Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 151. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Heute vormittag ging eine schreckliche Nachricht durch die Presse.
Es war daraus zu erfahren, daß ein Flugzeug über
dem Atlantischen Ozean abgestürzt ist und 74 Per-
sonen dabei das Leben verloren haben. Wir wollen der Opfer der Raserei, in der sich unser modernes Leben verzehrt, in Anteilnahme gedenken. Dabei soll es uns vollkommen gleichgültig sein, welcher Nationalität die Opfer angehört haben: Menschen sind umgekommen, und darum trauern wir. — Ich danke Ihnen.
Ich habe zunächst bekanntzugeben, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Fragestunde vom 28. Juni auf den 27. Juni vorverlegt worden ist.
Die Amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Herr Bundesminister für Atomfragen hat unter dem 19. Juni 1956 die Kleine Anfrage 248 der Fraktion der FDP betreffend Britisch-deutsche Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke — Drucksache 2352 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2525 verfielfältigt.
Wir fahren fort in der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Drucksache 1900);
Berichte des Haushaltsausschusses (Drucksachen 2450 bis 2480) .
und beginnen zunächst mit den Abstimmungen über Änderungsanträge zu
Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts .
Dann werden die Beratungen über die Einzelpläne 01, 02 und 03 folgen. Nach Erledigung von Einzelplan 03 werde ich Einzelplan 06 aufrufen und dann in der Reihenfolge fortfahren.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann, der vor der Abstimmung zu Einzelplan 05 zum Hause sprechen möchte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Antrag Umdruck 682*) gestern erst zu später Nachtstunde verteilt wurde, kann das Bundesfinanzministerium erst jetzt ganz kurz dazu Stellung nehmen.
Ich darf mitteilen, daß der Herr Außenminister Herrn Minister Schäffer davon unterrichtet hat, daß auch nach des Herrn Außenministers Ansicht das Auswärtige Amt im laufenden Haushaltsjahr für diesen Ansatz nicht mehr als 20 Millionen DM wird ausgeben können. Das sei der höchste Betrag, über den in diesem Jahr überhaupt verfügt werden könne. Ich möchte deshalb den Umdruck 682 als einen praktikablen Mittelweg ansehen. Es hat keinen Zweck, einen höheren Betrag in den Haushalt einzusetzen, als verausgabt werden kann. Dadurch wird auch die ohnedies schwierige Deckungsfrage erleichtert werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht darüber diskutieren, ob es formal recht und möglich war, daß der Herr Staatssekretär auf diese Weise die Diskussion wieder eröffnet hat. Aber in der Sache ist das ganz
*) Siehe Anlage 15 zur 150. Sitzung.
unerhört. Wir haben gestern - darüber waren sehr viele von uns nicht gerade glücklich - gegen 8 Uhr beschlossen, die Diskussion über diesen Punkt zu Ende zu führen und am nächsten Morgen darüber abzustimmen. Das hieß natürlich, daß gestern abend die Diskussion auch geschlossen war. Ich hätte gestern abend genauso gern, wie der Herr Staatssekretär das jetzt für sich in Anspruch nahm, zu dem Umdruck 682 das Wort ergriffen. Das hat man sich verkniffen, weil es zu spät war, und das war gut so.
Nachdem aber nun die Debatte von gestern abend wieder aufgenommen worden ist, muß ich sagen, daß ich erstaunt und befremdet bin über die soeben gehörten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs, daß man zu später Nachtstunde oder über Nacht — ich weiß nicht, wann die Regierung abends nach 10 Uhr noch getagt hat — festgestellt hat, daß keine 50 Millionen DM ausgegeben werden können, während vorher zwei Ausschüsse, der Auswärtige Ausschuß und der Außenhandelsausschuß, also die Ausschüsse, die aus ihrer Aufgabe heraus laufend mit dem Auswärtigen Amt und mit dem Minister für Äußeres zu verhandeln haben, festgestellt haben, daß die in dem interfraktionellen Antrag — der von Mitgliedern aller Parteien dieses Hauses unterzeichnet wurde — beantragten 50 Millionen DM ein angemessener, politisch notwendiger und finanziell vertretbarer Vorschlag sind. Wenn heute nacht das Kabinett noch getagt bzw. genächtigt hat
oder wenn das Auswärtige Amt zwischen gestern nacht 10 Uhr und heute morgen 9 Uhr noch so tiefe Erkenntnisse gehabt hat, daß nicht 50 Millionen DM, sondern 20 Millionen DM die richtige Summe seien, dann bewundere ich zwar diesen Arbeitseifer; aber im ganzen ist das einfach unglaubwürdig.
— Herr Kunze, glauben Sie denn, das Auswärtige Amt habe zwischen gestern abend um 10 Uhr und heute morgen um 9 Uhr so tiefe Forschungen angestellt, daß nicht 50, sondern 20 Millionen DM die richtige Summe seien? Wenn mir das glaubhaft versichert wird, will ich es zwar gern zur Kenntnis nehmen; es ist dennoch nicht sehr wahrscheinlich, daß heute nacht das Auswärtige Amt durch neue Überlegungen zu völlig anderen Ergebnissen gekommen ist. Erst lautete der Vorschlag auf 50 Millionen DM. Dann wurden im Haushaltsausschuß von den Herren, die jetzt den Antrag auf Umdruck 682 vorlegen, 3'/2 Millionen DM vorgeschlagen. Das, muß ich sagen, war überhaupt keine Summe; dann sollte man sagen, man ist gegen die Sache. Darauf ist dieser Antrag vertreten und uns gegen 9 Uhr am Abend von den Herren Kollegen Vogel und Conring ein neuer Vorschlag unterbreitet worden. Diese Methode ist doch ein armseliges Feilschen um eine wichtige, große politische Angelegenheit,
und das verdirbt im Grunde alles. Bei dieser Aufgabe der Hilfe für wirtschaftlich unterentwickelte Gebiete kommt es darauf an, die deutsche Bereitwilligkeit zu beweisen, die deutsche Fähigkeit wirtschaftlicher und politischer Art in die internationale Zusammenarbeit einzureihen. Wenn man darüber hökert und feilscht, wird der ganze Eindruck ver-
saut, und man sollte uns offen sagen, man ist gegen diese Politik internationaler Zusammenarbeit. Dann hat man die Basis für eine Auseinandersetzung. Auf dieser Basis bin ich bereit, hier zu diskutieren. Aber hier herumzuhökern ist, meine ich, dieser Aufgabe nicht angemessen.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion war gestern abend abgegeschlossen;
sie ist durch die Intervention der Regierung wieder eröffnet.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Kalbitzer hat bereits auf den sachlichen Inhalt dieses Antrags hingewiesen. Aber wenn die Regierung hier Glaubwürdigkeit dafür beansprucht, daß in diesem Rechnungsjahr 1956 nicht die in dem Umdruck 629 — einem interfraktionellen Antrag — verlangten 50 Millionen DM ausgegeben werden können, sondern nur 20 Millionen DM, so kann ja die Probe aufs Exempel gemacht werden, und zwar in der Form, daß wir dem Antrag aller Fraktionen, die den Umdruck 629 eingebracht haben, mit 50 Millionen DM zustimmen und zusätzlich erklären — das erhebe ich hiermit zum Antrag -: Die Mittel sind übertragbar. Dann haben wir in diesem Jahr den Betrag von 50 Millionen DM im Haushalt. Soweit er nicht verkraftet werden kann — das wird die Regierung zu gegebener Zeit nachzuweisen haben, und darüber werden wir uns in den Ausschüssen unterhalten —, steht er für diesen politisch und sachlich ungeheuer wichtigen Zweck im nächsten Jahr zur Verfügung. Ich beantrage also hiermit namens meiner Fraktion, den Ansatz von 50 Millionen DM in Umdruck 629 für den Fall seiner Bewilligung als übertragbar zu erklären.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verwahre mich schärfstens dagegen, daß hier von Verhökerung gesprochen wird,
wenn wir uns ernstlich Mühe geben, das Geld der Steuerzahler einigermaßen sinnvoll anzulegen.
Ich möchte nur das eine dazu sagen: wenn das dafür zuständige Ressort — das hatte es bereits vorher erklärt — entgegen einem Antrag, der in seiner Höhe eine willkürliche Summe nennt, erklärt, es könne nicht mehr als 20 Millionen DM verkraften, sollte man das respektieren. Wir haben uns immer darauf geeinigt, in den Haushalt nur das hineinzubringen, was tatsächlich von den Ressorts gebraucht wird, und nicht das, was von anderer Seite gewünscht wird.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe und Gelassenheit. — Das Wort hat der Abgeordnete Leverkuehn.
Meine Damen und Herren! Ich muß mich gegen den Ausdruck verwahren, daß die drei Ausschüsse, die sich mit dieser Angelegenheit beschäftigt haben, einen völlig willkürlichen Ansatz gemacht hätten.
Diese Kritik von seiten des Haushaltsausschusses halte ich nicht für angebracht.
— Sie ist bestimmt nicht angebracht, verehrter Herr Kollege! Wenn Sie die Ausschußberatungen, über die wir hier ja noch einmal sprechen werden, mitgemacht hätten, würden Sie wissen, daß das bisherige Umgehen mit den Mitteln für fremde Länder nicht zu verantworten ist.
Es ist der Kollege Vogel gewesen, der gestern hier die Probleme Argentinien und Türkei angesprochen hat. In Argentinien — das hat Herr Vogel gestern schon ausgeführt — bleiben wir mit 700 Millionen bis zu einer Milliarde hängen,
in einem Lande, das nach Feststellungen seines ersten Wirtschaftssachverständigen, Prebisch, in zehn Jahren seine Produktivität um 3.5 % gehoben hat. Genau das ist es, was wir nicht wollen: Geld in Länder stecken, deren Entwicklung nicht gehoben wird durch das, was unsere Wirtschaft dort hineinsteckt.
Herr Kollege Vogel hat dann auf die Türkei exemplifiziert. Da, meine Damen und Herren, haben wir das Beispiel, das ich gestern angesprochen habe. Die Türkei hat eine Agrarreform durchgeführt, die für die Größenverhältnisse des Landes viel zu schnell gegangen ist. Das ist der wirtschaftliche Faktor. Die Türkei hat aber 22 Divisionen auf den Beinen, und die Mechanisierung dieser Armee ist zu kostspielig gewesen. Das ist eine Sache der NATO-Staaten. Darüber, wie die Gelder geordnet werden sollten, die wir dahin geben, werden wir sprechen müssen.
In Argentinien müssen wir uns gefallen lassen, daß wir als Gläubigerland aus den Verhandlungen praktisch ausgeschlossen werden und die anderen uns die Bedingungen diktieren, unter denen unser Geld — das Geld der Steuerzahler, meine Damen und Herren! — zehn Jahre dort stehen bleiben muß zu 2 1/2 oder 3 1/2 %. So etwas zu verhindern ist genau das, was dieser Antrag bezweckt. Die Bundesregierung soll nunmehr Mittel in die Hand bekommen, mit deren Hilfe sie selber Pläne entwickeln kann, die etwas Derartiges in Zukunft unmöglich machen.
Ich unterstütze deswegen den Antrag des Kollegen Ritzel.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Haushaltsausschuß gegenüber dem Kollegen Leverkuehn in Schutz nehmen. Er hat mit dieser Kritik des Herrn Kollegen
Vogel nichts zu tun; das ist eine ganz individuelle Angelegenheit des Kollegen Vogel und vielleicht einiger anderer Kollegen. Der Haushaltsausschuß möchte also nicht mit dieser Haltung identifiziert werden, soweit er als ein Kollektivindividuum — wenn ich diesen widerspruchsvollen Begriff hier verwenden darf — in dieser Beratung überhaupt eine Rolle spielt.
Aber eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, Herr Kollege Vogel. Wenn Sie sagen, wir seien immer nach dem Grundsatz verfahren, daß nur das veranschlagt werde, was verbraucht werden könne, mein lieber Kollege Vogel, dann ist der Wehrhaushalt eine einzige Widerlegung Ihrer Behauptung!
Wird das Wort noch weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, nachdem soeben über die Umdrucke 629 und 682 diskutiert worden ist, schlage ich vor, hierüber zuerst abzustimmen. Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 629* zu Kapitel 05 01 mit der Ergänzung, die der Kollege Ritzel beantragt hat: Die Mittel sind übertragbar. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Meine Damen und Herren, ich muß Sie bitten, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Damit wird der Antrag Umdruck 682 **) gegenstandslos; er wird zurückgezogen.
Wir stimmen nunmehr in folgender Reihenfolge ab: zuerst über Umdruck 658 Ziffer 1, dann Umdruck 635 Ziffer 1, dann Umdruck 658 Ziffer 2, dann Umdruck 635 Ziffer 2, dann Umdruck 661 Ziffer 1 und Ziffer 2. Besteht Klarheit über die Reihenfolge der Abstimmung? —
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 658 Ziffer 1 ***). Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 635 Ziffer 1 ****). Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 658 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 635 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! —
Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 10 der 150. Sitzung. **) Siehe Anlage 15 der 150. Sitzung. ***) Siehe Anlage 13 der 150. Sitzung. ****) Siehe Anlage 11 der 150. Sitzung.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 661 Ziffer 1 *). Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 661 Ziffer 2. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über den Antrag Umdruck 635 Ziffer 3. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zum Antrag Umdruck 637 **); das ist der Antrag, den die Frau Abgeordnete Hütter gestern begründet hat. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt gegen einige Stimmen und bei zahlreichen Enthaltungen.
Wir stimmen nunmehr ab über den Einzelplan 05 im ganzen. Wer dem Einzelplan 05 in der jetzigen Fassung zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 05 ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 01, Bundespräsident und Bundespräsidialamt .
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch als Berichterstatterin.
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Haushalt des Herrn Bundespräsidenten ist wie im Vorjahr nahezu unverändert. Das einzige, worauf ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die Mehrausgabe für die Aufwendungen für den Personalgutachterausschuß. Es ist dies aber nur ein durchlaufender Posten in Höhe von zirka 1 Million DM; der Betrag wird aus dem Verteidigungshaushalt zurückerstattet, weil diese Kosten im Zusammenhang mit Verteidigungsaufgaben entstehen.
Ich bitte, der Vorlage mit der Abänderung zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wortmeldungen und Anträge liegen nicht vor, eine allgemeine Aussprache wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan im ganzen. Wer dem Einzelplan 01 im ganzen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme bei einer Enthaltung fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 02, Deutscher Bundestag .
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor. Zunächst wollen wir den Bericht der Frau Berichterstatterin entgegennehmen. Ich erteile der Frau Abgeordneten Rösch das Wort zur Berichterstattung.
*) Siehe Anlage 14 der 150. Sitzung. **) Siehe Anlage 12 der 150. Sitzung.
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Drucksache 2451 ist etwas umfangreicher als die übrigen Mündlichen Berichte. Gestatten Sie mir deshalb, Ihnen dazu einige Ausführungen zu machen.
Der Vorstand des Deutschen Bundestages hat erst nach Drucklegung des allgemeinen Haushaltsplans den Haushalt 02 für den Deutschen Bundestag festgestellt; deshalb ist die gesamte Aufstellung des Haushaltsplanes erst in dem Mündlichen Bericht enthalten.
Der Zuschußbedarf beträgt in diesem Jahr 26,9 Millionen DM, gegenüber 25,2 Millionen DM im letzten Jahr.
Die Personalausgaben sind um etwa 300 000 DM erhöht. Einige neue Beamtenstellen wurden in der Abteilung III notwendig, eine Angestelltenstelle in der Abteilung II wurde in eine Beamtenstelle umgewandelt. Auch bei den Angestelltenstellen im Tit. 104 haben wir einen Mehrbedarf; mehrere Arbeiter sind ins Angestelltenverhältnis übergeführt worden, einige Sekretärinnenstellen mußten neu eingerichtet werden. Der Bedarf ist ja nachgewiesen durch die mannigfachen Notstände, die jeder Abgeordnete empfindet, wenn er eine Sekretärin benötigt.
Außerdem ist neu in diesem Einzelplan 02, daß der Haushaltsplan für die deutsche Vertretung in der Beratenden Versammlung des Europarats und der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — bisher Einzelplan 49 — nunmehr in den Einzelplan 02 übernommen ist. Auch dadurch ergeben sich einige Erhöhungen.
Die Sachausgaben sind geringfügig erhöht, ebenfalls die Allgemeinen Ausgaben. Die Erhöhung der Allgemeinen Ausgaben ist im wesentlichen bedingt durch die Mehrausgaben bei Tit. 301, die durch die Neubildung einer Fraktion und die Erhöhung der Zuschüsse für wissenschaftliche Mitarbeiter der Fraktionen entstanden sind.
Die Einführung von Jugendgruppen in die Arbeit des Parlaments wurde für so wichtig erachtet, daß wir auch in diesem Jahr den Betrag noch einmal um 50 000 DM erhöht haben.
Im Gesamten ersehen Sie die Abrechnung aus dem Einzelplan 02, wie er Ihnen in der Drucksache 2451 vorliegt.
Ich bitte Sie, dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe zunächst auf den Änderungsantrag auf Umdruck 633*). Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Meine Herren und Damen! Der Bundestag hat in seiner vorigen Sitzungsperiode im Jahre 1952 der wandernden Jugend und den jugendlichen Gästen unseres Parlaments 800 000 DM für den Neubau einer Jugendherberge bewilligt, die oben auf dem Venusberg in Bonn gebaut wurde. Diese 800 000 DM haben nicht ausgereicht, weil sich der Baubeginn um fast drei Jahre verspätete und weil durch die Erhöhung der Baukosten sowie durch die Verteuerung der Funda*) Siehe Anlage 3.
mentierung, die nicht so vorgesehen war, aber auch durch Änderungen zugunsten der Wirtschaftlichkeit dieses großen Hauses höhere Kosten entstanden sind. Diese Mehrkosten betragen ca. 300 000 DM: Sie sind damit nicht ganz, aber zum größten Teil abgedeckt.
Wir haben deshalb den Antrag gestellt, daß man in Ergänzung der ersten Bewilligung des Bundestages in Höhe von 800 000 DM nun die restlichen nötigen 300 000 DM ebenfalls aus dem Etat des Bundestags bewilligt. Dieser Bewilligung ist vom Vorstand des Bundestages wie auch vom Ausschuß für Jugendfragen einstimmig zugestimmt worden. Der Haushaltsausschuß hat — mutmaßlich in Unkenntnis dessen, was vorhergegangen war — diese 300 000 DM vom Etat des Bundestags gestrichen und dafür plädiert, diesen Betrag aus Mitteln des Bundesjugendplans zu nehmen.
Meine Herren und Damen, ich glaube, es wäre nicht gut, wenn wir aus den Mitteln, die wir einmal für andere Zwecke der Jugend bereitgestellt haben, nun 300 000 DM entnähmen, um ein Haus zu bauen, daß wir der Jugend schenken wollen. Ich glaube, daß der Bundestag wirklich einen sehr guten Schritt damit getan hat, daß er dieses Geschenk an die wandernde Jugend und an die jugendlichen Gäste unseres Bundeshauses in dieser Form gegeben hat. Es ist auch deshalb ganz besonders anerkannt worden, weil es ein besonders schönes Haus geworden ist. In diesem Haus übernachten zur Zeit fast 80 % als Gäste des Bundestages, und ich glaube, wir sollten bei dem Beschluß des 1. Bundestages verbleiben und auch diese 300 000 DM aus unserem Etat entnehmen, um damit zu demonstrieren, daß wir auch der Jugend in Bonn ein gastliches Haus geben wollen.
Ich bitte Sie also, unserem Antrag zuzustimmen, diese 300 000 DM Mehrkosten dem Bundestagsetat zu entnehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Vorschlag zustimmen, der hier gerade von Frau Keilhack vorgetragen wurde. Aber ich möchte persönlich sagen, ich glaube, man hätte bei dem Bau der Jugendherberge auf dem Venusberg in Bonn etwas mehr nach Zweckmäßigkeitsgrundsätzen verfahren sollen. Ich würde Ihnen empfehlen, sich diese Jugendherberge einmal anzusehen. Ich muß Ihnen sagen, mit der technischen Ausgestaltung und mit der Bauausführung kann man keinesfalls zufrieden sein. Es wäre besser gewesen, hier etwas mehr alte Erfahrungen beim Bau von Jugendherbergen zu berücksichtigen. Dann hätte für das Geld etwas Besseres geschaffen werden können, und es hätte dort mehr jungen Menschen eine Bleibe geboten werden können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich rufe auf den Antrag auf Umdruck 632*). Meine Damen und Herren, die Fraktionen, die diesen Antrag unterzeichnet haben, haben den Präsidenten gebeten, den Antrag dem Hause bekanntzugeben und es auf diese Weise überflüssig zu
*) Siehe Anlage 2.
machen, daß er von der einen oder anderen Fraktion des Hauses begründet wird, und vielleicht auch, um überflüssig zu machen, daß sich darüber eine Diskussion entspinnt.
Gestatten Sie mir nur — ich weiß, daß dies ein Novum in der Handhabung unserer Geschäftsordnung ist — einige kurze Angaben zu machen. Es leben heute noch in Frankreich etwa 10 000 jüdische Emigranten, die deutsche Staatsbürger gewesen sind. Von diesen sind 70 % über 60 Jahre alt, 65 % sind krank, die meisten davon tuberkulös, 30 % sind auf Unterstützung angewiesen und haben niemand, der sie unterstützen könnte. Wer sich den Film angesehen hat, der vorgestern hier gezeigt wurde und aus dem zu ersehen ist, wie diese Menschen leben müssen, dem brauche ich nicht mehr zu sagen. Es handelt sich bei dem Antrag darum, den Betrag von 1 Million DM zur Verfügung zu stellen, um einen Teil der Kosten zu bestreiten, die die Erstellung eines Wohnheimes für diese Menschen erfordern wird. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es sich hier um nichts anderes handelt als um die Erfüllung einer Ehrenpflicht des deutschen Volkes und die Begleichung einer Ehrenschuld, die auf uns lastet.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Ich wiederhole: es handelt sich um den Umdruck 632*). Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich glaube, daß diese Abstimmung in den Annalen des Bundestages mit Ehre vermerkt werden kann.
Ich eröffne nunmehr die allgemeine Aussprache zum Einzelplan 02. Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan, der jetzt zur Beratung steht, ist ein Plan unter den vielen, die wir in dieser arbeitsreichen Woche in der zweiten Lesung verabschieden sollen. Und doch ist er nach seinem Inhalt ein besonderer; er handelt nämlich von unserem eigenen Hause, einem Hause mit so vielverzweigten Einrichtungen, die den meisten von Ihnen — das ist kein Tadel, sondern nur eine Feststellung — nur zum Teil bekannt sind. Mit einer Reihe anderer Kollegen aus diesem Hause, aus dem Vorstand des Bundestages, wurde mir, ich möchte fast sagen, eine undankbare Aufgabe gestellt. Durch eine sechsjährige Tätigkeit wurde uns eine besondere Einsicht zuteil, und durch die Aufgabe des Vorstandes, die Räume dieses Bundestages zu verteilen, sind wir nicht nur mit dem letzten Winkel dieses Hauses vertraut geworden, sondern auch mit den Menschen, die in diesen Räumen arbeiten und ihre Aufgaben für diesen Deutschen Bundestag zu erfüllen haben. Die Arbeitsfähigkeit dieses Hauses hängt von diesen Menschen ab, über deren Schicksal und deren Lebensmöglichkeiten auch in diesem Etat entschieden wird. Es mag sein, daß hier und da eine Klage auftaucht, aber im großen und ganzen, in der Gesamtschau gesehen, glaube ich feststellen zu müssen — und damit soll mein Bericht beginnen —, daß wir allen diesen braven und fleißigen Helfern und Mitarbeitern Dank schulden. Diesen Dank und die Anerkennung
*) Siehe Anlage 2. möchte ich — ich glaube, das im Namen des ganzen Hauses tun zu können — allen Helfern und Mitarbeitern an dieser Stelle aussprechen.
Darunter meine ich nicht zuletzt auch die vielen kleinen Rädchen in diesem Getriebe oder, wenn ich das in beamtenrechtliche Grundsätze umsetzen darf: die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes und die vergleichbaren Angestellten und Arbeiter, die wenig bemerkt, aber mit einem Bienenfleiß für unsere Arbeitsfähigkeit sorgen.
Wenn wir ihnen den Dank aussprechen, dann sollten wir das nicht nur mit Worten tun, sondern wir sollten den Dank auch durch Taten beweisen, und zwar durch Geduld und Einsicht und auch durch das Vermeiden von vermeidbaren Belastungen. Ich will mich in dieser Hinsicht nicht deutlicher aussprechen. Man könnte manches dazu sagen, was in diesem Hause an Arbeit zu vermeiden wäre. Das betrifft besonders die Inanspruchnahme der in der Abteilung II Beschäftigten. Man kann natürlich geteilter Meinung darüber sein, was vermeidbare Arbeit ist.
Auch bei unserem Zeitplan und bei den Beanspruchungen sollten wir immer daran denken, daß es auch eine Grenze der Belastung gibt. Wenn wir uns das Krankheitsbild in unserem Haus ansehen, so erblicken wir nicht nur im Augenblick, sondern auch hinsichtlich der Dauererkrankungen ein erschütterndes Bild. Es kann uns dabei kein Trost sein, daß wir bei Nachforschungen auch in den anderen Ministerien festgestellt haben, daß solche Krankheitserscheinungen mehr und mehr, ja fast als Berufskrankheiten auftreten. Wir müssen hier doppelte Fürsorge betreiben und mit gutem Beispiel vorangehen.
Zum Wort des Dankes gehört auch der Hinweis darauf, daß es in diesem Hause eine Reihe von Arbeitern und Angestellten gibt, die heute noch, gemessen an den Lebenshaltungskosten, nicht entsprechend bezahlt werden. Es ist nicht unsere Schuld. Aber içh appelliere hier an das Finanzministerium, an das wir mehrfach in dieser Frage mit der Bitte herangetreten sind, noch einmal eine Überprüfung vorzunehmen, wie wir qualifizierte Arbeiter, die über unsere technischen Einrichtungen wachen — jene technischen Einrichtungen, die wir in eigener Verantwortung hier betreuen und die von ungeheurer Wichtigkeit nicht nur für die Betriebsfähigkeit, sondern auch für die Sicherheit dieses Hauses sind —, durch eine Einstufung in höhere Lohnstufen diesem Hause erhalten können. Ich spreche aus aktuellem Anlaß, weil wir schon eine ganze Reihe von diesen Arbeitern verloren haben, die bessere Stellungen annehmen konnten.
Nicht zuletzt müssen wir aus sozialen Gründen, bevor wir auf uns selbst zu sprechen kommen, daran denken, daß es auch da Zustände gibt, die abgestellt werden müssen. Ich meine damit die Betreuung, die außerhalb des Dienstes notwendig ist. Ich denke an die kurze Mittagszeit unserer Arbeiter und Angestellten und an die Zustände im Kleinen Restaurant dieses Hauses, die unerträglich geworden sind, unerträglich vor allem wegen des Platzmangels. Heute drängen sich in dieser kleinen Kantine in der kurzen Mittagszeit das ganze Presse- und Informationsamt und ein großer Teil
des Verteidigungsministeriums. Wo bleiben dann diejenigen, die für uns arbeiten? Sollen die in aller Hast und Eile das Essen hinunterschlucken, um dann wieder zu einer schweren Arbeit zurückzukehren? Auch in Preis und Qualität sind hier Anstände anzumelden, die ernster Untersuchungen wert sind, Untersuchungen, die unbedingt noch in diesem Jahr zu einem befriedigenden Abschluß geführt werden müssen. Diese Anlässe mögen oft in menschlicher Unzulänglichkeit liegen. Aber es ist auch vielfach festgestellt worden, daß es begründete Klagen sind. Diese müssen mit aller Entschiedenheit verfolgt und ihre Ursachen müssen beseitigt werden.
Gerade heute sind mir wieder Klagen über die zweite Möglichkeit, die sogenannte Fahrerkantine in der Gronau, zugekommen. Auch dort mehren sich die Klagen, auch dort wird ein energisches Eingreifen notwendig sein. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich an diese außerdienstliche Betreuung zuerst gedacht habe, weil sie unsere Helfer und Mitarbeiter betrifft.
Ich muß nun auch einige Worte darüber sagen, wie es um uns selbst steht. Sie wissen, daß seit der Zeit, da dieser Bundestag, der erste und der zweite, in diesem Hause lebt und arbeitet, die Beschwerden über unser Großes Restaurant nicht abreißen.
Klage folgte auf Klage. Sie wurden zum Teil untersucht, zum Teil als begründet, zum Teil als unbegründet empfunden. Aber im großen und ganzen bestehen diese Unzulänglichkeiten.
Es muß in diesem Hause ausgesprochen werden, daß hier die Gewichte nicht falsch verteilt werden dürfen. Die heutige Lösung, die seit 1953 besteht, beruht auf einem Vertrag mit einem Unternehmer. Dieser Vertrag berechtigt den derzeitigen Unternehmer zu den Maßnahmen, die er heute in Ausübung seiner Funktion uns gegenüber trifft. Er berechtigt ihn aber nicht — um das mit aller Entschiedenheit zu sagen -, über diese Vertragsbestimmungen hinauszugehen. Das ist keine Beschwerde. Ich muß hier feststellen, daß dieser Vertrag noch bis zum Jahre 1960 läuft und dann noch weiteredrei Jahre eine Optionsfrist besteht.
Wir werden also alle Ursache haben, im Vorstand des Bundestages den Herrn Präsidenten zu unterstützen, damit diese Zustände geändert werden.
Über die Maßnahmen, die hier möglich sind, will ich nicht sprechen, ich möchte Ihnen aber als Mitglied des Vorstandes sagen, daß wir uns mit dieser Frage ernsthaft beschäftigen und daß hier gleich nach den Sommerferien durchgegriffen werden muß.
Der Abschluß von Verträgen ist nach unserer Geschäftsordnung ausschließlich dem Herrn Präsidenten vorbehalten. Ich möchte hier eindeutig sagen: wir können die Gewichte nur richtig verteilen und die Aufgabe nur erfüllen, wenn uns der Herr Präsident diese Aufgabe überträgt.
Ich möchte nun darum bitten — ich weiß nicht, ob Sie meiner Bitte aus innerem Drang heraus folgen können —, daß wir heute auf die Einzelheiten dieser Restaurantgeschichte nicht eingehen. Es bedarf einer Körperschaft, die sich um diese Dinge kümmert und an die alle Beschwerden gerichtet werden müssen. Es entspricht nicht dem Ansehen und der Würde des Hauses — das ist meine unmaßgebliche Meinung —, hier über diese Frage zu sprechen und sich mit Kleinigkeiten zu befassen.
Von den vielen Unzulänglichkeiten möchte ich noch die Raumnot in diesem Hause erwähnen. Sie hat ihren Ursprung in dem Begriff des Provisoriums, in dem wir leben. Man muß sich nur fragen, ob es noch ein Provisorium in Bonn ist und wie lange es noch das Provisorium Bonn geben wird. Ich denke daran, daß eine Reihe von Dienststellen und Ministerien die Frage der Raumnot großzügig gelöst haben. Man braucht nur vom „Haus der 1000 Fenster" auszugehen und auf der Hardthöhe bei Bonn zu landen.
Wir müssen auch daran denken, daß wir in diesem Hause ein Wahlgesetz verabschiedet haben, das es trotz entsprechender Änderungsanträge bei der alten Zahl der Abgeordneten belassen hat. Ich muß diesem Hause — dazu fühle ich mich verantwortlich — mitteilen, daß nach diesem Beschluß der Raum nicht ausreicht. Auch hier will ich nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern nur einige Zahlen nennen. Es sieht folgendermaßen aus. Wir haben eine Reihe von neuen Aufgaben hinzubekommen. Das Haus hat aus sachlichen Gründen neue Ausschüsse geschaffen. Für diese Ausschüsse braucht man neue Räume, man braucht Räume für die Vorsitzenden, man braucht Räume für Sekretärinnen und Assistenten. Wir haben aus sachlichen und wichtigen Gründen den Fraktionen wissenschaftliche Mitarbeiter zugebilligt, 18 an der Zahl. Das bedeutet einen Mehrbedarf von 27 Räumen, die nicht vorhanden waren, als dieser Beschluß gefaßt wurde.
Wir haben keine ausreichenden Ausschußsitzungszimmer. Man ist immer wieder an uns mit der Klage herangetreten, daß die Ausschußsitzungszimmer nicht genügend groß seien und das Personal, die Assistenten, weder in personeller noch in materieller Hinsicht entsprechend untergebracht sei. Es fehlen also eine ganze Reihe von Sitzungsräumen, an großen Sitzungsräumen zumindest vier. Das ist eine schier unlösbare Aufgabe.
Ich will hier keinen Antrag stellen oder von mir aus irgendwie eine Anregung geben, muß aber pflichtgemäß dem Hause diese Mitteilung machen, damit alle einmal sehen, wie wir in diesem Hause beengt sind. Eine Änderung dieses Zustandes gehört auch zu einem erträglichen Arbeitsklima.
Noch einige Einzelheiten. Der Block VI, die sogenannte Pressebaracke — es wurde schon gestern bei der Debatte erwähnt — muß geräumt werden, zumindest innerhalb dieses einen Jahres. Dort haben wir noch eine wichtige Abteilung des Hauses, nämlich die technische Abteilung, und auch einige Abgeordnetenzimmer untergebracht. Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß die angemessene räumliche Unterbringung und die damit verbundene entsprechende Arbeitsmöglichkeit auch u einem erträglichen Arbeitsklima dieses Hauses gehören. Das ist eine Aufgabe der Fürsorge für alle die, die in diesem Hause arbeiten.
Ich möchte mich auf diese Hinweise beschränken und nur noch eins sagen. Ich sprach vorhin davon, daß das Haus neue Ausschüsse gebildet hat. Ich kenne einen Antrag, in dem ein Mitglied dieses Hauses sogar einen neuen Ausschuß für die Angelegenheiten dieses Hauses beantragt hat. Es
mußte darauf hingewiesen werden, daß ein solcher Ausschuß seit sieben Jahren besteht. Das ist nämlich der Vorstand dieses Bundestages, der oft ein bißchen über die Achsel angesehen wird. Dieser hat für alle diese Dinge zu sorgen. Seine Möglichkeiten reichen zwar nicht immer aus, aber sie sind so weit, daß hier vieles vorbereitet, vieles abgestellt werden kann.
Ich muß noch einmal mit einem Satz auf die unglückselige Restaurantgeschichte — kleine Kantine, Fahrerkantine und großes Restaurant — zu sprechen kommen. Vieles wird nur im Wege des Verhandelns und des Ausgleichs, soweit nicht böser Wille vorliegt, zu machen sein; insoweit ist eine Korrektur von menschlichen Unzulänglichkeiten notwendig und möglich. Was wir aber alle miteinander können, ist, alle diese Dinge des inneren Betriebes dieses Hauses vertrauensvoll an den Vorstand heranzutragen.
Zum Schluß noch ein Wort über den Etat selbst, ein Wort, das von dieser Stelle ausgesprochen werden muß. wenn dieser Rechnungsvoranschlag für das neue Jahr beraten und beschlossen wird. Der Etat des Bundestages nimmt eine Sonderstellung ein. Schon seine Aufstellung geht ganz anders als in den anderen Bundesbehörden vor sich. Bereits hier wirkt nämlich der Vorstand des Deutschen Bundestages laut Geschäftsordnung entscheidend mit. Diese Vorentscheidungen liegen also im parlamentarischen Raum. Warum ich das sage? Nur deswegen, weil einmal vor aller Öffentlichkeit gesagt werden muß, daß gerade in unseren eigenen Angelegenheiten alle Belange und Notwendigkeiten vom ersten Tage an sehr genau überprüft werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Vorstand des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung, die vorgestern, am Dienstag, stattfand, sich eingehend mit der Notlage in den Verpflegungsstätten unserer Mitarbeiter, der Angestellten und Arbeiter dieses Hauses befaßt. Ich möchte auch von mir aus und von dieser Stelle an das Bundesfinanzministerium die herzliche und dringende Bitte richten, so rasch als möglich dafür besorgt zu sein, daß die Dienststellen, die zur Zeit die Kantine, die unserem Personal vorbehalten sein sollte, mitbenützen, eine andere Gelegenheit zur Verpflegung bekommen, damit bei uns wieder Raum für das Einnehmen der Mahlzeiten unserer Mitarbeiter geschaffen wird.
Ich möchte die Angelegenheit des BundestagsRestaurants hier selbstverständlich nicht vertiefen. Ich möchte nur von mir aus sagen: Wenn es ein Bestandteil des Vertrages ist, daß dieses Restaurant in eine bestimmte Güteklasse eingeordnet ist und diese Güteklasse sich in den Preisen manifestiert, dann können wir wohl von uns aus als Partner dieses Vertrages verlangen, daß diese Güteklasse sich auch in der Qualität der Speisen ausdrückt.
Zu einem Vertrag gehören immer zwei. Dieser Vertrag muß dann auch von beiden Seiten eingehalten werden.
Es ist von dem Provisorium Bonn gesprochen worden. Wir sind uns alle dessen bewußt, daß es sich hier um ein Provisorium handelt. Aber ich glaube, Vorstand und Verwaltung des Deutschen Bundestages haben trotzdem die Pflicht, immer dafür zu sorgen, daß die Arbeitsfähigkeit dieses Hauses gefördert und nicht eingeschränkt wird. Deshalb müssen wir eben so weit als nötig Raum schaffen, damit unsere Ausschüsse und wir selber in der Durchführung unserer Aufgaben nicht behindert sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Anliegen komme, möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß der Haushaltsausschuß so viel Verständnis für die Bedürfnisse des wissenschaftlichen Hilfsdienstes gezeigt hat. Das hat mich und einige Kollegen aus den Fraktionen der FDP, der SPD und des BHE veranlaßt, unseren Änderungsantrag, den wir hierzu gestellt hatten und der auf dasselbe Ziel ging, zurückzuziehen.
Zu diesem Einzelplan zu sprechen, veranlassen mich aber zwei besondere Vorfälle der letzten Tage. Das eine ist die höchst bedauerliche Entgleisung, die sich der Herr Bundesinnenminister gestern geleistet hat. Er hat es für richtig gehalten, Kritik am Präsidenten dieses Hauses zu üben. Ich möchte nicht weiter gegen den Herrn Bundesinnenminister polemisieren. Ich habe ihm vorhin, bevor er weggehen mußte, gesagt, daß ich mich dazu äußern würde. Seine Äußerung wurde vom amtierenden Präsidenten in würdiger Form zurückgewiesen, und das Haus schuldet dem Herrn Präsidenten hierfür Dank.
Ich möchte mir nur die Bemerkung erlauben: es wäre wünschenswert, daß unsere Minister nicht nur gegenüber höflichen Hinweisen unseres Präsidenten eine solche Empfindlichkeit an den Tag legten, sondern auch gegenüber weit weniger höflichen Anschnauzern ihres Chefs.
Das Bedauerliche an dem Vorfall aber und was mich veranlaßt, es im Rahmen des Haushalts des Bundestages zu sagen, ist, daß diese Äußerung des Herrn Innenministers, die ich als Einzelfall betrachte — wir schätzen den Herrn Innenminister ja alle —, auch noch aus großen Teilen dieses Hauses mit Applaus bedacht wurde. Das scheint mir kein guter Stil zu sein.
Das zweite, was mich veranlaßt, hier zu sprechen, ist das böse Bild, das durch einen Teil der Presse ging, von den leeren Bänken in diesem Hause. Dazu ist dreierlei zu sagen. Einmal: Man muß die Sache auf das richtige Maß zurückführen.
Wir wisesn alle, daß es so, wie es hier geschildert wurde, in Wirklichkeit damals nicht war und auch sonst noch nicht war. Wir wissen, in keinem Parlament der Welt ist es zu verhindern, daß ein Haus oft schlecht besetzt ist. Ich habe das in Washington gesehen, wo zwei Redner vor fast leerem Hause debattierten, allerdings über eine lokal begrenzte Angelegenheit. Vor einigen Wochen bekam ich am selben Tage zwei Briefe. In dem einen wurde gefragt, warum an einem bestimmten Sitzungstage
die Fraktion der FDP und auch die anderen Fraktionen im Saal so schlecht vertreten gewesen seien. In dem anderen Brief wurde gefragt, warum an einem anderen Sitzungstage eine Schülergruppe aus Stuttgart zwar von einem Kollegen der CDU und von der SPD betreut worden sei, nicht aber von einem Kollegen meiner Fraktion. Dem ersten Anfrager mußte ich antworten: Die Fraktion war schlecht vertreten, weil viele Besuchergruppen betreut werden mußten; dem zweiten Anfrager mußte ich antworten: Die Besuchergruppe konnte nicht betreut werden, weil die Fraktion im Plenum sein mußte. Also, wie soll man es machen?
Das zweite — das ist nun wirklich ein Mißstand, an dem wir selbst schuld sind —: Die Ursache für die leeren Bänke scheint mir darin zu liegen, daß hier der Paragraph der Geschäftsordnung nicht durchgeführt wird, der bestimmt, daß in freier Rede zu sprechen ist.
Es ist nicht verwunderlich, wenn viele Kollegen keine Lust haben, sich hier lange Abhandlungen vorlesen zu lassen.
Das dritte — das ist nun der Hauptgrund für die schlechte Besetzung des Plenums — ist einfach die Überlastung dieses Hauses mit Gesetzen. Ich denke dabei an Gesetzentwürfe wie den zum Kupfernen Sonntag. Wir haben festgestellt, daß wir darüber fast so lange diskutiert haben wie über den Beitritt der Bundesrepublik zur NATO. Ich denke an das Ladenschlußgesetz, das, so wichtig es ist, meiner Ansicht nach nicht in den Bundestag gehört, sondern in den Gemeinden und allerhöchstens in den Ländern geregelt werden könnte. Es gibt noch mehrere solcher Gesetze, bei denen dann stets der sehr geschätzte Kollege Kleindinst als Mentor gesetzgeberischer Sauberkeit und Klarheit sein Veto einlegt. Aber es gibt leider auch Gesetze, wo ich die Stimme des Kollegen Kleindinst vermisse. Da gibt es zwei Kategorien: Zu der einen zählen die schlechten Gesetze, denen man von vornherein ansieht, daß sie Ergänzungs-, Anpassungs- und Schlußgesetze nach sich ziehen.
Ich glaube, ich brauche hier Roß und Reiter nicht zu nennen. Das andere sind Gesetze, die man, wenn ich mich etwas salopp ausdrücken darf, als Stachanow-Gesetze bezeichnen könnte,
mit denen wir das von der Bundesregierung übernommene Soll gegenüber dem Ausland, vor allem gegenüber den USA, erfüllen müssen.
Weshalb stecken wir denn in diesen drei Wochen vor den Ferien in der Malaise, daß wir fast jeden Tag von morgens bis abends, womöglich auch noch am Samstag, tagen müssen? Ein Zustand, der es einem Abgeordneten unmöglich macht, sich mit den Drucksachen vertraut zu machen, so daß er gar nichts davon hat, wenn er im Plenum sitzt. Mit dem Ohr kann er folgen, aber nicht mit dem Verstand, weil er vorher nicht wissen kann, um was es sich dreht. Woran liegt das? Es liegt doch daran, daß wir mit aller Gewalt das Wehrpflichtgesetz noch verabschieden müssen, obwohl das nur zum Zwecke einer Demonstration erfolgt.
Mit diesem Gesetz allein kann kein Soldat eingezogen werden. Wenn wir die beiden Tage, die wir für das Wehrpflichtgesetz vorgesehen haben, frei hätten, dann brauchte man uns nicht bei der Beratung des Haushalts zu sagen: Faßt Euch kurz und macht schnell! Das ist eine sehr üble Sache. Gerade der Haushalt sollte so gründlich wie möglich diskutiert werden. Es ist ein trauriger Zustand, wenn die Haushaltsberatungen unter dem Druck solcher anderer Dinge beschnitten und damit das Hauptrecht und die Hauptpflicht des Parlaments eingeschränkt werden.
Ich glaube also, daß wir an diesem Zustand der häufig leeren Bänke in manchem selber schuld sind und daß wir Mittel und Wege finden könnten, das zu ändern. Es liegt nicht nur daran, daß Ausschüsse tagen — das Tagen der Ausschüsse ist auch nur darauf zurückzuführen, daß die als so dringlich angesehenen Gesetze noch durchgepaukt werden sollen —, sondern es liegt auch an den Dingen, die zu kritisieren ich mir erlaubt habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Kollegen Bucher veranlassen mich, zu der Arbeit des Deutschen Bundestages ein paar kurze Bemerkungen zu machen. Die Bezeichnung „Stachanow-Arbeit" ist verdrießlich.
Der Haushalt wird in diesem Hause in so kurzer Zeit beraten, daß es überhaupt nicht zu verantworten ist.
Ich habe, nachdem der Ältestenrat festgelegt hatte, daß der Haushalt am Mittwoch und Donnerstag. notfalls am Freitagnachmittag in zweiter Beratung behandelt werden sollte, folgendes feststellen lassen. Ich habe einmal sorgfältig nachprüfen lassen, wieviel Zeit in willkürlich herausgegriffenen Jahren der frühere Reichstag für die Haushaltsberatungen im Plenum aufgewendet hat. Das Ergebnis trage ich Ihnen vor.
1913: Erste Beratung fünf Sitzungen zu vier bis fünf Stunden; zweite Beratung 37 Sitzungen zu fünf bis sechs Stunden; dritte Beratung zwei Sitzungen zu sechs Stunden.
— Nicht so happig, kommt schon!
Herr Horlacher, Herr Gülich spricht nicht von Bayern.
Ich komme zu den Haushaltsberatungen der Weimarer Republik. 1927: Erste Beratung drei Sitzungstage zu sechs Stunden; zweite Beratung 30 Sitzungstage zu fünf bis sechs Stunden;
dritte Beratung zwei Sitzungstage zu sechs Stunden.
— Je sechs Stunden, selbstverständlich!
1929: Erste Beratung zwei Sitzungstage zu sechs bis sieben Stunden; zweite Beratung 29 Sitzungstage zu vier bis fünf Stunden;
dritte Beratung zwei Sitzungstage zu je drei Stunden.
— Sie fragen, Herr Kollege Conring, ob das vorbildlich sei. Natürlich ist das vorbildlich.
— Ich will es Ihnen sagen. Wir tagen in einer solchen Hetze — zwischen dem Abschluß der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß und dem Beginn der zweiten Beratung im Plenum liegt eine Woche —, daß nicht einmal der technische Apparat in der Lage ist, alle Drucksachen richtig herzustellen,
daß die Abgeordneten nicht einmal in der Lage sind, sorgfältig vorbereitete Schriftliche Berichte dem Hause einzureichen, so daß in den meisten Fällen nicht auf mündliche Berichterstattung verzichtet werden kann, daß man, nachdem man abends um 10 Uhr hier aufhört, bei der Flut der Drucksachen und Umdrucke kaum in der Lage ist, seinen Kram für die am nächsten Morgen um 9 Uhr beginnende Sitzung vorzubereiten. Dadurch haben wir einen Zustand der Unordnung, der nicht verantwortet werden kann.
Das wollte ich zum Ausdruck bringen. Wir haben nicht nur Tagessitzungen im Haushaltsausschuß. Wir haben auch Abendsitzungen — z. B. am Montag wieder von 20 bis 23 oder 24 Uhr — des Rechnungsprüfungsausschusses.
Natürlich sollte das Plenum sich beschränken und sich auf wesentliche Dinge konzentrieren. Dann würde auch das Haus besser gefüllt sein. Aber ich glaube, die Länge der Sitzungen, die Nachtsitzungen und alies andere trägt mit dazu bei, daß die Reden nicht so konzentriert gehalten werden können, wie sie gehalten werden sollten. Jedenfalls meine ich, daß wir gut daran tun, in die Weimarer Republik und in andere Parlamente zu schauen, wie dort die Haushaltsberatungen mit Sorgfalt vorgenommen wurden und werden, und daß wir hier nicht unter Druck gesetzt werden sollten, die Haushaltsberatungen schnell, wie man neuerdings sagt, über die Bühne gehen zu lassen. Dieser Ausdruck „über die Bühne gehen lassen" zeigt j a schon, wie man eigentlich die Beratungen im Plenum einschätzt. Dies ist keine Bühne, über die etwas geht, kein Schauspiel, kein Spektakel, sondern die Tribüne des Volkes, von der die Volksvertreter miteinander öffentlich beraten sollen. Wenn man bedenkt, daß der öffentliche Haushalt heute 40 und mehr Prozent des gesamten Sozialprodukts umfaßt, dann wird die Forderung, die ich eben ausspreche, um so dringlicher.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir müssen zunächst abstimmen über Umdruck 633*), über den noch nicht abgestimmt worden ist. Es handelt sich um den Umdruck, in dem die Mehrkosten für den Bau einer Jugendherberge in Bonn verlangt werden. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen angenommen.
Umdruck 632 ist schon angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan im ganzen. Wer Einzelplan 02 im ganzen zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enhaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf:
Einzelplan 03, Bundesrat .
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schild .
Hier sind Änderungsanträge nicht angekündigt. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen unmittelbar zur Schlußabstimmung. Wer dem Einzelplan 03 zustimmen will, möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Die Einzelpläne 04 und 05 sind schon erledigt. Ich rufe auf:
Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern .
Hierzu liegen eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor, die ich der Reihe nach, und zwar der Sachlogik nach, aufrufen werde.
— Gewiß! Ich habe mir erlaubt, zunächst das Haus darauf hinzuweisen, wie ich zu verfahren gedenke. Berichterstatter in dieser Angelegenheit sind die beiden Kollegen Niederalt und Dr. Willeke. Das Wort zur Berichterstattung hat zunächst der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Zeitknappheit, unter der jetzt auch schon die Etatberatungen leiden, scheint es mir richtig und wichtig, wenigstens in großen Zügen die Haushaltsentwicklung des Einzelplans 06, des Bereichs des Bundesinnenministeriums, anzudeuten. Ich beginne mit der Gesamtsumme der Ausgaben, die im Haushaltsjahr 1956 473 124 100 DM beträgt. Das sind gut 9 Millionen mehr als im Haushaltsjahr 1955. Meine Damen und Herren, es wäre trügerisch, wollten Sie aus dieser relativ kleinen Differenz zum Vorjahr etwa entnehmen, daß das Anwachsen der öffentlichen Ausgaben im Bereich der inneren Verwaltung zum Stillstand gekommen wäre. Der günstige Abschluß in diesem Jahr ist nur auf die einmalige Übergangsregelung zurückzuführen, die in diesem Jahr beim Kapitel Bundesgrenzschutz eine Einsparung von rund 100 Millionen ausmacht und eine einmalige Einnahme von 30 Millionen bringt.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.
Bei der Übersicht über die einzelnen Kapitel, über die ich zu berichten habe, kann zunächst zum Kap. 06 01, dem Bundesinnenministerium selbst, erfreulicherweise festgestellt werden, daß hier im großen und ganzen eine finanzielle Ausweitung nicht stattgefunden hat. Das gilt auch .für den Personalstand. Eine im Regierungsentwurf vorgesehene und gewünschte, an sich unbedeutende Personalvermehrung wurde vom Haushaltsausschuß abgelehnt. Der Personalstand des Bundesinnenministeriums bleibt deshalb 1956 der gleiche wie im Jahre 1955. Die Zusammenstellung der Beschlüsse des Haushaltsausschusses in der Ihnen vorliegenden Drucksache 2455 weist zwar eine Herabsetzung des Peronalbestandes um fünf Stellen aus. Diese Verminderung ist aber bereits im Nachtragshaushalt 1955 beschlossen worden und muß jetzt nur aus technischen Gründen noch nachgetragen werden.
Leider kann — um bei der Entwicklung des Personalstandes zu bleiben — der gleiche Stillstand in der Personalbewegung beim Ministerium selbst nicht bei den ihm nachgeordneten Behörden festgestellt werden. So ist beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln eine Erhöhung des Personalbestandes um 31 Angestellte und vier Arbeiter vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat der Mehrforderung entsprochen, nachdem dieser zusätzliche Personalbedarf eingehend begründet worden war.
Eine ganz außerordentlich hohe Personalvermehrung, nämlich um 107 Beamte, soll beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden eintreten. Der von der Regierung vorgelegte Haushaltsentwurf sah hier zunächst einen Zugang von 27 Beamten und einem Angestellten vor. Um Klarheit über den tatsächlichen Stellenbedarf zu erhalten, war der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung um ein Gutachten gebeten worden. Dieses Gutachten kam gerade noch rechtzeitig zu den Beratungen im Haushaltsausschuß und wurde für manche Mitglieder des Ausschusses, die in dem Gutachten gern einen Bundesgenossen für die Zurückdrängung der Personalwünsche gesehen hätten, eine herbe und bittere Enttäuschung. Der Haushaltsausschuß hat trotzdem den Standpunkt vertreten, daß die von dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung erstellten Gutachten, auch wenn sie, wie im vorliegenden Fall, nicht zu den gewünschten Einsparungen führen, zu beachten sind. So kam es zu der Ihnen vorliegenden Personalerhöhung um 107 Beamte, die einen Mehrbetrag allein in der Personalabteilung dieser Dienststelle von 917 000 DM jährlich ausmacht, abgesehen von der dadurch bedingten Erhöhung verschiedener sachlicher Titel. Es bleibt ein schwacher Trost, daß die Zahl der Angestellten sich um eine Stelle und die der Arbeiter um zwei Stellen verringert.
Eine relativ geringfügige Personalerhöhung wurde vom Haushaltsausschuß auch für die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk genehmigt. Der Mehrbetrag dient hier im wesentlichen dem weiteren Ausbau des Technischen Hilfswerkes, das sich bei seinen Einsätzen in Katastrophenfällen ausgezeichnet bewährt hat.
Auch bei Kap. 06 33, Bundesdienststelle für die Anerkennnung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg, ist eine Personalvermehrung um elf Angestellte und einen Arbeiter festzustellen. Es hat sich als notwendig erwiesen, einen weiteren Anerkennungs- und Beschwerdeausschuß zu bilden, um dadurch das Überprüfungsverfahren zu beschleunigen.
Nach diesem kursorischen Überblick über die Kapitel, bei denen mehr die personelle Seite im Vordergrund steht, darf ich noch einige Kapitel erwähnen, bei denen die Sachausgaben besonders ins Gewicht fallen. Da ist zunächst das Kap. 06 20, nämlich die Mittel für die allgemeinen Bewilligungen für Zwecke des zivilen Luftschutzes, anzuführen. Die Gesamtausgabe beträgt 64 100 000 DM. In dieser Summe sind enthalten der Betrag von 1,2 Millionen DM für Forschung, Entwicklung und Aufklärung auf dem Gebiete des Luftschutzes und der Betrag von 4,4 Millionen, Zuschüsse an zentrale Hilfsorganisationen für Mitwirkung im zivilen Luftschutz. Der Restbetrag in Höhe von 58,5 Millionen DM ist nur der dritte Teil der Gesamtsumme, die im Haushaltsjahr 1956 zur Durchführung des Luftschutzprogrammes der Bundesregierung notwendig ist. Die übrigen zwei Drittel sollen bekanntlich von den Ländern und den Gemeinden aufgebracht werden. Um jedes Präjudiz in dieser Hinsicht auszuschließen, hält es der Haushaltsausschuß für richtig, die Vorbemerkung durch den Hinweis zu ergänzen, daß die endgültigen Verteilungsquoten im Gesetz über die Maßnahmen auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes festgelegt werden.
Zu dem Betrag für allgemeine Bewilligungen für Zwecke des zivilen Luftschutzes in Höhe von 64,1 Millionen DM treten aber noch weitere Ausgaben, die mittelbar oder unmittelbar dem Luftschutz dienen. Es sind dies die in Kap. 06 21 veranschlagten Kosten des Luftschutzwarndienstes in Höhe von 22 230 000 DM und der Zuschußbetrag für die Bundesanstalt für zivilen Luftschutz in Bad Godesberg in Höhe von 1 616 400 DM.
Das Kap. 06 24, Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder, erfordert in diesem Jahr einen Zuschußbetrag von 10 793 600 DM, gegenüber dem Vorjahr um 4 294 000 DM mehr. Der Mehrbetrag gegenüber dem Vorjahr ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß in diesem Haushaltsjahr erstmalig die Ersatzbeschaffungen mit veranschlagt sind, während bisher nur die Ergänzung für die Erstausstattung der Bereitschaftspolizeien der Länder im Bundeshaushalt vorgesehen war.
Die Bundeszentrale für Heimatdienst, Kap. 06 35, hat auch in diesem Jahr wiederum eine nicht unerhebliche Verstärkung ihrer Mittel erfahren. Für Sachausgaben der Bundeszentrale wurden gegenüber 5,3 Millionen DM im Vorjahr in diesem Haushalt 6 Millionen DM veranschlagt, um der Bundeszentrale die Möglichkeit zu geben, ihre von allen Seiten als gut anerkannte Arbeit noch zu intensivieren. Entsprechend wurden auch die Mittel für die Personalausgaben etwas verstärkt.
Abschließend muß ich noch auf das Kap. 06 25, den Bundesgrenzschutz, etwas näher eingehen. Die Beratung hierüber stand im Schatten der auch heute noch nicht zu übersehenden Auswirkungen des Zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes. Dieses Gesetz sieht bekanntlich vor, daß die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr übergeführt werden, soweit sie dies selbst wollen. Es sieht weiter vor, daß der Bundesgrenzschutz als Institution erhalten bleibt. Die Schwierigkeit für die Festlegung der Ansätze im Haushaltsplan bestand darin, daß von keiner Seite, weder vom Bundesinnenministerium noch vom Bundesverteidigungsministerium auch nur mit annähernder Sicherheit angegeben werden konnte, wieviel Angehörige des Bundesgrenzschutzes in die Bundes-
wehr übertreten werden. Der Haushaltsausschuß hat sich deshalb entschlossen, die Einzelansätze des Kap. 06 25 in der Höhe der Regierungsvorlage, die von einem Bestand von 20 000 Mann ausgeht, bestehen zu lassen und zum Ausgleich für die in diesem Jahr zu erwartenden Einsparungen einen neuen Titel mit einer Minderausgabe in Höhe von 97 Millionen DM zu schaffen. Darüber hinaus sind drei Fünftel der Personalstellen des Bundesgrenzschutzes mit einem kw-Vermerk versehen worden. Die Personalstellen für Beamte und die Stellen für Angestellte dürfen nur in dem Umfang besetzt werden, „in dem sie für die Ausstattung der jeweils aufzustellenden vollen Einheit erforderlich sind". Da bei einem Übergang von Teilen des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr die Investitionen und die übernommene Ausstattung erstattet werden, wurde ein Einnahmetitel — auch eine einmalige Sache — in Höhe von 30 Millionen DM mit der Zweckbestimmung „Vergütung von Aufwendungen des Bundesgrenzschutzes durch den Verteidigungshaushalt" eingeführt.
Das zweite Problem beim Bundesgrenzschutz, das im Haushaltsausschuß sehr eingehend behandelt wurde, ist die Frage, wer die Aufgabe des Bundespaßkontrolldienstes übernehmen soll, der Bundesgrenzschutz — wie bisher — oder die Zollverwaltung, wie dies von einigen Kollegen auch im vergangenen Jahr verlangt wurde. Sie erinnern sich an die Debatte in der zweiten Lesung des Haushaltsplans 1955 hier im Plenum, bei der es um den kw-Vermerk von 425 Stellen des Paßkontrolldienstes ging. Wie Sie sich vielleicht noch entsinnen, wurden die kw-Vermerke in der dritten Lesung wieder aufgehoben, nachdem der Herr Bundesminister des Innern eine Erklärung der Bundesregierung abgegeben hatte, wonach eine Ad-hocKommission die Angelegenheit überprüfen soll. Diese Kommission, die neben einigen Bundestagsabgeordneten im wesentlichen aus Vertretern des Bundesfinanzministeriums und des Bundesinnenministeriums bestand, ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die von der Bundesregierung und dem Bundestag angestrebte Erleichterung der Grenzformalitäten trotz der Vorleistungen der Bundesrepublik zu keiner wesentlichen Arbeitsverminderung auf dem Gebiet der Paßkontrolle geführt hat und daß auch mit Rücksicht auf die Sicherheit der Bundesrepublik eine Kontrollinstanz an der Grenze zumindest in der nächsten Zukunft bestehenbleiben muß. Nach diesem Sachverhalt vertrat der Haushaltsausschuß die Auffassung, daß diese Kontrolle nicht zuletzt aus Ersparnisgründen von dem schon vorhandenen Bundesgrenzschutz auszuüben sei, solange mindestens, als nicht die Zollverwaltung den Dienst ohne jede zusätzliche Personalvermehrung übernehmen könne. Eine Überprüfung des Paßkontrolldienstes durch das Bundesinnenministerium hat dazu geführt, daß von den 850 Personalstellen des Bundespaßkontrolldienstes 180 Stellen mit dem Vermerk „künftig wegfallend am 31. März 1957" versehen wurden.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende der Übersicht über die Kapitel, über die ich Ihnen zu berichten habe. Herr Kollege Willeke ist für den Rest des Haushalts des Bundesinnenministeriums zuständig.
Das Wort zur weiteren Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde
mich bemühen, in Kürze den instruktiven Bericht meines Herrn Vorredners, des Kollegen Niederalt, zu ergänzen.
Es handelt sich um den Einzelplan 06, um das Bundesinnenministerium. Das Bundesinnenministerium hat zwei Staatssekretariate. Das Staatssekretariat I könnte man als die ordnende und schützende Hand bezeichnen. Es wird ja auch von einem Ritter geführt.
Das zweite Staatssekretariat könnte man als die schmückende und wohltuende Hand bezeichnen. Es wird geführt von einem alten Kommunalpolitiker. Eigentlich sollten wir uns jetzt bei diesem Teil der Etatberatungen freuen, denn wir begegnen uns sozusagen in dem Saal der Musen, wo der Bundesinnenminister einmal der Klio und einmal der Thalia irgendwelche Gaben überreicht; und sogar der Herr Bundesfinanzminister müßte sich jetzt freuen, wenn er hier wäre, wenn er daran denkt, daß seine spärlichen klingenden Dukaten in Pauken und Trompeten und andere Musikinstrumente, Festspiele, Bücher und Forschungsinstitute verwandelt werden.
Meine Damen und Herren, es ist durchaus so, wie Kollege Niederalt sagte: was vielleicht beim Bundesgrenzschutz durch die Neuordnung erspart wurde, wird zum großen Teil, das darf man vielleicht sogar unterstreichen, erfreulicherweise bei den Kulturaufgaben des Bundes wieder ausgegeben. Hier im Saal hatten wir eine ganztägige Debatte über Kulturaufgaben, und dabei hat sich die Problematik Bund und Länder einmal wieder gezeigt. Es ist ganz klar, daß wir die Kulturhoheit der Länder respektieren, wie wir überhaupt das Grundgesetz zu respektieren und zu beachten haben. Aber es ist selbstverständlich, daß es auch eine gesamtdeutsche Kultur gibt und daß sich aus der Existenz der Bundesrepublik kulturelle Verpflichtungen ergeben.
