Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 158. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zunächst mitzuteilen, daß die nächste Fragestunde in der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause stattfindet, und zwar am Donnerstag, dem 27. September. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 21. September, 12 Uhr.
Herr Abgeordneter Miessner, ich erteile Ihnen das Wort zur Tagesordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten bitte ich bei der Steuerdebatte um
eine Umstellung der Beratungspunkte. In der Tagesordnung ist vorgesehen, zunächst unter 2 a und b die Anträge zur Gewerbesteuer zu behandeln, dann unter c den Antrag zur Umsatzsteuer, unter d und e die Anträge zum Notopfer Berlin und unter f und den folgenden Buchstaben die Anträge zur Einkommensteuer. Die Punkte stehen alle in einem engen Zusammenhang. Wir möchten daran erinnern, daß sie auch hei den Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß nur so behandelt werden konnten, daß die Anträge zum Notopfer vor dem Antrag zur Umsatzsteuer beraten wurden. Denn im Hintergrund aller Steuersenkungsfragen steht die Belastung des Bundeshaushalts. Sowohl der Antrag unter 2 c auf Senkung der Umsatzsteuer, die etwa 360 Millionen für den Bundeshaushalt ausmacht, wie auch die Anträge auf Abschaffung des Notopfers belasten den Bundeshaushalt so stark, daß es kaum möglich sein wird, beide Anträge durchzusetzen. Da das Hohe Haus — wie sich aus den Abstimmungen im Finanz- und Steuerausschuß ergeben hat — über die Frage der Abschaffung des Notopfers sehr geteilter Ansicht ist, weiß im Augenblick kein Mensch, wie letztlich die Entscheidung über die Abschaffung des Notopfers aussehen wird.
Wenn aber die Frage des Notopfers, die die Hauptfrage in der heutigen Debatte sein wird, noch nicht entschieden ist, ist es sehr schwer, vorher über den Antrag zur Umsatzsteuer zu entscheiden. Diejenigen, die in erster Linie für die Abschaffung des Notopfers sind, werden sich aus Verantwortung für den Bundeshaushalt nur schwer entschließen können, vorher auch die Umsatzsteuer entsprechend zu senken. Wenn wir aber die Fragen in richtiger Reihenfolge behandelten, und wenn man wüßte, wie die Entscheidung über die Notopfer-Frage ausgegangen ist, dann würde die Entscheidung über den Umsatzsteuer-Antrag hinterher mehr oder weniger von selber fallen, sei es, wenn das Notopfer abgeschafft wird, im negativen, sei es, wenn das Notopfer nicht abgeschafft wird, im positiven Sinne.
Wir bitten also darum, die Punkte d und e, die das Notopfer betreffen, vorzuziehen und den Punkt c — Umsatzsteuer — anschließend zu behandeln, beides allerdings vor der Einkommensteuer zu beraten.
Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat haben eingehende Besprechungen über die Reihenfolge der heutigen Tagesordnung stattgefunden. Die Fraktionen unter Einschluß der sozialdemokratischen Fraktion sind nach gründlichen Beratungen einvernehmlich zu der vorliegenden Tagesordnungsreihenfolge gekommen. Ich bitte, es dabei zu belassen.
Wird welter das Wort zur Tagesordnung gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir selbstverständlich bekannt gewesen. Herr Rasner, daß der Ältestenrat die Tagesordnung nicht blindlings, sondern mit gewisser Absicht so festgelegt hat. Ich bezweifle aber, ob bei diesen Überlegungen die Sachbetrach-
tungen des Finanz- und Steuerausschusses genügend zum Zuge gekommen sind. Nicht ohne Grund hat der Finanz- und Steuerausschuß nach entsprechender Aussprache die Reihenfolge so festgelegt, wie ich gebeten habe, sie auch hier festzulegen. Man kann die Dinge kaum anders behandeln, wenn man wirklich sachlich vorgehen will. Schließlich hat die Reihenfolge der Abstimmungen auch in den Beratungen des Finanz- und Steuerausschusses eine sehr 'wesentliche Rolle gespielt, und dabei haben sich sämtliche Kollegen des Finanz- und Steuerausschusses zu der Reihenfolge entschlossen, um die ich gebeten habe. Man muß aber erst über den großen Brocken Klarheit haben, ehe man über den kleineren sachgemäß entscheiden kann.
Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Alternativfrage, vor der wir stehen, ist: Notopfer Berlin oder lineare Tarifsenkung? Diese Fragen sollte man an sich zuerst entscheiden. Aber wir hatten vorher nichts dagegen eingewendet, daß zuerst die Gewerbesteuer, dann die Umsatzsteuer usw. behandelt werden. Ich meine, man sollte es bei der jetzt vorgesehenen Tagesordnung belassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Abgeordneten Miessner, die Punkte 2 d und 2 e vor den Punkt 2 c zu setzen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Punkt 2 a der gestrigen — Punkt 1 der heutigen — Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 2583, zu 2583).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Gestern ist über Art. 1 dieses Gesetzentwurfs abgestimmt worden. Art. 1 ist damit erledigt.
Ich rufe auf Art. 2. Keine Änderungsanträge? Keine Wortmeldungen? —
Dann stimmen wir ab. Wer Art. 2 in der Fassung der Vorlage zustimmen will, der gebe das Handzeichen. —
— Natürlich, wie ich aufgerufen habe.
— Meine Damen und Herren, ohne eine gewisse Mitwirkung des Hauses ist es sehr schwer, eine Abstimmung durchzuführen.
— Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist von den Fraktionen vorgesehen — und so sind auch die Berichte eingerichtet —, daß über sämtliche Steuervorlagen ein gemeinsamer Bericht, der in seinem wesentlichen Inhalt auch dem Hause bereits gedruckt vorliegt, erstattet wird. In der gestrigen Sitzung ist ohne Berichterstattung mit dem Gewerbesteuergesetz begonnen worden. Es erscheint doch angebracht — und diesen Vorschlag zur Geschäftsordnung möchte ich machen —, vor Weiterberatung aller Steuervorlagen nunmehr den gemeinsamen Bericht zu erstatten.
Meine Damen und Herren, das ist ein ungewöhnliches Verfahren. Wir sind mitten in der Beratung der Vorlage Drucksache 2086. Vielleicht wäre es gut gewesen, gestern abend mit diesem allgemeinen Bericht zu beginnen
und dann über die einzelnen Vorlagen abzustimmen. Nun ist das nicht geschehen. — Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern abend ist, nachdem vorher die Opposition ausgezogen war, Punkt 2 der Tagesordnung begonnen worden. Dabei ist, weil der Berichterstatter nicht anwesend war und nicht anwesend sein konnte, einfach in die Einzelberatung eingetreten worden. Ich habe gestern abend, als ich zur Geschäftsordnung sprach, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß v o r der Beratung der Steuergesetze der Bericht erstattet werden müsse. Herr Präsident, das ungewöhnliche Verfahren erklärt sich nur aus der ungewöhnlichen Situation am gestrigen Abend.
Ich bitte deshalb, jetzt die Beratung, die nicht ordentlich begonnen worden ist, zu unterbrechen und zunächst die Berichterstattung entgegenzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag unterstützen. Ich könnte im Grund noch einmal auf meine Begründung von vor fünf Minuten zurückkommen. Es hängt eben alles zusammen. Zumindest aber sollten wir den Bericht für das Ganze, sowohl für die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer wie für das Notopfer und die Einkommensteuer vorziehen. Ich würde den Herrn Präsidenten bitten, mit dem Tagesordnungspunkt noch einmal von vorne zu beginnen und, wenn das Haus einverstanden ist, zunächst den Bericht erstatten zu lassen.
Ist das Haus einverstanden, daß so verfahren wird?
- Dann wird so verfahren. Ich unterbreche die Beratung der Drucksache 2086 und erteile das Wort zur Berichterstattung über sämtliche heute anstehenden Steuergesetzentwürfe und -vorlagen dem Abgeordneten Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da dem Hause ein zu-
sammenfassender Schriftlicher Bericht*) zu den heute anstehenden Beratungsgegenständen vorliegt, darf ich teilweise auf ihn verweisen und mich entsprechend kurz fassen. Dem Hause liegen heute Ausschußberichte vor, durch welche Anträge zur Einkommensteuer teils ganz, teils nur in gewissem Umfange erledigt werden. Weiter liegen Ausschußberichte über Anträge zum Notopfer Berlin, ein Ausschußbericht über einen Antrag zur Umsatzsteuer sowie Berichte über Anträge zur Gewerbesteuer vor. In der Sitzung vom 18. April 1956 sind dem Ausschuß gleichzeitig mit den wichtigsten Anträgen, die heute zur zweiten Lesung anstehen, drei Anträge auf Senkung von Verbrauchsteuern — Kaffeesteuer, Teesteuer und Leuchtmittelsteuer — überwiesen worden, und dem Ausschuß liegen seit geraumer Zeit von seiten der FDP weitere Anträge auf Streichung von Verbrauchsteuern vor. Diese Anträge sind nicht bearbeitet, und dem Hause sind darüber heute keine Berichte vorgelegt. Im Ausschuß hat eine Auseinandersetzung darüber stattgefunden, ob die Steuersenkung vornehmlich auf dem Gebiete der Ertragsteuern oder auf dem Gebiete der Verbrauchsteuern vorgenommen werden solle. Eine Abstimmung über diese Frage hat im Ausschuß nicht stattgefunden. Das Ergebnis ist jedenfalls, daß heute nur Anträge auf dem Gebiete der Ertragsteuern behandelt werden.
Der Ausschuß hat, wie Sie aus dem Bericht sehen, dieser Materie im ganzen nur vier Sitzungen widmen können, wovon eine den Charakter einer allgemeinen Vorbesprechung hatte und die letzte nur eine zwei- bis dreistündige Abendsitzung war. Der Grund für diese wenigen Sitzungen liegt darin, daß, wie dem Hause bekannt ist, der Arbeitsplan in den letzten Wochen außerordentlich überlastet war. Ein weiterer Grund lag auch in der Pfingstpause und darin, daß Sitzungen teilweise überraschend abgesagt wurden, weil die Koalitionsnarteien mitteilen ließen, sie seien noch nicht zu Vereinbarungen über ihre Haltung gekommen. Eine Aussprache darüber hat im Ausschuß stattgefunden.
Die Beratungen des Ausschusses — ich darf hier auf den Abschnitt II des Schriftlichen Berichts Bezug nehmen — begannen am 5. Mai 1956 und gingen von der Lage aus, die eine Entschließung geschaffen hatte. welche in einer gemeinsamen Konferenz der Ministerpräsidenten in Bad Pyrmont am 5. Mai 1956 beschlossen worden war. Diese Entschließung besagt:
Die Ministerpräsidenten der Länder unterstützen ,die Bestrebungen des Bundestages und ,der Bundesregierung auf eine Steuersenkung, obwohl die Länder und Gemeinden noch große Aufgaben insbesondere beim Bau von Wohnungen, Schulen, Straßen, Krankenhäusern und Hochschulen zu finanzieren haben und über Haushalts- und Kassenreserven — im Gegensatz zum Bund — nicht verfügen. Dabei halten sie es für unerläßlich. daß eine Steuersenkung mit einer Vereinfachung des Steuersystems und einer Entlastung der Verwaltung verbunden wird. Mit diesem Grundsatz ist die Einführung neuer Sondervergünstigungen und damit eine weitere Komplizierung des Steuerrechts nicht vereinbar.
Die Ministerpräsidenten halten es daher für richtig, das Notopfer Berlin aufzuheben, das
*) Siehe Anlage 2.
für ,den Steuerzahler wie ein Zuschlag zur Einkommensteuer wirkt und sozial unbefriedigend gestaltet ist. Die Bundeshilfe für Berlin darf dadurch nicht geschmälert werden. Dafür besteht auch kein Grund, da das Notopfer Berlin im Bundeshaushalt zu den allgemeinen Steuereinnahmen gehört und für Berlin nicht zweckgebunden ist.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie kurz unterbrechen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, daß ich den Redner unterbrochen habe; aber ich habe folgendes mitzuteilen: Auf 1/210 Uhr ist eine gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses anberaumt. Diese Sitzung fällt aus. Die beiden Ausschüsse treten zu der gemeinsamen Beratung erst nach Erledigung des Schutzbereichgesetzes im Plenum zusammen, also voraussichtlich erst in der Mitte des Nachmittags. — Ich bitte um Entschuldigung. Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
In dieser Entschließung heißt es weiter:
Bei der Einkommensteuer sollte nach Auffassung der Ministerpräsidenten der Freibetrag für die Werbungskosten und für den Ehegatten erhöht und ein Freibetrag für die Arbeitnehmer eingeführt werden. Bei Aufhebung des Notopfers Berlin erübrigt sich jede Änderung beim Tarif der Einkommensteuer.
Die Ministerpräsidenten sind der Ansicht, daß die von ihnen vorgeschlagene Regelung bei der derzeitigen Lage auch dem Erfordernis des finanzwirtschaftlichen Verbundes zwischen Bund, Ländern und Gemeinden am ehesten entspricht.
Diese Entschließung war der Ausgangspunkt für sehr eingehende Besprechungen, die insbesondere auch mit Vertretern des Bundesrates unter jeweiliger Beteiligung des Bundesfinanzministeriums im Ausschuß geführt wurden, die fast den wesentlichsten Inhalt der Ausschußberatungen darstellten und die in dem Schriftlichen Bericht im einzelnen dargelegt worden sind.
Insbesondere ist die Frage erörtert worden, ob die in den Koalitionsanträgen enthaltene allgemeine Tarifsenkung durch die Streichung des Notopfers Berlin wenigstens für natürliche Personen ersetzt werden könne, nachdem der Bundesrat ein entsprechendes Initiativgesetz inzwischen eingebracht hat und nachdem er eindeutig erklärt hat, daß sich die Länder wegen der für sie damit verbundenen finanziellen Belastung gegen Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer wenden. Für diesen Fall, daß Tarifsenkungen durch die Streichung des Notopfers Berlin für natürliche Personen ersetzt werden sollten, stellte das Bundesfinanzministerium die Frage, ob die Länder bereit seien, sich an dem dadurch entstehenden Einnahmeausfall des Bundes zu beteiligen. Auf diese Frage ist zunächst keine abschließende Antwort gegeben worden. Wie Sie aus dem weiteren Bericht ersehen, haben die Länder dann aber diese Beteiligung teils aus verfassungsrechtlichen, teils aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Nachdem eine nochmalige Ministerpräsidentenkonferenz am 28. Juni 1956 stattgefunden hatte und das Ergebnis dieser Ministerpräsidentenkonferenz
am 29. Juni 1956 im Ausschuß beraten und den schließlichen Abstimmungen zugrunde gelegt worden war, war das Ergebnis folgendes: Von seiten des Bundesrates wurde erklärt, der Bundesrat werde einer Gewerbesteuersenkung bis zu einer Erhöhung des Freibetrages auf 2400 DM und einer anschließenden gemilderten Staffelung, wie von der Koalition beantragt, voraussichtlich zustimmen. Die Länder seien auch bereit, die dadurch bei finanzschwachen Gemeinden entstehenden Schwierigkeiten durch entsprechende Landeszuweisungen zu bereinigen. Der beantragten Tarifsenkung werde der Bundesrat nicht zustimmen. Er bleibe demgegenüber bei seinem Initiativgesetz zum Notopfer Berlin. Ebenso werde er der beantragten Umsatzsteuersenkung nicht zustimmen.
Es ergab sich demnach, wie im einzelnen im Schriftlichen Bericht dargelegt, schließlich folgende Lage: Die ursprünglichen Koalitionsanträge bedeuten einen Steuerausfall, zusammengesetzt aus Umsatzsteuersenkung, Einschränkung des Notopfers Berlin laut Regierungsvorlage, allgemeiner Tarifsenkung und den sonstigen Einkommensteuerermäßigungen, von insgesamt 2685 Millionen DM, davon zu Lasten des Bundes 1218 Millionen DM, zu Lasten der Länder 1467 Millionen DM. Die sich daraus für den Bund ergebende Belastung wurde von seiten des Bundesfinanzministers als das Höchstmaß des Tragbaren bezeichnet; die Belastung der Länder bei diesem Vorschlag wurde von den Ministerpräsidenten und den Finanzministern als untragbar abgelehnt.
Die vom Bundesrat vorgetragene Konzeption — keine Umsatzsteuersenkung, keine Tarifsenkung, Wegfall der Sondervergünstigungen für den gewerblichen Mittelstand bei der Einkommensteuer und Streichung des Notopfers Berlin für natürliche Personen — würde einen Gesamtsteuerausfall von 2240 Millionen DM bedeuten, davon zu Lasten des Bundes 1473 Millionen DM, zu Lasten der Länder 767 Millionen DM. Während die Länder sich mit dieser Belastung einverstanden erklären, hält der Bundesfinanzminister diesen Vorschlag nur für tragbar, wenn ein zusätzlicher Beitrag der Länder von 250 Millionen DM zu erreichen ist. Diesen Beitrag haben die Länder abgelehnt, und die Mehrheit des Ausschusses hat diesen Vorschlag abgelehnt, vor allem, weil sie auf die Umsatzsteuersenkung nicht verzichten wollte.
Die Ausschußanträge, die jetzt dem Hause vorliegen, ergeben nach diesen Schätzungsziffern einen Gesamtsteuerausfall von 2535 Millionen DM, davon 1168 Millionen DM zu Lasten des Bundes und 1367 Millionen DM zu Lasten der Länder. Die Verringerung rührt daher, daß auf Sondervergünstigungen für den gewerblichen Mittelstand bei der Einkommensteuer verzichtet wurde. Die sich hieraus für den Bund ergebende Belastung hält sich im Rahmen des vom Bundesfinanzminister für tragbar Erachteten. Die sich für die Länder ergebende Belastung wird vom Bundesrat als untragbar abgelehnt.
Wenn unter Beibehaltung der Ausschußanträge im übrigen die Tarifsenkung durch den Wegfall des Notopfers Berlin für natürliche Personen ersetzt würde, würde das Bild folgendes sein: Steuerausfall insgesamt 2600 Millionen DM, davon zu Lasten der Bundes 1833 Millionen DM, zu Lasten der Länder 767 Millionen DM.
Nach der Stellungnahme des Bundesrates wäre diese Lösung für die Länder finanziell tragbar, je-
doch hat der Bundesrat aus systematischen Gründen Einspruch gegen die Umsatzsteuersenkung angekündigt. Der Bundesfinanzminister hält diese Lösung nicht für tragbar, sondern verlangt für diesen Fall Wegfall der Umsatzsteuersenkung und einen Beitrag der Länder von 250 Millionen DM.
Das sind die Erklärungen, die im Ausschuß abgegeben wurden und die die Grundlage für die Beschlüsse des Ausschusses waren.
Damit kann ich meine Berichterstattung über diese Punkte beenden. Ich darf zu den einzelnen Vorlagen auf die Einzelberichte von Seite 5 unten bis zum Ende des Schriftlichen Berichts verweisen und nur noch die Abstimmungsergebnisse erwähnen.
Zur Gewerbesteuer wurde der Antrag der FDP gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, der dem Hause vorliegende Ausschußantrag einstimmig angenommen.
Zum Notopfer Berlin wurde der Antrag der SPD, das Notopfer für natürliche Personen wegfallen zu lassen, einmal mit Stimmenmehrheit 14 : 12 und einmal mit Stimmengleichheit abgelehnt.
Zur Umsatzsteuer wurde der Ausschußantrag mit 17 : 9 Stimmen und ein andermal mit 14 : 11 Stimmen beschlossen.
Zur Einkommensteuer sind sämtliche Beschlüsse zu Art. 1 der Vorlage einstimmig erfolgt. Der Beschluß über die Tarifsenkung — Art. 1 a — ist gegen die Stimmen der SPD erfolgt. Die Tarifanträge der SPD und die Tarifanträge der FDP auf den Drucksachen 1695 und 1664 wurden gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der Antrag der SPD auf Gewährung eines Arbeitnehmerfreibetrages von 600 DM jährlich wurde einmal mit Stimmengleichheit, einmal mit einer Mehrheit von 14 zu 12 Stimmen im Ausschuß abgelehnt. Der Mündliche Bericht des Ausschusses über diesen Antrag findet sich auf Drucksache 2591.
Als Berichterstatter habe ich namens des Ausschusses zu empfehlen, die Anträge des Ausschusses anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kehren zurück zur Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes, Drucksache 2086.
Ich rufe auf Art. 2. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Art. 3! — Keine Wortmeldungen. Einleitung und Überschrift! — Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Damit ist nach § 84 der Geschäftsordnung der Antrag der Fraktion der FDP endgültig negativ erledigt.
Ich rufe auf Litera b):
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes
;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen
.
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Ich rufe in zweiter Beratung zur Einzelaussprache Art. 1 auf. Hier sind zwei Änderungsanträge angekündigt. Sie finden sie auf Umdruck 725 und Umdruck 729.
Zunächst hat das Wort der Abgeordnete Könen zur Begründung des Antrags auf Umdruck 729*).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 729 beantragt die sozialdemokratische Fraktion, den Ausschußantrag dahingehend zu ändern, daß statt „2400 DM" jeweils „2000 DM" eingesetzt wird. Die Festlegung des Datums auf den 1. Januar 1957 soll bleiben.
Bei der Gewerbesteuer sind wir in einer Lage, die etwas anders ist als bei den sonstigen Steuerarten, weil der Herr Bundesfinanzminister nicht der direkt Betroffene ist, der ängstlich seinen Geldsäckel hüten muß,
damit ihm nicht zuviel herausgeschnitten wird.
Wir haben uns vielmehr sehr sorgfältig zu überlegen, daß wir hier in die Lage versetzt sind, mit
— entschuldigen Sie, wenn ich es so sage, wie man es draußen sagt — andrer Leut's Geld umzugehen.
— Daß es viele so machen, ist kein Entschuldigungsgrund.
— Wir machen es alle, einverstanden. Aber es ist hier vielleicht etwas anders, und Sie haben das durchaus verstanden.
Wir haben auf der einen Seite die Gewerbetreibenden, die — das möchte ich hier ausdrücklich betonen — mit Recht in bezug auf die Gewerbesteuer bestimmte Wünsche angemeldet haben, und auf der anderen Seite die Kommunen, die ebenso mit Recht darauf hinweisen, daß Gewerbesteuersenkungen für sie außerordentliche Folgen haben. Ich glaube, wir sollten uns darüber klar sein, daß sämtliche Anträge, die zur Gewerbesteuerfrage gestellt worden sind und die nur darauf ausgehen, Freibeträge in dieser oder jener Höhe festzulegen, am Kern des Problems vorbeigehen müssen, weil die bei der Gewerbesteuer mit Recht empfundenen Ungerechtigkeiten damit nicht aus der Welt geschafft sind. Es wird nötig sein, daß wir uns mit der Gewerbesteuer in Zusammenhang mit der anderen Steuergesetzgebung sehr ausführlich beschäftigen. Die Gewerbetreibenden beschweren sich zu Recht darüber, daß sie durch die Eigenart dieses Gesetzes Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind, die z. B. zur Folge haben, daß der Handwerksmeister seine eigene Arbeitsleistung steuertechnisch in keiner Weise in Ansatz bringen kann, daß er ferner von den Zinsen, die er für ein Darlehen aufzubringen hat, Gewerbesteuer zahlen muß und ähnliches mehr, Fragen, die mit der Erhöhung von Freigrenzen nicht zu regeln sind. Die Erhöhung der Freigrenzen ist insofern notwendig und gerechtfertigt, als der alte Satz den heutigen Verhältnissen tatsächlich nicht mehr entspricht.
*) Siehe Anlage 4.
Über die Gewerbesteuersenkungen ist in der Öffentlichkeit sehr viel geredet und geschrieben worden. Man hat davon viel erwartet. Heute haben wir die Situation, daß einzelne Gemeinden die Hebesätze gesenkt haben, daß sie Gewerbesteuerbeträge stunden im Hinblick auf die zu erwartenden Steuersenkungen, die vom Bundestag ausgehen sollen. Aber, meine Damen und Herren, als Sprecher meiner Fraktion weise ich ebenso deutlich darauf hin: Man sagt den Gewerbetreibenden nicht mit genügender Klarheit, daß im Grunde genommen die Senkungsbeträge, die für sie — und ganz besonders für ,den kleinen und mittleren Gewerbetreibenden — in Betracht kommen, gar nicht die entscheidende Höhe haben, die sie gern sehen möchten, um zu einer echten Entlastung ihrer Betriebe zu kommen.
Aus diesem Grunde bin ich auch der Meinung, daß man die Dinge nicht dramatisieren soll. In einem Rundschreiben der Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf lese ich z. B., daß eine Radikalisierung der Gewerbetreibenden eingetreten ist, daß man in Frankreich gesehen habe, wohin diese Radikalisierung führt, und die Wahl zur Pariser Handelskammer mit 20 % für die Poujadisten geendet hat. Man sollte meines Erachtens nicht den Teufel an die Wand malen. Die Industrie- und Handelskammer schreibt weiter, daß es „nur eine Frage der Zeit ist, wann ein Block von Radikalisten sich breitzumachen beginnt und versucht, unser öffentliches Leben zu terrorisieren". Das Wort „terrorisieren" ist schon gestern zweimal vom Herrn Präsidenten gerügt worden. Aber hier dreht es sich ja um das Terrorisieren außerhalb des Bundestags. Obwohl ich mich gegen eine solche Art der Darstellung wehren muß, muß ich doch sagen, daß im Kern die berechtigte Forderung I steckt, die Ungerechtigkeiten dieses Gewerbesteuergesetzes für die Betroffenen zu beseitigen, eine Forderung, ,die man unter allen Umständen unterstützen muß. Natürlich ist es richtig, wenn man sagt, daß die — wie es hier so schön heißt — öffentlichen Kassen des Herrn Schäffer überquellen und die Gewerbesteuerzahlenden nun mit scheelen Blicken dort hinsehen. Dieser Betrag sei — so heißt es weiter — bei der zentralen Notenbank eingezahlt worden, was bedeute, daß man ihn im Ofen verbrannt habe.
Wenn man in dieser Form mit solch massivem Geschütz auffährt, dann muß man sich allerdings auch darüber klar sein, daß man für die Gewerbetreibenden etwas tun sollte, was mehr bedeutet, also einen Umbau der Gewerbesteuergesetzgebung in Verbindung mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer usw., denn, meine Damen und Herren, der Schwerpunkt der Entlastung liegt auch in diesem Falle bei der Einkommensteuer oder auf gut deutsch hier bei uns, beim Bund. Diese Forderung können wir also nur unterstützen.
Es ist dann von den Kommunen mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Beträge, mit denen die Gewerbetreibenden . rechnen, dadurch verringert werden, daß sie einen Teil der Gewerbesteuerersparnis bei Erhöhung der Freibeträge auf dem Umweg über die anderen Steuern wieder abgeben müssen. Darüber liegen sehr interessante Berechnungen vor. Ich will Sie hier nicht mit Zahlen langweilen. Ich will Ihnen nur sagen, daß diese Zahlen in einigen Beispielen zwischen 36;69 % und 71,11 % der ersparten Beträge liegen. Diese Anteile gehen also anstatt in die
Kommunen an die Länder und den Bund. Wenn man sich das überlegt, ist auch zu verstehen, daß die Kommunen wegen der Senkung der Gewerbesteuer ernste Sorgen haben.
Ich halte es auf jeden Fall für völlig abwegig, von der Gewerbesteuersenkung als einer sozialen Maßnahme zu sprechen, wenn man den kleinen Gewerbetreibenden durch die Senkung der Hebesätze helfen soll; denn davon hat der kleine Handwerksmeister fast gar nichts, aber die Unternehmen, die hohe Steuern zahlen, können dabei einen ganz ordentlichen Schnitt machen. Das zu ermöglichen ist nicht unsere Aufgabe.
Es ist auch nicht unsere Aufgabe — und hier möchte ich einmal für die Kommunen eintreten —, den Kommunen Steuerbeträge wegzuziehen, um sie dem Bund zur Verfügung zu stellen, und damit die an und für sich schon auf schmalem Wege befindliche Selbstverwaltung der Kommunen weiter zu gefährden.
— Weil ein großer Teil der eingesparten Gewerbesteuererträge als Einkommensteuer wieder nach Bonn wandert.
— Auf die Länder werde ich noch zu sprechen kommen.
Ich gehöre zu den Leuten, die sich für unkomplizierte Wege immer begeistern. Ich kann deshalb nicht einsehen, warum man Beträge, die man direkt in den Kommunen lassen könnte, erst zum Bund und zu den Ländern leiten und dann wieder zurückfließen lassen soll. Das sehe ich nicht ganz ein. Sie wissen, daß das ganze System des Finanzausgleichs, der Zuweisungen, in jedem Fall eine unerfreuliche Angelegenheit bleibt. Aus diesem Grunde habe ich gesagt, es sei verständlich, wenn die Kommunen wegen der Senkung der Gewerbesteuer große Sorgen hätten.
Ich möchte Ihnen einmal einiges Material darüber bekanntgeben und gleichzeitig — wenn ich das so sagen darf — eine Lanze für die Kommunen brechen. Man greift die Finanzpolitik der Gemeinden an und erklärt: Ihr gebt da in rauhen Mengen das Geld aus; die Gewerbesteuer ist eine eurer Haupteinnahmequellen, und es wird lustig darauflosgewirtschaftet. Man liest da manchmal sehr unerfreuliche Dinge. Man hat z. B. bei der Frage der Investitionen, bei der Frage der überhitzten Konjunktur manchmal in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, die Gemeinden seien wegen ihres unverantwortlichen Bauens usw. entscheidend verantwortlich für die Überhitzung der Konjunktur.
-- Nicht alle Gemeinden! Aber, Herr Dr. Hellwig, man soll vom schwarzen Schaf nicht auf die Herde schließen. Es ist gut, wenn man einmal weiß, wie sich die Investitionen der Gemeinden, im Gesamtrahmen gesehen, auf die verschiedenen Zwecke aufteilen. Wenn wir auch in Düsseldorf, Herr Dr. Hellwig, ein umstrittenes Opernhaus wieder aufgebaut haben, so ist es doch nicht wahr, daß alle Gemeinden Theater aufbauen und ähnliche Vorhaben ausführen.
Ich möchte Ihnen einmal einige Zahlen dazu nennen. Wir haben in der Zeit bis 1954 11222,8 Millionen DM in den Gemeinden investiert, d. h. knapp 8 % des gesamten Investitionsvolumens in der Bundesrepublik. Von diesen 11 222,8 Millionen sind bei den Gemeinden für den Straßenbau ausgegeben worden 23,5 %, für den Schulbau 20,6%, für Entwässerung, Müllabfuhr, Schlachthöfe, Straßenreinigung und Krankenhäuser 15,8 %, für die eigenen Wohnbauten 10,4 % ohne die Darlehen, für Gesundheit, Jugendpflege und Sport 6,7%, Investitionen für wirtschaftliche Unternehmungen, also Beträge der außerordentlichen Rechnung der Gemeinden 6,5 %, für Trümmerbeseitigung 3,5 %, für allgemeine Verwaltung, Rathäuser usw. 3,2 %, für das allgemeine Grundvermögen 3 %, für Jugendhilfe und Fürsorge 2,1 %, für Kulturbauten mit Ausnahme der Schulen 1,7 % und für sonstige Verwaltungszweige 3%.
Meine Damen und Herren, überlegt man sich diese Zahlen, dann muß man doch wohl zugeben, daß der Vorwurf, die Gemeinden — und Herr Dr. Hellwig meinte ja eben schon, es handle sich nur um einzelne — aasten mit dem Geld, das sich die Steuerzahler sauer verdienen müssen, nicht aufrechtzuerhalten ist. Ich sagte vorhin schon, daß in der ganzen Struktur der Steuergesetzgebung eine Ungerechtigkeit gegenüber den Gewerbetreibenden liegt, die in irgendeiner Form beseitigt werden muß, daß aber auf der anderen Seite die Kommunen wegen der Erhöhung der Freigrenzen Sorgen haben.
Der Antrag der SPD geht von einem Betrag von 2000 DM aus, ebenfalls in den Ertragsstufen von 2000 DM. Das ergibt einen Gewerbesteuerausfall von rund 315 Millionen gegenüber dem Ausschußantrag mit einem Steuerausfall von 430 Millionen. Wie wirkt sich das aber in den Gemeinden aus? Meine Damen und Herren, hier möchte ich einmal sehr deutlich sagen: Es dreht sich in diesem Falle bei den Auswirkungen auf die Gemeinden überhaupt nicht um die D-Mark-Beträge. Der Ausfall von 2500 DM kann für eine kleine Gemeinde den finanziellen Ruin bedeuten. Der Ausfall von 1 Million kann für eine Großstadt Anlaß zu gewissen Einsparungen sein, aber noch lange nicht den Ruin darstellen. Man sollte uns also nicht damit kommen: Das macht da nur 1000 DM aus, da nur 5000 und da 12 000 DM. Die Höhe der Beträge ist nicht so entscheidend wie der Prozentsatz, den diese Beträge im Gesamthaushalt der betreffenden Gemeinde ausmachen.
Nach dem Vorschlag, den die SPD-Fraktion in ihrem Änderungsantrag macht, haben wir z. B. für einige herausgegriffene Orte festgestellt, daß damit ein Ausfall an Aufkommen aus der Gewerbesteuer verbunden ist für Coburg von 11,3 %, Düsseldorf von 5,1%, Flensburg 13,2 %, Hagen 17,4%, Wilhelmshaven 37% und einige andere Orte von 38, 35 und 36 %. Hierzu möchte ich sagen, daß die Einwohnerzahl nicht entscheidend ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß unter den finanzschwachen Gemeinden eine ganze Anzahl auch nach der Einwohnerzahl kleinere Orte sind. Entscheidend dafür, wie sich dieser Gewerbesteuerausfall auswirkt, ist die wirtschaftliche Struktur einer Gemeinde. Je mehr kleine Gewerbetreibende an einem Ort sind, desto härter und schärfer trifft die Gemeinden der Ausfall an Steuern. Es ist immerhin ein Unterschied, ob eine solche kleine Gemeinde ihre Gewerbesteuer von kleinen Handwerksmeistern und kleinen Gewerbetreibenden bezieht oder ob, wie
in einer Großstadt in unserem Lande, 12 % der Gewerbetreibenden 80 % der Gewerbesteuer aufbringen. Das ist ein gewaltiger Unterschied in der Auswirkung. Ich will Ihnen nicht noch weiteres Zahlenmaterial nennen. Ich möchte nur mit darauf hingewiesen haben, daß hier also zwei echte Interessen vorhanden sind, das echte Interesse des Gewerbetreibenden an einer steuerlichen Erleichterung und das Interesse der Gemeinden, die mit Recht erklären, daß sie nicht in der Lage sind, diesen Ausfall zu tragen, ganz besonders die finanzschwachen, ganz besonders diejenigen Gemeinden, die infolge ihrer wirtschaftlichen Struktur unter den Steuerpflichtigen einen großen Prozentsatz kleiner Gewerbetreibenden haben.
Nur am Rande möchte ich außerdem darauf hinweisen: es kommt ja noch einiges auf die Gemeinden zu, was sie finanziell in irgendeiner Form verkraften müssen, und daran sollten wir uns gelegentlich erinnern.
Wir haben gehört, daß sich die Konferenz der Ministerpräsidenten am 28. Juni und der Bundesrat in seiner Sitzung vom 29. Juni mit dem Komplex der Gewerbesteuersenkungen beschäftigt haben. Wir haben gerne vernommen, daß Ministerpräsidenten und Bundesrat anerkannt haben, daß es den Gemeinden nicht zuzumuten ist, den Ausfall an Gewerbesteuer zu tragen, und daß sie erklärt haben, die Länder würden eine entsprechende Regelung treffen. Wir möchten aber an dieser Stelle betonen, daß dieses Wort nun wirklich eingelöst werden muß, daß der Steuerausfall der Gemeinden nun wirklich gedeckt werden muß.
Bei dieser Gelegenheit erinnern wir auch daran, daß das Gesetz zur Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes immer noch beim Bundesrat auf, wenn ich so sagen darf, Eis liegt. Es wird allmählich Zeit, daß wir den Gemeinden hinsichtlich ihrer Realsteuern echte Chancen geben und in bezug auf die Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes aktiver werden.
Wir bitten die Bundesregierung ernsthaft — und ich weise auf das hin, was ich vorhin über die Ungerechtigkeiten in diesem Steuergesetz gegenüber den Gewerbetreibenden an und für sich gesagt habe —, sich doch einmal während der Parlamentsferien Gedanken darüber zu machen, wie hier eine echte Erleichterung geschaffen werden kann. Wir hoffen, daß nach den Ferien entsprechende Vorschläge als Ergebnis der Überlegungen vorliegen. Im anderen Falle sind wir sehr gern bereit, diese Überlegungen von uns aus anzustellen.
Ich darf Sie unter Hinweis auf das, was ich Ihnen klarzumachen versucht habe, bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 725*) hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir unseren Antrag auf Drucksache 2086 gestern abend und heute ziemlich sang-und klanglos untergehen ließen, so lag das nicht in unserer Absicht, sondern, sagen wir mal, an der etwas eigenartigen Geschäftsordnungssituation gestern abend. Er kam also unter die Räder der ausrollenden Wehrpflicht.
*) Siehe Anlage 3.
- Heute früh wurde nur noch Art. 2 aufgerufen; da war nichts mehr zu retten.
Wir behalten uns auch, je nach dem Ausgang der Beratungen in zweiter Lesung, vor, unser Anliegen bei der dritten Lesung in Form eines Änderungsantrages wieder vorzubringen.
Ich möchte diesem Antrag nun nicht einen Schwanengesang nachsenden, muß aber trotzdem einiges dazu sagen, wie wir überhaupt zu dieser Konzeption gekommen sind und weshalb wir heute beantragen, die Freigrenze von 2400 auf 3600 DM zu erhöhen.
Sie wissen ja, daß wir schon im Oktober des letzten Jahres den Antrag Drucksache 1764 auf lineare Steuersenkung gestellt haben. Wir wollten neben diesem Antrag auch einige dringend notwendige speziell mittelständische Steuermaßnahmen verwirklicht sehen. Hier haben wir uns vor allem auf die Gewerbesteuer konzentriert neben einem Antrag zur Umsatzsteuer — der dem Hohen Hause heute noch nicht vorliegt —: die 1%ige Rückvergütung für Bezüge über den Großhandel. Auch stand bei uns ein Gedanke zur Debatte, der der jetzt vorliegenden CDU-Drucksache 2282 zugrunde liegt, also Senkung der Umsatzsteuer unter sozialen Gesichtspunkten. Es war unser Kollege Held, der diesen Gedanken vertreten hat. Die Fraktion hat sich ihm damals nicht angeschlossen, weil wir der Meinung waren, so etwas widerspreche der Systematik des Umsatzsteuerrechts. Ich darf für meine Person sagen, daß ich diese systematischen Bedenken nicht so hoch stelle und keine Bedenken trage, dem Antrag der CDU zur Umsatzsteuer hier zuzustimmen.
Wir wollten aber, wie gesagt, hauptsächlich bei der Gewerbesteuer etwas für den kleinen Gewerbesteuerzahler aus dem gewerblichen Mittelstand tun, weil sich für diesen Kreis die Gewerbesteuer eigentlich viel drückender auswirkt als die Einkommensteuer. Nach den neuen Einkommensteuertarifen, die uns heute vorliegen, belaufen sich die Freibeträge bei einem Verheirateten mit einem Kind bei der Einkommensteuer auf 2550 DM, bei der Lohnsteuer auf 3737 DM. Gerade wenn man diese Zahl bei der Lohnsteuer nimmt, liegt doch der Gedanke nahe, auch bei der Gewerbesteuer einen Freibetrag von 3600 DM zu wählen.
Wir wissen, daß die Gemeinden sehr große finanzielle Verpflichtungen haben. Aber dem steht nun gegenüber, daß sie ja bis jetzt keine Senkungen wie bei den Ertragsteuern in Kauf nehmen mußten. Es sind bei der Einkommensteuer Vergünstigungen weggefallen, was sich auf das Gewerbesteueraufkommen positiv auswirkt. Und nicht zu vergessen: es steht die Neubewertung auf den 1. Januar 1957 bevor. Aus all diesen Gesichtspunkten kann man es rechtfertigen, hier etwas zu streichen. Ich gebe vollkommen dem recht, was der Herr Kollege Könen grundsätzlich zur Gewerbesteuer ausgeführt hat, und bin auch der Ansicht, daß eine grundsätzliche Gewerbesteuerreform kommen muß. Aber wir sind uns ja darüber klar, daß wir das in diesem Bundestag nicht mehr schaffen, und was jetzt geschieht, kann nur ein Anstoß zu einer solchen Reform sein.
Selbstverständlich muß auf dem Wege des Finanzausgleichs der Ausfall der Gemeinden gemildert werden. Wir werden deshalb dem SPD-Entschließungsantrag zur dritten Lesung, der das an-
regt, zustimmen. Es ist aus diesem Grunde auch dringend notwendig, daß das Gesetz zur Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes baldmöglichst vom Bundesrat, dem es ja schon lange vorliegt, verabschiedet wird.
Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß durch die Regelung, wie sie jetzt getroffen werden soll — sei es nach dem CDU-Antrag zur Gewerbesteuer, sei es nach unserem abgelehnten Antrag —, ja nicht in die Freiheit der Gemeinden, die Hebesätze zu ändern, eingegriffen wird. Selbst wenn irgendwo ein Hebesatz erhöht würde, würde immer noch unserem Anliegen Rechnung getragen werden, dem kleinen Mann mit dem größeren Freibetrag zu helfen. Ich stimme auch vollkommen der Ansicht meines Herrn Vorredners zu, daß die Senkung der Hebesätze sich für den Handwerker und Gewerbetreibenden oft sehr problematisch auswirkt. Sie kommt in der Masse den Großbetrieben zugute und kürzt andererseits das Volumen, das für Aufträge, die ihm von der Gemeinde erteilt werden können, zur Verfügung steht.
Wenn wir also die Gewerbesteuerpflicht erst bei einem etwas höheren Betrag einsetzen lassen wollen, so haben wir uns dabei, um es nochmals zu sagen, an den Freibetrag bei der Lohnsteuer angelehnt und sind eben auch davon ausgegangen, daß wir ja die Änderung, die bei der Umsatzsteuer vorgenommen werden soll, nicht beantragt haben. Ich glaube aber, daß auch beides zusammen, die Senkung der Umsatzsteuer für kleine Umsätze um 1 % und die Erhöhung des Freibetrages bei der Gewerbesteuer auf 3600 DM, verantwortet werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zusammen mit der Deutschen Partei mit Drucksache 2088 den Entwurf zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes eingebracht, mit dem wir die steuerpolitischen Maßnahmen zur Entlastung der Steuerzahler fortsetzen, die wir mit der Steuerreform im Jahre 1954 eingeleitet und inzwischen durch weitere Steuersenkungen ergänzt haben.
Der Antrag zur Gewerbesteuersenkung erscheint uns aus dem Grunde unerläßlich, weil er die breite Mittelstandsschicht, insbesondere auch die des kleinen und mittleren gewerblichen Mittelstandes, endlich stärker in den Bereich der Steuerentlastung einbezieht, auf die er bisher vergeblich gewartet hat. Er besitzt aber einen ganz eindeutigen Anspruch darauf. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß steuerfachkundige Leute in dieser Hinsicht von einer „vergessenen Steuerreform" sprechen, und das kommt nicht etwa aus dem Kreis, der nunmehr durch diese Maßnahme der Gewerbesteuersenkung eventuell direkt betroffen wird.
Wir brachten diesen Gewerbesteuersenkungsantrag, Herr Kollege Könen, auch nicht aus dem oberflächlichen oder abwegigen Gedankengang ein, daß der Einnahmeausfall nicht die Bundeskasse betrifft. Der Antrag entspringt vielmehr der klaren Einsicht, daß erstens — wie schon gesagt — die mittelständische Bevölkerung längst einen Anspruch auf eine wirklich wirkungsvolle Steuererleichterung hat und daß zweitens die Gewerbesteuersenkung einmal die Möglichkeit einer echten
Mittelstandshilfe bietet, weil dann auch diejenigen Kreise in den Genuß von Steuererleichterungen kommen, denen wir z. B. mit Einkommensteuersenkungen oder Sondervergünstigungen, die mir persönlich ohnedies sehr unsympathisch sind, einfach nicht mehr wesentliche steuerliche Erleichterungen bringen können.'
Ich darf das an einem sehr einfachen Beispiel erläutern. Der verheiratete Lohnsteuerpflichtige mit zwei Kindern z. B. wird praktisch erst bei einem Einkommen von etwa 420 Mark einkommensteuerpflichtig. Der Gewerbesteuerpflichtige dagegen kann unter Umständen, weil er die Werbungspauschalien und die Sonderausgabenpauschalien nicht ohne weiteres wie der Lohnsteuerpflichtige in Anspruch nehmen kann, schon bei einem Einkommen von 350 Mark zur Einkommensteuer herangezogen werden. Dazu kommt die weitere Härte, daß er trotz dieses niedrigeren Einkommens selbst dann, wenn er einkommensteuerfrei bleibt, noch zur Gewerbesteuerzahlung herangezogen wird, und zwar teilweise in einem sehr spürbaren Ausmaß.
Meine Damen und Herren, hier darf einmal daran erinnert werden, daß die Frage des sogenannten Unternehmerlohns, die schon erörtet worden ist, durchaus einmal einer wesentlicheren und ernsteren Betrachtung bedarf, damit auch diejenigen Personen, die selbständige Gewerbetreibende sind — sei es, daß sie ihr Gewerbe als Kleingewerbe, sei es, daß sie es als offene Handelsgesellschaft betreiben —, auch für sich einen den Verhältnissen des Geschäfts entsprechenden Freibetrag in Anspruch nehmen können.
Der Ausschuß für Steuern und Finanzen hat nunmehr unseren Antrag einstimmig angenommen. Er hat jedoch den Termin des Inkrafttretens noch um ein Jahr hinausgeschoben, also auf den 1. Januar 1957 festgesetzt. Die einschneidende Maßnahme besteht darin, daß wir den bisherigen Freibetrag — wenn man einmal so sagen will — von 1200 auf 2400 DM anheben und dann mit je weiteren 2400 DM die Sätze um je 1 % bis zum Höchstsatz von 5 % heben. Dieser Satz soll dann auch für alle übrigen Gesellschaften, soweit sie nicht Personengesellschaften sind, angewendet werden.
Bisher setzte, wie Sie wissen, die Besteuerung bereits nach 1200 DM Gewerbeertrag ein. Das ist eine noch aus dem Jahre 1936 stammende und damit bestimmt überholungsbedürftige Regelung, weil sie in keiner Weise den heutigen Geld- und Wirtschaftsverhältnissen entspricht.
Wir müssen aber den Antrag, den die Freie Demokratische Partei auf Umdruck 725 gestellt hat, erst bei einem Gewerbeertrag von 3600 DM zu beginnen, ablehnen, weil das einen zu starken, für die Kommunen nicht tragbaren Einnahmeausfall zur Folge hätte.
Wir lehnen auch den SPD-Änderungsantrag zu unserem Antrag, auf 2000 DM zurückzugehen, ab, weil wir der Meinung sind, daß diese 400 DM die Situation nicht wesentlich verändern und dann auch bei 2000 DM eventuell noch Schwierigkeiten eintreten können.
Ich sagte eingangs, daß wir diese Gesetzesänderung nicht deshalb für notwendig halten, weil sie nicht die Kasse des Herrn Bundesfinanzministers betrifft. Damit soll auch angedeutet sein, daß wir gerade deshalb, weil die Gemeinden teilweise sehr
wesentlich in ihrer gesamten Finanzpolitik getroffen werden, einen gewissen Ausgleich — bei den kleinen und mittleren Landgemeinden einen stärkeren Ausgleichsbeitrag — durch die Länder als Voraussetzung für die Durchführung dieser Gewerbesteueränderung ansehen.
— Hierzu haben sich die Länder bereits grundsätzlich bereit erklärt.
