Wir bitten um Zustimmung zu dieser Änderung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218100800
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag der Fraktion ,der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit komme ich zur Abstimmung über § 10 in der soeben geänderten Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 11 und § 12. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 13, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 2. — Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218100900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um unseren Antrag zu § 13 und auch zur Einfügung eines § 17 b zu verstehen, müssen wir uns noch einmal mit der Entwicklung des Saarlandes seit 1945, ja, ich möchte sagen, eigentlich seit 1935 beschäftigen. Ich will das nicht tun, um hieraus politische oder sogar außenpolitische Feststellungen zu den Verträgen oder zu ihrer Vorgeschichte oder auch zum Eingliederungsgesetz zu treffen, sondern ich möchte Ihnen nur noch einmal dringlich die Lage an der Saar schildern, und ich hoffe Ihnen dadurch die Annahme unserer Anträge leichter zu machen.
Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß das Saarland nicht aus freien Stücken seit 1945 eine andere wirtschaftliche und soziale Entwicklung genommen hat als die Bundesrepublik. Die Ursache dafür liegt, wie wir alle wissen, darin, daß das
*) Siehe Anlage 4.


(Schmitt [Vockenhausen])

Saarland die Folgen des verlorenen Krieges gegenüber Frankreich für Gesamtdeutschland getragen hat. Bei uns allen darf kein Zweifel darüber bestehen, daß die Menschen an der Saar das für Gesamtdeutschland getragen haben. Wir alle wollen und müssen mithelfen, um die Rückstände im Saarland aufzuholen. Wir wissen natürlich, daß das nicht ganz einfach ist und daß die Mühen groß sein werden, um den Wünschen der Menschen an der Saar gerecht zu werden.
Es war immer eines der Hauptargumente der Gegner der Wiedervereinigung des Saarlandes mit der Bundesrepublik, die mehr als ungute Behandlung der Menschen an der Saar nach 1935 in die Erinnerung zurückzurufen. Gerade weil viele Menschen noch wissen, wie es damals war, sollten wir alles daransetzen, daß die Erinnerung verschwindet und daß die Maßnahmen bei der Eingliederung der Saar die besonderen Bedingungen dort berücksichtigen. Das ist schon deswegen notwendig, weil, wie wir von dem Herrn Generalberichterstatter und aus den Einzelberichten wissen, das Saarland für die Übergangszeit ohnehin im Bereich des Währungsgebietes des Franken mit all den sich daraus ergebenden Folgen belassen wird. Diese besondere Lage zeigt sich natürlich besonders sinnfällig bei dem Abschluß von Tarifverträgen. Wir glauben, daß Bundesbahn und Bundespost überfordert sind, wenn wir ihnen den Abschluß zentraler Tarifverträge auch für das Saarland zumuten. Wir möchten bitten, die Tarifverträge für das Saarland nicht in die zentralen Regelungen einzubeziehen, sondern es für die Übergangszeit bei der Zuständigkeit der Oberpostdirektion und der Bundesbahndirektion in Saarbrücken für den Abschluß von Tarifverträgen zu belassen.
Ich darf, Herr Präsident, gleichzeitig den Antrag zu Abs. 6 begründen.
Meine Damen und Herren, die Bestimmungen des § 13 haben im Saarland eine große Rolle gespielt, und es ist mit Vorwürfen gegen die Regierung und auch gegen das hier vorgelegte Eingliederungsgesetz nicht gespart worden. Wir alle wissen, daß zu dieser Verbitterung auch manche Äußerungen beigetragen haben, die, selbst wenn sie nicht so gemeint waren, doch nach ihrem Wortlaut den Menschen an der Saar Anlaß zu Befürchtungen geben mußten.
Worin besteht nun im wesentlichen der Unterschied zwischen der Ausschußvorlage und unserem Antrag? Nach der Ausschußvorlage wird ein Gesetzesbefehl an die Bundesregierung gerichtet, während wir dem Beamten einen unmittelbaren Anspruch auf sein Gehalt zuerkennen wollen. Damit werden wir auch den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Besoldungsrechts gerecht, nach denen der Beamte einen klagbaren Anspruch auf sein Gehalt hat. Nun wird man sagen: Ja, aber nach dem Gesetz steht ihm das ohnehin zu, und der Bundesgesetzgeber — das ist auch in dem Bericht zum Ausdruck gekommen — entmachtet sich sehr, wenn wir hier eine solche Regelung einführen.
Meine Damen und Herren, das trifft den Kern der Sache nicht; denn, ob wir wollen oder nicht, in der Übergangszeit ist für die Gehälter der Beamten an der Saar nun einmal nicht die Höhe der Gehälter in der Bundesrepublik maßgebend, sondern die Höhe der Gehälter der Landes- und Gemeindebeamten, einfach deswegen, weil auch die Bundesbeamten im Wirtschaftsgebiet des Saarlandes leben. Man hat im Ausschuß von einer Entmachtung des Bundesgesetzgebers gesprochen. Meine Damen und Herren, wenn das die einzige Entmachtung wäre, dann wäre es wirklich nicht schlimm. Man sollte nicht mit solchen Argumenten bei den Beamten, die es betrifft, ein ungutes Gefühl aufkommen lassen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich darf den Kollegen Walz, der im Ausschuß immer wieder mit beredten Worten die psychologische Seite der ganzen Frage angesprochen hat, zum Zeugen dafür anrufen, daß die psychologische Seite heute im Saarland eine große Rolle spielt. Tatsache ist doch, daß die Menschen in Sorge sind und daß bestimmte politische Gruppen diese Sorge benutzen und auch zum Teil eine Stimmung hervorgerufen haben, die — das will ich einmal grundsätzlich sagen — hoffentlich in jedem Fall unberechtigt ist, die aber natürlich nicht zuletzt dadurch bedingt ist, daß einiges aus den Vorverhandlungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister bekanntgeworden ist. Ich habe eine Fülle von Pressestimmen — ich will hier darauf verzichten, sie zu zitieren —, die die Sorge der Beamten an der Saar widerspiegeln. Wir haben die Pflicht, den Menschen zu helfen, damit sie, solange sie mit ihrer Familie im Währungsgebiet des Franken leben, die Zusicherung haben, daß sie einen persönlichen Rechtsanspruch auf ein angeglichenes Gehalt haben und daß sie nach den Notwendigkeiten des Wirtschaftsgebietes behandelt werden, in dem sie leben.
Die maßgebenden Politiker — das können wir heute mit lebhafter Freude feststellen — haben gestern abend in großem Verantwortungsbewußtsein den Schritt vollzogen, auf den wir alle mit soviel Freude gewartet haben. Diese verantwortungsbewußten Politiker an 'der Saar sind trotz aller Angriffe diesen Weg in der festen Überzeugung gegangen, daß der Deutsche Bundestag in jedem Falle das Vertrauen der Politiker an der Saar rechtfertigen wird. Sie haben es getan in der Hoffnung, daß wir uns heute bei unseren Beschlüssen der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Menschen an der Saar bewußt sind.
Um wen handelt es sich denn bei den Beamten der Bundespost und der Bundesbahn? Es handelt sich vor allem um Beamte des einfachen und des mittleren Dienstes, um Menschen, die mit ihrem Gehalt des Existenzminimum kaum überschreiten und die auf jeden Pfennig angewiesen sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß jede Verschlechterung vor allem im Hinblick auf die zahlreichen Eigenheimbauten, die insbesondere von Beamten der Post und der Eisenbahn in den letzten Jahren im Saarland erstellt worden sind, ihnen vielleicht die Früchte jahrelanger Arbeit und jahrelangen Sparens rauben könnte.
Ich möchte hier auf etwas hinweisen, was Ihnen vielleicht unbekannt ist, was uns aber die Entscheidung erleichtern sollte. Als 1918 Elsaß-Lothringen zu Frankreich kam, hat Frankreich allen Beamten ein Optionsrecht für ihre Rechtsstellung eingeräumt; die Beamten konnten selbst entscheiden, nach welchem Recht sie behandelt werden wollten. Wir sollten aus diesem Vorgang lernen, daß wir in einer großzügigen Weise für diese Menschen eintreten. Globalregelungen, wie sie die Regierung in § 16 für die Gesetzgebung vorschlägt, waren 1918 in Frankreich nicht bekannt, sondern die französische Nationalversammlung hat für jede Frage ein besonderes Gesetz verabschiedet. Die Gesetzgebung hat sich damals bis in das Jahr 1922


(Schmitt [Vockenhausen])

hingezogen, um ja den Belangen der Menschen in Elsaß-Lothringen gerecht zu werden.
Wir haben leider bei den Regierungsparteien keine Zuneigung für eine Änderung des § 16 gefunden. Trotzdem haben wir hier unsere Anträge wiederholt. Wir würden uns freuen, wenn das Hohe Haus sie annähme und damit den Wünschen und Sorgen der Menschen an der Saar entgegenkäme. Wir behalten uns vor, bei der Beratung zu § 16 unsere Anträge ausführlich zu begründen.
Ich möchte aber vor allem für die Abstimmung zu Abs. 6 zu bedenken geben, daß wir, meine Damen und Herren, heute auch beispielgebend für die Wiedervereinigung sein müssen, um für ein erhöhtes Vertrauen bei den Menschen der Zone zu werben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag ist aufgerufen, hier eine politische Entscheidung zu fällen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218101000
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0218101100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz mit dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion unter Ziffer 2 des Umdrucks 877*) befassen. In Ziffer 2 Buchstabe a beantragt die Fraktion der SPD eine Bestimmung, wonach während der Übergangszeit Tarifverträge von der Eisenbahndirektion Saarbrücken und der Oberpostdirektion Saarbrücken abgeschlossen werden. Dazu darf ich folgendes sagen.
Auf Grund des Postverwaltungsgesetzes — § 26 — schließt die Post die Tarifverträge generell ab, und auf Grund des Bundesbahngesetzes — § 25 und in Anlehnung an § 14 Abs. 5 — schließt die Bundesbahnhauptverwaltung, vertreten durch ihren Vorstand, diese Tarifverträge ab. Nun wollen Sie dieses Recht auf die Direktionen der Post und der Bahn delegieren. Ich glaube, das kann man aus zwei Gründen nicht tun.
Erstens würde man damit eine zusätzliche Erschwerung und Komplizierung der Verwaltung eintreten lassen. Denn praktisch würden die Dinge so laufen, daß sowohl die Eisenbahndirektion Saarbrücken wie die Oberpostdirektion Saarbrücken in jedem Falle bei ihren vorgesetzten Stellen Rückfrage halten. Sie sind ja mittelbare Behörden und der Dienstaufsicht ihrer vorgesetzten Stelle unterstellt; sie würden also, sagen wir das doch einmal ganz offen, auf Weisung ihrer vorgesetzten Stellen arbeiten. Ich meine aber — entschuldigen Sie das Wort —, wenn man schon zu Schmitz geht, dann soll man nicht zu Schmitzchen gehen.
Dann darf ich einen zweiten Gesichtspunkt ansprechen. Mir will scheinen, daß in diesem Änderungsantrag ein gewisses Mißtrauen laut wird. Ich möchte meinen, daß es im öffentlichen Dienst unbedingt notwendig ist, das Vertrauen auf beiden Seiten zu erhalten. Es besteht ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, und es muß bestehen, wenn der öffentliche Dienst gut funktionieren soll. Wenn man nun auf der einen Seite Bedenken haben sollte, muß ich sagen: Wer Land und Leute an der Saar kennt, der weiß, daß diese braven und pflichtbewußten Menschen auch im öffentlichen Dienst
*) Siehe Anlage 4. sicherlich das Vertrauen rechtfertigen, das wir in sie setzen. Auf der anderen Seite muß man aber auch sagen, daß die Verwaltungen sicherlich kein Interesse haben, hier Dinge zu machen, die nicht gut sind.
Darf ich weiter folgendes sagen. Die eine Verwaltung, die Bundesbahn, wird repräsentiert a) durch den Verwaltungsrat, b) durch den Vorstand. Im Verwaltungsrat sitzen Herren dieses Hauses, und gerade der Herr Vizepräsident des Verwaltungsrats gehört der Opposition an. Er ist sicherlich ein Mann, der in diesen Dingen Obacht gibt. Auch im Vorstand sitzt ein Mann, der aus diesen Reihen kommt und der sicherlich darauf bedacht sein wird, in der Zukunft diese Dinge gut zu regeln. Wir sollten doch hier die Dinge ruhig und sachlich sehen.
Das gleiche gilt für den Antrag Ziffer 2 Buchstabe b. Wir sollten nicht von vornherein mißtrauisch sein. Mißtrauen können wir im öffentlichen Dienst nicht gebrauchen, das möchte ich noch einmal sagen. Die vornehmste Pflicht des öffentlichen Dienstes ist ja doch, der Allgemeinheit zu dienen. Hier dürfen wir nicht mißtrauisch sein. Ich sehe deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren insbesondere von der Opposition, keinen rechten Grund für die Sorge, die Sie hier anklingen lassen. Ich weiß auch, meine Damen und Herren, aus Verhandlungen der letzten Tage, die mit Ihnen stattgefunden haben, daß Ihre Bedenken zu einem Teil gerade in diesem Punkt inzwischen nicht mehr so groß sind, und ich möchte Sie bitten, die Dinge sachlich zu sehen und nicht mit Mißtrauen zu begleiten.
Ich sehe also für mich und meine Freunde keine Notwendigkeit, dem Abänderungsantrag Umdruck 877 Ziffer 2 a und b zuzustimmen. Ich möchte bitten, es bei der Gesetzesvorlage zu belassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218101200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0218101300
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Ersetzung des Wortes „sollen" durch das Wort „sind" ist im Ausschuß eingehend erwogen worden. Wenn hier von psychologischer und politischer Behandlung der Angelegenheit gesprochen wird, so dürfen wir doch auch die verfassungsrechtliche Seite hervorheben. Das Wort „sollen" verpflichtet zu einer regelmäßigen Handlung, wahrt aber auch die verfassungsrechtliche eigene Entscheidung und Entschließung des Bundes, der Bundesregierung und des Bundestages auch in bezug auf das Haushaltsrecht. Das ist der Grund, warum wir das Wort „sollen", das, wie gesagt, eine regelmäßige Verpflichtung in sich schließt, gewählt haben. Diese Entschließungsfreiheit, diese Entscheidungsfreiheit wollen wir dem Bund auch gegenüber dem jetzt heimgeführten Saarland wahren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218101400
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218101500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brück hat die Diskussion in eine Richtung gelenkt, die mir völlig unverständlich ist. Hier ist doch überhaupt


(Schmitt [Vockenhausen])

nicht die Rede davon, ob die Beamten besonders pflichteifrig sind oder nicht; das hat ja niemand bezweifelt. Ich weiß gar nicht, wie Sie überhaupt in diese Richtung gekommen sind. Was hier zur Diskussion steht, ist nicht eine Sache des Vertrauens oder des Mißtrauens, sondern vor allem eine Frage der Zweckmäßigkeit.

(Abg. Brück: Eben der Zweckmäßigkeit!)

Sie haben so oft schon von Verwaltungsvereinfachung, von Delegation usw. gesprochen. Aber wenn es einmal darauf ankommt, die ortsnahe Verwaltung mit einer Aufgabe zu betrauen, sagen Sie sofort, das müsse zentral geregelt werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Sie haben hier das Bundespostgesetz und das Bundesbahngesetz angezogen. Als diese beiden Gesetze geschaffen wurden, hat doch kein Mensch daran gedacht, daß es einmal ein Bundesland geben würde, das einem Wirtschaftsgebiet außerhalb der Bundesrepublik angehört. Gerade weil dieses Bundesland in der Übergangszeit außerhalb unseres Wirtschaftsgebietes steht, wird eine Fülle von Problemen entstehen, die in Ortsnähe viel besser und zweckmäßiger bearbeitet werden können, als wenn wir alles zentral in Frankfurt oder in Bonn regeln.

(Beifall bei der SPD.)

Ich möchte Sie im Hinblick auf die so oft zitierte
Verwaltungsvereinfachung und das Prinzip der
Delegation bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst zuwenden. Meine Damen und Herren, wenn das Haushaltsrecht zitiert wird, dann gruselt es mir immer. Wir hatten ja gerade gestern eine Haushaltsberatung, und wie die Mehrheit des Hauses sich in Etatfragen oft auch im voraus festlegt, das hat mein Kollege Schmidt (Hamburg) sehr anschaulich dargelegt. Hier geht es doch um folgendes. Das Wort „angleichen" ist, Herr Kollege Kleindinst — darüber sind wir uns alle klar —, ein unbestimmter Rechtsbegriff, und dadurch, daß wir statt „sollen angeglichen werden" sagen: „sind anzugleichen", wird die Bestimmtheit nicht stärker. Aber wir geben mit der Ist-Vorschrift den Menschen an der Saar das Gefühl, daß der Deutsche Bundestag in jedem Falle die Schwankungen, die sich aus der besonderen Lage in dem dortigen Wirtschaftsgebiet ergeben, berücksichtigen muß und daß es sich nicht nur um einen Befehl 'an den Gesetzgeber, an die Bundesregierung handelt, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen, über das dann hier erst noch entschieden werden muß. Wir waren uns im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung alle darüber im klaren, daß ohnehin das Wort „angleichen" auch für die Bundesregierung noch einen Spielraum läßt. Ich möchte Sie daher doch noch einmal auch im Hinblick auf die an der Saar entbrannte Diskussion bitten, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218101600
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.

Karl Hübner (FDP):
Rede ID: ID0218101700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Forderung, die hier der Kollege Schmitt (Vockenhausen) zu § 13 Abs. 2 aufgestellt hat, fehlt nicht nur jedes Bedürfnis, sondern sie entbehrt auch jeder Zweckmäßigkeit.

(Abg. Brück: Sehr richtig!)

Hier wird doch einfach gefordert, daß das Tarifvertragsrecht von den höchsten Behördenleitern auf den Präsidenten der Oberpostdirektion delegiert werden soll.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Ist doch ein Sonderfall!)

— Aber Herr Kollege Schmitt (Vockenhausen), was bedeutet denn das? Damit stehen doch die Vertreter der Arbeitnehmer einem mittelbaren Tarifvertragspartner gegenüber, der gar kein eigenes Etatrecht hat, der in seinen Entschlüssen jedesmal abhängig, und zwar nach wie vor abhängig ist von den Weisungen des Bundespostministers, weil der Bundespostminister allein für den Etat verantwortlich ist.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das Saarland hat doch einen Sonderhaushalt!)

Dadurch würde sich doch einfach die Praxis entwickeln, daß die Arbeitnehmervertreter sich nach wie vor an den Bundespostminister wenden werden, und damit ist doch gar nichts gewonnen. Es zeigt sich doch auch immer wieder das Bedürfnis — das spüren wir doch jeden Tag aufs neue —, daß die Vertreter von Forderungen möglichst weit nach oben vorstoßen wollen, um ihre Sorgen und Wünsche unmittelbar vorbringen zu können. Der Kollege Brück hat auch darauf hingewiesen, daß Sie doch gerade im Verwaltungsrat, in dem Sie stark vertreten sind, die Möglichkeit haben, darüber zu wachen, daß hier eine Benachteiligung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Saargebiet, soweit der Bund dafür verantwortlich ist, nicht auftritt. Ich sehe also weder ein Bedürfnis noch irgendeine Zweckmäßigkeit für diese Regelung und bitte Sie deshalb, den Antrag abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218101800
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 877*) Ziffer 2 Buchstabe a. Das ist die Ergänzung des § 13 Abs. 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse sodann abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 877 Ziffer 2 Buchstabe b. Das ist die Änderung in § 13 Abs. 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 13 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 14 und 15. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen angenommen.
`) Siehe Anlage 4.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Ich rufe auf § 16 und dazu die Änderungsanträge auf Umdruck 877 Ziffer 3 und Umdruck 883. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0218101900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung war so ,.freundlich", die Einführung von Bundesgesetzen im Saargebiet durch Rechtsverordnung in § 16 der Regierungsvorlage damit zu begründen, daß dadurch dem Parlament die Arbeit erleichtert werde. Sie war auch der Meinung, daß die Einschaltung des Bundesrats nicht erforderlich sei.
Unsere grundsätzlichen Bedenken gegen ein solches Verfahren hat meine Fraktion bereits im Ausschuß zum Ausdruck gebracht. Ich will sie hier nicht wiederholen. Die Ausschußvorlage hat den Bedenken der Opposition aber wenigstens teilweise Rechnung getragen, in dem sie vorsieht, daß Rechtsverordnungen, die sich auf Bundesgesetze beziehen, die der Zustimmung des Bundesrates bedurften, zustimmungspflichtig sind. Allerdings ist es der Opposition nicht gelungen, der in § 16 Abs. 2 vorgesehenen Anhörung der Saarregierung vor Erlaß einer Rechtsverordnung insofern ein größeres Gewicht zu verleihen, als im Falle des Widerspruchs der Regierung des Saarlandes die Einführung von geltendem Bundesrecht im Saarland nur auf dem Wege der Bundesgesetzgebung erfolgen könnte. Mit Umdruck 877 Punkt 3*) stellen wir diesen Antrag und bitten Sie, folgende Gesichtspunkte dabei zu berücksichtigen.
Die Diskussion im Saarland in den letzten Wochen hat gezeigt, daß gewissen Kreisen daran lag, bestehende Unruhe in der Bevölkerung über die Entwicklung nach dem 1. Januar 1957 noch zu fördern. Erfreulicherweise — und ich möchte beinahe sagen: selbstverständlich — war die Mehrzahl der politischen Kräfte absolut verständnisvoll und staatspolitisch verantwortungsvoll. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das Saarland währungs- und wirtschaftspolitisch eine völlig andere — und unvergleichbare — Entwicklung durchgemacht hat als jedes andere Land der Bundesrepublik. Die Eingliederung auf allen Gebieten ist sehr behutsam vorzunehmen und bedarf in den entsprechenden Gesetzen der vollen Unterstützung des Bundestages, um hier von einer breiten Vertrauensbasis getragen zu sein. Gerade aus diesem Grunde sollte man der Saarregierung, die gewisse Bedenken anmeldet, keine Schwierigkeiten bereiten, die Einführung von Bundesrecht im Interesse der Saarbevölkerung eingehend und sachlich prüfen zu können und über die bloße Anhörung hinaus das gesamte Bundesparlament einzuschalten. Ich glaube, das ist um so leichter zu erreichen, als der Normalfall eben de .sein wird, diese Gesetze auf dem Verordnungswege im Saarland einzuführen. Aber in Zweifelsfällen sollte man das ganze Parlament einschalten, um der saarländischen Regierung eine gewisse Rückensicherung zu geben.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Ich darf, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis auch gleich den Antrag Umdruck 883**) zu § 16 begründen. Mit diesem Antrag möchten wir dem § 16 einen Abs. 4 hinzufügen. Der Innenminister hat zwar schon erklärt, daß alle Bundesgesetze, die in diesem Jahr verabschiedet werden, auch noch vor dem 31. Dezember 1956 verkündet werden sollen.
s) Siehe Anlage 4.
**) Siehe Anlage 7.
Meine Fraktion möchte aber doch zu bedenken geb en, daß irgendwelche unvorhergesehenen Verzögerungen eintreten könnten und dann diese Gesetze doch erst nach dem 1. Januar 1957 in Kraft treten. In diesem Fall wäre es wünschenswert, wenn diese sich für das Saarland ergebenden Fragen hier noch einmal besprochen werden könnten.
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, der Einfügung des Abs. 4, der da heißt:
Bundesgesetze, die vor dem 31. Dezember 1956 verabschiedet worden sind und nach dem 1. Januar 1957 verkündet werden, treten im Saarland nur nach Maßgabe der Vorschriften der Absätze 1 bis 3 in Kraft
ebenfalls zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218102000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kihn.

Dr. Karl Alfred Kihn (CSU):
Rede ID: ID0218102100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beantragte Anfügung an § 16 würde die Einführung von Bundesrecht im Saarland unnötig erschweren. Es ist beabsichtigt, daß sich die Bundesregierung und die saarländische Regierung vor dem Erlaß der Rechtsverordnungen gegenseitig ins Benehmen setzen. Sollte in einem wesentlichen Falle eine Übereinstimmung nicht erzielt werden, so steht es dem Bundesgesetzgeber frei, sich jederzeit einzuschalten und im Wege der Bundesgesetzgebung eine Regelung zu treffen. Ich halte die beiden Anträge für entbehrlich und bitte, sie abzulehnen.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218102200
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über Ziffer 3 des Antrags der Fraktion der SPD Umdruck 877*) abstimmen, demzufolge in § 16 ein Abs. 3 eingefügt werden soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 883**), demzufolge dem § 16 ein Abs. 4 — es wäre jetzt allerdings dann ein Abs. 3 — anzufügen ist. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 16 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 17 sowie § 17 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe die Anträge Umdrucke 879***) und 877*) Ziffer 4 auf, nach denen ein § 17 b eingefügt werden soll. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 5.


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218102300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe nicht mit sehr viel Mut hier herauf, nachdem wir gesehen haben, daß sogar redaktionelle Anträge wie der zu § 16 Abs. 4 von Ihnen abgelehnt werden. Wenn ich das noch mit der Rundfunkmeldung von heute morgen in Zusammenhang bringe, wonach Sie geschlossen ohne Fraktionszwang alle unsere Anträge ablehnen werden, dann können Sie sich denken, wie es jemandem zumute ist, der hier Anträge vor Ihnen begründen muß.

(Sehr wahr! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für unseren Antrag unter Ziffer 4 gilt das — und es gilt sogar noch in erhöhtem Maße —, was ich bereits zu § 13 ausgeführt habe. Während es sich ja bei unseren Anträgen zu § 13 nur um eine kleine Gruppe von Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes — nämlich um die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Bundespost und der Bundesbahn — handelt, geht es hier um die wirtschaftliche und soziale Stellung aller arbeitenden Menschen an der Saar. Das ist in einem so hochindustrialisierten Gebiet der größte Teil der Bevölkerung, so daß gerade dieser Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und der Antrag der Freien Demokraten besonderes Gewicht haben. Sozialer Besitzstand, meine Damen und Herren, ist, wie im Ausschuß gesagt worden ist, kein bestimmter Rechtsbegriff. Aber ich hoffe doch, daß es niemand in diesem Hause gibt, der nicht weiß, was die Menschen an der Saar heute darunter verstehen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Es sind die Rechte der Arbeiter und Angestellten, der Rentner und der Kriegsbeschädigten, die nach dem geltenden Recht im Saarland günstiger sind und bei denen die leistungsmäßige Seite dieser Rechte besser als bei uns in der Bundesrepublik ist. Schon vor den Wahlen im Jahre 1955 haben Abgeordnete aller Parteien des Deutschen Bundestages in klarer Erkenntnis der bei einer Eingliederung sich ergebenden Probleme in vielen Versammlungen inner- und außerhalb des Saarlandes erklärt, daß der soziale Besitzstand der Menschen an der Saar erhalten bleiben müsse. Ich darf auch hier auf das Beispiel Elsaß-Lothringens verweisen, wo die französische Regierung damals die deutsche Sozialversicherung hat weiter bestehen lassen, soweit dadurch eine günstigere Regelung für den einzelnen bestand.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218102400

Dabei hatten sowohl der Herr Bundeskanzler
als auch meine Kabinettskollegen ernste Bedenken gegen den Schlußsatz des dritten Absatzes der Verlautbarung („Auch dabei wird der soziale Besitzstand gewahrt bleiben.").
Der Herr Bundesarbeitsminister fügt hinzu — man kann eigentlich nur lächeln über diese Art —:
Ich würde Ihnen deshalb sehr dankbar sein, wenn Sie bei der zukünftigen Verwendung unserer Verlautbarung diesen Satz weglassen würden.

(Lachen bei der SPD.)

Mit diesem Brief war praktisch eigentlich alles Vereinbarte gegenstandslos, und ich frage mich, warum der Herr Bundesarbeitsminister überhaupt eine solche Verlautbarung mit dem saarländischen Arbeitsminister herausgegeben hat. Es sind dann am Mittwoch dieser Woche noch einmal Verhandlungen geführt worden, die nach Mitteilung des Bundespresseamtes erneut zu einem Kabinettsbeschluß geführt haben, den ich Ihnen im Wortlaut zitieren möchte, damit Sie sehen, wie völlig unzureichend dieser Kabinettsbeschluß die Belange der Menschen an der Saar berücksichtigt. Es heißt darin:
Im Saarland gelten zur Zeit für die Gewährung von Lohn- und Sozialleistungen andere, dem deutschen Recht fremde Systeme.
Das ist auch nur bedingt richtig und soll von dem eigentlichen Sachverhalt ablenken.
Es ist daher notwendig, in der Zeit zwischen der politischen und wirtschaftlichen Eingliederung eine Angleichung im System vorzunehmen, um der Saar nach ihrer Eingliederung die Vorteile der deutschen Regelung auch voll zuteil werden zu lassen. Eine Verschlechterung der sozialen Gesamtleistungen
— und hier, meine Damen und Herren, bitte ich besonders aufzumerken —wird hierdurch weder bedingt, noch ist sie beabsichtigt.
Mit einer solchen Erklärung ist niemandem geholfen — darüber sind wir uns alle klar —, denn sie geht an dem Sachverhalt vorbei. Niemand hindert die Bundesregierung daran, Verbesserungen an der Saar einzuführen — weder wir noch die Menschen an der Saar; sie werden von uns in diesem Hause immer begrüßt werden —, aber das Arbeits- und Sozialrecht an der Saar bringt doch unbestritten günstigere Regelungen, und um deren Erhaltung geht es uns. An dieser Frage geht die Erklärung des Bundeskabinetts völlig vorbei.
Wir wollen keine Vereinheitlichung um jeden Preis. Man kann auch die Eingliederung des Saarlandes nicht mit der Bildung der Bundesrepublik und der Angleichung des Rechts innerhalb der früheren Besatzungszonen vergleichen. Dafür ist das Saarland allzusehr einen besonderen Weg auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet gegangen. Das muß heute berücksichtigt werden.
Leider ist unser Antrag auf Einfügung eines § 17 b im Ausschuß abgelehnt worden und hat seinen Niederschlag nur in einem Entschließungsantrag gefunden. Mit Entschließungen und mit Erklärungen ist den Menschen an der Saar nicht gedient. Sie dürfen doch nicht glauben, meine Damen und Herren, daß das, was sich in den letzten Jahren in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Rentenreform und der Kriegsopferversorgung ereignet hat, im Saarland unbekannt geblieben sei!