Ganz kurz einige sachliche Bemerkungen. Das Kap. 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — hat es wahrhaftig in sich. Es ist das Kapitel, in dem eine ganze Reihe von kulturellen Angelegenheiten dotiert werden. In diesem Kap. 06 02 ist der Haushaltsausschuß weit über die Vorschläge der Bundesregierung hinausgegangen, und wenn man die beiden Nachschiebelisten für kulturelle Aufgaben, die vom Bundesfinanzministerium selber kamen, hinzurechnet, so haben sich die Gesamtausgaben von rund 121 Millionen auf rund 171 Millionen DM, also um 50 Millionen DM erhöht.
Bei den Mitteln für die wissenschaftliche Forschung ist, ich muß in diesem Falle sagen: erfreulicherweise gegenüber dem Vorjahr wieder eine Erhöhung vorgeschlagen worden. Der Zuschuß an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bad Godesberg, ist von 4 Millionen auf 5 Millionen DM erhöht worden.
Damit ist allerdings die kulturelle Leistung des Bundes nicht erschöpft. Es wird vielleicht bei der dritten Lesung möglich sein, auszuführen — oder es muß dem deutschen Volke einmal irgendwie gesagt werden —, daß sich in dem Gesamtetat der deutschen Bundesrepublik in den verschiedensten Einzelplänen Hunderte von Millionen befinden, die der deutschen Forschung dienen. Es darf vielleicht auch schon im Rahmen der Berichterstattung darauf hingewiesen werden, daß sicherlich der vorliegende Antrag, weiter einmalig 50 Millionen DM
für Forschungsaufgaben zur Verfügung zu stellen, den Beifall des Hauses finden wird.
Zur Förderung von Schwerpunkten in der deutschen wissenschaftlichen Forschung werden wieder 15 Millionen DM vorgeschlagen.
Die Dotierung der Studienstiftung des deutschen Volkes ist von 763 000 auf 1 561 400 DM erhöht worden, was etwa einer Verdoppelung gleichkommt. Man darf wirklich sagen, daß aus diesen Mitteln eine Begabtenförderung ersten Ranges betrieben wird. Die Voraussetzungen dafür, Mittel aus der Studienstiftung zu erhalten, sind mit Recht hochgeschraubt; andererseits ist es jetzt doch möglich, einen viel größeren Personenkreis zu betreuen, nachdem der Haushaltsausschuß vorschlägt, daß nicht mehr wie bisher 1 oder 1 1/2 Pf, sondern 3 Pf pro Kopf der Bevölkerung vom Bund unter der Voraussetzung geleistet werden, daß die Länder das gleiche tun. Damit kann einem großen Personenkreis von etwa 1800 Studierenden mit Dotationen geholfen werden, die fast bis 200 DM im Monat gehen. Ich darf vielleicht bei dieser Gelegenheit sagen, daß es, nachdem die Kultusministerkonferenz zugesagt hat, darum bemüht zu sein, daß die Länder dasselbe tun, doch wünschenswert erscheint, den Sperrvermerk für ein Drittel der Mittel aufzuheben. Ein diesbezüglicher Antrag liegt j a dem Hause vor.
Für die Studienförderung von Flüchtlingsstudenten sind bei Tit. 625 anstatt 1,1 Millionen DM jetzt 4 Millionen DM veranschlagt. Das ist eine sehr erfreuliche und sehr wesentliche Erhöhung der Ausgaben auf diesem Gebiet der Betreuung der Flüchtlingsstudenten.
Ich könnte das Hohe Haus nun noch sehr lange in Anspruch nehmen. Ich will aber hier nur noch ganz kurz auf den Tit. 637 eingehen, den wir von 850 000 DM auf etwa 1,3 Millionen DM erhöht haben. Aus diesem Titel werden wesentliche, als bundeswichtig erachtete kulturelle Veranstaltungen gespeist. Daraus werden sowohl die Wagner-Festspiele in Bayreuth wie das Bamberger Orchester betreut. Für letzteres sind 100 Millionen mehr zur Verfügung gestellt als im Vorjahre. Die Beethoven-Stadt Bonn wird wiederum für ihre kulturellen Veranstaltungen dotiert, und man hat sich auch in diesem Jahr entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, die Ruhr-Festspiele durch eine Dotation als wirklich bundeswichtige Einrichtung anzuerkennen. Es ist ganz klar, daß sich hier Berührungspunkte mit der Kulturhoheit der Länder ergeben. Durchweg ist es auch bei diesen Dotationen so, daß sie vom Bund nur zusätzlich zu dem gegeben werden, was die Länder für diese außerordentlich wichtigen Veranstaltungen tun.
Wenn ich eben davon gesprochen habe, daß hier der Bundesinnenminister nicht nur eine kunstliebende, schmückende, sondern auch eine wohltuende Hand hat, so darf ich Sie daran erinnern, daß von wohl allen Parteien dieses Hauses im Haushaltsausschuß ein Antrag durchgebracht wurde, den gemeinnützigen Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands wieder so oder so auf die Beine zu helfen. Innerhalb von fünf Jahren soll ein Fonds von 50 Millionen an die GmbH der gemeinnützigen Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands, wozu die Innere Mission, die Karitas-Verbände usw. gehören, vom Bund gegeben werden, und zwar in diesem Jahr erstmalig 10 Millionen. Es handelt sich um ein Darlehen an die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege als Hilfe des Bundes bei der Beseitigung von Schäden, die ja riesengroß sind. Auch das ist ein Akt der Entschädigung durch den Bund, ein Akt der Wiedergutmachung.
Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete der Fürsorge sind gegenüber 9 500 000 nunmehr 10 750 000 DM veranschlagt. Bei den einmaligen Ausgaben darf ich auf den neuen Titel 955 — Transportkosten für Liebesgabensendungen — in Höhe von 6 Millionen DM verweisen.
Ich komme zum Schluß und möchte nur noch auf die zentralen Maßnahmen auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrt hinweisen. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß es sich um den Bundesjugendplan handelt. Der Bundesjugendplan wurde von 36 Millionen auf 37,8 Millionen DM, und die Mittel für Ferienerholung für Kinder und Jugendliche wurden von 3 auf 4,5 Millionen DM erhöht. Ein neuer Untertitel c) sieht einen Betrag von 7,5 Millionen DM als Überbrückungsdarlehen und Beihilfen an jugendliche SBZ-Flüchtlinge zur Fortsetzung unterbrochener Schul- und Berufsausbildung vor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit bin ich am Ende. Ich weise nur noch darauf hin, daß sich noch sehr interessante Titel, sehr interessante Ausgaben in dieser Oase des Friedens, in diesem Kulturteil des Bundesinnenministeriums befinden: fördernde Maßnahmen auf dem Gebiete des Filmwesens und Filmschaffens, Förderung der volksgesundheitlichen Bestrebungen usw. usw.
Noch ein Wort zu den wissenschaftlichen Instituten, die ja ganz besonders gute Botschafter des deutschen Volkes im Auslande sind. Ich erinnere an das Kunsthistorische Institut in Florenz, ich erinnere an unser Deutsches Historisches Institut in Rom und vor allen Dingen an das Archäologische Institut in den verschiedensten Teilen der Welt, für dessen Ausbau und Wiederaufbau erhebliche Mittel im Etat vorhanden sind.
Meine mündliche Berichterstattung darf ich dadurch ergänzen, daß ich einige Ausführungen in einem Schriftlichen Bericht*) hier zu Protokoll gebe. Ich hoffe und wünsche, daß die Vorschläge des Haushaltsausschusses auf diesem Gebiete die Billigung des Hohen Hauses finden werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Für die Behandlung dieser vielen und sehr vielfältigen Änderungsanträge schlage ich Ihnen folgendes Verfahren vor. Ich werde die einzelnen Änderungsanträge punktweise aufrufen. Nach jedem Punkt Begründung, dann Aussprache über diesen Punkt, und erst nach Beendigung der Aussprache über diesen Punkt werde ich den nächsten Punkt aufrufen, wobei ich bemerken möchte, daß, wenn die Aussprache zu einem Punkt abgeschlossen ist, diese Aussprache bei dem nächsten Punkt nicht wieder aufgenommen werden könnte, es sei denn, daß die Regierung eingreift und damit die allgemeine Aussprache wieder eröffnet. Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist der Fall.
Dann rufe ich zunächst den Änderungsantrag
Umdruck 641**) auf.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Orth.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 8.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie eine kurze Erklärung zu dem Antrag Umdruck 641*) betreffend Einzelplan 06 Kap. 02 Tit. 610. Es handelt sich hier um einen Zuschuß für die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Wie Sie wahrscheinlich wissen, unterhalten alle Bundesländer mit Ausnahme von Hessen und Berlin in Speyer eine Hochschule, an der Referendare und Assessoren für ihre Verwaltungslaufbahn ausgebildet werden. Das Bundesinnenministerium hat sich seither schon verbindlich bereit erklärt, zur Unterhaltung dieser Hochschule Zuschüsse zu geben.
Nachdem aber neben der Ausbildung der Verwaltungsbeamten an dieser Hochschule gleichzeitig auch verwaltungswissenschaftliche Forschung betrieben wird, die, wie das Ministerium selbst sagt, im gesamtdeutschen Interesse liegt, geht unser Anliegen dahin — das ist der Gegenstand unseres Antrages —, den vorgesehenen Zuschuß für diese Hochschule, der mit 75 000 DM veranschlagt ist, auf 120 000 DM zu erhöhen.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesem unserem Antrag zustimmten, und zwar aus doppeltem Grund: erstens, weil der beantragte Betrag der Erhöhung sehr bescheiden und in sehr mäßigen Grenzen gehalten ist, und zweitens, weil die Aufgabe, die damit erfüllt wird, unterstützungswürdig ist.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über den Änderungsantrag Umdruck 641. Wird das Wort gewünscht: — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache zu diesem Punkt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 641. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit einigen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 636**) Ziffer 1 auf.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Pusch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Punkt 1 des Umdrucks 636 um den Tit. 615: Zuschuß für die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Bad Godesberg. Hier beantragt meine Fraktion, um 9,6 Millionen DM über den Ansatz des Haushaltsausschusses hinauszugehen und den Zuschuß für die Deutsche Forschungsgemeinschaft somit auf 14,6 Millionen DM festzusetzen.
Bei den Erläuterungen soll ein neuer, letzter Absatz hinzugefügt werden, der die Verwendung des Mehrbetrages von 9,6 Millionen DM erläutert. Die Zuschüsse für Forschungsvorhaben sollen um 3 Millionen DM erhöht werden. Außerdem sollen 80 Dozenturen und 150 Assistentenstellen errichtet werden.
Sachlich brauche ich zu dieser Forderung wohl nichts weiter zu sagen. Erst kürzlich sind die Probleme der deutschen wissenschaftlichen Forschung und Lehre in diesem Hause in aller Breite erörtert worden. Wir sollten nun den Worten auch Taten folgen lassen und die nötigen Mittel einsetzen, um
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 7.
die Forschungsarbeit zu fördern. Das Mißverhältnis zwischen der großen Zahl der Studierenden und der viel zu geringen Zahl der Lehrenden an den deutschen Hochschulen ist ebenfalls bekannt. Die Erhöhung der Zahl der Dozenten und Assistenten ist deshalb besonders wichtig. Außerdem ergibt sich hier eine Möglichkeit, wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, der bisher viele Jahre lang in schlecht bezahlten Assistentenstellen warten mußte.
Wir bitten das Hohe Haus um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich eröffne die Aussprache zu der Ziffer 1 des Umdrucks 636. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das Volumen des Antrags, dessen Begründung Sie soeben gehört haben, durch meinen Antrag bei weitem überholt wird. Ich habe mich dazu entschlossen, einen solchen Vorschlag zu machen, in dem vollen Bewußtsein, welche Rückwirkungen das auch auf den Verteidigungshaushalt hat. Ich glaube es verantworten zu können, daß man angesichts der augenblicklichen Kassenlage für ein Jahr einmal einen Fonds von 50 Millionen DM für Zwecke der Forschungsgemeinschaft auswirft.
Die Regierungskoalition bezweckt mit diesem Antrag, für eine Reihe noch schwebender Aufgaben die Möglichkeit zu schaffen — —
Herr Abgeordneter, darf ich Sie unterbrechen. Sie begründen an sich
jetzt den Antrag Umdruck 663*.
Ich muß das im Zusammenhang damit tun, weil sich die Zielsetzung des Antrags mit dem SPD-Antrag überlagert.
Das gibt eine schwierige Situation. Ich muß dann über Ihren Antrag zuerst abstimmen lassen.
Sonst wäre ich leider gezwungen, nur gegen den sozialdemokratischen Antrag zu sprechen. Ich möchte ihn mit unserem Antrag verbinden, weil das zusammengehört.
Bitte schön!
Ich nehme an, daß die Forschungsgemeinschaft mit diesen Mitteln in die Lage versetzt wird, eine ganze Reihe von Anliegen, nicht nur das Anliegen des Antragstellers, sondern viele Vorhaben gleichzeitig, und zwar über Jahre hinaus, in Angriff zu nehmen. Die große Klage der Forschungsgemeinschaft und aller Forschungsinstitute lautet, sie sei durch unser Haushaltsrecht nicht in die Lage versetzt worden, über ein Jahr hinaus zu disponieren. Wir haben ihr im Haushaltsausschuß die Möglichkeit gegeben, über einen bestimmten Teilbetrag der in den drei Titeln ausgeworfenen Summen — rund ein Drittel der Summe — über ein Jahr hinaus zu verfügen, so daß sie in einem begrenzten Umfang in der Lage ist, wenigstens für zwei Jahre die Gehälter ihrer
*) Siehe Anlage 9.
Assistenten oder die Forschungsaufträge an einzelne Institute sicherzustellen.
Der Antrag, den ich jetzt begründe und der in engstem Zusammenhang mit dem Antrag steht, der soeben vorgetragen worden ist, bezweckt aber noch mehr. Er soll auf einen noch weiteren Zeitraum hinaus sicherstellen, daß bestimmte große Forschungsaufgaben zentral in Angriff genommen und über Jahre hinaus gleichmäßig finanziert werden können. Ich denke dabei in erster Linie daran, daß von den 50 Millionen DM für die Ziele der MaxPlanck-Gesellschaft, hinter die wir uns voll und ganz stellen, mindestens — ich unterstreiche das Wort „mindestens" — ein Betrag von 7 Millionen DM abgezweigt wird. Das würde auch das Anliegen der SPD decken, die dafür einen besonderen Antrag gestellt hat. Wir können das also hier mit einbeziehen. Wir glauben, daß damit die berechtigten Klagen, die anläßlich der letzten MaxPlanck-Tagung in Stuttgart geäußert worden sind, beseitigt werden können und daß hier etwas Durchgreifendes geschehen kann. In sehr vielen Unterhaltungen mit den Herren der Forschungsgemeinschaft haben wir uns über ihre speziellen Anliegen unterhalten. Ich weiß, daß ohnehin aus dem Verteidigungshaushalt über diese 50 Millionen DM, die jetzt abgezweigt werden und dann nicht mehr zu diesem Haushalt gehören, hinaus sehr erhebliche Mittel der deutschen Forschung zufließen werden. Wir möchten aber nicht, daß darunter vor allen Dingen die geisteswissenschaftliche Forschung Not leidet, und wollen infolgedessen hier klar trennen, was ohne eine Zweckgebundenheit der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt werden kann und was es ihr ermöglichen soll, auf Jahre hinaus ihren Plänen nachzugehen. Mit Hilfe eines solchen Fonds, zu dem die weiter fortlaufenden Beträge im Bundeshaushalt kommen, hoffen wir, daß das Problem der deutschen Forschung als solches einmal richtig angefaßt werden kann und daß hier ein Kernansatz auch für dringendste Forschungsanliegen auf weite Sicht geschaffen wird.
Ich darf Sie deshalb bitten, meine Damen und Herren von der Opposition, dem weitergehenden Antrag von uns zuzustimmen und auf Ihre Anträge zu verzichten; denn sie werden da automatisch mit eingebaut.
Meine Damen und Herren, wir beraten also jetzt infolge dieser Intervention folgende Punkte: Umdruck 636* Ziffer 1, Umdruck 663**, und logischerweise wird auch Umdruck 680*** dazukommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fürchte, Herr Kollege Vogel, Sie haben soeben die Sache etwas kompliziert. Dem Antrag Drucksache 663, einen einmaligen Zuschuß zur Förderung deutscher Forschungsaufgaben von 50 Millionen DM bereitzustellen, stimmt meine Fraktion gerne zu. Ich persönlich tue das um so freudiger, als, wie Sie wissen, an einem Abend im Winter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ich es war, der gesagt hat, daß die Forschungsgemeinschaft mit den jährlich zu bewilligenden Mitteln nicht auskommen kann und daß wir nicht bange sein sollten, einmal eine einmalige Summe
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 17.
von 50 Millionen DM zur Bildung eines Fonds bereitzustellen.
Ich habe dann an einem der letzten Tage der Beratungen des Haushaltsausschusses den Antrag gestellt, diesen Fonds nunmehr zu bilden, und zwar in der Form, daß sichergestellt wird — wir tun das im Haushalt ja auch bei anderen Dingen —, daß wir diese Gesamtsumme in zwei oder drei Jahren aufbringen. Wenn so verfahren wird, kann die Stelle, die über die Mittel verfügt, langfristig disponieren; denn 50 Millionen DM können für die Forschung in einem Jahre nicht zusätzlich ausgegeben werden. Hier liegt durchaus die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit vor, einen Fonds zu bilden. Leider sind Sie diesem meinem Antrag im Haushaltsausschuß neulich nicht beigetreten. Ich hätte es für glücklicher und unserer angenehmen kollegialen, freundschaftlichen Zusammenarbeit im Haushaltsausschuß angemessener gehalten, wenn wir diesen Antrag interfraktionell eingebracht hätten. Aber für die Sache hat das ja nichts zu bedeuten. Die Hauptsache ist, daß etwas getan wird.
Man müßte sagen: „Tit. 962, einmaliger Zuschuß" — jetzt kommt der Zusatz — „an die Deutsche Forschungsgemeinschaft"; es geht weiter: „zur Förderung deutscher Forschungsaufgaben 50 Millionen DM".
Herr Kollege Vogel, ich glaube, es wird auch in Ihrem Sinne und im Sinne der anderen Unterzeichner des Antrages liegen, daß wir diesen Fonds bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft bilden. Wenn wir diesen Zusatz nicht machten, würde der Fonds beim Bundesinnenministerium verwaltet werden. Das Bundesinnenministerium ist, zumal bei der Jährlichkeit des Haushalts, gar nicht in der Lage, einen solchen Forschungsplan neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder ohne sie aufzustellen. Man müßte also schon aus zwingenden sachlichen Gründen diesen Zusatz einfügen; ich beantrage hiermit die Einfügung dieses Zusatzes.
Zur Forschungsgemeinschaft möchte ich bei der Gelegenheit noch sagen: es ist an der Zeit, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft ihre Satzung ändert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist durch die Initiative des hochverdienten früheren preußischen Kultusministers Exzellenz Schmidt-Ott 1919 als „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft" gegründet worden. Es ist ihr damals selbstverständlich gewesen, daß im Hauptausschuß der Notgemeinschaft auch das Parlament vertreten war. Durch alle Jahre hindurch sind der Deutsche Reichstag und natürlich auch der Reichsrat im Hauptausschuß vertreten gewesen. Bei der Wiedergründung der Notgemeinschaft, die dann den Namen „Deutsche Forschungsgemeinschaft" bekommen hat, hat es einen Bund noch nicht gegeben. Infolgedessen ist der Bund mit seinen parlamentarischen Institutionen nicht vertreten, sondern nur die Exekutive. Im empfehle also dringend, daß die Forschungsgemeinschaft in der Sache initiativ wird und die Änderung ihrer Satzung in dieser Weise vorbereitet. Ich brauche nicht zu betonen — und ich brauche es insbesondere als Mann der gelehrten Welt wohl nicht zu betonen —, daß damit kein Eingriff in Forschungsvorhaben oder etwa in die Unabhängigkeit der Forschung verbunden ist. Ich brauche das nur zu sagen, aber nicht weiter zu begründen.
Nun zu unserem Antrag Umdruck 636 Ziffer 1, den Herr Kollege Pusch begründet hat. Schon die Verknüpfung, die Herr Kollege Vogel zwischen
seinem Antrag und diesem Antrag vorgenommen hat, deutet eigentlich darauf hin, daß auch er die Forschungsgemeinschaft mit diesen Mitteln bedenken will. Bei diesem Vorschlag, den meine Fraktion gemacht hat und den Frau Kollegin Hubert in der Sache bereits im Haushaltsausschuß vorgebracht hatte, der dort aber leider mit Mehrheit abgelehnt wurde, handelt es sich um ein anderes Problem: nicht um die Ausweitung und Vertiefung der Forschung als solcher, sondern um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Wir wissen, in welcher bedauerlichen Lage die Forschung in der Bundesrepublik ist, wir wissen, wie auf Grund unzureichender Dotierungen der Nachwuchs in die Industrie und nicht mehr in die Wissenschaft drängt. Deshalb muß im Interesse der Qualität der Forschung dafür gesorgt werden, daß der Nachwuchs gefördert wird. Diese Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hat der Antrag Umdruck 636 Ziffer 1 zum Inhalt. Wir sollten die Dinge nicht vermengen. Wir sollten diesem Antrag unsere Zustimmung geben wie auch dem Antrag auf Umdruck 663.
Gleichzeitig hat der Kollege Vogel auch die MaxPlanck-Gesellschaft angesprochen, und der Herr Präsident hat den Antrag Umdruck 680 aufgerufen, der eine besondere Förderung der Max-PlanckGesellschaft vorsieht. Ich darf diesen Antrag Umdruck 680 deshalb kurz begründen. Ich glaube, um die Bedeutung der Max-Planck-Gesellschaft in der gelehrten Welt für das Ansehen der wissenschaftlichen Forschung und für das Ansehen der deutschen wissenschaftlichen Forschung sollte man hier keine Worte verlieren. Hingegen ist es notwendig, ein paar Worte über die bisherige Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft zu sagen. Die Max-PlanckGesellschaft hat für das Rechnungsjahr 1956 einen Haushaltsplan von rund 38,6 Millionen DM, zu denen die Ländergemeinschaft auf Grund des Königsteiner Abkommens 23,3 Millionen DM beiträgt. Der Stifterverband und sonstige private Stellen tragen 3,2 Millionen DM bei. Aus den Versuchsgütern hat man laufende Einnahmen von 2,5 Millionen DM, und es gibt sonstige dauernde Einnahmen aus eigenen Leistungen, aus Zinserträgen usw. von 1,4 Millionen DM. Aber die Situation ist nun die folgende. Die Max-Planck-Gesellschaft ist in ihrer personellen Besetzung in Ordnung, der Geist der Max-Planck-Gesellschaft ist frisch und genialisch und neu wie eh und je. Aber die Apparatur der Max-Planck-Gesellschaft ist veraltet. Deswegen sollte der Deutsche Bundestag die Max-Planck-Gesellschaft mit einem einmaligen Zuschuß von 7 Millionen DM bedenken, eben um ihr die Aufbesserung ihrer Apparatur zu ermöglichen. Wir sollten diesen Betrag nicht aus den 50 Millionen DM nehmen; denn wenn wir die 50 Millionen DM einmal um die Förderung des Nachwuchses aus Umdruck 635 Ziff. 1, zweitens um die 7 Millionen DM aus Umdruck 680 schmälerten, dann würde die Summe bereits so gemindert, daß unserem eigentlichen, gemeinsamen Anliegen nicht mehr Rechnung getragen wird.
Nun sind wir uns in diesem Hause auch einig darüber — wir haben auf Umdruck 680 keinen ausdrücklichen Deckungsvorschlag gemacht —, daß bei der Höhe der Steuereinnahmen, bei der Höhe der Ausgaben, die für die Verteidigung ausgeworfen werden und von denen nur ein Bruchteil für den Zweck der Verteidigung verwandt werden kann, der Verteidigungshaushalt auch noch die Kürzung um 7 Millionen DM verträgt.
Lieber Herr Kollege Vogel, ich habe gesehen, daß Sie sich zum Wort gemeldet haben. Machen Sie es kurz und sagen Sie: Ich stimme den Ausführungen des Kollegen Gülich zu. Denn das ist das Gescheiteste, was Sie zu der Sache sagen können.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich die Absicht, den Antrag zu stellen, den Herrn Minister zu den Beratungen heranzuholen. Nun habe ich gerade gehört, daß er inzwischen bereits nach Berlin abgeflogen sei. Ich muß sagen: wenn auch die Internationalen Filmfestspiele eröffnet werden, dann ist die Tatsache, daß der Herr Minister nicht zu den Haushaltsberatungen hiergeblieben ist — er hätte ja auch noch heute nachmittag fliegen können —,
ein deutlicher Beweis dafür — — Bitte, Herr Präsident?
Das sind keine Ausführungen zur Geschäftsordnung mehr. Wenn Sie den Antrag gestellt hätten, den Herrn Minister herbeizurufen, dann wäre das ein Antrag zur Geschäftsordnung gewesen.
Dann stelle ich den Antrag, der Herr Minister möge zu der Beratung des Etats seines Hauses beigezogen werden. Wir haben hier keine Verwaltungssache zu verhandeln. Der Herr Minister betrachtet offensichtlich, wie auch andere Mitglieder des Kabinetts, die Haushaltsberatungen als eine Verwaltungsangelegenheit, die die Herren Staatssekretäre mit uns abmachen können, und nimmt an, im übrigen werde die Mehrheit schon für die Annahme sorgen. So geht es nicht!
Das Wort zu diesem Antrag hat der Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
— Das scheint nicht der Fall zu sein; man überläßt Ihnen die Aufgabe allein!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag, den Herrn Bundesminister des Innern herbeizurufen, nicht stattzugeben. Der Herr Bundesinnenminister hat seit Monaten festliegende Termine, die er nicht mehr abbestellen konnte. Er war der Hoffung, daß es gestern gelingen könnte, den Haushalt des Bundesinnenministeriums zu beraten. Im übrigen ist er der Meinung, daß, wenn wichtige Angelegenheiten in der zweiten Lesung nicht restlos ausgetragen werden können, sie in der dritten Lesung behandelt werden können, in der er zur Verfügung steht.
Es handelt sich um sehr lange feststehende Termine, habe ich gesagt.
— Es sind die Filmfestspiele und andere Verpflichtungen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat wirklich bona fide gehandelt. Die Beratungen im Ältestenrat gaben Anlaß zu der Annahme, daß sich die Aufgaben, die der Herr Minister in Berlin wahrzunehmen hat, mit den Termindispositionen dieses Hauses vereinbaren ließen. Im übrigen hat der Herr Minister durch den Herrn Staatssekretär schon sagen lassen, daß er die politischen Anliegen, die er wirklich ernst genug nimmt, auch noch bei der dritten Lesung in diesem Hause vertreten kann. Ich wiederhole: Der Herr Minister hat nach dem Verlauf der Beratungen im Ältestenrat bona fide gehandelt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als gestern Herr Kollege Rasner die Rednertribüne verließ, habe ich ihm zugerufen, man scheine sich manchmal im Ältestenrat Illusionen hinzugeben. Das möchte ich wiederholen. Aber, Herr Kollege Rasner, Sie, der Ältestenrat und auch J der Herr Minister wissen aus den Etatberatungen der letzten Jahre ganz genau, daß man hier einfach nicht so genau planen kann. Es sollte für die Minister eine Selbstverständlichkeit sein, daß sie für die Beratung ihres Haushaltes, gleichgültig wann sie erfolgt, zur Verfügung stehen. Schließlich könnte der Herr Innenminister sich auch durch einen anderen Minister in Berlin vertreten lassen. Ich glaube, hier zeigt sich der schlechte Stil, der in diesem Hause eingerissen ist und vor allen Dingen von der Bundesregierung gepflegt wird. Man nimmt einfach auf das Parlament keine Rücksicht, sondern jeder Minister sieht irgendeine andere Verpflichtung für wichtiger an, als im Parlament zu sein und vor allen Dingen bei den Etatberatungen hier dem Parlament Rede und Antwort zu stehen.
Wenn der Herr Minister inzwischen bereits abgereist sein sollte, sehe ich keine andere Möglichkeit, als daß das Haus die Beratung dieses Haushaltsplanes heute einfach absetzt und so lange vertagt, bis der Herr Minister wieder zur Verfügung steht.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist zunächst der Antrag gestellt, den Herrn Minister herbeizurufen. Dieser Antrag kann nur behandelt werden, wenn 30 anwesende Abgeordnete ihn unterstützen. — Ich sehe, daß das der Fall ist. Die andere Frage ist, ob ein Beschluß,
jemanden herbeizurufen, einen Sinn hat, wenn feststeht, daß der Herbeizurufende nicht herbeigerufen werden kann.
— Das mag sein; aber wenn der Herr Minister
jetzt schon weg sein sollte, dann können wir ihn
nun einmal nicht gut aus der Luft herunterholen.
— Wir wollen zunächst einmal Beschluß darüber fassen, ob der Herr Minister herbeizurufen ist, und dann feststellen, ob er noch herkommen kann. Falls dies nicht mehr möglich sein sollte, werden wir über den zweiten Antrag abstimmen, die Beratung auszusetzen; aber in der Zwischenzeit werden wir in den Beratungen fortfahren.
Wer für den Antrag auf Herbeiholung des Herrn Ministers ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Ergebnis ist unklar. Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für die Herbeiholung ist, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. — Gegenprobe! — Ersteres war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann werde ich zunächst prüfen lassen, ob man den Herrn Minister noch bitten kann, hierherzukommen. Sobald das geklärt ist, werden wir entweder in seiner Anwesenheit weiter verhandeln oder über den zweiten Antrag abstimmen.
Das Wort in der Aussprache über die Umdrucke 636, 666 Ziffer 1, 680 und 663 hat der Abgeordnete Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Gülich hat es den Nachfolgern in der Ausprache dadurch etwas schwer gemacht, daß er dem Kollegen Vogel zurief: Das Klügste wäre, Sie stimmten zu. Ich stimme ihm weitgehend zu. Dadurch erweckte er aber den Anschein, als seien weitere Ausführungen überflüssig. Ich möchte nur feststellen, daß meine Fraktion den drei Anträgen zustimmt und damit zugleich zum Ausdruck bringt, daß allen drei Anträgen vom Hause zugestimmt werden sollte.
Der Antrag 663, der einen einmaligen Zuschuß zur Förderung deutscher Forschungsaufgaben vorsieht, ist vom Herrn Kollegen Vogel dahin begründet worden, daß wir in der Lage sein müssen, in der wissenschaftlichen Forschungsarbeit langfristig zu disponieren. Ich möchte gleich sagen, das gilt nicht etwa nur von der naturwissenschaftlichen, bei der das leichter eingesehen wird, es gilt auch von der geisteswissenschaftlichen Forschung. Die Aussprache mit den Herren der Forschungsgemeinschaft hat das eklatant gemacht, und wer selbst in dieser Arbeit steht, weiß, wie außerordentlich bedrückend die Enge der zeitlichen Bindungen für die Durchführung von Forschungsaufgaben sein kann.
Wir sind also der Meinung, daß ein solcher Fonds unter anderem auch dazu geschaffen werden sollte, die wissenschaftliche Forschung von dieser Bedrükkung zu befreien, soweit das irgendwie möglich ist. Ich möchte aber diese Forderung zur Bildung
eines einmaligen Fonds und die Forderung auf Erhöhung des Zuschusses für die Forschungsgemeinschaft auch mit dem Wunsch begleiten, daß damit die Enge der Forschungsmittel zugunsten derjenigen Forschungszwecke überwunden wird, die immer noch trotz redlichen Bemühens, das wir anerkennen, so etwas wie die Stiefkinder der Betreuung angesehen werden.
Meine Damen und Herren, wir wissen, und es ist anzuerkennen, daß man in der deutschen Forschung von einer früher einmal schon beinahe gefährlichen Tendenz — nicht in der Forschungsgemeinschaft, aber einer allgemeinen Tendenz — abgekommen ist, einen allgemein nützlichen Zweck eigentlich nur bei den naturwissenschaftlich-technischen Forschungen zu sehen, die zweifellos einen relativ kurzfristigen Effekt für die Volksgemeinschaft erzielen können. Die Frage des Nutzens der Forschungsergebnisse der Geisteswissenschaften im Vergleich zu dem Nutzen der Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften ist etwa auf die Formel zu bringen: Nutzen auf kürzere oder auf längere Sicht. Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, daß ich überzeugt bin, soweit meine Kenntnis der deutschen Wissenschaftsgeschichte reicht, daß selbst auf dem Gebiet der großen naturwissenschaftlichen Forschungsfortschritte, die die jüngste Vergangenheit unseres Geisteslebens auszeichnen, die Anregungen zu diesen umwälzenden Fortschritten mehr auf die Selbstbesinnung auf gewisse Eigentümlichkeiten des geistigen Apparats als auf empirische Forschungen im exakten Sinne zurückzuführen sind. Das heißt, auch die Naturwissenschaften können sich nicht ohne die Anregungen entwickeln, die dauernd aus dem Bereich der Forschung im Gebiet der sogenannten Kultur- oder Geisteswissenschaften kommen. Wir haben deshalb ein Interesse daran, die Wissenschaft in allen ihren Teilen als eine Einheit zu betrachten, wie das gute deutsche Tradition ohnehin immer war, und den Wunsch auszusprechen, daß dieser Einheit des wissenschaftlichen Geistes, der wissenschaftlichen Forschung sowie des Systems der Wissenschaften auch bei der Unterstützung der Forschung Rechnung getragen wird.
Nun kann ich mir leider nicht versagen, auf einen wunden Punkt einzugehen oder jedenfalls auf eine Frage, die mir noch immer nicht gelöst zu sein scheint. Das ist in der gesamten Apparatur eine gewisse Unterbewertung der Sozialwissenschaften, eine starke Unterbewertung aber vor allen Dingen dessen, was man heute in Deutschland politische Wissenschaft, Politologie, in den westlichen Ländern political science nennt. Diese Wissenschaft, die in Deutschland von Friedrich List begründet wurde — in Deutschland eine Tradition entwickeln konnte, solange die Hoffnungen der Bewegung von 1848 noch Gültigkeit hatten —, ist später zugunsten der macht- und realpolitischen Einstellung des Bismarck-Staates von den deutschen Hochschulen verschwunden und hat dann vor allen Dingen in Amerika und überhaupt in der angelsächsischen Welt eine neue Heimstätte gefunden. Sie ist aber ein wesentlicher Bestandteil des Lebens einer demokratischen Gesellschaft. Wenn ein Obrigkeitsstaat auf die Forschungen der politischen Wissenschaft verzichten kann, die Demokratie kann es, ohne auf die Dauer Schaden zu nehmen, nicht.
Das gilt ebenso von denjenigen Forschungsthemen, die das Institut für Zeitgeschichte in München bearbeitet. Wir müssen doch den Mut haben, wissen zu wollen, welches die bewegenden Kräfte
der jüngsten Vergangenheit, der glücklicherweise hinter uns liegenden Abschnitte der deutschen Geschichte gewesen sind. Hier ist kein Aufwand zu gering, um Aufklärung und Wahrheit über die deutsche Geschichte zum Nutzen der deutschen Demokratie zu erzielen. Genauso gehört das Thema, das in einem Buch als „Regierung im Kräftespiel der Gesellschaft" umschrieben wird, zu den Grundthemen der Demokratie.
Ich habe mich gefreut, daß das Bundesinnenministerium für die Vorbereitung des Parteiengesetzes einen Wissenschaftlichen Ausschuß berufen hat. Es wäre aber sehr gut gewesen, wenn man in den letzten Jahren die Arbeit eines solchen Ausschusses durch echte, exakte Forschungen unterstützt hätte. Ich bitte Sie, zu verzeihen, wenn ich hier den Eindruck erwecke, pro domo zu reden. Es wäre aber z. B. wichtig gewesen, eine Forschungsarbeit zu finanzieren, deren Thema vom Bundesinnenministerium vor Jahren als wichtig und bedeutsam anerkannt worden ist. Es handelt sich um eine Analyse der über die SRP vorliegenden Akten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dadurch, daß es die Akten zur Verfügung gestellt hat, die Bedeutung einer solchen Arbeit anerkannt, ihre Bedeutung z. B. auch für die Vorbereitung eines Parteiengesetzes, für die Klärung der Frage: Welche Entwicklungen im Parteienleben sind mit den Regeln des Grundgesetzes, des innerdemokratischen Lebens der Parteien vereinbar, welche nicht, und welche sind gefährlich? Ich sage, es wäre wichtig gewesen, eine solche Arbeit durchzuführen. Leider fand sich keine Instanz, die in der Lage gewesen wäre, innerhalb des Systems, das heute besteht, eine solche zeitnahe, als wichtig anerkannte Arbeit finanziell zu fördern.
Ich bin nun der Meinung, wenn wir dem Vorschlag der Regierungskoalition folgen und einen Betrag von 50 Millionen DM als einmaligen Forschungsfonds bewilligen, so wird sicherlich dieser Fonds zum großen Teil den Arbeiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft zugute kommen; aber ich halte es für richtig, daß dieser Fonds beim Innenministerium gebildet wird. Das ist das einzige, worin ich dem Kollegen Gülich widerspreche. Die Gefahr — ich bitte die Vertreter des Ministeriums, mich jetzt nicht falsch zu verstehen —, daß hier etwa unter dem Vorwand der Forschung Politik im Sinne der herrschenden Koalition, oder wie man es immer nennen will, getrieben wird, besteht schon deshalb nicht, weil auch die Verfügung über diese Mittel, genau so wie etwa die Mittel des Ländervertrages, im Grund genommen immer wieder durch die Prüfung der Forschungsgemeinschaft selbst und ihrer Fachabteilungen geht. Die Forschungsgemeinschaft wird ja immer eingeschaltet, nämlich als die zuständige Stelle für die Begutachtung des Forschungswertes des betreffenden Vorhabens. Daß aber auch das Bundesinnenministerium z. B. im Rahmen der Entwicklung eines Parteiengesetzes und alles dessen, was damit zusammenhängt, von sich aus, etwa auf Wunsch dieses Ausschusses, den es sich geschaffen hat, bestimmte Einzeluntersuchungen durchführen läßt, scheint mir richtig zu sein; und für diese Dinge müssen Mittel vorhanden sein.
Ich bin also der Meinung, wir sollten diesen Fonds dem Innenministerium zur Verfügung stellen. Im übrigen möchte ich zum Schluß nochmals betonen, daß die Summen, die für die Anträge Umdruck 636 und 680 gefordert werden, nicht aus den 50 Millionen DM genommen werden sollten,
sondern hier entscheidet der Bundestag über ganz klare, in ihrer Verwendung eindeutig bestimmte etatmäßige Zuwendungen; das ist die eine Sache. In der anderen Sache, in dem Antrag der Regierungskoalition, entscheidet der Bundestag über die Bereitstellung eines einmaligen Forschungsfonds, der den Vorzug hat, nicht zeitlich gebunden zu sein. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge, und wir haben die Hoffnung, daß diese beiden verschiedenen, aber beiden wichtigen Anliegen vom Haus positiv entschieden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, sehr verehrter Herr Präsident, ich muß Ihnen einen neuen Kummer bereiten, indem ich noch einen anderen Antrag hier anziehe, ohne ihn endgültig zu begründen. Es handelt sich um den Antrag Umdruck 664*), der unbedingt in diesem Zusammenhang mit genannt werden muß. Meine Damen und Herren, vielleicht nehmen Sie sich einmal den Umdruck 664 zur Hand. Er ressortiert zwar beim Einzelplan 27; aber ich kann nicht umhin, ihn hier mit zu erwähnen. Sie werden darin lesen, daß wir beim Ministerium für gesamtdeutsche Fragen unter Tit. 305, Förderung von gesamtdeutschen Aufgaben der deutschen Hochschulen, von seiten der Koalition aus 2 Millionen DM beantragt haben. Dieses Vorhaben ist genau das Vorhaben, das wir im Haushaltsplan als Untertitel bei 06 02 beschlossen haben und das dort unter dem Titel „Hochschuldozentenreserve" lief. Sie wissen, daß wir uns sehr eingehend über dieses Problem unterhalten haben. Ich habe dabei auch mitgeteilt, daß wir nach meinen Besprechungen mit den Herren Ministerpräsidenten bestimmter Länder beim Bundesrat gegen die Hereinnahme einer solchen Aufgabe der Schaffung einer Dozentenreserve in das Bundesinnenministerium mit Schwierigkeiten von seiten des Bundesrates zu rechnen haben würden.
Die Dozentenreserve ist auf Grund sehr eingehender Erforschungen und Erkundungen der westdeutschen Hochschulrektorenkonferenz beantragt worden. Es handelt sich hier um einen Plan, für den Fall der Wiedervereinigung auch auf dem Hochschulgebiete Vorsorge zu treffen. In der sowjetisch besetzten Zone harren eine große Anzahl von Hochschullehrern nur deswegen auf ihrem Posten trotz Überalterung weiter aus, weil keine Nachfolgerschaft mehr für sie zu finden ist und weil zu befürchten ist, daß bei ihrer Emeritierung unter Umständen zwangsweise auf die Posten Persönlichkeiten gebracht werden, die keinesfalls der Wissenschaft allein dienen würden, sondern aus politischen Zwecken dahin delegiert würden.
Aus diesen Gründen ist dort eine Überalterung eingetreten, die im Falle der Wiedervereinigung wahrscheinlich zu einer Flut von Emeritierungen rein aus der Erreichung der Altersgrenze heraus führen würde.
In diesem Fall würde aber auch ein zweiter Katastrophenfall eintreten, und zwar dadurch, daß eine ganze Reihe von Dozenten und Assistenten unserer westdeutschen Hochschulen in die Zone zurückgehen würden, um dort eine ihnen bisher orenthaltene Karriere zu machen. Auch für den
*) Siehe Anlage 11.
Fall einer solchen Vakanz müssen wir uns rechtzeitig rüsten. Dem diente der Plan der Hochschulreserve der Westdeutschen Rektorenkonferenz.
Wenn wir diese in den Haushalt des Bundesinnenministeriums gebracht hätten, müßten wir gewärtigen, daß im Bundesrat Widerspruch dagegen erhoben würde, und zwar mit der Begründung, es sei eine reine Länderangelegenheit. Man würde sich dabei auf die Verfassung stützen; man würde wahrscheinlich sogar mit dem Argument kommen, daß, falls der Bund sich auf diesem Gebiet betätigen wolle, er seinen Anteil an der Einkommen-und Körperschaftsteuer senken solle.
Wir glauben aber, daß es sich hier in erster Linie um ein gesamtdeutsches Anliegen handelt und infolgedessen ein solcher Titel im Einzelplan 27 ausgebracht werden müßte. Ich werde ihn dort später noch einmal kürzer begründen; da sich aber das Vorhaben dieses Antrags im wesentlichen mit dem Antrag der SPD Umdruck 636 Ziffer 1 überlagert, muß ich jetzt schon vorsorglich darauf hinweisen. Der Antrag auf Umdruck 664 geht wesentlich weiter. Es ist gar kein Zweifel daran, daß die Summe von 2 Millionen DM im nächsten Jahr und in den nächsten neun Jahren auf 5 Millionen DM erhöht werden muß, weil der Gesamtaufwand für die neu zu schaffende Dozentenreserve von rund 300 Assistentenstellen und ungefähr 100 Dozentenstellen sich auf zirka 5 Millionen DM im Jahr belaufen würde. Die 2 Millionen DM, die wir im Einzelplan 27 wünschen, decken das, was in diesem Jahr dort verkraftet werden kann, wenn die Anstellungen nach dem Gesetzwerden des Haushalts anlaufen können.
Es ist ganz sicher, daß auch Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit nicht etwa die Länder infolge einer derartigen Zurverfügungstellung einer Reserve von seiten des Bundes in ihren Anstrengungen ermüden, auch ihre Dozentenstellen voll auszufüllen; die Länder dürfen sich nicht darauf verlassen, daß nachher der Bund einspringen werde, wenn sie ihren Verpflichtungen an den Hochschulen nicht nachkämen. Ich darf wohl auch annehmen, daß es ein gemeinschaftliches Interesse der Länder sein wird, dafür zu sorgen, daß der planmäßige Aufbau an Dozentenstellen nicht geschmälert wird. Es ist in der letzten Zeit so viel dazu gesagt worden, daß ich hier keine weiteren Ausführungen machen will.
Wir alle wissen, daß jede neue Hereinnahme ausländischer Gäste als Studenten an deutschen Hochschulen, daß jede Erweiterung der Hörsäle von einer Ausweitung der Dozentenstellen und vor allen Dingen auch der Assistentenstellen begleitet sein muß.
Wir glauben, daß ein solcher Plan, auf zehn Jahre hinaus eine Dozentenreserve zu schaffen, dem Anliegen auch des Umdrucks 636 durchaus entspricht. Ich bitte deswegen, dem Antrag Umdruck 636 nicht, wie mein verehrter Kollege Professor Gülich das so gern haben möchte, bedenkenlos zu folgen; ich muß Sie bitten, ihn abzulehnen, denn mein Antrag geht weiter als der Ihre.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Kollegen Vogel ganz kurz auf seine Ausführungen antworten. Er hat ja den Antrag auf Umdruck 664, der erst beim Einzelplan 27 fällig wird, sachlich richtig hier mit
erörtert. Ich glaube, daß es keine gute Sache ist, wenn wir nun beim Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen auch ein Kapitel zur Förderung von gesamtdeutschen Aufgaben der deutschen Hochschulen schaffen. Wir werden dann die Hochschulpolitik, die nach dem Grundgesetz ohnehin bei den Ländern liegt, noch mehr zersplittern. Und wir möchten doch gerne, daß der Bund einen stärkeren Einfluß auf die Forschung ausüben kann. Ich glaube, wir sollten doch die Betreuung der Forschung und Lehre, soweit sie den Bund angeht, auch beim Bundesinnenministerium lassen und hierfür keine neue Instanz beim Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen schaffen.
Ich sage damit nichts gegen die Arbeit des Ministeriums für Gesamtdeutsche Fragen, soweit sie kultureller Natur ist, sondern ich glaube, daß wir aus Gründen sauberer und systematischer Wissenschaftspflege diese Aufgabe beim Innenministerium lassen sollten.
Ich glaube, Herr Kollege Vogel, daß der Antrag auf Umdruck 664 zu Einzelplan 27 mit unter unseren Antrag auf Umdruck 636 Ziffer 1 fällt. Wir brauchen Nachwuchs an den deutschen Hochschulen, und für diesen Nachwuchs wollen wir etwas tun. Deswegen unser Antrag.
Herr Kollege Reif, ich möchte ein Wort der Unterstreichung zu dem sagen, was Sie bezüglich der zeitnahen Forschung ausgeführt haben. Wir haben uns im Haushaltsausschuß mit dem Institut für Zeitgeschichte befaßt. Dieses Institut für Zeitgeschichte gibt nicht nur eine wissenschaftlich hervorragende Zeitschrift heraus, sondern Sie finden in den Beilagen zum „Parlament" immer wieder Ausarbeitungen von hohem wissenschaftlichem Niveau, die für uns einen großen politischen Erkenntniswert haben. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, darauf hinzuweisen. Das Institut für Zeitgeschichte, dessen Bundeszuschuß vom vorigen Jahr wir etwas erhöht haben, ist natürlich noch längst nicht ausreichend dotiert. Es hat uns in diesem Jahr einige Sorgen bereitet, wenigstens den Sperrvermerk, der 115 000 DM betreffen sollte, im Haushaltsausschuß zu beseitigen. Man sollte sich des Instituts für Zeitgeschichte im nächsten Jahr noch einmal besonders annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion bitte ich, die Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 663 bis nach der Mittagspause zurückzustellen, um der Fraktion Gelegenheit zu geben, während der Mittagspause noch einmal über diesen Antrag zu beraten.
Dann stelle ich die Abstimmung über den Antrag Umdruck 663 zurück.
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte lediglich einige, ich glaube, irrtümliche Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel richtigstellen. Herr Kollege Vogel, wenn wir der Forschungsgemeinschaft Mittel geben, sind das nicht Mittel, die praktisch vom Bundesinnenministerium kommen. Denn die Forschungsgemeinschaft ist ein Medium der Forschungsförderung, das von den Ländern als solches akzeptiert worden ist und von ihnen auch als legitime Institution betrachtet wird, durch die der Bund die Forschung fördern kann. Infolgedessen scheint uns das der richtige Weg zu sein.
Herr Kollege Vogel, Sie sprachen von einer Reserve, die wir schaffen müßten. Wir müssen nicht nur eine Reserve schaffen, sondern wir müssen auch die Lücken, die an unseren Hochschulen sind, ausfüllen.
Das scheint mir doch die vordringliche Aufgabe zu sein, denn, Herr Kollege Vogel, in der Bundesrepublik sind nach meinen Unterlagen über hundert Lehrstühle unbesetzt — das ist nicht bloß in der sowjetisch besetzten Zone so —, von den Assistentenstellen ganz zu schweigen. Sie wissen auch, daß wir Parallel-Lehrstühle brauchen, um überhaupt einmal einen ordentlichen modernen Forschungsbetrieb aufziehen zu können. Dazu wissen Sie wahrscheinlich auch, daß sich sogar hier an der Universität Bonn Ordinarien in Schlüsselfakultäten darüber beschweren müssen, daß ihnen die besten Assistenten weggehen, weil man nicht in der Lage ist, ihnen genügend hohe Gehälter zu zahlen, um sie zum Bleiben auf ihren Posten zu veranlassen.
Hier muß also die Forschungsgemeinschaft durch eine von meinem Kollegen Gülich bereits angedeutete Änderung ihrer Zuständigkeit in den Stand gesetzt werden, Forschungszuschüsse an einzelne Wissenschaftler ungeachtet der sonstigen Besoldung, die sie haben, zu geben, damit sie auch auf ihren Posten bleiben können. Das ist eine zentrale Aufgabe, die sich durch den anderen Plan, den Sie vorgeschlagen haben, nicht lösen läßt. Deswegen bitte ich Sie, noch einmal ernsthaft zu überlegen, ob es nicht eine dringende Notwendigkeit bedeutet, den von uns auf Umdruck 636 vorgeschlagenen Plan auszuführen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Anträge auf Umdruck 636 Ziffer 1 und Umdruck 680. Die Abstimmung über den Antrag Umdruck 663 wird zurückgestellt. Wer dem Antrag Umdruck 636 Ziffer 1*) zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! —
Unklar! Wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
Ich bitte Sie, sich zu beeilen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. —
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen, und wiederhole meine Bitte um eine gewisse Eile.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, dies ist das Ergebnis der Abstimmung: An der Abstimmung haben sich beteiligt 345 Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben
*) Siehe Anlage 7.
gestimmt 154, mit Nein 191. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag Umdruck 680*) abstimmen. Das ist der Antrag, durch den gefordert wird, daß der Max-Planck-Gesellschaft ein Betrag von 7 Millionen DM zur Verfügung gestellt wird. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, doch Platz zu nehmen. Es ist schlechthin unmöglich, die Abstimmung durchzuführen, wenn ein Teil der Mitglieder des Hauses steht und der andere sitzt.
Wer zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! —
Das ist die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Herr Kollege Vogel, darf ich Ihnen im Anschluß an unser Gespräch den Vorschlag machen, bei Ihrer Fraktionsbesprechung vorzubringen, ob nicht Ihr Antrag einen Zusatz bekommen könnte: „Davon mindestens 7 Millionen DM für die Max-PlanckGesellschaft".
— Ja, aber ich meine, daß ein regulärer Zusatz gemacht werden sollte.
Damit haben wir über die Umdrucke 636 Ziffer 1 und 680 abgestimmt.
Ich rufe auf Umdruck 636 Ziffer 2**). Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Pusch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hierbei um den Tit. 618 „zur wirtschaftlichen Sicherung früher außerhalb der Bundesrepublik tätiger deutscher Gelehrter in Sonderfällen". Wir beantragen eine Erhöhung des im Haushaltsplan vorgesehenen Betrages von 70 000 DM um 100 000 DM auf 170 000 DM.
Wir beantragen auch, daß der Erläuterung zu diesem Titel eine andere Fassung gegeben wird, deren Wortlaut Sie auf dem Umdruck vor sich haben. Der Unterschied zu der Erläuterung im Entwurf des Bundeshaushalts Drucksache 1900 Einzelplan 06 Seite 25 besteht darin, daß wir in Notfällen auch solchen Gelehrten Zuschüsse gewähren möchten, die jetzt im Ausland tätig sind, nicht nur solchen, die im Ausland waren. Daraus erklärt sich auch die Notwendigkeit, die angesetzte Summe um 100 000 DM zu erhöhen. Es gibt nämlich deutsche Gelehrte, die aus Idealismus eine wissenschaftliche Tätigkeit in Ländern aufnehmen, die zu arm sind, um eine nach unseren Begriffen ausreichende Vergütung zu gewähren. Wir kennen einen solchen Fall, wo ein Gelehrter im Monat knapp 500 DM nach unserer Währung bekommt. So etwas kann eine kleine Weile — mit viel Idealismus — gut gehen, aber schließlich muß der betreffende Gelehrte den Versuch aufgeben, schon mit Rüchsicht auf seine Familie. Wir haben aber ein politisches Interesse daran, daß dieser Mann und mancher andere in wirtschaftlich schwachen Ländern auf
*) Siehe Anlage 17. **) Siehe Anlage 7.
seinem Posten bleibt; denn wenn er geht, sind andere Länder, vor allem solche des Ostblocks, gern bereit, Ersatz zu schicken und mit Zuschüssen nicht zu sparen. Wir wissen, daß für ähnliche Zwecke auch im Einzelplan 05 unter Tit. 302 Mittel vorgesehen sind. Die Erläuterungen dazu sagen, daß im Jahre 1955 23 Gelehrte auf diese Weise unterstützt wurden. Die Zahl der Fälle, wo Hilfe nötig wäre, ist aber größer. Vor allem geht es darum, auch dann eine solche Hilfe möglich zu machen, wenn es sich nicht um regelrechte Berufungen handelt, sondern um zeitlich begrenzte Gastberufungen. Wir verweisen auch auf die Erklärung, die der Herr Minister des Innern in der 148. Sitzung des Bundestages zu diesem Thema abgegeben hat, eine Erklärung, die wir durchaus begrüßen.
Aber auch, wenn man die Unterstützung deutscher Gelehrter im Ausland aus Zuständigkeitsgründen ausschließlich dem Auswärtigen Amt zuweisen wollte, blieben genug Gründe für eine Erhöhung dieser Position übrig. Die Zuschüsse, die heimgekehrte Gelehrte bisher bekommen haben, sind sehr gering. Hier wäre in vielen Fällen eine Aufbesserung sehr wünschenswert.
Wir bitten Sie also um Zustimmung zu diesem Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da bereits bei den Haushaltsberatungen selbst von seiten der Bundesregierung erklärt wurde, daß im vergangenen Jahr 90 000 DM dafür ausgegeben wurden gegenüber einem Haushaltsansatz von 35 000 DM für 1955 und dem Ansatz von 70 000 DM für 1956, verkennen wir keineswegs, daß es sich hier um ein berechtigtes Anliegen handelt. Wir werden diesem Antrag zustimmen.
Ich nehme auch an, daß durch eine Übereinkunft zwischen Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt hier eine endgültige Klarstellung zur Sicherung heimkehrender Gelehrter getroffen wird. Wir haben das Fehlen einer zureichenden Regelung zwischen Bund und Ländern, die sich nicht nur auf dieses Gebiet beschränken darf, sondern auch auf andere Gebiete ausgedehnt werden muß, immer vermißt. Auf die Dauer gesehen kann z. B. auch das Problem der Entsendung von Fachkräften nach unterentwickelten Gebieten nicht gelöst werden, wenn es hier nicht zu einer definitiven Regelung zwischen Bund und Ländern kommt. Eine solche muß in Form eines Staatsvertrages oder in irgendeiner anderen Form, wenn Sie wollen, in der eines neuen Königsteiner Abkommens, aber mit Einschluß des Bundes, definitiv geregelt werden. Denn es ist im Grunde genommen nicht Sache dieses Hohen Hauses, von Fall zu Fall derartige Probleme durch Hilfsbeiträge zu klären.
Weitere Wortmeldungen? — Meine Damen und Herren, dann lasse ich über diese Ziffer abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, ich bin von einer Fraktion gebeten worden, von dem bisherigen Abstimmungsmodus abzugehen, d. h. nicht mehr punktweise abstimmen zu lassen, sondern die Abstimmungen zum Schluß unserer Beratungen vor-
zunehmen. Dies wurde damit begründet, daß es den Herren Fraktionsgeschäftsführern fast unmöglich sei, für die Abstimmungen die Mitglieder des Hauses auf ihre Sitze zu bringen. Ich füge mich diesem Wunsche ungern,
denn mir scheint es besser zu sein, über jeden einzelnen Punkt abzustimmen, wenn man die Begründung noch frisch im Gedächtnis hat. Oder sollte das Haus anderer Meinung sein? — Herr Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesem Vorschlag widersprechen. Man ist doch nur, wenn man die Begründung und die Diskussion gehört hat, in der Lage, über Anträge abzustimmen.
Wenn nachher über 25 Anträge abgestimmt wird —
Es sind sehr viel mehr!
— es sind sehr viel mehr —, ist es bei der schnellen Art, wie der Herr Präsident die Verhandlungen abwickelt, gar nicht mehr möglich, bei den Abstimmungen nachzublättern. Ich möchte doch bitten, daß wir es bei dem jetzigen Verfahren belassen und antragsweise nach der Begründung und dem Schluß der Debatte abstimmen.
Herr Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn im Ältestenrat solche Vereinbarungen getroffen worden sind und wenn diese Vereinbarungen anschließend von den Fraktionsgeschäftsführern pflichtgemäß ihren Fraktionsmitgliedern mitgeteilt worden sind, dann, finde ich, entspricht es einer guten Übung in diesem Hause, daß die Fraktionen das Wort ihrer Fraktionsgeschäftsführer honorieren. Wenn die Fraktionen das Wort ihrer Geschäftsführer nicht honorieren, so möchte ich wissen, wie im Ältestenrat die Fraktionsgeschäftsführer und die anderen Mitglieder des Ältestenrats den Präsidenten, wie es ihre Pflicht ist, bei der Vorbereitung der Tagesordnung unterstützen sollen. Wir haben diesen Modus im Ältestenrat ohne irgendwelchen Widerspruch von irgendeiner Seite vereinbart. Wir haben von dieser Vereinbarung im Ältestenrat den Fraktionen Mitteilung gemacht. Es ist mir nicht bekannt, daß irgendeine Fraktion diese Vereinbarung im Ältestenrat aufgekündigt hat. Ich weiß nicht, welchen Sinn die ohnehin nicht einfache Arbeit im Ältestenrat haben soll, wenn die in ihm getroffenen Vereinbarungen anschließend abrupt und über Kopf wieder aufgekündigt werden und anders prozediert wird. Die Fraktionen müssen sich doch letztlich auf das verlassen können, was ihre Vertreter im Ältestenrat gemeinsam vereinbaren.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß wir im Ältestenrat im
Wege von Vereinbarungen der Fraktionen die Abwicklung der Geschäfte ausmachen.
Verantwortlich für den guten Ablauf der Beratungen ist aber der amtierende Präsident. Der Ältestenrat berät ihn dabei. Es ist Sache des amtierenden Präsidenten, zu entscheiden, ob er diesem Rate noch folgen kann, wenn sich im Laufe der Verhandlungen gezeigt hat, daß ein anderer Weg zu einem besseren Ergebnis führen könnte. Es ist die Pflicht des Präsidenten, in einem solchen Falle das Haus zu fragen, wie es denkt. Ohne eine gewisse Beweglichkeit für den Präsidenten in diesen Dingen ist schlechthin nicht zu verfahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Mitglieder des Ältestenrats können sich nicht darüber beklagen, daß nicht das Haus in weitgehendem Maße immer den Vorschlägen gefolgt ist, die vom Ältestenrat kamen. Aber es muß doch auch noch einmal festgestellt werden, Herr Kollege Rasner, daß die letzte Entscheidung hier bei dem Hause selbst liegt. Ich finde, daß es sehr zweckmäßig wäre, wenn man in Zukunft im Ältestenrat so verführe, daß man bei solch wichtigen und entscheidenden Fragen nicht gleich eine Vereinbarung schließt, sondern zunächst einmal den Fraktionen Gelegenheit gibt, dazu Stellung zu nehmen, und nachher in einer zweiten Sitzung — man hat doch sehr viele Sitzungen im Ältestenrat, und da wird man das schon entsprechend einrichten können — die endgültige Vereinbarung trifft. Aber festgehalten werden muß auf alle Fälle daran —und das kann dann nicht als Illoyalität ausgelegt werden —, daß das Haus letzten Endes auch während der Beratungen, wenn es sich als unmöglich oder nicht zweckmäßig herausstellt, die Vorschläge des Ältestenrats zu befolgen, die letzte Entscheidung hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß das Haus Vereinbarungen, die die Fraktionen im Ältestenrat getroffen haben, umstoßen kann, ist zu keinem Zeitpunkt bestritten worden. Herr Präsident, ich verfalle keineswegs in den Fehler, den Herrn amtierenden Präsidenten zu kritisieren, wenn ich sage, daß auch der Herr Präsident und die Herren Vizepräsidenten, die in dieser Sitzung des Ältestenrats anwesend waren, gegen das Procedere, das in dieser Sitzung vereinbart worden ist, keinerlei Monitum erhoben haben.
Herr Abgeordneter Rasner, es ist ein Unterschied, ob man in der Sitzung des Ältestenrats mit summarischer Kenntnis dessen, was bevorsteht, über diese Dinge spricht oder ob man vor sich, auf diesem Tisch, das ganze Bündel der Anträge hat, die seit der Sitzung des Ältestenrats neu hinzugekommen sind.
Ich glaube, daß ein Präsident seine Pflicht versäumen würde, wenn er nicht der neuen Lage Rechnung trüge.
Ich frage nun das Haus, ob es den Wunsch hat, daß in der bisherigen Weise verfahren, d. h. zu
jedem Punkt gesondert abgestimmt wird oder ob zu der Vereinbarung des Ältestenrats zurückgegangen werden soll, wonach die Abstimmungen am Ende der Begründungen und Beratungen hintereinander erfolgen sollen. Wer dafür ist, daß nach der Methode verfahren werden soll, die ich zuerst genannt habe — die punktweise Abstimmung —, den bitte ich, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Wir fahren nach der bisherigen Methode fort.
Ich rufe auf Umdruck 636 Ziffer 3*). Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Pusch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Punkt handelt es sich um den Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes. Wir bitten das Hohe Haus: a) den Sperrvermerk, den der Haushaltsausschuß eingesetzt hat, zu streichen, b) den Ansatz von 1 561 400 DM um 3 938 600 DM auf 5 500 000 DM zu erhöhen und c) der Erläuterung einen neuen Absatz hinzuzufügen, dessen Wortlaut Ihnen vorliegt. Zur Begründung folgendes.
