Protokoll:
2150

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 150

  • date_rangeDatum: 20. Juni 1956

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:01 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 150. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1956 7933 150. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Juni 1956. Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Giencke 7935 C Begrüßung des neu in den Bundestag eingetretenen Abg. Thies 7935 C Grußtelegramm an den ehemaligen amerikanischen Präsidenten Hoover aus Anlaß der Beendigung des Systems der Reparationszahlungen aus dem Versailler Vertrag vor 25 Jahren 7935 C Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags . . . . 7935 C Vorlage eines Berichts des Bundesministers des Innern über die Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksache 2516) 7935 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 254 (Drucksachen 2418, 2515) . . 7935 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 2370) 7935 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 7936 A Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Drucksache 2371) 7936 A Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 7936 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Geltungsdauer der Achtundvierzigsten, Einundfünfzigsten und Vierundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 2372) 7936 A Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 7936 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1662); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 2388, Umdrucke 626, 647) 7936 A Dr. Wahl (CDU/CSU): als Berichterstatter . . . . 7936 B, 7947 A Schriftlicher Bericht 8022 D als Abgeordneter . 7939 B, 7972 B, 7973 A Metzger (SPD) 7937 A Neumayer, Bundesminister der Justiz 7940 B, 7954 D, 7955 C, 7956 C, 7970 C Dr. Bucher (FDP) . . 7940 D, 7957 A, 7971 B Dr. Arndt (SPD) 7941 A, 7955 C, 7965 D, 7976 D Dr. Gille (GB/BHE) . 7941 C, 7945 C, 7960 A Wittrock (SPD) 7942 C, 7948 B Platner (CDU/CSU) . 7944 D, 7945 A, 7958 C Dr. Greve (SPD) . . 7946 A, 7948 C, 7949 B, 7950 A, D, 7962 B, 7973 A, 7975 B Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 7947 C, 7948 B, 7949 B, 7973 D, 7977 C Kunze (Bethel) (CDU/CSU) (zur Abstimmung) . . 7964 B Unterbrechung der Sitzung . . 7965 C Dr. Schranz (DP) 7973 C Dr. h. c. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 7976 C Abstimmungen . . 7942 B, 7950 A, 7964 C, 7977 B Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 647 Ziffer 3 7964 B, C, 7965 A Namentliche Schlußabstimmung . 7977 C, 7978 C Erste Beratung des Entwurfs einer Ergänzung zum Entwurf eines Vierten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 für die Einzelpläne 14 und 35 (Drucksache 2512) 7977 D Überweisung an den Haushaltsausschuß 7977 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die am 22. März 1956 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich (Drucksache 2333); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2440, zu 2440) '7977 D Neuburger (CDU/CSU): als Berichterstatter 7978 A Schriftlicher Bericht 8026 C Beschlußfassung 7978 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds (Drucksache 2328); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 2446) 7978 B Kirchhoff (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . . . . 8028 C Beschlußfassung 7978 B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900); Berichte des Haushaltsausschusses (Drucksachen 2450 bis 2480) 7978 C Vizepräsident Dr. Schmid . . 7978 C, 7979 A Schoettle (SPD) 7979 B, 7980 D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7980 A Zur Geschäftsordnung, betr. Reihenfolge der Beratung: Rasner (CDU/CSU) 7978 C, D, 8002 D, 8003 A Mellies (SPD) 7978 D, 8002 D Dr. Menzel (SPD) 7979 A Vizepräsident Dr. Schmid 8003 A Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 2453, Umdrucke 634, 653) 7979 B Kühn (Köln) (SPD) 7981 A, 8000 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 7986 B, 7990 B, D, 7991 C Dr. Gille (GB/BHE) . . . 7986 C, 7987 B, C, D Vizepräsident Dr. Schmid . . . 7987 B, C, D, 7997 D, 8000 C Mellies (SPD) 7987 D, 7990 C Könen (Düsseldorf) (SPD) 7991 C Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 7991 C, 7992 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) 7995 C Dr. Gülich (SPD) . . . . 7997 A, D, 7998 A Neumann (SPD) 7998 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 8000 B Abstimmungen 8002 B Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, zu 2454, Umdrucke 629, 635, 637, 658, 661 Ziffer 1, 682) 8003 B Zur Sache: Dr. Vogel (CDU/CSU) als Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 8029 C als Abgeordneter 8004 B, 8014 D Dr. Leverkuehn (CDU/CSU) . . . . 8003 C Kalbitzer (SPD) 8005 C Ritzel (SPD) 8006 B Wehner (SPD) 8007 A Frau Renger (SPD) 8007 D Frau Hütter (FDP) . . 8008 A, 8010 C, 8021 D Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen . . 8009 A, 8017 C, 8020 D Feller (GB/BHE) 8013 A Dr. Keller (GB/BHE) 8013 D Kahn-Ackermann (SPD) . . 8014 B, 8019 A Zur Geschäftsordnung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 8008 A, D, 8009 A, B, C, D, 8010 A Frau Hütter (FDP) 8008 B Dr. Gülich (SPD) 8008 B Dr. Vogel (CDU/CSU) 8008 C, D Ritzel (SPD) 8009 B, D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 8009 C Rasner (CDU/CSU) 8009 D Dr. Conring (CDU/CSU) 8010 A Abstimmungen zurückgestellt . 8005 B, 8022 C Nächste Sitzung 8022 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 8022 B Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2388) 8022 D Anlage 3: Änderungsantrag der Abg. Hoogen, Dr. Arndt, Dr. Schranz u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Umdruck 626) 8025 D Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Umdruck 647) . . . 8026 B Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf eines Gesetzes über die drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich (Drucksache zu 2440) 8026 C Anlage 6: Schriftlicher Bericht des Aus- schusses für Geld und Kredit über den Entwurf eines Gesetzes betr. das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betr. Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds (Drucksache 2446) 8028 C Anlage 7: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Umdruck 634) 8029 A Anlage 8: Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Umdruck 653) . 8029 C Anlage 9: Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache zu 2454) 8029 C Anlage 10: Änderungsantrag der Abg. Dr. Leverkuehn u. Gen. zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 629) 8031 C Anlage 11: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 635) 8032 A Anlage 12: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 637) 8032 B Anlage 13: Änderungsantrag der Fraktion des GBB/HE zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 658) 8032 B Anlage 14: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 661) 8032 C Anlage 15: Änderungsantrag der Abg. Dr. Vogel, Dr. Conring zum Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Umdruck 682) 8032 D Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht: 1. über Ziffer 3 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD (Umdruck 647), 2. Schlußabstimmung 8033 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt his einschließlich Dr. Baade 23. 6. Birkelbach 23. 6. Blachstein 30. 6. Dr. Blank (Oberhausen) 23. 6. Böhm (Düsseldorf) 20. 6. Brockmann (Rinkerode) 20. 6. Cillien 22. 6. Dr. Deist 23. 6. Diel 20. 6. Dr. Dittrich 30. 6. Dr. Dollinger 23. 6. Dr. Eckhardt 23. 6. Feldmann 30. 6. Dr. Furler 23. 6. Gedat 30. 6. Frau Heise 5. 7. Held 23. 6. Dr. Höck 20. 6. Jacobi 23. 6. Dr. Jentzsch 22. 6. Knobloch 20. 6. Dr. Köhler 23. 6. Dr. Kopf 23. 6. Dr. Kreyssig 23. 6. Kühlthau 20. 6. Ladebeck 20. 6. Lenz (Brühl) 23. 6. Lenz (Trossingen) 20. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 6. Lulay 30. 6. Meitmann 15. 7. Dr. Mocker 22. 6. Dr. Moerchel 20. 6. Moll 23. 6. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Müller-Hermann 23. 6. Dr. Oesterle 23. 6. Ollenhauer 23. 6. Pelster 22. 6. Peters 15. 7. Dr. Pohle (Düsseldorf) 20. 6. Frau Praetorius 20. 6. Dr. Dr. h. c. Pünder 23. 6. Sabass 23. 6. Scharnberg 20. 6. Dr. Schneider (Lollar) 23. 6. Dr. Schöne 23. 6. Dr.-Ing. Seebohm 23. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Seidl (Dorfen) 22. 6. Dr. Starke 31. 7. Stauch 27. 6. Sträter 25. 6. Trittelvitz 20. 6. Unertl 22. 6. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Jochmus 7. 7. Frau Kipp-Kaule 7. 7. Kraft 2. 7. Morgenthaler 7. 7. Anlage 2 Drucksache 2388 (Vgl. S. 7936 B) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über den Entwurf eines Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1662). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wahl I. Grundsätzliche Änderungen Die Abänderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mußte mit der durch den Gegenstand der Reform gebotenen Behutsamkeit in Angriff genommen werden. Galt es doch, die unabhängige Stellung des höchsten deutschen Verfassungsgerichts zu wahren und zugleich den erforderlichen Neuerungen Gestalt zu geben. Zu Art. 1 Nr. 6 (§ 14) Einigkeit bestand darüber, auch in der öffentlichen Diskussion, daß die Zuständigkeitsverteilung zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts eine neue bzw. klarere Regelung erfordere, als sie im Gesetz enthalten war, um dadurch eine gleichmäßige Belastung der beiden Senate herbeizuführen. Dem Vorschlag der Bundesregierung, die Geschäftsverteilung dem Präsidium des Bundesverfassungsgerichts zu überlassen, wie dies bei allen Gerichten mit mehreren Spruchkörpern gehandhabt wird, glaubte indessen der Ausschuß nicht folgen zu sollen. Einstweilen müssen zwei Senate bestehenbleiben; obwohl das sogenannte Zwillingsgericht sich als problematisch erwiesen hat, schien doch die gesetzliche Geschäftsverteilung an Stelle der durch das Gericht beschlossenen größere Sicherheiten dafür zu bieten, daß jede Manipulation der Zuständigkeit für einen bestimmten Fall oder eine bestimmte Gruppe von Fällen vermieden werden könnte. Freilich glaubte der Ausschuß entsprechend den Vorschlägen des Bundesverfassungsgerichts eine Ergänzung der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung in der Weise vorschlagen zu sollen, daß in besonderen Notfällen das Plenum des Gerichts eine von der gesetzlichen Zuständigkeit abweichende Geschäftsverteilung beschließen kann (§ 14 Abs. 1 c). Die Teilung zwischen dem 1. und 2. Senat ist jetzt klarer in der Weise vollzogen worden, daß der 2. Senat die eigentlichen Verfassungsstreitigkeiten, auch wenn sie in der Form der Normenkontrollklage auftreten, einschließlich der Organstreitigkeiten zu bearbeiten hat, während der 1. Senat seine Hauptaufgabe im Schutze der Grundrechte finden soll. Zu Art. 1 Nr. 1 (§ 2), Art. 2 und 2 a Obwohl die neue Geschäftsverteilung sicher die Unzuträglichkeiten verringert, die mit dem Zwillingscharakter des Bundesverfassungsgerichts untrennbar verbunden sind, glaubte der Ausschuß in seiner Mehrheit eine Möglichkeit dafür eröffnen zu sollen, daß in absehbarer Zeit ein Einheitsgericht, d. h. ein einheitlicher Spruchkörper für alle Verfassungsstreitigkeiten geschaffen wird. Im Hinblick auf diese Zielsetzung erschien es notwendig, schon für den jetzt anstehenden Wahltermin eine Herabsetzung der Richterzahl einzuführen, um die Umstellung des Zwillingsgerichts auf das Einheitsgericht für die nähere oder weitere Zukunft vorzubereiten. Um das Ausmaß dieser Reform wurde im Ausschuß lange gerungen. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich selbst zunächst dahin geäußert, daß die Aufrechterhaltung der bisherigen Besetzung zur Bewältigung der Geschäftslast des Gerichts erforderlich sei. Das Gegenargument, daß es leichter und weniger zeitraubend sei, mit einem kleineren Spruchgremium die Beratungen zu einem Ergebnis zu führen, setzte sich jedoch durch, zumal das Bundesverfassungsgericht in zweiter Linie selbst es für möglich erklärt hatte, auch mit 10 Richtern in jedem Senat auszukommen. Die Mehrheit des Ausschusses stellte sich auf den Boden dieses Vorschlags, zumal er den Vorteil bot, daß bei keinem der auf Zeit gewählten Richter, der nach seinem Alter oder nach seinen sonstigen Berufsverhältnissen für eine Wiederwahl in Frage kommt, diese unmöglich gemacht wird. Deswegen kommt nach Lage der Verhältnisse zum Termin vom 1. September 1956 nur eine Herabminderung der Zahl auf 10 Richter pro Senat in Frage, während vom Jahre 1959 ab eine weitere Herabsetzung der Richterzahl um weitere 2 Mitglieder je Senat vorgesehen werden konnte. Da ein für die Dauer seines Amtes bei einem oberen Bundesgericht berufener Richter am 1. Oktober 1956 wegen Erreichung der Altersgrenze ausscheidet und nur durch die Einbeziehung seiner Stelle die Zahl der Zeitrichter um 4 gesenkt werden kann, waren die Sondervorschriften in Art. 2 a Satz 2 notwendig. Zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4 Abs. 1 Satz 1), Nr. 2 a (§ 5 Abs. 1), Nr. 7 (§ 15 Abs. 2), Art. 2 Der Ausschuß war in seiner Mehrheit weiterhin der Auffassung, daß entsprechend der Anregung des Bundesrates, der sich auch das Bundesverfassungsgericht selbst angeschlossen hat, das bisherige Zahlenverhältnis zwischen Bundesrichtern und Zeitrichtern (1 : 2) etwa beibehalten werden sollte. Künftig sollen daher jedem Senat nur noch drei für die Dauer ihres Amtes an einem oberen Bundesgericht gewählte Richter angehören (§ 4 Abs. 1). Hiernach sollen ab 1956 in jedem Senat 7 Zeitrichter und 3 Bundesrichter, von 1959 ab 5 Zeitrichter und 3 Bundesrichter tätig sein. Da künftig die Zahl der Richter der beiden Kategorien nicht mehr durch zwei teilbar sein wird, kann die vom Grundgesetz geforderte Parität zwischen beiden Wahlorganen nur noch für die Gesamtzahl der Richter in jedem Senat, nicht mehr, wie bisher, auch noch für jede Richterkategorie erreicht werden. Bundestag und Bundesrat werden hiernach in jedem Senat mit je 5 Richtern und ab 1959 mit je 4 Richtern vertreten sein; dabei wird das eine Wahlorgan 4 (ab 1959: 3) Zeitrichter und 1 Bundesrichter stellen, das andere Wahlorgan 3 (ab 1959: 2) Zeitrichter und 2 Bundesrichter. Da zur Zeit in jedem Senat jedoch noch 4 Bundesrichter tätig sind, werden zunächst in jedem Senat noch 4 Bundesrichter und nur noch 6 (ab 1959: 4) Zeitrichter vertreten sein. Die künftig vorgesehene Besetzung von 7 bzw. 5 Zeitrichtern und nur 3 Bundesrichtern wird erst dann zu erreichen sein, wenn in jedem Senat 1 Richter wegen Erreichung der Altersgrenze (zur Zeit 70 Jahre) als Richter des oberen Bundesgerichts in den Ruhestand versetzt wird oder auf andere Weise ausscheidet und an seiner Stelle dann, wie in Art. 2 vorgesehen, 1 Zeitrichter gewählt wird. Wann dieser Zeitpunkt eintritt, kann nicht vorausgesagt werden, da auch mit einem unvorhergesehenen Ausscheiden eines Bundesrichters gerechnet werden muß. Aus dem gleichen Grunde läßt sich auch nicht vorausbestimmen, welches Wahlorgan an Stelle eines ausscheidenden Bundesrichters einen Zeitrichter zu wählen haben wird. Es muß daher im Gesetz offenbleiben, wie die Verteilung der Sitze nach Bundesrichtern und Zeitrichtern auf jedes Wahlorgan erfolgen wird. Scheidet in einem Senat als erster ein vom Bundestag gewählter (Dr. Wahl) Bundesrichter aus und ist demgemäß als Ersatz ein Zeitrichter vorn Bundestag zu wählen, dann wird der Bundestag in dem Senat mit 4 (ab 1959 mit 3) Zeitrichtern und 1 Bundesrichter vertreten sein, der Bundesrat dagegen mit 3 (ab 1959 mit 2) Zeitrichtern und 2 Bundesrichtern. Scheidet dagegen in einem Senat zuerst ein vom Bundesrat gewählter Bundesrichter aus, der dann durch einen von diesem Wahlorgan gewählten Zeitrichter zu ersetzen ist, dann wird das Zahlenverhältnis umgekehrt sein. Da die Gesamtzahl der Richter herabgesetzt wurde, war auch das Quorum entsprechend auf 7 bzw. 6 Mitglieder zu verringern. Zu Art. 1 Nr. 4 a (§ 7 a) Am meisten umstritten war im Ausschuß die Frage der Richterwahl. Hier galt es einerseits die Rechte der Minderheit grundsätzlich zu wahren, andererseits ein Verfahren zu entwickeln, das in allen Fällen ein Wahlergebnis sicherstellt. Ohne daß auf die Vorgänge der Vergangenheit weiter eingegangen werden soll, ist nicht von der Hand zu weisen, daß im Falle eines von der Mehrheit und von der Minderheit für lebenswichtig gehaltenen Prozesses die Besetzung einer eintretenden Vakanz unmöglich wird, weil weder die Mehrheit noch die Minderheit sich damit abfinden kann, daß möglicherweise durch die Neuberufung eines Richters das Stimmenverhältnis im Senat zugunsten der einen oder anderen Partei verschoben wird. Deswegen konnte ein Ausweg nur in der Weise gesucht werden, daß unter Wahrung des im Grundgesetz vorgesehenen Wahlrechts der politischen Organe ein Vorschlagsrecht eines SiebenmännerAusschusses eingeführt wurde. Dieser Siebenmänner-Ausschuß umfaßt außer zwei ordentlichen öffentlichen Rechtslehrern deutscher Universitäten und zwei Präsidenten oberer Bundesgerichte drei Präsidenten der Landesverfassungsgerichte, die für Verfassungsprobleme als besonders kompetent gelten können. Dieser Ausschuß hat, wenn nur ein Richter zu wählen ist, drei Personen, im übrigen doppelt soviele Personen vorzuschlagen, als Richter zu wählen sind. Das Wahlmännergremium hat dann die Möglichkeit, einen der Vorschläge mit einfacher Majorität anzunehmen oder eine andere Person mit den bisher geltenden qualifizierten Mehrheiten zu wählen. Was die Mehrheit des Rechtsausschusses an dieser Lösung als glücklich empfand, ist die Unberechenbarkeit der Vorschläge des Siebenmänner-Ausschusses, die das Zustandekommen einer qualifizierten Mehrheit sicher erleichtert und andererseits die Mehrheit davon abhält, schon bei den ersten Verhandlungen um die Bildung der qualifizierten Mehrheit sich auf die Möglichkeit einer Wahl mit einfacher Mehrheit einzustellen. Daß letztlich nur die Mehrheit aus dem vorgeschlagenen Siebenmänner-Ausschuß den Richter bestimmen kann, ist eine Folge des Mehrheitsprinzips, auf dem die ganze demokratische Ordnung beruht. Die Minderheit hat diese Lösung unter den verschiedensten Gesichtspunkten bekämpft: In der Demokratie gebe es kein pouvoir neutre, und der Siebenmänner-Ausschuß könne schon gar nicht eine solche Schiedsrichterkompetenz beanspruchen; außerdem fehle der letztlich mit einfacher Mehrheit vollzogenen Wahl die Legitimität, die die Mitwirkung der Minderheit garantiere. Beide Argumente wurden von der Mehrheit als nicht überzeugend empfunden. Gerade wenn ein pouvoir neutre fehlt, muß die politische Entscheidung bei der Mehrheit liegen, die freilich durch die Einschaltung des Siebenmänner-Ausschusses ihrer parteipolitischen Schärfe entkleidet werden soll. Was endlich die Legitimität der Macht in der Demokratie betrifft, so ist zumindest bei Personenwahlen, selbst wenn für die ersten Wahlgänge qualifizierte Mehrheiten vorgesehen sind, die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen schon immer als ausreichende Legitimation angesehen worden. Das liegt in der Natur der Sache, da jede qualifizierte Mehrheit das Zustandekommen einer gültigen Wahl verhindern und die notwendige Besetzung einer Stelle nur durch den Rekurs auf die einfache Mehrheit garantiert werden kann. II. Sonstige Änderungen 1. Zu Art. 1 Nr. 1 a (§ 3 Abs. 4), Nr. 15 a (§ 99 Abs. 3), Nr. 16b (§ 101 Abs. 3) In § 3 Abs. 4 wird folgender Satz 2 eingefügt: „Die Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichts geht der Tätigkeit als Hochschullehrer vor." Diese Ergänzung des Gesetzes erschien notwendig, um die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts vor Beeinträchtigungen zu schützen, die aus der Doppelfunktion des Hochschullehrers und Verfassungsrichters entstehen könnten. Dementsprechend wird durch § 101 Abs. 3 Sätze 2, 3 und 4 vorgeschrieben, daß grundsätzlich ihre Dienstpflichten als Hochschullehrer ruhen. Zwei Drittel ihrer Bezüge als Hochschullehrer werden auf ihre Richterbezüge angerechnet. Die vom Bund dadurch gemachte Ersparnis ist von ihm dem Dienstherrn für die Kosten der Vertretung zur Verfügung zu stellen. Andererseits ergab sich daraus die Angleichung der Hochschullehrer an die übrigen Bundesverfassungsrichter in versorgungsrechtlicher Hinsicht (Fortfall des § 99 Abs. 3). Zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4 Abs. 1 Satz 2), Nr. 2 b (§ 6 Abs. 4) Auch erschien es im Sinne des Grundgesetzes, das die Berufung von Bundesrichtern in das Bundesverfassungsgericht vorsieht, wenn abweichend von der bisherigen Praxis und nach Überwindung der Anfangsschwierigkeiten der Reorganisation unserer Justiz nunmehr als § 4 Abs. 1 Satz 2 die Bestimmung aufgenommen ist, daß nur solche Bundesrichter gewählt werden sollen, die wenigstens 3 Jahre lang an einem oberen Bundesgericht tätig gewesen sind. Wichtig erschien es auch, im Rahmen und in den Grenzen des § 6 Abs. 4 eine Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Wahlmännerausschusses einzuführen. Es erschien notwendig, zum Schutze der Kandidaten diese Bestimmung aufzunehmen, die in noch stärkerer Form bereits im Richterwahlgesetz, das die Wahl der Richter zu den oberen Bundesgerichten regelt, enthalten ist. 2. Die im Ausschuß einstimmig angenommenen Vorschriften zur Änderung des Verfahrens enthalten im Grunde nicht mehr als Nachbesserungen des alten Gesetzes, die sich in der Praxis als wünschenswert herausgestellt haben. Zu Art. 1 Nr. 9 (§ 30 Abs. 1) Nach einer mündlichen Verhandlung sollen die am Ende der mündlichen Verhandlung bekanntzugebenden Verkündungstermine nicht über 3 Mo- (Dr. Wahl) nate hinaus anberaumt werden. Der Termin zur Verkündung der Entscheidung kann auf Beschluß des Bundesverfassungsgerichts verlegt werden. Hierbei kann die Frist von 3 Monaten überschritten werden. Zu Art. 1 Nr. 9 a (§ 38 Abs. 2) Nach § 38 Abs. 2 (und damit auch nach § 47) kann in Verfahren zur Aberkennung von Grundrechten und zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Parteien eine gerichtliche Voruntersuchung angeordnet werden. Zu Art. 1 Nr. 11 a (§ 80) Die Erörterungen über § 80 waren besonders eingehend. § 80 stellt einen Kompromiß dar insofern, als einerseits die Vorlage der Streitsachen durch die Instanzgerichte unmittelbar an das Bundesverfassungsgericht erfolgt, das alle oberen Bundesgerichte von dem Vorlagebeschluß unterrichtet. Diese sind verpflichtet, dem Bundesverfassungsgericht einschlägige Informationen über anhängige Sachen usw. mitzuteilen. Andererseits hat der zuständige Senat des für den Streitgegenstand zuständigen oberen Bundesgerichts darüber hinaus die Möglichkeit, sich zu dem Vorlagebeschluß einschließlich der darin aufgeworfenen Verfassungsfrage zu äußern. Diese Äußerung muß nach der übereinstimmenden Auffassung des Ausschusses so gehalten sein, daß der Eindruck einer Vorwegnahme der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vermieden wird. Zu Art. 1 Nr. 13 (§ 91 a), Nr. 8 a (§ 24) Die Einführung der Verfassungsbeschwerde durch den Gesetzgeber hat eine starke Überlastung 3) des Bundesverfassungsgerichts zur Folge gehabt. Es mußte deshalb über den schon bestehenden § 24 hinaus eine vereinfachte Behandlung der Verfassungsbeschwerde ermöglicht werden. Dies geschieht durch § 91 a, der eine Vorprüfung der Verfassungsbeschwerde durch einen Ausschuß von 3 Richtern vorschreibt. Durch einstimmigen Beschluß kann dieser Ausschuß die Verfassungsbeschwerde verwerfen, wenn weder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage zu erwarten ist noch dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entsteht. Einigt sich der Ausschuß nicht, so kann der Senat die Verfassungsbeschwerde aus diesen Gründen mit einfacher Mehrheit verwerfen. Der Ausschuß hat hierzu die Auffassung vertreten, daß von der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht nur dann die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage zu erwarten ist, wenn sie der Fortbildung des objektiven Rechts dient, sondern auch dann, wenn sie präjudiziell für die Auslegung der Grundrechte ist. Für die Zulassung der Verfassungsbeschwerde kommt es daher darauf an, ob sie insoweit von Bedeutung ist. Der Ausschuß hat die als § 91 a Abs. 3 vorgesehene Bestimmung gestrichen, wonach die Entscheidung über die Zulassung nicht begründet werden sollte. Er ist hierbei davon ausgegangen, daß jede gerichtliche Entscheidung einer — wenn auch nur kurzen - Begründung bedürfe. Da das Bundesverfassungsgericht vielfach entsprechend diesem Grundsatz auch in den Fällen des § 24 — wonach gewisse Anträge ohne weitere Begründung verworfen werden konnten — ohnehin schon verfahren ist, hat der Ausschuß gemäß seiner grundsätzlichen Auffassung auch in § 24 die Worte „der keiner weiteren Begründung bedarf" gestrichen. Einstimmig stellte sich der Ausschuß auf den Standpunkt, daß hier nur eine Verfahrensreform vorliegt, die ohne Eingriff in wohlerworbene Rechte auch auf die schon anhängigen Verfassungsbeschwerden angewendet werden kann. Zu Art. 1 Nr. 14 (§ 97) Der Ausschuß hat in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit gestrichen, die bisher für den Bundespräsidenten und andere Verfassungsorgane bestand, ein Gutachten vom Bundesverfassungsgericht zu erheben. Die umstrittene Rechtsnatur solcher Gutachten legte diesen Beschluß nahe; denn die eigentliche Aufgabe der Justiz ist die Entscheidung von Streitfällen und nicht die Erstattung mehr oder weniger unverbindlicher Gutachten. 3. Schließlich sieht der Entwurf die Änderung einiger versorgungs- und dienstrechtlicher Vorschriften vor: Zu Art. 1 Nr. 15 (§ 99 Abs. 1) Eine Neuregelung bringt insbesondere Nr. 2, wonach bei der Zurruhesetzung eines auf Zeit ernannten Richters infolge Dienstunfähigkeit es nicht mehr darauf ankommt, worauf diese Dienstunfähigkeit beruht. Die bisherige Regelung stellte darauf ab, daß die Dienstunfähigkeit die Folge einer bei Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes erlittenen Beschädigung war. Zu Art. 1 Nr. 17 (§ 105 Abs. 4 und 5) Während bisher sowohl die Ermächtigung des Bundesverfassungsgerichts an den Bundespräsidenten, einen Richter in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen, als auch die vorläufige Amtsenthebung eines Richters der Zustimmung von 15 Mitgliedern des Gerichts bedurften, sieht der Entwurf im Hinblick auf die Verringerung der Richterzahl an Stelle einer festen Zahl eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Gerichts vor. 4. In §§ 98 Satz 1 und 100 Abs. 1 Satz 1 wurde das Wort „Dienstbezüge" durch „Bezüge" und in §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz und in Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz sowie in § 105 Abs. 1 Nr. 1 das Wort „Dienstverhältnis" durch „Amt" ersetzt, um die Sonderstellung der Richter des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck zu bringen. Bonn, den 11. Mai 1956 Dr. Wahl Berichterstatter Anlage 3 Umdruck 626 (Vgl. S. 7964 C, 7965 B) Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Dr. Schranz und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 2388, 1662). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Art. I: 1. Nr. 8 a wird wie folgt geändert: § 24 erhält folgende Fassung: § 24 Formwidrige, unzulässige, verspätete oder offensichtlich unbegründete Anträge und Anträge von offensichtlich Nichtberechtigten können durch einstimmigen Beschluß des Gerichts verworfen werden. Der Beschluß bedarf keiner weiteren Begründung, wenn der Antragsteller vorher auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit seines Antrags hingewiesen worden ist. 2. In Nr. 13 wird dem § 91 a folgender neuer Abs. 3 angefügt: (3) § 24 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. 3. Es wird folgende Nr. 13 a eingefügt: 13 a. § 93 Abs. 1 erhält folgende Fassung: (1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird. Zu Art. 4: 4. Es wird folgender Art. 4 a eingefügt: Artikel 4 a Artikel 1 Nr. 1 a, 15 a und 16 b findet auf Richter, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes auf Zeit gewählt sind, bis zum Ablauf ihrer Amtszeit keine Anwendung. Bonn, den 19. Juni 1956 Hoogen Dr. von Buchka Frau Pitz Dr. Wahl Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) Dr. Weber (Koblenz) Dr. Arndt Bauer (Würzburg) Metzger Frau Nadig Schröter (Wilmersdorf) Wittrock Dr. Schranz Anlage 4 Umdruck 647 (Vgl. S. 7937 A, 7942 B, 7950 A, 7964 C, 7977 B) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 2388, 1662). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Art. I: 1. In Nr. 1 wird § 2 Abs. 2 gestrichen. 2. Nr. 2 b (§ 6 Abs. 4) wird gestrichen. 3. Nr. 4 a (§ 7 a) wird gestrichen. Bonn, den 19. Juni 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 zu Drucksache 2440 (Vgl. S. 7978 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die am 22. März 1956 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich (Drucksachen 2440, 2333). Berichterstatter: Abgeordneter Neuburger Die drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich stellen ein einheitliches Vertragswerk dar, das dazu bestimmt ist, die mit der Beschlagnahme und Liquidation der deutschen Vermögenswerte in Schweden zusammenhängenden Fragen abschließend zu regeln. Seit Abschluß des deutsch-schweizerischen Abkommens über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz vom 26. August 1952 wurden mit schwedischen Stellen laufend Erörterungen mit dem Ziel geführt, eine den beiderseitigen Interessen gerecht werdende Lösung zu finden. Der Ausgangspunkt für eine solche Regelung war allerdings wesentlich ungünstiger als im Falle der Schweiz. Einmal hatte Schweden auf Grund eines mit den drei Westalliierten abgeschlossenen Abkommens vom 18. Juli 1946 nahezu das gesamte deutsche Vermögen liquidiert, so daß eine Rückerstattung in natura ausschied. Ferner hatte Schweden einen Betrag von 150 Mio skr. aus den Liquidationserlösen deutschen Vermögens den Westalliierten zur Bezahlung lebenswichtiger Einfuhren in das Gebiet der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt. Diese Einfuhren wurden anschließend über die JEIA vorgenommen. Die Alliierten ließen sich jedoch den Gegenwert dieser Einfuhren — gewissermaßen als eigene Leistungen — gutschreiben und bezogen ihn in ihre Forderungen aus der Nachkriegswirtschaftshilfe ein. Schließlich hat Schweden auf Grund innerstaatlicher Gesetzgebung ein Zwangsclearing durchgeführt, in dessen Rahmen alle schwedischen Gläubiger eine teilweise — in Härtefällen auch volle — Befriedigung ihrer Forderungen gegen deutsche Schuldner aus dem verbleibenden Liquidationserlös deutschen Vermögens erhielten. An dieser schwedischen Haltung ist in den vergangenen Jahren von seiten der deutschen Eigentümer sehr harte Kritik geübt worden, wobei immer wieder die Frage gestellt wurde, welche Rechtsgrundlage ein neutrales Land für solche Maßnahmen in Anspruch nehmen könne. Bei dieser Kritik ist vielfach übersehen worden, daß die neu- (Neuburger) tralen Staaten sich infolge des Systems der schwarzen Listen und der fortdauernden Beschlagnahme ihrer Dollarguthaben gegenüber dem alliierten Verlangen in einer schwierigen Zwangslage befanden. Auf der anderen Seite muß aber daran erinnert werden, daß andere neutrale Länder in gleicher Lage die deutsche Vermögenssubstanz erhalten und damit ungleich günstigere Voraussetzungen für eine allseits befriedigende Lösung des Vermögensproblems geschaffen haben. Bei dieser Sachlage wäre es aber wenig realistisch gewesen, an Forderungen festzuhalten, die der Liquidation und der sonstigen Schmälerung der deutschen Vermögenssubstanz durch nichts Rechnung getragen hätten, und damit jede Aussicht auf eine konstruktive zweiseitige Regelung aufzugeben. So wurde schließlich eine Kompromißlösung auf der Basis beiderseitiger Zugeständnisse gefunden. Schweden hat darauf verzichtet, das Zwangsclearing für diejenigen schwedischen Forderungen — insbesondere den erheblichen schwedischen Besitz an Reichsanleihen — weiterzuführen, die im Londoner Schuldenabkommen, dem Schweden beigetreten ist, eine Regelung erfahren haben. Aus diesem Grunde ist Schweden in der Lage, für die Entschädigung der deutschen Eigentümer noch vorhandene Liquidationserlöse in Höhe von 60 bis 65 Mio skr. zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite hat sich die Bundesrepublik damit abgefunden, daß Forderungen des ehemaligen Deutschen Reiches, vom Deutschen Reich kontrollierter Einrichtungen sowie von solchen Rechtsträgern, die Aufgaben des Reiches im Ausland wahrgenommen haben, bei der Entschädigungsregelung jedenfalls zunächst keine Berücksichtigung finden. Dies gilt insbesondere für den erheblichen Guthabensaldo der deutschen Verrechnungskasse. Der Entschädigungsfonds wird außer durch die vorerwähnten schwedischen Zahlungen noch durch diejenigen Beträge gespeist werden, die sich in der Bundesrepublik als Gegenwert der schwedischen Ausschüttungen im Zwangsclearing auf Verbindlichkeiten deutscher Schuldner ergeben. Die Möglichkeit hierzu eröffnet eine schon vor der Unterzeichnung der drei Abkommen geschlossene Vereinbarung, auf Grund deren die schwedischen Behörden der Deutschen Revisions- und TreuhandA.G. zur Durchführung eines Einziehungsverfahrens Blanko-Abtretungs- oder Schuldurkunden aushändigen werden, die von den schwedischen Gläubigern bei Empfang der Zahlungen aus dem Zwangsclearing erteilt werden mußten. Den weitaus größten Posten dieser Gegenwerte stellen die deutschen äußeren Staatsanleihen dar, für welche die Bundesrepublik nach Maßgabe des Londoner Schuldenabkommens einzutreten hat. Die Höhe des auf diese Weise gebildeten Ausgleichsfonds kann deshalb zur Zeit nicht mit Sicherheit angegeben werden, weil sich noch nicht übersehen läßt, welches Ergebnis die Einziehung der Gegenwerte schwedischer Forderungen gegen deutsche Privatschuldner haben wird. Auch bei vorsichtiger Schätzung kann aber wohl angenommen werden, daß dem Ausgleichsfonds 115 bis 120 Mio DM zufließen werden. Dem stehen Liquidationserlöse deutschen Privatvermögens von etwa 188 Mio DM gegenüber, so daß sich für die deutschen Privateigentümer eine Entschädigungsquote von etwa 61 bis 63 % errechnet, die je nach dem Ergebnis der Einziehungen von Forderungen bei deutschen Privatgläubigern auch etwas höher ausfallen kann. Schweden strebte in den Verhandlungen an, eine Quote von mindestens 65,3 % zu erreichen, die unter Berücksichtigung einer in der Schweiz erhobenen Verwaltungsgebühr der schweizerischen Lösung entsprochen hätte. Die Erreichung einer solchen Ausschüttungsquote wäre auch von deutscher Seite begrüßt worden, sie konnte aber aus grundsätzlichen Erwägungen nicht durch eine Garantie der Bundesregierung sichergestellt werden, da es nicht zu vertreten gewesen wäre, Haushaltsmittel für eine Entschädigungsregelung bereitzustellen, die nur einem kleinen Teil der Auslandsgeschädigten zugute kommt, während eine generelle Entschädigung noch aussteht. Auf schwedischen Wunsch hat sich aber die Bundesregierung in einem Begleitschriftwechsel bereit erklärt, über die Möglichkeit der Erreichung einer 2/3-Ausschüttung noch weitere Verhandlungen zu führen, falls sich dies nach dem Verlauf des Entschädigungsverfahrens als erforderlich herausstellen sollte. Im übrigen würde die Erreichung einer Entschädigungsquote von 65,3 % noch keineswegs zu einer materiellen Übereinstimmung mit der Schweizer Freigabelösung führen, da dieser Prozentsatz sich ja nur auf die Liquidationserlöse bezieht, die in einer Reihe von Fällen in einem erheblichen Mißverhältnis zum tatsächlichen Wert der Vermögen stehen. Auf schwedischer Seite hat man sich trotz nachdrücklicher deutscher Vorstellungen nicht bereit gefunden, derartige Fälle durch eine Gemischte Kommission untersuchen zu lassen. Es steht nach den Erklärungen der schwedischen Delegation den deutschen Eigentümern jedoch frei, im Rahmen des schwedischen Rechts die Ordnungsmäßigkeit des Liquidationsverfahrens nachprüfen zu lassen. Wenn die getroffene Regelung somit auch nicht alle deutschen Wünsche erfüllt, so kann sie doch auf der anderen Seite als ein erfreulicher Schritt vorwärts angesehen werden. Durch die Aufhebung der diskriminierenden Vorschriften zieht Schweden einen Schlußstrich unter die schwedische Liquidationsgesetzgebung. Damit werden die allerdings nur geringfügigen Vermögenswerte, die dem Zugriff der schwedischen Behörden entgangen oder die zwar erfaßt, jedoch nicht liquidiert worden sind, grundsätzlich frei. Gleichzeitig entfällt das für die Wiederbetätigung der deutschen Wirtschaft besonders lästige Wiedererwerbsverbot. Den deutschen Eigentümern ist es daher jetzt möglich, im Wege von Vereinbarungen sich mit dem schwedischen Erwerber seines Vermögens über Rückerwerb oder gemeinsame künftige Zusammenarbeit zu verständigen. Das Ausgleichsverfahren sieht eine Zusammenarbeit deutscher und schwedischer Behörden vor. Insbesondere werden die schwedischen Behörden — soweit dies nicht schon früher geschehen ist — die Namen der deutschen Ausgleichsberechtigten und die Beträge der auf sie entfallenden Liquidationserlöse mitteilen, die in eine Ausgleichstabelle einzutragen sind. Die Eigentümer sind hierüber unter Übersendung eines Tabellenauszuges zu benachrichtigen. Wer innerhalb bestimmter Fristen keine Mitteilung erhält, kann selbständig Antrag auf Eintragung stellen, dem stattzugeben ist, wenn die schwedischen Behörden bestätigen, daß sein Vermögen in Schweden liquidiert worden ist. Möglichst bald nach Ablauf der notwendigen Antrags-und Widerspruchsfristen — also etwa im Frühjahr 1957 — soll, auch wenn noch nicht alle