(Beifall bei der SPD.)



(Schmitt [Vockenhausen])

Die Menschen an der Saar wissen auch, wie groß die Diskrepanz zwischen den Versprechungen, Zusagen, Entschließungen und Empfehlungen einerseits und der sozialen Wirklichkeit hier bei uns andererseits ist.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE. — Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

— Ich habe hier, Herr Kollege Hellwig, ein Telegramm der Kriegsopferverbände an der Saar; Sie werden ja in diesen Tagen auch eine Reihe von Zuschriften bekommen haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Hellwig.)

Wir können die Beunruhigung, die eingetreten ist, heute nur durch eine klare Entscheidung beseitigen. Das muß Ihnen um so leichter fallen, als Sie, wenn Worte einen Sinn haben, dasselbe wollen wie wir.
Ich möchte deshalb bitten: helfen Sie durch Annahme unseres Antrags, den Menschen an der Saar eine klare Rechtsgrundlage zu geben. Wir leisten damit nicht zuletzt auch der Wiedervereinigung einen guten Dienst.
Ich beantrage im Namen der sozialdemokratischen Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218102500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0218102600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ganz selbstverständlich, daß es, wenn die Saar in das Bundesgebiet eingegliedert werden soll, sehr schwierige arbeitsrechtliche, sozialpolitische und auch fürsorgerische Fragen gibt. Die Entwicklung an der Saar war dadurch, daß sie seither politisch, aber auch währungspolitisch und wirtschaftspolitisch in den französischen Bereich eingegliedert war, anders als bei uns. In der Zeit, als wir bei uns in Deutschland 2 Millionen Arbeitslose hatten, gab es an der Saar keine Arbeitslosen. In der Zeit, als wir im Bundesgebiet annähernd 10 Millionen Flüchtlinge eingliedern mußten, war eine derartige Aufgabe an der Saar nicht gegeben.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Nun stehen wir vor der erfreulichen Entwicklung, daß unsere Brüder und Schwestern an der Saar zu uns zurückkehren, leider im Anfang nur politisch. Wir haben es also in Wirklichkeit bei dem auf uns Zukommenden mit drei besonderen Daten und Tatbeständen zu tun. Am 1. Januar erfolgt die politische Eingliederung. Dabei sind wir uns wohl alle klar, daß alle Leistungen, die seither an der Saar finanziell gegeben wurden, auch weiter so gewährt werden müssen, weil die Saar ja auch steuerpolitisch vorläufig nicht eingegliedert wird.
Soweit es sich um die arbeitspolitischen und sozialpolitischen Fragen handelt, stehe ich mit dem Arbeitsminister an der Saar schon so lange in Verbindung, wie es die neue Saarregierung gibt. Der Herr Kollege Conrad und ich waren uns immer wieder darüber völlig im klaren, daß man alle die Probleme, die hier auftreten, gemeinschaftlich behandeln muß.
Dafür ist es erst einmal notwendig, daß man eine ganz klare Ubersicht über die Tatbestände hier und dort hat. Unsere Sachbearbeiter der beiden Ministerien haben diese Gegenüberstellung in monatelanger Arbeit fertiggestellt. Ich stehe gar nicht an, zu sagen, daß jedes interessierte Mitglied dieses Hohen Hauses diese Unterlage von uns bekommen kann. Denn wir werden uns in der Zukunft noch sehr oft mitdiesen Dingen zu beschäftigen haben; darüber bin ich mir völlig im klaren.
Aber man muß letzten Endes auch davon ausgehen, daß arbeitsrechtlich an der Saar andere Verhältnisse bestehen als bei uns. Herr Conrad sagt, bei ihm im Saargebiet sei ein Gesetz über das Tarifvertragswesen fertiggestellt, und es werde am 1. April kommenden Jahres wirksam werden, ein Gesetz, das wörtlich das Tarifvertragsrecht aus unserem Tarifvertragsgesetz übernimmt. Damit kommen wir schon vor ganz neue Tatbestände. Der Staat hat dann nicht mehr in die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen mit einzugreifen, sondern diese unterliegen der Eigenverantwortlichkeit der Sozialpartner. Sie wissen ja, daß sich die Arbeitgeberverbände an der Saar mit den Arbeitgeberverbänden in der Bundesrepublik bereits zusammengeschlossen haben. Bei den Gewerkschaften sehen Sie genau dasselbe Bestreben. Die sogenannten freien Gewerkschaften an der Saar sind heute bereits Bestandteil des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Damit kommen wir meines Erachtens in die echte Diskussion über die zukünftige Gestaltung der Lohnbedingungen überhaupt.
Wenn Sie sich heute die Systeme ansehen, finden Sie bei uns im wesentlichen den Leistungslohn, während an der Saar durch die Kindergeldgesetzgebung mehr ein Familienlohn gegeben ist. Die Dinge laufen auseinander. Wir haben ein Kindergeldgesetz.

(Zurufe vom GB/BHE und von der SPD: Ein sehr schlechtes sogar!)

— Ob das gut oder schlecht ist, ist in der Gegenüberstellung doch nicht das Entscheidende,

(Lachen bei der SPD und dem GB/BHE)

sondern das Entscheidende dabei ist, daß der Mensch, der ernst an den Dingen arbeitet, weiß, was ist.

(Zuruf von der SPD: Nicht, daß es schlechter ist? — Weitere Zurufe links.)

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt die Frage an die Sozialpartner an der Saar: wollen sie in der Zukunft nach 'der in der Bundesrepublik geltenden Ordnung einen Leistungslohn, oder wollen sie einen Familienlohn? Das liegt ganz und gar bei den Verantwortlichen, und das sind dort die Sozialpartner. Denn darüber sind Sie sich doch wohl vollständig klar, daß eine Lohneinheit nicht gebildet werden kann, wenn die eine Seite 12 % des Lohnes vorweg an Familienausgleichskassen zahlen muß.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das sind Probleme, die vor uns stehen, und da sollten wir uns im politischen Raum meines Erachtens nicht allzusehr ereifern, sondern es erst einmal den Sozialpartnern überlassen, von sich aus eine Meinung zu bilden. Ob wir sie dann politisch anerkennen, ist etwas ganz anderes.

(Abg. Hansen [Köln] : Warum dann die Erklärung, Herr Minister? — Gegenruf des Abg. Schüttler: Die ist genauso zu verstehen! — Weitere Zurufe links.)

— Die Erklärung? Lesen Sie die Erklärung doch
mit offenen Augen, und Sie finden, daß der Be-


(Bundesarbeitsminister Storch)

stand, der zur Zeit an der Saar gegeben ist, am
1. Januar nicht geändert wird, sondern er bleibt so.
Dann kommt die zweite Periode: die Zeit des Übergangs. Auch hier sind wir uns völlig einig darüber, daß der gesetzgeberische Stand nicht über diese zweieinhalb oder drei Jahre bestehen wird. Sowohl bei uns als auch an der Saar wird man auf Grund der gegebenen Verhältnisse eine Weiterentwicklung haben. Sie wissen, daß das bei uns auf dem Gebiet der Rentenversicherung der Fall ist. Sie wissen, daß wir vor der Frage stehen, unser Kindergeldgesetz einer Überprüfung und Neuordnung zu unterziehen.

(Zurufe von der SPD und dem GB/BHE.)

— Meine Damen und Herren, ich verstehe Sie wirklich nicht; Sie haben das doch in einer Entschließung verlangt, nachdem im vergangenen Jahr das Schlußgesetz gemacht worden ist. Und Sie sollten sich doch darüber freuen, wenn die Vorlagen nun auch entsprechend Ihren Beschlüssen erarbeitet werden.

(Beifall in der Mitte.)

Zur Zeit besteht auf sozialpolitischem Gebiet überhaupt keinerlei Gefahr. Der verantwortliche Minister an der Saar und ich sind uns darüber einig, daß wir in der Zwischenzeit bei der Fortentwicklung der Gesetzgebung so eng zusammenarbeiten wollen, daß sie in der Übergangszeit das Recht nicht mehr auseinanderlaufen läßt, sondern zusammenführt. Das ist doch der Sinn der Verlautbarung.

(Anhaltende Zurufe von der SPD.)

— Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihnen keine Antwort gebe; diese Zurufe kann ich hier nicht verstehen. Es wäre viel besser, man stellte eine Zwischenfrage oder meldete sich als Redner zu Wort.
Wir kommen dann zu der dritten Phase, zu der endgültigen Eingliederung der Saar nicht nur im politischen, sondern auch im währungs- und wirtschaftspolitischen Raum. Wenn es uns gelingt, in der Zwischenzeit die ganze Gesetzgebung auf beiden Seiten so zu beeinflussen, daß die heute bestehende Lücke auf der einen Seite zugunsten der Einwohner der Bundesrepublik, auf der anderen Seite zugunsten der Leute an der Saar geschlossen wird, wenn es uns also gelingt, die Dinge zusammenzuführen, dann ist es bei der endgültigen Eingliederung der Saar sehr leicht. Wir sollten unsere ganze Tätigkeit in den nächsten Jahren darauf einstellen. Ich bin der Überzeugung, daß uns dies gelingt, wenn nur bei allen der gute Wille vorhanden ist.
Nun ein ganz kurzes Wort zu dem Brief, den ich an den Arbeitsminister an der Saar geschrieben habe. Wir hatten uns zusammengesetzt und eine gemeinschaftliche Verlautbarung erarbeitet. Dabei ist ganz klar ersichtlich, daß das, was im dritten Absatz gesagt worden ist, für die zweite Phase sehr wohl maßgebend sein kann. So hatten wir es gemeint. Man kann es allerdings auch so lesen, wie wenn es für die Endphase bestimmt sei.

(Zurufe von der SPD.)

Ich habe diesen meinen Brief dem Herrn Kollegen Conrad am 5. geschrieben, und er ist bestimmt am 6. an der Saar angekommen. Der Herr Kollege Conrad hat mir gesagt, er habe ihn erst am 10. abends bekommen. Nichts wäre leichter gewesen, als daß dann der Herr Kollege Conrad zu mir gekommen wäre oder mir auch nur telefoniert und gesagt hätte: der Schlußsatz in dem Abs. 3 ist, wie er es
jetzt auch hier erklärt hat, nur für die Übergangszeit gedacht. Dann hätte ich gesagt: Herr Kollege Conrad, schicken Sie mir den Brief zurück, denn wir sind uns völlig einig.
Sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren, so ist infolge unglücklicher Umstände, weil ich nämlich vorgestern nicht in Bonn, sondern in Luxemburg gewesen bin, ein Wirbel entstanden, der meines Erachtens nicht notwendig gewesen ist; denn bisher ist es bei uns in der Bundesrepublik zwischen den Arbeitsministern der Länder und dem Arbeitsminister des Bundes nicht üblich gewesen, einen Briefwechsel zu veröffentlichen, ohne daß man sich vorher noch einmal über die Dinge ausgesprochen hatte.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Er ist noch gar nicht hier und kriegt schon einen Anranzer! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich will Ihnen nur eins sagen: selbst diese Vorgänge haben dem guten Einvernehmen zwischen Herrn Conrad und mir keinen Abbruch getan.

(Zurufe von der SPD: Na also!)

Ich habe Verständnis für seine Situation. Er hat aus dem Brief etwas anderes gelesen, als eigentlich damit gemeint war, und das nehme ich ihm nicht übel.

(Zurufe von der SPD.)

— Nun ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, im politischen Raum werden Briefe so und so kommentiert, das wissen Sie, selbst in Ihren eigenen Reihen.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Deshalb bin ich der Meinung, Sie sollten in das Gesetz heute auf keinen Fall eine Bestimmung einbauen, die die organische Eingliederung und die organische Fortentwicklung der Gesetzgebung auf der einen oder auf der anderen Seite hemmen oder beeinflussen könnte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218102700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Friese-Korn.

Lotte Friese-Korn (FDP):
Rede ID: ID0218102800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich mit der Begründung unseres Antrages auf etwas offenere Ohren stoße, als sie Herr Kollege Schmitt für seinen Antrag vermutet hat, zumal es sich in unserem Antrag nur um ein Recht für die Empfänger von Sozialleistungen handelt. Meine Herren und Damen, wir halten es nicht nur für unsere Ehrenpflicht, sondern auch für eine notwendige Anerkennung der besonderen Verhältnisse an der Saar, daß in dem Eingliederungsgesetz die Wahrung des Besitzstandes der Beamten, Angestellten, Arbeiter und der Empfänger von Sozialleistungen geregelt wird. Unser Antrag bezieht sich allerdings nur auf die Empfänger von Sozialleistungen, weil wir der Meinung sind, daß in diesem Gesetzentwurf bereits durch die Hinzufügung des Abs. 6 in § 13 durch den Ausschuß für innere Verwaltung die Rechte der künftigen Bundesbeamten in dem von uns gewünschten Sinne geregelt werden. Wir sind ferner der Meinung, daß die Beamtenrechte der Landesbeamten genauso einer landesgesetzlichen Regelung unterliegen wie die der Landesbeamten anderer deutscher Bundesländer, und wir möchten, daß dieses Eigenrecht auch erhalten bleibt, zumal


(Frau Friese-Korn)

auch die Beamtengesetze der übrigen Länder durchaus verschieden sind. Noch viel mehr stehen die tarifvertraglichen Bestimmungen für Angestellte und Arbeiter nach unserer Ansicht außerhalb der Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung. Deren Regelung müssen wir den Tarifpartnern überlassen, wie es allezeit unsere Meinung war und wie es ja auch der Wunsch der Tarifpartner ist.
Mit Entschiedenheit halten wir es aber für notwendig, daß der Besitzstand der Empfänger von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung gewahrt wird. Wir legen besonderen Wert darauf, daß sich die Wahrung des Besitzstandes nicht nur auf die bereits fälligen und errechneten Renten bezieht, sondern auch auf die bereits erworbenen Rechtsansprüche, allerdings nur für die, die bis zum 1. Januar 1957 bestanden haben.
Meine Herren und Damen, wir halten diese Einfügung in das Gesetz für so dringend notwendig und die Entscheidung darüber für eine so außerordentlich politische Frage, daß auch wir die namentliche Abstimmung über unseren Antrag Umdruck 879 beantragen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218102900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0218103000
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist eine etwas bedrückende Angelegenheit für einen Menschen, der selber aus einem Gebiet Deutschlands kommt, in dem Deutsche jahrelang den Wunsch nach dem Anschluß und das Gefühl dafür gehabt haben, was der Anschluß an das größere Vaterland bedeutet. Es ist ein bedrückendes Gefühl, daß wir die erste Auseinandersetzung um das Recht an der Saar nun in einem Gespräch führen müssen, bei dem keine einheitliche Meinung in diesem Hause herrscht. Ich glaube, es sollte uns alle zutiefst bewegen, daß nun etwas ganz Natürliches geschieht, auf das wir alle Jahr und Tag gehofft haben: daß das Saarland wieder als ein Teil der Bundesrepublik bestätigt ist, der es in unseren Augen und in unseren Herzen immer gewesen ist. Der Anwendungsbereich des Grundgesetzes wird sich auf das Saarland erstrecken.
Es ist kein Zweifel— insofern stimme ich dem Herrn Arbeitsminister zu —, daß die schwierigsten Probleme des Anschlusses auf dem Gebiet der Lohn-und Sozialpolitik liegen werden. Wir glauben aber, daß die Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Situation zwischen dem Land an der Saar und den übrigen Ländern des Bundesgebietes nicht so groß sind, als daß eine Anpassung an ein einheitliches Bundesrecht zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich wäre. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß wir alle helfen wollen, die großen, schwierigen Probleme — ich denke da nur an die frühzeitige Invalidität der Berg- und Hüttenarbeiter an der Saar — mit zu lösen. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß genau wie damals in Berlin, als die Berufsgenossenschaften des Bundesgebiets mit der Solidarhaftung eingegriffen und wir die Unfallversicherung wiederhergestellt haben, auch hier für die Knappschaft die große Risikogemeinschaft aller Deutschen Wirklichkeit werden wird.
Wir wissen auch, daß der Saarhaushalt diese Lasten und die dazu notwendigen Zuschüsse allein nicht wird tragen können. Hier geht es um eine große gemeinsame Aufgabe. Aber das kann doch nicht Anlaß sein für parteipolitische Auseinandersetzungen oder für irgendwelche Anträge, bei denen man dann aus dem Ergebnis einer namentlichen Abstimmung etwa folgert: Der eine ist für die Arbeitnehmer und für die Beamten an der Saar und der andere ist, wenn er einen vernünftigen, der Gesetzgebung entsprechenden Standpunkt einnimmt, dagegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe es an dieser Stelle so oft gesagt: sozialpolitische Beschlüsse sind niemals Entscheidungen für eine Stunde, auch nicht für wahlpolitische Auseinandersetzungen, auch dann nicht, Herr Kollege von der SPD, wenn die Parteien an der Saar das im Wahlkampf versprochen haben. Über den Wert der „Errungenschaften der französischen Sozialpolitik" — ich meine Errungenschaften in Anführungszeichen, weil ich ihre Kosten, ihren Preis kenne — haben sich ja auch die Arbeiter und Angestellten an der Saar eine klare Meinung gebildet. Nur bei einem gemeinsamen Wohlstand in der Bundesrepublik, von der die Saar ein Teil, und zwar ein unlösbarer Bestandteil ist und für alle Zukunft sein soll, wird es möglich sein, allen deutschen Arbeitern und Angestellten einschließlich der Beamten die gleichen Chancen, die gleichen Möglichkeiten und das gleiche Recht zu geben. Ich glaube, die Menschen an der Saar sind davon überzeugt, daß nur die gleiche wirtschaftliche Chance auch die Garantie für die gemeinsame Sozialpolitik ist.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Deshalb sollten wir doch die Probleme, die sich aus dem Wechselkurs und dem wirklichen Kaufkraftverhältnis der Löhne und Leistungen ergeben, die Probleme der Lohn- und Sozialpolitik an der Saar so ruhig und so sachlich diskutieren, wie wir sie auf der Grundlage des jetzigen Vertrags allein diskutieren dürfen. Wir sollten — ich warne die Kollegen, die das tun— keinen Zweifel in den Willen zum Helfen und in das Wollen zur gemeinsamen Sozialpolitik setzen.
In der jetzigen Phase ist es Sache des Landtages an der Saar, Beschlüsse zu fassen, und die verantwortlichen Abgeordneten an der Saar müssen sich darüber klar sein, daß ihre Beschlüsse möglichst jetzt schon in Übereinstimmung mit dem einheitlichen Wollen der deutschen Menschen im ganzen Bundesgebiet gebracht werden sollten.
Hier ist auf die Höhe des Sozialetats an der Saar hingewiesen worden. Meine Herren und Damen, die Höhe des Sozialetats an der Saar sagt über die Wirklichkeit der sozialen Leistungen und ihre Wirkung für den einzelnen genauso wenig aus wie die Höhe des Sozialetats in anderen Ländern. Der Kollege der SPD hat auf Elsaß-Lothringen hingewiesen und uns aufgefordert, doch recht großzügig zu sein. Meine Herren und Damen, es ist immer eine gefährliche Sache, Modelle der Sozialpolitik mit Aufforderungen zu errichten, die nie mehr reparabel sind, noch dazu mit emotionellen Begründungen, die, was so ungeheuer gefährlich ist, Zündstoff und Anlaß zu fortgesetzten politischen Auseinandersetzungen geben, die unnötig sind. Die Erfahrungen mit dem Berliner Sozialversicherungsrecht, die bedauerliche Erfahrung, daß wir heute nach zwölf Jahren noch keine Rechtseinheit im Bundesgebiet und Berlin haben, sollten alle unsere


(Frau Kalinke)

' Freunde an der Saar abschrecken, sich etwa auf eine gleiche Auseinandersetzung einzulassen. Die Gespräche bei jeder Kabinettsbildung in Berlin sollten genauso abschreckend sein.
Es ist mit Recht gesagt worden: „Sozialer Besitzstand" ist kein besonderer Begriff. Ich will mich jetzt mit Ihnen nicht darüber unterhalten, was in unserer Generation „sozialer Besitzstand" für die Millionen Heimatvertriebener und derjenigen, die keine Chance mehr haben, an dem Erfolg unserer Wirtschaft teilzuhaben, bedeutet. Aber ich warne auch alle diejenigen, die immer wieder glauben, daß man Wahlversprechungen machen und Gespräche führen kann, ohne deren Inhalt nachher einhalten zu müssen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218103100
Man sollte auch Briefe so schreiben, daß sie nicht unterschiedlich kommentiert werden können.

(Zuruf rechts: Richtig!)

Man sollte immer sehr deutlich sagen, was man will, was man kann und was man zur Zeit noch nicht kann oder noch nicht will. Im übrigen, meine Kollegen und Kolleginnen, erwecken Sie nicht durch Versprechungen Hoffnungen, die zu erfüllen nicht die Aufgabe des Bundestages in dieser Stunde ist und kein kann!

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Der Herr Bundesminister für Arbeit hat uns gesagt, daß er uns die Vergleiche zur Verfügung stellen will. Nun, ich glaube, die verantwortungsbewußten Sozialpolitiker in diesem Hause in allen Fraktionen haben sich längst mit diesen Vergleichen beschäftigt. Wir wissen selbstverständlich, daß Sozialpolitik nicht ohne Ansehen der Steuerpolitik, der Währungspolitik und der Wirtschaftspolitik gemacht werden kann. Das gilt für die Saar genauso gut wie für die ganze Bundesrepublik.
Worum handelt es sich denn bei den Gesprächen um die Lohnpolitik? Es handelt sich in Wirklichkeit darum, daß an der Saar ein Teil der Lohnsumme abgezweigt wird und als Familienzulage neu verteilt wird. Ohne die Familienzulagen sind die Löhne an der Saar wesentlich niedriger als in vergleichbaren Gebieten. Aber bei einem Lohnvergleich zwischen dem Familienlohn an der Saar und dem Reallohn an der Ruhr werden die Leute von der Saar, wenn ihre Gewerkschaften die Lohnpolitik des Bundesgebiets betreiben werden, immer im Vorteil sein.
Ich gebe Frau Friese-Korn recht, daß das Recht der Landesbeamten den Ländern erhalten bleiben sollte. Ich freue mich über dieses Bekenntnis zu einem gesunden und natürlichen Föderalismus. Ich gebe ihr auch recht, daß die Tarifpartner autonom bleiben sollten. Wir sollten nicht versuchen, immer wieder dann, wenn es uns paßt, in die Autonomie der Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzugreifen. Wir wollen keine staatliche Schlichtung und keine staatliche Lohnpolitik. Wir wollen die Freiheit der Gewerkschaften und der Arbeitgeber an der Saar, in dieser Periode selber zu entscheiden, wohin der Weg gehen soll. Wir wollen die Freiheit für den Landtag an der Saar in der entscheidenden dritten Periode.
Aber wenn es um die Eingliedrung geht und wenn es um das einheitliche Recht für alle Deutschen geht, dann wollen wir — das möge dann beispielgebend für Gesamtdeutschland und für die
DDR sein — nicht sogenannte soziale Errungenschaften der französischen Sozialpolitik und nicht sogenannte soziale Errungenschaften der DDR, sondern dann wollen wir hier gemeinsam sozialpolitische Erfolge unserer Wirtschaftspolitik für a 11 e Deutschen beraten.

(Beifall bei der DP.)

Daß dies nicht geschehen kann ohne Geben und Nehmen, ohne die Bereitschaft, das gemeinsame Schicksal auch da zu tragen, wo man Opfer bringen muß, das werden die Menschen an der Saar sicherlich besser verstehen als mancher hier in der Bundesrepublik.
Die Wünsche der Arbeiter und Angestellten an der Saar werden wir zu respektieren haben. Schon liegen uns diese Wünsche vor. Die Anpassung an das gleiche System der Krankenversicherung, die anderen Versicherungspflichtgrenzen, das Problem der Familienzulagen, die Rentenreform, die Knappschaftsreform usw. müssen auch jetzt schon im Hinblick auf das große Gemeinsame der deutschen Sozialpolitik gesehen werden.
Meine Herren und Damen! Ich schließe mit dem Appell, daß Sie bei Ihrer Entscheidung doch bedenken mögen, daß die Tugenden unseres Volkes, für eine bessere Sozialpolitik mehr zu arbeiten, von der Bevölkerung an der Saar, die ein unlösbarer Bestandteil dieses Volkes ist, genauso gut verstanden werden wie unsere Abstimmung jetzt, mit der wir den Antrag der SPD ablehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218103200
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.

Helmut Petersen (GB/BHE):
Rede ID: ID0218103300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht wohl Klarheit und Einmütigkeit in diesem Hause darüber, daß der soziale Besitzstand an der Saar auf vielen Gebieten erheblich besser ist als bei uns im Bundesgebiet, insbesondere in der Kriegsopferversorgung und in der Kindergeldgesetzgebung. Die Forderungen des Saarlandes nach Erhaltung seines besseren sozialen Besitzstandes haben ein moralisches Gesicht und Gewicht, zumal dann, wenn ihnen Versprechungen vorausgegangen sind. Diese Versprechungen wurden keineswegs etwa nur im Wahlkampf gemacht, sondern sie sind auch von dem Herrn Bundesarbeitsminister erst vor wenigen Tagen in einer Besprechung mit dem zuständigen Ressortminister des Saarlandes Conrad abgegeben worden. Aber sie sind dann widerrufen worden, und sowohl die Erklärungen, die bei dem Widerruf, als auch die, die in den heutigen Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers gegeben wurden, haben keinerlei Klarheit gebracht. Klarheit besteht nur insofern, als die Unklarheit der Bundesregierung darüber, was sie nun eigentlich auf dem sozialen Gebiet für die Saarländer tun will, eindeutig ist.
Wir müssen uns doch drei Fragen vorlegen: Will die Bundesregierung den sozialen Besitzstand an der Saar so, wie er ist, vollkommen erhalten, oder will sie ihn auf Teilgebieten erhalten, und auf welchen, oder will sie ganz generell in eine Überprüfung eintreten und den sozialen Besitzstand der Saarländer auf unsere Basis bringen und damit zumindest zum Teil erheblich verschlechtern?
Der Herr Bundesarbeitsminister hat beispielsweise in der Frage der Kindergeldgesetzgebung —


(Petersen)

an der Saar wird schon für das erste Kind das Kindergeld gezahlt — dahin argumentiert, daß das Kindergeld an der Saar ein Teil des Lohnes, also ein Familienlohn sei. Nun, meine Damen und Herren, dann müßte er sich doch mit der Frage auseinandersetzen: Ist unser Kindergeld in seiner Gestaltung gut, oder ist es nicht gut? Bietet die Saar nicht auch für den Herrn Familienminister den Anreiz, Fortschritte auf diesem Wege auch bei uns zu suchen? Oder will der Herr Bundesarbeitsminister unter Beibehaltung des weitergehenden Kindergeldes im Saarland dann etwa die dort knapperen Löhne bestehen lassen?
Eines haben wir aber beim Herrn Bundesarbeitsminister besonders vermißt: ein Wort zur Kriegsopferversorgung; sie ist überhaupt nicht angesprochen worden. Hier liegt aber eines der wesentlichen Argumente für die Wahrung des sozialen Besitzstandes, die auch Frau Kollegin Friese-Korn unterstrichen hat. Die Kriegsopferrenten an der Saar sind ganz erheblich höher als bei uns. Es wird hier keiner großen Überlegungen arbeitsrechtlicher und lohnpolitischer Art bedürfen. Man wird , bekennen müssen, ob man eine Kriegsopferversorgung auf der besseren gesunden Basis anstrebt, wie sie das Saarland hat, oder ob unsere Kriegsopferversorgung für das Saarland ausreichend und genügend sein soll, das heißt, daß die Kriegsopfer an der Saar gegenüber dem jetzigen Zustand schlechtergestellt werden sollen. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmitt hat vorhin schon angedeutet, daß wir von Kriegsopferverbänden der Saar hilferufende Telegramme erhalten haben. Alle Fraktionen haben sie erhalten, und ich hoffe, daß ihr Inhalt auch allen Kollegen und Kolleginnen des Hauses bekannt ist. Wir sind uns wohl nicht darüber im Zweifel, daß die Kriegsopfer, abgesehen von ihrem persönlichen Leid, das ihnen der Krieg auferlegt hat, bei der Abstimmung für Deutschland einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Wir können es, glaube ich, nicht verantworten, daß sie diesen Beitrag für die Wiedervereinigung Deutschlands etwa mit einer sozialen Schlechterstellung bezahlen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es sollten hier keine Zweifel bleiben, wir werden notwendige Klarheiten schaffen müssen, und ich denke — das haben wir schon bei der Beratung der 5. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz von diesem Podium aus erklärt —, daß wir danach trachten werden, unsere schwächeren Sozialleistungen in der Kriegsopferversorgung anzuheben. Wir sollten uns einmal mutig dazu bekennen, daß wir das Wirtschaftswunder zwar sehr oft feiern, aber auf dem Gebiet der Sozialpolitik noch eine ganze Reihe von erheblichen Schwächen auszugleichen haben. Meine Damen und Herren, schon tönen — das sei unterstrichen — völlig unberechtigte Propagandafanfaren aus Pankow, etwa in der Richtung, daß die Wiedervereinigung des Saarlandes mit einer sozialen Schlechterstellung verbunden sei. Die Herren in Pankow haben gar kein Recht zu solchen Zweckmeinungen, weil es dort überhaupt keinen echten sozialen Besitzstand gibt. Aber wir dürfen ihnen auch nicht ein billiges Argument liefern; das muß auf jeden Fall vermieden werden.
Meine politischen Freunde werden den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und gegebenenfalls auch den Antrag der Fraktion der FDP voll unterstützen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218103400
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0218103500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mal einige Worte zu dem sagen, was Herr Petersen hier vorgetragen hat. Sicher ist eines: daß bei uns vor allen Dingen das Kriegsopferversorgungsrecht einen ganz andern Weg gegangen ist als im Saargebiet. In den Besatzungszonen der Engländer, der Amerikaner und der Russen war die Fortführung des Versorgungsrechts aus der Weimarer Zeit verboten. Wir standen daher im Jahre 1950 bei einer ungeheuren Sozialbelastung durch die Arbeitslosigkeit und durch den Flüchtlingsstrom vor dem Problem, eine Kriegsopferversorgung aufzubauen, die einmal den berechtigten Interessen weitgehend entgegenkam und auf der andern Seite wirtschaftlich tragbar war. Dabei sind wir in Übereinstimmung mit den bestehenden Kriegsopferverbänden von dem früheren Recht abgegangen und haben eine geteilte Rente eingeführt, die nur in der Grundrente einen unbedingten Rechtsanspruch darstellt. Diese Rente ist verhältnismäßig niedrig gehalten worden, weil alle Leute unseres Erachtens im Arbeitsprozeß standen. Im Saargebiet ist man von dem früheren Versorgungsrecht ausgegangen und hat das auch weiterentwickelt. So haben wir heute den Tatbestand, daß der weniger Beschädigte im Saargebiet eine höhere Rente hat, während bei uns die Renten für den Schwerstbeschädigten einschließlich der Pflegerzulage höher sind.
Beide Dinge haben wir zu sehen, wenn wir in der nächsten Zeit versuchen wollen, bei der gesetzlichen Weiterentwicklung diesen Start, wie ich vorhin gesagt habe, in etwa auszugleichen. Ich bin' nicht der Meinung, daß wir mit diesem Gesetz alle arbeitsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Gesetze anschneiden und auswalzen sollten; dafür ist der Rahmen, der uns hier gegeben ist, einfach zu klein. Grundsätzliche Erörterungen darüber werden jedoch notwendig sein; darüber bin ich mit jedem in diesem Hause einig.
Nun hat Frau Friese-Korn bei der Begründung ihres Antrags eine Sicherung des Besitzstandes auch auf dem Gebiet der Sozialrenten verlangt. Ich möchte dazu einmal auf folgendes 'aufmerksam machen. Wenn wir nach der Übergangszeit in einem einheitlichen Staatsgebilde sind, wird die Zahlung der Renten für die Angestellten an der Saar über die Angestelltenversicherungsanstalt in Berlin vorgenommen. Wir wollen doch wahrscheinlich nicht, daß diese Anstalt die Leute danach beurteilt, in welchem Gebiet Deutschlands sie wohnen. Wir müssen bis dahin also zu einer Einheitlichkeit gekommen sein.
Dazu kommt etwas anderes, was meines Erachtens noch viel schwerwiegender ist. In der Invalidenversicherung haben wir keinen bundeseinheitlichen Versicherungsträger, sondern die einzelnen Landesversicherungsanstalten. Es gibt bei uns Landesversicherungsanstalten, die einen wesentlichen Kassenüberschuß haben, und es gibt andere, bei denen die Mittel für die Leistungen nicht ausreichen, die aus den Beiträgen erfüllt werden müssen. Deshalb haben wir dort den Lastenausgleich. Wir geben beispielsweise heute — und dagegen wendet sich kein Mensch, weil wir die Einheitlichkeit im Bundesgebiet wollen — jährlich zur Erfüllung dieser Aufgaben ungefähr 40 Millionen DM aus den


(Bundesarbeitsminister Storch)

Beiträgen in Westdeutschland nach Berlin. Wir werden auf Grund dieses Lastenausgleichs später der Saar noch viel mehr zu geben haben. Man muß sich darüber klar sein, daß dort das Verhältnis zwischen Beitragsaufkommen und Rentenlast viel schlechter ist als bei uns. Dort hat bereits der Staatszuschuß in der Knappschaftsversicherung 60 % erreicht. Er wird, wenn das neue von uns angestrebte Recht im Saargebiet eingeführt wird, 70 % und wahrscheinlich noch mehr ausmachen. Ich wollte mit diesen Ausführungen nur klarstellen, daß bei der Formulierung des Eingliederungsgesetzes die Anpassungsversuche, die in den nächsten Jahren notwendig sein werden, nicht irgendwie durch eine gesetzlich bindende Bestimmung verhindert werden dürfen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218103600
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.