Die Studienstiftung des deutschen Volkes hat sich die Aufgabe gestellt, die Hochbegabten unter unserem jungen wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Aber selbst wenn wir die strengsten Maßstäbe anlegen, haben die Mittel bisher immer nur ausgereicht, etwa die Hälfte aller im besten Sinne förderungswürdigen Antragsteller zu unterstützen. Hier sollte ein energischer Schritt nach vorn getan werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir darauf verzichten, daß die Länder unbedingt die gleiche Summe aufbringen müssen wie der Bund. Der Bunde soll hier allein vorangehen und damit die Länder instand setzen, ihre Eigenmittel mehr als bisher dem Schulwesen zuzuwenden. Wir bitten Sie in diesem Falle besonders dringend darum, unserem Antrag zuzustimmen.
Darüber hinaus möchte ich ausdrücklich betonen, daß die Förderung der Höchstbegabten, so dankenswert sie ist, die Bundesregierung keineswegs aus ihrer Verantwortung für eine allgemeine Begabtenförderung entläßt. In der 130. und 148. Sitzung dieses Hauses sind von meinen Freunden Dr. Mommer, Karl Wienand und Kahn-Ackermann sehr eingehende Ausführungen zu diesem Thema gemacht worden. Die große Zahl der Studenten, die durch eigene Erwerbstätigkeit ihr Studium finanzieren müssen, hat sicherlich nicht so sehr den Eindruck, in einer Oase des Friedens zu leben, wie hier soeben der Bereich der Kulturförderung genannt wurde. Die im Vergleich zu anderen Ländern lächerlich geringe Zahl von Stipendien ergibt das Bild einer Misere, dessen wir uns schämen sollten.
Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, aus ihrer Untätigkeit auf diesem Gebiet zu erwachen. Die Länder geben für die Studienförderung insgesamt etwa 20 Millionen DM aus. Mindestens die gleiche Summe sollte auch der Bund aufwenden, damit ein Anfang zu einer umfassenden Förderung des breiten Bandes der Begabten gemacht wird. Wir fordern die Bundesregierung auf, an Hand des Honnefer Förderungsmodells Pläne über den Einsatz und die Verteilung von mindestens 20 Millionen DM zu entwickeln. Das Honnefer Förderungsmodell wurde gemeinsam von Kultusministern, Hochschulrektoren und Studen*) Siehe Anlage 7.
tenvertretern erarbeitet. Wir erwarten von der Regierung, daß sie möglichst schon im Nachtragshaushalt, spätestens aber im Bundeshaushalt 1957 konkrete Pläne auf dieser Basis entwickelt. Außerdem behalten wir uns jederzeit eine eigene Initiative in dieser Sache vor.
Zum Gebiet der Studentenförderung gehört auch der Tit. 625. Wir geben unserer Befriedigung darüber Ausdruck, daß der Haushaltsausschuß hier eine bedeutende Erhöhung vorgenommen hat, der wir selbstverständlich mit Freude zustimmen.
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß zu diesen Anträgen auch der Antrag auf Umdruck 673*) gehört, der wohl von Herrn Abgeordneten Willeke begründet wird.
Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, feststellen zu können, daß im Hause Einmütigkeit besteht, zu verlangen, daß der Sperrvermerk bei der betreffenden Position aufgehoben wird. Das entspricht vielleicht auch der Lage, in die wir uns selber versetzt haben. Wir haben im Haushaltsausschuß gewünscht — und das mit gutem Recht —, daß die Länder ein Gleiches tun möchten wie der Bund. Wir wissen, daß das aus technischen Gründen nicht so schnell in allen Länderhaushaltsplänen durchgeführt werden kann. Aber wir haben doch die Zusicherung der Kultusminister der Länder, daß sie es dem Bund gleichtun wollen. Wenn das geschieht, dann glaube ich, daß wir dieses Jahr in dieser Hinsicht eine sehr offene Hand gehabt haben.
Selbstverständlich kann man auf einem solchen Gebiet nie genug tun. Aber wo gibt es ein Land, und vor allen Dingen ein Land in unserer Lage, das imstande wäre, von heute auf morgen immer wieder neue Aufstockungen vorzunehmen?
In einem Brief von Herrn Dr. Haerten wird ausdrücklich gesagt, wenn der Sperrvermerk auch nur zum Teil aufgehoben würde, wäre die Studienstiftung durchaus in der Lage, in diesem Jahre die beabsichtigten Ziele zu verfolgen. Ich meine, wir sollten uns vor Augen halten — der verehrte Vorredner hat das auch schon gesagt —, daß dadurch, daß wir im Bundesgebiet eine Erhöhung auf 3 Pf pro Kopf der Bevölkerung vorgenommen haben statt des bisher viel geringeren Satzes, und wenn die Länder nachziehen — und warum sollten sie es nicht, da sie es doch wollen und dazu auch in der Lage sind? —, doch schon eine ganz erhebliche Vergrößerung dieser Summen eintreten wird.
Es muß auch geprüft werden, ob dem Sinn der Sache allein dadurch genüge getan wird, daß wir mechanisch eine Erhöhung auf die doppelte Anzahl Studenten vornehmen. Ich möchte nicht, daß an der Auslesemethode und an den hochgeschraubten Voraussetzungen für eine Förderung viel geändert wird. Selbstverständlich wünschen und gönnen wir sehr vielen Begabten diese Förderung. Wir werden uns im nächsten Jahr noch darüber zu unterhalten haben.
Ich möchte Sie also bitten, diesen Teil des sozialdemokratischen Antrags abzulehnen, und zwar
*) Siehe Anlage 13.
auch im Hinblick darauf, daß der Vorredner selbst anerkannt hat, daß wir für die Sowjetzonenstudenten etwas Besonderes tun, indem wir allein in diesem Jahr eine Erhöhung von 1,1 Millionen auf 4 Millionen DM vorgenommen haben. Ich weise weiter darauf hin, daß wir die Hand zu der Bildung einer Kasse für Darlehen für die deutsche Studentenschaft geboten haben. Auch das ist eine wirksame Unterstützung und eine sinnvolle Maßnahme, um der deutschen Studentenschaft zu helfen.
Ich möchte also bitten, daß wir uns auf den Antrag, den ich gestellt habe, den Haushaltsvermerk „Von den Mitteln sind 520 500 DM gesperrt" zu streichen, beschränken und im übrigen die weitergehenden Anträge ablehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Herrn Kollegen Willeke nicht zustimmen, wenn er sagt, daß die Aufhebung des Sperrvermerks allein genüge, um die Begabtenförderung — es ist eine Hochbegabtenförderung — an unseren Hochschulen durchzuführen. Herr Kollege Willeke, die Zahl Studenten die wir heute in der Studienstiftung fördern, ist ungefähr 1 % der gesamten Studentenschaft. Man kann aber nicht davon ausgehen, daß es nur 1 % Hochbegabte gebe. Bei Annahme unseres Antrags würden die Studienstiftung ungefähr 3 bis 4 % Hochbegabungen fördern können. Ich glaube, Sie alle, meine Damen und Herren, werden mir zugeben, daß wir mit einem solchen Prozentsatz an Hochbegabungen durchaus rechnen können — das ist noch sehr niedrig gegriffen —, ohne etwa das Niveau der Auslese bei der Studienstiftung herabzusetzen.
Was den Sperrvermerk anlangt, so wäre es sogar so, daß die Studienstiftung, wenn wir ihn nicht aufhöben, für die letzten Monate dieses Etatjahres ihren Verpflichtungen gegenüber den schon aufgenommenen Studenten nicht mehr gerecht werden könnte. Aber darüber scheint wohl, hoffe ich, Einmütigkeit im Hause zu bestehen, daß der Sperrvermerk in seiner ganzen Höhe aufgehoben werden soll. Denn wir müssen auch den Zuschuß, den die Studenten monatlich bekommen, erhöhen, einfach deshalb, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind und weil wir wünschen müssen, daß sich gerade die geförderten Studenten genügend mit Büchern und Lehrmitteln versehen können.
Nun werden Sie mir vielleicht sagen: Im Augenblick haben wir nur diese bestimmte Anzahl Studenten, die hier zu fördern sind. Aber, Herr Dr. Willeke, wir müssen jetzt schon im Etat einen Ansatz vorsehen, der es der Studienstiftung ermöglicht, für das nächste Semester — die Auswahl für die Studienstiftung beginnt im Winter dieses Jahres, und die Auswahlausschußsitzung ist im März/ April; dann müssen die neuen Studenten aufgenommen werden — die doppelte Anzahl, nämlich 3 % Hochbegabungen aufzunehmen. Sonst könnte sie wieder nur in der gleichen Höhe aufnehmen, wenn wir es bei dem heutigen Etatansatz beließen, da sie noch nicht wüßte, ob ihr der Haushaltsausschuß und das Parlament das Geld bewilligen. Wir müssen also in diesen Etat die Summe hineinbringen, damit die Studienstiftung in der Lage ist, im nächsten Frühjahr — im Winter beginnt die Auswahl — die doppelte Anzahl Studenten wie jetzt aufzunehmen, damit wir wenigstens einmal auf die 3 % Hochbegabtenförderung kommen. Aus diesem Grunde bitte ich wirklich sehr dringend, unserem Antrag stattzugeben.
Und nun die Länder, Herr Willeke. Selbstverständlich wollen wir, daß auch die Länder nachziehen. Wir wissen aber, daß die Länder in ihrem Leistungsvermögen sehr unterschiedlich sind. Wir hoffen sehr stark, daß auch die Länder nachziehen werden, zunächst einmal im nächsten Jahre auf die 3 Pf.
— Warum vorangehen? Es gibt einige Länder, die bereit sind, voranzugehen oder mitzuziehen. Andere können es einfach nicht. Wir wollen keineswegs die Länder hier entlasten. Bei 3 % sind wir wirklich noch nicht so weit, alle Hochbegabungen erfaßt zu haben. Also wir müssen noch höher kommen. Dies hier ist nur der Ansatz dafür, um schon in diesem Jahre die Auswahl so treffen zu können, wie es notwendig ist. Darum bitte ich erneut, daß Sie sich diesem unserem Antrag für die Studienstiftung anschließen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. So haben wir abzustimmen über zwei Anträge, zunächst über den Antrag auf Umdruck 636*) Ziffer 3, der der weitergehende ist, dann über den Antrag auf Umdruck 673. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag auf Umdruck 636 Ziffer 3. Falls dieser Antrag angenommen wird, wird der Antrag auf Umdruck 673 gegenstandslos.
Wer dem Antrag auf Umdruck 636 Ziffer 3 zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, wir müssen die Abstimmung wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen wollen, sich von ihrem Sitz zu erheben. — Gegenprobe! — Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu beeilen und den Saal zu räumen. — Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Dies ist das Ergebnis der Abstimmung: An der Abstimmung beteiligt haben sich 321 Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben gestimmt 160, mit Nein haben gestimmt 160,
1 Mitglied hat sich der Stimme enthalten. Der Antrag, die Zuschüsse für die Studienstiftung zu erhöhen, ist damit mit Stimmengleichheit abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag Umdruck 673**), der auf Streichung des Sperrvermerks geht. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 13.
Ich rufe nunmehr auf den Antrag Umdruck 636 Ziffer 4. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Herold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen im Auftrage meiner Fraktion folgenden Antrag auf Umdruck 636*) Ziffer 4 vorzulegen:
In Tit. 661 — Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt a) im Rahmen des Bundesjugendplanes — ist die Erläuterung dahingehend zu ändern, daß unter B. II. der Ansatz der Nr. 3 von 325 000 DM um 60 000 DM auf 265 000 DM gekürzt und folgende neue Nummer angefügt wird:
„5. Arbeitsgemeinschaft politischer Studentenverbände 60 000 DM."
Wie Sie daraus ersehen, bedeutet dieser Vorschlag keinerlei Belastung des Haushalts, sondern es soll nur ein neuer Ansatz hinzugefügt werden. Ich darf dazu folgendes ausführen.
Ich will hier keine Debatte über den Bundesjugendplan entfachen. Es ist Ihnen ja bekannt, daß meine Fraktion ihn schon des öfteren kritisiert hat, vor allen Dingen hinsichtlich der geringen Mittel; wir sind der Meinung, daß diese Mittel für die Jugendarbeit keinesfalls ausreichen. Wir haben in den vergangenen Monaten auch an der Vergabe der Mittel durch den Herrn Minister des Innern Kritik geübt, so in der Debatte um den Sozialistischen Studentenbund. Mit großem Unbehagen haben wir die Vergabepraxis des Herrn Ministers auch in dieser Hinsicht festgestellt und wenden uns deswegen an das Haus mit dem Antrag, für die politischen Studentenverbände dieselben Voraussetzungen wie für den Ring politischer Jugend zu schaffen. Wir möchten dabei ausdrücklich betonen, daß niemand von uns daran denkt, für die Aufgaben staatsbürgerlicher Bildung, die aus den Mitteln des Bundesiugendplans gefördert werden sollen, den parteipolitisch orientierten Verbänden ein Monopol zu gewähren. Aber wir sind der Meinung, daß wir unseren politischen Verbänden, sei es im Ring politischer Jugend, sei es in der Arbeitsgemeinschaft politischer Studentenverbände, etwas mehr unter die Arme greifen müssen; denn sie haben sich ja der parteipolitischen Arbeit in ihrem Bereich verschrieben.
Ich bitte daher das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen. Er bedeutet nur die Gleichstellung der studentischen Arbeitsgemeinschaft mit dem Ring der politischen Jugend.
Das Wort hat der Abgeordnete Kemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen. Er bedeutet in der Tat keine Verschlechterung des Haushalts. Es soll lediglich eine eigene Ziffer für die Arbeitsgemeinschaft politischer Studentenverbände eingefügt werden; es ist der Wunsch aller Studentengruppen, die dieser Arbeitsgemeinschaft angehören, daß wir im Bundesjugendplan so verfahren.
— Das würden sie zwar auch so bekommen; aber
sie wollen in einer eigenen Ziffer aufgeführt sein,
*) Siehe Anlage 7.
so wie es beim Bundesjugendring und beim Ring politischer Jugend der Fall ist.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Vier Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 636 Ziffer 5 auf. Wer begründet ihn? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Koenen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, einen Antrag zu begründen, dem zwei kleine Schönheitsfehler anhaften.
Der eine ist der, daß der Umdruck 636*) infolge eines technischen Versehens den Inhalt unseres Antrages unrichtig wiedergibt. Der Antrag, den ich zu begründen habe, lautet richtig:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Haushaltsansatz Kap. 06 02, Tit. 662 — Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen — ist um 600 000 DM auf 1 500 000 DM zu erhöhen.
Der zweite Schönheitsfehler, der unserem Antrag anhaftet, ist folgender. Als wir im vergangenen Jahre beim gleichen Haushaltsplan über die gleichen Titelansätze berieten, waren wir in der glücklichen und angenehmen Lage, uns über einen interfraktionellen Antrag zu unterhalten, der eine Erhöhung des Ansatzes erstrebte. Ich möchte gleich zu Beginn mit allem Nachdruck zum Ausdruck bringen, daß wir nicht einen Augenblick daran zweifeln, daß derselbe gute Geist, der im vorigen Jahr zu diesem interfraktionellen Antrag führte, in allen Fraktionen dieses Hauses noch heute vorhanden ist.
Die Sache ist irgendwie unglücklich gelaufen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es auch in diesem Jahre wieder möglich gewesen wäre, einen solchen Antrag auf interfraktioneller Basis einzubringen, wenn nicht das Arbeitstempo in diesem Hause die frühzeitige Kontaktaufnahme verhindert hätte. Vielleicht ist hierfür auch die Tatsache ein Grund, daß einer der Männer im Freundeskreis des deutschen Sports, der in der CDU besonders wirksam ist, zur Zeit des Werdens dieses Antrages erkrankt war.
Nun, wir stehen im olympischen Jahr. Wir stehen wohl auch in diesem Hause alle unter dem großen Eindruck, den uns die Nachrichten aus Stockholm am vergangenen Sonntagabend vermittelten. Die vom deutschen Sport nach Stockholm beorderte Reiterequipe hat anläßlich der olympischen Reiterspiele einen großartigen Erfolg errungen, und wir alle wollen froh und stolz darüber sein.
Wir wollen aber auch daran denken, daß es vielleicht glückhaft war, daß diese Reiterspiele in so mustergültiger Form vom schwedischen Volk in Stockholm und nicht in Melbourne veranstaltet wurden. Wenn nämlich auch diese Reiterspiele in Melbourne stattgefunden hätten, wäre es noch
*) Siehe Anlage 7
nicht ganz klar gewesen, ob unsere Equipe in gleicher Stärke hätte fahren können, weil dann nämlich für den Transport der Pferde und für die Anreise erheblich höhere Kosten angefallen wären.
Das olympische Feuer ist auf dem Weg von Stockholm nach Melbourne. Im Deutschen Sportbund sind 26 verschiedene Fachschaften vereinigt, von denen vielleicht eine als wohlhabend bezeichnet werden kann. Die anderen 25 sind mit erheblichen Sorgen belastet, und es ist die Frage, ob es den deutschen Kanuten und den deutschen Ruderern gelingt, die Transportkosten für Boote und Mannschaften in gewünschter Zahl aufzubringen.
Deshalb besagt unser Antrag im einzelnen, daß die Position „Förderung des internationalen Sportverkehrs" von 350 000 auf 450 000 DM angehoben werden soll. Dabei könnte das Haus überlegen, ob nicht ein Teil dieses Ansatzes dazu verwandt werden kann, Jugendlichen, die besondere Leistungen im Studium auf den Universitäten nachgewiesen haben, oder Jugendlichen, die im Berufswettkampf besondere Leistungen gezeigt haben, einen kleinen Reisezuschuß zu einer Teilnahme an den olympischen Spielen bereitzustellen.
Weiter sieht unser Antrag eine Änderung des Ansatzes für den innerdeutschen Sportverkehr vor. Wir wissen, daß dieser Position auf der anderen Seite, d. h. in der sowjetischen Besatzungszone, ganz besondere Bedeutung beigemessen wird. Wir sollten diese Position unter allen Umständen so bestücken, daß deutsche Sportler aus der Bundesrepublik hier nicht aus finanziellen Gründen zurückstehen müssen.
Meine Damen und Herren! Des weiteren ist es ein gemeinsames Anliegen aller in diesem Hause — das weiß ich genau, ich betone das noch einmal, wenn auch bedauerlicherweise die Dinge etwas schieflaufen und vielleicht zu einer kleinen Verstimmung im Hause führen könnten —, den Ansatz für die sportwissenschaftliche Forschung, dessen Erhöhung von 150 000 auf 350 000 DM wir in unserem Antrag vorschlagen, anzureichern. Zur Förderung jugendsportlicher Aufgaben bitten wir, von 25 000 auf 40 000 DM zu gehen, für die Förderung von Maßnahmen — —
Welcher Antrag ist das, welcher Umdruck und welche Ziffer?
Das ist die Berichtigung zu dem Antrag auf Umdruck 636 Ziffer 5.
Ich bitte Sie, mir Ihren Antrag neuformuliert zu geben.
Zur Förderung jugendsportlicher Aufgaben bitten wir, von 25 000 auf 40 000 DM zu gehen und zur Förderung von Maßnahmen, die im Interesse einer sportlichen Betätigung breiter Schichten liegen, von 130 000 auf 150 000 DM.
Ferner bitten wir, eine neue Position für zentrale Führungsaufgaben, so wie das auch im Bundesjugendplan gehandhabt wird, zu schaffen und dort einen Ansatz von 50 000 DM einzusetzen. Der Gesamtantrag beinhaltet also eine Erhöhung von 900 000 auf 1 500 000 DM.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, meine Begründung mit einem warmen Appell an Sie alle abschließen. Lassen Sie im olympischen Jahr nicht an einem Schönheitsfehler, der, wie ich hier offen bekannt habe, unserem Antrag anhängt, die gute Sache scheitern! Lassen Sie die Sache des deutschen Sportes nicht leiden. Machen Sie am besten durch einen einstimmigen Beschluß kund, daß wir hier die einhellige Meinung vertreten, daß dem deutschen Sport in diesem Jahr in besonderer Weise geholfen werden muß!
Das Wort hat der Abgeordnete Bartram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im vergangenen Jahr hier an dieser Stelle gestanden und zu dem interfraktionellen Antrag gesprochen, den damaligen Ansatz von 600 000 auf 900 000 DM zu erhöhen. Wir haben damals gerade wegen des olympischen Jahres fast einstimmig zugestimmt. Zu unserer großen Freude haben wir in diesem Jahr gesehen, daß die Regierung den erhöhten Ansatz vom vergangenen Jahr in Höhe von 900 000 DM wieder eingesetzt hat. Daraufhin haben wir uns im Kreis der Freunde des Sportes mit dem Deutschen Sportbund zusammengesetzt und beraten, ob wir eventuell für dieses Jahr eine weitere Erhöhung beantragen sollten. Wir kamen zu der Übereinstimmung, es in diesem Jahre nicht tun zu wollen, weil die Regierung von sich aus die vorjährige Erhöhung eingesetzt hat.
Deshalb bin ich sehr überrascht, daß heute ein Antrag einer Partei vorliegt, der eine Erhöhung vorsieht, obwohl die Antragsteller bei dieser Besprechung dabei waren. Wir fühlen uns dadurch etwas eigentümlich beeindruckt. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir zusammen mit dem Deutschen Sportbund und auch im Kreise der Freunde des Sportes darin übereinstimmen, daß der Sport keine Sache der Parteipolitik sein darf.
Dieser Eindruck darf nicht entstehen. Denn der Sport ist geeignet, die Freundschaft von Mensch zu Mensch und auch zwischen den Nationen zu fördern. Wenn wir da aber parteitaktische Momente hineinbringen,
wird der Sport davon nicht profitieren, sondern Nachteile haben.
Das lehnt er von sich aus selber ab.
Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, wenn ich in dieser Angelegenheit spreche, der ich mich so gerne für diese Gemeinsamkeit des Sportes einsetze. Wir hätten darüber sprechen können. Ich bin seit drei Wochen hier und stand immer zur Verfügung. Ich habe auch im vergangenen Jahr mit dem Haushaltsausschuß darüber Differenzen gehabt und habe sie nachher im Plenum bereinigen können. Aber in diesem Falle ist es auch sachlich etwas herbeigesucht. Wir haben mit der Regierung gesprochen; sie hat erklärt, daß den Belangen dieses Jahres mit den 900 000 DM, die sie jetzt zur Verfügung habe, Rechnung getragen werden könne.
Wir vom Kreis der Freunde des Sports, der ja durch alle Parteien geht, haben gleichzeitig für das nächste Haushaltsjahr vor, ein gemeinsames Gesetz auszuarbeiten, das den Bund grundsätzlich an die Förderung des Sports und der Leibesübungen trotz unseres föderalistischen Systems bindet. Dieses Gesetz muß mit allen Gremien eingehend durchberaten werden. Es wird eine sehr viel größere Summe als bisher vorsehen. Auch darüber waren wir uns einig, daß wir mit unseren Forderungen zu diesem Haushalt das kommende Gesetz nicht in Gefahr bringen wollten.
Ich habe zu meiner Freude gehört, daß mein Vorredner auch die olympischen Erfolge angesprochen hat. Wir wollen uns gerade dieser Erfolge freuen. Es ist wunderbar, daß wir wieder Goldmedaillen erringen konnten und daß wir alle im vorigen Jahr dazu geholfen haben, diese Mittel zur Verfügung zu stellen.
Ich glaube, für dieses Jahr sind genug Mittel vorhanden, weil sowohl unsere erhöhten Mittel als auch die Mittel der Deutschen Olympischen Gesellschaft und die Totomittel bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden. Insofern kann ich mich leider sachlich mit diesem Antrag nicht identifizieren. Ich bitte daher, daß wir uns darauf konzentrieren, den Antrag, den wir gemeinsam im nächsten Jahr zur grundsätzlichen Förderung des deutschen Sports stellen, vorzubereiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Der Kreis der Freunde des Sports ist keine Institution des Hauses, wenn wir es auch lebhaft begrüßen, daß sich quer durch alle Parteien die Freunde des Sports zusammengefunden haben. Was in diesem Kreis vereinbart ist, kann schließlich die Fraktion in ihrer Tätigkeit und in ihrer Aktivität keineswegs binden.
Im übrigen, Herr Bartram, möchte ich zu den Ausführungen, die Sie gemacht haben, nur noch bemerken, daß man alle Dinge in den nötigen Grenzen sehen soll. Sie haben hier behauptet, dadurch, daß eine Fraktion einen Antrag stelle, mehr Mittel für den Sport zur Verfügung zu stellen, würden parteipolitische Dinge in den Sport hineingetragen. Das ist — nehmen Sie mir den harten Ausdruck nicht übel — doch einfach albern, und das sollte von dieser Tribüne nicht gesagt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Ausdruck „albern", Herr Kollege Mellies, will ich mich nicht mit Ihnen unterhalten.
Aber es gibt in diesem Hause Gegensätzlichkeiten, und es gibt in diesem Hause einige Gemeinsamkeiten. Sie, Herr Kollege Mellies, bemühen sich seit gestern permanent, diese Gemeinsamkeiten, wenn es irgend geht, auch noch zu stören.
Ich weiß nicht, ob die deutsche Staatsbürgerschaft in ihrer Gesamtheit Ihnen das dankt.
Das Wort hat der Abgeordnete Koenen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube in meinen Ausführungen mit keinem Wort irgendwie parteipolitische Propaganda gemacht zu haben.
Das ist völlig ausgeschlossen. Wer nachliest, was ich gesagt habe, wird vielmehr merken, daß ich versucht habe, mehr verbindende als trennende Worte zu sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Wer am meisten die Gemeinsamkeiten dieses Hauses stört, darüber wollen wir keine Untersuchungen einleiten; denn gerade die Beratung über das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht gestern morgen war ein treffendes Beispiel dafür, wo Gemeinsamkeiten sind und wo nicht.
Im übrigen, Herr Rasner, glaube ich, daß Sie hier nicht pathetisch die deutsche Staatsbürgerschaft heraufzubeschwören brauchen. Die Bevölkerung draußen im Land wird sich schon ihr Urteil bilden,
und was dabei herauskommt, werden wir im nächsten Jahr sehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre zu denjenigen, die in dieser losen Gemeinschaft der Freunde des Sports im Deutschen Bundestag an einer Besprechung teilgenommen haben, in der die Frage der Zweckmäßigkeit der Erhöhung eines bestimmten Etatansatzes behandelt wurde. Es ist in der Tat so, wie der Herr Kollege Bartram erklärt hat — obwohl er deswegen keine Ursache gehabt hätte, sich so aufzuregen —, daß man allgemein der Meinung war, in diesem Jahr müsse, um ein größeres Vorhaben im kommenden Jahr nicht zu gefährden, von der tropfenweisen Erhöhung der Mittel Abstand genommen werden.
Nun zu dem, worauf es ankommt und weshalb gar keine Ursache besteht, der Meinung zu sein, hier handle es sich um einen Akt der Unfairneß oder der Unkameradschaftlichkeit oder um einen Versuch, auf einem bestimmten Gebiet Parteipolitik zu betreiben. Ich habe meiner Fraktion von der völlig unverbindlichen Auffassung, die dort geäußert wurde, bis heute noch die erste Mitteilung zu machen, ganz einfach deshalb, weil — wie hier schon mit Recht zum Ausdruck gebracht worden ist — es sich gar nicht um eine Institution
handelt, die in irgendeiner Form die Fraktionen bindet. Wenn nun eines der Mitglieder meiner Fraktion in einem bestimmten Arbeitskreis — Sie wissen, wir haben Arbeitskreise nicht nur dem Namen nach, sondern auch zu dem Zweck, sich in ihnen mit den Dingen zu beschäftigen, die nun einmal behandelt werden müssen — der Meinung ist, daß wegen eines von ihm ermittelten Bedarfs und aus einer von ihm gewonnenen Erkenntnis zusätzliche Mittel für einen bestimmten Zweck benötigt werden, dann ist das sein gutes Recht, und von diesem Recht hat es Gebrauch gemacht. Deshalb besteht keine Veranlassung, hier jemandem Tendenzen zu unterstellen, die einfach nicht vorhanden sind, Herr Kollege Bartram, besonders auch, weil mein Kollege Koenen das mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat.
Im übrigen brauchen Sie diesem Antrag nur beizutreten, dann ist das, was an Reparaturmöglichkeit vorhanden ist, ausgenutzt, und wir haben damit die Voraussetzungen, daß es sich nachträglich wieder um einen gemeinschaftlichen Antrag handelt.
Das Wort hat der Abgeordnete Bartram.
Danke schön für die Bemerkung.
Meine Damen und Herren, ich möchte meinem Vorredner recht herzlich für die Auskunft danken, die er uns gegeben hat, und ich hoffe, daß gerade
diese Worte geeignet sind, den Kreis der Freunde des Sports wieder zu einer gewissen Mannschaft zusammenzuführen; denn es ist notwendig, daß der gerade im Sport vorhandene gewisse Mannschaftsgeist auch unter uns gepflegt wird.
Ich freue mich deshalb, hoffen zu können, daß wir vielleicht in Zukunft eine gedeihlichere Zusammenarbeit haben werden als in dem Moment, da dieser Antrag vorliegt, von dem wir alle überrascht wurden, weil wir vorher vereinbart hatten, daß solche Anträge nur gemeinschaftlich gestellt werden sollten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich verlese zunächst den abgeänderten Antrag. Er lautet:
den Haushaltsansatz Kap. 0602 Tit. 662 — Zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete des Sports und der Leibesübungen — um 600 000 DM auf 1 500 000 DM zu erhöhen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen die Mitteilung machen, daß der Herr Bundesminister des Innern nicht nach Berlin abgeflogen ist, sondern zu uns zurückkehrt und etwa von 15 Uhr an zu unserer Verfügung steht.
Ich rufe auf Ziffer 6 des Umdrucks 636. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Punkte, der die Kritik immer wieder am stärksten herausfordert, ist die Tatsache, daß die Zahl der Geheimfonds und nicht zuletzt auch ihre Höhe immer mehr wächst. Im Interesse einer geordneten Haushaltswirtschaft und einer gesunden parlamentarischen Kontrolle ist es unseres Erachtens unerläßlich, auch diese Fonds in die Kontrolle des Parlaments einzubeziehen. Wir hatten deshalb schon in den vergangenen Jahren immer wieder den Antrag gestellt, die in Kap. 06 09 Tit. 300 veranschlagten Mittel einer Kontrolle zu unterziehen. Es handelt sich bei diesen Mitteln sowohl um Mittel für den Nachrichtendienst des Bundesverfassungsschutzamts als auch um Mittel, die im Bundesinnenministerium für den konstruktiven Verfassungsschutz Verwendung finden. Der Herr Minister hat bei den Beratungen darauf aufmerksam gemacht, daß der Geheimnisschutz gerade für die Verwendung dieser Mittel besonders wichtig sei. Unser Antrag kommt diesem Wunsch entgegen; wir schlagen damit die Überprüfung durch ein Drei-Männer-Kollegium vor.
Meine Damen und Herren, wir haben gestern zwei Beispiele erlebt. Eins davon war das spontane Beispiel des Herrn Bundeskanzlers, der hier aufgestanden ist und erklärt hat, daß er beim Bundesnachrichtendienst eine gewisse parlamentarische Kontrolle zulassen werde. Auch Sie von den Koalitionsparteien haben diesen Wunsch für berechtigt gehalten und ihm zugestimmt. Auch der Herr Bundesaußenminister hat sich gestern sehr positiv zu der Frage der Auskunftserteilung geäußert. Ich meine, das, was für den Bundesnachrichtendienst, der über die Grenzen hinausgeht, als notwendig und richtig erachtet worden ist, sollte beim Bundesverfassungsschutz um so mehr möglich sein.
Wir bitten Sie, unserem Antrag, wie Sie ihn im Umdruck 636 Ziffer 6 finden, zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutzfonds, um den es hier geht, ist seit seiner erstmaligen Ausbringung im Bundeshaushalt stets ausschließlich durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs geprüft worden. Die Erklärung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs hat dann jeweils die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung gebildet. Wir haben diese Praxis von der Weimarer Republik übernommen, in der die Verausgabung der entsprechenden Mittel im Reichshaushalt ausschließlich durch den Präsidenten des Reichsrechnungshofs geprüft worden ist. Die Praxis des Bundes haben in der Folgezeit fast alle deutschen Länder übernommen und bis zum heutigen Tage beibehalten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Praxis sowohl den Bedürfnissen der Exekutive auf Geheimhaltung wie auch den Bedürfnissen der Legislative auf Kontrolle völlig ausreichend Rechnung trägt. Die Bundesregierung bittet daher, es auch in Zukunft bei dieser Praxis zu belassen.
Weitere Wortmeldungen? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 636 Ziffer 6 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 636 Ziffer 7. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen hier den Antrag zu Einzelplan 06 Kap. 20 begründen. Mit diesem Antrag bitten wir Sie, diesem Kapitel einen neuen Tit. 607 mit einem Ansatz von 1 Milliarde DM für den Verteidigungsschutz, und zwar den Bau von Luftschutzanlagen, hinzuzufügen. Sie wollen bitte diesen Begriff „Bau von Luftschutzanlagen" nicht so eng auffassen, wie es vielleicht klingt.
Seit der ersten Lesung des Luftschutzgesetzes ist schon wieder einige Zeit vergangen. Aber bis zu dieser Stunde ist der Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag immer noch kein Material über die Gesamtplanung und die Gesamtbelastung der zivilen Verteidigung vorgelegt worden. Das stimmt in keiner Weise mit dem Grundsatz überein, den der Herr Verteidigungsminister selber aufgestellt hat, daß vor jeder militärischen Aufrüstung die zivile Verteidigung geschaffen werden müsse.
Die bisher vorgesehenen Maßnahmen mit einem Kostenaufwand von 1,2 Milliarden DM, die sich auf drei Jahre erstrecken sollen und in diesem Haushaltsjahr mit 88 Millionen DM angesetzt sind, reichen in keinem Falle aus, um einen wirklichen Schutz der Zivilbevölkerung überhaupt nur einzuleiten. Sie wissen noch aus der Debatte um das Luftschutzgesetz, daß Fachleute etwa mit 20 Milliarden DM gerechnet haben, die notwendig sind, um eine echte Verteidigung für die Zivilbevölkerung aufzubauen. Bei diesem Haushaltsgesetz wissen wir aber noch nicht einmal, ob für die veranschlagten Beträge die finanzielle Deckung gesichert ist. Die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik ist durch dieses langsame Vorgehen der Bundesregierung beunruhigt. Sie hat ein Recht darauf, zu wissen, in welcher Weise ein Bevölkerungsschutz überhaupt möglich und sinnvoll ist, ohne daß bei der Darstellung der Dinge irgendeine Verniedlichung vorgenommen wird. Ich möchte mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, etwas zitieren, das sich ungefähr mit der Denkschrift zur Wehrpflicht deckt, und das ist ganz bestimmt nicht angebracht. Eine Studentenzeitung schreibt:
Ich möchte den Jungen sehen, der nicht mit Freude dabei ist, wenn es gilt, mitzuhelfen, ein Feuer zu löschen, einen Brand zu bekämpfen; oder das Mädchen, das nicht mit Eifer ...
Diese Art von Werbung für die Dinge, die viel ernster sind, sollte man doch endlich einmal zu den Akten legen.
Sie wissen, daß die allgemeine Skepsis gegenüber einer Wirksamkeit des Luftschutzes — im weitesten Sinne des Wortes — in der Bevölkerung sehr groß ist. Wir alle wissen selbstverständlich, daß es hundertprozentige Sicherheit in einem Kriegsfall nicht geben kann und daß deshalb unser Streben vor allem darauf gerichtet sein muß, eine Politik zu treiben, die keine kriegerische Auseinandersetzung zu Folge hat. Darüber sind wir uns in diesem Hause alle einig. Aber auch in Friedenszeiten ist der Bevölkerungsschutz dringend notwendig. Wir wissen, daß heute die Tätigkeit des Luftschutzes weiter geht, als wir sie aus der Erinnerung kennen. Heute ist der Bevölkerungsschutz auch gegenüber solchen Naturkatastrophen notwendig, wie sie als Auswirkungen von Atomversuchen in Form von Luftverseuchung, Lebensmittelverseuchung, Wasserverseuchung usw. eintreten können. Aber die bisher vorgesehenen Mittel reichen noch nicht einmal aus, um die Organisation schnell anlaufen zu lassen. Bei diesem vordringlichen Problem mit Mitteln zu sparen, ist unverantwortlich. Dabei ist jede nicht in eine vernünftige Gesamtplanung eingebaute Maßnahme hinausgeworfenes Geld und gaukelt eine tatsächlich nicht vorhandene Sicherheit vor. Sparsamkeit an diesem Platze ist auch dann unverständlich, wenn man hört, daß die Bundesregierung inzwischen über die 9 Milliarden DM Verteidigungsbeitrag hinaus der Zahlung weiterer Stationierungskosten zugestimmt hat.
Zu der allgemeinen Beunruhigung kommen nun auch noch alarmierende Nachrichten über die Auswirkungen von Versuchen mit atomaren Waffen. Man hört, daß sogar schon in der Bundesrepublik radioaktiver Staub festgestellt worden ist und daß die Untersuchungen bekannter Wissenschaftler weitere besorgniserregende Ergebnisse gezeitigt haben. Gestern schrieb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Herr Weinstein, daß wir viel zu wenig Radarwarngeräte haben. Wenn ich alles das zusammennehme, meine Herren und Damen, muß ich doch sagen: Man hat von der Regierung nicht den Eindruck, daß sie ihrer Sorgepflicht hier genügt. Die Sorge für unsere Bevölkerung und auch ihre Beruhigung muß aber an erster Stelle aller Überlegungen stehen. Hier ist wieder einmal die Opposition diejenige, die als Mahnerin auftritt. Glauben Sie mir, wir würden das Geld lieber für andere Zwecke ausgeben, für den sozialen Wohnungsbau u. dgl. Wenn Sie aber den Plan der zivilen Verteidigung so auffassen, wie wir es meinen, dann kann das eine segensreiche Einrichtung für alle Zeiten sein.
Aus diesem Grunde bitten wir, der in Umdruck 636 geforderten Erhöhung des Haushaltsansatzes Kap. 06 20 um 1 Milliarde DM zuzustimmen. Die Deckung finden Sie in Kap. 14 01 Tit. 300.
Meine Damen und Herren, es ist 13 Uhr. Es ist mir gesagt worden, daß der Herr Bundesfinanzminister zu dieser Sache in längeren Ausführungen sprechen möchte. Ich glaube, nach Einnahme einer kleinen Stärkung hört es sich dem Herrn Finanzminister besser zu.
- Sie wollen nicht reden; mir wurde gesagt, Sie wollten sprechen. Aber das, was ich über die Fähigkeit, der Regierung zuzuhören, nachdem eine kleine Stärkung eingenommen ist, gesagt habe, bezieht sich auch auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär Ritter von Lex.
Ich unterbreche die Sitzung; wir treten um 14 Uhr 30 wieder zusammen.
Die Sitzung wird urn 14 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Zunächst hatte sich der Herr Staatssekretär des Innern gemeldet. Lassen Sie der Frau Abgeordneten Ilk das Wort?
— Bitte, Frau Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die SPD hat den Antrag gestellt, den Zuschuß für den Bau von Luftschutzanlagen auf 1 Milliarde zu erhöhen. Das ist sicherlich, wenn wir einmal ein Luftschutzgesetz in vollendeter Form haben, der Betrag, den wir im Etat einsetzen müssen. Wir Freien Demokraten haben bei der ersten Lesung des Luftschutzgesetzes selbst darauf hingewiesen, daß für die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehenen baulichen Maßnahmen allein wohl schon ein zusätzlicher Betrag von 1/4 Milliarde erforderlich wäre. Wir sind weiter der Ansicht, daß die in der augenblicklichen Vorlage vorgesehenen Maßnahmen für den Luftschutz nicht ausreichen, und haben daher bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes erklärt, daß es in der Beratung in den Ausschüssen noch erweitert werden muß. Wir hoffen, daß auch das Bundesinnenministerium in dieser Richtung noch Vorschläge macht, die in den derzeitigen Gesetzentwurf eingearbeitet werden können. Dabei wird sich natürlich der Betrag von 1/4 Milliarde, den wir bei der ersten Lesung des Gesetzes für notwendig erachtet haben, schon erhöhen, und es werden auch höhere Anforderungen notwendig werden.
Ich möchte den Herrn Bundesinnenminister und vor allen Dingen den Herrn Finanzminister darauf hinweisen, daß die Vorkehrungen, die für den Luftschutz getroffen werden müssen, ja nicht nur Maßnahmen sind, die der Bevölkerung nur im Fall eines Krieges zugute kommen. Ich denke z. B., was ich damals auch ausführte, an Ausbildung in erster Hilfe, Brandbekämpfung und ähnliches oder an die sogenannten strategischen Evakuierungsmaßnahmen, wie z. B. Errichtung von Kinderheimen, die in Friedenszeiten als Erholungsheime dienen — z. B. jetzt wären sie für Berliner Kinder nützlich gewesen — und die in Kriegszeiten zur Aufnahme von Kindern aus den großen Städten Verwendung finden können. Die Aufwendungen für diese Maßnahmen stellen keine verlorenen Mittel dar, sondern sind schon für die heutige Zeit von außerordentlicher Bedeutung für die Bevölkerung, insbesondere bei Katastrophenfällen, und stets nutzbringend angewandt.
Trotz alledem sind wir der Meinung, daß wir, ehe ein erhöhter Betrag in den Etat eingesetzt wird, erst einmal die Beratungen über das Luftschutzgesetz abschließen sollten. Wir sind augenblicklich im Ausschuß für innere Verwaltung dabei, dieses Gesetz zu beraten. Erst nach Abschluß dieses Gesetzes wird sich herausstellen, wie hoch die erforderlichen Mittel sein werden, wobei ich nochmals sage, sie werden höher sein, als es jetzt im Etat vorgesehen ist. Wir wollen dann einen Antrag für die Nachtragshaushalte stellen, damit in diesem die erforderlichen Mittel bewilligt werden. Ich bitte daher, zu verstehen, wenn wir trotz der berechtigten Forderung, die Mittel für den Luftschutz zu erhöhen, die wir durchaus bejahen, für dieses Mal den Antrag der SPD ablehnen und uns vorbehalten, entsprechende Anträge für die Nachtragshaushalte zu stellen.
Der Herr Staatssekretär des Innern!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine meiner beiden geschätzen Vorrednerinnen, Frau Abgeordnete Renger, hat bei der Begründung des Antrages ihrer Fraktion auch das allgemeine Luftschutzproblem und damit die Luftschutzplanung der Bundesregierung angesprochen. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich mich in diese Dinge nicht weiter vertiefe. Ich darf darauf hinweisen, daß der Herr Bundesinnenminister bei der ersten Lesung des Bundesluftschutzgesetzes dazu bereits eingehende Ausführungen gemacht hat, und darf ferner darauf hinweisen, daß zu unserer großen Freude morgen in dem federführenden Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung die Beratung des Bundesluftschutzgesetzes beginnt und wir bei dieser Beratung auf die grundsätzlichen Fragen, die in der Luftschutzplanung stecken, ausführlich zu sprechen kommen werden. Hier darf ich mich auf eine Feststellung beschränken.
Die 1,2 Milliarden DM, die das vorläufige Luftschutzprogramm der Bundesregierung — ich sage ausdrücklich: das vorläufige Luftschutzprogramm — vorsieht, sind ein Betrag, der sich auch nach den Vergleichen, die wir mit den Planungen der anderen am Luftschutz interessierten Länder inzwischen durchgeführt haben, durchaus sehen lassen kann. I Wenn man auf den Kopf umrechnet, darf man feststellen, daß bei uns, wenn dieses Programm zur Durchführung gelangt, auf den Kopf der Bevölkerung 8 DM entfallen, während z. B. in den Vereinigten Staaten — die Damen und Herren werden überrascht sein — 4,76 DM, in Schweden 4,62 DM und in Norwegen 4,96 DM auf den Kopf der Bevölkerung entfallen.
Ich darf auch noch auf folgendes hinweisen. Im Nachtragshaushalt 1955 sind uns, und zwar in den letzten Tagen des vergangenen Haushaltsjahres, für Luftschutzzwecke rund 70 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Dieser Betrag konnte bisher beim besten Willen natürlich noch nicht ausgegeben werden. Wir werden, wenn das Hohe Haus die Ansätze für das Haushaltsjahr 1956 genehmigt, weitere 88 Millionen DM erhalten. Das ergibt dann im ganzen 158 Millionen DM, einen Betrag, der nicht überwältigend hoch erscheint, der es uns aber doch ermöglicht, mit der Durchführung von Luftschutzmaßnahmen immerhin einen beachtlichen Anfang zu machen.
Nun darf ich auf den Antrag der Fraktion der SPD, der verlangt, für den Bau von Luftschutzanlagen 1 Milliarde DM vorzusehen, noch des näheren eingehen. Wir haben im Haushalt 1955, und zwar im Nachtrag, und haben im Hausthaltsvoranschlag des Jahres 1956 bei Kap. 06 20 Tit. 605 und 606 Zuschüsse des Bundes im Gesamtbetrag von 32,5 Millionen DM, und zwar erstens für ortsfeste Anlagen des Luftschutzhilfsdienstes und zweitens zur Instandsetzung von Luftschutzbunkern und -stollen und für den Bau von öffentlichen Sammelschutzräumen. Die von der Fraktion der SPD beantragte Summe von 1 Milliarde DM
scheint darüber hinaus auch die Finanzierung des privaten Schutzraumbaues im Auge zu haben.
Das Luftschutzprogramm der Bundesregierung vom Juli 1955, das den Haushaltsanforderungen der nächsten Jahre zugrunde liegt, sieht in den nächsten drei Jahren insgesamt folgende Beträge vor: zunächst 230 Millionen DM Aufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden für öffentliche Luftschutzbauten, dann 220 Millionen DM Darlehen des Bundes für Schutzraumbauten bei Neubauvorhaben im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau. Zu diesen von der öffentlichen Hand bereitzustellenden Mitteln kommen zusätzlich noch Mittel der Bauherren in einem Gesamtbetrag — der allerdings sehr hoch erscheint — von 660 Millionen DM. Im Entwurf des Luftschutzgesetzes ist ja die Verpflichtung der Bauherren vorgesehen, bei allen Neubauten in Orten mit über 10 000 Einwohnern Schutzräume zu errichten.
Im Nachtragshaushalt 1955 und in dem vorliegenden Entwurf des Haushaltsvoranschlages 1956 des Bundesinnenministeriums sind, wie ich bereits erwähnt habe — ich behandle jetzt noch einmal die öffentlichen Luftschutzbauten —, für öffentliche Luftschutzbauten als Bundeszuschuß 32,5 Millionen DM veranschlagt. Nach dem Entwurf des Luftschutzgesetzes kommen zu diesen Bundesmitteln noch die Anteile der Länder und Gemeinden hinzu, deren Höhe von der endgültigen Fassung des Luftschutzgesetzes abhängig ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dieser Betrag von 32,5 Millionen DM für öffentliche Luftschutzbauten im laufenden Haushaltsjahr ausreicht, dies um so mehr, als bei rechtzeitigem Inkrafttreten des Luftschutzgesetzes, wie die Bundesregierung erhofft, auch noch Anteile der Länder und der Gemeinden zu erwarten sind.
Die Verpflichtung, private Schutzräume zu errichten, beginnt erst nach dem Inkrafttreten des Bundesluftschutzgesetzes. Die Frage der Mitfinanzierung dieser Verpflichtung durch die öffentliche Hand im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau und besonders bei den Wohnungen für die Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen bedarf einer sorgfältig abwägenden gesetzlichen Regelung durch das Luftschutzgesetz. Solange diese Regelung nicht vorliegt, erscheint der Bundesregierung — und ich darf damit auch meiner Vorrednerin Frau Dr. Ilk zustimmen — der Antrag der SPD-Fraktion als verfrüht.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Herrn Staatssekretär nur kurz antworten.
Der Herr Minister hat hier schon mehrfach das Wort von den Prioritäten gebraucht, und er hat immer als die Priorität Nr. 1 die Sicherheit unserer Staatsbürger erklärt. Ich muß sagen, wenn er sich mit der Bravour, mit der die Bundesregierung um das Wehrpflichtgesetz, das noch gar nicht effektiv wird, kämpft, um den Luftschutz gekümmert hätte, dann brauchten Sie nicht Jahr für Jahr hier vor das Parlament zu treten und zu sagen: Wir haben gar keine Grundlagen, es braucht wegen der fehlenden Mittel noch nichts zu geschehen. Aber wir haben heute morgen schon gesagt: zunächst muß einmal die Grundsatzfrage geklärt werden, ob wir
nicht zum Teil bei den Menschen Illusionen erwecken, wenn wir ständig von Luftschutz reden. Die grundsätzliche Frage muß vor allem von der wissenschaftlichen Seite her gründlich geprüft werden.
Was Ihre Ausführungen zu der Frage der Höhe der Mittel für den Luftschutz in den einzelnen Ländern betrifft, so haben wir schon bei der ersten Lesung des Luftschutzgesetzes gesagt, daß es ganz unmöglich ist, einen Vergleich mit den anderen Ländern hier nur an Hand der reinen Zahlen vorzunehmen, weil wir ja einen ungeheuren Nachholbedarf, wenn man überhaupt an solche Projekte herangeht, haben werden.
Dann noch ein Drittes, die Frage der Kostenbeteiligung vor allem der Gemeinden. Ich glaube, hier können wir Ihnen von meiner Fraktion nur noch einmal ein hartes Nein entgegenrufen. Ich bin überzeugt, daß sich auch in diesem Hause wohl kaum eine Mehrheit dafür finden wird, die Gemeinden in der Form zu belasten, wie Sie sich das vorstellen. Denn - und das ist das Entscheidende — dann müssen gerade die Städte und Gemeinden die größten Lasten tragen, die infolge der Luftangriffe während des letzten Krieges noch heute so viel zu leisten haben.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, jenen Abstimmungsmodus jetzt wiederherzustellen, der seinerzeit im Ältestenrat vereinbart worden ist, d. h. zunächst alle Abänderungsanträge zu jedem Haushalt zu begründen, dann nachher geschlossen vor der Abstimmung über den gesamten Einzelplan über diese Änderungsanträge abzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich persönlich war nicht sehr erfreut darüber, daß das Plenum vorhin einen einstimmig beschlossenen Vorschlag des Ältestenrates abgeändert hat. Aber nachdem das nun geschehen ist, sollten wir wenigstens für diesen Tag, für diese Haushaltsberatung bei der gleichen Methode bleiben. Es geht doch nicht an, daß wir alle ein oder zwei Stunden die Arbeitsmethode und die Abstimmungsmethode ändern. Ich bitte daher, den Beschluß, den wir vorhin gefaßt haben, nicht zu ändern.
Ich hoffe, daß wir kein längeres Geschäftsordnungsintermezzo haben. Ich bitte schon jetzt um Nachsicht für den zur Zeit amtierenden Präsidenten und für jeden künftigen, wenn er nicht mehr ganz sicher im Verfahren ist. Denn auch ich leide darunter, daß das Haus seine Beschlüsse in diesen Verfahrensfragen häufig ändert.
Es bleibt mir aber nichts anderes übrig, als den Antrag Rasner zur Abstimmung zu stellen. Herr Abgeordneter Rasner hat beantragt, daß folgendermaßen verfahren werden soll: erst werden die
Änderungsanträge hintereinander begründet, dann wird darüber diskutiert, dann findet die allgemeine Besprechung über den Einzelplan statt, und dann wird abgestimmt. — Habe ich Sie so recht wiedergegeben?
— Das ist richtig; es gab im Ältestenrat eine Vereinbarung dieser Art, damit hat der Abgeordnete Rasner ohne Zweifel recht. Es gibt Gründe, aus denen man das abändern kann; darin haben Sie recht.
Wenn jetzt das Haus zu den Beschlüssen des Ältestenrates zurückkehren will, dann kann es das tun; es muß dann aber neu beschließen. Ich würde bitten, daß wir das jetzt ohne weitere Vorwürfe machen, dann aber möglichst bei dem Verfahren bleiben.
Frau Abgeordnete Ilk, dazu?
Herr Präsident, ich glaube, als der Ältestenrat den Beschluß, zu dem Kollege Rasner jetzt zurückzukehren wünscht, gefaßt hat, hat er nicht gewußt, welche Flut von Änderungsanträgen hier noch vorgelegt werden würde.
Wenn wir jetzt wieder den Modus ändern, kommt eine solch heillose Verwirrung in die ganze Abstimmungsmethode,
daß wir uns überhaupt nicht mehr durchfinden. Ich bitte Sie doch, meine Herren Kollegen, die Sie jetzt so eifrig dagegen protestieren, was ich hier sage, an das zu denken, was wir heute morgen über die Arbeitsmethode des Bundestages gesagt haben. So kann man doch nicht mehr arbeiten; jeder Abgeordnete ist einfach überfordert, wenn zunächst ein Dutzend Änderungsanträge hintereinander begründet, dann womöglich noch durcheinander diskutiert werden und über alle zusammen dann abgestimmt wird. Wie sollen dann eigentlich die Abgeordneten noch ein klares Bild bekommen, die nicht in der Materie drin sind und die hier im Plenum die Dinge vorgetragen bekommen und entscheiden sollen? Schließlich sind wir doch alle dazu da, nach Können und Wissen zu entscheiden und nicht nach Weisung eines Vorredners aus der Fraktion.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß es den Herrn Antragsteller ungerührt läßt und daß er bei seinem Antrag bleibt.
Infolgedessen müssen wir darüber abstimmen.
Wer für den Antrag des Abgeordneten Rasner ist,
den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit; es wird so verfahren.
— Meine Damen und Herren, es hat doch gar keinen Zweck, sich darüber aufzuregen. Man kann dies und jenes dazu sagen, aber jetzt wird nach diesem Beschluß verfahren. Ich hoffe, daß es heute dabei bleibt, wenn möglich auch morgen.
Jetzt geht es also nach diesem Verfahren weiter. Ich frage, ob noch zu dem Änderungsantrag Umdruck 636 Ziffer 7 das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Änderungsantrag Umdruck 636 Ziffer 8*) auf. Soll dieser Änderungsantrag begründet werden? — Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns erst vor einigen Wochen hier mit dem Zweiten Bundesgrenzschutzgesetz beschäftigt. Leider sind damals die Argumente meiner Fraktion bei der Mehrheit des Hauses nicht durchgedrungen. Wir glauben aber, trotzdem heute noch einmal bei den Beratungen des Haushalts auf die Sache zurückkommen zu müssen.
In den letzten Tagen haben sich ja die Gerüchte gemehrt, daß die Zahl der Grenzschutzbeamten, die beim Bundesgrenzschutz bleiben wollen, steige und größer, als zu erwarten gewesen, sei. Im Augenblick läßt sich das noch nicht endgültig übersehen. Ich weiß auch nicht, ob man in gewissen Kreisen mit dem Gedanken spielt, daß man grundsätzlich zwar zur Bundeswehr will, aber vielleicht von dem Herrn Bundesverteidigungsminister noch einige zusätzliche Zusagen erhalten möchte. An der Tatsache, daß ein großer Teil des Bundesgrenzschutzes zur Bundeswehr übergehen wird, ist doch wohl nicht zu zweifeln. Wir sind uns alle in diesem Hause einig gewesen, daß es gut ist, den unmittelbaren Schutz der Grenze bei kleineren Zwischenfällen bei den nicht an die NATO gebundenen Kräften zu belassen. Selbst die Auswirkungen kleinerer Zwischenfälle könnten schwerwiegend sein. Ich darf hier auf die Debatten, die in Zusammenhang mit den anderen Fragen geführt worden sind, verweisen.
Wir bitten heute den Minister, Näheres darüber zu sagen, wie er sich die weitere Sicherung der Grenzen denkt. Der Herr Minister hat ja am 9. Mai zumindest für den Übergang eine Lösung ins Auge gefaßt, die in der Richtung unseres grundsätzlichen Vorschlages geht, nämlich dahingehend, daß er an eine stärkere Zusammenarbeit mit den Bereitschaftspolizeien der Länder denkt. Gerade die Erfahrungen des Bundesverteidigungsministers mit der Bereitschaftspolizei bei der Personalsuche, Herr Staatssekretär, sollten Ihr Haus veranlassen, nicht mit allzugroßem Optimismus darauf zu vertrauen, daß Sie in absehbarer Zeit den Bundesgrenzschutz wieder auffüllen können. Sie sollten vielmehr zu einer klaren Regelung kommen, die dem Interesse des Bundes und dem Schutz der Grenzen gerecht wird. Wir bitten Sie daher, unseren Anträgen zuzustimmen.
Nun sind in der Debatte am 9. Mai von dem Herrn Minister einige Gedanken darüber vorgetra-
*) Siehe Anlage 7.
gen worden, warum der Grenzschutz erhalten bleiben müsse. Ich glaube, wir müssen heute bei der Begründung unseres Antrags noch einmal darauf eingehen. Der Herr Minister hat gemeint, die Sicherungsaufgaben könnten überhaupt nur unter einem einheitlichen Kommando geführt werden. Ich glaube, wir sind uns alle einig, daß es möglich ist, mit den Ländern darüber zu einer Vereinbarung zu kommen, die ein reibungsloses Funktionieren ermöglicht. Ihr Haus, Herr Staatssekretär, muß in der Übergangszeit zu einer solchen Lösung kommen. Ich sehe gar keine Schwierigkeit.
Nun hat Herr Kollege Mende damals gemeint, daß wir den Bundesgrenzschutz als Bundesinstitution erhalten müßten. Aber die Verhältnisse haben sich seit der Schaffung des Bundesgrenzschutzes so grundlegend gewandelt, daß die Gesichtspunkte, die damals für die Aufstellung der Bundesexekutive gesprochen haben, heute nicht mehr durchschlagen.
Schließlich hat der Herr Minister noch gemeint, man könne mit dem Argument meines Kollegen Eschmann nichts anfangen, daß die Beamten der Bereitschaftspolizeien der Länder in der Gefahr stünden, gewissermaßen abgeworben zu werden, um den Bundesgrenzschutz wieder aufzufüllen. Meine Damen und Herren, das ist ein sehr ernstes Problem. Wir haben ja damals gleichzeitig eine Besoldungsanhebung für den Bundesgrenzschutz im Sinne einer Gleichziehung mit der Bundeswehr beschlossen. Es ist selbstverständlich, daß es für die Beamten bei den Bereitschaftspolizeien der Länder, deren Gehälter zurückgeblieben sind, sehr reizvoll ist, nun zum Bundesgrenzschutz überzutreten. Ohnehin ist es in einer Zeit, in der wir bis auf die Notstandsgebiete und die Zonengrenzgebiete eine hohe Beschäftigung, eine günstige Beschäftigungslage haben, sehr schwierig, den geeigneten Nachwuchs für die Polizei, für den Beruf des Polizeibeamten zu finden.
Die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, würden dazu führen, daß den Gemeinden und den Ländern die Polizeibeamten abgeworben werden. Ich glaube, das können wir nicht vertreten. Denn nun kommt das Entscheidende: die Länder und die Gemeinden werden gezwungen, die Gehälter sehr stark zu erhöhen. Das verträgt sich wieder nicht mit ihrer finanziellen Lage. Der Bund ist in einer ungleich günstigeren Lage. Der Herr Bundesfinanzminister hat seinen Juliusturm zur Vorbereitung der Wiederaufrüstung und verfügt über große Mittel, so daß er hier die Länder und die Gemeinden ausstechen kann. Man kann da nicht einfach 'sagen, wie der Herr Kollege Mende gemeint hat: man solle einfach die Bereitschaftspolizeien der Länder auflösen, wenn sie nicht in der Lage seien, den notwendigen Nachwuchs zu finden.
Der Herr Minister hat uns kürzlich aufgefordert, sein Anliegen, den Schutz der Grenze, zu unterstützen. Wir glauben, in diesen Vorschlägen einen wirksamen Schutz zu gewährleisten, und bitten um Annahme.
Der Herr Staatssekretär des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Begründung zu dem Antrag
Ziffer 6 des Umdrucks 636 geht davon aus, daß — nun zitiere ich wörtlich — „nach Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr die Aufgabe der Sicherung der Zonengrenzen an die betreffenden Länder übergegangen ist". Diese Voraussetzung trifft nicht zu. Nach § 4 des Zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes vom 30. Mai 1956 bleibt das Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden vom 16. März 1951 unberührt. Unberührt bleibt daher auch die Verpflichtung der Bundesgrenzschutzbehörden nach § 2 dieses Ersten Bundesgrenzschutzgesetzes, das Bundesgebiet gegen alle die Sicherheit der Grenzen gefährdende Störungen der öffentlichen Ordnung im Grenzgebiet zu sichern. Diese Aufgabe ist daher wie bisher vom Bundesgrenzschutz und nicht von den Bereitschaftspolizeien der Zonengrenzländer wahrzunehmen.
Im übrigen ist es auch nicht zutreffend, wenn der Antrag von der Übernahme des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr spricht. Es gehen vielmehr nur die Beamten über, die während der zur Zeit laufenden Optionsfrist für die Bundeswehr optieren.
— Ich meinte, die praktisch für die Bundeswehr optieren, Herr Abgeordneter.
Unberührt von diesen mehr juristischen Erwägungen bleibt die grundsätzliche Frage, ob es auch aus Sicherheitsgründen ausreichend wäre, die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes auf die Grenzländer oder auch auf alle Länder zu übertragen. Zu dieser Frage hat die Bundesregierung bei der Beratung des Zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes bereits ausführlich Stellung genommen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die polizeiliche Abwehr von politisch-demonstrativen Massenaktionen an der Zonengrenze, von Aktionen, die jederzeit in größerem Ausmaße einsetzen können, eine Aufgabe, die nicht allein den Bereitschaftspolizeien der Länder oder gar nur der Zonengrenzländer aufgebürdet werden kann. Wir brauchen zur Bewältigung dieser Aufgabe eine kasernierte, motorisierte, straff in der Hand des Bundes liegende, d. h. zentral geführte und damit jederzeit an jedem Grenzgefahrenherd in ausreichender Stärke einsetzbare Polizeitruppe. Das ist keinerlei Herabsetzung der Bereitschaftspolizeien der Länder, wie ich hiermit ausdrücklich betonen möchte. Wir wissen, wie wertvoll die Bereitschaftspolizeien der Länder sind und wie vorzüglich der Ausbildungsstand dieser Bereitschaftspolizeien ist.
Ich darf auch, um auf ein Argument des Herrn Abgeordneten Schmitt einzugehen, eines versichern: wir denken nicht daran, den Bereitschaftspolizeien irgendwelche Beamte für den Bundesgrenzschutz abzuwerben. Wir haben uns bereits im Jahre 1954 mit den Innenministern der Länder dahin abgesprochen, daß wir keinen Mann ohne Zustimmung seines Dienstherrn herübernehmen. Aber für den Bund sind wir der Auffassung, daß wir an dieser zentral geführten Polizeitruppe, an einer Sonderpolizeitruppe des Bundes festhalten müssen und daß dies der Bundesgrenzschutz ist. Die Bundesregierung wird alles daran setzen, um den Bundesgrenzschutz so rasch wie möglich wieder aufzufüllen. Hierfür müssen nach Auffassung der Bundesregierung die Bundesmittel in erster Linie eingesetzt werden.