— Aber grundsätzlich haben sie sich bereit erklärt, meine Herren, und ich bin der Überzeugung, daß die Berechtigung der Sorge um die Krise im Mittelstand auch dort überall so anerkannt wird, daß man sich der Notwendigkeit, hier zu helfen, nicht verschließen wird. — Darüber hinaus bin ich der Meinung, daß genau wie in diesem Hohen Hause auch in den Länderparlamenten das kommunalfreundliche Element so stark vertreten ist, daß es wohl gelingen wird, die berechtigten Interessen der Gemeinden zu wahren.
Lassen Sie mich aber noch einen weiteren sehr wichtigen Grund anführen, weshalb wir diese Erleichterung bei der Gewerbesteuer für nötig und für möglich halten. Die Gewerbesteuer ist ständig unverhältnismäßig stark gestiegen. Ihr Aufkommen hat sich seit 1949/50 mehr als verdreifacht.
— Herr Kollege, es hat doch keinen Zweck, feststehende Tatsachen mit den Worten „Stimmt nicht" zu bestreiten. Es stimmt eben. Ich kann Ihnen das widerlegen, aber ich will hier keine Zwiegespräche mit Ihnen führen. — Dagegen hat sich das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer in dieser Zeit nur verdoppelt.
Aber auch im Rahmen des gesamten Steueraufkommens der Gemeinden ist der Anteil an Gewerbesteuer übermäßig stark gestiegen. Im Rechnungsjahr 1954 betrug der Anteil der Gewerbesteuer an den Gesamtsteuereinnahmen der Gemeinden bereits über 65 %, während er 1949 noch bei 44 % lag, ganz zu schweigen von dem Satz von 331/3% vor dem zweiten Weltkrieg. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß der Anteil im Vergleich zu den 65 % im Jahre 1954 heute noch entschieden höher ist. Das ist eine Entwicklung bei der Gewerbesteuer, die dahin führt, daß man sie als eine zweite Einkommensteuer bezeichnen könnte, die praktisch nur einem Teil unseres Volkes auferlegt ist. Besonders aber in der kleingewerblichen Wirtschaft ist diese Auswirkung ungerechtfertigt hart und volkswirtschaftlich schädigend. Der Fortgang dieser von mir aufgezeigten Entwicklung müßte schließlich die Folge haben, daß die Gewerbesteuerzahler nach und nach zum alleinigen Finanzier des kommunalen Geldbedarfs würden. Hier muß endlich einmal nach anderen Wegen gesucht werden, denn es erscheint, allgemein gesehen, auch staatspolitisch unzweckmäßig, daß nur ein begrenzter Teil der Gemeindebevölkerung zu Steuerleistungen an die Gemeinde verpflichtet ist.
Der Antrag der CDU/CSU- und der DP-Fraktion — Drucksache 2088 — fand im Ausschuß in der Ihnen vorgetragenen veränderten Form einstimmige Annahme. Ich bitte Sie daher, alle Änderungsanträge hier im Plenum abzulehnen. Ich
bitte um die einmütige Zustimmung aller Fraktionen dieses Hauses.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühlthau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das hier zur Debatte ansteht, interessiert mich in meiner Eigenschaft als für Finanzfragen verantwortlicher Beamter einer Stadt in besonderem Maße. Daß Sie auf der andern Seite keinen engstirnig denkenden verantwortlichen Gemeindefinanzbeamten vor sich haben, mag Ihnen die Tatsache beweisen, daß ich selbst der Initiator dieser Änderung des § 11 bin. Ich wollte das vorausschicken. Ich glaube daher, auch verpflichtet zu sein, auf einige Fragen besonders hinzuweisen, die hier angeschnitten worden sind.
Daß die Auswirkungen dieser von uns eingeleiteten Änderung des Gewerbesteuergesetzes in den Gemeinden sehr unterschiedlich sind, ist selbstverständlich. Sie sind sowohl in Städten gleicher Größe sehr unterschiedlich im Hinblick auf die gewerbliche Struktur der einzelnen Gemeinden, sie sind aber auch sehr unterschiedlich im Hinblick auf ihre Größe. Trotzdem, Herr Kollege Könen, möchte ich vor den Veröffentlichungen warnen, die von 70 und mehr Prozent Ausfall sprechen. Es trifft selbstverständlich zu, daß bei einer kleinen Landgemeinde der Ausfall bei der Gewerbesteuer bis zu 70 % betragen kann. Aber wenn man schon fragen will, ob der Ausfall, der hieraus herrührt, für eine Gemeinde tragbar ist, wird man die Belastung zu dem gesamten Aufkommen an gemeindeeigenen Steuern in Verbindung stellen müssen und nicht nur zu der einen Steuerart. In den kleinen Gemeinden hat die Grundsteuer im Gesamtaufkommen der Gemeinde praktisch dieselbe Bedeutung wie die Gewerbesteuer beispielsweise in einer großen Stadt.
Zur Begründung der Forderungen nach Senkung der Gewerbesteuer wird insbesondere auf zwei Punkte hingewiesen, die auch aus den bisherigen Worten sowohl der Antragsteller, die ihre Anträge begründeten, als auch meines Kollegen Schlick hervorgingen. Es ist der Hinweis darauf, daß einmal die Gewerbesteuer einen laufend zunehmenden Anteil an dem Gesamtaufkommen gemeindeeigener Steuern hat und daß sich zum andern — das wird besonders unterstrichen — das Aufkommen an Gewerbesteuer seit 1950 etwa verdreifacht hat, was nicht zu bestreiten ist, während das Aufkommen an Lohnsteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer in der gleichen Zeit in wesentlich geringerem Umfang zugenommen hat. Ich glaube, man muß zu beiden Fragen an dieser Stelle etwas sagen.
Die dauernde Zunahme des Anteils der Gewerbesteuer am gesamten Aufkommen an gemeindeeigenen Steuern ist nicht so sehr eine Folge der Zunahme der Gewerbesteuer als vielmehr eine Folge der Zementierung der übrigen Steuerquellen. Das Grundsteueraufkommen ist bekanntlich infolge der Zugrundelegung der Einheitswerte von 1935, aber auch infolge der Grundsteuervergünstigung für den Wohnungsbau seit Jahren praktisch unverändert. Dadurch nimmt sein Anteil laufend ab. Sie wissen, daß wir außerdem vor dem Kriege, bis 1942, als gemeindliche Personalsteuer noch die Bürgersteuer seligen Angedenkens hatten. Auch sie hat
seinerzeit in der Finanzierung der Gemeinden eine wesentliche Bedeutung gehabt. Durch den Fortfall der Bürgersteuer und durch das „Einfrieren" der Grundsteuer mußte natürlich der Anteil der Gewerbesteuer am gesamten Steueraufkommen einer Gemeinde von Monat zu Monat steigen. Daher sind wir heute dahin gekommen, daß im Schnitt etwa zwei Drittel des Gesamtaufkommens an gemeindeeigenen Steuern aus der Gewerbesteuer und der Gewerbelohnsummensteuer herrühren und daß in großen Städten dieser Anteil bis zu drei Vierteln des Gesamtaufkommens ausmacht.
Meine Damen und Herren, das ist ein für die Gemeinden sehr ernstes Problem. Während sich in früheren Jahren Grundsteuer und Gewerbesteuer etwa wie eins zu eins verhielten, also der krisenempfindlichen Gewerbesteuer im gleichen Umfang die unempfindliche Grundsteuer gegenüberstand, bestehen heute bis zu drei Vierteln des Gesamtaufkommens an Gemeindesteuern aus der krisenempfindlichen Gewerbesteuer und Gewerbelohnsummensteuer, so daß bei diesem hohen Anteil wirtschaftliche Rückschläge, wenn sie einmal kommen sollten, die Gemeinden besonders hart treffen würden und die Gemeinden nicht wie früher eine gewisse Stabilisierung ihrer Finanzen in der Grundsteuer haben. Hier stellt sich für die Zukunft die Frage, ob nicht einmal das gesamte Problem der kommunalen Finanzen aufgegriffen werden muß, ob wir nicht doch wieder zu einem vernünftigen Ausgleich der verschiedenen Steuerquellen kommen müssen
und ob nicht der Finanzausgleich der Länder grundlegend verbessert werden muß. Ich persönlich 1 bekenne mich durchaus zu einer gemeindlichen Personalsteuer. Die Lösung dieser Frage wird sich nicht vermeiden lassen.
— Ich komme noch darauf zurück.
Der zweite Grund, womit die Forderung nach Senkung der Gewerbesteuer gestützt wird, ist der Hinweis auf die außerordentliche Zunahme des Gewerbesteueraufkommens. Es wird nicht bestritten, daß sich das Gewerbesteueraufkommen seit 1950 etwa verdreifacht hat. Aber, meine Damen und Herren, es muß doch einmal darauf hingewiesen werden, daß diese Entwicklung unnatürlich ist. Sie ist nur die Folge davon, daß im Jahre 1950 das Gewerbesteueraufkommen, weil die Veranlagungen später erfolgten, noch weit zurückhing; es erfolgte also die Veranlagung für frühere Veranlagungszeiträume, so daß sich das Ist der Gewerbesteuer bei den Gemeinden außerordentlich stark entwickelt hat.
Der Deutsche Städtetag hat kürzlich für 15 kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen Berechnungen darüber angestellt, wie die Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens aussähe, wenn man das Ist den Veranlagungszeiträumen zuwiese, denen das Aufkommen eigentlich zugehört. Im Jahre 1950 sind in diesen 15 befragten Städten 169 Millionen DM an Gewerbesteuer aufgekommen, also tatsächlich eingegangen. Nach dem Ergebnis der später erfolgten Veranlagungen hätten 268 Millionen DM eingehen müssen. Ebenso entfällt aus dem Aufkommen des Jahres 1954, das in diesen Gemeinden mit 451 Millionen DM ermittelt worden ist, ein
wesentlicher Anteil auf die zurückliegenden Zeiträume. Dem Jahre 1954 waren nach den Veranlagungsergebnissen nur 384 Millionen DM zuzurechnen, also das Mehr von 67 Millionen DM ist auf frühere Veranlagungszeiträume zu verteilen. Ich glaube, wenn Sie einmal diese Auseinanderrechnung vornehmen — und Sie müssen es, weil die Gemeinden zur Sollbuchführung verpflichtet sind —, erkennen Sie als Ergebnis, daß sich der Anstieg des Gewerbesteueraufkommens von 1950 bis 1955 durchaus im Rahmen der allgemeinen Entwicklung hält, sowohl bei der Lohnsteuer als auch bei der Umsatzsteuer. Das muß einmal gesagt werden.
Trotzdem, meine Damen und Herren, bin ich dafür, daß diese Änderung des § 11 durchgeführt wird. Ich glaube, daß auch die Gemeinden ein erhebliches Interesse daran haben, den gewerblichen Mittelstand zu erhalten, den die Gewerbesteuer in besonderem Maße drückt. Für manchen Gewerbetreibenden stellt die Gewerbesteuer praktisch eine zweite Einkommensteuer dar. Im Interesse des gewerblichen Mittelstandes, an dessen Erhaltung auch die Gemeinden ein erhebliches Interesse haben, muß etwas getan werden.
Es fragt sich, ob die Anhebung des Freibetrages auf 2400 DM vertreten werden kann. Sie haben vorhin vom Herrn Kollegen Könen gehört, daß sich der Kommunalpolitische Ausschuß mit dieser Frage befaßt und geglaubt hat, mit 2000 DM hinkommen zu können. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat 2400 DM beschlossen, nachdem durch Herrn Minister Dr. Tröger bekannt wurde, daß sich die Herren Ministerpräsidenten für diese Anhebung ausgesprochen und außerdem erklärt haben, daß sie bereit wären, den bei den Gemeinden eintretenden Ausfall zumindest teilweise durch einen verbesserten Finanzausgleich auszugleichen. Aus dem Grunde, so scheint mir jedenfalls, hat sich der Finanzausschuß des Bundestages über die Empfehlung des Kommunalpolitischen Ausschusses hinweggesetzt.
Im übrigen unterstütze ich auch das, was Herr Kollege Könen und Herr Kollege Bucher im Hinblick auf den Antrag zur Änderung des Art. 106 des Grundgesetzes gesagt haben. Nachdem die Herren Ministerpräsidenten in der Gewerbesteuerfrage eine solch einmütige Meinung vertreten haben, hoffe ich, daß sie die gleiche Einmütigkeit bei der Änderung des Grundgesetzes — gegenüber dem kommunalen Steuerverbund — zeigen werden.
Den Antrag der FDP, meine Damen und Herren, dürfen Sie nach meinem Dafürhalten nicht in Betracht ziehen. Hier liegt ja gerade die Sorge der kleinen Gemeinden, die aus den Zahlen, die Herr Könen angab, hervorging; diese Sorge hat im Vordergrund gestanden. Wenn Sie den Freibetrag noch weiter anheben — aus Gründen der Vereinfachung der kommunalen Steuerverwaltung könnte man dafür sein —, werden die Ausfälle gerade bei den kleinen Gemeinden natürlich um so schwerwiegender. Gerade im Interesse der kleinen Gemeinden warne ich dringend davor, den Freibetrag bei der Gewerbesteuer noch weiter anzuheben, da dann die Änderung des Gewerbesteuergesetzes für sie zweifellos untragbar würde.
Ich hielt es für notwendig, diese Fragen einmal vor Ihnen zu erörtern.
Das Wort hat der Abgeordnete Günther.
— Er verzichtet.
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als gewerbesteuerzahlender mittelständischer Gewerbetreibender begrüße ich selbstverständlich jede Senkung der Gewerbesteuer. Ich sage ganz ehrlich, sie kann gar nicht weit genug gehen, weil die gewerbliche Wirtschaft in ihr die ungerechteste Steuer und eine wirklich unzumutbare Belastung eben für diese Wirtschaft sieht.
— Das stimmt. Damals hatte sie auch noch eine gewisse Berechtigung.
Neben den Grundsteuern A und B und den kleinen Finanzzuweisungen der Länder an die Gemeinden ist die Gewerbesteuer doch die Hauptträgerin aller kommunalen Aufgaben. Das ist soeben noch einmal ganz klar herausgestellt worden. Die kommunalen Einrichtungen dagegen, seien es die Straßen, die Grünanlagen, die Kanäle, die Schulen, die Krankenhäuser oder andere, werden aber von allen Einwohnern einer Gemeinde in Anspruch genommen. Deswegen müßten doch diese Einrichtungen auch von allen Einwohnern der Gemeinde finanziert werden, und alle Einwohner müßten durch Gesetz, selbstverständlich den Verhältnissen und den Möglichkeiten des einzelnen entsprechend, für diese Aufgaben auch einen finanziellen Beitrag leisten. Das heißt, wir müßten gesetzlich verankern, daß die Gemeinden bei Minderung des Gewerbesteueraufkommens eine andere Einnahmequelle erschließen könnten, wie es auch von meinem Vorredner soeben gesagt worden ist, sei es durch eine Art Gemeindeeinwohnersteuer — Sie wollen das nicht gern hören —
— das ist keine „Negersteuer", das ist eine sehr gerechte Steuer —, sei es durch einen Zuschlag zur Einkommensteuer, oder aber durch bedeutend höhere Länderzuweisungen an die Gemeinden, an die ich allerdings nicht so leicht glaube. Erst dann können wir an eine weit über die vorliegenden Anträge hinausgehende Gewerbesteuersenkung denken. Eine weit über diese Anträge hinausgehende Gewerbesteuersenkung ist auf die Dauer für die gewerbliche mittelständische Wirtschaft gar nicht zu umgehen. und diese Gewerbesteuersenkung würden wir immer gern mitmachen.
— Ja, sie muß aber sehr umgebaut werden. Sie werden mir recht geben: Wenn sie im Interesse der gewerblichen Wirtschaft umgebaut wird, dann wird in den Gemeinden so oder so Geld fehlen, und für dieses fehlende Geld muß ein anderer Ausgleich geschaffen werden. Eher sind auch die Gemeindevertretungen gar nicht in der Lage, eine fühlbare Senkung der weit überhöhten Hebesätze vorzunehmen.
Gewerbesteuersenkung ist nun einmal das Anliegen eines jeden Gewerbetreibenden. Aber ich muß hier feststellen, daß auch sehr viele einsichtsvolle Nichtgewerbetreibende einsehen, daß die Gemeindelasten in Zukunft anders als bisher verteilt werden müssen.
In meiner Brust schlägt nämlich neben dem mittelständischen auch ein bürgermeisterliches Herz,
das im Gegensatz zu Herrn Bundesfinanzminister Schäffer um die Gemeindefinanzen sehr in Sorge ist. Herr Schäffer glaubt ja, daß die Gemeinden zum Teil im Geld schwimmen. Das mag angehen.
Mein Kollege Barlage z. B. hatte die Ehre und Freude, Bürgermeister in Nordhorn zu sein, — mit einem Gewerbesteueraufkommen, das einfach gar nicht allezukriegen war. Aber in anderen Gemeinden sieht es eben anders aus. In mittleren Städten
— das ist auch schon herausgestellt worden — sind oft die kleinen und die mittleren Betriebe beim Aufkommen der Gewerbesteuer ausschlaggebend, weil einfach keine größeren Betriebe vorhanden sind. Viele dieser Gemeinden werden schon im nächsten Jahr bei der von der Koalition beantragten 2400-DM-Staffelung nicht wissen, wie sie ohne eine Erhöhung der Hebesätze — und die muß doch vermieden werden! — ihre Etats ausgleichen können. Das wird sicherlich im März/April nächsten Jahres bei vielen Gemeinden so sein. Ich hoffe nur, daß die Länder — Herr Seuffert hat es vorhin betont — dann auch zu ihrem Versprechen stehen, das sie uns im Ausschuß gegeben haben, daß die Länder dann eben ,den Ausgleich wirklich schaffen.
— Das ist die große Unbekannte. Eine feste Zusage haben wir im Finanzausschuß nicht bekommen;
Man hat es nur leise durchblicken lassen: „Jawohl, wir wollen dann den Gemeinden helfen." Die Länder könnten ja auch helfen; denn das Aufkommen der Einkommensteuer wird für sie durch Senkung der Gewerbesteuer höher, und dieses Geld müßte unbedingt wieder zur Verfügung gestellt werden.
Jedenfalls würde unseren Gewerbesteuerzahlern durch diesen Schritt nun eine erste Hilfe zuteil. Ich glaube aber doch, hier sagen zu müssen: im Augenblick dürfen wir im Interesse unserer Gemeinden über den Koalitionsantrag nicht hinausgehen, und — es mag ein bißchen eigenartig gerade von mir aus klingen — ich muß Sie bitten, den Antrag der FDP abzulehnen. Ich möchte Sie auch bitten, den Antrag der SPD mit der 2000-DMStaffelung — der ja für die Gemeinden eher tragbar wäre — abzulehnen, weil ich doch annehmen möchte, daß für unsere Gemeinden der von uns vorgeschlagene Mittelweg mit Hilfe der Länder tragbar wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für mich eine Freude, aus den
Ausführungen der Vorredner feststellen zu dürfen, daß Sie alle — ich möchte sagen, das ganze Haus bereit und willens sind, dem Mittelstand zu helfen. Wie gesagt, sehr erfreulich! Wenn man dann aber die Schlußworte, die gewöhnlich gefallen sind, dem gegenüberstellt, dann muß man sagen, daß den Worten die Taten nicht in dem Maße folgen, wie das zuerst anklang.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen uns bei der Hilfe für den Mittelstand doch nicht nur davon leiten lassen, ob das für die Gemeinden verkraftbar ist oder nicht. Wenn wir dem Mittelstand helfen wollen, müssen wir ihn in einem Maße helfen, daß er davon auch wirklich einen echten Nutzen hat, und müssen auf der anderen Seite dann auch sehen, wie die Gemeinden das verkraften können. Daß hier ein Finanzausgleich von seiten der Länder erfolgen muß, darüber sind wir uns wohl alle im klaren.
Wir dürfen aber auch nicht außer acht lassen, daß manche Gemeinde noch nicht den Höchsthebesatz festgesetzt hat. Wenn wir die Gewerbesteuer senken, besteht die Gefahr, daß die eine oder die andere Gemeinde den Höchsthebesatz einführt und dadurch die Hilfe, die wir dem Mittelstand gewähren wollen, zu einem Teil wieder rückgängig macht. In welcher Weise das vermieden werden kann, weiß ich im Augenblick nicht. Aber jedenfalls muß irgendwie durch Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hier ein Weg gefunden werden.
Wie notwendig es ist, auf dem Gebiet der Gewerbesteuer dem Mittelstand zu helfen — und
eigentlich kann ihm nur auf diesem Gebiet eine Sonderhilfe gewährt werden —, ergibt sich, wenn wir uns vergegenwärtigen, aus welchem Grund die Gewerbesteuer seinerzeit eingeführt worden ist. Die Gewerbesteuer ist doch im Grunde genommen eine Art Zwecksteuer. Sie wird zwar nicht als Zwecksteuer, sondern als allgemeines Deckungsmittel bezeichnet. Die Gewerbesteuer wurde seinerzeit eingeführt, weil der einen oder anderen Gemeinde durch das Vorhandensein von Gewerbebetrieben Lasten entstanden sind. Mit dem Aufkommen aus der Gewerbesteuer sollten diese Lasten ausgeglichen werden.
Was ist aber in Wirklichkeit geschehen? Heute ist doch die Gewerbesteuer unzweifelhaft eine zusätzliche Einkommensteuer für die Gewerbetreibenden. Ich bin der Meinung — das ist auch zum Teil von den Vorrednern angeschnitten worden —, daß wir einen Weg suchen müssen, um von dieser untragbaren Gewerbesteuer wegzukommen. Wir müßten dazu übergehen, den früher vorhandenen Steuerverbund wieder einzuführen. Man kann doch dem Gewerbetreibenden nicht zumuten, daß er in der Hauptsache oder zum Teil sogar überwiegend die Lasten trägt, die einer Gemeinde erwachsen. Sowohl der Lohnempfänger wie der Gehaltsempfänger, kurz und gut jeder Bürger einer Kommune nimmt an den Vorteilen guter Straßen, guter Gehwege und dergleichen teil, steuert aber praktisch hierzu keinen Pfennig bei. Es ist also unmöglich, allein dem Gewerbetreibenden zuzumuten, die Mittel hierfür aufzubringen.
Deshalb bin ich sehr erstaunt, daß die Vorredner aus den Fraktionen der DP, der CDU und der SPD gegen unseren Antrag gesprochen haben.
Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren, wirklich ernst darum zu tun ist, dem Mittelstand merklich zu helfen, kann es nichts anderes geben, als daß Sie unserem Antrag Umdruck 725 zustimmen. Mit ihm haben wir unsere ursprünglich in Drucksache 2086 enthaltene Forderung wesentlich ermäßigt, weil auch wir eingesehen haben, daß es auf den ersten Anhieb nicht möglich ist, die Freigrenze auf 6000 DM heraufzusetzen. Ich bitte deshalb, unserem Antrag auf Umdruck 725 die Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in einer ähnlichen Situation wie der Kollege Eickhoff, daß ich in doppelter Eigenschaft sprechen könnte, als Bürgermeister und als Mittelständler. Ich möchte beide Eigenschaften heute eigentlich beurlauben und möchte mich mal als Einwohner dieser Bundesrepublik mit dem Problem der öffentlichen Bedürfnisse und der daraus notwendig erwachsenden Lasten auseinandersetzen, und zwar in der Eigenschaft als Gemeindebürger. Ich glaube nämlich, daß wir an dieses Problem nicht als Kommunalpolitiker und auch nicht als Mittelständler herangehen dürfen, sondern daß wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie die Finanzierung der notwendigen öffentlichen Bedürfnisse mit den zu erhebenden Steuern erreicht werden kann.
Es ist nicht zu bestreiten, daß das gesamte Steuersystem notwendig einer Revision bedarf. Aber ich warne im Interesse ,der kleinen Gemeinden sehr ernst davor, mit den Senkungen der Steuern bei einer bestimmten Gruppe anzufangen und damit die Existenz der kommunalen Selbstverwaltung in den kleinen Gemeinden zu erschüttern, ohne sich Gedanken zu machen, wie die öffentlichen Aufgaben in diesen Gemeinden erfüllt werden können.
Lassen Sie mich das an einem sehr trivialen Beispiel zeigen. Um die Jahrhundertwende mag ein Bildungsgang des landwirtschaftlichen Arbeiters genügt haben dafür, daß er mit der Mistforke umzugehen verstand. Heute verlangen wir auch vom landwirtschaftlichen Arbeiter, daß er mit dem Traktor umgehen kann. Auch für die Dörfer wird heute eine bessere Schule verlangt als um die Jahrhundertwende.
Das alles kostet Geld. Die Gemeinden müssen irgendwie in den Stand gesetzt werden, diese öffentlichen Einrichtungen zu unterhalten.
Ich möchte mich sodann mit der zweiten Frage auseinandersetzen, mit der Hilfe für den Mittelstand. Da ich meine Steuerbilanz sehr_ ernst lese und auch die Rentabilität meines Betriebes kenne, kann ich Ihnen nur sagen, daß ich die eine Sorge habe: den Mittelständlern wird hier etwas von illusionären Steuersenkungsmöglichkeiten — ich will mich sehr vorsichtig ausdrücken — vorerzählt; sie sind nicht real. Man spricht davon, daß man dem Mittelstand endlich auch die Chance der Eigenkapitalbildung aus dem Betrieb geben müsse. Ich habe mir die Mühe gemacht, diese Anträge
klar errechnen zu lassen. Ich will nur eine Zahl nennen: Bei einem Gewerbeertrag von 16 000 DM in einem Betrieb kommt bei Annahme dieses Antrags ein effektiver Steuergewinn per anno von 147 Mark heraus.
— Ich kann Ihnen die Berechnung zuschicken, Herr Kollege Günther. Ich habe das sehr säuberlich errechnen lassen; es stimmt. Es sind 280 DM; dann kommen die Erhöhung der Einkommensteuer — weil das aufgestockt wird —, das Notopfer Berlin, die Kirchensteuer, und dann bleiben effektiv 147 DM übrig, bei Lohnsteuer Gruppe 2 mit einem Kind; so genau habe ich es errechnen lassen.
— Aus dem Kopf kann ich es Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen die Unterlagen zugehen zu lassen, Herr Kollege. Ich wollte Ihnen nur sagen: Die Kapitalbildung aus dem eigenen Betrieb, die für den Mittelstand notwendig ist, liegt an einem ganz anderen Punkt im argen als bei der Gewerbesteuer, wie sie jetzt vorgesehen ist.
Noch ein Zweites möchte ich sagen: Wenn man dem Mittelstand wirklich helfen will, dann muß man ihm die gleichen Wettbewerbsbedingungen geben wie der übrigen Wirtschaft. Woran kranken wir denn im Mittelstand? Wir kranken daran, daß wir in einer Mark über unseren Ladentisch gegangener Ware viel mehr Umsatzsteuer haben als die Großbetriebe, die manchmal nur einstufig an der Umsatzsteuer beteiligt sind, während im Mittelstand drei-, vier- und fünfstufig Umsatzsteuer gezahlt wird. Bei der wirklichen Gleichheit der Umsatzbesteuerung, wo nämlich die Erschütterung der mittelständischen Wirtschaft viel härter spürbar ist als bei der sogenannten Gewerbesteuer, muß man die Sonde ansetzen; hier muß man zur echten Gesundung kommen. Wenn man dazu nicht den Mut hat, macht man dem Mittelstand Illusionen, gibt ihm aber keine echte Hilfe. Das muß einmal klar ausgesprochen werden.
Vorhin hat schon Herr Kollege Kühlthau als Kämmerer einer größeren Stadt zur Entwicklung der kleineren gemeindlichen Steuern in der letzten Zeit Stellung genommen. Ich bin Bürgermeister einer schnell wachsenden Mittelstadt und habe mich mit diesem Problem auch sehr intensiv auseinanderzusetzen. Wir wissen, daß die statische Grundsteuer auch eine effektive Steuersenkung ist. Man soll nicht nur die dynamisch wachsende Gewerbesteuer sehen, sondern man muß auch die zweite Steuer, die sich nämlich dem Preisniveau nicht angeglichen hat, dazu in Relation setzen. Die Grundsteuer ist zur effektiven Steuersenkung geworden; das muß bei solcher Gelegenheit auch einmal ausgesprochen werden. Sie soll in Zukunft geändert werden. Dazu eine Zahl. Im Jahre 1913 betrug der Anteil des Finanzvolumens der Gemeinden am öffentlichen Finanzaufkommen 391/2 %; heute beträgt der Anteil des gemeindlichen Finanzaufkommens am gesamten öffentlichen Steuervolumen noch 19 %. Ich weiß, daß wir zwei Kriege verloren haben. Ich weiß, daß durch die verlorenen Kriege auf die Zentralverwaltung ungeheure Lasten zugekommen sind. Aber ich bitte, sehr ernst zu bedenken, ob das Verhältnis im Interesse einer echten kommunalen Selbstverwaltung und der Fundamentierung der Demokratie richtig ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte das noch mit einem anderen Argument beweisen. Sehen Sie sich mal die öffentliche Verschuldung des Bundes nach 1948 an — sie ist gleich Null —, sehen Sie sich die Verschuldung der Länder an — sie ist etwas größer —, und sehen Sie sich die Verschuldung der Kommunen an! Dann haben Sie das Problem, dann sehen Sie, wo etwas in Unordnung ist. Meine Damen und Herren, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß man über die Gewerbesteuer und ihre Systematik reden muß, aber nicht reden kann, wenn man nicht bereit ist, das gesamte öffentliche Finanzaufkommen in eine gesunde Relation zueinander zu bringen.
Herr Kollege Kühlthau, Sie sagten vorhin, man solle nicht davon reden, daß bei einzelnen Gemeinden 70% der Gewerbesteuer ausfallen würden. Ich kann Ihnen nur sagen — und hier möchte ich mich zum Sprecher Tausender von kleinen Gemeinden machen —, daß diese Zahl stimmt. Sie ist eingehend geprüft. Für viele Gemeinden bedeutet die Annahme dieses Gesetzes ohne jeden Ausgleich
— und der ist bis heute nicht erfolgt, obwohl die Ministerpräsidenten eine platonische Liebeserklärung ausgesprochen und versichert haben, den Ausfall auszugleichen — eine finanzielle Bedrohung. Es gibt keine verbindliche Erklärung, und nur eine verbindliche Erklärung kann diese kleinen Gemeinden aus dieser Bedrohung der Selbstverwaltung herausbringen.
— Sehr geehrter Herr Kollege. Dresbach, ich weiß, daß das ein Zustimmungsgesetz ist; denn ich habe beim Grundgesetz mitarbeiten dürfen, Sie dürfen bei mir also die Systematik der Gesetzgebung als bekannt voraussetzen. Aber, Herr Kollege Dresbach, Sie wissen auch, daß diese Tribüne dazu da ist, manchem, der noch in der zweiten Phase, in der Entscheidung steht, einmal ins Gewissen zu reden, und meine Ausführungen sollten zumindest auch diesen Zweck mit erfüllen.
— Wenn man die Wahrheit sagt und sie dann nicht ankommt, dann ist das sehr betrüblich.
— Ich will Ihnen einmal eines sagen, sehr geschätzter Herr Kollege. Ministerpräsidenten sind genauso wie Abgeordnete nur Menschen, und wir sollten uns davor hüten, sie gottähnlich zu machen. Das wäre das Schlimmste, was der Demokratie passieren könnte.
Ich möchte jetzt noch einen sehr ernsten Satz sagen. Wir wissen, daß die freie Spitze in den Kommunalhaushalten, die wirklich noch als Manövriermasse für eine sogenannte Selbstverwaltung übrig ist, immer kleiner geworden ist, daß aber Selbstverwaltung nur in dem Bereich möglich ist, in dem Gemeindevertretern zur eigenen Entscheidung Mittel zur Verfügung stehen. Vielen Gemeinden wird mit der Annahme dieses Gesetzes die freie Manövriermasse wegoperiert.
Nun muß ich mich noch mit einer Sache auseinandersetzen. Heute morgen ist so viel von der so ungeheuer gewachsenen Gewerbesteuer gesprochen worden. Auch der Herr Kollege Kühlthau hat einige Male von ihrem Ansteigen auf das Dreifache seit 1950 gesprochen. Er hat hinterher — das muß gesagt werden — auch erwähnt, daß diese Steuern zum Teil als Nachzahlung geflossen sind. Ich möchte es aber noch einmal ganz eindeutig unterstreichen — ich habe die Zahlen von Herrn Kühlthau in der Zwischenzeit schnell einmal in Prozentsätze umgerechnet —: wir haben nach den Zahlen, die Herr Kühlthau vorhin genannt hat, eine echte 40%ige Steigerung. Meine Damen und Herren, wir haben seit 1950 eine über 50%ige Gehaltssteigerung im öffentlichen Dienst.
- Ich bin von den 268 Millionen DM ausgegangen, die Herr Kollege Kühlthau für 1950 als Veranlagungsgröße genannt hat; denn die 159 Millionen DM, die gezahlt worden sind, waren ja nicht die Steuern, die in diesem Jahr fließen mußten, sondern wir wissen doch, daß wir infolge der Nachveranlagung Nachzahlungen haben und daß das Bild dadurch ungeheuer verzerrt ist. Aber Sie müssen von den wirklichen Veranlagungszahlen ausgehen, und Sie müssen sie, wenn Sie den Steigerungsbetrag richtig ermitteln wollen, in dem Jahr buchen, in dem sie angefallen sind und nicht in dem, in dem sie nachher durch Nachveranlagung gezahlt sind. Sie können also nicht von einer Steigerung von 159 auf 384 Millionen ausgehen, sondern Sie müssen von 268 auf 384 Millionen gehen. Dann kommen Sie zu einer Steigerung von etwas über 40 %; ich habe es allerdings nicht auf die Prozentzahl genau mit dem Rechenschieber errechnet. Und dann sehen Sie, daß die Steigerung der Gewerbesteuer gar nicht so ungeheuerlich ist, wie es draußen immer dargestellt wird. Denn Sie dürfen nicht vergessen, daß die Lasten in den Gemeinden in der Zwischenzeit auch um ein Erhebliches gewachsen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ein ernstes Wort. Wir könnten zur Senkung der Gewerbesteuer viel schneller kommen, wenn wir nicht soviel Steuerpräferenzen hätten: die Möglichkeiten der Abschreibungen für die Großen auf Kosten der Allgemeinheit. Ich will nur eine Zahl nennen. Es gibt einen Betrieb in Deutschland, der 1,6 Milliarden Umsatz im Jahr macht und keine Mark Gewerbesteuer vom Ertrag zahlt.
Der zahlt Lohnsummensteuer und Gewerbesteuer vom Kapital. Er hat aber so viel Abschreibungsmöglichkeiten, daß keine Mark Gewerbesteuer vom Ertrag abfällt. Da sitzt der Wurm, an den wir heranmüssen, weil wir nur so zu einer Gesundung der Dinge kommen können.
Nun auch noch einen Satz zur Haushaltsaufstellung überhaupt. Vor einigen Jahrzehnten hatten wir die Möglichkeit, den Haushalt so aufzustellen, wie er in den Gemeinden aufgestellt werden müßte. Da wurde nämlich der Bedarf festgestellt, die Ausgaben also, und danach wurden die Steuern erhoben. Wir wissen doch, daß seit den zwei Kriegen diese Haushaltsaufstellung Geschichte geworden ist. Wir sind doch in den Gemeinden mit den Anforderungen, die der Bürger nach seinen
Bedürfnissen an die öffentliche Hand stellt, immer im Verzuge. Ich erinnere nur an das Schulbauproblem, das in allen Gemeinden weit zurück ist; wir alle spüren die Lasten auf diesem Gebiet. Ich glaube also sagen zu können: es muß verständlich sein, daß einige Abgeordnete in diesem Saal diesem Vorschlag heute nicht zustimmen können, weil dann nämlich für viele Gemeinden, solange noch nicht verbindlich entschieden ist, wie der Ausfall dieser Steuer in den Gemeinden wettgemacht wird, eine echte Selbstverwaltung nicht mehr möglich ist. Diese Verantwortung glauben diese Abgeordneten nicht tragen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat ja deutlich gezeigt, daß die Gewerbesteuersenkung zwei Seiten hat, je nachdem, ob man sie vom Standpunkt des Gewerbetreibenden aus ansieht — hierbei denken wir an den kleineren und mittleren Gewerbetreibenden — oder vom Standpunkt des Bürgermeisters oder Gemeindekämmerers. Das ist hier sehr klar geworden. Wenn nun, wie das häufig der Fall ist, der Bürgermeister und der Gewerbetreibende zusammenfallen, dann erleben wir, wie wir es bei Herrn Eickhoff und bei anderen gesehen haben, daß eben zwei Seelen, ach, in einer solchen Brust wohnen.
Ich gestatte mir deshalb, ein paar Bemerkungen dazu zu machen.
Generell läßt sich j a sehr wenig darüber sagen, weil eine ungeheure Streuung in der Struktur des Gewerbesteueraufkommens ist. Eine kleine oder mittlere Stadt mit einem gewaltigen Gewerbebetrieb, der 90 und mehr Prozent des Gewerbesteueraufkommens hat — und das ist ein häufiger Fall —, bietet ein völlig anderes Bild als kleine und mittlere Gemeinden mit überwiegend oder ausschließlich kleinen Gewerbetreibenden. Die Sorge, die hier von mehreren Kollegen ausgesprochen worden ist, daß auf diese Gemeinden untragbare Lasten zukommen können, ist nicht unbegründet. Aber die Senkung der Gewerbesteuer, wie wir sie im Ausschuß vorgesehen haben, bringt ja eine Erhöhung der Einkommensteuer mit sich. Man kann es nicht genau abschätzen. Diese Erhöhung der Einkommensteuer geht zu zwei Dritteln in die Länderkassen. Ich glaube deshalb — und das ist das, was ich hier ganz nachdrücklich sagen möchte —, daß die Änderung des innerstaatlichen Finanzausgleichs zwangsläufige Folge der Gewerbesteuersenkung sein wird, die wir heute vornehmen wollen. Darüber müssen sich die Länder klar sein.
Die Länder dürfen nicht etwa das Mehraufkommen an Einkommensteuer als eine günstige Einnahme betrachten, ohne dabei der Not der Gemeinden zu gedenken. Das ist eigentlich der Hauptgrund, weswegen ich das hier einmal ganz nachdrücklich sagen möchte.
Ich glaube aber auch, daß bei vielen Gemeinden — bei den kleinen Gemeinden, die ich meine —
der Gewerbesteuerausfall in der Tat erheblich sein wird, und zwar so erheblich, daß die Intensivierung des Finanzausgleichs einfach unvermeidlich sein wird.
Nun noch ein Wort zu den wirtschaftlich schwachen Gemeinden in den Zonenrandgebieten. Auch hier darf man nicht schematisieren. Es gibt auch in den Zonenrandgebieten Gemeinden, die finanzstark sind und ein hohes Gewerbesteueraufkommen haben. Aber diese Tatsache darf uns nicht darüber hinwegtäuschen — und deswegen kann man die ganze Frage nicht nach dem statistischen Durchschnitt betrachten —, daß es in den Zonenrandgebieten Gemeinden gibt, die durch die Abschnürung von ihrem alten wirtschaftlichen Hinterland, durch mancherlei andere Maßnahmen, Stillegung von Munas, Nichtausnutzung früherer Wehrmachtsgebäude und dergleichen, tatsächlich in eine solche Notlage gekommen sind und noch stärker kommen werden, daß man ihnen den Steuerausfall überhaupt nicht zumuten kann.
Der Steuerausfall dieser Art geht meines Erachtens über das hinaus, was der innerstaatliche Finanzausgleich für diese Gemeinden Gutes tun kann. Hier und nur hier müßte der Bund einspringen — das ist aber nicht möglich —, denn es handelt sich bei diesen Fragen um eine wirkliche Kriegsfolgemaßnahme, die nur deshalb im Art. 120 des Grundgesetzes noch nicht angesprochen worden ist, weil man im Jahre 1948/49 die wirtschaftliche Schwäche dieser Gemeinden noch nicht voll erkannt hatte. Hier müßte der Bund helfen; und das geht nur durch Einzelmaßnahmen, die im Einzelplan 60 des Bundeshaushalts ihren Niederschlag finden müssen.
Nun habe ich vorige Woche einen höchst interessanten Artikel von einem gewissen Herrn Rapp in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen. — Ach, Verzeihung, ein Irrtum; es war nicht der gewisse Herr Rapp, sondern ein gewisser Herr August Dresbach.
Dieser Artikel heißt: „Mittelstand und Gewerbesteuer" und ist am Montag voriger Woche in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen. Ich empfehle diesen Artikel zur allgemeinen Lektüre.
— Ja, das ist eine gute Sache, Herr Miessner. Man könnte ihn als Anlage zum Protokoll nehmen, weil es ja schade ist, daß gewisse Zeitungsschreiber nicht im Parlament auftreten und ihre Ansichten hier darlegen können,
was gerade in diesem Fall natürlich besonders wichtig ist.
— Ich habe den Zwischenruf leider nicht verstanden. Sei dem, wie es wolle. Ich empfehle diesen Artikel der Lektüre. Er stellt ganz klar heraus, was dem Mittelstand helfen kann, was dem Mittelstand nicht helfen kann. Er stellt klar heraus, daß das kommunale Abgabenwesen nicht in Ordnung ist. Ich unterstreiche das. Es ist ein Beitrag zum allgemeinen Steuerwirrwarr, in dem sich die Bundesrepublik leider befindet.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über die Gewerbesteuersenkung ist im allgemeinen positiv verlaufen. Nur die Herren Vertreter, die sich besonders darum bemühen, daß die gemeindlichen Haushalte in Ordnung sind, haben ihre Bedenken angemeldet. Das war zu erwarten.
Nun war ich nur mit einem nicht ganz einverstanden, Herr Kollege Heiland, nämlich daß Sie mit Prozentsätzen gearbeitet haben, die Sie auf die Ansätze in den einzelnen kommunalen Haushalten bezogen haben. Ich möchte nur sagen, daß die Gewerbesteuer in der absoluten Größe immerhin von 1,12 Milliarden DM im Jahre 1949 auf 4,20 Milliarden DM im Jahre 1955 gestiegen ist. Das sind die absoluten Größen, und da brauchen wir nun also nicht mit diesen Prozentsätzen auseinanderzusetzen. Sie begründen das damit, Herr Kollege Heiland, daß auch die Anforderungen an die kommunalen Verbände wesentlich gestiegen sind. Es wird auch gar nicht bestritten. Daß ein dringender und auch im Interesse aller gesehen notwendiger Investitionsbedarf bei den Kommunalverbänden vorhanden ist, wird ebenfalls nicht bestritten. Aber an der Tatsache, Herr Kollege Heiland, daß die Gewerbesteuer heute zu 70 °/o zur Deckung des kommunalen Haushalts für die Aufgaben, die im Interesse der Gesamtheit unserer Gemeindebürger erfüllt werden müssen, verwandt wird, kann man eben nicht vorbeigehen. Wir sind der Meinung, daß man diese einseitige Belastung abbauen müßte und daß diese einseitige Belastung gerade den kleinen Gewerbetreibenden deshalb besonders trifft, weil er schon bei 1200 DM zur Gewerbesteuer herangezogen wird.
Der Antrag der CDU/CSU, der vorsieht, daß von 2400 DM an Steigerungsbeträge zur Anwendung kommen und bei 12 000 DM der Meßbetrag von 5 % erreicht wird, bedeutet ohne Zweifel eine wirksame und sofortige Hilfe für die kleinen mittelständischen Betriebe in den Gemeinden. Mit dieser Maßnahme — das hat Herr Professor Gülich richtig gesagt — werden wir den Ausgleich zwischen den Gemeinden und den Kreisen und dem Lande auch tatsächlich mehr oder weniger erzwingen, weil man die Gemeinden gar nicht in dieser Lage belassen kann. Ob man das über den Steuerverbund oder über den Steuerausgleich macht, bleibt den betreffenden kommunalen Vertretern in den Gemeinden und den Mitgliedern der Landtage überlassen.
Wir sind nur der Auffassung, daß wir diese Maßnahme, die wir heute anstreben, sofort durchführen müssen. Daher kann ich Ihnen und auch dem Kollegen Lange nicht zustimmen, der der Meinung war, daß wir diese Anträge heute zurückstellen und uns mit einer Entschließung an die Regierung begnügen sollten, sie möge uns ein unseren Vorstellungen entsprechendes neues System vorschlagen. Mit dieser Regelung können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir sind der Auffassung, daß die Sofortmaßnahmen auf dem gewerbesteuerlichen Gebiet, die immerhin eine Entlastung für den gewerblichen Sektor von 430 Millionen DM bedeuten, sofort beschlossen werden und spätestens am 1. Januar in Kraft treten sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Ritze! : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie wenige Bemerkungen. Einer der Herren Kollegen wies auf die Prozentsätze hin und warnte davor, diese Prozentsätze in ihrer praktischen Auswirkung hinsichtlich der bei Annahme der vorliegenden Anträge entstehenden Ausfälle allzu tragisch zu nehmen. Ich möchte mir gestatten, auf zwei Beispiele ohne Prozente hinzuweisen. Es wurde von der Stadtverwaltung Bad Godesberg errechnet, daß die Annahme des CDU-Antrags einen Ausfall von 800 000 DM bedeute. Von der Stadtverwaltung Offenbach am Main wurde errechnet, daß ein Ausfall bis zu 1,5 Millionen DM zu erwarten sei. Hier haben Sie zwei effektive Zahlen und keine Prozentsätze. Diese Zahlen beweisen im Zusammenhang mit dem steigenden Schuldendienst der deutschen Städte — für den es auch interessante und sehr schwerwiegende Beispiele gibt —, daß diese Dinge bei aller Notwendigkeit, berechtigten Anforderungen des Gewerbes Rechnung zu tragen und zu einer echten Entlastung des Gewerbes zu kommen, ebenfalls in den Kreis unserer Betrachtungen einbezogen werden müssen.
Für die Situation auf dem Gebiete des Schuldendienstes — Herr Kollege Heiland hat schon in allgemeinen Formulierungen darauf hingewiesen — will ich zwei Beispiele bringen. In dieser vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn ist vor wenigen Tagen von der Stadtverwaltung erklärt worden, daß die Möglichkeit der Weiterverschuldung der Stadt Bonn bereits an der oberen Grenze angekommen sei und daß nur noch die Möglichkeit zur Aufnahme von weiteren Darlehen in Höhe von 8 Millionen DM bestehe, von denen 3 Millionen bereits verplant seien. In der Stadt Darmstadt ist die Grenze bereits erreicht.
Und warum, meine Damen und Herren? Wir alle wissen doch als Bundestagsabgeordnete um die ungeheuren Lasten, die der Bund in all den vergangenen Rechnungsjahren, in der Gegenwart und noch in der Zukunft zu tragen hatte und hat, um die Lasten, die durch den Wiederaufbau unseres zusammengebrochenen und zerbombten Staates entstanden waren und notwendigerweise gedeckt werden mußten, auszugleichen.
Aber mindestens die gleiche Last — ich behaupte, mehr, wenn man es prozentual sehen wollte — trifft doch die deutschen Kommunen, die in einer in vielfacher Hinsicht früher unvorstellbaren Weise zusammengeschlagen worden sind. Wenn ich mich an das Beispiel von Hanau, von Darmstadt, von Pforzheim und anderen Städten erinnere, dann weiß ich, daß hier zum Wiederaufbau eine ungeheure Kraftentfaltung notwendig war. An dieser Kraftentfaltung war auch das deutsche Gewerbe in zweifacher Hinsicht beteiligt und wird es auch weiterhin bleiben: einmal als Mitträger der Lasten, zum anderen aber auch — und das darf ich Ihnen nun einmal außerhalb von Krieg und Kriegsereignissen aus der zehnjährigen Erfahrung eines alten Bürgermeisters sagen — war und bleibt es deshalb mitbeteiligt, weil die kommunalen Aufträge praktisch auch in vielfacher Hinsicht der Nährvater des Gewerbes sind.
Auch das dürfen wir nicht außer acht lassen.