Hugo Rasch (SPD):
Rede ID: ID0218103700
Herr Präsident! Meine Damen. und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit dem Herrn Bundesarbeitsminister über grundsätzliche Fragen des Rechts der Kriegsopferversorgung zu unterhalten, sondern will lediglich einige Tatsachen doch einmal in das richtige Licht rücken. — Herr Arbeitsminister, vielleicht wären Sie so freundlich, einmal zuzuhören. Sie haben in Ihrem Schreiben an den Herrn Arbeitsminister an der Saar im letzten Satz des zweiten Absatzes ausgeführt — ich darf einmal zitieren —:
Dabei kämen wir aber zu einer sozialen Ungerechtigkeit, weil dann die höheren Leistungen, die in der Bundesrepublik an die arbeitsunfähigen Schwerbeschädigten gezahlt werden, abgebaut werden müßten.
Wo steht denn das geschrieben, daß Sie das tun müßten? Ich möchte Ihnen sagen, Herr Arbeitsminister: was Sie geschrieben haben, ist objektiv falsch!

(Beifall bei der SPD. — Bundesarbeitsminister Storch: Lesen Sie doch den Satz vorher auch! — Abg. Pelster: Das ist nicht wahr!)

— Sie sagen: Das ist nicht wahr! Ich beschäftige mich seit zehn Jahren mit dem Kriegsopferrecht, und Sie müssen mir schon zugestehen, daß ich davon ein klein wenig verstehe.

(Abg. Pelster: Andere Leute auch!)

Ich verwahre mich auch dagegen, daß hier einige Kollegen in bezug auf die Kriegsopferversorgung vom französischen Sozialrecht ,an der Saar gesprochen haben. Ich bin Ihnen, Herr Minister, dankbar, daß Sie es richtiggestellt haben: das Kriegsopferrecht an der Saar ist kein französisches Recht, sondern ein Recht aus der Weimarer Republik. Es ist die Fortentwicklung des Rechts, das 1920 durch die Weimarer Republik geschaffen wurde. Meine Damen und Herren, Sie alle haben die Telegramme aus dem Saarland erhalten, und Sie werden doch wohl nicht annehmen, daß die saarländischen Kriegsopfer in Sorge darum sind, daß sie in Zukunft mehr erhalten. Sie sind vielmehr in Sorge darum, daß sie weniger erhalten; deshalb doch diese Telegramme.
Ich darf es einmal ganz kurz an einem Beispiel darstellen. Ein zu 70 % Schwerbeschädigter — das bedeutet Verlust eines Oberschenkels — an der
Saar erhält, wenn die Währungsumrechnung erfolgt ist, 172 DM. Er erhält in der Bundesrepublik 64 DM. Das sind Renten, Herr Arbeitsminister, die unantastbar sind. Sie werden ihm ja gewährt für seinen erlittenen körperlichen Schaden, während die Personen, die Sie in ihrem Schreiben anführen, nur dann eine höhere Rente erhalten, wenn sie den fürsorgerechtlichen Bestimmungen unterliegen, d. h. wenn sie nicht mehr Einkommen haben, als das deutsche Fürsorgerecht jedem Bürger zugesteht. So ist doch der Tatbestand. Es ist eine Tatsache, daß die Renten an der Saar in der Kriegsopferversorgung im wesentlichen zweieinhalbmal so hoch dotiert sind wie in der Bundesrepublik. Herr Minister, Sie haben mir einmal persönlich vor Wochen gesagt, Sie werden eine Gegenüberstellung machen lassen. Sie haben heute hier erklärt, daß diese Gegenüberstellung gemacht wird. Wir als Opposition und wir als Kriegsopfer haben diese Gegenüberstellung schon fertig. Es wäre vielleicht besser gewesen für Ihre Argumente, wenn Sie uns in diesem Hause diese Gegenüberstellung schon früher gegeben hätten,

(Beifall bei der SPD) als daß Sie sie heute ankündigen.

Gerade die Kriegsopfer und Rentner an der Saar haben einmütig ein Bekenntnis zu Deutschland abgelegt. Wir möchten hier erklären: Wir wollen ihnen ja kein Geschenk machen, wir wollen ihnen nur das erhalten, was sie jetzt haben. Das ist das Entscheidende, und wenn Sie das mit uns wollen, dann bleibt Ihnen nur noch die Verpflichtung, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218103800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kihn.

Dr. Karl Alfred Kihn (CSU):
Rede ID: ID0218103900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthält den Begriff ,,Besitzstand", einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ein solcher ist wohl auslegungsfähig, wenn es sich um die Angleichung von zwei Gesetzen handelt, z. B. von zwei Sozialversicherungsgesetzen. Aber im vorliegenden Falle handelt es sich um die Angleichung verschiedener Rechtssysteme, Sozial-, Wirtschafts-und Währungsrechtssysteme. Die Auslegung würde meines Erachtens für Verwaltung und Rechtspflege große Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube, diese Ergänzung des Gesetzentwurfs wird keine klare Rechtsgrundlage bieten. Es ist natürlich auch möglich, daß Berufung auf den Besitzstand unter Umständen eine Verschlechterung bedeutet. Zu bemerken ist auch, daß ein Stichtag fehlt, nach dem sich der Besitzstand bemißt.
Die Bundesregierung hat ihren Willen kundgetan, den sozialen Status im Saarland zu halten. Die Entschließung, die der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung vorgeschlagen hat, hat das gleiche Ziel. Sollte es sich als notwendig erweisen, so kann der Bundesgesetzgeber dem Anliegen wohl aller Mitglieder dieses Hohen Hauses, den sozialen Status im Saarland weiterhin zu halten, im Wege der Gesetzgebung entsprechen. Da wir der Auffassung sind, daß die Einfügung des § 17 b keine klare Rechtsgrundlage bietet und daher aus den angeführten Gründen entbehrlich ist, bitte ich, den Antrag abzulehnen.

(Beifall in der Mitte.)



Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218104000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (FDP):
Rede ID: ID0218104100
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Minister Storch hat das Anliegen unseres Antrags nicht in vollem Umfang erkannt. Wir fordern nicht, so wie es die SPD in ihrem Antrag verlangt, daß grundsätzlich in den nächsten drei Jahren alle Rechte beibehalten bleiben, die im Saarland bestehen, sondern wir wollen eine Wahrung des Besitzstandes an individuellen Rechten, die am 1. Januar den Saarländern zustanden. Das ist eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem, wie Sie unseren Antrag ausgelegt haben.
Nun sagen Sie, eine solche Wahrung des Besitzstandes sei eigentlich nicht möglich, und man könne den gemeinsamen Mitgliedern in einer Sozialversicherung nicht zweierlei Recht zuerkennen. Wir sind aber nur einem Beispiel gefolgt, das Sie uns gegeben haben; denn in Ihrem Rentenreformgesetzentwurf ist ja auch eine Klausel über die Wahrung des Besitzstandes enthalten. Dort halten Sie es für möglich, daß gewisse Kreise einen höheren Rentenanspruch als die Allgemeinheit behalten. Technisch wären die Dinge also durchaus durchführbar.
Wir selbst sind mit Frau Kalinke der Meinung, daß wir in unserer Bundesrepublik nicht die Fälle Berlin und Bremerhaven wiederholen sollten. Darin sind wir absolut mit Ihnen einig. Wir wollen auf die Dauer nicht zweierlei Recht in der Sozialversicherung in unserem Lande haben. Das besagt auch unser Antrag nicht. Ich wiederhole: Er fordert nur eine gewisse Besitzstandswahrung für die individuellen Rechte, die der einzelne am 1. Januar besessen hat und die — so muß man unseren Antrag auch weiterhin auslegen — langsam in der Zeit, in der die währungsmäßigen Unterschiede verschwinden werden, angeglichen werden. Dann werden auch aus dieser Besitzstandswahrung kaum noch Unterschiede gegenüber den Menschen in gleicher Lage in der Bundesrepublik bestehenbleiben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218104200
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218104300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß die Änderungsanträge, die bezüglich der Besitzstandsklausel gestellt wurden, nicht notwendig sind;

(Sehr richtig! in der Mitte)

denn dieses Hohe Haus hat bewiesen, daß man, wenn es darum geht, verschiedene Rechtssysteme in Einklang zu bringen, Wege finden kann.
Sie wissen, daß im Jahre 1950 für die Kriegsopfer das Bundesversorgungsgesetz geschaffen wurde. In der damaligen Zeit hatten wir auch verschiedene Rechtssysteme. Die Leistungen in der damals französisch besetzten Zone waren anders und höher als in der damals amerikanisch bzw. britisch besetzten Zone. Sie waren nach dem damals in der französischen Zone geltenden alten Rechtssystem aber höher als die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz des Jahres 1950. Seinerzeit ist in diesem Hause gemeinsam ein Weg gefunden worden, um diese beiden Rechtssysteme in einer gewissen Übergangszeit in Einklang zu bringen.
Meine Fraktion ist mit mir der Meinung, daß es uns in diesem Hause dann, wenn über die Einzelfragen der Eingliederung des Saargebietes entschieden werden muß und wenn es um die Angleichung der verschiedenen Rechtssysteme geht, gemeinsam gelingen wird, die Dinge in Ordnung zu bringen. Daher habe ich den Auftrag, zu erklären, daß meine Fraktion diese beiden Änderungsanträge — sowohl den der SPD wie auch den der FDP — ablehnt.

(Zustimmung in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218104400
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0218104500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In „Iphigenie" heißt es: „Man spricht vergebens viel, um zu versagen, der andre hört von allem nur das Nein." Der Herr Minister und die Herren aus der Koalition haben dazu verschiedene Wege gewählt. Die Frau Kollegin Kalinke hat es für richtig gehalten, grundsätzliche Thesen zur Arbeits- und Sozialpolitik zu erörtern, über die wir heute gar nicht zu sprechen haben. Es geht um die Wahrung des Besitzstandes im Saarland, und auf diese konkreten Fragen ist sie leider nicht so eingegangen, daß den Belangen der Menschen dort Rechnung getragen worden wäre.

(Zustimmung bei der SPD.)

Der Kollege Rasch hat ja das Problem der Kriegsopferversorgung beispielgebend erläutert, und ich glaube, die Damen und Herren des Hauses konnten sich daraus ein anschauliches Bild machen. Es ist mir auch unverständlich, daß die Frau Kollegin Kalinke in hohen Renten einen Zündstoff sieht. Ich bin der Meinung, in zu niedrigen Renten liegt ein sozialer Zündstoff und nicht in zu hohen Renten. Es ist mir unverständlich, wie man zu solchen Schlußfolgerungen kommen kann, vor allem dann, wenn man doch die Verhältnisse und nicht zuletzt die Diskussion über die Rentenreform bei uns kennt.
Die Frau Kollegin widerspricht sich zum Schluß ihrer Ausführungen auch selbst, indem sie sagt: Wir wollen den Willen der arbeitenden Menschen, der Angestellten und der Arbeiter an der Saar respektieren. Wenn Sie das wollen, dann bleibt gar kein anderer Weg als der Weg, diesen Antrag anzunehmen, der ja auch von der Regierung des Saarlandes voll vertreten wird.
Zu den Ausführungen des Herrn Ministers kann ich nur bestätigen, was mein Kollege Rasch schon gesagt hat. Herr Minister, es wäre besser gewesen, wenn Sie schon heute dem Hause mit konkreten Tatsachen hätten dienen können. Aber es ist offensichtlich das Pech Ihres Hauses, daß es allzu oft zu spät kommt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0218104600
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich kann damit zur Abstimmung kommen. Von den beiden vorliegenden Anträgen ist der Antrag der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 877*) Ziffer 4 der weitergehende. Ich lasse deshalb über ihn zuerst abstimmen. Der Herr Abgeordnete
*) Siehe Anlage 4.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Schmitt (Vockenhausen) hat im Namen seiner Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Da mehr als 50 Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion im Saale sind, ist der Antrag hinreichend unterstützt. Ich lasse namentlich abstimmen. Ich bitte die Schriftführer, die Karten mit den Abstimmungsurnen einzusammeln. — Es wird also abgestimmt über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Umdruck 877 Ziffer 4.

(Einsammeln der Abstimmungskarten.)

Wenn noch Damen und Herren im Saale sind, die ihre Stimme nicht abgegeben haben, dann bitte ich das zu tun. —
Ich frage noch einmal, ob Damen und Herren im Saale sind, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben. — Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 877 Ziffer 4 bekannt. Es haben 411 stimmberechtigte Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja haben 151, mit Nein 260 gestimmt; keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Von den Berliner Abgeordneten haben 15 abgestimmt, mit Ja 8, mit Nein 7; keine Enthaltungen.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 879***) der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Einfügung eines § 17 b. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, festzustellen, ob dieser Antrag unterstützt wird. Wer ihn unterstützen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Das sind allerdings mehr als 50 Mitglieder des Hauses.
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 879 der Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Ich bitte die Schriftführer, die Karten mit den Abstimmungsurnen einzusammeln.

(Einsammeln der Abstimmungskarten.)

Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.

(Auszählen der Abstimmungskarten.)

Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis****) der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 879 bekannt. Es haben 411 stimmberechtigte Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 181, mit Nein 225, enthalten haben sich 5. Der Antrag ist abgelehnt.
Es haben 15 Berliner Abgeordnete teilgenommen. 9 haben mit Ja, 5 mit Nein und 1 mit Enthaltung gestimmt.
Ich rufe auf § 18 und § 19 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen an-
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102. ***) Siehe Anlage 5.
****) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102. genommen. Damit sind Punkt 1 und 2 der Tagesordnung erledigt.
Die Fraktion der CDU/CSU hat Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde beantragt, um Gelegenheit zu einer Fraktionsberatung über die weiteren Punkte der Tagesordnung zu haben. — Widerspruch erfolgt nicht.
Ich unterbreche die Sitzung bis 12 Uhr 10 Minuten.
Die Fraktion der CDU/CSU versammelt sich zu einer Fraktionssitzung.

(Unterbrechung der Sitzung: 11 Uhr 38 Minuten.)

Die Sitzung wird um 12 Uhr 16 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218104700
Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat rufe ich jetzt Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußzahlungsgesetz — RVZG) (Drucksache 2993);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) (Drucksache 3010), Umdrucke 881, 884 bis 886).

(Erste Beratung: 179. Sitzung.)

Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Bals.

Hans Bals (SPD):
Rede ID: ID0218104800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Sozialpolitik wurden von diesem Hohen Hause in der 179. Sitzung am 12. Dezember die Anträge Drucksache 2993 — Entwurf eines Rentenvorschußzahllungsgesetzes, eingebracht von den Fraktionen der CDU/CSU und der FVP — und Drucksache 2960 — Entwurf eines Rentenvorschußgesetzes, eingebracht von der Fraktion der SPD — überwiesen. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat beide Vorlagen am 13. Dezember 1956 beraten.
Der Antrag der CDU/CSU und der FVP auf Drucksache 2993 sieht eine Vorschußzahlung für den Monat Februar vor entsprechend der Regelung, wie sie das Hohe Haus für den Monat Dezember beschlossen hat. Die finanzielle Größenordnung liegt zwischen 240 und 260 Millionen DM.
Der Antrag der SPD sieht die Zahlung einer zusätzlichen halben Monatsrente für den Monat Januar vor. Die Größenordnung liegt bei 500 Millionen DM.
Die Mehrheit im Ausschuß für Sozialpolitik hat den SPD-Antrag abgelehnt.
Ein Vermittlungsvorschlag der FDP, welcher von der SPD und dem GB/BHE unterstützt wurde, sah eine Vorschußzahlung in der gleichen Höhe wie für den Monat Dezember für die Zeit vom Januar bis zur Verwirklichung der Rentenreform vor. Dieser Antrag verfiel ebenfalls der Ablehnung.
Der Ausschuß bittet Sie, den Gesetzentwurf Drucksache 2993 unverändert anzunehmen und den Gesetzentwurf Drucksache 2960 abzulehnen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218104900
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung ein. Ich rufe auf § 1 des Gesetzes, dazu Änderungsanträge auf Umdruck 884*) Ziffer 1, 881**) Ziffer 1 und 885***) Ziffer 1.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218105000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 1 der vorliegenden Fassung sieht nach dem Beschluß der Ausschußmehrheit vor, daß nur im Monat Februar ein Vorschuß in Höhe des sogenannten Zweiten Sonderzulagegesetzes gewährt werden soll.
Bei den Ausschußberatungen und in der Öffentlichkeit mußten die Sprecher der Regierungsparteien zugeben, daß die Renten nach der Neuordnung günstigstenfalls erst im April oder gar im Mai 1957 zur Auszahlung kommen können. Nach dem Willen der Ausschußmehrheit sollen die Rentner also während des Zeitraums von Januar bis April, der härtesten Zeit des Jahres, nur einmal, und zwar im Februar, eine Sonderzahlung in Höhe der Zulage von Dezember erhalten. Die Rentner würden danach also im Januar, März und April nächsten Jahres schlechter gestellt sein als im Dezember dieses Jahres. Nach Auffassung der Sozialdemokraten dürfen die Rentner auf keinen Fall unter der von der Bundesregierung und den Regierungsparteien verschuldeten Verzögerung der Rentenreform leiden.

(Beifall bei der SPD.)

Deshalb beantragen die Sozialdemokraten, vom Januar an laufend in jedem Monat eine Vorschußzahlung zu gewähren.
Da die Rentenreform rückwirkend mit Wirkung vom 1. Januar in Kraft treten soll, gibt es kein sachliches Argument dagegen, laufend vom Januar an Vorschüsse zu gewähren.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Weil sachliche Gründe für eine Weigerung, laufend Vorschußzahlungen zu leisten, fehlen, sollen nach dem Willen der Kollegen der CDU verwaltungstechnische Gründe für eine solche Weigerung herhalten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Angeblich ist es aus postinternen Gründen nicht möglich, den Rentnern im Januar einen Vorschuß zu zahlen. Wir Sozialdemokraten meinen, daß es bei gutem Willen bewerkstelligt werden müßte, innerhalb eines Zeitraumes von — von jetzt an gerechnet — vier bis fünf Wochen den Rentnern eine halbe Monatsrente auszuzahlen, deren Höhe auch von versicherungstechnisch ungeschulten Kräften ohne weiteres berechnet werden kann. Die Vorschußzahlung ist auch deshalb möglich, weil bekanntlich die Renten nicht ins Haus zugestellt werden, sondern die Rentner sich auch diese Zahlung von den Postämtern abholen müßten. Wir Sozialdemokraten haben jedenfalls das Zutrauen zu den Mitarbeitern der Bundespost, daß sie im Interesse der Rentner die Aufgabe einer Vorschußzahlung auch im Monat Januar bewältigen würden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wie fadenscheinig es ist, die Vorschußzahlung aus verwaltungstechnischen Gründen im Januar ver-
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 10.
weigern zu wollen, zeigt sich auch darin, daß die Ausschußmehrheit nicht bereit war, für die folgenden Monate, für März und April, für die man keinerlei verwaltungstechnische Gründe an den Haaren herbeiziehen kann, in eine Vorschußzahlung einzuwilligen.
Die SPD fordert mit dem Änderungsantrag Umdruck 884*) Ziffer 1, als Vorschuß den Betrag einer halben Monatsrente zu gewähren. Nach dem Regierungsentwurf soll die Rentenerhöhung im Gesamtdurchschnitt bei 70 v. H. der gegenwärtigen Rente liegen. Deshalb ist es sachlich durchaus begründet, eine Vorschußzahlung wenigstens in Höhe von 50 v. H. zu gewähren.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Schließlich beantragen wir Sozialdemokraten mit Ziffer 1 unseres Antrags, festzulegen, daß die Vorschußzahlung in dem Zeitpunkt endet, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die neue Rente ausgezahlt wird. Die Sozialdemokraten werden wie bisher alles tun, damit dieser Zeitpunkt möglichst bald kommt.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218105100
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Jentzsch zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 881**) Ziffer 1.

Dr. Wilhelm Jentzsch (FDP):
Rede ID: ID0218105200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Drucksache 2993, die von der CDU/CSU und der FVP vorgelegt worden ist, wird vorgesehen, daß erst im Februar eine Vorschußzahlung einsetzen soll. Nachdem auf ausdrückliches Verlangen der CDU/CSU bei den Beratungen über das Zweite Renten-Mehrbetrags-Gesetz im Oktober darauf abgestellt wurde, daß die zu gewährende Überbrückung ausschließlich für den Monat Dezember bestimmt sei, und die Vorschläge, die ich damals zu vertreten die Ehre hatte — sie sahen das Zehnfache eines Rentenmehrbetrags vor —, die Möglichkeit gegeben hätten, über den kritischen Punkt, über den wir uns heute unerfreulicherweise wieder auseinandersetzen müssen, leichter hinwegzukommen, diese Vorschläge aber nicht akzeptiert wurden, habe ich die Frage zu stellen: Wie denken Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, darüber, was die Rentner im Januar machen sollen? Nachdem man in Ihrem Antrag jetzt ausdrücklich von einem Vorschuß spricht, ist es logisch, den Vorschuß dann beginnen zu lassen, wenn die zu überbrückende Zeit anfängt, und das ist der Termin ab 1. Januar 1957. Ich darf Sie daran erinnern, daß gestern in den Erörterungen des Sozialpolitischen Ausschusses Ihr Sprecher darauf hingewiesen hat, daß die kommenden Renten für den hier in Frage stehenden Kreis sehr beträchtlich sein werden und sich wesentlich und wohltuend von dem niedrigen Niveau unterscheiden werden, auf dem dieser Empfängerkreis zur Zeit steht. Ich habe mir erlaubt, gestern im Ausschuß dazu die Frage zu stellen: Wenn das der Fall ist, welche Bedenken sind dann gegeben, daß man nicht schon mit Wirkung ab Januar den Vorschuß gewährt? Es ist ein Vorschuß auf die künftigen Leistungen. Sicherlich werden die künftigen Leistungen in etwa dem Dreifachen des Mehrbetrages entsprechen. Auf die Spitzen sind Sie in Ihrem ursprünglichen Antrag
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8.


(Dr. Jentzsch)

überhaupt nicht eingegangen. Die Frage der Rückzahlungspflicht ist offengelassen. Das haben wir noch in einem zusätzlichen Antrag mit aufgefangen. Es entspricht also den Grundgesetzen der Logik, wenn man bei diesem Sachverhalt vom Monat Januar an die Vorschußzahlung beginnen läßt und nicht erst ab Februar, indem man den gesamten Monat Januar ausklammert und über die zukünftigen Fristen gar nichts sagt. Es wird dabei unterstellt, daß die Reform im April beginnen kann; sie kann auch im Mai, sie kann auch im Juni beginnen. Darüber werden wir uns allerdings im Grundsätzlichen noch etwas näher in der dritten Lesung auseinanderzusetzen haben.
Zur Begründung unseres Antrags kann ich Ihnen nur noch einmal wiederholen: es gibt keinen logischen Grund, der dagegen stände, mit Wirkung vom 1. Januar dasselbe zu gewähren, was Sie ursprünglich lediglich für den Monat Dezember gewähren wollten.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218105300
Wer begründet Umdruck 885 Ziffer 1? — Frau Kalinke!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0218105400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Kollege Schellenberg hat soeben in der Diskussion seines Antrags die Frage der Schuld an der Verzögerung der Rentenreform angesprochen. Ich möchte diese Frage im Augenblick nicht untersuchen. Wir werden darüber bei der zweiten und dritten Lesung der Rentenreform sprechen müssen. Aber ich möchte ihm sagen, daß an dieser Verzögerung auch seine Fraktion mit ein Teil der Kollektivschuld trägt,

(Widerspruch bei der SPD)

da sie im Oktober 1955 den Antrag der DP nicht diskutieren wollte, der die Grundlagen für eine frühzeitigere Vorlage enthielt und den Beschluß des Bundestages vorsah, der den Herrn Arbeitsminister gezwungen hätte, am 1. April die Vorlage zu bringen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

— Ich habe ja auch nicht von Ihrer Alleinschuld gesprochen, sondern von der Kollektivschuld, die Sie mit meinen Freunden der CDU haben.

(Lebhafte Zurufe. — Abg. Welke: Sie haben wohl von Ihrer eigenen Schuld gesprochen!)

— Ja, wir haben uns damals darum bemühen müssen, daß unser Antrag noch kurz vor Weihnachten 1955 auf die Tagesordnung kam, und Sie erinnern sich Ihrer Erklärung, „daß keine Zeit für die Diskussion sei". Das war genau vor einem Jahr, vor Weihnachten.
Aber, wie gesagt, ich wollte daran nur erinnern, weil ich eine Feststellung der „Schuldfrage" für die Fraktion der Deutschen Partei zurückweise. Ich bin der Auffassung, daß diejenigen, die es angeht, nämlich die Rentner, gar nichts davon haben, wenn wir uns darüber unterhalten, wer mehr oder weniger Schuld hat,

(Sehr richtig! in der Mitte)

woran der Zeitdruck liegt, wenn wir uns in polemischen Diskussionen draußen darüber ergehen oder Flugblätter verteilen, wie und welche besonderen Entscheidungen nun gefallen sind oder fallen werden. Für die Rentner ist — meine Herren
und Damen, darin sollten wir uns doch alle einig sein — nach der leider nach unserer Auffassung viel zu kräftig und vielleicht in mancher Beziehung viel zu gründlich erfolgten Vordiskussion und Versprechungen über die Höhe der Leistungen eben nur noch die Höhe interessant.

(Zuruf von der SPD: Reden Sie nicht so viel!)

Wir wären sehr glücklich, wenn wir heute über diese Dinge nicht zu sprechen brauchten — —

(Abg. Bals: Die Rentner wären es auch!)