Die Bundesregierung bittet daher, den Antrag der SPD-Fraktion auf Bereitstellung eines Zuschusses von 50 Millionen DM für die Bereitschaftspolizeien der Zonengrenzländer abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Dann fahre ich fort in der Behandlung der Änderungsanträge auf Umdruck 636*). Ich rufe auf die Ziffer 9. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Bergmeyer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Umdruck 672**) vor. Ich möchte dazu einige kurze Ausführungen machen. Der Antrag Umdruck 672 bezweckt nicht eine Ausgabenerhöhung, sondern einen Aufgabenabbau, eine echte Ausgabensenkung und dazu eine Verwaltungsvereinfachung. Seit über einem Jahr wird in diesem Hohen Hause von Verwaltungsvereinfachung gesprochen. Das Plenum dieses Hohen Hauses hat einstimmig einen Antrag zur Verwaltungsvereinfachung angenommen. Bisher ist jedoch praktisch deshalb nichts geschehen, weil die in Betracht kommenden Ausschüsse noch nicht konstituiert sind. Meines Erachtens ist es höchste Zeit, daß endlich mit der praktischen Arbeit begonnen wird. Hier bietet sich jetzt endlich eine Gelegenheit zur Vereinfachung und Einsparung.
Mein Antrag bezweckt die Überführung der Paßkontrolle in die Zollverwaltung, die die Aufgaben der Paßkontrolle genau so gut wie der Grenzschutz wahrnehmen kann, wie sie es lange Zeit bewiesen hat. Im Vorjahr hat in dieser Sache bereits eine lebhafte Debatte im Hause stattgefunden. Wie ich höre, hat sich das Bundesinnenministerium bereit erklärt, die Stellenzahl von 850, die jetzt im Haushaltsplan vorgesehen ist, auf 670 zu reduzieren. Die Zollverwaltung dagegen kann die Paßkontrolle mit 300 Mann zusätzlich statt mit 850 bzw. 670 Mann durchführen. Diese zusätzlichen 300 Stellen werden aber mit kw-Vermerk versehen. Sie fallen also später, und zwar am 31. März 1957, fort. Dann würde der Zoll in der Lage sein, ohne zusätzliche Kräfte die Paßkontrolle durchzuführen.
Die Stärke des Bundesgrenzschutzes ist auf 20 000 Mann festgesetzt. Diese 20 000 Mann sind heute nicht mehr vorhanden, weil ein erheblicher Teil zur Bundeswehr übergetreten ist. Eine Wiederauffüllung ist aber nur beschränkt möglich, weil drei Fünftel der Planstellen gesperrt sind. Die Überführung der Paßkontrolle ist deshalb jetzt mit Rücksicht auf die Wiederauffüllungssperre ohne weiteres und ohne Schwierigkeiten möglich. Es liegt in der Tat erstmals eine echte Einsparungs- und Vereinfachungsmöglichkeit vor. Wenn wir mit der Verwaltungsvereinfachung ernst machen wollen, müssen wir diese Gelegenheit, die sich uns jetzt bietet, nutzen. Im übrigen wird in Kürze ein Antrag auf Änderung der Personalstärke, d. h. auf Herabsetzung der Stärke von 20 000 auf zirka 19 000 Mann, eingebracht werden. Das Bundeskabinett hat beschlossen, es beim alten Zustand zu belassen.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß Warenkontrolle und Personalkontrolle in eine Hand gehören. So war es früher im Reich, und so ist es heute bei 329 kleinen Grenzübergängen. Nur an den 60 großen Grenzübergängen arbeitet der Paßkontroll*) Siehe Anlage 7.
**) Siehe Anlage 27.
dienst. Die Trennung von Waren- und Personalkontrolle ist auch erst seit 1945 von den Alliierten eingeführt worden.
Durch die Überführung tritt eine erhebliche Verwaltungsersparnis in der gesamten Organisation ein. Der Doppelapparat von Paß und Zoll mit doppelten Aufenthalts- und doppelten Diensträumen nebeneinander fällt fort.
Ich möchte Sie deshalb bitten, meinen Antrag zu unterstützen, der einen echten Aufgabenabbau vorsieht, Überschneidungen beseitigt und eine nicht unbedeutende Einsparung herbeiführt. Außerdem bleibt das Weisungsrecht des Bundesinnenministers — worauf ich besonders hinweisen möchte — voll und ganz aufrechterhalten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem grundsätzlichen Anliegen des Herrn Kollegen Dr. Bergmeyer, das er im Hause schon seit längerer Zeit, unterstützt von eigentlich allen Seiten, verficht, nämlich dem eines organischen Abbaus von Aufgaben und damit auch von den dazu gehörigen Menschen und Gegenständen, stimme ich völlig zu. Herr Kollege Dr. Bergmeyer irrt aber, wenn er glaubt, daß dieser Gegenstand dazu geeignet sei, dem Ziel zu dienen, das er und wir alle anstreben.
Lassen Sie mich dazu etwas weiter ausholen. Der Bundespaßkontrolldienst hat bei den Haushaltsberatungen 1955 bereits lebhafte Debatten ausgelöst. Die Bundesregierung hatte damals in der dritten Lesung des Haushalts — das wird vielen der Anwesenden in Erinnerung sein — beantragt, von einem damals geplanten 50 %-kw-Vermerk abzusehen. Sie hat ausgeführt, daß sie eine organische Lösung anstreben werde. Wir haben weiter in der Debatte darauf hingewiesen, daß auch die von der Bundesregierung nachdrücklich geförderte Liberalisierung — wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf — des Reiseverkehrs einen gewissen Aufgabenabbau beim Bundespaßkontrolldienst ermöglichen werde, der dann auch eine entsprechende Verminderung der Stellen zulassen könne.
Ich habe damals die Bildung einer Kommission angekündigt, die aus einem Vertreter des Haushaltsausschusses und der Ausschüsse für innere und auswärtige Angelegenheiten sowie aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, des Bundesfinanzministeriums und des Bundesrechungshofs bestehen sollte. Diese Kommission hat getagt, sie hat gründlich beraten und hat schließlich am 17. Januar dieses Jahres eine Empfehlung erarbeitet, die dahin geht, daß bestimmte Aufgaben der Personenkontrolle an der Grenze für die Bundesrepublik im Interesse der öffentlichen Sicherheit unverzichtbar seien und daß die Bundesrepublik zur Erfüllung dieser Aufgaben auch in Zukunft einer hierfür besonders qualifizierten Behördenorganisation bedürfe. Das Kabinett hat die Empfehlung der Kommission in seiner Sitzung am 24. April dieses Jahres vorbehaltlos gebilligt und sich damit für die Aufrechterhaltung des Paßkontrolldienstes in Übereinstimmung mit der Kommission ausgesprochen. Gleichzeitig hat das Kabinett empfohlen, daß sich die beiden Ressorts des Innern und der Finanzen über die Möglichkeit gewisser Einsparungen einigen sollten.
Wir haben im Anschluß daran den Paßkontrolldienst nochmals eingehend auf die Möglichkeit von Einsparungen überprüft. Wir haben insbesondere die Lockerungen der Grenzkontrolle, die wir zum Teil aus eigenem Antrieb, zum Teil in Auswertung von Empfehlungen des Europarats inzwischen eingeführt haben, in Rechnung gestellt. Als Lockerungen der Grenzkontrolle, die dabei zu berücksichtigen waren, kamen in Betracht die weitgehende Aufhebung des Sichtvermerkzwanges, der Verzicht auf die Abstempelung deutscher und bei der Ausreise auch ausländischer Pässe und die nur noch stichprobenweise erfolgende Kontrolle der Reisepapiere bei der Ausreise. Diese Lage läßt es uns vertretbar erscheinen — das ist im Haushaltsausschuß des längeren dargelegt worden —, 180 der 850 Stellen des Bundespaßkontrolldienstes bis zum 31. März 1957 endgültig wegfallen zu lassen. Diese Kürzungen umfassen Stellen vom Wachtmeister bis zum Inspektor. Der Bundespaßkontrolldienst würde dann noch 670 Stellen umfassen. Die bisher bewährte Gliederung des Paßkontrolldienstes könnte beibehalten werden. Der Paßkontrolldienst würde nach wie vor — und das ist das Entscheidende — die 60 Hauptgrenzübertrittsstellen überwachen, bei denen es sich entweder um Hauptknotenpunkte des internationalen Reiseverkehrs oder um Übergänge zu den Ostblockstaaten handelt. An diesen Hauptübergängen hat sich im Jahre 1955 — wir haben das statistisch im einzelnen dargelegt — der größere Teil des gesamten grenzüberschreitenden Verkehrs abgewickelt.
An der Kontrolle des Grenzverkehrs durch den Bundespaßkontrolldienst glaubt die Bundesregierung — ich sage: die Bundesregierung, nicht etwa nur: der Bundesminister des Innern — aus Sicherheitsgründen unbedingt festhalten zu müssen. Die derzeitige Organisation, nämlich eine Paßkontrolldirektion und zehn Paßkontrollämter mit Grenzabschnitten von durchschnittlich 450 km Länge, übt das Weisungsrecht für das Personal des Bundespaßkontrolldienstes an den 60 Hauptübergängen aus. Sie übt ferner das Weisungs- und Aufsichtsrecht für die von der Zollverwaltung überwachten 329 kleineren Übergänge aus. Diese Organisation — und das ist der eigentlich entscheidende Punkt, den man sich klarmachen muß — bildet das Rückgrat für grenzpolizeiliche Maßnahmen, zu denen der Bundesinnenminister in Spannungszeiten oder in sonstigen besonderen Fällen jederzeit veranlaßt sein kann. Würde diese Organisation völlig auf die Zollverwaltung übergehen, so könnte der Bundesinnenminister seine rein polizeilichen Weisungen nur noch über die Zollbehörden erteilen. Er wäre der Möglichkeit beraubt, sich durch eigene Organe ein Bild von der Grenzlage und von der Tätigkeit der Kontrollbeamten zu verschaffen.
Eine Lösung, welche die bewährte Organisation des Bundespaßkontrolldienstes über die vom Bundesinnenminister angebotene Einsparung von 180 Stellen hinaus völlig zerschlagen würde, kann nach Auffassung der Bundesregierung vom Sicherheitsstandpunkt aus nicht verantwortet werden.
— Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik liegt im Spannungsfeld zwischen Ost und West. Das war früher nicht der Fall, Herr Kollege Hilbert. Die sicherheitspolizeiliche Lage ist unverändert ernst. Die kommunistische Infiltration und die damit zusammenhängende Agententätigkeit haben durch die Aufweichungsoffensive, die zur Zeit von der Sowjetunion betrieben wird, nicht abgenommen; sie sind vielmehr in ständigem Anwachsen begriffen.
Auch die Aufstellung der Bundeswehr erfordert eine besondere Abschirmung der Grenze durch eine fachlich besonders geschulte Organisation, die als Sonderpolizei mit den Verfassungsschutzbehörden und den allgemeinen Polizeibehörden sowie beim Bundesnachrichtendienst auf das engste zusammenarbeitet. Das Personal des Bundespaßkontrolldienstes wird laufend für sicherheitspolizeiliche Aufgaben besonders geschult. Durch Lehrgänge auf der Schule des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird es auch auf den besonderen Gebieten des Verfassungsschutzes und des Nachrichtendienstes ausgebildet.
Die Bundesrepublik muß sich bei der Lage, in der sie sich nun einmal befindet, mindestens ebenso wirkungsvoll abschirmen, wie dies auch andere europäische Staaten, die im Spannungsfeld zwischen Ost und West nicht in der vordersten Linie liegen, für erforderlich erachten. Alle diese Staaten — ich zähle sie hier einmal auf: Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Italien und Großbritannien — haben an den wichtigsten Grenzübertrittsstellen Polizei, nicht aber Zollpersonal eingesetzt. Sie unterhalten aus Gründen der Staatssicherheit an allen wichtigen Übergängen mit starkem Reiseverkehr ebenso wie wir eine polizeilich besonders geschulte Sonderorganisation.
Ich darf noch auf einen weiteren, wie mir scheint wichtigen, Gesichtspunkt hinweisen. Wir müssen das Bundesgebiet nicht nur gegen politisch subversive Elemente, wir müssen uns auch gegen kriminelle Elemente abschirmen, von denen jährlich mehrere Tausend der im Fahndungsblatt ausgeschriebenen Personen durch den Bundespaßkontrolldienst ermittelt werden.
Für die Bundesrepublik kommt ferner als Besonderheit hinzu, daß sie auch Anlaß hat, sich gegen Zehntausende von heimatlosen Ausländern abzuschirmen, die unsere Grenzen in der Absicht überschreiten, bei uns wirtschaftliche Versorgung oder politisches Asyl zu finden.
— Ich merke, daß hier ein Mißverständnis eingetreten ist. Ich möchte völlig klarstellen, daß alle internationalen Verpflichtungen, die wir auf diesem Gebiete haben und bereitwillig erfüllen, selbstverständlich nicht unter das gehören, was ich hier ausgeführt habe. Das nur, um Mißverständnisse zu vermeiden.
Diese Gesamtsituation rechtfertigt in vollem Umfang die Ziffer 2 und 3 der Empfehlungen der Gemischten Kommission vom 17. Januar 1956. Auch der Bundesrat ist bei der Debatte über das Zweite Bundesgrenzschutzgesetz — in sehr detaillierter Weise, wie Sie sich erinnern werden - davon ausgegangen, daß der Bundespaßkontrolldienst erhalten bleiben soll. Die Bundesregierung muß daher an dem Bundespaßkontrolldienst, der vom Gesetzgeber selber durch das Erste Bundesgrenzschutzgesetz geschaffen und durch § 4 des Zweiten Bundesgrenzschutzgesetzes ausdrücklich aufrechterhalten worden ist, festhalten. Ein Herauslösen dieser Institution aus dem bestehenden System unserer Grenzkontrolle würde nicht nur gegen diese Gesetze verstoßen; ein solches Herauslösen würde aus den sämtlichen von mir bereits angeführten Gründen auch eine unheilvolle Schwächung der
Sicherheit unseres Staates bedeuten. Die Bundesregierung hat durch das Angebot, 180 der 850 Stellen des Bundespaßkontrolldienstes einzusparen — ein Angebot, das die Zustimmung des Haushaltsausschusses gefunden hat —, dem Willen dieses Hohen Hauses nach Verminderung des Personals bis zur Grenze des Möglichen Rechnung getragen. Sie bittet daher das Hohe Haus darum, ihr durch die Bewilligung der 670 verbleibenden Stellen die Möglichkeit zu belassen, durch das gesetzlich vorgesehene und vorgeschriebene Mittel der Bundespaßnachschau die Grenzen unseres Staatsgebiets auch in Zukunft wirkungsvoll abzuschirmen.
Ich glaube, ich habe durch meine Haltung in der Frage des Bundesgrenzschutzes bewiesen, daß ich nicht zu den Leuten gehöre, die die Bedeutung eines Ressorts nach der Kopfzahl zu messen versuchen. Vielmehr bedarf nach meiner Auffassung unser gesamtes System einer sorgfältigen Abstimmung aufeinander. Gerade weil ich diese Haltung gezeigt habe, bitte ich es mir abzunehmen, daß ich in der Tat davon überzeugt bin, daß wir hier im Zusammenschneiden vorhandener Sicherheitseinrichtungen, an denen unser Vaterland derzeit wirklich nicht sehr reich ist, bis an die äußerste Grenze gegangen sind.
Ich muß leider in diesem Zusammenhang auf das zurückkommen, was ich hier schon früher gesagt habe. Jeder von Ihnen, der sich die Mühe machen möchte, sich die Sicherheitsvorkehrungen der Sowjetzone nach Quantität und Qualität und in Relation zu den Bevölkerungszahlen zu vergegenwärtigen, wird erkennen müssen, daß wir auf dem Sicherheitsgebiet — das ist ein sehr ernster Tatbestand — im Vergleich zur Sowjetzone etwa im Verhältnis 1 : 10 dastehen. Deswegen bitte ich Sie dringend, keinen weiteren Abbau von Sicherheitseinrichtungen vorzunehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst gebe ich meiner Freude darüber Ausdruck, daß wir Herrn Bundesinnenminister Dr. Schröder in unserer Mitte begrüßen dürfen. Er kommt zwar dadurch um den Genuß der Filmfestspiele in Berlin, und der Bundestag ist nur ein schwacher Ersatz dafür; immerhin haben wir die Möglichkeit. uns mit ihm in einer Frage auseinanderzusetzen, die ihm, wie es eben wieder zum Ausdruck gekommen ist, so sehr am Herzen liegt. Dabei hoffe ich, daß das Hohe Haus in der Lage ist, den abwesenden Abgeordneten, die an dieser Beratung nicht teilnehmen, die Argumente pro und contra darzulegen, wenn sie am Schluß zusammengeschellt werden, weil ja erst dann wieder abgestimmt wird,
damit sie einigermaßen in der Lage sind, zu beurteilen, über was sie abstimmen.
Der Leitfaden der Begründung, die der Herr Bundesinnenminister seinem Wunsch auf Beibehaltung des Bundespaßkontrolldienstes gegeben hat, ist das Verlangen nach Sicherheit. Dieses Verlangen nach Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung teilen wir alle. Aber die Frage ist, Herr Minister, ob das wirklich der einzig praktikable Weg ist, der Ihnen vorschwebt. Ich weiß nicht, wie
oft Sie Gelegenheit genommen haben, sich persönlich einen Eindruck von der Abwicklung dieser Pflichten an der Grenze zu verschaffen. Jedenfalls kann ich Ihnen sagen, daß Leute, die die Grenze und ihre Übergangstechnik kennen, vielfach durchaus anderer Meinung sind, als sie von Ihnen und Ihrem Staatssekretär hier und im Haushaltsausschuß vertreten worden ist.
Ich spreche zu dem Antrag des Umdrucks 636 Ziff. 9. Dieser Antrag ist inhaltlich gleichgerichtet mit dem Antrag, den Herr Kollege Dr. Bergmeyer vorhin begründet hat. Der Herr Bundesinnenminister hat ganz zu Recht auf die Liberalisierung des Reiseverkehrs, die durch behördliche Maßnahmen eingetreten ist, hingewiesen. Es kommt noch eine andere Liberalisierung des Reiseverkehrs hinzu, nämlich die Routine, die sich zwischen den Zollbeamten, auch dem Paßkontrolldienst, und den täglich die Grenzen in beiden Richtungen überschreitenden Staatsbürgern entwickelt hat, so daß überhaupt nicht mehr nach Papieren gefragt wird.
Ein weiteres kommt hinzu. Wie die Praxis zeigt, muß die Kontrolle der Pässe — wie es ganz natürlich ist; ich spreche das nicht als Vorwurf aus — derart leicht gehandhabt werden, wenn nicht eine ungeheure Verzögerung des Reiseverkehrs eintreten soll, daß es durchaus möglich ist, diese Tätigkeit — wenn man nicht Kontrollbeamte, die dem Zoll angehören, vergleichsweise als minderwertig betrachten möchte — vom Zoll wahrnehmen zu lassen, wie es einstmals war und wie es — wie lauten doch die Notizen aus dem Haushaltsausschuß? — an 329 Übergängen ohnedies der Fall ist. Der Bundespaßkontrolldienst funktioniert an 60 Übergängen. Die Kontrolle von 329 aber liegt in der Hand von Angehörigen des Zolldienstes.
Nun sagt der Herr Minister auf Grund einer Vorberatung in einer Kommission, der ein einziges Mitglied des Haushaltsausschusses angehört hat, das sich meines Wissens — Herr Kollege Niederalt, glaube ich — auf den Standpunkt des Herrn Bundesinnenministers gestellt hat, daß sich das Kabinett am 24. April dafür eingesetzt habe, den Paßkontrolldienst zu behalten, und den beiden Ministerien die Aufgabe aufgebürdet habe, sich über offensichtlich nicht ganz bereinigte Differenzen zu einigen. Dieser Einigungsakt hat sich auf Grund der Etatberatung des Einzelplans 06 im Haushaltsausschuß zwar nicht vollzogen, aber es wurden sehr bemerkenswerte Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt, die zu den beiden zur Diskussion stehenden Anträgen geführt haben. Sie bestehen darin, daß auf der einen Seite von den 850 Stellen, die der Bundespaßkontrolldienst bisher an 60 Grenzstellen für sich beansprucht hat, 180 geopfert werden sollen; das ist die Offerte des Herrn Bundesinnenministers. Auf der anderen Seite — und jetzt kommt die Offerte des Herrn Bundesfinanzministers — ist er bereit, zuzustimmen, daß auch die verbleibenden 670 liquidiert werden. Er will 300 davon auf Zeit übernehmen und nach absehbarer Zeit, also etwa zum nächsten Jahre, die Stellen als künftig wegfallend bezeichnen und den ganzen Apparat so in den Zolldienst — auch an den 60 Grenzübergangsstellen — eingebaut haben, daß eine derartige Verringerung der Ausgaben auf diesem Gebiet möglich wird. Ich möchte dem Hohen Hause sagen. daß es finanzpolitisch einfach unvertretbar wäre, an dieser Sparmöglichkeit vorbeizugehen.
Nun, meine Damen und Herren, selbstverständlich ist das Haus verpflichtet, sich ganz ernsthaft
mit den Argumenten des Herrn Bundesinnenministers auseinanderzusetzen. Er sagte wiederholt: Wir müssen aus Gründen der Sicherheit an dem Bundespaßkontrolldienst festhalten. Er bezweifelt, daß er als Bundesinnenminister in der Lage sein würde, auf Grund seines Weisungsrechts jene polizeilichen Maßnahmen anzuordnen und durchzuführen, die erforderlich sind, wenn es sich nicht mehr um Angehörige des Bundesgrenzschutzes, sondern um Angehörige des Zolldienstes handele. Wenn dem wirklich so wäre — ich bin überzeugt davon, daß der Herr Bundesinnenminister im Innern selbst nicht daran glaubt —, dann wäre es eine Bankrotterklärung der Bundesregierung. wenn sie nicht einmal in der Lage wäre, so viol Übereinstimmung im eigenen Hause herzustellen, daß für das Weisungsrecht in Polizeiangelegenheiten bei der Durchführung der Paßkontrolle auch bei den Zollbeamten eine Grundlage gefunden wird. Herr Bundesinnenminister, Sie haben ia noch mehr Weisungsbefugnisse als Innenminister. Wie ist es denn beispielsweise mit der Veterinärpolizei? Wenn jemand eine geschlachtete Gans mit über die Grenze bringt oder ein Stück Ochsenfleisch oder was immer, üben Sie ja auch das Weisungsrecht aus. Warum sollte es hier nicht möglich sein?
Aber nun möchte ich etwas ernsthaftere Argumente Revue passieren lassen. Der Herr Bundesinnenminister hat wiederholt darauf hingewiesen, daß vor allem die Übergänge zu den Ostblockstaaten eine Begründung für die Aufrechterhaltung des jetzigen etwas teuren Systems seien; der Herr Bundesinnenminister kann mich berichtigen, wenn ich irre. Ich glaube aber, recht im Gedächtnis zu haben, daß es sich um ganze fünf Stellen im Grenzverkehr zu den Ostblockstaaten handelt, und die 55 übrigen, die vom Bundespaßkontrolldienst versehen werden, liegen eben woanders.
Dann hat der Herr Bundesinnenminister hier dargelegt, es bedürfe auch der besonderen Abschirmung der Grenze durch eine fachlich geschulte Organisation, die zusammen mit den Verfassungsschutzbehörden und den allgemeinen Polizeibehörden arbeite und die vor allem auch die Aufgabe habe, einen Schutz für unsere neuwerdende deutsche Bundesstreitmacht darzustellen. Ich habe an sich nicht die Befürchtung, daß sie gestohlen wird, und glaube auch nicht, daß der Bundespaßkontrolldienst die Kraft entwickeln würde, eine solche Sache zu verhindern. Aber ist es nicht eine leise Bankrotterklärung angesichts der Tatsache, daß wir immerhin nicht unerhebliche Beträge im neuen Haushalt zu verkraften haben etwa für die Organisation Gehlen und dergleichen mehr — abgesehen von der Existenz der Landespolizeien —, wenn hier gesagt wird, daß die verbleibenden 670 Bundespaßkontrolleure die Sicherheit für den Fortbestand der Bundesrepublik, einschließlich der Bundeswehr, seien?
Nun, meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, es ist fast das Ei des Columbus, Herr Bundesinnenminister, das hier gefunden werden kann, wenn 300 von Ihnen mit Recht als qualifiziert ausgebildet bezeichnete Angehörige des Bundespaßkontrolldienstes in den Zolldienst übernommen werden, dort langsam versickern und nicht mehr ersetzt werden — mit k.w.Vermerk soll der Beschluß ausgestattet werden —, indem eben diese 300 Kräfte in dem umfangreichen Apparat des Bundeszolldienstes im natürlichen Abgang verbleiben, wobei abgehende ältere nicht
ersetzt werden. Ist es nicht, möchte ich fragen, I beinahe das Ei des Columbus, nun diese Qualifikation des Bundespaßkontrolldienstes in den Zolldienst zu übernehmen, für den Bundespaßkontrolldienst mitzuverwenden und so in diesem Jahre die Differenz zwischen 670 und 300 und wahrscheinlich ab nächstem Jahr die Differenz zwischen 670 und null Stellen einzusparen? Ich glaube, meine Damen und Herren, die Überlegung ist ziemlich nüchtern und einfach.
Nun gibt's aber eine andere Überlegung. Da die Meinungen in dieser Angelegenheit quer durch alle Fraktionen gehen, ist man auch zu der Frage gekommen, ob nicht direkt beim Zoll eine Sparmöglichkeit bestünde, indem man beim Zoll 300 Stellen einsparte. Wer sich mit den Dingen etwas näher befaßt hat, kommt ohne weiteres zu dem Ergebnis, daß das angesichts der unterschiedlichen Belastung zwischen Zoll- und Paßkontrolldienst nicht möglich ist. Und damit möchte ich abschließend eine Feststellung treffen. Wenn Sie Gelegenheit nehmen, mit offenen Augen eine Grenze zu passieren, besonders in Stoßzeiten, finden Sie, daß der Zöllner, der dort Dienst tut, durch das Nachsehen der Taschen, der Aktentaschen, der Koffer und dergleichen mehr sehr, sehr viel stärker belastet ist als der zum Routinier gewordene Paßkontrolleur, der seine Paß- und Grenzkarteninhaber bereits kennt und sie kurzerhand durchmarschieren läßt. Er steht praktisch ohne eigene nennenswerte Tätigkeit neben dem oder den schwer in Anspruch genommenen Zöllnern, die, wie ich gleich noch einmal sagen möchte, auch in dieser Praxis ihrer Aufgabenerfüllung unsere volle Anerkennung verdienen.
Zum Schluß noch eine Bemerkung. Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, die Angehörigen des Bundespaßkontrolldienstes, deren Ersetzung angesichts der Ihnen bekannten Vorgänge im Rahmen der Erlangung von Freiwilligen für die Bundesverteidigung nicht ganz einfach sein dürfte, haben im Bereich des Bundesgrenzschutzes und vor allem des Bundespaßkontrolldienstes weit schlechtere Möglichkeiten der Beförderung, als sie sie beim Zoll haben. Gönnen Sie doch den Leuten die Möglichkeit, sich so zu betätigen, daß sie als Paßkontrolleure noch beim Zoll etwas dazulernen, als Zöllner, und dadurch eine bessere Aufstiegschance vor sich haben, als das heute der Fall ist. Das Hohe Haus kann ich nur bitten, angesichts des 35-Milliarden-Haushaltes die Gelegenheit, einige hundert Stellen einzusparen, nicht vorübergehen zu lassen.
Ich beantrage zum Schluß noch eine kleine Ergänzung der Ziffer 9 unseres Antrages, eine Ergänzung, die nur durch ein technisches Versehen weggeblieben ist und die lauten soll: mit kw-Vermerk. Das deckt sich mit dem Antrag des Herrn Kollegen Bergmeyer.
Ich bitte das Hohe Haus, sich bei der später erfolgenden Abstimmung an diese Argumente zu erinnern und dem Antrag zuzustimmen.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Ritzel! Sie haben also gewünscht, daß in Ihrem Antrag Umdruck 639 genau wie auf dem Antrag von Herrn Abgeordneten Dr. Bergmeyer der kw-Vermerk zum 1. April 1957 ausgebracht wird, nicht wahr?
— Jawohl, ganz recht. Es wird dann dort noch einmal aufgerufen und wird auch dort abgestimmt.
Nun hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich versuche, ein höflicher Mann zu sein,
- ich weiß gar nicht, was Sie gegen Versuche einzuwenden haben —,
möchte ich mich bei Herrn Kollegen Ritzel zunächst für seine freundliche Begrüßung bedanken. Ich weiß nicht, was Herrn Kollegen Ritzel auf den Gedanken gebracht hat, anzunehmen, daß ich den Verpflichtungen in Berlin, die ich dort seit Monaten übernommen habe, nicht genügen würde. Selbstverständlich werde ich dort heute vom späten Abend an, morgen den ganzen Tag und auch Sonnabend die Verpflichtungen wahrnehmen, die seit Monaten festliegen. Irgendwelches Bedauern darüber, daß mir etwas entgehen könnte, ist, glaube ich, eine falsche Einschätzung der Aufgaben, die ich in Berlin zu erfüllen habe.
Ich darf mich nun mit den Argumenten des Herrn Kollegen Ritzel auseinandersetzen. Nicht jeder im Hause ist ein echter Sachverständiger in den Fragen dieses zum Teil etwas untergründigen Kampfes, der sich seit Jahren abspielt zwischen der sehr großen Zollverwaltung und dem sehr viel kleineren Paßkontrolldienst, der aber ein Stück des Bundesgrenzschutzes ist, wie Sie wissen. Ich darf nochmals daran erinnern, daß dieses Hohe Haus erst vor wenigen Wochen ein Gesetz verabschiedet hat, in dem dieser gesetzliche Zustand wieder festgelegt worden ist. Deswegen ist das, was hier vorgeschlagen wird, eine Änderung dessen, was gerade erst wieder neu gesetzlich festgelegt worden ist.
Herr Kollege Ritzel hat die Vermutung ausgesprochen, daß es hier offenbar nicht zu einer völligen Einigung im Kabinett gekommen sei. Ich habe vorgetragen, was die Bundesregierung beschlossen hat, und ein Beschluß der Bundesregierung ist für alle Ressorts und alle Sparten maßgeblich. Es wird doch sicherlich niemand auf den Gedanken kommen oder legalerweise auf den Gedanken kommen dürfen, daß es nach einer solchen grundsätzlichen Festlegung, die dem gesetzlichen Zustand entspricht, möglich wäre, mit Verwaltungen gegeneinander zu operieren, wie das in der Tat leider geschieht.
Herr Kollege Ritzel hat gemeint, daß die Beurteilung dieser Frage quer durch die Fraktionen geht. Er hat leider einen Punkt nicht hervorgehoben, der mir sehr wichtig ist. Soviel ich weiß, ist der Herr Kollege Ritzel nach seiner Aufgabenstellung hier nicht ein ausgesprochener Sachverständiger für Sicherheitsfragen, sondern diese Aufgaben liegen in den Händen anderer Kollegen auch aus seiner Fraktion. Der Vorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, der doch zu seiner Fraktion gehört, und zahlreiche andere Herren von dort beurteilen dieses Problem in der Tat nicht unter einem rein organisatorischen Gesichtspunkt, sondern sie beurteilen es, wie verschiedentlich und auch in dieser Kommission zum Ausdruck gekommen ist, unter dem Sicherheitsgesichtspunkt, der nach unserem derzeitigen gesetzlichen Zustand der einzige legale Gesichtspunkt ist, unter dem diese Frage betrachtet werden kann.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Darf ich fragen, Herr Minister, ob Ihnen bekannt ist, daß der Antrag, den ich hier begründet habe, auf einem Beschluß meiner Fraktion beruht.
— Das ist der Fall. Und darf ich fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß ich auf dem Gebiet, das ich angesprochen habe, beruflich über einige Erfahrungen verfüge.
Ich sprach von der Aufgabenverteilung hier im Hause und nicht von Ihren früheren beruflichen Erfahrungen. Es ändert nichts daran, daß die Erklärungen der mit Sicherheitsfragen in Ihrer Fraktion besonders betrauten Herren, selbst wenn es nicht die Erklärungen von gestern und vorgestern sind, sich mit meiner Linie völlig decken. Ich könnte hier sogar etwas weiter gehen. Es sind aus Ihren Reihen einige in meinen Augen vorzügliche Vorschläge gemacht worden, wie wir das Problem des Paßkontrolldienstes im Sicherheitsinteresse behandeln können. Leider bin ich heute nicht in der Lage, ganz so weit zu gehen, wie das — Sie werden das richtig auffassen — die Sicherheitsspezialisten in Ihrer Fraktion gern tun würden. Aber bitte, wir können diesen Punkt vielleicht damit auf sich beruhen lassen.
Sie haben hervorgehoben, daß im Grunde ein großer Teil der kleineren Übergänge — das stimmt mit den Zahlen überein, die ich gegeben habe —heute von der Zollverwaltung wahrgenommen würden. Herr Kollege Ritzel, ein großer Teil kleinerer Übergänge: das stimmt in der Tat; aber die große Masse des internationalen Verkehrs, sozusagen — wenn ich einmal so sagen darf — die Brennpunkte unter diesem Aspekt werden vom Paßkontrolldienst behandelt. Selbst wenn, was ich hoffe, die Ressorts der Bundesregierung im einzelnen hervorragend kameradschaftlich und loyal kooperieren, dann ist es bei der Sicherheitssituation, wie wir sie haben und wie sie sich doch täglich in einem verschärfenden Sinne verändern kann — um nur in Klammern zu bemerken: Sie wissen, daß die Auffassung in anderen Ländern über den Abbau von Pässen und dergleichen weit hinter dem zurückbleibt, was wir auf diesem Gebiet riskieren —, ein ganz großer Unterschied, ob wir unmittelbar über eine kleine, unter vielen Gesichtspunkten geschulte Organisation verfügen, die wir auch beweglich einsetzen können, oder ob das nicht der Fall ist. Ich glaube, diese Erwägung spricht für sich.
Sie haben dann — um den Gedankengang noch einmal ganz klar zu machen — folgendes gesagt: Das Großartigste, was den im Paßkontrolldienst Beschäftigten geschehen könnte, wäre eigentlich, in den Bereich der großen Zollverwaltung über-
zugehen, weil sie dort bessere Beförderungs- und Entwicklungschancen hätten. Ich bin bestimmt ein Mann, der jedem jede Beförderungs- und Entwicklungschance gönnt. Aber das kann wohl nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein. Der maßgebliche Gesichtspunkt muß sein: Gesetzeslage neu bestätigt, wie ich es ausgeführt habe, kleinster Körper, der vertretbar und angemessen ist, kleinster Körper in der Organisation, wie sie jetzt vorliegt, und im Zusammenhang mit dem Bundesgrenzschutz. Das ist das Prinzip der Sache gewesen, und dieses Prinzip ist neu bestätigt worden. Ich habe die herzliche Bitte, daß, nachdem wir durch das Herausquetschen wirklich der letzten Stellen über das hinaus, was nach meiner eigenen Auffassung eigentlich vertretbar wäre, gezeigt haben, daß wir hier die Hand zu einem Kompromiß bieten, das Hohe Haus uns darin folgt, den Paßkontrolldienst so, wie vorgeschlagen, bestehen zu lassen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zur Klarstellung eine an sich völlig selbstverständliche Bemerkung machen. Jeder Mensch erlebt, daß er um die eigene Meinungsbildung zu ringen hat; aber wenn er seine eigene Meinung gebildet hat, vertritt er sie voll. In einem Kabinett gibt es wohl verschiedene Meinungen.
Wenn aber die Meinung des Kabinetts gebildet ist, wird jedes Kabinettsmitglied sie voll und ganz vertreten.
Ich bitte Sie deshalb, den Antrag, der mit dem Haushaltsplan im Namen des Kabinetts in dieser Frage gestellt ist, im Sinne des Kabinetts anzunehmen.
Herr Kollege Ritzel, ich muß erst dem Herrn Abgeordneten Niederalt das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Auftritt des Herrn Bundesinnenministers und nun auch des Herrn Bundesfinanzministers könnte man fast zu der Anschauung kommen, es handle sich um einen Ressortstreit. Ich möchte für meine Person jedenfalls zum Ausdruck bringen: wenn ich der Ansicht wäre, es ist nur ein Ressortstreit, würde ich überhaupt nicht Stellung nehmen; zumindest würde ich dann nicht etwa, wie ich es vorhabe, für die Position des Innenministers Stellung nehmen, weil mir ja der Bundesfinanzminister aus verständlichen Gründen ein klein bißchen näher steht.
Aber ich erkläre laut und deutlich: ich muß für die Position des Bundesinnenministers Stellung nehmen,
— für die Regierung, jawohl —, und zwar aus rein haushaltsmäßigen Gründen.
Meine Damen und Herren, wenn man sich wie ich als Berichterstatter so intensiv mit der Frage
befaßt hat, hält man es manchmal einfach nicht für möglich, daß an der Hauptfrage immer vorbeigeredet wird. Was liegt denn vor? Der Herr Kollege Bergmeyer geht hier herauf und sagt: „Hier haben wir eine echte Ausgabensenkung." Jeder Haushaltsmann würde sich darüber freuen, und jeder Haushaltsmann würde gern mitmachen, wenn das so wäre. Aber es nicht so, Herr Kollege Bergmeyer, wie ich Ihnen beweisen werde.
Aber zunächst etwas anderes. Herr Kollege Ritzel, Sie glaubten sagen zu müssen, daß in der Kommission vom Haushaltsausschuß aus nur meine Wenigkeit dabei war. Ich bin auf Beschluß des Haushaltsausschusses als Berichterstatter in diese Kommission geschickt worden. Ich bin aber nicht etwa mit der Absicht hingegangen, die Meinung des Herrn Bundesinnenministers zu vertreten, sondern ich habe in der Kommission klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: mir geht es um die Aufgabenverminderung, die Aufgabenbeseitigung; die wollte ich haben. Dann hat man mir und hat uns nachgewiesen, daß die Aufgabenbeseitigung, trotz der Vorleistung des Bundes auf diesem Gebiet gegenüber anderen Ländern, eben leider noch nicht möglich sei. Der Herr Kollege Maier, Ihr Fraktionskollege war es, der in dieser Kommission viel weiter für die Position des Bundesinnenministers eingetreten ist als ich; ich habe gebremst.
Soviel nur zu dieser Kommissionsgeschichte. Ich will nicht eingehen auf die Frage, ob der Zoll — auch diese Frage hat eine große Rolle gespielt — in der Lage ist, die Grenzkontrolle durchzuführen, und ob es zweckmäßig ist, daß der Zoll sie durchführt. Das lasse ich alles beiseite. Ich gehe nur auf die Frage ein, die mich vom Haushalt am allermeisten interessiert und die Herr Kollege Bergmeyer und Herr Kollege Ritzel angeschnitten haben, ob es sich wirklich um eine Ausgabensenkung handelt. Ich sage Ihnen: nein! Es handelt sich, wenn der Antrag Bergmeyer oder der Antrag Ritzel bzw. der Antrag der Fraktion der SPD durchgeht, um eine Ausgabenvermehrung. Ich beweise Ihnen das. Wir haben es doch im Haushalt gründlich und deutlich erörtert.
Wie ist die Lage? Zunächst einmal eine Feststellung, die auch übersehen worden ist: der Paßkontrolldienst ist vom Zweiten Bundesgrenzschutzgesetz ausgenommen. Auch das muß man wissen, und das muß dabei berücksichtigt werden.
Zweitens. Die 670 Planstellen, die wir nach dem neuen Haushalt für den Paßkontrolldienst zur Verfügung haben, sind nicht Sonderplanstellen, sondern sind Bestandteile des Bundesgrenzschutzes, der besteht und bestehenbleibt und der sogar — und jetzt kommt das Entscheidende — nach einem mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschluß des Bundestages auf 20 000 Mann festgesetzt ist. Wenn also die Beamten, die heute den Bundespaßkontrolldienst ausüben, von irgendeiner anderen Behörde ersetzt werden, dann bleiben sie nach wie vor vorhanden, nämlich in den 20 000 Mann Bundesgrenzschutz, die auf Grund des mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Bundestagsbeschlusses vorhanden sind.
Nur darauf kommt es also an und nicht darauf, daß der Zoll kommt und sagt: Wir machen es nicht mit 670, sondern mit 300. Ja, meine Damen und Herren, das sind aber zusätzliche 300, und für diese
zusätzlichen 300 müssen wir das Geld aufbringen.
So sieht die Haushaltslage aus und nicht anders!
— Ganz abgesehen davon! Ich habe ja soeben gesagt, Herr Kollege Bergmeyer — Sie haben das offensichtlich nicht ganz mitbekommen —: der Paßkontrolldienst ist vom Zweiten Bundesgrenzschutzgesetz ausgenommen!
Aber nun zu der Zahl 300! Diese Zahl hat auch schon eine kleine Geschichte. Ursprünglich hat der Zoll, und zwar auf Grund von eingehenden Erhebungen der Oberfinanzdirektoren festgestellt, daß zur Erfüllung der Aufgabe, die hier in Frage steht, 750 zusätzliche Planstellen für Zollbeamte notwendig wären.
Dann hat das Bundesfinanzministerium errechnet, man käme mit 500 aus; genau waren es 496, wenn ich mich recht erinnere. Nun ist man bei den Haushaltsberatungen auf 300 heruntergekommen. Ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: ich höre zwar die Botschaft, aber ich glaube sie nicht. Denn nach den Erfahrungen, die wir im Haushaltsausschuß machen, ist es zunächst immer etwas billiger, und nach zwei oder drei Jahren erinnert man sich nicht mehr daran, daß man es ursprünglich mal so billig gemacht hat.
— Da war es genau so, Herr Kollege Schoettle. Das wissen wir doch alle. Wir erleben es ja immer zusammen im Haushaltsausschuß und haben da gemeinsam Leid und Freud.
Ich will noch einmal auf das Thema zurückkommen. Es handelt sich nicht um eine Ausgabensenkung, sondern es würden, wenn wir dem Antrag stattgäben, zusätzlich 300 Planstellen genehmigt werden müssen. So ist die Lage. Niemand kann dies aus der Welt diskutieren. Deshalb bitte ich Sie im Interesse des Haushalts, den Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Niederalt ist etwas im Unrecht. Diese gesetzliche Fixierung der Zahl von 20 000 ist einmal eine Sache, die das Haus, das sie geschaffen hat, abändern kann, und zweitens keine Realität, Herr Niederalt. Wo wollen Sie heute überhaupt die Leute herbekommen? Sie haben ja heute Last, daß Sie sie einigermaßen zusammenbekommen, und Sie wissen ja nicht, was morgen sein wird. Außerdem ist die Möglichkeit durchaus gegeben, wenn Sie selbst so argumentieren wollten und das Hohe Haus Ihnen folgte, die Fixierung der Zahl nach dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz so zu treffen, daß auch der Paßkontrolldienst keine Vermehrung bedeuten würde und daß ein Übergang von Paßkontrolleuren an den Zoll berücksichtigt werden müßte.
Was mich aber eigentlich hier heraufgeführt hat, sind die kurzen Bemerkungen des verehrten Herrn Bundesfinanzministers. Ich respektiere die Nibelungentreue gegenüber einem Kabinettsbeschluß, die aus seinen Worten spricht. Ich weiß, daß die
einzelnen Mitglieder der Regierung an die Vorlage eines Bundeshaushaltsentwurfs gebunden sind. Aber, sehr geehrter Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß zwei Vertreter des Bundesfinanzministers in der fraglichen Sitzung des Haushaltsausschusses erklärt haben, daß die Bundeszollverwaltung bereit sei, die ganze Einrichtung des Paßkontrolldienstes zu übernehmen, und zwar gegen eine zeitweilige Übertragung von rund 300 Stellen, und alles andere würde wegfallen? Auch diese 300 Stellen sollten im Laufe der Zeit auf den Einzelplan 06 zurückübertragen werden, so daß auf weitere Sicht ohne Zubilligung von Planstellen der gesamte Paßkontrolldienst in seiner gegenwärtigen Stärke in der Zollverwaltung ohne Personalvermehrung aufgeht. Wenn Ihnen das nicht bekannt sein sollte, Herr Bundesfinanzminister, darf ich Sie ergebenst bitten, sich die Protokolle des Haushaltsausschusses vorlegen zu lassen; dort steht es schwarz auf weiß.
Wenige Bemerkungen noch zu den letzten Mitteilungen des Herrn Bundesinnenministers. Er sprach von den großen Brennpunkten des internationalen Verkehrs, die an den 60 Grenzstellen von dem Bundespaßkontrolldienst wahrgenommen würden, und von der Notwendigkeit einer scharfen Kontrolle im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Meine Damen und Herren, das würde, wenn Sie es wirklich so ernst nähmen, wie Sie es hier sagen, dazu führen, daß Sie jeden Reisenden in eine Kabine führen, um dort sein Gesicht und seinen Paß mit dem ausgelegten Fahndungsbuch zu vergleichen. Meister darin sind unsere französischen Nachbarn; die praktizieren das zum Teil heute noch irgendwo. Aber mit der Liberalisierung des Reiseverkehrs, den Sie mit Recht hier hervorgehoben haben, und mit den Bestrebungen auf Verzicht auf Pässe überhaupt wäre ein solches System wirklich nicht in Einklang zu bringen. Ich greife Ihr Wort auf, Herr Bundesinnenminister: Sicherheit mit dem kleinsten Körper. Der kleinste Körper ist die Einsparung der Sonderorganisation des Bundespaßkontrolldienstes, ihre Eingliederung in den Zolldienst mit den 300 Stellen, kw-Vermerk und Verzicht auf Planstellen und Eingehen in das große Heer der Zöllner. Dann haben wir sehr erhebliche Mittel gespart.
Eine Schlußbemerkung noch an den Herrn Bundesfinanzminister. Ich wußte nicht, daß, wenn im Laufe der Etatberatungen im Haushaltsausschuß eine echte Sparmöglichkeit auftritt,
die Verpflichtung des Herrn Bundesfinanzministers so weit geht, sich an einen Kabinettsbeschluß innerhalb des Haushaltsplanentwurfs auch dann zu halten, wenn seine Räte — ob mit oder ohne sein Wissen, sei dahingestellt — erkennen: hier bietet sich im Interesse der Bundesfinanzen eine echte und große Sparmöglichkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem
Herrn Kollegen Ritzel sehr dankbar, wenn er mit ernstlicher Sorge an all die Sparmöglichkeiten denkt, die im Bund und bei den sonstigen öffentlichen Körperschaften vorhanden sind. Ich wäre sehr dankbar, wenn dieser Sparsinn nicht nur von Herrn Kollegen Ritzel, sondern von dem gesamten Parlament und allen Parlamenten jederzeit um des Steuerzahlers willen geübt würde.
Verzeihen Sie, Herr Kollege Ritzel, daß ich diese Bemerkung von Ihnen so stark unterstreiche, da ich hier ja zunächst als Beobachter bei der Haushaltsberatung sitze und meine, es wären gewisse Sparmöglichkeiten noch auszunützen gewesen.
Aber um zur Sache selbst einmal zu sprechen: Es ist richtig, daß die Herren meines Hauses, wenn sie im Ausschuß gefragt werden, nur die Wahl haben, entweder die Antwort zu verweigern oder eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben. Denn das möchte ich als unmöglich bei meinen Herren annehmen, daß sie etwa eine Antwort geben, die der Wahrheit nicht entspricht. Ich hoffe, daß wir davon ausgehen.
Infolgedessen stehen sie weiter nur wieder vor der Frage: nützt das Schweigen der Sache, oder ist es nützlicher, die Wahrheit zu sagen? Nun, Herr Kollege Ritzel, wenn jetzt meine Herren auf eine Frage, ob nicht auch ein Grund als „contra" dagegen angewendet werden kann, was sie pflichtgemäß vertreten, obwohl sie wahrheitsgemäß zugeben, daß ein solcher Grund da ist, aber ebenso wahrheitsgemäß darauf hindeuten, daß bei Überlegungen über eine Sache nicht bloß immer ein Grund, sondern auch sehr viele Gegengründe vorhanden sein können und das Schwergewicht der Gründe letzten Endes das Entscheidende ist, wenn meine Herren infolgedessen — seien wir ehrlich — in einem Falle nicht nur die Gründe „für", sondern auch „dagegen" sagen und diejenigen, die den Beschluß zu fassen haben, abwägen lassen, was die schwerwiegenderen Gründe sind, so könnte ich darin ein Verfehlen und ein Vergehen eigentlich nicht sehen. Ich glaube, Herr Kollege Ritzel, es wäre sogar unklug, weil ich durch das Schweigen auf eine an sich naheliegende Frage andeuten würde, daß der Fragesteller vielleicht einen unangenehmen Punkt für die Entscheidung berührt hat. Das würde sicher dazu führen, daß er auf die Frage noch mehr Gewicht legt, als sie ihrer Sache wegen bei wahrheitsgemäßer Aufklärung vielleicht verdient. Infolgedessen glaube ich, daß es richtig ist und daß wir es uns immer zum Grundsatz machen sollten, über alle Gründe, pro und contra, wahrheitsgemäß Auskunft zu geben und die Auskunft nur dann zu verweigern, wenn wirklich pflichtgemäße Überlegungen dazu führen würden.
Aber das eine müssen auch Sie mir zugeben: Die letzte Entscheidung trifft nie ein Referent, die Verantwortung vor der Öffentlichkeit und dem Parlament trägt der Minister, und der hat die Entscheidung.
Der Herr Bunminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Bemerkungen möchte ich noch machen, damit kein Mißverständnis entsteht. Ich wende mich an Herrn Kollegen Ritzel, weil er darüber gesprochen hat, aber es ist ja gleichzeitig für alle anderen genauso wichtig.
Ich habe nicht gesagt, Herr Kollege Ritzel, daß wir eine besonders scharfe Kontrolle an den internationalen Brennpunkten des Verkehrs vornehmen wollten. Das habe ich keineswegs gesagt. Ich darf mich vielleicht einmal auf ein anderes, international sehr gebräuchliches Bild beziehen, das Bild von der fleet in being, von einer Einrichtung, die man haben muß, — —
— Über die Konjunktur will ich hier nicht gleichzeitig sprechen, Herr Kollege Schmitt . Dazu ist in den nächsten Tagen noch viel Gelegenheit.
Eine fleet in being führt dazu, daß ihr Vorhandensein bereits Wirkungen auslöst, die ungeheuer wertvoll sein können, und wenn sie eine gut organisierte, schlagkräftige, geübte fleet in being ist — das zeigt ein Blick meinetwegen in die britische Geschichte —, so ist sie ein Instrument, das, ohne scharfe Kontrollen täglich vornehmen zu müssen, für alle ihr zukommenden Aufgaben geeignet ist. Daß wir in der „Liberalisierung" der Formalitäten an der Grenze so weit wie nur möglich gehen wollen, habe ich gerade in einem Schreiben vom 16. Juni an den Präsidenten dieses Hohen Hauses im einzelnen dargelegt. Ich hoffe, daß das Ihre Zustimmung findet.
Nun die zweite Bemerkung. Sie haben, wie ich hoffe, die Freude gehabt, Herrn Kollegen Schäffer und mich am gleichen Strang ziehen zu sehen. Ich möchte nur eine kleine Klarstellung zu dem geben, was der Herr Kollege Ritzel aus dem Haushaltsausschuß gesagt hat. Herr Kollege Ritzel, die Angehörigen einer bestimmten und hier sogar einer großen Verwaltung können gewisse Meinungen haben, daß sie, wenn sie eine bestimmte Aufgabe auszuführen hätten, die ihnen kraft Gesetzes nicht übertragen ist, das nach ihren personellen Erwägungen so oder so machen könnten. Das ist aber keine Frage von Spezialisten der allgemeinen Verwaltung, des Zolls oder irgendeiner anderen Verwaltung, sondern die Entscheidung ist eine vom Gesetzgeber unter Sicherheitsgesichtspunkten getroffene, wirklich politische Entscheidung, und daran bitte ich doch festzuhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicher darin einig, daß echtes Einsparen auf die Dauer nur möglich ist, wenn Funktionen wegfallen. Da haben wir uns hier im Haus alle Verdienste erworben, indem wir dafür gesorgt haben, daß gerade auf diesem Gebiet, das hier zur Debatte steht, Funktionen wegfallen und ein Stempel nach dem anderen wegfällt. Leider muß ich sagen, Herr Innenminister: meist gegen Ihren Widerstand sind Funktionen weggefallen. Und wenn Sie von dieser Mitteilung an das Haus sprechen, die heute an uns gelangt ist, muß ich sagen: wir sind erfreut darüber, daß die Beschlüsse des Hauses vom März dieses Jahres nun
auch in die Tat umgesetzt werden. Aber auch da haben wir wahrhaftig sehr lange mit Ihnen ringen müssen. Wir haben hier gerungen, und wir haben in Straßburg den Kampf mit 14 Paßbürokratien führen müssen, um zum Wegfall von Funktionen, von Visen und von Stempeln und jetzt bald auch von Pässen zu kommen.
Immer wieder haben wir uns hier und in Straßburg und in 14 anderen europäischen Parlamenten an dem Sicherheitsargument gestoßen. Ist das nicht sonderbar, dieses Sicherheitsargument? Ich verstehe nichts von militärischen Dingen, aber diesen 60 Hauptübergangsstellen, die durch die Anwesenheit erfahrener Paßkontrollbeamter gesichert sind, diesen 60 geschützten und befestigten Frontpunkten stehen 329 Löcher gegenüber, an denen sich diese erfahrene Polizei nicht befindet. Das muß ein seltsamer Gegner sein, der sich zum Durchringen durch diese Front die befestigten Stellen wählt und nicht durch die sehr viel zahlreicheren Löcher durchgeht. Was ist dieses Sicherheitsargument schon wert, Herr Bundesinnenminister, wenn man weiß, daß gerade da, wo man von Sicherheit spricht, nämlich auf politischem Gebiet, ein falscher Paß wenigstens so gut aussieht wie ein echter, und wenn man daran denkt, daß wir in diesem Lande noch in einer besonderen Lage sind. Wir haben nämlich eine lange offene Grenze der Himmelsrichtung gegenüber, aus der man die Gefahr vermutet. Über die innerdeutsche Grenze kommt man mit Papieren, die Sie vorher nie gesehen haben, die von kommunistischen Behörden ausgestellt werden. Und wenn jemand drüben im Osten die Idee hätte, einen Russen oder einen Tschechen oder sonst jemand zu politischen Zwecken zu uns zu schicken, würde er ihn mit einer deutschen Kennkarte ausrüsten und in Helmstedt oder sonstwo über die Grenze schicken, und Ihre Paßkontrollbeamten würden nichts davon bemerken, so wenig wie sie an der westlichen Grenze gute falsche Pässe bemerken würden. Nein, dieses Argument ist nur ein Argument zur Erhaltung der Paßkontrollorganisation, nur ein Argument zur Erhaltung einer Hausmacht, ein Argument, das den Fortschritt, der in diesem Fall ein Zurückgehen zu einer früher besessenen Freiheit bedeutet, verzögern soll.
Im Jahre 1913, Herr Bundesinnenminister, ging man mit der Visitenkarte über die Grenzen aller freien Staaten der Welt, und nach dieser Visitenkarte hat nicht einmal jemand gefragt. Es ist der erklärte und in Beschlüssen dieses Hauses niedergelegte Wille, daß wir wieder dahin zurückkommen. In dieser freien Welt ist kein Platz für einen Bundespaßkontrolldienst, weil es keine Pässe mehr gibt und kein Mensch sich für Pässe interessiert. Wenn Sie mit „Sicherheit" Sicherheit gegen Kriminalität meinen, ist dieser Dienst auch nicht der richtige Dienst. Dann sollte man das der Länderpolizei und der Länderkriminalpolizei überlassen. Ich habe mich für diese Dinge interessiert, Herr Minister, und in Kehl auf beiden Seiten der Grenze nachgefragt: Was erwischt ihr denn bei eurer Kontrolle? In Kehl, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, waren es 200 Fälle von mehreren Millionen Grenzübergängen. Diese 200 waren Sünder, die die Steuern nicht bezahlt hatten oder Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen waren, oder auch solche, die kriminell etwas ausgefressen hatten. Ich muß sagen: ein mageres Ergebnis. Um es zu erzielen, brauchte man sehr viel weniger Aufwand, wenn man geschulte Kriminalbeamte oder Landespolizeibeamte einsetzte, die immer dann, wenn ein besonderer Anlaß vorliegt, wenn man vermutet,
daß da jemand über die Grenze entwischen will, eingreifen oder die auch dauernd da stehen, wenn besonders großer Verkehr ist, die sich aus besonderem Anlaß bestimmte Personen einmal vornehmen und sie nach ihrer Person fragen.
Diesen Kampf müssen wir weiterkämpfen. Jedes Jahr haben wir hier das Spiel. Gott sei Dank sind wir jedes Jahr ein Stück weitergekommen. Herr Bundesinnenminister, wir werden Ihnen auf diesem Gebiet noch viel Kummer bereiten; wir werden nicht ruhen und nicht rasten, bis wir wieder bei diesen freien Verhältnissen ankommen, die wir 1913 hatten, als es auch Revolutionäre gab, als es auch Gefahren gab, als es auch Polizeistaaten gab, wo wir uns aber zur Freiheit bekannten, die wir wiederhaben wollen.
Der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fange mit dem letzten an: „1913" und „Europa" und „Sicherheit". In diesem Hause wird 1956 wirklich gesagt, daß das etwas sei, was wir für unsere heutige Entscheidung auch nur als den Schatten einer Realität nehmen könnten in einer aufgewühlten Welt, in der unser Vaterland das unsagbare Unglück hat, an einer der gefährlichsten Stellen der Welt zu liegen.
Herr Kollege Mommer hat gesagt, er müsse mir Kummer machen. Herr Kollege Mommer, das, was Sie vorhaben oder vorhaben mögen, macht nicht mir Kummer. Ich bin sehr um die Sicherheitslage unseres Vaterlandes besorgt, nicht nur kraft meines Amts, sondern als deutscher Patriot. Ich weiß, daß Sie sie in mancher Beziehung anders ansehen; aber leider ist es so, daß es uns nicht erlaubt ist, die Dinge mit Augen anzusehen, die auch nur den Anflug von Optimismus tragen, sondern wir sind leider genötigt, nicht zu übertreiben und nichts zu untertreiben, sondern Tatsachen festzustellen. Die Tatsachen sind leider sehr traurig. Es tut mir außerordentlich leid, Herr Kollege Mommer, daß es offenbar sehr schwierig ist, in ganz Deutschland für unsere Sicherheitslage das richtige Verständnis zu finden.
Ich werde mir, wenn wir die dritte Beratung haben, erlauben, eine Übersicht zu geben über unsere Sicherheitssituation, verglichen mit dem Sicherheitsapparat der westlichen Länder und dem Sicherheitsapparat dessen, was wir unmittelbar als schwierigstes Problem haben, nämlich dei Sowjetzone. Das Hohe Haus wird sehen, daß wir nicht mit einem Wort übertreiben, sondern daß wir uns aus wohlerwogenen Gründen sehr, sehr sorg -fältig und strikt an die Tatsachen halten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Bundesinnenminister, könnten Sie dem Hause einmal einen Bericht darüber vorlegen, welches das Ergebnis der Arbeit des Bundesgrenzschutzes und der Bundesgrenzschutz-
polizei ist? Im vorigen Jahr haben wir einen solchen Bericht gehabt, in dem von sehr vielen Stempeln die Rede war. Aber was ist bei der Wahrung der Sicherheit, die Sie wollen und die wir selbstverständlich auch wollen, herausgekommen? Welchen gefährlichen Mann haben Sie dabei abgefangen, und wie hat sich das Ganze gelohnt, was da an Aufwand getrieben wird?
Herr Kollege Mommer, wir kommen uns schon sehr viel näher. Ich bin, wenn ich das schon so bar nehmen soll, wie Sie es sagten, kein Freund des Stempelns, des Hin- und Her- und Rückstempelns, wenn es nicht für ganz bestimmte Fristen erforderlich sein sollte. Ein Freund dieses Stempelns bin ich ganz bestimmt nicht. Das haben wir in der großzügigsten Weise erledigt.
Die Übersicht, die Sie haben möchten, ist in einer umfangreichen Form der genannten Kommission unterbreitet worden. Ich werde prüfen, in welcher für das Haus lesbaren und genügend handlichen Form wir sie — vielleicht in Kürze — herstellen können. Die absoluten Zahlen, die darin stehen, sind nicht unbeträchtlich. Aber ich erlaubte mir vorhin schon einmal zu sagen, daß es der Charakter der fleet in being ist, der dazu beiträgt, eine Menge Dinge zu verhindern, die ohne die Existenz einer fleet in being sich tatsächlich ereignen würden.
Nun komme ich auf folgendes. Sie haben gerade das Schreiben vom 16. Juni gerühmt, das offenbar vervielfältigt vorliegt. Sie hatten gesagt, das sei alles in mühseligem Kampf mit mir erreicht worden. Das stimmt nicht. Ich bin seit Jahren auf diesem Gebiet mehr als kooperativ gewesen, wie sich beweisen läßt. Das mühselige Ringen, Herr Kollege Mommer, spielt sich mit unseren Freunden in aller Welt ab. Sie selbst, Herr Kollege Mommer, sind aus der Tätigkeit in der Straßburger und sonstigen Versammlungen ein besserer Europakenner als ich. Aber ich kann Ihnen aus den schwierigen Verhandlungen mit diesen Ländern — nicht aus der Berührung mit dem Optimismus, der zum Teil bei ihren politisch-parlamentarischen Vertretern herrscht — sagen: in den Verhandlungen sind all diese Länder ungeheuer zäh gewesen. Dabei sind wir, Herr Kollege Mommer, Avantgardisten in einem Maße, daß wir allmählich etwas Nachzug haben müssen. Wir sind hier nicht etwa nicht genügend fortschrittlich, sondern hier sind wir nach schwierigen Verhandlungen dem Fortschritt schon ein ganzes Stück voraus. Deswegen ist es tatsächlich nicht so, als ob hier Stück um Stück zwischen Fortschritt und Hindernis gekämpft werden müßte.
Es handelt sich um die Frage, ob diese so geartete Organisation im Gesamtsicherheitssystem der Bundesrepublik notwendig ist oder nicht. Bisher ist durch Gesetz festgelegt, daß sie das sei, und ich sage Ihnen aus sorgfältiger Prüfung alles zur Verfügung stehenden Materials: diese Organisation ist notwendig. Deswegen bitten wir, auch sie zu unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel. — Er ist wohl nicht im Hause.
— Verzeihen Sie! Sie hatten sich gemeldet.?