Nun ist mit Recht auf die grundsätzlichen Zu- sagen der Herren Ministerpräsidenten und Finanzminister der Länder hingewiesen worden. Meine Freunde Könen und Heiland haben bereits die Auffassung meiner Fraktion dargelegt. Ich möchte sie aber noch einmal in einem anderen Zusammenhang unterstreichen. Ich will nicht sagen: „Die Worte hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", ich weiß aber, die Möglichkeit einer Entscheidung im einzelnen Land bedeutet, daß die Verantwortung beider Körperschaften, die die Verantwortung für die Senkung der Gewerbesteuer, also für eine Änderung eines Bundesgesetzes tragen, leicht vom Bund auf die Länder verschoben werden kann. Die Tatsache, daß weder der Herr Bundesfinanzminister noch die Bundesregierung noch die regierungtragenden Parteien seit 1949 eine Möglichkeit gefunden haben, einen positiven Vorschlag zur Sicherung der Kommunalfinanzen zu machen, die Tatsache, daß noch immer trotz aller schönen Worte die deutschen Kommunen nicht die dritte Säule — um ein Wort des Herrn Staatssekretärs Hartmann aufzugreifen — im Staatsbestand geworden sind, sondern daß sie Kostgänger, vielfach Almosenempfänger sind,
und daß der eigentliche Kern der kommunalen Selbstverwaltung, nämlich die finanzpolitische Selbstverantwortung in weitem Umfang dahingefallen ist, darf uns hier im Bundestag nicht dazu verleiten, unsere eigene Verantwortung zu gering zu schätzen. Wir sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Ausfälle ersetzt werden. Mit vollem Recht debattieren wir bei Bundesausgaben über die Dekkungsfrage. Wir wenden den § 96 der Geschäftsordnung an. Hier bei der Bundesgesetzgebung sind wir auch Sachwalter der Kommunen,
und auch hier haben wir die Verpflichtung, uns, wenn fremdes Geld umgelagert wird, über das wir aber als Gesetzgeber zu entscheiden haben, den Kopf über die Deckung der Ausfälle zu zerbrechen.
Meine Damen und Herren, damit will ich lediglich gesagt haben: wenn nicht in sichtbarer Frist eine wirkliche, vernünftige und vertretbare Regelung auf dem Gebiete der Auseinandersetzung zwischen Ländern und Gemeinden zur Sicherung des Ausfalls auf Grund der Gewerbesteuersenkung eintritt, dann muß hier darüber gesprochen werden, dann muß der Bund derjenige sein, der — so wie hier bei der Steuersenkung — seinerseits die Initiative ergreift, um den Gemeinden ihr Lebensrecht zu sichern. Es geht um mehr als um ein paar Prozent Gewerbesteuer. Es geht um die Sicherung und um die Fortexistenz der deutschen kommunalen Selbstverwaltung.
Wird noch das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht immer noch um die Frage, ob der Freibetrag nach dem Antrag der Regierungskoalition auf 2400 DM oder nach dem Antrag der Freien Demokraten auf 3600 DM oder nach dem Antrag der SPD auf 2000 DM festgesetzt, d. h. erhöht werden soll, da er zur Zeit 1200 DM beträgt.
Auch diese Gewerbesteuerfrage läßt sich nicht ganz ohne Zusammenhang mit den anderen Steuerproblemen sehen; wir kommen nicht darum herum. Ich darf Ihnen sagen, daß meine Fraktion auch aus systematischen Gründen das Schwergewicht auf die Beseitigung des Notopfers und auf eine kräftige Erleichterung bei der Gewerbesteuer legen wollte. Das einzig und allein bringt Verwaltungs- und Steuervereinfachung, und das entspricht auch der Systematik.
Das ist auch das, was der Kollege Dr. Dresbach in mehreren Aufsätzen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ausgeführt hat. Diese Aufsätze, Herr Dr. Dresbach, haben ja in der Öffentlichkeit nicht nur Beifall gefunden. Auch dürfen wir annehmen: wenn die Ausführungen etwa töricht gewesen wären, hätte die „Frankfurter Allgemeine" sie wohl gar nicht abgedruckt. Ich habe mich eben bemüht, einen der Aufsätze zu bekommen; denn es würde uns tatsächlich etwas fehlen, wenn diese Betrachtungen unseres Kollegen Dresbach — der sich jetzt so erstaunlich ruhig verhält — in dem Protokoll nicht enthalten wären. Vielleicht werde ich mir die Mühe machen, die Aufsätze bei der dritten Lesung — nicht in Ihrem Namen, Herr Dresbach, sondern dann ganz gegen Ihren Willen — zu verlesen, um sie so ins Protokoll zu bringen.
Wir alle wollen dem Mittelstand, insbesondere dem gewerblichen, noch spezieller ausgedrückt: dem kleinen gewerblichen Mittelstand helfen. Aber warum denn nun so kompliziert: einmal etwas an der Gewerbesteuer herumknabbern, aber natürlich nicht genügend, und dann dieses Unsystematische bei ,der Umsatzsteuer, das eine weitere Komplizierung darstellt! Das kann man ja viel einfacher haben. Darum muß ich diese Dinge jetzt noch einmal ansprechen. Erhöhen wir kräftig den Freibetrag bei der Gewerbesteuer, dann haben wir genau das erreicht, was das Anliegen des Hauses ist, und wir können jede weitere Komplizierung vermeiden! — Herr Dr. Dresbach, Sie haben eben leichtsinnigerweise genickt, das dürfen Sie doch eigentlich gar nicht?!
— Ja, mit Einschränkung doch wohl, Herr Dr. Dresbach! — Dann möchte ich mit Genehmigung des
Herrn Präsidenten doch wenigstens einige Sätze
aus dem Aufsatz von Herrn Dr. Dresbach verlesen.
Um seine Freiheit zu bekunden, genehmige ich es gern.
In diesem Aufsatz, dessen
ich gerade habhaft werden konnte, heißt es:
Was aber dem gewerblichen Mittelstand helfen kann und worauf er einen wirklichen Anspruch hat, ist die Senkung der Gewerbesteuer durch entsprechendes Heraufsetzen der Freigrenze bei der Ertragsteuer. Der gewerbliche Mittelstand betrachtet die Gewerbesteuer mit Recht als eine zusätzliche Einkommensteuer.
Und dann schließt er mit folgenden Sätzen: Kommt es zu einem Fortfall des Notopfers Berlin und zu der vom Bundesrat und sicherlich auch vom gesamten Bundestag bejahten höheren Freigrenze bei der Gewerbesteuer, dann bedeutet das eine ehrliche offene Steuersenkung, eine klar ersichtliche Mittelstandspolitik und gleichzeitig eine Vereinfachung der Gesetzgebung und eine Vereinfachung der Verwaltung. Alles „Gezielte" ist das Gegenteil davon.
Meine Damen und Herren, insofern stehen wir jetzt bereits vor der Entscheidung dieser Frage. Wir müssen auch die Frage der Umsatzsteuersenkung in die Betrachtungen einbeziehen.
Ich darf Sie noch einmal bitten, jetzt mit der FDP zu stimmen und den Freibetrag auf 3600 DM zu erhöhen. Wir haben Ihnen alle Brücken gebaut, meine Damen und Herren von der CDU. Wir haben unseren Antrag, den Freibetrag auf 6000 DM zu erhöhen, zurückgestellt. Wir haben aber von keinem Sprecher der Regierungskoalition, auch nicht von Herrn Eickhoff, dessen sehr sachliche Ausführungen wir durchaus geschätzt haben, eine Begründung gehört. Herr Kollege Eickhoff, warum Sie gerade bei 2400 DM haltmachen und nicht mit uns die Freigrenze auf 3600 DM setzen wollen, dafür haben auch Sie uns keine Begründung geben können. Ich erinnere daran, daß wir uns doch alle darüber einig waren, daß die Erhöhung der Freigrenze ohnehin nur in einem gewissen Einvernehmen mit den Ländern durchgeführt werden kann. Wenn ein Ausgleich insbesondere für die kleineren und mittleren Gemeinden möglich sein wird — bei den großen ist es ja gar kein Problem, weil der weitaus größte Teil des Gewerbesteueraufkommens von den großen erbracht wird —, wenn also hier ohnehin eine Verständigung zwischen den Gemeinden und dem Bundesrat, d. h. den Ländern, erzielt werden muß, dann ist nicht einzusehen, warum wir hier nicht auf 3600 DM gehen können. Und, meine Kollegen von der CDU, wenn Sie mit Ihrem Kollegen Dr. Dresbach einer kräftigen Gewerbesteuerermäßigung zum Erfolg verhelfen, sparen wir heute hinterher bei den weiteren Beratungen manchen Ermäßigungsantrag, der die Dinge nur wieder weiter kompliziert. Wir hätten außerdem endlich einmal etwas zur Vereinfachung getan, wir hätten eine ganze Steuer wie das Notopfer Berlin weggebracht. Wir brauchten die Umsatzsteuer nicht weiter zu komplizieren, sondern wir nehmen das, was wir für den gewerblichen Mittelstand speziell wollen, eben hier bei der Gewerbesteuer herein. Das ist so logisch klar und deutlich wie nur etwas.
Es war am letzten Freitag eine bedrückende Situation, nachdem die Entscheidung in der Weise gefallen war, daß das Notopfer mit 12 zu 12 abgelehnt worden war und andererseits dafür diese Komplizierungen angenommen worden waren. Es hat sich auch nicht ein einziges Mitglied — jedenfalls was die ordentlichen Mitglieder des Finanz-und Steuerausschusses anlangt — bei den Entscheidungen, bei diesen ganz knappen Zufallsergebnissen wohlgefühlt. Heute haben wir noch einmal Gelegenheit, die Entscheidungen zu korrigieren, jedenfalls im Sinne der Steuervereinfachung und Übersichtlichkeit, von der wir immer reden. Ich werde jedenfalls, wenn ich in die Ferien gehe und wir heute so beschlossen haben sollten, wie es die Regierungskoalition will, auf jeden Fall verschweigen, daß ich Mitglied des Steuerausschusses bin; denn nach den Anträgen der Koalition, nach den Beschlüssen, die heute gefaßt werden sollen, kann man sich draußen im Lande bei den Steuerzahlern als Mitglied des Finanz- und Steuerausschusses wahrhaftig nicht mehr sehen lassen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen der Umdruck 725, Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten, und der Umdruck 729, Änderungsantrag der Fraktion der SPD, vor. Beide zielen in verschiedene Richtung. Über die Frage, welches der weitergehende ist, kann man also lange diskutieren. Ich schlage vor, wir stimmen in der Reihenfolge ab, in der die Umdrucke eingereicht sind. Dann kommt zuerst der Umdruck 725 *) Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Umdruck 729**), Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über Art. 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Es war so vereinzelt.
— Die Mehrheit war aber schon das erstemal sehr klar; ich habe auch vorsichtshalber nicht Einstimmigkeit, sondern nur Mehrheit festgestellt. Ich kann also nur ergänzen: gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Ich rufe auf: Art. 2, — 3, wobei ich darauf aufmerksam mache, daß in Art. 3 die Jahreszahl 1956 durch 1957 ersetzt wird, sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen,
— gegen eine Stimme, um es ganz genau zu machen, angenommen.
Damit stehen wir am Ende der zweiten Beratung und kommen zur dritten Beratung.
— Sie haben Bedenken? Auf der Tagesordnung steht: zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Gesetzentwurfs. Also, ich komme zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es entspricht dem, was wir für die Debatte besprochen haben, wenn wir die
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.
dritte Beratung der Steuergesetze nach der zweiten Beratung zusammen vornehmen und nicht bei jedem Gesetz die dritte Beratung sofort an die zweite anschließen.
Ist das der allgemeine Wunsch?
— Gut, dann stellen wir die dritte Beratung und damit auch den Entschließungsantrag zurück und kommen zu Tagesordnungspunkt 2 c:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksachen 2587, zu 2587).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Seuffert.
— Ich bitte um Entschuldigung, ich habe eben erst das Präsidium übernommen.
Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmücker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis jetzt ist es so leidlich gegangen. Wir werden hoffentlich auch über die nächste Hürde hinwegkommen. Der Herr Kollege Heiland war ja so freundlich, schon mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß es in diesem Hause wohl kaum eine Meinungsverschiedenheit darüber gibt, daß unsere gegenwärtige Umsatzsteuer in geradezu gröblicher Weise die Wettbewerbsneutralität verletzt.
Es liegen von verschiedenen Seiten Anträge vor, unsere Umsatzsteuer mit dem Ziele einer gleichmäßigen Besteuerung ohne Rücksicht auf die Art des Produktions- und Handelsweges zu reformieren. Sollten diese Überlegungen zu einer grundsätzlichen Änderung des Systems führen, so würden — auch darüber sind wir uns einig — dafür Jahre notwendig sein. Es erscheint uns aber nicht angängig, während dieser Jahre gerade diejenigen im Nachteil zu belassen, die ohnehin mit schweren wirtschaftlichen Sorgen zu kämpfen haben. Deswegen haben wir Ihnen vorgeschlagen, bis zu einer umfassenden Reform der Umsatzsteuer die Betriebe und Personen mit Umsätzen bis zu 300 000 DM für 42 000 DM des Umsatzes um 1 % geringer zu belasten. Wir sind uns darüber im klaren, daß diese Maßnahme so wie die Umsatzsteuer selbst sehr schematisch ist und nicht unbedingt jeden mit dem letzten Fünkchen der Gerechtigkeit trifft. Wir meinen jedoch, daß die Existenzerhaltung der kleineren und mittleren Unternehmer wichtiger ist als die Bewahrung der Systematik bei einer Steuer, die ohnehin — darüber sind wir uns einig —reformbedürftig ist. Sollte die Reform der Umsatzsteuer, wie es viele vorschlagen, in einer Ermäßigung des Satzes bestehen, dann ist unser Vorschlag systematisch der Beginn dieser Reform. Er
*) Siehe Anlage 2.
ist dann nicht nur nicht unsystematisch, sondern durchaus passend und zuträglich. Auch in anderen Reformen ist es nicht möglich gewesen, sofort eine totale Änderung einzuführen. Ich erinnere an die Tarifsenkungen. Man hat immer unten den Anfang gemacht. — Ich darf also wiederholen: für diejenigen, welche die mögliche Reform der Umsatzsteuer nur in der Verbesserung des Satzes sehen, kann unser Vorschlag keine Systemwidrigkeit sein.
Darf ich dann daran erinnern, daß wir zu diesem unserem Vorschlag durch die Überlegung gekommen sind, die offenkundige Benachteiligung infolge der Großhandelsumsatzsteuer abzubauen. Der unmittelbare Abbau der Großhandelsumsatzsteuer, der sicherlich systemgerechter gewesen wäre, schien uns aber den gewünschten Effekt nicht in vollem Umfange zu bringen. Der zweite Vorschlag, der, wenn ich recht gehört habe, vom Kollegen Miessner hier wiederaufgenommen worden ist, eine Rückvergütung der Großhandelsumsatzsteuer, wäre nach unserer Meinung verwaltungsmäßig wesentlich schwieriger als unser Vorschlag. Ich kann also nur die Bitte anfügen, daß wir in diesem Hause dafür sorgen und daß auch die Regierung dafür sorgt, durch die Schaffung einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer alle Einzelmaßnahmen — auch die, die wir Ihnen jetzt vorschlagen — überflüssig werden zu lassen. Die Wartezeit soll aber nicht länger zu Lasten der kleineren Unternehmer gehen; deswegen machen wir unseren Vorschlag.
Unser Umsatzsteuervorschlag spielt im Rahmen der Gesamtvorschläge eine entscheidende Rolle. Wir sind bei unseren Steuersenkungsplänen davon ausgegangen, daß zunächst Maßnahmen ergriffen werden sollten, die früher schon geplant worden
sind, aber nicht zum Zuge kamen. Weiter wollten wir der mittleren und kleineren Wirtschaft, die bis heute vielfach wartend neben den Vorteilen anderer Kreise gestanden hat, einen Ausgleich geben. Daß für diese mittlere und kleinere Wirtschaft etwas getan werden muß, wird von allen Seiten — und das ist auch heute geschehen — mit Nachdruck betont. Allerdings ist das Verhältnis der Intensität der Forderungen draußen in den Versammlungen zu hier im Saale manchmal etwas schief. Jedenfalls haben wir bei unseren Vorschlägen eine ganz klare Rang- oder Reihenfolge herausgearbeitet. Ich möchte es einmal so formulieren: nach dem Grünen Plan und in Erwartung der Sozialreform sollte die Gewerbesteuersenkung und die Umsatzsteuermilderung der mittelständischen Wirtschaft zugute kommen, und zwar nicht als ein Geschenk, sondern als ein Ausgleich für eine große Anzahl von Benachteiligungen. Erst als sich herausstellte, daß neben der Gewerbesteuersenkung und der Umsatzsteuermilderung und sozialen Maßnahmen in der Einkommensteuer noch weitere Senkungen möglich sein würden, haben wir unsere Tarifsenkungsvorschläge gemacht. Diese Tarifsenkungen sind also der dritte Teil und nicht etwa das Kernstück unserer Vorschläge. Wir — zum mindesten wir — würden unserer alten Absicht untreu werden, wenn wir heute die Tarifsenkung in den Mittelpunkt stellten. Stände sie im Mittelpunkt, dann wäre selbstverständlich die Streichung des Notopfers die einfachere Lösung. So aber bedingt die Streichung des Notopfers den Verzicht auf die Umsatzsteuerermäßigung. Ich sagte bereits, daß wir die Umsatzsteuer bevorrechtigt behandelt wissen möchten, und darum können wir konsequenterweise die Notopfervorschläge nur in
der beschränkten Form, wie sie uns von der Regierung nahegebracht worden sind, annehmen.
Ich will gern zugeben, daß man die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahmen unterschiedlich beurteilen kann. Aber dann muß man auch den Mut haben, die Auswirkungen ganz offen hier darzulegen. Wenn vorhin gesagt worden ist, die Gewerbesteuersenkung sei die bessere Methode, dem Mittelstand zu helfen, so möchte ich darauf hinweisen, daß der größte Teil der mittelständischen selbständigen Unternehmer in den unteren Bereichen des Einkommens liegt, also von der Gewerbesteuer so stark gar nicht bedrückt wird. Die Umsatzsteuerbelastung dieser Kreise ist viel, viel höher. Darum können wir über die Gewerbesteuer gerade den kleinsten Unternehmern gar nicht die Entlastung bringen, die sie nötig haben; wir können das logischerweise nur über diejenige Steuer tun, die die stärkste und größte Belastung für sie darstellt, und das ist die Umsatzsteuer.
Wer die Streichung des Notopfers will, der muß vorher sagen, daß er die Umsatzsteuersenkung für überflüssig hält. Ich meine, daß alles, was zur Gewerbesteuer hier gesagt worden ist, keinen Ausgleich darstellt; ich glaube das mindestens mit meinen letzten Ausführungen bewiesen zu haben. In München haben, wenn ich die Zahlen recht im Kopf habe, etwa 40 % der Handwerker ein Einkommen, das unter oder um 3000 DM liegt. Rechnen Sie sich bitte selber aus, was die Gewerbesteuersenkung da ausmacht!
Aber auch die viel angeführten technischen Fragen sind meines Erachtens nicht so tragisch. Denn man kann — das haben wir schon häufiger getan — Gesetze auch rückwirkend in Kraft setzen. Außerdem haben wir bis zum 1. Oktober noch drei volle Monate Zeit, wenn auch schöne Ferien dazwischen liegen; man kann sich durchaus am Schluß der Ferien im Vermittlungsausschuß zusammenfinden und dafür sorgen, daß rechtzeitig ein Inkrafttreten möglich gemacht wird.
Ich darf wiederholen: wir möchten mit unseren Vorschlägen — Gewerbesteuersenkung plus Umsatzsteuersenkung, wie wir sie Ihnen hier vorschlagen — den benachteiligten Kreisen des gewerblichen und auch des freiberuflichen Mittelstandes einen Ausgleich geben für viele Benachteiligungen, die sich in den letzten Jahren mehr oder weniger eingeschlichen haben. Wir wären froh, wenn durch eine gründliche Reform der Umsatzsteuer alle Sonderbestimmungen überflüssig gemacht werden könnten; aber wir sind nicht bereit, in der Übergangszeit bis dahin gerade den Kreisen die bast des Wartens aufzubürden, die sie am wenigsten tragen können.
Darum bitten wir Sie dringend, auch entsprechend Ihren hier heute getanen Erklärungen und den Erklärungen draußen, mit dafür zu sorgen, daß eine kräftige Besserstellung, ein kräftiger Ausgleich gerade den mittleren und kleineren Gewerbetreibenden gegeben wird. Sie können es, das wissen Sie aus der Resonanz von draußen, am besten, wenn Sie unserem Umsatzsteuervorschlag trotz aller, ich will auch sagen, berechtigten Bedenken zustimmen.
Ich darf zum Schluß, Herr Seuffert, noch eine Frage anschneiden. Ich meine, wir haben uns im Ausschuß dahin geeinigt, daß die Umsatzsteuer-
senkung am 1. Oktober in Kraft treten soll. Im Bericht wird der 1. Januar genannt. Wenn Sie von sich aus bereit sein könnten, den Termin in „1. Oktober" zu ändern — ich glaube, Sie werden zugeben, daß es so war —,
dann brauchte kein Änderungsantrag gestellt zu werden. Sonst müßte man die Sache in der dritten Lesung nach Klärung aufgreifen.
Ich darf Sie bitten, aus den von mir angeführten Gründen unserem Vorschlag in der Ausschußvorlage zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Meine Damen und Herren! In dieser Form als Berichterstatter angesprochen, muß ich sagen, daß ich als Berichterstatter nicht in der Lage bin, das Datum der Anwendung der neuen Umsatzsteuersätze zu ändern. Ich habe mich aus den Unterlagen des Ausschusses überzeugt, daß das Datum „1. Januar 1957" aus dem abgeänderten Koalitionsantrag stammt in der Fassung, wie er am 7. Juni dem Ausschuß vorgetragen und im Ausschuß angenommen wurde.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lockmann.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der vorliegende Antrag auf Drucksache 2587 verfolgt das Ziel, den Mittel- schichten die seit langem versprochene und auch als unbedingt notwendig erkannte Steuererleichterung zu bringen. Wird der vorliegende Antrag dieser Forderung gerecht? Meine Freunde und ich müssen diese Frage — und daher auch den Antrag — verneinen. Die Mittelschichten brauchen echte, durchgreifende Hilfe, d. h. eine Steuerreform, die endlich alle Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aufhebt. Der vorliegende Antrag ist aber keine wirkungsvolle Maßnahme.
Wenn Sie einmal betrachten, daß bei der Senkung der Umsatzsteuer von 4 auf 3 % bei 42 000 DM Umsatz, falls der Gesamtumsatz im vorangegangenen Jahr 300 000 DM betragen hat, lediglich ein Jahresbetrag von 420 DM oder ein Betrag von 35 DM im Monat herauskommt,
werden Sie wohl nicht im Ernst behaupten können, daß die Mittelschichten mit solchen Beträgen gestützt werden könnten, geschweige denn, daß eine echte Hilfe für sie dabei herausspringt.
Die Tatsache, daß für die Gewährung der Umsatzsteuervergütung bestimmte Grenzen gesetzt sind, führt doch zu Ungerechtigkeiten. Das ist also gar keine echte, die Mittelschichten fördernde Maßnahme. Es gibt doch Unternehmen, die mit Umsätzen von 300 000 DM nicht mehr zu den Mittelschichten zu rechnen sind, während andere Betriebe trotz des gleichen Umsatzes kleine Betriebe sind. Für die gutgehenden Betriebe ist ein Steuergeschenk von 420 DM unnötig; für die kleinen Betriebe aber, die in der großen Mehrzahl kaum Umsätze bis zu 42 000 DM erzielen werden, ist eine
monatliche Erleichterung von 35 DM noch nicht ausschlaggebend. Sicher, Herr Schmücker, ist das zu begrüßen. Aber bei all den Nebenumständen, die damit verbunden sind,
werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, daß es sich hier nur um eine Maßnahme der Optik handelt, denn der Zweck, der für die Mittelschichten angestrebt wird, kann doch nicht im entferntesten erreicht werden. Das ist doch nur ein Bruchteil von dem, was wir den Mittelschichten an steuerlichen Erleichterungen versprochen haben.
Abgesehen davon ist diese Staffelung der Umsatzsteuer höchst bedenklich. Sie verstößt in krassester Weise — Herr Schmücker, Sie haben es selbst zugegeben — gegen das System der Umsatzsteuer. Sie stellt doch praktisch eine Subvention aus den Mitteln der Umsatzsteuer dar. Es wäre viel einfacher, scheint mir, denjenigen, die nach Ihrem Vorschlag diese Umsatzsteuerermäßigung haben sollen, einfach im Jahr 420 DM durch die Finanzämter zurückzuerstatten. Dann haben wir den großen Umweg über die Verwaltung nicht nötig, und es wäre damit auch wieder ein Beitrag zur Vereinfachung geleistet.
Die Senkung einer Verbrauchsteuer ausschließlich zugunsten eines Unternehmers ist aber ausgesprochen systemwidrig. Verbrauchsteuern sollen vom Endverbraucher getragen werden. Er bezahlt sie im Kleinverkaufspreis mit. Der vorliegende Antrag läuft aber darauf hinaus, daß der Endverbraucher im Preis nach wie vor den vollen Umsatzsteuersatz bezahlen muß. Die Hersteller führen aber diesen Betrag nicht voll an das Finanzamt ab. Nach Auffassung meiner Fraktion ist eine Verbrauchsteuersenkung nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch dem Endverbraucher voll zugute kommt.
Wir bemühen uns immer wieder darum, die Steuergesetzgebung zu vereinfachen. Angesichts des vorliegenden Antrages muß man sagen: wir bemühen uns nicht darum. Durch ihn wird einzig und allein nur eine noch größere Komplizierung erreicht, als sie bisher schon vorhanden war.
Wir haben die Finanzpräsidenten und Oberfinanzpräsidenten befragt, wie man endlich an das Problem der Vereinfachung herangehen könnte. Kommissionen sind eingesetzt worden, die untersuchen sollen, wie diese Vereinfachung zustande kommen kann. Und jetzt sollen wir wieder einem Antrag zustimmen, der eine größere Komplizierung herbeiführt!
Auch der Bundesrat hat bisher erkennen lassen, daß er die Senkung der Umsatzsteuer für die Mittelschichten aus steuersystematischen und materiellen Gründen nicht billigen würde. Den Mittelschichten zu helfen ist eine echte Aufgabe des Bundestages. Aber lassen Sie uns bessere, folgerichtigere Gesetzesarbeit leisten und nicht auf ein geflicktes Gesetzeswerk noch neue Flicken setzen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat die Bundesregierung am 8. Juni 1956 aufgefordert, dem
Hause eine umfassende Übersicht über die ganze Problematik der Umsatzsteuer und das erforderliche Material zur Systemänderung, d. h. zur umfassenden Reform der Umsatzsteuer vorzulegen. Herr Schmücker, Sie haben hier eine goldene Brücke gebaut, indem Sie gesagt haben: Wenn wir für die völlige Abschaffung des Notopfers sind, dann ist der Antrag auf Änderung der Umsatzsteuer überflüssig. Ich erinnere Sie an die Abstimmung im Finanzausschuß.
— Herr Schmücker, Sie haben gesagt: Wenn wir das Notopfer abschaffen — und wir werden es sicherlich heute abschaffen —, dann ist Ihre Darlegung über die Umsatzsteuer ohnehin überflüssig gewesen; denn dann ist doch der Vereinfachung endlich das Wort geredet. Sie sprechen auch soviel von der Vereinfachung, von der Verantwortlichkeit für die Schaffung von Gesetzen, die anwendbar sein müssen und jederzeit praktisch sind. Denken Sie also bei der Abstimmung über das Notopfer daran, daß Sie hier selbst die Verpflichtung eingegangen sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine betrübliche Lage. Selbst in der Erwartung, daß der Antrag angenommen wird, glaube ich doch, daß wir einige Worte dazu sagen sollten, weil dieser Antrag in der Tat steuersystematisch größtes Unbehagen auslösen muß. Nicht nur, daß wir leider versäumt haben, dem gewerblichen Mittelstand durch eine kräftige Entlastung bei der Gewerbesteuer zu helfen; wir kommen jetzt auch auf eine Bahn, die die Dinge wahrhaftig so schlecht wie möglich reguliert. Die Art, wie hier etwas getan werden soll, ist steuersystematisch auf das schärfste zu mißbilligen. Frau Lockmann hat völlig recht. Ich darf diejenigen ansprechen, die nicht Mitglieder des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen sind. Hier werden jedem, der einen Umsatz bis 300 000 DM hat, aus Steuermitteln 420 DM in die Tasche gegeben, und zwar ohne Rücksicht auf die sonstige wirtschaftliche Lage. Jemand, der vielleicht ein gutes Einkommen von 30-, 40- oder 50 000 DM hat, sei es aus dem Betrieb, sei es aus sonstigen Quellen, bekommt nun — und das wird noch dazu als soziale Maßnahme begründet — 420 DM in die Tasche, abzuholen beim Finanzamt. Das ist der Inhalt dieses Antrags. Wenn man schon denjenigen helfen wollte, denen man durch Gewerbesteuersenkung nicht mehr helfen zu können glaubte, weil sie ohnehin keine Einkommen- oder Gewerbesteuer zahlen — das ist ja der Gesichtspunkt, das wurde jedenfalls im Steuerausschuß gesagt —, dann kann man es doch so nicht machen.
Hier ist vom Mittelstand gesprochen worden. Neben dem selbständigen Mittelstand, wozu der gewerbliche zu rechnen ist, gibt es aber auch den unselbständigen Mittelstand. Es kann nicht bestritten werden, daß zu den in den vorangegangenen Jahren besonders hart betroffenen Steuerzahlern, die jetzt Erleichterungen erhalten müssen, auch der unselbständige Mittelstand gehört, also das
große Heer der Angestellten, Facharbeiter und Beamten, die in mittleren Einkommensschichten liegen
— ja natürlich, nämlich im Preise — und die von den Vergünstigungen, die es bisher gab, immer ausgenommen waren. Meine Damen und Herren, das ist der an sich zutreffende Grund, warum man jetzt beabsichtigt, dem Mittelstand zu helfen. Aber 420 DM auch demjenigen in die Tasche zu stecken, der ein Einkommen von 50 000 DM versteuert, das ist nicht der richtige Antrag, Herr Neuburger. Der unselbständige Mittelständler, der vielleicht 500 DM Lohn oder Gehalt im Monat hat, hat nichts von diesen Dingen. Für den tun Sie einfach nichts! Das möchte ich festhalten, Herr Schmücker: Gegenüber dem Antrag auf Streichung des Notopfers geben Sie dem selbständigen Gewerbetreibenden mit diesem Antrag 420 DM in die Tasche, auch wenn er ein Einkommen von 50 000 DM hat.
Aber die Streichung des Notopfers, die nicht nur eine lineare Steuersenkung, sondern eine sozial gestaffelte lineare Steuersenkung bedeutet, würde den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen eine Entlastung geben, beginnend von etwa 25 % und auslaufend bei 5 %; so ist nun einmal das Notopfer in seiner ursprünglichen Form angelegt. Das will besagen: wenn man das Notopfer völlig streicht, hat man ganz von selbst die von Ihnen gewünschte soziale Entlastung, beginnend mit 25%, endend bei 5%, zugleich mit dem unbestreitbaren Vorteil der ganz erheblichen Steuervereinfachung; Sie snaren Steuerberechnungen und Steuerbescheide.
Nicht zuletzt hätten Sie damit auch den Vorteil der steuerlichen Gerechtigkeit; denn dann hätten Sie die soziale Entlastung nicht nur für den eng begrenzten Teil des gewerblichen Mittelstandes, sondern hätten sie gleichmäßig und gerecht auf alle Schichten verteilt und dabei noch eine beträchtliche Verwaltungsvereinfachung erzielt.
Meine Damen und Herren, diese Angelegenheit ist schon eine äußerst schlechte Sache. Aber was soll ich erklären? Wenn Sie glauben, sich für eine solche schlechte Angelegenheit mit dem Finanzminister der Koalition einig zu sein, wenn er für eine solche Angelegenheit 3C0 Millionen DM vertun will, dann werden wir nicht päpstlicher sein als der Papst. Also bitte, erwarten Sie nicht, daß wir nun Ihren Antrag niederstimmen. Die Verantwortung dafür können wir Ihnen nicht abnehmen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmücker, die Umsatzsteuer ist ihrem Wesen nach eine grobe Steuer, und wir können sie dieses Wesens nicht entkleiden. Die Umsatzsteuer ist schon allzuviel verfeinert und kompliziert worden. Sie verträgt weitere Komplizierungen nicht mehr. Wir brauchen eine Reform der Umsatzsteuer; darin sind wir uns einig. Aber die Reform der Umsatzsteuer kann nicht durch eine solche Maßnahme eingeleitet werden, sondern sie muß durchgreifend angefaßt werden.
Zum zweiten. Wer dem Mittelstand helfen will, der muß für eine Vereinfachung des Steuersystems eintreten; für Tarifsenkungen natürlich auch, aber da bietet sich unser Antrag an: die sozial gestaffelte Tarifsenkung durch den Wegfall des Notopfers Berlin.
Und zum letzten: Glaube doch niemand, der heute diesem Umsatzsteuerantrag zustimmt, daß die Sache damit Gesetz wäre und dem Mittelstand helfen würde! Wenn der Antrag heute angenommen wird, bedeutet es nur eine weitere Hinausziehung der Steuersenkung. Der Bundesrat wird sein Wort sprechen, und ich möchte Ihnen sagen: Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, daß zum 1. Oktober aus der Sache nichts wird, weil nichts daraus werden kann. Wenden wir uns deshalb den wesentlichen Fragen zu, und verplempern wir unsere Zeit nicht mit unwesentlichen!
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der kurzen Geschäftsordnungsdebatte, die wir heute morgen hatten, ist bereits mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die jetzt gewählte Reihenfolge der Gesetzesberatung nicht ganz sachgemäß ist, weil es sich bei der Umsatzsteuer, über die wir jetzt sprechen, eben nicht um eine Teilentscheidung handelt, die man aus Umsatzsteuerbetrachtungen vorausnehmen kann. Es handelt sich in Wirklichkeit um den Drehpunkt der ganzen Steuerentscheidungen, die heute zu treffen sind. Wir haben ja soeben aus dem Munde des Kollegen Schmücker gehört, daß diese Umsatzsteuersenkung für wichtiger gehalten wird als die allen Steuerpflichtigen zugute kommende allgemeine Tarifsenkung irgendwelcher Art.
Der Herr Kollege Schmücker hat gesagt, auf den nach seiner Ansicht besseren, empfehlenswerteren Wegfall des Notopfers Berlin für alle Steuerpflichtigen solle verzichtet werden, um die Umsatzsteuersenkung nach diesem Antrag nicht aufgeben zu müssen. Ich weiß nicht, ob das, was hier gesagt worden ist, die Meinung auch nur der Mehrheit der Angehörigen der Mehrheit ist. Ich bezweifle es. Jedenfalls ist es als Fraktionsmeinung hier vom Kollegen Schmücker festgestellt worden. Vielleicht hätte es von niemand anders als vom Kollegen Schmücker so ausgesprochen werden können.
In Wirklichkeit — um diesen Tatbestand noch einmal klar und deutlich zu sagen — bedeutet die Abstimmung, die wir jetzt über die Umsatzsteuer vornehmen, nach dem Willen gerade der Antragsteller die Entscheidung darüber, ob wir am 1. Oktober 1956 eine allgemeine Ertragsteuersenkung bekommen oder nicht. Was die Ertragsteuersenkung anlangt, so liegt den gesetzgebenden Faktoren der Bundesrepublik — und das sind zwei: der Bundestag und der Bundesrat, der Herr Bundesfinanzminister gehört noch nicht dazu — eine Alternative vor: entweder die allgemeine Ertragsteuersenkung durch Wegfall des Notopfers. Das erklären alle für sachlich besser, damit sind alle einverstanden mit Ausnahme derjenigen, die die Umsatzsteuersenkung vorziehen. Der erste Vorschlag ist für jeden Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik besser als der Vorschlag auf Tarifsenkung, den die Koalition macht. Ich will ganz genau sein. Sie werden sagen: Für diejenige Gruppe, für die auch nach der Regierungsvorlage das Notopfer wegfallen soll, muß sich die Tarifsenkung noch zusätzlich auswirken. Das ist richtig. Aber das Höchstmaß für diese Gruppe, das als Tarifsenkung hier jemandem noch zukommen kann, liegt in der Steuer zwischen 15 und 17 DM jährlich. Solche Beträge für eine kleine Gruppe, die auf jeden Fall eine Steuererleichterung bekommt, können doch sicherlich nicht die Grundlage für grundsätzliche steuerliche Entscheidungen sein. Das ist die eine Alternative.
Die andere Alternative ist, wie gesagt, die beschränkte Tarifsenkung, die von Ihnen beantragt wird, um diese Umsatzsteuersenkung zu retten, und von der die Länder ausdrücklich erklärt haben, daß sie ihr nicht zustimmen könnten, weil sie die finanzielle Belastung nicht tragen könnten und wollten. Ob Sie das im Vermittlungsausschuß hinkriegen, Herr Kollege Schmücker, — ich weiß nicht, ob Sie sich da Illusionen machen sollten. Erstens gehören zu einer Einigung im Vermittlungsausschuß auch zwei, und zweitens habe ich nicht den Eindruck, daß die Länder überhaupt zum Vermittlungsausschuß gehen werden. Denn dies ist ein Zustimmungsgesetz.
Die Tatsache ist also die — und diesen Tatbestand wollen wir doch klar und deutlich festhalten —, daß ein Vorschlag auf allgemeine Ertragsteuersenkung, die jeden Steuerpflichtigen der Bundesrepublik besser stellen würde als die von Ihnen zum Ersatz vorgeschlagene Tarifsenkung, von Ihnen nicht akzeptiert wird, nur um einer ganz kleinen Gruppe von Gewerbetreibenden eine geringe Steuerermäßigung zukommen zu lassen,
obwohl Sie wissen, daß der Vorschlag auf Tarifsenkung überhaupt nicht zu verwirklichen ist und es deswegen wegen des Widerstandes der Länder überhaupt nicht zu einer Ertragsteuersenkung zum 1. Oktober kommen wird.
Ja, noch mehr, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: der von Ihnen abgelehnte Antrag auf Wegfall des Notopfers stellt sogar in einer Reihe von Fällen — und das werden vielleicht sogar die meisten Fälle sein — die kleine Gruppe, die Sie hier begünstigen wollen, besser, als es mit Ihrer Umsatzsteuersenkung zu erreichen ist. Sehen Sie sich z. B. einmal die Zahlen bei einem Jahreseinkommen von 10 000 DM an. Bei diesem Jahreseinkommen bekommt der Mann, wenn statt der Tarifsenkung das Notopfer beseitigt wird, 48 DM mehr Steuern im Jahre geschenkt, während er nach Ihrem Vorschlag höchstens einen Betrag von 42 DM mehr steuerbares Einkommen bekommen kann, von dem noch die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer abgehen. So unüberlegt sind Ihre Vorschläge, daß Sie in einer Reihe von Fällen die kleine Gruppe, die Sie hier besonders im Auge haben, schlechter stellen, als sie bei Abschaffung des Notopfers Berlin gestellt wäre.
Sie schütteln den Kopf, Herr Kollege. Ich fordere jeden in diesem Hause heraus, festzustellen, ob irgendwelche Zahlen, die ich hier nenne, unrichtig sind. Sie stimmen so!
Aus demselben Grunde wollen Sie dann dem doch weiß Gott nicht unbeträchtlichen Teil des Mittelstandes, dem unselbständigen Mittelstand, den Arbeitnehmerfreibetrag streichen. Das ist die Situation.
Es handelt sich hier um die Abstimmung, ob am 1. Oktober 1956 eine Ertragssteuersenkung eintreten kann, die allen Steuerpflichtigen zugute kommt, und es handelt sich zweitens um die Abstimmung, ob diese Ertragsteuersenkung allen Steuerpflichtigen nicht in dem Maße zugute kommen soll, wie sie ihnen zugute kommen könnte, weil einer kleinen Gruppe eine Sondervergünstigung gegeben werden soll,
Dabei wird diese Gruppe, die Sie im Auge haben, durch Ihre undurchdachten Vorschläge zum großen Teil schlechter gestellt als bei Streichung des Notopfers.
Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von der Mehrheit, daß dem so ist, wissen eine Reihe von Ihnen. Es wissen es alle Mitglieder des Finanz- und Steuerausschusses,
es weiß es der Bundesfinanzminister. Sie wollen es nicht sagen, oder Sie dürfen es nicht sagen. Deswegen habe ich es hier in aller Klarheit gesagt, wie die Dinge sich verhalten und worüber Sie jetzt hier entscheiden.
Meine Damen und Herren, von meiner Fraktion ist Ihnen öfters der Vorwurf gemacht worden, daß Ihre Steuerpolitik hauptsächlich auf parteipolitischen und wahlpolitischen Grundlagen beruht. Bitte, beweisen Sie in diesem Falle, daß dem nicht so ist!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, meine Kollegen, Sie sehen, in welche entsetzliche Situation wir unentwegt kommen: wir sollen jetzt über ein kleines Randgebiet abstimmen, während das große Gebiet des Notopfers noch vor uns liegt und darüber Ungewißheit herrscht. An sich ist diese Reihenfolge ein Wahnsinn. Aber das Hohe Haus hat es nun so beschlossen.
Ich wollte nur folgendes sagen: Der Umsatzsteuerantrag mit 420 DM in die Tasche ist ein Antrag der Koalitionsparteien und nicht ein Antrag der Bundesregierung. Nachdem nun mit aller Deutlichkeit klargeworden ist, welche Konsequenzen daran hängen — Herr Seuffert hat recht, daß damit im wesentlichen die Entscheidung über Abschaffung oder Nichtabschaffung des Notopfers präjudiziert wird —, hat der Bundestag ein Recht, jetzt noch bei dieser Abstimmung einmal die Meinung der Regierung zu hören. Das Haus hat das Recht, den zuständigen Fachminister zu bitten, während der Beratungen anwesend zu sein. Aber
was nützt das Recht — er ist ja anwesend —, wenn er schweigt?! Herr Bundesfinanzminister, ich möchte Sie von dieser Stelle aus bitten, namens der Regierung Ihre Meinung zu sagen, wie Sie zu diesem Umsatzsteuerantrag stehen, der den Bundeshaushalt immerhin 360 Millionen DM kostet. Es ist keine Vorlage der Regierung. Was soll die Anwesenheit des zuständigen Fachministers, wenn er bei einer solch horrenden Summe schweigt, die nicht nur mit 360 Millionen DM absolut hoch ist, sondern die auch in ihrer Auswirkung als Vorentscheidung für alle weiteren steuerlichen Maßnahmen und Entscheidungen, die wir heute noch treffen sollen, von solch ungeheurer Bedeutung ist. Ganz abgesehen davon hat Herr Seuffert völlig recht, daß im übrigen diejenigen, die so verfahren wollen, überhaupt das Inkrafttreten jeglicher Steuersenkung zum 1. Oktober torpedieren, weil das im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß so nicht gutgeht. Meine Damen und Herren, damit sind Sie dann belastet, während, wenn wir das Notopfer streichen, die Angelegenheit erledigt ist und wir die weiteren Steuersenkungen in Ruhe behandeln können.
Wir beschließen jetzt steuerlich einen Torso, und wenn nachher vor der Wahl, vielleicht im April, noch einmal Anträge kommen, wird wieder ein Torso gemacht, jedesmal mitten im Kalenderjahr. Die Steuerzahler und die Verwaltung haben künftig nicht nur für jedes Jahr neue Steuergesetze anzuwenden, sondern auch in jedem Jahr noch zwei verschiedene Steuersätze und Steuertarife. Das alles könnten wir sparen — ich bitte um Entschuldigung, daß ich bei dieser Umsatzsteuerdebatte immer wieder auf die späteren Steueränderungsanträge vorgreife —, wenn wir uns jetzt zur Beseitigung des Notopfers entschlössen und dann Zeit und Ruhe hätten, die sonst noch vor der Bundestagswahl zu erwartenden Steuersenkungsanträge systematisch zusammenzufassen und am 1. Januar 1957 — nicht wieder an einem krummen Termin, etwa am 1. April 1957 in Kraft treten zu lassen. Jetzt werden wir zu dem Ergebnis kommen, wenn das mit der Mehrheit so weiterläuft, daß wir zum 1. Oktober 1956 gewisse Änderungen des Steuergesetzes und nachher im Laufe des Jahres 1957 noch einmal weitere Änderungen haben.
Dies alles sollte als Begründung für meine Bitte dienen, Herr Bundesfinanzminister — auch wenn Sie mich noch so freundlich anlächeln; das nützt mir im Augenblick nichts —: ich möchte Sie hören; darauf haben wir ein Anrecht, nicht erst hinterher, wenn diese Abstimmung mit ihrer präjudizierenden Wirkung erledigt ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dollinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte feststellen, daß die Koalition in diesen Steuerfragen durchaus eine geschlossene Konzeption hat und es auch uns darauf ankommt, daß die Senkung möglichst rasch in Kraft tritt. Dabei wollen wir uns nicht dem verschließen, daß hier gewisse Schwierigkeiten vorliegen.
Ich möchte aber nun einmal zu gewissen Argumentationen, die auf dem Gebiet der Umsatzsteuer vorgebracht worden sind, Stellung nehmen.
Es wird uns hier sehr deutlich vorgeworfen, daß wir mit diesem Antrag gewisse Gruppen einseitig begünstigten. Gründe verschiedener Art wurden dafür angegeben. Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel zu diesem Problem. Vor kurzem hat ein westdeutscher Filialkonzern der Lebensmittelbranche erklärt, daß er im letzten Jahr einen Umsatz von 65 Millionen DM getätigt habe. Das bedeutet gegenüber dem Einzelhandel, der über den Großhandel bezieht, eine Ersparnis von 1 % Umsatzsteuer gleich 650 000 DM.
Nun frage ich Sie einmal: Sind diese Dinge denn in Ordnung? Was macht der Betrieb mit der Ersparnis von 650 000 DM? Es mag sein, daß er diese Ersparnis dem Endverbraucher zugute kommen läßt. Das bedeutet aber dann, daß der Einzelhändler, der über den Großhandel bezieht, im Wettbewerb hintansteht und dadurch in seiner Möglichkeit des Konkurrierens immer mehr eingeschränkt wird. Läßt dieser Konzern die Ersparnis dem Endverbraucher aber nicht zugute kommen, verwendet er also die Steuerersparnis nicht dazu, um den Verbraucherpreis zu senken, dann hat er letzten Endes das Geld in der Tasche.
Daraus können Sie ersehen, daß die Situation anders ist, als sie insbesondere Herr Miessner dargestellt hat. Herr Kollege Miessner, Sie sagen, wir wollten den Leuten Geld in die Tasche schieben.
Ich bin der Meinung, daß wir hier niemandem Geld in die Tasche schieben, sondern daß wir einem Teil des Handels das Geld geben, das er in Wirklichkeit gar nicht mehr auf den Verbraucher abwälzen konnte, weil eben die Umsatzsteuer nicht
1 mehr wettbewerbsneutral ist. Letzten Endes kommt es uns darauf an, daß wir endlich einmal zur „Herstellung einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer" zu Taten übergehen und nicht bei Worten bleiben.
Nun wird gesagt, das sei eine Frage des Systems und wir verführen systemwidrig.
Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß man vom streng systematischen Denken aus mit Recht gegen diesen Vorschlag und Antrag Bedenken erheben kann. Aber es kommt uns hier darauf an, daß endlich einmal ein Schritt vorwärts zur Wettbewerbsneutralität getan wird, daß wir jenen Betrieben, die mit den mehrstufigen Unternehmungen in so hartem Wettbewerb stehen, eine Unterstützung geben, um sie vor dem langsamen Absterben zu bewahren.