Ausgleichsmittel eingegangen sind, mit Teilausschüttungen begonnen werden. Die Einziehung der Gegenwerte und die vorläufige Anlage des Ausgleichsfonds bis (Neuburger) zur Ausschüttung wird durch einen Ausschuß überwacht werden, dem deutsche und schwedische Regierungsvertreter sowie ein Vertreter der Eigentümer angehören. Die Auszahlung der Ausgleichsbeträge wird nach behördlicher Weisung im Einvernehmen mit dem genannten Ausschuß durch die Deutsche Revision- und Treuhandgesellschaft erfolgen. Das Ausgleichsverfahren kommt auch Anspruchsberechtigten in der sowjetisch besetzten Zone zugute, für die der Ausschuß einen Treuhänder bestellen kann. Im Hinblick hierauf hat die schwedische Regierung im Rahmen des Begleitbriefwechsels erklärt, sie gehe davon aus, daß die Verträge in einem wiedervereinigten Deutschland zur Geltung gelangen. Von besonderer Bedeutung für die deutsche Außenwirtschaft ist das Abkommen über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte. Es gibt den deutschen Staatsangehörigen das Recht, die Wiederherstellung ihrer in der Kriegs- und Nachkriegszeit verfallenen Patentanmeldungen zu beantragen. Soweit die gewerblichen Schutzrechte an dritte Erwerber veräußert worden sind, steht — wie bereits erwähnt — einer in vielen Fällen schon angebahnten Verständigung zwischen Alteigentümer und Erwerber nichts im Wege. Soweit erforderlich, wird eine gemischte deutsch-schwedische Kommission den Beteiligten zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung behilflich sein. Die gefundene Regelung entspricht im wesentlichen den Abkommen, die mit einer Reihe anderer Staaten für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes getroffen worden sind. Schweden hatte seit Beginn der Verhandlungen jedes Zugeständnis hinsichtlich des deutschen Vermögens von gewissen Vergünstigungen für seine Staatsangehörigen auf dem Gebiet des Lastenausgleichs abhängig gemacht. Dieser schwedischen Forderung trägt das Abkommen zum deutschen Lastenausgleich Rechnung. Ähnlich wie früher schon schweizerische Staatsangehörige werden schwedische Staatsangehörige und deutsche juristische Personen mit maßgebender schwedischer Beteiligung den Staatsangehörigen der Vereinten Nationen gleichgestellt und für die Zeit von 1949 bis 1955 nachträglich von der Soforthilfe- und Vermögensabgabe freigestellt. Bei der künftigen Heranziehung zum Lastenausgleich bleibt das in Schweden gelegene sogenannte Heimatvermögen schwedischer Abgabeschuldner außer Ansatz. Andererseits ist vorgesehen, daß Leistungen, die schwedische Kriegsgeschädigte im Rahmen des schwedischen Zwangsclearings erhalten haben, voll auf ihre etwaigen Ansprüche auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes angerechnet werden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den in Drucksache 2440 enthaltenen Änderungsantrag bezüglich des § 4 des Ratifikationsgesetzes gestellt. Dieser Vorschlag soll möglichen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes Rechnung tragen, der die Errichtung von Bundesoberbehörden durch Bundesgesetz für solche Angelegenheiten vorsieht, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sah sich nicht in der Lage, die Errichtung der in § 4 der Vorlage genannten Dienststelle für Auslandsvermögen als Bundesoberbehörde zu empfehlen, da die ihr zugewiesenen Aufgaben sachlich und zeitlich begrenzt sind. In den vergangenen Jahren ist sowohl in der deutschen wie auch in der schwedischen Öffentlichkeit immer wieder mit Nachdruck darauf hingewiesen worden, daß die Frage, die durch dieses Vertragswerk eine abschließende Regelung erfahren soll, bisher noch als Schatten über den deutsch-schwedischen Beziehungen gelegen habe. Der schwedische Reichstag hat der Bedeutung, die den Verträgen für die in der Präambel angesprochene weitere Festigung der deutsch-schwedischen Beziehungen zukommt, dadurch Rechnung getragen, daß er ihnen ohne größere Aussprache bereits am 28. und 29. Mai 1956 einmütig zugestimmt hat. Die schwedischen Ratifikationsurkunden liegen zum Austausch bereit. Bonn, den 19. Juni 1956 Neuburger Berichterstatter Anlage 6 Drucksache 2446 (Vgl. S. 7978 B) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds (Drucksache 2328). Berichterstatter: Abgeordneter Kirchhoff Der 22. Ausschuß — Ausschuß für Geld und Kredit — hat in seiner 47. Sitzung am 7. Juni 1956 den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds — Drucksache 2328 — beraten und einstimmig beschlossen, dem Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage zuzustimmen. Aus sachlichen Gründen und im Hinblick auf die auch im Ausschuß vertretene Ansicht, daß eine dringliche Behandlung zweckmäßig ist, hat sich der Ausschuß in seiner Beratung kurz fassen können. Der Ausschuß ist bei seiner Beschlußfassung davon ausgegangen, daß ein Interesse daran besteht, daß die Bundesrepublik unter den Gründernationen der IFC vertreten ist, zumal der Beitritt der Bundesrepublik zur Weltbank aus von der Bundesrepublik nicht zu vertretenden Gründen erst verspätet erfolgen konnte. Es muß als wünschenswert angesehen werden, daß die Bundesrepublik von vornherein an der Arbeit dieser Tochterinstitution der Weltbank — z. B. im Hinblick auf die Festlegung der Geschäftsprinzipien — beteiligt werden kann. Der Ausschuß hat sich der aus der Begründung hervorgehenden Meinung der Bundesregierung anschließen können, nach der alle Maßnahmen, die die internationale Zusammenarbeit fördern, zu unterstützen sind. Dies gilt um so mehr, als sich die Arbeit der IFC nicht nur zugunsten der von ihr unmittelbar geförderten, meist unterentwickelten Länder auswirken, sondern auch positive Rückwirkungen auf die Industrieländer mit sich bringen (Kirchhoff) wird und somit einer Beschleunigung der Entwicklung der Weltwirtschaft zu dienen geeignet ist. Das Grundkapital der IFC, der alle Mitgliedsländer der Weltbank beitreten können, ist auf 100 Mio Dollar festgesetzt worden. Es soll von den Mitgliedern im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Weltbank aufgebracht werden. Der Anteil der Bundesrepublik ist auf 3,665 Mio Dollar festgesetzt worden. Der Betrag im Gegenwert von rd. 15,4 Mio DM ist bereits in den Bundeshaushalt 1955 (Kap. A 60 03 Tit. 893) eingestellt worden. Bonn, den 7. Juni 1956 Kirchhoff Berichterstatter Anlage 7 Umdruck 6334 (Vgl. S. 7981 A, 8000 B) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, (Drucksachen 2453, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: 1. In Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens — wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 6 250 000 DM auf 6 250 000 DM gekürzt. 2. In Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens — erhält der Haushaltsvermerk folgende Fassung: Die Mittel sind übertragbar. Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung. 3. In Tit. 302 — Veröffentlichungen der Bundesregierung — wird der Ansatz von 1 100 000 DM um 920 000 DM auf 180 000 DM gekürzt. 4. Tit. 309 — Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen — wird gestrichen. Zu Kap. 04 04, Bundesnachrichtendienst: 5. In Tit. 300 — Allgemeine nachrichtendienstliche Ausgaben — wird der letzte Absatz des Haushaltsvermerks wie folgt gefaßt: Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung. Bonn, den 19. Juni 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 8 Umdruck 653 (Vgl. S. 7986 D, 8000 B) Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers (Drucksachen 2453, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: 1. Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — wird gestrichen. Für den Fall der Ablehnung des Antrages unter Nr. 1: 2. In Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — erhält der letzte Absatz des Haushaltsvermerks folgende Fassung: Die Jahresrechnung über die Ausgaben unterliegt der Prüfung durch einen vertraulichen interfraktionellen Ausschuß. Bonn, den 19. Juni 1956 Dr. Keller Seiboth und Fraktion Anlage 9 zu Drucksache 2454 (Vgl. S. 8003 B) Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900). Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Vogel Das Volumen des Einzelplans des Haushalts für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts wächst entsprechend dem weiteren Ausbau des Netzes der deutschen Auslandsvertretungen um rund 15 Mio DM auf rund 190 Mio DM in diesem Haushaltsjahr an. Die einzelnen Beschlüsse auf Drucksache 2454 können nicht ohne den Nachtrag — Drucksache 1880 — und die zahlreichen Änderungs- und Berichtigungsblätter betrachtet werden, die diesen Haushaltsplan wie so manchen anderen stark veränderten und die Gesamtübersicht außerordentlich erschwerten. Nach sehr eingehender Beratung bewilligte der Ausschuß von den geforderten 519 Planstellen nur 506, von den Leerstellen von 6 nur 4 und strich auch die neu angeforderten Angestellten- und Arbeiterstellen des Tit. 104 merklich zusammen. Er folgte damit seiner Linie, den Aufbau der großen Ressorts im wesentlichen für abgeschlossen zu halten und nur unabdingbaren Stellenneuanforderungen zuzustimmen. Beim Auswärtigen Amt spielte dabei auch die Zahl von 62 Beamten eine Rolle, die als Auslandsbeamte vorübergehend im Inland beschäftigt werden können, und eine zweite Reserve an Angestellten und Arbeitern, die aus Sachfonds bezahlt werden, zu denen nicht weniger als 83 Anwärter des höheren und 45 des gehobenen auswärtigen Dienstes hinzuzuzählen sind. Da von den im gedruckten Einzelplan 05 angeführten Auslandsmissionen (im Vorjahr waren 165 eingeplant) 18 Vertretungen noch nicht eröff- (Dr. Vogel) net werden konnten, bestehen zur Zeit 37 Botschaften, 26 Gesandtschaften, 31 Generalkonsulate und 53 Konsulate, zusammen 147 Vertretungen. 9 weitere Vertretungen befinden sich im Stadium der Vorbereitung. Infolge politischer Veränderungen, vor allem in Afrika, ergeben sich laufend Umwandlungen, z. B. in Marokko, im Sudan, Indochina usw. Die im Tit. 103 enthaltene Personalreserve kann aber auf absehbare Zeit hinaus voll für neue Aufgabenstellungen des Inlandsdienstes ausgeschöpft werden, zumal ohnedies in dem jetzigen Stellenplan der Auslandsvertretungen bei einem Vergleich zwischen Ist- und Sollstärke eine gewisse Reserve enthalten ist. Angesichts der recht hohen Personalkosten befaßte sich der Ausschuß gerade beim Auswärtigen Amt sehr eingehend mit der Höhe der Umzugskosten, der Reisekosten, dem Gesundheitsdienst und der Unterbringung der im Ausland Bediensteten. Eine dem Ausschuß zugängliche Aufstellung gerade der Umzugskosten, nicht nur von Missionschefs, sondern vor allem von Konsulatssekretären und -angestellten, zeitigte das einmütige Verlangen, bei Versetzungen in Zukunft vorsichtiger und sparsamer zu verfahren und darüber hinaus vor allem in tropischen und subtropischen Gegenden zwecks Vermeidung von Umzugskosten und Möbelbeschädigungen die Unterbringung in bundeseigenen, eingerichteten Wohnungen anzustreben. Auch die bei Auslandsmissionen beschäftigten Schreibkräfte und das Hilfspersonal, wie z. B. Fahrer sollten unbedingt so weit wie möglich örtlich geworben werden. Mit Bedauern wurde gleichfalls davon Kenntnis genommen, daß der erst vor Jahresfrist bezogene Neubau des Amtes bereits nicht mehr ausreicht, so daß ein neues Gebäude für Dienstzwecke selbst I und ein für repräsentative Zwecke ausreichender Wohnsitz für den Außenminister neu beschafft werden müssen, Aufwendungen, die unbedingt in der Planung des Amtsneubaus hätten berücksichtigt werden müssen. Insgesamt beanspruchen die Tit. 710, 713 und 714 zusammen 645 000 DM neu. An Hand der vom Ausschuß gewünschten sachlichen Aufgliederung des Tit. 557 „Kosten der Delegationen für die Verhandlungen über die europäische Einigung" stieß der Ausschuß neben sehr erheblichen Resten auf eine derartige Personalreserve, daß der Titel von 1 Million auf 500 000 DM herabgesetzt und davon noch 250 000 DM gesperrt wurden. Andererseits erhöhte der Ausschuß den Beitrag zum Weltkinderhilfswerk von 1 Mio auf 1,2 Mio DM, den Tit. 970 „Außenpolitische Ausarbeitungen" von 50 000 auf 100 000 DM und schuf den neuen Tit. 962 „Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder" mit 3,5 Mio DM neu. Dieser neue Titel muß in engem Zusammenhang gesehen werden mit der Umgruppierung der Tit. 302 und 303 der Allgemeinen Bewilligungen Kap. 02 in diesem Haushalt einerseits, 15 Mio DM deutscher Beitrag zu der International Finance Corporation, 2 Mio DM Mittel aus dem ERP-Sondervermögen und 3,5 Mio DM für den gleichen Zweck neu im Bundeswirtschaftsministerium, so daß sich also eine deutsche Gesamtaufwendung für die Förderung im Aufbau befindlicher Länder von 11 plus 15 gleich 26 Mio DM neu ergibt. Die Mehrheit des Ausschusses vermochte einer Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses und einem eigens dafür gebildeten Unterausschuß nicht zu folgen, für die gleichen Zwecke einem SPD-Antrag über 50 Mio DM zuzustimmen. Es wurde auf die außerordentlich hohen deutschen Engagements in Argentinien mit 732 Mio DM, der Türkei mit über 400 Mio DM und anderen Ländern verwiesen, für deren wirtschaftlichen Aufbau die Bundesrepublik mit außerordentlich hohen Krediten über den Export eingetreten sei; Kredite, die jetzt vermutlich in Anleihen umgewandelt werden müssen. Die beiden großen Kulturfonds des Auswärtigen Amts Tit. 302 und 303 waren im Regierungsentwurf gegenüber dem Vorjahre von 12 auf 13 und von 10 auf 14 Mio DM heraufgesetzt worden. Zwischen diesen beiden Titeln nahm der Ausschuß insofern eine Umgruppierung vor, als er unter Berücksichtigung sehr erheblicher Ausgabereste bei Tit. 303 den Schulfonds von 14 auf 12 Mio DM herabsetzte, dafür aber den allgemeinen Kulturfonds von 13 auf 15 Mio DM heraufsetzte mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung: 2 Mio DM „Für den Aufenthalt und die Betreuung von Studenten aus wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern". Diese 2 Mio DM sind gesperrt. Dagegen lehnte der Ausschuß einen Antrag zu Kap. 01 Tit. 961 „Beteiligung der Bundesrepublik an dem technischen Beistandsprogramm der UNO" den Ansatz von 1 Mio auf 1,25 Mio DM zu erhöhen, ab. Der Herr Außenminister gab bei Erörterung unserer kulturellen Beziehungen zum Ausland die Planung von neuen deutschen Kulturinstituten neben Rom auch in Brüssel, Paris, London, Madrid und Ankara bekannt. Lebhaften Klagen aus dem Ausschuß über die schlechte Entlohnung deutscher Lehrkräfte an den deutschen Auslandsschulen begegnete das Amt mit dem Hinweis auf eine neue, bessere Besoldungsregelung. Inzwischen hatte der Ausschuß bereits Kenntnis von den sehr erheblichen Kosten eines neu erworbenen Schulbauplatzes in Madrid erhalten. Er ließ insgesamt keinen Zweifel darüber, daß die Umgruppierung zwischen den Tit. 302 und 303 keineswegs etwa eine Beschränkung in dem Aufbau und der Wiedereröffnung deutscher Auslandsschulen beinhalte, sondern daß er nach dem Aufbrauchen der noch vorhandenen Vorjahresreste durchaus bereit ist, in Zukunft sowohl den Schultitel wie den allgemeinen Kulturfonds weiter zu erhöhen, da beide noch nicht den Vorstellungen des Ausschusses über einen befriedigenden Stand unserer kulturellen Beziehungen zum Ausland entsprächen. Er wünschte eine möglichst schnelle und enge Zusammenarbeit mit den Kultministern der Länder, um die im Ausschuß geschilderten Mängel bei der Betreuung ausländischer Studenten abzustellen. Im Zusammenhang mit diesen einmütigen Wünschen des Ausschusses und Anregungen von seiten der Mitglieder des Hohen Hauses stehen die folgenden Neubewilligungen: Tit. 309 Erhöhung von 70 000 auf 120 000 DM „Förderung der Herausgabe außenpolitischer Dokumente", vor allem aber Tit. 600 Erhöhung des Zuschusses an die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde von 60 000 auf 120 000 DM und Tit. 600d 45 000 DM neu an die Südosteuropa-Gesellschaft, ferner Tit. 605 100 000 DM an die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik in Frankfurt, Tit. 606 Zuschuß an das Asieninstitut und Tit. 607 60 000 DM an die Deutsche Afrika-Gesellschaft. Mit Hilfe dieser Zuschüsse soll die deutsche Ost- und Südosteuropa-Forschung sowie die Forschung in Asien und Afrika auf einen angemessenen Stand gebracht werden. Von einer Ortsbestimmung des Asien- und Afrikainstitutes sah der Ausschuß zunächst ab, um abzuwarten, ob der Bundesregierung außer von der Hansestadt Hamburg noch von anderen Ländern Anerbieten über Zurverfügungstellung von Gebäuden und Errichtung von Professuren gemacht werden würden. (Dr. Vogel) Auch die neuen Tit. 678, 680 bis 683, die Sie in der Drucksache 2454 im Fettdruck aufgeführt sehen, verdienen in der Sicht gesteigerter europäischer Zusammenarbeit Ihre besondere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um den Beitrag von 1 Mio DM an die Westeuropäische Union, 17 700 DM an das Internationale Erziehungsbüro in Genf, 70 000 DM an das Europäische Kulturzentrum in Genf, dem der Ausschuß sehr skeptisch gegenübersteht und dies auch in der Sperrung von 20 000 DM und dem Vermerk „kw" für die restlichen 50 000 DM Ausdruck verlieh, weiteren 30 000 DM an das Studienzentrum für ausländische Politik in Paris und schließlich den Bundesbeitrag zur Europäischen Wirtschaftskommission (ECE) in Höhe von 390 000 DM. Neu ist weiter ein einmaliger Zuschuß von 20 000 DM zur Herausgabe des früheren „Gotha-Almanachs", eines sehr nützlichen Nachschlagewerkes, nicht etwa für die Genealogie des europäischen Adels, sondern für die statistischen Daten des Auslandes und seines diplomatischen Dienstes. Nach dem in der 8. Generalversammlung neu festgelegten Schlüssel hat die Bundesrepublik 3,92 v. H. der Betriebskosten der UNESCO gleich 1,8 Mio DM anstelle von 1,5 Mio DM bisher zu entrichten. Bei dieser und bei einer ganzen Reihe anderer ähnlicher Titel klagte der Ausschuß lebhaft über die wachsende Belastung des Haushalts durch die Steigerung bereits bestehender Beiträge zu internationalen Vereinigungen und das alljährliche Hinzutreten neuer derartiger Verpflichtungen. Bei der Beratung des Kap. 05 03 „Auslandsvertretungen" bedauerte der Ausschuß die sich in der Umwandlung von Gesandtschaften in Botschaften ausdrückende zunehmende Entwertung des Botschaftertitels. Er empfahl der Bundesregierung darüber hinaus, die neu errichtete Dienststelle in Saarbrücken daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht zweckentsprechender bei einem anderen Ministerium eingebaut werden könne. Im Hinblick auf die bereits eingangs erörterten allgemeinen Personalreserven bei den Auslandsmissionen bewilligte der Ausschuß anstelle von 1278 geforderten Planstellen nur 1271 und strich gleichfalls die 27 neu angeforderten Hilfskräfte unter Tit. 104, so daß sich Tit. 101 von 48 auf 47,5 Mio DM und Tit. 104 von 35,65 auf 35,40 Mio DM senken. Dagegen wurde der Tit. 240 für außergewöhnlichen Aufwand der Verwaltungsangehörigen der Auslandsmissionen von 2 auf 2,4 Mio DM erhöht und desgleichen auch Tit. 830 „Schaffung von Mietwohnungen für Auslandsbedienstete" an Orten mit besonders ungünstigen Wohnraumverhältnissen von 600 000 auf 700 000 DM. Bei den Einmaligen Ausgaben Tit. 710 bis 720 handelt es sich um 600 000 DM für ein neues Dienstgebäude in Santiago de Chile, 700 000 DM für eines in Athen, 800 000 DM in Buenos Aires, 700 000 DM für Bogotá, 400 000 DM 1. Teilbetrag für Ottawa, 250 000 DM 1. Teilbetrag für Madrid, 500 000 DM 1. Teilbetrag für Washington, 1 Mio DM 1. Teilbetrag für Canberra (Australien) und 800 000 DM 1. Teilbetrag für Tokio. Es bleibt dem Berichterstatter nur noch hinzuzufügen, daß in der Anlage zum Einzelplan 05 bei der Berechnung der Grundsätze der Auslandsbezüge einige durch Fettdruck gekennzeichnete Änderungen eingetreten sind, die vor allem die häufig diskutierte Frage der Aufwandsentschädigung angehen. Weiter haben sich einige Veränderungen in den Aufwandsentschädigungen für die Missionschefs selbst, gleichfalls in Fettdruck sichtbar hervorgehoben, ergeben, ohne daß sicherlich damit allen vor allem auch an Mitglieder dieses Hohen Hauses bei ihren Auslandsreisen herangetragenen Wünschen von seiten des hier entscheidenden Bundesfinanzministeriums Rechnung getragen wurde. Auch dem Berichterstatter erscheinen bei einem Vergleich zwischen den einzelnen Auslandsmissionen, ihrer Bedeutung und ihren Repräsentationskosten einzelne Positionen durchaus überprüfungswürdig. Die Beratungen des Ausschusses, dies darf der Berichterstatter abschließend feststellen, waren getragen von der Sorge um ein möglichst funktionsfähiges, sparsam wirtschaftendes Auswärtiges Amt und die Gesunderhaltung seiner häufig genug unter schwierigen klimatischen Verhältnissen arbeitenden Angehörigen. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, den Einzelplan 05 mit den in der Drucksache 2454 wiedergegebenen von ihm beschlossenen Änderungen insgesamt anzunehmen. Bonn, den 16. Juni 1956 Dr. Vogel Berichterstatter Anlage 10 Umdruck 629 (Vgl. S. 8003 C) änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Leverkuehn, Dr. Schmid (Frankfurt), Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Feller, Dr. Elbrächter und Genossen zur zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 0501 wird der Ansatz in Tit. 962 — Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder — von 3 500 000 DM auf 50 000 000 DM erhöht. Bonn, den 19. Juni 1956 Dr. Leverkuehn Dr. Bartram Bender Berendsen Dr. Bergmeyer Even Gräfin Finckenstein Dr. Furler Gedat Hahn Majonica Dr. Baron Manteuffel-Szoege Menke Müser Dr. Oesterle Dr. Pohle (Düsseldorf) Dr. Dr. h. c. Pünder Frau Dr. Rehling Richarts Frh. Riederer v. Paar Dr. Siemer Dr. Schmid (Frankfurt) Altmaier Dr. Arndt Frau Beyer (Frankfurt) Birkelbach Brandt (Berlin) Diekmann Erler Jaksch Kalbitzer Klingelhöfer Kühn (Köln) Lange (Essen) Ludwig Marx Mellies Dr. Mommer Müller (Erbendorf) Müller (Worms) Ollenhauer Paul Regling Ritzel Schoettle Seither Frau Strobel Thieme Wehner Wehr Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein Margulies Feller Dr. Gille Gemein Petersen Dr. Elbrächter Dr. Brühler Schneider (Bremer- haven) Müller (Wehdel) Dr. Schranz Dr. Zimmermann Anlage 11 Umdruck 635 (Vgl. S. 8006 B) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 05 01, Auswärtiges Amt: 1. In Tit. 961 — Beteiligung der Bundesrepublik an dem erweiterten technischen Beistandsprogramm der Vereinten Nationen für die wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Länder — wird der Ansatz von 1 000 000 DM um 250 000 DM auf 1 250 000 DM erhöht. Zu Kap. 05 02, Allgemeine Bewilligungen: 2. In Tit. 301 — Geheime Ausgaben — erhält der zweite Haushaltsvermerk folgende Fassung: Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Betrages unterliegt der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung. 3. In Tit. 603 — Zuschuß des Bundes für die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen — wird der Ansatz von 25 000 DM um 35 000 DM auf 60 000 DM erhöht. Bonn, den 19. Juni 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 12 Umdruck 637 (Vgl. S. 8008 A) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 0502 wird in Tit. 303 die Regierungsvorlage wiederhergestellt. Bonn, den 19. Juni 1956 Frau Hütter Dr. Dehler und Fraktion Anlage 13 Umdruck 658 (Vgl. S. 8013 A) Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 0501, Auswärtiges Amt: 1. In Tit. 101 wird das Amtsgehalt des Bundesministers gestrichen und der Gesamtbetrag des Titels entsprechend vermindert. 2. Tit. 714 — Kosten für den Erwerb des Grundstücks in Bonn, Kiefernweg 12, seine bauliche Herrichtung und Ausstattung als Amtswohnung des Bundesministers des Auswärtigen — mit dem Ansatz von 500 000 DM wird gestrichen. Bonn, den 19. Juni 1956 Seiboth und Fraktion Anlage 14 Umdruck 661 (Vgl. S. 8014 B) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, und Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen 2454, 2455, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Kap. 0502 Tit. 302 wird der Ansatz von 15 000 000 DM um 2 000 000 DM auf 13 000 000 DM gekürzt. 2. In Kap. 0602 Tit. 624 wird der Ansatz von 800 000 DM um 2 000 000 DM auf 2 800 000 DM erhöht und die Zweckbestimmung wie folgt ergänzt: Förderung und Betreuung von Studenten aus wirtschaftlich entwicklungsfähigen Ländern an den deutschen Hochschulen. Bonn, den 19. Juni 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 15 Umdruck 682 (Vgl. S. 8014 D) Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Conring zur zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes 1956, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache 2454, 1900). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 01 wird der Ansatz in Tit. 962 — Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder — von 3 500 000 DM auf 20 000 000 DM erhöht. Bonn, den 20. Juni 1956 Dr. Vogel Dr. Conring Namentliche Abstimmung Namentliche Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 1662, 2388): 1. über Ziffer 3 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Umdruck 647 (vgl. S. 7965 D, 8026 C), 2. Schlußabstimmung (vgl. S. 7978 C) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Frau Ackermann . . . . Nein Ja Gräfin Finckenstein Nein Ja Dr. Adenauer — Ja Finckh Nein Ja Albers Nein Ja Dr. Franz Nein Ja Albrecht (Hamburg) . . Nein Ja Franzen Nein Ja Arndgen Nein Ja Friese Nein Ja Barlage Nein Ja Fuchs Nein Ja Dr. Bartram * Ja Funk Nein Ja Bauer (Wasserburg) . . Nein Ja Dr. Furler beurlaubt beurlaubt Bauereisen Nein Ja Frau Ganswindt . . . . Nein Ja Bauknecht Nein Ja Gedat beurlaubt beurlaubt Bausch beurlaubt beurlaubt Geiger (München) . . . Nein Ja Becker (Pirmasens) . . Nein Ja Frau Geisendörfer . . . Nein Ja Bender * Ja Gengler . Nein Ja Berendsen beurlaubt beurlaubt Gerns beurlaubt beurlaubt Dr. Bergmeyer Nein Ja D. Dr. Gerstenmaier . . Nein Ja Fürst von Bismarck . . . Nein Ja Gibbert Nein Ja Blank (Dortmund) . . . — Ja Giencke . Nein Ja Frau Dr. Bleyler Dr. Glasmeyer Nein Ja (Freiburg) Nein Ja Dr. Gleissner (München) Nein Ja Blöcker Nein Ja Glüsing Nein Ja Bob Nein Ja Gockeln . -- — Dr. Götz beurlaubt beurlaubt von Bodelschwingh . Nein Ja Goldhagen Nein Ja Dr. Böhm (Frankfurt) . Nein Ja Gontrum Nein Ja Brand (Remscheid) . . . Nein Ja Dr. Graf (München) Nein Ja Frau Brauksiepe . . . . Nein Ja Günther — * Dr. von Brentano . . . . — Ja Gumrum Nein Ja Brese Nein Ja Haasler Nein Ja Frau Dr. Brökelschen Nein Ja . Dr. Brönner Nein Ja Häussler Nein Ja Brookmann (Kiel) . . . Nein Ja Hahn Nein Ja Brück Nein Ja Harnischfeger Nein Ja Dr. Bucerius Nein Ja Heix beurlaubt beurlaubt Dr. von Buchka . . . . Nein Ja Dr. Hellwig Nein Ja Dr. Bürkel Nein * Dr. Graf Henckel . . . Nein Ja Burgemeister Nein Ja Dr. Hesberg Nein Ja Caspers Nein * Heye beurlaubt beurlaubt Cillien beurlaubt beurlaubt Hilbert Nein Ja Dr. Conring Nein Ja Höcherl Nein Ja Dr. Czaja Nein Ja Dr. Höck beurlaubt beurlaubt Demmelmeier Nein Ja Höfler Nein Ja Diedrichsen Nein Ja Holla Nein Ja Frau Dietz Nein * Hoogen Nein Ja Dr. Dittrich beurlaubt beurlaubt Dr. Horlacher Nein Ja Dr. Dollinger beurlaubt beurlaubt Horn Nein Ja Donhauser Nein Ja Huth Nein Ja Dr. Dresbach Nein Ja Illerhaus Nein Ja Dr. Eckhardt beurlaubt beurlaubt Dr. Jaeger beurlaubt beurlaubt Eckstein Nein Ja Jahn (Stuttgart) . . . . Nein Ja Ehren Nein Ja Frau Dr. Jochmus . . . beurlaubt beurlaubt Engelbrecht-Greve . . . Nein Ja Josten beurlaubt beurlaubt Dr. Dr. h. c. Erhard . . . - - Kahn Nein Ja Etzenbach . — — Kaiser Nein — Even Nein Ja Karpf Nein Ja Feldmann . beurlaubt beurlaubt Kemmer (Bamberg) . . Nein — *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Name Abstimmung Kemper (Trier) Nein Ja Pelster beurlaubt beurlaubt Kiesinger Nein Ja Dr. Pferdmenges . . . . — Ja Dr. Kihn (Würzburg) . . Nein Ja Frau Pitz Nein Ja Kirchhoff Nein Ja Platner Nein Ja Klausner * * Dr. Pohle (Düsseldorf) . beurlaubt beurlaubt Dr. Kleindinst Nein Ja Frau Praetorius . . . . beurlaubt beurlaubt Dr. Kliesing beurlaubt beurlaubt Frau Dr. Probst . . . . Nein * Knapp Nein Ja Dr. Dr. h. c. Pünder . . beurlaubt beurlaubt Knobloch beurlaubt beurlaubt Raestrup Nein Ja Dr. Köhler beurlaubt beurlaubt Rasner Nein Ja Koops Nein Ja Frau Dr. Rehling . . . . Nein Ja Dr. Kopf beurlaubt beurlaubt Richarts Nein Ja Kortmann Nein Ja Frhr. Riederer von Paar Nein Ja Kraft beurlaubt beurlaubt Dr. Rinke Nein Ja Kramel Nein * Frau Rösch Nein Ja Krammig Nein * Rösing Nein Ja Kroll Nein Ja Rümmele Nein Ja Frau Dr. Kuchtner . . . Nein Ja Ruf Nein Ja Kühlthau beurlaubt beurlaubt Sabaß beurlaubt beurlaubt Kuntscher Nein Ja Sabel Nein Ja Kunze (Bethel) Nein Ja Samwer Nein Ja Lang (München) . . . . Nein Ja Schäffer Nein Ja Leibfried — — Scharnberg beurlaubt beurlaubt Leibing Nein Ja Scheppmann Nein Ja Dr. Leiske Nein Ja Schill (Freiburg) . . . . Nein Ja Lenz (Brüh]) beurlaubt beurlaubt Schlick Nein Ja Dr. Lenz (Godesberg) . . Nein Ja Schmücker Nein Ja Lenze (Attendorn) . . . Nein Ja Schneider (Hamburg) . . — Ja Leonhard Nein Ja Schrader Nein Ja Lermer Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) — — Leukert Nein Ja Dr.-Ing. E. h. Schuberth Nein Ja Dr. Leverkuehn . . . . Nein Ja Schüttler Nein Ja Dr. Lindenberg . . . . Nein Ja Schütz Nein Ja Dr. Lindrath Nein Ja Schulze-Pellengahr . . . Nein Ja Dr. Löhr Nein Ja Schwarz Nein Ja Lotze Nein Ja Frau Dr. Schwarzhaupt Nein Ja Dr. h. c. Lübke . . . . — — Dr. Seffrin beurlaubt beurlaubt Lücke beurlaubt Ja Seidl (Dorfen) beurlaubt beurlaubt Lücker (München) . . . — Ja Dr. Serres Nein Ja Lulay beurlaubt beurlaubt Siebel beurlaubt beurlaubt Maier (Mannheim) . . . Nein Ja Dr. Siemer Nein Ja Majonica beurlaubt beurlaubt Solke Nein Ja Dr. Baron Manteuffel- Spies (Brücken) . . . . Nein Ja Szoege Nein Ja Spies (Emmenhausen) . Nein Ja Massoth Nein Ja Spörl Nein Ja Maucher . . . . . . . Nein Ja Stauch beurlaubt beurlaubt Mayer (Birkenfeld) . . Nein Ja Frau Dr. Steinbiß . . . Nein Ja Menke Nein Ja Stiller Nein Ja Mensing Nein — Storch — Ja Meyer (Oppertshofen) . Nein Ja Dr. Storm Nein Ja Meyer-Ronnenberg Nein * Strauß — — Miller Nein Ja Struve Nein Ja Dr. Moerchel beurlaubt beurlaubt Stücklen Nein Ja Morgenthaler beurlaubt beurlaubt Teriete Nein Ja Muckermann Nein Ja Thies Nein Ja Mühlenberg Nein Ja Unertl beurlaubt beurlaubt Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) beurlaubt beurlaubt Varelmann Nein Ja Müller-Hermann . . . . beurlaubt beurlaubt Frau Vietje Nein Ja Müser Nein Ja Dr. Vogel Nein Ja Nellen — — Voß Nein * Neuburger — Ja Wacher (Hof) Nein Ja Niederalt Nein Ja Wacker (Buchen) . . . . Nein Ja Frau Niggemeyer . . . Nein Ja Dr. Wahl Nein Ja Dr. Dr. Oberländer . . Nein Ja Walz Nein Ja Dr. Oesterle beurlaubt beurlaubt Frau Dr. h. c. Weber Oetzel Nein Ja (Aachen) Nein Ja Dr. Orth * Ja Dr. Weber (Koblenz) . . Nein Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Name Abstimmung Wehking Nein Ja Hermsdorf Ja Nein Dr. Welskop * Ja Herold Ja Nein Frau Welter (Aachen) . Nein Ja Höcker Ja Nein Dr. Werber Nein Ja Höhne Ja Nein Wiedeck Nein * Hörauf Ja Nein Wieninger Nein Ja Frau Dr. Hubert . . . . Ja Nein Dr. Willeke Nein Ja Hufnagel Ja Nein Winkelheide Nein Ja Jacobi beurlaubt beurlaubt Dr. Winter Nein Ja Jacobs Ja Nein Wittmann Nein Ja Jahn (Frankfurt) . . . . Ja Nein Wolf (Stuttgart) . . . . Nein Ja Jaksch Ja Nein Dr. Wuermeling . . . . Nein Ja Kahn-Ackermann . . . Ja Nein Wullenhaupt Nein Ja Kalbitzer Ja Nein Frau Keilhack Ja Nein SPD Frau Kettig Ja Nein Frau Albertz Ja Nein Keuning Ja — Frau Albrecht (Mittenw.) Ja Nein Kinat Ja Nein Alfmaier Ja Nein Frau Kipp-Kaule . . . beurlaubt beurlaubt Dr. Arndt Ja Nein Könen (Düsseldorf) Ja Nein Arnholz Ja Nein Koenen (Lippstadt) . . Ja Nein Dr. Baade beurlaubt beurlaubt Frau Korspeter . . . . Ja Nein Dr. Bärsch Ja Nein Dr. Kreyssig beurlaubt beurlaubt Bals Ja Nein Kriedemann Ja Nein Banse Ja Nein Kühn (Köln) Ja Nein Bauer (Würzburg) . . . Ja Nein Kurlbaum Ja Nein Baur (Augsburg) . . . . Ja Nein Ladebeck beurlaubt beurlaubt Bazille Ja Nein Lange (Essen) Ja Nein Behrisch Ja Nein Frau Lockmann . . . . Ja Nein Frau Bennemann . . . . Ja Nein Ludwig Ja Nein Bergmann Ja Nein Maier (Freiburg) • • • • Ja Nein Berlin Ja Nein Marx Ja Nein Bettgenhäuser beurlaubt beurlaubt Matzner Ja Nein ) Frau Beyer (Frankfurt) Ja Nein Meitmann beurlaubt beurlaubt Birkelbach beurlaubt beurlaubt Mellies * Nein Blachstein beurlaubt beurlaubt Dr. Menzel Ja Nein Dr. Bleiß Ja Nein Merten beurlaubt beurlaubt Böhm (Düsseldorf) . . . beurlaubt beurlaubt Metzger Ja Nein Bruse Ja Nein Frau Meyer (Dortmund) Ja Nein Corterier Ja Nein Meyer (Wanne-Eickel) . Ja Nein Dannebom Ja Nein Frau Meyer-Laule . . . Ja Nein Daum Ja Nein Mißmahl Ja Nein Dr. Deist Ja * Moll beurlaubt beurlaubt Dewald Ja Nein Dr. Mommer Ja Nein Diekmann Ja Nein Müller (Erbendorf) • . . Ja Nein Diel beurlaubt beurlaubt Müller (Worms) . . . . Ja Nein Frau Döhring Ja Nein Frau Nadig Ja Nein Dopatka Ja Nein Odenthal Ja Nein Erler beurlaubt beurlaubt Ohlig Ja Nein Eschmann Ja Nein 011enhauer beurlaubt beurlaubt Faller Ja Nein Op den Orth Ja Nein Franke Ja Nein Paul beurlaubt beurlaubt Frehsee Ja Nein Peters beurlaubt beurlaubt Freidhof Ja Nein Pöhler beurlaubt beurlaubt Frenzel * Nein Pohle (Eckernförde) . . Ja Nein Gefeller Ja Nein Dr. Preller Ja Nein Geiger (Aalen) Ja Nein Prennel Ja Nein Geritzmann Ja Nein Priebe Ja Nein Gleisner (Unna) . . . Ja — Pusch Ja Nein Dr. Greve Ja Nein Putzig Ja Nein Dr. Gülich Ja Nein Rasch Ja Nein Hansen (Köln) Ja Nein Dr. Ratzel Ja Nein Hansing (Bremen) . . . Ja Nein Regling Ja Nein Hauffe Ja Nein Rehs Ja Nein Heide Ja Nein Reitz Ja Nein Heiland Ja Nein Reitzner Ja Nein Heinrich Ja Nein Frau Renger Ja Nein Hellenbrock Ja Nein Richter Ja Nein s) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Name Abstimmung Ritzel . Ja Nein Dr. Stammberger . . . Ja Nein Frau Rudoll Ja Nein Dr. Starke beurlaubt beurlaubt Ruhnke Ja Nein Weber (Untersontheim) . Ja Nein Runge Ja Nein Frau Schanzenbach . . Ja Nein GB/BHE Scheuren Ja Nein Elsner Ja Nein Dr. Schmid (Frankfurt) . Ja Nein Engell Ja Nein Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja Nein Feller Ja Nein Schmidt (Hamburg) . . * Nein Frau Finselberger . . . Ja Nein Schmitt (Vockenhausen) . Ja Nein Gemein . . . . . . . Ja Nein Dr. Schöne beurlaubt beurlaubt Dr. Gille Nein Ja Schoettle Ja Nein Dr. Kather Ja Ja Seidel (Fürth) Ja Nein Dr. Keller Ja Nein Seither Ja Nein Dr. Klötzer . . . . . Ja Nein Seuffert Ja Nein Kunz (Schwalbach) . . Ja Nein Stierle Ja Nein Kutschera . . . . . . . Ja Nein Sträter beurlaubt beurlaubt Dr. Mocker beurlaubt beurlaubt Frau Strobel Ja Nein Petersen * Nein StümeS Stümer Ja Nein Dr. Reichstein beurlaubt beurlaubt Thieme Ja - Seiboth Ja Nein Trittelvitz beurlaubt beurlaubt Dr. Sornik enthalten Nein Wagner (Deggenau) . . Ja Nein Srock Ja Nein Wagner (Ludwigshafen) Ja Nein Dr. Strosche enthalten Nein Wehner 4, Nein Wehr Ja Nein Welke Ja Nein DP Weltner (Rinteln) . . . Ja Nein Becker (Hamburg) . . . Nein Nein Dr. Dr. Wenzel . . . . Ja Nein Dr. Brühler Nein Ja Wienand beurlaubt beurlaubt Eickhoff Nein enthalten Wittrock Ja Nein Dr. Elbrächter Nein Ja Ziegler Ja Nein Fassbender . . . . . . Nein enthalten Zühlke Ja Nein Frau Kalinke Nein enthalten Matthes Nein Ja FDP Dr. von Merkatz . . . . * Ja Müller (Wehdel) . . . . Nein enthalten Dr. Atzenroth beurlaubt beurlaubt Dr. Schild (Düsseldorf) . Nein enthalten Dr. Becker (Hersfeld) . . Nein Schneider (Bremerhaven) beurlaubt beurlaubt Dr. Bucher Ja Nein Dr. Schranz Nein Nein Dr. Czermak Nein Ja Dr.-Ing. Seebohm . . . beurlaubt beurlaubt Dr. Dehler Ja Nein Walter Nein Ja Dr.-Ing. Drechsel . . . Ja Nein Wittenburg Nein Nein Eberhard * Nein Dr. Zimmermann — enthalten Frau Friese-Korn Ja Nein Frühwald Ja Nein DA Gaul Ja Nein Dr. Berg — Dr. von Golitscheck Ja Nein Graaff (Elze) Ja Nein Dr. Blank (Oberhausen) . beurlaubt beurlaubt (E Dr. Hammer Nein Nein Dr. h. c. Blücher Ja Ja Held beurlaubt beurlaubt Euler Ja Ja Dr. Hoffmann Ja Nein Hepp Nein Ja Frau Hütter Ja Nein Körner Nein Ja Frau Dr. Ilk Ja Nein Lahr Nein Ja Dr. Jentzsch beurlaubt beurlaubt von Manteuffel (Neuß) . beurlaubt beurlaubt Kühn (Bonn) Ja Nein Neumayer Nein Ja Lenz (Trossingen) . . . beurlaubt beurlaubt Dr. Preiß Nein Ja Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö- Dr. Preusker — — wenstein Ja Nein Dr. Schäfer Nein Ja Margulies Ja Nein Dr. Schneider (Lollar) beurlaubt eur beurlaubt ) Mauk Ja Nein Dr. Wellhausen Ja * Dr. Mende beurlaubt beurlaubt Dr. Miessner Ja Nein Onnen Ja - Rademacher Ja Nein Scheel Ja Nein Fraktionslos Schloß Ja Nein Schwann Ja Brockmann (Rinkerode) beurlaubt beurlaubt Stahl Ja Nein Stegner Ja Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Zusammenstellung der Abstimmungen Abstimmung Abgegebene Stimmen 374 378 Davon: Ja 164 205 Nein 208 167 Stimmenthaltung . 2 6 Zusammen wie oben . . 374 :378 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung Mattick . . . Ja Nein CDU/CSU Neubauer Ja Nein Dr. Friedensburg Nein Ja Neumann Ja Ja Nein Dr. Schellenberg Nein Grantze Nein Ja Frau Schroeder (Berlin) . Ja Nein Dr. Krone Nein Ja Schröter (Wilmersdorf) . Ja Nein Lemmer — Ja Frau Wolff (Berlin) — Nein Frau Dr. Maxsein Nein Ja Stingl beurlaubt beurlaubt FDP Frau Dr. Dr. h. c. Lüders beurlaubt beurlaubt SPD Dr. Reif Ja Nein Dr. Will — enthalten Brandt (Berlin) . . . Ja Nein Frau Heise beurlaubt beurlaubt DA Klingelhöfer Ja Nein Dr. Heim Nein Ja Dr. Königswarter Ja — Hübner Nein Ja Zusammenstellung der Abstimmungen der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen 16 18 Davon: Ja 10 7 Nein 6 10 Stimmenthaltung . — 1 Zusammen wie oben . . 16 18
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, zunächst darf ich unserem verehrten Kollegen Giencke zum 60. Geburtstag gratulieren.