— Meine Herren, das kann ja mal vorkommen! — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich es für einen Fehler parlamentarischen Zusammenarbeitens halte, wenn das letzte Wort vor der Abstimmung die Regierung hat.
— Es hatte sich niemand anders gemeldet.
Ich gehöre zu dem großen Kreis der Abgeordneten, die sich mit dieser Materie nicht befaßt haben, die aber nunmehr gezwungen sind, nach Anhören der Argumente ihre persönliche Entscheidung zu fällen. Ich bin überzeugt, daß sich eine große Anzahl der Kollegen, die hier im Saale sitzen, und noch mehr der Kollegen, die nicht hier sitzen, vor diese Aufgabe gestellt sieht. Ich habe mir die Argumente des Kollegen Ritzel und des Herrn Ministers angehört und bin für mich persönlich zu der Überzeugung gekommen, daß die Gründe für eine echte Ersparnis so durchschlagend sind, daß man ihnen folgen sollte. Als der Kollege Niederalt sich meldete und ankündigte, er werde beweisen, daß eine echte Ersparnis gar nicht einträte, habe ich aufgehorcht. Ich wäre bereit gewesen, meine Auffassung zu überprüfen. Aber, Herr Kollege Niederalt, Ihre Argumente zeigten das, was Sie angekündigt hatten, nicht, sondern wenn ich Sie richtig verstanden habe, enthielt Ihr Hinweis die — ich muß wohl das Wort aussprechen — Drohung, daß die Regierung sich dann nicht an die Ersparnismöglichkeiten halten, sondern die Zahl der Bundesgrenzschutzbeamten trotzdem auf der alten Höhe belassen würde. Dagegen wollte ich Verwahrung einlegen. Wenn ich Sie falsch verstanden habe, müssen Sie dem Hohen Hause, vor allem den Abgeordneten, die die Materie nicht kennen, genauere Aufklärung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gern bereit, diese Aufklärung zu geben. Es handelt sich nicht etwa darum, daß die Bundesregierung den Bundesgrenzschutz nicht herabsetzen würde, wenn wir die Stellen einsparten, sondern es handelt sich darum, Herr Kollege Atzenroth — das habe ich laut und deutlich gesagt —, daß ein mit qualifizierter Mehrheit gefaßter Beschluß des Bundestags vorliegt, nach dem der Bundesgrenzschutz auf 20 000 Mann festgesetzt ist. Mit anderen Worten, der Bundestag müßte also wiederum mit einer qualifizierten Mehrheit beschließen: Die Stärke des Bundesgrenzschutzes beträgt nicht 20 000, sondern nach Absetzung der 670 Planstellen 19 330 Mann; dann geht die Rechnung ungefähr auf. So ist die Lage. Die Regierung ist völlig aus dem Spiel. Das Wort ist beim Bundestag.
Und jetzt sage ich Ihnen meine persönliche Meinung: ich habe erhebliche Bedenken, daß der Bundestag mit einer qualifizierten Mehrheit be-
schlösse: Der Bundesgrenzschutz umfaßt nicht mehr 20 000, sondern wegen der Übernahme der Aufgabe nur noch 19 330 Mann. Insofern ist der Antrag eine Ausgabenvermehrung, nämlich um die 300 Planstellen für die Zollverwaltung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Atzenroth.
Herr Kollege Niederalt, ich darf Sie bitten, mal zuzuhören. Ich bin ehrlich bereit, Argumenten Gehör zu leihen, wenn sie wirklich überzeugend sind. Aber das ist in diesem Falle wieder nicht der Fall. Für mich wäre es überzeugend, wenn der Bundesgrenzschutz tatsächlich aus 20 000 Mann bestände.
Das ist aber zur Zeit nicht der Fall. Ich weiß nicht, ob der Bundesgrenzschutz 9850 Mann hat.
— Die müssen aber nicht besetzt werden. Sie werden ja jetzt auch nicht besetzt. Was jetzt nicht besetzt wird, braucht nach diesem Beschluß des Bundestags auch später nicht besetzt zu werden. Wenn die Stellen nur deswegen besetzt würden, weil wir sie eingespart haben, wäre das eine Umgehung des Beschlusses des Bundestags, und dagegen wollte ich vorher Verwahrung einlegen.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor. Ziffer 10 auf Umdruck 636 ist schon begründet.
Ich rufe auf Ziffer 11: Kap. 0631 — Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn — wird gestrichen. Wird das begründet?
Dann rufe ich auf Ziffer 12 : Zu Kap. 0635 —Bundeszentrale für Heimatdienst in Bonn. Wird das begründet?
— Herr Abgeordneter Paul, begründen Sie das?
— Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ansatz für die Bundeszentrale für Heimatdienst ist erfreulicherweise erhöht worden. Ich erblicke in dieser Tatsache eine Anerkennung der guten Arbeit dieser Institution, die durch ein Kuratorium aus Parlamentariern kontrolliert und betreut wird. Die Mittel dieser Bundeszentrale für Heimatdienst sind trotzdem nicht ausreichend. Neue Aufgaben sind hinzugekommen. Durch den Willen der Mehrheit dieses Hohen Hauses ist die Bundeswehr geschaffen worden, unter den Interessenten, die die Einrichtungen der Bundeszentrale für Heimatdienst in Anspruch nehmen, befindet sich seit diesem Jahre auch die Bundeswehr. Es ist eine gute Sache, wenn von den Möglichkeiten der demokratischen Bildungsarbeit auf allen Gebieten auch im Bereich der Bundeswehr Gebrauch gemacht wird. Bis jetzt sind bereits 58 600 Exemplare der Schriften, die von der Bundeszentrale für Heimatdienst gefördert worden sind, von der Bundeswehr in Anspruch genommen worden. Dabei ist die Zeitschrift „Das Parlament" mit ihren Beilagen nicht gerechnet. So nützlich es ist, daß die Bundeswehr diese Mittel in Anspruch nimmt, so ist doch festzustellen, daß diese dann dem übrigen Aufgabenbereich der Bundeszentrale entzogen werden. Das können und dürfen wir nicht wünschen. Denn es sind auch auf anderen Gebieten neue Aufgaben zugewachsen. Zum Beispiel haben wir erst kürzlich in einer Sitzung des Kuratoriums der Bundeszentrale für Heimatdienst feststellen müssen, daß sich seit etwa einem Jahr der Neonazismus im Bereich der Bundesrepublik erheblich zu rühren beginnt. Das macht es notwendig, daß wir in positiver Weise die geistige Verteidigung der Demokratie fördern, und dazu ist die Bundeszentrale für Heimatdienst da. Wir brauchen also mehr Mittel, wenn wir das eine tun wollen und das andere nicht lassen dürfen.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, dem Antrag meiner Fraktion, den Ansatz der Bundeszentrale für Heimatdienst um 1 Million DM zu erhöhen mit der Zweckbestimmung, daß der demokratische Gedanke, die staatsbürgerliche Erziehung im Bereich der Bundeswehr damit gefördert werden soll, die Zustimmung zu geben.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Dann fahren wir fort, und zwar folgen wir jetzt erstens den Kapiteln und zweitens innerhalb der Kapitel den Titeln.
Ich rufe also auf den Änderungsantrag der Abgeordneten Muckermann, Kahn-Ackermann, Frau Friese-Korn und Genossen, Umdruck 666 *). Zur Begründung Frau Abgeordnete Friese-Korn.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Ablauf der Tagesordnung hat es mit sich gebracht, daß Sie jetzt gezwungen sind, noch einmal auf Kap. 06 02 Tit. 635 zurückzuschalten. Wir haben den Umdruck 636 punktweise behandelt und sind dann schon zu so wichtigen, hochpolitischen und erfreulich echten Debatten gekommen, daß es mir schwer wird, Sie jetzt noch einmal auf einen harmlosen, allerdings interfraktionellen Antrag zurückzuführen.
Es handelt sich bei dem Antrag Umdruck 666 lediglich um eine Übertragung der bescheidenen Summe von 150 000 DM aus einem Titel des Innenministeriums auf einen Titel des Wirtschaftsministeriums. Wenn wir trotzdem eine Begründung hier für notwendig halten, dann deshalb, weil in den letzten Monaten in der Filmfachpresse Bundesregierung und Bundestag häufig angegriffen wurden. Wir halten es für nötig, die Gründe für diesen, ich möchte sagen, Ersatzantrag hier noch einmal klarzulegen.
Es handelt sich, kurz gesagt, darum, daß wir aus dem solange umkämpften und schließlich erkämpften Filmprämienfonds von 2 1/2 Millionen DM jetzt 150 000 DM wieder abschöpfen und dem Wirtschaftsministerium für Exportprämien zuschlagen wollen. Die Antragsteller haben sich zu diesem Ausweg — denn nichts anderes ist es — nur sehr schweren Herzens entschlossen; aber es blieb nichts anderes übrig. Das Dreier-Kollegium des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und
*) Siehe Anlage 11.
des Films, das sich in den letzten Monaten intensiv mit den Verhältnissen in der Filmwirtschaft befassen mußte, hat schließlich so handeln müssen, um die bestehende Organisation der Export-Union der Deutschen Filmwirtschaft e. V. nicht den Schneckengang gehen zu lassen. Wir legen aber ganz besonderen Wert darauf, hier festzulegen, daß dieser Vorschlag, damit einen Ausgleich zu schaffen, nur einmalig sein darf. Außerdem haben wir uns erst die Versicherung geben lassen, daß in den Etatentwurf des Wirtschaftsministeriums für 1957 die Summe eingesetzt wird, die für die Pläne der Exportunion notwendig ist. Das ist etwa das Dreifache des im Antrag eingesetzten Betrages. Wir haben uns lange nicht mehr mit der Filmwirtschaft beschäftigt.
— Ja, wir müßten den Antrag in den beiden Einzelplänen behandeln; Sie werden es gleich merken, Herr Kollege. Leider mußte ich die negative Seite zuerst erwähnen, weil der Abs. 1 des Antrags das Innenministerium betrifft. Es werden eben in dieser Drucksache zwei Etats angesprochen.
Also den Prämienfonds des Innenministeriums wollen wir um 150 000 DM kürzen, weil schon jetzt abzusehen ist, daß die eingeplanten 2 1/2 Millionen im ersten Jahr nicht ausgeschöpft werden können. Das ist eine betrübliche Tatsache, und ich glaube, ich brauche darüber nicht viel zu sagen. Aber gerade die Ungeduld, die ich schon auf einzelnen Plätzen merke, zwingt mich dazu, noch ein paar Worte zu sagen. Die Vielschichtigkeit der Filmwirtschaft macht es einfach notwendig, daß wir die kulturelle und wirtschaftliche Betreuung des Films richtig gegeneinander abstimmen.
Der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films hat in der letzten Zeit sein ganz besonderes Interesse auf die kulturelle Seite des Films gelegt, und es besteht nun die große Gefahr, daß wir darüber die wirtschaftliche Seite vernachlässigen. Für meine Begriffe ist es aber in einer freien Wirtschaft und in einem freiheitlichen Staat angebracht und richtig, die wirtschaftliche Forderung auf die Unterstützung einer bestehenden Exportorganisation zu verlegen.
Wenn es dahin käme, daß unsere Filmwirtschaft die Unterstützung des Staates nicht mehr brauchte, weil sie die noch fehlenden 25 bis 30 % Einspielergebnisse vom Auslandsmarkt hereinholen könnte, dann würden wir aller Sorge enthoben sein. Da die Exportunion der deutschen Filmwirtschaft ein Gemeinschaftsunternehmen aller am Export beteiligten Filmwirtschaftsverbände ist, können wir froh sein, mit einer Stützung auszukommen, die nicht an die Exportstützungsaktionen für andere Wirtschaftszweige heranreicht. Das kann wohl auch jeder hier im Hause vertreten.
Ich bitte darum das Hohe Haus, diesem interfraktionellen Antrag zuzustimmen, und möchte hinzufügen: Bei der großen Verwirrung, die nachher entstehen wird, merken Sie sich dafür bitte die recht eindrucksvolle Nummer 666.
Der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte meine heute kürzeste Rede, weil ich hier der Betroffene bin. Gegen den Antrag 666, der sich so leicht behalten läßt, habe ich keine Bedenken.
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Gülich, noch zu dem Titel 631.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ganz kurze Bemerkung. Wir haben einen neuen Titel 631 — „Zuschüsse für den Austausch deutscher und ausländischer Forscher und für internationale wissenschaftliche Kongresse im Inland im Interesse der wissenschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland — 100 000 DM." Der Haushaltsausschuß hat zu diesem Regierungsansatz, der vom Haushaltsausschuß nicht beanstandet, aber auch nicht erhöht worden ist, aus der Besorgnis, daß zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Innenministerium nicht alle Dinge geklärt seien, einen Sperrvermerk angebracht. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese Sorge unbegründet war.
Die Anträge beim Deutschen Akademischen Austauschdienst häufen sich und können wegen dieses Sperrvermerks nicht bearbeitet und beschieden werden. Dadurch ensteht eine außerordentliche Erschwerung in den wissenschafentlichen Beziehungen der Bundesrepublik zu den ausländischen Gelehrten. Professor Dr. Werner Richter, der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, bezeichnet die Lage als katastrophal. Professor Richter ist ja nicht nur ein im In- und Ausland angesehener Gelehrter, er hat auch große Verwaltungserfahrung. Er hat jahrelang als Ministerialdirektor der Weimarer Republik auf dem Stuhle Althoffs gesessen; wir können darauf vertrauen, daß bei Aufhebung des Sperrvermerks alles in bester Ordnung sein wird.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zu dem Antrag Umdruck 681 *), Einzelplan 06, und zwar Tit. 663. Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Kap. 06 02 Tit. 663 ist für die Mar-burger Blindenstudienanstalt und andere bundeswichtige Einrichtungen der Blinden-, Schwerbeschädigten- und Körperbehindertenfürsorge ein Ansatz von 464 000 DM vorgesehen. Nun wird dieser Betrag durch die Förderung der Blindeneinrichtungen nahezu vollkommen erschöpft. Wir haben im Bundesgebiet neben den Blinden aber noch einige andere Gruppen besonders schwer versehrter Menschen, wie etwa Ohnhänder, Querschnittsgelähmte und andere, die nach dem modernen Stand der Wissenschaft bei geeigneter Schulung durchaus wieder in den Arbeitsprozeß eingeschaltet werden können. Es ist verständlich, daß geistig und charakterlich normal veranlagte Menschen auch dann, wenn ihre Rentenversorgung auskämmlich ist, den Wunsch haben, sich beruflich zu betätigen. Wir sollten diesem Wunsch der Ohn-
*) Siehe Anlage 18.
händer und der Querschnittsgelähmten dadurch Rechnung tragen, daß wir die Errichtung von Schulungsstätten, die auf die besonderen Bedürfnisse dieser Schwerversehrten zugeschnitten sind, ermöglichen.
Ich habe mir daher erlaubt, den Antrag einzubringen, diesen Ansatz um 500 000 DM zu erhöhen, so daß er sich auf insgesamt 964 000 DM stellen würde. Ich darf das Hohe Haus bitten, dem Antrag zu entsprechen.
Sie haben die Begründung des Antrages Umdruck 681 gehört. Das Wort wird dazu nicht weiter gewünscht.
Wir fahren fort mit dem Änderungsantrag Umdruck 677 **), Einzelplan 06, und zwar Tit. 956. Das ist der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Schlick, Ritzel und Genossen. Wer wünscht den Antrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Schlick !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktionen dieses Hauses haben sich erlaubt, Ihnen mit dem Umdruck 677 einen Antrag vorzulegen, nach dem in Einzelplan 06 Kap. 06 02 mit dem Tit. 956 ein neuer Titel eingefügt werden soll zu dem Zweck, für die Errichtung eines Stresemann-Ehrenmals im Zeughaus in Mainz den Betrag von 600 000 DM bereitzustellen. Ich möchte im vorhinein feststellen, daß es sich hierbei nicht darum handelt, daß der Bund irgend jemandem ein Geschenk machen soll, sondern es handelt sich hier um ein bundeseigenes Gebäude, das in einer Baufluchtlinie historisch repräsentativer Gebäude steht, die alle bereits wiederhergestellt sind, während als einzige Ruine noch das ehemalige, dem Bunde gehörende Zeughaus zi verzeichnen ist. Ich nenne als wiederhergestellte Gebäude das Kurfürstliche Schloß, das Großherzogliche Schloß in Mainz usw.
Wenn ich sagte, daß der Bund hier niemandem ein Geschenk machen soll, so möchte ich darauf hinweisen, daß praktisch der entgegengesetzte Fall vorliegt, indem sowohl die Stadt Mainz als auch verschiedene Länder, insbesondere das Land Rheinland-Pfalz, sich bereit erklärt haben, mehrere hunderttausend Mark zur Wiederherstellung dieses Gebäudes zur Verfügung zu stellen.
Wenn wir uns daher heute entschließen, diesem Antrag auf Bewilligung von 600 000 DM stattzugeben, dann retten wir nicht nur dieses ehemalige Zeughaus vor dem endgültigen Verfall, sondern wir legen damit auch den Grundstein für ein Gebäude, das nach seiner Fertigstellung etwa einen Wert von 2,5 Millionen DM besitzen wird und für das der Bund im ungünstigsten Fall insgesamt etwa 1,5 Millionen DM aufzubringen haben dürfte.
Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß die wirtschaftliche Rentabilität dieses Hauses als gesichert angesehen werden kann, weil bereits der Südwestdeutsche Rundfunk an der Ermietung bzw. Erstellung eines großen Musiksaales interessiert ist. Das Haus, welches nach seiner Fertigstellung den Namen „Europahaus" tragen soll, soll europäische Bibliotheken sowie europäische Organisationen aufnehmen. Außerdem ist beabsichtigt, daß das Römisch-Germanische Zentralmuseum ein
**) Siehe Anlage 15.
Stockwerk dieses Gebäudes für sich benutzt und I daß weiterhin europäische Wanderausstellungen hier untergebracht werden.
In diesem Europahaus soll nun eine Ehrenhalle für den verstorbenen Außenminister der Weimarer Republik Gustav Stresemann errichtet werden. Dazu möchte ich ausdrücklich bemerken, daß es sich nicht etwa um die Neuerrichtung eines Ehrenmals handelt, sondern um die Wiedererrichtung des Ehrenmals unseres großen deutschen Staatsmannes, das schon früher in Mainz bestanden hat. Es dürfte der Mehrheit dieses Hauses bekannt sein, daß sich in Wiesbaden ein Arbeitsausschuß für die Errichtung dieses Ehrenmals gebildet hat, dem erfreulicherweise eine große Anzahl von Kolleginnen und Kollegen unseres Hauses angehört. Mit diesem Arbeitsausschuß soll der Plan gemeinsam verwirklicht werden. Bis sämtliche Formalitäten —der Grundstein soll noch in diesem Jahre gelegt werden — erledigt sind, bleiben die Mittel, die wir heute bewilligen, gesperrt, so daß nur in Übereinkommen mit der Bundesregierung Maßnahmen ergriffen werden können.
Meine Damen und Herren, ich sagte Ihnen schon, daß in Mainz bereits ein Ehrenmal für Stresemann bestand, welches durch die Machthaber des Dritten Reiches dann geschändet und zerstört wurde. In der nach dem ersten Weltkrieg eingetretenen europäischen und weltpolitischen Situation in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war es für die deutsche Außenpolitik nicht leicht, zu Erfolgen zu kommen. Daß es aber in der Ära Stresemann immerhin gelang, zu beachtlichen Verbesserungen der außenpolitischen Lage Deutschlands zu kommen und eine Annäherung der europäischen Nationen einzuleiten, darf als besonderer Aktivposten dieser so oft zu Unrecht geschmähten Zeit verbucht werden, und diese geschichtlichen Ereignisse wirken auch heute noch — oder heute wieder — richtungweisend.
Dieser Tatsache trug das deutsche Volk unter anderem auch dadurch Rechnung, daß es in Dankbarkeit diesem verdienten deutschen und europäischen Staatsmann in Mainz ein Ehrenmal setzte, das leider einer der ungezählten Freveltaten des Dritten Reiches zum Opfer fiel. Wir betrachten es also auch als eine Wiedergutmachung an der geschmähten Ehre dieses verdienten Deutschen und Europäers, wenn wir diesem Antrag zustimmen, worum ich Sie herzlichst gebeten haben möchte.
Sie haben die Begründung zu dem Änderungsantrag Umdruck 677 gehört. Wir dazu das Wort gewünscht? —
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 676 *) auf; er bezieht sich auf Tit. 973. Wird zur Begründung das Wort gewünscht?
— Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion den Antrag Umdruck 676 begründen, in Kap. 0602 unter den Einmaligen Ausgaben einen neuen Titel 973: Zuschuß für den Verein für Gehörlosenfürsorgee. V. Dortmund zum Bau eines Altersheimes, das Gehörlose aus der gesamten
*) Siehe Anlage 14.
Bundesrepublik aufnehmen soll, einzufügen. Es ist ein in der Fürsorge bekanntes Phänomen, daß gerade Gehörlose, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, seelisch außerordentlich leiden, wenn sie unter nicht leidenden Mitmenschen leben müssen. Darum ist es wichtig, sie gemeinsam in einem Heim unterzubringen.
Nun hat sich Dortmund zu einer Art Gehörlosenzentrum in der Bundesrepublik herausgebildet. Es ist eigenartig: wir haben dort die größte Anzahl Gehörlose, im Ruhrgebiet selbst etwa 35 000; und die Stadt Dortmund hat sich insofern noch zu einem besonderen Zentrum entwickelt, als dort auf Grund dieser großen Anzahl ein Gehörlosentheater besteht. Nun ist dort das zweite Heim in der Bundesrepublik geschaffen worden. Ein anderes — das einzige, das wir bisher haben — befindet sich in Stuttgart. Es kann nicht alle Gehörlosen aufnehmen, besonders nicht die aus dem norddeutschen Raum. In Dortmund soll nun für diese seelisch wirklich meistens sehr schwer bedrückten Menschen auch aus dem norddeutschen Raum, den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, eine ähnliche Einrichtung geschaffen werden, wie wir sie bisher nur in Stuttgart haben.
Es fehlt, nachdem Land, Industrie und Gemeinde schon große Summen gegeben haben, noch der Betrag von 250 000 DM. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, diesen Betrag als einmaligen Zuschuß für diese Einrichtung, die wirklich das ganze Bundesgebiet umfaßt und einen besonders schwer leidenden Personenkreis betrifft, einzusetzen.
Sie haben die Begründung gehört. — Herr Abgeordneter Niederalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ein altes Wort, das heißt: Geben ist seliger denn Nehmen. Es ist klar, daß es, wenn man an die Gehörlosen denkt, schwerfällt, gegen einen solchen Antrag zu sprechen. Trotzdem muß ich Sie, meine Damen und Herren, bei diesem Antrag an gewisse sachliche Gesichtspunkte erinnern. Zunächst einmal, verehrte Frau Kollegin Hubert — wir haben ja im Haushaltsausschuß unsere Erfahrungen —: hier stehen wohl auch wiederum nicht bloß die Gehörlosen zur Debatte, sondern es ist das Wort Dortmund gefallen.
Ich will es nur andeuten. Also wir wissen schon,
wie solche Anträge immer zustande kommen und
welche Hintergründe da vielfach vorhanden sind.
Aber, meine Damen und Herren, zur Sache. Ich habe das Gefühl, daß solche Dinge im Haushaltsausschuß besprochen werden sollten.
— Sind Sie da nicht durchgedrungen, Frau Kollegin?
— Darauf will ich ja jetzt zurückkommen. Ich halte
es, Frau Kollegin Hubert, sachlich für nicht gut,
wenn wir in unserer Töpfchen-Wirtschaft, so wie wir es bisher gehandhabt haben, fortfahren. Halten Sie es nicht auch für besser, wenn wir einige wenige Fonds haben, in denen die Mittel konzentriert sind? Seher Sie, wir haben 10 Millionen für die Wohlfahrtsverbände genehmigt. Es ist ohne weiteres möglich — nachdem es sich hier um eine einmalige Ausgabe handelt —, daß man eventuell auch aus diesem Fonds den Betrag nimmt.
— Ich glaube doch, daß wir das Bundesinnenministerium darum bitten können.
Ich möchte also doch annehmen, daß wir im Haushaltsausschuß ohne Rücksicht auf das jetzt angesprochene Verlangen so weit kommen, daß wir uns zu einer konzentrierten Fondsbildung durchringen und daß wir nicht für jeden Zweck jedes Jahr neue Titel schaffen. Ich möchte deshalb anregen, mit dem Bundesinnenministerium in Fühlung darüber zu treten, ob Ihr Wunsch nicht auf eine andere Art und Weise erfüllt werden kann.
Das wollte ich zu diesem Antrag sagen.
Ich nehme an, Herr Abgeordneter, daß Sie als Berichterstatter gesprochen haben!?
Nein, Herr Präsident, ich habe nicht als Berichterstatter gesprochen.
Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Herr Kollege Niederalt, ich habe zuerst auch an den Tit. 661 gedacht, als ich für die Bezuschussung dieses Gehörlosenheims eintrat. Aber, Herr Kollege Niederalt, es soll sich hier ja gerade um eine einmalige Bezuschussung handeln. Wenn wir Tit. 661 nähmen, würde außerdem, wenn wir diesen Titel nicht erhöhten, die Gefahr bestehen, daß andere Aufgaben dadurch benachteiligt würden. Wenn Sie es in demselben Topf haben wollen, würde ich Sie bitten, diesen Titel unter Umständen mit der Maßgabe „k.w." — weil es ein einmaliger Zuschuß sein soll — um 250 000 DM zu erhöhen.
Aber ich habe diesen Weg dann nicht gewählt, weil ich die Zustimmung des Parlaments für einen ganz bestimmten Zweck erbitten wollte und es sich um eine einmalige Ausgabe handelt. Wir schaffen also keinen zweiten Topf, Herr Kollege Niederalt, denn das verschwindet ja wieder. Wenn wir es bei Tit. 661 einsetzten und nicht mit dem k.w.-Vermerk versähen, würde es ständig bestehenbleiben. Darum möchte ich doch noch einmal bitten, dem Antrag meiner Fraktion auf eine einmalige Zuwendung unter den einmaligen Ausgaben bei Kap. 0602 zuzustimmen.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dannebom!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Niederalt, Sie haben etwas Anstoß genommen, weil es gerade von Dortmund kommt.
Es klang so durch. Ich darf vielleicht zur Ergänzung dessen, was meine Kollegin Frau Dr. Hubert
gesagt hat, darauf hinweisen, daß die 250 000 DM,
die wir fordern, dieser einmalige Zuschuß, nur für die Inneneinrichtung verwandt werden soll. Der Bau selber ist restlos finanziert. Er ist auch schon ziemlich hoch, kann also in ungefähr zwei Monaten bezogen werden.
Nun, meine Damen und Herren, warum sind wir daran interessiert? Sehen Sie einmal, die Dortmunder Industrie ist dazu übergegangen, in Spezialkursen die Gehörlosen zu schulen. Es sind besondere Kurse in den großen Dortmunder Hüttenwerken eingerichtet worden, in denen die Gehörlosen zu Schweißern und ähnlichen Berufen ausgebildet werden. Diese Umschulungsversuche haben in der Praxis sehr positive Ergebnisse gezeigt. Damit nun nach der Fertigstellung dieses Alters- oder Gehörlosenheimes der Unterbringung der Menschen, die aus anderen Räumen nach Dortmund in die Industrie drängen, keine große Schwierigkeit entgegensteht, sind wir natürlich daran interessiert — nachdem sich bei den Haushaltsberatungen die Möglichkeiten nicht ergeben haben —, daß der Ausstattung und somit auch der Belegung dieses Schwerhörigenheimes keine großen Schwierigkeiten entgegenstehen. Ich glaube, an dem Problem selber — den Gehörlosen auch Arbeitsplätze zu vermitteln, besonders in der Industrie — sind wir alle interessiert. Deshalb unsere Bitte, diesem Antrag Ihre Zustimmung doch nicht zu verweigern.
Herr Abgeordneter Kunze!
— Sie verzichten.
Weitere Wortmeldungen dazu? — Herr Abgeordneter Dr. Conring!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den sachlichen Zweck wird keiner etwas einzuwenden haben. Aber bevor das Haus darüber entscheidet, ob es diesem Gehörlosenheim in Dortmund eine — in den Bundeshaushalt eingehende — Beihilfe gewähren will, müßten doch etwas mehr Unterlagen vorliegen. Sie überfordern uns und selbst die Mitglieder des Haushaltsausschusses, die doch in diesen Dingen mittendrin stehen, wenn Sie von uns auf Anhieb verlangen, zu einem solchen Antrag um der Sache willen ohne weiteres ja zu sagen. Zunächst müßte einmal festgestellt werden, welchen Bereich dieser Gehörlosenverein hat. Ist er ein örtlich gebundener Verein? Wie weit ist der Bereich dieses Vereins? Erstreckt er sich auf die Stadt Dortmund? Erstreckt er sich auf das Land Nordrhein-Westfalen oder erstreckt er sich auf ganz Westdeutschland?
— Ganz richtig, es fragt sich nur, ob diese Einrichtung — ich glaube, ich brauche das nicht zu wiederholen — für die Schwerhörigen der ganzen westdeutschen Bundesrepublik Bedeutung hat und Verwendung finden soll. Dann wird billigerweise bei der Behandlung eines solchen Antrags im Haushaltsausschuß auch gefragt, welche Mittel insgesamt aufzubringen sind, von wem sie ganz oder teilweise aufgebracht werden. All diese Dinge sind uns nicht bekanntgegeben. Die Bekanntgabe der gesamten Finanzierungsunterlagen für diese Angelegenheit fehlen doch eigentlich. Es wäre auch einmal die Frage zu prüfen, ob denn überhaupt beim Bundesinnenministerium je ein Antrag dieser Art gestellt worden ist. Ich habe soeben im Vorbeigehen gehört, daß noch nicht einmal ein Antrag beim Bundesinnenministerium vorliegt.
Wenn die verehrte Frau Kollegin Hubert darauf aufmerksam macht, daß diese Angelegenheit im Haushaltsausschuß behandelt worden sei, so möchte ich demgegenüber sagen, daß sie dort ganz kurz angeschnitten wurde, zwar ins Protokoll übergegangen, aber in keiner Weise ausdiskutiert worden ist. Es kam zu keiner Entscheidung, weder zu einer positiven noch negativen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich als Mitglied des Haushaltsausschusses ein Wort gebrauche, das Ihnen vielleicht nicht so geläufig ist, das aber uns bei den Haushaltsberatungen sehr geläufig ist: dieser Antrag ist, wie man das fachmännisch nennt, noch nicht etatreif. Damit soll nichts gegen die Sache gesagt werden, aber wohl dagegen, daß ein solcher Antrag auf den Tisch des Hauses gelegt und von uns erwartet wird, nun ohne eine Vorprüfung, die ich soeben angedeutet habe, zu dem Antrag ja zu sagen. Deshalb möchte ich den Antragstellern empfehlen, den Antrag nicht heute, sondern zur nächstjährigen Etatberatung zu stellen und inzwischen die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Meinen Freunden möchte ich raten, diesen Antrag nicht abzulehnen, sondern ihn zurückzustellen. Ich hoffe, daß die Antragsteller diese Praxis des Haushaltsausschusses auch ihrerseits respektieren.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Innenministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses ist in der Tat sehr häufig die Frage, ob etatreif oder nicht, angeschnitten worden. Ich darf für diesen Einzelfall erklären, daß uns genügend konkrete Unterlagen darüber, wer nun eigentlich der berufene Träger ist, wieweit die Finanzierung durch diesen Träger sichergestellt ist und wieweit unter Umständen ein echtes Bundesinteresse für eine Beteiligung an der Finanzierung bejaht werden kann, noch nicht vorliegen. Ich habe gerade vor einigen Tagen die Bitte der Stadt Dortmund erhalten, einmal zu einer Besprechung zur Klärung der noch offenen Fragen mit mir zusammenkommen zu können. Ich bin bereit, diese Besprechung zu führen. Bei dieser Besprechung müßte vor allem erörtert werden, ob es nicht möglich ist, bei genügender Finanzierung durch die übrigen Träger eventuell den Tit. 660 oder den neuen Tit. 530 heranzuziehen, oder ob es nicht zweckmäßiger ist, nur eine Teilfinanzierung aus diesen Titeln in diesem Jahre vorzusehen, aber im übrigen die Restfinanzierung in den nächstjährigen Haushalt einzuplanen. Jetzt schon bei der Undurchsichtigkeit der Gesamtunterlagen einen besonderen neuen Titel zu schaffen, scheint mir allerdings etwas problematisch zu sein.
Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Her Kollege Conring, ich kann Ihre Besorgnisse verstehen. Als wir die Sache damals ansprachen, versprach Herr Staatssekretär
Bleek, sie zu prüfen. Sie ist zunächst durch eine Erkrankung des Herrn Staatssekretärs etwas hängengeblieben; dann ist die Vorlage erst kürzlich ins Bundesministerium gekommen. Mir liegen aber ziemlich eingehende Unterlagen vor. Sie werden verstehen können, daß auch ich mich, wenn ich mich als Mitglied des Haushaltsausschusses vor Sie hinstelle, um einen solchen Antrag zu befürworten, eingehend erkundigt habe. Die Finanzierung ist bis auf einen Restbetrag gesichert.
Da nur noch dieser Restbetrag fehlt, möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Wenn wir das jetzt auf den nächstjährigen Etat zurückstellen, gefährden wir die Eröffnung dieses wichtigen Heimes in dem jetzigen Etatsjahr. Aus diesem Grunde möchte ich Sie bitten, diesen Titel unter Umständen mit einem Sperrvermerk zu versehen. Dann haben der Finanzminister und die Regierung die Möglichkeit, die Unterlagen erst zu prüfen. Wenn Sie damit einverstanden wären, daß wir diesen Titel mit dem Zusatz „mit Sperrvermerk" versehen, wäre die Möglichkeit zur Prüfung gegeben, und das Heim könnte dann doch rechtzeitig eröffnet werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht daran gezweifelt, daß der verehrten Frau Kollegin Hubert genügend Unterlagen vorliegen, daß sie ihrem guten Herzen einmal Luft machen und einen solchen, sachlich begründeten Antrag vertreten hat. Aber der Mangel dieses Antrags ist der, daß diese Unterlagen nur der Frau Kollegin Hubert vorliegen und uns allen übrigen nicht.
— Wir können nicht einfach einen Sperrvermerk machen, sondern wir müssen uns schon etwas um die Frage kümmern, ob wir einen neuen Titel dieser Art überhaupt in den Bundeshaushalt aufnehmen wollen. Dazu bedarf es nun einmal einer gewissenhaften Prüfung. Ich brauche nicht zu wiederholen, was ich bereits gesagt habe: nichts gegen die Sache. Ich glaube, sie kann, wenn sie wirklich überregionale Bedeutung hat, wie hier behauptet wird, ohnehin aus Bundesmitteln gefördert werden, auch ohne daß man einen eigenen neuen Titel schafft. Nachdem der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Sie gebeten hat, nicht unbedingt auf der Schaffung eines neuen Titels zu bestehen, darf ich daran erinnern, daß auch noch eine andere Möglichkeit besteht, nach Prüfung noch in diesem Etatsjahr diesen Antrag einen Weg gehen zu lassen, der die Antragsteller befriedigt. Aber — nehmen Sie es uns nicht übel — mit dem Verlangen nach Schaffung eines neuen Titels ohne eine genügende Prüfung, die, wenn auch nicht allen, so doch mindestens den Mitgliedern des Haushaltsausschusses möglich sein muß, wird uns doch etwas reichlich viel zugemutet. Ich möchte im Namen meiner Freunde sagen: solche Anträge müssen wir unsererseits ablehnen, nicht um der Sache, sondern um der Ordnung willen.
Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Conring, wenn Sie einen Bruchteil der Sorgfalt, die so soeben verlangen, aufgewendet hätten, als vor einigen Jahren ein Ihnen benachbart sitzender Parteifreund die Erhöhung des Geheimfonds des Bundeskanzlers, Einzelplan 0403 Tit. 300, von 4,5 auf 10 Millionen DM ohne jede Begründung verlangte, könnten Sie heute solches mit gutem Recht fordern.
Nachdem aber bei solchen großen Titeln von Sorgfalt überhaupt keine Rede ist, sondern wir immer überfordert und überstimmt werden, muß ich Ihnen sagen, daß ich angesichts solcher Praxis die Schwierigkeiten, die Sie machen, als höchst bedauerlich empfinde.
Ich beantrage, bei diesem Titel von vornherein einen Sperrvermerk anzubringen. Dann hat die Regierung alle Möglichkeiten der Prüfung.
Also, meine Damen und Herren, auf dem Umdruck wird vermerkt: Zusatzantrag Professor Gülich: Mit Sperrvermerk.
Nun kommen wir zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Dr. Schranz und Genossen, Umdruck 627 * ).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht der Rechtsausschuß als solcher, der hier nach der Geschäftsordnung keine Antragsbefugnis hätte, sondern die im Rechtsausschuß vereinigten Abgeordneten haben einstimmig interfraktionell diesen Antrag eingebracht, den Bundesrichtern an den fünf oberen Bundesgerichten eine höchstrichterliche Zulage für dienstlichen Aufwand zu bewilligen. Es handelt sich dabei also nicht eigentlich um das, was man eine Ministerialzulage nennt, die mehr oder minder eine Leistungszulage ist und in Wahrheit eine verdeckte Korrektur des Besoldungsrechts. Man könnte sehr daran zweifeln, ob das ganze System solcher Zulagen zu billigen ist. Die sogenannte Ministerialzulage ist um so problematischer geworden, seitdem der Bundesfinanzhof durch sein Urteil vom 22. September 1955 rechtsgrundsätzlich entschieden hat, daß der Ministerialzulage in ihrer heutigen unterschiedslosen Ausdehnung auf sämtliche Angehörige der Ministerien das Wesen einer Aufwandsentschädigung abzusprechen und diesen Zulagen deshalb eine Steuerfreiheit nicht ungeprüft zuzusprechen ist. Die Bundesregierung und der Bundestag werden aus dieser höchstrichterlichen Erkenntnis Folgerungen zu ziehen haben, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.
Unbeschadet dieser Untersuchung und der noch nicht ausgereiften Pläne für eine prinzipielle Besoldungsreform stehen wir jedenfalls gegenwärtig vor der Tatsache, daß jeder eine Zulage mit dem Anspruch auf Steuerfreiheit bekommt, der in einem Bundesministerium tätig ist. Daraus ergibt sich eine Benachteiligung der Bundesrichter, zumal die
*) Siehe Anlage 6.
Verwaltungsangehörigen der fünf oberen Bundesgerichte solche Zulagen erhalten, wodurch der paradoxe Zustand eintritt, daß bei den oberen Bundesgerichten zwar das mit Hilfsaufgaben betraute Personal sich im Genuß steuerfreier Zulagen befindet, nicht jedoch das Richterkollegium, obgleich von ihm das Gericht gebildet wird.
Gegenüber dem Vorjahr ist noch eine weitere Unstimmigkeit dadurch eingetreten, daß in einem Nachtragshaushalt für 1955 Zulagen für Soldaten der Bundeswehr in Höhe von etwa 1,2 Millionen DM bewilligt wurden. Ich will das hierbei gar nicht kritisieren; denn wenn nun einmal eine Bundeswehr errichtet ist, werden sich für die Bezüge des Offiziers- und Unteroffizierskorps daraus notwendige Konsequenzen ergeben. insoweit bitte ich auch, mir nicht zu entgegnen, daß diese Soldaten, jedenfalls die Generalität und die Stabsoffiziere, zum Teil im Gebäude des Bundesministers für Verteidigung arbeiten; denn sie sind dort aus organisatorischen Gründen stationiert, aber in ihrer Eigenschaft als Soldaten und als Mitglieder der Bundeswehr, nicht aber als Ministerialbeamte. Unter diesen Umständen wird es noch weniger erständlich, den Bundesrichtern eine höchstrichterliche Zulage im Gesamtbetrage von etwas mehr als rund 400 000 DM vorzuenthalten, während ein rund dreimal so hoher Betrag bei der Bundeswehr als Zulagen zugebilligt wird.
Man kann in dieser Frage auch nicht so argumentieren, wie es bisher von dem Herrn Bundesminister der Finanzen geschah, nämlich daß die Bundesrichter den Ministerialräten gleichstehen sollten und der ihnen obliegende Aufwand durch die Gleichbesoldung mit den Ministerialdirigenten bereits abgegolten sei. Insoweit darf ich die gewissenhaft und überzeugend begründeten Denkschriften des Deutschen Richterbundes und der Vereinigung der Bundesrichter als bekannt voraussetzen. Diese Denkschriften beweisen, daß sich die Amtsgehälter der höchsten Richter im Verhältnis zur Besoldung der leitenden Ministerialbeamten ständig zum Nachteil der Richterschaft verschlechtert haben. Der Präsident des Reichsgerichts stand einmal den Staatssekretären in den Reichsministerien gleich. Auch kann man die Vortragenden Räte aus einer Zeit, als es Ministerialdirigenten noch nicht gab, nicht einfach mit den Beamten identifizieren, die jetzt Ministerialräte sind.
Meine Damen und Herren, ich bin jedoch der Überzeugung, daß es auf alle diese Vergleiche überhaupt nicht ankommt. Es geht vielmehr um die selbständige Frage, wie die Amtsbezüge der Bundesrichter um ihrer Aufgaben willen, um der Bundesgerichte selber willen, um der Bedeutung und dem grundgesetzlichen Rang der Rechtsprechung willen zu regeln ist.
Daher gilt es, einen struktureigenen Maßstab zu finden, der frei ist von schiefen Gesichtspunkten des Prestiges, sondern in sachlichen Gründen seine Rechtfertigung findet. Die Bundesrichterschaft kann in unseren Tagen ihr hohes Amt nicht mehr, wie es einst noch möglich war, vollendet erfüllen, wenn sie nicht wegen der internationalen Verflechtung des modernen Rechts auch persönliche Verbindung mit der Richterschaft der anderen westlichen Kulturstaaten aufnimmt und pflegt oder wenn sie wegen der Sozialgebundenheit des zeitgenössischen Rechts die Wirklichkeitsnähe des eigenen Urteilsvermögens nicht durch ständige
Teilnahme an Veranstaltungen und Begegnungen fortbildet. Wir dürfen uns den Revisionsrichter von heute nicht mehr als den Stubengelehrten von gestern vorstellen. Wenn leider Grund besteht, wegen einer gewissen Weltfremdheit mancher Urteilsbegründungen besorgt zu sein, so hat das Parlament zu fragen, ob es seiner Pflicht gegenüber den Bundesgerichten auch zuerst nachgekommen ist. Die Bundesgerichte sind gleichsam Seismographen des Rechtsbewußtseins, also Einrichtungen von allerfeinster Empfindlichkeit.
Warum sehen wir die Kostspieligkeit immer nur bei technischen Apparaturen ein? Wo es aber um die Pflege unseres Geisteslebens geht, denken wir oft nicht daran, daß sich die Erfordernisse und Bedürfnisse des Menschengeistes auch gegenüber der Biedermeierzeit gewandelt haben. Das gilt um so mehr, als sich geistige Arbeit in ihren zeitgemäßen Voraussetzungen durch Reisen und Studien weit weniger technisieren und rationalisieren läßt als andersartige Tätigkeiten.
Ich bitte Sie, sich doch einmal von der Vergangenheit zu lösen und unbefangen zu überlegen, ob es für uns als Bundestag und für die unserem Budgetrecht anvertrauten Bundesgerichte wirklich gut ist, daß die Bundesrichter Jahr für Jahr in der unglücklichen Rolle von Bittstellern vor unserem Forum erscheinen. Aus diesen Gründen habe ich um der Rechtspflege willen die ernstliche und herzliche Bitte, daß diesem Antrage, der einen nennenswerten Kostenaufwand überhaupt nicht erfordert, von dem Hohen Hause entsprochen werden möge.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Satz in den Ausführungen des Herrn Vorredners muß von mir unterstrichen werden: daß die Richter Jahr für Jahr mit dieser Forderung kommen. Wir haben uns mit dieser Forderung infolgedessen auch Jahr für Jahr beschäftigt, und ich könnte mich eigentlich darauf beschränken, nur einen Satz vorzubringen: bitte, lesen Sie die Ausführungen, die ich im vorigen Jahre zu diesem Punkt machen mußte, wieder nach und stimmen Sie, bitte, wie der Deutsche Bundestag des Vorjahres gestimmt hat und stimmen mußte.
Es ist nichts Neues vorgebracht worden. Ich möchte auf den Punkt hinweisen, den ich im Vorjahre als den entscheidenden bezeichnen mußte. Der entscheidende Gesichtspunkt ist der: im Jahre 1937 wurde für die Richter an den obersten Gerichtshöfen eigens eine Besoldungserhöhung, die Einreihung in Gruppe B 7 a durchgeführt mit der ausgesprochenen Begründung, es entspreche nicht der Würde der Richter an den obersten Gerichtshöfen, auf widerrufliche Zulagen mit verwiesen zu sein; deswegen solle man sie gleich in eine höhere Stufe setzen und ihnen die Gruppe B 7 a zuerkennen, damit man ihnen keine widerruflichen Zulagen zu geben brauche.
— Das stimmt!
— Es hat im Vorjahr gestimmt und stimmt in diesem Jahr auch.
Nun sind die Richter in B 7 a, und jetzt kommt der Wunsch, zu der Stelle B 7 a auch die widerrufliche Zulage zu erhalten, die früher um der Würde des Richters, um seines Charakters willen nicht gefordert wurde und an deren Stelle die Einreihung in die höhere Gruppe B 7 a erbeten und gegeben worden ist. Das ist der Kernpunkt, um den es geht.
Ich darf auch auf folgendes hinweisen. Die Regelung war früher so, daß die Ministerialbeamten und die Richter in ihren Gehaltsbezügen in einem gewissen Verhältnis standen. Die Regelung wurde so gewählt, daß der Ministerialbeamte eine ministerielle Zulage hatte und deswegen in eine geringere Gehaltsstufe eingereiht war, während der Richter später aus dieser Überlegung in eine höhere Gehaltsstufe eingruppiert wurde, aber natürlich nicht die laufenden Zulagen bekam, die der Ministerialbeamte hatte. Der Richter hatte einen zweiten Vorteil: In seinen Gesamtbezügen liegt er nicht nur über dem früher vergleichbaren Ministerialbeamten plus Zulage, sondern es ist ganz selbstverständlich, daß seine gesamten Bezüge pensionsfähig sind, während die Zulagen des Ministerialbeamten nicht pensionsfähig sind. Das ist eine Regelung, die für die Dauer gedacht ist und die wir für gerecht halten.
Ich habe heuer keinen neuen Gesichtspunkt gehört. Denn wenn auf die Soldaten hingewiesen wird, die im Verteidigungsministerium, also in einem Ministerium angestellt sind, so muß ich sagen: das ist kein neuer Gesichtspunkt und kein Gesichtspunkt, der die Betrachtung der Dinge ändern kann. Das ist beamtetes Personal, das in einem Ministerium beschäftigt ist und das, ob es nun Uniform trägt oder nicht, infolgedessen nach den Grundsätzen, die für Ministerialbeamte gelten, zu behandeln ist. Das ist kein neuer Zustand, das ist ein alter.
Meine Damen und Herren, ich bitte, daß wir aus diesem sich jährlich immer wiederholenden Gespräch herauskommen und daß wir die Grundlage, zu der der Deutsche Bundestag sich wiederholt entschieden hat, beibehalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich spreche nicht für den Rechtsausschuß als Ausschuß dieses Hohen Hauses, sondern für die Mitglieder des Rechtsausschusses — allerdings aus allen Fraktionen —, wie Sie sie unter Umdruck 627 finden, mit Ausnahme der Mitglieder der Freien Demokratischen Partei.
Herr Bundesfinanzminister, es ist nicht zutreffend, daß die Richter jedes Jahr mit diesem Anliegen kommen. Vielmehr wiederholen jedes Jahr bei den Etatberatungen, oder jedenfalls in den letzten Jahren, alle Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht diesen Antrag, weil sie zutiefst davon überzeugt sind, daß er berechtigt ist.
Ich bedauere sehr, daß diese Frage — allerdings auch jedes Jahr — wiederum nur unter fiskalischen Gesichtspunkten beurteilt wird; diese Beurteilung halte ich für falsch.
Ich bitte dieses Hohe Haus, die früher gefaßten Beschlüsse insoweit zu ändern, weil ich nicht den Eindruck habe, daß das Hohe Haus es sich hinreichend klargemacht hat, welchen Umbau unsere Verfassung gegenüber der Weimarer Verfassung hinsichtlich der Stellung des Richterstandes vorgenommen hat.
Wir sind glücklich darüber, daß sie den Umbau vorgenommen hat.
Die oberen Bundesgerichte sind auf den ihnen zugewiesenen Gebieten die letzte entscheidende Instanz, die höchsten Gerichte, die die Gleichheit der Rechtsanwendung, die Rechtseinheit, die Fortbildung des Rechts und damit die Rechtssicherheit zu garantieren haben.
Die wichtigen und verantwortungsreichen Aufgaben der oberen Bundesgerichte können nur dann erfüllt werden, wenn die fähigsten Richterkräfte herangezogen werden, die nach Wissen, Begabung und Erfahrung den höchsten an einen Richter zu stellenden Anforderungen genügen. Dies durch angemessene wirtschaftliche Ausstattung, in der sich auch die Würde des höchsten Gerichtes spiegelt, zu erreichen, sollte sich ein Rechtsstaat angelegen sein lassen.
Noch einige verfassungspolitische Erwägungen. Die oberen Bundesgerichte sind die Spitze der rechtsprechenden dritten Gewalt und stehen daher nicht unter den Spitzenbehörden der vollziehenden Gewalt, den Ministerien, sondern sie stehen gleichwertig und gleichrangig neben ihnen.
Diese Gleichstellung erfordert, daß die Richter, die in ihrer Gesamtheit die Spitze der dritten Gewalt bilden, in keiner irgendwie gearteten Weise schlechter gestellt werden dürfen als Beamte, die in den Ministerien eigenverantwortlich gelagerte Tätigkeiten ausüben. Jede diese Forderung verletzende Regelung der Bezüge bedeutet einen Einbruch in den Grundgedanken der Unabhängigkeit und Selbständigkeit dieser dritten rechtsprechenden Gewalt und müßte zu einem falschen Schein einer Höherbewertung der Exekutive, ja der Unterordnung der rechtsprechenden Gewalt unter die vollziehende Gewalt führen. Deswegen habe ich die Ehre, Sie namens der Mitglieder des Rechtsausschusses aus allen Fraktionen zu bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir den Umdruck 627 und den Umdruck 21 zum Einzelplan 19 der Haushaltsberatungen für das Rechnungsjahr 1954, 25. Sitzung am 9. April 1954, ansehe, dann stelle ich fest, daß fast alle Damen und Herren, die den Umdruck 627 unterzeichnet haben, auch den Umdruck 21 unterschrieben hatten.
Dort hatte es sich darum gehandelt, den Bundesverfassungsrichtern eine Dienstaufwandsentschädigung zu gewähren. Wir haben darüber im Hause eine Debatte gehabt, und nun darf ich Ihnen mal vorlesen, was Frau Abgeordnete Dr. Hubert seinerzeit als Berichterstatterin zu diesem Umdruck ausgeführt hat:
Die Antragsteller begründeten ihren Antrag damit, das Bundesverfassungsgericht sei ein Verfassungsorgan und könne mit den anderen oberen Gerichten nicht verglichen werden, weshalb die Gewährung der Dienstaufwandsentschädigung für die Richter des Bundesverfassungsgerichts auch keine Rückwirkungen auf die Senatspräsidenten und Richter der oberen Bundesgerichte haben könne.
Damals ist in der Debatte schon angekündigt worden: So sicher wie das Amen in der Kirche kommt im nächsten Haushaltsplan der Antrag, auch die anderen Richter der oberen Gerichte einzubeziehen. Meine Damen und Herren, das haben wir heute vor, uns.
Wir haben zur Zeit im Beamtenrechtsausschuß — ich bin nicht dessen Mitglied, aber ich bin mit den Verhandlungen einigermaßen vertraut — den Bundesbesoldungsgesetzentwurf in Beratung. In § 2 dieses Entwurfs ist ausdrücklich festgelegt, was zu dem Gehalt der Beamten gehört. Dort wird auch die Frage der ruhegehaltfähigen und nichtruhegehaltfähigen Zulagen behandelt. Ich halte es aus gesetzesökonomischen Gründen einfach nicht für richtig, daß wir jetzt vorab eine Entscheidung treffen, bevor der federführende Ausschuß die Möglichkeit I gehabt hat, den Besoldungsgesetzentwurf abschließend zu beraten.
Ich schlage Ihnen deshalb vor, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen dazu? — Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Kolegen Krammig möchte ich entgegnen, daß Erwägungen, die der Haushaltsausschuß bei der Behandlung des Bundesverfassungsgerichts angestellt hat, kein Präjudiz für die Antragsteller dieses Antrags sind. Solange ich dem Bundestage angehöre, habe ich mich in meiner Fraktion und im Bundestage selbst für diese höchstrichterlichen Zulagen eingesetzt.
Ich möchte jetzt dem Herrn Bundesminister der Finanzen noch kurz entgegnen. Der Vergleich mit den Soldaten ist von mir nur sehr ungefähr gezogen. Ich habe selber gesagt, daß Vergleiche in dieser Angelegenheit recht fragwürdig sind. Aber es trifft nicht zu, daß, wie der Herr Bundesminister der Finanzen sagt, sich die Soldaten im Bundesministerium für Verteidigung als Beamte befinden. Sie befinden sich dort aus organisatorischen Gründen als Offiziere der Bundeswehr, aber nicht als Beamte.
Dann ein anderes. Die Darstellung, die der Herr Bundesminister der Finanzen zu der meines Erachtens gar nicht wesentlichen historischen Frage gegeben hat, warum die Richter vor vielen Jahren in die Gruppe B 7 eingestuft worden sind, ist irrig.
Es ist nicht möglich, dieses ganze Problem hier vor dem Hause zu entwickeln; das würde viel zu lange aufhalten. Aber ich darf darauf hinweisen, daß sowohl der Deutsche Richterbund als die Vereinigung der Bundesrichter in eingehenden Denkschriften nachgewiesen haben, daß diese Behauptung des Herrn Bundesministers der Finanzen nicht stimmt. Ich finde es nicht gut, daß ein Bundesminister über solche Denkschriften höchster Richter, über die Fakten, die darin enthalten sind, und über die rechtsgeschichtlichen und rechtswissenschaftlichen Begründungen so mit einer autoritativen Handbewegung hinweggeht.
Das scheint mir nicht die Art zu sein, wie man mit den Richtern sprechen sollte. Vor allen Dingen gehört in diese Kategorie der Erörterungen dazu, daß damals die Gruppe B 7 etwas ganz anderes war als heute. Das darf nicht vergessen werden.
Was ich besonders bedauere, ist, daß der Herr Bundesminister der Finanzen schließlich gesagt hat, er habe heute nichts Neues gehört. Ich glaube, Herr Kollege Hoogen hat, wenn auch nach dem Herrn Bundesminister der Finanzen, eine Reihe wesentlicher, neuer Gesichtspunkte gebracht. Auch ich habe mich darum bemüht, diese Frage endlich einmal von den Vergleichen, von den geschichtlichen Reminiszenzen loszulösen und darum zu bitten, daß sich das Haus vor das Problem gestellt sieht, ob der Bundesrichter besondere Aufwendungen hat oder nicht — dazu hat der Herr Bundesminister der Finanzen nicht eine Silbe gesagt —, vor das Problem gestellt sieht, ob es im Interesse der Rechtspflege liegt, daß die Bundesrichter solche Aufwendungen machen, ob wir noch mit den Maßstäben der 20er, der 30er Jahre, den Maßstäben, vielleicht übertrieben, der Zeit der Postkutsche hier arbeiten können oder ob wir nicht auch heute den Bundesrichter in einer besonderen Weise in den Stand setzen müssen, seinen Aufgaben, den Aufgaben internationaler Verflechtung und sozialer Gebundenheit des Rechtswesens, wirklich nachzukommen. Es geht nicht darum, dem einen oder anderen Herrn, der vielleicht Urteile erläßt, die mir sehr wenig gefallen, da irgend etwas zukommen zu lassen, sondern es geht darum, unsere Rechtspflege in den Stand zu setzen, daß sie im Jahre 1956 wirklich ihre Aufgaben erfüllen kann. Das ist das einzige Problem, um das es sich dabei handelt.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur der Vollständigkeit halber sehe ich mich genötigt, auf die vorgebrachten Argumente noch kurz einzugehen. Ich tue das in der Form, daß ich aus einem Schreiben, das ich an den Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof, den Verein der Richter des Bundesfinanzhofs und den Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht gerichtet habe, die entscheidende Stelle verlese. Diese Stelle, die die Rechtsausführungen enthält, lautet folgendermaßen:
Die Richter an den obersten Gerichten des Reichs wurden bei der 31. Änderung des Besoldungsgesetzes einheitlich der Bescldungsgruppe B 7 a (früher
B 7) zugeteilt, in der sich bis dahin nur die Reichsgerichtsräte befanden. Die Reichsgerichtsräte erhielten auch vorher schon — eben auf Grund ihrer besonderen Einstufung — keine Ministerialzulage. Nach der Einstufung in die Besoldungsgruppe B 7 a wurde auch für die anderen Reichsrichter, die vordem in Besoldungsgruppe B 8 eingestuft waren und daneben Ministerialzulage erhalten hatten, keine Ministerialzulage mehr gezahlt.
Wie aus den Akten des Reichsfinanzministeriums hervorgeht, ist damals, ebenso wie vorher schon bei den Reichsgerichtsräten, bewußt davon abgesehen worden, den ordentlichen Richtern an den obersten Gerichten des Reiches eine widerrufliche Zulage zu geben, weil man das mit der Stellung der höchsten Richter nicht für vereinbar hielt. Bei ihnen hat man vielmehr die Abgeltung der besonderen Aufwendungen, die der Dienst eines Richters bei den obersten Gerichten erfordert, dadurch verwirklicht, daß man die erhöhten Aufwendungen bei der Bewertung der Dienstposten berücksichtigte und an Stelle der widerruflichen und nicht ruhegehaltfähigen Ministerialzulage oder oberstgerichtlichen Zulage eine höhere Eingruppierung und damit höhere ruhegehaltfähige Bezüge zubilligte.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß auf diese Feststellung hin auch von richterlicher Seite eine Widerlegung nie erfolgt ist.
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 678*), Einzelplan 06. Das ist das Bundesgesundheitsamt in Koblenz. Wird zur Begründung dieses Antrags noch das Wort gewünscht? — Frau Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erfreulicherweise ist im Haushaltsausschuß das Bundesgesundheitsamt um einige Labors erweitert worden, so daß es in seiner Arbeitsfähigkeit gestärkt worden ist. Trotzdem hat das Bundesgesundheitsamt einen großen Mangel durch das Fehlen einer sozialhygienischen Abteilung. Die Aufgaben der Hygiene haben sich über die Seuchenhygiene, die Bakteriologie und die Epidemiologie hinaus erweitert, und wenn wir an die Aufgaben denken, die bei einer Sozialreform vor uns stehen, fehlen bei uns in Deutschland völlig die nötigen Unterlagen etwa über die Krankheitsanfälligkeit unserer Bevölkerung, über die Frage, warum die Schulkinder versagen, warum die Schulanfänger, wie kürzlich erst eine Untersuchung in Hannover ergeben hat, zu einem erschreckend großen Teil noch nicht für die Schule reif sind, und zwar insbesondere die Kinder, die aus den Städten kommen, so daß man sich fragen muß: sind es hier nicht die Umwelteinflüsse, denen die Kinder in der Stadt mit dem starken Wechsel der Eindrücke ausgesetzt sind, die schädlich auf unsere Jugend wirken? Für alle diese Fragen fehlen uns exakte Grundlagen. Unsere Universitäten haben die klassischen Lehrstühle der Hygiene, die sich zwar ab und an auch mit Fragen der Sozialhygiene
*) Siehe Anlage 16.
beschäftigen, aber nicht umfassend genug. Andere Länder sind uns hier weit vorangegangen. Ich erinnere etwa an das Niederländische Institut für präventive Medizin oder daran, daß es in OstBerlin ein personell wie materiell sehr gut dotiertes Sozialhygienisches Institut gibt. Wir haben zwar in West-Berlin einen Lehrstuhl für Sozialhygiene, aber ohne jedes Institut. So sehe ich hierin eine absolute Lücke in unserem Bundesgesundheitsamt, das uns die Grundlagen, wissenschaftlich erforscht, liefern müßte, auf denen wir alle Maßnahmen der präventiven Medizin und der Gesundheitsfürsorge überhaupt erst aufbauen könnten. Denn auch die Statistische Abteilung des Bundesgesundheitsamtes allein kann uns das nicht bieten. Sie ist zu klein, und es fehlt ihr vor allen Dingen die notwendige Zusammenarbeit mit Soziologen und mit Pädiatern, die diese statistischen Unterlagen entsprechend auswerten können.
Ich möchte Ihnen darum im Namen meiner Fraktion den Vorschlag machen, daß wir schon in diesem Haushalt Mittel einsetzen, damit das Bundesgesundheitsamt eine sozialhygienische Abteilung aufbauen kann. Ich weiß, daß so etwas nur stufenweise geschehen kann. Betrachtet man den Aufbau des Bundesgesundheitsamtes, das neben der Opiumstelle über die drei Institute in Berlin verfügt, so könnte man sich vorstellen, daß etwa ein Betrag von 400 000 DM in Frage käme für die Schaffung einer solchen sozialhygienischen Abteilung, in die dann die statistische Abteilung eingebaut werden könnte. Da es aber in diesem Jahr nur ein Anfang sein soll und eine Ermutigung an das Ministerium, die notwendigen ersten Arbeiten und evtl. auch die ersten Berufungen geeigneter Persönlichkeiten durchzuführen, sieht unser Antrag vor, den Haushalt des Bundesgesundheitsamtes um 200 000 DM zu erhöhen. Wir haben diese 200 000 DM mit Absicht nicht auf einzelne Titel aufgegliedert, weil das Ministerium diese Ausgaben teils als Sachausgaben, teils als personelle Ausgaben, teils für Aufgaben der Forschung einsetzen muß.
Ich bitte Sie, hier einen Anfang zu machen und es damit dem Bundesgesundheitsamt zu ermöglichen, diese dringend wichtigen Aufgaben der Forschung auf dem Gebiete der Gesundheitsvorsorge und der Sozialhygiene durchzuführen und dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Moerchel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hubert hat, wie ich nachlesen konnte, ihr Anliegen bereits im Haushaltsausschuß vorgetragen. Ich glaube, es gibt niemanden hier im Hause, der nicht ihre Gedanken und ihre Absichten teilt. Ich habe allerdings Bedenken, und zwar Bedenken, die sich auf zwei Gebiete beschränken. Einmal ist es etwas eigentümlich, daß im Verlaufe dieser Haushaltsdebatte immer wieder davon die Rede ist, daß Stellen eingespart werden sollen, und daß nun ausgerechnet wir damit anfangen, Stellen zu schaffen.