— Das wird nicht bezweifelt, Herr Kollege, Sie können ja nachher das Wort nehmen. —Wir wären auch sehr glücklich, wenn wir heute nicht über Vorschüsse zu sprechen brauchten. Gegen solche Vorschüsse haben meine Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei ganz grundsätzliche Bedenken. Deshalb haben wir auch den Antrag der CDU und der FVP nicht mit unterschrieben. Wir glauben nämlich, daß es angesichts all der Schwierigkeiten, die sich jetzt schon zeigen und die sich in der Zukunft zeigen werden, wenn wir mit den schweren Problemen, die sich aus den Gesetzentwürfen — auch aus dem Gesetzentwurf der SPD — ergeben, hier bei der zweiten und dritten Lesung werden ringen müssen, nicht gut ist — ganz abgesehen von den Verwaltungsschwierigkeiten —, bei dieser Sonderzahlung, die den Rentnern im Februar gegeben werden soll, wiederum festzulegen, daß den Rentnern diese Sonderzahlung bei der „rückwärtigen Wiedergutmachung der Versäumnisse", wie Sie es genannt haben. abgezogen wird.
Wir glauben, daß wir alles tun müssen — wir, das Parlament insbesondere, aber auch diejenigen, die draußen reden, und da appelliere ich an die Gewerkschaften genauso wie an die Kriegsopferverbände und andere Rentnerorganisationen —, um nicht weitere Unruhe, weitere Enttäuschungen und weitere Sorgen in der Öffentlichkeit geradezu noch zu steigern oder hervorzurufen.
Wir möchten deshalb auch, daß Klarheit darüber besteht, daß die versprochenen Rentenerhöhungen rückwirkend ab 1. Januar um jeden Preis in Kraft treten müssen, ohne Rücksicht auf den Termin, wann hier die zweite oder dritte Lesung stattfindet. Ich freue mich, daß Herr Kollege Schellenberg das hier so deutlich ausgesprochen hat. Es besteht kein Zweifel und darf auch nicht in Zweifel gesetzt werden, daß bei allen Fraktionen der gleiche Wille besteht, daß das so geschieht und daß die Beratungen so gründlich wie möglich, aber auch so schnell wie möglich fortgesetzt werden müssen.
Wir widersetzen uns der Vorschußzahlung auch aus folgendem Grunde: Wir glauben, daß es eine schlechte sozialpolitische Sache ist, mit der einen Hand zu geben und später mit der anderen Hand wieder wegzunehmen, was man versprochen und gegeben hat. Wenn ich das noch einmal mit dem Appell an alle sage, meine ich, daß trotz aller Qualen, die wir, die Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses, gemeinsam infolge Zeitdrucks und politischen Drucks jetzt leiden müssen, die sozialpolitische Verantwortung doch immer noch in der vordersten Linie unser Handeln bestimmen muß. Diese sozialpolitische Verantwortung sollte auch bei unserer Entscheidung über eine Zahlung, die wir im Februar mit beschließen wollen, zwingende Grundlage unseres Handelns sein. Wir werden deshalb diesem Antrag der CDU/CSU zustimmen, damit bei dieser Zahlung, die auch wir


(Frau Kalinke)

geben wollen, nicht etwa denjenigen, die sie bekommen, schon heute klar ist, daß sie im April von der versprochenen Nachzahlung nichts oder nur ungewöhnlich wenig in der Hand haben werden. Wir wollen auch nicht, daß die öffentliche Fürsorge oder der Lastenausgleich oder die Kriegsopferversorgung entlastet wird und von der anderen Stelle, die aus Steuermitteln zu zahlen hat, den Rentnern wieder das genommen wird, was ihnen auch nach dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, dem sich die FVP angeschlossen hat, nun gegeben werden soll.
Wir wollen daher an Stelle von „Vorschußzahlung" sagen eine „einmalige Überbrückungszahlung". Wir sind der Auffassung, daß es im Hinblick auf die großen Finanzierungsverpflichtungen, die auf uns zukommen, dem Bund sehr wohl möglich ist, diesen Betrag den Rentenversicherungsträgern und damit den Versicherten, die als Gesamtheit das Risiko tragen, zu erstatten.
Wir sind uns der Gefahr bewußt, daß eine solche grundsätzliche Forderung, wenn wir heute auf ihr bestehen, so ausgelegt werden könnte, als wollten wir die rechtzeitige Auszahlung dieser Zulagen verhindern, als wollten wir durch unseren Änderungsantrag zu § 1 und 1 a nicht etwa haushaltsrechtliche Bedenken — die wären zu beheben, wenn wir die notwendigen Mittel als Überbrückungsdarlehen den Versicherungsträgern gäben —, aber geschäftsordnungsmäßige Bedenken hervorrufen, weil mit Recht gesagt werden könnte: Dieser Antrag muß in den Haushaltsausschuß, und zwischen der zweiten und dritten Lesung wird der Haushaltsausschuß nicht bereit sein, dem Antrag mit seinen finanziellen Auswirkungen zuzustimmen.
Deshalb sind meine Freunde bereit, unseren Änderungsantrag zu § 1 und § 1 a für die jetzige Beratung zurückzuziehen. Sie werden ihn als Initiativantrag sofort wieder einbringen, damit wir uns im Januar darüber unterhalten können, daß die für diese Zahlung an die Rentner notwendigen Mittel nicht als Vorschuß, sondern als einmalige Überbrückungszahlung gegeben und nicht von der Gemeinschaft der Rentenversicherungsträger gezahlt werden.
Wir halten aber den Änderungsantrag betreffend § 1 b aufrecht, weil wir es für unerläßlich halten, daß diese einmalige Überbrückungszahlung auf Leistungen der Unfallversicherung, der Arbeitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung und des Lastenausgleichs und auf Fürsorgeunterstützungen nicht angerechnet wird. Auch auf die Schwierigkeiten der Auszahlung durch die Post werden wir Rücksicht nehmen, damit nicht gesagt werden kann, der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei habe diese Schwierigkeiten vermehrt. Ich glaube, daß die sozialpolitische Entscheidung denVorrang hat und daß die verwaltungsmäßigen Fragen, so wichtig sie sein mögen, wirklich von sekundärer Bedeutung sind.
Entscheidend aber für unser Handeln — und das ist der Grund unserer Stellungnahme heute — sollte der Grundsatz sein, nur Versprechungen zu machen, die wir auch erfüllen können, und wenn wir sie gemacht haben, sie so zu erfüllen, daß wir glaubwürdig bleiben, daß nicht ein sozialpolitisches Geschenk entwertet wird, weil im Enderfolg derjenige, der es bekommen soll, nichts davon hat als nur eine soziale Enttäuschung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218105500
Frau Abgeordnete Kalinke, zur Klarstellung darf ich Sie noch fragen: Habe ich es richtig verstanden, daß Sie Ihren Änderungsantrag Ziffer 1 und Ziffer 2 zurückziehen?

(Abg. Frau Kalinke: Ziffer 1 und Ziffer 2, und Wiedereinbringung als Initiativantrag!)

— Und Ziffer 3 halten Sie aufrecht? — Danke schön.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung zu den Änderungsanträgen gehört. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218105600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Rentner von langen Diskussionen, die in diesem Hause geführt werden, nicht viel haben, werde ich mich sehr kurz fassen. Zunächst darf ich feststellen, daß Frau Kalinke von ihrem Antrag die Ziffern 1 und 2 zurückgezogen hat, so daß dazu am heutigen Tage nichts zu sagen ist.
Wenn aber der Herr Kollege Schellenberg sagt, die CDU-Fraktion habe zugegeben, daß die Renten erst gegen Ende März oder Anfang April ausgezahlt werden könnten, dann möchte ich dazu doch folgendes sagen. Herr Schellenberg muß als Fachmann im Rentenwesen auch wissen, daß Renten, wenn sie Beschlüssen dieses Hauses oder einem Gesetz angepaßt werden sollen, entsprechend neu berechnet werden müssen und daß die Neuberechnungen trotz der technischen und sonstigen Einrichtungen nicht über Nacht vor sich gehen können. Die CDU/CSU-Fraktion hat immer und immer wieder erklärt, daß sie alles daransetzen wird, um die jetzt zur Beratung stehenden Gesetze bezüglich Neuregelung der Rentenversicherung mit dem 1. Januar 1957 wirksam werden zu lassen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218105700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218105800
Bitte schön!

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218105900
Herr Kollege Arndgen, ist Ihnen bekannt, daß bei der Beratung des sogenannten Zweiten Sonderzulagen-Gesetzes die Mitglieder Ihrer Fraktion hier im Hause erklärt haben, daß die Rentenreform ab 1. Januar eine praktische Wirksamkeit für die Rentner erhalten soll? Eine solche praktische Wirksamkeit kann wohl nicht bedeuten, daß die Rentner bis April oder Mai warten müssen!

(Abg. Horn: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen! Das ist ja unerhört! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218106000
Zu dieser Frage, Herr Dr. Schellenberg, kann ich Ihnen sagen, daß wir immer von einem Wirksamwerden ab 1. Januar geredet haben, nicht nur während der Beratungen des Sonderzulagen-Gesetzes, sondern von dem Zeitpunkt an, seit dem wir von Sozialreform geredet haben.

(Zuruf von der SPD: Nur „geredet haben"!)

Nun weiß jeder — das muß auch Herr Schellenberg wissen —, daß die Umrechnungen erst vor sich gehen können, wenn die grundsätzlichen Beschlüsse vorliegen.

(Abg. Dr. Schellenberg: Deshalb Vorschüsse!)



(Arndgen)

— Jawohl, deshalb Vorschüsse! Weil wir wissen, daß das kommende Gesetz ab 1. Januar wirksam werden soll und Nachberechnungen, Nachzahlungen notwendig sind, haben wir ja unseren Entwurf eingebracht, der Vorschußzahlungen vorsieht.

(Zuruf von der SPD: Für Februar!)

Um diese Vorschußzahlungen recht schnell durchführen zu können, sind wir von den Leistungen ausgegangen, die nach dem Gesetz im Dezember gezahlt wurden, weil alle technischen Einrichtungen auf die Zahlungen eingestellt sind. Dadurch ist es möglich, daß die Vorschußzahlungen — wenn wir den Beschluß fassen — zu dem vorgesehenen Zeitpunkt auch geleistet werden können. Das ist der Sinn unseres Antrages, und es ist ein sinnvoller Vorschlag; das muß jeder zugeben, der sich in der Technik der Rentenzahlungen auskennt.
Nun hat die DP-Fraktion durch Frau Kalinke erklären lassen, daß sie ihren Antrag unter Ziffer 3 aufrechterhalte. Zu dieser Ziffer 3 des Antrags Umdruck 885 der DP-Fraktion habe ich im Auftrag meiner Fraktion einen Änderungsantrag zu stellen. Wir beantragen, in § 1 b unter Ziffer 3 die Worte „einmalige Überbrückungszahlung" durch das Wort „Vorschußzahlung" zu ersetzen und in der ersten Zeile nach dem Wort „wird" einzufügen „bei der Auszahlung". Nach diesem Änderungsantrag würde der § 1 b unter Ziffer 3 des Antrags der DP-Fraktion folgenden Wortlaut erhalten:
Die Vorschußzahlung wird bei der Auszahlung auf Leistungen der Unfallversicherung, der Arbeitslosenhilfe, der Kriegsopferversorgung aus dem Bundesentschädigungsgesetz sowie auf Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz und auf Fürsorgeunterstützung nicht angerechnet.
Ich bitte, wenn über den Antrag der DP-Fraktion abgestimmt wird, zunächst über diesen Änderungsantrag zu befinden. Im übrigen bitte ich, alle sonstigen Anträge, die zu dem Ausschußbeschluß gestellt worden sind, abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218106100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.

Erni Finselberger (GB/BHE):
Rede ID: ID0218106200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nicht ganz ohne Grund habe ich in der 167. Sitzung vom 26. Oktober an den Herrn Bundesarbeitsminister die Frage gestellt, ob er glaubt, daß die Rentenversicherungsgesetze zum 1. Januar 1957 gültig werden, oder ob es so gemeint ist, daß die Rentenversicherungsgesetze in einem späteren Zeitpunkt mit Rückwirkung vom 1. Januar an verabschiedet werden. Der Herr Bundesarbeitsminister war so freundlich, mir in der gleichen Sitzung bald darauf zu antworten, daß, wenn alle Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses guten Willens seien, seiner Meinung nach die Gesetze ab 1. Januar 1957 wirksam werden könnten. Ich möchte hier nur einmal feststellen — das wird wohl von niemandem bestritten werden, auch nicht von dem Herrn Bundesarbeitsminister, und in einer der letzten Pressekonferenzen hat das ja auch der Herr Bundeskanzler ausdrücklich bestätigt —, daß wir im Sozialpolitischen Ausschuß bei der so schwierigen und vielschichtigen Materie immerhin sehr fleißig gewesen sind und daß es trotzdem nicht hat geschafft werden können. Es wäre deshalb notwendig gewesen, daß wir uns im
Ausschuß am gestrigen Tag geeinigt hätten, um zu einer Überbrückung dieser Zeit zu kommen, die auch wirklich dem Sinn eines Überbrückungsgesetzes zu den Rentenversicherungsgesetzen entsprochen hätte.
Ich kann Ihre Argumentation, Herr Kollege Arndgen, nicht hinnehmen und habe ihr auch gestern widersprochen. Wenn die neuen, d. h. die höheren Renten mit Wirkung ab 1. Januar 1957 neu festgesetzt werden, hätte doch eine von allen Fraktionen des Hauses gebilligte Möglichkeit gefunden werden müssen, eine Überbrückungszahlung für die Zeit bis zur Ausrechnung der neuen Renten vorzusehen. Denn wir wissen ja wirklich noch nicht, ob die neuen Renten bis zum 1. April ausgerechnet sein werden, und sollten vorsichtig in bezug auf die Festsetzung dieses Termins sein. Die Beamten der Landesversicherungsanstalten und der Bundesanstalt für Angestelltenversicherung können nicht mit Sicherheit sagen, ob die Neuberechnung bis zum 1. April möglich sein wird. Wir waren bei der Dezember-Zahlung doch davon ausgegangen, daß es den Rentnern nicht zugemutet werden sollte, im Dezember weniger Rente zu bekommen als im November. Nach dem gleichen Grundsatz hätten wir fortfahren müssen, zumal es in diesem Falle gar kein finanzpolitisches Problem ist. Denn es sollen ja Vorschußzahlungen sein, die dann wieder aufgerechnet werden, so daß also irgendeine finanzielle Belastung nicht eintreten würde.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Selbst wenn es nicht möglich sein sollte, die Vorschußzahlungen im Januar verwaltungsmäßig vorzubereiten — und ich bin davon in der Ausschußsitzung gestern nicht bis ins letzte überzeugt worden —, bleibt immer noch die Frage — und da muß ich unterstreichen, was schon gesagt worden ist —: was wird denn, wenn es im Februar geschieht, im März, April und in den weiteren Monaten? So weit sollten wir in einer gewissen Vorsorge denken, da eine solche Maßnahme doch verwaltungsmäßig durchaus möglich wäre. Ich kann auch nicht dem Standpunkt der Sprecherin Frau Kalinke von der DP beipflichten, daß es bei den Vorschußzahlungen nicht angehe, mit der einen Hand zu geben und mit der andern Hand zu nehmen. Wenn ab 1. Januar 1957 ein Rechtsanspruch da ist, ist es durchaus verwaltungsüblich, auch verwaltungsmäßig in Ordnung und eine gute Übung, daß man in diesem Falle eine Abschlags- oder Vorschußzahlung leistet und sie nachher verrechnet. Das finden wir in allen möglichen Gebieten der Wirtschaft, der Dienststellen, der Betriebe usw., und noch niemals hat jemand mit Rücksicht hierauf gesagt, man solle nicht mit der einen Hand wieder das nehmen, was man mit der anderen Hand gegeben habe, wenn es sich um echte Vorschußzahlungen auf einen Rechtsanspruch handelt. Meine politischen Freunde und ich sind sehr unzufrieden darüber, daß es wegen einer solchen Angelegenheit hier wieder zu Auseinandersetzungen kommt, von denen, wie hier ganz richtig gesagt worden ist, die Rentner in Wirklichkeit nichts haben.
Zu dem DP-Antrag möchte ich nur folgendes sagen. Er ist nun eigentlich unter den Tisch gefallen. Er ist eingereicht worden, und ehe er überhaupt zur Besprechung kam, ist er in wesentlichen Teilen zurückgezogen worden und hat sich damit von selbst erledigt. Die CDU/CSU sollte sich dies noch einmal überlegen, schon damit hier nicht Vorstellungen und Überlegungen ausgesprochen werden müssen, weshalb sie es zu einer sehr erheblichen


(Frau Finselberger)

Nachzahlung zu einem Zeitpunkt kommen lassen will, wo wir nicht gern sehen, daß eine Debatte über die Angelegenheit der Rentenversicherungsgesetze in der Öffentlichkeit stattfindet.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218106300
Das Wort hat der Herr Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218106400
Meine Damen und Herren! Den Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion, die heute für eine Vorschußzahlung im Februar gesprochen haben, ist offensichtlich nicht mehr in Erinnerung, was die CDU/CSU-Fraktion vor zehn Tagen, am 4. Dezember, nachdem der sozialdemokratische Gesetzentwurf zur Vorschußzahlung eingebracht worden war, erklärt hat. Ich möchte es Ihnen deshalb vorlesen. Der Deutschland-UnionDienst vom 4. Dezember erklärt:
Die CDU/CSU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, daß Vorschußzahlungen noch im Laufe des Januar erfolgen.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Was wollen Sie damit sagen?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218106500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jentzsch.

Dr. Wilhelm Jentzsch (FDP):
Rede ID: ID0218106600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen vermißt, daß er auf meine Darlegungen eingegangen ist. Ich hatte die Frage gestellt, welche logischen Einwendungen dagegen bestehen, daß man Vorschußzahlungen, wenn ) man sich zu ihnen überhaupt bekennt, schon im Januar beginnen läßt, und warum man diese Vorschußzahlungen nicht fortlaufend bis zu dem Tage gewährt, wo die Rentenreform wirklich in Kraft tritt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es handelt sich um einen Personenkreis, der dieser Hilfe dringend bedarf. Da aus den Erkenntnissen der CDU/CSU hervorgeht, daß die künftigen Renten diesen Vorschußzahlungen durchaus entsprechen — ich wiederhole es —, ist kein logischer Grund vorhanden, mit den Vorschußzahlungen nicht am 1. Januar zu beginnen, es sei denn, daß ein anderes Ziel verfolgt werden soll.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Das ist vorhin schon von der Frau Kollegin Finselberger angedeutet worden. Das ist expressis verbis gestern im Ausschuß von einem Ihrer Kollegen, zwar unter dem Strich, aber immerhin gesagt worden. Ich möchte hier nicht noch deutlicher werden; es könnte verlockend sein. Ich glaube aber, daß bei diesem ganzen Problem in dem Zeitpunkt, den Sie vielleicht ins Auge gefaßt haben, nicht der Erfolg zu erzielen sein wird, den Sie sich vorstellen. Man wird nämlich dann mit anderen Mitteln der Aufklärung arbeiten müssen; aber das wäre dem, was uns sozialpolitisch am Herzen liegt, im gesamten gesehen, gar nicht förderlich.

(Beifall bei der FDP und links.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218106700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0218106800
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zu unserem Änderungsantrag auf Einfügung eines § 1 b ergänzend C sagen, daß hinter den Worten „der Kriegsopferversorgung" zusätzlich geschrieben werden sollte: „und der Leistungen" aus dem Bundesentschädigungsgesetz.
Der Frau Kollegin Finselberger möchte ich nur eines antworten: Sie irren. Wir stimmen der Auszahlung und der Nichtanrechnung zu. Das ist der erste und entscheidende Akt. Unser im Januar zu behandelnder Initiativantrag wird dafür sorgen, daß der zweite Akt über die Finanzierung und Verwaltungsdurchführung folgt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218106900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu § 1.
Wir kommen zur Abstimmung. Es scheint mir außer jedem Zweifel zu stehen, daß der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 884*) Ziffer 1, dem § 1 einen ganz anderen Inhalt zu geben, der absolut weitestgehende ist. Ich lasse deshalb zuerst über ihn abstimmen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 884 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 881**) Ziffer 1, der nur dem Satz 1 des § 1 eine andere Fassung geben möchte. Wer dem Umdruck 881 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist ebenfalls abgelehnt.
Dann komme ich zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen, bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag auf Umdruck 884 auf, mit dem beantragt wird, zwischen die §§ 1 und 2 einen § 1 a einzufügen. Ich rufe ferner Umdruck 881 Ziffer 2 auf, mit dem dasselbe beantragt wird. Schließlich rufe ich Umdruck 885***) auf, wobei ich mit Einverständnis der Antragsteller den einzufügenden § 1 b abändern darf in § 1 a, nachdem sie den anderen zurückgenommen haben.
Ich erteile das Wort zur Begründung des Umdrucks 884*) Ziffer 2 der Frau Abgeordneten Döhring.

Clara Döhring (SPD):
Rede ID: ID0218107000
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie haben soeben mit der Abstimmung über § 1 leider beschlossen, daß der Vorschuß ein Bestandteil der Rente ist. Wir bedauern diese Entscheidung allgemein, insbesondere aber deshalb, weil nun abermals der unerfreuliche Zustand geschaffen werden soll, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Rentenempfänger im Monat Februar zwar eine Zulage erhält, aber daran keine reine Freude haben kann, wenn der Vorschuß auf andere Sozialleistungen eventuell angerechnet wird.
Meine Herren und Damen, ich bitte Sie, bei Ihrer Entscheidung, die Sie jetzt zu dem Änderungsantrag zu § 1 a, den wir Ihnen vorgelegt haben,
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 10.


(Frau Döhring)

fällen, einmal zu überlegen, daß es sich hierbei um die sozial schwächsten Schichten handelt. Es sind langfristige Arbeitslose, ein beträchtlicher Teil von Kriegsopfern und Kriegsgeschädigten sowie Fürsorgeunterstützungsempfängern, wobei insbesondere die Zivilblinden betroffen werden, deren Pflegegeld ebenfalls um den Betrag gekürzt werden würde. Das sollte das Hohe Haus nicht tun. Wir sollten vielmehr daran denken, auch diesen Personengruppen mit dem jetzt zur Beratung stehenden Gesetz eine wirkliche Weihnachtsfreude zu bereiten.
Dieser Entschluß zum Guten würde uns um so leichter fallen, wenn wir bedächten, daß die Verwaltungsarbeit, die den verschiedenen Ämtern durch die Anrechnung und die spätere Zurückrechnung entsteht, in gar keinem Verhältnis zu den in Frage kommenden Ausgaben stehen würde.
Aus diesen beiden Überlegungen hat Ihnen meine Fraktion den Änderungsantrag auf Umdruck 884 zu § 1 a vorgelegt. Er ist der weitergehende, weil er in seinem letzten Satz beinhaltet, daß eine Rückforderung nicht stattfindet, falls die Vorschüsse den Betrag überschreiten, der sich als Nachzahlung auf Grund des jetzt zu beratenden Gesetzes ergibt.
Da unser Änderungsantrag zu § 1 a der weitergehende ist, möchte ich Sie namens der SPD-Fraktion bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit das hier zur Verabschiedung stehende Gesetz auch eine wirkliche Nachzahlung für die betroffenen Rentner bringt.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218107100
Wer begründet den Antrag auf Umdruck 881 Ziffer 2? Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch?

(Zuruf.)

— Haben Sie vorhin mit einbezogen. — Ebenso Frau Abgeordnete Kalinke. Danke sehr.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Antrag auf Umdruck 884*) Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 884 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zu dem Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 881**) Ziffer 2. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Mit Mehrheit abgelehnt.
Dann komme ich zu dem Antrag auf Umdruck 885. Der Antrag auf Umdruck 885***) Ziffer 2 ist von den Antragstellern zurückgezogen worden. Der Antrag unter Ziffer 3 wird zunächst dahin abgeändert, daß die Bezeichnung des einzufügenden Paragraphen in „§ 1 a" geändert wird.
Weiter haben die Antragsteller um eine sprachliche Ergänzung gebeten, die ich, damit es keinen Irrtum gibt, noch einmal wiederholen möchte. Frau
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 10.
Kalinke, Sie haben doch gebeten, hinter den Worten „der Kriegsopferversorgung" die Worte „und der Leistungen" einzufügen?

(Abg. Frau Kalinke: Ja!)

— Das ist also die Ergänzung von seiten der Antragsteller.
Sodann liegt von seiten der CDU/CSU ein Änderungsantrag zum Änderungsantrag vor, nach dem erstens die beiden Worte „einmalige Überbrükkungszahlung" durch das Wort „Vorschußzahlung" ersetzt werden und zweitens hinter dem Wort „wird" die drei Worte „bei der Auszahlung" hinzugefügt werden sollen.
Ich lasse zuerst über diesen Änderungsantrag zum Änderungsantrag abstimmen. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, mit großer Mehrheit angenommen.
Wer nunmehr dem § 1 a mit diesen Zusätzen, im übrigen in der von den Antragstellern auf Umdruck 885 Ziffer 3 beantragten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ,das Handzeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist der § 1 a in dieser Form neu in das Gesetz eingefügt.
Ich rufe auf § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, einer interfraktionellen Vereinbarung gemäß soll die Sitzung jetzt auf Wunsch der SPD-Fraktion vor der dritten Beratung dieses Gesetzes noch einmal auf eine halbe Stunde unterbrochen werden. Ich unterbreche bis 13 Uhr 35 Minuten.

(Unterbrechung der Sitzung: 13 Uhr 7 Minuten.)

Die Sitzung wird um 13 Uhr 37 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218107200
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
das Gesetz über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen, Drucksache 2993, Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, Drucksache 3010.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.

Dr. Wilhelm Jentzsch (FDP):
Rede ID: ID0218107300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der zweiten Lesung ist es nicht möglich gewesen, die nach meiner Auffassung hinreichend begründeten Änderungsvorschläge durchzusetzen. Aus den Erklärungen und aus dem Verhalten der Mehrheit ist eindeutig zu entnehmen, daß ein erneutes Vorbringen der gleichen Argumente denselben Erfolg oder Mißerfolg haben würde. Aber ich möchte doch noch einige allgemeine und grundsätzliche Bemerkungen zu dem gesamten Problem machen.


(Dr. Jentzsch)

Meine Damen und Herren, woher rührt es, daß wir uns heute wieder einmal in dieser Form über diese Dinge auseinandersetzen müssen? Es rührt daher, daß wir von Anfang an unter einem Zeitdruck gestanden haben, der sich aber auch als ein moralischer Druck ausgewirkt hat, weil man allzu leicht geneigt war, diejenigen zu diskreditieren, die immer wieder gewarnt und darauf aufmerksam gemacht haben — und sie haben jetzt, in dieser Stunde recht behalten —, daß das, was uns als Regierungsvorlage, was uns als Arbeitsmaterial gegeben wurde, unvollständig war, daß es unrichtig war, daß die Ergebnisse, die daraus zu erarbeiten waren, fragwürdig sein müßten und daß sich in dem gesamten Komplex, der untrennbar hiermit verbunden ist, auf Jahrzehnte hinaus Konsequenzen ergeben, die im Augenblick noch gar nicht in vollem Umfange übersehbar sind.
Wir haben als Parlamentarier eine besonders hohe und besonders verantwortungsvolle Aufgabe erhalten in dem Recht, Gesetze zu beraten und zu beschließen. Als Gesetzgebern ist uns dieser Auftrag erteilt worden. Als Gesetzgeber haben wir uns zu verhalten. Ich verwahre mich dagegen, daß man bald dazu gezwungen wird, hier als Gesetzesmacher tätig zu sein.

(Beifall bei der FDP, dem GB/BHE und der SPD.)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie das bitte so, wie es gemeint ist. Es gibt eine Grenze der physischen und der psychischen Kraft. Sie kennen nicht die Atmosphäre, die wir leider in der letzten Zeit im Sozialpolitischen Ausschuß in steigendem Maße haben feststellen müssen, daß aus der anfänglich vernünftigen, kollegialen und loyalen Zusammenarbeit durch das forcierte Tempo immer mehr Schwierigkeiten entstanden sind, daß die Luft dikker geworden ist und daß dabei eine Gereiztheit zutage getreten ist, die dem, was wir wollen und was wir sollen, nämlich ein vernünftiges Gesetz zu beschließen, alles andere als zuträglich ist.

(Sehr richtig! links.)

Das gilt, glaube ich, in dem gleichen Maße für unsere übrige gesetzliche Arbeit. Aber der Sozialpolitische Ausschuß, der beauftragt worden ist, das innenpolitische Thema Nr. 1 zu behandeln und zu verabschieden, hat weiß Gott wohl doch einen ganz besonderen Rahmen. Ich halte es für verantwortungslos — und ich bin mir der Tragweite dieses Ausspruchs durchaus bewußt —, wenn weiterhin unter dem bisherigen Zeitdruck gearbeitet werden soll. Die Sozialpolitik kennt leider — nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das so sage — nur sehr wenige Sozialpolitiker, aber desto mehr Sozialromantiker und Sozialhysteriker.

(Bravo! rechts.)

Hüten wir uns davor, daß diese die Oberhand gewinnen!

(Na, na! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir haben in der Beziehung leider Gottes schon sehr viel erlebt.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich verstehe gar nicht, warum Sie das so sehr kränkt. Es ist doch ein sehr nettes Wortspiel.
Die Sozialromantiker und die Sozialhysteriker machen sich meistens den Zeitdruck ganz besonders zunutze, und sie bringen damit Verwirrung und eine Verschärfung herein, die der echten Aufgabe der Gesetzgebung im Wege stehen. Das ist es, was hier einmal gesagt werden muß. Die Gesetze der Logik, der rechtlichen Logik, der philosophischen Logik und auch der politischen Logik dürfen nicht immer wieder verletzt werden.

(Sehr gut! rechts.)

Hüten wir uns weiterhin davor — ich sage auch das noch einmal mit allem Nachdruck —, aus diesen Dingen in irgendeiner Form so etwas wie einen Wahlschlager machen zu wollen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja schon da!) — Nein, der Wahlschlager ist nicht mehr drin!


(Abg. Arndgen: Sie sind ja dabei!)

— Aber absolut nicht bin ich dabei! Ich sage Ihnen ja nur mit allem Nachdruck — das gilt für alle Seiten — —(Zuruf des Abg. Dr. Krone.)