Ich möchte hier noch einflechten: von dieser Senkung sind in Wirklichkeit sehr viele Betriebe betroffen. Ich würde nur empfehlen, sich einmal die Statistik über die Umsatzgrößen im Handel anzusehen. Dabei stellen Sie fest, daß viele Unternehmungen davon betroffen sind. Für diese Betriebe mit Umsätzen von 20- bis 30 000 Mark im Jahr ist das wirklich ein Betrag, der nicht zu verachten ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie dem Herrn Abgeordneten Dr. Atzenroth eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege Dollinger, darf ich Sie fragen, ob Sie im Gegensatz zu der Ansicht, die Herr Seuffert hier vertreten hat, der Meinung sind, daß Ihr Gesetzentwurf überhaupt Aussicht hat, im Bundesrat angenommen zu werden?
Herr Atzenroth, verzeihen Sie, wir wollen ja letzten Endes auch Realpolitik treiben
und hier nicht die Zeit damit verbringen, über Anträge in der Überzeugung zu diskutieren, sie könnten nicht verwirklicht werden. Sie müssen uns schon zutrauen, daß wir die Absicht haben, etwas zu beschließen, was wir auch durchsetzen können.
Meine Damen und Herren, ich fasse zu dem Thema Umsatzsteuer noch einmal zusammen: es kommt uns darauf an, daß hier endlich einmal ein Anfang gemacht wird und daß wir auf diesem Gebiet den Weg zur Steuergerechtigkeit beschreiten. Aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt, und wir bitten, ihn zu unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben von Herrn Kollegen Dollinger gehört, daß die Koalition eine geschlossene Konzeption auf dem Gebiete der Steuerpolitik hat. Das war sehr interessant, das haben wir nämlich bisher noch nicht gewußt.
— Nein, merken konnte man es nicht. Man kann es eben nur hören, daß Sie es behauptet haben.
Sie sagten, Sie wollten Taten tun: Sie tun keine Taten, Sie tuten nur ein bißchen in ein Horn. Das aber hat keinen Sinn. Sie sagten, Sie wollten es durchsetzen. Nichts werden Sie durchsetzen können! Eine solche sinnlose Maßnahme findet eben nicht die Zustimmung derer, die zustimmen müssen. Der Herr Bundesfinanzminister, der da sitzt und lächelt, sollte auch einmal etwas dazu sagen, denn er gehört doch auch zu dieser Koalition.
Meine Damen und Herren, ich will die Debatte noch ein wenig bereichern, indem ich mal wieder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiere. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" brachte vorgestern eine sehr interessante Glosse unter der Überschrift „Steuerdebatten". Darin beschäftigt sich diese Zeitung mit der letzten Sizung des Finanz- und Steuerausschusses am Freitag voriger Woche und macht dabei die bemerkenswerte Mitteilung — ich zitiere wörtlich —:
Es ist interessant, daß in der entscheidenden
Abstimmung sich die vier ständigen Mitglieder
des Ausschusses, ,die Abgeordneten Dr. Lindrath, Dr. Eckhardt, Dr. Pferdmenges und Pelster, durch die Abgeordneten Schmücker, Stücklen, Raestrup und Illerhaus vertreten ließen. Die Stellvertreter glaubten offenbar etwas für den Mittelstand zu tun, als sie die Notopferstreichung ablehnten und die fragwürdige Umsatzsteuersenkung befürworteten.
— Ich habe nur das Wort „Dummheiten" verstanden, aber das hat sich offensichtlich — —
— Nun, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" scheint mir wirklich — ich lese sie täglich intensiv
— eine gute Zeitung zu sein, und das Zeichen des Verfassers kennt man ja auch. Das Wort „Dummheit" ist hier nicht nur übertrieben, sondern überhaupt nicht zutreffend.
Nun, meine Damen und Herren, die Finanz- und Steuerpolitik wird in der Koalition offensichtlich nicht mehr von den Experten der Koalition gemacht, die seit Jahren die Arbeit im Finanz- und Steuerausschuß leisten, sondern diese Experten werden nach Bedarf — auf Grund der einheitlichen „Konzeption" von Herrn Dollinger — zurückgezogen und durch andere ersetzt.
— Um 17 Uhr, um genau zu sein.
— Es tut mir leid, daß ich nicht gewußt und nicht einmal gehört habe, Herr Kollege Lindrath, daß Sie den 60. Geburtstag hatten. Ich hätte mich sonst auch unter den Gratulanten befunden; ich werde mich noch nachträglich melden. — Aber schön, wir haben es ja schon oft beobachtet — das ist doch kein Zufall —, meine Damen und Herren, daß es so ist. Darüber wollen wir uns doch mal offen aussprechen.
Ich darf die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" noch einige Sätze weiter bemühen, weil diese Sätze die Situation genau treffen. Die Zeitung schreibt:
Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren,
als ob vor allem einige mittelständische Abgeordnete mit einer gewissen Dickköpfigkeit
auf der Umsatzsteuersenkung nur deshalb beharren, weil sie sich nun einmal darauf festgelegt haben.
— Nein, Herr Schmücker. Die Gegner haben sich festgelegt, aber die Gegner befinden sich in Übereinstimmung mit der Steuersystematik, sie befinden sich in Übereinstimmung mit den weitestgehenden Wünschen der Steuerzahler,
wie sie etwa im „Bund der Steuerzahler" vertreten sind, sie befinden sich in Übereinstimmung mit der Wirtschaft und der gesamten Fachpresse. Diese Angelegenheit ist wahrhaftig am allerwenigsten eine Angelegenheit der sozialdemokratischen Opposition. Sie ist vielmehr eine Sache der ökonomischen Vernunft.
— Ich habe Ihnen vorhin bereits dargelegt, daß jede Änderung der Umsatzsteuer zu noch größeren Komplikationen führt, weil die Umsatzsteuer ihrem Wesen nach eine grobe Steuer ist.
Ich darf, weil die Glosse bemerkenswert ist und weil sie gerade dazu herausfordert, noch ein paar Zeilen mehr vortragen. Ich brauche mir im Augenblick keine eigenen Gedanken zu machen; ich brauche mir im Augenblick nur die Gedanken der „Frankfurter Allgemeinen" zu machen. Sie schreibt weiter:
Die Fraktion und vor allem die Gruppe derer, die die Fraktion nun auf eine höchst unglückliche Richtung festgelegt haben, tragen eine große Verantwortung. Sie wissen, daß der Bundesrat die von ihnen gewünschte Einkommensteuersenkung ablehnen wird.
— Auch ich habe das vorhin bereits gesagt. —
Auch im Vermittlungsausschuß wird sich keine Mehrheit für die Einkommensteuersenkung erreichen lassen. Die Christlich-Demokratische Union stünde also hier auf verlorenem Posten. Ganz ähnlich verhält es sich mit der geplanten Umsatzsteuersenkung. Der Bundestag kann zwar die mit Sicherheit im Bundesrat zu erwartende Ablehnung überstimmen, jedoch wäre dazu eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Diese Mehrheit ist nach der Lage der Dinge völlig unwahrscheinlich. Man kann es also drehen und wenden wie man will, die Vorschläge der Koalition haben keine realen Chancen. Man fragt sich, warum die Fraktion ein so großes Interesse daran haben kann, ihre alten Gedanken zu vertreten. Es kann jedoch schließlich nicht sehr angenehm sein, hinterher gesagt zu bekommen, die ökonomische Vernunft sei gegen ihren Willen durchgesetzt worden.
Sie haben diese Glosse offensichtlich nicht gelesen, Herr Schmücker.
Sie ist so überzeugend,
und alles das, was wir gesagt haben, ist absolut richtig und beweisbar. Es müßte also widerlegt werden, und das haben Sie nicht fertiggebracht.
Das Wort hat der Abgeordnete Burgemeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze noch einmal eindeutig herausstellen, was wir von der CDU mit dieser Vorlage beabsichtigen. Wir beabsichtigen damit, ganz kurz gesagt, die Beseitigung einer seit Jahrzehnten bestehenden Ungerechtigkeit. Diese Ungerechtigkeit ist bekannt. Sie ist ein Übel, das sich in der Wettbewerbswirtschaft bedenklich bemerkbar macht. Wenn nun eine solche Ungerechtigkeit besteht und offensichtlich anerkannt wird, dann, meine ich, muß man auch eine sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, diese Ungerechtigkeit in der Wettbewerbswirtschaft, die durch steuerliche Maßnahmen erzeugt wird, zu beseitigen. Seit Jahren wird dem Einzelhandel, der unter dieser Ungerechtigkeit leidet, immer wieder gesagt: Sobald wir wieder eine Steuersenkung beschließen, werden wir auch an die Beseitigung dieser Ungerechtigkeit denken. Wie diese Ungerechtigkeit entstanden ist, hat Ihnen der Kollege Dollinger aufgezeigt, meine Damen und Herren. Ich möchte deswegen nur noch einmal ganz eindringlich die Bitte an Sie richten: Wenn Sie nicht wollen, daß Ungerechtigkeiten verewigt werden, dann stimmen Sie unserem Antrag zu!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf die verbraucherpolitische Seite der Umsatzsteuer hinweisen. Wenn wir uns die Ausführungen gerade des letzten Redners ins Gedächtnis rufen, müssen wir sagen, daß letztlich der Verbraucher die Umsatzsteuer zahlt.
Man kann nicht sagen, daß sie eine einseitige Belastung des Mittelstandes ist.
— Ich glaube, Herr Schmücker, daß damals, im Jahre 1951, als die Umsatzsteuer von 3 auf 4 v. H. heraufgesetzt wurde, auch die Regierung die Meinung vertreten hat, die Erhöhung werde nicht über den Preis abgewälzt werden. Inzwischen hat sich aber erwiesen, daß diese Meinung, die auch die Regierung hatte, falsch war. Ich glaube, dazu gibt es in der Öffentlichkeit eine einhellige Stellungnahme.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Burgemeister?
Bitte schön.
Frau Kollegin, sind Ihnen seit der Zeit, als die Umsatzsteuer von 3 auf 4 v. H. heraufgesetzt wurde, entsprechende Preiserhöhungen — gerade bei den Grundnahrungsmitteln — bekanntgeworden? Sind Sie sich nicht darüber klar, daß die vermehrte Umsatz-
steuer nach wie vor vom Einzelhändler getragen wird?
Herr Abgeordneter Dr. Greve, es handelt sich um ein Zwiegespräch zwischen dem Abgeordneten Burgemeister und der Rednerin. Darf ich bitten, das nicht zu unterbrechen.
Herr Kollege Burgemeister, ich glaube, daß der Verbraucher die Antwort hierauf immer wieder gegeben hat und daß es in der Öffentlichkeit eine einhellige Meinung ist, daß letzten Endes der Verbraucher die Umsatzsteuer zu zahlen hat.
Meine Damen und Herren, ich habe mich zum Wort gemeldet, weil wir auch im Ausschuß deutlich feststellen konnten, daß man ganz einseitig eine Begünstigung dieser kleinen Gruppe will; das ist ja auch von dem Kollegen Schmücker klar herausgestellt worden.
— Herr Schmücker, hier möchte ich Ihnen nur einmal entgegenhalten, was der Hauptverband des deutschen Einzelhandels hierzu selbst ausspricht. Er hat in einem Rundschreiben folgendes erklärt: „Für den Lebensmitteleinzelhandel kann dieser Vorschlag aber nicht die gewünschte Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zu den Großbetrieben — auch nicht annähernd — bringen." Also das sagt der Einzelhandel selbst.
— Sie widersprechen sich.
— Bitte, Sie wollen dazu eine noch viel größere Unsystematik!
— Herr Kollege Schmücker, auf jeden Fall beweist dieses Rundschreiben sehr deutlich, daß sogar Ihre Kreise mit Ihrer Maßnahme nicht einverstanden sind.
Meine Damen und Herren, der Herr Finanzminister hat in dem Zeitpunkt, als die Diskussion in der Öffentlichkeit über Steuerhöhe und Steueraufkommen am stärksten war, erklärt, daß er irgendwelchen Steuersenkungen nur insoweit zustimmen wolle, als sie eine preisdämpfende Wirkung hätten. Ich möchte hier das, was der Kollege Miessner vorhin schon ausführte, unterstützen. Es wäre wirklich an der Zeit, daß auch der Finanzminister einmal zu dieser Maßnahme Stellung nimmt und sich dazu äußert, inwieweit sich die heutige Auffassung noch mit der seinerzeitigen vereinbaren läßt.
Ich glaube, wir sollten in diesem Zusammenhang auch daran denken, daß es noch vollkom-
men unklar ist, wo der Mittelbetrieb beginnt und endet und wer zu den Mittelschichten gehört. Die sozialdemokratische Fraktion hat bereits vor einiger Zeit verlangt, daß sich das Mittelstandsinstitut einmal mit diesem Problem beschäftigt.
— Herr Kollege Schmücker, ich bitte doch nur einmal an das zu denken, was auch die Professoren, die wir seinerzeit abends gehört haben, deutlich herausgestellt haben. Wenn wir irgendwelche Maßnahmen zugunsten der Kreise treffen wollen, die Sie im Auge haben, ist es notwendig, erst einmal diese Frage zu klären. Jetzt können wir doch nicht erneut eine Unsystematik in die Steuergesetzgebung bringen, zumal wir in der Öffentlichkeit immer davon sprechen, daß wir die Verwaltung vereinfachen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir doch nützlich zu sein, einmal an die Entwicklung der Umsatzsteuer zu erinnern, weil nämlich die Vorgänge bei der Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 0/o, die vor einigen Jahren vorgenommen wurde, auch eine Antwort darauf geben, ob die Umsatzsteuer noch in voller Höhe beim letzten Einzelhändler auf den Verbraucher abgewälzt wird oder nicht. Das ist doch die Frage, die hier von beiden Seiten immer wieder gestellt wird. Auf die Verwischung der Grenzen zwischen abwälzbaren und nicht abwälzbaren Steuern wird mein Kollege Neuburger bei
der dritten Lesung noch einmal grundsätzlich eingehen. Aber ich darf aus einer Berichtsunterlage des Bundesfinanzministers über die Vorgänge bei der Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 % auf 4% folgendes in die Erinnerung zurückrufen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seuffert?
Bitte!
Herr Kollege, würden Sie nicht der Ansicht sein, daß wichtiger als die Frage, ob die Umsatzsteuer in dem einen oder anderen Falle vom Einzelhändler abgewälzt wird oder nicht, die Frage ist, ob nicht in den meisten Fällen durch die Streichung des Notopfers gerade die Kreise, von denen wir sprechen, eine größere Steuererleichterung bekommen als durch die Umsatzsteuersenkung?
Diese Frage möchten wir vor allem bei der Frage des Notopfers noch behandeln. Ich habe Ihnen im Augenblick nur darlegen wollen, daß in der Tat bei der Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 % auf 4 % in der Letztverteilerstufe die Abwälzung nicht erfolgt ist und nicht erfolgen konnte, sondern im Gegenteil die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3% auf 4 % in der Letztverteilerstufe nach Unterlagen der Finanzverwaltung zu einer Minderung des steuerpflichtigen Einkommens geführt hat.
Hier wird deutlich gemacht, daß eine Umsatzsteuererhöhung in diesem Bereich auf Kosten des
steuerpflichtigen Einkommens erfolgt. Daher ist I mit dem Antrag, der Ihnen vorliegt, gerade in der Letztverteilerstufe der Hebel zur Korrektur angesetzt worden.
Noch ein Wort zu der zweiten Behauptung, das sei systemwidrig und führe zur weiteren Komplizierung. Ich würde das Argument ernst nehmen, wenn wir in der deutschen Steuerpolitik nicht bereits seit langem mit differenzierten Umsatzsteuersätzen arbeiteten.
Das muß man doch dazusagen. Ich nehme Ihren Widerstand gegen eine weitere Differenzierung von Umsatzsteuersätzen hier gern zur Kenntnis und darf wohl annehmen, daß auch etwaige Überlegungen in der Richtung einer Luxusbesteuerung durch erhöhte Umsatzsteuersätze damit ein für allemal abgetan sind.
Drittens noch ein Wort zu der Frage der Haltung des Bundesrates! Auch bei den anderen Vorlagen wird ja diese Frage noch einmal auftreten. Ich wundere mich eigentlich, ich bin sehr enttäuscht, verehrter Kollege Gülich, daß gerade Sie, der Sie sich als Ritter ohne Furcht und Tadel in der Auseinandersetzung über die Prärogative des Bundestages auf dem Gebiet der Finanzpolitik bisher immer wacker geschlagen haben, uns nunmehr hier den Rat geben: Weil der Bundesrat dagegen sein könnte oder sein wird, wollen wir überhaupt darauf verzichten, im Bundestag ein Gesetz nach unserer Auffassung zu machen.
Ich glaube, wir müssen hier einmal ganz klarstellen: die Umsatzsteuer ist eine Bundessteuer, und das Notopfer ist eine Bundessteuer. Der Bundesrat — verzeihen Sie, ich muß genauer sein: die Vertreter der Länder haben geglaubt, die Initiative auf dem Gebiete, auf dem der Bundestag zweifellos eine Legitimation hat, dadurch disqualifizieren zu können, daß sie gesagt haben, diese Anträge sollten auf dem „normalen Wege" in die Gesetzgebung gegeben werden, d. h. als Vorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zugehen. Ich muß den Ausdruck „normaler Weg" der Gesetzgebung gegenüber dem Initiativrecht des Bundestages als eine Disqualifizierung bezeichnen.
Umgekehrt hat der Bundesrat auf dem Gebiete einer reinen Bundessteuer, nämlich beim Notopfer Berlin, seinerseits das Initiativrecht in Anspruch genommen und einen Entwurf verabschiedet, der nunmehr auch im Hintergrunde unserer Beratungen steht. Ich bedauere sehr, daß in der Mitwirkung beider Häuser auf dem Gebiete der Steuerpolitik und der Finanzpolitik eine derartige Akzentuierung eingetreten ist, die im Grunde genommen doch wieder nur zu einem Ringen um die größere Geltung zwischen den beiden Häusern führt und auf Kosten der Sache gehen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert. — Er verzichtet. Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
— Sie haben die Hand gehoben, ich nahm an Sie wollten sprechen.
Wird sonst noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Miessner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es schweigt nicht nur der Bundesfinanzminister, es schweigen sich auch die Steuerexperten der CDU aus. Es hat weder Herr Neuburger gesprochen, noch hat Herr Krammig gesprochen, es hat Herr Dr. Eckhardt nicht gesprochen, und auch der Herr Vorsitzende des Finanz-und Steuerausschusses Dr. Wellhausen hat nichts gesagt. Auch Herr Dr. Dr e s b a c h hat nichts gesagt. Herrn Dresbach allerdings können wir vielleicht jetzt doch sprechen lassen; denn zu diesen Dingen hat er speziell noch einen anderen Aufsatz geschrieben. Darf ich daraus — mit Erlaubnis des Präsidenten — vorlesen, da es sich ja um Äußerungen eines Mitgliedes des Hauses handelt. Es ist ein Aufsatz mit der Überschrift: „Kuchen statt Steuersystematik". Unser Kollege Dr. Dresbach beginnt so:
„Es wird ein Gestrüpp von versteckten Subventionen durch Steuervergünstigungen geschaffen, die die Steuergesetzgebung ungleichmäßig und ungerecht gestalten müssen". So hieß es in der bedeutsamen Rede Schäffers am 28. Januar 1953 im Bundestag, mit der er die sogenannte große Steuerreform einleitete.
Wenn dieser Tage ein bekannter Informationsdienst, der sich in der Verächtlichmachung Schäffers von Tag zu Tag überbietet, schrieb, daß das völlig verworrene Steuersystem unter Schäffers Ägide zustande gekommen sei, so ist das falsch. Der Bundestag hat die Verwirrungen geschaffen und will sie nunmehr vermehren.
Meine Damen und Herren, an unsere eigene Nase müssen wir uns fassen, und allmählich hat's die Öffentlichkeit gemerkt.
Nun darf ich noch ein paar Sätze vorlesen, die ich an sich erst zum Notopfer bringen wollte. Aber da die Entscheidung, ob wir das Notopfer in den Orkus versenken oder nicht, ja jetzt fällt, bitte ich auch noch um die Erlaubnis zur Verlesung dieser Dinge. Herr Dr. Dresbach schreibt weiter:
Nun kommt der Vorschlag der Sozialdemokraten und die geradezu meisterhaft formulierte Entschließung der Ministerpräsidenten, das Notopfer Berlin, diese Bundeseinkommensteuer, ersatzlos fortfallen zu lassen . . . Für den Steuerzahler . . . würde der Fortfall eine echte Einkommensteuersenkung bedeuten. Es wäre sogar, wenn man so will, eine soziale Steuersenkung, denn das Notopfer setzt tiefer an als die Einkommensteuer.
Ich hatte das ja auch schon in ähnlichem Sinne vorhin ausgeführt. Jetzt aber hören Sie noch die beiden folgenden wesentlichen Sätze:
Man könnte fast von einer linearen Steuersenkung mit sozialer Verstärkung sprechen. Dafür könnten andere Wünsche wirklich gut geopfert werden.
So der Kollege Dr. Dresbach, der damit wohl als einziger der Experten der CDU hier durch mich zu Worte gekommen ist.
Er wird mir dankbar sein.
— Meine Kollegen, ich habe es nicht mit ihm hintergründig vereinbart; vor dem Vorwurf darf ich ihn gleich retten.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben in meiner Fraktion Betrachtungen darüber angestellt, warum alle diese Herren schweigen, mit Einschluß des Herrn Bundesfinanzministers.
Sehen Sie, beim Bundesfinanzminister könnten zwei Überlegungen vorliegen. Er kann sich sagen: „Na schön, wenn jetzt die Umsatzsteuersenkung durchkommt, dann schlage ich damit die Streichung des Notopfers tot". Damit unterbleibt diese allein einfache, gerechte und soziale Steuersenkung. Herr Minister, Sie könnten sich aber auch etwas anderes denken, was für Leute, die die Ausschußberatungen mitgemacht haben, nicht so ganz abwegig ist. Es ist hier schon angeklungen, und Herr Seuffert hat es auch schon gesagt: Sie könnten sich nämlich denken, daß gar nichts kommt, und das könnte der Grund Ihres Schweigens sein.
Sie wissen, daß die feste Erklärung des Bundesrates vorliegt, den Steuerwünschen, wie sie jetzt vorgetragen werden, niemals zuzustimmen. Dann geht die Sache in den Vermittlungsausschuß und hat dort gar keine Chance, im Sinne der Koalitionswünsche durchzukommen. Der Vermittlungsausschuß setzt sich zur Hälfte aus Vertretern der Länder zusammen, deren Meinung völlig klar ist und die die Vertreter der Steuersystematik sind. Dazu kommen als Vertreter des Bundestages zur Hälfte die Abgeordneten der Oppositionsparteien, die sich als Befürworter der Steuersystematik und Steuervereinfachung zu den Vertretern des Bundesrates gesellen. Im Vermittlungsausschuß wird also eine erdrückende Mehrheit gegen diese heute etwa beschlossenen Steuersenkungen vorhanden sein. Im Vermittlungsausschuß wird die Sache erst im Herbst zur Entscheidung kommen, denn wir haben jetzt zwei Monate Ferien. Ein Beschluß des Vermittlungsausschusses wird auch nicht durch eine Dreiviertelmehrheit im Bundestag abgeändert werden können, denn die Hälfte der vom Bundestag entsandten Mitglieder ist aus Gründen der Steuersystematik und der Steuergerechtigkeit der Ansicht, daß die Dinge so nicht laufen können.
Herr Minister, Sie sollten jetzt wirklich das Wort ergreifen.
Es geht so nicht weiter. Sie stehen jetzt unter dem Verdacht, die Dinge nur aus diesem Grunde laufen zu lassen, und deshalb auch Ihr freundliches Lächeln den ganzen Morgen über.
Wo hätte es das in den letzten sieben Jahren des Bundestages gegeben, daß bei einer Steuersenkungsdebatte, wo dauernd eine Steuersenkung nach der anderen präsentiert wird, der Finanzminister nicht redet und dann noch lächelt!
Das hat es noch nie gegeben.
Also, das Lächeln scheint mir recht hintergründig zu sein.
Er weiß nämlich, was die Steuerexperten auch wissen, daß aus der Sache nichts wird.
Meine Damen und Herren, offenbar will der Herr Bundesfinanzminister, der jetzt das Wort hat, doch nicht, daß sich die Finanzexperten als Psychoanalytiker betätigen, sein Lächeln deuten und seine Gedanken ergründen.
Der Herr Bundesfinanzminister!
Ich möchte nur eine ganz kurze, wie ich hoffe, treffende Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Vorredners geben, der schon zum dritten Mal beanstandet hat, daß ich nicht in die Debatte eingegriffen habe.
Ich stelle folgendes fest. Ich achte den Mehrheitswillen eines Parlaments.
Der Antrag, der hier gestellt worden ist, ist aus der Mitte des Parlaments heraus gekommen. Ich überlege, und ich habe dazu im Ausschuß Stellung genommen.
— nicht nur —, ob man dem Antrag entsprechend
dem Willen des Parlaments — denn auch die Regierung hat den Willen des Parlaments zu respektieren —
bestimmte Möglichkeiten geben kann. Ich bin mir bewußt, daß es unter Umständen noch Auseinandersetzungen mit den Herren des Bundesrates geben wird. Der Bundesfinanzminister wird dann den Mehrheitswillen des Deutschen Bundestages auch im Bundesrat loyal erfüllen. Er weiß, sein Gewicht ist im Bundesrat stärker, wenn er sich vorher hier nicht festgelegt hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Bundesfinanzminister eine Frage stellen, die ich ihm vom Mikrophon aus nicht mehr stellen konnte: Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, seiner persönlichen Überzeugung darüber Ausdruck zu geben, ob eine allgemeine Ertragssteuersenkung zum 1. Oktober durchgeführt werden kann, wenn in diesem Hause die von den Ländern abgelehnte Tarifermäßigung und die Umsatzsteuersenkung beschlossen und die Streichung des Notopfers abgelehnt wird?
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte, statt mit einer Rede, einfach mit einem Wort antworten können. Wenn es, woran ich nicht zweifle, möglich ist, spätestens im September zu einer Entscheidung im Vermittlungsausschuß — falls er überhaupt angerufen wird — zu kommen, bejahe ich die Frage. Ich glaube, daß das Gesetz am 1. Oktober in Kraft treten kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hellwig, ich werde weiterhin für die Stärkung der Bundesgewalt, für die Änderung der Artikel 105 bis 115 des Grundgesetzes furchtlos und kühn eintreten.
Die Finanzreform wird im übrigen von allein kommen, wir müssen nur nachhelfen. In dem Punkt können Sie ohne Sorge sein. Aber es geht hier doch um eine ganz bestimmte realpolitische Situation:
Wenn wir zum 1. Oktober dieses Jahres eine Steuersenkung wollen, dann müssen wir mit beiden gesetzgebenden Körperschaften rechnen, und damit rechne ich.
Nun machte Herr Dresbach eben den Zwischenruf: „Gebranntes Kind scheut das Feuer!" Er will darauf anspielen, daß wir zwei Jahre lang in Ausführung des Art. 107 des Grundgesetzes zu einer Änderung unserer Finanzverfassung kommen wollten. Ich habe damals die Meinung vertreten, daß wir das Rechte tun wollen, ohne Rücksicht darauf, ob der Bundesrat zustimmen wird oder nicht, daß wir versuchen wollen, während der Verhandlungen mit dem Bundesrat zu reden und ihn schließlich durch eine einhellige Meinung dieses Hauses zu überzeugen. Ich bekenne, daß ich mit dieser Auffassung Schiffbruch erlitten habe. Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß der Bundesrat bei der Neuordnung unserer Finanzverfassung so uneinsichtig sein könnte.
Das, was der Herr Bundesfinanzminister eben gesagt hat, war mit einer Reihe von „Wenn" versehen. Wenn Sie, Herr Kollege Schäffer, die „Wenn" auch mal realpolitisch wiegen, 1 dann werden Sie zu der Überzeugung kommen, zu der Sie ja längst gekommen sind — Sie sprechen sie nur nicht aus —, daß die Steuersenkung, wie sie geplant ist, zum 1. Oktober nicht Wirklichkeit werden kann. Im übrigen war es interessant, zu hören, daß der Herr Bundesfinanzminister die Koalition, den Mehrheitswillen respektiert. Bisher waren wir es im allgemeinen gewohnt, daß die Koalition den Willen des Bundesfinanzministers respektiert,
mit Ausnahme der — wie Herr Kollege Dehler mal sagte — unmittelbar auf den Schlitz der Wahlurne gezielten Maßnahmen der Steuerpolitik ihrer Mittelständler.
Nun meine ich, wir sollten doch nicht mehr den Herrn Bundesfinanzminister und die geschätzten Kollegen aus dem Finanz- und Steuerausschuß, die sich heute ausschweigen, drängen, zu reden. Ich fürchte, es ist eine Situation eingetreten, die Herr Kollege Schmücker, der Führer der gegenwärtigen mittelständischen Steuersenkerbewegung
— er ist damit berühmt geworden und in die Literatur eingegangen —,
gekennzeichnet hat, als er von dieser Stelle aus sagte, daß er sich auch durch noch so großen Sachverstand von seiner politischen Überzeugung — sprich: von der Verfolgung seiner Interessen — nicht abhalten lassen wolle.
— Die habe ich nicht dazugemogelt, sondern ich habe gesagt: „sprich". Die Stenographen sind geschickt genug, die wissen ganz genau, was Zitat ist und wo ich gesagt habe: „sprich: die Verfolgung seiner Interessen". Das ist ganz klar. Das kommt im Stenographischen Protokoll richtig hin, so wie Sie es richtig verstanden haben.
Sollte es unerwarteterweise im Stenographischen Protokoll nicht richtig hinkommen, — seien Sie sicher, daß ich es richtigstellen würde! Den Vorwurf, gemogelt zu haben, hat mir bisher in meinem Leben noch keiner gemacht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Bedeutung dieser Stunde für unsere Steuergesetzgebung kann nicht genug unterstrichen werden. Deswegen müssen wir immer wieder auf das hinweisen, was sich jetzt hier abspielt. Meine Worte gelten in hohem Maße Ihnen, Herr Dr. Hellwig. Die kurzen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers haben ganz klar und deutlich gezeigt, daß die Vermutungen, die mein Kollege Miessner hier ausgesprochen hat, sich als richtig erweisen werden. Herr Hellwig, wenn Sie diesen Schritt gehen, den Sie hier eingeleitet haben, dann prophezeie ich Ihnen, daß es in diesem Jahr in unserer Bundesrepublik überhaupt keine Steuersenkung gibt, und das haben Sie zu verantworten.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über Art. 1. Wer dem Art. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 1 a. Wird das Wort gewünscht? —
— Jedenfalls liegen im Augenblick keine vor, also kann ich sie nicht aufrufen, Herr Abgeordneter.
Wird zu Art. 1 a das Wort gewünscht? — Da ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Art. 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer den Artikeln 1 a, 2, 3, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Die dritte Beratung soll erst später stattfinden.
Ich rufe auf Buchstaben d:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin"
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2585, zu 2585).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Der Bericht ist schon erstattet, Herr Abgeordneter Seuffert?
Ich rufe damit Art. 1 auf. Wird das Wort gewünscht? —
— Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt der Antrag Umdruck 730 vor. Mit diesem Antrag wollen wir erreichen, daß das Notopfer Berlin zunächst nur für die natürlichen Personen abgeschafft wird. Wir wollen es später auch für die Körperschaften abschaffen. Aber das hängt ja nun mit dem gespaltenen Körperschaftsteuersatz zusammen. Deswegen wollen wir unser weiteres Anliegen einige Monate zurückstellen, um die Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs nicht länger hintanzuhalten.
Ich darf zu dem Gesetzentwurf betreffend Aufhebung des Notopfers Berlin noch ein paar zusammenfassende Worte sagen. Ich erinnere daran, daß erstens das Notopfer Berlin 1948 als eine Notmaßnahme vorübergehend, und zwar für drei Monate, eingeführt, seitdem aber dauernd verlängert worden ist. Zum zweiten: Das Notopfer Berlin ist ein allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt und rechtfertigt mithin seinen gewichtigen Namen nicht. Solange das Notopfer Berlin ein allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt ist — und wir haben uns lange Zeit bemüht, das zu ändern —, trägt es eine Unsolidität in die Finanzwirtschaft des Bundes und führt den Steuerzahler irre.
Drittens. Der Wegfall des Notopfers Berlin bedeutet eine allgemeine Steuersenkung, die alle Steuerzahler trifft; sie kommt also den Wünschen
*) Siehe Anlage 2.
nach linearer Einkommensteuersenkung entgegen, aber mit einer Modifikation, nämlich mit einer sozial günstigen Staffelung. Der Bundeshaushalt würde, wenn das Notopfer Berlin entsprechend der von uns vorgeschlagenen Fassung am 1. Oktober wegfiele, im laufenden Jahr einen Ausfall von 500 bis 550 Millionen haben.
Viertens. Das Notopfer Berlin ist seinem Charakter nach unsozial. Ich will die wichtigsten Tatsachen kurz in Ihr Gedächtnis zurückrufen: Der Wegfall führt zu einer sozial gestaffelten Entlastung sämtlicher Einkommen und ist eine besser wirkende soziale Entlastung in der direkten Einkommenbesteuerung als eine allgemeine Senkung des Einkommensteuertarifs. Es ist Ihnen bekannt, muß aber nochmals gesagt werden: Der Notopfertarif belastet, gemessen an der Einkommensteuer, die unteren Einkommen relativ am stärksten, die höchsten Einkommen relativ am niedrigsten. Das Notopfer Berlin ist also eine unsoziale Steuer. Der Anteil des Notopfers an der Einkommensteuer beträgt bei einem Jahreseinkommen bis 3000 DM 23,4 %, bei einem Jahreseinkommen von 100 000 DM 9,7%, bei einem Jahreseinkommen von 1 Million 7,4 % der Einkommensteuer. Das heißt, beim Wegfall des Notopfers Berlin werden die untersten Einkommen um 23 %, die großen Einkommen um 75 der Einkommensteuer entlastet. Das Notopfer hat eine sehr geringe Freigrenze, trifft daher die kleinen Einkommen in viel höherem Maße. Diesen Umstand will nun die Regierung durch den Regierungsentwurf in etwa beseitigen. Dieser Regierungsentwurf bringt zwar eine kleine Verbesserung für die untersten Einkommen, beseitigt aber den unsozialen Charakter des Notopfers Berlin nicht.
Dazu ein paar weitere Zahlen: Nach dem letzten
vor wenigen Tagen herausgekommenen Bericht des Bundesfinanzministeriums betrug das Mehraufkommen an Bundes- und Ländersteuern im Mai 1956 gegenüber Mai 1955 11,5 v. H. Bei der Lohnsteuer — bitte, hören Sie mal zu, das ist interessant! — ergab sich im Mai 1956 gegenüber Mai 1955 ein Mehr von 20 %,
bei der veranlagten Einkommensteuer im Mai 1956
- Lesen Sie den Bericht des Finanzministeriums! In den Zahlen sind auch die Nachzahlungen drin. Wenn die Veranlagungen verzögert werden, ist das um so schlimmer. Die Zahlen zeigen klar und deutlich: die Lohnsteuerpflichtigen zahlen ihre Steuern sofort und in vollem Umfang, und die Veranlagten zahlen sie sehr viel später. Das ist der Witz der Sache, und man sieht es im Bericht deutlich. Ich zitiere weiter: „Durch höhere Erträge aus der Abgabe der Arbeitnehmer hat das Notopfer Berlin im Mai — 1956 — die gleiche Aufkommenshöhe des Vormonats erreicht". Im Mai 1955 waren es, damals noch einschließlich der Abgabe auf den Postsendungen, nur 67 Millionen DM. Man sieht also — und das wollte ich sagen, um den unsozialen Charakter des Notopfers zu unterstreichen —, wie dringend es ist, das Notopfer zu beseitigen.
Ein weiterer Gesichtspunkt. Der Bund, die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister haben die verfahrene Finanz- und Steuerpolitik des Bundes zu verantworten, sind schuldig an den gewaltigen Kassenreserven des Bundes. Infolgedessen trifft der Wegfall des Notopfers Berlin den richtigen Steuergläubiger, nämlich den Bund. Deshalb ist es recht und billig, daß der Bund wegen einer verfehlten Finanz- und Steuerpolitik jetzt auch die Hauptlast der Steuersenkung tragen muß.
Der Wegfall des Notopfers Berlin bedeutet ferner eine wesentliche steuerliche Vereinfachung, und zwar zunächst bei den ehrenamtlichen Steuereinnehmern, nämlich den Arbeitgebern und ihren Lohnbüros.
— Herr Kollege Schmücker, jeder Gewerbetreibende, der nur e in e Person beschäftigt, hat zusätzliche Arbeit mit der Verwaltung des Notopfers Berlin.
— Ja, aber Sie haben nach der Regierungsvorlage immer noch das Notopfer Berlin. Vorgesehen ist eine Entlastung von 125 Millionen DM bei den kleineren Einkommen. Die Steuervereinfachung, die wir alle anstreben, wird nicht erfolgen.
Nun darf ich Sie noch auf etwas von besonderer Bedeutung hinweisen. In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom Freitag, dem 22. Juni 1956, hat der Herr Bundeskanzler bekanntgegeben, daß einer seiner Söhne ihn durch Übersendung des Fragebogens mit 125 Fragen auf die komplizierte Steuerveranlagung aufmerksam gemacht hat. Wir müssen diesem Sohn Dank dafür wissen, daß er seinen Vater, den Herrn Bundeskanzler, darüber aufgeklärt hat. Dem Herrn Bundeskanzler war allerdings offensichtlich entgangen, daß die komplizierten Steuergesetze, die von Jahr zu Jahr immer komplizierter werdenden Steuergesetze, alle auch seine Unterschrift tragen. Aber es ist gut, daß der Regierungschef einmal von dieser Stelle aus auf diese Tatsachen hingewiesen hat. Er hat dabei die wirklich überraschende Mitteilung gemacht, daß er im Bundeskanzleramt Überlegungen angestellt habe, wie man diese Dinge einmal ändern könne. Er hat hinzugefügt:
Ich möchte sie geändert sehen. Ich finde nämlich in diesem ganzen Steuersystem ein Dikkicht, in das sich doch Leute, die nun nicht gerade gern Steuern zahlen, leicht verkriechen können.
Ich habe sonst wenig Veranlassung, dem Herrn Bundeskanzler zuzustimmen, aber in diesem Fall hat er wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Das Steuersystem ist derart kompliziert, daß ich es wirklich ernsthaft begrüße, daß der Regierungschef das einmal hier im Bundestage gerügt hat.
Das sollten wir uns nun überlegen und nicht neue Komplizierungen herbeiführen. Das Notopfer Berlin, eine Zusatzsteuer zur Einkommensteuer, eine unsozial gestaffelte Zusatzsteuer zur Einkommensteuer, ist steuersystematisch vollends überflüssig, nachdem wir bei der Finanzreform im vorigen Jahr in Art. 106 des Grundgesetzes die Möglichkeit der Einführung einer Ergänzungsabgabe vorgesehen haben. Wir Sozialdemokraten haben daran mitgewirkt und haben unser Ja zu dieser Ergänzungsabgabe gegeben, um dem Bund gegebe-
nenfalls einen direkten Zugriff auf die wichtigste Ertragsteuer zu ermöglichen. Nachdem das verfassungkräftig geworden ist, besteht überhaupt kein Grund mehr, nun noch das Notopfer Berlin als Sondersteuer in der Steuersystematik beizubehalten, Das, meine Damen und Herren, sollten Sie nicht niederstimmen, sondern das sollten Sie sich wirklich überlegen. Sie sollten, falls Sie in der Lage dazu sind, versuchen, den Gegenbeweis anzutreten. Sie brauchen ja auch nur einmal in die gesamte Presse zu schauen, in die Fachpresse und in die Äußerungen der Sachverständigen aus der Finanzwissenschaft und der Wirtschaftswissenschaft: Es besteht volle Einigkeit darüber, daß zunächst einmal das Notopfer Berlin aus dem Steuersystem des Bundes verschwinden muß, aus sozialen Gründen, aus psychologischen Gründen, aus politischen Gründen, aus steuersystematischen Gründen.
Die Situation im Bundesrat, Herr Kollege Hellwig, müssen wir auch wieder einmal heranziehen. Wer heute die Notopferbeseitigung ablehnt, der stimmt für eine Hinausschiebung der Steuersenkung für unbestimmte Zeit. Nur wer der Abschaffung des Notopfers Berlin zustimmt, tut im Interesse des Steuerzahlers etwas Entscheidendes, etwas, was ohne Schwierigkeit zum 1. Oktober dieses Jahres Wirklichkeit werden kann.
Das sind, glaube ich, Argumente, denen sich niemand verschließen kann, wenn er noch Überlegungen anstellt, wenn er noch seine Überzeugung auch auf Grund von Nachdenken und Sachverstand bildet.
Um Zweifel zu verscheuchen und um auf einen Zwischenruf des Abgeordneten Seuffert einzugehen: der Antrag Umdruck 730 ist nicht zum Punkt 2 d, sondern zum Punkt 2 e der Tagesordnung gestellt.
Meine Damen und Herren, wir treten nunmehr in die Mittagspause ein.
Ich habe bekanntzugeben, daß die Fraktion der CDU/CSU sich bereits um 14 Uhr im Fraktionszimmer versammelt. Das Hohe Haus tritt wieder um 14 Uhr 30 zusammen.
Ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung wird um 14 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Beratung fort.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich mir erlauben, vom familienpolitischen Standpunkt eine kurze Bemerkung zu dem zu machen, was Herr Kollege Gülich heute morgen zur Frage der völligen Beseitigung des Notopfers vorgetragen hat. Es wurde, wenn ich es mir recht notiert habe, erklärt, daß die völlige Streichung des Notopfers allen zugute komme und daß sie eine sozial günstig gestaffelte Entlastung
der Einkommen bedeute. Das ist sicherlich insoweit richtig, als der Notopfersatz bei höheren Einkommen, wie wir wissen, niedriger ist als bei kleineren Einkommen. Das ändert aber nichts an ,der Tatsache, daß eine völlige Beseitigung des Notopfers einen ausgesprochen familienfeindlichen Charakter tragen und unseren familienpolitischen Tendenzen geradezu ins Gesicht schlagen würde.
Ich möchte das kurz belegen. Es liegt daran, daß die völlige Streichung des Notopfers den Charakter einer linearen Senkung hat, und eine lineare Senkung natürlich dem, der höhere Steuern zahlt, stärker zugute kommt als dem, der weniger Steuern zahlt. Ich kann mit ein paar Zahlenbeispielen belegen, was ich meine. Bei einem Einkommen von 400 DM monatlich bringt die völlige Streichung des Notopfers dem Ledigen einen Vorteil von 3,75 DM ,dem Vater von 2 Kindern einen Vorteil von 1,85 DM. Bei 450 DM bringt sie dem Ledigen einen Vorteil von 4,55 DM, dem Familienvater von 2 Kindern einen Vorteil von 2,30 DM, also die Hälfte. Bei 500 DM gewinnt der Ledige 5,35 DM, der Familienvater mit 3 Kindern nur 2,15 DM. Bei den höheren Einkommen ergeben sich entsprechende Zahlen.
— Wollten Sie eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege?
Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Minister?
Bitte, gerne.
Herr Minister, ist Ihnen nicht klar, daß bei jeder linearen Steuersenkung, wie sie von der Koalition vorgeschlagen wird, der Verheiratete und der Kinderreiche eine kleinere Steuerermäßigung bekommt als der Unverheiratete, weil bei einer linearen Steuersenkung immer der eine größere Steuerermäßigung bekommt, der mehr Steuern zahlt?
Herr Kollege, ich freue mich sehr darüber, daß Sie diese Frage gestellt haben, denn sie führt mich genau zu dem, was ich jetzt weiter sagen wollte.
Wir können nämlich bei der Einkommen- und bei der Lohnsteuer diesen familienfeindlichen Auswirkungen der linearen Steuersenkung 'dadurch begegnen, daß wir die Familienfreibeträge erhöhen; wir können von der Seite her den Gegenstoß gegen die familienfeindlichen Auswirkungen führen. Das können wir aber bei dem Notopfer nicht tun. Im übrigen — — Wollten Sie noch einmal fragen?
Herr Minister, ist es nicht richtig, daß über die Erhöhung gewisser Familienfreibeträge in diesem Hause Einigkeit besteht, so daß das, was hier geschieht, unabhängig ist von der
Alternative zwischen linearer Steuersenkung und Streichung des Notopfers?
Herr Kollege, ich spreche im Augenblick von der Streichung des Notopfers; das ist ein Thema, das neben dem der linearen Steuersenkung bei der Einkommen- und Lohnsteuer liegt. Über das letztere Thema können wir nachher sprechen. Ich habe hier nur gesagt, daß die völlige Streichung des Notopfers in den Folgen ähnlich wie eine lineare Steuersenkung ist.
Ich möchte noch ein Letztes hinzufügen. Es ist in den Vorschlägen der Koalition, die von der Regierung unterstützt werden, vorgesehen, daß das Notopfer in all den Fällen, in denen es nicht mehr als 30 DM jährlich beträgt, völlig gestrichen wird. Diese Maßnahme hat einen ausgesprochen familienfreundlichen Charakter, weil sie auf die Einkommensverhältnisse der einzelnen Familien Rücksicht nimmt. Es wird nämlich der Ledige freigestellt vom Notopfer nur bis zu einem Einkommen von 303 DM im Monat, der Vater von drei Kindern aber bis zu einem Einkommen von 553 DM im Monat. Den sozialen Notwendigkeiten, soweit ihre Berücksichtigung erforderlich ist, wird also durch den Vorschlag der Koalitionsparteien Rechnung getragen, der, wie gesagt, von der Regierung unterstützt wird.
Mir lag daran, diese Gesichtspunkte hier noch einmal herauszustellen, weil gerade auch in den Argumenten, die vom Bundesrat für die völlige Streichung des Notopfers geltend gemacht wurden, immer wieder soziale Motive in den Vordergrund
gestellt wurden. Das scheint mir absolut unrichtig zu sein. Die Koalitionsparteien und die Regierung wollen aus sozialen Gründen das Notopfer bei den kleinen Einkommen bis zu 4-, 6000 DM völlig streichen und vermeiden, daß auch die großen Einkommen von dem Notopfer befreit werden. Wenn die SPD glaubt, für die Streichung des Notopfers gerade bei den großen Einkommen eintreten zu sollen, befindet sie sich eben damit in Widerspruch zur Auffassung der Koalition und der Regierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Meine Damen und Herren! Da sind wir aber durch eine geradezu absurde Erklärung des Herrn Familienministers aus unserer Mittagsruhe aufgescheucht worden!
Herr Minister W u e r m e l i n g, wer wenig Steuern bezahlt, dessen Steuern können nur wenig ermäßigt werden. Was Sie gesagt haben, geht völlig am Problem vorbei. Der unsoziale Charakter des Notopfers kann damit nicht bestritten werden. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, daß jemand bis zu 3000 DM Einkommen 23,4 % der Einkommensteuer bezahlt und ein anderer bei 100 000 DM Einkommen 9,7%! Die Familienermäßigungen sind ja im Einkommensteuertarif drin; wenn man noch Verbesserungen der Familienermäßigungen will, kann man darüber reden, dann werden Sie uns immer bereit finden, etwas zugunsten der Familie zu tun. Wenn es sich aber darum handelt, das
Steuersystem zu vereinfachen und damit gleichzeitig einen sozialen Zweck zu verfolgen, dann kann das nicht durch die lineare Einkommensteuersenkung, wie sie von seiten der Koalition empfohlen wird, verwirklicht werden, sondern dann kann nur die völlige Streichung des Notopfers Berlin mit seinem unsozialen und damit auch familienfeindlichen Tarif richtig sein. Das ist doch eine ganz klare Sache. Man kann doch nicht das Problem durch unsachliche Darlegungen in so unzulässiger Weise verschieben.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ich bitte, vorweg zum Verfahren folgendes zu klären. Am Schluß der Vormittagssitzung hat der Herr amtierende Präsident bemerkt, daß zunächst der Punkt 2 d aufgerufen sei. Der maßgebende Antrag in dieser Debatte ist der auf Umdruck 730*), der zu Punkt 2 e der Tagesordnung gestellt ist. In der Sache ist auch dieser Antrag bereits von meinem Freunde Gülich begründet worden. Es ist sicherlich richtig, zuerst über Punkt 2 e abzustimmen, wozu wir unseren Änderungsantrag gestellt haben. Dadurch könnte sich die Abstimmung über Punkt 2 d sachlich erledigen. Eine umgekehrte Behandlung würde unlösbare Zweifelsfragen aufwerfen.