Ich gebe Ihnen allerdings recht, Frau Kollegin Hubert, die Sache rechtfertigt durchaus Ihr An-
liegen. Sie haben alle die Aufgaben beschrieben, deren Behandlung in dieser Abteilung notwendig ist.
Aber ich glaube, das Hauptanliegen dabei ist, die Unterlagen für eine kommende Sozialreform zu liefern, und hier habe ich ernsthafte Bedenken, daß man eine solche Abteilung ad hoc initiativ schaffen will, ohne vorher ausgiebig mit all den anderen Ressorts Fühlung genommen zu haben, die zweifellos hierzu auch Entscheidendes zu sagen haben.
Bei Würdigung aller Ihrer Absichten möchte ich also doch vortragen, daß es nicht Aufgabe einer solchen Stelle sein darf, hier eine zentralistische Stelle einer künftigen Gesundheitspolitik zu schaffen. Gesundheitsvorsorge hat eh und je der praktische Arzt betrieben ohne staatlichen Auftrag, ohne eine Initiativanregung von irgendeiner Seite zu bekommen. Das ist aber auch gar nicht Ihre Absicht gewesen.
Ich sage es auch nur, damit hier nicht dieser Eindruck entsteht.
Wir werden also, meine ich, uns Ihre Gedanken sehr zu Herzen nehmen. Ich möchte deshalb vorschlagen, Frau Kollegin Hubert, daß wir, damit nicht Fehlinvestitionen entstehen, diese Angelegenheit mit dem Innenministerium selbst und mit dem Arbeitsministerium besprechen und dann bei der Beratung des nächsten Haushalts noch einmal hier darüber sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich soeben die Ärztin mit dem Arzt über diesen Gegenstand unterhalten hat, darf ich vielleicht als Mitglied des Haushaltsausschusses auch ein Wort dazu sagen.
Das Bundesgesundheitsamt in Koblenz ist bei den diesjährigen Haushaltsberatungen gut behandelt worden. Wenn Sie daran denken wollen, daß der Zuschuß, den das Bundesgesundheitsamt im Vorjahre erforderte, etwa 4,7 Millionen DM betrug, und wenn Sie damit vergleichen wollen, daß der Zuschuß dieses Jahres abgerundet 6,2 Millionen DM beträgt, so sehen Sie deutlich, daß schon die Regierungsvorlage das Bundesgesundheitsamt wohlwollend behandelt hat. Und wenn Sie dann den Mündlichen Bericht, der ja gedruckt erstattet zu werden pflegt, vergleichen, so finden Sie, daß wir im Haushaltsausschuß noch einiges hinzugetan haben, daß wir beispielsweise die Zahl der wissenschaftlichen Räte von 31 auf 35 und die der wissenschaftlichen Räte im Range eines Regierungsrats von 9 auf 15 erhöht haben. Wir haben auch die Institute, von denen die verehrte Frau Kollegin sprach, wie das Robert-Koch-Institut, das Maxvon-Pettenkofer-Institut und das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene in Berlin mit einem Betrag von 1,5 Millionen DM für Instandsetzung, Ausbau und Ausstattung ausgestattet. All das zeugt davon, daß sowohl die Regierung als auch der Haushaltsausschuß alles Mögliche getan haben, um die Aufgaben des Bundesgesundheitsamtes zu fördern.
Nun überrascht es mich eigentlich etwas, verehrte Frau Kollegin, daß Sie bei dieser Sachlage und in diesem Augenblick mit einem ganz neuen Antrag kommen.
— Sie haben vielleicht recht, daß da eine Lücke ist. Aber wenn Sie eine Abteilung sozialhygienischer Art beim Bundesgesundheitsamt einrichten wollen, dann werden Sie uns übrigen Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht verübeln, daß wir zunächst einmal die Frage beantwortet haben möchten, welcher Art diese Abteilung sein soll, wieviel Personal in dieser Abteilung arbeiten soll, welcher Sachaufwand für diese Abteilung erforderlich ist usw. Sie können den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht recht zumuten, daß sie ohne nähere Prüfung einem Betrag von 200 000 DM global zustimmen, der noch nicht einmal in einem besonderen Titel erscheinen soll. Vielmehr sollen nur global 200 000 DM über die eben genannte Erhöhung der Zuschüsse von 4,7 auf 6,2 Millionen DM hinaus gewährt werden, ohne daß geprüft worden ist — und darauf hat mein Herr Vorredner ja auch aufmerksam gemacht —, was denn die verschiedenen beteiligten Bundesressorts zu diesem Ausbau, zu dieser neuen Abteilung, die Sie wünschen, sagen. Ich könnte mir vorstellen, daß auch noch andere Wünsche, nicht nur der Ihre bezüglich einer Sozialhygienischen Abteilung, vorliegen. Ich könnte mir vorstellen, daß die Regierung ein organisches Wachstum und eine organische Entwicklung des Bundesgesundheitsamts in Koblenz der Gründung einer neuen Abteilung aus dem Stegreif vorziehen würde. Ich muß gestehen, ich würde ein bedächtiges, sorgfältiges und ruhiges Vorgehen der Bundesregierung mehr schätzen, als wenn wir übereilt einen Antrag dieser Art annehmen, eine Abteilung einzurichten, die doch noch einer genauen Nachprüfung bedarf, auch einer Nachprüfung auf ihre Notwendigkeit, auch einer Nachfung, ob etwa andere Abteilungen dringlicher wären, auch einer Nachprüfung in bezug auf ihren Personal- und Sachaufwand.
Ich will und kann zu der Sache selbst nichts sagen — das können die Ärzte besser, als ich es zu tun vermöchte —, ich möchte Sie aber, da die Sache nicht reif ist zur Entscheidung, bitten, den Antrag für das nächste Etatsjahr zu stellen. Für dieses Jahr werden meine Freunde und ich diesen Antrag als nicht etatreif ablehnen.
Frau Abgeordnete Dr. Hubert, wollen Sie noch sprechen? — Sie haben sich nicht gemeldet. — Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, damit sind sämtliche Änderungsanträge zu dem Einzelplan 06 eingebracht, begründet und diskutiert.
Herr Abgeordneter Dr. Vogel, wollen Sie jetzt zu dem Antrag Umdruck 663*) das Wort nehmen?
*) Siehe Anlage 9.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache das Hohe Haus auf den Änderungsantrag Umdruck 663 aufmerksam:
Der Bundestag wolle beschließen,
in Kap. 1401 — Bundesministerium für Verteidigung —
1. einen neuen Titel einzufügen:
Tit. 301 Wissenschaftliche Forschung aus Verteidigungsmitteln 50 000 000 DM Davon werden mindestens 7 000 000 DM zur Verfügung der Max-PlanckGesellschaft gestellt.
Die Mittel sind übertragbar.
An der Sache und an der Zielsetzung dieser Mittel ändert sich also nichts; es handelt sich lediglich um eine haushaltsrechtliche Übertragung in das Kap. 1401.
Meine Damen und Herren, damit kämen wir zu den Abstimmungen. Ich mache Ihnen den Vorschlag, Ihre Papiere wie folgt zu ordnen.
— Herr Professor Gülich, wollen Sie zur Ordnung der Papiere einen Vorschlag machen?
— Nicht? Dann lassen Sie mich jetzt einen Augenblick diesen Vorschlag an das Haus machen, damit wir uns nachher damit nicht Schwierigkeiten machen. — Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen also vor jetzt zunächst einmal den Umdruck 636 — Änderungsantrag der Fraktion der SPD — vorzunehmen. Davon sind die Seiten 1 und 2 erledigt; die können Sie abtrennen. Dann haben wir noch die Seiten 3 und 4. Das wäre also das erste Blatt.
Der Antrag, über den wir dann abstimmen würden und der damit zusammenhängt, ist der Umdruck 672, den ich als Blatt 2 anzuschließen empfehlen würde. Als Blatt 3 käme der Umdruck 627, als Blatt 4 der Umdruck 666.
— Aber, meine Damen und Herren, ich repetiere ja gern. Wo sind wir stehengeblieben? — Bei 627. 627 ist Blatt 3. Dann kommt der Umdruck 666, wird Blatt 4. Dann kommt der Umdruck 676, wird Blatt 5. Dann kommt der Umdruck 677, wird Blatt 6. Dann kommt der Umdruck 678, wird Blatt 7. Dann kommt der Umdruck 681, wird Blatt 8. Und das ist alles.
So, und jetzt Herr Kollege Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Bedauern davon Kenntnis genommen, daß der Antrag Umdruck 663*) zurückgezogen und durch einen neuen ersetzt worden ist. Jetzt ist die Situation also wirklich da.
Wir haben ja schon oft erlebt, daß die Minister an einem Strange ziehen, — wenn auch meist an verschiedenen Enden des Stranges.
*) Siehe Anlage 9.
Dasselbe haben wir nun heute auch in der CDU-Fraktion erlebt.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich einmal folgendes zu überlegen. Jetzt soll also im Haushalt des Verteidigungsministeriums ein neuer Titel eingeführt werden: Wissenschaftliche Forschung aus Verteidigungsmitteln, 50 Millionen DM, und der Ansatz bei Kap. 14 01 ist um 50 Millionen zu verringern. Das sagt nichts! Das Verteidigungsministerium forscht ja auch ohnehin. Es hat ja, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, 134 Millionen DM für das kommende Jahr für Forschungsaufgaben vorgesehen, darunter 50 Millionen DM für Luftwaffenforschung. Ich habe den Eindruck, wenn ich solche Zahlen höre, daß die Herren jedes Gefühl für Maß und Wert verloren haben.
Wie kann man denn nun überhaupt sagen, man wolle für die Forschung so, wie wir es uns vorgenommen hatten — einen Forschungsfonds bilden —, nun aus Mitteln des Verteidigungsministeriums bezahlen? Wie wird geforscht, was wird geforscht? Das Verteidigungsministerium wird doch diesen Titel bewirtschaften und wird die Forschung betreiben, die es für die Zwecke der Verteidigung für erforderlich hält. Das ist reine Zweckforschung und nicht gerade das, was wir benötigen: Grundlagenforschung und auch die Förderung der Geisteswissenschaften. Wenn Herr Kollege Vogel eben mit dem Kopf schüttelt, dann mag seine Absicht gut und rein sein, aber verwirklichen kann er seine Absicht nicht!
Bedenken Sie ein Weiteres! Was entsteht denn für eine Situation für die Hochschulen und die Forschungsinstitute, wenn sie nunmehr Mittel aus dem Verteidigungsfonds entgegennehmen sollen? Ich habe schon Bedenken, daß man aus diesem Fonds sieben Millionen DM der Max-Planck-Gesellschaft zur Verfügung stellen will. Ich freue mich über alles, was die Max-Planck-Gesellschaft bekommt, und wenn es so geschehen soll, dann müssen wir uns klar darüber sein: ohne Aufträge, ohne Bindung! Denn wenn die Unabhängigkeit der Forschung nicht gesichert ist, dann hört die wahre Forschung auf, dann schwindet das Ansehen der deutschen Kulturnation. Deshalb müssen wir uns darüber klar sein: wenn, dann ohne Auflagen!
Schön, aber nun das übrige! Wollen Sie denn der Deutschen Forschungsgemeinschaft etwa zur Bildung des Fonds, den wir uns vorgenommen haben, aus den Mitteln des Verteidigungsministeriums — und angesichts der Bewirtschaftung durch das Verteidigungsministerium — Geld übertragen? Das ist doch einfach nicht zumutbar, weil es die Unabhängigkeit der Forschung gefährdet.
Ich möchte deshalb, nachdem Sie Ihren Antrag zurückgezogen haben und unser Antrag dann ja nach den heutigen Erfahrungen keine Aussicht auf Annahme hat, folgendes beantragen:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Bundesregierung zu beauftragen, in den Haushaltsplanentwurf 1957 50 Millionen DM Zuschuß für die Deutsche Forschungsgemeinschaft einzusetzen.
Wenn es eben jetzt nicht mehr zu machen ist, dann müssen wir die Bundesregierung binden, in den Entwurf für 1957 diese Summe einzusetzen. Wenn wir diesen Beschluß des Bundestages heute hätten, dann könnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft
mit ihrer langfristigen Planung beginnen. Wenn
Sie das andere also nicht wollen, meine Damen und
Herren, dann sagen Sie zu diesem Ersatzantrag ja!
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Vogel!
Herr Professor Gülich, soll ich Ihren Antrag als einen Entschließungsantrag verstehen? Wir würden dann in der dritten Lesung darüber abstimmen.
Herr Präsident, ich hatte mir das im Augenblick nicht überlegt. Aber es wird geschäftsordnungsmäßig wahrscheinlich richtig sein, einen Entschließungsantrag einzubringen. Ich werde diesen Entschließungsantrag dann schriftlich einreichen.
Den wollen Sie formulieren und in der dritten Lesung vorlegen, gut!
Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir fördern das gemeinsame Ziel nicht, Herr Professor Gülich, wenn wir bewußt von vornherein einer Sache eine Wendung unterstellen, die sie nicht haben soll.
— Nein, das unterstellen S i e dieser Angelegenheit. Ich möchte mit allem Nachdruck sagen — Sie waren selbst Zeuge der Verhandlung im Haushaltsausschuß —, daß ich damals versucht habe, durch Herbeiführung einer friedlichen Übereinstimmung und eine Koordination der beteiligten drei Ministerien das gleiche Ziel schon damals zu erreichen. Daß es mir nicht gelang, ist nicht meine Schuld. Daß wir es jetzt haushaltsmäßig durch diesen Antrag in Ordnung bringen, ist, glaube ich fest, ein Fortschritt. Ich möchte ausdrücklich noch einmal erklären, daß von einer Zweck- oder Auftragsforschung oder gar von einer Auflagenforschung keine Rede sein kann. Ich habe das vorhin deutlich gemacht. Schon der Hinweis darauf, daß allein 7 Millionen zur freien Verfügung der Max-Planck-Gesellschaft gestellt werden, widerlegt schlagend das, was Sie soeben unterstellt haben. Ich bitte infolgedessen das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen. Ihr Antrag geht in eine bewußt andere Richtung. Wir wollen es hier jetzt ganz offen aussprechen, Sie wissen es genau so gut wie wir: Sie haben Ihre Anträge gestellt, um erstens zu erreichen, daß ein Bundeskultusministerium geschaffen wird, und zweitens wollen Sie die im Bundesverteidigungsministerium ausgeworfenen Beträge für die deutsche Verteidigung um jeden Preis verringern. Das aber werden wir nicht mitmachen.
Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann, wollen Sie nicht von hier aus sprechen?
Herr Kollege Vogel, wenn dem so ist, so würde es doch vielleicht angebracht sein, daß Sie uns hier erklären, wozu dieses ganze Manöver erfolgt, dieses Geld im Verteidigungshaushalt zu belassen, und warum Sie sich nicht mit der Regelung einverstanden erklären, die Sie vorhin vorgeschlagen haben.
Herr Abgeordneter Vogel will das Wort dazu nicht nehmen.
Im Augenblick handelt es sich also darum, meine Damen und Herren, daß der Umdruck 663 zur Folge hat, daß der frühere Umdruck 663*) zurückgezogen wird. Über den neuen Umdruck wird ohnehin jetzt nicht abgestimmt, da er ja erst bei Einzelplan 14 behandelt wird.
Nun stehen wir vor folgender Situation. Wir können jetzt über diese Änderungsanträge der Reihe nach abstimmen und dann zum Schluß, bevor wir in die Schlußabstimmung über den gesamten Einzelplan gehen, in die allgemeine Aussprache eintreten. Wir können aber auch jetzt noch, bevor wir über die Änderungsanträge abstimmen, die allgemeine Aussprache machen und unmittelbar hinter der Abstimmung über die Änderungsanträge die Abstimmung über den Einzelplan im ganzen vornehmen.
— Zunächst also über die Änderungsanträge abstimmen. Schön, dann kommt etwas Papier vom Tisch.
Wir treten also in die Abstimmung über die Änderungsanträge ein. Ich rufe zunächst den Antrag Umdruck 636**) Seite 3 Ziffer 7 auf. Wer diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 8 auf Seite 3 des Umdrucks 636. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe die Ziffer 9 des Umdrucks 636 auf und bitte, darauf zu achten, daß sie, weil identisch, mit der Ziffer 1 des Umdrucks 672***) verbunden wird. Es handelt sich um die Planstellen des Bundespaßkontrolldienstes, um gleichlautende Anträge der Fraktion der SPD und des Abgeordneten Dr. Bergmeyer. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
Eine Sekunde, meine Damen und Herren! Ich muß wiederholen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —
Das letztere ist die Mehrheit. Die Anträge auf Umdruck 636 Ziffer 9 und auf Umdruck 672 Ziffer 1 sind abgelehnt.
Ich rufe Ziffer 10 des Umdrucks 636 auf. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag Ziffer 10 ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 12.
Ich rufe Ziffer 11 des Umdrucks 636 betreffend Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Ziffer 12 des Umdrucks 636 auf. Wer diesem Ändrungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind die Anträge auf Umdruck 636 erledigt.
Der Antrag Umdruck 672 ist in Ziffer 1 erledigt. Ich darf anheimgeben, daß sich der Antragsteller Dr. Bergmeyer und auch die antragstellende Fraktion bei dem Einzelplan 08 entschließen, ob sie die Ziffer 2 zurückziehen wollen; denn selbstverständlich hängt die Ziffer 2 von der Annahme der Ziffer 1 ab.
— Es bleibt aufrechterhalten. Aber wir kommen dann überein, daß darüber verhandelt und abgestimmt wird bei dem Einzelplan 08.
Jetzt kommt der Umdruck 627*), Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Dr. Schranz und Genossen. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 627 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, das ist ein schwieriges Bild. Ich glaube, ich muß Ihnen zumuten, sich zu erheben. Wir wollen die Abstimmung wiederholen. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 627 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Umdruck 666 **), Änderungsantrag der Abgeordneten Muckermann, Kahn-Ackermann. Frau Friese-Korn und Genossen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich rufe auf den Umdruck 676***), Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Hier darf ich bitten, zu ergänzen, daß der Herr Abgeordnete Professor Gülich mündlich noch beantragt hat, einen Sperrvermerk anzufügen. Ich stelle also den Antrag mit dieser Erweiterung, dem Sperrvermerk, zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 676 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Umdruck 677****). Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Schlick. Ritzel und Genossen. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 677 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 678***** betreffend Bundesgesundheitsamt in Koblenz. Wer diesem Antrag
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 11. ***) Siehe Anlage 14. ****) Siehe Anlage 15. *****) Siehe Anlage 16. zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Bazille auf Umdruck 681******). Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge zu dem Einzelplan 06 erledigt.
— Das ist ein Antrag, den Sie mündlich eingebracht haben. Darüber stimmen wir auch noch ab. Wer der Streichung des Sperrvermerks bei dem Tit. 631 zustimen will — Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Professor Gülich —, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist angenommen.
Nun, meine Damen und Herren, sind sämtliche Änderungsanträge zu dem Einzelplan 06 erledigt.
Bevor ich zur Schlußabstimmung über den Einzelplan 06 im ganzen komme, frage ich, ob noch das Wort zum Einzelplan 06 gewünscht wild — Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Sie haben einen besonders freundlichen Auftritt, Herr Abgeordneter!
Ja, die Folianten, die ich hier mitgebracht habe, haben diese Heiterkeit erregt, obwohl uns gar nicht so heiter zumute ist. Nach der Art, wie heute hier abgestimmt worden ist, kann man nur traurig sein. Das ist keine gute Sache gewesen.
— Sie hätten einmal in die Reihen Ihrer Kollegen sehen sollen, was die von den Drucksachen gesehen haben, über die hier abgestimmt worden ist.
— Regen Sie sich doch nicht auf!
— Das ist doch gar kein Grund zur Aufregung.
— Wollen wir mal in Ruhe abwarten!
******) Siehe Anlage 18.
Meine Damen und Herren, der Lärm ist so groß, daß niemand hier oben überhaupt mehr hören kann. Deshalb kann der Präsident auch gar nicht entscheidend zu dem Stellung nehmen, was sich ereignet hat. Ich habe überhaupt nicht gehört und verstanden, was hier gesagt wurde und Ihren Protest hervorgerufen hat.
— Ich würde doch bitten, sich wenigstens so weit zu beruhigen, daß wir hier oben noch einigermaßen der Verhandlung folgen können.
Entschuldigen Sie, Herr Dresbach, Sie belieben aber manchmal auch als Präceptor aufzutreten!
Lassen Sie uns zur Sache kommen. Der Bundestagspräsident kann keine Ordnungsrufe erteilen, wenn er keine Beleidigungen hört.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, nicht zu erschrecken, daß ich hier die großen Bücher mitgebracht habe. Aber der Herr Staatssekretär Ritter von Lex hat heute morgen — —
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, sich zu beruhigen und wenigstens so lange hier im Saal zu bleiben, bis das Protokoll vorliegt.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Dann können die Herren nachher wahrscheinlich besser abstimmen.
— Herr Präsident, darf ich fortfahren?
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren, der Herr Staatssekretär Ritter von Lex hat sich heute morgen bei unserem Antrag über die Kontrolle des Verfassungsschutzes auf die Verhältnisse in der Weimarer Republik und auf die derzeitigen in den deutschen Bundesländern hezogen. Wir haben uns die Mühe gemacht, einmal das, was der Herr Staatssekretär hier vorgetragen hat. zu überprüfen. Herr Staatssekretär, ich glaube, Ihnen ist hier ein Irrtum unterlaufen. Früher. in der Weimarer Republik. gab es ia kein Verfassungsschutzamt. Aber es gab den sogenannten Reichskommissar für die Überwaehung der öffentlichen Ordnung. Dieser hatte auch Mittel für den Nachrichtendienst. und zwar damals in Höhe von 240 000 Mark. Unter den Erläuterungen zu diesen Mitteln ist nichts Besonderes über die Kontrolle angeführt. Es gab aber in dem Haushaltsplan der früheren Reichsregierung eine Reihe anderer Titel, in denen ausdrücklich eine Mittelüberwachung vorgesehen war.
So habe ich hier z. B. Unterlagen über die Mittel, die zur Verfügung des Reichskanzlers für unvorhergesehene Ausgaben vorgesehen waren. Dort heißt es ausdrücklich, daß die Kontrolle der Jahresrechnung dieser Mittel der alleinigen Prüfung des Reichsschuldenausschusses unterliegt, welcher auch die Entlastung erteilt und der — nun kommt das Entscheidende, Herr Staatssekretär; ich darf mich hier auf das Handbuch des deutschen Staatsrechts über die Zusammensetzung des Reichsschuldenausschusses beziehen — je zur Hälfte aus Mitgliedern des Reichstages und des Reichsrates zusammengesetzt war. Damit war also bei der Überprüfung durchaus eine parlamentarische Kontrolle gesichert. Ich glaube, daß daher unser Vorschlag, den ja auch der Herr Bundeskanzler für seinen Geschäftsbereich gestern akzeptiert hat, durchaus tragbar ist.
Was die Verhältnisse in den anderen Bundesländern betrifft, so darf ich darauf hinweisen: in dem Etat von Berlin ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Ausgaben für den Nachrichtenbeschaffungsdienst — es sind hier 450 000 DM — nicht der Prüfung des Rechnungshofes unterliegen. Der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses ist laufend über die aus dieser Haushaltsstelle geleisteten Zahlungen zu unterrichten. Ich möchte Sie bitten, wenn wir diesen Antrag gegebenenfalls bei der dritten Lesung wiederholen, doch noch einmal unsere Argumente zu prüfen. Vielleicht wird sich auch die Regierung bereit finden, uns hier entgegenzukommen.
Nun zu einer anderen kleinen Sache. Wir haben heute im Bulletin die Nachricht über die Aufhebung der Zuschußsperre gelesen. Soweit der erste Teil der Nachricht sachlich einen Bericht darstellt, ist gar nichts dagegen zu sagen. Sehr unangenehm berührt, Herr Minister, hat uns dagegen der Nachtusch. Man wird hier unwillkürlich an das Wörterbuch für den Umgang mit Königen von Voltaire erinnert. Und wenn der Alt-Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier jetzt die Muße fände, dann würde ich ihm vielleicht empfehlen, für den Herrn Minister eine entsprechende Schrift zu schreiben.
Es sind nun noch eine Reihe anderer Fragen, über die wir uns im Zusammenhang mit Einzelplan 06 unterhalten müssen. Da ist zunächst die Frage der Zusammenarbeit mit fremden Nachrichtendiensten. Die FDP-Fraktion hat hierzu eine Anfrage eingebracht. Wir haben in Kürze die Möglichkeit, über diesen Fragenkomplex zu sprechen, weshalb ich mich hier darüber nicht weiter äußern möchte. Wir müssen uns aber mit gewissen Vorkommnissen beschäftigen, die darauf hindeuten, daß auch im Bundesgebiet gewisse Stellen tätig werden, deren Wirken alles andere als erfreulich ist. Ich darf hier nur ein Stichwort sagen, nämlich „Stuttgart".
Meine Damen und Herren, es ist notwendig, auch noch eine andere Frage anzuschneiden, die außerordentlich unangenehm ist, der wir uns aber annehmen müssen. Das ist die Frage des Verhält-
Herr Abgeordneter Rasner, ob ein Ordnungsruf fällig ist oder nicht
hinsichtlich der benutzten Worte, kann ich erst entscheiden, wenn mir das Protokoll vorliegt, da es mir vorhin nicht möglich war, den Grund zu verstehen, der hier in der Mitte des Hauses zum Protest geführt hat. Ich werde aber veranlassen, daß mir das Protokoll so schnell als möglich vorgelegt wird, und dann werde ich meinerseits auf diese Sache zurückkommen. Ich darf bitten, darüber jetzt in keine weitere geschäftsordnungsmäßige Diskussion einzutreten, sondern in der Beratung fortzufahren.
Wird weiter das Wort zur allgemeinen Aussprache zum Einzelplan 06 gewünscht? Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann wird diese Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 im ganzen mit den in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen. Wer dem Einzelplan 06 mit den angenommenen Änderungen im ganzen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Einzelplan 06 ist mit den Änderungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 07, Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz .
Auf den mündlichen Bericht wird nicht verzichtet. Als Berichterstatterin hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert das Wort.
Frau Dr. Hubert , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, ich muß mit einigen Worten doch auf Einzelplan 07 eingehen, da der Mündliche Bericht sich nur auf die Änderungen bezieht, die der Haushaltsausschuß vorgenommen hat. Zunächst ein Wort zu Tit. 101, Planstellen. Hier war vom Kabinett eine Erhöhung der Zahl der Planstellen auf 128 gewünscht, weil das Justizministerium den Wunsch hatte, die Planstellen für Beamte zu erhöhen, da es ihm nicht möglich erscheint, die genügende Anzahl qualifizierter Kräfte durch beamtete Hilfskräfte zu erhalten. Der Haushaltsausschuß hat drei von den gewünschten Stellen gestrichen, und wir haben nun eine Erhöhung auf 125 Planstellen.
Ferner sind hier einige höhere Posten neu, zum Beispiel Tit. 308, 150 000 DM zur Vorbereitung der großen Strafrechtsreform; ebenfalls ist neu eine kleinere Summe von 20 000 DM in Tit. 310 zur Vorbereitung der großen Justizreform.
Es ist sehr schwer, gegen den Lärm anzusprechen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte um die Kollegialität gegenüber Frau Abgeordneten Dr. Hubert, eine solch gedämpfte Unterhaltung zu führen, daß die Stimme der Berichterstatterin vernehmbar ist und nicht im Stimmengewirr der einzelnen Redner untergeht.
Ebenfalls neu ist Tit. 951, 220 000 DM für Kosten des Gemischten Beratenden Gnadenausschusses, der notwendig ist auf Grund des Art. 7 Abs. 5 des ersten Teils des Vertrags zur Regelung der aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen. Ein weiterer höherer Posten ist unter Tit. 953 ausgewiesen für rückständige Beiträge an internationale Organisationen des Rechtswesens, nämlich 768 000 DM. Im übrigen kann ich auf die Zusammenstellung des Mündlichen Berichtes hinweisen.
Beim Bundesgerichtshof ergibt sich bei Tit. 101 eine Erhöhung der Planstellen von 247 auf 253 infolge eines neuen Zivilsenats und der Zunahme der Geschäfte beim Oberbundesanwalt. In Tit. 710 ist eine Summe von 2,5 Millionen DM neu eingesetzt für den Erweiterungsbau des Dienstgebäudes des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe.
Auch beim Patentamt ist in Tit. 101 eine Vermehrung der Planstellen auf 813 festzustellen. Damit ist ein Kompromiß geschlossen zwischen den Wünschen des Patentamts und den Vorschlägen im Gutachten des Bundesrechnungshofs. Diese Lösung dürfte zur allgemeinen Zufriedenheit erfolgt sein. Vor allem ist ein neuer Beschwerdesenat eingesetzt worden, und eine Reihe technischer Mitarbeiter für die Patentabteilungen sind neu. Im übrigen kann ich wieder auf die Vorlage des Mündlichen Berichts verweisen. Wir haben jetzt das Oberste Rückerstattungsgericht, das nach Art. 6 des Vertrages zur Regelung der aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen geschaffen ist, in den einzelnen Posten neu ausgewiesen. Das geht aber aus dem Mündlichen Bericht hervor.
Beim Patentamt ist noch in Tit. 710 — das muß ich noch nachtragen — der dritte Teilbetrag für den Neubau in München mit einer Summe von 10 550 000 DM eingesetzt.
Das sind die Posten, über die ich Sie noch über den Mündlichen Bericht hinaus hier glaubte orientieren zu müssen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die Aussprache zum Einzelplan 07, Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ungunst dieser Etatdebatte — wobei ich hoffe, daß das Wort „Ungunst" eine Art Spitzenleistung an Selbstmitleid wegen unserer parlamentarischen Bräuche darstellt — ermöglicht es leider nicht, im Rahmen einer Beratung des Justizhaushalts der Lage unseres Justizwesens die Erörterung zu widmen, die notwendig und an der Zeit wäre. Ich muß mich deshalb darauf beschränken, in Kürze darzulegen, warum meine Fraktion aus politischen Gründen diesen Einzelplan ablehnen wird.
Unbeschadet meiner privaten Hochschätzung für Ihre Person, Herr Bundesminister der Justiz — aber ich sehe ihn nicht,
er ist auf dem Weg, es tut mir leid —, ist es meine parlamentarische Verpflichtung, im Namen meiner Fraktion dem Herrn Minister das politische Vertrauen zu versagen. Dazu zwingt uns schon die Tatsache, daß der Herr Bundesminister der Justiz die Mitverantwortung für das im entscheidenden Punkte nicht aus seinem Ministerium stammende Änderungsgesetz zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht übernommen hat, sowie die Art, wie sich der Herr Minister bei Einbringung dieser Vorlage gegenüber der Opposition verhielt und wie er den Entwurf hier im Bundestag vertrat. Der Herr Bundesminister der Justiz hat in dieser Sache wiederholt Zusagen leider nicht gehalten.
Inzwischen hat der Rechtsausschuß des Bundesrats die Einrichtung des Beirats für die Wahl der Bundesverfassungsrichter, um die gestern hier so gestritten wurde, bei drei Enthaltungen mit sieben Stimmen abgelehnt.
Kein einziger Justizminister der Länder hat diesem Vorschlag seine Stimme gegeben.
Bedenkt man, daß der Herr Kollege Dr. Gille gestern festgestellt hat, und zwar unwidersprochen, der Rechtsausschuß des Bundestages habe insoweit auf die Regierungsvorlage noch nicht fünf Minuten verwendet, so dürfte es nicht unbegründet sein, die Frage zu stellen, ob ein Bundesminister der Justiz nicht eine andere Haltung hätte einnehmen
müssen. Aber es gibt nur vereinzelt einen Gustav Heinemann und einen Viktor Renner.
Es bedarf auch der Kritik, daß der Herr Bundesminister der Justiz bei feierlichen Anlässen wie dem Berliner Juristentag große Justizprogramme entwickelt und in der Öffentlichkeit den Anschein erweckt, als könne noch dieser Bundestag eine Fülle grundlegender Justizgesetze verabschieden. Wir haben jetzt erst wieder ein Buch bekommen über ein Gesetz bezüglich der Kostenordnung, während die erdrückende Überlastung gerade des Rechtsausschusses des Bundestages und seine katastrophale Zeitnot bekannt sein sollten, vorausgesetzt allerdings, daß sich der zuständige Bundesminister an den Ausschußarbeiten mehr beteiligen würde.
Es ist auch Einspruch dagegen zu erheben, daß der Herr Bundesminister der Justiz in dieser seiner amtlichen Eigenschaft wiederholt die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe erhoben hat. Als Staatsbürger und als Bundestagsabgeordneter kann Herr Neumayer gewiß seine persönliche Meinung über die Todesstrafe kundtun. Aber der Bundesminister der Justiz — und als solcher hat er gesprochen — hat die mehrfachen Beschlüsse des Bundestages und vor allem die im Grundgesetz getroffene Entscheidung zu beachten.
Die delikaten Beziehungen zwischen so strukturverschiedenen Staatsorganen wie dem Bundesministerium der Justiz und den oberen Bundesgerichten bedürfen sicherlich einer äußerst behutsamen Hand. Aber es hat sich in den letzten Jahren doch ein Wildwuchs bei den Bundesgerichten gezeigt, beispielsweise durch jenen öffentlichen Angriff der Präsidenten der oberen Bundesgerichte auf das Bundesverfassungsgericht, ein Angriff, der in einem angesehenen Blatt als ein Angriff von „Streithähnen in der roten Robe" charakterisiert wurde — dieser Wildwuchs ließ doch die wachsame Hand des für die Bundesjustiz verantwortlichen Ministers vermissen.
Im Rechtsausschuß des Bundestages haben wir gemeinsam auch die begründete Sorge erlangen müssen, ob das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters mit der unerläßlichen Genauigkeit verwirklicht wird. Daß die Mitglieder des Rechtsausschusses ihre Bedenken dem Herrn Bundesminister der Justiz zur Kenntnis gebracht haben, geschah in der Erfüllung nicht nur unserer verfassungsrechtlichen Befugnisse, sondern unserer unbedingten Pflicht. Es wäre deshalb angemessen gewesen, hätte der Herr Bundesminister der Justiz dort, wo es erforderlich war, in geeigneter Weise darauf aufmerksam gemacht, daß es weder eine Beleidigung der Bundesgerichte noch gar ein Übergriff des Bundestages ist, wenn der Bundestag in Ausübung seiner Kontrollbefugnisse seine verfassungsrechtliche Schuldigkeit erfüllt.
Ja, es wäre über die Lage unseres Gerichtswesens in all seinen Zweigen noch sehr viel zu sagen. Denn wenn auch die Gerichte unabhängig sind und in der Freiheit ihrer Rechtsfindung nach dem Gesetz keiner Aufsicht unterliegen und nicht beeinträchtigt werden dürfen und wenn auch der Herr Bundesminister der Justiz für den größten Teil der Bundes- und Landesgerichte weder zuständig noch verantwortlich ist, so hat der Bundestag eine allgemeine Aufgabe auch als Sprachrohr der öffentlichen Meinung zu erfüllen. Es wäre deshalb nach der Überzeugung meiner Fraktion eine grundsätzliche Justizdebatte fällig, ja überfällig, nicht um uns in einzelnen Streitigkeiten eine Stellungnahme zur Richtigkeit oder Irrigkeit der Entscheidungen und ihres Ergebnisses anzumaßen — das dürfte in der Regel weder zulässig noch überhaupt möglich sein —, wohl aber um uns als Parlament mit geistigen Strukturen, mit allgemeinen Gedanken, mit Geschichts- und Rechtsvorstellungen verantwortlich auseinanderzusetzen, die unabhängig vom Einzelfall aus den Erwägungen der Urteilsgründe sichtbar werden. Dabei geht es nicht um die Rechtschaffenheit und den Pflichteifer der Richter, insbesondere nicht allein um die rechtskundigen Richter kraft Amtes, da ja das geistige Bild des Gerichtswesens stark von den Laienbeisitzern der verschiedensten Art mitbestimmt wird, sondern um eine Art Selbstbesinnung, wie es um unsere Rechtskultur bestellt ist, eine Selbstbesinnung, für die wir repräsentantiv für das Volksganze verantwortlich sind.
Leider gebricht es uns dafür jetzt an der Zeit, so daß ich heute nur das Verlangen meiner Fraktion ankündigen kann, bei nächster Gelegenheit in eine Justizdebatte einzutreten.
Ich darf aber noch einige Hauptthemen nennen, die dringend der Erörterung harren. Die Reihenfolge, in der ich die Themen aufführe, besagt nichts über ihre Rangfolge oder Vollständigkeit. Da ist die Frage einer übermäßigen Dauer der Untersuchungshaft beim Bundesgerichtshof, soweit er in erster und letzter Instanz entscheidet, die Frage der Verfahrensdauer bei allen Gerichtszweigen und in sämtlichen Instanzen, die Frage eines gefährlichen Wildwuchses ungeschriebener Verfahrensregeln durch Geheimanklagen, durch Ausschluß eines Rechtsanwalts von der Verteidigung aus Gründen, die im Gesetz nicht auffindbar sind, durch Ablehnung von Beweisanträgen als verfahrensfremd. Erörterungsbedürftig ist nicht nur das in mancherlei Gerichtsurteilen zutage kommende Geschichtsbild, insbesondere die nachträgliche Anerkennung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ihrer angeblichen Rechtswirksamkeit, sondern auch die Problematik der politischen Justiz und darüber hinaus die Erscheinung, die Neuerscheinung einer politisierenden Justiz.
Als Beispiel einer politisierenden Justiz darf ich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar dieses Jahres — es ging um die Ausstellung eines Reisepasses — den einen Satz zitieren, der die Erwägung des Landesverwaltungs-
und des Oberverwaltungsgerichts wiedergibt. Der Satz, meine Damen und Herren, lautet so:
Das Landesverwaltungsgericht wies die Klage ab und führte in den Urteilsgründen eingehend aus, der Kläger habe selbständig Außenpolitik betrieben und damit die Handlungsfreiheit der nach dem Grundgesetz hierfür zuständigen Organe der Bundesrepublik gestört.
Ich glaube, man braucht dem nichts hinzuzufügen.
Zuletzt geben einige Urteile zu Befürchtungen Anlaß, die sich mit der Vergangenheit vor 1945 rechtlich auseinanderzusetzen haben. Man muß sich bei manchen dieser Urteile erschrocken fragen, wie viele Juden einer zu Tode gefoltert haben muß, um nach Ansicht mancher Richter, Geschwo-
renen oder Schöffen sich überhaupt des Unrechts seiner Tat bewußt geworden zu sein oder eine Strafe von nur wenigen Jahren Haft verdient zu haben.
Ich glaube, das bedarf hier an dieser Stelle einmal einer grundsätzlichen Erörterung, wozu aber bei dieser Etatdebatte eigentümlicher Art leider kein Raum ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen, Herr Kollege Arndt: Sie haben angeregt, daß wir uns einmal in einer Justizdebatte über eine Reihe von Fragen aussprechen. Ich bin dazu selbstverständlich gern bereit und bin auch bereit, die entsprechenden Auskünfte zu geben.
Nun haben Sie davon gesprochen, daß ich die Mitverantwortung für den Vorschlag betreffend das Bundesverfassungsgericht trüge. Meine Damen und Herren, ich habe gestern nicht den mindesten Zweifel darüber gelassen, daß ich diese Verantwortung bewußt auf mich nehme.
Dann ist gesagt worden, ich hätte mich für die Todesstrafe eingesetzt. Herr Kollege Arndt, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist in dieser Form nicht ganz richtig. Ich habe mich wohl seinerzeit als Bundestagsabgeordneter einmal für die Todesstrafe ausgesprochen. Ich habe auch in wiederholten Reden als Bundesminister der Justiz erklärt, daß ich persönlich — dies habe ich immer ausdrücklich betont — der Auffassung sei, daß man die Todesstrafe auf die Dauer nicht werde entbehren können. Ich habe aber auch immer hinzugefügt, daß es selbstverständlich Sache des Bundestages sei, darüber zu entscheiden, und daß ich der Auffassung sei, daß man zunächst noch die Auswirkungen der Abschaffung der Todesstrafe abwarten müsse. Ich habe insbesondere darauf hingewiesen, daß die Große Strafrechtskommission sich mit dieser Frage noch nicht befaßt habe, daß wir die Frage aber selbstverständlich auch in der Großen Strafrechtskommission erörtern würden, um dann dem Bundestag zu seiner Beschlußfassung auch das Urteil der Großen Strafrechtskommission unterbreiten zu können. Ich habe also nicht als Justizminister gesagt, daß ich unter allen Umständen die Todesstrafe einführen wolle — so ist das nicht gewesen —, sondern ich habe — um das noch einmal zu sagen — immer darauf hingewiesen, daß zunächst die Wirkungen der Abschaffung der Todesstrafe durch Statistiken usw. erfaßt und abgewartet werden müßten und daß im übrigen auch die Zeit, die seit dem Jahre 1949 verflossen sei, noch zu kurz sei, um sich ein genaues und zuverlässiges Bild darüber verschaffen zu können.
Ich glaube, es genügt, wenn ich im Augenblick diese wenigen Ausführungen mache, nachdem Herr Kollege Arndt das Übrige nur angedeutet und eine ausführliche Debatte angeregt hat. Dazu stehe ich Ihnen, wie gesagt, gern zur Verfügung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, in der Frage der Todesstrafe vermag ich Ihnen leider nicht zu folgen. Ich glaube, Sie waren noch nicht im Raum, als ich darüber Ausführungen machte. Selbstverständlich haben Sie als Bundestagsabgeordneter und wie jeder andere Staatsbürger auch das Recht, Ihre persönliche Auffassung zur Frage der Todesstrafe laut und öffentlich zu verkünden. Aber es geht z. B. um folgenden Vorfall: daß Sie aus Anlaß des Deutschen Juristentages in Berlin in Ihrer amtlichen Eigenschaft als Bundesminister der Justiz in Berlin anwesend waren und daß Sie zur Eröffnung des Juristentages eine Pressekonferenz als Bundesminister der Justiz abhielten und in dieser Pressekonferenz keinen Zweifel daran ließen, daß Sie die Todesstrafe forderten. Es ist in allen Zeitungen so erschienen: Bundesjustizminister Neumayer fordert Todesstrafe. Es ist aber unter den obwaltenden Verhältnissen angesichts der Beschlüsse des 1. und 2. Bundestages und angesichts der Entscheidung im Grundgesetz nicht möglich, daß ein Bundesjustizminister in amtlicher Eigenschaft solche Erklärungen abgibt. Dabei bleibe ich.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndt, ich vermag Ihnen darin nicht zu folgen, daß ich als Bundesminister der Justiz nicht das Recht haben soll, meine Meinung zu dieser Frage auszusprechen.
Ich habe doch bei dieser Gelegenheit immer — das weiß auch jeder — erklärt, daß selbstverständlich im Augenblick die Verfassung zu respektieren ist und daß nur mit einer Verfassungsänderung die Todesstrafe eingeführt werden kann. Das ist doch absolut selbstverständlich.
Wenn ich von Journalisten bei einer Pressekonferenz gefragt werde, wie ich persönlich dazu stehe. dann kann ich doch sagen: ich persönlich bin ein Anhänger der Todesstrafe und glaube, man wird sie nicht entbehren können. Ich habe aber immer diese einschränkende Bemerkung dazu gemacht, die ich vorhin hier angegeben habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Herr Minister, ich muß Ihnen eins vorhalten: Sie haben vorhin erklärt. Sie hätten gesagt, Sie persönlich seien für die Todesstrafe, aber Sie wollten die Ergebnisse einmal abwarten, man könne in dieser kurzen Zeit seit 1949 die Dinge nicht endgültig und abschließend beurteilen, man müsse eine Statistik haben. Das wären sehr vernünftige Ausführungen und vernünftige
Gedanken gewesen bezüglich des Abwartens und des Erproben einer neu eingeführten Maßnahme. Wenn Sie aber abwarten und korrekt prüfen wollen, wie sich die Dinge ausgewirkt haben, dann können Sie doch nicht von vornherein sagen, Sie seien für die Todesstrafe, aber Sie wollten abwarten.
Das ist doch ein Widerspruch. Dann können Sie doch nur sagen: in der Verfassung ist die Todesstrafe abgeschafft.
— Meine Herren, ich weiß nicht, wie Sie es mit der Logik haben.
Aber das ist eine Sache für sich. Die logische Seite scheint bei Ihnen nicht stark entwickelt zu sein; sonst könnten Sie diese Schlußfolgerung nicht bestreiten. Wenn Sie, Herr Bundesminister, jetzt schon sagen, Sie seien für die Todesstrafe, sie werde unvermeidlich sein, dann ist es doch ein Widerspruch, wenn Sie sagen, Sie wollten aber die Ergebnisse der Statistik abwarten, die Zeit, um es zu erproben, sei zu kurz gewesen. Sie hätten dann nur den letzten Teil sagen müssen, das hätte Sinn gehabt.
Auf jeden Fall, Herr Kollege Neumayer, ist es ein Unterschied, ob Sie als Minister bei einer amtlichen Gelegenheit sprechen oder ob Sie als Bundestagsabgeordneter sprechen. Als Minister müssen Sie erst recht das Grundgesetz achten und die dort abgeschaffte Todesstrafe als solche behandeln,
und wenn Sie gefragt werden, wie Sie dazu stehen, dann können Sie erklären — und das ist durchaus in Ordnung —: Wie ich dazu stehe? — das Grundgesetz hat die Frage geregelt.
Nur ganz kurz, meine Damen und Herren; ich möchte Sie damit nicht länger aufhalten. Gerade als Minister der Justiz trage ich an dieser Verantwortung sehr schwer, und deswegen habe ich, ich glaube, ich kann sagen, überall, wo ich gesprochen habe, diese einschränkenden Bemerkungen gemacht, daß ich mich gerade als Bundesminister der Justiz, der an sich für die Todesstrafe sei, verpflichtet fühle, zunächst noch einmal abzuwarten, wie die Auswirkungen der Bestimmung des Grundgesetzes sind, wonach die Todesstrafe abgeschafft ist. Die Statistik für die Zeit, in der die Todesstrafe bestand, ist durchgeführt; es liegen uns aber noch nicht die eingehenden Statistiken vor für die Zeit von der Abschaffung an. Deswegen habe ich immer diese einschränkende Bemerkung gemacht. Wenn sie nicht überall gebracht worden ist, bin ich dafür wohl nicht verantwortlich.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zum Einzelplan 07.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2456 bezüglich des Einzelplans 07 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 08, Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ,
zugleich mit den Änderungsanträgen Umdrucken
672 Ziffer 2 und 639. Wer begründet diese Änderungsanträge? — Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zunächst darauf aufmerksam machen, daß zunächst der Berichterstatter das Wort haben müßte. Ich will nicht die Änderungsanträge begründen.
Sprechen Sie als Berichterstatter?
Ich müßte es!
Bitte sehr! Ich erteile Ihnen als Berichterstatter das Wort.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Da die vergangene Woche die erste parlamentsfreie Woche war, in der der Haushaltsausschuß nicht getagt hat, bin ich infolge beruflicher Überlastung nicht in der Lage gewesen, einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Ich beschränke mich in meinem mündlichen Bericht auf die wesentlichsten Punkte, die im Haushaltsausschuß erörtert worden sind, und lasse im übrigen das ganze Zahlengerippe weg, weil es sich aus der Drucksache 2457, dem „Mündlichen Bericht" des Haushaltsausschusses, ergibt.
Der Haushaltsausschuß hat gegenüber der Regierungsvorlage eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen. Ergebnis seiner Tätigkeit: Erhöhung der Einnahmen um fast 4 Millionen DM, Senkung der Ausgaben um rund 5 Millionen DM.
Der Haushaltsausschuß vertritt den Standpunkt, daß der Aufbau der Bundesbehörden im wesentlichen abgeschlossen ist. Er hat durchgängig nur dann Stellenvermehrungen zugestimmt, wenn neue Aufgaben vorlagen, die nicht durch Rationalisierung der Verwaltung aufgefangen werden können.
Über den Regierungsentwurf hinaus hat der Haushaltsausschuß initiativ eine Planstelle B 4 — Ministerialdirektor — geschaffen; ein an sich ungewöhnlicher Vorgang. Der Haushaltsausschuß wollte damit der Bundesregierung die Möglichkeit geben, eine selbständige Haushaltsabteilung einzurichten. Diese selbständige Haushaltsabteilung erscheint dem Haushaltsausschuß notwendig. Es gab sie in der Weimarer Republik, und auch sonst ist sie in allen Ländern üblich. Die bisherige Stelle B 7 a soll nicht wegfallen, sondern ebenfalls der Haushaltsabteilung zur Verfügung stehen. Wir haben dafür eine Ministerialratsstelle eingespart.
Die kleinen organisatorischen Änderungen übergehe ich.
Bei Kap. 0803 — Bundesfinanzhof München — hat der Haushaltsausschuß sich in diesem Jahre entschlossen — wozu er sich im vorigen Jahre noch nicht bereit finden konnte —, der Einrichtung eines 6. Senats zuzustimmen. Es ist . kein voller Senat, sondern es sind ein Präsident und zwei Richter nötig.
In der Bundesfinanzverwaltung ergibt sich ein Problem, nämlich das der Bundesbetriebsprüfung. Die Bundesregierung will eine Bundesoberbehörde einrichten für die gesamten Aufgaben der Bundesbetriebsprüfung. Sie hat für den Leiter eine A 1 bStelle ausgeworfen. Der Haushaltsausschuß ist einhellig der Meinung, daß das Institut der Bundesbetriebsprüfung erheblich ausgebaut werden muß, und empfiehlt deshalb den weiteren Ausbau. Der Haushaltsausschuß hält die Stellung des Leiters in A 1 b nicht für ausreichend und empfiehlt, mindestens die Stellung eines Finanzpräsidenten einzurichten. Der Berichterstatter hat im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt, den Bundesbetriebsprüfungsdienst im Jahre 1957 in seiner vollen Organisation auszuweisen.
50 neue Stellen für die Zollverwaltung und 8 Stellenhebungen haben wir bewilligt. Es handelt sich um 50 neue Zollwachtmeisterstellen. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dieser Bewilligung schwer getan und hat die Stellen erst bewilligt, nachdem er sich von ihrer Notwendigkeit überzeugt hatte; sie sind zum Zwecke der Güterabfertigung insbesondere in den Seehäfen als Folge der Ausweitung des deutschen Außenhandels erforderlich geworden.
27 Planstellen für die Bundesfinanzverwaltung sind zur Verstärkung von sechs Oberfinanzkassen eingerichtet worden, die als Oberkassen für die Verteidigungsverwaltung tätig sind. Dies ist also in Wirklichkeit eine Sparmaßnahme, weil das Verteidigungsministerium auf diese Weise keine eigenen Oberkassen in den Wehrbereichsverwaltungen einrichtet.
In der Frage der Beihilfen ist der Haushaltsausschuß leider auch in diesem Jahre zu keiner endgültigen Form gekommen. Es war nicht möglich, zu einem Beschluß zu kommen, weil die Bundesregierung nicht in der Lage war, eine übereinstimmende Auffassung dem Haushaltsausschuß vorzutragen. Der Haushaltsausschuß ist der Meinung, daß das Beihilfewesen überholt ist und neu geordnet werden muß, und erwartet für das nächste Jahr von der Bundesregierung Vorschläge.
Ich habe die Ehre, im Namen des Haushaltsausschusses die Annahme des Einzelplanes 08 mit den Änderungen, die sich aus dem Mündlichen Bericht Drucksache 2457 ergeben, zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen nunmehr zur Begründung der Anträge Umdruck 672*) und Umdruck 639'1. Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Ich kann mich sehr kurz fassen, denn die Sache ist vorher bereits einer Vorentscheidung unterworfen worden. Aber der Antrag steht und wird auch Gelegenheit geben, in der dritten Beratung
*) Siehe Anlage 12. **) Siehe Anlage 20.
noch einmal zur Besinnung aufzurufen. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 08 04 — Bundesfinanzverwaltung — werden in Tit. 101 300 neue Planstellen
— mit k.w.-Vermerk —
zur Übernahme des Bundespaßkontrolldienstes in die Zollverwaltung bewilligt.
Überflüssigerweise will ich noch einmal hervorheben, um was es sich handelt. Es handelt sich um die Einsparung von 850 minus 180 Stellen = 670 Stellen auf 300 Stellen mit k.w.-Vermerk und damit im nächsten Jahr auf null Stellen dadurch, daß der Bundespaßkontrolldienst auf den Zoll übergehen soll. Ich empfehle Ihnen auch hier die Annahme dieses Antrags.
Wird weiterhin zur Begründung des Antrags das Wort gewünscht? — Das Wort zur Aussprache über die Anträge?
Dann komme ich zur allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hubertus Prinz zu Löwenstein. — Er hat sich im Moment gemeldet. Wünscht sonst jemand das Wort? — Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß die Möglichkeit besteht, in einigen Ausführungen zu der Doppeleigenschaft des Herrn Bundesfinanzministers — den ich leider nicht im Saale sehe — Stellung zu nehmen, und zwar einmal zu seiner Eigenschaft als Ressortminister und zum andern zu seiner Eigenschaft als Haushaltsminister. Als Ressortminister verwaltet der Herr Bundesfinanzminister einen sehr großen Haushalt. Er umschließt die gesamte Finanzverwaltung inklusive Zoll. Es ist eine sehr schwere und vielfach undankbare Aufgabe, der sich der Herr Bundesfinanzminister zu unterziehen hat. Wir können gerade nach den Erfahrungen des Haushaltsausschusses, dessen Mitglied ich bin, beurteilen, wie groß die Arbeit des Finanzministeriums ist, wie sorgsam die Arbeiten sind, die dort geleistet und vorbereitet werden. Wir können auch von der Opposition aus durchaus anerkennen, was an sachlichen Dingen im Bereich dieses Ministeriums geleistet wird. Es wäre natürlich erwünscht, in der einen oder anderen Frage etwas mehr an Klarheit und Einsicht zu gewinnen, auch zu hören, daß der Herr Bundesfinanzminister als Ressortminister die eine oder andere Behauptung richtig-stellt.
Da der Herr Staatssekretär Hartmann anwesend ist, ist vielleicht jetzt die Möglichkeit gegeben, eine der Behauptungen, die in der letzten Zeit in der Presse erschienen sind, klarzustellen. Es hieß dort, daß im Bundesfinanzministerium eine konsequente katholische Personalpolitik betrieben würde und daß kaum in höherer Hierarchie andere Beamte als katholische vorhanden seien bzw. eine Chance hätten. Da wir ja Gleichheit vor dem Recht auch für Protestanten, Juden, Christen und Heiden haben, wäre es vielleicht ganz nützlich, wenn diese sicherlich nicht auf Tatsachen beruhende Pressebehauptung einmal hier, möglichst vielleicht sogar mit Zahlen, klargestellt würde.
Meine Damen und Herren, die Eigenschaft des Herrn Bundesfinanzministers als Haushaltsminister gibt noch zu einigen weiteren Bemerkungen
Veranlassung, und hier bedaure ich ausdrücklich, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht anwesend ist. Ich werde nun manches nicht sagen, was ich in seiner Anwesenheit gesagt haben würde.
Zunächst rein sachlich und ohne Ansehung der Person des Herrn Ministers möchte ich wünschen, daß das Bundesfinanzministerium einem Vorschlag, der aus den Reihen der Mitglieder des Haushaltsausschusses — auch der Opposition — wiederholt zur Diskussion gestellt worden ist, eine stärkere Beachtung schenken möchte, einem Vorschlag, der vor kurzem, wenn ich recht orientiert bin, auch von den Bundesfinanzbeamten unterstrichen wurde, nämlich dem Vorschlag, statt des heutigen Rechnungsjahres der gesamten Haushaltsgebarung das Kalenderjahr zugrunde zu legen.
Die Sozialdemokraten haben weiter den dringenden Wunsch, die Gefolgschaft des Herrn Bundesfinanzministers — ich freue mich, daß er jetzt da ist — in bezug auf den Abbau der schikanösen kleinen Steuern zu erleben. Sie rufen mit vielen anderen nach einer Vereinfachung der Steuergesetze. Ich könnte mir denken, daß eine entsprechende Initiative des mit kundigen Beamten ja ausreichend versehenen Bundesfinanzministeriums die Möglichkeit einer baldigen Vereinfachung der Steuergesetze bietet.
Wir möchten den Herrn Bundesfinanzminister auch bei dieser Gelegenheit erneut einladen, doch unseren Vorschlägen auf Errichtung einer einheitlichen Finanzverwaltung ein besseres Ohr zu leihen, als er es bisher getan hat. Der Herr Bundesfinanzminister ist mehr als jeder andere in der Lage, nachzuprüfen, ob die Rechnung stimmt, daß eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung eine Ersparnis zugunsten der Steuerzahler von etwa 1 Milliarde DM im Jahr bringen dürfte.
Der Herr Bundesfinanzminister, ein mit Verantwortung schwer beladener Mann, hat sich in jüngster Zeit in einer besonderen Frage den Dank, wie ich glaube, des ganzen Hauses verdient, den ich noch einmal unterstreichen möchte, den Dank nämlich für seine Haltung in der Frage der Wiedergutmachung. Er hat dort ein sehr großes Verständnis bewiesen, und es ist eigentlich eine unerklärliche Tatsache, daß derselbe Minister so wenig Entgegenkommen, ich möchte beinahe sagen: Herz gezeigt hat, als es sich um die Kriegsopferrenten handelte, wo er geschachert hat, um möglichst viel Geld für den Haushalt aufzubewahren.
Der Herr Bundesfinanzminister hat eine besondere Stellung gegenüber den übrigen Ministern. Wir haben ja heute mittag das Negative dieser Position anläßlich der Stellungnahme des Herrn Finanzministers hinsichtlich des Paßkontrolldienstes und seiner Treue zu einem vorliegenden Kabinettsbeschluß erlebt. Aber wir wissen, daß der Herr Bundesfinanzminister als Haushaltsminister und seine Räte auf der andern Seite in der Lage sind, gegenüber den Ressortministern sehr viel an Kraft und Macht und Stärke, manchesmal auch, Herr Minister, an Sturheit zu beweisen. Ich hätte sehr gewünscht, daß dieselbe Kraft und auch dieselbe Sturheit, die man nicht sah, wenn, wie heute, eine echte Ersparnis möglich war und die Gelegenheit nicht genutzt wurde, in Erscheinung getreten wären, wie sie bei manchen Verzögerungen von Ausgaben, die dem Willen des Hauses entsprachen, in der Vergangenheit in Erscheinung getreten sind.
Die Freigabe von Mitteln, die das Hohe Haus im Rahmen des Haushalts jeweils da und dort bewilligt hat, ist bei manchen Mitarbeitern des Herrn Bundesfinanzministers nicht nur auf ein, sondern auf zwei taube Ohren gestoßen. Es ist nicht immer für die Entwicklung der Aufgaben und der Ausgaben von Nutzen gewesen, daß man eine sehr harte und zum Teil unnachgiebige Haltung eingenommen hat. Es hat sich in der letzten Zeit gebessert.
Ich will gleich sagen, was ich hauptsächlich meine, Herr Bundesfinanzminister. Ich meine die nicht rechtzeitige Freigabe von Mitteln in der Hauptsache im Bereich des Einzelplans 12, besonders des Straßenbaus. Nun, der Herr Bundesfinanzminister ist — das wird jeder objektiv Denkende erkennen — vielfach in einer unglücklichen Lage. Er hat Dinge zu decken, denen er sich nicht entziehen kann. Er deckt aber auch Dinge, denen er sich entziehen könnte, und er deckt Dinge, auf die er Einfluß nehmen könnte und offensichtlich keinen Einfluß nimmt.
Im Interesse der Etatklarheit und der Etatwahrheit, denen sich der Herr Bundesfinanzminister sicherlich durchaus verpflichtet fühlt, wäre es beispielsweise schon längst seine Aufgabe gewesen — ich weiß, daß er da auf den Beifall seiner engsten Mitarbeiter rechnen könnte —, auf die parlamentarische Kontrolle der so oft hier angesprochenen Geheimfonds Einfluß zu nehmen, die in diesem Haushalt 1956 rund 25 Millionen DM betragen. Der Herr Bundesfinanzminister ist schon als Hüter der Währung dazu verpflichtet, auch ein Hüter der Etatwahrheit zu sein.
Er ist wie oft unter Druck, oft ein Spielball verschiedenster Interessen, und er spielt selbst mit. Denken wir nur an die Probleme der Steuersenkung, an das Spiel mit dem Juliusturm, auch an das Verhalten des Herrn Bundesfinanzministers auf dem Gebiete der Beeinflussung der Konjunktur, ein Problem, das nicht heute, sondern morgen abgehandelt werden wird! Kurzum, es gibt eine ganze Fülle von Dingen, in denen wir von dem Herrn Bundesfinanzminister, den wir als Person hoch schätzen und dessen Pflichtbewußtsein wir jeden Respekt erweisen, eine andere Haltung erwartet haben würden, auch in der Frage einer überproportionalen Steigerung der Steuereinnahmen, der er beizeiten hätte begegnen können, einer besseren Psychologie gegenüber den Steuerzahlern, einer klareren Haltung in bezug auf die Stationierungskosten, die uns ja auch noch befassen werden, und dergleichen mehr.
Herr Bundesfinanzminister, bei dieser Gelegenheit — ohne daß ich eine eigene Stellungnahme jetzt und hier entwickeln will — eine neugierige Frage: Wären Sie bereit und in der Lage, beispielsweise den Standpunkt der Bundesregierung zu jenen neuen Maßnahmen der Bank deutscher Länder und ihrer Berechtigung zur Hereinnahme grober Werte durch Private in Gestalt von Goldmünzen ausländischer Währungen unter dem Gesichtswinkel einer etwaigen sehr wohltuenden Stärkung des Vertrauens zur deutschen Währung durch die Ausgabe von deutschen Goldmünzen darzulegen?
Kritisch stehen wir gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister auch in anderen Fragen. Wir haben durchaus Verständnis für seine Situation. Wir wissen, er hat wiederholt mit seinem Rücktritt gedroht. Die einen haben es ernst genommen, die andern nicht. Man ist so langsam zu dem Slogan
gekommen: „Ein Bundesminister tritt zwar oftmals daneben, aber — mit Ausnahme Heinemanns — niemals zurück."
Der Herr Bundesfinanzminister hat dankenswerterweise auch Witz und Humor. Nur sind sie nicht immer am richtigen Platz zum Ausdruck gekommen. Am Deutschen Sparkassentag beispielsweise hat der Herr Bundesfinanzminister von den Gemeinden verlangt, daß sie auf überflüssige Steuern verzichten sollten. Wenn man die Haushaltslage der Gemeinden kennt und vergleicht mit der Haushaltslage des Bundes und mit der Hortungspolitik, die der Herr Bundesfinanzminister in erster Linie, nicht allein, mit zu verantworten hat, muß man sagen: es mutet buchstäblich an wie ein Witz, was er von den Gemeinden verlangt. Wir haben bei allem Verständnis nicht den Willen, Herr Minister, die Politik mitzumachen, die heute oder gestern bereits charakterisiert worden ist, eine Politik, die gerade bei der Ansammlung der Geheimfonds doch sehr deutlich zeigt, was dahinter steckt, nämlich der Wille, die Propaganda für die Bundestagswahlen zugunsten der Regierungsparteien mit ausreichenden Beträgen — das sind Millionenbeträge — für das nächste Jahr aus Mitteln, die nicht kontrolliert werden können, zu finanzieren.