— Nein, Herr Krone, das gilt für alle Seiten dieses Hauses, und ich glaube, das ist im allgemeinen schon erkannt worden. Aber über die Absicht, daraus eventuell einen Wahlschlager zu machen, ist in der zweiten Lesung recht deutlich gesprochen worden, und ich möchte auch diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, noch einmal mit allem Nachdruck darauf aufmerksam zu machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218107400
Wird in der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung weiter das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Finselberger.

Erni Finselberger (GB/BHE):
Rede ID: ID0218107500
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte im Anschluß an das, was Herr Kollege Dr. Jentzsch eben gesagt hat, für meine politischen Freunde und für mich folgendes sehr deutlich zum Ausdruck bringen.
Wir möchten uns in keinem Falle von Teilen des Hohen Hauses unterstellen lassen — darauf habe ich vorhin in einer, wie Sie wohl anerkennen müssen, meine Kollegen von der CDU/CSU, sehr zurückhaltenden Form hingewiesen —,

(Widerspruch in der Mitte)

daß uns ein gewisses Odium anhaftet. Meine politischen Freunde und ich wenden uns von Anfang an dagegen, daß hieraus ein Wahlschlager gemacht wird. Dafür sind uns die Rentner und auch die Versichertenkreise zu schade.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218107600
Wird weiter das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.

(Abg. Dr. Jentzsch: Zur Abstimmung!)

— Wir sind noch nicht bei der Abstimmung. Also das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht mehr gewünscht; dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1 und dazu den Antrag Umdruck 886*). Ich weiß nicht, ob er inzwischen schon verteilt ist. Es han-
') Siehe Anlage 11.


(Vizepräsident Dr. Schneider)

delt sich um einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Wenn er in der Zwischenzeit nicht verteilt werden konnte, werde ich ihn nachher noch verlesen.
Ich erteile das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Dannebom.

Otto Dannebom (SPD):
Rede ID: ID0218107700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der sozialdemokratischen Fraktion diesen Änderungsantrag zur dritten Lesung zu begründen. Da er sicher noch nicht verteilt sein wird, darf ich ihn vielleicht gleich kurz vorlesen:
§ 1 Satz 1 erhält folgende Fassung:
Empfänger von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die für den Monat Januar 1957 und die folgenden Monate Anspruch auf Rente haben, erhalten auf die Rentenerhöhungen nach den Rentenversicherungsgesetzen einen monatlichen Vorschuß.
Das ist inhaltlich ungefähr dasselbe, was der FDP-Antrag besagt. Wir wollten aber den im Ausschuß geltend gemachten Bedenken, daß eine Auszahlung des Vorschusses, wie wir ihn gefordert hatten, im Januar technisch nicht möglich sei, entgegenkommen und praktisch — und das ist der Sinn unseres Antrags — eigentlich eine Fortsetzung des im Oktober beschlossenen Rentenzulagengesetzes haben, das ja den dreifachen Mehrbetrag beinhaltet. Dadurch sollte den technischen Schwierigkeiten begegnet werden. Wir wollen es aber auch — und das sage ich ganz offen — unter dem Gesichtspunkt, daß wir es einfach nicht verantworten können, die Rentner im Monat Januar 1957 auf dem Rentenstand Ende des Jahres 1954 zu belassen. Der Tatbestand ist nämlich, daß dadurch, daß das Rentenmehrbetragsgesetz nicht mehr wirksam ist, die Witwe und der Rentner im Januar 1957 mit der Rente ihr Leben fristen müssen, die sie Ende 1954 gehabt haben. Das aber erscheint angesichts der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht tragbar. Ich möchte deshalb den letzten Versuch machen, Sie zu bitten, diesem doch berechtigten Anliegen Rechnung zu tragen und unserem Änderungsantrag zu § 1 Satz 1 zuzustimmen.
Wir beantragen ferner, dem § 1 folgenden dritten Satz anzufügen:
Die Vorschußzahlung endet mit Ablauf des Monats, in dem auf Grund der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen die Rente neu festgesetzt ist.
Wir sollten das aus folgenden Gründen tun. Herr Kollege Dr. Jentzsch hat schon auf den Zeitdruck hingewiesen, unter dem der Sozialpolitische Ausschuß leidet. Ich will das nicht wiederholen. Aber daß wir eine Fortzahlung bis zum Inkrafttreten der Rentenneuordnungsgesetze fordern, hängt sehr eng mit dem Zeitdruck zusammen.
Das Hohe Haus hat heute seine letzte Sitzung vor den Weihnachtsferien. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich bereiterklärt, nach dem es beim Herrn Präsidenten beantragt worden ist, auch noch die nächste Woche für Ausschußsitzungen zu benutzen. Wir sind im Ausschuß noch nicht einmal mit dem Rentenneuordnungsgesetz für die Invalidenversicherung fertig. Eine große Zahl von Änderungsanträgen, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, vorgelegt haben, müssen noch beraten werden. Es gibt auch noch einige andere Bestimmungen, die ebenfalls noch nicht beraten und zurückgestellt worden sind, über die also noch nicht entschieden worden ist. Aus steht noch das Gesetz über die Neuordnung des Angestelitenversicherungsrechts. Aus steht auch noch das Gesetz, das die Neuordnung der knappschaftlichen Rentenversicherung beinhaltet. Wie, meine Damen und Herren, wollen Sie nun angesichts der schwierigen Materie, die vor uns liegt und vom Ausschuß bewältigt werden muß, von dieser Stelle sagen: „Die Rentner können mit Gewißheit damit rechnen, daß ihnen im März oder Anfang April die nach den reformierten Gesetzen zu berechnende Rente ausgezahlt wird"? Das ist doch — entschuldigen Sie, daß ich das sage — ein Leichtsinn, der nicht nur Sie belastet, meine Damen und Herren von der CDU, sondern dieses ganze Haus in Mißkredit bringt, nämlich daß ein Versprechen, das den Rentnern gegeben wird, von diesem Hause nicht eingelöst werden kann.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Pelster: Da sind Sie mit schuld dran!)

Meine Damen und Herren, davor möchte ich warnen, und deshalb bitten wir Sie, unserem Vorschlag zu Satz 3 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich möchte noch ein abschließendes Wort sagen. Herr Kollege Arndgen, Sie haben vorhin anläßlich der zweiten Lesung davon gesprochen, daß Sie gewillt sind, das gegebene Versprechen einzuhalten, daß das Inkrafttreten der Gesetze zum 1. Januar wirksam werde. Aber das Wirksamwerden eines Gesetzes ermißt der Rentner doch erst dann, wenn er am Rentenzahltag weiß, was er mehr zu bekommen hat. Da wir das Versprechen, daß der Rentner zum 1. März oder zum 1. April eine Zulage erhält, angesichts der Schwierigkeit der Materie höchstwahrscheinlich nicht einhalten können, dürfen wir dieses Versprechen einfach nicht geben.
Unter diesem Gesichtspunkt, den Rentner nicht auf dem Rentenstand des Jahres 1954 zu belassen, und unter dem zweiten Gesichtspunkt, den Ausschuß von diesem Zeitdruck zu entlasten, darf ich Sie noch einmal herzlich bitten, unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218107800
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218107900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in der dritten Lesung muß ich namens meiner Fraktion erklären, daß wir den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Es ist nicht richtig, Herr Kollege Dannebom, daß der Rentner auf den Stand von 1954 zurückgedrückt wird. Einmal wird das Renten-Mehrbetrags-Gesetz, das 1954 erstmalig beschlossen wurde. Geltung behalten, bis es durch das Reformgesetz abgelöst wird. Dazu haben wir ein zweites Renten-Mehrbetrags-Gesetz in diesem Hause verabschiedet, und dieses Renten-Mehrbetrags-Gesetz sah vor, daß einmal der sechsfache Renten-Mehrbetrag des Jahres 1954 im Dezember 1955 gezahlt wurde und daß zweitens noch einmal der sechsfache Renten-Mehrbetrag in Juni 1956 gezahlt worden ist. Dann wird in diesem Monat Dezember noch einmal der dreifache Mehrbetrag des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes von 1954 gezahlt, und durch dieses Gesetz, das jetzt beschlossen werden soll, noch einmal der dreifache Betrag. Es kann also doch


(Arndgen)

nicht die Rede davon sein, daß der Rentner auf den Stand von 1954 zurückgeworfen wird. Durch die Mehrbetragsgesetze, wie ich sie kurz angesprochen habe, ist er doch mit in die Steigerung, wie sie sich bisher ergeben hat, einbezogen, und wir werden auch dafür sorgen, daß die Rentner auf die neuen, erhöhten Renten ab 1. Januar einen Rechtsanspruch erhalten.

(Zuruf von der SPD.)

Ich glaube also, daß der Gesetzentwurf, der in der zweiten Lesung verabschiedet worden ist, all dem entspricht, was hier vorgetragen worden ist. Wir von der Fraktion der CDU/CSU stehen auch in der dritten Lesung zu den Beschlüssen der zweiten Lesung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218108000
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.

Otto Dannebom (SPD):
Rede ID: ID0218108100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen, Sie haben erklärt, daß meine Angabe, die Rentner stünden im Januar auf dem Rentenstand von Ende 1954, nicht richtig ist. So habe ich Sie verstanden. Sie haben auf die Renten-Mehrbetragsgesetze hingewiesen. Wir haben im Jahre 1955, wir haben im Jahre 1956 bis zum Dezember 1956 eine zweimalige Rentenzahlung nach dem Renten-Mehrbetragsgesetz gehabt. Für den Monat Dezember war keine Zulage vorgesehen. Wir haben dafür dann im Oktober das Zulagegesetz beschlossen. Sie haben jetzt einen Entwurf eingebracht, der nun zur Entscheidung steht, wonach für den Monat Februar 1957 der dreifache Betrag, den wir im Oktober beschlossen haben, noch einmal gezahlt wird.

(Zuruf des Abg. Arndgen. — Abg. Pelster: Das geben Sie zu!)

— Das habe ich gar nicht bestritten, Herr Kollege Pelster. Ich habe gesagt — —

(Erneuter Zuruf des Abg. PeLster.)

— Aber bitte, Herr Kollege Pelster, ich spreche doch so anständig mit Ihnen, daß ich annehme, daß Sie das auch ruhig mit genau derselben Gelassenheit entgegennehmen können.

(Abg. Pelster: Genauso ruhig, wie Sie reden, rede ich ja auch!)

Ich habe gesagt: Im Monat Januar steht der Rentner auf dem Rentenstand des Jahresendes 1954. Das ist doch ein Tatbestand, der nicht zu widerlegen ist, weil die anderen Rentenzahlungen, die infolge des Mehrbetrags-Gesetzes erfolgt sind, einfach nicht mehr da sind. Das ist doch der Tatbestand, und um den allein handelt es sich. Ich glaube, Herr Kollege Arndgen, Sie wissen doch ganz genau, daß das richtig ist. — Aber wenn Sie noch immer dabei bleiben, daß es nicht richtig ist, dann bitte, sehen Sie doch einmal die bestehenden Gesetze, die wir verabschiedet haben, nach.
Das ist also der Tatbestand. Im Februar sind Sie gewillt, dies zu ändern, indem Sie für den Monat Februar etwas Zusätzliches geben wollen. Im Monat Januar wird es nicht geschehen. Wie es im Monat März wird, vermag heute noch keiner zu sagen.
Wenn sich die Behandlung des Rentengesetzes noch hinauszögern wird, werden wir uns demnächst noch einmal mit derselben Materie hier beschäftigen müssen, und wenn die Ausschußarbeit
eine rechtzeitige Verabschiedung der Gesetze nicht ermöglicht, darf ich schon heute im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir wieder ein besonderes Gesetz hier vorlegen werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren, scheint mir diese Frage von solch fundamentaler Bedeutung zu sein, daß ich namentliche Abstimmung über unseren Änderungsantrag beantrage.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Pelster: Den Mut haben wir, den Namen dafür herzugeben!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218108200
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218108300
Meine Damen und Herren! Wie fragwürdig Sie selber den Zeitplan der Verabschiedung sehen, ergibt sich aus dem „Deutschland-Union-Dienst"

(Lachen bei der CDU/CSU)

vom 11. Dezember, in dem es heißt: wenn die Rentenreform in der zweiten Januarwoche verabschiedet wird, wenn die dritte Beratung dann in der gleichen oder folgenden Woche stattfindet, wenn — dritte Voraussetzung! — der Bundesrat im zweiten Durchgang das Gesetz dann gleichfalls ohne Verzögerung verabschiedet, dann wird ab 1. Mai — man höre! —

(Hört! Hört! bei der SPD und beim GB/BHE)

die laufende normale Rentenzahlung nach dem neuen Gesetz eintreten.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218108400
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 886*) Ziffer 1. Da namentliche Abstimmung von der SPD-Fraktion beantragt ist und auch mehr als 50 ihrer Mitglieder im Saale sind, findet namentliche Abstimmung statt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

(Einsammeln der Abstimungskarten.)

Ich bitte die Damen und Herren, die in der namentlichen Abstimmung ihre Abstimmungskarten noch nicht abgegeben haben, sich zu beeilen. — Ich frage, ob noch Damen und Herren da sind, die in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgestimmt haben. — Dann bitte ich sich zu beeilen.
Ich schließe die namentliche Abstimmung.

(Auszählen der Abstimmungskarten.)

Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. Es haben 394 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt, mit Ja 169, mit Nein 224; enthalten hat sich ein Abgeordneter. Berliner Abgeordnete haben 14 abgestimmt, mit Ja 9, mit Nein 5. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 886 Ziffer 1 abgelehnt.
Es erübrigt sich damit wohl auch eine Abstimmung über den Änderungsantrag unter Ziffer 2, denn er hat zur Voraussetzung, daß der erste angenommen wird. Ich stelle das fest.
*) Siehe Anlage 11.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10102.


(Vizepräsident Dr. Schneider)

Dann rufe ich in der dritten Beratung noch den Änderungsantrag Umdruck 886*) Ziffer 3 auf, nach dem ein neuer § 1 b eingefügt werden soll. Soll der Antrag noch besonders begründet werden?

(Zuruf von der SPD: Ist schon geschehen!)

— Er ist schon mitbegründet. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zur dritten Lesung auf Umdruck 886 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen wir vor der Schlußabstimmung in der dritten Beratung. Ich gebe das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Abgeordneten Professor Schellenberg.

(Abg. Arndgen: Herr Präsident, Sie haben den § 1 a nicht aufgerufen! Ich wollte zu diesem Paragraphen noch einen Antrag stellen!)

— Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, in der dritten Beratung pflegen wir nach der Geschäftsordnung so vorzugehen. Der § 1 a ist vorhin in einer bestimmten Fassung angenommen worden. Dann hätten Sie mir Ihre Absicht, zu dem vorhin angenommenen § 1 a auch in der dritten Beratung einen Änderungsantrag stellen zu wollen, rechtzeitig bekanntgeben müssen.

(Abg. Arndgen: Ich habe gedacht, Sie rufen die einzelnen Paragraphen auf!)

— In der dritten Beratung werden die Paragraphen nicht mehr in der Reihenfolge der zweiten Beratung aufgerufen, sondern nur noch diejenigen, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich den § 1 a aufrufe, weil ein Änderungsantrag dazu gestellt werden soll?

(Zustimmung.)

— Das Haus ist damit einverstanden; dann verfahren wir so.
Bitte, Herr Abgeordneter Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0218108500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für notwendig, daß dem § 1 a noch folgender Satz angefügt wird:
§ 5 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes gilt entsprechend.
Diesen Satz müssen wir in den § 1 a noch hineinbringen, wenn bei Zusammentreffen von Renten keine Kürzungen vorgenommen werden sollen. Dadurch werden iauch Kürzungen nach § 1274 RVO ausgeschlossen. Ich bitte, den Antrag, diesen Satz dem § 1 a anzufügen, anzunehmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218108600
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich lese den Antrag noch einmal vor. Es soll am Schluß des § 1 a, den wir in der zweiten Lesung beschlossen haben, folgendes angefügt werden:
§ 5 Abs. 2 des Renten-Mehrbetrags-Gesetzes gilt entsprechend.
1 Siehe Anlage 11.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Nun stehen wir wirklich vor der Schlußabstimmung. Ich erteile das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung dem Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218108700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung zur Abstimmung ab.
Erstens. Im Gegensatz zu allen früheren Erklärungen der Bundesregierung mußte der Herr Bundeskanzler letzte Woche auf seiner Pressekonferenz zugeben, daß die praktische Verwirklichung der Rentenreform, d. h. die Auszahlung der neuen Renten, frühestens im April oder Mai möglich sei. Der Bundeskanzler hat zugegeben, daß die Schuld daran die Bundesregierung trägt, die, wie er wörtlich erklärte, die Gesetzesvorlage dem Bundestag früher hätte zuleiten sollen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Zweitens. Auch die Mehrheit des Bundestages ist an der weiteren Verzögerung schuld; denn sie hat es abgelehnt, den Gesetzentwurf der SPD zur Rentenneuordnung vom April dieses Jahres sogleich dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen. Die Ausschußberatungen wurden somit erst im September aufgenommen, wodurch eine Verzögerung von fast fünf Monaten eingetreten ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Bei !den Beratungen hat sich jetzt gezeigt, daß die Versäumnisse von Jahren nicht in Wochen und Tagen wiedergutgemacht werden können,

(Sehr richtig! bei der SPD)

was seinen Ausdruck z. B. darin findet, daß die Regierungsparteien bis jetzt 161 Änderungsanträge zum Regierungsentwurf gestellt haben.

(Hört! Hört! bei der SPD.) Weitere stehen noch bevor.


(Abg. Pelster: Und wieviel haben Sie gestellt? — Abg. Stücklen: Wir sind ja selbständig! — Weitere Zurufe.)

Drittens. Bundesregierung und Mehrheit dieses Hauses sind leider nicht bereit, den durch sie verursachten Schaden gegenüber den Rentnern dadurch zu mildern, daß sie ihnen wenigstens vom Januar an laufend Vorschüsse auf die Renten gewähren. Jetzt ist das eingetreten, was die Sozialdemokraten im April befürchtet und wovor sie gewarnt haben: daß unsere Alten und Arbeitsunfähigen wiederum einem Winter mit Sorgen und Nöten entgegengehen.
Viertens. Die Sozialdemokraten sind nicht bereit, der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses die ihnen obliegende Verantwortung gegenüber den Alten und Arbeitsunfähigen abzunehmen.

(Abg. Pelster: Verlangt niemand von euch! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Sie drücken sich vor der Verpflichtung zur sofortigen Hilfe, sie haben sich auch in der heutigen Entscheidung wieder davor gedrückt.

(Erneute Zurufe von der Mitte.)



(Dr. Schellenberg)

Die Sozialdemokraten werden dem vorliegenden Gesetzentwurf trotz der schweren Mängel zustimmen,

(Rufe von der Mitte: Aha! Hört! Hört! — weitere Zurufe und Lachen von der Mitte)

zumal die Sozialdemokraten die Initiative dazu ergriffen haben, daß eine Vorschußzahlung gewährt wird.

(Beifall bei der SPD.)

Wir erklären aber aus Anlaß der Schlußabstimmung, daß wir im neuen Jahre so lange weitere Anträge auf Gewährung von Vorschüssen an die Rentner stellen werden,

(Abg. Arndgen: Das haben wir erwartet!)

bis die Rentner in den Genuß der Leistungen gekommen sind, die ihnen nach der Rentenneuordnung zustehen sollen.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218108800
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. jentzsch.

Dr. Wilhelm Jentzsch (FDP):
Rede ID: ID0218108900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben. Die Freien Demokraten haben sich bemüht, durch echte und gerechte sozialpolitische Mittel den Rentnern für die Zeit vom gesetzlichen Wirksamwerden der Rentenreform bis zur tatsächlichen Verwirklichung zu helfen. Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FVP, Drucksache 2993, stellt nach unserer Auffassung keine ausreichende Befriedigung der dem Grunde nach anerkannten Ansprüche der Rentner aus der kommenden Reform dar.

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/BHE.)

Die Regierungsmehrheit hat gleichwohl ihren Entwurf als Gesetz beschlossen.
Damit den Rentnern wenigstens im Februar eine gewisse Hilfe zuteil wird, stimmt die Fraktion der FDP trotz grundsätzlicher und schwerster Bedenken dem Gesetz zu.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218109000
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (CDU):
Rede ID: ID0218109100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Schellenberg hat die Pressekonferenz, die der Herr Bundeskanzler in der vorigen Woche abgehalten hat, zum Anlaß genommen, daher die Argumente für seine Behauptungen zu holen. Meine Damen und Herren, ich erkläre hier namens meiner politischen Freunde: das, was Herr Kollege Schellenberg soeben hier dazu vorgetragen hat, führt in der Auswirkung zur Irreführung in der Öffentlichkeit.

(Beifall in der Mitte. — Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

Es ist gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt der Sozialpolitische Ausschuß mit seinen Beratungen begonnen hat und in welchem wirklich schweren Arbeitstempo er sie hat durchführen müssen.

(Zurufe von der SPD: Durch Ihre Schuld!)

Wir sind uns darüber einig, daß das Gesetz mit ' dem 1. Januar 1957 wirksam wird. Das hat gar nichts damit zu tun, wie und wann die Beratungen durchgeführt werden mußten. Die Berechnungen müssen in jedem Falle nach der Verabschiedung der Vorlage angestellt werden, und sie beanspruchen ihre Zeit, sie beanspruchen einige Monate, bevor die Gelder den Rentnern wirklich in die Hand gegeben werden können.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218109200
Herr Abgeordneter Horn, ich darf Sie doch bitten, die Form zu wählen, zu der ich Ihnen das Wort gegeben habe, nämlich Erklärung zur Schlußabstimmung.

Peter Horn (CDU):
Rede ID: ID0218109300
Dann möchte ich ergebenst den Herrn Präsidenten bitten, zu beurteilen, ob Herr Dr. Schellenberg sich besser an die Form der Erklärung gehalten hat als ich.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Greve: Das ist unzulässige Kritik am amtierenden Präsidenten! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, es soll hier wiederholt werden, was auch imAusschuß gesagt wurde: Wenn die Bestimmungen zum 1. Januar wirksam werden — und das in die Tat umzusetzen, ist die sozialdemokratische Fraktion genauso in der Lage wie wir, wenn wir unsere Arbeit in der nächsten Woche entsprechend tun —, dann ist die Praxis, die Verwaltung, in der Lage, die Nachzahlung für die Rentenerhöhungen im Laufe des April vorzunehmen.
Zu dem, was zur laufenden Vorschußzahlung zu sagen ist, habe ich dem, was vorhin Herr Kollege Arndgen gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

(Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion hat in der Frage jetzt genau dasselbe gute Gewissen, das sie auch bei unseren bisherigen Arbeiten gehabt hat.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218109400
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0218109500
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure, daß ich infolge des Verlaufs der Debatte und auf Grund der abgegebenen Erklärungen auch namens der Fraktion der Deutschen Partei zu Beginn noch einmal erklären muß, daß die Schuld für die Hetze, für manches hektische Gespräch, für manches ungute sozialpolitische Gespräch und für die Erklärungen, die hier heute zum Teil abgegeben worden sind, durchaus eine Kollektivschuld ist.

(Zurufe von der SPD.)

Die Deutsche Partei bedauert, daß es die SPD mit gewesen ist, die verhindert hat, daß vor einem Jahr auf Grund unseres Antrages eine rechtzeitige Aussprache stattfinden konnte.

(Beifall bei der DP.)

Die Deutsche Partei bedauert auch, daß Sie (zur SPD) Änderungsanträge redaktioneller Art, deren redaktionellen Inhalt Sie kennen und die sich auf gesetzliche Bestimmungen beziehen, die absolut nicht immer materielle Änderungen bedeuten, nun


(Frau Kalinke)

nach Zahl und Fülle gezählt haben und damit die Schwierigkeit der Beratungen begründen wollen. Nach Ansicht der Fraktion der Deutschen Partei ist die Beratung hinsichtlich des Inhalts der Regierungsvorlage genauso schwierig wie hinsichtlich des Inhalts des SPD-Gesetzesantrages.

(Sehr richtig! bei der DP.)

Ich wiederhole: Die Schwierigkeit der Beratungen ist durch den sachlichen Inhalt der beiden Gesetzesvorlagen bedingt.
Die Deutsche Partei hat den Wunsch, daß die Rentenerhöhungen, auf die die Rentner hoffen, so schnell wie möglich in Kraft gesetzt werden können, und ist überzeugt, daß alle Voraussetzungen geschaffen werden können, damit die erhöhten Renten rückwirkend ab 1. Januar 1957 gezahlt werden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß auch die SPD weiß, daß die von ihr geforderten Zahlungen am 1. Januar verwaltungsmäßig gar nicht möglich sind, selbst wenn wir das Gesetz heute in dritter Lesung verabschieden könnten. Die Sozialdemokratische Partei weiß
genauso gut wie wir, wie gefährlich es ist, in der Öffentlichkeit soziale Versprechungen zu machen — an denen sie reichlich beteiligt ist —, weil solche Versprechen erfüllt werden müssen.
Die Deutsche Partei hat im Ausschuß sachliche Anträge zur Verbesserung des Gesetzes gestellt. Sie ist leider oft nicht nur von ihren eigenen Koalitionspartnern, sondern besonders auch von der SPD im Stiche gelassen worden. Die Deutsche Partei hat Bedenken gegen Vorschußzahlungen, weil sie will, daß das, was den Rentnern versprochen ist, ihnen auch ungekürzt gegeben werden soll. Sie wird dem Gesetzesantrag der CDU/CSU-
Fraktion zustimmen, damit die Zahlung im Februar erfolgen kann, und wird, wie ich in der zweiten Lesung im Auftrage meiner Fraktion erklärt habe, im Januar ihren Änderungsantrag einbringen, damit hinsichtlich der Finanzierungsgrundlagen das Nötige geschieht und aus der beschlossenen Vorschußzahlung eine ungekürzte Überbrückungszahlung wird.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es, daß ihr Antrag auf Nichtanrechnung in zweiter Lesung einstimmig angenommen worden ist. Sie knüpft daran die Hoffnung, daß diese Auseinandersetzung um die Rentner und um die für sie bestimmten Leistungen die letzte vor der Verabschiedung der Rentenreform gewesen sein möge!

(Beifall bei der DP und in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218109600
Ich erteile das Wort noch einmal Herrn Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0218109700
Ich stelle zu der Erklärung von Frau Kalinke folgendes fest. Die SPD hat es Ende vergangenen Jahres abgelehnt, hier weiter über Rentenreform zu reden, weil sie einen Gesetzentwurf zur Rentenreform erarbeitete, den sie dem Hause vorgelegt hat.

(Zuruf von der Mitte: Haben Sie ja gar nicht!)

Zu der Erklärung des Herrn Kollegen Horn stelle ich fest, daß der Herr Bundeskanzler laut Wortprotokoll in der Bundespressekonferenz vom 7. Dezember folgendes erklärt hat.

(Zuruf von der Mitte: Hier ist doch keine Debatte! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

Ich zitiere:
Ich muß hier offen bekennen, daß die Bundesregierung,

(Zurufe von der Mitte: Wir haben keine Aussprache! — Unruhe)

als deren Sprecher ich hier auftrete, gut daran getan hätte, wenn sie die ganzen Vorlagen schon früher dem Bundestag hätte zugehen lassen.
Der Bundeskanzler hat damit das Verschulden der Bundesregierung an der Verzögerung der Rentenreform zugegeben.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218109800
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung des aufgerufenen Gesetzes in der dritten Lesung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich bitte vom Platz erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, wir müssen noch die Nr. 2 des Ausschußantrags erledigen, den Sie auf der Drucksache 3010 finden und der lautet, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Gewährung eines Vorschusses auf Rentenleistungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußgesetz) — Drucksache 2960 — als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen. Das kann nur in der Form einer Ablehnung in der zweiten Beratung geschehen.
Ich rufe deshalb auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährung eines Vorschusses auf Rentenleistungen nach der Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenvorschußgesetz) (Drucksache 2960).
Ich rufe auf§ 1,—§2,—§3,—§4,—§5,—Einleitung und Überschrift. —
Ich eröffne die Beratung. Wird in der zweiten Beratung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wer den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letzte ist die Mehrheit; das Gesetz ist in der zweiten Beratung abgelehnt. Eine dritte Beratung schließt sich daher nicht mehr an. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.

(Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt wieder den Vorsitz.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218109900
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Dritte Beratung der Gesetzentwürfe zu den Verträgen vom 27. Oktober 1956 zur Regelung der Saarfrage, über die Schiffbarmachung der Mosel, über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg und zur Abänderung des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Eingliederung der Saar.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Das Haus ist damit einverstanden, daß wir für die allgemeine Aussprache der dritten Lesung die Tagesordnungspunkte 4 bzw. 1 a, b, c, d und 2 miteinander verbinden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Lesung und gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Lenz.

Dr. Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0218110000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann ein gewisses Bedauern nicht unterdrücken, daß die zweite und dritte Lesung der Saarverträge nicht geschlossen durchgeführt worden ist. Ich hätte es gewünscht, daß ein nationales Ereignis von dieser Bedeutung hier in einer geschlosseneren Form erörtert worden wäre.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nachdem die Stunde schon so spät geworden ist und schon zu den Überleitungsbestimmungen sehr viel gesagt worden ist, möchte ich mich auf einige ganz grundsätzliche Ausführungen beschränken.
Ich glaube, wir alle haben ohne Unterschied der Fraktion Anlaß, uns darüber zu freuen, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nunmehr die Saar zu Deutschland zurückkehrt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FVP.)