— Das ist also der Punkt 2 e; den wollen wir in der Beratung mit Punkt 2 d verbinden. Dann stimmen wir zuerst über Punkt 2 e ab.
Aufgerufen ist erst der Punkt 2 d. Jetzt rufen wir auf jeden Fall noch Punkt 2 e mit auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Notopfergesetzes ;
Schriftlicher Bericht**) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2586, zu 2586, Umdruck 730).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Sind die Fraktionen des Hauses damit einverstanden, daß so verfahren wird, wie Herr Kollege Seuffert vorgeschlagen hat?
— Ja, zuerst die Drucksache 2277 und dazu der auf Umdruck 730*) gestellte Antrag. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir darüber jetzt verhandeln und dann zuerst darüber abstimmen? — Das Haus ist damit einverstanden, daß wir so verfahren.
Wird weiter das Wort zu den Tagungsordnungspunkten 2 d und 2 e gewünscht? — Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 2.
Ist der Änderungsantrag auf Umdruck 730 begründet, Herr Abgeordneter Seuffert?
— Also, meine Herren Sachverständigen, ist der Änderungsantrag auf Umdruck 730 begründet?
Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Das Wort zu dem Änderungsantrag wird nicht mehr gewünscht; dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag abstimmen.
— Herr Abgeordneter Dr. Gülich, zur Abstimmung.
Angesichts der Bedeutung dieser Frage für die gesamte Steuerpolitik der Bundesrepublik beantrage ich namens der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 730 beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Hat jedes Mitglied des Hauses, das sich im Saale befindet, seine Stimmkarte abgegeben? —
Die Abstimmung ist geschlossen. — Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 730**) bekannt. Abgegebene Stimmen: 405 und 19 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 171 und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein 222 und 7 Berliner Abgeordnete, bei 12 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 730 abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage in der Fassung des Ausschusses. Ich setze das Einverständnis des Hauses voraus, wenn ich aufrufe die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung in zweiter Lesung angenommen!
Nun kommen wir zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt 2 d) zurück. Auch dazu wird nicht mehr weiter das Wort gewünscht. Ein Änderungsantrag liegt dazu nicht vor. Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist, wenn ich die Artikel zusammen aufrufe: Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer ihnen zustimmen will — Antrag Drucksache Nr. 2299 —, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Bei zahlreichen Ja-Stimmen ist der Antrag abgelehnt.
Damit kommen wir zu dem Tagesordnungspunkt 2 f:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ; Schriftlicher Bericht***) des Ausschusses für
*) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8757.
**) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 2.
Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2588, zu 2588, Anlage zu 2588, Umdrucke 727, 731).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Wird das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht?
— Keine mündliche Berichterstattung mehr.
Dann treten wir in die Beratung ein. Ich rufe den Art. 1 auf. Hier liegt auf Umdruck 727*) ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP für die Ziffer 3 vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages unter Ziffer 1 des Umdrucks 727, wonach in Ziffer 3 des Art. 1 die Zahl „562" durch die Zahl „624" ersetzt werden soll, das Wort gewünscht?
Zur Begründung Herr Abgeordneter Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei unserem Antrag handelt es sich um die Erhöhung der Werbungskostenpauschale für die Lohnsteuerzahler. Man spricht so viel von der Hilfe für den Mittelstand. Hier wäre einmal Gelegenheit gegeben, dem unselbständigen Mittelstand zu helfen. Aber es geht nicht nur darum, sondern es handelt sich letztlich auch um ein dringendes Problem der Steuervereinfachung.
Sie, meine Damen und Herren, wissen sicher alle aus eigener Erfahrung oder von Ihrem Bekanntenkreis, daß immer zu Beginn des Jahres, im Januar und Februar sich die Lohnsteuerzahler bei den Finanzämtern drängen, um dort ihre Werbungskosten eintragen zu lassen. Bei den Finanzämtern führt dieser Stoßbetrieb zu erheblichen Störungen des Geschäftsbetriebes. Jedesmal müssen von den Einkommensteuerveranlagungsstellen Beamte für sechs bis acht Wochen abgestellt werden, damit dieser Andrang der Lohnsteuerzahler bewältigt werden kann. Die Unzahl der Anträge und die damit zusammenhängende Verwaltungsarbeit sowohl bei den Betrieben, die bei der Zusammenstellung der Unterlagen behilflich sein müssen, wie auch bei den Behörden könnten dadurch vermieden werden, daß man die Pauschale erhöht. Sie lag bisher bei 312 DM. Wenn wir heute morgen bei der Gewerbesteuer den Freibetrag von 1200 auf 2400 DM mit der Begründung erhöht haben, daß dieser Satz inzwischen durch den etwas anders gearteten Geldwert überholt sei, so sollten wir auch hier zu einer Verdoppelung, nämlich auf 624 DM, kommen, wie es von uns beantragt worden ist. Sie machen dadurch nicht nur den 14 Millionen Lohnsteuerzahlern die Sache leichter, sondern Sie erleichtern auch den Finanzämtern die Arbeit. Die Finanzämter werden wesentlich entlastet, weil die weitaus überwiegende Zahl der Anträge nicht mehr erforderlich ist. Hier handelt es sich gar nicht so sehr um einen mehr oder weniger größeren Steuerausfall, sondern darum, die Anträge dadurch überhaupt überflüssig zu machen, daß man eine Pauschale in der richtigen Höhe festsetzt. Dann bliebe nur noch in den besonderen Fällen, wo Lohnsteuerzahler außergewöhnlich hohe Werbungskosten geltend machen können, das Erfordernis der gesonderten Antragstellung. Alle anderen Fälle würden sich durch diese Pauschale von selbst erledigen.
*) Siehe Anlage 6.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 727*) Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, es gibt hier zuviele Lücken, wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Es liegt noch ein Änderungsantrag Umdruck 736 vor, der aber erst für die dritte Beratung eingebracht wird.
Dann zu Umdruck 731**) Änderungsantrag der Fraktion der SPD. In Art. 1 soll zwischen Nr. 4 b und Nr. 4 c eine neue Nummer eingefügt werden. Wird dazu das Wort gewünscht? Frau Abgeordnete Beyer!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sowohl heute wie auch in den Ausschußberatungen ist sehr oft idas Wort Steuergerechtigkeit gefallen. Wir sind der Auffassung, wenn man wirklich steuergerecht sein will, ist es an der Zeit, idem Arbeitnehmer endlich das zu geben, was man dem Einkommensteuerpflichtigen längst zu geben bereit war. Bei der Großen Steuerreform im Jahre 1954 ist der Antrag abgelehnt worden. Einige Monate später, nämlich am 23. Februar 1955, ist es im Bundestag zu einer Abstimmung über einen Entschließungsantrag des Ausschusses gekommen. Diese Entschließung wurde vom Bundestag einstimmig angenommen. Sie hatte
zum Inhalt, daß die stärkere steuerliche Belastung des Arbeitseinkommens durch Gewährung eines Freibetrags zu vermindern sei und die Bundesregierung bzw. der Bundesfinanzminister hierzu Stellung nehmen sollte. Dies ist vom Bundesfinanzministerium getan worden. Uns ist in der Drucksache 1866 am 18. November 1955 eine Denkschrift überreicht worden. Es muß noch einmal deutlich herausgestellt werden, daß der Arbeitnehmer im Rahmen des Möglichen — und das ist auch aus der Denkschrift zu erkennen — einen Ausgleich erhalten muß. Hierfür gibt es drei Gründe: erstens die Manipulier- und Gestaltungsmöglichkeit, die dem Einkommensteuerpflichtigen gegeben ist, zweitens die unterschiedliche Zahlungsweise bei dem Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen und drittens die Stellung von Sonderanträgen, die durch den Lohnsteuerpflichtigen nur in beschränktem Umfang erfolgt.
Zum ersten Punkt, Manipuliermöglichkeit, habe ich bereits anläßlich der Debatte zur Großen Steuerreform gesprochen. Ich glaube, wir waren uns in diesem Hause damals alle darüber einig, daß dem Einkommensteuerpflichtigen sowohl auf der Einnahme- als auch auf der Ausgabeseite bestimmte Manipuliermöglichkeiten gegeben sind. Sie sind besonders da möglich, wo es um die Betriebsausgaben geht. Hier gibt es sogar gesetzliche Möglichkeiten, und zwar sowohl bei den Abschreibungen als auch bei Verlustabzügen. Diese Möglichkeiten sind dem Lohnsteuerpflichtigen in keiner Weise gegeben; denn er hat seine Lohnsteuer sofort vom Einkommen zu bezahlen, sie wird ihm bereits am Monats-
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7.
letzten oder zu dem Zeitpunkt, wo er sein Gehalt erhält, vom Einkommen abgezogen.
— Gibt es selbstverständlich, Herr Dr. Dresbach. Es gibt darüber hinaus vor allen Dingen die Trennung von Privat- und Betriebsausgaben, die wir bei der Beurteilung dieses Problems besonders beachten müssen. Auch hierzu hat es bereits 1954 in diesem Hause eine einhellige Meinung gegeben, daß nämlich sowohl bei der Lebenshaltung wie auch beim Gesamtlebensaufwand für die Betriebe bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. Die hierzu vom Finanzministerium bereits ergangenen Verordnungen, ich denke z. B. an die Spesenverordnung, sind praktisch in ihrer Wirkung gescheitert. Auch das ist von seiten des Finanzministers im Jahre 1954 zugegeben worden.
Zu idem zweiten Punkt, der Zahlungsweise, ist es notwendig, sich noch einmal vor Augen zu halten, daß die Lohnsteuer vom Arbeitseinkommen sofort ,abgezogen wird und daß die Erstattung von Mehrleistungen nur im Rahmen des Jahresausgleichs beantragt werden kann. Diese Zahlungen werden meist erst im Jahre darauf, meist sogar erst dreiviertel Jahr bis über ein Jahr später dem Lohnsteuerpflichtigen zurückerstattet. Man spricht daher unumwunden von einem zinslosen Kredit, den praktisch diese Schichten dem Staat geben. Umgekehrt ist es beim Einkommensteuerpflichtigen. Der Einkommensteuerpflichtige leistet Vorauszahlungen, und seine Schlußzahlung — seine richtige Steuer — wird erst im Laufe des nächsten Jahres geleistet. Man kann hier umgekehrt somit von einem zinslosen Kredit, der dem Einkommensteuerpflichtigen gewährt wird, sprechen.
Zu Punkt 3 möchte ich sagen, daß der Arbeitnehmer nur zu einem verschwindend kleinen Prozentsatz von der Möglichkeit Gebrauch macht, im Rahmen des Jahresausgleichs das :zurückzuerhalten, was ihm eigentlich zusteht. Nach einer Statistik ist festzustellen, daß von 905 000 Steuerzahlern mit einem Jahreseinkommen von nur 1 500 DM Bruttolohn, die praktisch alle einen Anspruch auf Jahresausgleich gehabt hätten, nur etwa 4,2 0/0, nämlich 37 900, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Das liegt natürlich an der Unwissenheit. Aber mit dieser Unwissenheit dürfen wir uns nicht belasten, sondern wir sollten Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Ungleichheit beseitigt wird.
Die Frage, die hier mit zur Erörterung steht, betrifft auch die Erhöhung der Werbungskostenpauschale. Diese ist unter idem Gesichtspunkt, daß die Erhöhung eine Verwaltungsvereinfachung darstellt, unbedingt zu bejahen. Aber sie bringt nicht das, was ein Sonderfreibetrag bringen soll; denn bei vielen Tausenden von Arbeitnehmern werden bei einer Erhöhung der Pauschale nur die erhöhten Werbungskosten erfaßt; sie haben damit keinerlei steuerliche Entlastung. Ich denke hier vor allen Dingen an die Arbeitnehmer, die einen weiten Weg zur Arbeitsstätte und mithin hohe Fahrtkosten haben und lange vom Wohnort abwesend sind. Hier dürfen wir nicht vergessen, daß es noch einen hohen Prozentsatz von Menschen gibt, die nach 1945 in Wohngebiete kamen, in denen sie nicht sofort einen Arbeitsplatz erhielten, mithin in ein anderes Gebiet hineingingen, um dort ihrem Beruf nachzugehen, in ein Gebiet, in dem noch nicht genügend Wohnungs-
2 Deutseher Bundestag — 158. Sitzung. Bonn. Donnerstag. den 5. Juli 1956 8695
möglichkeiten geschaffen sind. Infolgedessen sind sie gerade von dieser Bestimmung besonders hart betroffen. Sie haben oftmals doppelte Haushaltsführung. Sie alle würden bei einer erhöhten Werbungskostenpauschale nur zum Teil in den Genuß der weitergehenden Erstattung kommen; es würde mit der Pauschale, die allen zukommt, abgetan. Ich denke aber auch an die erhöhten Ausgaben für Arbeitsmittel.
Daher muß man, wenn man an die Manipuliermöglichkeiten und an die Möglichkeiten des Einkommensteuerpflichtigen denkt, hier zu einer anderen Denkweise kommen. Ich glaube auch, das hat seinerzeit der Herr Finanzminister in der Sache sehr richtig dargestellt und ist auch in der Denkschrift anerkannt. Wenn es im Jahre 1954 nicht zur Annahme des Antrags gekommen ist, so deshalb, weil sich der Finanzminister seinerzeit hierherstellte und dem Hause klarmachte, daß aus fiskalischen Gründen eine Übernahme der damals veranlagten 450 Millionen einfach nicht möglich wäre. Nun, die zurückliegende Zeit hat bewiesen, daß die Prognosen des Finanzministers unzutreffend waren. Die Steuereinnahmen, die er uns damals vorhielt, waren weitaus höher, und sie haben ja schließlich zu den großen Auseinandersetzungen auch in der Öffentlichkeit geführt.
Ich glaube daher, daß wir heute alle Veranlassung hätten, da sich der Finanzminister und das gesamte Haus in der Sache klar sind, nunmehr dem Arbeitnehmer diesen Freibetrag zu geben, damit er endlich unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit das erhält, was man dem Einkommensteuerpflichtigen seit Jahren bereit war zu geben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, man spricht
nun darüber, daß der Ausfall etwa 1 Milliarde ausmache. Das wurde bereits im Ausschuß in Frage gestellt insoweit, als ja bei einer generellen Tarifsenkung und Erhöhung der Freibeträge auch dieser Betrag nur geringer anzusetzen ist. Darüber hinaus haben hiervon die Länder einen großen Anteil zu tragen, und es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich die Länderfinanzminister in ihrer von dem Kollegen Seuffert bereits angeführten Sitzung für den Arbeitnehmerfreibetrag ausgesprochen haben.
Jetzt haben wir die Situation, daß sich einmal das Parlament in der Sache bereits zustimmend geäußert hat, daß sich auf der anderen Seite die Länderparlamente zustimmend geäußert haben. Ich glaube, damit müßte es nunmehr auch dem Parlament möglich sein, dem Umdruck 731 betreffend den Arbeitnehmerfreibetrag seine Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion Umdruck 731 mag sehr gut gemeint sein. Aber ich bin der Meinung, daß dieser Antrag ins Leere stößt, soweit es sich um das Gros der Arbeitnehmer handelt. Denn wenn die Vorschläge der CDU/CSU und der Koalition zur Steuerreform angenommen werden, haben wir beispielsweise bei einer vierköpfigen Familie folgende Situation: Der Steuerpflichtige hat für sich selbst einen Steuerfreibetrag von 900 DM, für seine Ehefrau einen solchen von 1150 DM, für das erste Kind 720 DM, für das zweite Kind 1080 DM Steuerfreibetrag. Dann hat er die Pauschale für die Sonderausgaben und
die Werbungskosten mit 936 DM, wobei die Pauschale für die Werbungskosten noch um 250 DM erhöht werden soll, so daß eine vierköpfige Familie erst dann steuerpflichtig wird, wenn sie 5036 DM Einkommen hat.
— Herr Seuffert, ich möchte hier feststellen, daß durch diese Freibeträge die vierköpfige Familie einen steuerfreien Mehrbetrag gegenüber dem bisherigen Recht von rund 1 000 DM bekommt.
Wenn Sie nun einen Blick auf die Durchschnittsverdienste werfen: da sind es nicht einmal 80°/o der Arbeitnehmer — und das wird Frau Beyer mir bestätigen —, die ein Einkommen von 5 000 DM im Jahre erreichen. Dieser Antrag ist also nichts weiter als ein Stoß ins Leere, und man sollte solche Anträge nicht bringen, die dem Gros der Arbeiter nicht dienen. Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es wirklich erstaunlich, daß der Herr Kollege Arndgen hier dem Hause, der Öffentlichkeit und den deutschen Arbeitnehmern die Meinung vorzutragen wagt, ein Antrag auf einen Freibetrag für ,die unselbständige Arbeit stoße ins Leere. Der Arbeitnehmerfreibetrag ist eine so alte Forderung der gesamten deutschen Arbeitnehmerschaft, daß Sie ganz genau wissen, was daran liegt und wie wenig das in Leere stößt.
Ich glaube, damit können Sie sich bei keinem Arbeitnehmer sehen lassen, Herr Kollege Arndgen.
Ich will nur eines feststellen: bei dem Arbeitnehmerfreibetrag handelt es sich um eine Frage der steuerlichen Gerechtigkeit.
Der Arbeitnehmerfreibetrag wird gewährt wegen der Benachteiligung der Lohnsteuerpflichtigen gegenüber den veranlagten Steuerpflichtigen. Diese Forderung der steuerlichen Gerechtigkeit hat Geltung für alle Tarife und gegenüber allen sonstigen Besteuerungsvorschriften. All die Freibeträge, die Sie jetzt aufgezählt haben, Herr Kollege Arndgen, kommen einem selbständig Tätigen oder einem Zinsrentner ganz genauso zu wie dem Lohnsteuerpflichtigen. Der Unterschied besteht darin, daß der Lohnsteuerpflichtige in der Regel auf seine Werbungskosten- und seine Sonderausgabenpauschalen beschränkt ist, wenn er nicht ein sehr langwieriges Verfahren anwenden will. Wenn er dieses Verfahren anwendet, bekommt er höchstens die Steuer, die er bereits gezahlt hat, erst später zurückerstattet, während auf der anderen Seite die Werbungskosten und die Sonderausgaben beim veranlagten Steuerpflichtigen im vorhinein und in größerem Umfang und mit einer größeren Gestaltungsmöglichkeit als beim Arbeitnehmer vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden.
Was den Steuerausfall anlangt, Herr Kollege Arndgen, so möchte ich noch einmal feststellen: selbst wenn dieser Steuerausfall an die Zahlen heran-
reichen sollte, die vom Bundesfinanzminister genannt worden sind und die meines Erachtens zu hoch sind, so ist ,der Steuerausfall, der davon den Bund treffen könnte — die Länder haben sich schon bereit erklärt, den sie treffenden Steuerausfall zu übernehmen —, geringer als der Betrag von 360 Millionen DM für die Umsatzsteuersenkung, die Sie unbedingt durchsetzen wollen und die Sie nicht duchsetzen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich zum Wort melde, dann deshalb, weil auch ich der Meinung bin, daß man die Frage des Freibetrages nicht mit der Frage der Kinderermäßigung vergleichen kann. Wir wollen die Familie fördern. Ich bin damit einverstanden, und das kommt ja auch im Tarif und in den Freibeträgen sehr deutlich zum Ausdruck. Aber wäre es nicht gut, wenn man auch ein klein wenig dafür sorgte, ,daß junge Leute so viel Geld bekommen, daß sie heiraten können, daß sie sich eine Wohnung einrichten können usw.? Da ist es doch manchmal sehr betrüblich. Der Ledige hat ganze 178 DM steuerfrei. Wenn er für sich steht, ohne Eltern, oder wenn er nicht in seinem Heimatort bei seinen Eltern wohnen kann, wenn er in der Fremde ist, was muß er dann — fragen Sie einmal und forschen Sie einmal nach! —, wie wir früher zu Hause in meiner Jugendzeit sagten, für Kost und Logis zahlen? Damals waren das 9,80 bis 10,50 Mark die Woche. Heute sind es Beträge, die weit, weit darüber hinausgehen.
Hauptsächlich habe ich mich aber deshalb zum Wort gemeldet, weil ich wünsche, daß man wenigstens die Steuergerechtigkeit verwirklicht.
Als wir die letzte Steuerreform berieten, kam im letzten Augenblick von dieser Seite einer der Herren Kollegen angeschossen und stellte den Antrag, einen weiteren Steuerfreibetrag von 1200 DM zu den 900 DM für eine bestimmte Gruppe von Steuerzahlern vorzusehen, und das wurde einstimmig angenommen. Auf die Bemerkung hin, daß dann auch für eine Erhöhung des Freibetrages für unselbständige Arbeitnehmer gesorgt werden müsse, wurde gesagt, daß das geprüft werden sollte, Ich glaube, es wäre auch angesichts des steuerfreien Betrages von 178 DM ein Akt steuerlicher Gerechtigkeit, wenn man hinsichtlich der Erhöhung des Freibetrages für Arbeitnehmer ein wenig täte. Hoffnung habe ich nicht viel, nachdem bereits die kleine Erhöhung von 562 bis zu 624 DM, das sind 62 DM im Jahr, vom Hause abgelehnt worden ist.
— Die haben die anderen auch.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können es wirklich begrüßen, daß jetzt langsam die ordentlichen Mitglieder des Steuerausschusses aus der CDU sich zu Worte
melden, wie es Kollege Pelster eben getan hat. Wie nicht anders zu erwarten, hat Kollege Pelster die Dinge absolut einwandfrei behandelt und sachlich richtig dargestellt. Wenn aber einer in seinen Ausführungen ins Leere stieß, dann war das Herr Arndgen mit seinen Ausführungen vorhin.
Wir wollen ihm mildernde Umstände zubilligen, weil er von den Dingen nichts versteht.
Das ist ja keine Schande; ich verstehe z. B. von den Dingen, die Herr Arndgen üblicherweise behandelt, auch nichts.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich feststellen, daß ich eine solche Bemerkung in diesem Hause nicht als eine unziemliche Bemerkung betrachten kann. Es wäre einfach eine Fiktion, zu unterstellen, daß alle Mitglieder dieses Hauses von jeder Sache, die hier behandelt wird, gleichviel verstehen. Das ist unmöglich, das wäre eine Fiktion in der arbeitsteiligen Welt. Infolgedessen betrachte ich eine solche Feststellung als eine sachliche Feststellung und nicht als eine unziemliche Unterstellung.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Ich darf noch einmal wiederholen: Ich habe bereits gesagt, daß ich von den Spezialgebieten, die Sie, Herr Arndgen, hier bearbeiten, genausowenig verstehe wie Sie von den Steuerproblemen.
Es handelt sich doch nicht um die größere oder geringere Höhe von Freibeträgen für Ehefrau, Kinder und dergleichen. Das ist ja für alle Steuerpflichtigen gleichermaßen geregelt.
Es handelt sich hier darum, daß der großen Gruppe der Unselbständigen, also den Lohnsteuerzahlern, ein Ausgleich dafür gegeben werden soll, daß sie bei der Festsetzung ihrer Steuer nicht die gleiche, sehr milde ausgedrückt: „Gestaltungsmöglichkeit" haben wie der Einkommensteuerzahler, sondern die Steuern von Amts wegen abgezogen bekommen, so daß sie ihr volles Gehalt gar nicht sehen. Ich darf Sie daran erinnern — ich habe das schon mehrfach getan —, daß es in verschiedenen Steuersystemen des Auslands, so z. B. in England, üblich ist, als Ausgleich dafür, daß der Einkommensteuerzahler erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten hat, insbesondere auch dadurch, daß die private Sphäre und die geschäftliche Sphäre nun einmal nicht so scharf voneinander abgrenzbar sind,
daß nicht ein Teil der privaten Lebenshaltung mit von den Ausgaben des Betriebes bestritten werden kann, dem Steuerpflichtigen, der seine Steuer in Form der Lohnsteuer zahlt, einen gewissen Freibetrag vorweg zu geben.
Hier ist der Antrag auf Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrages von 600 DM im Jahr, d. h. 50 DM im Monat, gestellt. Wenn man diesem Antrag zustimmt — und wir stimmen ihm zu —, dann
geht man davon aus, daß der Einkommensteuerzahler, gleich wer es nun auch sei, durch die enge Verbindung von Beruf und privater Sphäre die Möglichkeit hat, jeden Monat mindestens diesen Betrag von 50 DM für seine private Lebenshaltung aus seiner beruflichen Sphäre zu begleichen. Das ist das Problem, meine Damen und Herren. Ich will es Ihnen nur einmal etwas plastischer, volkstümlicher sagen, ohne damit aber irgendwem zu nahe treten zu wollen. Sie können sich mal den Spaß machen und in einem Restaurant beobachten, wie die Leute mit ihren Rechnungen umgehen, die sie von dem Ober bekommen.
Der eine steckt sie ein; das ist im Zweifel ein Einkommensteuerzahler. Der andere reißt sie durch und tut sie in den Aschenbecher;
das ist im Zweifel ein Lohnsteuerzahler. 'Meine Damen und Herren, diese Feststellung soll nicht diffamierend sein. Ich habe natürlich gemeint, diejenigen, die sie in ihre Brieftasche gesteckt hatten, saßen nicht allein oder mit ihrer Frau am Tisch, sondern mit einem Geschäftsfreund. Insofern waren sie auch durchaus berechtigt, diese Zeche — weil sie nämlich den Geschäftsfreund einladen mußten — auf Geschäftsunkosten zu nehmen. Denn sie hängt ja mit der Tätigkeit in ihrem Geschäft zusammen. Das ist in der Ordnung, und das wird so auch vom Finanzamt anerkannt. Und wenn es mal nicht ganz stimmen sollte, kann das das Finanzamt gar nicht korrigieren und tut es auch nicht.
— Wir wollen ja hier werbend vor der großen Fraktion wirken, Herr Kollege Seuffert, damit die Kollegen die Dinge erkennen. — Gönnen Sie doch dem Lohnsteuerzahler diese 50 DM als Entschädigung dafür, daß er das Ding zerreißt! Dann ist die Ruhe hergestellt, und dann gleichen wir uns dem Steuerrecht an, das z. B. in England gilt.
Ich darf auch an folgendes erinnern. Als die Besatzungszonen in den ersten Jahren nach 1945 in ihren Rechtsverhältnissen stark von der jeweiligen Besatzungsmacht beeinflußt waren, haben die Engländer in der britischen Zone für die Lohnsteuerpflichtigen generell solch einen Freibetrag von 1000 DM eingeführt. Sie sind also über die von der SPD geforderten Summe hinausgegangen.
Wir haben vor etwa einem Jahr bei der letzten Steuerreform für denjenigen Berufsstand, dem es verhältnismäßig schlecht möglich ist, seine private Sphäre unkostenmäßig mit der beruflichen Sphäre zu verquicken, nämlich für die freien Berufe, auf Antrag eines Kollegen meiner Fraktion — ich bekenne mich dazu — einen solchen Freibetrag von 1200 DM eingeführt. Die freien Berufe — Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater usw. — haben also heute den Genuß eines Freibetrages von monatlich 100 DM, den man ihnen zubilligt, weil sie Abschreibungsmöglichkeiten und all die anderen Dinge nicht haben, die die Industrie und die Wirtschaft haben. Der Lohnsteuerzahler hat gar nichts. Das sind die drei verschiedenen Steuersituationen, die wir augenblicklich haben.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf diesen bereits eingeführten Freibetrag für die freien Berufe und mit Rücksicht auf die Steuerrechte einer Reihe ausländischer Staaten dem Antrag der SPD zuzustimmen. Es ist natürlich bedauerlich, daß das bei der großen Zahl der Steuerpflichtigen hohe finanzielle Auswirkungen hat; das soll nicht bestritten werden.
— 800 bis 900 Millionen DM. Vom Finanzministerium ist die Summe von etwa 1 Milliarde genannt worden. Bei den Steuerermäßigungsanträgen, die noch vor uns liegen, dürfte sich dieser Betrag aber wesentlich ermäßigen.
Aber es ist so, wie Herr Seuffert sagte: wenn wir von 800 bis 900 Millionen DM Steuerausfall ausgehen, dann würden davon den Bund 300 Millionen DM treffen. Es ist eine harte Angelegenheit. An der Höhe dieses Betrages — aber auch nur daran — ist damals bei der kleinen Steuerreform zu Beginn dieser Legislaturperiode des Bundestages die Entscheidung gescheitert. Sie ist nicht gescheitert, weil das Hohe Haus diesen Vorschlag etwa für nicht in Ordnung hielt.
Nun frage ich aber: wann soll es dazu kommen? Es ist damals nicht dazu gekommen. Wenn es auch heute nicht dazu kommt, muß man annehmen, daß die Mehrheit dieses Hauses — und das ist die CDU
— nur für diesen ganz kleinen Kreis derer, die keine Gewerbesteuer und keine Einkommensteuer mehr zahlen, ein Herz hat, die dann die 420 DM zugebilligt bekommen, die wir heute morgen beschlossen haben, und daß sie gewillt ist, dieser großen Gruppe der 14 Millionen Lohnsteuerzahler das, was an sich Rechtens wäre und was längst fällig wäre, weiter vorzuenthalten. Das ist eine schlimme Sache. 14 Millionen Lohnsteuerzahler sind auch Wähler, und davon kommen eine ganze Menge für die Regierungsparteien in Betracht. Dazu zählen die Beamten, die Angestellten und die Arbeiter.
— Sie können sich ja aussuchen, welche Gruppe da Ihrer Meinung nach in Betracht kommt. Also bitte, nehmen Sie es nicht auf die leichte Schulter! Die Dinge sind allmählich so reif geworden, daß auch der Lohnsteuerzahler, der sich bekanntermaßen bisher um steuerliche Dinge überhaupt nicht gekümmert hat, weil er sie auch gar nicht verstand, inzwischen weiß, was es eigentlich bedeutet, wenn Steuervergünstigungen nur für Einkommensteuerzahler beschlossen werden, für Lohnsteuerzahler aber nicht.
Darum unterstützen wir den Antrag der SPD. Er ist sehr mäßig gehalten. Es hätte auch eine Oppositionspartei mit gutem Recht 1200 DM — gleich dem Freibetrag für die freien Berufe — beantragen können; man hätte ihr nicht Unredlichkeit oder Unverantwortlichkeit vorwerfen können. Der Betrag von 50 DM im Monat ist weit niedriger als der entsprechende im englischen Steuerrecht. Das sollten wir doch tun, wenn wir nicht in den Verdacht kommen wollen, bei dem Wort Mittelstand immer nur den kleinen Teil des kleingewerblichen Mittelstandes im Auge zu haben, nicht aber den gesamten Mittelstand.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag Umdruck 731 nur eine kurze, aber hoffentlich überzeugende Feststellung treffen.
Ich darf eines vorausschicken. Er hat sein Gleichnis lediglich in einer Steuervergünstigung für die freien Berufe, die nicht mit dem Willen der Regierung in das Einkommensteuergesetz gekommen ist, sondern seinerzeit aus der Mitte des Hauses — vielleicht in Unkenntnis der Folgen, die eine solche Bestimmung haben kann — vorgeschlagen worden ist. Das wird jetzt benützt, um einen Antrag zu stellen und zu begründen, der für die ganze Einkommensteuergesetzgebung, insbesondere aber in dem vorliegenden Fall für die Frage einer Ermäßigung der Einkommensteuer von ganz entscheidender Bedeutung ist. Der Antrag würde, alle Verrechnungen dabei bereits einbezogen, einen Ausfall von wenigstens einer Milliarde DM bringen. Ich brauche die Zahl nur zu erwähnen, und Sie werden wissen, daß derjenige, der den Antrag stellt, damit auch die Folge in Kauf nehmen muß: Allein wegen der finanziellen Folgen dieses Antrags ist eine Zustimmung des Bundesrats zu dem gesamten Werk einer Senkung der Einkommensteuer nicht mehr zu erwarten.
Deswegen möchte ich sagen: Wenn der Deutsche
Bundestag wirklich die Hoffnung hat — und ich
glaube, er hat sie — und wenn er die Unterstützung
der Bundesregierung bei dieser Hoffnung haben
will, zu einer Einigung mit dem Bundesrat und damit überhaupt zu einem Gesetzgebungswerk zu
kommen, dann darf dem Bundesrat und den Lännichts Unmögliches zugemutet werden und
dann dürfen solche Anträge nicht angenommen werden.
Herr Finanzminister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Bundesfinanzminister, sagten Sie nicht heute morgen, daß Sie bei Initiativanträgen aus der Mitte des Hauses — gemeint war die Koalition — eben die Koalition respektierten? Haben Sie sich nicht eben widersprochen?
Wieso? Ich habe pflichtgemäß auf die Folgen eines Beschlusses hingewiesen, weil ich glaube, daß es Herren gibt, die dem Antrag in der Meinung zustimmen, damit eine weitere Erleichterung und Senkung der Einkommensteuer zu erreichen, und ich will Sie darauf aufmerksam machen, daß derjenige, der dem Antrag zustimmt, zumindest ,das Wagnis läuft, jede Einkommensteuersenkung zu verhindern.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vorhin hier eine Art Einigung in dem Sinne herbeigeführt worden, daß eigentlich jeder in diesem Hause mehr oder weniger nur von seinem Arbeitsgebiet etwas versteht.
Ich will dem nicht unbedingt widersprechen. Ich habe den Eindruck, daß es, was die familienpolitische Schau des jetzigen Themas angeht, ganz gut ist, wenn vom familienpolitischen Standpunkt gerade zu diesem Antrag auch einmal ein klärendes Wort gesagt wird.
Ich möchte darauf hinweisen, daß die hier beantragte Freibetragserhöhung auch wieder ganz eindeutig die Wirkung einer linearen Steuersenkung hat, weil sie sich ja bei denen, die höhere Steuern zahlen, stärker ermäßigend auswirkt als bei den anderen.
Also wird der Abstand zwischen der vom Ledigen zu zahlenden Steuersumme und der vom Familienvater zu zahlenden Steuersumme erneut verringert, obschon wir familienpolitisch im Sinne unserer Denkschrift über den Familienlastenausgleich die Aufgabe haben, diesen Abstand dadurch zu vergrößern, daß wir den Familienvätern einen absolut größeren Steuernachlaß geben als den Ledigen und den Ehepaaren ohne Kinder, um eben die Kaufkraftlage der Familien zu verbessern. Insofern hat also dieser Antrag auch wieder — ich sage das ohne Feindseligkeit, sondern stelle lediglich die Tatsache fest — einen familienfeindlichen Charakter.
Herr Bundesminister, lassen Sie eine Frage zu?
Bitte schön, gern.
Herr Bundesminister, würden Sie nicht bereit sein, die auf dem Steuergebiet übliche Terminologie zur Kenntnis zu nehmen, wonach man unter einer linearen Steuersenkung . eine solche versteht, die in Prozentsätzen der Steuersumme vorgenommen wird, und daß die Gewährung von Freibeträgen aus dem einen oder anderen Grund ungefähr das Gegenteil einer linearen Steuersenkung ist?
Ich bin für diesen aufklärenden Hinweis, sehr verehrter Herr Kollege, sehr dankbar, weil nämlich damit bestätigt wird, daß die lineare Steuersenkung familienfeindlichen Charakter, die Erhöhung der Freibeträge aber familienfreundlichen Charakter hat und diese Dinge also in einem konträren Gegensatz zueinander stehen. Die Koalition vertritt die familienfreundliche These und die Opposition die familienfeindliche These.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
— Darf ich um Ruhe bitten, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst sagen, daß ich
nicht erwähnt habe, wieviel der Steuerausfall ausmachen soll.
Zum Zweiten möchte ich kurz erläutern, weshalb ich gesagt habe, die Dinge stießen ins Leere. Es ist nämlich einwandfrei festgestellt, daß im Jahre 1955 die monatlichen Durchschnittsverdienste bei 362 DM gelegen haben. Daher hat der größte Teil der Arbeitnehmer von den Steuervergünstigungen, von der Erhöhung des steuerfreien Betrages, wie sie hier gewünscht wird, gar nichts, weil er dieses Einkommen überhaupt nicht erreicht.
Herr Abgeordneter, es hat keinen Zweck, jetzt noch eine Frage zu stellen, wenn der Redner das Podium verlassen hat.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß noch ein Wort zu dem Vorwurf zu sagen ist, der von Herrn Miessner erhoben wurde, daß nämlich die CDU/CSU nur geringes Verständnis für diese Frage habe. Gerade die CDU/CSU ist es gewesen, die sich bei der Steuerreform 1954 dieser Frage angenommen hat. Wir hätten es schon damals sehr gern gesehen, wenn zugunsten der Arbeitnehmerschaft hier etwas hätte gemacht werden können.
Das war damals nicht möglich, weil die Mittel dazu nicht vorhanden waren. Es wurde aber der Beschluß gefaßt, der auch von uns unterstützt worden ist, das Bundesfinanzministerium zu ersuchen, die notwendigen Vorbereitungen nach dieser Richtung hin zu treffen. Das ist auch geschehen. Gerade in Verfolg dieses Beschlusses ist die Werbungskostenpauschale von 312 DM auf 562 DM heraufgesetzt worden. In Verfolg dieser Bestrebungen ist also ein Betrag von 250 DM zugegeben worden.
Jetzt kommt der Wunsch, noch weitere 600 DM hinzuzufügen. Es ist schon richtig, was Herr Kollege Arndgen gesagt hat, daß das, wie er es genannt hat, in einem gewissen Umfang ein Stoß ins Leere ist. Er hat sagen wollen: wir tun so, als ergriffen wir eine soziale Maßnahme; aber sie kommt nicht an. Die Zahlen, die er genannt hat, sind unbestechlich; das ist zweifellos richtig. Die Maßnahme kommt eben bei all jenen Einkommensteuerpflichtigen nicht an — —
- Aber, Herr Dr. Keller, die Maßnahme kommt dort nicht an, wo das Einkommen 420 DM im Monat nicht übersteigt, und das ist eben bei einer sehr großen Zahl von Arbeitnehmern der Fall.
Hinzu kommen die Schwierigkeiten fiskalischer oder haushaltsrechtlicher Art, auf die der Herr Bundesfinanzminister hingewiesen hat. Man kann diesen Wunsch auch nicht damit begründen, wie es von hier aus geschehen ist, daß man von „Gestaltungsmöglichkeiten" der Wirtschaft oder der Gewerbetreibenden spricht, für die ein Ausgleich geschaffen werden müsse. Man wird vielmehr sagen
müssen, daß der Lohnsteuerpflichtige gegenüber dem Einkommensteuerpflichtigen insofern schlechter steht, als die Steuer ihm bei der Auszahlung seines Einkommens sofort einbehalten wird, während der Einkommensteuerpflichtige erst später veranlagt wird.
Man sollte auch nicht mehr so stark auf die „Belegwirtschaft" hinweisen. Gerade das Hohe Haus hat ja die steuerstrafrechtlichen Bestimmungen in dieser Hinsicht verschärft. Die verschärften Bestimmungen sind vor wenigen Tagen, am 1. Juli, in Kraft getreten. Wir wollen nur hoffen und wünschen, daß diese Maßnahme, die wir ja alle getroffen haben, zu einem gewissen Ergebnis führt.
Schließlich gestatten Sie mir noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert. Herr Kollege Seuffert, Sie haben gesagt, die Ausgangspunkte bei den Veranlagten und bei den Lohnsteuerpflichtigen seien die gleichen. Das trifft doch nicht ganz zu. Der Pauschbetrag für die Werbungskosten in Höhe von nunmehr 562 DM und der Pauschbetrag für die Sonderausgaben in Höhe von 624 DM kommen denjenigen, die zur Steuer veranlagt werden, nur dann zu, wenn sie entsprechende Aufwendungen gemacht haben. Bei einem großen Kreis, ich möchte sagen: bei dem größten Teil der Arbeitnehmerschaft werden diese Pauschbeträge auch dann zugebilligt, wenn keinerlei Werbungskosten oder Sonderausgaben entstanden sind. Hierin liegt also neben der Erhöhung der Werbungskostenpauschale um 250 DM in gewissem Sinne ein Entgelt.
Ich möchte abschließend noch einmal erklären, daß auch wir einen solchen Wunsch, wie er in diesem Antrag niedergelegt ist, liebend gern erfüllen würden, wenn wir im Augenblick eine finanzielle Möglichkeit sähen. Wir haben deshalb in unseren Vorschlag die Erhöhung der Werbungskostenpauschale aus den gleichen Gründen aufgenommen, aus denen Sie diesen Wunsch geäußert haben. Leider können wir mit Rücksicht auf das, was der Bundesfinanzminister hinsichtlich der Kassen- und Haushaltslage ausgeführt hat, Ihren Antrag nicht annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe es auf, den Herrn Kollegen Arndgen davon zu überzeugen, was die Arbeitnehmer von einem Arbeitnehmerfreibetrag bei der Steuer haben. Die Arbeiter, die Angestellten und die Beamten wissen das.
Ich möchte Herrn Kollegen Dr. Lindrath zu der Frage der Werbungskostenpauschale sagen: die Frage der Werbungskostenpauschale ist eine Frage der Verwaltungsvereinfachung und nicht die Frage einer Vergünstigung für Arbeitnehmer. Um einmal völlig klarzustellen, was diese Pauschale bedeutet, möchte ich feststellen: ich möchte das Finanzamt sehen, das es dem veranlagten Steuerpflichtigen, buchführend oder nicht, nicht ohne jede Beanstandung durchgehen läßt, wenn er unter seinen Ausgaben jährlich „500 DM Sonstiges" hinschreibt.
— Zeigen Sie mir das Finanzamt, das das nicht tut!
Glauben Sie mir das!
Ich möchte zu Herrn Bundesfinanzminister Schäffer noch einiges sagen. Ich fand es bemerkenswert, wenn auch nicht überraschend, daß der Herr Bundesfinanzminister ausgerechnet zu diesem Punkt aus seiner Reserve herausgetreten ist.
Während Sie heute morgen Ihre Schweigsamkeit, Herr Bundesfinanzminister, mit der großen Achtung vor den Entschlüssen dieses Parlaments begründet haben, haben Sie heute nachmittag die These aufgestellt, daß ein Beschluß dieses Parlaments über den Freibetrag bei den freien Berufen in Unkenntnis der Sachlage und seiner Bedeutung gefaßt worden sei. Das sprach nicht gerade von Achtung vor den Beschlüssen dieses Parlaments,
und ich muß, da wir das ja alle mitgemacht haben, Herr Bundesfinanzminister, dieser These nachdrücklichst widersprechen. Zudem haben Sie die Dinge ganz falsch dargestellt, wenn Sie gemeint haben, im Anschluß an diesen Freibetrag für die freien Berufe sei nun plötzlich der Gedanke eines Arbeitnehmerfreibetrages aufgetaucht. Sie wissen doch sehr gut, daß der Arbeitnehmerfreibetrag eine alte, immer diskutierte Forderung ist, daß er z. B. ein Grundbestandteil des englischen Steuerrechts ist, und Sie wissen ganz genau, daß wir den Freibetrag für die selbständig Arbeitenden nur deswegen vor dem Freibetrag für die unselbständig Arbeitenden beschlossen haben, weil wir für ihn zuerst eine Mehrheit finden konnten, für den anderen nicht.
Nun noch einmal zu der Frage des finanziellen Aufwandes! Dieser Einwand des finanziellen Aufwandes ist uns bisher in jeder Steuerdebatte entgegengehalten worden, wenn wir diese Forderung der einfachen Gerechtigkeit vorbrachten, und immer wieder ist gesagt worden, wie es auch der Kollege Lindrath soeben wieder getan hat: wir möchten zwar gern, aber wir können nicht, es kostet zuviel. Das wird auch wieder in einem Moment gesagt, wo sich jeder darüber klar ist und gewillt ist, Steuersenkungen durchzusetzen. In demselben Moment, wo man einen höheren Betrag zu Lasten des Bundes über die Umsatzsteuersenkung für einen ganz kleinen Kreis verlangt, will man das nicht gewähren.
Was die finanzielle Durchsetzbarkeit anlangt, Herr Bundesfinanzminister, ist Ihre Behauptung, der Arbeitnehmerfreibetrag gefährde die Durchführung der Steuersenkungen, unhaltbar und falsch. Dem Hause ist die gemeinsame, einstimmige Entschließung der Ministerpräsidenten bekannt — ich habe sie ihm heute morgen vorgetragen —, in welcher sie den Arbeitnehmerfreibetrag selbst anregen.
Das ist bisher niemals widerrufen worden, und wenn Sie sich in diesem Hause so stark machen, Forderungen gegen den Bundesrat durchsetzen zu wollen, von denen der Bundesrat, die Ministerpräsidenten nunmehr mehrfach eindeutig erklärt haben, daß sie ihnen nicht zustimmen werden, wie die Tarifsenkung, wie die Umsatzsteuersenkung, — wie kommen Sie dann dazu, plötzlich zu sagen, eine Forderung, die der Bundesrat selbst angeregt
hat, könne man nicht gegen ihn durchsetzen, und das gefährde die Steuersenkung? Das ist unhaltbar.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine Bemerkung! Der Kollege Seuffert hat hier vorhin die Frage gestellt, in welchem Verhältnis eine Freibetragserhöhung zu der linearen Tarifsenkung steht. Ich möchte ihm darauf doch die Antwort geben. Eine solche globale Freibetragheraufsetzung bedeutet natürlich, daß der höher Besteuerte wesentlich mehr von dem höheren Freibetrag hat als der niedriger Besteuerte. Wenn aber eine Tarifsenkung an dieser Stelle steht, dann können Sie den Senkungsbetrag an den unteren Teilen des Tarifs höher machen als in den oberen Teilen. Das genau ist der Kern auch des Antrages zur Tarifsenkung, den die Fraktion der CDU/CSU, von anderen unterstützt, eingebracht hat. Daher geben wir der Tarifsenkung in dem von uns beantragten Sinne den Vorzug vor einer allgemeinen Freibetragserhöhung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann und darf nicht nur immer Sache der SPD hier im Hause sein, solche Anträge zu stellen und sich für diese Dinge einzusetzen. Es sollte und müßte das Anliegen des ganzen Hauses sein, den 14 Millionen Lohnsteuerzahlern Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Das war die Absicht ides Hauses vor eineinhalb Jahren. Wir sind damals nur deshalb nicht dazu gekommen, weil wir die Mittel in dem Rahmen nicht mehr hatten. Wir haben zunächst der kleineren Gruppe der freien Berufe diese Freibeträge gewährt, weil sie der Zahl nach nicht besonders ins Gewicht fallen. Wir haben aber damals grundsätzlich anerkannt — sonst wäre die ganze Entscheidung unsinnig und unlogisch gewesen daß für die Verschiedenartigkeit der steuerlichen Erfassung den einzelnen Berufen ein gewisser steuerlicher Ausgleich gewährt werden soll. Wenn schon innerhalb der Einkommensteuererfassung der Nachteil der freien Berufe gegenüber denjenigen, die die Möglichkeit der Abschreibung von größeren Anlagen haben, berücksichtigt worden ist — ein Rechtsanwalt kann von seinem Büroschreibtisch nicht viel abschreiben —, um wieviel mehr muß der unterschiedlichen Belastung der Einkommensteuerzahler einerseits und der Lohnsteuerzahler andererseits Rechnung getragen werden. Wenn wir hier nicht zur Bereinigung kommen, bleibt eine schwärende Wunde. Wir werden erleben, daß auch die Lohnsteuerpflichtigen, die bisher die Dinge noch gar nicht weiter beachtet haben — den Vorwurf muß ich hier in aller Form den Lohnsteuerpflichtigen, soweit sie organisiert sind, machen —, bei uns mehr und mehr erkennen, daß sie in Deutschland schlechter behandelt werden als sonst in der Welt. Das ist das Anliegen. Es hat nichts mit den anderen Freibeträgen und dergleichen zu tun.