(Beifall.)

Dann begrüße ich den Herrn Abgeordneten Thies. Herr Abgeordneter Thies ist hier unter uns. Er nimmt die Stelle unseres verstorbenen Kollegen Naegel ein. Ich begrüße Herrn Kollegen Thies und wünsche ihm eine gesegnete Arbeit in diesem Hohen Hause.

(Beifall.)

Meine Damen und Herren, ich setze Ihr Einverständnis für folgendes voraus. Heute vor 25 Jahren ist das System der Reparationszahlungen aus dem Versailler Vertrag durch die Initiative des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Herbert Hoover zum Stillstand gekommen und beendet worden. Ich habe deshalb dem Präsidenten Hoover ein Grußtelegramm geschickt, für das ich Ihre Zustimmung erbitte.

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juni 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1956/57 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1956/57),
Gesetz über die Liquidation der Deutschen Rentenbank und über weitere Maßnahmen zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung,
Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger,
Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung,
Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen,
Zweites Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz),
Gesetz über die vorläufige Fortgeltung der Inanspruchnahme von Gegenständen für Zwecke der ausländischen Streitkräfte und ihrer Mitglieder.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 16. Juni 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 137. Sitzung über die Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2516 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat unter dem 15. Juni 1956 die Kleine Anfrage 254 der Abgeordneten Höcherl, Stücklen, Niederalt, Wieninger, Dr. Dollinger. Wacher (Hof) und Genossen betreffend Beschaffungen für den Bedarf der Bundeswehr — Drucksache 2418 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2515 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu der Tagesordnung. Ich rufe auf den Punkt 1:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 2370).
Es ist im Ältestenrat verabredet worden, daß auf Begründung und Debatte verzichtet wird. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist. — Auf Begründung wird verzichtet.
Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Drucksache 2371).
Hier soll ebenso verfahren werden. Wer mit der Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Geltungsdauer der Achtundvierzigsten, Einundfünfzigsten und Vierundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 2372).
Hier soll genau so verfahren werden. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Nun komme ich zu dem Punkt II der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1662);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) (Drucksache 2388, Umdrucke 626, 647). (Erste Beratung: 109. Sitzung.)
Ich frage zunächst, ob hierzu mündlich Bericht erstattet werden soll. — Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wahl.

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215000100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte zur Berichterstattung aus Zeitersparnisgründen gar nicht das Wort ergriffen — da mein Schriftlicher Bericht *) in Drucksache 2388 schon seit längerem in Ihren Händen ist —, wenn nicht Herr Kollege Arndt in der letzten Rechtsausschußsitzung zu Protokoll erklärt hätte, daß er mit meinem Bericht nicht einverstanden sei, weil er zwei wesentliche Lücken enthalte. Ich gebe zu, daß ich die außerordentlich umfänglichen Beratungen sehr kurz zusammengefaßt habe, und bin bereit, nachdem die Minderheit auf diesen von mir nicht gebrachten Teil der Beratungen des Rechtsausschusses besonderen Wert legt, ihn hier noch mündlich mitzuteilen.
Einmal geht es um die Verschwiegenheit der Mitglieder des Wahlmännergremiums für das Bundesverfassungsgericht. Während es bei den Richterwahlausschüssen für die oberen Bundesgerichte ganz allgemein heißt, daß die Wahlmänner zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, hat das Bundesverfassungsgerichtsgesetz überhaupt keine Geheimhaltung vorgesehen. Auf Grund ausführlicher
*) Siehe Anlage 2.
Debatten haben wir uns im Ausschuß darüber geeinigt, daß über die persönlichen Verhältnisse eines Kandidaten und die Erörterung dieser persönlichen Verhältnisse im Wahlmännerausschuß geschwiegen werden müsse. Die Mehrheit hat weiterhin geglaubt, die Verschwiegenheitspflicht auch auf die Abstimmung selbst ausdehnen zu müssen, weil nach demokratischer Tradition die Abstimmung in Personalfragen selbst in öffentlichen Sitzungen geheim vorgenommen zu werden pflegt. Die Minderheit glaubte aber, sich dieser Auffassung nicht anschließen zu können, weil sonst die politisch so wichtigen Vorgänge bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter nicht in die öffentliche Diskussion gebracht werden könnten. Das ist nach Meinung der Mehrheit aber nicht der Fall, weil sich in der Abstimmung als solcher die politisch wichtigen Vorgänge im Wahlmännergremium nicht erschöpfen.
Ich darf übrigens bei dieser Gelegenheit eine Berichtigung des Wortprotokolls unserer Ausschußsitzungen vornehmen. Als ich bei den Beratungen darauf hinwies, daß das Bundesverfassungsgericht selber an der Geheimhaltung der Wahlvorgänge interessiert sei, erwiderte Herr Dr. Arndt, das stehe aber nicht in der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts selbst. Ich machte dann den Zuruf: „Aber ich habe es von Mitgliedern!", während es im Protokoll heißt: „Ich habe es von München!"

(Abg. Dr. Greve: Wieso „von München"? „Von Köln" hätte Sinn gehabt!)

Ferner vermißt der Herr Kollege Arndt die Hauptbegründung für die Ablehnung des Vorschlagsrechts des Beirats, für den sich der Ausschuß bei der Reform der Richterwahl ausgesprochen hat. Ich hätte mich bloß mit Nebenerwägungen auseinandergesetzt, die in seiner Replik von ihm vorgetragen worden seien. Das Hauptargument liegt ja auf der Hand; es ist der politische Kampf gegen die Einführung der einfachen Mehrheit, — —

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215000200
Einen Augenblick! — Meine Damen und Herren, Sie sind davon unterrichtet, daß wir einen Film über die Arbeit des Hauses zustande bringen wollen. Ich appelliere an das Haus, diese Arbeit zu ermöglichen. Die Geräuschkulisse ist viel zu stark. Die Hintergrundkulisse ist so stark, daß man das Wort nicht mehr richtig versteht, und es ist sehr schlecht, wenn der Präsident unablässig die Glocke schwingen soll; das paßt auch nicht in das Bild. Ich appelliere also an Ihre Einsicht. — Nun fahren Sie bitte fort, Herr Berichterstatter.

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215000300
Es ist der politische Kampf gegen die Einführung der einfachen Mehrheit, die der Ausschuß bei Nichtzustandekommen der Dreiviertelmehrheit vertreten hat. Auch verfassungsrechtliche Bedenken wurden gegen diese Lösung vorgebracht, die ja in der heutigen Debatte noch eine große Rolle spielen werden. Wir halten diese Bedenken nicht für begründet, da das Grundgesetz für die Richterwahl keine qualifizierte Mehrheit vorschreibt.
Endlich habe ich darauf hinzuweisen, daß auch nach Abschluß der Beratungen aus Kreisen des Bundesverfassungsgerichts Ergänzungswünsche an den Rechtsausschuß herangetragen worden sind.


(Dr. Wahl)

Diese Ergänzungswünsche haben zu einem interfraktionellen Antrag geführt, der sich in Ihren Händen befindet. Darüber wird bei den einzeln aufzurufenden Paragraphen noch zu sprechen sein. Nur möchte ich jetzt schon sagen, daß der Wunsch bezüglich der Witwenversorgung eines Zeitrichters deshalb zu keinem Antrag geführt hat, weil die Versorgung für die Witwe eines Zeitrichters sich schon aus den im Gesetz enthaltenen Vorschriften ergibt.
Im übrigen nehme ich auf meinen Schriftlichen Bericht Bezug.

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215000400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Beratung der zweiten Lesung. Eine Aussprache findet in der zweiten Lesung im allgemeinen nicht statt; sie wird auch nicht gewünscht.
Ich rufe auf den Art. 1 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse Drucksache Nr. 2388. Zu Nr. 1 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 647 *) Ziffer 1 vor. Ich frage, ob zur Begründung dieses Änderungsantrags das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Metzger!

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0215000500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe für die Fraktion der SPD den Antrag zu begründen, in Art. I Nr. 1 den § 2 Abs. 2 zu streichen. Die Bestimmung lautet:
In jeden Senat werden acht Richter gewählt.
Nach der Streichung dieses Abs. 2 würde die Bestimmung des Art. 2 gelten.
Anlaß zu diesem Gesetzentwurf war die Tatsache, daß sich das Bundesverfassungsgericht, wie es selbst sagte, in einem Rechtsnotstand befindet und daß man von einem Stillstand der Rechtspflege sprechen kann. Der Erste Senat war und ist außerordentlich überlastet, und die Arbeit ist auf die beiden Senate ungleich verteilt. Man war sich darüber im klaren — und das ist auch die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, die schon lange aufgestellt worden ist —, daß insofern gegesetzliche Änderungen vorgenommen werden müssen. Man hätte sich damit begnügen können, technische Änderungen vorzunehmen, die zu einer Entlastung des Gerichtes führen; denn — ich wiederhole — Anlaß für die Vorlage dieses Gesetzes war die Rechtsnot, in der sich das Bundesverfassungsgericht und damit unser ganzes Staatswesen befindet.
Die Maßnahmen, die in dem Gesetzentwurf zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts vorgesehen sind, sind im Ausschuß sehr schnell von den Vertretern aller Parteien gebilligt worden. Wir sind insofern sehr schnell einig geworden. Wenn wir uns darauf beschränkt hätten, dem Bundesverfassungsgericht zu helfen, hätten wir dieses Gesetz mindestens seit einem halben Jahr haben können, und dann hätte das Bundesverfassungsgericht unter gesünderen und vernünftigeren Verhältnissen arbeiten können.

(Sehr richtig! bei der SPD.) *) Siehe Anlage 4.

Dann könnte auch ein großer Teil der Rückstände, die beim Bundesverfassungsgericht liegen, schon aufgearbeitet sein.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Aber man hat den Anlaß, das Bundesverfassungsgericht zu entlasten, benutzt, um weitergehende Pläne auszuführen. Man hat davon gesprochen, daß man das Bundesverfassungsgericht reformieren müsse; man hat von kleinen oder von großen Reformplänen gesprochen. Man hat damit etwas erreichen wollen, was eine sehr bekannte westdeutsche Tageszeitung in der Weise ausdrückte, daß sie sagte, die herrschende Regierungspartei suche sich eine Chance bei der Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts zu sichern.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das Sichern einer Chance bei Wahlen ist jedoch eine Sache, die uns nicht mehr ganz unbekannt ist. Wir haben auf diesem Gebiet schon mancherlei erlebt, manche geglückten und manche mißglückten Versuche, und eigentlich hätte die herrschende Regierungspartei daraus etwas lernen sollen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Die Beratungen im Rechtsausschuß haben gezeigt, daß man nichts gelernt hat. Man kann das Sichern von Chancen, von dem hier die Rede ist, auf zweierlei Weise erreichen. Man kann die Chancen einmal dadurch zu sichern versuchen, daß man die Wahl der Richter in irgendeiner Weise regelt, d. h. daß man den Wahlmodus entsprechend regelt. Man kann die Chancen außerdem dadurch beeinflussen, daß man die Zahl der Richter verringert und dadurch verhindert, daß Richter, die einem nicht ganz genehm sind, erneut in das Bundesverfassungsgericht kommen.
Hier ist von der Zahl der Richter die Rede. Es ist in der Tat der Versuch gemacht worden, zu erreichen, daß die Zahl der Richter, die zur Zeit für jeden der beiden Senate zwölf beträgt, alsbald herabgesetzt wird. Man hat versucht, für diese Maßnahme eine Begründung zu finden. Man hat davon gesprochen, daß das Bundesverfassungsgericht ein Zwillingsgericht bilde, daß sich also die beiden Senate völlig selbständig gegenüberstehen, was übrigens nicht ganz den Tatsachen entspricht. Daß das nicht ganz den Tatsachen entspricht, ergibt sich schon daraus, daß die beiden Senate gemeinsam beraten und entscheiden können. Aber man ist der Meinung gewesen, daß eine stärkere Vereinheitlichung des Gerichtes herbeigeführt werden müsse. Dagegen haben wir grundsätzlich gar nichts einzuwenden. Wir sind uns da mit den Regierungsparteien einig. Wir sind uns auch darin einig, daß diese Reform im Augenblick nicht durchgeführt werden kann, sondern daß sie vielleicht in einigen Jahren erfolgen kann. Von seiten der Koalition wurde aber die Begründung gegeben, die Beseitigung des Zwillingsgerichtes, die Herbeiführung einer stärkeren Gemeinsamkeit des Gerichtes müsse dadurch erfolgen, daß man bereits jetzt zur Verminderung der Richterzahl komme. Man müsse also diese Reform dadurch vorbereiten, daß man bereits beim nächsten Wahltermin die Zahl der Richter vermindere. Das ist eine Begründung, die in keiner Weise einleuchten kann. Es ist nicht einzusehen, warum die Beseitigung des sogenannten Zwillingsgerichtes stufenweise erfolgen muß, warum es nicht möglich sein soll, in einem gegebenen Augenblick durch eine sofortige


(Metzger)

Maßnahme die Richterzahl herabzusetzen und damit eine starkere Vereinheitlichung des Gerichts herbeizuführen.
Wir haben dafür in der Rechtsgeschichte genügend Beispiele, daß man in einem bestimnten Augenblick, der nun gerade gekommen Ist, die Zanl der Richter eines Gerichts entsprechend vermindert. Es ist in Keiner weise einzusehen, daß man damit im jetzigen Augenblick beginnt, wie das der Regierungsentwurt vorhat und wie es die lviehrheit irn Ausschuss beschlossen hat. Es kann also gar keine Rede davon sein, dais es notwendig sei, bereits zum nächsten Wahltermin, d. h. also vor der nächsten Bundestagswahl, die Zahl der Richter zu vermindern.
Nun liegt ja ein Einwand außerordentlich nahe. Wenn man erklartermaßen una notwendigerweise das Gericht entlasten muß, dann muß man sich fragen: Wie kommt man dazu, die Zahl der Richter zu vermindern? Denn schließlich weiß ja jeder, daß mehrere Beamte, mehrere Menschen mehr leisten können, wenn sie in der gleichen W eise arbeiten, als wenige, daß sie also mehr zuwege bringen als eine geringere Zahl. Dieser Einwand liegt so nahe, daß man sich bei den Koalitionsparteien um Gegenbegründungen bemüht hat, und man hat auch eine Scheinbegründung gebracht. Man sagt nämlich folgendes. Die Verminderung der Zahl der Richter wird die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts erhöhen; denn das Bundesverfassungsgericht muß ja notwendigerweise auch beraten, es muß seine Urteile, seine Beschlüsse in Beratungen vorbereiten, und je weniger Mitglieder in den Senaten sitzen, um so leichter wird die Beratung sein, um so schneller wird sie vonstatten gehen. Wollte man übrigens diesen Gedanken konsequent durchdenken, hätten sich die Regierungsparteien eigentlich für eine Verminderung der Mandate des Bundestages einsetzen sollen; das nur in Klammern gesagt. Das ist also die Begründung: Man mache auf diese Weise die Beratungen leichter, so daß sie schneller vonstatten gingen.
Im Rechtsausschuß sind die Richter, vor allen Dingen der Präsident des Bundesverfassungsgerichts und der Bundesverfassungsrichter Dr. Wolff zu diesem Punkt ausdrücklich befragt worden. Man hat uns erklärt, das sei kein durchschlagender Grund; im Gegenteil würden die Beratungen gut vorbereitet, und wenn sie gut vorbereitet, mit überzeugenden Gründen von dem Berichterstatter versehen seien, komme man meistens sehr schnell zu einer einheitlichen Meinung. Also sei die Zahl der Richter kein Hindernis.
Es wird dabei aber auch geflissentlich übersehen — denn wir haben das im Rechtsausschuß immer wieder vorgebracht, und man hat einfach darüber hinweggehört —, daß ein Gericht keineswegs nur wie etwa Ausschüsse des Bundestages Beratungen zu pflegen hat, daß das sogar, zeitlich gesehen, die viel geringere Arbeit ist, sondern daß das Absetzen der Beschlüsse, der Urteile, also das Ausfertigen der Gründe und alles dessen, was damit zusammenhängt, die wesentliche, die zeitraubendere Arbeit ist. Es liegt auf der Hand, daß, wenn man mehr Richter hat, diese Arbeit schneller und besser getan werden kann, als wenn weniger Richter vorhanden sind.
Damit wird dieses Argument als ein Scheinargument entlarvt, und wir haben das im Ausschuß von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts auch ausdrücklich bestätigt bekommen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir haben die Richter auch dazu gehört, was sie ganz allgemein davon halten, daß man die Zahl der Richter vermindern will, ob dadurch das gewährleistet wird, was wir wollen, nämlich eine Entlastung des Gerichts und eine möglichst schnelle Aufarbeitung der Rückstände. Ich darf Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich aus dem Protokoll vorlesen, was der Präsident des Bundesverfassungsgerichts u. a. dazu gesagt hat. Im Protokoll steht als Aussage des Präsidenten Dr. Wintrich:
Das Gericht habe vor der Frage gestanden, wie es garantieren könne, daß die Rückstände bis zur übernächsten Wahl
— die ist 1959 —
aufgearbeitet seien, und sei zu der Überzeugung gekommen, es müsse, wenn alle Unsicherheitsfaktoren ausgeschaltet sein sollten, nach den bisherigen Erfahrungen daran festhalten, daß bis zum Jahre 1959 die bisherige Zahl der Richter beibehalten werde.
Sie hören also, daß der Präsident des Gerichtes im Einvernehmen mit seinem Gericht erklärt hat: Das Gericht muß daran festhalten, daß mindestens bis zum Jahre 1959 die Zahl der Richter — d. h. sogar zwölf für jeden Senat - bestehenbleibt; nur unter diesen Voraussetzungen kann das Gericht garantieren, daß die Rückstände wirklich aufgearbeitet werden.
Alles das haben wir gehört. Aber die Mehrheit des Ausschusses hat sich über alles das, was sachverständige Männer uns gesagt haben und was wir auch aus eigener Erfahrung wissen, hinweggesetzt und hat die Verminderung der Richterzahl _schon für die nächste Richterwahl beschlossen. Das bedeutet also, daß damit gerade das erreicht werden soll, was die große westdeutsche Tageszeitung gesagt hat, nämlich daß man damit eine Chance, eine Sicherung für die Wahlen zugunsten der größten Regierungspartei schaffen will.
Es kommt aber noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, über den im Ausschuß auch gesprochen worden ist. Wir haben im Bundesverfassungsgericht auch eine Anzahl Professoren als Richter, und in den Ausschußberatungen haben wir festgestellt, daß, wenn die Richterzahl, wie hier vorgesehen, vermindert wird, die Professoren notwendigerweise aus dem Gericht hinauskomplimentiert werden, d. h. das Gericht wird dann ohne Professoren entscheiden. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat uns in langen Ausführungen klargemacht, wie wichtig es für gute Entscheidungen ist, daß auch Professoren, daß Wissenschaftler in dem Gericht sitzen und die Entscheidungen mit beeinflussen, mit daran arbeiten, daß gute Entscheidungen herauskommen. Auch dieser Tatbestand sollte nicht übersehen werden. Wenn wir in der Weise vorgehen, wie es der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, wird das Gericht also auch in dieser Beziehung keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung erfahren.
Ich glaube, die Gründe dafür, es zunächst bei der Zahl der Richter zu belassen und damit wirklich auch eine Entlastung des Gerichts zu erreichen, sind absolut einleuchtend. Es gibt im Grunde keine


(Metzger)

Gegengründe. Das Argument betreffend das Zwillingsgericht sticht ja nicht. Das sollte jeder einsehen, der diese Materie unbefangen und vorurteilslos betrachtet. Deswegen ist es auch kein Zufall, daß weite Kreise unserer Presse ohne Ansehen der Parteirichtung, daß weite Kreise der Öffentlichkeit sich geradezu stürmisch gegen diesen Gesetzentwurf und gegen die Hintergründe dieses Gesetzentwurfs gewandt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, denken Sie daran, daß Sie mit solchen Versuchen doch schon oft genug schlecht gefahren sind! Denken Sie daran, daß Sie sich selbst keinen guten Dienst erweisen! Wenn Sie auf unseren Rat nicht hören wollen, dann hören Sie auf den Rat der Öffentlichkeit, hören Sie insbesondere auf den Rat der sachverständigen Männer, der Männer nämlich, die in dem Gericht selbst sitzen, und seines Präsidenten! Die Gründe, die hier vorgetragen worden sind, sind überzeugend genug und sollten Sie, auch wenn Sie nicht auf uns hören wollen, davon abbringen, die Maßnahmen durchzuführen, die Sie als eine Reform des Gerichtes ansehen, die in Wirklichkeit aber etwas anderes bezwecken.
Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Streichungsantrag zu. Helfen Sie damit unserem höchsten Gericht, helfen Sie, daß dieses unser höchstes Gericht funktionsfähig wird! Helfen Sie unserer Rechtspflege und helfen Sie, daß der Rechtsnotstand, in dem wir uns im Augenblick befinden, wirklich beseitigt wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215000600
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Wahl.

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215000700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß dem Antrag des Herrn Kollegen Metzger widersprechen. Ich muß etwas ausholen, damit man die Stellungnahme unserer Fraktion in den großen Zusammenhängen sieht.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine unsagbar schwere Aufgabe, nämlich in Auslegung des Grundgesetzes Recht zu finden in einer politisch so bewegten Zeit wie der unseren, in der die politische Entwicklung innerhalb und außerhalb unseres Vaterlandes durch die ungeahnten technischen Fortschritte, durch die Bildung neuer politischer Schwerpunkte auf der Welt, durch ideologische Wandlungen und Auseinandersetzungen von nie gekannter Art und Schärfe sich geradezu überstürzt.
Dazu kommt, daß das Bundesverfassungsgericht eine außerordentlich umfangreiche Kompetenz hat, die es oft vor Aufgaben stellen muß, die einen Richter überfordern. Wir hatten schon in den zwanziger Jahren in Deutschland eine ernsthafte und sehr eindringliche wissenschaftliche Diskussion über die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, wobei sich die meisten Autoren auf den Standpunkt stellten, daß die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit eng zu ziehen seien, weil die Überspannung der Verfassungsgerichtsbarkeit entweder zur Vergewaltigung der zur Entscheidung stehenden Fakten oder zu einer Vernachlässigung des Rechtes und der Gerechtigkeit führen müsse. In der nationalsozialistischen Ara wurde die wohlgemeinte Warnung der deutschen Staatsrechtslehrer vergröbert und als ein Freibrief gegenüber jeder richterlichen Kontrolle der Staatsakte oder gar politisch bedeutsamer Parteihandlungen mißbraucht.
Man muß deshalb verstehen, daß das Grundgesetz im Pendelschlag nach der andern Seite die Verfassungsgerichtsbarkeit im denkbar weitesten Umfang angenommen hat. Um so mehr verdiente das Bundesverfassungsgericht höchsten Beifall, als es in der Saar-Entscheidung die naturgegebenen Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit wieder stärker anklingen ließ. Möge das Verfassungsgericht auf diesem Wege fortfahren und die Justitiabilität politischer Fragen mit Ernst und Gewissenhaftigkeit prüfen, soweit ihm die Gesetze dazu die Möglichkeit lassen!
Wenn ich diese grundsätzlichen Ausführungen mache, so geschieht es nicht, um die Verfassungsgerichtsbarkeit überhaupt in Frage zu stellen, sondern um die Malaise begreiflich zu machen, die nun einmal mit der Verfassungsgerichtsbarkeit verbunden ist und verbunden sein wird. Selbst-. verständlich steht meine Fraktion auf dem Boden des Grundgesetzes; aber über die Gefahren und Schwächen mancher Regelungen muß man sich klar sein, und insbesondere muß man versuchen, durch eine Reform des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes — also nicht des Grundgesetzes — einen Teil der Schwierigkeiten und Mißstände auszuräumen, die dieses Unbehagen mit hervorgerufen haben.
Das gilt zunächst für die Verteilung der Zuständigkeit, über die sich im Ausschuß eine Einigkeit zwischen Mehrheit und Minderheit ergeben hat. Darauf brauche ich nicht einzugehen. Aber in diesen Zusammenhang gehört das Streben meiner Fraktion, von dem Zwillingsgericht wieder zu einem einheitlichen Spruchkörper zu kommen.

(Zuruf von der SPD: Wieso „wieder"?)

— Sie werden gleich hören! Das Wort „wieder" ist in der Tat zu streichen. — Das kann nicht von heute auf morgen geschehen, besonders angesichts der großen Zahl der anhängigen Verfassungsbeschwerden, nach deren Erledigung nach den Erfahrungen der Landesverfassungsgerichte, besonders in Bayern, mit einem Nachlassen des Stromes der Eingaben gerechnet werden kann.
Aber es mußte schon jetzt eine Verringerung der Richterzahl für die Wahltermine in diesem Herbst, zu denen sowieso eine Reihe von Mitgliedern des Gerichts ausscheiden und neue Zeitrichter zu wählen sind, ins Auge gefaßt werden, damit dann, wenn die eigentliche Arbeitslast des Gerichts nachgelassen hat, die Einheitlichkeit der Entscheidungen des Gerichts durch die Bildung eines einzigen Spruchkörpers hergestellt werden kann.
Als im 1. Bundestag das Bundesverfassungsgericht geschaffen wurde, haben wir um die Einheitlichkeit des Gerichts gerungen. Ich selber habe damals auf das französische Vorbild hingewiesen. Der Kassationshof hat für den dritten Rechtszug für die Zivilsachen aller Appellhöfe eine einzige Zivilkammer, und man hat sich mit der Chambre des requêtes geholfen, die in kurz begründeten Entscheidungen die eingelegten Rechtsmittel zurückweisen kann und nur die wirklich Grundsätzlichen Streitfragen vor die Zivilkammer bringt.
Wir haben uns damals zu dieser Methode nicht entschließen können, weil die französischen Pro-


(Dr. Wahl)

zessualisten selber diese Methode kritisierten und ein Zweikammersystem an Stelle der einen Zivilkammer vorschlugen. Dem sind wir schließlich gefolgt.
Aber es hat sich gezeigt, daß es dem Bundesverfassungsgericht abträglich war, daß zwei Senate vorhanden sind und daß ihre angeblich verschiedene politische Zusammensetzung in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen konnte. Wir müssen zum Einheitsgericht kommen, damit all das unmöglich ist, was die Teilung des Gerichts in zwei Senate an Unzuträglichkeiten mit sich bringt, den Streit über die Zuständigkeit, das Ausspielen des einen Senats gegen den andern, die Versuche des Gerichts, von sich aus dann doch wieder die Einheit herzustellen, usw.
Nun ist gegen dieses Ziel und das jetzt ergriffene Mittel der Vorbereitung seiner Verwirklichung eingewandt worden, die Verringerung der Richterzahl wäre deswegen nicht zu verantworten, weil das Gericht vor zu vielen Aufgaben stehe und die einzelnen Mitglieder schon jetzt überbeansprucht seien. Indessen ist es nicht so, daß die Verringerung der Richterzahl jedes Senats die Arbeit für jeden einzelnen vergrößern oder gar erschweren müßte. Das Gegenteil ist der Fall. Jedenfalls hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts im Laufe der Beratung erklärt, sie könnten ihre Aufgabe auch mit zehn Richtern pro Senat anstatt mit zwölf Richtern pro Senat meistern. Es entspricht den Lebenserfahrungen, daß kleinere Spruchkörper oft leichter und mit geringerem Zeitaufwand zu einem Ergebnis kommen können als zu stark besetzte Gremien. Gerade in diesem Hause brauche ich das nicht zu betonen, weil unsere täglichen Erfahrungen bei unserer eigenen Arbeit zeigen, daß das Optimum der Leistungsfähigkeit durch eine Verstärkung der Mitgliederzahl auch überschritten werden kann.
Aber wichtiger in diesem Zusammenhang scheint mir noch zu sein, daß wir in Abweichung von der Regierungsvorlage die Herabsetzung der Richterzahl dem natürlichen Abgang der Richter durch die Erreichung der Altersgrenze

(Abg. Wehner: Gilt das auch für das Kabinett?)

oder aus sonstigen persönlichen Gründen angepaßt haben. Also ist für keinen der Richter, der sich zur Wiederwahl stellen wird, von vornherein diese Wiederwahl unmöglich gemacht. Das heißt: unsere Reform hat es peinlich vermieden, auch nur den Anschein eines jener berüchtigten Justizorganisationsgesetze zu erwecken, die in Wahrheit nur auf personalpolitische Änderungen abzielen oder gar sich gegen bestimmte Richter wenden. Die Achtung vor dem hohen Amt des Bundesverfassungsrichters hat uns diese Einstellung diktiert. Wir schlagen deshalb zunächst die Besetzung der Senate mit je zehn und erst von 1959 ab mit acht Richtern vor. Deshalb bitte ich noch einmal, den Antrag des Herrn Kollegen Metzger abzulehnen.