— Herr Kollege Dr. Vogel, vielleicht haben Sie die Freundlichkeit und nehmen bei nächster Gelegenheit — aber schieben Sie es nicht so lange auf! — einmal klar zu unserem Verlangen auf Offenlegung der Parteieinnahmen und auf Kontrolle der Parteieinnahmen durch die Öffentlichkeit Stellung.
Ich glaube, das wäre ein sehr nützliches Unterfangen. Wir lassen uns gern überzeugen. Aber wenn Sie große Ausgaben haben — oh, ich erinnere mich beispielsweise, wie bei der letzten Bundestagswahl an meiner Haustür wie an vielen anderen Haustüren sehr viele rote Zettel klebten, die eine niederträchtige Lüge waren — ich habe nicht gesagt und sage es auch hier nicht, daß die CDU das finanziert hat, aber Leute der Regierungsparteien haben es getan und finanziert —, wenn da stand: „Bezahlt von Moskau!", das nenne ich eine niederträchtige, gemeine Lüge. Man kann sehr gut zur besseren Verständigung, ja zur Zusammenarbeit kommen, wenn man den Willen hat, die Karten auf den Tisch zu legen, so wie der Herr Bundesfinanzminister auf Grund des § 96 der Geschäftsordnung heute die Karten auf den Tisch legt.
— Herr Dr. Dresbach, es ist mir immer ein großes Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern, aber ich muß sagen: wenn Sie bloß so viel feurige Kohlen auf Ihr geschätztes Haupt sammeln würden, wie an Nachweisen über die Einnahmen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in unseren Jahresberichten steht, bliebe von Ihnen nicht einmal ein Häuflein Asche übrig.
Der Herr Bundesfinanzminister trägt, wie ich vorhin gesagt habe, ein gerüttelt Maß an Verantwortung. Wir haben in bezug auf die Etatberatung zunächst einmal den Wunsch, daß er gemeinsam mit dem Parlament, gemeinsam vor allem mit dem Haushaltsausschuß für 1957 alles tun möge, um eine bessere Beratung des Haushalts in seinen Einzelheiten sicherzustellen, eine Beratung, die sich wenigstens ungefähr wirklich dem anschließt, was an Gründlichkeit der Beratung des Haushaltsentwurfs im Haushaltsausschuß selbst geleistet werden konnte. Herr Bundesfinanzminister, Sie tragen in unseren Augen mit die Verantwortung für die überflüssige Vielzahl von Ministerien, und Ihr Veto, das Sie nach der Geschäftsordnung des Kabinetts einlegen könnten, sollten Sie sogar dann nach unserer Meinung einmal einlegen, wenn es gilt, der einen oder andern Partei oder Fraktion auf die geschätzten Hühneraugen zu treten. Sie tragen mit die Verantwortung für eine weitgehend verfehlte Steuer- und Finanzpolitik. Sie tragen mit die Verantwortung für die Milliardenausgaben für Rüstung. Wir vermissen, daß Sie zu gegebener Zeit im großen wie im kleinen, wobei wir gar nicht kleinlich sein wollen, Ihr Veto einlegen.
Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen. In den jüngsten Haushaltsunterlagen erscheint ein Betrag für die Erstellung eines Neubaues im Raume Bonn, zunächst in Höhe von 250 000 DM nur für Bauplanung. Da wird mit einer Bausumme gerechnet, die Ihnen, Herr Finanzminister, sicher bekannt ist und die ich Ihrer Aufmerksamkeit noch einmal warm empfehlen darf. Für die Errichtung des Pentagon des Herrn Verteidigungsministers Blank auf einem Hügel bei Bonn wird dort die Kleinigkeit von 55 Millionen DM angefordert. Und um nur die Planungen zu finanzieren, werden Hunderttausende von Mark im Etat angefordert.
Ihre schwierige Stellung, Herr Bundesfinanzminister, ergibt sich ja aus den Tagesauseinandersetzungen. Wenn ich mich an die Überschrift der heutigen Morgenpresse erinnere, wonach Ihnen ein Sprecher eines anderen Ministeriums gesagt habe, Ihre Angaben in bezug auf die Stationierungskosten seien falsch, dann tut es mir leid, daß in der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland eine derartige Uneinheitlichkeit entstehen kann. Wir wären dankbar, im Verlaufe dieser Etatberatung — dafür ist der jetzige Zeitpunkt nicht angebracht — die wirklichen Tatsachen, die Wahrheit auf diesem Gebiet zu erfahren, um zu wissen, wer nun eigentlich recht hat: der Herr Bundeskanzler, der Herr Bundesaußenminister oder der Herr Bundesfinanzminister.
Wir haben noch einen weiteren Wunsch an Sie, Herr Bundesfinanzminister. Sie wissen, daß in früheren Jahren des Umbaues der Bundesrepublik das System der Vorwegbewilligung immer wieder bis zum Überdruß praktiziert wurde und daß das Haus hier in einer Weise mit Vorwegbewilligungen strapaziert wurde, die damals politisch und auch etatrechtlich in weitem Umfang verständlich war, wenn sie auch nicht schön war. Aber eine Frage, Herr Bundesfinanzminister: Stehen wir vor neuen Vorwegbewilligungen? Ist es so oder ist es nicht so, daß das Bundesverteidigungsministerium statt
eines rechtzeitig vorzulegenden Nachtragshaushalts mit allen Einzelheiten, die dem Parlament die Möglichkeit der freien und gewissenhaften Entscheidung — ich setze das immer noch voraus, obwohl die Umstände das Gegenteil beweisen — bieten sollen, mit einer Vorwegbewilligung kommt, obwohl ein rechtzeitig vorher vorzulegender Nachtragshaushalt eine Vorwegbewilligung überhaupt überflüssig macht? Ist es richtig, daß man vom Haushaltsausschuß eine Vorwegbewilligung verlangt in der Größenordnung von etwa 2 Milliarden DM für Rüstung und daß Sie dies billigen würden? Ist es so, oder ist es nicht so? Laufen wir Gefahr — ich möchte noch nicht einmal den Herrn Bundesverteidigungsminister als vollverantwortlich ansehen, wohl im parlamentarischen Sinne, aber nicht im tatsächlichen —, daß die Hintermänner des Herrn Bundesverteidigungsministers den Minister und den Bundesfinanzminister mit derartigen Dingen nicht nur strapazieren, sondern glatt überfahren? Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, es läge im Interesse der Wahrheit, der Klarheit und der Rücksicht auf die Steuerzahler, wenn Sie gegen die Schaffung vollendeter Tatsachen auf diesem Gebiet rechtzeitig Front machten. Wir möchten hier im Parlament — ich hoffe sehr, daß das nicht nur ein Anliegen der Opposition, sondern aller Parteien und Fraktionen des Hauses ist — nicht mit derartigen Dingen überrumpelt werden, wie sie hier drohen.
Mein Wunsch an Sie, Herr Bundesfinanzminister, ist — ich schenke mir andere Teile, die ich noch zum Haushalt sagen wollte —: Sie möchten Ihre oftmals bewährte Härte und Ihre Fähigkeit zum Nein auch da beweisen, wo es gilt, das Recht des Parlaments zu wahren, und wo es gilt, Gerechtigkeit in der Lastenverteilung und in einer rechtzeitigen Entwicklung der den Haushalt begründenden Steuergesetze so in die Tat umzusetzen, daß Sie der Bundesfinanzminister nicht nur einer Schicht, sondern unseres ganzen Volkes sind. Mein Wunsch ist ferner, Sie möchten Wert darauf legen, vor allem das Haushaltsrecht so zu wahren, wie es Ihnen die Geschäftsordnung des Kabinetts, Ihr Vetorecht und Ihre Pflicht nach der Verfassung auf die Seele binden.
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich für den Augenblick die Diskussion wieder auf ein etwas friedlicheres Gebiet hinführen, schon aus einem sehr unmittelbaren persönlichen Grund: weil ich für das Anliegen, das ich im Namen meiner Fraktion vortrage, die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses haben möchte. Die Einzelheiten werden wohl noch bei einer Besprechung des Einzelplans 60 herauszuarbeiten sein.
Aber ich möchte doch schon jetzt einiges zu einem Thema sagen, das uns alle die ganzen Jahre hindurch beschäftigt: das ist das Anliegen der freien Berufe. Jedesmal wenn wir darüber sprachen, bestand in diesem Hohen Hause völlige Einmütigkeit der Auffassungen.
Da geht es in erster Linie um das leidige Problem der Umsatzsteuer. Ich sage das nur mit einer leichten Beklemmung in Gegenwart des sehr verehrten Staatssekretärs, der der große Fachmann der Umsatzsteuer ist. Aber es muß doch immer
wieder vorgetragen werden — wie wir ja schon oft in diesem Hohen Hause feststellen konnten —, daß Umsatzsteuer und Geist Widersprüche im Beiwort sind. Geist ist keine Ware, und eine Umsatzsteuer darauf zu setzen ist unethisch, unsozial und unberechtigt. In der 56. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages habe ich einen interfraktionellen Antrag vertreten dürfen, der einen Freibetrag von 12 000 DM festsetzte. Es ist dann im Bundesrat zu einer abweichenden Meinung gekommen, und der Vermittlungsausschuß hat am 15. Dezember 1954 seine Lösung vorgetragen, gegen die ich Einspruch erhoben habe, da man wiederum am entscheidenden Problem, daß nämlich Geist keine Ware ist, vorübergegangen ist.
Es ist dann zu unserm Antrag Drucksache 1623 in der 109. Sitzung zur Sprache gekommen. Da wurden die steuerlichen Vergünstigungen, die inzwischen für die Journalisten, Bildberichterstatter usw. erreicht worden sind, auf alle freien Berufe ausgedehnt. Ich habe diesen Antrag unterschrieben, habe aber bei der Begründung gesagt, daß er mir keineswegs gefällt und ich ihn nur vortrage in der Hoffnung, daß dies ein entscheidender weiterer Schritt sein wird, um die Umsatzsteuer überhaupt zu Fall zu bringen. Dieser Antrag ruht
— ich will nicht sagen: schläft, ich nehme an, es ist eine schöpferische Ruhe — seitdem im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
— Sie werfen mit Recht das Problem auf, daß wenig Zeit vorhanden ist. Vielleicht darf ich informellerweise fragen, ob es nicht möglich ist, durch einen neuen Initiativantrag aller Fraktionen das ein wenig in Fluß zu bringen.
Ich bitte, sich hier nicht in Zwiegespräche einzulassen, sondern den Redner sprechen zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf also mit Freude feststellen: es hat sich nunmehr ergeben, daß dieser Antrag in der Steuerdebatte zur Sprache kommen wird. Es handelt sich auch wirklich nicht um große Beträge. Nach der Statistik von 1950, die allerdings erst 1955 vorgelegt wurde, sind alles in allem genau 93 122 Umsatzsteuerpflichtige aus den freien Berufen vorhanden mit einem Gesamtumsatz von 1,75 Milliarden und einem Umsatzsteueraufkommen von 34,8 Millionen DM. Ich glaube, wir dürfen die Hoffnung ausdrücken, daß dieses Problem noch in dieser Legislaturperiode bereinigt wird, und zwar so, daß sämtliche freien Berufe, wie sie in der Drucksache 1623 aufgezählt sind, von der Umsatzsteuer befreit werden.
Abschließend noch eine Bemerkung. Wir werden morgen über die Konjunktur sprechen. Ich glaube, man darf sagen, daß es sich bei einer Wertung der zur Konjunktur beitragenden Kräfte in Deutschland auch und in gleichem Maße um die geistigen Kräfte handeln muß. Was wir tun können, um
diesen schöpferischen geistigen Kräfte — ich denke hier ganz besonders wiederum an die Schriftsteller, Journalisten und Künstler — zu helfen und sie zu fördern, ist ein entscheidender Beitrag für die Gesamtkonjunktur in Deutschland.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ritzel möge entschuldigen, wenn der Bundesfinanzminister auf seine Ausführungen naturgemäß aus dem Stegreif antwortet und sich infolgedessen an die Aufzeichnungen halten muß, die er gemacht hat. Ich darf von den Fragen, die er angeschnitten hat, zunächst die folgende beantworten.
Es ist von einer „katholischen Personalpolitik" innerhalb des Bundesfinanzministeriums gesprochen worden. Herr Kollege Ritzel, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe immer ein unangenehmes Empfinden, wenn die Frage des Verhältnisses der Konfessionen unter dem Gesichtspunkt aufgeworfen wird, als könnte es überhaupt einen verantwortlichen Mann christlicher Überzeugung geben, der unter den Konfessionen irgendwie Unterschiede macht.
Ich darf Ihnen mal die Zahlen nennen, die ich mir inzwischen habe bestätigen lassen. Wenn ich die deutsche Bevölkerung als solche nehme, müßte ich eigentlich zwischen den beiden christlichen Konfessionen ungefähr ein Zahlenverhältnis von bei den einen etwas über 50 %, bei den anderen etwas unter 50 % annehmen. Aber in meinem Hause sind von den 17 Direktoren und Dirigenten als der ersten Gruppe 6 katholisch und 11 evangelisch,
so daß ich den Vorwurf wohl nicht verdiene, daß in meinem Hause die Bevorzugung einer Konfession oder gar die Bevorzugung nur eines einzigen Mannes wegen seiner Konfession erfolge.
Ich beurteile die Herren, die ich einberufe und mit
denen ich zusammenarbeite, nach ihrer dienstlichen
Leistung. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.
Ich kann Ihnen auch die Zahlen für die weitere Gruppe der Ministerialräte geben. Von den Herren christlicher Konfessionen, über die wir hier reden wollen, sind 20 katholisch und 80 evangelisch oder evangelischer kleiner Konfessionen.
Wenn ich nach dem Bevölkerungsverhältnis ginge, könnte — das darf ich dem Hohen Hause ruhig zugestehen - der Teil, der das Recht zu einer Klage hat, nur der katholische Teil und nicht der evangelische Teil sein.
Da sich aber der Leiter des Bundesfinanzministeriums selbst zur katholischen Konfession rechnet, habe ich von seiten der katholischen Bevölkerung noch nie einen Vorwurf erhalten, und ich registriere das mit Dankbarkeit.
Ich darf nun zu der zweiten Frage sprechen, der Frage der bundeseinheitlichen Finanzverwaltung. Herr Kollege Ritzel, Sie wissen, aus welchem politischen Lager ich stamme. Sie wissen infolgedessen auch, welches meine grundsätzliche Einstellung zum Verhältnis des Bundes zu den Ländern ist. Aber Sie wissen auch — das gestehe ich offen zu —, daß man im Laufe seiner Tätigkeit manche Schäden an einem System merkt und vielleicht manchmal den Wunsch hat, es würde weniger nach System als nach der wirklich praktischen Übung geurteilt und würden Gesetze geschaffen.
- Das wäre eine Möglichkeit. Aber, Herr Kollege Ritzel, Sie müssen mir zugeben, daß auch dieser Deutsche Bundestag und auch die Herren, die ihrer inneren und äußeren parteipolitischen Überzeugung nach eigentlich für eine zentrale Finanzverwaltung eintreten müßten, inzwischen Gesetzen zugestimmt haben, die die Einführung einer zentralen Finanzverwaltung erschweren, weil inzwischen Gesetze mit Verfassungsbestimmungen geschaffen worden sind, die von dem Grundsatz, ich darf einmal sagen, der dezentralen Finanzverwaltung ausgehen; ich brauche nur an unsere letzten Gesetze, Finanzreform etc., zu erinnern. Der Bundesfinanzminister suchte im Rahmen des Möglichen das zu erreichen, was er für den Bund für notwendig hält. Ich sage ehrlich, er wäre gern bereit, die Einflußnahme des Bundes auf diesem Gebiet zu verstärken, wenn er die allseitige Unterstützung im Bundesrat und Bundestag fände. Solange er die Unterstützung nicht findet, hat er sich nun einmal an die Mehrheitsverhältnisse zu halten und im Rahmen der Mehrheitsverhältnisse das herauszuholen, was der Tag erlaubt.
Sie haben weiterhin darüber gesprochen, dab der Bundesfinanzminister zwar bei den Naziverfolgten — Sie meinen wohl das letzte Wiedergutmachungsgesetz —, übrigens in voller Übereinstimmung mit dem gesamten Deutschen Bundestag, Entgegenkommen gezeigt habe, wenig aber bei den Kriegsopfern. Ich muß sagen, daß ich diesen Vorbehalt nicht recht verstehen kann. Das letzte Gesetz zur Verbesserung der Lage der Kriegsopfer bringt doch enorme Ausgabenleistungen,
von denen ich Ihnen ganz ehrlich gestehe, daß sie mir Sorge machen, ob sie von dem deutschen Volk, den deutschen Steuerzahlern auf die Dauer ohne Gefährdung des Haushalts getragen werden können. Der deutsche Finanzminister muß nun einmal daran denken, daß nicht jede Schicht allein vorhanden ist, sondern daß es neben den Naziverfolgten, neben den Kriegsopfern noch Schichten von Millionen im deutschen Volk gibt, für die Leistungen notwendig sind und Mittel vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen. Nehmen Sie es dem Finanzminister nicht übel, wenn er daran denkt, daß er letzten Endes auch eine Verantwortung vor dem deutschen Steuerzahler und eine Verantwortung für die Abgleichung des Bundeshaushalts trägt.
Sie haben weiter ein nettes Wort gesprochen, daß der Finanzminister gegenüber anderen Ressortministern — ich glaube, es hat geheißen — kräftig, manchmal auch stur sei. Ja, der Finanzminister verteidigt in erster Linie die Abgleichung des Bundeshaushalts, und er verteidigt die Abgleichung
des Bundeshaushalts um des deutschen Volkes willen. Denn er ist sich bewußt, daß nur bei abgeglichenem Bundeshaushalt der Wert der deutschen Währung und das Vertrauen in die deutsche Währung erhalten werden kann. Und der Wert der deutschen Währung und das Vertrauen in die deutsche Währung ist meiner Überzeugung eine Lebensfrage für das gesamte deutsche Volk.
Sie haben dann noch Einzelheiten gebracht, Herr Kollege; ich bin gern bereit, auf die Einzelheiten, soweit ich sie mir aufzeichnen konnte, auch kurz einzugehen. Sie sprachen von dem Einzelplan 12. Das ist der Einzelplan Verkehr. Herr Kollege Ritzel, ich kann Geld für etwas genehmigen, aber bauen kann ich erst dann, wenn die technischen und sachlichen Voraussetzungen, die Pläne und so fort alle geboren und fertig sind. Ob ein Bau entsteht, Herr Kollege Ritzel, ist mit der Genehmigung des Geldes noch nicht entschieden, sondern wird in dem Moment entschieden, in dem auch die notwendigen technischen Voraussetzungen neben dem Plan vorliegen.
Deswegen die Bitte, sich mit meiner Versicherung zu begnügen, daß von seiten des Fiskus, also von seiten der Geldverwaltung aus notwendige Verkehrsbauten noch nie verzögert oder verhindert wurden.
Was nun die Frage der Goldmünzen betrifft, so antworte ich gern darauf, weil in der Öffentlichkeit hier vielleicht falsche Meinungen entstehen. Die Bank deutscher Länder hat selbstverständlich die Pflicht, den Wert der deutschen Währung möglichst dadurch zu sichern, daß entweder Auslandsgeld oder Gold — Gold natürlich zu dem Werte, den es wirklich besitzt — als Deckung vorhanden ist. Die Politik der BdL zur Sicherung der Währung wird von den verantwortlichen Kreisen der BdL gemacht. Der Finanzminister kann nur die Voraussetzungen dafür schaffen oder mitschaffen, daß der Wert der deutschen Währung durch finanzpolitische Maßnahmen nicht gefährdet wird. Da darf ich eines feststellen: in der letzten Zeit ist eine Freigabe der Einfuhr fremden Goldes erfolgt. Aber hierbei handelt es sich nicht um die Einfuhr von Gold in den Besitz des Bundes, sondern der private Verkehr ist aus einem sehr einfachen Grund freigegeben — ich darf es offen sagen —, weil es bei den heutigen Verhältnissen unmöglich wäre, Gesetze, die das verbieten würden, auch in der großen Masse zur Beachtung zu bringen. Da etwas, was die Bank deutscher Länder und die Bundesregierung für gut und nicht schädlich für die deutsche Währung halten, was in früheren Zeiten eine Gefahr war, in den modernen Währungsverhältnissen Deutschlands keine Gefahr mehr ist, bei einem Verbot praktisch nicht verhindert werden könnte, ist die Einfuhr von Goldmünzen in Deutschland erlaubt worden. Dabei darf ich aber darauf hinweisen, daß die Goldmünzen dem früheren Wertverhältnis zwischen jeweiliger Währung und Metallwert bei weitem nicht mehr entsprechen. In die Währung umgerechnet, würde das Gold heute praktisch nur noch ungefähr die Hälfte dessen an Kaufkraft haben, was es in Vorkriegszeiten gegenüber der deutschen Währung gehabt hat.
Sie sprachen dann von der Hortungspolitik, Ansammlung von Geheimfonds für Bundestagswahlen. Herr Kollege Ritzel, ich bin gern bereit, jedem einzelnen Mitglied dieses Hohen Hauses die Nachweise zu erbringen
— das dürfen Sie tun — und, sagen wir mal, die ganze Kontrolle ausüben zu lassen. Der Bundesfinanzminister hat gar keine Möglichkeit. Der Bundesfinanzminister hat die Fonds, die es überhaupt gibt, zu verwalten, zu vertreten, und zwar wieder unter Überwachung des Bundesrechnungshofes.
— Moment, Herr Kollege, es gibt Geheimfonds, eigentlich nur einen einzigen, den der Bundesfinanzminister nicht überwacht und nicht überwachen kann. Diesen überwacht praktisch der Präsident des Bundesrechnungshofes.
Wenn also irgendein Verdacht besteht, muß man sich bei Fonds, die der Überwachung des Bundesfinanzministers durch Gesetz entzogen sind, an denjenigen wenden, der die Überwachung praktisch hat. Das ist der Präsident des Bundesrechnungshofes.
— Da ich ihn nicht überwache, kann und darf ich es nicht.
— Dann wenden Sie sich bitte an den Gesetzgeber!
— Sie können aber nicht dem Bundesfinanzminister einen Vorwurf daraus machen, daß er sich an die Gesetze hält.
Nun darf ich noch ganz kurz über einige sehr akute Themen reden, die der Herr Kollege Ritzel angedeutet hat. Der Herr Kollege Ritzel sprach über Bauten im Raume Bonn und meinte das neue Gebäude des Wehrministeriums. Bekanntlich ist es bei uns doch so, daß die Mittel für solche Bauten vom Parlament genehmigt werden.
Ich würde also vorschlagen, daß wir bei der Genehmigung der Mittel im Ausschuß oder im Plenum des Hauses unsere Gedanken gegenseitig äußern und uns darüber aussprechen.
Sie haben dann über die Frage der Stationierungskosten gesprochen und haben gefragt — etwas, was heute in der Presse eine Rolle spielt —, ob die Angaben, die ich in einem vertraulichen Brief an ein Mitglied des Hauses gemacht habe, richtig seien.
Herr Kolleg Ritzel, ich darf mich auf die Feststellung beschränken: sie sind nicht nur subjektiv richtig, sondern ich bin der festen Überzeugung, daß sie auch objektiv richtig sind.
Was nun die Behandlung der Verteidigungsausgaben betrifft, so darf ich doch darauf hinweisen, daß der Verteidigungshaushalt in seinem enormen Umfang ein sehr junger Haushalt ist. Wenn wir an die ersten Jahre der Existenz des Bundes überhaupt denken, werden wir uns auch daran erinnern, daß wir damals genötigt gewesen sind, eine Zeitspanne zu überwinden, um zu der ordnungsmäßigen Abwicklung des Haushalts, wie sie in der Verfassung vorgesehen ist, zu kommen. Wir haben damals Zwischenjahre etc. eingeschaltet. Es war mein innerer Stolz, daß es in Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuß dieses Hauses gelungen ist, in relativ kurzer Zeit zum regelmäßigen Jahresbudget zu kommen. Ich bin fest überzeugt, daß es in den kommenden Jahren gelingen wird, auch den Verteidigungshaushalt in der korrekten Form der Beschlußfassung durch die Ausschüsse und das Parlament vorzulegen. Aber auf die außergewöhnlichen Umstände, unter denen ein solcher enormer Haushalt aufgebaut werden muß, bitte ich zunächst einmal Rücksicht zu nehmen.
— Aber der Aufbau des Verteidigungswesens — das wissen Sie auch — hat erst im Jahre 1955 begonnen und läuft erst jetzt im Jahr 1956.
Das kann niemand sagen. daß nicht jeder Pfennig der Ausgaben in der Form der Vorwegbewilligung dem Parlament, den zuständigen Ausschüssen vorgelegt und von ihnen beschlossen worden ist.
Dann ist der Satz gefallen, daß der Bundesfinanzminister nicht nur einer Bevölkerungsschicht, sondern dem gesamten Volke zu dienen habe. Herr Kollege Ritzel, diesen Satz unterstreiche ich. Es ist meine Überzeugung, daß gerade der Bundesfinanzminister berufen ist, auf das ganze Volk zu sehen. Wenn ich auf einen Fehler aufmerksam gemacht würde, wäre ich Ihnen dafür dankbar. Der gute Wille, es besser zu machen, wenn ich unwissentlich dagegen verstoßen hätte, ist bei mir bestimmt vorhanden.
Zu meinem Kollegen Prinz Löwenstein darf ich nur folgendes sagen: er hat sich hauptsächlich mit der Umsatzsteuerfrage besehäftigt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Denkschrift des Bundesfinanzministeriums über die Umsatzsteuer vorliegt, und ich hätte gewünscht. daß diese Denkschrift eine sehr aufmerksame Beachtung und Bearbeitung im Deutschen Bundestag gefunden hätte.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir wenige kurze Bernerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers.
Zunächst nehme ich mit Befriedigung von der Klarstellung der Pressemeldungen über die religiöse Schichtung im Rahmen des Bundesfinanzministeriums Kenntnis.
Der Herr Bundesfinanzminister hätte sich die Anfrage im Parlament ersparen können, wenn er schon vor Wochen auf diese Presseveröffentlichung eingegangen wäre.
Es gibt noch einiges andere auf diesem Gebiet zu sagen, das ich um des lieben Friedens willen hier nicht sagen will.
In der Frage der Verzögerung von Bauausführungen kann ich Herrn Bundesfinanzminister Schäffer nicht beistimmen. Es ist ein Antrag aus der Mitte des ganzen Hauses gewesen, getragen von allen Fraktionen, ab 1. Januar dieses Jahres Mittel für den Straßenbau früher bereitzustellen, als es sonst geschehen ist. Herr Bundesfinanzminister, es läßt sich beweisen, daß im Rahmen des Straßenbaues, Einzelplan 12, durch Verzögerungen Ihres Ministeriums erhebliche Benachteiligungen bei der Bauausführung trotz des Vorhandenseins baureifer Pläne zu verzeichnen sind.
Zu der Frage der Goldmünzen darf ich feststellen, daß ich nicht behauptet habe, daß ich den Bund als den Einführenden fremdländischer Goldmünzen anspreche, sondern daß ich danach gefragt habe, welche Auffassung der Herr Bundesfinanzminister zu der Einfuhr fremder Goldmünzen durch Private im Verhältnis zu einer Kräftigung der deutschen Währung durch die Ausgabe eigener Goldmünzen hat.
Sehr interessiert hat mich die Darstellung, die der Herr Bundesfinanzminister zu seiner Verantwortung in bezug auf die Geheimfonds gegeben hat. Es ist selbstverständlich — das ist mir und wohl uns allen hier im Hause klar, Herr Minister —, daß die Verantwortung für die Geheimfonds von den Ministern zu tragen ist, in deren Haushalten die Geheimfonds stecken, also in erster Linie von dem Herrn Bundeskanzler. Aber es ist ebenso klar, daß auch Sie, Herr Bundesfinanzminister, da Sie selbst mit der ganzen Verantwortung für den Haushalt belastet sind, an dieser Verantwortung Ihren tüchtigen Anteil haben. An Sie stellen wir daher — und jetzt noch einmal — die Frage: sind Sie bereit, Herr Bundesfinanzminister, dazu beizutragen, daß diese Geheimfonds, die sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehen, die nicht im einzelnen etatisiert sind, einer beschränkten parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden? Herr Bundesfinanzminister, Sie haben eine ausgezeichnete Stütze. Die Reichshaushaltsordnung gibt Ihnen die Möglichkeit, von der Bundesregierung und von Ihren Koalitionsparteien eine Regelung zu verlangen, die den Bestimmungen des § 89 der Reichshaushaltsordnung Rechnung trägt.
Sie haben sich sehr elegant um die Frage wegen der Kosten des Pentagons herumgewunden. Herr Bundesfinanzminister, in Ihrem Haushaltsplanentwurf steht mit Ihrem Willen in den Erläuterungen der Betrag von 55 Millionen DM für das Bürogebäude des Herrn Bundesverteidigungsministers da oben auf irgendeinem Berge. Sie rechnen also damit, und Sie sind auch der Mehrheit hier für die Bewilligung von 55 Millionen DM für einen einzigen Ministerialbau im Raume Bonn sicher.
Auf dem Gebiete der Stationierungskosten will ich nur noch einmal klarstellen, was ich wissen wollte. Ich will es jetzt schärfer formulieren als vorhin. Der Streit um die Frage der Stationierungskosten ist nicht hier und nicht heute auszutragen. Mich interessiert hier, Herr Bundesfinanzminister, bleiben Sie bei dem Wort, das Sie so oft auch hier gegeben haben: „Mehr als 9 Milliarden werden in einem Rechnungsjahr nicht ausgegeben."? — Sie bejahen das; ich danke Ihnen. — Das bedeutet, daß alles das, was auf dem Gebiete der Stationierungskosten von der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses zugestanden wird, an dem Haushalt des Herrn Bundesverteidigungsministers — Einzelplan 14 — abgezogen wird.
Dann noch eine letzte Bemerkung zu der Frage der Vorwegbewilligung. Wir waren einig darin, zu erkennen, daß in früheren Jahren das System der Vorwegbewilligung, das alles andere, nur nicht schön ist, eine Notwendigkeit zu sein schien, vielleicht auch wirklich war. Aber heute, Herr Bundesfinanzminister, mit Milliardenbeträgen ein System der Vorwegbewilligung zu verlangen, also der Bewilligung von Ausgaben ohne Mitwirkung des Hauses — das erst nachträglich in einem Haushaltsplan sanktionieren darf, was vorher schon zu Ausgaben veranlagt und genehmigt wird —, heute, in dieser Situation zu verlangen, daß Vorwegbewilligungen erfolgen, für die weder im Grundgesetz noch in der Reichshaushaltsordnung eine Dekkung vorhanden ist — das System der Vorwegbewilligung ist dort nicht bekannt —, heute dem Parlament zuzumuten, die Augen zu schließen und gegebenenfalls einen Betrag von etwa 2000 Millionen DM für das Ministerium des Herrn Blank vorweg-bewilligt zu sehen ohne Beschluß dieses Hauses, ohne kritische Ausführungen — das, Herr Bundesfinanzminister, schlucke ich nicht, und das schluckt wahrscheinlich auch das deutsche Volk nicht.
Wird noch das Wort gewünscht? — Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf die konkreten Anfragen kurz antworten, die Herr Kollege Ritzel vorgebracht hat.
Wenn ein Antrag auf Vorwegbewilligung an den Haushaltsausschuß gestellt wird, so bedeutet das, daß ich mich an die Mehrheit der Parteien dieses Hauses wende, weil dieser Antrag auf Vorwegbewilligung ja nur genehmigt werden kann, wenn die Mehrheit dieses Hauses durch ihre Mitglieder im Haushaltsausschuß dem Antrag zustimmt. Ich darf das einmal feststellen.
Zweitens zu der anderen Frage wegen der Haushaltsmittel! Sie haben den § 89 angesprochen. Ich darf ihn einmal vorlesen:
Soweit Haushaltsmittel mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck der Prüfung durch den Rechnungshof nicht unterliegen sollen, muß dies im Haushaltsplan besonders angeordnet werden. Die Prüfung kann durch den Haushaltsplan auch einer anderen Stelle übertragen werden.
Daran haben wir uns gehalten; die Haushaltsordnung ist für mich bindend. Die Entscheidung über die Anwendung der Haushaltsordnung liegt infolgedessen bei der Mehrheit des Parlaments, die den Haushaltsplan bewilligt.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Anträge auf Umdruck 639*) und Umdruck 672 Ziffer 2**). Beide Anträge sind inhaltlich insoweit gleich, als in Kap. 08 04 Tit. 101 300 neue Planstellen zur Übernahme des Bundespaßkontrolldienstes in die Zollverwaltung bewilligt werden sollen. Der Antrag Umdruck 672 verlangt daraufhin einen k. w.-Vermerk zum 1. April 1957, unterscheidet sich also hierin von dem Antrag Umdruck 639.
— Ist auch beantragt. Dann sind die beiden Anträge gleichlautend, und ich kann über die beiden Anträge auf Bewilligung der 300 Planstellen mit k.w.-Vermerk zum 1. April 1957 gemeinsam abstimmen lassen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Gesamtabstimmung über den Mündlichen Bericht Drucksache 2457 über den Entwurf des Einzelplans 08. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 09, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft .
Dazu liegen die Umdrucke 674, 669, 666 Ziffer 2 und 640 vor.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ohlig.
— Der Herr Berichterstatter verzichtet. Das Haus ist mit dem Verzicht einverstanden?
Dann darf ich bitten, die Änderungsanträge zu begründen. Wer wünscht das Wort? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ratzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute vor zwei Wochen eine Aussprache gehabt über den Nachwuchsmangel in den technischen Berufen, insbesondere bei den Ingenieuren. Wir sind der Meinung, daß hier sehr dringend und sehr schnell etwas getan werden muß. Zu diesem Zwecke haben wir den Änderungsantrag auf Umdruck 640***) gestellt.
Ich darf zu Beginn sagen, daß bei diesem Antrag ein Schreibfehler unterlaufen ist. In der Erläuterung muß es heißen:
Zum Ausbau von zehn neuen Abteilungen an bereits bestehenden Ingenieurschulen
*) Siehe Anlage 20. **) Siehe Anlage 12. ***) Siehe Anlage 21.
18 000 000 DM und zur Gewährung von Stipendien 2 000 000 DM.
Hier ist ein Schreibfehler unterlaufen. Auf dem Vordruck steht 20 000 000 DM, es muß 2 000 000 DM heißen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat vor zwei Wochen in der Debatte erklärt, ein Ausbau dieser Ausbildungsstätten, insbesondere der Ingenieurschulen, sei auch nach Meinung der Bundesregierung dringend notwendig. Nach Meinung des Vereins deutscher Ingenieure ist eine Erweiterung der Kapazität um 50 °/o erforderlich. Wir haben vor zwei Wochen den Antrag gestellt, dieses Problem grundsätzlich zu lösen. Aber ich meine, wir können nicht warten, bis die notwendigen Erhebungen gemacht worden sind, sondern wir müssen sofort Maßnahmen hierfür treffen. Aus diesem Grunde schlagen wir Ihnen vor, daß an den bereits bestehenden Ingenieurschulen zehn neue Fachabteilungen eingerichtet werden. Wie dringend dieses Problem ist, zeigt die Entwicklung des Verhältnisses von Bewerbern an den Ingenieurschulen zu denen, die aufgenommen werden können. Die entsprechenden Zahlen werden immer katastrophaler. Es gibt Schulen, bei denen im kommenden Wintersemester nur 15 oder 20 °/o der Bewerber aufgenommen werden können. Das gilt insbesondere für die Abteilungen Maschinenbau und Elektrotechnik; und gerade der Bedarf an Ingenieuren der Fachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik ist besonders groß. Da es sich um einen Bedarf der Industrie, der Wirtschaft handelt, sind wir der Meinung, daß im Bundeshaushalt im Plan 09 eine solche Summe bereitgestellt werden muß. Ich darf darauf hinweisen, daß Sofortmaßnahmen auch im Hinblick auf die Ausbildung von Atomingenieuren, die nach Meinung aller Fachleute ebenso notwendig ist wie die Ausbildung von Wissenschaftlern, erforderlich sind.
Die Einrichtung von zehn neuen Fachabteilungen kostet den Bund rund 18 Millionen DM, wenn er willens ist, zu helfen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Schulträger durch die Einrichtung einer neuen Fachabteilung mit mehr als einer Viertelmillion jährlich an Personalmehraufwendungen belastet werden. Unabhängig von den Zuständigkeiten nehmen die Schulträger, die ja zu einem großen Teil auch die Gemeinden, die Landkreise und andere Zweckverbände sind, eine Hilfe des Bundes dankbar entgegen.
Wir sind der Meinung, daß hinsichtlich des technischen Nachwuchses auch für die Förderung von besonders begabten jungen Menschen etwas getan werden sollte, und haben deshalb in unserem Antrag vorgesehen, daß der Bund 2 Millionen DM bereitstellt. An den Berliner Schulen dieser Art studieren etwa 5600 junge Menschen, davon 1120 aus der sowjetischen Besatzungszone. Ich glaube, daß hier besonders eine finanzielle Hilfe für die Studierenden notwendig ist, und ich meine, daß für den Bund auch eine gewisse Verpflichtung besteht, und zwar deshalb, weil nachweisbar 80 % aller Studierenden der Berliner Fachschulen in der Bundesrepublik die Arbeit aufnehmen, so daß wir also den Nutzen hier in Westdeutschland haben.
Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, unserem Antrag, der im allgemeinen Interesse liegt, Ihre Zustimmung zu geben.
Wer wünscht noch das Wort zur Begründung der aufgerufenen Änderungsanträge? — Die übrigen sollen offenbar nicht begründet werden.
Wird zu den Änderungsanträgen das Wort gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Dann treten wir in die allgemeine Aussprache ein. Wer wünscht das Wort zur allgemeinen Aussprache? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ganz kurz zu unserem Antrag Stellung nehmen, den Titel zur Förderung der wirtschaftswissenschaftlichen Institute von 1,2 auf 1,5 Millionen DM zu erhöhen*).
— Wollen wir nicht ein paar Worte dazu sagen?
Ich glaube, daß das Interesse allgemein ist, und ich nehme auch an, daß einige Mitglieder des Hauses ihn aus berechtigten und vollauf verständlichen Motiven nicht selbst begründen wollen.
Wir sind der Ansicht, daß es, nachdem eine Reihe von Gehaltserhöhungen eingetreten sind, die an den wissenschaftlichen Assistenten vorbeigegangen sind, notwendig ist, eine solche Erhöhung dieses Fonds vorzunehmen, damit die Forschungsaufträge, die vom Bundeswirtschaftsministerium an diese Institute laufend gegeben werden, auch entsprechend erhöht werden können.
Wir wünschen eine Stagnation zu vermeiden. Aber wir haben diesem Antrag nur unter einer Bedingung zugestimmt: daß nicht eine Zementierung der einzelnen Forschungsaufträge Jahr für Jahr in derselben Höhe erfolgt. Wir wünschen auch das Recht des Ministeriums gewahrt zu sehen, nach seinem Ermessen Forschungsaufträge dahin zu vergeben, wo es eine solche Vergabe für richtig hält. Wir wünschen also nicht, daß dieser Fonds, wie das sich früher schon einmal anzudeuten schien, in regelmäßige Tranchen aufgeteilt wird und dann regelmäßig auch in derselben Höhe eine Verankerung im Haushalt findet. Das wollten wir von unserer Seite noch einmal ausdrücklich bemerkt haben.
Wird noch das Wort gewünscht? Wir stehen jetzt in der allgemeinen Aussprache.
Bitte, Herr Abgeordneter Kurlbaum!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir morgen im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei eine konjunkturpolitische Debatte haben, brauche ich heute zu der zur Zeit aktuellsten Meinungsverschiedenheit zwischen der Bundesregierung und unserer Fraktion auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik im einzelnen nicht zu sprechen. Ich möchte aber immerhin einiges Grundsätzliches sagen, um klarzumachen, warum wir nicht für den Etat des Bundeswirtschaftsministeriums stimmen können.
*) Siehe Anlage 23.
Nach unserer Auffassung haben es die Bundesregierung und die gegenwärtige Koalition versäumt, rechtzeitig wirksame konjunkturpolitische Maßnahmen zu treffen. Nicht erst heute, sondern schon seit ungefähr einem Jahr bietet sich in unserer besonderen wirtschaftspolitischen Lage als konjunkturpolitische Maßnahme das Mittel der Einfuhrsteigerung nach allgemeinem Urteil aller volkswirtschaftlichen Sachverständigen geradezu an. Die SPD hat daher schon im September vorigen Jahres unter anderem eine 40%ige Zollsenkung vorgeschlagen und, um dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch eine flexible Handhabe zu geben, versucht, ihm eine Zollermächtigung zu verschaffen. Erst in der vorigen Woche hat nun die Bundesregierung den Verordnungsentwurf für konjunkturpolitische Zollsenkungen vorgelegt. Auch dieser Entwurf ist nach unserer Auffassung erst teilweise ausreichend für das, was in dieser Situation getan werden muß. Nach unserer Auffassung haben erst das Versäumnis der Bundesregierung und die Haltung der Koalition die Maßnahmen der Bundesnotenbank in dem bekannten Ausmaß und damit auch die teilweise unerwünschten aus dem summarischen Charkater dieser Maßnahmen entstandenen Folgen bewirkt. Ebenso haben auch erst dasselbe Versäumnis der Bundesregierung, nämlich die Inaktivität in bezug auf konjunkturpolitische Maßnahmen, und dieselbe Haltung der Koalition das Problem der Auflösung des Juliusturms so kompliziert, daß es heute in der Tat ein Problem ist, wie dem Steuerzahler das, was er zuviel gezahlt hat, wieder zugute kommen soll. Nur mit diesen wenigen Worten wollte ich zur Konjunkturpolitik Stellung nehmen, um unsere Haltung zum Etat im ganzen kurz zu begründen.
Ich möchte die Gelegenheit, heute zum Etat des Bundeswirtschaftsministers zu sprechen, dazu benutzen, ein anderes Problem anzuschneiden, das mit der Konjunktur auch im Zusammenhang steht, zumindest in der jetzigen Konjunkturlage noch aktueller ist als sonst. Das Problem hat grundsätzliche Bedeutung und ist besonders aktuell, nachdem die Ungewißheit über den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines deutschen Kartellgesetzes in letzter Zeit wesentlich größer geworden ist. Es ist bekannt, daß bestimmte Unternehmungen nach Kriegsende der Besatzungsmacht ihre wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen oder Vereinbarungen gemeldet und nach Erledigung dieser formalen Meldepflicht mit Duldung der Besatzungsmacht ihre Praktiken einfach fortgesetzt haben. Es würde uns sehr interessieren, erstens ob das Bundeswirtschaftsministerium eine vollständige Liste solcher stillschweigend geduldeten Kartelle oder ähnlichen Vereinbarungen besitzt, zweitens ob das Bundeswirtschaftsministerium laufend das Verhalten dieser Kartelle beobachtet hat, und schließlich, welche Maßnahmen das Bundeswirtschaftsministerium auf Grund dieser Beobachtungen. gerade auch im Augenblick in Anbetracht unserer konjunkturpolitischen Lage, ergriffen hat.
Neben dem Problem der geduldeten Kartelle wird aber auch das Problem der marktbeherrschenden Unternehmungen und der marktbeherrschenden Gruppen immer bedeutsamer. Ich hatte schon im vorigen Jahre Gelegenheit. anläßlich der Debatte über den Etat des Bundeswirtschaftsministeriums die Wettbewerbspolitik des Volkswagenwerks anzusprechen, ohne allerdings in der anschließenden Debatte eine Antwort zu erhalten.
Inzwischen ist die Öffentlichkeit hellhöriger geworden, schon allein durch die öffentliche Diskussion über die §§ 17 und 38 des Kartellgesetzentwurfs.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hier muß ich leider zugestehen, daß die Angemessenheit der Treibstoffpreise mangels genauer Kenntnisse über Kosten- und Ertragslage der Mineralölgesellschaften nur schwer zuverlässig beurteilt werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir sind sehr wohl über die Lage
— er meinte der Mineralölgesellschaften —
unterrichtet, soweit sie ohne Preis- und Kostenschnüffelei deutlich gemacht werden kann.
Aus diesen Erklärungen des Herrn Staatssekretärs kann man meiner Ansicht nach schließen, daß er mindestens damals der Meinung war, daß es dem Bundeswirtschaftsministerium nur durch eine Preis- und Kostenschnüffelei möglich sei, zuverlässige Kenntnisse über die Kosten- und Ertragslage solcher marktbeherrschenden Gruppen zu erlangen. Meiner Ansicht nach war dem Herrn Staatssekretär, als er das im vorigen Jahre sagte, der Wortlaut des § 38 des Regierungsentwurfs des Kartellgesetzes offenbar nicht gegenwärtig. Für cEesen § 38 des Entwurfs hat sich übrigens im Frühjahr dieses Jahres auch die Mehrheit unseres Wirtschaftspolitischen Ausschusses im Grundsatz erklärt. Aber selbst wenn man unterstellt, daß der Herr Staatssekretär zweifellos nicht immer jeden einzelnen Paragraphen des Kartell-Gesetz-Entwurfes genau im Kopf haben kann, so kann man doch, glaube ich, eins sagen: daß er von dem Geist des Entwurfs seines Herrn und Meisters nicht gerade durchdrungen war, als er diese Ausführungen machte.
Es ist natürlich richtig, daß der Entwurf dieses Gesetzes noch kein Gesetz ist. Wir haben uns bemüht, ihn vorwärtszutreiben, sind aber immer wieder auf Schwierigkeiten gestoßen. Wir wissen heute, daß es zweifellos noch etwas dauern wird, bis wir ein solches Gesetz haben werden. Aber wir fragen die Bundesregierung: Hat es in den langen Jahren, die wir auf dieses sogenannte Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft schon warten — so hat es der Herr Bundeswirtschaftsminister selber bezeichnet —, keine anderen Wege gegeben, um sich erstens zuverlässige Unterlagen zur Beurteilung all der Fälle zu beschaffen, wo ein begründeter Verdacht auf Mißbrauch wirtschaftlicher Macht oder auf unerwünschte Einschränkungen des Wettbewerbs vorliegt, und um zweitens angesichts des Mangels einer gesetzlichen Grundlage für ein direktes Eingreifen wenigstens die Öffentlichkeit über gewisse Tatbestände zu unterrichten und die Öffentlichkeit zu mobilisieren? Den Bemerkungen des Herrn Staatssekretärs vor etwa einem Jahr möchte ich beinahe entnehmen, daß man es peinlichst ver-
mieden hat, die Öffentlichkeit über diese Vorgänge zu unterrichten.
Natürlich würde es die SPD sehr begrüßen, wenn wir heute schon ein vom Bundestag verabschiedetes Kartellgesetz besäßen. Aber die Tatsache, daß ein solches Gesetz heute noch fehlt, darf doch nicht dazu führen, daß erstens vorhandene alliierte Gesetze überhaupt nicht angewendet und zweitens vorhandene rechtliche Handhaben aus der Zeit vor 1945 weder angewendet noch unseren heutigen demokratischen Vorstellungen angepaßt werden. Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß uns der letzte Weg, nämlich die Anpassung dieser gesetzlichen Handhaben, als der richtige erscheint. Aber uns ist immerhin auch bekannt, daß das Bundesfinanzministerium sehr großen Wert z. B. darauf zu legen scheint, noch heute die alte Auskunftspflichtverordnung zu benutzen.
Ich möchte zusammenfassend sagen: Ich habe im vorigen Jahr bei dieser Gelegenheit schon erklärt, daß wir das Verhalten des Herrn Bundeswirtschaftsministers gerade gegenüber den Großmächten der Wirtschaft sehr aufmerksam beobachten und — das möchte ich heute hinzufügen — daß uns, zumindest was das konkrete Handeln, die konkreten Maßnahmen seines Ministeriums diesen Großmächten gegenüber betrifft, das vergangene Jahr nicht befriedigt hat.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute abend nicht die Absicht, zur Konjunkturpolitik zu sprechen; dazu wird morgen reichlich Gelegenheit sein. Ich möchte nur sagen, die Wintermonate mit dem ausgesprochenen Saisontief eignen sich naturgemäß nicht gerade in besonderer Weise für konjunkturpolitische Maßnahmen, ehe nicht die Auftriebskräfte in dem beginnenden 'Frühjahr klar erkennbar werden. Von diesem Augenblick an aber haben wir dem Phänomen der Konjunktur auch die notwendige Beachtung geschenkt.
Sie wissen sehr genau, Herr Kollege Kurlbaum, daß ich mich nicht erst seit heute, sondern schon seit dem vergangenen Jahr um eine Steigerung der Einfuhr bemühe, und zwar aus den verschiedensten Gründen: nicht nur um auf dem Binnenmarkt einen besseren Ausgleich von Bedarf und Deckung zu schaffen, nicht nur um dem deutschen Preisniveau dort, wo es auszuufern droht, von außen ein Limit zu setzen, sondern auch um gemäß unserer europäischen Verantwortung mitzuhelfen, daß im zwischenstaatlichen Güteraustausch nicht derart extreme Gläubigerpositionen entstehen, wie sie sich für die Bundesrepublik herausgebildet haben. Die dadurch bewirkte Verflüssigung des Geldmarktes trägt auch nicht dazu bei, konjunkturpolitisch beruhigend zu wirken. Das eine aber darf ich mit aller Deutlichkeit aussprechen: Die Senkung der Zölle ist nicht Ihre Erfindung, sondern es ist meine; Sie sind nur etwas weitergegangen.
— Aber ausgesprochen als wirtschafts- und konjunkturpolitische Notwendigkeit habe ich es früher. Ich bin bereit, den Nachweis aktenmäßig zu führen.
— Ich vertrete ja hier jetzt meinen Haushalt; morgen spreche ich für die Bundesregierung.
Was das Kartellgesetz anlangt, so kann mich niemand im Verdacht haben — Sie am allerwenigsten, Herr Kollege Kurlbaum —, daß es mir nicht genauso wie Ihnen — wie ich gerne zugebe — darauf ankäme, ein Kartellgesetz zur Wirklichkeit werden zu lassen, das den vorgestellten Zielen und Zwekken entspricht. Man kann mir auch nicht den Vorwurf machen, daß ich oder das Wirtschaftsministerium diese Arbeit etwa nicht gefördert hätte. Ich werde morgen erneut zum Ausdruck bringen, wie sehr mir daran liegt, daß der Bundestag das Kartellgesetz schnell zur Verabschiedung bringt.
Was die Kosten der Mineralölgesellschaften anlangt, so decke ich den Standpunkt meines Staatssekretärs, daß es für ein Ministerium nicht gerade ein würdiges Beginnen bedeutet, Kosten- und Preisschnüffelei zu betreiben. Hätten wir das Kartellgesetz, dann hätten wir auch die Möglichkeit und die rechtliche Handhabe, ein gemeinsames Anliegen besser zu erfüllen. Im übrigen liegt dem Hohen Hause bereits der Entwurf zur Ergänzung des Wirtschaftsstrafgesetzes vor.
Hinsichtlich der Anwendung alliierter Gesetze habe ich doch gewisse — und ich hoffe, auch Ihnen verständliche — Hemmungen, gerade strafrechtliche Verfolgungen auf solcher Rechtsgrundlage einzuleiten. Aus diesem Grunde wäre es mir besonders erwünscht, wenn ein deutsches Kartellgesetz bald Wirklichkeit würde.
Was das Verhalten gegenüber den sogenannten Großmächten der Wirtschaft anlangt, so kann ich Ihnen sagen: ich habe das allerbeste Gewissen von der Welt. Wenn es einen Wirtschaftsminister gegeben hat, der bereit war und bereit ist, in voller Objektivität und Gerechtigkeit und in Wahrung der Belange eines ganzen Volkes auch gegen Interessentenvertretungen aufzutreten und mit ihnen zu kämpfen, dann nehme ich das für mich in Anspruch.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge, zuerst über den Antrag Umdruck 674*) der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, DP, DA betreffend Kap. 09 02 Tit. 305. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Dann kommen wir zum Antrag Umdruck 669**) der Abgeordneten Ritzel und Banse betreffend Kap. 09 02 Tit. 601. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 23. **) Siehe Anlage 22.
Ich komme zum Umdruck 666*) der Abgeordneten Muckermann, Kahn-Ackermann, Frau Friese-Korn und Genossen. Es handelt sich um die Ziffer 2. In Ziffer 1 hat man 150 000 DM gestrichen. Der Betrag soll jetzt bei Kap. 09 02 Tit. 606 eingefügt werden; wie ich sehe, zu einem anderen Zweck. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich komme zu Umdruck 640**) der Fraktion der SPD betreffend Kap. 09 02 Tit. 614. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit komme ich zur Gesamtabstimmung über den Mündlichen Bericht auf Drucksache 2458 betreffend den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Wer dem Ausschußantrag auf Billigung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf
Einzelplan 10, Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
mit den Umdrucken 671, 646, 642 und 670.
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Brese.
— Es liegt ein Schriftlicher Bericht***) vor. Das Haus verzichtet demgemäß auf die Berichterstattung. Wer meldet sich zur Begründung der Anträge? — Bitte, Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 642****) legt Ihnen meine Fraktion einen Antrag vor, der in diesem Hause nicht zum ersten Mal behandelt wird. Wir haben uns in den verschiedenen Jahren darum bemüht, einen ausreichend großen Betrag für das Ingangbringen einer Schulmilchspeisung auch in Deutschland vom Bundestag bewilligt zu bekommen, weil wir der Überzeugung sind, daß es sich um eine Angelegenheit handelt, die gleichermaßen sowohl im Interesse der Erzeuger wie der Verbraucher liegt. Leider sind diese Anträge in jedem Jahr mit Argumenten abgelehnt worden, die wir nicht anerkennen konnten und die offenbar auch von denen, die sie vorgebracht haben, nicht so furchtbar ernst gemeint waren; denn immerhin findet sich in den Maßnahmen zum Grünen Plan ein allerallererster Ansatz in der Richtung einer Schulmilchspeisung in Höhe von 6 Millionen DM. Wir können uns mit dem Erfolg unseres zähen Bemühens deshalb nicht zufrieden geben, weil 6 Millionen DM eben nicht ausreichen, um die Schulmilchspeisung in Deutschland durchzuführen. Mit diesem Betrag könnte man höchstens etwas in Gang bringen, was dem einen oder anderen, der nicht gerade zu den Förderern der Milchwirtschaft und der Volksgesundheit im besonderen gehört,
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 21. ***) Siehe Anlage 24. ****) Siehe Anlage 25.
Veranlassung gäbe, zu sagen: Man sieht ja, die Leute wollen gar nicht. Das wird uns heute oft entgegengehalten gegenüber Versuchen in einzelnen Ländern, obwohl die Mißerfolge nur daran liegen, daß die Verbilligung der Schulmilch, die wirksame Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, völlig unzureichend ist. In vielen Ländern um uns herum und in Ländern, mit denen wir uns durchaus vergleichen müssen, werden seit langem sehr viel wirksamere Maßnahmen getroffen. Wir haben uns oft über den Milchpreis in England unterhalten. Dabei ist allerdings in der Regel übersehen worden, daß gerade für die Kinder die Schulmilch in großem Umfang verbilligt wird, und zwar in einem so starken Maße, daß der normale Milchpreis für die Kinder — nebenbei bemerkt für die vorschulpflichtigen Kinder ebenso wie für werdende und stillende Mütter — gar keine Rolle spielt. Wir haben von einer Studienreise durch Frankreich einen Beweis dafür mitgebracht, wie eine weitsichtige Agrarpolitik die Kinder mit der Schulmilch zu Milchverbrauchern erzieht. Das ist die Packung,
die, aus öffentlichen Mitteln finanziert, in Frankreich jedem Schulkind jeden Tag eine Mindestmenge an Milch zuführt. Wir möchten Sie also bitten, hier einmal, wie man so zu sagen pflegt, Nägel mit Köpfen zu machen, über diesen kleinen Anfang hinauszugehen und den Betrag entsprechend unserem Antrag auf 50 Millionen DM zu erhöhen. Wir glauben, daß wir dazu nach jeder Seite hin Veranlassung haben. Auch in diesem Haushaltsplan steht wieder jener fürchterliche Einnahmeposten, der bedeutendste Einnahmeposten, in Höhe von 400 Millionen DM. Diese Einnahmen stammen aus der sogenannten Abschöpfung, d. h. um diesen Betrag wird das nach Deutschland eingeführte Getreide verteuert mit all den Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Wir haben jedesmal, wenn wir darauf aufmerksam gemacht haben, die Gelegenheit benutzt, uns erneut zur Marktordnung zu bekennen und zu sagen, daß, wenn man die Marktordnung, d. h. eine Stabilisierung der innerdeutschen Getreidepreise auf einer bestimmten Höhe durchführt, diese 400 Millionen DM sozusagen unvermeidbar anfallen, daß aber der Sinn der Marktordnung keineswegs darin besteht, die Haushalte mit einem solchen Betrag zu belasten, und daß wir gerade im Interesse einer Bejahung der Marktordnung durch die Verbraucher alle Veranlassung haben, einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen oder wenigstens einen Ausgleich anzudeuten. Wir würden einen solchen Ausgleich schaffen, wenn wir einen Teil dieses Geldes in Form einer wirksamen Schulmilchsubventionierung an die Verbraucher zurückgäben.
Nach der anderen Seite ist das eine Maßnahme — auch das muß immer wieder gesagt werden —, die der Milch erzeugenden Landwirtschaft zugute kommt, die ihr in keiner Weise Schwierigkeiten macht. Es hat sich allmählich herumgesprochen, daß die Steigerung des Trinkmilchabsatzes mehr zur Rentabilität der Milchviehhaltung beiträgt als eine Butterpolitik, deren Grenzen der Herr Minister neulich selber hier schon hat erkennen lassen.
Schulmilchspeisung einzuführen, bedeutet eine sehr wesentliche Steigerung des Trinkmilchverbrauches, und zwar nicht nur durch die unmittelbare Aus-
wirkung, daß die Kinder mehr verbrauchen, sondern auch dadurch, daß man die Kinder frühzeitig daran gewöhnt, regelmäßig Milch zu verbrauchen. Entsprechend dem Sprichwort „Jung gewohnt, alt getan" ist das zweifellos auch eine agrarpolitische Maßnahme im besten Sinne des Wortes.
Mit dem Hinweis darauf, daß das nach beiden Seiten sehr vernünftig ist und daß wir uns angesichts dieser Belastung, von der ich gesprochen habe, eigentlich auf allen Seiten dazu verpflichtet fühlen sollten, bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag, nachdem nun einmal die erste psychologische Hürde übersprungen ist und es sich nur noch darum handelt, den Betrag, den der Grüne Bericht erstmalig genannt hat, so aufzustocken, daß damit wirklich etwas angefangen werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern sind in § 46 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes jährlich 100 Millionen DM bis zum Jahre 1957 vorgesehen und im Siedlungsförderungsgesetz für den gleichen Zeitraum jährlich 50 Millionen DM für die Siedlung einheimischer Bauern. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich jedoch nicht an diese gesetzlichen Bestimmungen gehalten und in den Haushaltsjahren von 1952 bis 1955 nur die Hälfte dieses Betrages in Ansatz gebracht mit dem Hinweis, daß er im Bedarfsfall Vorgriffe auf den neuen Haushalt im erforderlichen Umfang gestatten werde. Tatsächlich reichten die vorgesehenen Haushaltsmittel in den ersten Jahren auch aus, weil durch die Umstellung vom Flüchtlingssiedlungsgesetz auf das Bundesvertriebenengesetz und Lastenausgleichsgesetz mit ihren weit komplizierteren Verfahrenswegen das Tempo und der Umfang der Eingliederung sehr nachteilig beeinflußt wurden. Auf diese Weise konnte der Herr Bundesfinanzminister in den ersten vier Jahren 300 Millionen DM einsparen, leider zum Nachteil der Siedlung, insbesondere der Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern. Erst im Haushaltsjahr 1955/56 hatte die Verwaltung soweit aufgeholt, daß bereits im vierten Etatmonat die Haushaltsmittel für die Siedlung verbraucht waren. Der Herr Bundesfinanzminister sah sich nun vor der Lage, seine Zusage einzulösen und Vorgriffe auf den neuen Haushalt zu gestatten. Um die Einlösung dieses Versprechens durchzusetzen, waren zeitraubende, äußerst schwierige Verhandlungen notwendig, die erst nach vier Monaten, also erst im Oktober des Haushaltsjahres, mit der Bereitstellung von 60 Millionen DM zum Ziel führten. Durch diese unerfreuliche und unverständliche Verzögerung in der Bereitstellung der erforderlichen Siedlungsmittel trat erneut eine starke Behinderung der Siedlung und eine Beunruhigung in den Kreisen der Siedlungsbewerber ein.
Leider hat der Herr Bundesfinanzminister im vorliegenden Haushalt der allgemeinen Entwicklung trotz der Verzögerung, die mit der Vorgriffmethode verbunden war, nicht Rechnung getragen. Er hat lediglich den unzureichenden Ansatz des Vorjahres um die 60 Millionen DM Vorgriffe erhöht. Da aber die Vorgriffe bei Beginn des neuen Haushaltjahres nach der Reichshaushaltsordnung
gedeckt werden müssen, stehen für das neue Haushaltsjahr nur die gleichen unzureichenden Mittel wie in den Vorjahren zur Verfügung.
Nach den Erfahrungen des letzten Jahres werden aber an laufenden Siedlungsmitteln für das Haushaltsjahr 150 bis 170 Millionen DM gebraucht. Dazu kommen 60 Millionen DM zur Deckung der Vorgriffe und schließlich 15 Millionen DM an die Siedlungsträger zur Durchführung ihrer Aufgaben. Um den notwendigen Bedarf zu decken, müssen die für die Siedlung angesetzten Mittel von 150 Millionen DM auf mindestens 225 Millionen DM erhöht werden. Dies ist unbedingt notwendig, da sich die Zusagen des Herrn Bundesfinanzministers auf Vorgriffe in der Realisierung als sehr problematisch und in der Sache nachteilig erwiesen haben. An dieser Tatsache ändert auch nichts der Umstand, daß aus den Vorgriffen noch ein Überhang besteht. Die Ursache dafür liegt einzig und allein im Versagen des Finanzministeriums, weil es nicht in der Lage war, rechtzeitig die Vorgriffe bereitzustellen, nicht aber im Versagen der Länder, weil sie nicht rechtzeitig die Mittel abgerufen hätten.