Es hat im Grundsätzlichen auch nichts mit der Erhöhung der Werbungskostenpauschale zu tun.
Das hat Herr Seuffert ganz richtig gesagt. Das ist eine Frage der Verwaltungsvereinfachung. Die Pauschale ist so festgesetzt, daß man glaubt, damit die Masse der sonst notwendigen Anträge und Einzelnachweisungen überflüssig zu machen. Heute kann fast jeder Lohnsteuerzahler den Nachweis über Aufwendungen in Höhe von 30 oder 40 DM monatlich führen, die im Zusammenhang mit seinem Beruf stehen. Er würde sie sonst nachweisen, und sie würden in die Lohnsteuerkarte eingetragen werden müssen. Meine Kollegen von der CDU, Sie hätten ein bißchen recht, wenn Sie die Werbungskostenpauschale bewußt so weit erhöhten, daß sie in der Regel über dem läge, was der einzelne sonst sowieso im Januar/Februar beim Finanzamt nachzuweisen pflegt. Wenn Sie unserem Antrag gefolgt und bei der Werbungskostenpauschale auf 624 DM gegangen wären, dann hätten Sie allerdings in etwa sagen können: Damit haben wir vielleicht in Höhe von etwa 100 DM schon einen Betrag pauschal zugebilligt, der sonst üblicherweise als Werbungskosten nicht anfällt. Das ist aber nicht geschehen. Die jetzt beschlossenen 562 DM decken im wesentlichen nur die Verwaltungsvereinfachung.
— Sie machen ja auch leider immer dasselbe, Herr Kunze, Sie vertrösteten nämlich die Lohnsteuerzahler vor anderthalb Jahren auf das nächste Jahr, und heute vertröstet Herr Hellwig sie wieder auf das nächste Jahr.
Wir wollen mal sehen, wenn wir die nächste Steuerreform vielleicht im April nächsten Jahres haben, ein halbes Jahr vor der Wahl, ob Sie die Lohnsteuerzahler dann auch wieder vertrösten, etwa auf die Zeit nach der Wahl. Glauben Sie nur nicht, daß der Arbeitnehmerfreibetrag von der Tagesordnung verschwindet. Die Lohnsteuerzahler werden allmählich helle und wachen auf; sie lassen sich das nicht mehr gefallen.
Was hier geschieht, ist absolutes Unrecht. Das ist Steuerrecht mit zweierlei Maß — das kommt noch aus der Mottenkiste —, das dringend korrigiert werden muß.
An Herrn Arndgen nur eine Frage: Wieso stößt die Angelegenheit ins Leere, wenn der Finanzminister - und zwar Ihr Finanzminister — sagt, es koste 900 Millionen?
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem sich das Haus wiederholt zustimmend zu der Sache geäußert hat und man im Rahmen der Debatte bereit ist, anderen Gruppen bestimmte Geschenke zu geben, beantragt meine Fraktion in diesem Falle namentliche Abstimmung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Abgestimmt wird über Umdruck 731*), Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Sind alle Stimmkarten abgegeben?
Haben alle Mitglieder des Hauses, die im Saal sind, die Stimmkarte abgegeben? — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 417 und 20 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 200 und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein 210 und 7 Berliner Abgeordnete bei 8 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 731 abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag auf Umdruck 727***) Ziffer 2. Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Miessner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier hat die FDP beantragt, den Freibetrag für das zweite Kind von 1080 DM auf 1440 DM zu erhöhen. Mir klingen natürlich die Worte des Herrn Familienministers nicht sehr schön im Ohr, der vorhin gesagt hat: Die Koalition ist familienfreundlich und die Opposition familienfeindlich. Das sollte man doch nicht sagen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
Habe ich das falsch verstanden?
Das wäre ein Schluß, der jedenfalls über das hinausgeht, was der Herr Minister, wenn ich mich recht erinnere, gesagt hat. Er hat lediglich von Familienfreundlichkeit der Koalition gesprochen. Das andere hat er nicht gesagt
— Nein, meine Damen und Herren, dann lassen wir es auf das Protokoll ankommen. Hätte er das gesagt
— nein, meine Damen und Herren —, hätte er das gesagt, dann hätte ich mich veranlaßt gesehen, etwas dazu zu sagen. Ich habe sehr genau aufgepaßt. Aber lassen wir es auf das Protokoll ankommen, das mir noch nicht vorliegt. — Bitte, fahren Sie fort.
Meine Damen und Herren, wenn ich davon ausgehe, daß er nur gesagt hat „Die Koalition ist familienfreundlich", so bedurfte es jedenfalls keines so sehr überragenden Geistes, diese Schlußfolgerung daraus zu ziehen.
*) Siehe Anlage 7.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 8757.
***) Siehe Anlage 6.
Aber wie dem auch sei, meine Damen und Herren, wir sind gebeten worden, diesen Antrag für die zweite Lesung zurückzuziehen, damit er in der dritten Lesung die breite Mehrheit des gesamten Hauses findet. In Anbetracht der Tatsache, daß es aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen wesentlich ist, in der zweiten Lesung keine Änderungen zu beschließen — ich habe dafür Verständnis —, sind wir bereit, den Antrag für die zweite Lesung zurückzuziehen. Wir werden ihn dann in der dritten Lesung nochmals vortragen.
Der Antrag wird jetzt zurückgezogen und für die dritte Lesung zurückgestellt.
Damit sind die Änderungsanträge für den Art. 1 zurückgezogen bzw. abgelehnt. Wird das Wort zu dem Art. 1 in der Ausschußfassung noch gewünscht? — Ich sehe keine Wortmeldung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Art. 1 in der Auschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Art. 1 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Art. I a. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. — Herr Abgeordneter Seuffert zu Art. 1 a!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Art. 1 a enthält die Beschlußfassung über die von der Koalition beantragte lineare Steuersenkung.
Wir haben dem Hause die Gründe, warum wir lineare Steuersenkungen und auch lineare Steuersenkungen mit einer etwas abgebogenen Linie für unrichtig halten, schon oft vorgetragen. Lineare Steuersenkungen — das ist ihr Wesen — bestehen darin, daß derjenige, der mehr Steuern zahlt, auch mehr Steuerermäßigung bekommt. Die Folge davon ist, daß bei solchen Steuersenkungen derjenige mit dem hohen Einkommen eine höhere Steuersenkung bekommt. Eine weitere Folge ist, daß Verheiratete, daß Kinderreiche weniger Steuerermäßigung bekommen als Unverheiratete und Leute ohne Kinder, eine Tatsache, die der Herr Bundesfamilienminister als Bundessachverständiger für familiäre Ausführungen ja soeben bedauert hat.
Eine weitere Folge solcher Steuersenkungen ist, daß insgesamt das Hauptgewicht der Steuersenkung in unverhältnismäßiger Weise auf die hohen und höchsten Einkommensgruppen entfällt und daß die kleineren Einkommensgruppen von dem Gesamtvolumen der Steuersenkung unverhältnismäßig wenig abbekommen. Wir haben Ihnen oft vorgetragen, warum wir gegen solche Steuersenkungen sind.
Zudem wird diese lineare oder abgebogenlineare Steuersenkung hier als Ersatz für eine alle Steuerpflichtigen besserstellende Ertragsteuersenkung im Wege der Beseitigung des Notopfers angeboten, und zwar auf Grund einseitiger Interessen. Das ist für uns Grund genug, erst recht gegen diesen Art. 1 a zu stimmen.
Der Herr Bundesminister für Familienfragen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur eine ganz kurze klarstellende Antwort auf das, was soeben gesagt wurde. Wenn wir die Gesamtanträge der Opposition und die Gesamtanträge der Koalition miteinander vergleichen, ergibt sich, daß der Familienvater mit zwei Kindern bei 400 DM Einkommen nach den Wünschen der Opposition um 2 DM und nach den Anträgen der Koalition um 5,20 DM entlastet wird, bei einem Einkommen von 500 DM nach den Anträgen der Opposition um 3,05 DM und nach den Anträgen der Koalition um 5,80 DM
— ich habe das Einkommen jeweils vorher genannt—, bei 750 DM Monatseinkommen nach den Anträgen der Opposition um 7,30 DM, nach den Anträgen der Koalition um 12,20 DM, und bei 1000 DM ergeben sich ähnliche Ziffern. Es ist also völlig eindeutig, daß die gesamte Konzeption, die hier von der Koalition entwickelt wird, wesentlich familienfreundlicher ist als die mehr linearen Charakter tragenden Vorschläge der Opposition.
Das Wort zu Art. 1 a hat weiterhin Herr Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Punkte muß ich den Ausführungen des Kollegen Seuffert widersprechen. Herr Seuffert, wenn man linear senkt, bekommt allerdings derjenige, der mehr Steuern zahlt, absolut eine höhere Ermäßigung. Aber bei einer linearen Erhöhung würde er auch einen entsprechend höheren Betrag zahlen. Und, Herr Seuffert, wer überhaupt keine Steuern zahlt, der bekommt natürlich von einer noch so hohen prozentualen, linearen Steuersenkung keine weitere Ermäßigung mehr. Das liegt nun einmal in der Natur der progressiven Besteuerung. Also wenn wir A sagen zu dem System der progressiven Besteuerung in dem Sinne, daß derjenige, der mehr verdient, auch prozentual stärker belastet wird, müssen wir auch B sagen, wenn wir einmal an die Senkung der Steuern herangehen. Das muß man schon hinnehmen, daß derjenige, der durch die progressive Staffelung absolut höhere Steuern zahlt, bei einer linearen Senkung einen absolut höheren Betrag spart. Wie man das anders machen will, weiß ich nicht.
— Sehr richtig, Herr Kollege Hellwig, sonst würde sich eine solche Steuersenkung praktisch dahin auswirken, daß bei dieser Gelegenheit die Progression im Sinne einer weiteren Verschärfung verändert wird. Warum dazu ein Anlaß besteht, müßte dann doch erst sehr fundiert begründet werden. Darüber ist aber eigentlich nie gesprochen worden, auch im Ausschuß nicht, und das ist heute gar nicht das Thema. Nein, im Gegenteil, wir von der Freien Demokratischen Partei sind der Meinung, daß man bei einer Herabsetzung den Satz der progressiven Besteuerung nur in echt linearer Weise — d. h. 10 % unten und oben — senken
kann. Darum sind wir sehr nachdrücklich für eine 10%ige lineare Steuersenkung von unten bis in die höchsten Einkommensstufen eingetreten. Nur das ist systematisch und damit bei dem System der progressiven Besteuerung auch allein gerecht.
Die Koalition hat jetzt den Vorschlag gemacht, die Steuersenkung, beginnend mit 10 %, langsam auf 5% bei etwa 50 000 DM Einkommen herabfallen zu lassen und von da ab gleichbleibend bis zum Schluß der Steuertabelle auf 5 % zu bemessen. Das hat — abgesehen davon, daß es in die bisher bestehende Progression eingreift und sie verschärft —den Fehler, daß wir auch bei dieser Steuerreform — ich sage das ganz pointiert — das Ziel, nämlich möglichst bald zu einem Höchstbesteuerungssatz unter 50 % zu kommen, weil es anders volkswirtschaftlich ungesund ist, wiederum verfehlen. In den letzten Wochen ist in der Konjunkturdebatte von Überhitzung und all diesen Dingen geredet worden. Wir sind der Meinung, daß ein Steuersatz über 50 % eher zu Ausgaben verführt als ein Steuersatz unter 50%. Denn wenn man sich sagt: „Na schön, 55% oder 521/2 5 zahlt sowieso Herr Schäffer", dann schreitet man natürlich schon eher mal zu irgendeiner Erweiterung oder Investition, auch wenn sie nicht ganz so dringlich ist. Wenn man aber auch in den höchsten Sätzen endlich das volkswirtschaftliche Ziel — zumindest das volkswirtschaftliche Nahziel — erreicht, erst einmal unter 50 % zu kommen, wie man es mit unserem Vorschlag einer 10%igen linearen Steuersenkung erreichen würde — dann wären wir in dem obersten Satz bei 491/2%, 55 % weniger 10 % —, dann würde sich derjenige, der vor einer Investition steht, sagen: Halt, davon
zahle ich jedenfalls mehr als 50 %; das überlege ich mir einmal. Aus diesem Grunde sprechen gerade die gegenwärtigen Verhältnisse für eine durchgehende 10%lge Senkung.
Wir streben also nach wie vor eine lineare Senkung von 10 % an. Dennoch werden wir dem CDU-Antrag zustimmen, wenn er uns auch nicht sehr konsequent erscheint.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint doch notwendig zu sein, zur Steuer der Wahrheit zu den Zahlen, die der Herr Bundesfamilienminister hier in die Debatte geworfen hat, kurz etwas zu sagen. Das waren herausgegriffene Zahlen aus irgendwelchen Tarifstellen. Der Herr Bundesfamilienminister glaubt, einige Fälle entdeckt zu haben, in denen bei der einen Regelung ein um 50 Pfennig im Monat besseres Steuerergebnis herauskommt als bei der anderen.
— Ach, dann waren es 75. — Ich habe bereits heute morgen erwähnt, daß natürlich dort, wo zu der von der Regierung bewilligten teilweisen Streichung des Notopfers noch eine kleine Tarifsenkung tritt, solche Fälle vorkommen können. Ich habe auch bereits ,das Ausmaß, in dem sie sich halten
können, bezeichnet. Es handelt sich um 15 bis 17 Mark im Jahr.
Im übrigen würden wir durchaus bereit sein, in der gegenwärtigen Lage sogar einer Tarlfsenkung zuzustimmen, wenn sie nicht als Ersatz für eine weit bessere und durchsetzbare wirkliche Ertragssteuersenkung durch Streichung des Notopfers angeboten würde und durchgesetzt werden sollte. Das ist doch der springende Punkt.
Herr Bundesfamilienminister, Ihre Zahlen bezogen sich auf Steuerpflichtige mit zwei Kindern. Die Gestaltung dieses Tarifs hängt davon ab, wie der Freibetrag für das zweite Kind endgültig beschlossen wird; warten Sie doch erst einmal die dritte Lesung ab! Darüber gibt es im übrigen keine Meinungsverschiedenheiten zwischen der Opposition und der Koalition. Ich stelle fest, daß es keinen Vorschlag der Opposition gibt, der Steuerpflichtige mit zwei Kindern schlechter stellt, als von der Koalition beabsichtigt. Dagegen ist vollständig sicher, daß die Steuerpflichtigen ohne Kinder — Verheiratete und Unverheiratete — und die Steuerpflichtigen mit einem Kind von der Koalition durchweg schlechter gestellt werden.
Der Herr Bundesminister für Familienfragen! — Einen Augenblick, Herr Bundesminister. Ich möchte doch, bevor Sie das Wort nehmen, eine Klarstellung treffen. Meine Damen und Herren, vorhin ist das Mißverständnis aufgetaucht, als ob der Herr Bundesminister für Familienfragen die Regierungskoalition als familienfreundlich und die Opposition als familienfeindlich bezeichnet habe.
Ich habe inzwischen das unkorrigierte Protokoll
vorliegen. Der Herr Bundesminister für Familien-
fragen hat gesagt, daß die „lineare Steuersenkung"
— das, was er als solche hier angesprochen hat —„familienfeindliche Auswirkungen" haben würde, daß dagegen die Streichung des Notopfers „in all den Fällen, in denen es nicht mehr als 30 DM monatlich beträgt" — wie „in den Vorschlägen der Koalition, die von der Regierung unterstützt werden, vorgesehen" — einen „ausgesprochen familienfreundlichen Charakter" habe, „weil sie auf die Einkommensverhältnisse der einzelnen Familien Rücksicht nimmt".
— Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen damit den Wortlaut des Protokolls wieder und stelle fest, daß nicht gesagt worden ist —
— Das ist die Stelle! Hier ist das Protokoll! Bestreiten Sie das doch nicht, wenn Ihnen der Präsident etwas sagt. Wenn Sie meinen, daß ich etwas Falsches gesagt habe, weisen Sie mir das nach! Es ist unfair von Ihnen, meine Damen und Herren, das zu bestreiten. Ich lese Ihnen hier das Protokoll vor. Wie können Sie mir hier so frei aus der Hand entgegenhalten, daß das nicht wahr sei?
— Nein, das nicht eine andere Stelle! Ich habe die ganze Rede nachgesehen, und einer Ihrer Kollegen, der vorhin als Schriftführer Dienst gemacht hat, hat sie ebenfalls durchgesehen. Ich bitte doch, mir solche Klarstellungen abzunehmen und sie nicht in dieser Weise in Zweifel zu ziehen.
Nun haben Sie das Wort, Herr Bundesfamilienminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal ganz kurz zum Wort gemeldet, weil ich der Meinung bin, daß man Unrichtigkeiten, die in den Raum gestellt worden sind, nicht unwidersprochen stehen lassen darf.
Herr Kollege Seuffert hat soeben gesagt, die von mir vorher aufgeführten Zahlen seien irgendwie herausgegriffene Zahlen, und zwar war das gemeint in dem Sinne, daß man bestimmte Zahlen gesucht habe, die besonders geeignet seien, meine Argumentation zu belegen.
Ich stelle dazu fest: ich habe Zahlen gewählt, ohne vorher nachzusehen, wie die Auswirkung ist, aus ganz natürlichen Gründen für die Einkommen von 400 DM, von 500 DM und von 750 DM. Das sind die Einkommensgruppen, die hier jetzt interessieren und die ich nur deswegen gewählt habe, weil sie uns interessieren, und nicht, weil ihnen ein besonderes Ergebnis zugrunde lag.
Die zweite Unrichtigkeit war die Darstellung, es handle sich bei den Differenzen, die ich genannt habe, um Beträge von 50 Pf. Es handelt sich eben nicht um Beträge von 50 Pf, sondern es handelt sich a) absolut um höhere Beträge und b) um Verdoppelung der Entlastung, die nach den Vorschlägen der Regierungskoalition gegenüber dem eintritt, was eintreten würde, wenn die Opposition hier zum Erfolg käme.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert, ich glaube, mit dem Herrn Bundesfinanzminister müssen wir doch etwas deutlicher reden. Es ist hier allmählich zur Übung geworden, daß nicht die Ressortminister sprechen, sondern andere.
Der Ressortminister legt ein ausführliches Zahlenwerk vor. Die Opposition hat mit ihrem Entwurf auch ein ausführliches Zahlenwerk vorgelegt. Der Herr Bundesfamilienminister kommt her und nimmt da einfach so ein paar Zahlen. Ich fordere ihn auf, das systematischer zu tun, und ich fordere den Herrn Bundesfinanzminister auf, dazu Stellung zu nehmen. Er hat ja eine ganze Reihe seiner sachverständigen Herren vom Staatssekretär, Ministerialdirektor bis zu den Referenten da sitzen. Es wird ihm nicht schwerfallen, dazu Stellung zu nehmen, und wenn es so aus der hohlen Hand nicht möglich ist — was ich gar nicht bestreite —, soll die Geschichte einmal richtig dargelegt werden. So einfach können wir es uns nicht machen, um so weniger, als wir ja die forsche Art des Herrn Familienministers kennen.
Mir fiel soeben Fritz Reuter ein, und ich dachte,
Herr Wuermeling hält es mit dem Onkel Bräsig
beim Kopfrechnen: In der Fixigkeit war ich ihm
über, aber in der Richtigkeit, da war er mir über!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, während der zweiten Lesung das Wort zu ergreifen. Nachdem aber nun mein Kollege Seuffert hier zum zweitenmal verkündet hat, daß die Vorschläge der Opposition für die Steuerzahler günstiger seien als unsere, war es mir nicht mehr möglich, das zum zweitenmal unwidersprochen anzuhören. Ich muß das richtigstellen.
Herr Kollege Seuffert, der Vorschlag auf eine durchgehende Tarifsenkung, beginnend mit 10 % und endigend bei 5 %, der hier zur Debatte steht, umfaßt nach der Schätzung eine Steuersenkung von rund 900 Millionen DM. Wenn Sie dieser Tarifsenkung Ihren Antrag auf Streichung des Notopfers Berlin für natürliche Personen gegenüberstellen, sehen Sie, daß Ihr Antrag eine Steuersumme von rund 960 Millionen umfaßt.
— 1090 Millionen, gut. Von diesen 1090 Millionen gehen auf Grund des Antrags, das Notopfer für die kleineren Einkommen zu streichen, 125 Millionen ab.
— Die Tarifsenkung von 900 Millionen bezieht sich auf das ganze Jahr.
— Die 125 Millionen Notopfer auch. Aber Ihr Antrag auf Streichung des Notopfers Berlin bezieht sich auch auf das ganze Jahr. Dann muß ich doch die auf 900 Millionen geschätzte Steuersenkung den 1090 Millionen auf Grund des Wegfalls des Notopfers Berlin für natürliche Personen gegenüberstellen. Hiervon gehen auf Grund des Antrags, der in der zweiten Lesung angenommen worden ist, die 125 Millionen ab. Es verbleiben also noch 965 Millionen. Und nun sagen Sie: Weil hier 65 Millionen mehr drin seien, sei Ihr Vorschlag der bessere und würden diese 965 Millionen, auf alle Steuerpflichtigen umgerechnet, eben für jeden Steuerpflichtigen zwei, drei Punkte mehr ausmachen als bei unserem Vorschlag. Das ist dann richtig, solange Sie nicht berücksichtigen, daß mit der Senkung der Einkommensteuer zwangsläufig die Senkung der Kirchensteuer verbunden ist. Und wenn Sie die Kirchensteuer im Schnitt nur mit 6 % rechnen — —
— Sie macht etwa 7, 8 oder gar 10 % aus. — Mit anderen Worten: durch Senkung der Einkommensteuer um 900 Millionen senke ich zusätzlich die mit der Einkommensteuer gekoppelte Kirchensteuerbelastung, sagen wir einmal, um 6 bis 10 %. Daraus ersehen Sie, daß das mehr sind als die 60 bzw. 65 Millionen, die rein rechnerisch die Differenz bilden zwischen dem Tarifvorschlag von uns plus
kleine Senkung des Notopfers und der Streichung des Notopfers, die Sie beantragt haben.
Herr Abgeordneter Neuburger, gestatten Sie eine Frage?
Ja.
Herr Kollege Neuburger, sind Sie in der Lage, zu sagen, wieviel Lohn- und Einkommensteuerpflichtige Kirchensteuer zahlen und wieviel das Gesamtvolumen ausmacht?
Nein.
Warum werfen Sie dann, Herr Kollege Neuburger, solche unkontrollierbaren Zahlen in die Debatte?
Ich weiß nur, daß die Kirchensteuer an die Einkommensteuer geknüpft ist.
Bisher habe ich angenommen, daß die Mehrzahl der Steuerpflichtigen auch zur Kirchensteuer herangezogen wird bzw. Kirchensteuer bezahlt.
Ich muß also eine Steuer, die mit meinem Vorschlag gekoppelt ist und sich infolgedessen zwangsläufig senkt,
mit berücksichtigen, wenn ich zu der Behauptung, Stellung nehme, der eine Vorschlag sei absolut besser als der andere. Ich sage: in der Auswirkung auf die Steuerpflichtigen sind beide Vorschläge ungefähr gleich; sie decken sich, kann man sagen, zu 99 oder 100 %.
— Bitte.
Eine Frage? — Bitte sehr!
Herr Neuburger, haben Sie denn Drucksache 1695, den Tarifvorschlag der SPD, der eine weitere Senkung um 400 Millionen DM bringen sollte, völlig vergessen? Den müssen Sie doch mit berücksichtigen.
Diesen Vorschlag haben wir ja abgelehnt.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch nichts Neues, daß Steueranträge gestellt werden, die man ablehnen muß; das gehört zu unserem bedauernswerten Geschäft.
— Meinen Sie, ich würde nicht lieber ja zu den Steuersenkungsanträgen sagen? Wir müssen hier zu den Steueranträgen Stellung nehmen, wie es
unser Gewissen und unsere Verantwortung gebieten.
Beantworten Sie noch eine Frage?
Neuburger CDU/CSU): Bitte sehr!
Glauben Sie nicht, Herr Neuburger, daß in der Steuerpolitik neben Gewissen und Verantwortung auch Zahlen nötig sind? Und um die ging es heute.
Ja, Herr Kollege Gülich, ich habe doch eben den lebendigen Beweis geliefert, daß dazu auch Zahlen gehören und die Fähigkeit, die Zahlen überblicken zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem verehrten Kollegen Seuffert bin ich noch die Beantwortung einer Frage schuldig, die er heute morgen stellte, als ich zu gewissen Dingen sprach. Er wollte wissen, warum wir unserer Kombination von Streichung des Notopfers Berlin bei den kleinen Notopferzahlern mit einer Tarifsenkung den Vorzug vor der durchgängigen Streichung des Notopfers Berlin geben.
Ich glaube, wir müssen auch sehen, aus wessen Kasse diese Steuersenkung zu finanzieren ist. Der Ausgangspunkt für die heutige Steuersenkungsdebatte war doch, daß das Steueraufkommen bei allen Fiskalstationen dank der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren weiter zugenommen hat. Wenn ich nur für den Bund und die Länder die Schätzungen für das laufende Jahr mit dem Aufkommen 1954/55 vergleiche, stelle ich fest, daß das Aufkommen an Bundessteuern einschließlich des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer um 22 bis 23 % höher liegen wird als vor zwei Jahren, während das Aufkommen an Ländersteuern mit dem Länderanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer um 24,3 % höher liegen wird als vor zwei Jahren.
Die Aufgabe war, für die Steuersenkung eine Kombination zu finden, die Bund und Länder entsprechend ihrem Anteil an den verbesserten Steuereingängen einigermaßen gleichmäßig heranzieht. Eine durchgängige Streichung des Notopfers Berlin hat sicher etwas Bestechendes — das gebe ich Ihnen völlig zu —, würde aber dem Grundsatz, daß Bund und Länder in einer der Entwicklung des Steueraufkommens entsprechenden Weise herangezogen werden, nicht gerecht.
Ich habe mir die Mühe gemacht, Herr Kollege Seuffert, einmal die Berechnungen, die Sie in Ihrem dankenswerten Bericht über die Einnahmeausfälle gemacht haben, daraufhin anzusehen, welchen Anteil Bund und Länder an diesen Einnahmeausfällen haben werden. Nach dem Koalitionsantrag, der den Anfang Ihrer Berechnungen bildet, wären von der gesamten Masse der Steuersenkung 45% vom Bund und 55 % von den Ländern zu tragen. Nach den Vorschlägen des Bundesrates wären von den Ländern nur 34 %, vom Bund aber
66 % zu tragen. Die Ausschußbeschlüsse, die im wesentlichen unseren Anträgen folgen, sehen bei den Ländern einen Anteil von 53 %, beim Bund einen solchen von 47% der Einnahmenausfälle vor. Der von Ihnen angeregte letzte Weg, die Ausschußanträge mit der Streichung des Notopfers zu kombinieren, dafür aber die Tarifsenkung fallenzulassen, würde die Länder nur mit knapp 30 %, den Bund jedoch mit 70% belasten.
Dieses Mißverhältnis ist für uns dafür entscheidend gewesen, die Kombination der Streichung des Notopfers bei den unteren Einkommensklassen mit der Tarifsenkung anzustreben. Wie sieht das nun beim Steuerzahler aus? Sie können nicht bestreiten, daß bei den untersten Einkommen eine Senkung der bisherigen Steuerleistung um 25 %, die das Notopfer bei den kleinsten Steuerzahlern ausmacht, zuzüglich der 10%igen Tarifsenkung ein höherer Satz der Senkung ist als eine allgemeine Senkung des Notopfers, während in den höheren Stufen, wo das Notopfer Berlin nicht wegfällt, nur eine 5%ige Tarifsenkung eintritt. Ihr Vorschlag einer Streichung des Notopfers auch bei den höheren Einkommensteuerzahlern würde bei diesen doch mehr ausmachen als die 5%ige Tarifsenkung.
Ich glaube, daß das, was wir versucht haben: eine Kombination zu empfehlen, die der steuerlichen Entwicklung bei Bund und Ländern gerecht wird, tatsächlich gelungen ist und daß auch der soziale Aspekt dabei durchaus gewahrt ist.
Herr Abgeordneter, Herr Seuffert möchte eine Frage an Sie richten.
Bitte sehr!
Herr Kollege Hellwig, — nebenbei: zu den Zahlen empfehle ich Ihnen, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 23. Juni zur Hand zu nehmen.
Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, das ist ja wohl keine Frage!
Aber das gibt mir Veranlassung, zu sagen, daß es allmählich das Maß des Erträglichen übersteigt, wenn man sich, statt zu diskutieren, hier gegenseitig Zeitungsartikel vorhält.
Ich werde mich dazu noch zum Wort melden. Ich wollte an Sie die Frage stellen: hat der Bund im Haushalt nicht enthaltene Steuermehreinnahmen und große Kassenüberschüsse, oder haben das die Länder?
— Nein!
Ich darf Ihnen nur folgendes entgegenhalten: — —
Wollen Sie wirklich sagen, Herr Kollege Hellwig, daß die Länder in großem Umfang Kassenüberschüsse haben?
Wie die effektiven Zahlen zeigen, haben die Länder die gleiche, genauer
sogar eine höhere Zunahme des Steueraufkommens als der Bund, während sich die Ausgaben bei den Ländern nicht in dem Maße zwangsläufig entwickelt haben und entwickeln werden wie beim Bund. Wir müssen doch auch einmal berücksichtigen, daß die Ausgabenentwicklung einen ganz anderen Weg geht als die Entwicklung des Steueraufkommens.
Herr Kollege Hellwig, was die Zwangsläufigkeit der Ausgaben anlangt: ist es nicht richtig, daß der Unterschied, ob die Dinge aus der Länderkasse oder aus der Bundeskasse bezahlt werden, darin besteht, ob es aus der Kasse für Schulen und Krankenhäuser oder aus der Kasse für die Rüstung geschieht?
Verzeihung, Herr Kollege Seuffert, die in die Form einer Frage gekleidete Bemerkung war zumindest nicht sachlich. Ich könnte Ihnen genau so unsachlich antworten und verallgemeinern, etwa: Repräsentativbauten der Länder, die zu besichtigen Sie genügend Gelegenheit haben!
Aber ich denke gar nicht daran, Ihnen eine derartige unsachliche Verallgemeinerung als Antwort zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hellwig, man kann leider nicht alles bei sich haben. Vor kurzem hat das Statistische Bundesamt hochinteressante Zusammenstellungen über die Investitionen der Länder gemacht, und daraus ergibt sich, daß bei den Investitionen der Länder die Schulbauten, die Straßenbauten und die Krankenhausbauten den ganz überwiegenden Prozentsatz in Anspruch nehmen.
— Natürlich ist es ihre Aufgabe. Es handelt sich jetzt um die Frage: wer hat Geld gehortet und wer hat es nicht? Es handelt sich um die Frage: wer bezahlt seine vermögenswirksamen Ausgaben durch den außerordentlichen Haushalt und wer bezahlt sie rein aus Steuermitteln? Wer hat groß gehortet? Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer! Das können Sie mit den geringen Kassenüberschüssen einzelner weniger Länder überhaupt nicht vergleichen. Das ist eine sehr entscheidende Sache.
Ich komme mir so vor, als hätte ich heute morgen alles in den Wind geredet. Herr Kollege Hellwig, ich habe doch bei der Begründung unseres Antrags auf Abschaffung des Notopfers Berlin alle diese Fragen erörtert, und ich habe bei der Einbringung des Antrages am 18. April dieses Jahres gründlich dazu gesprochen. Dann darf man doch nicht Gegenbehauptungen aufstellen, dann muß man doch im einzelnen widerlegen.
Eins meiner Argumente war: Der Bund ist für die Hortungspolitik, für die großen Kassenüberschüsse, die ein öffentliches Ärgernis bilden, verantwortlich, er hat sie verschuldet, und er muß bei diesem Steuersenkungsprogramm auch die Haupt-
last der Senkung tragen. Um dieses Problem kommen wir nicht herum, und ich glaube, die Bedeutung dieses Problems läßt sich nicht gut bestreiten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Herrn Vorredners muß ich mit aller Klarheit und aller Schärfe widersprechen. Der Herr Vorredner weiß ganz genau, daß die sogenannten Überschüsse des Bundes in den Summen bestehen, die angehäuft worden sind und angehäuft werden mußten auf Grund internationaler Verträge für Besatzungs- und Stationierungskosten.
Er weiß ganz genau aus allen Erklärungen, die der Bundesfinanzminister heute in Erfüllung seiner Pflicht abgegeben hat, daß diese Beträge in Höhe von 4020 Millionen DM im Laufe dieses Jahres erschöpft sein werden. Er weiß ganz genau, daß der Bundesminister der Finanzen mit größter Sorge daran denkt, welche Lasten auf die kommenden Jahre zukommen, wenn die Ansprüche der Besatzungsmächte nicht unterbleiben. Und er weiß ganz genau, daß die sogenannten weiteren Überschüsse sich lediglich daraus erklären, daß von den Beträgen des Vorjahres im Verteidigungshaushalt ungefähr 2 Milliarden DM übriggeblieben sind, von denen er auch weiß, daß sie ganz bestimmt für die Aufgaben, die auf dem Gebiet der Verteidigung auf den Bund zukommen, nicht ausreichen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da bin ich empfindlich, Herr Kunze! Wenn der Herr Bundesfinanzminister sagt: der Herr Vorredner weiß ganz genau - ganz genau — ganz genau, und so tut, als ob der Herr Vorredner hier wider besseres Wissen etwas anderes gesagt habe, dann müssen Sie mir schon eine Antwort gestatten.
Der Herr Vorredner kennt genau die Höhe des Besatzungskostenüberhanges, er kennt genau die Höhe des Stationierungskostenüberhanges, er kennt genau die Höhe des Verteidigungskostenüberhanges, er kennt genau die Überschüsse aus den Steuern — da kommen wir zu einem sehr entscheidenden Punkt —, und er kennt ziemlich genau die Praktiken des Bundesfinanzministers beim Bundeshaushalt, die ich wiederholt als nicht solide bezeichnet habe. Und die Tatsache, die heute zur Diskussion stand, daß ein Notopfer Berlin mit einem Aufkommen von 1,4 Milliarden DM erhoben wird, welches immer noch diesen gewichtigen Namen „Notopfer Berlin" trägt, aber keine Zwecksteuer ist, wie jeder Mensch im Volk annimmt, sondern ein allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt, — das ist auch eine solcher Unsoliditäten des Bundeshaushalts.
Man soll nicht, Herr Bundesfinanzminister, so tun, als ob der Partner die Unwahrheit gesagt habe. Sie haben das Problem verschoben. Ich habe die Wahrheit gesagt. Was Sie gesagt haben, hat mit dem, was ich gesagt habe, gar nichts zu tun.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich nicht darum, ob jemand das Thema verschoben hat. Ich will mich auch nicht darauf einlassen, ob jemand die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Es handelt sich darum, ob das, was Sie erklärt haben, überhaupt mit dem Thema Einkommensteuergesetz, um das es hier geht, etwas zu tun gehabt hat.
Aus Ihren Erklärungen entnehme ich nur das eine, daß ich meine sachliche Darlegung bezüglich der 4020 Millionen DM und der weiteren 2 Milliarden sogenannter Besatzungskosten gar nicht richtigzustellen brauche. Ich verweise auf den § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes, in dem festgelegt ist, daß die Beträge, die wir aus dem Notopfer erhalten, in erster Linie für Berlin bestimmt sind und nur soweit sie dazu nicht benötigt werden für andere Zwecke verwendet werden können. Herr Kollege Gülich, es ist Ihnen bewußt, daß die Aufwendungen, die wir für Berlin aus Bundesmitteln machen, in der Gesamtsumme den Betrag des Aufkommens des Notopfers Berlin de facto übersteigen, wenn wir nicht nur die Barzahlungen, sondern auch das rechnen, was an Einsparungen etc. für Berlin zur Verfügung gestellt wird. Wir könnten also an sich das Gespräch über dieses Thema schließen.
Ich möchte aber das Haus bitten, folgendes zu beachten. Wir behandeln hier ein besonderes Thema, und dieses besondere Thema heißt: Einkommensteuer. Ich mache darauf aufmerksam — ich halte das für meine Pflicht —, daß, wenn man über das Thema Einkommensteuer redet, wenn man darüber redet, wie die Haltung des Deutschen Bundestages vor dem Bundesrat vertreten und unterstützt werden soll, man dem Bundesrat kein falsches Bild erstehen lassen darf. Der Bundesrat wird jede Gelegenheit und jeden Vorwand gern benutzen, um ein Nein zu sagen, wenn neue Ansprüche an ihn herangetragen werden. Das, was der Deutsche Bundestag heute an ihn heranträgt, ist dem Bundesrat längst bekannt, und er konnte dazu Stellung nehmen. Deswegen wollte ich, daß wir uns nicht auf eine Bahn begeben, die beim Bundesrat über das, was der Deutsche Bundestag will, eine ganz falsche Vorstellung erwecken könnte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem muß ja nun geklärt werden, und im Hause hat nicht der Bundesfinanzminister das letzte Wort, sondern das haben die Vertreter des Hauses. Das ist nun mal in der Demokratie so üblich. Jedenfalls werde ich so
lange dazu sprechen, wie es nötig ist. Ich werde aber Ihre Geduld nur kurz in Anspruch nehmen.
Zur Debatte stand folgendes, und wir wollen das Problem nicht verschieben: Eines meiner Argumente war, daß der Bund die Hauptlast der Steuersenkung tragen sollte, weil er über große Kassenreserven verfügt und die bekannte Hortungspolitik betrieben hat.
Dazu hat Herr Kollege Hellwig Ausführungen gemacht, zu denen ich etwas sagen mußte. Die Zahlen über die Zusammensetzung des sogenannten Juliusturmes sind mir wirklich genau bekannt.
— Das habe ich nicht verstanden. — Ich habe schon früher bestritten — viele andere haben das mit mir bestritten —, daß es nötig gewesen wäre, eine solche Hortungspolitik zu betreiben. Es gibt in der Finanzpolitik auch den Grundsatz, daß man nicht mehr Steuern einnehmen und eintreiben soll, als man für Zwecke des Staates auch ausgeben kann.
Über die Frage des volkswirtschaftlichen Unsinns des Hortens ist sich ja nun die volkswirtschaftliche und finanzwissenschaftliche Literatur einig.
Es war nicht gut, den § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes heranzuziehen; das ist ja das Machwerk des Herrn Bundesfinanzministers, dem Sie willfährig gefolgt sind. Es ist uns erst im letzten Jahre gelungen, die Zweckbestimmung im § 16 des Dritten Überleitungsgesetzes zu ändern. Aber vergessen wir doch nicht: Das Notopfer Berlin wurde 1948 als eine Notmaßnahme für drei Monate eingeführt, das Dritte Überleitungsgesetz, in dem die Zweckbindung festgelegt wurde, ein paar Jahre später.
Zu den Berechnungen im Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, worin die Ausgaben für Berlin dargestellt worden sind: Da gibt es ein umfangreiches Zahlenwerk über die Bundesleistungen für Berlin. Sie haben das jetzt nicht zur Hand, aber Sie sollten es sich anschauen. Ich habe an diesen Zahlen immer bemängelt, daß in ihnen hohe Ausgaben, ein paar hundert Millionen, für Berlin enthalten sind, die dem Grunde nach auch für andere deutsche Länder ausgegeben werden. Sie können die sozialen Kriegsfolgelasten, die in Berlin entstehen, und was es alles ist — es ist ein ganzer Katalog —, nicht aus dem Notopfer Berlin bestreiten wollen.
Das verschiebt wieder das Problem. Wenn es dazu kommt, diese Rechnung nochmal zu diskutieren, dann werden Sie finden, daß ich Ihnen darin immer meinen Mann stehe.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 a. Wer diesem Artikel in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste ist die Mehrheit; Art. 1 a ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 1 b. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir
kommen zur Abstimmung. Wer Art. 1 b zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Art. 1 b ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 1 c. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Art. 1 c zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Art. 1 c ist einstimmig angenommen.
Art. 1 d. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer Art. 1 d zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. i d ist einstimmig angenommen.
Art. 1 e. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer Art. 1 e zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den zweiten Abschnitt und unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich die Artikel 1 f und 1 g gleichzeitig aufrufe und zur Abstimmung stelle. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über die Artikel 1 f und 1 g. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die beiden Artikel sind einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den dritten Abschnitt, Schlußvorschriften, Art. 2 und 3. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den dritten Abschnitt, Einleitung und Überschrift. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen ? — Bei einigen Enthaltungen ist auch der dritte Abschnitt, Einleitung und Überschrift angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin in der mißlichen Lage, noch über die Anträge Drucksachen 2313 und 1931 abstimmen lassen zu müssen; das sind Gesetzentwürfe. Wir können nicht den Ausschußanträgen folgen, sie einfach für erledigt zu erklären. Das ist gegen unsere Geschäftsordnung. Ich muß deshalb über diese Gesetzentwürfe formell abstimmen lassen. Der Ausschuß hatte beantragt, sie durch die Beschlußfassung, die das Haus eben vorgenommen hat, für erledigt zu erklären.
Ich komme zunächst zu der Drucksache 2313, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, Antrag der Fraktion des GB/BHE. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich sämtliche Artikel, 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift aufrufe. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Entwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt.
Ich komme zu der Drucksache 1931, Antrag der Fraktion des GB/BHE, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes. Ich rufe auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt.
Nun kommen wir zu dem Tagesordnungspunkt 2 g:
Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2589, zu 2589).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Ich nehme an, daß auf mündlichen Bericht verzichtet wird, Herr Abgeordneter Seuffert.
— Es wird verzichtet.
Ich rufe auf den Art. 1. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf die Art. 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? — Es wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln dieses Gesetzentwurfs zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt.
Ich komme zum Tagesordnungspunkt 2h:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für
Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2590, zu 2590).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Wird zur Berichterstattung noch das Wort gewünscht? — Es wird verzichtet.
Ich eröffne die Beratung in der zweiten Lesung Ich rufe auf den Art. 1. Wird dazu das Wort gewünscht? — Es wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf die Art. 2, 3, Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Entwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Entwurf ist abgelehnt.
Ich komme zu Punkt 2i:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ;
Erster Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2591, zu 2591).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert.
Auf Berichterstattung wird verzichtet. Ich eröffne die zweite Beratung und rufe auf Art. 1, —
*) Siehe Anlage 2. 2, — 3, —. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Entwurf ist abgelehnt.
Die Steuervorlagen sind damit in der zweiten Lesung erledigt. Es ist, glaube ich, interfraktionell vereinbart, daß die Sitzung unterbrochen wird. Ich darf aber bitten, noch einen Augenblick Platz zu behalten.
Meine Damen und Herren, ich muß meine Klarstellung, so leid es mir tut, noch weiterführen. Diejenigen Damen und Herren, die mir vorhin zugerufen haben „andere Stelle", haben recht gehabt. Der Herr Bundesminister für Familienfragen hat noch eine zweite kurze Rede gehalten und hat dabei auf die Frage des Herrn Abgeordneten Seuffert wegen der linearen Steuersenkung folgendes gesagt — ich lese das dem Haus vor —:
Ich bin für diesen aufklärenden Hinweis, sehr verehrter Herr Kollege, ganz außerordentlich dankbar, weil nämlich damit bestätigt wird, daß die lineare Steuersenkung familienfeindlichen Charakter, die Erhöhung der Freibeträge aber familienfreundlichen Charakter hat und diese Dinge also in einem konträren Gegensatz zueinander stehen.
— Nun kommt der Satz:
Die Koalition vertritt die familienfreundliche These und die Opposition die familienfeindliche These.
Meine Damen und Herren, Ausgangspunkt war das Mißverständnis, das dem Herrn Kollegen Dr. Miessner unterlaufen ist, daß der Herr Minister gesagt habe, die Koalition sei familienfreundlich und die Opposition familienfeindlich. Das hätte ausgereicht, wenn nicht zu einem Ordnungsruf, so zu einer Rüge. Die Formulierung, die der Herr Bundesminister gewählt hat, reicht weder zu einem Ordnungsruf noch zu einer Rüge aus.
Die Klarstellung ist erfolgt.
Die Sitzung wird für eine Stunde bis 18 Uhr 15 unterbrochen.
Die Sitzung wird um 18 Uhr 44 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Es steht an die
dritte Beratung der unter Punkt 2 der Tagesordnung verzeichneten Steuervorlagen.
Punkt 2 a ist erledigt; eine dritte Beratung findet dort nicht statt. Dagegen findet eine dritte Beratung statt bei Punkt 2 b und Punkt 2 c. Punkt 2 d ist erledigt; dort findet keine dritte Beratung statt. Dagegen finden dritte Beratungen statt bei den Punkten 2 e und 2 f. Die Punkte 2 g, 2 h und 2 i sind erledigt; auch dort findet keine dritte Beratung statt.
Ich schlage Ihnen vor, die allgemeine Aussprache generell zu sämtlichen Buchstaben des Punktes 2,
bei denen eine dritte Beratung stattfindet, durchzuführen, also nicht über einzelne Buchstaben der Ziffer, sondern gleich über das Ganze; nach dieser allgemeinen Aussprache wollen wir in die geschäftsordnungsmäßige Einzelberatung eintreten. Ist das Haus damit einverstanden?
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache dritter Lesung.
— Sie verzichten auf die allgemeine Aussprache. — Sie verzichten auch?
Verzichtet das Haus ingesamt auf eine allgemeine Aussprache?
Verzichten auch die Herren Finanzexperten auf eine allgemeine Aussprache?
Wir leben offenbar in einer Zeit, die dem Wunder noch offensteht.
Dann rufe ich auf den Punkt 2 b:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes .
Hier ist ein Änderungsantrag angekündigt. Sie finden ihn auf Umdruck 751*). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Held.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte des heutigen Vormittags über die Gewerbesteuer hat gezeigt, daß auf allen Seiten des Hohen Hauses der berechtigte Wunsch besteht, den mittelständischen Gewerbetreibenden bei der Gewerbesteuer entgegenzukommen. Unser Antrag ist zwar in der zweiten Lesung abgelehnt worden; trotzdem halten wir es bei dem guten Klima, das man heute feststellen konnte, für angebracht, diesen Antrag bei der dritten Beratung zu erneuern. Ich möchte im Namen meiner Fraktion darum bitten, diesem Antrag zuzustimmen. Wenn auch heute morgen zum Ausdruck gekommen ist, daß das ganze System der Gewerbesteuer in sich brüchig geworden und nicht mehr tragbar ist, so bedarf es doch vor einer endgültigen Reform der Gewerbesteuer dringend einer Änderung der noch geltenden Gewerbesteuergesetzgebung. Es muß sofort etwas getan werden, damit der gute Wille nicht nur in Worten zum Ausdruck kommt, sondern auch in die Tat umgesetzt wird.
Wir beantragen, den Freibetrag auf 3600 DM festzusetzen und dann die Steigerung, wie sie im übrigen vorgesehen ist, eintreten zu lassen. Ich darf dabei besonders hervorheben, daß zweifellos bei den Leuten, die von unserem Antrag betroffen werden, der Gewerbeertrag zu 99 % Einkommen darstellt. Wenn man dann bedenkt, daß ein Jahresfreibetrag von 3600 DM praktisch ein Monatseinkommen von 300 DM bedeutet, so gibt es doch wohl niemanden in diesem Hause, der daran zweifelt, daß man solch einen Freibetrag nicht als Mindest-
*) Siehe Anlage 9.
betrag ansehen müßte. Das Gerechteste wäre zwar, 1 die Hebesätze allgemein zu senken. Aber da das nicht möglich ist und wir nun darauf abgekommen sind, einen Freibetrag und eine gewisse Staffelung vorzusehen, würde die Annahme unseres Antrags den guten Willen bezeugen, eine soziale Maßnahme für alle Gewerbetreibenden zu treffen.
Ich habe mir in diesem Frühjahr die Schrift des Deutschen Städtetages angesehen und habe dabei festgestellt, daß auch der Deutsche Städtetag zu der Überzeugung gekommen ist, daß die Gewerbesteuer in der gegenwärtigen Form ungerecht ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß man den Gemeinden nicht zumuten kann, den Ausfall der Gewerbesteuer allein zu tragen. Der Bund sollte es sich ein besonderes Anliegen sein lassen, bei den Ländern dafür zu sorgen und auch selbst das Nötige zu tun, damit diese kleine soziale Maßnahme, 3600 Mark gewerbesteuerfrei zu lassen, endlich durchgeführt wird.