(Beifall der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215000800
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215000900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen
Metzger nötigen mich, einige kurze Worte der Erwiderung zu sagen. Der Herr Kollege Metzger hat der Regierung unterstellt, daß sie durch die Herabsetzung der Zahl der Richter versuche, unliebsame Richter aus diesem Gericht auszuscheiden.

(Abg. Dr. Greve: Mit Recht!)

Meine Damen und Herren, ich möchte diese Verdächtigung hier namens der Bundesregierung mit allem Nachdruck zurückweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der DA — Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

Es ist dem Hohen Hause sehr genau bekannt, daß alle Parteien dieses Hauses von Anfang an den Standpunkt vertreten haben, daß ein einheitliches Gericht geschaffen werden müsse. Wir waren uns darüber im klaren, daß die Bildung zweier Senate die Gefahr eines Zwillingsgerichtes hervorrufe und daß man so bald als möglich wieder davon abkommen müsse. Dieser Versuch wurde in der jetzigen Vorlage gemacht, und dies ist der einzige Grund, der die Bundesregierung geleitet hat, wenn sie dem Hohen Hause nunmehr vorschlägt, eine Herabsetzung der Zahl der Richter vorzunehmen. Einmal muß begonnen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und man hilft erkennbaren Mängeln nicht dadurch ab, daß man sie weiter bestehen läßt, sondern indem man sie beseitigt. Daß das nicht von heute auf morgen geschehen kann, darüber sind wir uns alle im klaren. Aber ein erster Schritt muß gemacht werden. Ich möchte noch einmal betonen, daß es nur diese Motive sind, die die Bundesregierung zu ihrem Vorschlag veranlaßt haben.
Noch ein Weiteres. Es ist unterstellt worden, man gehe gerade darauf aus, die Professoren aus dem Gericht auszuscheiden. Ich habe vor diesem Hohen Hause schon einmal betont, daß die Bundesregierung besonderen Wert darauf legt, daß nicht nur Männer der Praxis, sondern auch Männer der Wissenschaft in diesem höchsten deutschen Gericht mitwirken. Es liegt uns also vollkommen fern, in dieser Hinsicht irgendwie Manipulationen vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der DA. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215001000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0215001100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte in erster Lesung Gelegenheit, für unsere Fraktion zum Ausdruck zu bringen, daß wir gegen eine Verringerung der Richterzahl keine grundsätzlichen Bedenken haben, vor allem dann, wenn sie mit einer Änderung der Geschäftsverteilung und einer Erleichterung der Arbeitslast, insbesondere in bezug auf die Verfassungsbeschwerden, verbunden ist. Dies ist ja nun im Entwurf vorgesehen. Maßgebend aber für uns ist das Ziel, möglichst bald zu einem einheitlichen Spruchgericht zu kommen. Bei dem Weg zu diesem Ziel kann man sich natürlich überlegen, ob es auf einmal oder langsam durch allmähliche Verringerung der Richterzahl erreicht werden soll. Wir halten hier grundsätzlich den letzteren Weg für den richtigen.
Man kann darüber streiten, welches die optimale Besetzung eines Senates ist. Diese Frage kann man weder etwa nach dem Dreisatz — 12


(Dr. Bucher)

Richter machen in 3 Stunden 3 Urteile; wieviel machen 10 Richter? — noch nach dem Grundsatz entscheiden: Je weniger Richter, desto besser. Aber wir müssen hier dem Ausschuß zubilligen, daß er mit der Behutsamkeit vorgegangen ist, die der Berichterstatter in seiner Präambel erwähnt. Er ist ja auch hinter dem Verringerungsvorschlag der Bundesregierung zurückgeblieben.
Allerdings — das muß ich betonen — wird unsere Stellungnahme zum ganzen Gesetz und damit auch zu dieser Maßnahme, der Verringerung der Richterzahl, eine ganz andere, wenn die weiter geplante Maßnahme bezüglich des Wahlmodus so wie vorgesehen durchgeführt wird.
In dem jetzt erörterten Punkt aber sind auch wir der Ansicht, daß es sich hier nicht, wie vorhin gesagt wurde, um ein „berüchtigtes Justizorganisationsgesetz" handelt. Wir stimmen deshalb in diesem Punkt der Ausschußvorlage zu und lehnen den Antrag der SPD ab.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215001200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0215001300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den grundsätzlichen Einleitungsworten des Herrn Kollegen W a h 1 klang ein geradezu bemerkenswertes Unbehagen am Grundgesetz heraus. Ich glaube, daß das immerhin der Feststellung wert ist.
Ich habe mich aber in erster Linie zu Wort gemeldet, um eine Reihe von Unrichtigkeiten hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung aufzuklären. Herr Kollege Wahl, Ihre Behauptung ist nicht richtig, daß man im ersten Bundestag allseits um die Einheitlichkeit des Gerichts gerungen habe, und es stimmt nicht, Herr Bundesjustizminister, wenn Sie sagen, alle Parteien seien von Anfang an für ein einheitliches Gericht gewesen. Die Bundesregierung und die Koalition sind von Anfang an gegen ein einheitliches Gericht gewesen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Das läßt sich doch nun einmal dokumentarisch nachweisen. Im ersten Bundestag haben zwei Gesetzentwürfe vorgelegen. Zuerst reichte die Sozialdemokratie einen Entwurf mit einem unteilbaren Spruchkörper ein. Wir haben bis zum Weißbluten

(Abg. Dr. Greve: Jawohl!)

um die Unteilbarkeit dieses Gerichtes gekämpft. Die Bundesregierung hat den dann von der Koalition unterstützten und angenommenen — es kam ja da zu einem Kompromiß - Gesetzentwurf hier vorgelegt, durch den das Bundesverfassungsgericht von vornherein in Senate eingeteilt werden sollte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Und auch jetzt bleibt es wieder bei den Senaten. Wir wenden uns nicht dagegen, daß die Zahl der Richter in den beiden Senaten von 12 auf 10 herabgesetzt wird. Das ist ein Kompromiß. Herr Präsident Wintrich hat es noch für allenfalls erträglich erklärt. Aber Sie, Herr Kollege Wahl, hätten hinzufügen sollen, daß das Bundesverfassungsgericht durch sein Plenum und durch seinen Herrn Präsidenten erklärt hat: weitergehende Herabsetzungen sind unerträglich.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Hier geht es schon jetzt um die weitere Herabsetzung von 10 auf 8, wenn auch mit Wirkung vom Jahre 1959, und es wird ja auch nicht der Versuch
gemacht, zum unteilbaren Gericht zu kommen, sondern auch hier heißt es ja in Zukunft wieder: In jeden Senat werden acht Richter gewählt. Es soll bei den dann 16 Richtern wiederum bei einem ge- teilten Gericht bleiben.
Wozu denn jetzt das? Da ist ja doch sehr deutlich, daß hier politische Gründe dahinterstehen, wenn man jetzt schon einen solchen Versuch macht. Was wir heute tun können — und da verstehe ich Herrn Kollegen Bucher nicht —, ist diese kompromißweise Heruntersetzung von 24 auf 20. Das erleichtert vielleicht auch in einem etwas hitzigen Wahljahr die Nachwahlen im Bundestag und im Bundesrat. Gut, darauf können wir uns verständigen, nachdem der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts das für allenfalls noch erträglich erklärt hat; aber es besteht keinerlei Veranlassung, eine Herabsetzung schon heute auf je acht vorzunehmen und die dann noch in zwei Senate zu teilen.
Wenn es der Herr Bundesjustizminister auch noch so oft zurückweist, meine Fraktion bleibt dabei, daß das ein Rückstand der Absicht ist, unliebsame Richter aus dem Bundesverfassungsgericht hinauszusetzen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215001400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215001500

(3 Debatte etwas übertrieben worden ist, aufkamen. — Ich glaube, die Kernfrage liegt doch tatsächlich bei § 7 a. Es gibt doch keinen Zweifel — gleichgültig, wie die Geschichte gewesen ist, ob Herr Kollege Arndt recht hat oder ob uns der Herr Bundesjustizminister und Herr Professor Wahl zutreffend berichtet haben —: Dagegen, daß wir gemeinsam zu einem Einheitsgericht kommen und den Zwillingscharakter beseitigen wollen, bestehen doch keine Bedenken. Ich kenne nicht die geheimen Absichten unserer herrschenden Regierungspartei, aber in dieser Frage kenne ich — — (Abg. Dr. Greve: Haben Herr Oberländer und Herr Kraft Sie damals nicht unterrichtet?)


(Abg. Metzger: Wir müssen sie im Zusammenhang sehen!)

— Ich habe jedenfalls bei den Beratungen über die Frage der Herabsetzung der Richterzahl im Ausschuß das Bemühen nicht nur des Antragstellers, sondern aller Beteiligten empfunden, eben nicht eine abrupte unorganische Herabsetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen, sondern die organische Herabsetzung der Richterzahl durch den natürlichen Abgang zu erleichtern.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Sehr richtig!)

Das ist doch Tatsache; darüber waren wir uns doch alle im Ausschuß klar.
Ein Zweites. Ich habe auch nicht den Eindruck — ich kann es im Augenblick nicht zahlenmäßig belegen; aber ich glaube, Sie wollten das auch nicht sagen, Herr Dr. Arndt —, daß, wie der Herr Kollege


(Dr. Gille)

Metzger sagte, durch die Herabsetzung der Richterzahl die Wissenschaftler in Zukunft völlig ausgeschaltet sind. Davon kann doch tatsächlich keine Rede sein. Vielleicht hat einer der Herren die Zusammensetzung etwas mehr im Gedächtnis als ich und kann es, falls es bestritten werden sollte, doch noch darlegen.

(Abg. Dr. Arndt: Doch, wenn die Richterzahl auf acht heruntergesetzt wird!)

— Bitte, Herr Dr. Arndt, ich war der Meinung: darüber haben wir uns ausgesprochen, und dieser Vorwurf blieb doch nicht aufrechterhalten. Vielleicht können wir das zahlenmäßig etwas deutlicher machen. Ich bin jedenfalls im Ausschuß von der Auffassung ausgegangen, daß uns auch bei einer Herabsetzung das Professorenelement erhalten bleibt.
Einen letzten Gedanken, der im Ausschuß zum Ausdruck kam, darf ich hier einmal anklingen lassen. Durch die unglückselige Geschäftsverteilung ist, wie auch Herr Metzger sagte, die Belastung der einzelnen Richterpersönlichkeiten außerordentlich unterschiedlich gewesen. Ich darf nur das wiederholen, was mir auf meine Frage im Ausschuß bestätigt wurde: Es soll sogar vorgekommen sein, daß der eine oder andere Richter, nicht aus eigenem Verschulden, sondern weil es so in der Geschäftsverteilung lag, bis zum heutigen Tage nicht ein einziges Votum, nicht ein einziges Gutachten, nicht ein einziges Urteil hat absetzen können. Das darf man auch nicht unberücksichtigt lassen, wenn man meint, daß durch die Herabsetzung der Richterzahl das Gericht rein in der personalen Besetzung in eine Schwierigkeit kommen würde. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, auch nicht aus den Worten des Herrn Präsidenten im Ausschuß, daß dieser Vorschlag eine unerträgliche Herabsetzung bedeute. Wenn man in Betracht zieht, daß jetzt einige Änderungen durch diese Novelle vorgeschlagen werden, die den Geschäftsgang erleichtern werden, dann muß ich sagen, daß ich nicht den Eindruck hatte, die Herabsetzung, wie sie jetzt empfohlen wird, sei vom Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts als unerträglich empfunden worden. Ich glaube, man kann unterstellen, daß jeder Behördenchef — der Herr Präsident wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich ihn in dieser Beleuchtung einmal als Behördenchef sehe — immer geneigt ist, personalmäßig lieber einen kleinen Sicherheitskoeffizienten bei seinen Argumenten mit in Betracht zu ziehen. Wir könnten diesen § 2 a, der in der Zielrichtung unserem gemeinsamen Ziel entspricht, eigentlich aus der politisch etwas heftigen Auseinandersetzung herausziehen.
Ich möchte jedenfalls vorschlagen — ich stimme da auch Herrn Bucher zu —, die Dinge so zu belassen und den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung, um den es hier zweifellos geht, für den § 7 a auszusparen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215001600
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 647*) Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich frage, ob zu dieser Nr. 1 weiter das Wort gewünscht wird. — Zu Nr. 1 a, Nr. 2 und Nr. 2 a
*) Siehe Anlage 4.
liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Ich sehe keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses in der vorliegenden Fassung der aufgerufenen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Gegen eine beträchtliche Minderheit in der Ausschußfassung angenommen.
Zu der Nr. 2 b liegt wieder ein Änderungsantrag auf Umdruck 647 Ziffer 2 vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0215001700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst ein Wort zur Erläuterung des Antrags sagen. Das zur Zeit geltende Gesetz über das Bundesverfassungsgericht enthält keine Bestimmung über eine Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Wahlmännergremiums. Die Mehrheit des Ausschusses hielt es für richtig, eine derartige Bestimmung in dem vorliegenden Entwurf vorzuschlagen. Der sozialdemokratische Antrag zielt auf die Streichung dieser Regelung hin. Das ist der Sachverhalt, um den es hier geht.
Es ist eine Selbstverständlichkeit - wenn ich das zunächst bemerken darf, damit keine Mißverständnisse entstehen —, daß Dinge, die in die private Sphäre hineingehören, vertraulich behandelt werden. Das ist immer so gehandhabt worden, und es wird auch in Zukunft so gehandhabt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Angelegenheit, die einer gesetzlichen Regelung zu überlassen ist, sondern bei der Achtung der privaten Sphäre handelt es sich ganz einfach um eine Frage des Taktes. Aus dieser Erwägung bedarf es zum Schutze der privaten Sphäre der Kandidaten für das Richteramt im Bundesverfassungsgericht keiner gesetzlichen Bestimmung.
Aber — das ist jetzt das Entscheidende, und das hat uns zu dem vorliegenden Antrag veranlaßt — es handelt sich ja hier bei der Wahl der Richter für das Bundesverfassungsgericht um einen Akt zur Bildung eines Verfassungsorgans. Damit handelt es sich bei dieser Wahlhandlung um einen politischen Akt, und nicht nur die Wahlhandlung ist ein politischer Akt, sondern auch das Scheitern einer Wahl eines Richters für das Bundesverfassungsgericht ist ein politisch relevanter Vorgang. Aus diesem guten Grunde — weil es sich bei der Wahl um einen politischen Akt handelt und weil es sich beim Scheitern der Wahl um eine politisch relevante Handlung handelt — ist die Wahl in die Hände der gesetzgebenden Körperschaften gelegt worden; denn für jeden politischen Akt, für jede politische Handlung trägt letzten Endes das Parlament, tragen die gesetzgebenden Körperschaften die Verantwortung.
Nun erhebt sich doch für uns die Frage: wie kann das Parlament eine politische Verantwortung für einen politischen Akt tragen, wenn dem Wahlmännergremium der Mund zugebunden wird?

(Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

Zur Demokratie - und damit doch letzten Endes zur Übernahme politischer Verantwortung für die politischen Handlungen in der Demokratie — gehört doch untrennbar die Beachtung des Prinzips der Publizität, soweit öffentliche Interessen berührt werden; d. h. alle politischen Akte, alle Wahlhandlungen, alle politisch relevanten Handlungen müssen überschaubar, müssen transparent, müssen durchschaubar sein. Sonst ist es nicht möglich, für


(Wittrock)

politische Handlungen eine politische Verantwortung zu übernehmen.
Aus diesen Erwägungen hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erhebliche verfassungspolitische Bedenken dagegen, daß Sie hier das Prinzip der Transparenz, das Prinzip der Publizität und das Prinzip der Übernahme von Verantwortung durch den Bundestag dadurch verletzen, daß Sie dem Wahlmännergremium durch die hier vorgesehenen Vorschriften den Mund zubinden.
Ich bin mir natürlich darüber im klaren, daß jetzt vielleicht der eine oder andere von Ihnen denkt: Wenn eine derartige Verschwiegenheitspflicht für die Angelegenheiten vorgesehen ist, die die persönlichen Verhältnisse betreffen, dann wird das öffentliche Interesse nicht berührt. Sicherlich ist das eine Frage, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben. Gewiß, jede Entscheidung bei einer Richterwahl ist eine Entscheidung über Personen, und selbstverständlich spielen dabei die persönlichen Verhältnisse eine entscheidende Rolle. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was außer der Würdigung der Personen bei dieser politisch relevanten Entscheidung eine Rolle spielen soll.
Aber wir haben uns im Ausschuß darüber unterhalten, wie der Begriff der persönlichen Verhältnisse, sagen wir einmal, zu zerlegen ist. Wir sind dabei zu keinem Ergebnis, zu keiner brauchbaren Abgrenzung gekommen. Bei der Beurteilung der persönlichen Verhältnisse dreht es sich doch darum, die juristische Qualifikation des Bewerbers zu überprüfen, und außerdem — und hier setzt vornehmlich das öffentliche Interesse ein, für das Sie, meine Damen und Herren, als Parlament die Verantwortung zu tragen haben — geht es um die demokratische Qualifikation. Hier ist der Punkt, der es verbietet, in der Weise, wie es die Mehrheit des Ausschusses vorgesehen hat, den Mitgliedern des Wahlmännerausschusses den Mund zuzustopfen.
Aber wir haben nicht nur diese verfassungspolitischen Bedenken, sondern wir haben auch verfassungsrechtliche Bedenken. Bitte, sehen Sie sich die Verfassung an! Nach Art. 94 Abs. 1 des Grundgesetzes ist das ursprüngliche Wahlorgan der Bundestag, soweit es sich hierbei um die Wahl der durch den Bundestag und nicht durch den Bundesrat zu wählenden Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts handelt. Nun hat der Gesetzgeber es für richtig gehalten, diese unmittelbare Wahl durch den Bundestag auf ein Hilfsorgan, nämlich auf das Wahlmännergremium, zu delegieren. Das Wahlmännergremium ist also ein Hilfsorgan; das Wahlmännergremium ist, bildlich gesehen, die Hand des Parlaments, und es vollzieht, rechtlich gesehen, auf der Grundlage des Art. 94 des Grundgesetzes, der die Wahl in die Hand des Bundestages legt, den Willen des Parlaments eben als ein Hilforgan des Bundestages.
In dem Moment — das ist eine verfassungsrechtlich sehr ernste Frage —, in dem Sie das Wahlmännergremium gewissermaßen vorn Parlament dadurch lösen, daß Sie dem Parlament nicht mehr die Möglichkeit geben, von dem Wahlmännergremium Rede und Antwort zu verlangen, entkleiden Sie das Wahlmännergremium des Charakters eines Hilfsorganes, in dem Moment wird das Wahlmännergremium zu einem selbständigen Organ, und damit wird das Prinzip des Art. 94 Abs. 1 des Grundgesetzes, wonach das Parlament die Wahl durchzuführen hat, durchbrochen. Das Parlament kann ja die Verantwortung nicht mehr tragen. Aus dem Grunde ist durch die vorgesehen
Bestimmung der Art. 94 des Grundgesetzes ausgehöhlt, jene Bestimmung, daß das ursprüngliche Wahlorgan das Parlament ist; denn das Parlament ist jetzt nicht mehr das ursprüngliche Wahlorgan, das Wahlmännergremium ist nicht mehr ein Hilfsorgan. Hier ist ein Schnitt durchgeführt worden. Das Wahlmännergremium entscheidet, ohne daß das Parlament die Möglichkeit hat, über die politische Bedeutung einer Entscheidung von dem Wahlmännergremium Rede und Antwort zu verlangen.
Dann noch ein zweites verfassungsrechtliches Bedenken, meine Damen und Herren. Wenn das Wahlmännergremium — und das ist sicherlich richtig — ein Hilfsorgan des Parlaments ist, dann gelten für Verhandlungen und Abstimmungen des Wahlmännergremiums die gleichen Regeln, die die Verfassung für das Parlament vorsieht. Diese Regeln sind in Art. 42 des Grundgesetzes niedergelegt. Nach dem Art. 42 des Grundgesetzes kann eine Vertraulichkeit der Beratungen und der Abstimmungen nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments beschlossen werden. Das bedeutet, daß es nicht in die Hände des einfachen Gesetzgebers gelegt worden ist, hier diese Verfassungsregel zu durchbrechen. Diese Verfassungsregel, die für das Parlament gilt, für diesen ursprünglichen Wahlkörper, muß selbstverständlich auch für das Hilfsorgan des Parlaments gelten, nämlich für das Wahlmännergremium. Aus dem Grunde ist es verfassungsrechtlich als unzulässig zu bezeichnen, wenn hier durch eine Entscheidung des einfachen Gesetzgebers generell eine so weitgehende Verschwiegenheitspflicht festgelegt wird.
Ein Weiteres, meine Damen und Herren; ich muß schon Ihre Geduld etwas in Anspruch nehmen, denn nicht wir haben dieses Ei ausgebrütet, eine derartige Regelung zu treffen, sondern das haben Sie ia gemacht, und deshalb müssen wir dagegen ankämpfen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Das ist ein faules Ei!)

Das Grundgesetz sieht zwei Wahlkörperschaften vor, nämlich den Bundestag und den Bundesrat. Für diese beiden Wahlkörper gilt nach dem Grundgesetz das Prinzip der Gleichordnung. Jedes dieser ursprünglichen Wahlorgane, Bundestag und Bundesrat, hat gleiche Rechte und gleiche Pflichten. Und nun wollen Sie für das vorn Bundestag. von diesem einen der beiden ursprünglichen Wahlorgane gebildete Gremium. nämlich für den Wahlmännerausschuß, eine Sonderregelung bezüglich der Verschwiegenheitsnflicht treffen. Ja. meine Damen und Herren. damit wird doch das Prinzip der rechtlichen Gleichstellung und Gleichordnung von Bundestag und Bundesrat verletzt!

(Abg. Dr. Arndt: Sehr richtig!)

Wenn Sie eine derartige Bestimmung einbauen. diskriminieren Sie damit den Bundestag.

(Zustimmung bei der SPD.)

Damit. daß Sie eine derartige Bestimmung für den
Bundestag aber nicht für den. Bundesrat vorsehen. verletzen Sie das Prinzip der Selbstachtung, des Selbstresnektes des Parlaments.

(Beifall hei der SPD.)

Aus dieser Erwägungen — nennen Sie diese Bedenken verfassungspolitisch. nennen Sie sie verfassungsrechtlich; sie haben durchaus einen ver-


(Wittrock)

fassungsrechtlichen Kern — halten wir die von der Mehrheit des Ausschusses vorgeschlagene Regelung für untragbar. Ich weiß, daß der eine oder andere von Ihnen aus der Mitte der CDU-Fraktion, der dafür vorgesehen ist, hierzu Stellung zu nehmen, wahrscheinlich den Hinweis bringen wird: Bitte, wir haben einen Bundespersonalausschuß, wir haben einen Richterwahlausschuß und wir haben einen Personalgutachterausschuß, und für alle diese Gremien ist gesetzlich eine Verschwiegenheitspflicht vorgesehen. Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Wahl klang ja hervor — ich will jetzt nicht über alle Gesichtspunkte sprechen, die bei der Regelung eine Rolle gespielt haben —, daß man u. a. auch an die für die anderen Wahlgremien vorgesehenen Bestimmungen gedacht hat. Aber der Vergleich etwa mit dem Richterwahlausschuß, mit dem Personalgutachterausschuß u. dgl. hinkt. Es handelt sich hierbei rechtlich um etwas ganz anderes. Bei all diesen Gremien, also beim Personalgutachterausschuß, beim Richterwahlausschuß und beim Bundespersonalausschuß liegt die letzte Entscheidung beim Minister, und beim Richterwahlausschuß hat der Ausschuß eine mitwirkende, allerdings entscheidend mitbestimmende Bedeutung und Funktion. In der Verfassung heißt es, „ . . . Minister und Ausschuß gemeinsam . . .", so daß letzten Endes der Minister den Richter durch seine Entscheidung mitschafft. Beim Personalgutachterausschuß und auch beim Bundespersonalausschuß liegt die Letztentscheidung ausschließlich beim Minister, und der Minister ist ein politisch verantwortliches Organ; das Parlament kann jederzeit vom Minister verlangen, daß er hier über eine getroffene Entscheidung, auch über die Ernennung oder Nichternennung eines Bundesrichters — ich meine jetzt nicht Bundesverfassungsrichter, sondern Bundesrichter —, Rede und Antwort steht.
Ganz anders ist die rechtliche Bedeutung des Wahlmännerausschusses nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Hier wird der Richter nicht durch eine Mitwirkungshandlung des Ministers zum Richter, sondern hier ist es ausschließlich die Wahl, der Wahlakt, durch den der Richter zum Richter gemacht wird. In § 6 Abs. 4 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht heißt es: Zum Richter ist gewählt, wer die und die Mehrheit erhalten hat. Hier ist also die Wahl der rechtschöpfende Akt, aus diesem Grunde entfällt hier das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, und aus dem Grunde muß dieses Wahlmännergremium unmittelbar dem Parlament verantwortlich sein.
Meine Damen und Herren, aus all diesen Erwägungen bitten wir Sie darum, dem Antrag auf Streichung der hier in Rede stehenden Bestimmung zuzustimmen. Wir können uns nicht vorstellen, daß Sie sich den verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Bedenken, die vorzutragen ich die Ehre hatte, so einfach verschließen können. Wenn Sie sich darüber hinwegsetzen, dann doch letzten Endes aus einem Gefühl der Angst, für eine Handlung oder für das Unterlassen einer Handlung — nämlich für das Scheitern einer Wahlhandlung — Rede und Antwort stehen zu müssen und zur Verantwortung gezogen zu werden. Bitte, was hat denn Veranlassung zu dieser Bestimmung gegeben? Ich will es hier sagen; ich kann und will es nicht in den Einzelheiten vortragen. Aber Sie wissen, daß durch die deutsche
Öffentlichkeit die Vorstellung gegeistert ist und auch in diesem Hause verbreitet wurde, daß das Scheitern der Wahl zum Bundesverfassungsrichter in der Vergangenheit irgendwie auf das Konto der Sozialdemokratischen Fraktion zu buchen sei. Das ist doch eine Vorstellung, die in manchen Köpfen herumgespukt ist.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das ist aber nun gründlich widerlegt!)

Diese Vorstellung hat Veranlassung gegeben, über die Zusammenhänge, die vielleicht für sie irgendwie kausal sind, im Rechtsausschuß zu reden. Man hat in einer vertraulichen Sitzung darüber geredet; aber es ist darüber geredet worden. Wir können uns dem Gefühl nicht verschließen, daß man ein sehr starkes Unbehagen darüber empfunden hat, daß im Ausschuß einmal die Karten auf den Tisch gelegt worden sind. Diese von der Mehrheit des Ausschusses vorgeschlagene Regelung entspricht irgendwie diesem Unbehagen. Wenn Sie das Wahlverfahren ändern wollten — wir werden jetzt gleich darüber zu reden haben — und wenn die Mehrheit das durchsetzte und wenn dann eines Tages die Situation einträte, daß irgendein dem Parlament fremdes Organ eingeschaltet wird — das wollen Sie doch —, dann würde in der Öffentlichkeit die Diskussion darüber, warum das so weit gekommen ist, noch viel stärker aufflakkern und würde das Bedürfnis der Öffentlichkeit, die Verantwortlichkeit klarzulegen, noch viel stärker spürbar werden. Sie, meine Damen und Herren, wollen jetzt schon diesem Rede-und-Antwortstehen-Müssen dadurch vorbauen, daß Sie dem Wahlmännergremium einfach den Mund zubinden. Das halten wir politisch und auch rechtlich für eine Unmöglichkeit. Deshalb stellen wir den Antrag auf Streichung der vom Ausschuß beschlossenen Bestimmung.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215001800
Der Herr Abgeordnete Platner hat das Wort.

Eduard Platner (DP):
Rede ID: ID0215001900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Wittrock darf ich zur Frage der Verschwiegenheitspflicht des Wahlmännerausschusses, die wir durch einen § 6 Abs. 4 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes einführen wollen, folgendes sagen.
Es ist in den Debatten des Rechtsausschusses, die zu dieser Frage geführt worden sind, bereits mit Recht darauf hingewiesen worden, daß eine Geheimhaltung der persönlichen Momente der zur Wahl gestellten Kandidaten nicht nur dem Wunsch der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts entspricht, sondern daß die Geheimhaltung dieser persönlichen Dinge in letzter Linie doch eine Angelegenheit der Sicherung der privaten und persönlichen Sphäre der Kandidaten ist. Nun hat Herr Wittrock gesagt, eine solche Geheimhaltung sei doch primär und im Prinzip eigentlich eine Frage des persönlichen Taktes der Wahlmänner. Dazu ist bereits im Rechtsausschuß ganz richtig und zutreffend gesagt worden, die Praxis solcher Gremien habe bewiesen, daß von einer Geheimhaltung in keiner Weise die Rede sein könne,

(Abg. Dr. Greve: Das war bisher auch nicht vorgeschrieben!)



(Platner)

weil alle diese Dinge doch immer wieder nach außen dringen. Diese Erfahrungstatsache hat uns vornehmlich — neben dem Gesichtspunkt, den ich bereits erwähnt habe — zu dem Gedanken geführt, durch den neu einzufügenden § 6 Abs. 4 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine Verschwiegenheitspflicht zu schaffen.

(Abg. Wittrock: Herr Kollege Platner, darf ich eine Zwischenfrage stellen?)

— Vielleicht können Sie sie nachher stellen, Herr Kollege Wittrock. Lassen Sie mich meinen Gedankengang erst entwickeln.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002000
Herr Abgeordneter Wittrock, Sie wollten das Wort; es kann nur erteilt werden mit Zustimmung des Herrn Redners.

(Abg. Wittrock: Herr Platner hat gebeten, ihn nicht zu unterbrechen; ich möchte diesen Wunsch respektieren!)

Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter Platner.
Platner CDU/CSU) : Im Ausschuß und auch hier in den Ausführungen des Herrn Kollegen Wittrock ist auf gewisse Parallelen in anderen Ebenen schon hingewiesen worden. Wir haben eine analoge Regelung über Verschwiegenheitspflicht im Richterwahlgesetz für den Richterwahlausschuß. Wir haben eine analoge Vorschrift für den Bundespersonalausschuß und für den Personalgutachterausschuß. Nun ist die Frage, ob wir auch hier für den Wahlmännerausschuß des Bundestages diese Verschwiegenheitspflicht schaffen sollen. Herr Wittrock hat dazu gesagt, das gehe deshalb nicht an, weil dieses Wahlmännergremium ein Hilfsorgan des Bundestages, des Parlaments, sei, dem ja durch Art. 94 des Grundgesetzes im Prinzip die Wahl übertragen worden sei. Es ist richtig, daß dieser Wahlmännerausschuß den Charakter eines solchen Hilfsorgans hat, aber diesem Wahlmännerausschuß ist doch nun der Wahlakt als eine selbständig vorzunehmende Handlung delegiert worden; auf ihn ist die Wahl übertragen worden.
Herr Wittrock hat weiter gesagt, wenn jetzt diese Verschwiegenheitspflicht des Wahlmännerausschusses eingeführt werde, dann werde gewissermaßen die in der Demokratie notwendige Transparenz dieses Wahlvorgangs beseitigt, und er hat gemeint, aus den ganzen Bestimmungen unserer Verfassung sei eine solche Regelung nicht herleitbar, ja sie stehe zu ihnen sogar in Widerspruch. Demgegenüber darf ich doch darauf hinweisen, daß z. B. Art. 63 des Grundgesetzes die Wahl des Bundeskanzlers auch dem Parlament überträgt und daß nach § 4 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestages diese Wahl mit verdeckten Stimmzetteln durchgeführt wird. Also auch hier. wo doch mittelbar ein Verfassungsorgan gewählt wird, besteht diese von Ihnen geforderte Transparenz nicht.
Nun noch ein anderes. Die Verschwiegenheitspflicht ist in dem von uns beschlossenen S 6 Abs. 4 auch noch in der Weise formuliert, daß die Wahlmänner zur Verschwiegenheit über die ihnen durch ihre Tätigkeit im Wahlmännerausschuß bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse der Sewerher sowie über die hierzu — darauf ist meines Erachtens das Gewicht zu legen — im Ausschuß genflogenen Erörterungen und über die Abstimmung verpflichtet sind. Einmal durch die Tätigkeit; das ist natürlich eine etwas umfassendere
Formulierung. Aber dabei muß doch berücksichtigt werden, daß gerade durch ihre Tätigkeit im Wahlmännerausschuß sich dessen einzelne Mitglieder durchaus auch persönliche Informationen über persönliche Momente des einzelnen Kandidaten haben verschaffen können und daß die Verschwiegenheitspflicht sich dann auch mit auf den Schutz dieser privaten und persönlichen Sphäre erstrecken muß.
Wenn wir schließlich in diesem § 6 Abs. 4 gesagt haben, daß auch über die Abstimmung Verschwiegenheitspflicht statuiert werden soll, so ist doch klar, daß auch damit keineswegs ein Gegensatz zu den Vorschriften des Grundgesetzes geschaffen wird. Denn die Personalwahlen bei uns im Parlament werden ja, wie ich bereits dargelegt habe, auch im Wege geheimer Abstimmung, d. h. durch Abstimmung mit verdeckten Karten vorgenommen.
Hier muß meines Erachtens grundlegend und abschließend noch das eine gesagt werden: daß von dem Bereich der persönlichen Momente der Kandidaten das Moment der politischen Verantwortlichkeit der einzelnen Wahlmänner abgegrenzt werden muß. Dieser Bereich wird ja keineswegs in den Bereich der Verschwiegenheitspflicht einbezogen.
Ich darf daher beantragen, den Streichungsantrag der SPD abzulehnen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215002200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Auch nach Auffassung meiner Fraktion gibt es keine überzeugenden Gründe für die Einführung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Zunächst einmal hat sich in der Vergangenheit auch nicht die Spur eines Anlasses ergeben, nach dieser Richtung mehr zu tun, als sich auf den Takt der Wahlmänner zu verlassen, die gar nicht daran denken und auch gar kein Interesse daran haben können, irgendwie in die private Sphäre der einzelnen Bewerber hineinzuleuchten. Im übrigen haben wir auch im deutschen Recht jahrzehntelang ein politisches Wahlverfahren bei den hauptamtlichen kommunalen Spitzenkräften gekannt, und niemandem ist es eingefallen, bei dieser politischen Entscheidung — denn darum handelte es sich dort und soll es sich auch hier handeln — irgendeine Verschwiegenheitspflicht zu verlangen.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Hier sind auch Richter zu wählen!)

— Ich komme gleich darauf. — Ich erinnere Sie daran, daß wir auch im deutschen Recht jahrzehntelange Erfahrungen darüber haben, daß es bei der Auswahl von Persönlichkeiten für diese oder jene Funktion nicht einer Verschwiegenheitspflicht bedurfte und daß es zu keinen irgendwie nachteiligen Erscheinungen gekommen ist. Wer sich in die rauhe Atmosphäre als Bewerber begibt und sich durch eine politische Entscheidung auswählen läßt, der darf nicht empfindlich sein.
Ich bekam eben von Ihnen, Herr Kollege Weber, den Einwurf, es handele sich um die Wahl eines Richters. Ja, das Gesetz hat nach der Auffassung der Mehrheit bewußtermaßen die Wahl des Richters zu einer politischen Entscheidung gemacht,

(Abg. Wittrock: Sehr richtig!)