Ich will nicht auf die wechselvolle Geschichte eingehen, die das Saargebiet innerhalb einer Generation gehabt hat. Aber ich glaube, wir alle, die wir es erlebt haben, als das Saargebiet zum zweitenmal von Deutschland abgetrennt wurde, hatten große Zweifel, ob und wann das Saargebiet die Möglichkeit haben würde, wieder zu Deutschland zurückzukehren. Ich erinnere daran, daß die französische Regierung noch bis 1950 zäh an der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland festgehalten hat und daß auch eine amerikanisch-englische Garantie für den Status der Abtrennung vorlag.
Die Einzelphasen, die zu diesem Vertrag geführt haben, will ich hier nicht mehr erörtern. Ich glaube aber, daß wir nicht zu dieser Lösung gelangt wären, wenn nicht der europäische Gedanke in der Nachkriegszeit so viel Kraft entwickelt hätte, daß alle am Europarat beteiligten Nationen eingesehen haben, daß eine Lösung der Saarfrage zwischen Frankreich und Deutschland auch in europäischem Interesse eine Notwendigkeit ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn man auch die Lösungen, die einmal im Europarat erörtert worden sind, nicht für besonders glücklich hielt, so waren sie doch, glaube ich, wichtige Vorstufen, um nun zu diesem Ergebnis zu gelangen. Ich erinnere mich daran — und ich glaube, meine Kollegen, die mit im Europarat sind, erinnern sich auch noch daran —: Als im Europarat die Ablehnung des Saarstatuts bekannt wurde, haben sich Delegierte aller Länder darum bemüht, daß nun keine schwere Verstimmung zwischen Frankreich und Deutschland eintrat, und sie haben sich dafür eingesetzt, daß das Abstimmungsergebnis und der Wille der Saarbevölkerung respektiert wurden. Herr Kollege Mommer, ich glaube, wir erinnern uns beide noch daran, daß wir mit dem damaligen Präsidenten des Europarates und heutigen Regierungschef Guy Mollet das Fernsehinterview in Straßburg hatten und daß damals Guy Mollet in sehr nobler Weise die Erklärung abgab, daß Frankreich nunmehr in seiner Politik dem Votum der Saarbevölkerung Rechnung tragen werde. Wir müssen heute mit Anerkennung feststellen, daß dies auch geschehen ist und daß er Wort gehalten hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir haben auch mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die französische Kammer mit so großer Mehrheit ihrerseits nunmehr die Verträge ratifiziert hat. Das ist ein günstiges Zeichen für den Stand der deutsch-französischen Beziehungen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir alle hoffen und erwarten, daß die letzten nationalen Streitfragen zwischen Frankreich und Deutschland damit abgetan sind. Wir hoffen, daß das für immer der Fall ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In einer Entwicklung wie der heutigen können es sich zwei Länder, die durch Kultur, Nachbarschaft und ihre Geschichte so eng miteinander verbunden sind, nicht mehr leisten, tiefgehende nationale Streitigkeiten zu haben.
Unser besonderer Dank muß heute der Bevölkerung des Saargebiets gelten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie hat sich bei der Abstimmung mit heißem Herzen für das Vaterland Deutschland ausgesprochen. Sie wollte den direkten Weg zur Heimat gehen und nicht den Umweg, den die Politik vorgesehen hatte. Doch glaube ich, daß ohne die mühseligen Verhandlungen, die vorangegangen waren und die zum Saarstatut geführt haben, dieser direkte Weg nicht möglich gewesen wäre.
Der Vertrag legt uns gewiß schwere Opfer auf, und über manche Regelung ist keine reine Freude, insbesondere auch über die angeblich zu lange Dauer der Übergangsperiode. Aber ich glaube, dies mußten wir in Kauf nehmen zur Erreichung des Endergebnisses und auch im Interesse einer möglichst reibungslosen Überführung der Saarwirtschaft in das deutsche Wirtschaftsgebiet. Wir wollen nur hoffen, daß die Übergangsvereinbarungen nun großzügig gehandhabt werden. Denn ein noch so perfektionistischer Vertrag — und ich muß sagen, dieser Vertrag hat anscheinend den Ehrgeiz, eine sehr minutiöse Regelung anzustreben — kann nicht alle Streitfragen, alle Probleme im voraus regeln. Es wird auch im Verhältnis zu dem neuen Bundesland Saar noch manches abzustimmen sein. Wir wollen hoffen, daß wir da Lösungen finden, die den Erwartungen der Saarbevölkerung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik entsprechen.
Wir bedauern sehr, daß heute manche Kreise im Saargebiet die Zustimmung zu diesem Vertrag und die Zustimmung zur Wiederangliederung an die Bundesrepublik von Bedingungen abhängig machen wollen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das widerspricht der Politik, die sie bisher immer vertreten haben, und ich glaube auch nicht, daß das eine vorbildliche nationale Haltung ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Eine Änderung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit der Eingliederung des Saargebiets haben wir nicht für erforderlich gehalten. Wir


(Dr. Lenz [Godesberg])

stehen auf dem Standpunkt, daß die Möglichkeit der Eingliederung der alten deutschen Gebiete durch einfaches Gesetz in Art. 23 ausdrücklich vorgesehen ist. Wir würden, glaube ich, dieses Privileg beeinträchtigen, wenn wir wegen gewisser Abweichungen während einer kurzen Übergangszeit eine Änderung des Grundgesetzes verlangen wollten. Wir glauben auch nicht, daß die Verfasser des Grundgesetzes an so etwas gedacht haben. Wir begrüßen es sehr, daß ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden ist.
Wir haben in der heutigen Stunde allen Anlaß, der Bundesregierung und allen Persönlichkeiten, die zum Gelingen dieser Verträge beigetragen haben, unsern herzlichsten Dank auszusprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, die einstimmige Annahme der Verträge im Auswärtigen Ausschuß bedeutet schon eine Anerkennung.

(Widerspruch bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, zum Schluß nur noch ein paar Worte. Wenn am 1. Januar 1957 die Bundesflagge an den Fahnenmasten im Saargebiet hochsteigt und dieses nationale Ereignis festlich begangen wird, werden sicherlich 18 Millionen Deutsche jenseits des Eisernen Vorhanges sich fragen, wann auch für sie die Zeit der Heimkehr da ist. Wir wären wohl alle glücklich, wenn in ähnlicher Weise wie hier die Frage ihrer Rückkehr geregelt werden könnte.

(Sehr wahr! in der Mitte.)

Daß sie gelöst werden muß, darüber sind wir uns alle einig. Wenn der Gedanke an die 18 Millionen Deutschen jenseits des Eisernen Vorhanges auch wie ein Schatten auf der Rückkehr des Saargebietes lastet, so soll das nicht unsere Freude und unsere Dankbarkeit über die Entwicklung beeinträchtigen; es soll uns aber eine ständige Mahnung sein.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218110100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0218110200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden den Ratifikationsgesetzen und dem Eingliederungsgesetz zustimmen, obschon wir an einigen Punkten einige Vorbehalte anzumelden hätten. Ich darf im Namen meiner Fraktion feststellen, daß die Lösung, wie sie heute vertraglich und gesetzestextlich vor uns liegt, in ihren großen Linien der Politik entspricht, die die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren immer vertreten hat, sei es in diesem Hause, sei es im Europarat, sei es gegenüber unseren sozialistischen Freunden im Ausland. Es ging uns immer darum, die Freiheitsrechte zu wahren und das Recht auf Einheit der gewachsenen Nation durchzusetzen. Wir sind davon nie abgewichen, auch nicht in der gefährlichsten Periode dieses Kampfes, als der separatistische Saarwolf im europäischen Schafspelz einherging.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Jetzt können wir aufatmen. Dieses Problem ist bereinigt, und damit kann die Entkrampfung des deutsch-französischen Verhältnisses wirklich werden. Wir freuen uns, daß schon vor uns die französische Nationalversammlung mit einer beachtlichen
Mehrheit die Verträge ratifiziert hat. Die SPD ist besonders glücklich darüber. Das bedeutet auch für uns das Ende von Spannungen, die wir immer bedauert haben, die aber unausweichlich waren und die wir nicht durch die Preisgabe von Grundsätzen beseitigen konnten, von denen wir annehmen, daß sie die Grundlagen der Freundschaft und der Einheit unter den europäischen Nationen sein müssen.
Aus den Verhandlungen, die zu diesen Verträgen geführt haben, und auch aus der Debatte, die anläßlich der Ratifizierung in der französischen Kammer stattgefunden hat, hat man überall ein gewisses Mißtrauen uns gegenüber spüren können, ein Mißtrauen nämlich, daß wir die Leistung Frankreichs jetzt entgegennehmen, daß wir aber widerspenstig sein würden, wenn es in den kommenden Jahren darum geht, unsere Gegenleistung zu erbringen. Ich möchte hier erklären, daß für uns die Opfer dieses Vertrages, so groß sie auch sein mögen, ein Teil des Vertrages sind, und daß wir für pünktliche und korrekte Vertragserfüllung eintreten werden, auch dann, wenn es weh tut, und daß in Frankreich niemand fürchten soll, daß wir die Möglichkeit — die wir theoretisch hätten —, in Verzögerungs- und Verschleppungstaktik zu machen, wahrnehmen werden. Wir werden die Freundschaft mit Frankreich, die jetzt möglich ist, nachdem die blutende Wunde, die allzu oft mit Schweigen zugedeckt wurde, beseitigt ist, nicht dadurch trüben, daß wir nachträglich an den Leistungen, die wir zu vollbringen haben, herum-arbeiten werden.
Wir Sozialdemokraten sind immer hart und unerbittlich in den Grundsätzen gewesen, aber immer ebenso konziliant in dem, was an Zugeständnissen an französische Wünsche und Interessen gemacht werden konnte. Wir haben Frankreichs Sicherheitsinteressen und Frankreichs Wirtschaftsinteressen, insbesondere das Interesse an der Kohle, immer anerkannt. Wir waren immer bereit, darüber zu reden. Die Berichte der Ausschüsse, die in unserer sehr schnellen Behandlung heute etwas zu kurz gekommen sind, zeigen die Größe dieser Opfer. Dabei drücken sich die Opfer im Augenblick nur in Zahlen aus, aber in kommenden Jahren werden es Zahlungen sein, und dann wird es zwar erlaubt sein zu stöhnen, aber nicht erlaubt sein, nicht zu zahlen.
Alles das, was wir hier getan haben, wäre nicht ausreichend gewesen, um zu dem glücklichen Ende zu gelangen, wenn sich die Saarländer mit der Teilung, mit der Trennung von uns abgefunden hätten, wenn sie den Stiftern einer neuen Nation gefolgt wären, statt den Willen zur Wiedervereinigung in einem einigen Volke wachzuhalten. Es mußte vieles zusammenkommen. Viele Kausal-ketten mußten zusammenlaufen, um das heutige Resultat möglich zu machen. Weil es so viele waren, darum gibt es auch viele Verdienste, und sehr viele können sagen, daß sie dabeigewesen sind.
Aber der Angelpunkt war immer der Wille der Saarbevölkerung zur Rückgliederung, und was da gilt, das gilt auch für die Wiedervereinigung. Solange das Flämmchen der Hoffnung und der Sehnsucht nach Einheit in Freiheit glimmt in den Herzen der Deutschen, die von uns getrennt leben, ein Flämmchen, das, wie wir gesehen haben, zur lodernden Flamme wird, wenn sich der Druck mindert und wenn die Verhältnisse günstig werden, solange ist die Trennung auf Sand gebaut,


(Dr. Mommer)

solange ist das Gebäude, das Siegermächte aufrichten, ein Kartenhaus.
Aber dieses gesunde Nationalgefühl ist nicht ein isoliertes Gefühl, isoliert von der Gesamtheit der Gefühle und der Interessen der Menschen. Es hat in der Vergangenheit auch an der Saar der Stütze und der Pflege von hier aus bedurft, und es bedarf auch in Zukunft, insbesondere bei den Menschen jenseits der Zonengrenze, der Pflege und der Stütze. Das war im Saarkampf sehr wichtig und ist im Kampf für die große Wiedervereinigung sehr wichtig. Wir müssen diesen Menschen die Gewißheit geben, daß die Erfüllung ihrer nationalen Freiheitshoffnungen nicht mit Opfern auf wichtigen Lebensgebieten, im Sozialen, im Wirtschaftlichen, zu bezahlen sein wird. Ein geteiltes Land muß sich notwendigerweise in seinen einzelnen Teilen unterschiedlich entwickeln. Die Verfechter der Teilung argumentieren dann mit gewissen Vorzügen, die die Menschen in diesem abgetrennten Gebiet genießen. Es war wichtig, daß wir diesen Argumenten die Versicherung entgegenhielten, daß nach der Rückgliederung der Besitzstand gewahrt wird und daß wirtschaftliche und finanzielle Hilfe im Augenblick der Rückgliederung in ausreichendem Maße von uns zur Verfügung gestellt wird.
Wir Sozialdemokraten, die FDP-Fraktion und die BHE-Fraktion haben im Oktober 1955 diese Versicherung der Wahrung des Besitzstandes gedruckt in einem Antrag hier im Bundestag in der Drucksache 1781 niedergelegt. Wir müssen heute bedauern, daß die Erörterungen, die es in den vergangenen Wochen und heute morgen in der zweiten Lesung gegeben hat, nicht übereinstimmten mit dem politischen Geist und Willen, der hinter unseren schon frühzeitig abgegebenen Versicherungen stand.
Das Ereignis, das den heutigen Tag möglich gemacht hat, war doch die Abstimmung vom 23. Oktober 1955.

(Zustimmung bei der SPD.)

Um diesen Ausgangspunkt zu schaffen, war es nötig, daß die Menschen an der Saar wußten: Hier im freien Teil Deutschlands übt man Solidarität, hier wird man dafür sorgen, daß sie, wenn sie für die Einheit des Vaterlandes eintreten, sich dabei auch im Sozialen und Wirtschaftlichen nicht schlecht stehen werden.

(Beifall bei der SPD.)

Deshalb muß ich es bedauern, daß heute morgen hier eine Diskussion stattgefunden hat, die an diesem entscheidenden politischen Punkt immer vorüberging. Darauf kommt es an, daß die Menschen, die von uns getrennt leben müssen, den Willen spüren, ihnen Opfer, die vermeidbar sind, zu ersparen, wenn der Tag der Wiedervereinigung kommt. Wenn man das will, dann finden unsere Fachleute und Techniker sicher immer die nötigen Wege, um das in Verwaltung und Gesetzgebung auch entsprechend zu regeln. Aber, meine Damen und Herren, dieses Bedauern müssen wir hier aussprechen. Gerade die Behandlung dieses Problems in diesen Tagen hat uns wieder gezeigt, daß der Bundesregierung geradezu das Organ für die Bedeutung des Sozialen in den Problemen der Wiedervereinigung fehlt.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

— Prüfen Sie sich selbst!

(Zuruf von der Mitte: Sie sich auch! — Weitere Zurufe.)

Dahinter steht ein wenig die Überzeugung, daß wir in der besten aller möglichen Welten leben. Man sollte sich doch nicht darüber wundern, Herr Bundesarbeitsminister, daß die Menschen an der Saar keine besondere Lust verspüren, von der Kindergeldregelung, die sie haben, „heruntergeglichen" zu werden zum schlechtesten Kindergeldgesetz, das es in Europa gibt.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Wie können Sie heute so was sagen! Unerhört!)

— Meine Damen und Herren, ich mußte so etwas heute sagen, weil wir heute morgen hier in diesem Saal bei der zweiten Beratung dieses traurige Schauspiel der Debatte um die Wahrung des sozialen Besitzstandes erlebt haben und die Mehrheit des Hauses sich geweigert hat, die Wahrung des sozialen Besitzstandes in das Eingliederungsgesetz hineinzubauen.

(Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, bei diesen Dingen mag die Rechtseinheit in der wiederhergestellten Staatseinheit wichtig sein; aber der Wille der abgetrennten Bevölkerungsteile nach Wiedervereinigung ist wichtiger, und auch das Einhalten von Versprechungen ist wichtiger. Wir haben uns diesen Menschen gegenüber engagiert, auch Sie, auch wenn Ihre Fraktion nicht unter jenem Antrag und anderen Erklärungen dieser Art steht; denn Sie basieren, indem Sie diese Verträge ausgehandelt haben, auch darauf, daß die Saarbevölkerung im Vertrauen auf die soziale und wirtschaftliche Solidarität gewissen Ratschlägen nicht gefolgt ist, das Statut nicht angenommen, sondern verworfen und damit den Willen zur Rückgliederung bekundet hat.

(Abg. Dr. Arndt: Sehr gut!)

Durch die Einbeziehung des Saargebietes als ein Bundesland in den Geltungsbereich des Grundgesetzes wird der Art. 23 Satz 2 des Bonner Grundgesetzes verwirklicht. Seine Vorschrift ist zu diesem Zweck geschaffen. Wir waren uns immer darüber einig, daß es keiner Verfassungsänderung bedarf, um das Grundgesetz auch im Saarland in Kraft zu setzen.
Aber eine Besonderheit der jetzigen Regelung besteht doch darin, daß unser Grundgesetz nicht schon zum 1. Januar 1957 in seinem vollen Umfange im Saarland in Kraft gesetzt werden kann, sondern daß während einer Übergangszeit von drei Jahren noch schwerwiegende Vorbehalte hingenommen oder zugunsten der Saar gemacht werden müssen. Dadurch ist die Frage entstanden, ob solche Vorbehalte und derartige Sonderbestimmungen ohne eine Ergänzung des Grundgesetzes zulässig sind. Wir haben auf diese Frage zeitig hingewiesen. Nach unserer Auffassung und nach der Uberzeugung auch der anderen Fraktionen — mit Ausnahme der größten Fraktion dieses Hauses — hätte man die Wirksamkeit dieser Vorbehalte und Sonderregelungen durch eine Grundgesetzergänzung sichern sollen. Zu unserem Bedauern aber hat sich diese Fraktion dieser Einsicht verschlossen.

(Abg. Dr. Krone: Wir wollten keine Vorbelastung der Wiedervereinigung!)

Die Verantwortung dafür, ob die nunmehr getroffene Regelung sich auch als verfassungsrecht-


(Dr. Mommer)

lieh wirksam erweist, müssen wir dieser Fraktion überlassen.
Wir legen Wert und Gewicht auf zwei weitere Feststellungen. Erstens: Mit der Einbeziehung des Saarlandes in den Geltungsbereich des Grundgesetzes wird die dafür geschaffene Vorschrift des Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes gegenstandslos. Der Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes ist konsumiert.
Zweitens: Das Verfahren der Einbeziehung der Saar in den Geltungsbereich des Grundgesetzes ist kein Präzedenzfall für die Wiedervereinigung. Die Wiedervereinigung vollzieht sich gemäß Art. 146 des Grundgesetzes durch freie Wahlen in ganz Deutschland zu einer gesamtdeutschen verfassunggebenden Nationalversammlung. Der Entwurf einer Wahlordnung für gesamtdeutsche Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung ist bereits vom 1. Bundestag beschlossen worden und hat bis heute nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Die Wiedervereinigung wird sich also in anderen Formen abspielen müssen als die Eingliederung der Saar auf Grund des Art. 23. Insoweit ist die Eingliederung kein Präzedenzfall für die Wiedervereinigung.
Jedoch wird auch der Wiedervereinigung eine Verständigung und schließlich ein Vertrag mit der anderen Siegermacht vorausgehen müssen. Auch bei diesem Vertrag werden das Prestige und das Sicherheitsbedürfnis und andere Interessen in Rechnung zu stellen sein. Auch bei diesem Vertrag wird man nach dem Grundsatz verfahren müssen: Gib, damit dir gegeben werde. Wir werden uns auch auf der anderen Seite durch kein noch so oft wiederholtes Nein und durch kein Ausweichen entmutigen lassen. Auch auf ,der anderen Seite ist der Freiheitswille der Bevölkerung die wichtigste Trumpfkarte in unserem politischen Streben, eine Trumpfkarte, deren Durchschlagskraft weitgehend durch unser politisches Verhalten beeinflußt wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns gleich — ich denke alle und wie ein Mann — von unseren Sitzen erheben, um in dritter Lesung die Verträge und das Eingliederungsgesetz zu billigen, dann ist das ein besonderer Augenblick in der Geschichte des Deutschen Bundestages. Unseren Landsleuten an der Saar rufen wir damit ein bewegtes Willkommen zu. Unsere Landsleute in Mitteldeutschland, die — Gott und der Welt sei es geklagt — noch weiter in leidvoller Trennung von uns leben müssen, mögen aus diesem großen nationalen Ereignis der Rückkehr eines anderen bisher abgetrennten Teiles unseres Vaterlandes Ermutigung und Hoffnung schöpfen. Eine Nation hat einen langen Atem. Wir als die frei gewählten Vertreter des deutschen Volkes wollen nicht ruhen und nicht rasten und keine Mittel der friedlichen Politik un-ausgeschöpft lassen, bis die Einheit der ganzen Nation in Freiheit vollendet ist.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE, bei der FDP und der DP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218110300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0218110400
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten werden dem Gesetzgebungswerk und den Verträgen zustimmen. Wir stimmen dem Eingliederungsgesetz trotz erheblicher Bedenken in verfassungsrechtlicher Beziehung, die schon angedeutet sind, zu. Wir stimmen den Verträgen zu und verbinden damit die Hoffnung, daß sich nicht nur die politischen Dinge, sondern auch — vielen von uns ist das ein persönliches Anliegen — unser Verhältnis zu unseren französischen Nachbarn so gestalten, daß wir von der Nachbarschaft zur Freundschaft übergehen können und daß wir damit die Grundlage zu einer Zusammenfassung aller europäischen Völker in einem vereinigten Europa bilden, das dann freilich auch die osteuropäischen Staaten mit umfassen müßte.
Wenn wir die Verträge annehmen, so geschieht das mit der selbstverständlichen Erklärung — ich darf unterschreiben, was der Kollege Mommer soeben gesagt hat —, daß nicht später daran gemäkelt wird, sondern daß wir diese Verträge nach Wortlaut und Sinn einhalten werden. Wir werden aber auch nach Wortlaut und Sinn das einhalten, was wir im Oktober des vergangenen Jahres zusammen mit zwei anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses für die Zukunft der Bevölkerung des Landes an der Saar in Aussicht gestellt haben.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich möchte nun, nachdem in der Begründung zu dem Vertragswerk und in dem Bericht des Herrn Generalberichterstatters auf die geschichtliche Entwicklung des Saarproblems eingegangen worden ist, doch noch einige Worte hinzufügen, auch im Hinblick auf die Debatten, die wir einmal in diesem Hause gehabt haben. Ich tue das nicht etwa aus irgendwelchen Ressentiments heraus; nach der persönlichen Seite nämlich sind die Dinge ausgeglichen, wenn auch erst nach elf Monaten. Aber was das Politische betrifft, so gestatten Sie mir, auf diese Entwicklung einmal etwas einzugehen, schon allein aus dem Gesichtspunkt, daß man aus der Vergangenheit auch etwas für die Zukunft lernen kann. So bitte ich das zu sehen.
Ich möchte an die Spitze dieses historischen Rückblicks einen Satz aus der Atlantik-Charta stellen, den die Westmächte zwar für sich formuliert haben und der meiner Auffassung nach auch für Rußland gilt. Dieser Satz der Atlantik-Charta vom 14. August 1941 verpflichtete die Alliierten, für ihre Länder keine Gewinne territorialer Art zu suchen, keinen territorialen Veränderungen zuzustimmen, die nicht den Wünschen dieser Völker entsprechen. Er verpflichtete sie ferner, das Recht aller Völker zu beachten, sich diejenige Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen.
Nachdem dieser Grundsatz festgelegt war, wurde Deutschland besetzt. Das Saarland, Teil des Deutschen Reichs, wurde besetzt und dann abgetrennt; Sie kennen die geschichtliche Entwicklung. 1947 wurde eine saarländische Verfassung geschaffen. Wir haben hier des öfteren, ich glaube, beinahe jedes Jahr, in den vergangenen Jahren uns über die Unfreiheiten, die unter dem System an der Saar damals zu Hause waren, beklagt, haben darüber debattiert und um Abhilfe ersucht. Wir haben es dann erlebt, daß im November 1952 im Saargebiet Landtagswahlen stattfanden und daß unter dem Druck, der damals herrschte, diejenigen, die den damals herrschenden Gewalten nicht paßten, nur durch weiße unbeschriebene Stimmzettel ihrer Meinung Ausdruck geben konnten, und das waren 26 %. Daraus erwuchs die Meinung der französischen Verwaltung, die Meinung des Herrn Grand-val, daß die Bevölkerung an der Saar wohl in


(Dr. Becker [Hersfeld])

jeder Volksabstimmung für Frankreich zu haben sei. Deshalb — auf Wunsch Frankreichs — kam die erste Volksabstimmung in das Saarstatut. Dann ist versucht worden — Sie kennen auch diese Geschichte —, über den Europarat, durch Herrn van der Goes van Naters ein mit europäischen Zutaten und Worten versehenes Statut auszuarbeiten, das erfreulicherweise nicht zur Annahme gekommen ist. Wir haben dann erlebt, daß im April 1954 in Straßburg noch einmal der Versuch gemacht worden ist, einen Saarvertrag zwischen Frankreich und der Bundesrepublik zustande zu bringen, der aber deshalb nicht zustande gekommen ist, weil das französische Kabinett die Unterschrift seines Mitgliedes, des Herrn Teitgen, nicht honoriert hat.
Am 23. Oktober 1954 sind wir dann schließlich in Paris zu dem Saarstatut gekommen. Sie kennen die Entwicklung, die hierzu geführt hatte. Die Auffassung der Freien Demokraten war die: Wenn ein Land besetzt worden ist, kann es nach den Grundsätzen der Atlantik-Charta nicht zum Zweck territorialen Erwerbs besetzt sein, sondern nur als Pfand im Krieg. Ausgehend von dieser Erwägung hatten wir, hatten unsere Minister, die Herren Blücher und Preusker, damals, als der Herr Bundeskanzler nach Paris fuhr, vorgeschlagen, durch wirtschaftliche, durch finanzielle Vorschläge dieses Pfand, das Frankreich an der Saar hatte, zu lösen. Die Vorschläge sind leider in Paris nicht vorgetragen worden. Die Vorschläge sind dann auch hier im Hause nicht nur nicht weiter erörtert worden, sondern in einer bekannten Debatte hier in einer Form behandelt worden, daß ich darauf noch etwas eingehen muß, und zwar deshalb, weil wir der Meinung sind, daß, wenn wir die vorliegenden Verträge abgeschlossen haben, sie abgeschlossen sind gerade auf der Basis, die wir damals vorgeschlagen hatten, nämlich auf der Grundlage, daß ein besetztes Land nur ein Pfand sein kann und daß ein solches Pfand ausgelöst werden kann. Ich trage das hier vor, weil — ich habe es schon einmal gesagt — wir für die Zukunft meiner Ansicht nach daraus lernen und eine gemeinsame Auffassung auch für die Wiedervereinigung im Osten daraus herausarbeiten könnten. Als wir damals diesen Vorschlag machten — die Sache nur als ein Pfand zu betrachten, das ausgelöst werden könne —, wurde er zurückgewiesen. Heute stellen wir mit Genugtuung fest, daß der Abschluß dieser Verträge auf der Grundlage erfolgt ist, die wir damals gewiesen haben. Wir freuen uns darüber, daß die Bundesregierung diese Grundlage angenommen hat, nachdem die Bevölkerung an der Saar in einem erfreulichen Elan und mit einem Mut ohnegleichen durch ihre Abstimmung die Voraussetzungen dafür geschaffen hatte. Ich möchte einmal einen Satz zitieren, den der Herr Bundeskanzler seinerzeit gesprochen hat. Er sprach damals davon: „Wer an solche völkerrechtliche Probleme herangeht auf Grund einer dreißigjährigen notariellen Erfahrung, der bleibt besser davon." Ich nehme sehr gern Belehrungen entgegen. Aber ich freue mich doch, daß das, was auf Grund dreißigjähriger Erfahrung als Theorie der Einlösung eines Pfandes erwachsen war, von der Regierung nunmehr akzeptiert ist. Ich hoffe, daß wir uns in Zukunft auf diesem Boden finden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und beim GB/BHE.)

Ich entsinne mich auch noch eines weiteren Vorfalls, dessen Wiedergabe heute nicht aggressiv gemeint ist. Ich hatte damals — Februar 1955 — formuliert: Geld und Gut hinzugeben, um Land und Leute für uns zu bewahren. Der Herr Bundeskanzler zückte damals als Antwort hierauf und auf den Vorschlag der Herren Blücher und Preusker auf dieser Tribüne seine Geldbörse und sagte — ich möchte wörtlich zitieren —:
Ich kann nur wiederholen: wenn wir, das besiegte Deutschland, das besetzte und geteilte Deutschland, hingegangen wären und den Franzosen Geld angeboten hätten, weil wir es haben und sie nicht, dann hätten Sie das machen sollen, Herr Dr. Becker, nicht ich.

(Lachen in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Ich freue mich, daß nicht ich habe hinzugehen brauchen, um so zu verhandeln, sondern daß der Herr Bundeskanzler zusammen mit seiner Regierung nun den Weg gegangen ist, nachdem die Abstimmung der tapferen Menschen an der Saar den Weg frei gemacht hatte.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Ich muß aber auch feststellen, daß die deutsche Regierung nicht nur mit einer kleinen Geldbörse, sondern mit einer ziemlich dicken Brieftasche hingegangen ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich brauche mir nur einmal die Summen anzusehen, die auf uns zukommen: Abfindung für die Währung 480 Millionen DM, Rückerstattung für Vorauszahlungen an Kreditinstitute und dergleichen 330 Millionen DM, usw., alles zusammen eine unbestrittene Summe, die zwischen 900 Millionen und einer Milliarde DM liegt. Dann die Kohlenlieferungen, die meistens zu Lasten des Saarlandes gehen: 66 Millionen t ohne Pachtzins auf 25 Jahre, steuerfrei zu liefern, ferner 1,2 Millionen t Kohlen jährlich auf 20 Jahre gegen Bezahlung, 33 % der verfügbaren Kohlenförderung zur Lieferung an die neue Firma Unichar. Das sind natürlich Beträge, an denen wir — wir akzeptieren sie — nicht mäkeln wollen, aber die immerhin zu erkennen geben, wie im Bedarfsfalle solche Pfänder ausgelöst werden können.
Wir kommen noch zum Moselkanal. Die Zahlen sind auch nicht ganz gering. Ich glaube, man darf sie einmal nennen, da sie in der Öffentlichkeit wohl nicht so ganz bekannt sind: 120 Millionen DM Baukosten, die wir zuzuschießen haben, dazu noch weitere 12/37 etwaiger Mehrkosten, 70 Millionen DM für andere Zwecke als reine Schiffahrtsinteressen, 50 Millionen DM Stammeinlage der GmbH, welche den Moselkanal baut, Darlehen an die GmbH, die eventuell nötig werden, usw. usw.