Heute ist schon so oft das Wort von der Steuergerechtigkeit und der Steuergleichheit gefallen. Daher darf man an dieser Stelle einmal aussprechen, daß der bisherige Zustand doch wahrhaftig nichts mehr mit Gerechtigkeit und Gleichheit zu tun hatte. Ich glaube, wir alle fühlen uns verpflichtet, nachdem uns der Mittelstand so besonders ans Herz gewachsen ist, nun etwas Soziales zu tun, das aber nicht wie ein Almosen aussieht, sondern zum mindesten eine annehmbare Summe bringt.
Es ist überhaupt zu bewundern, daß sich zu den Steuerzahlern auch der Verband der Steuerbeamten gesellt hat, die eingesehen haben, daß die bisherigen Steuergesetze und auch die Steuerverwaltung nichts mit Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung zu tun haben. Das kommt in den einzelnen Sätzen dieser Schrift ganz deutlich zum Ausdruck. Ich wundere mich darüber, daß, nachdem die Herren Steuerbeamten schon selbst auf die Idee gekommen sind, der Herr Bundesfinanzminister nicht bereits Gelegenheit genommen hat, diesem Hohen Hause eine neue Steuerreform mit dem Ziel einer Steuervereinfachung vorzulegen.
Ich möchte angesichts der Tatsache, daß es sich hier nicht um etwas Besonderes handelt, sondern um etwas, was in den vergangenen Jahren eigentlich schon längst fällig gewesen wäre, nämlich den Gewerbetreibenden durch die Festsetzung von Steuerfreibeträgen entgegenzukommen, nochmals an das Hohe Haus appellieren, unseren Antrag Umdruck 751 in der dritten Beratung anzunehmen und durch die Tat zum Ausdruck zu bringen, daß Sie den Gewerbetreibenden helfen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion darf ich Sie bitten, diesen in der dritten Lesung erneut gestellten Antrag, die Freigrenze für den Gewerbeertrag auf 3600 DM heraufzusetzen, genau wie in der zweiten Lesung abzulehnen. Wir halten diese Erhöhung für die Gemeinden für untragbar; sie würde die Gemeindefinanzen in ganz entscheidender Weise beeinflussen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Dann stimmen wir über den Antrag Umdruck 751 ab. Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weitere Anträge sind nicht angekündigt.
Wir stimmen ab über Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Wir stimmen nunmehr über das Gesetz im ganzen ab. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben nun noch über einen Entschließungsantrag — Umdruck 728**) — abzustimmen. Wird hierzu das Wort gewünscht?
Es ist ein Änderungsantrag zum Entschließungsantrag angekündigt. Zur Begründung hat der Abgeordnete Neuburger das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der von der NS — —
— von der SPD eingereichten Entschließung — —
Meine Damen und Herren, wir verwechseln so oft die Begriffe, da können wir auch die Fraktionen verwechseln.
Namens der Koalitionsfraktionen schlage ich folgende Änderung für den Entschließungsantrag vor:
Der Bundestag erwartet gemäß den Erklärungen der Ministerpräsidenten, daß die Gemeinden für einen finanziell untragbaren Ausfall aus der Gewerbesteuersenkung durch entsprechende Landeszuweisungen insbesondere aus den den Ländern durch diese Senkung zusätzlich zufließenden Steuern Ersatz erhalten. Dies gilt vornehmlich, soweit die Frage eines Steuerverbunds zwischen Land und Gemeinden landesrechtlich nicht geregelt ist.
Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, diese Frage mit den Ländern zu erörtern und dem Bundestag hierüber bis zum 31. Dezember 1956 und über die Auswirkungen dieser Gewerbesteuernovelle bis zum 30. Juni 1957 zu berichten.
In dem Entschließungsantrag der SPD sind die Zonenrandgebiete besonders erwähnt worden. Wir sind der Auffassung, daß das nicht notwendig ist. Wir wollen hier die generelle Regelung und meinen, daß die Zuweisungen und auch die Hilfestellung für die Zonenrandgebiete bereits in Gesetzen, die wir beschlossen haben, gesondert geregelt sind.
**) Siehe Anlage 8.
Ich bitte also, diesen Änderungsantrag zum Entschließungsentwurf anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion könnte sich mit der Einfügung des Satzes: „Dies gilt vornehmlich, soweit nicht landesrechtlich ein Steuerverbund festgelegt ist", einverstanden erklären. Sie könnte sich ebenso damit einverstanden erklären, daß zusätzlich zu dem für den 31. Dezember 1956 vorgesehenen Bericht auch im Jahre 1957 über die Auswirkungen der Gewerbesteuersenkung berichtet werden soll. Wir können uns jedoch nicht damit einverstanden erklären, daß durch die Einschränkung, es müsse sich um finanziell untragbare Ausfälle der Gemeinden handeln, ein Unsicherheitsmoment in diese Willenskundgebung des Bundestags kommt, das ihre Auswirkung stark beeinträchtigen könnte, und wir können uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß der eventuelle Einsatz von Bundesmitteln, insbesondere in Zonenrandgebieten, von vornherein überhaupt nicht ins Auge gefaßt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion darf ich nur folgendes erklären. Wir erwarten, daß durch die Änderungen im Gewerbesteuergesetz keine Erhöhung der Hebesätze bei den Gemeinden eintritt, sondern der Ausgleich durch die Länder erfolgt. Wir geben ferner unserem Wunsche Ausdruck, daß dieser Ausgleich besonders bei den kleineren und mittleren Gemeinden erfolgt, bei denen er dringlicher ist als bei den größeren.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag zum Entschließungsantrag. Der Änderungsantrag ist verlesen und von Herrn Abgeordneten Neuburger begründet worden. Einige Teile dieses Änderungsantrags werden von der Fraktion, die den Entschließungsantrag gestellt hat, akzeptiert, aber einige Differenzen bleiben übrig. Wir müssen also abstimmen.
Wer dem Änderungsantrag zum Entschließungsantrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit.
Wer dem nunmehr abgeänderten Entschließungsantrag Umdruck 728*) zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit ist Punkt 2 b der Tagesordnung erledigt. Ehe ich Punkt 2 c aufrufe, gebe ich bekannt, daß sich die Fraktionen dahin geeinigt haben, den Punkt 6 heute von der Tagesordnung abzusetzen und morgen als Punkt 2 der Tagesordnung zu behandeln.
Ich rufe auf Punkt 2 c der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, DA eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .
Hier sind Änderungsanträge nicht angekündigt. Auf die allgemeine Aussprache ist verzichtet worden. — Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits in der zweiten Lesung angekündigt, soll die Umsatzsteuernovelle bereits zum 1. Oktober dieses Jahres in Kraft treten. Es sind daher die entsprechenden Bestimmungen zu ändern. Der Änderungsantrag*) lautet:
1. In Art. 1 a des Entwurfs in der Fassung der Beschlüsse des 19. Ausschusses werden zweimal an Stelle „31. Dezember" die Worte „30. September" gesetzt. An Stelle „1. Oktober" sind die Worte „1. Juli" zu setzen.
2. Art. 1 a des Entwurfs in der Fassung der Beschlüsse des 19. Ausschusses erhält einen Abs. 2 mit folgendem Wortlaut:
Für das Kalenderjahr 1956 ist Art. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Worte „42 000 DM" die Worte „10 500 DM" treten.
Ich bitte um Annahme.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen Änderungsantrag abstimmen. Ich kann wohl über den Antrag als Ganzen abstimmen lassen und brauche nicht punktweise abstimmen zu lassen.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich muß nun zunächst über Art. 1 a in der neuen Fassung abstimmen lassen. Wer dem Art. 1 a in der neuen Fassung zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Art. 1 a ist in der neuen Fassung angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Punkt 2 c der Tagesordnung ist erledigt. — Verzeihung, ich muß 2 c doch noch einmal aufrufen, denn es ist noch über Ziffer 2 des Ausschußantrages abzustimmen, die Petitionen für erledigt zu erklären. — Das Haus stimmt dieser Ziffer 2 des Ausschußantrages zu.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 e auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Notopfergesetzes .
Zu § 1 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 753 vor. — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Neuburger.
— Was wollen Sie dann begründen?
— Meine Damen und Herren, ich kann nichts dafür. Der Abgeordnete Neuburger war voreilig; er kam ans Rednerpult, ehe ich den § 2 aufgerufen
*) Umdruck 760.
hatte. Herr Abgeordneter Neuburger, Sie werden erst zu § 2 einen Antrag stellen?
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 753*) hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte dem Herrn Kollegen Neuburger gerne die Begründung dieses Antrags überlassen;
denn man hätte sich vorstellen können, daß bei dem Gewicht der Argumente, die wir heute vorgetragen haben, aus dem Saulus Neuburger ein Paulus geworden wäre.
— Ach so! Ja, Herr Minister, Sie haben recht. Also, da wir diese Wandlung offensichtlich nicht erwarten dürfen, bringe ich jetzt nochmals den Antrag auf Umdruck 753 ein. Er bezweckt, das Notopfer Berlin für die natürlichen Personen ganz wegfallen zu lassen. Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt eine letzte Chance!
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht?
Ich will noch etwas hinzufügen.
Wollen Sie sich selbst kommentieren?
Nein. Ich habe nur versäumt, zu erwähnen, daß wir angesichts der Bedeutung des Gegenstandes auch in der dritten Beratung namentliche Abstimmung erbitten.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Herr Miessner, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte den Appell an Sie richten! Sie haben in der Tat jetzt die letzte Chance, nicht nur eine vernünftige Steuersenkung, sondern auch eine solche zu beschließen, die noch in absehbarer Zeit zur Verwirklichung kommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bitten, diesen Änderungsantrag abzulehnen.
Die Gründe, die für die Ablehnung sprechen, sind im Laufe dieses Tages mehrfach eingehend diskutiert worden. Ich kann darauf verzichten, sie zu wiederholen.
Wird zu diesem Antrag noch das Wort gewünscht? - Dann ist die Aussprache über diesen Antrag erledigt.
*) Siehe Anlage 10.
2. Deutscher . Bundestag — 158. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Juli 1956 8713
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag vor, den der Abgeordnete Neuburger begründen wird — diesmal zu recht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute in zweiter Lesung beschlossene Vorlage enthält als Datum des Inkrafttretens den 1. April. Da der 1. April bereits verflossen ist, soll die Vorlage ebenfalls mit Wirkung vom 1. Oktober dieses Jahres in Kraft treten. In § 2 müssen daher die Worte „1. April" durch die Worte „1. Oktober" und zweimal die Worte „31. März" durch die Worte „30. September" ersetzt werden. Ich bitte, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert, erklärt sich Ihre Fraktion mit diesem Änderungsantrag einverstanden?
— Nicht! Ich glaube, ich muß doch zunächst über den Antrag Umdruck 753*) abstimmen lassen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, die Stimmkarten einzusammeln. —
Wünscht noch ein Mitglied des Hauses seine Stimme abzugeben? — Ich bitte, mit der Auszählung der Karten zu beginnen.
Meine Damen und Herren! Während ausgezählt wird, teile ich dem Hause mit, daß sich die Fraktionen dahin geeinigt haben, daß Punkt 5 der Tagesordnung vor Punkt 3, also unmittelbar nach Erledigung von Punkt 2, behandelt werden soll.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. An der Abstimmung beteiligt haben sich 418 stimmberechtigte Abgeordnete und 19 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 181 stimmberechtigte Abgeordnete und 11 Berliner Abgeordnete, mit Nein 229 stimmberechtigte Abgeordnete und
7 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich
8 stimmberechtigte Abgeordnete und 1 Berliner Abgeordneter. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag ab, den der Abgeordnete Neuburger begründet hat, in § 2 die Worte „1. April" durch die Worte „1. Oktober" und zweimal die Worte „31. März" durch die Worte „30. September" zu ersetzen. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über den § 2 in der abgeänderten Fassung abstimmen. Wer dieser Bestimmung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Notopfergesetzes als Ganzem zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich komme nun wieder zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergeset-
*) Siehe Anlage 10.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8757.
zes. Hier liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Ein Änderungsantrag der FDP ist offensichtlich noch im Anmarsch. Er wird die Umdrucknummer 756 erhalten. Die Änderungsanträge befinden sich auf folgenden Umdrucken: 736, 754, 756, 755 und 750.
Ich lasse zunächst den Änderungsantrag auf Umdruck 755*) begründen. Wer begründet diesen Antrag?
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in diesem Falle die Ehre, als Abgeordneter einen Antrag für die Fraktionen der CDU/CSU, der DP und der Freien Volkspartei vertreten zu dürfen, an dem ich in ganz besonderem Maße interessiert bin und der uns auch insgesamt wohl die Zustimmung zu dem, was wir hier heute zu beschließen haben, wesentlich erleichtern wird.
Es handelt sich darum, um es kurz auszudrücken, daß die Frist für die Festlegung von Sparbeträgen entweder im Rahmen des Kontensparens oder des Versicherungs- oder des Wertpapiersparens von fünf Jahren, die bisher in der Ihnen vorliegenden Drucksache 2588 vorgesehen war, weiter verringert werden soll auf die früher schon bestehende Frist von drei Jahren. Wir glauben, daß dieser Vorschlag eine wesentliche Bedeutung nicht nur beispielsweise für die Verbesserung der erststelligen Finanzierung im Wohnungsbau haben wird, sondern insbesondere auch für die mittel- und langfristige Finanzierung von Investitionen des Mittelstandes, der Landwirtschaft, des Handels, des Handwerks, all dieser Kreise, die in erster Linie nicht direkt auf den Kapitalmarkt, sondern auf die Inanspruchnahme von Krediten der Sparkassen, Kreditgenossenschaften usw. angewiesen sind.
Wie sich die Dinge geändert haben, nachdem der Wegfall dieser relativ kurzfristigen Sparbegünstigungen Gesetz geworden war, darf ich Ihnen mit zwei Zahlen vor Augen führen. So sind beispielsweise von 1953 auf 1954 die steuerbegünstigten Spareinlagen als ein Teil dieser begünstigten Spartätigkeit von 1,5 auf 2,3 Milliarden, d. h. um 800 Millionen DM gestiegen. Nach der Beseitigung dieser Begünstigungen reduzierte sich im gleichen Zeitraum von 1954 auf 1955 dieser Zuwachs von 2,3 auf 2,5 Milliarden, d. h. auf knapp 200 Millionen DM allein bei den Spareinlagen. Wenn Sie die Entwicklung weiterverfolgen — die letzten Zahlen liegen für Mai dieses Jahres vor —, so ergibt sich nicht nur überhaupt kein Zuwachs mehr, sondern im Gegenteil, die Zahlen per Mai liegen bereits unter den Zahlen für Ende Dezember 1955.
Ich glaube, ich kann in diesem Hohen Hause wohl ohne weiteren Kommentar lassen, was das bedeutet, insbesondere, wenn wir uns anschicken, eine große Sozialreform mit vollkommen geändertem Finanzierungsverfahren zu beraten und zu beschließen, bei dem im Wege des Abschnittsdekkungsverfahrens ein wesentlicher Teil der bisher gerade für Zwecke der langfristigen Finanzierung zur Verfügung gestellten Mittel in Zukunft wohl für die Verbesserung der sozialen Leistungen beansprucht werden wird. Hierfür gilt es Ersatz zu schaffen, damit nicht an einer Stelle etwas Positives geschieht — was wir alle wollen — und an
*) Siehe Anlage 15.
anderer Stelle plötzlich ein neues Loch aufgerissen wird.
Wir sind der Auffassung, daß der Weg, das freiwillige Sparen hierfür in erster Linie mit heranzuziehen und ihm die notwendigen Begünstigungen zu verschaffen, der beste ist, den wir uns überhaupt vorstellen können; denn das, glaube ich, darf ich zum Abschluß einmal ausdrücken: Die Steuersenkungen, die wir beschließen wollen, sollen doch im letzten nicht nur ein Mehr an Möglichkeiten für den Verbrauch auslösen, sondern sie sollen auch zusätzlich die Chancen zum Sparen, zur eigenen Vorsorge für das Schicksal und das Alter, zur Festigung der mittelständischen Existenzen und zum Abbau von Schulden vermehren.
Dem dient der Antrag, den ich Ihnen mit Um-
druck 755 vorzulegen die Ehre habe, weitgehend.
Eine Bitte noch an den Herrn Präsidenten: Ich bin von dem dafür zweifellos viel kompetenteren Bundesminister der Finanzen darauf aufmerksam gemacht worden, daß es in Drucksache 2588 Seite 4 oben unter Ziffer 4 d statt „vor Ablauf von fünf Jahren" heißen muß „vor Ablauf von drei Jahren".
Falls Ihr Antrag angenommen wird.
Falls der Antrag angenommen wird, worum ich das Hohe Haus hiermit bitte.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
— Es tut mir leid, meine Damen und Herren. Ich habe den Antrag soeben auf den Tisch gelegt bekommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist im Hause noch nicht verteilt. Ich möchte Sie schon aus diesem Grunde bitten, die Abstimmung zurückzustellen.
Im übrigen kann ich eine Bemerkung über diese Arbeitsweise wirklich nicht unterlassen. In einer Regierungserklärung vor etwa 14 Tagen ist etwas Ähnliches angekündigt worden. Darüber ist im Ausschuß gesprochen worden, und nach einigen Bemerkungen des Bundesfinanzministers, daß diese Angelegenheit außerordentlich schwierig sei, ist festgestellt worden, daß sie jetzt nicht im Ausschuß behandelt werden solle, daß im Ausschuß keine Anträge gestellt werden sollten und daß diese Angelegenheit allenfalls nach der Sommerpause eingehend beraten werden solle, wozu, wie jedermann weiß, auch genügend Zeit ist; denn für derartige Bestimmungen genügt es, daß sie rechtzeitig vor Jahresende festgelegt sind.
Die Begünstigungen für Sparverträge sind eine derart diffizile Angelegenheit, daß sie, wie ich glaube, nicht ohne Ausschußberatung in einer dritten Lesung sachlich so über die Bühne gehen können. Ich möchte ernstlich bitten, diesen Antrag — ich glaube nicht, daß eine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit besteht, einen solchen Antrag in der dritten Lesung dem Ausschuß zu überweisen — heute nicht zu stellen, sondern zu einem späteren
Zeitpunkt einzubringen, so daß er unmittelbar nach den Ferien im Ausschuß ordnungsmäßig geprüft und verabschiedet werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wußte nicht, daß der Antrag in dem Augenblick, in dem ich hier das Wort ergriff, noch nicht verteilt war. Ich sehe allerdings, daß er inzwischen überall verteilt ist.
— Er wird aber im Augenblick von hinten nach vorn verteilt.
— Es ist Umdruck 755.
Ich darf aber nun zu dem, was Herr Abgeordneter Seuffert soeben gesagt hat, folgendes bemerken. Was im Ausschuß behandelt worden ist, ist meines Wissens die Frage gewesen, die durch die Vorlage des Regierungsprogramms aufgeworfen worden ist, eine zusätzliche Sparbegünstigung in dem Maße zu schaffen, daß jemand, wenn er zusätzlich 10 % seines Einkommens festlegt, dann bis zu 5 % abziehen kann.
Hierüber wird die Bundesregierung ihren Erklärungen entsprechend noch eine Vorlage einbringen. Hier dreht es sich um nichts anderes als darum, daß wieder an die Stelle von ursprünglich zehn und sieben Jahren und dann im Ausschuß beschlossenen fünf Jahren drei Jahre treten. Genau so wie Sie fünf Jahre haben setzen können, können Sie auch wieder drei Jahre setzen, wie es früher bereits Recht war. Dadurch wird in der materiellen Verwaltungsarbeit und Praxis nur der alte Zustand wiederhergestellt. Es ändert sich darin nichts. Das ist ein Beschluß, der heute genau so gefaßt werden kann, wie der Beschluß über fünf Jahre hätte gefaßt werden können.
Angesichts der ernsten Entwicklung und der ernsten Aspekte, die sich für die Spartätigkeit und die langfristige Finanzierung in unserer Volkswirtschaft ergeben, darf ich dringend darum bitten, diesem Antrag jetzt und heute zuzustimmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, aber gern!
Abgeordneter Miessner hat das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Dr. Preusker, Sie sagten eben, die Angelegenheit sei im Ausschuß beraten worden und es handle sich nur darum, „fünf Jahre" in „drei Jahre" zu ändern. Ist das tatsächlich die einzige Abweichung von dem, was im Ausschuß behandelt worden ist — dann würde ich allerdings meinen, man könnte die Bedenken von Herrn Seuffert zurückstellen —, oder sind noch andere Änderungen darin?
Es ist nichts anderes, als daß in Ziffer 4 a auf Seite 3 die Zahl „5 Jahre" in
„3 Jahre" geändert werden soll und daß in dem Buchstaben d) auf Seite 4 oben in dem in Anführungsstriche gesetzten Satzteil „vor Ablauf von 5 Jahren" in entsprechender Anpassung „vor Ablauf von 3 Jahren" gesetzt werden soll. Dazu ist lediglich eine zusätzliche Variation vorgesehen, daß nach Maßgabe einer Rechtsverordnung — also eine Angelegenheit, die noch einer besonderen Prüfung bedarf — im Interesse einer Anpassung zwischen den Wohnungsbau-Sparprämienleistungen und den allgemeinen Sparverträgen diese Verträge wieder die gesonderte Wahlmöglichkeit erhalten sollen, die sie früher bereits besessen haben. Dazu wird aber noch im Wege einer besonderen Rechtsverordnung das Erforderliche geschehen. Es dreht sich im ganzen nur darum, den bereits früher existenten Zustand wiederherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will wenigstens versuchen, das Haus darüber aufzuklären, worum es sich hier handelt. Die Verkürzung der Festlegungsfrist von nunmehr 5 Jahren, worüber alles einig ist, auf 3 Jahre hat zur Wirkung, daß innerhalb der jetzt geltenden Laufzeit für diese Sparbegünstigungen die bereits gesparten Beträge, soweit die Festlegungsfristen in diesem Jahr auslaufen, dieselbe Vergünstigung noch einmal bekommen können, ohne daß ein Pfennig neu gespart worden ist. Das ist das sogenannte Revolvieren der Begünstigungen. Herr Preusker hat recht: das war der Zustand bis 1954. Eben diese Möglichkeit des Revolvierens sollte aber durch die Steuerneuordnung 1954 — und da sind eingehende Beratungen und sehr gründliche Untersuchungen vorausgegangen — ausgeschlossen werden. Meine Fraktion hat sich für Sparbegünstigungen ausgesprochen, aber es müßten auch die richtigen Sparbegünstigungen sein, und sie müßten wirklich neues Sparkapital ergeben. Ich glaube, für den Beschluß, die frühere Regelung nun so im Handumdrehen in einer dritten Lesung rückgängig zu machen, könnten wir nach diesen mangelhaften Untersuchungen und Begründungen die Verantwortung nicht übernehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier handelt es sich um eine sehr wichtige Frage, und ich bin froh, daß sie angeschnitten worden ist. Es handelt sich um die Fortführung der in dem Regierungsprogramm zur Konjunkturlage aufgeführten Bestandteile, und ein wichtiger Bestandteil war hier das Sparen und der Anreiz zum Sparen. Dabei hat die Bundesregierung offiziell verkündet, daß sie auf jeden Fall die dreijährige Festlegungsfrist wiederherstellt. Das ist das eine. Das war früher schon der Fall.
Lassen Sie mich noch hinzusetzen: alle Kredit-und Bankinstitute brauchen so rasch wie möglich einen Anreiz für die Spartätigkeit aus einer Reihe von Gründen. Es sind so viel ungeschickte Äußerungen auf finanzpolitischem Gebiet gefallen,
daß es unbedingt notwendig ist, hier so rasch wie möglich die Dinge nachzuholen; sonst können Versäumnisse eintreten, die wir gar nicht mehr gut machen können.
Deswegen ist die Sache außerordentlich eilbedürftig. Was der Kollege Seuffert in technischer Hinsicht eingewendet hat, kann ruhig durch eine Rechtsverordnung entsprechend übergeleitet und geregelt werden. Aber im Grundsatz muß für die neuanlaufenden Sparverträge auf jeden Fall die dreijährige Frist wiederhergestellt werden; denn wir haben von den Kreditinstituten aus diese Ankündigungen des Bundesministers Erhard hinausgegeben, und sie sind mit großer Zustimmung aufgenommen worden. Das Schlimmste, was auf finanzpolitischem Gebiet passieren kann, ist, daß die Bevölkerung eine Enttäuschung erfährt, wenn wir hintennach sagen müssen: Das ist nicht so rasch erfüllt worden, wie es notwendig ist, und: Es ist nicht erfüllt worden innerhalb der Beratung des Einkommensteuergesetzes. Das ist unmöglich.
Zweitens ist auch — das hat aber mit der allgemeinen Frage der Festlegungsfristen, wofür zunächst drei Jahre vorgesehen sind, nichts zu tun — dankbar eine weitere Begünstigung der Einkommensteuerpflichtigen aufgenommen worden, die die 10 % Rücklage aus dem Einkommen und die 5 % betrifft, die dann als steuerbegünstigte Sparbeträge gutgeschrieben werden. Diese Frage soll dann im Herbst geregelt werden. Wir müssen also die beiden Dinge voneinander trennen.
Ich hätte, auch wenn es hier Komplikationen gibt, nichts dagegen, daß die Frage der Bausparkassen, wenn der Kollege Preusker damit einverstanden wäre, durch Rechtsverordnung geregelt wird. Das steht ja sowieso in Ziffer 2 des Umdrucks 755 drin. Infolgedessen gibt es da auch keine Schwierigkeiten.
Übrigens hat auch der Minister Erhard im Auftrage der Bundesregierung bekanntgegeben, daß die Begünstigung bezüglich der Bausparkassen unter allen Umständen weiter in Kraft bleiben soll. Das ist auch ein wesentlicher Bestandteil des heutigen Zwecksparens. Wir müssen bei unserer konjunkturpolitischen Lage den Sparer schon etwas in den Mittelpunkt stellen. Der Sparer hat ein Anrecht darauf, daß er hier die Begünstigungen bekommt, die für ihn einen Anreiz darstellen, in größerem Umfang zu sparen. Denn die Spartätigkeit hängt auch mit dem Kapitalmarkt und mit der Konjunkturlage zusammen. Wenn die Bevölkerung nicht mehr spart und alles in den Konsum läuft, in einen Konsum, der gar nicht notwendig ist, dann verschärft sich die konjunkturpolitische Lage. Deswegen ist das Sparen ein wichtiger Faktor innerhalb der allgemeinen Wirtschaftspolitik.
Ich bitte die Damen und Herren dringend, den Anträgen, die Kollege Preusker begründet hat, die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten keine Bedenken, der Ziffer 1 des Antrages jetzt zuzustimmen. Diese Angelegenheit ist im Ausschuß ausgiebig bespro-
chen worden. Dort blieb lediglich die Frage offen, ob fünf oder drei Jahre. Bisher hatten wir eine Frist von zehn bzw. sieben Jahren bei älteren Personen und sind dann auf fünf Jahre gegangen. Aber da in der Tat vielleicht auch bei fünf Jahren noch kein echter Anreiz zum Sparen gegeben ist, wäre es schon ganz gut, hier auf drei Jahre herabzugehen.
Dagegen möchten wir bitten, die in Ziffer 2 angeschnittene Sache — und das scheint ja auch im Sinne der Antragsteller zu liegen — doch noch den normalen Weg über den Ausschuß gehen zu lassen, und zwar in Form eines Antrages. Man kann hier im Plenum so aus dem Stegreif schwer dazu Stellung nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker. •
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn dadurch die Annahme dieser für uns so wesentlichen Änderung und Verbesserung zugunsten der Spartätigkeit im ganzen Hause gesichert werden kann, sind wir von den Koalitionsfraktionen nach einer kurzen Abstimmung bereit, im Moment die Ziffer 2 aus unserem Antrag zu streichen, um sie gesondert wieder einzubringen und dann der Ausschußberatung zuzuführen.
Haben Sie diese Ziffer 2 gestrichen?
Wird zu diesem Antrag auf Umdruck 755 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ehe ich das Wort weiter gebe, gebe ich folgendes bekannt: Der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß treten nach Schluß der Beratung des Vierten Nachtrags zum Bundeshaushalt 1955 zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen.
Zur Begründung des Antrags auf Umdruck 736*) hat das Wort der Abgeordnete Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 10 d des Einkommensteuergesetzes beinhaltet das Recht des Steuerpflichtigen, Verluste der vergangenen fünf Jahre vorzutragen. Der Satz 2 des § 10 d, der durch den Beschluß des Hohen Hauses in zweiter Lesung gestrichen worden ist, gab dieses Recht auch den — so hieß es im Gesetz — nichtbuchführenden Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Weinbau nach § 4 Abs. 1 auf Grund eines beschränkten Vermögensvergleichs ermitteln.
Mein Antrag bezweckt, den ursprünglichen gesetzlichen Zustand wiederherzustellen. Um nun von vornherein den Einwand zu entkräften, die hier wieder begehrte gesetzliche Regelung sei ein Widerspruch in sich, sei für alle Damen und Herren, die die besonderen Verhältnisse im deutschen Weinbau bezüglich der steuerlichen Erfassung nicht kennen können, auf folgendes hingewiesen. Die Masse der deutschen Winzerschaft ist zwar nicht buchführungspflichtig im steuerlichen Sinne, sie ist aber buchführend und buchführungspflichtig im Sinne des Weingesetzes insofern, als alle Ein- und Ausgänge registriert werden müssen. Das Einkom-
*) Siehe Anlage 12.
mensteuergesetz spricht ausdrücklich von der Gewinnermittlung auf Grund eines beschränkten Vermögensvergleichs. Die Winzer werden also nicht wie die VOL-Landwirte mit einer Einkommenpauschale besteuert. Zu einem Vermögensvergleich müssen aber doch Zahlen über Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und Bestandsvergleichszahlen vorgelegt werden. Was gegenüber einer geordneten Buchführung fehlt, ist nur der Inventarvergleich bzw. die Inventarbewegung, die in Pauschalbeträgen pro Hektar in Verhandlungen der Verbände mit den Oberfinanzpräsidenten abgesprochen werden.
Wer die Gewinnermittlung nach dieser bewährten Methode kennt, weiß, daß in ihr kein innerer Widerspruch bestehen kann zwischen der Gewinnfeststellung und einem eventuellen Verlustvortrag. Es sei aber hier einmal ganz deutlich gesagt, daß ein Widerspruch besteht zwischen dem klaren Willen des Gesetzgebers und den vereinzelten Versuchen von Oberfinanzpräsidenten, den klaren Bestimmungen des Gesetzes dadurch auszuweichen oder sie zu umgehen, daß sie einen anderen Modus der Gewinnermittlung im Weinbau einführen wollen. Denn der Bundestag hat in der letzten Steuerreform dem deutschen Weinbau den § 10 d gegeben, um damit einem jahrzehntelangen Bemühen um einen mehrjährigen Veranlagungszeitraum in etwa Rechnung zu tragen. Dieses Bemühen war und ist berechtigt, und eine entsprechende Regelung war und ist notwendig, weil die Erträge im Weinbau nach Menge, Güte und Preis ganz außerordentlich schwanken. Der fünfjährige Verlustvortrag ist eine Möglichkeit, bei der Einkommenbesteuerung die allergröbsten Einkommensschwankungen in etwa auszugleichen. Deshalb ist auch der Beschluß des Hohen Hauses von der 'deutschen Winzerschaft mit Dank und Befriedigung aufgenommen worden.
Nun ist dieser Beschluß bis heute in der Praxis nicht wirksam geworden, weil in den vergangenen Jahren im deutschen Weinbau Verluste Gott sei Dank nicht eingetreten sind. Jetzt aber soll diese gesetzliche Bestimmung aufgehoben werden just in einem Zeitpunkt, in dem sie erstmals wirksam werden soll. Wir haben im deutschen Weinbau leider infolge des harten Winterfrostes, gebietsweise recht verschieden, mit sehr hohen Ertragsausfällen zu rechnen, und es wird dem Hohen Hause auch nicht erspart bleiben, sich mit Notmaßnahmen zu befassen, wenn einmal die Schäden genau abgeschätzt werden können. Es scheint mir aber politisch unmöglich zu sein, in einem solchen Augenblick die für diesen Augenblick geschaffenen Bestimmungen aufzuheben. Das wäre nur vertretbar, wenn wirklich triftige und durchschlagende Gründe vorhanden wären. Sie sind nicht gegeben. Ein spürbarer Steuerausfall ist niemals und von niemandem als Grund angezogen worden. Als Grund wird angegeben, daß die getroffenen Bestimmungen nicht praktikabel seien. Dagegen ist zu sagen, daß das in der Praxis der letzten zwei Jahre nicht bewiesen worden ist, weil der Anwendungsfall einfach nicht eingetreten ist. Mir will nicht einleuchten, daß es nach dem vorgeschriebenen Verfahren möglich ist, einen Gewinn zu errechnen, daß es aber unmöglich ist, einen Verlust zu errechnen. Es scheint mir auch nicht schwierig zu sein, einen solchen festgestellten Verlust auf die Einkommen der nächsten Jahre anzurechnen. Jedenfalls haben mir die Steuerpraktiker in den Weinbaugebieten, die
Finanzamtsvorsteher, auf Befragen sämtlich erklärt, daß sie mit den gesetzlichen Bestimmungen durchaus fertig werden könnten.
Der angezogene Grund der Undurchführbarkeit ist auch nicht der wirkliche. Diese Bestimmung, die der besonderen Wirtschaftssituation des deutschen Weinbaus Rechnung tragen soll und die infolgedessen eine Sonderregelung sein muß, paßt ihren Gegnern nicht in die Systematik der Steuergesetze. Ich bin mir der Bedeutung eines Systems und einer Systematik durchaus bewußt. Aber ich meine, System und Systematik dürfen nicht alles überragende und alles ausschließende Maximen werden. Im übrigen darf ich zur Ehre aller Fraktionen feststellen, daß keine Fraktion in ihren Entwürfen zur Einkommensteuerreform die Streichung des hier angezogenen Satzes verlangt hat.
Ich bitte daher das Hohe Haus, anzuerkennen, daß in diesem Fall echte wirtschaftliche Gründe, politische Überlegungen und die Achtung vor uns selbst uns veranlassen sollten, einen Beschluß, den wir vor knapp zwei Jahren gefaßt haben, nicht ohne wichtigen Grund wieder aufzuheben. Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag Umdruck 736 zuzustimmen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß das Hohe Haus bitten, dem genannten Antrag nicht zuzustimmen, und zwar aus einem rein sachlichen Grund, der bisher nicht erwähnt worden ist, vielleicht weil er der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Gleichzeitig mit der Bestimmung ist seinerzeit eine Neufassung des § 4 Abs. 3 EStG geschaffen worden, die ermöglicht, daß große Betriebsschwankungen künftig auch nach dieser Bestimmung berücksichtigt werden. Infolgedessen macht auch die Mehrzahl der betreffenden Steuerzahler nur von dieser Bestimmung des § 4 Abs. 3 Gebrauch. Die Bestimmung des § 10 d, die vielleicht nur entstanden ist, weil die Bestimmung des § 4 Abs. 3 noch nicht praktisch geworden war, widerspricht nun einmal dem Grundgedanken der ganzen Steuergesetzgebung. Es ist an sich gar nicht möglich, daß dann, wenn keine Vergleiche der verschiedenen Jahre vorliegen, eine Bestimmung, die von den Verlusten ausgeht, überhaupt zur Anwendung kommt. Ich halte es deswegen für richtiger, die Steuerpflichtigen darauf hinzuweisen, daß sie denselben Vorteil auf dem Wege des § 4 Abs. 3 erreichen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da kenn' sich aber jetzt noch einer aus! In der zweiten Beratung wäre doch Raum für solche Erörterungen gewesen. Die Opposition hat vorher ausdrücklich auf die Fristeinrede verzichtet!
Ich komme hoffentlich nicht in den Verdacht, ein Gegner des deutschen Weinbaues zu sein.
Ich wäre dafür, daß wir endlich ein vernünftiges Weingesetz bekommen. Aber heute keine Erörterung mehr in Nebenfragen.
Im übrigen gestatte ich mir eine ganz kleine moralische Anmerkung. Wenn Sie, Herr Neuburger, gestern abend um 9 meinem Antrag zugestimmt hätten, den Punkt 2 heute zu behandeln und die übrigen Punkte abzuwickeln, dann könnten wir jetzt nach Hause gehen,
beziehungsweise in den kombinierten Verteidigungs- und Haushaltsausschuß.
Wird zu Umdruck 736 noch das Wort verlangt? — Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich, den Antrag Umdruck 754*) zu begründen. — Das Wort hierzu hat Frau Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir den Antrag auf Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrages noch einmal einbringen. Sie alle in diesem Hause wissen, daß der veranlagte Einkommensteuerpflichtige durch das ihm gegebene Gestaltungsprivileg sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben bei gleichem Einkommen und damit gleicher Leistungsmöglichkeit weniger Steuern zu zahlen hat als der Lohnsteuerpflichtige.
Man kann es sich auch nicht so leicht machen, wie der Herr Familienminister es tut, nämlich uns alle in Familienfreundliche und Familienfeindliche einzuteilen. Wir haben für die Arbeitnehmer schlechthin zu sorgen, denen hinsichtlich der Familiengründung nicht die gleichen Möglichkeiten gegeben sind wie den Einkommensteuerpflichtigen. Ich möchte die Hausratsgegenstände bis zu Bildern, Teppichen, Eisschränken usw. nicht zählen, die die Einkommensteuerpflichtigen von dem Verdienst oder Gewinn abgeschrieben haben, bevor sie überhaupt an die Ausschreibung ihrer Steuererklärungen herangehen.
Die Arbeitnehmer müssen für alles sehr schwer arbeiten, und manche Ehe wird immer und immer wieder hinausgeschoben, weil die Eltern einfach nicht in der Lage sind, wie es früher üblich war, den Kindern die Möbel zur Verfügung zu stellen.
— Ich sage es, Herr Dr. Hellwig, weil der Herr Familienminister davon gesprochen hat, und mit dem hätten Sie ja vorher reden können. — Über 90% der Eheleute sind nur deshalb berufstätig und der Wunsch nach dem Kind muß einfach zurückgestellt werden, weil sie nach der Eheschließung praktisch erst ihren Hausstand aufbauen.
Betrachten Sie daher unseren Antrag, wie er gesehen werden muß. Er soll erstens ein Ausgleich sein für die Vorteile, die der Einkommensteuerpflichtige in bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten hat, er soll zweitens eine Anerkennung des Staates für die Steuerpünktlichkeit und für die Steuerehrlichkeit des Lohnsteuerpflichtigen sein, und er soll drittens ein Ausgleich für die vom Arbeitnehmer in vielen, vielen Fällen nicht in Anspruch genommenen Ausgleichsbeträge sein, — nicht in Anspruch genommen nur deshalb, weil sie ihm nicht bekannt sind, während der Einkommen-
*) Siehe Anlage 14.
steuerpflichtige durch seine Steuererklärung jährlich stets darauf hingewiesen wird. Wir bitten daher um Annahme unseres Antrags Umdruck 754 und beantragen erneut namentliche Abstimmung.
Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich, den Antrag Umdruck 756*) zu begründen. - Herr Abgeordneter Miessner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag auf Erhöhung der Werbungskostenpauschale in der dritten Lesung noch einmal gestellt für den Fall, daß der soeben begründete Antrag auf einen Arbeitnehmerfreibetrag keine Mehrheit finden sollte. Nach dem knappen Ergebnis der Abstimmung über den Arbeitnehmerfreibetrag in der zweiten Lesung bitte ich, unseren Antrag als den weniger weitgehenden auf jeden Fall nach dem Antrag der SPD zur Abstimmung zu bringen. Denn wir hoffen noch immer, daß der SPD-Antrag angenommen wird.
Ich bin noch von der Regierungsbank gebeten worden, in Umdruck 756 die Zahl 624 durch die Zahl 612 zu ersetzen. Der Grund ist technischer Natur. Die Zahl muß wegen der damit zusammenhängenden Sozialgesetze durch einen bestimmten Betrag teilbar sein.
Ich bitte, den Antrag also so zu verstehen, daß die Zahl 562 durch die Zahl 612 ersetzt werden soll. Meine Damen und Herren, das ist aber nun wirklich ein Friedensvorschlag, auf den auch die Regierungskoalition jetzt in dritter Lesung eingehen könnte. Es besteht ja jetzt bei Ihnen nicht mehr wie bei der zweiten Lesung die Hemmung, grundsätzlich keine Änderungen vorzunehmen. Wir beantragen auch hierfür namentliche Abstimmung.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich, den Antrag Umdruck 750**) zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordneter Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um die Erhöhung des Freibetrages für das zweite Kind auf 1440 DM. Ich glaube, dazu bedarf es weiter keiner Begründung; denn es hat sich inzwischen herumgesprochen, daß dieser Antrag in dritter Lesung vom ganzen Haus angenommen werden soll.
Das Wort zur Begründung eines gleichlautenden Antrages, der noch keine Umdrucknummer hat, hat Frau Abgeordnete Rehling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Herrn Kollegen Miessner herzlich danken, daß er so bereitwillig der Bitte um Unterstützung unseres Anliegens, das mein Kollege Krammig und ich ihm vorgetragen haben, in Ziffer 2 des Umdrucks 727 entsprochen hat. Es ist sicherlich so, daß durch den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, der von den Koalitionsparteien eingebracht worden ist, erfreuliche Fortschritte auf dem Gebiet der steuerlichen Entlastung der Familie zu verzeichnen sind. Aber
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 13. bei einer genauen Überprüfung zeigt sich, daß bei diesen Entlastungen die Relation zwischen dem Familienvater mit Kindern und dem kinderlos Verheirateten, bzw. dem Ledigen, noch verbesserungsbedürftig ist. Daher schlagen wir dem Hause in einem Antrag, der leider noch nicht vorliegt und der sich in dem ersten Satz wörtlich mit Ziffer 2 des Umdrucks 727 — Antrag der Fraktion der FDP — deckt, vor, den Freibetrag für das zweite Kind von 1080 auf 1440 DM zu erhöhen. Allerdings müßte unseres Erachtens dem Antrag der FDP noch der Satz angefügt werden: Anhang I und II wird entsprechend geändert.
Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause diesen Antrag namens der Koalitionsfraktionen vorzulegen, und bitte, ihm zuzustimmen.
Dann darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß der Antrag auf Umdruck 750*), der verteilt ist, durch den Satz ergänzt wird, den Frau Abgeordnete Rehling dem Hause zuletzt bekanntgegeben hat: Abs. 1 und 2 werden entsprechend geändert. Habe ich richtig verstanden?
— Ach so, Verzeihung, „Anlage" soll es sein. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Damit, meine Damen und Herren, sind sämtliche Änderungsanträge eingebracht und begründet.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Umdruck 755. Wir müssen die namentlichen Abstimmungen dazwischennehmen.
— Zur Abstimmung, Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich inzwischen davon überzeugt, daß es nach der Geschäftsordnung tatsächlich möglich ist, diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen. Die weitere Beratung des Gesetzes wird dadurch nicht aufgehalten. Der Antrag gilt für diese Beratung als erledigt und kann jederzeit neu eingebracht werden. Ich glaube, das wäre die einzig sachlich richtige Behandlungsweise, zumal jedermann weiß, daß im September Zeit genug ist. Es wird kein Sparvertrag vor dem Dezember abgeschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bezweifle zwar nicht, daß diese geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit besteht, bitte aber im Namen der Koalitionsfraktionen, trotzdem diesen Antrag heute zu verabschieden.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag auf Überweisung hat den Vorrang. Für den Fall der Annahme, Herr Abgeordneter Preusker, gilt Ihre Ziffer 2 nicht als zurückgezogen. Wer dem Antrag auf Überweisung zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die Ziffer 1 des Antrags auf Umdruck 755**) ab. Ziffer 2 gilt nach
*) Siehe Anlage 13. **) Siehe Anlage 15.
Ihrer Ankündigung anläßlich der Begründung nunmehr als zurückgezogen? — Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
— Diese Abstimmung gilt sinngemäß gleichzeitig für Buchstabe d. Auf Seite 4 oben muß es nunmehr statt „vor Ablauf von fünf Jahren" heißen: „vor Ablauf von drei Jahren".
Wir stimmen nunmehr über Umdruck 736*) ab, Nr. 4 b zu streichen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Ja, es sind offenbar die am Wein interessierten Mitglieder des Hauses, die sich dafür aussprechen.
— Gegenprobe! — Das letzte ist erstaunlicherweise die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir stimmen über die weiteren Anträge ab, zu denen nicht namentliche Abstimmung beantragt ist. Da ist der Antrag Umdruck 750**). Der ist identisch mit dem Antrag, den Frau Rehling begründet hat. Ich glaube, wir können doch den einen der beiden Anträge zurückziehen, damit wir nur über einen abstimmen.
— Sie sollen beide ins Protokoll? Also „fürs Blättle", wie man bei uns sagt, Herr Neuburger.
Dann werden wir zuerst über Antrag Umdruck 750 abstimmen. Wer ihn annehmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Enthaltungen, bitte? — Eins, zwei. Wollen Sie auch besonders im Protokoll vermerkt werden?
— Nicht? Man kann es nicht wissen; jeder hat seinen Ehrgeiz.
Nun stimmen wir über den völlig gleichlautenden Antrag ab, den Frau Abgeordnete Rehling gestellt hat, wobei ich allerdings nicht recht weiß, wie das nun bei der Ausfertigung des Gesetzes gemacht werden soll.
— Es wurde doch gesagt, daß auch darüber abgestimmt werden soll.
— Ich hatte ja gebeten, sich entsprechend zu erklären. Das wurde abgelehnt mit dem Hinweis darauf, daß das Protokoll unbedingt beide Anträge enthalten müsse. Sie ziehen ihn also jetzt zurück?
— Nicht!
*) Siehe Anlage 12. **) Siehe Anlage 13.
— Dann erkläre ich diesen Antrag für erledigt.
Wir kommen nunmehr zu den namentlichen Abstimmungen, und zwar zunächst über den Antrag Umdruck 754*), der der weitergehende ist. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
Wünscht noch ein Mitglied des Hauses, seine Stimmkarte abzugeben?
— Dann bitte ich, sich zu beeilen.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Preusker macht mich darauf aufmerksam, daß auch auf Seite 12 oben die Bestimmung „fünf Jahre" in „drei Jahre" geändert werden müßte. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir die Grundabstimmung sich auch insoweit auswirken lassen.
Wünscht noch jemand seine Stimmkarte abzugeben? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich beteiligt 420 stimmberechtigte Abgeordnete und 19 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 182 stimmberechtigte Abgeordnete und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein 228 stimmberechtigte Abgeordnete und 6 Berliner Abgeordnete. 2 stimmberechtigte Abgeordnete und 1 Berliner Abgeordneter haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Umdruck 754. Auch hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich muß mich berichtigen. Ich habe infolge eines falschen Zungenschlages Umdruck 754 zur Abstimmung gestellt. Es handelt sich um Umdruck 756***).
Meine Damen und Herren, wünscht ein Mitglied des Hauses noch seine Stimmkarte abzugeben? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich beteiligt 410 stimmberechtigte Abgeordnete und 18 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 181 stimmberechtigte Abgeordnete und 12 Berliner Abgeordnete, mit Nein 224 stimmberechtigte Abgeordnete und 5 Berliner Abgeordnete. Enthalten haben sich 5 stimmberechtigte Abgeordnete und ein Berliner Abgeordneter. Auch dieser Antrag ist damit abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Art. 1 des Ersten Abschnitts in der geänderten Fassung. Wer diesem Artikel zustimmen will, den bitte ich, die
*) Siehe Anlage 14.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8757.
***) Siehe Anlage 11.
Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung.