(Dr. Gille)

denn es hat diese Entscheidung dem Parlament bzw. einem Wahlmännerausschuß, der vom Parlament gewählt wird, übertragen. Wenn Sie A sagen, müssen Sie eigentlich auch B sagen. Ich betone nochmals — ich werde das zu § 7 a noch ausführen —: ich halte diese Konstruktion nicht für wünschenswert. Aber wenn man sie einmal hat — und da ist das, was Kollege Wittrock ausführte, doch wirklich nicht ernstlich zu bestreiten —, wenn man eine politische Entscheidung will, dann kann man unmöglich Bestimmungen treffen, die eine einmal notwendig werdende Auseinandersetzung über die Gründe oder Gegengründe einer solchen politischen Entscheidung erschweren könnten.
Wir werden deshalb dem Streichungsantrag zustimmen.

(Beifall beim BG/BHE und bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215002400

(Abg. Kiesinger: Das hat Herr Platner doch gar nicht gesagt!)

— Doch, Herr Kollege Kiesinger, ich habe es mir aufgeschrieben; das hat Herr Platner gesagt: die Praxis sei bisher anders gewesen, es sei nicht auf die Sicherung der persönlichen und privaten Sphäre Rücksicht genommen worden. Bitte, Herr Kollege Platner, nennen Sie mir einen einzigen Fall, in dem ein Mitglied des Wahlmännergremiums auf die persönliche und private Sphäre desjenigen, der als Richter gewählt werden sollte, nicht Rücksicht genommen hat. Die private und persönliche Sphäre ist grundsätzlich auseinanderzuhalten von derjenigen Sphäre des Mannes oder der Frau, die als Richter oder Richterin in Frage kommen sollen, die uns hier zu interessieren hat. Es gibt natürlich ganz bestimmte. Vorgänge in der Vergangenheit eines Menschen und auch in der Gegenwart eines Menschen, die zum Gegenstand der Beurteilung gemacht werden müssen, wenn der oder die Betreffende Richter am Bundesverfassungsgericht werden soll. Nur um diese Dinge handelt es sich doch. Wollen Sie etwa auch verhindern, daß die politische Vergangenheit eines Mannes, der zum Richter an das Bundesverfassungsgericht gewählt werden soll, Gegenstand der Betrachtung der Mitglieder des Wahlmännergremiums und auch der Mitglieder dieses Hohen Hauses hier ist?

(Beifall bei der SPD.)

Sie alle haben das gute Recht und meines Erachtens sogar die Pflicht, vom Wahlmännergremium Rechenschaft über das zu verlangen, was in seinem Kreise beraten und beschlossen worden ist. Die Schnüffler in Ehen und in Familien, meine Damen
und Herren, sitzen in ganz anderen öffentlichen Körperschaften,

(Sehr wahr! und Beifall bei der SPD)

aber nicht im Wahlmännergremium. Wir haben uns
bisher jedenfalls von Schnüffeleien irgendwelcher
Art freigehalten, die mit den Dingen, die hier zur
Diskussion standen, überhaupt nichts zu tun haben
konnten. Ich halte Ihnen zugute, Herr Kollege
Platner, daß Sie nicht Mitglied des Wahlmännergremiums sind. Aber Sie hätten sich vorher bei den
Kollegen Ihrer Fraktion orientieren sollen, ob das,
was Sie behauptet haben, zutreffend ist oder nicht.
Selbstverständlich haben wir Mitglieder des Wahlmännergremiums unsere Erfahrungen. Ich möchte Ihnen hier eins sagen: Seit Beginn der Tätigkeit beider Wahlkörper, nämlich des Wahlmännergremiums und des Bundesrates in seiner Gesamtheit, hat die gute Übung bestanden, daß die Mitglieder des Wahlmännergremiums und eine Reihe von Mitgliedern des Bundesrates gemeinsam getagt und über die zu wählenden Damen und Herren gemeinsam beraten haben. Das war schon aus dem Grunde notwendig, weil sowohl das Wahlmännergremium als auch der Bundesrat Kandidaten hatte, die jeder dieser Wahlkörper wählen wollte. Schon deshalb bestand eine Notwendigkeit, sich darüber zu verständigen, wer wen wählte. Bei diesen gemeinsamen Besprechungen, die Wahlmiinnergremium und Mitglieder des Bundesrates hatten, ist es in jedem Falle zu sehr vernünftigen Ergebnissen gekommen, und es hat nie Schwierigkeiten gegeben.
Das alles, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, unterbinden Sie, wenn Sie hier die Verschwiegenheitspflicht nur für die Mitglieder des Wahlmännergremiums einführen wollen. Herr Kollege Platner, auch Sie sind uns Aufklärung darüber schuldig geblieben, und deshalb muß ich den Herrn Berichterstatter ausdrücklich bitten, uns noch einmal zu sagen, wie Sie den Unterschied überhaupt begreiflich machen wollen zwischen den Mitgliedern des Wahlmännergremiums und den Mitgliedern des Bundesrates, die nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, die gar nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet werden dürfen, weil sie in aller Offenheit die Damen und Herren zu wählen haben, die als Richter am Bundesverfassungsgericht in Frage kommen. In öffentlicher Sitzung hat der Bundesrat diejenigen zu wählen, die Richter am Bundesverfassungsgericht werden sollen, und diejenigen, die für den Bundesrat die Vorarbeiten für diese Wahl zu erledigen haben, sind auf Grund keiner gesetzlichen Bestimmung in irgendeiner Art und Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet. Herr Kollege Dr. Wahl, ich muß Sie als Berichterstatter bitten, uns ausdrücklich zu sagen, warum hier die Mitglieder des Deutschen Bundestages anders behandelt werden sollen als die Mitglieder des Deutschen Bundesrates. Warum wollen Sie uns vor uns selbst mundtot machen? Es ist kein innerer Grund zu erkennen, warum das, was hier jetzt geschehen soll, von Ihnen in dieser Art und Weise verlangt wird. Der Grund, den Herr Kollege Platner angegeben hat, muß von uns — und ich glaube, hier für alle Mitglieder des Wahlmännergremiums zu sprechen — mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Wir haben nicht den geringsten Anlaß, hier derartige Anträge zu stellen. Das ist eine Beleidigung des Wahlmännergremiums in seinen Mitgliedern, es ist aber auch eine Beleidigung des Bundestages in seiner Gesamtheit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)



(Dr. Greve)

Ich bitte Sie, dem Antrag meiner Fraktion stattzugeben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002500
Hier ist der Herr Abgeordnete Dr. Wahl als Berichterstatter angesprochen. Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht.

(Abg. Dr. Wahl: Ja!)


Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215002600
Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt für die Formulierung, die wir hier vorgeschlagen haben, ist die Tatsache, daß der Richterwahlausschuß für die oberen Bundesgerichte zur Verschwiegenheit über die Vorgänge bei der Wahl der Richter zu den oberen Bundesgerichten verpflichtet ist. Ich kann wirklich nicht einsehen, warum das beim Bundesverfassungsgericht anders sein sollte. Gerade die Tatsache, die uns Herr Kollege Greve mitteilt, daß es bisher bezüglich der Geheimhaltung keine Schwierigkeiten gegeben habe, beweist doch, daß die Praxis des Wahlmännerausschusses tatsächlich auch so gewesen ist, daß die persönlichen Verhältnisse eines Mannes geheimgehalten worden sind. Unter diesen Umständen verstehe ich den Aufwand nicht, der hier in der Diskussion um diese Frage hervortritt.
Meine Damen und Herren, wir haben doch auch ein gewisses Interesse an der sogenannten Einheit der Rechtsordnung. Ich darf das als Theoretiker einmal sagen. Es ist nicht gut vertretbar, Dinge, die genau dieselbe Interessenlage haben, bei den beiden Wahlmännergremien, dem für die oberen Bundesgerichte einerseits und dem für das Bundesverfassungsgericht andererseits, unterschiedlich zu regeln.

(Zuruf von der SPD: Und warum der Unterschied zwischen Bundestag und Bundesrat? Setzen Sie sich doch mit den Argumenten auseinander!)

— Einen Moment! — Das ist das erste, was ich sagen will.
Jetzt kommt das zweite. Sie sagen, die Mitglieder des Bundesrates sind nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ich wage nicht, die Frage hier, zunächst einmal von mir aus, jetzt zu entscheiden, ob ein Minister nicht aus anderen Gründen schon zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Das weiß ich nicht. Das ist aber eine Frage, die sich auch noch stellen läßt.
Des weiteren aber ist selbst in sonst öffentlichen Sitzungen die Abstimmung in Personalfragen nach einer demokratischen Tradition im allgemeinen geheim. Meine Damen und Herren, mehr sagen wir ja gar nicht.
Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen. Glauben Sie denn wirklich, daß die politische Bedeutung der Vorgänge im Wahlmännerausschuß sich in der Abstimmung — der geheimen Abstimmung — erschöpft? Ich darf z. B. jetzt an eines erinnern: In Nordrhein-Westfalen weiß man doch heute noch nicht, wie die Abstimmung im einzelnen zustande gekommen ist, weil in Personalfragen geheim abgestimmt wird.

(Zuruf von der SPD: Das tut Ihnen weh?)

— Nein, das tut mir nicht weh; ich wollte das nur
als Beweis dafür bringen, daß die geheime Abstimmung etwas Selbstverständliches ist. Ich halte
es nicht für richtig, daß ein abgelehnter oder auch gewählter Richter sich erkundigt, wer gegen ihn gestimmt hat. Das halte ich für eine ganz unmögliche Sache. Und dann ist es doch sehr richtig, wenn dem Fragesteller gesagt werden kann: „Hören Sie mal, darüber können Sie von uns keine Auskunft bekommen!"
Aus diesem Grunde haben wir den Gesetzesvorschlag so formuliert. Wir haben übrigens, das muß ich jetzt sagen, diesen ganzen Auseinandersetzungen im Rechtsausschuß nicht die Bedeutung beigemessen, die sie jetzt hier im Plenum plötzlich gewinnen.

(Zuruf von der SPD: Nicht plötzlich!)

Das Problem führt hier zu intensiveren Auseinandersetzungen, als sie im Rechtsausschuß darüber stattgefunden haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215002800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wahl hat mit Recht bereits betont, daß um diesen Punkt, den wir zur Zeit behandeln, mehr Aufwand gemacht wird, als ihm seiner Bedeutung nach zukommt. Ich möchte deshalb ganz ausdrücklich — ich habe das gestern noch einmal in den Protokollen nachgelesen — erklären, daß diese Bestimmung mehr „obiter" in dieses Gesetz hineingekommen ist. Im Regierungsentwurf war davon nichts zu lesen. Ein Mitglied hat, wie auch in den Protokollen zu lesen ist, die Frage gestellt, weshalb hier nicht schen ursprünglich im Gesetz die Vertraulichkeit vorgesehen gewesen sei, wie dies in dem Gesetz über den Richterwahlausschuß ausdrücklich gesetzlich bestimmt sei. Dazu wurde dann von allen Seiten ausgeführt, daß es eine Sache des Taktes und eine Selbstverständlichkeit sei, über die persönlichen Verhältnisse der Bewerber Stillschweigen zu bewahren.
Herr Kollege Platner hat eben ausgeführt, daß Fehler der Vergangenheit Veranlassung zu dieser Bestimmung gegeben haben. Er hat mir eben selbst erklärt, daß er da mißverstanden worden sei. Er wollte eine allgemeine Bemerkung — nicht speziell in bezug auf den Wahlmännerausschuß — dahingehend machen, daß sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit grundsätzlich ergebe, daß über derartige Vorgänge Verschwiegenheit bewahrt werden müsse.
Nun sehe man sich die Bestimmung aber doch einmal an! Was ist denn dort bestimmt? Ist es etwa verboten. über politische Vorgänge, soweit sie nicht unmittelbar mit der Person des Bewerbers zusammenhängen. zu sprechen? Das ist doch absolut nicht der Fall. Vielmehr ist ausdrücklich bestimmt:
sind zur Verschwiegenheit über die ihnen durch ihre Tätigkeit im Wahlmännerausschuß bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse der Bewerber ... verpflichtet". — persönlichen Verhältnisse der Bewerber! Von der Opposition ist im Ausschuß einmal ausgeführt worden. daß es die sogenannte private Sphäre sei, die hier geschützt werde und geschützt werden solle. Mehr ist auch nicht geschehen. Es ist dann noch ausdrücklich formuliert worden — das hat Herr Platner auch schon hervorgehoben -: „sowie über die hierzu im Wahlmännerausschuß gepflogenen Erörterungen ...". Also nur insoweit besteht eine Verschwiegenheitspflicht. Über politische Vorgänge, die sich im Wahl-


(Dr. Weber [Koblenz])

männergremium abgespielt haben, soll hier keine Sperre verhängt werden; so will ich es einmal ausdrücken. In dieser Hinsicht soll nicht, wie der Herr Kollege Wittrock meinte, „jemandem der Mund verboten werden". Das ist nicht die Absicht, die mit diesem Paragraphen verfolgt wird. Deshalb sollte man unseres Erachtens über diese Dinge nicht soviel Aufhebens machen.
Nun noch kurz ein Wort zu den politischen und verfassungsrechtlichen Bedenken des Herrn Kollegen Wittrock. Herr Platner hat bereits betont, daß bezüglich der Wahl der vom Bundestag zu wählenden Mitgliederdes Wahlmännerausschusses im Grundgesetz lediglich gesagt ist: „... werden .. . gewählt"; in welcher Weise, ist nicht gesagt. Beim Bundespräsidenten heißt es auch: „...wird ... von der Bundesversammlung gewählt". Beim Bundeskanzler heißt es: ,,...wird ... vom Bundestage .. . gewählt". Es ist aber sowohl in der Bundesversammlung durch deren Geschäftsordnung wie auch im Bundestag durch die Geschäftsordnung des Bundestages ausdrücklich festgelegt, daß derartige Wahlen durch verdeckte Stimmzettel erfolgen. Ich weiß nicht, wie es im Bundesrat gehandhabt wird. Aber auch dort werden üblicherweise Personalwahlen geheim vorgenommen, wie es sich nach meiner Meinung bei Personalien grundsätzlich gehört, wenn nicht allgemeines Einvernehmen besteht. Da soll man nicht gezwungen werden, sich öffentlich so oder so zu entscheiden, also persönliche Rücksichten walten zu lassen, sondern hier soll eine sachliche Entscheidung getroffen werden.

(Zuruf des Abg. Spies [Emmenhausen]: Bei Bundespräsident und Bundeskanzler nach dem Grundgesetz „ohne Aussprache"!)

— Sehr richtig wird mir entgegengerufen, daß in den Geschäftsordnungen immer bestimmt ist, daß Wahlen ohne Aussprache erfolgen. Das spricht weiterhin für die Richtigkeit dieser Bestimmung, die wir hier vorsehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215002900
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Frage?

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215003000
Bitte sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215003100
Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0215003200
Herr Kollege Dr. Weber, verstehe ich Sie dann recht, wenn ich Ihre Auffassung dahingehend interpretiere, daß Sie die Formulierung „Verschwiegenheit über die Abstimmung" wie folgt auslegen: Sie meinen, die Verschwiegenheit besteht nur bezüglich der Art der Abstimmung, besteht aber nicht bezüglich des Abstimmungsergebnisses? Ich habe Sie, da sie das Schwergewicht auf den Vorgang der Abstimmung gelegt haben, eben dahingehend verstanden, daß Sie eben nicht das Abstimmungsergebnis einbeziehen wollen. Verstehe ich Sie da richtig?

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215003300
Ja, ich stehe für meine Person nicht an zu erklären, daß ich in der Öffentlichkeit auch als nunmehriges Mitglied des Wahlgremiums sagen würde, der und der ist abgelehnt worden, ohne mich über das Stimmenverhältnis, ohne mich irgendwie über die Gründe, aus denen er abgelehnt worden ist, des näheren auszusprechen. Die persönlichen Verhältnisse sollen also nicht in die Erörterung einbezogen werden. Die private Sphäre soll geschützt werden. Das ist der Sinn dieser Bestimmung, so wie er in sehr langen Beratungen des Rechtsausschusses, wie ich mich gestern überzeugen konnte, festgelegt und ausgeführt worden ist. Wir haben dreimal über diese Bestimmung beraten, aber nur deshalb, weil wir gerade verhindern wollten, daß hier jemandem in einer nicht zu billigenden Weise „der Mund verbunden würde". Es sollte nur diese private Sphäre geschützt werden.
Ich habe noch Veranlassung zu einer weiteren Bemerkung. Herr Kollege Gille meinte, daß dadurch, daß die Wahl dem Bundestag übertragen sei, die Wahl politisiert werde, sie ein politischer Akt sei. Ich bestreite das für meine Person. Ich bin der Meinung — deswegen habe ich soeben den Zwischenruf gemacht —, daß hier solche Richter, solche Persönlichkeiten gewählt werden sollten, die, gerade weil sie in politischen Fragen zu entscheiden haben, möglichst über den Dingen stehen. Es ist das Anliegen jedenfalls meiner Fraktion bei diesem Gesetz — und das wird des näheren bei der nächsten Bestimmung zu erörtern sein, deswegen mache ich es hier sehr kurz ab —, die Besetzung und die Zusammensetzung des Gerichts weitgehend zu entpolitisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215003400
Herr Abgeordneter Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215003500
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Kollegen Dr. Weber auf seine letzten Ausführungen erwidern: Herr Kollege Dr. Weber, es handelt sich bei den Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht um Menschen, die über Kauf- oder Mietverträge entscheiden sollen. Es sind schon Richter anderer Art als diejenigen, die in den Zivilkammern der Landgerichte und den Senaten der Oberlandesgerichte sitzen.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das habe ich doch auch gesagt!)

Es handelt sich dennoch um Richter, um echte Richter, auch nach meiner Auffassung. Sie sagen, sie sollen über den Dingen stehen. Über welchen Dingen sollen diese Richter stehen? Sie müssen nach meiner Auffassung, wenn sie Verfassungsrichter sein und ihr Amt als Verfassungsrichter richtig verstehen und ausüben wollen, Menschen sein, die mitten im politischen Leben stehen, weil Verfassungsaufgaben und Verfassungsfragen politische Aufgaben und politische Fragen sind. Deswegen ist auch der Wahlakt ein Vorgang politischen Charakters, Herr Kollege Weber.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Die Verfassungsrichter müssen aber in der Lage sein, sich über diese Dinge zu erheben!)

— Wir sind nicht willens, uns über diese Dinge zu erheben. Willens, sich über diese Dinge zu erheben, sind diejenigen, die den Richter für etwas Übermenschliches halten, Herr Kollege Weber, und dazu gehören wir allerdings nicht.

(Beifall bei der SPD.)

Das will ich Ihnen mit aller Offenheit einmal erklären. Es ist schon ein politischer Vorgang, und bei der Persönlichkeit, wenn ich diesen Ausdruck in diesem Zusammenhang ausnahmsweise einmal gebrauchen darf, bei einem Menschen, der als Bundesverfassungsrichter in Frage kommt, interessieren uns die persönlichen Verhältnisse des Betreffenden schon.


(Dr. Greve)

Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, es sollten nur die persönlichen Verhältnisse des Betreffenden verschwiegen bleiben. Ja nun, was wird nachher daraus gemacht? Ob jemand Mitglied der Abendländischen Akademie ist oder nicht, ist schließlich ein persönlicher Vorgang, aber auch außerordentlich interessant für die Frage, ob jemand zum Richter am Verfassungsgericht gewählt werden soll oder nicht, Herr Kollege Dr. Weber. Das sind schließlich Vorgänge, die man nicht nur in der Verschwiegenheit seines eigenen Herzens behalten kann, sondern das sind Dinge, über die man auch einmal mit jemandem, der nicht Mitglied des Wahlmännergremiums ist, sprechen muß und sprechen will. Ich glaube, Sie haben genau dasselbe Interesse daran, meine Damen und Herren, die Sie von den Regierungsparteien Mitglieder des Wahlmännergremiums sind, sich mit Ihren Parteifreunden und auch mit den Mitgliedern Ihres Fraktionsvorstandes über diesen oder jenen Kandidaten zu unterhalten, wie ich es habe. Denn wir zwölf Mitglieder des Wahlmännergremiums können -über die uns genannten Kandidaten nicht alles und nicht jedes wissen, und wir sind darauf angewiesen — —

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Tätigkeit im Wahlmännerausschuß!)

— Zur Tätigkeit im Wahlmännerausschuß. Es heißt hier, Herr Kollege Dr. Weber: „sowie über die hierzu im Wahlmännerausschuß gepflogenen Erörterungen". Aus diesen Erörterungen, die im Wahlmännergremium gepflogen werden, erhält jedes einzelne Mitglied Kenntnis von Tatsachen und Vorgängen, die es schließlich auch einmal mit jemandem besprechen will, der nicht Mitglied des Wahlmännergremiums ist. Das kann meines Erachtens gar nicht anders sein, Herr Kollege Dr. Weber.

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215003600
Herr Kollege Dr. Greve, eine Zwischenfrage!

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215003700
Bitte schön.

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215003800
Ist Ihnen bekannt, daß diese Frage gerade von mir in den Verhandlungen des Rechtsausschusses angeschnitten worden ist und daß dort die einhellige Meinung bestand, daß private Erkundigungen außerhalb der Sitzung des Wahlmännergremiums nicht abgeschnitten sein sollten, sondern geradezu unumgänglich seien?

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215003900
Herr Kollege Dr. Weber, das ist mir bekannt. Ich habe die Protokolle des Ausschusses sehr genau verfolgt. Ich kann Ihnen darauf nur erwidern, darin ist genau so Ihre persönliche Meinung wiedergegeben, wie Sie sie uns heute hier bekanntgegeben haben. Sie haben ausdrücklich gesagt, Sie persönlich stehen nicht an, zu erklären, daß das, was mein Freund Wittrock gesagt hat, richtig ist. Aber damit ist doch nicht gesagt, welche Meinung diejenigen vertreten, die nachher darüber zu Gericht sitzen, ob sich jemand gegen die Verschwiegenheitspflicht vergangen hat oder nicht.
Nun will ich zu Ihnen sprechen, Herr Kollege Platner. Die Praxis und die Erfahrung lehren, daß man mit solchen schwammigen Ausdrücken nachher gerade das machen kann, was man will; und wozu die Mehrheit in diesem Hause nachher einmal fähig ist, das wissen wir auch aus der Vergangenheit. Wir wollen hier den Anfängen wehren und die Mitglieder des Wahlmännergremiums, die bisher keine Veranlassung gegeben haben, sich über
sie in bezug auf ihre Verschwiegenheit zu beschweren, nicht in Gewissensnot bringen, wenn sie über Vorgänge, die nun einmal im Wahlmännergremium erörtert worden sind, auch mit jemand anders sprechen wollen, auch über Vorgänge, die für die Beurteilung der betreffenden Person von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Im übrigen, Herr Kollege Wahl, hat mich Ihre Auskunft als Berichterstatter in keiner Weise befriedigt. Zu Ihrer Unterrichtung möchte ich Ihnen sagen, daß der Bundesrat öffentlich abstimmt und daß derjenige, der durch den Bundesrat zum Richter im Bundesverfassungsgericht gewählt wird, feststellen kann, ob er mit den Stimmen aller Länder gewählt worden ist oder ob ihm dieses oder jenes Land die Stimme versagt hat.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Aber erst, wenn die Sache klar ist!)

— Das sind technische Vorgänge, Herr Kollege Weber, und was die technischen Vorgänge für eine Bedeutung haben, wissen die Mitglieder des Wahlmännergremiums am allerbesten. Ich komme nachher, wenn ich zur Begründung des Streichungsantrages meiner Fraktion zu § 7 a spreche, noch auf einzelne Dinge zurück.
Aber der Bundesrat wählt öffentlich, und ich hatte Sie, Herr Kollege Wahl, um Antwort auf die Frage gebeten, welchen Unterschied Sie in der Behandlung für gerechtfertigt halten zwischen den Mitgliedern des Bundestages, die Mitglieder des Wahlmännergremiums sind, und den Mitgliedern des Bundesrats, die öffentlich abstimmen und deren Abstimmung jeder Mensch zur Kenntnis nehmen kann, während wir verpflichtet sein sollen, über die Abstimmung Stillschweigen zu bewahren.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie von geheimer Wahl gesprochen haben. Die Wahl, Herr Kollege Wahl, erfolgt nicht geheim. Die Wahl im Wahlmännergremium ist bisher in der Weise erfolgt, daß die Mitglieder des Gremiums durch Handzeichen zu erkennen gegeben haben, ob sie einen Kandidaten wählen oder nicht. Hier wird also nicht eine geheime Wahl verlangt, sondern hier soll eine nicht geheime Wahl geheimgehalten werden. Es wäre etwas anderes, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie gewünscht hätten, daß die Wahl im Wahlmännergremium geheim sein soll. Das wäre eine Sache gewesen, über die man mit uns hätte sprechen können. Aber diese Formulierung, die so en passant, wie Herr Kollege Dr. Weber gesagt hat, in die Vorlage hineingekommen ist, ist unsinnig. Ich will Ihnen auch sagen, wie sie hineingekommen ist. Sie ist dadurch hineingekommen, daß mein Kollege Dr. Arndt einige Vorgänge aus dem Wahlmännergremium im Rechtsausschuß vorgetragen hat und dadurch bei dem einen oder anderen das Mißfallen über die Bekanntgabe von Vorgängen hervorgerufen worden ist.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Dann haben Sie die Protokolle schlecht gelesen!)

— Ist möglich. Ich mache auch mal etwas schlecht, Herr Kollege Weber, und es freut mich, daß mir der Vorwurf gemacht wird. — Aber darum, daß hier bei Bundestag und bei Bundesrat durch die Einfügung des § 6 Abs. 4 mit zweierlei Maß gemessen wird, kommen Sie nicht herum. Ich möchte Sie noch einmal dringend bitten, meine Damen und Herren, der Vorlage Ihre Zustimmung insoweit zu versagen.

(Beifall bei der SPD.)



Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215004000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittrock.

(Abg. Wittrock: Ich verzichte!)

— Sie verzichten!
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 647 Ziffer 2 *) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über Nr. 2 b in der Vorlage des Ausschusses ab. Wer der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Das ist die gleiche Mehrheit; der Passus ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die Nr. 4 a auf. Hierzu liegt wiederum ein Änderungsantrag auf Umdruck 647 — Ziffer 3
— vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Zur Begründung der Herr Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215004100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Gille hat bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei diesem Antrag um das Kernstück der gesamten Gesetzesvorlage handelt. Das ist richtig, und ich bin sogar der Auffassung, daß die Regierung ihre Vorlage nur zu dem Zweck eingebracht hat, um die Wahl der Richter durch das Wahlmännergremium in der bisherigen Weise zu verhindern.

(Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

Meine Fraktion hat sich von Anfang an nicht nur mit Vehemenz, sondern, ich glaube, auch mit guten Argumenten gegen jede Veränderung des Wahlmodus der Richter am Bundesverfassungsgericht gewandt, und zwar in erster Linie auch aus dem Grunde, weil keine Bedenken gegen die Wahl der bisherigen Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts vorzubringen waren und auch heute noch nicht vorzubringen sind. Gewiß ist zuzugeben — ich darf die Ihnen allen bekannte Vergangenheit kurz in Ihr Gedächtnis rufen —, daß es in einem Falle sehr lange gedauert hat, bis ein Richter gewählt werden konnte. Darauf hat der Herr Bundesminister der Justiz schon bei verschiedenen Gelegenheiten hingewiesen. Diese Tatsache ist nicht zu bestreiten. Nicht zu bestreiten ist aber auch die Tatsache, daß durch die während einer ganzen Reihe von Monaten unterbliebene Wahl — ich glaube, es handelt sich um mehr als zwölf Monate
— die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts nicht in geringster Weise beeinträchtigt worden ist. Jede Angelegenheit, auf deren Erledigung der Staat und der einzelne Staatsbürger Wert legen mußten, ist erledigt worden und ist durch die unterbliebene Wahl eines Bundesverfassungsrichters nicht beeinträchtigt worden.
Die Vorgänge, die zur Änderung der Bestimmungen über die Richterwahl geführt haben, sind vielmehr rein politischer Natur. Ich will von dem dummen Gerede über den „Roten Senat" und den „Schwarzen Senat" überhaupt nichts sagen. Das Bundesverfassungsgericht selber hat in seiner Gesamtheit zu erkennen gegeben, daß dieses Gerede leeres Geschwätz ist und jeglicher Grundlage in sachlicher und persönlicher Hinsicht entbehrt. Der Regierungsentwurf, der Ihnen vorgelegen hat, ging rücksichtslos und brutal auf die einfache Mehrheit aus. Das Wahlmännergremium sollte in der Lage
*) Siehe Anlage 4.
sein, bereits mit einfacher Mehrheit Richter zum Bundesverfassungsgericht zu wählen, wenn die bisher vorgeschriebene qualifizierte Mehrheit binnen kurzem nicht erreicht werden konnte. Es ist heute auch schon verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß das nichts anderes bedeuten würde als eine Untergrabung des moralischen Ansehens und der Autorität des Bundesverfassungsgerichts. Es würde schon nach der Regierungsvorlage Richter erster Ordnung und Richter zweiter Ordnung gegeben haben, eben solche Richter, die mit allen oder mit den Stimmen der überwiegenden Mehrheit, mit qualifizierter Mehrheit gewählt worden sind, und solche Richter, denen diese qualifizierte Mehrheit nicht zugekommen ist, sondern die lediglich mit einfacher Mehrheit gewählt worden sind. Es handelt sich dann nicht um das Vertrauen der Mehrheit, sondern um das Vertrauen nur einer Seite dieses Hauses, mit der die betreffenden Richter gewählt worden wären. Ob das im Interesse der Richter, die ohne Ansehen der Sache und auch ohne Ansehen der Tatsache, von wem sie gewählt worden sind, Recht sprechen sollen, gelegen hätte, das, glaube ich, brauche ich hier nur zu fragen. Sie werden mit mir der Auffassung sein, daß diese Qualifizierung weder dem Richter noch dem Gericht in seiner Gesamtheit gut getan hätte.
Der Grund — und das muß ganz offen ausgesprochen werden —.war, daß die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht sich botmäßig und die Richter selbst sich zu gefügigen Werkzeugen ihrer Politik machen wollte. Das ist auch heute noch die Absicht, die mit dem zwar veränderten, aber immerhin noch in gleicher Weise gefährlichen und abzulehnenden Entwurf verfolgt wird.

(Beifall bei der SPD.)

Ich weiß, daß es nicht das Bundesjustizministerium ist, von dem diese Vorschläge ausgegangen sind. Diese rein politisch zu betrachtenden Vorgänge sind in der Giftküche des Bundeskanzleramtes

(Beifall bei der SPD)

und unter der Giftführung von Herrn Staatssekretär Globke entstanden.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215004200
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich kann den Ausdruck „Giftküche des Bundeskanzleramtes" nicht durchgehen lassen. Ich muß Sie dafür leider zur Ordnung rufen.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Außerdem irrt Herr Greve!)


Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215004300
Gut, vielleicht ist das dann in Ihrer eigenen Giftküche entstanden, Herr Kollege Weber.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Wie es hier steht, nehme ich es gern auf mich!)

Meine Damen und Herren, wie diese Vorgänge von vornherein in der Presse beurteilt worden sind, das mögen Sie aus einigen Notizen entnehmen, die ich Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlese. Es handelt sich um Pressemeldungen aus Zeitungen, die nicht meiner Fraktion nahestehen. Diese Zeitungen sind durchaus in der Lage, einen Vorgang so zu beurteilen, wie er beurteilt werden muß, auch wenn er aus den Reihen der Regierungskoalitionsparteien oder von der Regierung selbst kommt.


(Dr. Greve)

So schreibt z. B. die „Stuttgarter Zeitung" vom 11. Juli 1955:
Der Regierungsentwurf zur Reform des Bundesverfassungsgerichts ist nichts anderes als ein Versuch der Exekutive, sich der Kontrolle der Justiz zu entziehen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es ist in diesem Zusammenhang die Rede vom Anschlag auf die Justiz, also Herr Kollege Dr. Weber, nicht etwa auf politische Vorgänge hier, sondern auf die richterliche Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts.
Der „Münchner Merkur" — bezeichnenderweise der „Münchner Merkur" — schreibt in diesem Zusammenhang, „die geplante Reform bedeute unweigerlich eine Parteipolitisierung des ganzen Gerichts", und „der Einwand, der von der Opposition gemacht worden ist" — gegen diese Parteipolitisierung des Gerichts — „scheint uns nicht unbegründet", heißt es.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Herr Greve, Sie sprechen in der zweiten Lesung! Es liegt ein Ausschußantrag vor!)

— Gut, der Ausschußantrag liegt ja vor, er ist bekannt. Ich brauche ihn doch nicht zu verlesen, Herr Dr. Weber. Das ist nicht meine Aufgabe.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Sie sprechen zur Regierungsvorlage!)

— Insofern liegt kein wesentlicher Unterschied zwischen der Regierungsvorlage und dem Ausschußantrag vor, weil auch der Ausschußantrag das bisherige Wahlverfahren des Wahlmännergremiums abändert, und zwar durch die Vorschaltung eines Beirats, auf den ich nachher noch zu sprechen komme. Ich will Ihnen nur in der politischen Tendenz, Herr Kollege Weber — daß mir das in vielen Fällen nicht gelingt, ist mir von vornherein klar -, klarzumachen versuchen, worauf es hier ankommt: daß Sie hier etwas vorgesetzt bekommen, was nicht Honig ist, sondern das, weswegen ich eben zur Ordnung gerufen worden bin, Herr Kollege Dr. Weber.

(Beifall bei der SPD.)

Um etwas anderes handelt es sich doch nicht.
Ich darf Ihnen noch einige Notizen zur Kenntnis bringen.
In der „Frankfurter Neuen Presse" heißt es:
Ob gewollt oder ungewollt, die Bundesregierung greift die politische Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts an, wenn sie seine Richter im zweiten Wahlgang durch einfache Mehrheiten wählen lassen will. Dieser Vorschlag im Regierungsentwurf zum Änderungsgesetz über das Verfassungsgericht ist bedenklich und gefährlich.
Alles das, was auch von unserer Seite gesagt worden ist.
In den „Stuttgarter Nachrichten" heißt es:
Wie peinlich für das jetzige, wie peinlich aber erst für das kommende Gericht! Mit einfacher Mehrheit sollen die Koalitionsparteien ohne Rücksicht auf die Opposition ihnen genehme Richter wählen.
Hier ist es richtig ausgedrückt, meine Damen
und Herren. Auf Wunsch der Bundesregierung sollen die Koalitionsparteien der Bundesregierung
genehme Richter wählen. Sie werden also nicht mehr als ein selbständig handelndes Organ mit einem Delegiertengremium, dem Wahlmännergremium betrachtet, sondern sie — die Koalitionsparteien — werden hier zum ausführenden Organ — zu deutsch sagt man dazu auch gelegentlich Handlanger — der Politik der Bundesregierung degradiert. Meine Freunde und ich sind jedenfalls nicht willens, uns zu politischen Werkzeugen der Bundesregierung machen zu lassen.
Wir sind aber auch nicht willens, das Bundesverfassungsgericht zu einem parteipolitischen Werkzeug der Mehrheit dieses Hauses und ihrer Regierung machen zu lassen.

(Beifall bei der SPD.)

Darum geht es uns in erster Linie. Wir kämpfen hier nicht für irgendein Dogma, wir kämpfen hier auch nicht t r irgendein Phantom, sondern wir kämpfen für die Lauterkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit und die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts von jedweder Parteienkonstellation, aber auch von der Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD.)