(Abg. Dr. Krone: Trotzdem sagen Sie ja!)

— Ja, wir sagen ja; das kostet uns viel Geld, das wissen wir. Es ist nur die Frage, verehrter Herr Kollege Krone, ob in anderen Ländern, wenn die bisherige Richtung einer Politik nicht zum Ziele geführt hat wie hier beim Saarstatut, nicht eine andere neue Regierung die Verhandlungen geführt hätte und ob das uns vielleicht nicht billiger gekommen wäre. Aber ich lasse das mal dahingestellt.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.) Ich wollte nur Ihren Zwischenruf aufgreifen.



(Dr. Becker [Hersfeld))

Nun, wir werden also trotzdem — Sie sagten es richtig — zustimmen, weil die Erledigung der ganzen Angelegenheit und die Bereinigung unseres Verhältnisses zum Westen für uns von besonderer Bedeutung ist. Die Zustimmung wird uns dadurch leicht gemacht, daß Frankreich den Sinn der Volksabstimmung sofort richtig verstanden und sie dementsprechend zur Grundlage der weiteren Verhandlungen genommen hat. Das erkennen wir hoch an. Ich darf bemerken: daß Frankreich, obwohl es, wie ich weiß, abgeschlossene Verträge sehr genau einzuhalten wünscht — ich mache ihm daraus keinen Vorwurf —, trotzdem in diesem Punkt, entsprechend der Großzügigkeit seines Nationalcharakters, entsprechend seiner Traditionen von 1789 und in Anerkennung der Grundthesen der Atlantikcharta diese Entscheidung hingenommen hat, erleichtert es uns, in vielen Dingen auch Lasten auf uns zu nehmen, die an sich sehr beträchtlich sind.
Ich sage Ihnen: Vielleicht können wir aus der Vergangenheit etwas lernen, nämlich in bezug auf die Theorie, daß nach den Grundsätzen der Atlantikcharta besetztes Gebiet immer nur Pfand sein kann. Denn die Atlantikcharta gilt auch für Rußland, seitdem sie auf Jalta zur Grundlage der Abmachungen gemacht ist; sie gilt auch für und gegen Rußland, seitdem diese Grundsätze in einer Deklaration der Vereinten Nationen niedergelegt sind.
Ich könnte mir also vorstellen, daß man nun an die Sowjetunion klipp und klar die Frage stellt, ob sie die Besetzung der Mittelzone als Versuch einer Annexion ansieht oder ob sie darin nur eine Pfandnahme erblickt. Nach den Grundsätzen der Atlantikcharta kann sie darin nur eine Pfandnahme sehen. Dann — wenn diese von Deutschland zu stellende Frage in diesem Sinne bejaht ist — würde sich die Frage anzuschließen haben: Wie wird das Pfand gelöst?
Ich bin einverstanden mit dem letzthin von der Bundesregierung vorgetragenen Grundsatz, daß Konferenzen für solche Zwecke nicht dienlich sind. Konferenzen werden groß aufgezogen, dienen propagandistischen Zwecken; es werden Reden gehalten, und keiner ist geneigt, von seinen Grundsätzen abzugehen. Noten haben vielleicht das gleiche Schicksal. Ich glaube, unmittelbare Verhandlungen, in denen offen und intern gesprochen werden kann, könnten uns da weiterführen.
Der Herr Außenminister hat in der Einführungsrede mit Recht davon gesprochen, daß die Atmosphäre, die im Laufe der Jahre zwischen Deutschland und Frankreich geschaffen worden sei, sehr viel dazu beigetragen habe, dieses Vertragswerk nun zustande zu bringen. Ich glaube, dieser Grundsatz gilt nach allen Seiten. Die Sowjetunion hat zweifellos, ich will mich vorsichtig ausdrücken, Maßnahmen ergriffen, die uns alle sehr schockiert haben, und sie hat uns in kleinen Dingen, in protokollarischen Dingen Veranlassung gegeben, festzustellen, daß das, was da geschieht, um mit Talleyrand zu reden, eigentlich nicht ein Unrecht, sondern eine Dummheit ist. Ich rede von kleinen, protokollarischen Dingen. Ich meine, dann sollte man das, was da begangen worden ist, auf der Seite lassen und nicht glauben, daß, wenn die einen eine Torheit begehen, wir verpflichtet seien, nun auch eine zu machen. Ich will mit anderen Worten sagen: Man sollte trotz des Schweren, was wir jetzt erlebt haben, doch versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir wieder miteinander ins Gespräch kommen, nämlich über die Kernfrage, ob die Sowjetunion anerkennt, daß die besetzten Gebiete nur als Pfand genommen sind, oder ob sie diese — offen oder versteckt — zu annektieren wünscht.
Sie wissen ja, daß Rußland einen Kolonialismus zweierlei Art verfolgt hat. Sie kennen den alten Kolonialismus, in dem es sich die Länder vom Baltikum bis zum Pazifischen Ozean angeeignet, aber geographisch mit dem Mutterland verbunden hat, so daß das Ganze eine Einheit bildete und nicht als Kolonialismus erschien. Der andere Kolonialismus ist der neue Kolonialismus, der scheinbar national selbständige Staaten durch eine einheitlich gelenkte und einheitliche totalitäre Partei zusammenfaßt. Das ist der moderne russische Kolonialismus. Es wird in der Welt viel zuwenig von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, diese Art von Kolonialismus anzuprangern und damit den Versuch Rußlands, sich bei den Völkern der BandungKonferenz als Hüter der Freiheit, als Hüter der Selbständigkeit anzubiedern, zunichte zu machen. Ich glaube, man sollte, wenn wir nun auf die Frage der Wiedervereinigung mit dem Osten zugehen, auch diese taktischen Dinge mit beachten.
Vielleicht darf ich hier noch etwas anschließen, was ich unseren französischen Abgeordneten-Kollegen, als wir im November dieses Jahres mit ihnen in Neuenahr zusammen waren, vorgetragen habe. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir uns in Deutschland, die wir ja in der Mitte des Kontinents liegen und mit dem Westen verbunden sein wollen, im Hinblick auf unsere ganze Zukunft, insbesondere die Frage der Wiedervereinigung, auch dem Osten stellen müssen, daß aber diese Absicht, sich zu stellen, keineswegs ein Abgang von unserer Meinung ist, mit dem Westen verbunden zu sein. Ich habe damals auf die Tatsache verwiesen, daß Deutschland im Jahre 1926 dem Locarno-Pakt beitrat und sich damit auf die Seite des Westens stellte, damals auch in den Völkerbund eintrat und damit dem Westen ebenfalls verbunden war, daß Deutschland sich aber gleichzeitig ausbedungen hatte, daß es gewisse Verpflichtungen des Völkerbundes gegenüber Aggressoren nicht auszuführen brauche, wenn die deutsche Regierung nicht selbst eine Aggression als gegeben ansieht. Gestützt auf diese Ausnahme, konnte dann Stresemann mit Zustimmung der westlichen Staatsmänner den Berliner Vertrag von 1926 mit Rußland abschließen. Dieser Vertrag bedeutete für die beiden Mächte einen Nichtangriffspakt, bedeutete die Anerkennung der gegenseitigen Neutralität, also für den Fall Neutralität, daß der eine oder andere Vertragspartner angegriffen ist, ohne den Angriff seinerseits provoziert zu haben. Wenn wir nunmehr an das Problem der Wiedervereinigung im Osten herangehen, müssen wir auch die Theorie der Pfandauslösung anwenden; und müßten — außenpolitisch — eine Regelung analog dem vorgenannten Vertragswerk — Locarno einerseits, Berliner Vertrag andererseits — anstreben.
Wenn am kommenden Silvestertag die Glocken von Saarbrücken bis Berlin übers deutsche Land tönen, dann läuten sie damit die Rückkehr des Saargebietes zur Heimat, zur Bundesrepublik ein und geben damit auch denen, die noch hinter dem Eisernen Vorhang wohnen, die Versicherung, daß wir an sie denken. Wenn der Herr Bundeskanzler dann nach Saarbrücken fahren wird — er wird es ja wohl vor dem Herrn Bundespräsidenten tun —,


(Dr. Becker [Hersfeld])

dann darf ich bitten, in jener Nacht auch einmal unsere vergangenen Debatten zur Hand zu nehmen und durchzulesen

(Heiterkeit in der Mitte — Zuruf von der Mitte: Das ist ein Silvestervergnügen!)

— Sie haben noch nicht zu Ende gehört —, darunter auch meine Schlußbemerkung von damals, in der ich sagte: Darüber, ob der eine oder der andere recht hat, wird niemand anders urteilen als nur die Geschichte. Aber das soll nun nicht der letzte Satz sein, sondern mein letzter Satz soll der sein: ich hoffe, daß wir uns für den anschließenden zweiten und weitaus schwierigeren Teil der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes auf Grundlagen, die wir nunmehr als richtig anerkannt haben, von rechts bis links und von links bis rechts durch das ganze Haus und durch das ganze Volk hindurch zusammenfinden können.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218110500
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (GB/BHE):
Rede ID: ID0218110600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE durfte ich schon bei der ersten Lesung der heute zur Verabschiedung anstehenden Zustimmungsgesetze zu den außenpolitischen Verträgen über die Rückgliederung der Saar erklären, daß wir bereit seien, ihnen zuzustimmen. Diese Zustimmung ist bedingt durch die von uns stets eingenommene Haltung, daß die Wiedervereinigung mit der deutschen Bevölkerung und dem Land an der Saar eine unerläßliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung ganz Deutschlands ist und mit allen friedlichen Mitteln und unter Erbringung aller vertretbaren Opfer herbeigeführt werden muß.
Wenn wir nun heute an der entscheidenden Stelle der Entwicklung der Saarfrage stehen, an der Stelle, welche die politische Rückgliederung des Saarlandes bedeutet und die wirtschaftliche Rückgliederung einleiten wird, läßt uns die Genugtuung darüber hinwegsehen über die Gegensätze, in die uns die Meinungsverschiedenheiten über den einzuschlagenden Weg in der Vergangenheit oft gebracht haben. Sie läßt uns auch hinwegsehen über manches Bedenken, das uns die vertraglichen Bestimmungen bei ihrer Überprüfung im einzelnen verursacht haben.
Es ist bei der dritten Lesung angesichts der übereinstimmenden Bereitschaft aller in diesem Hohen Hause, den Verträgen ihre Zustimmung zu geben, kein Anlaß mehr gegeben, auf die sich im einzelnen daraus möglicherweise ergebenden finanziellen und wirtschaftlichen Konsequenzen einzugehen. Wir können und wollen auch aus den verschiedenen Verträgen keine zusammenfassende finanzielle Bilanz ziehen, einmal deshalb nicht, weil sich die zahlenmäßigen Folgen heute nur sehr unvollständig überblicken lassen, zum anderen aber vor allem deshalb, weil das Ganze für uns keine wirtschaftliche oder finanzielle Frage, sondern nur eine politische Entscheidung sein kann und sein darf. Diese Entscheidung kann auch nur so lauten, daß wir die sich aus den Verträgen ergebenden Lasten um des politischen Erfolges willen übernehmen müssen, wenn sich ihre Übernahme aus der Finanz- und Wirtschaftskraft der Bundesrepublik auch nur einigermaßen rechtfertigen läßt.
Wir wiederholen dabei, was ich schon bei der ersten Lesung ausgeführt habe: daß diese Lasten nicht allein vom Bund getragen werden können, sondern auch von den Ländern und von der deutschen Wirtschaft mitgetragen werden müssen. Denn nur das gemeinsame Opfer aller kann dieser Rückgliederung deutschen Landes eine in die Zukunft wirkende gesamtdeutsche Bedeutung geben.
Wir sind aber nicht der Meinung, daß der Bevölkerung an der Saar ein überwiegender oder auch nur ein erheblicher Anteil an den Opfern zugemutet werden kann. Sie darf unter keinen Umständen das Gefühl erhalten, daß sie für ihr Bekenntnis zu Deutschland, für das wir ihr zu tiefem Dank verpflichtet sind, nun auch nachträglich noch bestraft werden soll.
Wir meinen damit nicht, daß nun alle aus dem Saarland an uns herantretenden Forderungen in Bausch und Bogen als gerechtfertigt angesehen und erfüllt werden sollten. Sie bedürfen einer Überprüfung auf ihre Notwendigkeit und auf unsere Leistungsmöglichkeiten. Das gilt zunächst für die Forderungen nach einem Ausgleich für den Saarhaushalt und nach Investitionen für Bergbau und Industrie an der Saar, die sicherlich weithin gerechtfertigt und notwendig sind. Es gilt auch für die Forderungen nach einem Ausbau der Verkehrswege und andere der Allgemeinheit dienende Einrichtungen. Das kann aber am allerwenigsten geltend gemacht werden, wenn es sich um soziale Leistungen handelt, die den wirtschaftlich schwachen Bevölkerungskreisen zugute kommen sollen. Deshalb bedauern wir es, daß es die Bundesregierung nicht verstanden hat, den Mißklang zu vermeiden, der durch die auch durch die heutigen Erklärungen und die Ablehnung der Änderungsanträge nicht beendigte Diskussion über die Wahrung des sozialen Besitzstandes in die Freude über die Rückkehr der Saar dort und bei uns hineingekommen ist. Wenn damit an der Saar falsche Eindrücke über die Absichten der Bundesregierung oder der Bundesrepublik entstanden sind, muß die Bundesregierung dafür verantwortlich gemacht werden, einmal wegen der reichlich ungeschickten Manipulation mit schriftlichen Zusagen, die dann nach angeblich falscher Kommentierung wieder zurückgezogen wurden, und nicht zuletzt auch wegen der im Saarland schon als Entmachtungsbestimmungen gegenüber der Saarregierung bezeichneten Formulierungen des Eingliederungsgesetzes, die auch in der zweiten Lesung leider keine Änderung mehr erfahren haben.
Wir meinen, daß man dies alles gar nicht nötig gehabt hätte und daß man hätte vermeiden können, in der Bevölkerung an der Saar das Gefühl eines Mißtrauens unsererseits oder gar einer Überheblichkeit entstehen zu lassen. Dazu haben wir sicherlich keine Veranlassung trotz der verschiedenen Übertreibungen, die nach den inneren Kämpfen, die an der Saar geführt worden sind, verständlich sind. Aber es wird sich in der engeren Zusammenarbeit — dessen sind wir gewiß — mit dem Bund und den deutschen Ländern bald vieles von selbst ausgleichen.
Das gilt sicherlich auch für die Angleichung in der Sozialgesetzgebung. Aber wir halten die Bundesrepublik nicht für einen sozialen Musterstaat, der sich die Auffassung leisten könnte, eine Formulierung wie die „Erhaltung des sozialen Besitzstandes" könne einem hinzutretenden Volksteil mehr Nachteile als Vorteile bringen. Auch die Vergleiche mit den sogenannten sozialen Errungenschaften in der Sowjetzone, die hier angestellt wurden, und die daraus abgeleiteten Befürchtungen hinsichtlich


(Feller)

der Wiedervereinigung im größeren Rahmen scheinen uns unangebracht, ja, sie scheinen uns gefährlich zu sein. Denn was wir dort ablehnen und als unannehmbar ansehen, das sind die Ausflüsse eines verwerflichen und von uns allen bekämpften politischen Systems, es dürfen aber niemals soziale Einrichtungen als solche sein. Wer mit so groben Vergleichen arbeitet, unternimmt etwas, was einmal zu unangenehmen Folgen führen könnte.
Wir würden nach unserer Meinung besser daran tun, wenn wir uns überlegten, welche einzelnen Regelungen, die zur Zeit im Saarland Geltung haben, als gut und auch für uns nachahmenswert anerkannt werden können, und wenn wir uns dann bemühten, sie im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Allgemeingut unserer sozialen Ordnung werden zu lassen. Denn nicht darin besteht für uns die Gefahr — die heute schon von manchen an die Wand gezeichnet wurde —, daß die sozialpolitische Weiterentwicklung von der Saar her einen Anstoß zum Sich-Überschlagen erhalten könnte, sondern darin, daß aus einer solchen Befürchtung heraus falsche Wertungen vorgenommen werden.
Wir haben davon abgesehen, die wirtschaftlichen und finanziellen Bestimmungen der Verträge einer isolierten und scharfen Wertung zu unterziehen, weil sie nur in Verbindung mit dem politischen Erfolg betrachtet werden können. Wir dürfen daher auch die sozialpolitischen Tatbestände, die wir an der Saar vorfinden, nur nach den politischen Folgen werten, die sich aus der Art ihrer Anpassung oder Angleichung an die in der Bundesrepublik geltenden Verhältnisse ergeben können.
Wir sind nicht etwa geneigt, unbesehen Dinge zu übernehmen, die sich in unsere Ordnung nicht irgendwie, wenn auch unter Opfern, einfügen lassen. Aber wir müssen alles, was wir, wie vorhin schon gesagt worden ist — die Oppositionsparteien expressis verbis, Sie alle aber durch Ihr Verhalten nach der Volksabstimmung — für die Saarbevölkerung als selbstverständliche Zusage haben erscheinen lassen, jetzt auch realisieren. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, als ob wir das, was wir an wirtschaftlichen und finanziellen Opfern gegenüber Frankreich zu bringen bereit sind, auf der anderen Seite an der Saar wieder in irgendeiner Form einsparen wollten. Hier sollten auch keine Rücksichten auf technische und rechtssystematische Schwierigkeiten der Angleichung vorgebracht werden. Es sollte vielmehr alles so angelegt sein, daß es keiner späteren Korrekturen mehr bedarf. Denn was hier und heute geschieht, gilt nicht nur für heute und für die Saar allein, sondern es gilt — ohne daß ich das etwas primitive Wort vom Testfall für die Wiedervereinigung gebrauchen möchte — für ganz Deutschland, ja, es gilt für ganz Europa. Wenn wir hier schon über Angleichungsschwierigkeiten auf bestimmten Gebieten im kleinen Bereich straucheln und wenn wir hier schon die Erwartungen der Betroffenen nicht gerecht zu erfüllen vermögen, wie soll es dann einmal im größeren Rahmen werden! Die Rückgliederung der Saar soll nicht nur in den äußeren Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland eine dauernde Befriedung bringen, sondern sie soll auch insofern eine befriedigende Wirkung haben, als den einzelnen betroffenen Menschen damit bewiesen wird, daß ein wirtschaftliches und vielleicht auch einmal ein politisches Ineinanderübergehen europäischer Volksteile und Gebiete sie nicht zu benachteiligen braucht. Insofern kann dieser Vorgang vielleicht noch stärkere Wirkungen als europäischer denn als gesamtdeutscher Testfall haben, und insofern kann auch die Entscheidung der Saarbevölkerung gegen eine Scheineuropäisierung und für Deutschland letztlich vielleicht eine sehr europäische Entscheidung gewesen sein.
Diese Hoffnung und die Erwartung, daß wir doch noch auf allen Gebieten des Rückgliederungsvorgangs zu befriedigenden Lösungen gelangen werden, veranlaßt uns, über viele Einzelbedenken hinwegzugehen und trotz der Schönheitsfehler des Eingliederungsgesetzes den vorliegenden Gesetzen als einem Ganzen unsere Zustimmung zu geben. Möge die Annahme dieser Gesetze ein erster Schritt auf dem Wege einer Entwicklung sein, an deren Ende die Einheit ganz Deutschlands steht.

(Beifall beim GB/BHE, bei Abgeordneten der SPD und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218110700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0218110800
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Volkspartei nimmt die Verträge an, und sie tut das mit Dankbarkeit, ungeachtet dessen, daß gerade die Ausschußberatungen im einzelnen ein Bild über die Schwere der materiellen Opfer ergeben haben, die wir auf uns genommen haben. Aber es war uns ja seit langem klar, daß die Rückgewinnung der Saar, ihre Eingliederung in die Bundesrepublik nur unter der Bereitschaft zu schweren Opfern zu erzielen war.
Wenn wir heute einen kurzen Rückblick zu vollziehen allen Anlaß haben, dann soll das nur geschehen, um daraus für die Zukunft nur um so verstärkter die berzeugung erhalten zu sehen, daß wir nur durch die konsequente Fortsetzung der Politik, die der Festigung des Friedens auf der Grundlage der Geltung von Recht und Freiheit dient, auch hoffen können, die weiteren Akte der größeren Wiedervereinigung mit den Deutschen, die jetzt noch nicht der Bundesrepublik angehören, erfolgreich vollziehen zu können.
Es wurde mit Recht festgestellt, daß, wenn in den letzten sechs Jahren, seit 1950, seitdem zum ersten Male die französische Regierung zu erkennen gab, daß sie die bis dahin hartnäckig vollzogene Annexionspolitik nicht in der Rigorosität fortzusetzen trachte, eine Entwicklung vollzogen wurde, die bis zum heutigen Ereignis führte, der Schlüssel für diese Entwicklung doch nur darin liegt, daß sich die Bundesregierung und die Koalitionsparteien trotz der Schärfe des deutsch-französischen Gegensatzes in der Saarfrage damals nicht davon abhalten ließen, eine konsequente Politik der deutsch-französischen Freundschaft, der europäischen Einigung und der gemeinsamen Zukunftssicherung der europäischen Völker zu treiben.
Dabei ließen wir uns von der Überzeugung tragen, daß die freiheitlichen Prinzipien gerade der westlichen Welt der Lösung der Saarfrage im deutschen Sinne um so stärker zugute kommen müßten, als wir uns in den Aufbau einer internationalen Ordnung nach den Prinzipien der Freiheit und des Rechts positiv tragend mit hineinbegaben und alsdann unter dem Einfluß dieser positiven deutschen Politik gehofft werden konnte, daß der Haß der Kriegszeit und der ersten Nachkriegszeit nur um so stärker überwunden würde.


(Euler)

Die Politik, die zur Eingliederung der Bundesrepublik in den Europarat, in die Montanunion führte, das Ringen um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, das Zustandekommen der Westeuropäischen Union, all dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren Stufen zur Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik. Je mehr Formen der europäischen Zusammenarbeit erstanden und je mehr die Bundesrepublik in den internationalen europäischen Organisationen als gleichberechtigter Partner erschien und in ihnen mitwirkte, um so unmöglicher wurde es, der Bundesrepublik gegenüber die freie Selbstbestimmung der Bevölkerung an der Saar zu verweigern.

(Beifall rechts.)

Die Festigkeit, mit der die deutsche Außenpolitik in diesen ganzen Jahren an ihren Prinzipien festgehalten hat, ihr unverrückbares Festhalten an der Freiheitsidee, an dem Streben nach einer internationalen Rechtsordnung, ihre Tendenz der gleichberechtigten Eingliederung der Bundesrepublik in die Welt der freien Völker auch und gerade um den Preis, daß wir die entsprechenden Opfer beitragen mußten, um die Verteidigungskraft der westlichen Welt zu stärken, waren unerläßlich als Voraussetzung für die Rückkehr der Saar. Je länger die Entwicklung der Nachkriegszeit durch diese Politik der Bundesrepublik im Rahmen der westlichen Welt positiv wurde zum Vorteil aller beteiligten Völker und Staaten, die diese Politik trugen, um so sicherer bahnte sich der Kompromiß an mit der einzigen Lösung, die man nicht nur als einzige für Deutschland tragbare Lösung, sondern als einzige tragbare europäische Lösung bezeichnen darf: die Saar als Bestandteil der Bundesrepublik, mit der Verpflichtung für uns, diesen politischen Gewinn mit materiellen Opfern wirtschaftlicher Art zu begleichen.
Erblicken wir darin die Auslösung der Saar aus den unseligen Verstrickungen einer unseligen Periode europäischer Vergangenheit und entnehmen wir aus der Rückkehr der Saar die Zuversicht, daß die tragische Vergangenheit des Streites und der Kriege zwischen europäischen Völkern mit freiheitlicher Konstitution ein für allemal abgeschlossen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Insofern ist der Tag der Rückkehr der Saar, ihrer Eingliederung in die Bundesrepublik der Tag, an dem man sagen kann, daß die deutsch-französische Freundschaft, die deutsch-französische Einigung zur Gewährleistung eines funktionierenden Europa endgültig sichergestellt ist und daß keinerlei Rückfälle in die Vergangenheit mehr vorkommen können.

(Beifall in der Mitte.)

Die Saarbevölkerung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat uns durch ihr Verhalten in Pflicht genommen. Wir sind ihr gegenüber Dank schuldig und sollten mit der großzügigsten Betrachtungsweise uns dem Ziele verpflichtet fühlen, die Zeit der Schlechterstellung, die sie auf den verschiedensten Gebieten zu ertragen hatte, dadurch zu beenden, daß wir alle Initiative einsetzen, um die wirtschaftlichen Schwächen auszumerzen sowie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung an der Saar das zu geben, was bisher vermißt wurde, nicht aber Schlechterstellungen eintreten zu lassen, die sich zu einer gewaltigen Enttäuschung verdichten könnten.