Derselbe Antrag, den heute meine Fraktion dem Hohen Hause vorlegt, wurde von mir im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingebracht und fand dort einstimmige Annahme. Leider hat der Haushaltsausschuß die Empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht berücksichtigt und der unzureichenden Regierungsvorlage zugestimmt.
In Anbetracht der Tatsache, daß der Herr Bundesfinanzminister in den letzten Jahren bei der Siedlung 300 Millionen DM eingespart hat, und der Tatsache, daß für den Grünen Plan fast 1 Milliarde DM bereitgestellt wurde, hätte man aus Billigkeitsgründen erwarten können, daß für eine so anerkannt wichtige und bedeutsame Aufgabe wie die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern die zusätzliche Summe von 60 Millionen DM zum mindesten im Rahmen des Grünen Plans untergebracht worden wäre.
Zur Deckung der Kosten, die die Verwirklichung meines Antrages erfordert, schlage ich vor, die beantragte Summe von 60 Millionen DM in die für den Grünen Plan bereitgestellten Mittel einzuplanen. Meine Damen und Herren, bei einer sechsprozentigen Kürzung der Etatmittel des Grünen Planes zugunsten der Siedlung ist dies auch ohne fühlbare Benachteiligung der übrigen grünen Maßnahmen möglich.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrage zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Meine Herren und Damen! Vor Ihnen liegt der Antrag Umdruck 670*) auf Erhöhung eines Zuschusses für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung um 90 000 DM. Damit Sie sich entscheiden können, muß ich Ihnen über die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ein wenig sagen. Sie hat sich 1953 aus verschiedenen Organisationen der Ernährungswissenschaft gebildet. Geführt und unterstützt wird sie von namhaften Wissenschaftlern, z. B. Professor Kraut vom Arbeits-
') Siehe Anlage 27.
physiologischen Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Professor Dr. Lang vom Physiologisch-chemischen Institut der Universität Mainz, Professor Mellinghoff von der Städtischen Ferdinand-Sauerbruch-Krankenanstalt in Wuppertal, Professor Cremer aus Mainz, Professor Oberdisse aus Düsseldorf und anderen bedeutenden Wissenschaftlern. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie die Seriosität dieser Gesellschaft sehen. Diese Herren stehen der Gesellschaft für Forschungsarbeiten über allgemeine Ernährung, Krankenernährung und für den Ernährungsberatungsdienst zur Verfügung.
Die Gesellschaft hat sich die Aufgabe gestellt, durch Forschung und durch Auswertung der Forschung zu ihrem Teil zu einer gesunden und vollwertigen Ernährung beizutragen und damit den Kampf gegen die Zivilisationskrankheiten und um die Erhaltung der Gesundheit unseres Volkes aufzunehmen. Durch den Ernährungsberatungsdienst mit fachlich besonders gut geschulten Diätassistentinnen unter Leitung von Ärzten leitet sie durch Lehrgänge, Kurse, durch Vorträge und Erstellung von Lehrmaterial Lehrkräfte von städtischen und ländlichen Hauswirtschaftsorganisationen und Institutionen an. Sie unterrichtet Beratungs- und Führungskräfte von Verbraucher- und Hausfrauenorganisationen und kümmert sich um die Weiterbildung der Fachkräfte im Sinne der Erkenntnisse einer modernen Ernährung.
Bisher ist diese Gesellschaft im Etat des Bundesernährungsministeriums bezuschußt worden mit 125 000,— DM. Die Gesellschaft benötigt, um eine wirklich effektive Arbeitsleistung aufweisen zu können — Sie wissen, wenn man halbe Arbeit macht, ist es manchmal nicht mehr, als wenn man sie ganz unterließe —, zusätzlich 90 000,— DM, und zwar u. a., um eine bessere Auswertung der Arbeit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter zu erzielen und auch um mehr Lehrkräfte einzustellen zur Bewältigung der Nachfrage nach Diätassistentinnen für die Leitung von Kursen, wie ich sie soeben schilderte. Sie braucht diese zusätzlichen Mittel aber auch, um die wirklich große Unterbezahlung dieser Lehrkräfte auszugleichen.
Dazu kommt, daß bisherige Einnahmen, die die Gesellschaft von Einzelunternehmen und von Fachorganisationen bekam, weitgehend wegfallen, und zwar aus sehr verständlichen Gründen: weil die objektive Arbeit dieser Gesellschaft keinen Platz für Interessentenwünsche offenläßt. Infolgedessen werden auch die Dotierungen allmählich geringer.
Ich möchte noch betonen, daß die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihre Arbeit auch in die Länder trägt. Das ist so gut gelungen, daß einige Länder dauernd von dieser Einrichtung Gebrauch machen und schon ständige Ernährungsberaterinnen zur Verfügung gestellt haben. Meine Kollegin Frau Strobel wird bei der Betrachtung des Etats des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Wichtigkeit dieser Arbeit noch ganz besonders eingehen. Wir stehen auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik absolut im Anfang, und ich glaube, Sie sind mit mir einer Meinung, daß es wünschenswert ist, daß wir diese sehr wichtige Aufgabe aus öffentlichen Mitteln nach Kräften und soweit es den Umständen nach angemessen ist, fördern. Für uns alle ist sicher die Erhaltung und die Verbesserung der Volksgesundheit ein wichtiges Anliegen. Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen, der von fast allen Fraktionen unterstützt ist und dem sich auch der Ernährungsausschuß fast einstimmig angeschlossen hat.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Lockmann.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit Umdruck 671 legen Ihnen die erklärten Naturfreunde aller Fraktionen einen Antrag vor, der dahin geht, den jetzt in den Etat eingesetzten Zuschuß für den Verein Naturschutzpark e. V. von 100 000 DM auf 250 000 DM zu erhöhen. Der Grund dafür ist durch folgendes gegeben: Der Verein Naturschutzpark hat hier in Bonn eine Kundgebung veranstaltet, die einen ungeheuren Eindruck auf die Öffentlichkeit gemacht hat und die auf die Notwendigkeit der Aufgaben, die sich der Naturschutzpark gestellt hat, hingewiesen hat. Er hat diese Kundgebung unter dem Motto durchgeführt: Schafft große lärmgeschützte Naturschutzparke zum Wohle der Ruhe und Erholung Suchenden, zum Nutzen von Forschung und Wissenschaft! Grund zu dieser Kundgebung war die Erkenntnis, daß der heute lebende Mensch immer mehr in der Gefahr steht, Opfer der ständig wachsenden Rationalisierung und der Technisierung zu werden. Erinnern wir uns daher rechtzeitig daran, daß Erholung, Ruhe und Selbstbesinnung keine überholten Begriffe sind!
Die Frage ist nun, ob wir in Deutschland überhaupt Raum genug für die Errichtung von Naturschutzparken haben? In den Bayerischen Alpen kann man bei gutem Willen leicht zwei Naturschutzparke schaffen. Das Gebiet um den Königssee wartet darauf, durch Sondergesetz als Naturschutzgebiet gesichert zu werden. Im Bayerischen Wald, im Spessart, auf der Schwäbischen Alb, im Schwarzwald, in der Eifel , im Solling, im Harz und im Sauerland sind Landschaftsgebiete, die vor dem Zugriff des technischen, industriellen Fortschritts bewahrt werden sollten. Der Bundestag sollte daher bemüht sein, der Naturschutzbewegung den ihr gebührenden Rang zu verschaffen. Er sollte damit der Öffentlichkeit und den Länderparlamenten bekunden, auf welch breiter Basis die Bewegung steht.
Entstanden ist die Forderung nach großen Naturschutzgebieten aus der zunehmenden Bevölkerungsdichte. Schon um die Jahrhundertwende war Deutschland ein relativ dicht besiedeltes Land. Im Jahre 1909 wies das Bundesgebiet eine Einwohnerzahl von etwa 39 Millionen auf, mit 160 Einwohnern je Quadratkilometer. Im Jahre 1950 betrug die Einwohnerzahl 47,6 Millionen mit 194 Einwohnern je Quadratkilometer. Im Jahre 1955 war die Einwohnerzahl auf 50 Millionen gestiegen, und das Bundesgebiet hat heute eine Bevölkerungsdichte von annähernd 200 Einwohnern je Quadratkilometer. Diese Zahlen zeigen mit erschreckender Deutlichkeit, daß ein großer Teil unserer Bevölkerung kein Plätzchen mehr an der Sonne hat. Die Leidtragenden sind naturgemäß in erster Linie die Einwohner unserer Städte.
Welches Bild bietet sich nun in anderen Ländern? Das volkreiche Japan hat 1,5 Millionen ha in 17 Naturschutzparken. Großbritannien beschloß 1949, in kürzester Frist 12 Naturschutzparke allein für England und Wales zu schaffen; bis Ende 1955 wurden 10 Parke mit zusammen 300 000 ha bereit-
gestellt und daneben 30 000 ha ausschließlich für Zwecke von Forschung und Wissenschaft. Holland, ein wie wir durch Krieg schwer geprüftes Land mit um 50 % größerer Bevölkerungsdichte, hat in den letzten zwanzig Jahren neben zahlreichen kleinen Naturschutzgebieten drei Nationalparke mit 45 000 ha geschaffen. Seine Regierung beschloß im letzten Jahr, bis auf weiteres jährlich 3 Millionen Gulden, d. h. 3,3 Millionen DM, für zusätzlichen Ankauf von Land für Naturschutzparke zur Verfügung zu stellen.
Der hörbare Ruf: Schafft Naturschutzparke! ergeht mit dem vorliegenden Antrag auch an den Deutschen Bundestag. 100 000 DM im Etat des Ernährungsministeriums sind ein Anfang, hat Herr Minister Lübke in der Kundgebung des Vereins Naturschutzpark gesagt. Nicht Anfang, sondern echter Start soll durch den vorliegenden Antrag, den Ansatz auf 250 000 DM zu erhöhen, geschaffen werden.
Der Lüneburger Heide sind durch die Panzerübungen der britischen Armee schwere Wunden geschlagen worden. Diese Wunden zu heilen, wird viele Jahre dauern. In dem Antrag liegt auch eine gewisse Wiedergutmachung für den Naturschutzpark Lüneburger Heide.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie jetzt, welch ein winziger Betrag gegen etwa 10 Milliarden Wehretat!
In Prozenten kaum auszurechnen.
Hier geht es um Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit und um die Stärkung der Heimatliebe. Es bleibt zu hoffen, daß das künftige Netz deutscher Naturschutzparke durch den schon vorhandenen Kranz europäischer Parke ergänzt wird zu einer erholsamen europäischen Wanderung quer durch alle deutschen und europäischen Länder.
— Ich habe ausdrücklich gesagt, daß durch unsere Haltung die Haltung der Länder beeinflußt werden kann. Außerdem muß gesagt werden, daß die Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen ihr Teil als Beitrag geleistet haben.
— Nicht so gering!
Hamburg hat 50 000 DM gegeben.
Das ist die Hälfte von dem, was der Bundestag sich jetzt bemüht hat zu geben.
— Es ist keine Ländersache. Sie können unmöglich etwa sagen, daß die britischen Panzer, die durch die Lüneburger Heide gefahren sind, eine
Ländersache gewesen seien und daß die Erholung der deutschen Menschen eine Ländersache sei.
Es handelt sich um ein echtes Anliegen, und der Bundestag sollte sich dem nicht verschließen. Folgen Sie meiner Bitte, diesem Antrag zum Etat des Ernährungsministeriums stattzugeben. Ich glaube, als stärksten Befürworter des Antrags finde ich Herrn Minister Lübke selber.
Es spricht Herr Staatssekretär Hartmann in der Debatte über die Anträge.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Antrag ist ein typisches Beispiel dafür, wie man haushaltswirtschaftlich nicht verfahren soll.
Selbstverständlich sind wir alle dafür, die Naturschutzparke zu pflegen und zu fördern.
Ich glaube, das steht hier überhaupt gar nicht zur Debatte. Aber zwei Fragen sind vorhin nicht erörtert worden, erstens, ob es eine Bundes- oder eine Länderaufgabe ist, und zweitens, soweit der Bund sich daran zu beteiligen hat, welcher Betrag dann angemessen ist. Wir sind der Ansicht, daß es überhaupt eine Länderaufgabe ist.
Der Haushaltsausschuß hat sich aber entschlossen, 100 000 DM für diesen Zweck einzusetzen.
Ich darf kurz die Beträge nennen, die die Länder zur Verfügung gestellt haben: das sind Hamburg mit 50 000 DM, Bremen mit 20 000 DM, Niedersachsen mit 30 000 DM, zusammen 100 000 DM. Wenn man also den Bundesbeitrag, der ja nur subsidiär sein kann, in ein angemessenes Verhältnis dazu bringen will, wären 50 000 DM schon eine ganz hübsche Summe. Die könnte man vielleicht auf die Lüneburger Heide beziehen. Wenn der Haushaltsausschuß 100 000 DM beschlossen hat — dagegen will ich mich in diesem Augenblick gar nicht wenden wären im Vorwege für andere Aufgaben als die Lüneburger Heide schon 50 000 DM vom Haushaltsausschuß bestimmt.
Nun ist es aber ganz wesentlich, daß sowohl der Verein wie das Ernährungsministerium überhaupt nur die 100 000 DM beantragt haben, die der Haushaltsausschuß bewilligt hat.
Wohin kommen wir denn, wenn hier weit mehr Geld ausgegeben werden soll, als der Interessent, nämlich der Verein für den Naturschutzpark, selber haben will!?
Außerdem hat der Verein überhaupt nur Unterlagen über das Projekt Lüneburger Heide gebracht, und das hat der Haushaltsausschuß gewürdigt. Wie ich gehört habe, denkt er noch an andere Naturschutzparke, z. B. an ein Gebiet in den Hohen Tauern in Österreich. Darüber liegen überhaupt noch keine Unterlagen vor. Man kann doch für solche
unreifen Projekte keine Etatmittel bewilligen! Ich darf daher dringend bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst kurz zu zwei Anträgen Stellung nehmen; es sind die Umdrucke 642 und 646.
Zu Umdruck 642*) möchte ich grundsätzlich sagen, daß ich den Ausführungen des Kollegen Kriedemann, soweit sie die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Schulmilchspeisung angehen, durchaus zustimme. Sie wissen auch, daß lange Zeit Bemühungen in diesem Hause waren, die Dinge endlich zum Schwur zu bringen. Das ist im Grünen Plan geschehen, aber genau nach denselben Grundsätzen, die wir auch sonst im Grünen Plan beachtet haben. Wir haben bei solchen agrarpolitischen Förderungsmaßnahmen, die von Schritt zu Schritt stärker wirksam werden sollen, die Länder und Gemeinden nicht aus dem Spiele gelassen, wenn es sich darum handelte, die Lasten zu tragen.
Wir haben in Süddeutschland, in Mitteldeutschland und in Norddeutschland die verschiedensten Methoden der Förderung der Schulmilchspeisung, besonders zweckmäßige in Hamburg, in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg. Ich darf sagen, daß andere Länder sich sowohl in der Methode als auch in der Behandlung der Dinge vollständig von diesen unterscheiden. Es hängt wesentlieh mit von der Mitarbeit der Gemeinden ab, ob die Schulmilchspeisung in dem betreffenden Ort überhaupt in Gang kommt.
Es ist nicht einmal möglich, das vom Lande aus zu organisieren, geschweige denn vom Bund aus. Wenn wir also hier den zweiten Schritt gewissermaßen vor dem ersten tun und die gesamten Lasten auf den Bund legen wollten, würde diese Summe, Herr Kollege Kriedemann, auch noch nicht genügen; dann müßten wir auch mehr haben.
Wenn wir die Summe von 6 Millionen DM vom Bund aus, 6 Millionen DM von den Ländern aus und 6 Millionen DM von den Gemeinden aus — die bei der großen Zahl der Gemeinden keine ungewöhnliche Belastung für die einzelne Gemeinde darstellen —, in diesem Jahre sinnvoll ausgeben wollen, wäre ich schon sehr zufrieden über das außerordentlich günstige organisatorische Ergebnis, das dann erreicht wäre.
Ich persönlich glaube, man darf die Länder und Gemeinden hier nicht aus der finanziellen Teilnahme entlassen.
Nun zu dem Antrag des Herrn Kollegen Elsner**) ! Herr Kollege Elsner,
wir sind in keinem einzigen Jahre bei der Ansiedlung von Vertriebenen und Einheimischen aus Man*) Siehe Anlage 25. **) Siehe Anlage 26.
gel an Geldmitteln behindert worden. Der Herr Finanzminister hat uns in den früheren Jahren zugesagt, er werde im Vorgriff auf das nächste Jahr die erforderlichen Finanzierungsmittel beschaffen. Wir haben diesen Vorgriff ständig in Anspruch nehmen müssen, jedenfalls in der Zeit, in der ich im Amt bin. Darüber hinaus haben wir aber in diesem laufenden Jahr eine Erhöhung im Etat um ungefähr 60 Millionen DM und die Zusage auf einen weiteren Vorgriff für weitere 60 Millionen DM. Ich bin nicht der Meinung, daß die Siedlung unter diesen Umständen in Verlegenheit kommen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß der Minister wenigstens im Grundsatz dem Anliegen zustimmt. Es schwebt uns keineswegs vor, daß der Bund die gesamten Kosten übernimmt. Wir sind uns darüber klar, daß eine attraktive Finanzierung einer ausreichenden Schulmilchversorgung mit 50 Millionen DM keineswegs zu bezahlen wäre. Wir müßten dann einen höheren Betrag einsetzen. Wir denken durchaus daran, daß Länder und Gemeinden sich beteiligen
— Moment! —, und wir halten es für richtig, daß sich auch die Eltern in irgendeiner Weise, die unterschiedlich sein kann, an der Sache beteiligen. Die Beteiligung muß allerdings nur mit einem so geringen Betrag erfolgen, daß die Sache nicht an dem Betrag scheitert. Denn es gibt nun mal in unserem Lande eine ganze Menge von Familien, die so viele Kinder in die Schule schicken, daß auch eine Verbilligung auf 10 Pfennig für die Milchspeisung noch zu hoch wäre. Wir möchten also so weit wie möglich heruntergehen, aber, wie gesagt, keineswegs alles auf den Bund übernehmen. Nur möchten wir nicht, daß man sagt, die Länder und die Gemeinden oder etwa unter Umständen die Eltern müßten noch den gleichen Betrag aufbringen. Es könnte sich herausstellen, daß in dem einen oder anderen Land das doch eine Bremse wäre, die zugunsten des Finanzministers wirksam würde, und ich möchte den Zuschuß der Länder und Gemeinden eben nicht auf die Leistungen des Bundes, sondern auf die Leistungsfähigkeit der Länder abgestellt haben. Darüber wird sich zwischen Bund und Ländern sicherlich ein Einverständnis erzielen lassen.
Ich wollte hier nur noch einmal klarstellen, daß wir nicht die Absicht haben, das Ganze auf den Bund zu übernehmen, schon weil uns dann der Betrag nicht ausreichend erscheinen würde.
Ein letztes Wort, Herr Minister. Wenn Bund, Länder und Gemeinden je 6 Millionen DM zusammenbrächten, also dann 18 Millionen DM zur Verfügung stünden, würde das eben ein Schulmilchprogramm in der notwendigen Weise nicht in Gang bringen. Es gibt Maßnahmen, die müssen langsam anlaufen. Zu deren Durchführung braucht man die Erfüllung gewisser Voraussetzungen und Zeit. Man kann sie nur allmählich anlaufen lassen. Aber die Schulmilchspeisung gehört nicht dazu.
Wird noch das Wort zu den Änderungsanträgen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Agrarpolitik der Bundesregierung ist gelegentlich der Behandlung des Grünen Planes hier so ausgiebig debattiert worden, daß wir der Meinung sind, es sei heute nicht notwendig, das zu wiederholen.
Außerdem befinden wir uns in diesem Hause bezüglich der Maßnahmen aus dem Grünen Bericht ja weitgehend in Übereinstimmung. Wir haben das damals mit den Einschränkungen, die der Redner meiner Fraktion, der Kollege Kriedemann, hier vorgetragen hat, zum Ausdruck gebracht. Ich möchte hierzu also nur bemerken, daß es natürlich bezüglich der Durchführung der Maßnahmen heute schon erhebliche Kritik draußen gibt, daß es mir aber sehr viel wirksamer erscheint, wenn wir uns über diese Dinge im Ernährungsausschuß und nicht hier unterhalten.
Ich darf, da die 6 Millionen DM für die Schulmilch ja in den Maßnahmen des Grünen Plans untergebracht sind, noch einen Satz oder zwei Sätze dem hinzufügen, was mein Kollege Kriedemann gesagt hat.
Einmal befürchte ich, daß wir, wenn die Bestimmung bestehen bleibt, daß die 6 Millionen DM nur gegeben werden, wenn sich die Gemeinden und Länder im gleichen Maße beteiligen, die kleinen Gemeinden auf alle Fälle von der Möglichkeit, vom Bund Mittel für eine Schulmilchspeisung zu bekommen, ausschließen;
denn die kleinen Gemeinden werden nicht in der Lage sein, eine solche Aufgabe zu finanzieren. Gerade auf dem flachen Lande ist die Schulmilchspeisung aber genau so nötig wie in den Großstädten.
Ein Zweites! Wir waren uns bei der Unterhaltung mit dem Bundesernährungsministerium über diese Maßnahmen einig, daß einschränkende Bestimmungen für die Hergabe der Milch — z. B. verbilligte oder kostenlose Abgabe dieser Milch nur für Kinder minderbemittelter Familien — auch nicht gut sind, weil diese Kinder keinesfalls in der Schule schon nach den materiellen und sozialen Verhältnissen der Familien, in denen sie leben, abgestempelt werden dürfen. Es gibt also schon eine Reihe Argumente. Wir haben sie oft hier ausgesprochen. Man braucht sie nicht zu wiederholen.
Nun aber zum Gesamthaushalt. Ich kann leider nicht sagen, daß wir uns mit allen Teilen der Politik des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in so weitgehender Übereinstimmung befinden wie z. B. mit den Maßnahmen im Rahmen des Grünen Plans. Durch diese Maßnahmen sind unsere Vorstellungen von einem Landwirtschaftsetat wesentlich mehr erreicht worden, als das vorher der Fall war. Aber die Ernährungspolitik und die mit dem Verbrauch der in der Landwirtschaft erzeugten Produkte zusammenhängenden Probleme scheinen uns bisher wesentlich zu kurz gekommen zu sein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich darauf aufmerksam machen, daß Sie im Schriftlichen Bericht die Angabe finden, daß der Haushalt des Bundesernährungsministeriums ohne den Grünen Plan 671 Millionen DM an Ausgaben umfaßt. Wenn ich davon die 15 Millionen DM Kosten für das Ministerium abrechne und in Betracht ziehe, daß von den verbleibenden 656 Millionen DM 2,5 Millionen DM für die Forschung und Beratung auf dem Gebiet der Ernährung und Hauswirtschaft ausgegeben werden, dann muß ich sagen: das ist eigentlich eine erschütternde Zahl. Im Haushalt des Ernährungsministeriums finden wir z. B. die Mittel für die Bundesanstalt für Lebensmittelfrischhaltung, für die Bundesanstalt für Hauswirtschaft, Zuschüsse für Einrichtungen und Vereine auf dem Gebiet der ernährungswissenschaftlichen Forschung und für Verbraucher- und ernährungspolitische Aufklärung. Für die Erzeugung der Produkte werden 99,5 % dieses Etats ausgegeben, für die Verwendung der Produkte 1/2 %.
Ich glaube, es ist dringend notwendig, daß man sich diese Zahlen einmal vergegenwärtigt und angesichts dieser Situation Überlegungen anstellt, ob das richtig ist, wenn man bedenkt, daß 25 % unseres Volkseinkommens für die Ernährung ausgegeben werden und daß 50 % des Volkseinkommens durch die Hand der Hausfrau für die gesamte Hauswirtschaft ausgegeben werden.
Ich weiß, es gibt da Überschneidungen. Man kann nicht einfach das Bundesernährungsministerium für die Hauswirtschaft verantwortlich machen. Aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß die Bundesforschungsanstalt für Hauswirtschaft zum Zuständigkeitsbereich des Ernährungsministeriums gehört, und daran knüpfe ich an. Bitte, vergegenwärtigen Sie sich einmal die Bedeutung der Hauswirtschaft von der Arbeitsleistung und vom Arbeitserfolg der Hausfrauen her und stellen Sie dem 1/2 % der Ausgaben eines so umfangreichen Haushalts gegenüber! Gewiß, wir haben die Bundesforschungsanstalt. Aber wo haben wir die Beratung für die städtische Hauswirtschaft, die das, was gegebenenfalls in der Bundesforschungsanstalt erarbeitet wird, nun auch an die Haushalte weitergibt?
Gewiß, es gibt Beratungsstellen der privaten, Wirtschaft. Aber diese beraten — und das ist ihr gutes Recht — natürlich unter dem Gesichtspunkt des größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolges für sich selber und nicht in erster Linie unter dem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt, wie die Hauswirtschaft nun tatsächlich am besten der Allgemeinheit dient.
Für die Bundesforschungsanstalt für Hauswirtschaft in Hohenheim und in Godesberg sind ganze 500 000 DM im Etat vorgesehen. Schon daraus mögen Sie ersehen, daß diese Anstalten keineswegs der Aufgabe gerecht werden können, die sich aus der Notwendigkeit und der Bedeutung der Hauswirtschaft ergibt. Gerade die städtische Hauswirtschaft scheint uns dabei völlig zu kurz zu kommen. Es gibt dabei sehr vielfältige Probleme. Ich möchte das nicht alles im einzelnen aussprechen. Ich will es nur einmal angetippt haben, damit man in dieser Richtung Überlegungen anstellt. Bitte, denken Sie daran, wieviel kostbares Volksgut hier von den Frauen verwaltet wird. Das läßt sich ma-
teriell überhaupt nicht ausdrücken. Ich weiß, man kann infolge der Überschneidungen nun schwer schon einen Plan vorlegen. Ich weiß auch, daß man einiges reifen lassen und sich bezüglich der Finanzierung Gedanken machen muß. Aber bitte — vor allen Dingen geht diese Bitte an den Bundesernährungsminister — vergessen Sie das nicht!
Ein zweiter Teil, der sehr ernst angesprochen werden muß, ist die Ernährungspolitik als solche. Es muß nicht naturnotwendige Gegensätze zwischen den Interessen der Bauern und der Verbraucher geben. Ich hatte auch und mit mir, glaube ich, sehr viele Verbraucher die Hoffnung, daß in der Person des Bundesernährungsministers Lübke eine gewisse Garantie liegt, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht nur Landwirtschaftspolitik macht, sondern auch Ernährungs- und Verbaucherpolitik. Ich muß allerdings heute sagen, im letzten Jahr haben sich diese Hoffnungen nicht erfüllt. Ich habe etwas den Eindruck, daß der Bundesernährungsminister dem Druck der Grünen Front in letzter Zeit so stark erlegen ist, daß er zu einem reinen Bundeslandwirtschaftsminister geworden ist.
Dafür einige Beispiele, ohne daß ich in der Lage bin, darüber heute näheres auszuführen, weil die Konjunkturdebatte morgen stattfindet. Daß sich der Bundesernährungsminister so sehr vor die Agrarzölle gestellt hat in einer Zeit, in der die Lebensmittelpreise steigen, ist für mich ein bedauerlicher Vorgang. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Senkung der Agrarzölle nicht erfolgen soll, um damit konjunkturdämpfende Maßnahmen bei der Landwirtschaft zu erreichen, sondern daß sie erfolgen soll, um weitere Preissteigerungen auf dem Gebiet der Lebensmittel aufzuhalten.
Auch die Politik der Einfuhr- und Vorratsstellen, Herr Minister, die Ihren Weisungen unterliegen, läßt nach meiner Meinung keinesfalls erkennen, daß es dem Bundesernährungsministerium in erster Linie um die Interessen der Verbraucher geht. Das ist ein sehr umfangreiches Gebiet, über das ich mich hier auch nicht weiter verbreiten kann. Ich erinnere an unsere Aussprache gelegentlich unserer Großen Anfrage über die Preisabsichten der Bundesregierung. Dort haben wir konkrete Beispiele dafür angeführt. Ich möchte aber wenigstens einige Sätze aus dem letzten Bericht der Bank deutscher Länder zitieren, die immerhin auf diesem Gebiet dieselben Sorgen zu haben scheint wie wir. Es heißt da wörtlich:
Daß die landwirtschaftliche Produktion nur allmählich gesteigert werden kann und daß sie zur Zeit, besonders soweit es sich um hochwertige Nahrungsmittel handelt, wesentlich langsamer wächst als die nominelle Verbrauchernachfrage, ist bekannt. Für die Preisentwicklung ist das um so schwerwiegender, als die Einfuhr der meisten landwirtschaftlichen Produkte einer mengenmäßigen Regulierung unterliegt, die vielfach nicht so gehandhabt wird, daß mit Hilfe der Einfuhr ein voller Ausgleich kommt.
Soweit die Bank deutscher Länder zu der Politik der Einfuhr- und Vorratsstellen und der Handelspolitik auf dem Gebiet der Ernährungsgüter, für die das Ministerium zuständig ist.
Ich muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß z. B. die Milchpreiserhöhung auch nicht in dem notwendigen Maße unter dem Gesichtspunkt ernährungspolitischer Notwendigkeiten gesehen worden ist. Man kann heute in der Zeitung lesen, daß nach einem Bericht des Hauses für Milchwirtschaft in Bayern der Milchkonsum in Bayern in der letzten Mai-Woche um 9 % niedriger lag als in der Mai-Woche des vorigen Jahres.
— Sie mögen recht haben, daß das Wetter dabei eine gewisse Rolle spielt, aber ich glaube, Herr Bauer, Sie werden die Erfahrung machen, daß es nicht nur das Wetter ist. Das wird sich in den nächsten Monaten leider zeigen. Ich gebe das zu bedenken, nicht etwa, weil ich der Meinung bin, die Bauern würden für ihre Milch zuviel bekommen. Ich bin der gegenteiligen Meinung; ich bin aber der Auffassung, daß man andere Maßnahmen hätte ergreifen müssen.
Ich muß, wenn ich mit dem Ernährungsminister über seine Aufgaben zu sprechen habe, darauf aufmerksam machen, daß er die Ernährungsseite unserer Meinung nach besser beachten muß. Er ist meiner Meinung nach auch im Kampf mit dem Finanzminister um die Senkung der Verbrauchsteuern nicht erfolgreich gewesen. Denn wenn es z. B. um den Zuckerpreis und die Senkung der Zuckersteuer geht, müßte der Bundesernährungsminister allen voran die völlige Beseitigung der Zuckersteuer verlangen. Vielleicht hat er das im Kabinett getan und ist gescheitert; das ist möglich. Aber uns interessiert hier das Ergebnis.
Ich darf auch noch darauf aufmerksam machen, daß es auch sehr angenehm wäre, wenn sich der Herr Bundesernährungsminister in Fragen des Lebensmittelrechts im Sinne seiner Reden, die er jetzt z. B. auf dem Fruchtsaftkongreß gehalten hat, auch tatsächlich durchsetzte. Ich habe bis jetzt nicht den Eindruck, daß das sehr erfolgversprechend ist.
Herr Minister, darf ich Sie da auf etwas aufmerksam machen, was zumindest Sie, sogar als Landwirtschaftsminister, versäumt haben. Wir haben in den letzten Wochen in dem Landwirtschaftsausschuß des Bundestages das Viehseuchengesetz behandelt. Es ist meiner Kollegin Keilhack aufgefallen, daß, obwohl die Bundesregierung nach der Mitteilung des Herrn Staatssekretärs Lex seit mehr als einem Jahr von der Salmonella-Gefahr weiß, in diesem Entwurf der Bundesregierung zum Viehseuchengesetz keine Maßnahme enthalten war, die die Gefahren, die sich aus der Einfuhr von salmonellahaltigem Viehfutter ergeben, beseitigt. Frau Kollegin Keilhack hat einen entsprechenden Antrag zum Viehseuchengesetz gestellt, und wir waren uns einig, daß etwas geschehen muß. Aber wenn es schon vor einem Jahre geschehen wäre, hätten wir heute nicht in der Zeitung zu lesen brauchen, daß in Hamburg vier Säuglinge an Salmonellainfizierung gestorben sind. Ich muß das hier noch einmal mit allem Nachdruck sagen, weil ich der Meinung bin, wenn solche Dinge vorkommen, müßten die zuständigen Bundesminister eigentlich überhaupt nicht mehr schlafen können. So ernst sind diese Dinge.
Und ein Letztes. Kollege Kriedemann hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß der Landwirtschaftsetat weitgehend aus den Abschöpfungsbe-
trägen finanziert wird. 400 Millionen DM werden in dem kommenden Haushaltsjahr dem Verbraucher wieder mehr abgenommen, als im Vergleich mit dem Preis für eingeführtes Getreide notwendig wäre.
— Bitte, wir wollen hier nicht das System kritisieren — das läßt sich vielleicht nicht ändern —, zumindest nicht im Augenblick. Ich will nur sagen: wenn schon 400 Millionen DM vom Verbraucher zu den Einnahmen dieses Etats beigetragen werden, um wieviel berechtigter ist dann die Forderung, daß man auch auf der Ausgabenseite dieses Haushalts mehr für den Verbraucher findet, als bis jetzt drin ist.
Ich muß zusammenfassend sagen: Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist bisher die Ernährung und die Hauswirtschaft zu kurz gekommen. Ich könnte mir vorstellen, daß man das ändert.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zu den Ausführungen von Frau Kollegin Strobel einiges bemerken. Sie haben erklärt, daß der Ernährungspolitik im Rahmen der Arbeit meines Ressorts nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt würde. Der Pfad, den der Ernährungs- und Landwirtschaftsminister zwischen Interessen der Verbraucher und Interessen der Erzeuger zu gehen hat, ist ungewöhnlich schmal. Wenn Sie wüßten, wie aktiv beide Seiten ihre Interessen vertreten, dann würden Sie mir zustimmen, wenn ich Ihnen sage: wenn ich überhaupt gesund aus diesem Amt scheiden sollte, dann ist das nur möglich, wenn ich diesen schmalen Mittelweg eingehalten habe.
Dabei sind die Verbraucher durchaus nicht zarter besaitet als die Erzeuger; das darf ich Ihnen auch sagen.
Im übrigen geschieht letzten Endes alles, was für die Produktion geschieht, doch auch für den Verbraucher. Niemand wäre an Ihrer Stelle z. B. vor 10 oder 8 Jahren in die Verlegenheit oder auf den Gedanken gekommen, diese Rede, die Sie jetzt gehalten haben, zu halten. Damals, als es für die Verbraucher nichts zu essen gab, kam alles darauf an, eine leistungsfähige Landwirtschaft zu haben, die die Menschen in unserem Lande satt machen konnte.
— Die Amerikaner haben dabei dankenswerterweise geholfen.
— Gewiß haben sie dazugeliefert; aber ich glaube, wenn wir die eigene Ernährung durch eine entsprechende landwirtschaftliche Produktion nicht so
rasch aufgebaut hätten, dann wäre die Ernährung in Deutschland sehr viel teurer, als sie heute ist. Ich habe heute noch im Rahmen einer anderen Unterhaltung darauf hinweisen und der Auffassung entgegentreten müssen, daß man durch Einfuhren die Lebensmittel im Inland in jedem Falle verbilligen könnte. Das ist ein ganz grundlegender Irrtum. Wenn die deutsche Ernte schon nahezu ausreicht, die deutsche Bevölkerung zu versorgen, und dazu billige Importe treten, so sinken die Preise. Als wir im letzten Jahr eine schlechte Kartoffelernte hatten, haben uns die Nachbarländer nicht genügend liefern können, um den Ausfall zu dekken; Ergebnis: hohe Preise. Als im Jahre 1955 die Apfelernte nur die Hälfte der Menge von 1954 ergab, haben wir, obwohl wir zweieinhalbmal soviel eingeführt haben wie im vorigen Jahr, nicht so viel importieren können, daß wir diese erhebliche Preissteigerung hätten verhindern können.
Es ist ganz klar: die sicherste und eindeutigste Quelle einer gesunden und ausreichenden Ernährung liegt im eigenen Land.
Darum geben wir für die Erhöhung und Verbilligung der Produktion im eigenen Land das Geld aus.
Daß im übrigen Ihre Zahlen nicht ganz vollständig sind, dafür mache ich Sie gar nicht verantwortlich, Frau Kollegin; denn die im ganzen Etat zusammenzusuchen, dazu gehört schon sehr viel Fleiß und Einzelkenntnis. Ich kann sie Ihnen im Augenblick auch nicht aufzählen; aber ich will Ihnen, da Sie sich für die Dinge im einzelnen interessieren, einmal eine Aufstellung darüber zugehen lassen, wieviele Zeitschriften und Zeitungen wir mit Material zur Aufklärung der Verbraucherschaft versorgen. Es geschieht von unserem Hause aus in dieser Beziehung, was überhaupt geschehen kann. Ich habe den Verbrauchern immer gesagt, sie können uns bei der Gestaltung der Agrarpolitik, insbesondere aber bei einer stabilen Preispolitik am besten dadurch helfen, daß sie alles das stehen lassen, was ihrer Auffassung nach zu teuer ist, und es lieber durch solche Ernährungsgüter ersetzen, die ihnen praktisch an Fett oder Eiweiß oder Kohlehydraten dasselbe bieten, aber in einer billigeren Form.
Ich will das am Beispiel vom Eiweiß verdeutlichen: das Eiweiß im Kotelett, Bauchfleisch, Fisch, Ei und Milch liegt preislich außerordentlich weit auseinander. Man kann aber die billigste Quelle für Eiweiß erst dann heranziehen, wenn man selber über diese Möglichkeiten ausreichend informiert ist. In dieser Beziehung, hinsichtlich der Aufklärung der Hausfrauen, arbeiten wir an zahlreichen Stellen nach besten Kräften.
Dann soll ich mich in letzter Zeit dem Druck der Grünen Front ausgesetzt haben. Vom vorigen Jahr, als zahlreiche Telegramme an den Bundeskanzler gesandt wurden, ich möchte möglichst schnell als Landwirtschaftsminister abberufen werden, haben Sie es ja erfreulicherweise nicht behauptet. Erst in diesem Jahr soll ich mich dem Druck der Grünen Front ausgesetzt haben. Sie würden es wahrscheinlich lieber gesehen haben, daß ich mich dem Druck der Hausfrauen ausgesetzt fühle.
— Sie sind natürlich sehr viel weicher und nachgiebiger.
Weiter wirft man mir vor, ich hätte meine grundsätzlich agrarfreundliche Einstellung dadurch bewiesen, daß ich mich vor die Agrarzölle gestellt hätte. Frau Strobel, wir waren uns im Kabinett darüber einig, daß bei den Zollsenkungen keine Spiegelfechterei betrieben werden sollte.
Hätten wir zum Beispiel bei Rindfleisch den Zoll um 30 v. H. gesenkt, dann hätte das auf das Kilo Fleisch 5 oder 7 Pf ausgemacht; ich habe die Zahl nicht ganz genau im Kopf. Wir haben aber für Vieh, Fleisch und Fett die sogenannten Marktordnungsgesetze. Diese sind im Einvernehmen mit dem ganzen Hause geschaffen worden, auch im Einvernehmen mit der Opposition, die erheblich daran mitgearbeitet hat. Sie setzen sich auch nach den Worten des Kollegen Kriedemann dafür ein, daß diese Gesetze, die für Getreide, Zucker, Vieh, Fleisch, Milch und Fett geschaffen worden sind, erhalten bleiben. Dann muß man aber nicht dauernd von vorn oder von hinten dagegen anrennen; dann sollte man eine ganz klare Linie einhalten.
Die genannten 400 Millionen DM ergeben in diesem Jahr tatsächlich eine Belastung der Verbraucher durch die Abschöpfung bei der Einfuhr von Getreide und Zucker. Aber eine andere Lösung ist nicht möglich. Trotzdem haben wir für die Verbraucher eine Preisgestaltung erreicht, durch die Deutschland in den Jahren von 1950 bis 1955 hinsichtlich der Steigerung der Lebensmittelpreise an drittunterster Stelle steht. Unsere Lebensmittelpreise liegen also nicht etwa i m europäischen Durchschnitt, sondern beachtlich darunter.
Wenn man von mir als einem bundesrepublikanischen Landwirtschaftsminister, der ausgerechnet auch noch so agrarfreundlich ist wie ich, noch mehr verlangt, dann, muß ich sagen, überschätzen Sie mich bei weitem.
Ich kann das keinem übelnehmen.
Nun zur Milchpreiserhöhung. Die wenigsten Leute machen sich klar, wenn sie über die Milchpreise klagen, daß die Milch das billigste Getränk ist — ich will gar nicht von Nahrungsmittel sprechen —, das sie außer reinem Leitungswasser haben können.
Neulich war ich mal nicht ausreichend beschäftigt und hielt mich in der Milchbar eines Bergwerks auf. Da saßen die jungen Bergleute, die eben aus dem Pütt kamen, noch völlig von Kohlenstaub bedeckt neben mir an der Milchbar und hatten ihre Halbliterflaschen mit Milch vor sich stehen. Ich fragte den mir Nächstsitzenden: „Was haben Sie an der Milch auszusetzen? Schmeckt sie gut? Ist sie Ihnen fett genug? Ist sie zu billig, ist sie zu teuer?" Auf den letzten Punkt ging er sofort ein und sagte: „Sie könnte natürlich billiger sein." Ich fragte ihn: „Was können sie Billigeres kaufen als diese Milch?" Es handelte sich nicht etwa um die
normale Milch zu 43 Pf das Liter, sondern um Milch aus seuchenfreien Beständen, die in Nordrhein-Westfalen bekannte sogenannte Markenmilch zu 34 Pf das halbe Liter. Es war also das Beste, was er trinken konnte, wie das auch richtig ist. Ich fragte ihn: „Was ist billiger?" —„Coca-Cola", war die Antwort. Ich sagte: „Ja, für ein drittel Liter. Sie haben aber ein halbes Liter vor sich stehen." — „Stimmt", sagte er, „jawohl, Coca-Cola ist teurer." Dann kamen wir auf Mineralwasser, auf Bier, Kaffee, Tee oder sonst was. Er mußte in allen Punkten zugeben: außer Leitungswasser war diese hervorragende Milch das Billigste, was er trinken konnte.
Da habe ich gesehen, meine Damen und Herren -das war für mich eine neue Erkenntnis dafür —, wie weit wir mit unserer Werbung auf diesem Gebiet im Rückstand sind. Den Bergleuten, die rundum standen, ging ein Schein des Verständnisses übers Gesicht. Zum erstenmal wurde ihnen klar, daß Milch wirklich so billig ist.
Sie sprachen dann von der erfreulichen Einmütigkeit bei der Verabschiedung des Grünen Planes. Ich konnte bei den Zollsenkungen nur soweit gehen, wie es möglich war, ohne dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes entgegenzuarbeiten. Wir haben hier im Hause den Grünen Plan in Anbetracht der Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen, die bewiesen, daß die Einnahmen in der Landwirtschaft nicht ausreichen, um die notwendigen Aufwendungen zu decken, einmütig beschlossen. Wir haben deshalb vom Bund und auch von den Ländern aus erhebliche Opfer gebracht. Wir können doch jetzt nicht durch Zollsenkungen der Landwirtschaft ihre Einnahmen, die sowieso nicht ausreichen, wieder teilweise wegziehen.
Man kann nicht sagen: Wir wollen mit den Zollsenkungen nicht die Einnahmen der Landwirtschaft vermindern, sondern wir wollen nur weitere Preiserhöhungen verhindern. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß wir auch in bezug auf die Einfuhren alles tun sollten, um für die Haushalte die Preise des landwirtschaftlichen Sektors so stabil wie möglich zu halten. Wenn Sie meine Reden verfolgen, dann werden Sie feststellen, daß das der Punkt ist, den ich immer wieder standhaft vertreten habe.
Wenn das nicht immer geht, dann bitte ich zu berücksichtigen, daß durch die Verteuerung mancher Materialien, durch die Verteuerung der Transporte, vielfach auch durch die Erhöhung der Löhne die Ernährungsgüter durch Vorgänge a) im Verteilungssektor, b) im Verarbeitungssektor und c) im Produktionssektor teurer geworden sind. Mir schrieb jetzt eine sehr bekannte Fabrik aus Süddeutschland, die landwirtschaftliche Geräte herstellt: „Wenn jetzt wieder die Löhne in der Metallindustrie erhöht werden, dann werden vielleicht manche Betriebe dieser Branche in der Lage sein, diese Lohnerhöhungen zu tragen, ohne sie über die Preise abwälzen zu müssen; ich sagen Ihnen gleich für mich und meine Kollegen, die landwirtschaftliche Geräte herstellen, daß das bei uns nicht möglich ist. Wir können solche Lohnerhöhungen nur über die Preise abwälzen." Diese Fabrik und ihre Nachbarfabriken, die das gleiche produzieren, haben aber schon im letzten Jahr eine Erhöhung
der Produktionsmittelpreise um 15 % vorgenommen. Wie kann man unter diesen Umständen mit völliger Sicherheit feststellen, daß die landwirtschaftlichen Produkte im Preis absolut stabil bleiben?
Ich sagte eben schon: wir wollen nicht nur nach innen sehen. Unter keinen Umständen darf der Verbraucher so belastet werden, daß unsere Exportindustrie nicht konkurrenzfähig bleibt. Es würde dafür genügen, wenn unsere Lebensmittelpreise etwa im Mittel des europäischen Preisdurchschnitts lägen. Wir liegen aber, wie schon gesagt, darunter. Wenn Sie das mit all dem, was man für diese Preispolitik noch sagen könnte — ich werde dazu morgen in der Konjunkturdebatte noch einiges ausführen —, ins Auge fassen, dann müssen Sie zugeben: ganz so schlecht ist die Agrarpolitik in Deutschland doch wohl nicht gewesen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frühwald.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Strobel hat damit begonnen, daß sie sagte: „Wir wollen nicht in Agrarpolitik machen", und es hat fast den Anschein, als ob wir schon mitten drin stünden. Ich will mich daher ernstlich bemühen, nur von dem Haushalt zu sprechen, der hier zur Beratung steht.
Dabei möchte ich auf eines hinweisen, was nicht eine Folge der Methode dieses Haushaltes, sondern ein grundsätzliches Problem ist, das immer wieder auftaucht. Es handelt sich darum, daß der Verwaltungsapparat nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern immer aufgeblähter wird, besonders dann, wenn die Mittel, die ausgeworfen werden, nicht global an die Länder überführt werden. Damit will ich nicht etwa einen Vorwurf wegen der Ausdehnung des Verwaltungsapparats einleiten oder gar erheben. Aber ich möchte in diesem Zusammenhang doch darauf hinweisen, ob es nicht der Erwägung wert wäre, die kleinen Einzelposten der Förderungen in allen Etats, von denen heute Kollege Niederalt in einem anderen Zusammenhang schon gesprochen hat, möglichst aus dem Haushaltsplan des Bundes herauszuhalten und sie von vornherein dort zu belassen, wo sie angewandt werden müssen, nämlich in den Ländern. Je mehr man solche globalen Einzelposten hier zusammenzieht, desto schwieriger wird die Aufschlüsselung auf die Länder, und desto ausgedehnter wird der Apparat der Verteilung beim Bund, der Apparat draußen in den Ländern. Der ganze Apparat erschöpft sich zuletzt nur in einem gegenseitigen Kampf um einen möglichst hohen Anteil der einzelnen Länder an den hier zur Verfügung stehenden Mitteln. Es wäre hochinteressant, auf allerhand Beispiele auch im Rahmen dieses unseres Etats einzugehen, aber ich will es mir versagen.
Ich bin darüber erfreut, daß die 80 Millionen, die im Grünen Bericht für die Zwecke der Agrarstrukturverbesserung eingesetzt wurden, im außerbehördlichen Verfahren direkt über die Landwirtschaftliche Rentenbank und die betreffenden Hausbanken geleitet werden können.
In der Flurbereinigung hat sich die globale Zuweisung der Beträge an die Länder im Gegensatz zu den Siedlungsmitteln sehr gut bewährt. Man spricht so gern von der Initialzündung, die der
Bund hier den Ländern gibt. Die Zündung nützt aber nichts, wenn dort nicht bereits der nötige Betriebsstoff vorhanden ist. Wenn dort nicht die nötigen Voraussetzungen gegeben sind und wenn durch die Steuergesetzgebung und Steuerhandhabung — es wäre interessant, näher darauf einzugehen — der Betriebsstoff total entzogen wird, dann hilft unser Zünden von hier auch nicht mehr.
Eine Bitte habe ich in diesem Zuammenhang: Es mögen unser Minister für Landwirtschaft und alle zuständigen Stellen des Bundes, die hier in Frage kommen, mit allen Ländern dahin zusammenarbeiten, daß die Siedlungsmittel, die zu einem Anlaß der Unruhe werden, endlich über eine Leitung und nicht, wie es bis jetzt der Fall ist, über 11 oder 12 Stellen nur einem Schuldner zugeleitet werden und daß es der Schuldner endlich auch nur mit einem Gläubiger zu tun hat. Können denn die Länder nicht global das Obligo gegenüber dem Bund übernehmen? Sie müßten ihre eigenen Mittel vereinigen, damit endlich der Zustand geändert wird, der sich darin ausdrückt, daß diejenigen, die solche Siedlungsmittel in irgendeiner Form in Anspruch nehmen, sich der Gefahr aussetzen, zuletzt fünf oder sechs Gläubiger zu haben, die zudem noch über das Bundesgebiet verstreut sind, wobei die Schuldner einen Terminkalender brauchen, um festzustellen, wann sie ihre Zinsen usw. zu zahlen haben. Es wäre interessant, noch näher auf diese Zusammenhänge einzugehen. Aber das Grundsätzliche liegt meines Erachtens darin, daß sich unser Bundesernährungsministerium federführend mit den Ressorts der Landwirtschaftsminister der Länder dahin einigt, diesen Weg frei zu machen.
Nun zu dem Problem, das hier speziell vorliegt. Da möchte ich nur auf einige Kapitel eingehen, die den Grünen Plan berühren. Hier sind Mittel ausgeworfen, die dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes direkt dienen und sofort wirksam werden. Der Wegfall der Umsatzsteuer betrifft einen dieser Titel, die Erhöhung der Betriebsbeihilfe für Dieselkraftstoff, die aber erst im Jahre 1957 wirksam wird, einen anderen. Der Bezieher von Dieselkraftstoff hat also im Laufe des Etatjahres noch das Vorrecht, die Sachen hier vorzufinanzieren, und ich hoffe, daß der Termin 1957 sich nicht zu weit in das nächste Haushaltsjahr hinein erstreckt, in dem diese Vorfinanzierung abgefunden wird. Aber das wirkt direkt. Die Lastenausgleichsabgaben für bestimmte Niederungsgebiete wirken direkt. Die Konversion von kurzfristigen Schulden und die Verbilligung der Handelsdüngemittel wirken direkt. Das sind die Maßnahmen, die in erster Linie greifbar und anerkannt werden. Alle anderen Dinge, die hier jetzt in Frage kommen, wirken nur indirekt. Die sind in Wirklichkeit — verzeihen Sie den Vergleich — so etwas wie Arzneimittel, bei denen es zuerst auf die richtige Diagnose ankommt, dann aber auch auf die richtige Anwendung und das Durchhalten. Diese Mittel dienen indirekt der gleichen Zweckbestimmung — ich will darauf jetzt nicht im einzelnen eingehen —, aber sie fördern in erster Linie — ich habe vorhin die 80 Millionen genannt — den Begriff der Strukturwandlung und die dabei so notwendigen neuen Wege, die hier beschritten werden müssen. Aber ich möchte darauf nicht näher eingehen, sondern mich auf einige wenige Maßnahmen beschränken.
Die Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe und die besonderen agrar-
strukturellen Maßnahmen, die hiermit im Zusammenhang stehen, die 60 Millionen DM Darlehen und die 20 Millionen DM Zuschüsse bedeuten in der Nutzanwendung einen Fortschritt gegenüber der bisherigen Methode, weil hier festgelegt ist, daß sie innerhalb und außerhalb der behördlichen Verfahren durch Darlehen und Zuschüsse gewährt werden können. Es ist also nicht mehr notwendig, eine Flurbereinigung durchzuführen, sondern es kann derjenige, der dazu bereit ist, diese Mittel auch vorher in Anspruch nehmen, um zu gegebener Zeit, wenn die Flurbereinigung kommt, die Maßnahme der Verlagerung seines Betriebes bereits getroffen zu haben.
Eines der kompliziertesten Kapitel ist die Frage der zinsverbilligten Zuschüsse in Höhe von 40 Millionen DM für umschuldungsbedürftige kurzfristige Verbindlichkeiten und die neue Zuwendung von 6 Millionen DM zur Verstärkung der Mittel für Zinsverbilligung für landwirtschaftliche Um- und Neubauten, der allgemeine Ansatz des Haushalts von 31 460 000 DM und noch 13 Millionen Überhang aus dem vorigen Jahr. Das ist ein Kapital! Wenn Sie da im Durchschnitt 2,5 bis 3 % Zinsverbilligung rechnen, wie es nach dem jetzigen Rechtszustand, nach den einschlägigen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen möglich ist, dann kommen Sie auf einen Kapitalbedarf, der, wenn diese Zinsverbilligung ausgenutzt werden soll, mindestens 2 Milliarden DM betragen würde.
Nun steht aber doch einwandfrei fest, daß in der Zwischenzeit eine Diskonterhöhung eingetreten ist, eine Erhöhung von 2 %. Praktisch ist es heute so, daß derjenige, der den Kredit in Anspruch nehmen kann — wenn er ihn bekommt. d. h. wenn er nach den jetzigen Richtsätzen die Zinsverbilligung bekommt —, d i e Zinsen zahlen muß, die bei der Grundlagenermittlung als untragbar erkannt wurden. Am deutlichsten zeigt dies folgendes: Die Festlegung der Mittel im Tit. 955 — der Zinsverbilligungszuschuß für unsere entschuldungsbedürftigen kurzfristigen Verbindlichkeiten —, die Festlegung der Verstärkungsmittel, auch die Festlegung der Mittel. wie sie bereits aus dem Voriahr übernommen worden sind, ist auf Grund des Grünen Berichts und des Grünen Plans erfolgt. Die Grundlage dafür war in Wirklichkeit nichts anderes als der Zinssatz zu dem Zeitpunkt, als der Grüne Plan als solcher entwickelt wurde. Er wurde also auf einem Bankzins von 7 % entwikkelt und wurde um 2 % verbilligt. Wenn es damals notwendig war. die Zinsen um 2 % bzw. 3 % zu verbilligen. dann ist es doch heute eine absolute Notwendigkeit. wenn man das gleiche Ziel erreichen will, daß man diese Verhilligungssätze der Zinsen um den donpelten Betrag. also um mindestens 2 %. um das. wag die Diskonterhöhung ausmacht, erhöht. Das ist das andere Problem.
Und nun will ich Sie in Ihrer Unterhaltung nicht mehr lange stören.
Auf eins möchte ich aber noch hinweisen; vielleicht hören Sie da doch noch einen kleinen Augenblick her. Ich muß Sie auf eine Gruppe aufmerksam machen: auf die Vergessenen. Denn in dem Grünen Bericht ist eine ganz bestimmte Gruppe vergessen worden,
und diese Vergessenen sind die Schäfer, der Zuruf stimmt. Denn von allen Zweigen der landwirtschaftlichen Produktion, von allen landwirtschaftlichen Produkten, die bei den Erörterungen und bei den Ermittlungen des Grünen Berichts und des Grünen Plans zur Verfügung standen, ist es die deutsche Wolle, die den niedrigsten Index hat;
sie ist am billigsten von allen landwirtschaftlichen Produkten, und an sie hat man nicht gedacht. Das heißt, man hat an sie gedacht: man hat den Tit. 957, Zuschüsse für Mastversuche an Schafen., nicht mehr in den Etat eingesetzt, sondern hat die 190 000 DM auch noch gestrichen.
Ein paar Bemerkungen müssen Sie mir noch gestatten. Wenn Sie die deutsche Wollerzeugung fördern und den jetzigen Stand sichern wollen, dann müssen Sie die Dinge, denen Sie im Grünen Bericht Rechnung getragen haben, doch auch hier beachten. Ich weiß, das ist Zukunftsmusik. Ich bin nicht der Mann, der hier Antrag auf Antrag stellt, um vielleicht durch ein Zufallsabstimmungsergebnis noch das eine oder andere zu erreichen. Aber hier ist doch eins der Probleme. Wenn Sie die deutsche Wolle auf der Basis Schweiß — ich will es jetzt nicht erläutern — AB/B Rendimet 45 auf einen Preis, der bei den Versteigerungen erreicht werden muß, von 5,40 DM pro Kilogramm festlegen, dann sind die anderen Wollen, die unter dieser Bewertung liegen, alle billiger und kommen nicht auf diese Grundlage. Dann wenden Sie ein paar Millionen zu einer Preisstützung auf, und die paar Millionen haben Sie dennoch gespart, weil Sie da eine Wirtschaftsgruppe am Leben erhalten, die für alle Fälle eines Tages wieder eine Ausgangsgrundlage für einen gewissen Bedarf schaffen kann, und weil Sie sich dann nicht der Gefahr aussetzen, daß Sie eines Tages einen viel höheren Betrag aufwenden müssen, um diese Vergessenen in Wald und Heide dem deutschen Volk als sichtbares Zeichen einer Vergangenheit in einem eigenen Naturschutzpark vorführen zu können.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Damen und Herren! Auch ich will nach Hause; aber trotzdem muß ich noch einige Bemerkungen machen.
Herr Minister, zunächst einmal — weil Sie glauben, ich hätte meine Fleißaufgabe nicht erfüllt —: ich habe mir den Haushalt des Bundesernährungsministeriums sehr genau angeschaut. Die Kollegen aus dem Ausschuß wissen ja, daß wir ihn im Ausschuß auch gründlich durchgegangen sind. Es hat nicht an Fragen auch an Ihre Beamten gefehlt, wenn bei der einen oder anderen Position oben das Wort „Ernährung" verwandt war und man unten bei den Erläuterungen überhaupt nicht fand, wo nun eigentlich dieses Geld für Ernährungsfragen ausgegeben wird. Ich glaube, wenn man einmal zusammen diesen Haushalt mit dem Vergrößerungsglas durchgehen würde, dann fände man mehr Positionen, die den Namen „Ernährung" mit tragen, aber nicht direkt dafür ausgegeben werden. Aber wollen wir es einmal darauf ankommen lassen.
Im übrigen habe ich den Eindruck, daß sich der Herr Minister sehr viel mehr mit den Preisen beschäftigt hat, als ich das getan habe. Ich habe also
manchmal das Gefühl, daß das Gewissen bei diesen Meditationen mit sich selber auch eine gewisse Rolle gespielt hat.
In der Frage der Ernährungsberatung, Herr Minister, habe ich den Eindruck gehabt, Sie haben mir sogar recht gegeben, wenn Sie selber sagten — später, als Sie sich mit der Milch beschäftigt haben —, daß wir auf diesem Gebiet viel zuwenig tun. Genau das habe ich zum Ausdruck bringen wollen: daß wir viel zuwenig auf dem Gebiet der Ernährungsberatung im Interesse einer gesunden und billigen Ernährung unseres Volkes tun.
Sie verwenden immer so gern das Wort, daß unsere Lebensmittelpreise unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Nun, ich möchte sagen, da kommt es erstens einmal auf den Ausgangspunkt an, den man wählt, und zweitens ist mir außer der Bundesrepublik eigentlich kein Land bekannt, das von den Getreidepreisen abschöpft und diese Abschöpfungsbeträge dann nicht dazu verwendet, den Preis für den Verbraucher zu senken. Zumindest hat England ein System, bei dem diese Abschöpfungsbeträge dann auch wieder für den Verbraucher auf dem gleichen Gebiet verwendet werden. Es wäre ganz gut, wenn man sich das einmal anschauen würde.
In den gesamten Fragen, die mit der Einfuhrpolitik zusammenhängen, könnte wirklich sehr viel mehr getan werden. Vielleicht schauen Sie sich einmal an, Herr Minister, wann die Ausschreibungen der Einfuhr- und Vorratsstellen für die einzuführenden Güter jeweils erfolgen; dann werden Sie feststellen müssen, daß dann im Ausland immer nichts mehr zu haben ist, weil zu spät ausgeschrieben wurde, weil man immer erst in dem Augenblick ausschreibt, wenn bei uns die Mangelsituation schon eingetreten ist. Dann ist natürlich auch draußen die Türe zu. Ich glaube, das muß man schon sagen.
Gestatten Sie mir noch einen einzigen Hinweis zu den Zöllen. Schauen Sie sich bitte einmal — Sie alle hier — die Zollvorlage, die wir morgen bekommen, im einzelnen an, und dann fragen Sie vielleicht heute abend einmal zu Hause Ihre Frau, ob sie denn deutsches Schweineschmalz einkauft,
ob nicht vielmehr die Versorgung mit Schweineschmalz in der Bundesrepublik ausschließlich aus US-Schmalz erfolgt. In dieser Zollvorlage steht, daß der Schweineschmalzzoll von 22 auf 18 % gesenkt werden soll. Ich finde, das ist eine lächerliche Maßnahme, die natürlich ihre Wirkung verfehlen muß. Darüber hinaus ist einfach nicht erfindlich, wen dieser 18%ige Zoll eigentlich schützen soll.
Also es gibt schon eine Unzahl Beispiele - ich weiß, Sie hören sie nicht gern —, an denen man beweisen kann, daß das Herz der so einigen Bundesregierung, des so einigen Kabinetts, als Sie über diese Dinge entschieden haben, nicht beim Verbraucher war.
Der Herr Bundesernährungsminister glaubte darauf hinweisen zu müssen, daß aus seinen Reden hervorgehe, wie sehr ihm an einem stabilen oder niedrigen Preisniveau für den Verbraucher gelegen
sei. Darf ich zum Schluß sagen, Herr Minister: Es
kommt nicht auf die Reden an, sondern auf die
Tatsachen. Die sprechen leider eine andere Sprache.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge, zuerst über den Antrag der Fraktion des GB/BHE, Umdruck 646*) Buchstabe a, zu Kap. 1002 Tit. 531. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag auf Umdruck 671**). Es ist ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Lockmann, Dr. von Buchka, Ruhnke, Frau Friese-Korn, Lotze, Fraktion des GB/BHE und Genossen zu Kap. 1002 Tit. 604. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommt zur Abstimmung der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 642***), Änderung in Kap. 1002 Tit. 630 f. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Frau Rösch, Frau Keilhack, Frau Dr. Ilk und Genossen auf Umdruck 670****), Änderung in Kap. 1002 Tit. 634. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 646*****), betreffend Kap. 1002 Tit. 662. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zur Schlußabstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses in dem Mündlichen Bericht auf Drucksache 2459 unter Ziffer 1. Das ist die Zustimmung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Über die Entschließung unter Ziffer 2 wird erst in der dritten Lesung abgestimmt.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Beratungen des heutigen Tages. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittag, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.