Das Bundesverfassungsgericht würde seines Wesens beraubt werden, wenn es nicht mehr die Funktion eines unabhängigen Gerichtes gegenüber der Bundesregierung als einem anderen Verfassungsorgan hätte.
Wie diese Unabhängigkeit auf alle möglichen Arten und Weisen beseitigt werden soll, das haben Sie heute bereits im Verlauf dieser Debatte feststellen können. Sie haben die Anträge, die Ihnen der Ausschuß vorgelegt hat, angenommen und unsere wohlbegründeten und von Ihnen mit Argumenten überhaupt nicht zu widerlegenden Änderungsanträge einfach abgelehnt, weil es so gewünscht wurde. Ich habe jedenfalls während der Debatte, auch als ich hier oben sprach, den Eindruck gehabt, daß bei vielen Mitgliedern dieses Hauses eine bessere Einsicht gegenüber der Ausschußvorlage vorhanden war. Aber sie können nicht anders, meine Damen und Herren, sie müssen den Leidensweg nun einmal zu Ende gehen. Wohin er auf dem Gebiet der Verfassungsgerichtsbarkeit führen wird, das wissen wir noch nicht. Wir hoffen nur, daß das, was uns hier als Ausschußvorlage in § 7 a vorgelegt wird, nicht Gesetz werden wird.
Ich will hier einiges zu dem in das Gesetz eingefügten Beirat sagen. Im Ausschuß selbst sind offenbar auch bei den Mitgliedern der Regierungskoalitionsparteien Bedenken darüber aufgetaucht, daß man von der qualifizierten Mehrheit zur einfachen Mehrheit übergeht, wenn eine Wahl mit qualifizierter Mehrheit nicht möglich ist. Man kann der Bundesregierung nun vorwerfen, was man will, aber Inkonsequenz kann man ihr nicht vorwerfen. Sie steuert auf das von ihr angepeilte politische Ziel rücksichtslos und brutal zu.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Das ist ihr gutes Recht! Ob sie dabei aber über verfassungsrechtliche Bedenken stolpert oder nicht, hat sie nicht allein mit sich selbst abzumachen. In diesem Fall will ich der Bundesregierung sogar konzedieren, daß das, was sie vorgeschlagen hat, nämlich die einfache Mehrheit, verfassungsrechtlich gar keinen Bedenken begegnet, wohl aber verfassungspolitischen Bedenken. Sie, die Sie diesen


(Dr. Greve)

verfassungsrechtlich zulässigen Weg verlassen wollen, haben sich auch noch in den Dschungel des Verfassungsrechts begeben. Nun bin ich allerdings der Auffassung — und das ist Ihnen von meinen Freunden, insbesondere von Herrn Kollegen Dr. Arndt, auch bereits im Ausschuß verschiedentlich gesagt worden, und das haben Sie auch durch die Auslassungen meiner Bundestagsfraktion erfahren —, daß das, was Sie mit dem Beirat in das Gesetz hineingebracht haben, verfassungsrechtlich einfach nicht zulässig ist. Sie sagen zwar — und haben das auch verschiedentlich zum Ausdruck gebracht —, daß Sie anderer Meinung sind. Auch das ist Ihr gutes Recht, meine Damen und Herren von der Koalition, in Verfassungsrechtsfragen anderer Meinung zu sein als wir. Aber schließlich muß darüber einmal entschieden werden. Es gibt auch so etwas wie eine verfassungsrechtliche communis opinio, die schon im vorhinein die Möglichkeit gibt, zu beurteilen, ob etwas verfassungsrechtlich zulässig ist oder nicht.
Nach dem Grundgesetz hat die Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht von Bundestag und Bundesrat zu erfolgen. Nun, der Bundesrat steht hier nicht zur Diskussion; den haben Sie wohlweislich ausgelassen. Warum, ist auch klar: weil Sie wahrscheinlich der Auffassung sind, daß Sie mit einer Änderung des Wahlmodus des Bundesrats nicht zum Zuge kommen. Aber warum haben Sie diesen Schritt nicht getan, meine Damen und Herren? Wenn Sie konsequent hätten sein wollen, hätten Sie auch den Wahlmodus des Bundesrats ändern müssen!
Warum soll dem Wahlmännergremium des Bundestags ein Beirat vorgeschaltet werden? Sie begründen das alles nur aus der Vergangenheit, aus der Vergangenheit, die Sie nur auf einen einzigen Fall abstellen können und auf nicht einen einzigen Fall m e h r. Der Herr Bundeskanzler und diejenigen, die ihn in diesem Falle beraten haben, haben wohl gewußt, welchen politischen Schachzug sie gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vornehmen.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß Stellungnahmen außerparlamentarischer Art vorliegen. Die von Ihnen insbesondere sicher nicht schlecht beurteilte Bundesrechtsanwaltskammer, Herr Kollege Dr. Weber, hat nämlich auch zu dieser Frage Stellung genommen und zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesrechtsanwaltskammer, obwohl sie nicht verkenne, daß die gegenwärtigen Bestimmungen über die Richterwahl nicht nur nicht befriedigend, sondern eher geeignet sind, das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts zu gefährden, im gegenwärtigen Stadium den diesbezüglichen Änderungsvorschlägen der Bundesregierung nicht beizutreten vermag.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Gegenwärtigen!)

— Im gegenwärtigen Stadium! Nun, Herr Kollege Dr. Weber, darum handelt es sich ja in erster Linie! — Sie wollen aber im gegenwärtigen Stadium gerade wegen des § 7 a die Verabschiedung des Gesetzes erzwingen; darum handelt es sich! Wer sagt Ihnen denn, daß vielleicht in drei oder vier Jahren, wenn wir möglicherweise zu einem Einsenatssystem übergehen, also zum Bundesverfassungsgericht als Ganzem, nicht ein Wahlmodus gefunden werden könnte, der, wie es beim ersten Gesetz über das Bundesverfassungsgericht war,
die Billigung beider Richtungen, nämlich der Mehrheit und der Minderheit dieses Hauses, finden könnte? Sie wollen aber gar nicht den Versuch machen. Sie wollen dieses Gesetz so schnell wie möglich aus Ihren koalitions- oder parteipolitischen Aspekten über die Bühne bringen, um zu verhindern, daß bei späteren Gelegenheiten entweder die qualifizierte Mehrheit im Gesetz bleibt oder eine andere Regelung gefunden wird, die dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts und auch der Bundesrepublik Rechnung trägt. Herr Kollege Weber, diese Vorschaltung — —

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Sie haben nur einen Teil vorgelesen. Die Bundesrechtsanwaltskammer will lediglich die technische Novelle vorwegnehmen!)

— Nein, Herr Dr. Weber, das stimmt nicht! Das, was ich Ihnen eben vorgelesen habe — bitte, kommen Sie her und sehen Sie es sich an

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Ich kenne es!)

oder nehmen Sie Ihr eigenes Exemplar zur Hand —, betrifft lediglich die Ziffer 2, nämlich den Wahlmodus; über die andere Frage läßt sich auch mit uns reden.
Eines noch möchte ich der Öffentlichkeit, auch der Öffentlichkeit dieses Hauses, nicht vorenthalten, nämlich die Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zum Entwurf eines Gesetzes. In dieser Stellungnahme heißt es:
Die Begründung des Entwurfs verlangt, daß das Wahlverfahren so gestaltet sein müsse, daß die Richter nicht als Vertreter einer politischen Richtung erscheinen, sondern sich des Vertrauens im ganzen Volke erfreuen. Gerade im Hinblick auf dieses sicherlich zu billigende Postulat ist die Lösung des Entwurfs, wonach bei erfolglosem erstem Wahlgang unverzüglich ein weiterer Wahlgang stattfindet, in dem die einfache absolute Mehrheit entscheidet, keine Verbesserung, sondern geradezu eine Verschlechterung des jetzigen Wahlverfahrens.
Also das Bundesverfassungsgericht selber hält den Übergang von der qualifizierten auf die einfache Mehrheit nicht für eine Verbesserung, sondern für eine Verschlechterung des jetzigen Wahlverfahrens.
Und Herr Kollege Weber, warum rede ich nur vom einfachen Wahlverfahren? Deswegen, weil das, was jetzt in der Ausschußvorlage enthalten ist, gar nichts anderes bedeutet als die einfache Mehrheit des Gremiums, nur unter Hinzuziehung von sieben weiteren Mitgliedern, die ebenfalls mit einfacher Mehrheit darüber bestimmen, wer Mitglied des Bundesverfassungsgerichts werden soll oder nicht; denn es ist nicht so, daß es sich hier nur um den Vorschlag eines Beirats handelt, der dann wiederum mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden könnte. Das hätte noch Sinn gehabt, wenn diejenigen, die im Wahlmännergremium sitzen, sich nicht zu einigen vermocht hätten über Personen, die mit qualifizierter Mehrheit zu wählen sind. Dann hätte man möglicherweise von Ihrer Seite aus den Beirat einschalten können. Wir brauchen ihn nicht; denn wir sind der Auffassung, daß er überflüssig ist und außerdem zur Komplizierung des Wahlverfahrens beiträgt. Aber wenn Sie diesen Beirat institutionell in das Gesetz als das hätten einfügen wollen, was er hätte sein können, nämlich ein Organ, das Vorschläge macht


(Dr. Greve)

und dessen Vorschläge mit qualifizierter Mehrheit anzunehmen sind, dann hätte das Gesetz anders aussehen müssen. Aber Sie haben den Versuch gemacht, durch eine gute Tarnkappe eine Objektivierung und Neutralisierung der Wahl der Richter durch das Wahlmännergremium vorzutäuschen.
Ich habe schon gesagt, daß dieser Beschluß nicht nur verfassungs politisch, sondern auch verfassungs recht li c h schwersten Bedenken begegnet, und zwar deswegen, weil er zugleich — und das ist das verfassungspolitisch Bedenkliche — einen schweren Schlag gegen das Bundesverfassungsgericht bedeutet, und weil er verfassungsrechtlich den grundgesetzlichen Bestimmungen nicht standhält.
In dem Bericht des Herrn Kollegen Dr. Wahl ist auch ganz verschämt gesagt worden, daß es einerseits galt, die Rechte der Minderheit grundsätzlich zu wahren, andererseits ein Verfahren zu entwikkeln, das in allen Fällen ein Wahlergebnis sicherstellt. Was heißt das: grundsätzlich sollen die Rechte der Minderheit gewahrt werden? Diese Bestimmung ist doch nur in das Gesetz hineingekommen, um die Rechte der Minderheit nicht wahren zu müssen, wenn es hart auf hart geht.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Kollege Wahl, darum handelt es sich doch: Die Bundesregierung — und Sie verhelfen ihr dazu — will freie Hand für den Fall haben, daß die Minderheit nicht dazu zu bewegen ist, ihre Stimmen für Kandidaten abzugeben, die sie, die Regierung, und die Koalitionsparteien einzig und allein für geeignet halten, Richter am Bundesverfassungsgericht zu werden. Wir haben uns, glaube ich, bisher in fast allen Fällen, auch in dem Falle, in dem die Wahl sehr lange gedauert hat, zu einigen vermocht. Aber für die Zukunft wollen Sie freie Hand haben für ein Gericht, das eine willige Dienerin der Politik der Bundesregierung sein soll.
Meine Damen und Herren, auf diesem Wege vermögen wir Ihnen nicht zu folgen. Das Wahlergebnis soll von vornherein in einer Art und Weise sichergestellt werden, die der Minderheit in diesem Hause und den Mitgliedern dieser Minderheit im Wahlmännergremium überhaupt keine Rechte mehr läßt; Sie von der Mehrheit haben es in der Hand, zwei Monate lang jede Wahl zu blockieren, zwei Monate abzuwarten und nach zwei Monaten die Vorschläge entgegenzunehmen, die Ihnen diejenigen, die Sie für würdig befunden haben, in diesen Beirat hineinzukommen, bieten, und dann haben Sie die Chance, die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit einfacher Mehrheit zu wählen. Diese Art der Vorschaltung eines Beirats bedeutet nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion politisch eine Diskriminierung nicht nur des Wahlmännergremiums, sondern des Bundestags in seiner Gesamtheit. Ich habe schon gesagt, es handelt sich um einen politischen Vorgang; deswegen müssen auch die Auswirkungen des § 7 a, wie er jetzt in der Ausschußvorlage enthalten ist, politisch gesehen werden.
Die Wahl ist nach dem Grundgesetz vom Bundestag vorzunehmen, und sie kann nicht unter Beteiligung von Mitgliedern eines Beirats erfolgen, die abstimmen, meine Damen und Herren. Denn der Beirat hat in seinem Gremium abzustimmen, und mit der Mehrheit des Beirats können Personen vorgeschlagen werden, die das Wahlmännergremium dann wiederum mit einfacher Mehrheit wählen kann. Das heißt praktisch nichts anderes, als daß die Mitglieder des Beirats an der Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts aktiven Anteil haben, und zwar wahlmäßig aktiven Anteil haben. Es sind zwei Wahlvorgänge nötig, nämlich einmal die Wahl innerhalb des Beirates und zum anderen die Wahl innerhalb des Wahlmännergremiums des Bundestages. — Herr Kollege Kiesinger, das können Sie bestreiten, das nimmt Ihnen keiner übel; aber Sie werden es mir nicht verübeln, meine Auffassung über diese Dinge zu sagen.
Der Beirat — über dessen Zusammensetzung wir hier im einzelnen gar nicht zu sprechen brauchen —, er kann zusammengesetzt sein, wie er will, wird in jedem Falle verfassungsrechtlich unzulässige Funktionen ausüben, wenn er an der Wahl von Richtern zum Bundesverfassungsgericht teilhat. Die Wahl von Richtern zum Bundesverfassungsgericht steht nach Art. 94 des Grundgesetzes ausschließlich dem Bundestag und dem Bundesrat zu. Der Bundestag kann so verfahren, wie er verfahren ist, indem er die Wahl vom Plenum auf ein Wahlmännergremium delegiert hat. Er kann aber nicht einen Beirat mit Wahlfunktionen und Wahlvorgängen beauftragen, dessen Mitglieder nicht Mitglieder dieses Hauses sind.
Meine Damen und Herren, notfalls wird darüber das Bundesverfassungsgericht einmal selbst zu entscheiden haben, ob das, was auf Ihren Wunsch jetzt in das Gesetz hineinkommen soll, verfassungsmäßig zulässig ist. Verfassungsrechtlich, um es nochmals deutlich zu sagen, bedeutet diese Vorschaltung des Beirats nichts anderes als die in die Form eines Vorschlags gekleidete Mitbeteiligung der sieben Mitglieder an der Wahl der Richter durch das Wahlmännergremium des Deutschen Bundestages. Lediglich die Mehrheit im Beirat entscheidet darüber — das können Sie doch nach dem Wortlaut Ihres eigenen Vorschlags nicht bestreiten —, welche Richter vorgeschlagen und welche nicht vorgeschlagen werden. Es genügen also in Wirklichkeit dann vier Mitglieder des Beirats und sieben Mitglieder des Wahlmännergremiums bestenfalls, um einen Richter zu wählen. Es sind auch nicht einmal sieben Mitglieder des Wahlmännergremiums erforderlich, um einen Richter zu wählen. Sie wollen ja die einfache Mehrheit nicht des Ausschusses, sondern der Anwesenden genügen lassen, um jemand zum Richter des Bundesverfassungsgerichts zu wählen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie haben kein Quorum eingefügt, meine Damen und Herren. Also ist noch nicht einmal die absolute Mehrheit des Wahlmännergremiums erforderlich, um jemanden zum Richter des Bundesverfassungsgerichts zu wählen.
Und was geschieht für den Fall, daß etwa mal dieser Bundestag nicht so zusammengesetzt ist, wie Sie ihn sich auf Ewigkeit zusammengesetzt wünschen, daß nämlich, um einen völlig ausgeglichenen Vorgang anzunehmen, die Stimmenverhältnisse hier so sind, daß bei der Wahl von Mitgliedern zum Wahlmännergremium sechs Mitglieder der Regierungskoalitionsparteien und sechs Mitglieder der Oppositionskoalition gewählt werden und daß im Wahlmännergremium ein Stimmenverhältnis von 6 : 6 vorhanden ist? Wie soll dann eine Wahl von Richtern zustande kommen? Dann kann Ihr Beirat vorschlagen, soviel er lustig ist. Wenn sechs sich einig sind, sie wählen diese nicht, und sechs sich einig sind, sie wählen jene nicht, ist ein Zustand


(Dr. Greve)

eingetreten, den Sie hier geschaffen haben, d. h. eine Wahl ist einfach unmöglich gemacht. Oder wollen Sie auch bestreiten, meine Damen und Herren, daß ein solcher Fall eintreten kann? Ich weiß, Ihr Selbstbewußtsein ist außerordentlich groß, und Sie meinen, soweit Sie zu denken vermögen, wird immer eine von der CDU/CSU bestimmte Regierungskoalition in diesem Hause vorhanden sein. Aber manchmal kommt es auch anders, manchmal regnet es auch, meine Damen und Herren!

(Heiterkeit.)

Wir hoffen allerdings, daß dieser Regen sobald wie möglich kommt.

(Zurufe von den Regierungsparteien.)

Immerhin möchte ich Ihnen empfehlen, auch über diese Dinge einmal nachzudenken.

(Zuruf des Abg. Dr. Wahl.)

— Ja, das hätten Sie alles viel früher tun sollen, Herr Kollege Wahl! Warum muß ich Ihnen alles das erst jetzt in dieser Stunde hier im Bundestag sagen?

(Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Weber [Koblenz].)

Ich sage Ihnen: Ihr Selbstbewußtsein ist bewunderungswürdig, aber wir leiden auch nicht gerade an Minderwertigkeitskomplexen, Herr Kollege Dr. Wahl.

(Beifall bei der SPD und Heiterkeit.)

Diese Chancen sind für u n s drin.

(Zuruf von der Mitte: Dann nehmen Sie es doch an, Herr Kollege!)

— Nein, wir nehmen dieses Gesetz nicht danach an, ob die Chancen für uns gut oder schlecht sind,

(Lachen und Zurufe von der Mitte)

sondern wir beurteilen dieses Gesetz nach Gesichtspunkten, die wir für verfassungspolitisch richtig und für verfassungsrechtlich zulässig halten.

(Beifall bei der SPD.)

Das sind die Gesichtspunkte, die uns bei der Verabschiedung dieses Gesetzes leiten, und ich glaube, die Mitarbeit der Mitglieder der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion des 1. und 2. Bundestages hat bewiesen, daß es uns hier nicht, wie ich schon gesagt habe, auf die Durchsetzung irgendeines Dogmas ankommt, daß es uns hier nicht um Prinzipien geht, sondern daß es uns hier letztlich um die politische Sauberkeit in der Bundesrepublik auf dem Gebiete des Verfassungslebens geht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wir sind allerdings der Auffassung, daß diese sehr in Frage gestellt wird, wenn auf dem Gebiete der Verfassungsgerichtsbarkeit mit derartigen Manipulationen und mit derartigen Methoden vorgegangen wird.
Meine Damen und Herren, ich muß das alles Ihnen sagen, weil Sie diejenigen sind, die darüber zu bestimmen haben. Ich bin mir auch durchaus darüber im klaren, daß weit stärkere Kräfte als Sie, die Sie hier die Parteien der Regierungskoalition darstellen, diejenigen sind, die als Initiatoren aller dieser schlechten Bestimmungen anzusprechen sind. Herr Kollege Weber, Sie haben mir gesagt, daß ich da einem Irrtum erlegen sei. Vielleicht sind Sie so freundlich, mich nachher darüber aufzuklären, worin mein Irrtum besteht; dann bin ich hinterher jedenfalls klüger. Ob Sie allerdings dazu willens sind, werden wir sehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Weber [Koblenz].)

— Ich werde Sie fragen, Herr Kollege Weber, wer dann als Initiatoren aller dieser Bestimmungen anzusprechen sind.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Der Ausschuß!)

— Nein, der Ausschuß ist nicht der Initiator! Sie machen sich doch selbst schlechter, als Sie in Wirklichkeit sind, Herr Kollege Dr. Weber!

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Dieses Minderwertigkeitsgefühl habe ich nicht!)

— Nein, das hat mit Minderwertigkeitsgefühl gar nichts zu tun, sondern es muß schon ein gewisser Grad an Verachtung der Opposition dieses Hauses, an Überspielung von gewissen politischen Kräften vorhanden sein,

(Sehr gut! bei der SPD)

die einem entgegenzutreten vermögen, um alles dies in ganz konsequenter und brutaler Weise seinen Niederschlag finden zu lassen, was jetzt hier beabsichtigt ist. Ich bedauere nur, meine Damen und Herren, daß Sie sich so bereitwillig zum Werkzeug einer solchen Politik haben machen lassen. Man kann nicht an den Vorwürfen vorbeigehen, daß insbesondere mit dieser Bestimmung über die Richterwahl nicht eine Politisierung, sondern eine Parteipolitisierung der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit herbeigeführt zu werden droht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Diese Parteipolitisierung des Bundesverfassungsgerichts, die es bisher nicht gibt, weder in seiner Gesamtheit noch in seinem Ersten noch in seinem Zweiten Senat, wünschen meine politischen Freunde und ich auch in Zukunft nicht.
Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei wünscht, daß es bei der bisherigen Regelung der Richterwahl bleibt, die aus ihrer Vergangenheit heraus keine Veranlassung zu einer Änderung gegeben hat. Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei wünscht weiterhin, daß im Interesse der Lauterkeit unseres politischen Lebens und des moralischen Ansehens und der Autorität des Bundesverfassungsgerichts keine Änderungen vorgenommen werden, die einen bedenklichen Schritt auf dem Wege zurück bedeuten. Meine Damen und Herren, es sind jetzt elf Jahre her, daß wir das System von 1933 bis 1945 verlassen haben. Wenn wir es so machen, wie jetzt hier, weiß ich nicht, wann wir wieder an einem Tage angelangt sein werden, wie es einmal der 30. Januar 1933 war.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Unruhe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215004400
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215004500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Greve hat davon gesprochen, daß seine Partei unter allen Umständen vermeiden wolle, daß eine Parteipolitisierung der Wahl bzw. des Gerichts in Frage komme. Wir sind hier vollkommen einig. Auch die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß alles getan werden muß,


(Bundesminister Neumayer)

um eine Parteipolitisierung dieses höchsten deutschen Gerichtshofes zu vermeiden.

(Abg. Dr. Arndt: Aber sie tut genau das Gegenteil!)

Nun wird gesagt, gerade durch die Vorschläge, die hier gemacht worden seien, sei eine derartige Parteipolitisierung möglich.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Nein, beabsichtigt!)

Ich glaube, das Gegenteil ist hier der Fall. Ich brauche die Gründe, die die Bundesregierung veranlaßt haben — —

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Die Absicht ist doch ganz klar!)

— Bitte, lassen Sie mich einmal aussprechen! Ich glaube, die Gründe, die die Bundesregierung veranlaßt haben, eine Änderung des Wahlmodus vorzuschlagen, brauche ich im einzelnen nicht mehr darzulegen.

(Zurufe von der SPD: Doch! Natürlich!)

Ich habe es bereits bei der Einführung der Gesetzesvorlage getan. Aber ich möchte noch einmal mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß eine Bundesregierung verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß das höchste deutsche Gericht unter allen Umständen funktionsfähig bleibt. Wenn eine Wahl an eine qualifizierte Mehrheit gebunden ist, so besteht immer die Gefahr, daß, wenn diese qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wird, die Wahl ergebnislos bleibt und daß dann unter Umständen — man braucht ja nur daran zu denken, daß nicht e i n Richter, sondern eine ganze Reihe von Richtern einmal gewählt werden müssen —

(Abg. Dr. Greve: Warum reden Sie von ungelegten Eiern, Herr Minister?)

das Gericht eben doch seine Funktionsfähigkeit einbüßt. Lediglich aus diesem Grunde haben wir uns veranlaßt gesehen, qua Bundesregierung eine Änderung des Wahlmodus vorzuschlagen. Wir haben uns verpflichtet gefühlt, eine derartige Änderung vorzuschlagen, und es ist vollkommen irreführend, wenn Herr Kollege Greve vorhin darauf hingewiesen hat, daß das nicht in dem Bundesjustizministerium entstanden sei, sondern in der sogenannten, wie Sie sagten, Giftküche — —

(Abg. Dr. Greve: Seien Sie vorsichtig, Sie werden zur Ordnung gerufen!)

— Ich glaube, so ungefähr haben Sie sich ausgedrückt; ich möchte es jetzt nicht genau — —

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215004600
Im Moment wird nur zitiert.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215004700
Es wird nur zitiert.

(Abg. Dr. Greve: Ich bin gar nicht unglücklich darüber!)

Ich glaube, Sie sagten, es sei entstanden in der Giftküche des Herrn Staatssekretärs des Bundeskanzleramtes. Ich möchte dazu bemerken: Es ist zwar richtig, daß ich ursprünglich die Auffassung vertreten habe, man solle zunächst die technischen Änderungen vorbringen und dann erst zu der von allen Seiten für notwendig gehaltenen größeren Reform des Bundesverfassungsgerichtes übergehen. Nachdem sich aber auch die Vorbereitung der tech-
nischen Verbesserungen längere Zeit hingezogen hat, hat auch das Bundesjustizministerium es für richtig gehalten, nunmehr eine Gesamtvorlage einzubringen.

(Abg. Dr. Arndt: Eine Zwischenfrage!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215004800
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

(Bundesjustizminister Neumayer: Jawohl!)


Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0215004900
Herr Bundesminister, erinnern Sie sich nicht, daß Sie mir im Beisein des zuständigen Ministerialdirektors selbst gesagt haben, daß diese Bestimmung nicht in Ihrem Hause entstanden, aber im Kabinett beschlossen sei und Sie sie sich zu eigen gemacht hätten?

(Hört! Hört! bei der SPD.)


Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215005000
Das steht ja nicht im Widerspruch mit dem, was ich soeben gesagt habe.

(Lachen bei der SPD.)

— Nein, es steht auch nicht in Widerspruch damit. Ich möchte nur betonen, daß ich, wenn ich nicht selbst diese Vorlage vertreten könnte, sie auch hier nicht vertreten würde. Das, was in dieser Vorlage steht, nämlich die Änderung des Wahlmodus,

(Abg. Dr. Greve: Sie haben nur die Spritze geführt!)

habe ich von jeher für absolut notwendig gehalten. Es war nur eine Frage des Zeitpunktes, ob man sie von vornherein zusammen mit den technischen Verbesserungen bringt oder erst später.
Nun, meine Damen und Herren, hat Herr Greve wie ich vorhin schon sagte, mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß er eine Entpolitisierung der Wahl bzw. des Gerichts für richtig halte; eine Entparteipolitisierung, so haben Sie sich ausgedrückt. Ich habe bereits gesagt, daß auch die Bundesregierung von jeher die Auffassung vertreten hat, daß die Wahl zum Bundesverfassungsgericht entpolitisiert werden solle.

(Abg. Dr. Greve: Das ist wieder was anderes!)

Ich darf mich hier auf den ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Professor Höpker-Aschoff, berufen, der eine Versachlichung des Wahlverfahrens und die Zurückdrängung parteipolitischer Einflüsse für die Besetzung des Gerichts bereits im Jahre 1953 gefordert hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Greve: Wen hat er dabei im Auge gehabt? Das ist interessant zu wissen!)

— Das weiß ich nicht; darüber hat er sich ja nicht ausgesprochen; das kann ich nicht sagen. Es ist aber sehr interessant, Herr Greve, daß gerade Herr Höpker-Aschoff damals die Vorschaltung eines ungefähr so zusammengesetzten Gremiums, wie es jetzt der Bundestagsausschuß vorschlägt, vorgeschlagen hat.

(Abg. Dr. Arndt: Durch Verfassungsänderung! — Abg. Dr. Greve: Durch Änderung des Art. 94!)

Herr Professor Höpker-Aschoff hat damals besonders darauf hingewiesen, daß er nicht einsehe, warum nicht die höchsten deutschen Richter, die Spitzen der deutschen Gerichte, seien es Verfas-


(Bundesminister Neumayer)

sungsgerichte, seien es obere Bundesgerichte, in der Lage sein sollten, entsprechende Vorschläge einzureichen.

(Abg. Dr. Greve: Aber mit Verfassungsänderung, Herr Minister!)

— Das hat mit Verfassungsänderung nichts zu tun, das entspricht durchaus der Verfassung.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Wenn Sie vorhin vorgetragen haben, das widerspreche der Verfassung, so muß ich dem entschieden widersprechen.

(Abg. Dr. Greve: Das ist Ihr gutes Recht; aber Ihre Meinung ist nicht besser als meine!)

Hier wird das Wahlrecht des Bundestages und des Bundesrates in keiner Weise angetastet. Das vorgeschaltete Gremium, der sogenannte Beirat, hat ja nur ein Vorschlagsrecht; das Wahlrecht steht nach wie vor sowohl beim Bundestag bzw. dem Wahlmännergremium als auch beim Bundesrat.
Wenn behauptet wird, daß für den Bundesrat andere Bestimmungen gälten und daß dadurch die Gleichheit verletzt sei, so haben Sie es nicht richtig gelesen, Herr Kollege Greve.

(Abg. Dr. Greve: Aber durch die Einschaltung des Beirats wird die Mehrheit geändert!)

— Bitte lesen Sie einmal § 7 a Abs. 6:
Ist der Richter vom Bundesrat zu wählen, so gelten die Absätze 1 bis 5 mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Ältesten der Wahlmänner der Präsident des Bundesrates oder sein Stellvertreter tritt.
Damit ist doch gesagt, daß für den Bundesrat genau dieselben Bestimmungen gelten wie beim Bundestag.

(Abg. Dr. Greve: Das gebe ich zu; beim Bundesrat habe ich mich geirrt; das war ein Irrtum von mir!)

— Das ist also in Ordnung.
Wir wünschen keine politische Wahl, und gerade deswegen

(Abg. Dr. Greve: Machen wir eine!)

haben wir uns entschlossen, eine entsprechende Vorlage einzubringen. Denn die Gefahr, daß der so Gewählte sich schließlich als Exponent einer politischen Gruppe oder einer politischen Partei fühlen oder zum mindestens so betrachtet werden könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.
Selbstverständlich müssen die Gewählten politische Einsicht, politisches Verständnis und vielleicht auch politische Erfahrung besitzen. Zu urteilen haben sie nur nach dem Recht und nur über Rechtsfragen; es wäre schlimm für unseren Staat, wenn auch politische Fragen vom Gericht entschieden würden.

(Abg. Dr. Greve: Nanu! — Weiterer Zuruf von der SPD: Aber Herr Minister!)

Ich glaube, es wird sehr bestimmend sein, daß das Gericht die klare Einsicht besitzt, welche Fragen politischer Natur und welche Fragen rechtlicher Natur sind. Rechtliche Fragen sind vom Gericht zu beantworten; politische Fragen, rein politische Fragen sind Dinge, die der Zuständigkeit des Parla-
ments unterliegen und diesem nicht entzogen werden dürfen.

(Abg. Neumann: Hoffentlich wird diese Rede so gedruckt!)

— Ich habe nicht verstanden, Herr Kollege Neumann!

(Abg. Neumann: Hoffentlich wird diese Rede so gedruckt! — Lachen bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215005100
Aber Herr Kollege Neumann, das ist ohne Zweifel!

(Abg. Neumann: Ich hoffe, daß das nicht vom Herrn Staatssekretär korrigiert wird!)

Das kommt ins Protokoll!

(Abg. Neumann: Meine Worte, das glaube ich auch!)

— Die Ihren und die meinen können Sie im Protokoll lesen.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215005200
Ich bin der Überzeugung, daß die vom Ausschuß vorgeschlagene Regelung eine vernünftige Lösung dieser so schwierigen Frage darstellt.

(Abg. Dr. Greve: Da gehen unsere Anschauungen grundlegend auseinander!)

Wir haben bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dem Änderungsvorschlag darauf hingewiesen, daß man sich noch andere Lösungen denken könne, daß man insbesondere die Vorschaltung eines unparteiischen Gremiums in Erwägung ziehen könne.

(Abg. Dr. Greve: Was heißt „unparteiisch"? Was sind das für Leute?)

— Herr Kollege Greve, Sie werden ja schließlich nicht bestreiten können, daß es sich um ein unparteiisches Gremium handelt, wenn man zwei Präsidenten der oberen Bundesgerichte, zwei von den Dekanen der Universitäten zu wählende ordentliche öffentliche Professoren des Rechts und schließlich noch drei Präsidenten der Landesverfassungsgerichte in dieses Gremium beruft.

(Abg. Dr. Greve: Das kommt doch darauf an, was das für Leute sind, die da hineinkommen!)

— Natürlich! Darauf kommt es bei allem an!

(Abg. Dr. Greve: „Unparteiisch" kann man doch nicht sagen!)

Man kann doch annehmen, daß das ein unparteiisches Gremium ist.

(Abg. Dr. Greve: Da kann ich mit Herrn Adenauer nur sagen: „Die Situation ist da!")

Ich muß hinzufügen, daß selbst wenn ein solcher Vorschlag — dieses Gremium hat das Vorschlagsrecht — nicht angenommen wird, das Wahlmännergremium bzw. der Bundesrat immer noch die Möglichkeit hat, mit der ursprünglich festgelegten Mehrheit von drei Vierteln bzw. zwei Dritteln eine Wahl vorzunehmen. Diese Möglichkeit besteht immer.

(Abg. Metzger: Wenn die Mehrheit es will!)

— Wenn die Mehrheit das will, selbstverständlich! Denn in der Demokratie entscheidet immer die


(Bundesminister Neumayer)

Mehrheit. Das werden Sie ja nicht bestreiten können. Aber Sie können doch nicht sagen, daß dadurch eine Politisierung der Wahlen herbeigeführt wird. Es ist doch gerade das Gegenteil! Wenn ein solches unparteiisches Gremium vorgeschaltet wird, werden die Wahlen doch entpolitisiert.
Ich möchte deshalb glauben, daß das Hohe Haus dem Vorschlag des Rechtsausschusses zustimmen sollte. Ich glaube, es bietet sich hier eine Lösung des Problems, durch die diese umstrittene und sehr schwierige Frage einer befriedigenden Regelung zugeführt werden kann.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Neumann: Bravo!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215005300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0215005400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Kollege G r e v e vorhin sagte, er und seine politischen Freunde schauten nicht darauf, welche Chancen sich aus der Gestaltung des Wahlmodus in eventuellen späteren Prozessen ergäben, wurde er aus der Mitte dieses Hauses heraus ausgelacht. Ich finde das sehr bedauerlich. Denn wir dürfen uns doch nicht gegenseitig unterstellen, daß wir bei einem so wichtigen Gesetz nach zukünftigen Chancen in Prozessen schielen. Ich unterstelle zwar in dieser Frage des Wahlmodus der Bundesregierung auch sehr unerfreuliche Absichten, — nicht dem Bundesjustizministerium, das vielleicht trotz dem kavaliermäßigen Bekenntnis zur Regierungsvorlage, das der Herr Minister abgegeben hat, so etwa in ,,mittelbarer Täterschaft" gehandelt hat. Aber ich unterstelle doch keiner Partei dieses Hauses, z. B. auch
nicht dem Herrn Kollegen Wahl, der den nun vorliegenden Vorschlag gemacht hat, daß hier mit solchen taktischen Absichten operiert wird. Wenn wir das tun, dann sagen wir ja eigentlich schon selbst, daß der Vorschlag, im Endergebnis mit einfacher Mehrheit zu wählen, unmöglich ist, weil man von vornherein damit rechnet, daß manipuliert und daß nicht sachlich, sondern aus taktischen Gründen gewählt wird.
Es ist schon viel dazu gesagt worden, daß gar kein Grund bestehe, den Wahlmodus zu ändern. Ich muß zugeben, daß ich, bevor ich Mitglied dieses Hauses war, auch der verbreiteten Ansicht war, es sei ein hartnäckiger Fall von Sabotage seitens der SPD gewesen, daß ein Richter beinahe zwei Jahre nicht gewählt werden konnte. Ich bin nun doch durch die Beratungen im Rechtsausschuß hier eines Besseren belehrt worden. Es ist uns hierüber in einer vertraulichen Sitzung einiges gesagt worden, was natürlich hier nicht wiedergegeben werden kann, was aber jedenfalls ein völlig anderes Licht auf die Sache wirft und zu der Feststellung berechtigt, daß der Einzelfall, der vorgekommen ist, keinen Grund bietet, das Wahlverfahren zu ändern. Von einem solchen Grund könnte man sprechen, wenn es z. B. so wie in Italien wäre, wo acht Jahre lang das Gericht überhaupt nicht in Funktion treten konnte, weil die Mehrheit, die dieses Wahlverfahren vorschrieb, nicht zustande kam. Im übrigen: von einer Funktionsunfähigkeit konnte ja noch nie gesprochen werden, weil wir das Quorum haben und das Quorum immer erfüllt war.
Ich möchte nun einiges zu der grundsätzlichen Frage sagen, ob es überhaupt wünschenswert ist, Stellen außerhalb des Bundestages allein oder neben dem Parlament an der Wahl zu beteiligen. Ich möchte das deshalb, weil ich an einem solchen Gedankengang mich selbst nicht ganz unschuldig fühle, nachdem ich in erster Lesung das manchmal auch zitierte Wort gebraucht habe, die zu Kontrollierenden dürften nicht die Kontrolleure wählen. Ich stehe nicht an, zu bekennen, daß ich diese Ansicht, nachdem ich mich genau mit der Sache befaßte, als im Ergebnis irrig erkannt habe. Es gibt eben keinen archimedischen Punkt, wie es, glaube ich, der Kollege Arndt ausgedrückt hat, von dem aus man die Politik außerhalb des politischen Raumes in Ordnung halten könnte. Wir können es nicht erreichen, daß uns ein Bundesverfassungsgericht sozusagen vom Himmel fällt, das mit absoluter und garantierter Neutralität außerhalb des politischen Raumes steht.
In einer parlamentarischen Demokratie gehört es zum politischen Schicksal, daß sie ihre Autorität in sich selbst suchen muß. Sie hat bei uns nicht mal ein Symbol für diese Autorität wie etwa in England in der Krone, und wir sind in der Bundesrepublik noch in einer besonders schwierigen Lage. Andere Länder, andere demokratische Staaten leiten diese Autorität aus einer revolutionären oder aus einer evolutionären Entwicklung her. Beides ist uns nicht beschieden gewesen. Zu Revolutionen haben die Deutschen kein Talent; ich glaube, L e n i n darf man ja wohl zur Zeit beiderseits des Eisernen Vorhangs zitieren, er hat das mit dem sehr anschaulichen Bonmot von der Bahnsteigkarte erklärt. Auch eine Evolution war uns nach dem Dritten Reich nicht beschieden, sondern unser Grundgesetz wurde auf Anstoß der Militärgouverneure geschaffen. Und trotzdem hat dieses Verfassungswerk, hat dieses Grundgesetz sich Autorität verschafft. Das darf doch festgestellt werden. Auch seine Institutionen, das Parlament usw., haben sich Autorität errungen. Deshalb müssen diese Institutionen auch die Möglichkeit und das Recht haben, das oberste Gericht zu wählen, das über die Einhaltung der Verfassung wacht. Kontrollieren soll ja dieses Gericht nicht die politische Haltung des Parlaments im ganzen, sondern kontrollieren soll es politische Einzelakte. Wenn einmal in Frage stünde, ob die politische Haltung des Parlaments im ganzen überhaupt verfassungsmäßig ist, d. h. ob dieses Parlament in seiner Mehrheit überhaupt noch gewillt ist, verfassungsmäßig zu regieren, zu beraten und zu handeln, dann wäre es auch für ein noch so neutrales Bundesverfassungsgericht zu spät, über die Verfassung zu wachen.
Aber diese grundsätzliche Frage steht jetzt nicht zur Debatte. Jetzt dreht es sich nur darum, daß ein sogenanntes neutrales Gremium vorgeschaltet wird. Hier ist nun — das glaube ich feststellen zu können — Herr Kollege Wahl in der umgekehrten Lage wie ich. Denn er hat ursprünglich im Rechtsausschuß die Ansicht vertreten, eine solche Vorschaltung sei nicht verfassungsmäßig, und diese Ansicht vertrete ich heute auch. Es ist schon genügend dazu gesagt worden. Nun wird entgegnet: Das Wahlrecht wird den Wahlmännern nicht bestritten; der Beirat hat ja nur ein Vorschlagsrecht. In Wirklichkeit aber wird das Wahlrecht des Wahlmännergremiums eben doch eingeschränkt; denn das Wahlrecht und das Abstimmungsrecht des Abgeordneten darf doch nur an eine Grenze stoßen, nämlich an die Stimmabgabe anderer Abgeordneter. Ein Abgeordneter darf an der Erreichung seiner politischen Zwecke nur dadurch gehindert werden, daß andere Abgeordnete und mehr als seine Freunde dagegen stimmen. Hier aber stehen nicht nur andere Abgeordnete dage-


(Dr. Bucher)

gen, andere Wahlmänner, die ihn hindern, sondern er ist auch an den Vorschlag des Beirats gebunden, wenn mit einfacher Mehrheit gewählt werden soll.