(1 meine sehr geehrten Damen und Herren, daß cue Diskussion, wie wir sie am Vormittag erlebt haben, keinerlei Anlaß gibt, diesen Willen der Mehrheit dieses Hauses zu bezweifeln. Es war, glaube ich, ein Mißklang, daß hier versucht wurde, den Eindruck zu erwecken, daß nach dem Verhalten der Koalition bei der Diskussion und der Abstimmung heute morgen daran zu zweifeln ist, daß die Wahrung des sozialen Besitzstandes gesichert sei. Zu diesem Zweifel besteht auch nicht der mindeste Anlaß. Wenn hier dieser Zweifel erweckt werden sollte, dann kann man sich doch die Begründung nicht so einfach machen und glauben, es könne zur Erreichung des Ziels beitragen, daß man eine allgemeine, als solche in keiner Weise verpflichtende Floskel in ein Gesetz aufnimmt. Wir wissen doch, von welcher Mannigfaltigkeit der Themen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich und ihrer wirksamen Behandlung es abhängt, daß das Ergebnis, Wahrung des sozialen Besitzstandes, erzielt wird. Es kommt darauf an, daß die Bundesregierung und die Fraktionen dieses Hohen Hauses bei allen zukünftigen Fragen der Ausführung dieser Verträge und der Vorbereitung der endgültigen, auch wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik den festen Willen haben, einen Zustand herbeizuführen und sicherzustellen, der unter keinen Umständen eine Benachteiligung der Saarbevölkerung bedeutet. Wir alle denken in diesen Wochen und erst recht dann am Tage des Vollzugs der Eingliederung der Saar in die Bundesrepublik an die größere Wiedervereinigung, die wir heißen Herzens ersehnen, aber leider noch nicht realisieren konnten. Ich glaube, daß allein die Tatsache der Rückkehr der Saar bei unseren Menschen in Mitteldeutschland die Zuversicht steigert, daß sie den Tag der Wiedervereinigung erleben werden, dessen jetzt die 900 000 Deutsehen an der Saar teilhaftig werden. Sie werden nur um so fester diese Überzeugung haben, wenn sie von uns wissen, daß wir uns nicht beirren lassen, in Zukunft die Politik fortzusetzen, die allein zu der Rückgewinnung der Saar geführt hat, nämlich die Politik eines Friedens, die die Wiedervereinigung bringen soll allein auf der Grundlage eines Rechts, das die Freiheit sicherstellen kann, damit gerade auf dem Boden der Freiheit Frieden sein kann, ein dauerhafter Friede, der allein der europäischen Menschheit das geben kann, was sie sich ersehnt. Das Wort hat der Abgeordnete Schneider Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben. Bei der ersten Lesung der Saargesetze hatte die Fraktion der Deutschen Partei es mit besonderem Bedauern vermerkt, daß in einer Stunde, die allein der Freude über die Rückkehr eines abgetrennten deutschen Gebietes hätte gelten sollen, der Parteienstreit als Sieger auf dem Felde blieb. Ich betone heute erneut, daß es auch jetzt noch ein müßiges Unterfangen ist, feststellen zu wollen, wem das größere Verdienst an der Rückkehr der Saar zukommt. Nach unserer Auffassung wird über diesem Streit allzu leicht vergessen, daß das deutsche Volk sich des heutigen Tages nicht erfreuen könnte, wenn die Bevölkerung an der Saar mit ihrem klaren Nein zu dem umstrittenen Saarstatut nicht allen Beteiligten einen Ausweg aus einer sehr schwierigen Situation gewiesen hätte. Das noch einmal herauszustellen scheint uns in diesem Augenblick geboten zu sein. Aus diesem Grunde hält es die Deutsche Partei aber auch für abwegig, nun einen neuen Wettlauf zu veranstalten etwa unter dem Motto: Welche politische Gruppe leistet am meisten für die wirtschaftliche Rückgliederung des Saargebietes? Die Aufgabe, die der Bundesrepublik und dem Saargebiet gestellt ist, wird ohne Zweifel noch zahlreiche Schwierigkeiten bringen, die wir im einzeinen heute sicherlich noch nicht zu überblicken vermögen. Diese Tatsache verpflichtet aber alle Gruppen in diesem Hohen Hause zu einer sinnvollen, auf das Zweckmäßige gerichteten Zusammenarbeit, die sich an dem Mut und an der Entschlußkraft der Saarbevölkerung ausrichtet. Wir sollten nie vergessen, daß es sich hier um eine wirklich nationale Aufgabe handelt, und wir sollten außerdem stets dafür sorgen, daß an diese Aufgabe nicht etwa mit den Methoden rivalisierender Wirtschaftsunternehmen oder streitender Sozialpartner herangegangen wird. Die Fraktion der Deutschen Partei hat bereits bei der ersten Lesung erklärt, daß es eine Ehrenpflicht der Bundesrepublik sein muß, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um die Rückgliederung des Saargebiets so reibungslos wie möglich zu gestalten. Darüber kann und darf es auch in diesem Hause keinen Zweifel geben. Es darf aber nach unserer Auffassung auch darüber keinen Zweifel geben, daß es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß am Ende dieses Prozesses eine um das Saargebiet vergrößerte Bundesrepublik steht, in deren Bereich für alle Staatsbürger die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten gelten. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet die Fraktion der Deutschen Partei auch den bedauerlichen Streit der letzten Tage über die Wahrung des sogenannten Besitzstandes an der Saar. Die Fraktion der DP fragt sich ernsthaft, ob wir es uns leisten können, neben anderen, teilweise grotesken Aufsplitterungen in unserer staatlichen Ordnung noch einen Zustand zweierlei sozialen Rechts in der Bundesrepublik und im Saargebiet zu schaffen. Wir verkennen keineswegs, daß im Zuge der Rückgliederung des Saargebiets für den einen oder anderen, ja vielleicht auch für eine viel größere Gruppe der Bevölkerung Härten entstehen können. Es wäre töricht, darüber hinwegzusehen. Wir glauben aber auch, daß man die Versicherung der Bundesregierung nicht mit leichter Hand beiseite schieben kann, in der es heißt: Eine Verschlechterung der sozialen Gesamtleistungen wird durch eine Angleichung weder bedingt, noch ist sie beabsichtigt. Denn hinter dieser Versicherung der Bundesregierung steht der erklärte Wille, bereits im ersten Jahre der politischen Rückkehr des Saargebiets rund 350 Millionen DM für den wirtschaftlichen Anschluß zur Verfügung zu stellen. Meine Fraktion ist davon überzeugt, daß das einzige Mittel, mit Erfolg eventuelle soziale Schwierigkeiten zu beseitigen, in einer möglichst baldigen und umfassenden wirtschaftlichen Angleichung liegt. Nur auf diese Weise sind jene Streitfragen zu lösen, die zu unserem Bedauern auch heute vormittag hier in diesem Hause eine Rolle gespielt haben. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung und die sie tragende Koalition Entschlossenheit gezeigt hat, hier eine klare Linie einzuhalten, und bedauern es deshalb um so mehr, daß zwischenzeitlich in dieser Beziehung vermeidbare Mißverständnisse auftauchen konnten, die geeignet waren, Zweifel an dem guten Willen der Bundesrepublik aufkommen zu lassen. Die Deutsche Partei bekennt sich zu dieser Auffassung um so freimütiger, als sie weiß, daß auch die Saarbevölkerung nicht bereit ist, wegen dieser Streitfragen an ihrem Bekenntnis zu ihrem deutschen Vaterland irgendwie deuteln zu lassen. In diesem Sinne halten wir es auch für unsere Pflicht, den Satz zu unterstreichen, den der Arbeitsminister des Saargebiets, Conrad, vor einigen Tagen äußerte, als er sagte: Wir kommen auch ohne zureichende Besitzstanderklärung zurück. Daran sollten wir festhalten: Das Vaterland steht über allen Meinungsverschiedenheiten über Wirtschaftsund Sozialpolitik. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir mußten einen langen Weg zurücklegen, um das Ziel zu erreichen, dem der Bundestag durch seinen heutigen Beschluß die endgültigen gesetzlichen Grundlagen geben wird. Es hat unendlicher Mühe, großer Geduld und auch einer großen Bereitschaft zum Ausgleich auf allen Seiten bedurft, um das vorliegende Vertragswerk fertigzustellen. Alle Beteiligten haben Zugeständnisse gemacht, die ihnen zunächst oftmals untragbar erschienen. Der Wille zum Ausgleich ist schließlich stärker gewesen als alle diese Hindernisse. Heute können wir mit großer Befriedigung feststellen, daß dank der unerschütterlichen Treue der Saarbevölkerung zu ihrem Deutschtum und der Verständigungsbereitschaft Frankreichs zum erstenmal seit langer Zeit zwischen unseren beiden Ländern alle territorialen Streitfragen bereinigt sind. Der heutige Tag sollte unseren Mut stärken, mit der gleichen Geduld und dem ebenso großen Willen zum Ausgleich, aber auch der gleichen Zielstrebigkeit an der Aufgabe weiterzuarbeiten, die Wiedervereinigung mit unseren Brüdern und Schwestern in Mitteldeutschland herbeizuführen. Wenn der Widerstand im Augenblick auch noch so groß und unüberwindlich erscheinen mag, eines wissen wir: Die Treue zum gemeinsamen deutschen Vaterland ist jenseits der Elbe nicht geringer, als sie sich an der Saar bewiesen hat. Deshalb wissen wir auch, daß wir eines Tages — und zwar in Berlin — ein ähnliches Gesetzeswerk zur Wiederherstellung auch des größeren Deutschlands beschließen werden. Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich an Gedanken und Beobachtungen dieser Saardebatte noch hinzuzufügen habe, geschieht nicht im Auftrag oder im Namen der Fraktion der Freien Demokraten. Ich spreche lediglich als ein Abgeordneter, der jedoch persönlich am Ringen um die Lösung dieses Problems besonders aktiv teilgenommen hat. Vielleicht — und ich wäre glücklich, wenn dies der Fall wäre — spreche ich auch für eine nicht geringe Zahl von Kollegen in diesem Hohen Hause ohne Unterschied der Partei. Denn der Abschluß dieser Verträge ist keine Parteiangelegenheit. Er berührt das ganze deutsche Volk auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, und als ein lebendiges Beispiel der Achtung vor frei ausgedrücktem Volkswillen berühren diese Verträge auch alle anderen Völkerschaften, die sich nach Freiheit und Selbstbestimmung sehnen. Ich bin der Meinung, daß durch diese Verträge und durch die Bereinigung des Saarproblems die Abwehr des Bolschewismus gestärkt worden ist, da wir nunmehr hier darauf hinweisen können, daß in der freien Welt dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Achtung gezollt wird. Mit Recht ist hier Frankreichs staatsmännische Haltung gewürdigt worden. Es ist ein Vorbild geschaffen worden für eine wirkliche internationale Verständigung. Im Saarvertrag war nichts für den Fall der Ablehnung vorgesehen. Aber was immer es auch für Stimmen gegeben haben mag: Noch in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober 1955 hat Frankreich zu verstehen gegeben, daß es die Folgerungen ziehen werde und zu neuen Verhandlungen bereit sei. Dafür gebührt Frankreich unser Dank, Dank dafür, daß es als ein Bannerträger abendländischer Rechtsgesinnung gehandelt hat und daß es einen wahren Beitrag zum demokratischen und zum Humanitätsideal geleistet hat, und dies gerade in einer Stunde, da alle diese Güter — Früchte jahrtausendalter Gesittung — zutiefst bedroht sind. Es drängt sich der Vergleich zwischen dieser Haltung Frankreichs an der Saar und der Haltung einer anderen Macht auf, die den klaren Willen eines edlen und freiheitsliebenden Volkes mit Panzern, Artillerie und geheimer Polizei brutal niederschlagen möchte. Vor der Geschichte, das wissen wir, wird nicht die Gewalt bestehen. Bestehen wird der Dienst an Freiheit und Selbstbestimmung, an Recht und Humanität. So darf ich vielleicht, ohne allzusehr vom Thema abzuweichen, auch einen Dank für Frankreichs europäische Haltung einfügen, mit der es in 'den schwersten Tagen der sowjetischen Gewaltanwendung gegen die leidende und brennende Stadt Budapest in großzügigster Weise den deutschen Staatsangehörigen Schutz und Hilfe gewährt hat. (Beifall bei der FDP und bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218110900
Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0218111000

(Sehr richtig! rechts.)


(Schneider [Bremerhaven])


(Sehr gut! rechts.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218111100
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218111200

(Zurufe von der SPD.)


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)


(Beifall rechts.)

Auch innenpolitisch ist meiner Meinung nach durch die Lösung der Saarfrage nunmehr eine wirkliche Entspannung möglich geworden. Es soll keine Bitterkeit übrigbleiben. Wir mögen uns bewußt sein, daß Gegnerschaften, die aus der vergangenen Epoche stammen, doch im Ringen um ein gemeinsames Ziel entstanden sind und daß dieses Ziel heute erreicht ist. Das sind die großen Aspekte, unter denen der heutige Tag steht. Freilich wäre noch viel Wesentliches zum Detail zu sagen; aber wir wollen ihm nicht gestatten, das Gesamtbild zu trüben.
Verträge, vor allem Verträge zwischen Freunden und Nachbarn, sind etwas Lebendiges. In diesen Verträgen sind Bestimmungen enthalten, die von beiden Seiten in ihrer praktischen Wirksamkeit sehr genau beobachtet werden müssen. Es scheint mir wesentlich zu sein, daß nunmehr tabula rasa gemacht wird, daß nicht neue Rechtsunsicherheit und am Ende neue politische Streitigkeiten entstehen. Gerade daher ist es notwendig, diese lebendigen Verträge ständig zu beobachten, um, wenn es nötig sein sollte, im gegenseitigen Einverständnis die Verträge im Laufe der Entwicklung der Wirklichkeit, wie sie sich herausstellen wird, anzupassen.
Große Aufgaben stehen vor der deutschen Gesetzgebung. Die Saar ist nicht Objekt — darüber sind wir uns ja alle im klaren, und wir sind uns alle darin einig —, sondern die Saar als deutsches Land mit einer deutschen Bevölkerung ist Mit-träger der deutschen Souveränität. Vor Jahren haben wir das Wort geprägt, daß die Wiedervereinigung im Westen beginnen muß. Sie hat begonnen, und sie kann zu einem Vorbild werden für die Wiedervereinigung in Freiheit für ganz Deutschland. Lassen Sie mich in einem Satze die Haltung kennzeichnen, die ich in unserer Gesetzgebung gegenüber der Saar für die richtige halte: was gut für die Saar ist, ist gut für Deutschland. Es gibt hier keine Trennung und kein Abwägen, ob dies oder jenes für den einen Landesteil oder für den anderen besser ist oder nicht. Es ist ein gemeinsames Schicksal und es ist eine gemeinsame Zukunft, auf die wir zugehen. Ich möchte von dieser Stelle aus die Freunde an der Saar bitten, Geduld zu haben und zu glauben, daß ja alles geschehen wird. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat. soviel ich weiß, bereits die Summe von 345 Millionen DM für Förderungsmaßnahmen des Bundes in Aussicht gestellt. Es sollte möglich sein, diese Summe auch haushaltsmäßig zu verankern. Wenn heute noch Sorgen an der Saar bestehen, was denn im Haushalt 1958 geschehen wird, so meine ich, daß auch das Probleme sind, die in gemeinsamer Arbeit gelöst werden können. Es darf nichts davon übrigbleiben, was in diesen Tag der Freude irgendwie einen Wermutstropfen gießen könnte.
Dank gebührt dem Volk an der Saar aller Parteien. Der Dank gebührt — das möchte ich in aller Deutlichkeit aussprechen — den Unterhändlern auf der deutschen und auf der französischen Seite.

(Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

Über allen Schwierigkeiten und Problemen, die sich zweifellos noch aus diesen Verträgen ergeben werden und die noch auf uns zukommen, soll eines unverrückbar heute vor uns stehen: daß zur Wirklichkeit geworden ist, was viele von uns erhofft und alle angestrebt haben, daß heute nichts Trennendes mehr zwischen diesen beiden Schwesternationen steht, daß eine gemeinsame Verteidigung eines gemeinsamen Erbes möglich geworden ist und daß wir heute gemeinsam nach Europa gehen können, gehen müssen, wenn wir nicht getrennt in Knechtschaft und sowjetische Kzs gehen wollen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Es ist also nicht zuviel gesagt, wenn ich abschließend bemerke: das historische Gesetz, von dem ein Mann wie Veit Valentin oft gesprochen hat, wird sich auch hier wieder auswirken, nämlich daß ausgekämpfte Gegnerschaften zur Freundschaft zwischen Völkern führen. Der Geist von Locarno, der Geist von Genf und Thoiry ist wieder lebendig geworden. Das Werk von Briand, von Chamberlain und Stresemann darf jetzt seine Er-


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

füllung finden. Sich darüber zu freuen und der höchsten Fügung der Geschichte dankbar zu sein, dazu besteht gerade in dieser Weihnachtszeit jeder Grund.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218111300
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Weber.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Ich verzichte!)

— Sie verzichten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0218111400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Redner dieses Hohen Hauses haben den Verträgen ihre Zustimmung erteilt, und alle Redner des Hohen Hauses haben sich zu den Pflichten bekannt, die die Bundesrepublik in diesen Verträgen auf sich genommen hat. Ich möchte namens der Bundesregierung aussprechen, daß auch wir in der Bundesregierung uns dieser Pflichten bewußt sind, die wir gegenüber dem Vertragspartner, gegenüber Frankreich übernommen haben, ebenso wie der Pflichten, die wir gegenüber den Deutschen an der Saar übernommen haben. Ich möchte erklären, daß wir sie getreulich erfüllen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der FDP.)

Ich möchte nicht polemisieren, ich möchte auch kein Wort der Kritik an dem sagen, was vorgetragen worden ist. Ich möchte nur sagen: Ich hoffe, daß wir uns gemeinsam über die soziale Ordnung und den sozialen Besitzstand aller Deutschen verständigen, derer an der Saar und derer in der Bundesrepublik. Wir haben nicht die beste soziale Ordnung; ich gebe es zu. Wir können sie nicht haben nach dem, was hinter uns liegt. Aber ich glaube, wir bemühen uns gemeinsam, eine gute soziale Ordnung zu schaffen, und wir bemühen uns gemeinsam, sie ständig und von neuem zu verbessern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich möchte auch nicht davon sprechen, wer diese Verträge herbeigeführt hat. Ich glaube, wir sollten es nicht tun. Ich bin dankbar, daß es auch nicht angeklungen ist. Der Abschluß dieser Verträge ist, so glaube ich, der Erfolg des unbeirrbaren Willens des ganzen deutschen Volkes, sich in Frieden und Freiheit wiederzuvereinigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der FDP.)

Er ist auch der Ausdruck des unbeirrbaren Willens des ganzen deutschen Volkes, seine politischen Ziele, und seien sie noch so drängend und quälend, nur auf dem Wege der Verständigung zu erreichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der FDP.)

Wir haben alle empfunden, daß wir mit diesen Verträgen einen entscheidenden Schritt getan haben. Sie werden es mir nicht übelnehmen — ich sage es ohne Pathos —, wenn ich hier ausspreche, daß ich am 27. Oktober, als ich die Verträge namens der deutschen Bundesregierung in Luxemburg unterzeichnete, das beglückende Gefühl hatte, daß
an diesem Tage das ganze deutsche Volk diese Unterschrift billigte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

So hoffe ich auch, daß an einem Tag, an dem ein Deutscher seine Unterschrift unter ein Vertragswerk setzen darf, das allen Deutschen die Einheit und die Freiheit und den Frieden wiederbringt, das ganze deutsche Volk hinter diesem Mann und hinter seiner Unterschrift steht.
Als vorgestern das französische Parlament die Verträge ratifizierte, hat der französische Ministerpräsident Guy Mollet einen bewegenden Appell an sein Parlament, an das deutsche Volk und an die Welt gerichtet. Wir haben diesen Appell gehört, und wir sind bereit, ihn zu beantworten. Wir empfinden in dieser Stunde Dankbarkeit für die Menschen an der Saar, die in ihrer Treue nicht versagt haben, wir empfinden Dankbarkeit für das französische Volk, für das französische Parlament und für seine Regierung, die sich zu einem mutigen Entschluß durchgerungen haben.

(Beifall im ganzen Hause.)

Aber ich glaube sagen zu dürfen, die Antwort des deutschen Volkes auf diesen Appell, die Antwort des deutschen Volkes auf die Bereitschaft seines westlichen Nachbarn, eine alte schwere Last vom deutsch-französischen Verhältnis wegzunehmen und die Voraussetzungen für eine dauerhafte und tiefe innere Freundschaft zu schaffen, und diese Bereitschaft sollten auch unseren Nachbarn im Osten zum Beispiel dienen. Auch im Osten sollte man wissen, daß das deutsche Volk auf einen Appell zu antworten bereit ist, wenn ihm erst einmal die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit geschenkt ist.

(Lebhafter Beifall im ganzen Hause.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218111500
Die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 ist damit beendet.
Wir kommen zu der Abstimmung. Ich rufe die unter Tagesordnungspunkt 1 a aufgeführte Vorlage Drucksache 2901 auf. Wer dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.

(Beifall im ganzen Hause.)

Ich rufe auf zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel, Drucksache 2903. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme auch dieses Gesetzentwurfes fest.
Hier liegt noch eine Entschließung vor, die der Ausschuß in Drucksache 3000 unter Ziffer 2 vorschlägt. Wer dieser Entschließung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur Abstimmung auf über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 1 d, Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Drucksache 2905. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu er-. heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle auch für dieses Gesetz einstimmige Annahme fest.
Ich komme zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2, Entwurf eines Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes (Drucksache 3001). Änderungsanträge liegen zur dritten Lesung nicht vor. Wer diesem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle die einstimmige Annahme des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes fest.
Meine Damen ,und Herren, wir stimmen noch über den Antrag des Ausschusses Drucksache 3001 Ziffer 2 ab, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Der Ausschuß schlägt unter Ziffer 3 weiter vor, die Entschließung zu fassen, die Sie auf Drucksache 3001 vorliegen haben. Wer dieser Entschließung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Entschließung ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind diese Tagesordnungspunkte erledigt. Wir fahren in der Tagesordnung mit Punkt 5 fort. Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran (Drucksache 2521);
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache 2957).
Berichterstatter: Abgeordneter Kalbitzer. (Erste Beratung: 160. Sitzung.)

Ich frage, ob das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht wird. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich eröffne die Aussprache der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht zu den Art. 1, 2, 3? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Gesetz in Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift in zweiter Lesung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Ich eröffne die Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wart wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich
*) Siehe Anlage 12. zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (WBO) (Drucksache 2359).
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (6. Ausschuß) (Drucksache 2982). (Erste Beratung: 146. Sitzung.)
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. — Herr Abgeordneter Merten als Berichterstatter.

Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0218111600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Drucksache 2982 legt Ihnen der Ausschuß für Verteidigung die Wehrbeschwerdeordnung in der Fassung vor, wie sie in einer Sitzung des Ausschusses einstimmig verabschiedet worden ist. Als Berichterstatter des Ausschusses möchte ich die Erläuterungen zu dem Gesetz im allgemeinen und zu den einzelnen Paragraphen angesichts der schon weit vorgeschrittenen Zeit zu Protokoll geben**).
Ich möchte bloß noch zwei grundsätzliche Bemerkungen machen. Die Wehrbeschwerdeordnung stellt eine Neuerung insofern dar, als damit das Parlament selber eine Materie regelt, die bis dahin immer nur durch Ausführungsverordnungen des Verteidigungsministers bzw. seiner Vorgänger geregelt worden ist. Die Tatsache, daß das Parlament an dem Erlaß der Beschwerdeordnung selber mitwirkt, möge ein Zeichen dafür sein, daß eine neue Basis gefunden worden ist, auf der das Verhältnis des Soldaten zum Staat und Volk seine Regelung finden soll. Wenn sich das Parlament derartige Dinge selbst vorbehält, die für die Stellung des Soldaten innerhalb der Bundeswehr und für die Wahrung seiner staatsbürgerlichen Rechte von erheblicher Bedeutung sind, so auch deshalb, weil der Soldat voll und ganz das Vertrauen haben soll, daß er sich gegen ungerechte Behandlung und Mißstände zur Wehr setzen kann, ohne daß ihm daraus ein Nachteil erwächst.

(Unruhe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218111700
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren, ich bitte dringend, obwohl wir lange tagen, so viel Ruhe zu bewahren, daß wir den Berichterstatter wenigstens verstehen.
Fahren Sie bitte fort!

Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0218111800
Das Bild des rechtlosen und willenlosen Objekts eines militärischen Apparats paßt nicht in den Rahmen einer Truppe, die selbst Freiheit und Recht schützen soll. Die Pflicht zu treuem Dienst und zur Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes muß auf der Grundlage des Vertrauens wachsen, daß Recht und Freiheit den Geist der Bundeswehr bestimmen.
Im Namen und Auftrage des Ausschusses für Verteidigung bitte ich Sie, dem Entwurf einer Wehrbeschwerdeordnung in der Fassung der Drucksache 2982 Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218111900
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
**) Siehe Anlage 13.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Ich eröffne die Aussprache der zweiten Lesung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, — 15, — 16, — 17, — 18, — 19, — 20, — 21, — 22, 22 a, — 23, — Einleitung und Überschrift. — Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist, wie mir scheint, einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, ich bitte, doch Platz zu nehmen, solange hier Abstimmung ist. Ich muß doch wenigstens sehen, wer dafür und wer dagegen ist. Ich glaube mit diesem Vorbehalt sagen zu können, daß dieses Gesetz in zweiter Lesung einstimmig angenommen ist.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache in dritter Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Form zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, vielleicht ist es ein Trost für das Haus, wenn ich sage, daß im Ältestenrat vereinbart worden ist, daß Punkt 7 vom Haus ohne Aussprache zur Kenntnis genommen werden möge. Ich rufe auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Verteidigung (6. Ausschuß) als Untersuchungsausschuß gemäß Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes über d as Verfahren wegen der Äußerungen des Generalmajors Paul Herrmann am 13. August 1956 betreffend Kriegsdienstverweigerer (Drucksache 2971). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker (Hersfeld).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort nehmen will. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Damit ist der Punkt erledigt. Eine Beschlußfassung ist in keiner Weise beantragt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Jugendfragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Graf (München), Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher (Drucksachen 2974, 2752).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort nehmen will. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Baier.

Fritz Baier (CDU):
Rede ID: ID0218112000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Dr. Graf (München), Frau Pitz, Wolf (Stuttgart), Dr. Seffrin, Dr. Czaja auf Drucksache 2752 war dem Ausschuß für Jugendfragen vom Bundestag in der 167. Sitzung am
26. Oktober 1956 überwiesen worden. Der Ausschuß hat bei der Erörterung des Antrags einmütig die Auffassung vertreten, daß die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung spätausgesiedelter und ehemals zwangsverschleppter deutscher Kinder und Jugendlicher die bestmögliche Förderung zu erfahren hat. Es muß das Bestreben sein, allen jenen deutschen Kindern und Jugendlichen, die infolge des Kriegsgeschehens oder der Kriegsereignisse in den ost- oder südosteuropäischen Vertreibungsgebieten zwangsweise zurückgehalten, ihrer deutschen Muttersprache entfremdet bzw., soweit es bei der Verschleppung Kleinkinder waren, ihrer Muttersprache völlig unkundig waren und im Sinne der marxistisch-leninistischen Gesellschaftsordnung erzogen wurden, Möglichkeiten zu einer raschen Schließung ihrer Schullücken und zur beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung zu geben, damit sie im Sinne des Art. 12 des Grundgesetzes die gleichen Startmöglichkeiten wie die übrige deutsche Jugend haben.
Einer solchen besonderen Förderung bedürfen, da grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen vorliegen, jugendliche Aussiedler und Verschleppte, jugendliche Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft oder Internierung, aus politischem Gewahrsam entlassene Jugendliche und in der Kriegsgefangenschaft, Internierung oder Verschleppung geborene Kinder.
Die in der Bundesrepublik vorhandenen rund 30 Fördereinrichtungen mit 1300 Plätzen reichen nicht aus, um alle jene Jugendlichen, bei denen Nachholbedarf vorliegt, aufzunehmen. Die Unterstützung dieser Maßnahmen durch Bund und Länder ist unzureichend. Es fehlt insbesondere an der Bereitstellung von Mitteln durch die Länder zur Einrichtung von Schulräumen und zur Besoldung ' geeigneter Lehrkräfte. Die Mittel des Bundesjugendplans reichten bisher nicht aus, um eine ausreichende Zahl von Heimplätzen in den Fördereinrichtungen zu schaffen. Von den Jugendlichen waren bisher nur die Aussiedler in den Vorlage-und Zuschußtitel für jugendliche Zuwanderer einbezogen, so daß für die übrigen der Beginn der schulischen, beruflichen und staatsbürgerlichen Förderung wesentlich verzögert wurde.
Das Ersuchen an die Bundesregierung, bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vorstellig zu werden, um die Änderung der Zweckbestimmung der Titel 661 a und 661 c sowie die Festlegung einer bestimmten Summe im Bundesjugendplan zu erreichen, soll nunmehr dieser dringenden Förderung deutscher Kinder und Jugendlicher dienen und den geschilderten derzeitigen Notstand beheben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218112100
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 9 der Tagesordnung und rufe auf die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene (34. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FVP, DP betreffend Hilfe für ungarische Flüchtlinge und den Antrag der


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Fraktion der SPD betreffend Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn (Drucksachen 3011, 2914 [neu], 2926).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht?

(Abg. Priebe: Nur einen Satz!)

— Herr Abgeordneter Priebe, einen Satz!

Moritz-Ernst Priebe (SPD):
Rede ID: ID0218112200
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat in seiner gestrigen Sitzung den Antrag, der Ihnen auf der Drucksache 3011 vorliegt, einstimmig beschlossen und bittet das Hohe Haus, diesem Ausschußantrag ebenso einmütig seine Zustimmung zu geben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0218112300
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Bei dieser Einmütigkeit verzichtet das Haus gewiß auf eine Aussprache. Oder wünscht dennoch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf den Punkt 9 b:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene (34. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfe für Flüchtlinge aus Ungarn (Drucksachen 3012, 2926).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rinke
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er dazu das Wort nehmen will. — Der Herr Berichterstatter Dr. Rinke verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag des Ausschusses. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist ebenfalls einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir nicht nur am Ende der Tagesordnung dieses Tages, sondern am Ende der Tagesordnung dieses Jahres. Das gilt zwar leider nur eingeschränkt; denn einige Ausschüsse, insbesondere der Sozialpolitische Ausschuß, der in den letzten Wochen besonders hart arbeiten mußte, werden auch in der nächsten Woche tagen müssen. Aber das Haus wird sich jetzt gleich vertagen, und wir werden uns hoffentlich alle im neuen Jahr wohlbehalten wiedersehen.
Meine Damen und Herren! Es war nie unsere Sache, hier am Jahresende einen langen Rückblick zu geben. Sie werden in den Neujahrsansprachen, in den Rundfunkkommentaren und vor allem in den Presseberichten feststellen, was wir in diesem Jahr getan und was wir in diesem Jahr nicht getan haben. Es fällt mir schwer, mir hier eine Zahl ganz zu verkneifen; aber ich werde auch darauf verzichten, und ich werde nicht einmal sagen, wieviel Gesetze wir in diesem Jahr gemacht haben.
Ich glaube, daß die Tagesordnung von heute symptomatisch war für vieles, was uns in diesem Jahr in diesem Haus und in diesem Raum heiß beschäftigt hat. Ich glaube, daß die Verabschiedung der Beschlüsse zur Hilfe für Ungarn, die in verständlicher Eile heute hier in diesem Haus vollzogen worden ist, mehr bedeutet, als in diesem Vorgang zum Ausdruck gekommen ist; denn dieses Haus und mit ihm das deutsche Volk ist solidarisch mit allen, die um der Menschenwürde und Freiheit willen in dieser Welt einen bitteren Kampf zu kämpfen und schwere Leiden zu tragen haben.

(Beifall im ganzen Hause.)

Meine Damen und Herren! Was wir — ich sage: mit den Mitteln des Friedens — für sie tun können, was in unserer Kraft steht, das sollen wir tun, und das wollen wir tun; denn wir sind zur Freiheit entschlossen, wir stehen auf der Seite der Freiheit.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0218112400
Es ist unverändert wahr, daß die Völker Europas der Einigung und der Einheit bedürfen. Daß diese Einigung nur in Freiheit, in Eintracht und Frieden sich vollenden kann, das wissen wir. Was uns betrifft, so ist es, glaube ich, keine Übertreibung und auch nicht nur eine feierliche Abschiedsfloskel, wenn wir sagen, daß es in diesem Hause, das der Auseinandersetzung gewidmet ist — und in dem Auseinandersetzungen auch geführt werden sollen — über alle Auseinandersetzungen hinweg, über alle Grenzen der Parteien, der Konfessionen, der Meinungen und Anschauungen hinweg auch — darüber sollte sich niemand täuschen — eine Einheitlichkeit des Willens gibt, des Willens, zur Einheit unseres Volkes entschlossen das Unsere beizutragen, so mühsam es auch sein mag.

(Allgemeiner Beifall.)

Wir wollen das Unsere tun, soweit wir es können, für die Wiederherstellung Deutschland als eines in sich gegliederten, frei, gerecht und friedlich denkenden und handelnden Landes im Herzen Europas.
Ich habe bedauert, daß wir an diesem Tage nicht zu einer gemeinsamen Erklärung über die Wiederherstellung Berlins als Hauptstadt Deutschlands gekommen sind. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen heute eine gemeinsame Erklärung der Fraktionen vorzutragen. Aber ich bin auch nicht der Meinung, daß dieses Thema abgeschlossen ist, sondern daß es weitergeführt werden muß, und wie ich meine, schon in den ersten Wochen des nächsten Jahres. Die Bemühungen, die innerhalb und außerhalb dieses Hauses der Wiedervereinigung Deutschlands und der Wiederherstellung Berlins als Hauptstadt gegolten haben, müssen fortgesetzt werden.

(Erneuter Beifall.)

Denn, meine Damen und Herren, es ist und bleibt nun einmal unsere Pflicht, nach neuen Mitteln und Wegen dafür zu suchen und dabei weder der Rhetorik noch der Illusion oder dem Kleinmut zu verfallen. Die Beschlüsse, die wir zu fassen haben werden, müssen den Belastungen einer harten und, wie wir gesehen haben, feindlichen Umwelt standhalten


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

l können. Ich hoffe, daß das Haus über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg sich im neuen Jahr ebenso in der Bereitschaft zum vertretbaren - zum vertretbaren! - Wagnis wie in dem Mut zur nüchternen, wirklichkeitsgerechten Bescheidung zusammenfindet.
Damit, meine Damen und Herren, bin auch ich am Schluß. Es bleibt mir noch, Ihnen meine herzlichsten Wünsche für eine gute Weihnachtszeit und für ein gesegnetes neues Jahr mit auf den Weg zu geben.

(Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf den 10. Januar 1957, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.