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz enthält vieles, was wir gemeinsam beschlossen haben. Aber Sie haben wieder den Arbeitnehmerfreibetrag abgelehnt und Sie legen mit diesem Gesetz eine lineare Steuersenkung,
eine unerreichbare und eine falsche Steuersenkung als Ersatz für eine richtige und erreichbare Steuersenkung vor, und das zur Wahrung einseitiger Interessen.
So wie das Gesetz jetzt von Ihnen verabschiedet werden soll, trägt es den einseitigen Stempel dieser Interessentenpolitik, die die Währung und die Bundesrepublik gefährdet.
Wir sind nicht in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen.
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Neuburger. — Sie können nur noch zur Abstimmung sprechen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den soeben erhobenen Vorwurf, diese Gesetzesvorlage sei nur in Wahrung bestimmter Interessen zustande gekommen,
muß ich in aller Form zurückweisen. Ich habe bereits erklärt und wiederhole es, daß — vom Steuerzahler aus gesehen — es geradezu hundertprozentig gleich ist, ob durchgehende Tarifsenkung beschlossen wird, zusätzlich Streichung des Notopfers Berlin, bis zu 30 DM jährlich, oder ob andererseits das Notopfer ganz gestrichen wird. Es ist aber so, daß die Streichung des Notopfers Berlin 100 % einseitig zu Lasten des Bundes geht, während die Tarifsenkung zu Lasten von Bund und Ländern gemeinsam geht. Wir haben diese Anträge eingebracht, weil die Steuern überhöht sind und sich als überhöht gezeigt haben.
Herr Abgeordneter!
An dieser Steuerüberhöhung haben Bund und Länder gemeinsam Anteil.
Herr Abgeordneter, Sie sollen zur Abstimmung sprechen!
Deshalb müssen auch Bund und Länder gemeinsam an der Steuersenkung tragen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer diesem Gesetz zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Gegenstimmen ist das Gesetz angenommen.
Wir haben nun noch über die Ziffern 4 und 5 des Ausschußantrages abzustimmen. Wer diesen Ziffern zustimmen will, der möge die Hand erheben.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nunmehr auf gemäß der Vereinbarung der Fraktionen Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 2344, 2512);
Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 2553, zu 2553)
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Blank.
— Wird auf Berichterstattung verzichtet? — Sie beziehen sich auf Ihren Schriftlichen Bericht*).
Zweiter Berichterstatter Herr Abgeordneter Lenz.
— Verzichtet offenbar ebenfalls.
Ich habe den Eindruck, er tut es durch konkludente Handlung, durch Nichterscheinen. Ist das Haus damit einverstanden, daß auch, was den zweiten Berichterstatter anbetrifft, auf den Schriftlichen Bericht verwiesen wird?
Dann rufe ich Einzelplan 04 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann bei der Geschäftslage des Hauses Verständnis dafür haben, daß auf einen mündlichen Bericht im einzelnen verzichtet wird. Ich möchte mich auch mit Rücksicht auf das bereits zur ersten Beratung Gesagte zu den Einzelpänen, die hier zusammengefaßt werden, kurz fassen und zunächst zwei Änderungsanträge meiner Fraktion begründen.
Der eine Antrag bezieht sich auf Kap. 14 01 Tit. 301 „Zur Verfügung des Bundesministers für Verteidigung für außerordentliche und unvorhergesehene Ausgaben, die sich aus den Besonderheiten seines Aufgabengebietes ergeben, 700 000 DM". Hier beantragt meine Fraktion einen Zusatz zu dem Zweckbestimmungsvermerk in folgender Fassung:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses
Titels unterliegt der Prüfung durch drei beauftragte Mitglieder des Haushaltausschusses
*) Siehe Anlage 16.
und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs.
Die jetzige Fassung überträgt die Prüfung der Ausgabensumme von 700 000 DM einzig und allein dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Es handelt sich um einen Betrag, der durch diese Regelung im Rahmen des Nachtragshaushalts aus dem Einzelplan 04, dem Einzelplan des Herrn Bundeskanzlers, übertragen wird in den Einzelplan 14, Bundesverteidigungsminister. Wir glauben, daß das Parlament hier ein Interesse daran haben sollte, gegenüber der Verwaltung ein Kontrollrecht zu bekommen. Durch die Annahme unseres Antrages wird eine sehr bescheidene Kontrolle der Verwendung dieser 700 000 DM sichergestellt.
Ich habe dann weiter den Auftrag, für meine Fraktion zu beantragen, daß der Tit. 968 der einmaligen Ausgaben auf Seite 40 ,der gedruckten Vorlage gestrichen wird. Hier handelt es sich um die Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen. Die Erläuterungen sagen hierzu, daß zur Herstellung und Vertiefung einer inneren Verteidigungsbereitschaft der deutschen Öffentlichkeit und zur Förderung des Verständnisses für den deutschen Verteidigungsbeitrag und den zeitlichen Aufbau deutscher Streitkräfte im In- und Ausland wirksame Aufklärungsarbeiten unerläßlich seien. Die Mittel sollen wie die Arbeit, die hierzu zu leisten ist, vom Bundespresse-und Informationsamt verwaltet, ausgegeben und angelegt werden. — Was dazu politisch zu sagen war, ist bereits im Rahmen der ersten Beratung dieses Nachtragshaushalts an dieser Stelle gesagt worden.
Meine Damen und Herren, wenn ich bei Ihnen dafür eintrete und Sie bitte, diesem Antrag zuzustimmen, dann tue ich das nicht in dem Glauben, daß ich einen Erfolg haben werde. Denn das, was bisher auf diesem Gebiet und auf ähnlichen Gebieten in bezug auf eine sachliche Würdigung der sozialdemokratischen Anträge erreicht worden ist, läßt eigentlich nur Abschreckung und Hoffnungslosigkeit zu. Trotzdem tue ich es noch einmal und bitte Sieherzlich darum, daß Sie dem Parlament das Recht auf Kontrolle einer Ausgabe, die sonst nur hinter ganz verschlossenen Türen geheim von dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs — dem gegenüber allein Rechnung abzulegen ist — kontrolliert wird, das Recht auf eine beschränkte Kontrolle durch drei zu wählende Abgeordnete des Haushaltsausschusses geben. Ferner bitte ich Sie darum, dafür zu sorgen, daß nicht das eintritt, was hier in bezug auf die Förderung der sogenannten Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsangelegenheiten durch eine Honorierung der Presse und andere Maßnahmen mit einem recht erheblichen Millionenbetrag finanziert werden soll.
Das Eigentliche aber, was zu diesem Nachtragshaushalt zu sagen ist, ist veranlaßt durch einen Artikel des Herrn Bundesfinanzministers in den Finanzpolitischen Mitteilungen, die jeweils dem Bulletin auf der letzten Seite angehängt werden. In der Nummer vom 3. Juli 1956 hat der Herr Bundesfinanzminister den Versuch gemacht, das System, mit dem wir uns hier bei diesem Nachtragshaushalt zu beschäftigen haben, zu begründen.
— Jawohl, Vorwegbewilligungsantrag; ich kann
Ihnen dienen, Herr Kollege Hilbert, und ich glaube,
Sie werden gleich keinen Einwand mehr erheben. — Der Herr Bundesfinanzminister begründet hier das von meiner Fraktion wiederholt kritisierte System der Anwendung von Vorwegbewilligungen. Der Herr Bundesfinanzminister meint, daß dieses System ein Fortschritt sei gegenüber dem sonstigen alleinigen Verfügungsrecht des Finanzministers. Ich glaube sagen zu dürfen, daß ,der Herr Bundesfinanzminister irrt. Der Herr Bundesfinanzminister schreibt wörtlich auch folgendes:
Wären die Ausschüsse nicht zu solchen Vorwegbewilligungen ermächtigt worden
— die jetzt Inhalt dieses Vierten Nachtragshaushaltes sind —,
hätte der Finanzminister von seinem Recht nach Artikel 112 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht und für unvorhergesehene und unabweisbare Bedürfnisse der Verteidigungsverwaltung die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen müssen.
Es ist grundsätzlich wichtig, daß sich das Hohe Haus möglichst ein für allemal über die wirkliche Situation klar wird. Der Herr Bundesfinanzminister beansprucht für sich in diesem Zusammenhang die Anwendung des Art. 112 des Grundgesetzes. Um was handelt es sich aber wirklich? Es handelt sich darum, daß auf Grund eines Ansatzes, der in einer Summe im Gesamthaushalt des Bundes vorhanden ist, zwei Ausschüsse des Bundestages durch Bestimmung des Haushaltsgesetzes ermächtigt werden und erneut ermächtigt werden sollen — und heute abend in einer Nachtsitzung die entsprechende Nutzanwendung aus dieser Ermächtigung, diesem Auftrag, dieser Vollmacht zu ziehen haben —, im Haushalt des Bundesverteidigungsministers, Einzelplan 1 14, an SteHle des Parlaments, das sich sonst bei allen anderen Ausgaben und Einnahmen mit jedem Titel befaßt, über Millionen-, nein, über Milliardenbeträge zu entscheiden, ohne das Plenum zu fragen.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister sich auf Art. 112 stützt — er kann sich noch nicht einmal auf das Notrecht nach Art. 111 stützen —, dann ist es notwendig, mit zwei Sätzen den Art. 112 kurz zu erläutern. Er sagt, daß Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bedürfen. Diese Zustimmung darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Es handelt sich im vorliegenden Falle weder um eine Überschreitung des Haushalts noch um eine überplanmäßige Ausgabe noch um eine unvorhergesehene Ausgabe. Von der Unabweisbarkeit sei in diesem Zusammenhang keine Rede. Darüber sind die Meinungen geteilt; darauf findet aber auch der Art. 112 keine Anwendung.
Was ist denn in Wirklichkeit geschehen? Wir haben in den vergangenen Jahren nach 1949 dieses weder im Grundgesetz noch in der Reichshaushaltsordnung anerkannte System der Vorwegbewilligungen gepflegt. X-mal hat der Haushaltsausschuß in Vollmacht des Bundestages Vorwegbewilligungen vorgenommen. Das war in einer Zeit, in der sich das zusammengerissene, niedergebrochene, geteilte Deutschland im Rahmen und auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland in einer Periode des Wiederaufbaues 'des Zusammengerissenen und Zusammengebrochenen befand, in einer Periode des staatlichen Neubaues. Damals haben wir noch keine echten Etats gehabt.
Damals haben wir zum großen Teil nachträglich mit sogenannten Überrollungshaushalten gearbeitet. Damals war es im Interesse der Sicherung eines einigermaßen zu normalisierenden Fortgangs unseres Lebens in der Bundesrepublik eine leider unabweisbare Notwendigkeit, mit dem System von Bevollmächtigungen, Vorwegbewilligungen durch den Haushaltsausschuß und mit nachträglicher Berichterstattung an das Plenum zu arbeiten. Das war einmal. Niemand kann heute behaupten, daß die Situation unseres Wehrhaushalts eine ähnliche Notlage darstelle und ein ähnliches Notrecht rechtfertige, wie es seinerzeit ab 1949 war.
Der Herr Bundesfinanzminister hat ausgezeichnete Räte in seinem Hause; man darf ihn dazu beglückwünschen. Ich möchte wie bei anderer Gelegenheit auch hier auf einen Kommentar zu sprechen kommen, den der Haushaltsreferent des Herrn Bundesfinanzministers, Herr Dr. Vialon, zu dem Haushaltsrecht verfaßt hat. Da heißt es auf Seite 50:
Die Überbrückungsbehelfe, z. B. das Notbewilligungsrecht des Haushaltsausschusses des Bundestages für alle Ausgaben und Planstellen, sind neben den Überrollungs- und Wiederholungsbudgets unter dem Gesichtspunkt einer echten politischen Kontrolle etwas fragwürdiger Natur. Auch ihre Verfassungsmäßigkeit kann vielleicht zweifelhaft sein. Aber sie sind wohl immer noch besser als die völlige Bewirtschaftung ins unreine, die sonst die Folge von Überbrückungsbefugnissen bloß der Exekutive sein müßte.
Meine Damen und Herren, das sind kritische Betrachtungen zu einer Zeit, in der es ein wirkliches Notrecht auf Grund einer wirklichen Staatsnot gab. Aber heute und im Rahmen des Haushalts des Bundesverteidigungsministeriums kann, wie ich Ihnen nachweisen werde, beim besten Willen nicht von einem Notrecht gesprochen werden. Man kann auch nicht etwa die Bestimmungen von Art. 111 oder von Art. 112 des Grundgesetzes in Anspruch nehmen, um das zu rechtfertigen, was in diesem Artikel des Herrn Bundesfinanzministers, „Vorwegbewilligungen im Haushaltswesen des Bundes", angesprochen worden ist. Es gibt keine hier zulässige Art eines vorläufigen Haushaltsrechts!
Gestatten Sie mir einige Feststellungen. Das Parlament hat das Recht und die Pflicht, sich mit den Einzelheiten unseres staatlichen Seins auseinanderzusetzen. Wir haben das in diesen Tagen bei der Erörterung von Aufgaben, die nicht Milliardenbeträge erfordern, wie sie hier zur Debatte stehen, erledigt. Die Ausschüsse aber, die mit diesen Vorwegbewilligungen beauftragt werden, tagen hinter verschlossenen Türen. Sie tagen nicht wie das Hohe Haus in aller Öffentlichkeit. Ihre Tätigkeit entzieht sich der Kontrolle der Öffentlichkeit, der Kontrolle der Presse, der Kontrolle unseres wahlberechtigten Volkes.
In der Plenarsitzung vom 22. Juni — nun komme ich auf das Konkrete — habe ich bei der Beratung des Verteidigungshaushalts erklärt, daß in dem Augenblick, in dem die Regierung die summarische Bewilligung eines Einzelhaushalts — Einzelplan 14, Bundesverteidigungsministerium — mit rund 8,7 Milliarden DM verlange, bereits eine Vorwegbewilligung in Vorbereitung sei, mit der unmittelbar nach Verabschiedung des Haushalts gerechnet werden müsse und in deren Rahmen Milliardenbeträge verlangt würden. Das war am Freitag, dem 22. Juni
1956. In der gleichen Sitzung habe ich den Herrn Bundesverteidigungsminister während seiner Rede unterbrochen und gefragt, ob seine Planungen für die demnächst zu erwartende Vorwegbewilligung bereits so weit gediehen seien, daß er in der Lage sei, detaillierte Anforderungen für Milliardenbeträge als Vorwegbewilligungen in einer Zeit vorzulegen, ,die noch vor den Parlamentsferien liege. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat laut Protokoll wörtlich geantwortet:
Zu einem Teil ja, zu einem kleinen Teil. Denn wir haben einen solchen Vorwegbewilligungsantrag soweit vorbereitet.
Mit dieser Auskunft wurde der Deutsche Bundestag bedient. Diese Auskunft steht in empfindlichem Widerspruch mit den nachweisbaren Tatsachen, den Tatsachen nämlich, die aus den Unterlagen sprechen, die in der Zwischenzeit herausgekommen sind, aus dem Vorwegbewilligungsantrag, der noch heute nacht von den beiden Ausschüssen für Haushalt und für Verteidigung behandelt und verabschiedet werden soll. Dieser Antrag auf Vorwegbewilligung einer Summe von 2,6 Milliarden und auf Genehmigung von Bindungsermächtigungen im Betrage von mehr als 7 Milliarden DM trägt das Druckdatum des 21. Juni, und der Herr Bundesverteidigungsminister hat am 22. Juni, nachdem bereits der Finanzminister seine Zustimmung dazu gegeben hatte — der sich auch darüber im einzelnen absolut ausgeschwiegen hatte —, hier im Hause auf meine bestimmte Frage erklärt: „Zu einem Teil ja, zu einem kleinen Teil. Denn wir haben einen solchen Vorwegbewilligungsantrag soweit vorbereitet."
Meine Damen und Herren, in der Sitzung vom 21. Juni hatte ich den Herrn Bundesfinanzminister gefragt:
Ist es richtig, daß man vom Haushaltsausschuß eine Vorwegbewilligung verlangt in der Größenordnung von etwa 2 Milliarden DM für Rüstung und daß Sie
— also der Bundesfinanzminister —
dies billigen würden? Ist es so, oder ist es nicht so?
So lautete meine Frage. Ich habe dann weiter ausgeführt und halte es für notwendig, das hier in Erinnerung zu rufen — ich bitte um die Genehmigung des Herrn Präsidenten, das kurz zu zitieren —:
Laufen wir Gefahr — ich möchte noch nicht einmal den Herrn Bundesverteidigungsminister als vollverantwortlich ansehen, wohl im parlamentarischen Sinne, aber nicht im tatsächlichen —, daß die Hintermänner des Herrn Bundesverteidigungsministers den Minister und den Bundesfinanzminister mit derartigen Dingen nicht nur strapazieren, sondern glatt überfahren? Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, es läge im Interesse der Wahrheit, der Klarheit und der Rücksicht auf die Steuerzahler, wenn Sie gegen die Schaffung vollendeter Tatsachen auf diesem Gebiet rechtzeitig Front machten. Wir möchten hier im Parlament — ich hoffe sehr, daß das nicht nur ein Anliegen der Opposition, sondern aller Parteien und Fraktionen des Hauses ist — nicht mit derartigen Dingen überrumpelt werden, wie sie hier drohen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Ant-
wort nur eine sehr ausweichende Verteidigung des
Systems der Vorwegbewilligungen gewählt, die
mich dann veranlaßt hat, ihm folgendes zu erklären:
Dann noch eine letzte Bemerkung zu der Frage der Vorwegbewilligung. Wir waren einig darin, zu erkennen, daß in früheren Jahren das System der Vorwegbewilligung, das alles andere, nur nicht schön ist, eine Notwendigkeit zu sein schien, ... Aber heute, Herr Bundesfinanzminister, mit Milliardenbeträgen ein System der Vorwegbewilligung zu verlangen, also der Bewilligung von Ausgaben ohne Mitwirkung des Hauses — das erst nachträglich in einem Haushaltsplan sanktionieren darf, was vorher schon zu Ausgaben veranlagt und genehmigt wird —, heute, in dieser Situation zu verlangen, daß Vorwegbewilligungen erfolgen, für die weder im Grundgesetz noch in der Reichshaushaltsordnung eine Deckung vorhanden ist ..., heute dem Parlament zuzumuten, die Augen zu schließen und gegebenenfalls einen Betrag von etwa 2 000 Millionen DM für das Ministerium des Herrn Blank vorwegbewilligt zu sehen ohne Beschluß dieses Hauses, ohne kritische Ausführungen — das, Herr Bundesfinanzminister, schlucke ich nicht, . . .
Dann hat der Herr Bundesfinanzminister dazu Stellung bezogen und ganz kurz erklärt:
Wenn ein Antrag auf Vorwegbewilligung an den Haushaltsausschuß gestellt wird, so 'bedeutet das, daß ich mich an die Mehrheit der Parteien dieses Hauses wende, weil dieser Antrag auf Vorwegbewilligung ja nur genehmigt werden kann, wenn die Mehrheit dieses Hauses durch ihre Mitglieder im Haushaltsausschuß dem Antrag zustimmt.
Ich darf das einmal feststellen. Auch in seinem Artikel hier in dem Bulletin, in den „Finanzpolitischen Mitteilungen" spricht der Herr Bundesfinanzminister davon, daß das Haus ja die letzte Entscheidung habe. Ich glaube, man kann — entschuldigen Sie, wenn ich es deutsch sage — darauf pfeifen, daß dem Haus im Rahmen eines Nachtragshaushalts noch ein Recht und eine Änderungsmöglichkeit eingeräumt wird. Man kann darauf pfeifen, daß ein derartiges System hier scheinbar noch die Möglichkeit eines eigenen Willens des Bundestages offenhalte. Es werden vollendete Tatsachen geschaffen.
Ich befürchte sehr, daß sich das Hohe Haus auf Grund der mangelnden Unterlagen nicht ganz klar ist und sein kann 'über das, was auf diesem Gebiet bisher schon geschehen ist. Erlauben Sie mir einige wenige Angaben aus einer neuen Vorlage: Erste Vorwegbewilligung: 6 000 Planstellen für Freiwillige und Geldmittel 47,6 Millionen, zweite Vorwegbewilligung: Personal-, Sach- und allgemeine und einmalige Ausgaben im Rahmen des 6 000er-Programms 102 396 000 DM, dritte Vorwegbewilligung: Beschaffung von Land und Instandsetzung von Kasernen 679 179 000 DM, vierte Vorwegbewilligung: Beschaffungen für die 6 000 Freiwilligen und erste Beschaffungen für die aufzustellenden Einheiten 451 447 500 DM, fünfte Vorwegbewilligung: Beschaffung von Kraftfahrzeugen, Spezialfahrzeugen und Einrichtungsgegenständen 254 106 600 DM.
Und nun noch das, was heute nacht der Haushaltsausschuß gemeinsam mit dem Verteidigungsausschuß verabschieden soll, die erste, zweite und dritte Vorwegbewilligung 1956 — das, was ich Ihnen soeben vorgetragen habe, war alles 1955 und findet sich hier in diesem Nachtrag—: Erste Vorwegbewilligung — heute nacht fällig —: Beschaffung von Flugzeugen und Marinegerät 634 531 000 DM, zweite Vorwegbewilligung: Beschaffung von Kampffahrzeugen, weitere Mittel für militärische Fahrzeuge 554 Millionen DM, dritte Vorwegbewilligung: Kasernen, Neubauten und sonstige baulichen Maßnahmen 1 455 220 000 DM.
Ich glaube, auch diejenigen Damen und Herren, die als Angehörige der Koalitionsparteien entschlossen sein werden, dem Nachtragshaushalt zuzustimmen und in den beiden Fachausschüssen das System der Vorwegbewilligungen wiederum, wie schon so oft, zu schlucken, werden genau so wie die von der Opposition im Innern davon überzeugt sein, daß dieses System ein System ist, das im Interesse ,der Selbstverantwortung des Parlaments nicht aufrechterhalten werden darf. Ich sage noch einmal: es wäre möglich gewesen, die Wiederholung dieses Vorgangs zu vermeiden, genau so gut wie wir bei der Etatberatung, Herr Bundesfinanzminister und Herr Verteidigungsminister, in der Lage gewesen sind, über einen Posten zu entscheiden. Zu einem Zeitpunkt, wo die Drucksache, die nachher beraten wird, in den beiden Ausschüssen schon in den Satz gegeben war, zu einem Zeitpunkt, wo die Zahlen bekannt waren, wo sie hätten in den Haushalt 'selbst eingestellt und der Entscheidung des Parlaments hätten unterstellt werden können,
zu einem solchen Zeitpunkt hat man hier noch Spiegelfechtereien aufgeführt, hat man das Haus im dunkeln gelassen, obwohl ganz konkrete Fragen gestellt worden sind, und pflegt man dieses unselige und unverantwortliche System der Fortsetzung von Vorwegbewilligungen, die einmal ihre Begründung und ihre moralische Rechtfertigung hatten, die sie aber heute unter diesen Umständen in keiner Hinsicht mehr haben. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Praxis geübt wird, um der Öffentlichkeit die Augen zu verbinden
und das Parlament zu verhindern, sich kritisch mit den möglichen Entwicklungen auseinanderzusetzen, während man ihm mit Nachtragshaushalten, die dann auch nach der Nachtarbeit von heute im Herbst oder im Winter kommen werden, nur das Ja und Amen irgendeines verantwortungsbefreiten und verantwortungslosen Instituts überläßt. Meine Damen und Herren, ich habe schon einmal gesagt: ich habe viele Jahrzehnte Arbeit im Parlament hinter mir und halte die Rechte und die Aufgaben des Parlaments für so wertvoll, daß ich Sie herzlich bitte: Fahren Sie ab mit dem System und beanspruchen Sie die eigene Verantwortung, wozu dieses Parlament berechtigt, aber auch verpflichtet ist!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Präsident hatte nur den Einzelplan 04 aufgerufen. Der Herr Abgeordnete Ritzel hat aber einen Änderungsantrag zu Einzelplan 14 eingereicht. Ich rufe also nachträglich noch Einzelplan 14 auf und unterstelle, daß ich auch die beiden anderen Einzelpläne 35 und 60 zur gemeinsamen Debatte aufrufen kann. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat zwei Beanstandungen erhoben. Die eine Beanstandung hat sich, wenn ich mich recht erinnere, auf die Mittel des Presse- und Informationsamtes bezogen. Aber ich darf feststellen, daß das Plenum des Deutschen Bundestages über diese Frage inzwischen entschieden hat, und ich darf diese Beanstandung durch die Entscheidung des Plenums des Deutschen Bundestages als erledigt betrachten.
Zweitens hat er die Frage gestellt, ob die gewünschten Vorwegbewilligungen für die Ausgaben für Verteidigungszwecke die richtige Form der Anforderung seien. Ich darf in aller Ruhe folgendes feststellen.
Der Bundesfinanzminister hat sich in den Aufbaujahren genötigt gesehen, die notwendigen Aufgaben mit der notwendigen Eile, aber unter größtmöglicher Mitarbeit des Parlaments zu erfüllen, und hat den Weg der Vorwegbewilligungen vorgeschlagen. Was man heute gegen Vorwegbewilligungen einwenden kann, hat man auch damals schon einwenden können. Die Verfassung sah selbstverständlich nur einen geordneten, aufgebauten Staat vor; sie ist von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Staat aufgebaut und ausgebaut sei und die Verwaltung ordnungsmäßig laufe. In der Zeit des Aufbaus mußte man sich in größtmöglicher Anpassung an die Verfassung mit den Mitteln behelfen, die vorhanden waren. Der Bundesfinanzminister hat von dem außerordentlichen Mittel des Art. 112 des Grundgesetzes möglichst wenig Gebrauch gemacht. Er hat von vornherein versucht, auch bei Ausgaben, die sich nicht überblicken ließen, das Parlament frühzeitig einzuschalten, und hat den Weg der Vorwegbewilligungen vorgeschlagen. Dieser Weg der Vorwegbewilligung ist inzwischen als verfassungsmäßig anerkannt. Ich habe heute früh im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen, daß bereits die juristischen Gutachten vorliegen.
Unsere Verteidigung ist nichts anderes als ein neuer Aufbau. Infolgedessen treten für den Verteidigungshaushalt all die Bedürfnisse, die in der Aufbauzeit des Bundes an uns herangetreten sind, in derselben Weise wieder auf. Die Verfassung hat für die Bundesrepublik vom ersten Tag ihres Bestehens an gegolten, auch in der Aufbauzeit. Ich habe im Haushaltsausschuß und überall den Willen zum Ausdruck gebracht, das Parlament möglichst frühzeitig und möglichst vollständig einzuschalten. Auf Grund der inzwischen eingeholten verfassungsrechtlichen Gutachten darf ich annehmen, daß verfassungsmäßige Bedenken wohl nicht erhoben werden können.
Ich glaube, man sollte der Bundesregierung und dem Finanzminister gegenüber keinen Vorwurf erheben, wenn sie sich bemühen, das Parlament rechtzeitig, frühzeitig einzuschalten, und wenn das nicht auf den normalen Wegen geschehen kann, dann eben auf dem außerordentlichen Weg, und dieser ist der Weg der Vorwegbewilligung. Er ist der Versuch, das Parlament möglichst rechtzeitig einzuschalten.
Wir haben mit dem Parlament heute früh über diesen Weg gesprochen. Die Mehrheit der Mitglieder des Haushaltsausschusses hat diesen Weg als richtig anerkannt, weil sie in der Lage sind, ihre Fraktionen bis zum letzten Mitglied restlos und vollständig zu unterrichten und, wenn wirklich Bedenken bestünden, diese in ihren Fraktionen zur Sprache zu bringen.
Ich darf wohl annehmen, wenn die Mehrheit des Haushaltsausschusses keinen Zwang sieht, bei ihren Fraktionen Bedenken zu erheben, daß dann die Mehrheit dieses Hohen Hauses dem Vorgehen des Bundesfinanzministers auch die Billigung ausgesprochen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu den aufgerufenen Einzelplänen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst abstimmen über Einzelplan 04. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist der Einzelplan 04 angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 14. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, die der Herr Abgeordnete Ritzel vorhin begründet hat. Der eine lautet — er ist im Hause nicht verteilt, deshalb darf ich ihn noch einmal vorlesen —:
1. In Kap. 1401 Tit. 301, „Zur Verfügung des Bundesministers für Verteidigung für außerordentliche und unvorhergesehene Ausgaben, die sich aus den Besonderheiten seines Aufgabengebietes ergeben", erhält der Zusatz zum Zweckbestimmungsvermerk folgende Fassung:
Die Jahresrechnung über die Ausgabe dieses Titels unterliegt der Prüfung durch drei beauftragte Mitglieder des Haushaltsausschusses und durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.
Das ist der erste Antrag, über ,den ich jetzt abstimmen lasse. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag zu 1 ist abgelehnt.
Es folgt der Änderungsantrag zum gleichen Einzelplan 14 unter 2.:
2. In Kap. 1401 wird der Titel 968, „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen", gestrichen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt!
Damit komme ich zur Abstimmung über den Einzelplan 14, wie vorgeschlagen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen!
Ich rufe Einzelplan 35 zur Abstimmung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen!
Ich rufe Einzelplan 60 zur Abstimmung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen!
Ich rufe nunmehr auf § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes, die Sie auf
der ersten Innenseite der Drucksache 2553 finden. Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen!
Damit ist die zweite Lesung beendet. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Da Änderungsanträge zur dritten Beratung nicht vorliegen, komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, der erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen mit Mehrheit verabschiedet!
Ich rufe nunmehr auf Punkt 3 der heutigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesleistungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksachen 2492, zu 2492, Umdrucke 720, 732, 738, 757, 735).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Schriftliche Bericht*) über die Beratungen des Ausschusses über den Entwurf des Bundesleistungsgesetzes dem Hohen Hause ausführlich Aufschluß gibt, darf ich mich auf diesen Bericht im einzelnen beziehen.
Wenn der Ausschuß noch vor den Sommerferien seine Arbeit abschließen konnte, so ist das der unermüdlichen Arbeit aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt dem Arbeitseifer der Damen und Herren des Ausschusses und dem der Vertreter der beteiligten Ministerien zu danken, die immer wieder bemüht waren, den Wünschen und Intentionen der Ausschüsse gerecht zu werden, um zu einer Verbesserung der Regierungsvorlage im Sinne der Beratungen bei der ersten Lesung des Gesetzes zu kommen.
Bei der Schnelligkeit der Beratungen und bei dem schnellen Abschluß der Ausschußberatung sind noch einige Fragen offengeblieben, und es waren noch Verdeutlichungen erforderlich, die Sie in dem Umdruck 732 als Änderungsantrag aller Fraktionen des Hohen Hauses finden. Ich darf im einzelnen kurz darauf hinweisen.
Der Antrag unter Ziffer 1 ist eine Ergänzung, die von dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Hauses gewünscht war und die den Wünschen dieses Ausschusses voll und ganz Rechnung trägt.
Die Ergänzungen zu § 7, § 31 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und § 61 Abs. 2 sind erforderlich geworden, weil die ausländischen Streitkräfte von der Regelung des Gesetzes in der Frage Leistungsempfänger und Bedarfsträger ausgenommen werden sollen. Hier soll ermöglicht werden, daß der Bund als Bedarfs-
*) Siehe Anlage 17.
träger für den Bedarf der ausländischen Streitkräfte auftritt und daß sich in dem Verfahren vor den Anforderungsbehörden die deutschen Stellen als Beteiligte gegenüberstehen. Ich darf im einzelnen auf die entsprechenden Anträge verweisen.
In der Bestimmung, in der die Verzugszinsen für den Bund vorgesehen sind, wenn die Zahlungen nicht rechtzeitig erfolgen, war ebenfalls noch eine Ergänzung im Interesse der Betroffenen erforderlich.
Die Änderungen in § 47 und in § 86 entsprechen einem Wunsch, der aus dem Hause geäußert worden ist im Hinblick darauf, daß die Verwaltungsgerichtsordnung noch nicht verabschiedet ist.
Die Änderung in § 85 a Abs. 2 geht darauf zurück, daß von allen Fraktionen des Hauses die Beschlagnahme der Wohnungen über einen so langen Zeitraum von zwei Jahren hinaus nicht mehr für tragbar gehalten wurde. In dem interfraktionellen Antrag ist nunmehr diese Frist auf neun Monate beschränkt.
Die Fassung des § 85 d ist eine Besitzstandsklausel für den Fall, daß Einzelbestimmungen noch eine günstigere Regelung bei den bisherigen Beschlagnahmungen vorsehen.
Schließlich ergab sich noch eine Änderung im Inkrafttreten des Gesetzes, die sich aus der Verzögerung der zweiten und dritten Beratung ergibt.
Ich darf dem Hohen Hause im Namen des Ausschusses die Annahme empfehlen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Einzelberatung der zweiten Lesung ein. Ich rufe auf § 1, — § 2. — Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Einzelberatung und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen 1 und 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 3. Dazu liegt ein Änderungsantrag vor auf Umdruck 732 *) unter Ziffer 1. Wer begründet ihn?
Wird das Wort zu dem Änderungsantrag noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Wer dem so abgeänderten § 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 4, — § 5, - § 6. Zu § 4 liegt der Änderungsantrag Umdruck 735 vor, allerdings erst für die dritte Beratung. Ich brauche also diesen Umdruck jetzt nicht aufzurufen. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zu den aufgerufenen Paragraphen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den auf-
*) Siehe Anlage 18.
gerufenen Paragraphen in der zweiten Lesung in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 7 mit dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 2 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Wer dem § 7 in der nunmehrigen Fassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 8, — § 9 entfällt —, § 10, — § 11,
—§12,—§13,—§14,—§15,—§16—§17,§ 18, — § 19, — § 20, — § 21, — § 22, — § 23. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 24 mit dem Antrag Umdruck 757*). Soll der Antrag begründet werden? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dannn schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 757 zuzustimmen wünscht,
halte das Handzeichen. gen Das e erste war die E
Mehrheit; der
Antrag Umdruck 757 ist angenommen. Damit ist § 24 in einer neuen Fassung in der zweiten Lesung verabschiedet.
Ich rufe auf die §§ 25, — 26, — 27, — 28, — 29. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Mit Mehrheit angenommen.
§ 30 entfällt.
Ich rufe auf § 31 mit Umdruck 732**) Ziffer 3. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!
Wer dem so abgeänderten § 31 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Nunmehr rufe ich auf § 31 a, dazu Änderungsanträge auf Umdruck 732 Ziffer 4, 732 Ziffer 5 und 732 Ziffer 6. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung, zuerst über den Änderungsantrag
*) Siehe Anlage 20. **) Siehe Anlage 18.
Umdruck 732 Ziffer 4; oder kann ich über die drei
Änderungsanträge gemeinsam abstimmen lassen?
— Das Haus ist damit einverstanden. Ich lasse also über die Änderungsanträge Umdruck 732 Ziffern 4, 5 und 6 abstimmen. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer dem dadurch geänderten § 31 a zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 32, — 33, — 34, — 35, — 36,
— und 37. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 38; dazu Umdruck 732 Ziffer 7. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Wer dem so geänderten § 38 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 39, — 40, — 41, — 42, — 43, - 44, — 45 und 46. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den soeben aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 47 mit Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 8. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer den nunmehr so geänderten § 47 annehmen möchte, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen! — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 48, — 48 a, — 49, — 50, — 51, — 52, — 55 und 56. Die §§ 53 und 54 entfallen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 56 a mit Umdruck 738 *). Wer begründet? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 738 bezweckt, im § 56 a Satz 1 die Worte „vor den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit" durch die Worte „vor den ordentlichen Gerichten" zu ersetzen. Hierdurch soll der Text des Gesetzes an die Terminologie des Grundgesetzes angepaßt werden. Das Grundgesetz erwähnt in den Artikeln 14 und 96 die ordentliche Gerichtsbarkeit. Es hat im Art. 96
*) Siehe Anlage 19.
die ordentliche Gerichtsbarkeit den Spezialgerichtsbarkeiten der Verwaltung-, der Finanz-, der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit gegenübergestellt. Zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gehört die Tätigkeit der Zivilgerichtsbarkeit, der Strafgerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der bisherige Gesetzestext hat sich nunmehr nicht an die Terminologie des Grundgesetzes angeschlossen, sondern hat an Stelle des Ausdrucks „ordentliche Gerichtsbarkeit" das Wort „Zivilgerichtsbarkeit" verwendet. Durch die Annahme einer neuen Terminologie würde die Gefahr einer Zersplitterung unseres Rechtswesens entstehen. Auch ein anderes Gesetz, das Landbeschaffungsgesetz, verwendet leider den Ausdruck „Zivilgerichte" an Stelle des Ausdrucks „ordentliche Gerichte", während — das muß mit großem Lob festgestellt werden — das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz in § 102 den zutreffenden Ausdruck verwendet und von den ordentlichen Gerichten spricht.
Warum bestehen nun Bedenken gegen die Verwendung der Ausdrücke „Zivilgericht" und „Zivilgerichtsbarkeit"? Wir haben zur Zeit auf der Grundlage des Grundgesetzes neben der Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesdisziplinargerichts fünf Zweige der Gerichtsbarkeit: die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Spezialgerichtsbarkeit der Finanz, der Verwaltung, für Sozialfragen und für Arbeit. Würden wir entsprechend dem jetzigen Gesetzestext die Zivilgerichtsbarkeit als einen besonderen Zweig der Gerichtsbarkeit anerkennen, so würden wir diese fünf Zweige um weitere drei Zweige vermehren, nämlich um die Zivilgerichtsbarkeit, die Strafgerichtsbarkeit und die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Wir wünschen aber etwas ganz Entgegengesetztes. Wir wünschen auf der Grundlage des Grundgesetzes und unter Beibehaltung der bestehenden Spezialgerichtsbarkeit immer und immer wieder an die Einheit des Rechtes zu appellieren, und diese Einheit des Rechtes erfordert, daß wir die ordentliche Gerichtsbarkeit, verteilt auf die Zivilgerichte, die Strafgerichte und die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, als einen einheitlichen Zweig behandeln.
Aus diesem Grunde bitten wir, dem Antrag, der von Mitgliedern verschiedener Parteien gestellt worden ist, zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich mit der Anregung des Rechtsausschusses, der mitberatend war, beschäftigt. Wir sind einstimmig zu einer Ablehnung der Wünsche des Rechtsausschusses gekommen unter dem Gesichtspunkt, daß man im Sinne einer Fortentwicklung unserer Gerichtsbarkeit heute nicht mehr von der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zu der Sondergerichtsbarkeit sprechen kann und daß man mit einer besseren Terminologie von der Zivilgerichtsbarkeit sprechen sollte. Ich glaube, Herr Kollege Kopf, die zukünftige Entwicklung wird dahingehen, daß man in späteren Gesetzen — und man sollte damit endlich einmal anfangen — von der Zivilgerichtsbarkeit spricht.
Wir glauben es deshalb — und ich glaube das auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen des
Ausschusses sagen zu können — bei der Fassung, die der Ausschuß beschlossen hat, belassen zu sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Kopf!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die wir in vorgerückter Stunde angeschnitten haben, hat nicht nur sprachliche und terminologische, sondern auch grundsätzliche Bedeutung. So sehr ich geneigt bin, überall für Argumente, die vorgetragen werden, auch für die Argumente des Herrn Kollegen Schmitt, Verständnis zu haben, halte ich diese Entwicklung aus den Gründen, die ich dargelegt habe, für bedenklich. Wenn der althergebrachte Ausdruck ordentliche Gerichtsbarkeit verwendet wird, den auch das Grundgesetz enthält, so ist damit keineswegs eine Minderbewertung der Spezialgerichtsbarkeiten für Arbeit, für soziale Fragen, für Verwaltung und für die Finanzen ausgedrückt. Eine solche Vorstellung wäre ebenso abwegig, wie wenn man beispielsweise den Terminus freiwillige Gerichtsbarkeit in Gegensatz zu einer unfreiwilligen Gerichtsbarkeit stellen wollte und wenn man aus dem Terminus Sozialgerichtsbarkeit folgern wollte, es gebe andere Arten von Gerichtsbarkeit, die nicht sozial seien. Was wir möchten und was wir wünschen, was auch im letzten Jahr auf dem Juristentag von namhaften Juristen zum Ausdruck gebracht worden ist, ist, die Auflösung unseres Rechts und die Aufgliederung unseres Verfahrensrechts in allzu viele Zweige zu vermeiden und immer und immer wieder an die gemeinsamen Ideen sowohl des materiellen Rechts wie des Verfahrensrechts zu erinnern. Von diesem Gesichtspunkt aus ist nun einmal die ordentliche Gerichtsbarkeit des Grundgesetzes eine Einheit, bestehend aus drei Zweigen. Ich bitte daher, dem Antrag stattzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 738 *) zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen. Wer nunmehr dem so geänderten § 56 a zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 57, — 58, — 59, — 60. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 61, dazu Umdruck 732**) Ziffer 9. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 9 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Wer dem so geänderten § 61 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegen-
*) Siehe Anlage 19. **) Siehe Anlage 18.
probe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 62, — 63, — 64, — 65, — 65 a. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 66 mit Umdruck 732 Ziffer 10. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Umdruck 732 Ziffer 10 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Einstimmig angenommen.
Wer nunnmehr dem so geänderten § 66 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? --- Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 67, — 68, — 69, — 70, — 71,
— 72, — 73, — 74, — 75, — 76, — 77 und 78. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 79 mit Umdruck 732 Ziffer 11. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 732 Ziffer 11 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer dem nunmehr so geänderten § 79 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf die §§ 80, — 81, — 82, - 83 und 84. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
§ 85 entfällt.
Ich rufe auf § 85 a, dazu Umdruck 732 Ziffer 12. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 12 zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer nunmehr dem § 85 a in der so bestimmten Fassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen. Der andere Änderungsantrag zu diesem Paragraphen ist inzwischen zurückgenommen*).
Ich rufe auf § 85 b und § 85 c. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
*) Siehe Anlage 21.
Ich rufe auf § 85 d, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 732 Ziffer 13. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 13 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit erübrigt sich eine weitere Abstimmung, dennn soviel ich sehe — ich bitte mich zu berichtigen, Herr Berichterstatter, wenn ich mich irren sollte —, ist damit eine vollständige Neufassung des § 85 d hergestellt.
— Gut.
Dann rufe ich auf den § 85 e. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 85 e zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 85 f mit dem Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 14. Ich' eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?— Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 732 Ziffer 14 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
Wer dem geänderten § 85 f zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 86 und § 86 a. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Wer den aufgerufenen beiden Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 15, einen § 86 b mit dem dort angeführten Wortlaut einzufügen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 15 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen. Damit ist § 86 b in der zweiten Lesung eingefügt.
Ich rufe nunmehr § 87 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wüncht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 88 mit dem Antrag auf Umdruck 732 Ziffer 16. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck '732 Ziffer 16 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen. Damit ist wohl auch der § 88 in der zweiten Beratung endgültig formuliert; eine weitere Abstimmung erübrigt sich.
Ich rufe nunmehr auf Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Damit meine Damen und Herren, sind wir am Ende der zweiten Beratung des Gesetzes angelangt.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich rufe auf § 4 mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 735 *). Wer begründet? — Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt!
Herr Präsident! meine Damen und Herren! Ziffer 1 des Änderungsantrags betrifft die Streichung des Wortes „anerkannte". Hierdurch wird der Inhalt der Bestimmung nicht geändert. Wir schlagen die Änderung deshalb vor, weil es eine Stelle, die eine amtliche Anerkennung für Gewerkschaften und Arbeiterverbände ausspricht, nicht gibt. Das Wort ist deshalb überflüssig.
Den Antrag unter Ziffer 2 hatten wir gestellt, weil uns der Text unklar zu sein schien. Es ist auf den ersten Blick nicht klar, was gemeint ist mit „Kirchen, anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften sowie deren Verbänden". Es gibt Verbände von Kirchen, insbesondere im Bereich der evangelischen Kirche, die etwa Zusammenschlüsse von Kirchen darstellen. Es können auch gemeint sein Verbände von Gemeinden oder Verbände, die organisatorisch in die Kirchen eingegliedert sind. Es können auch die Verbände gemeint sein, die — in Wesensäußerung der Kirchen und der Religionsgemeinschaften — kirchliche Aufgaben erfüllen. Der Antrag sollte klarstellen, daß „Kirchen und deren Verbände" nicht in dem engen Sinne, etwa in dem Sinne von Verbänden von Kirchen, gemeint ist. Inzwischen haben wir über die Frage noch einmal mit den Vertretern der Sozialdemokratischen Partei verhandelt und sind uns darüber einig geworden, daß unter „Verbänden der Kirchen und Religionsgesellschaften" auch die verbandsmäßige
B) Arbeit gemeint ist, die kirchliche Aufgaben erfüllt. Mit dieser Klarstellung, über die unter den Fraktionen Einigkeit besteht, scheint uns der Antrag erledigt zu sein. Wir ziehen ihn deshalb zurück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Den Änderungsantrag unter Ziffer 2; Ziffer 1 bleibt aufrechterhalten.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gegewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 735 Ziffer 1 in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer dem nunmehr abgeänderten § 4 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Weitere Änderungsanträge zur dritten Beratung liegen nicht vor. Ich komme deshalb zur Schlußabstimmung. — Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion habe ich zur Schlußabstimmung über das Bundesleistungsgesetz folgendes zu erklären:
Die SPD-Fraktion anerkennt dankbar die Unterstützung aller Fraktionen des Hohen Hauses bei ihren Bemühungen, in den Ausschußberatungen den Entwurf des Bundesleistungsgesetzes in eine rechtsstaatlich vertretbare und brauchbare Form zu bringen. Wenn die SPD-Fraktion aber heute das
*) Siehe Anlage 22. Gesetz in seiner Gesamtheit ablehnt, so hat das folgende Gründe.
Erstens. Inhalt und Begründung des Gesetzes zeigen, daß das Gesetz ein Folgegesetz der von der Mehrheit des Hauses gebilligten Pariser Verträge ist. Wir sehen uns aber nicht in der Lage, durch dieses Gesetz der Vertragspolitik und ihren Folgen im innerdeutschen Recht zuzustimmen, weil wir nach wie vor diese Politik ablehnen.
Zweitens. Auswirkungen und Tragweite dieses Gesetzes hängen entscheidend von dem zur Zeit in Beratung stehenden Stationierungsvertrag zwischen den NATO-Mächten und der Bundesrepublik ab.
Die SPD-Fraktion hat bereits am 12. April auf die Versäumnisse der Bundesregierung bei der Aufnahme der Beratungen hingewiesen, die erst im Oktober 1955 begonnen haben. Alles das, was uns bisher über diese Verhandlungen bekanntgeworden ist, deutet darauf hin, daß diese Verhandlungen sowohl in der Frage der deutschen Gleichberechtigung als auch in der Frage deutscher Leistungen neue weitgehende Zugeständnisse der Bundesregierung bringen, die selbstverständlich dann zu Leistungen führen können, deren Inhalt und Umfang nicht übersehbar sind, die aber durch das Bundesleistungsgesetz in Anspruch genommen werden können.
Drittens. Wesentlicher Bestandteil des Gesetzes sind die Übergangsbestimmungen, die vor allem hinsichtlich der Inanspruchnahme von Wohnungen und Liegenschaften nicht den Vorstellungen und Wünschen der SPD-Fraktion und der tatsächlichen Lage gerecht werden. Wir dürfen uns hier darauf beziehen, daß auch der Bundesrat und die Mehrheit des Bundestages es nicht für vertretbar gehalten haben, die Liegenschaften und die Wohnungen noch so lange in Anspruch zu nehmen. Bei der Lage der Bauwirtschaft und bei der finanziellen Lage des Bundes wäre es möglich gewesen, diesen Fragenkomplex früher zu bereinigen. Die Verantwortung hierfür müssen wir der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien überlassen.
Aus all diesen Gründen muß die SPD-Fraktion in der dritten Lesung das Gesetz ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe noch Ziffer 2 des Ausschußantrages auf, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit ist das Gesetz verabschiedet.
Es wurde mir mitgeteilt, daß interfraktionell vereinbart ist, jetzt mit den Beratungen abzubrechen mit der Maßgabe, daß die nichterledigten Teile der heutigen Tagesordnung der bereits festgesetzten Tagesordnung für morgen folgen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Beratungen. Ich berufe die nächste, die 159. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 6. Juli 1956, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.