(Abg. Kiesinger: Das ist aber der entscheidende Gesichtspunkt!)

— Das ist der entscheidende Gesichtspunkt, Herr Kollege, aber es besteht eine Kombination. Wenn ich Herrn N. N. wählen möchte und die Mehrheit will ihn nicht, dann ist diese Mehrheit mit dem Beirat, mit dem Vorschlagsgremium, kombiniert, und beide zusammen hindern mich, diesen von mir gewünschten Mann zu wählen. Das scheint mir das verfassungsmäßige und auch verfassungspolitische Hauptbedenken zu sein. Welch unerfreuliche Situation, wenn das Bundesverfassungsgericht die Legitimität seiner eigenen Zusammensetzung bezweifeln muß! Wir sollten es niemals in eine derartige Lage versetzen. Und selbst wenn es das nicht täte, wenn es entscheiden würde: Wir sind legal und legitim zusammengesetzt; dann bleibt doch immer eine Trennungslinie zwischen den Richtern zweierlei Kategorien, den mit qualifizierter Mehrheit und den mit einfacher Mehrheit gewählten.
Schließlich müssen wir aber auch noch auf ein politisches Mißtrauen Rücksicht nehmen, das sich anläßlich dieser Sache ausgebreitet hat. Ich muß hier auch noch einmal auf den ursprünglichen Regierungsentwurf zurückkommen; denn nur aus diesem Entwurf erklärt sich dieses Mißtrauen. Schon damals schrieb eine vorher zitierte Zeitung von „Gefahr im Verzuge". Sie schreibt heute von der „drohenden Gleichschaltung des Gerichts". Was uns damals vorgelegt wurde, war doch schon merkwürdig verkleidet. Der eigentliche Kern der Reform war die Geschäftsvereinfachung, und darin ) war diese schwerwiegende Sache eingewickelt, die nun allerdings sehr schnell ausgewickelt und zum Brennpunkt wurde. Aber daß man einfach sagte: nach zwei Monaten wählt man dann mit einfacher Mehrheit, wenn vorher die qualifizierte nicht zustande kommt, war doch geradezu die Aufforderung, sich um die qualifizierte Mehrheit gar nicht zu bemühen. Das war wirklich ein sehr dürftiges Feigenblatt vor der nackten Manipulation, die damit versucht wurde.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Ich habe damals in etwas unhöflicher Weise davon gesprochen, daß der Ruf des Justizministeriums unter diesem Entwurf gelitten habe. So sehr unhöflich war es eigentlich gar nicht; denn es setzte ja voraus, daß dieser Ruf ansonsten gut war, was ich nie bestritten habe.

(Heiterkeit.)

Man muß doch wirklich sagen, daß sich das Justizministerium keinen guten Dienst erweist, wenn es ein derartiges Verfahren vorschlägt, das einfach, zu einfach und zu „globkal" ist.
Der Rechtsausschuß hat sich wirklich bemüht, hier andere Vorschläge zu finden. Es wurde zunächst ein anderes Gremium vorgesehen, das im zweiten Wahlgang wählen sollte. Schließlich kam der jetzige, ich möchte sagen, „Wahl"-Wahl-Modus. Man kann freilich sagen, in anderen Ländern entscheide ja auch die einfache Mehrheit. Es gibt viele Länder, in denen die einfache Mehrheit über die Wahl der Richter des höchsten Gerichts entscheidet. Aber in anderen Ländern besteht auch kein Anlaß zu derartigem politischem Mißtrauen wie bei uns. Es wäre z. B. in Amerika doch undenkbar, daß die gerade regierende Partei einen Versuch machen würde, wie er bei uns beim Wahlgesetz zum Bundestag gemacht worden ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Ein Politiker, der ernst genommen werden will, könnte sich das dort einfach nicht leisten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Man soll doch — es dreht sich auch hier um ein Wahlgesetz — bei allen solchen Wahlgesetzen die höchste Delikatesse walten lassen.

(Sehr gut! rechts.)

Es wäre auch höchst unerfreulich, wenn wir hier mit einer geringen Mehrheit diesen Entwurf durchpaukten. Wir würden dem Gericht keinen Dienst damit erweisen, und wir würden unserer demokratischen Ordnung keinen Dienst erweisen. Ich bitte Sie deshalb wirklich dringend, in diesem Punkte dem Streichungsantrag der SPD zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215005500
Das Wort hat der Abgeordnete Platner.

Eduard Platner (DP):
Rede ID: ID0215005600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die polemischen Ausführungen des Herrn Kollegen D r. G r e v e, die sich zum Teil sogar gegen den ursprünglichen Regierungsentwurf richteten und insoweit vielleicht in die Grundsatzdebatte der ersten Lesung gehört hätten, drehten sich im wesentlichen um zwei Momente. Herr Dr. Greve führte erstens aus, der eingefügte § 7 a mit der Einschaltung des Beirats in den Ablauf der Richterwahl sei ausschließlich von der Tendenz getragen, ein regierungsfrommes Gericht — um es einmal so zu formulieren — zustande zu bringen.

(Abg. Dr. Greve: Das haben Sie ganz richtig verstanden, Herr Platner!)

Zum andern vertrat der Herr Kollege Dr. Greve die These, die Regelung, die mit § 7 a geschaffen werde, sei verfassungswidrig.

(Abg. Dr. Greve: Auch das haben Sie richtig verstanden!)

Lassen Sie mich zunächst zu der zweiten Frage das Notwendige sagen. Hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit ist meines Erachtens grundlegend von folgendem auszugehen. Das Bundesverfassungsgericht ist ein Verfassungsorgan, und es steht in dieser seiner Eigenschaft unabhängig und selbständig neben den übrigen Verfassungsorganen. Der Art. 94 des Grundgesetzes besagt über die Wahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts, daß diese je zur Hälfte durch den Bundestag und den Bundesrat zu wählen sind. Daß das Grundgesetz mit dieser Regelung keine qualifizierte Mehrheit für die Wahl der Richter gefordert hat, folgt aus der Regelung der Wahl anderer Verfassungsorgane durch die Verfassung. Der Bundespräsident wird nach Art. 54 Abs. 6 mit der einfachen, der absoluten Mehrheit der Bundesversammlung gewählt. Es heißt dann in Art. 54 weiter:
Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
Das heißt: hier wird sogar, wenn der erste Wahlgang erfolglos geblieben ist, zum Grundsatz der Wahl mit relativer Mehrheit übergegangen. In


(Platner)

gleicher Weise wird nach Art. 63 die Wahl des Bundeskanzlers sichergestellt.

(Zuruf von der SPD: Sind wir hier eine Fortbildungsschule?)

Auch für die Wahl der Abgeordneten des Bundestages ist im Grundgesetz keine Bestimmung darüber geschaffen, daß etwa eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei, und demgemäß wird sie auch nicht im Wahlgesetz gefordert. Der Art. 94 des Grundgesetzes gibt auch keine Ermächtigung zum Abweichen von der Regel der Wahl von Verfassungsorganen mit einfacher Mehrheit. Die Reichweite des in Art. 94 Abs. 2 vorgesehenen Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist ausdrücklich auf die Verfassung des Gerichts, sein Verfahren und die Bestimmung der Fälle in diesem zu schaffenden Gesetz beschränkt, in denen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben sollen.
Entgegen dieser klaren verfassungsrechtlichen Situation und, soweit man das überschauen kann, wohl auch entgegen allen entsprechenden Regelungen in anderen Staaten ist dann erst seitens unseres Gesetzgebers durch den § 6 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes seinerzeit die qualifizierte Mehrheit für die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts eingeführt worden. Mit dieser Regelung — ich möchte jetzt im Hinblick auf die Angriffe, die Herr Dr. Greve vorhin gegen mich gerichtet hat, ausdrücklich betonen, daß ich hiermit nicht etwa auf konkrete Fälle der Vergangenheit abstelle —, die die qualifizierte Mehrheit vorsieht, ist im Prinzip doch — und das kann niemand leugnen -- die Gefahr der Erfolglosigkeit der Wahl und demzufolge die Gefahr eines Vakuums, eines verfassungswidrigen Zustandes in der Gestalt des Fortfalls der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts und damit seiner Funktionsunfähigkeit gegeben. Um die Beseitigung dieser Gefahr geht es bei der Regelung des § 7 a, und es geht nicht darum, etwa der Regierungsmehrheit letztlich eine Chance für einen bestimmten parteipolitischen Ausgang der Wahl zu geben.
Die Lösung, die zunächst der Regierungsentwurf vorgesehen hatte, haben ja gerade wir von der CDU deshalb nicht gutgeheißen, weil es nach unserer Auffassung im Interesse der Unabhängigkeit und Autorität dieses höchsten Gerichts erforderlich ist, seine personelle Struktur auf eine breite, Regierung und Opposition umfassende Basis zu stellen, das Gericht also nicht dem peinlichen Verdacht einer einseitigen Besetzung nach den Wünschen einer Regierungsmehrheit auszusetzen.
Dem Gesetzgeber ist aber angesichts der durch die gegenwärtige Regelung bedingten prinzipiellen Gefahr, die auch durch die Fristsetzung für die Durchführung der Wahl im § 5 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bisher nicht gebannt werden konnte, die Aufgabe gestellt, eine Regelung zu schaffen, die ein Ergebnis der Richterwahl auf jeden Fall sicherstellt. Die zunächst in Betracht gezogene Lösung, die Herr Kollege Dr. Bucher schon erwähnt hat, war ja die, den Wahlmännerausschuß bei Nichterreichung der Dreiviertelmajorität auf etwa die gleiche Stimmenzahl, mit der der Bundesrat die Richterwahl durchführt, zu erhöhen und alsdann in diesem erweiterten Gremium eine Zweidrittelmajorität als ausreichend zu erachten. Dieser Gedanke ist von uns aus der Erkenntnis aufgegeben worden, daß erfahrungsgemäß mit der Größe eines Gremiums auch die Schwierigkeit einheitlicher Meinungsbildung steigt.
Darauf schlug Herr Kollege Professor Wahl zur Sicherstellung eines Wahlergebnisses die Einfügung des alsdann vom Rechtsausschuß mit Mehrheit beschlossenen § 7 a vor, dessen Inhalt hier im einzelnen schon zur Genüge erörtert worden ist. Wir sind der Auffassung, daß die mit diesem § 7 a vorgeschlagene Lösung tatsächlich der einzige Ausweg ist, um jene bereits dargestellte prinzipielle Gefahr der Ergebnislosigkeit von Wahlgängen zu beseitigen.
Dabei darf ich bemerken, daß dieser Beirat nicht etwa dem Modell einer neutralen Macht entspricht — dieser Gedanke klang ja eben in den Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Bucher an —; denn auf ihn geht ja gar keine Entscheidung über, auch nicht im Schiedswege. Ihm soll ja lediglich im Interesse der Hintansetzung politischer Momente ein Vorschlagsrecht eingeräumt werden.

(Abg. Dr. Greve: Das ist Ihr Irrtum! — Abg. Arndt: Das ändert doch die Mehrheit!)

Er soll die Wahl, wie das hier schon gesagt worden ist, versachlichen, er soll sie objektivieren und dadurch ein Ergebnis der Wahl erleichtern und ermöglichen. Die Wahl selbst — und darauf muß das Gewicht gelegt werden — bleibt unverändert die Aufgabe des Wahlmännerausschusses, der — das möchte ich gegenüber den Ausführungen meines geschätzten Herrn Vorredners betonen — nicht etwa an die Vorschläge des Beirats gebunden ist, sondern nach wie vor mit Dreiviertelmajorität aus den Vorschlagslisten des Bundesjustizministers geeignete Persönlichkeiten wählen kann.

(Abg. Dr. Greve: Das ist Spiegelfechterei!)

Wenn aber in dem weiteren Wahlgang die Wahl einer vom Beirat vorgeschlagenen Person mit einfacher Majorität erfolgt — und auch darauf möchte ich ganz entscheidendes Gewicht legen —, dann widerspricht das nicht etwa, wie das in den Debatten des Rechtsausschusses aufgeklungen ist, dem Gedanken der demokratischen Legitimität. Der Gedanke der demokratischen Legitimität beruht doch darauf, daß alle staatliche Gestaltung letztlich durch den freien Willen des Volkes bestimmt werden soll.

(Abg. Dr. Greve: Ihren Willen bestimmt der Herr Bundeskanzler!)

Die Methode der Wahl ist häufig mit dem Gedanken der demokratischen Legitimität verbunden worden, so daß die Wahl von Trägern staatlicher Gewalt dann als wahrhaft demokratisch bezeichnet werden muß, wenn sie die Zustimmung der einfachen Mehrheit der Wahlberechtigten gefunden haben. Dem aber wird bei dieser Lösung voll und ganz entsprochen.
Eines darf ich noch sagen, weil Herr Dr. Greve am Schluß seiner Ausführungen auch einen Blick in die Zukunft warf. Gewiß, wir Gesetzgeber sollen alle Gestaltungsmöglichkeiten der Zukunft bei einer gesetzlichen Lösung ins Auge fassen. Ich möchte deshalb abschließend noch etwas ganz Grundsätzliches zu bedenken geben. Wer gibt uns die Gewähr dafür, daß nicht in einem zukünftigen Bundestag auf beiden Seiten des Hauses wieder einmal radikale Parteien sitzen werden, die die geringe Sperrminorität bei der Richterwahl erreichen könnten und dann tatsächlich den Zustand herbeiführen können, daß das Bundesverfassungsgericht funktionsunfähig gemacht wird, um ein Parteiverbot durch eben dieses Gericht nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu verhindern?

(Abg. Dr. Greve: Sie scheinen Ihre politische Wirksamkeit sehr gering einzuschätzen, Herr Platner!)



(Platner)

Das, meine Damen und Herren, bitte ich Sie ebenfalls zu bedenken.
Ich glaube, wenn wir den Weg dieses § 7 a wählen, dann wird vielleicht einmal noch der Tag kommen, wo die Mitglieder dieses Parlaments den Gesetzgebern von heute dankbar sein werden, daß sie diese Lösung geschaffen haben.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215005700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215005800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann wirklich darüber streiten, ob es sinnvoll war, in diese Novelle, die ja in erster Linie einer besseren Geschäftsverteilung und mehr technischen Dingen diente, diese zweifellos hochpolitische Frage hineinzunehmen, ob an dem Wahlverfahren etwas geändert werden sollte. Aber gleichgültig, welche bösen Absichten irgendwelche politischen Giftküchen gehabt haben, es läßt sich doch nicht bestreiten, daß auch weit vor dem Erscheinen dieser Novelle in der Fachliteratur bei der Erörterung der Frage, welche Dinge bei einer Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes einmal neu überlegt werden müßten, auch das Wahlverfahren bereits erörtert worden ist.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Falsche Unterrichtung der Öffentlichkeit war die Ursache!)

Das braucht doch nicht allein einer irgendwie bösen Absicht — ich weiß nicht, vielleicht besteht sie - zu entspringen. Diese Problematik ist auch in rein nüchternen Erörterungen der Fachpresse schon auf der Tagesordnung gewesen, weit bevor diese
Novelle von der Regierung eingebracht wurde.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Siehe Hoepker-Aschoff!)

— Ja, bitte, das Beispiel Hoepker-Aschoff wurde ja heute hier gebracht.
Aber nun, meine Damen und Herren, sind merkwürdige Wertungen und Bewertungen heute in der Diskussion aufgekommen. Es ist soviel von einer Unterscheidung zwischen „politisch" und „parteipolitisch" gesprochen worden. Ich möchte die Behauptung wagen: Wenn eine Entscheidung nach dem Willen des Gesetzgebers eine politische sein soll, dann wird sie in einem Staat, der ein Parteienstaat ist, immer auch eine parteipolitische sein sollen. Wir müssen uns doch abgewöhnen, es etwa als eine herabsetzende Wertung zu empfinden, wenn man einem politischen Gremium oder Angehörigen dieses Gremiums erklärt: du hast deine Überlegung parteipolitisch betrachtet.

(Abg. Dr. Greve: Sehr richtig!)

Ich meine, diese Unterscheidung zwischen Politisierung und Parteipolitisierung ist zumindest in der Praxis so außerordentlich hauchdünn, daß man damit kaum etwas Rechtes anfangen könnte.
Ich meine deshalb, daß die entscheidende Frage, um die es bei dem Wahlverfahren geht, die ist, ob eine politische Wahl der Richter zum Verfassungsgericht notwendig und richtig ist oder nicht. Ich gestehe, daß ich die Auffassung vertrete — ich habe sie schon vor den Arbeiten an der Novelle im Ausschuß vertreten —: Ich würde es um der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts, um seines Ansehens, um seiner Vertrauensbasis willen für besser halten, wenn man nicht im Gesetz von vornherein zu einer politischen Wahl gekommen wäre. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn man eines Tages — die jetzige Lösung ist noch nicht die Entpolitisierung; darauf komme ich noch — zu einer Entpolitisierung kommen könnte. Das würde selbstverständlich bedeuten, daß man eine Grundgesetzänderung vornehmen müßte; es ist also mehr eine theoretische Erwägung oder eine Erwägung, die meine eigentliche Auffassung klarstellen soll.
Es ist nicht so, Herr Bundesjustizminister, wie Sie es ausgedrückt haben; ich glaube, Sie sprachen es aus, und ich hatte den Eindruck, daß dieser Satz im Hause auf Verwunderung stieß. Sie sagten: Wir wünschen keine politische Wahl. Das stimmt doch nicht, Herr Bundesjustizminister. Sowohl vor der Novelle wie nach der Novelle wird es sich um eine politische Wahl handeln — das wollen wir doch aussprechen, das ist doch der Tatbestand —, gewollt und bewußt eine politische Wahl, weil sie von gewählten Parlamentariern ausgeführt wird. Wenn Sie keine politische Wahl wünschen, dann müssen Sie ganz andere Vorschläge machen; dann müßten Sie etwa den Vorschlag machen, daß das, was Sie heute als Beirat vorschlagen, das entscheidende Wahlgremium sein soll. Aber, wie gesagt, das ist jetzt theoretisch; das ist nur mittels einer Grundgesetzänderung möglich, für die eine Mehrheit zweifellos nicht zu finden ist.

(Abg. Dr. Greve: Wer soll die auswählen?)

Nun möchte ich etwas zur Ehre der Mitglieder des Rechtsausschusses sagen, auch soweit sie der herrschenden Regierungspartei angehören. Wir wollen folgendes doch auch einmal in der Öffentlichkeit sagen: Der Vorschlag der Regierung wurde von allen für so unmöglich gehalten, daß wir darauf keine fünf Minuten zu verwenden brauchter Auf den Vorschlag, der von der Regierung vorgelegt wurde — wenn eine Mehrheitswahl nicht zustande kommt, sofort auf die einfache Mehrheit zu gehen —, haben wir alle, und zwar auch die Vertreter der Regierungsparteien, keine fünf Minuten Kopfschmerzen verschwendet. Das, glaube ich, sollte der Rechtsausschuß zu seiner Ehre durch ein Mitglied einmal ausdrücken.

(Abg. Dr. Greve: Da war der Eindruck zu schlecht! — Zuruf von der SPD: Man merkte die Absicht und war verstimmt!)

Nun ging es um die Frage, ob man nicht ein Mittel findet, das eine längere Vakanz bei einer Richterwahl unmöglich macht. Ich gehöre auch zu denen — das habe ich schon im Ausschuß gesagt, und ich möchte das gleiche Bekenntnis ablegen wie Herr Dr. Bucher —, die der Meinung waren, die böse SPD hätte das zwei Jahre lang mit Erfolg — besonders Herr Dr. Arndt mit seiner geschickten Tak-. tik — zu verhindern gewußt. Mit dieser Meinung bin ich in den Ausschuß gegangen. Ich habe mich auch eines andern belehren lassen müssen. Aber bitte, meine Herren, es ist doch im Ernst nicht zu bestreiten, daß theoretisch und vielleicht auch praktisch, gleichgültig, wer dann der böse Bube ist, der das macht, eine längere Vakanz möglich ist. Sie muß sich auch — da braucht man gar nicht seine Phantasie viel in Anspruch zu nehmen — nicht nur auf eine Richterstelle, sie kann sich auch auf mehrere Richterstellen beziehen,

(Abg. Dr. Greve: Richtig!)

und daß das ein unbefriedigender Zustand ist, das kann man doch ernstlich nicht bestreiten.


(Dr. Gille)

I Ich habe mit großem Interesse, Herr Kollege Arndt, Ihre Ausführungen nachgelesen, die Sie auf dem Juristentag des Jahres 1953 in Hamburg machten. Da stand ein Thema zur Erörterung, das ja fast eine wissenschaftliche Vorerörterung der Probleme ist, um die es jetzt geht. Damals stand der Vorschlag zur Erörterung, ob man nicht dem Gedanken nachgehen solle, daß der Richterstand sich aus sich selbst ergänzt, daß also keine anderen Kräfte für die Hereinnahme von Nachwuchs in den Berufsstand notwendig wären. Da hat Herr Dr. Arndt, wenn ich ihn recht verstehe, folgendes ausgeführt. Er hat gesagt: so, wie unser Staat heute nach dem Grundgesetz konstruiert ist, gibt es auch auf personalem Gebiet — man spricht ja von Personalpolitik — tatsächlich überhaupt keinen politisch freien Raum. Man sollte klar sehen, daß man jedem, der in unserem so konstruierten Staat das Recht habe, über Personaldinge zu entscheiden, eine echte politische Macht und Verantwortung in die Hand drücke. Ich glaube, das sollte in dieser Ausschließlichkeit doch wohl nicht richtig sein. Herr Kollege Arndt, ich kann heute auf Ihre sehr feingeschliffenen Ausführungen, die ich gestern nachgelesen habe, nicht gleiche Gegenargumente formulieren. Aber ich möchte eins sagen. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn es wirklich nicht gelingen sollte, auch in diesem Staat einmal so etwas wie den archimedischen Punkt zu schaffen, nämlich eine Stelle oder ein Gremium, das aus seiner institutionellen Zusammensetzung heraus die Möglichkeit hat, in besonders gelagerten, meinetwegen auch Gefahrensituationen sich über die Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten der Parteien hinweg zu erheben, und zwar nicht nur mit einem Anspruch, sondern auch mit der praktischen Wirkung, daß die Institution eine breite Vertrauensbasis für ihre Entscheidung im Volk hat.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Also die qualifizierte Mehrheit! — Abg. Wittrock: Dann müssen Sie Einstimmigkeit von Regierung und Opposition im Wahlmännergremium verlangen!)

— Herr Kollege Wittrock, ich möchte diese schwierige Frage, die sehr in die Tiefen unserer ganzen Grundauffassung geht, nicht weiter behandeln. Ich möchte nur für mich persönlich die Hoffnung haben, daß es gerade auf dem Gebiet der Personalpolitik vielleicht doch einmal gelingen möge, Erwägungen, zu denen die Parteien immer gern gewillt sind — und man kann es ihnen gar nicht übelnehmen, daß sie solche Gesichtspunkte haben —, zurückzudrängen und auszuschalten. Besonders sollte das eigentlich bei der Zusammensetzung des Richterkollegiums unseres Bundesverfassungsgerichts möglich sein.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Sehr richtig!)

Es ist doch nicht zu verkennen, daß die bisher geltende politische Wahl der Bundesverfassungsrichter nicht zu einer Stärkung des Ansehens und der Autorität beigetragen hat.

(Abg. Dr. Greve: Wieso? Das müssen Sie begründen!)

— Ich glaube, Sie selbst, Herr Kollege Greve, waren es, der zitierte, daß man seit Jahr und Tag vom schwarzen und roten Senat spricht.

(Abg. Dr. Greve: Die Giftmischer sprechen so!)

— Verzeihen Sie, Herr Dr. Greve, Tatsache ist, daß so etwas gesprochen wird; vielleicht wird es von
einigen bewußt ausgestreut, aber daß es aufgenommen wird, ist doch nicht zu bestreiten.

(Abg. Dr. Greve: Nein!)

Das hat, gleichgültig, wo die Gründe liegen mögen, sicher nicht zur Erhöhung des Ansehens beigetragen. Ich hoffe und bin der Meinung, daß es nicht etwa das Ansehen ernstlich gefährdet hat.
In der zur Entscheidung stehenden Frage bin ich folgender Auffassung. Ich habe schon gesagt, Herr Bundesjustizminister, und Sie werden es auch glauben müssen: wir wollen nach den Vorschlägen des Ausschusses auch weiterhin eine politische Wahl. Ihre Meinung ist da nicht richtig. Ich glaube, da kann ernstlich keiner widersprechen.
Zu der Vorschaltung, die vorgeschlagen wird, ist noch folgendes zu sagen. Sehen Sie sich doch einmal die Personen an; sehen Sie sich an, wie die Personen, die auch ausgewählt werden, hineinkommen. Dort ist keine Regierungsinstanz oder keine etwa von vornherein sich auch nur in einer Abhängigkeit befindende Instanz eingesetzt. Meistens handelt es sich um Persönlichkeiten, die in verschiedenen Ländern wirken. Stellen Sie sich das Gremium aus den Verfassungsgerichtspräsidenten aller Länder zusammengesetzt vor. Sie werden mir zugeben, daß da eine Prognose, welche Partei oder welche Parteirichtung in diesem Gremium die Mehrheit haben könnte, auch für sehr genaue Kenner der politischen Verhältnisse außerordentlich schwer sein wird.

(Abg. Dr. Greve: O nein!)

Das wird vielleicht noch schwerer sein, wenn Sie an die Zusammensetzung eines anderen Gremiums, nämlich an das Gremium der Dekane der juristischen Fakultäten denken. Ich bitte doch einmal anzuerkennen, was vom Ausschuß gewollt wurde. Herr Kollege Dr. Greve, Sie waren im Ausschuß nicht dabei. Sie sehen uns, die Mitglieder des Ausschusses, alle als Giftmischer an.

(Abg. Dr. Greve: Nein!)

Wir sind zu schlecht weggekommen. Wir haben uns viel ehrlicher bemüht, als das Ihre Worte erkennen ließen, und ich glaube, gerade bei der Konstruktion des Beirats haben wir uns alle bemüht, eine Formulierung zu finden, bei der wirklich kein noch so gewiegter Intrigenmischer, der auf ein besonderes personalpolitisches Ziel los will, zum Zuge kommen kann. Ein solcher Versuch kann praktisch eigentlich nicht gelingen.
Man kann diesen Anlaß für gefährlich halten, und er läßt sich nicht ganz als ungefährlich und unmöglich abstreiten, nämlich daß einmal eine längere Vakanz eintreten kann. Ich betone nochmals: Die Gründe der letzten zweijährigen Vakanz geben keinen ausreichenden Anlaß. Aber rein theoretisch betrachtet liegt hier ein gewisses Gefahrenmoment vor. Will man es vermeiden, sehe ich keine andere Lösung als die Vorschaltung dieses Gremiums, so wie es der Ausschuß machen will, wenn man bei der politischen Wahl bleiben will; das will die überwiegende Mehrheit einschließlich der SPD.
Für mich persönlich verknüpft sich mit diesem Vorschlag, dem ich zustimmen will, die leise Zukunftshoffnung, daß vielleicht, wenn dieses Gremium praktisch zur Tätigkeit kommt, dann doch etwas mehr Vertrauen in allen politischen Kreisen wächst und daß es doch noch Möglichkeiten gibt, etwas wie einen archimedischen Punkt in unserem


(Dr. Gille)

Verfassungsleben zu finden, um in den Situationen, in denen so etwas erforderlich sein könnte — und eine solche Situation kann die Wahl zum Bundesverfassungsgericht sein —, mit Vertrauen solche Wege zu beschreiten. Ich möchte es einmal so sagen: Es ist für mich persönlich ein sehr interessanter Versuch, festzustellen, ob dieses ernste Bemühen, einen archimedischen Punkt in unserem politischen Leben zu erproben, Aussicht auf Erfolg hat. Ich glaube, Herr Dr. Arndt, auch bei Ihrer theoretischen Grundauffassung werden Sie sicherlich der letzte sein, der es bedauern würde, wenn solch ein Versuch gelänge. Ich bin der Meinung, es ist noch nicht zu spät, und wir sollten alle bemüht sein, solch einen Punkt zu finden. Deshalb habe ich kein Bedenken, einen derartigen Versuch zu machen.
Ich erspare es mir, auf die verfassungsrechtlichen Bedenken einzugehen, die Herr Dr. Greve angeschnitten hat: darauf haben schon andere Herren geantwortet. Ich empfinde es nicht als eine unmögliche Situation - in diese sind auch schon andere Richter gekommen —, daß das Bundesverfassungsgericht die Legitimität seiner eigenen Zusammensetzung prüfen muß; das soll es ruhig mal machen. Davor scheue ich nicht so sehr zurück. Ich neige der Auffassung zu, daß diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zutreffen. Aber ich gebe zu, daß die Frage nicht leicht zu entscheiden sein wird. Wir können es ruhig einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überlassen, wenn das Gericht es für notwendig hält.
Ich bin also der Meinung, daß man diesen Beirat als einen sehr ernst zu nehmenden Versuch werten sollte, hinter dem keine schlechten Absichten und Gedanken stecken. Lind wenn Sie es bis zu Ende denken — böse Absichten sind an dieser Stelle im Ausschuß gescheitert —: mit diesem vorgeschalteten Gremium können Sie politisch oder, sagen wir es ehrlich, parteipolitisch nicht manipulieren. Das ist ausgeschlossen. Und vielleicht wird dieser Beirat dann — und das steht ja immer noch als erstes da — durch seine Existenz allein die Wahlmänner nötigen und zwingen, schneller, als das vielleicht sonst der Fall war, sich doch auf eine genehme Richerpersönlichkeit zu einigen.

(Beifall beim GB/BHE und in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215005900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215006000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Kollege Gille, möchte ich Ihnen erwidern, daß ich die Mitglieder des Ausschusses in keiner Weise mit dem von mir gebrachten Ausdruck „Giftküche" habe apostrophieren wollen. Ich bin vielmehr der Auffassung — das glaubte ich auch in meinen Ausführungen ziemlich deutlich gemacht zu haben —, daß der Ausschuß, soweit die Mehrheit betroffen ist, das Opfer dieses Giftes geworden ist. Sie haben geglaubt, sie bekämen Honig, aber das war kein Honig, meine Damen und Herren, was Ihnen da verabfolgt worden ist.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das setzt aber eine Impfung voraus!)

— Gut, Herr Kollege Weber! Ich habe vorhin schon in einem Zwischenruf dem Herrn Bundesjustizminister gesagt, daß ich auch von ihm nicht behauptet habe, er habe das Gift gemischt, sondern nur, daß er die Spritze geführt habe, mit der das
Gift verabreicht worden sei. Das ist wiederum etwas anderes, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit.)

Aber lassen Sie mich nun noch einige sachliche Bemerkungen machen. Herr Kollege Gille, der Ausschuß ist verantwortlich für die Vorlage, die er uns gemacht hat, und die Mehrheit des Ausschusses ist der Meinung, die Vorlage sei verfassungspolitisch besser als die der Bundesregierung. Aber die Vorlage der Bundesregierung hat jedenfalls den Vorteil, daß sie verfassungs rechtlich unangreifbar ist. Nun, das Hohe Haus hat darüber zu entscheiden, was es tun will, ob es etwas annehmen will, was verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich unzulässig ist, oder ob es den Weg gehen will, den meine Freunde und ich vorschlagen: den § 7 a aus dem Gesetz zu streichen. Ich will Ihnen hier so weit folgen, wie Sie sich selbst ausgedrückt haben, Herr Kollege Gille: Selbst wenn große Teile dieses Hauses — und das ist heute doch offenkundig geworden — bei einem solchen Gesetz schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung eines Paragraphen wie dieses § 7 a haben, dann ist es doch unerträglich, wenn eine verhältnismäßig kleine Mehrheit über diese doch nicht ohne weiteres hinwegzudiskutierenden und hinwegzudisputierenden verfassungsrechtlichen Bedenken hinwegsieht. Wohin wollen wir denn kommen, wenn wir uns über derartig schwerwiegende Probleme bei der Verabschiedung eines solchen Gesetzes nicht noch einmal auseinandersetzen? Sie können nicht sagen, daß das, was Herr Dr. Bucher vorgetragen hat und was ich hier vorgetragen habe, einfach in den Wind geschlagen werden müsse, deswegen, weil Sie andere verfassungsrechtliche Vorstellungen hätten! Ich bin sogar der Auffassung. daß es auch heute noch möglich ist, den Versuch zu einem Einvernehmen zu machen.
Der Herr Bundesjustizminister hat gesagt, die Vergangenheit habe Veranlassung gegeben, die Vorlage so einzubringen, wie es die Bundesregierung getan habe. Dem Herrn Bundesjustizminister ist dabei sekundiert worden von Herrn Kollegen Platner, der sagte, daß jede qualifizierte Wahl die prinzipielle Gefahr der Nichtwahl in sich berge. Ja, Herr Kollege Platner, das mag richtig sein. Aber welche Veranlassung haben wir denn, von einer prinzipiell getroffenen Entscheidung abzugehen, wenn die Praxis uns keinen Anlaß dazu gibt? Und das ist doch allgemeine Meinung, das die Praxis des Wahlmännergremiums uns keine Veranlassung gibt, das einmal festgelegte Prinzip schon nach so kurzer Zeit wieder zu verlassen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Hier befinde ich mich nicht in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesjustizminister. Herr Bundesjustizminister, die Nichtwahl des Richters über eine Zeit von 14 Monaten ist nicht deswegen passiert, weil das Bundesverfassungsgerichtsgesetz schlecht war, sondern deswegen, weil damals die Frage „EVG oder nicht EVG" hier zur Diskussion stand. Das war das entscheidende Problem; wir wollen doch um die Dinge nicht herumreden. Wenn die Frage „EVG oder nicht EVG" nie vor dieses Haus gekommen wäre, dann wäre die Frage, ob ein Richter innerhalb von 14 Monaten nicht gewählt werden konnte oder hätte gewählt werden können, überhaupt nicht aufgetaucht. Man soll aus einem solchen einmaligen Anlaß nicht Schlüsse genereller Art ziehen, besonders dann nicht, wenn sie so schwerwiegende Folgen haben können wie hier.


(Dr. Greve)

Und ich frage Sie, meine Herren von der CDU/CSU: warum wollen Sie das bewährte Prinzip ändern, wenn die Praxis uns keine zwingende Veranlassung dazu gibt?
Der von Ihnen vorgeschlagene Beirat vermag die Dinge doch nur zu vernebeln, zu etwas Weiterem ist er nicht geeignet. Herr Kollege Dr. Bucher hat mit Recht auf die über das von mir Gesagte hinaus noch bestehenden Bedenken gegen die Tätigkeit des Beirates hingewiesen. Es ist nicht so, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß der Beirat nur ein Vorschlagsrecht hat. Der Beirat trifft eine Entscheidung, er trifft eine Entscheidung hinsichtlich der Mehrheit, die im Wahlmännergremium notwendig ist, um jemanden zum Richter am Bundesverfassungsgericht zu wählen, und er trifft eine Entscheidung auch hinsichtlich der Personenauswahl. Das Wahlmännergremium hat dann nur mehr die Möglichkeit, diejenigen Personen mit einfacher Mehrheit zu wählen, die ihm vom Beirat vorgeschlagen worden sind. Andere Personen kann das Wahlmännergremium wiederum nur mit qualifizierter Mehrheit wählen. Wenn das keine Einflußnahme von außerparlamentarischen Kräften auf die Tätigkeit dieses Parlamentsgremiums ist, dann frage ich mich: wann sehen Sie denn überhaupt eine Einflußnahme auf Wahlvorgänge eines Gremiums dieses Hauses als gegeben an, was muß denn da noch alles hinzukommen? Wenn Sie offen sind, dann treten Sie hierher und sagen: „Wir wollen das Gesetz, so wie es ist, weil wir es so wollen, weil der Herr Bundeskanzler es aus politischen Gründen so will; dabei sehen wir über alle verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Bedenken hinweg; uns genügt der Wille, es so zu wollen, und deswegen machen wir es so." Dann können wir jedenfalls nichts anderes, als das zunächst hinzunehmen. Ob wir uns damit abfinden, ist eine andere Frage.

(Abg. Kiesinger: Herr Kollege Greve, verdächtigen Sie Herrn Dr. Gille dieser Absicht?)

— Auf Herrn Gille komme ich noch zu sprechen. Herr Gille gehört ja zur Zeit nicht zur Regierungskoalition, Herr Kollege Kiesinger.

(Abg. Kiesinger: Ich frage nur!)

Eins möchte ich aber noch in Ihre Erinnerung zurückrufen: Herr Kollege Dr. Weber hat einmal auf den Höpker-Aschoffschen Entwurf angespielt. Herr Dr. Weber, ist Ihnen bekannt, daß der erste Entwurf des Herrn Bundesministers der Justiz — das Ministerium wurde damals noch von Herrn Kollegen Dr. Dehler geführt — das Doppelwahlrecht vorsah, und zwar mit jeweils relativer Mehrheit? Das war der erste Entwurf des Bundesjustizministeriums, der uns vorgelegt wurde. Wenn er angenommen worden wäre, dann wäre damals das Bundesverfassungsgericht zur Hälfte mit Richtern besetzt worden, auf deren Wahl allein Einfluß zu nehmen die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses Gelegenheit gehabt hätte, dann wäre das Gericht nicht nur ein politisch, sondern ein parteipolitisch zusammengesetztes Gericht gewesen. Meine Freunde unter Führung des damaligen Vorsitzenden meiner Fraktion, des Herrn Kollegen Dr. Schumacher, sind es gewesen, die diesen Entwurf über das Bundesverfassungsgericht abgelehnt haben, weil wir uns von einer derartigen Zusammensetzung des Richterkollegiums nichts Gutes versprochen haben. Es ist also nicht so, daß wir von Anfang an auf eine Parteipolitisierung — ich darf
diesen Ausdruck einmal benutzen, Herr Kollege Gille, ohne damit Ihr Mißfallen zu erregen — ausgegangen sind, sondern die Politisierung in einem schlechten Sinne ist erst in einem viel späteren Stadium gekommen.
Und, meine Damen und Herren Kollegen aus dem Wahlmännergremium, welche Schwierigkeiten haben wir nicht bei der Wahl mancher Richter überwunden, überwunden gerade dadurch, daß wir gezwungen waren, eine qualifizierte Mehrheit beizubringen! Welche Schwierigkeiten haben wir nicht überwunden bei der Wahl des ersten Präsidenten, des Herrn Präsidenten Dr. Höpker-Aschoff, und bei der Wahl des zweiten Präsidenten, des gegenwärtigen Präsidenten Dr. Wintrich! Auch dort ist es nicht ganz einfach gewesen. Ich glaube aber, wir brauchen uns der Überwindung dieser Schwierigkeiten bei der Wahl dieser Richter nicht zu schämen. Sie zeigt, daß das gegenwärtige Gesetz absolut und in jeder Beziehung funktionsfähig ist, — funktionsfähig jenseits parteipolitisch regulierter Aspekte, und darauf kommt es uns in erster Linie an.

(Zustimmung bei der SPD.)

Herr Kollege Gille, man kann sich darüber unterhalten, ob überhaupt ein anderer Wahlmodus gefunden werden sollte. Das würde voraussetzen, daß das Grundgesetz geändert wird. Man kann sich darüber unterhalten, ob die Richter zum Bundesverfassungsgericht von — ich weiß gar nicht, wie ich diese Leute bezeichnen soll — politisch neutralen oder sonstigen Menschen gewählt werden sollen. Ich verspreche mir davon nichts. Denn eine echte politische Neutralität kann es überhaupt nicht geben. Jeder Mensch muß sich einmal entscheiden, ob er politisch in diesem Sinne oder politisch in jenem Sinne tätig sein und sich entscheiden will. Und es handelt sich bei der Wahl von Richtern am Bundesverfassungsgericht nicht um Zivilrichter im üblichen Sinne, sondern um Menschen, die wir ihrer Persönlichkeit nach — ihrer ganzen Persönlichkeit nach, einschließlich ihrer politischen Seite — an dieses Gericht bringen wollen, weil wir wissen, welche schwierigen Aufgaben ihrer dort warten.
Sie haben Herrn Kollegen D r. Arndt insofern falsch verstanden, Herr Kollege Gille, als Sie meinten, daß er in seiner Rede in Hamburg auch gleiche Gedankengänge vertreten habe, in der es sich darum handelte, zu dem Problem Stellung zu nehmen, ob die Richter sich nicht jeweils aus dem Richterkörper selbst ergänzen sollten. Herr Kollege Arndt hat meines Wissens gesagt, daß eine Neutralisierung der personalpolitischen Entscheidung notwendig sei, aber als Ergebnis der Rechtskultur könne sie institutionell nur dadurch erreicht werden, daß man z. B. eine Qualifizierung der Mehrheit vorsehe. Herr Kollege Arndt hat gerade das, was bisher in dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz schon enthalten ist, für notwendig erachtet. Anders, glaube ich, ist die Rede von Herrn Dr. Arndt auf dem Hamburger Juristentag nicht aufzufassen.
Nun noch ein letztes Wort zu Herrn Kollegen Platner. Es ist ja nicht das erstemal, daß wir hier Derartiges hören — ich glaube, es ist schon in Ausschußprotokollen und sonstwo zu lesen gewesen —, daß Sie uns den Teufel der Radikalen oder die Teufel der Radikalen an die Wand malen. Sie haben von den Rechtsextremisten — ich weiß nicht, wen aus Ihrer Koalition Sie damit unter Umständen meinen — und den Linksextremisten


(Dr. Greve)

gesprochen. Solche gibt es nicht. Links von uns ist keine andere politische Gruppe; rechts von Ihnen sind ja andere politische Gruppen. Aber damit zu argumentieren, daß das Wiederaufkreuzen von Rechts- und Linksextremisten uns die qualifizierte Wahl von Richtern ans Bundesverfassungsgericht unmöglich machen sollte, das scheint mir doch der Zeit sehr weit vorausgeeilt zu sein,

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Hoffentlich!)

und Sie scheinen Ihre politische Zukunft oder die Zukunft Ihrer eigenen politischen Partei nicht sehr hoffnungsvoll zu betrachten; denn wahrscheinlich doch nur aus ihren Reihen könnten auf der einen Seite dieses Hauses solche extremen Gruppen sich bilden, die dann in der Lage wären, — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

— Ich sage nicht, aus Ihren Gruppen hier im Hause, sondern aus den Gruppen, die Ihre Wähler zum großen Teil sind, meine Damen und Herren. — Wir haben jedenfalls das Argument nicht aufgebracht. Wir haben auch keine Furcht vor Links- und Rechtsextremisten. Wir sind der Auffassung, daß das ein Argument ist, das man bei der Frage des Wahlmodus von Richtern am Bundesverfassungsgericht nicht vortragen sollte. Damit wird weder dem Bundesverfassungsgericht gedient, noch wird damit unserer eigenen politischen Wirksamkeit in irgendeiner Weise auch nur ein Gefallen getan.

(Zustimmung bei der SPD.)

Herr Kollege Platner, die Mehrheit dieses Hauses ist in jedem Falle noch fähig, solange wir hier sind, den Dingen zu begegnen, die Sie da sehen. Das ist von Ihnen aus betrachtet ja auch nur ein beiläufiges Argument gewesen, weil Ihnen die besseren offenbar nicht zur Verfügung stehen,

(Sehr gut! bei der SPD)

sondern verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich wohl bei uns sind.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie auf Grund der heute hier geführten Debatte hinsichtlich der Bedenken des § 7 a sich entscheiden und nicht auf irgendeine Fernlenkung außerparlamentarischer Art hin, dann müssen Sie den § 7 a aus diesem Gesetz streichen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215006100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Kunze [Bethel]: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Kunze.

Johannes Kunze (CDU):
Rede ID: ID0215006200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung,

(Zuruf von der SPD: Das glaube ich!)

weil es sich hier um einen der Kernpunkte der Gesetzesvorlage handelt.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Damit Sie Ihre Schäflein zusammenkriegen!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215006300
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: So nimmt man sie an die Longe!)

Ich nehme an, daß der Antrag ausreichend unterstützt wird.
Wir treten in die Abstimmung ein. Zur Abstimmung steht der Änderungsantrag auf Umdruck 647 *). Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, stimmt mit Ja. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

(Einsammeln der Abstimmungskarten.)

Haben alle Damen und Herren des Hauses ihre Karten abgegeben? — Die Abstimmung wird geschlossen.

(Auszählen der Abstimmungskarten.)

Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir während der Auszählung mit den folgenden Paragraphen fortfahren.
Ich rufe auf die Ziffer 6. Ein Änderungsantrag dazu liegt nicht vor. — Ich rufe auf die Ziffer 7. Ein Änderungsantrag liegt nicht vor. Ich frage, ob zu den Ziffern 6 und 7 das Wort gewünscht wird.

(Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, Platz zu nehmen. — Ich unterstelle, daß Wortmeldungen nicht vorliegen. Sicher zu sehen ist es nicht. Ich schließe die Beratung.
Wer den Ziffern 6 und 7 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Die Ziffern 6 und 7 sind in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf die Ziffer 8 a. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 626 **) vor. Es ist mir gesagt worden, daß auf Begründung dieses offenbar interfraktionellen Änderungsantrages verzichtet wird. Wir treten in die Beratung ein. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag zu der Ziffer 8 a auf Umdruck 626 Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Bucher.)

— Herr Dr. Bucher, möchten Sie sich enthalten? Möchten Sie dazu das Wort?

(Abg. Dr. Bucher: Ich will mit Nein stimmen!)

— Gegen eine Nein-Stimme (Zuruf rechts: Zwei!)

— entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, gegen zwei Nein-Stimmen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Aber nunmehr muß ich doch, meine Damen und Herren, dringend bitten, Platz zu nehmen. Sie sehen, ich komme in die größte Verlegenheit, weil ich die ausgereckten Arme nicht mehr sehen kann. — Es wird mir eben gesagt, daß noch eine Stimmabgabe zu der namentlichen Abstimmung gewünscht wird. Es tut mir sehr leid, Herr Minister, die Abstimmung ist geschlossen.
Der Änderungantrag Ziffer 1 auf Umdruck 626 ist also angenommen. Demgemäß wird Nr. 8 a der Ausschußfassung geändert.
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 3.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Ich rufe auf die Nrn. 9, 9 a, 10 und 11 a. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Wer diesen aufgerufenen Nrn. 9 bis 11 a zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Nun kommt die Nr. 13. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 626 Ziffer 2 vor. Auf Begründung wird auch hier verzichtet. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag der Ziffer 2 auf Umdruck 626 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen zwei Stimmen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den § 91 a in seiner durch den angenommenen Änderungsantrag veränderten Fassung. Wer dieser veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Wiederum gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 626. Auf Begründung wird verzichtet. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 626 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen. Damit wird eine neue Ziffer 13 a eingefügt.
Ich gebe nun das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen: 375 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 16 Berliner Abgeordnete; mit Ja haben gestimmt 165 Mitglieder des Hauses und 10 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 208 Mitglieder des Hauses und 6 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich 2. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der SPD unter Ziffer 3 abgelehnt.

(Abg. Dr. Greve: Bedauerlicherweise!)

Ich rufe nunmehr auf die Ziffern 14, 14a, 15, 15 a, 15 b, 16, 16 a, 16 b und 16 c. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Ziffern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die aufgerufenen Ziffern sind einstimmig angenommen.
Ich komme zu dem Art. 2. Wer dem Art. 2, dem Art. 2 a und dem Art. 3 nach der Ausschußvorlage zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Art. 4 entfällt.
In Umdruck 626 Ziffer 4**) liegt ein Änderungsvorschlag zu Art. 4 vor. Ich nehme an, daß auch hier auf Begründung verzichtet wird. Ich frage, ob zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 626 Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist einstimmig angenommen. Demgemäß wird also in der Vorlage ein Art. 4 a eingefügt.
Damit wären wir in der zweiten Lesung am Ende der einzelnen Bestimmungen. Aber ich habe noch die Abstimmung über den Passus nachzuholen, zu dem über einen Änderungsantrag namentlich abgestimmt worden ist. Wer der Ziffer 4 a in der
*) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8037. **) Siehe Anlage 3.
Ausschußfassuneg zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen eine geringe Minderheit ist Ziffer 4 a in der Ausschußfassung angenommen.
Dann habe ich noch über Einleitung und Überschrift abstimmen zu lassen. Wer der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, zwischen der zweiten und dritten Beratung dieses Gesetzentwurfs eine Pause von einer halben Stunde eintreten zu lassen. Ich verbinde diese Pause nunmehr mit der Mittagspause und schlage Ihnen vor, daß wir um 15 Uhr wieder zusammentreten. Ich hoffe, daß dann auch genügend Zeit für Fraktionsberatungen ist.
Die Sitzung ist vertagt bis 15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12 Uhr 56 Minuten.)

Die Sitzung wird um 15 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215006400
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe auf die
dritte Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht.
Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0215006500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Abstimmungsergebnisse in der zweiten Lesung dieser Gesetzesvorlage ist eine Situation entstanden, die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion als sehr ernst betrachtet wird. Ich glaube sagen zu dürfen, daß die Mitglieder meiner Fraktion sich während der Ausschußberatungen nach allen Kräften bemüht haben, die Mehrheit dieses Hauses von dem Vorhaben abzubringen, die so gefährliche, bedenkliche, um nicht zu sagen: verwerfliche

(Oho-Rufe in der Mitte)

Änderung des Wahlmodus für die Verfassungsrichter neu einzuführen. Wir haben geradezu inständig darum gebeten, diese Sache nicht auf die Spitze zu treiben.
Aber, meine Damen und Herren, jetzt ist durch die Abstimmungen der zweiten Lesung der Konflikt da, und es muß darum in aller Offenheit darüber gesprochen werden, was dieser Konflikt bedeutet, wo er herkommt, in welchem Zusammenhang er gesehen werden muß.
Als mein Fraktionskollege Greve heute vormittag sagte, es gehe meiner Fraktion nicht darum, sich die Chancen auszurechnen, was parteipolitisch für die Fraktion besser sein mag oder nicht, da entstand auf gewissen Bänken der größten Fraktion dieses Hauses ein Geräusch, das zu charakterisieren ich mir versagen muß; denn ich möchte nicht in die Gefahr eines Ordnungsrufs kommen, nach


(Dr. Arndt)

dem Herr Kollege Gülich einmal schon zur Ordnung gerufen wurde, nur weil er den Ausdruck „Geheul" in diesem Saale gebraucht hatte.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Aber, meine Damen und Herren, wir können einen Beweis dafür bringen, den auch Herr Kollege Greve heute morgen schon kurz angedeutet hat, daß es nicht die Chancen einer Fraktion und Partei sind, worum es uns geht. Dieser Beweis wird dadurch geführt, wenn Sie sich die Regierungsvorlage aus dem 1. Bundestag, die Regierungsvorlage für das Gesetz zur Errichtung des Bundesverfassungsgerichts ansehen: damals hat die Bundesregierung ein Wahlverfahren vorgesehen, nach dem die Verfassungsrichter in der Plenarsitzung gewählt werden sollten, und zwar immer je zwei mit der Maßgabe, daß jeweils die beiden gewählt sein sollten, die die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Das hieß nach der Verteilung der Fraktionsstärke im 1. Bundestage, daß meine Fraktion, die sozialdemokratische, mathematisch in der Lage gewesen wäre, die Hälfte aller Sitze im Bundesverfassungsgericht mit ihren Parteigängern hemmungslos zu besetzen, ohne daß die damalige Koalitionsmehrheit hätte hineinreden können. Das war eine große Versuchung für eine Fraktion und Partei, eine solche Chance zu bekommen, gar nicht fragen zu müssen, sondern sagen zu können: „Laßt doch die Koalition die Hälfte der Richter wählen, und wir wählen die andere Hälfte der Richter!" Wir sind dieser Versuchung nicht erlegen, weil wir gesagt haben: ein solches Gericht mit Mehrheitsrichtern und Minderheitsrichtern lebt nicht ein Jahr, dann bricht es auseinander, das hat keine innere Glaubwürdigkeit, das ist nicht das Bundesverfassungsgericht, wie es sich das Bonner Grundgesetz vorstellt. Ja, man kann eine Verfassungsurkunde nicht nur nach ihrem Wortlaut auslegen, man muß auch auf den Geist sehen, der ungeschrieben und unschreibbar ist. Und ein solches Gericht mit Koalitionsrichtern zur einen Hälfte und Oppositionsrichtern, d. h. parteipolitisch gesagt sozialdemokratischen Richtern zur andern Hälfte wäre kein Gericht im Geiste des Bonner Grundgesetzes gewesen. Wenn Herr Kollege Gille heute morgen auch gesagt hat, in einer Demokratie mit mehreren Parteien, in einem Mehrparteiensystem sei alles politische Denken parteipolitisch und man könne „politisch" und „parteipolitisch" nicht auseinanderhalten — worin ich ihm weitgehend folge insoweit, als in einem Mehrparteiensystem, in einer parlamentarischen Demokratie alle Politik parteipolitisch betrieben wird —, so, Herr Kollege Gille, werden auch Sie mir zugeben, daß es ein Unterschied ist zwischen parteipolitischem Denken, das auf das Ganze gerichtet ist, und parteiegoistischem oder parteilichem Verhalten im engsten und kleinlichen Sinne.

(Beifall bei der SPD. — Zustimmung beim GB/BHE.)

Das ist der Unterschied, auf den es hier ankommt, wobei wir wissen müssen, das letzten Endes jede Partei sich nur selber schädigt, wenn sie sich in einer solchen Frage eines parteiegoistischen Denkens schuldig macht. Denn das, was aus jenem Gericht geworden wäre, wenn man es nach Art der Regierungsvorlage im 1. Bundestag mit Mehrheits-und Minderheitsrichtern zu gleichen Teilen besetzt hätte, das hätte auch meine Fraktion und Partei
geschädigt. Die „Chance" wahrzunehmen, wäre in Wirklichkeit sehr kurzsichtig gewesen. Man muß sich immer darüber klar sein, daß die Existenz einer jeden demokratischen Partei mit der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes steht und fällt.

(Beifall bei der SPD.)

Darum ist es hier wesentlich, hervorzuheben, daß es auch bei diesem Versuch, das Bundesverfassungsgericht in seiner Gestalt abzuändern — und ich hoffe, daß es bei einem untauglichen Versuch bleiben wird, Sie mögen heute abstimmen, wie Sie wollen —, weit weniger darum geht, der augenblicklichen Minderheit zu Leibe zu rücken, sondern um das, was nach der ganzen Leidensgeschichte dieses Gerichts dahinter steht, nämlich um einen Angriff auf das Bundesverfassungsgericht selber. Die Besonderheit des Gesetzentwurfes ist doch, daß hier das eine Verfassungsorgan, der Bundestag, ein ihm im Rang grundsätzlich gleichgeordnetes Verfassungsorgan, das Bundesverfassungsgericht, umgestalten will. Auch wenn es im allgemeinen auf Grund der im Grundgesetz ausgesprochenen Ermächtigung zulässig sein wird, die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts und sein Verfahren durch Gesetz zu ordnen und deshalb auch zu ändern, so war und bleibt es jedoch bereits seit dem Weimarer Staatsrecht unbestritten, daß solche Gesetze materielles Verfassungsrecht enthalten; denn sie dienen in der Sache nicht nur einer Ergänzung der Verfassung, sondern sie beeinflussen auch die Beziehungen der Verfassungsorgane untereinander und zueinander. Man kann daher die Frage, welche Gestaltung das Bundesverfassungsgericht haben soll, auf welche Weise seine Richter zu berufen sind und wie es zu verfahren hat, nicht für sich allein sehen, sondern man darf nicht außer acht lassen, welchen Ort das Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan im System der Verfassungsordnung innehat, also welche Gewichtsverteilung sich dadurch aus dem Grundgesetz ergibt, daß die Verfassungsorgane einander zugewiesen und aufeinander angewiesen sind, ja, daß auch von Organ zu Organ der ungeschriebene Grundsatz des verfassungsfreundlichen und organfreundlichen Verhaltens gilt. Zwischen der starken Stellung der Bundesregierung und besonders des Bundeskanzlers einerseits und dem ebenfalls mit außerordentlichen, im Weimarer Verfassungsrecht unbekannten Vollmachten ausgestatteten Bundesverfassungsgericht andererseits besteht ein innerer Zusammenhang, der einen Ausgleich schaffen will, weil es zu dem in der Verfassungsurkunde zum Ausdruck kommenden Leitbild des Parlamentarischen Rats gehörte, die Macht der Bundesregierung und auch der gesetzgebenden Körperschaften durch die Rechtsmacht des zum Range eines Verfassungsorgans erhobenen Gerichts zu begrenzen, aufzuwiegen und so dem Grundgedanken der freiheitssichernden Gewaltenteilung eine neuartige Ausprägung zu geben. Daraus folgt das zwar nicht formale und in der Regel auch nicht justitiable Gebot der politischen und demokratischen Pflicht, Gestalt und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts nur auf breitester Grundlage, nur in größtmöglicher Eintracht zu regeln, also an dieser Aufgabe die ungeschriebenen und unschreibbaren Gesetze einer traditionsschaffenden Haltung einer freiheitlichen Gesittung zu bewähren.
Diese Grundsätze sind in dieser Sache leider von der Mehrheit des 2. Bundestags schon einmal ver-


(Dr. Arndt)

lassen worden, damals, als die Wahlzeit für acht Verfassungsrichter, zu denen sogar der Präsident gehörte, durch ein Gelegenheitsgesetz auf nur ein Jahr herabgesetzt und dadurch das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit zumindest gefährdet wurde. Diese Grundsätze werden mit der gegenwärtigen Vorlage vollends preisgegeben, indem die augenblickliche Mehrheit ihre Befugnis, den Bundestag zu repräsentieren, bis zur Neige in Anspruch nehmen will. Der Herr Kollege Kliesing hat mir zwar kürzlich bei der Debatte um die Zuschüsse für den Sozialistischen Deutschen Studentenbund durch einen Zwischenruf vorgeworfen, es sei schlechter Stil, wenn ich bestritte, daß die Mehrheit der Bundestag sei. Nun, ich bleibe anderer Meinung. Unbeschadet der Regel, daß im gesetzgeberischen Willen der Bundestag verbindlich durch seine Mehrheit handelt, wird doch in der politischen Repräsentation der Bundestag als Ganzes erst von Mehrheit und Minderheit zusammen gebildet, und die Abgeordneten der Minderheit sind nicht weniger Vertreter des gesamten Volkes als die der Mehrheit;

(Beifall bei der SPD)

denn Demokratie erschöpft sich keineswegs allein in der Herrschaft des Mehrheitsprinzips, wie schon die Existenz der Grundrechte mit ihrem einer Abstimmung entzogenen Bereich notwendiger Gemeinsamkeit beweist, sondern Demokratie ist auch Minderheitsschutz. Das Bundesverfassungsgericht, das gerade bei Streitigkeiten zwischen Mehrheit und Minderheit zur unbefangenen Entscheidung berufen ist, kann deshalb glaubwürdig und legitim nur als eine Einrichtung gemeinsamen Vertrauens verwirklicht werden. Nicht aber darf man seine Gestaltung als Domäne bloßer Mehrheitsmacht behandeln, wie es im Ergebnis durch diesen Gesetzentwurf geschehen soll.
Das politische Kernproblem dieser Vorlage ist deshalb die allgemeine Frage unseres Verfassungslebens, welche Haltung die Machthaber gegenüber den Institutionen des Grundgesetzes, insbesondere dem Bundesverfassungsgericht gegenüber, einnehmen, weil auch legale Machthaber sich illegitim verhalten können und weil die politische Macht, die sich im Bundestag und in der von seiner Mehrheit getragenen Bundesregierung zusammenballt, ungeachtet ihrer demokratischen Entstehung sich gegenüber anderen Verfassungsorganen, dem Herrn Bundespräsidenten, dem Bundesrat und dem Bundesverfassungsgericht, in einer Art zur Geltung bringen kann, die zu deren innerer Abwertung führt.
So kurz die Geschichte des Bonner Grundgesetzes noch ist, muß man doch leider verzeichnen, daß in ihr die Beziehungen der von der Mehrheit des Bundestages und der durch die Bundesregierung verkörperten politischen Macht zum Bundesverfassungsgericht ein unerfreuliches Kapitel sind, in dessen Zusammenhange man auch diesen Gesetzentwurf sehen muß. Diese Beziehungen sind nicht nur stets frostig gewesen, sondern es ist auch die Geschichte unablässiger Versuche, das Bundesverfassungsgericht in seinem verfassungsrechtlichen Range zu mindern und seiner Herr zu werden.

(Beifall bei der SPD.)

Das beginnt bei scheinbar äußerlichen Winzigkeiten des Protokolls. Wenn der Präsident des Bundesverfassungsgerichts zum Neujahrsempfang des Staatsoberhauptes nach Bonn kommt, wird er nicht so wie die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates behandelt, sondern dann arrangiert das von der Bundesregierung zu verantwortende Protokoll es so, daß er in den Kreis der Präsidenten der oberen Bundesgerichte, die dem zuständigen Bundesminister durch Dienstaufsicht nachgeordnet sind, eingereiht und der Präsident des Bundesrechnungshofes zum Sprecher bestellt wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese Einstellung zum Bundesverfassungsgericht zeigt sich in der ganzen Art, wie man seitens der Bundesregierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit von ihm spricht und mit ihm spricht. Ich erinnere an den Ausspruch des Bundeskanzlers, daß in der Frage, ob die Wiederbewaffnung rechtlich eine Grundgesetzänderung erfordere, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überflüssig sei. Ich erinnere daran, daß ohne Eingreifen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung ein Bundesminister der Justiz und der noch im Bundesjustizministerium amtierende Staatssekretär öffentlich dem Bundesverfassungsgericht vorwarfen, es sei von dem Weg des Rechts abgewichen,

(Hört! Hört! bei der SPD)

sowie, daß der Bundeskanzler mit Hilfe von zwei Staatssekretären sich anheischig machte, dem Herrn Bundespräsidenten darzutun, daß ein Plenarbeschluß des Bundesverfassungsgerichts juristisch falsch sei.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich erinnere daran, daß erst kürzlich in der Konkordatsdebatte als Sprecher der größten Regierungspartei der Herr Kollege Cillien unbekümmert behauptete, in den Wehrstreitigkeiten sei das Bundesverfassungsgericht mit rein politischen Fragen befaßt worden, worin doch enthalten ist, daß auch das Gericht selber in diesem Verfahren durch seine Verhandlungen und Entscheidungen sich mit rein politischen Fragen beschäftigt habe, während die in einem Plenarbeschluß des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochene Rechtsentscheidung, nämlich daß es sich, soweit das Bundesverfassungsgericht angerufen war, um Rechtsfragen handelte, respektlos ignoriert wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich erinnere an die neue Mode der Bundesregierung, Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit Pressekonferenzen und mit offiziösen Kommentaren im Bulletin des Presse- und Informationsamtes zu orchestrieren. Sie finden im Bulletin vom 25. April dieses Jahres eine Überschrift, die lautet „Baldige' Entscheidung im Verfahren gegen die KPD verlangt". So spricht die Bundesregierung mit dem Bundesverfassungsgericht. Es heißt zum Schluß dieser offiziösen Verlautbarung, daß der Herr Bundesminister des Innern vor der Pressekonferenz gesagt habe, die Bundesregierung sei der Auffassung, daß die Autorität und die Sicherheit des Staates und das Ansehen seiner rechtsstaatlichen Institutionen eine baldige Schlußentscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangten. Das ist die Art, wie man das Bundesverfassungsgericht von Bonn aus anspricht.

(Abg. Dr. Greve: Das ist Jargon!)



(Dr. Arndt)

Die Verhandlungen im Konkordatsprozeß sind vom Bulletin nach Art eines in Fortsetzungen erscheinenden Romans offiziös mit guten und schlechten Noten, in einzelnen Punkten sogar mit Wahrheitswidrigkeiten untermalt worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diesem unerfreulichen Bild entspricht die Art, wie sich die Bundesregierung auch vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Staat zu identifizieren pflegt und ihre Sprecher auftreten läßt. Eine von dem Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt Herrn Grewe abgegebene Regierungserklärung hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich mit Schärfe durch Beschluß als nicht angemessen zurückgewiesen. Diese Erklärung lautete schlicht dahin, daß die Bundesregierung sagen ließ: Wenn du, Gericht, gehorsam bist, bekommst du bestimmte Schriftstücke, und wenn du nicht gehorsam bist, bekommst du gar nichts.

(Hört! Hört! und Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Die Nachsicht des Bundesverfassungsgerichtes wurde auch sonst von Regierungssprechern kaum minder angestrengt, etwa wenn der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes zu der von ihm verlangten Stunde mit der gouvernementalen Miene der Obrigkeit und gleichsam mit der Uhr in der Hand politische Erklärungen herausfordernder Art abgab, in denen er z. B. auch das Land Niedersachsen, das ja von einer Ihnen nahestehenden Koalition regiert wird, mit berüchtigten Worten Stalins in Verbindung brachte, die wirklich vor dem Gericht nicht das Mindeste zu suchen haben.
Erst vor dem Mosaik dieses Hintergrundes einer

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215006600
Einmal, zur Zeit des Verfassungsstreits um die rechtliche Zulässigkeit der Wiederbewaffnung, hatte man vor dem Karlsruher Richterspruch gezittert,
und diese ihre Schwäche ist es, die die Bundesregierung dem Gericht nicht vergessen kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Wie können Sie so etwas behaupten?)

Das, was durch dieses Gesetz geschehen soll, ist deshalb nicht nur eine Brüskierung und Diskriminierung der Minderheit sondern auch unmittelbar ein Anschlag auf das Bundesverfassungsgericht selber. Meine Damen und Herren, da sie wahrscheinlich mir gegenüber mißtrauisch sind, so lassen Sie durch mich einen Zeugen zu Wort kommen, der nicht im Verdacht steht, Sozialdemokrat zu sein oder zur Sozialdemokratie freundliche Beziehungen zu unterhalten. Es ist ein Mitglied der Abendländischen Akademie.

(Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Feine Gesellschaft!)

Aber manchmal ist es ganz zweckmäßig, in unser Nachbarland Österreich hinüberzusehen, das durch eine jahrhundertelange gemeinsame Rechtstradition weitgehend mit uns verbunden ist. In einer der angesehensten rechtswissenschaftlichen Fachzeitschriften Österreichs, den „Juristischen Blättern", die herausgegeben werden u. a. von dem international bekannten Völkerrechtler Verdross, hat Dr. Marcie einen Aufsatz veröffentlicht über „Die Reform des deutschen Bundesverfassungsgerichts" und die Gefahren, die damit verbunden sind. Sie finden das im Jahrgang 1955 auf Seite 349. Ich möchte daraus mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur drei Stellen zitieren. Die erste Stelle lautet:
Im modernen demokratischen Rechtsstaat soll die Minderheit nicht auf Gedeih und Verderb der Mehrheit ausgeliefert sein.
Das ist ein Satz, der nicht irgendwo geschrieben ist. Aber diesen Satz, Herr Kollege Weber, übergehen Sie mit dieser Gesetzesvorlage!

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Die zweite Stelle, die ich zitieren möchte, lautet so:
Eine unabhängige Instanz mit so hervorragenden Kompetenzen erregt dauernd Ärgernis, weil diese Befugnisse Kontrollmöglichkeiten schaffen, die jeder Regierung lästig sein müssen.
Sehr beachtlich! Die dritte Stelle, die sich mit den
Hintergründen beschäftigt, ist etwas hart, aber sie
stammt nicht von mir. Sie lautet folgendermaßen:
. . . so wittern die Gegner jeglicher Verfassungskontrolle jetzt ... Morgenluft, recken die Köpfe in die Höhe und dozieren scheinheilig: „Karlsruhe muß reformiert werden!". Das trifft zu, — aber sie meinen und wollen ja etwas ganz anderes: „Weg mit dem Bundesverfassungsgericht!". Da sind einmal die kurzsichtigen Politiker, denen das richterliche Prüfungsrecht auf die Nerven fällt; dann kommen die scheelsüchtigen Mitglieder anderer Gerichtshöfe, die einer jungen Gerichtsinstitution ein solches Maß an Machtvollkommenheit mißgönnen; zum Schluß marschieren — als Nachtrupp — die strukturellen Feinde der Demokratie und des Rechtsstaates. Den drei Gruppen der Kritiker gesellen sich noch welche hinzu, wir wollen sie die Mitläufer nennen, die willfährig Handlangerdienste leisten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)



(Dr. Arndt)

So weit der österreichische Jurist Dr. Marcic, Mitglied der Abendländischen Akademie.

(Abg. Dr. Greve: Was sagt Adenauer? Die Situation ist da!)

Meine Damen und Herren, der Vorwand, aus dem das Ganze gemacht wird, ist äußerst fadenscheinig. Ich muß das noch einmal kurz streifen und dabei auch auf eine Reihe von Tatsachen eingehen, die heute morgen nicht zur Sprache gekommen sind. Es wird gesagt, es müsse gesichert werden, daß eine Wahl zum Ergebnis führe. Die Möglichkeit der Stimmengleichheit ist offensichtlich übersehen worden. Erforderlich ist doch vor allen Dingen nicht nur das Ergebnis, sondern ein richtiges und ein legitimes Ergebnis. Über die Art, wie man sich Ergebnisse denkt, findet sich eine seltsame Bemerkung in dem Bericht des Herrn Kollegen Dr. Wahl, den ich deswegen kritisiert habe, weil er nach meiner Auffassung die Ansichten der Minderheit nicht zutreffend wiedergibt. Ob das allerdings ein Anlaß ist, daß sich der Berichterstatter beim Mündlichen Bericht dann in Polemiken mit einem anderen Abgeordneten verwickelt, weiß ich nicht. In diesem Schriftlichen Bericht des Herrn Kollegen Dr. Wahl wird die Erwägung angestellt, es sei „nicht von der Hand zu weisen, daß im Falle eines von der Mehrheit und von der Minderheit für lebenswichtig gehaltenen Prozesses die Besetzung einer eintretenden Vakanz unmöglich wird, weil weder die Mehrheit noch die Minderheit sich damit abfinden kann, daß möglicherweise durch die Neuberufung eines Richters das Stimmenverhältnis im Senat zugunsten der einen oder anderen Partei verschoben wird". Als ob es keine Möglichkeit gäbe, Richter zu finden, von denen man erwarten kann, daß es Richter sind und daß sie nicht das Stimmenverhältnis zugunsten der einen oder anderen Partei verschieben!

(Beifall bei der SPD.)

Es heißt in dem Bericht weiter — wenn ich diese beiden Stellen, die etwas auseinander stehen, verknüpfen darf; hoffentlich werfen Sie mir nicht Illoyalität vor, aber sie stehen in demselben Abschnitt —, weil das nicht zuzumuten sei, daß — wie Sie glauben — in einem lebenswichtigen Prozeß das Stimmenverhältnis bei einer Nachwahl verschoben werden könne, weil andererseits eine dauernde Vakanz nicht möglich sei, sei das nur zu lösen „durch den Rekurs auf die einfache Mehrheit". Ja, wollen Sie damit sagen, daß die einfache Mehrheit somit in die Macht kommen soll, die Stimmenverhältnisse während eines lebenswichtigen Prozesses zu verschieben, oder was soll das eigentlich in dem Bericht heißen?

(Beifall bei der SPD.)

Erforderlich ist also ein richtiges Ergebnis, ein legitimes Ergebnis, ein Ergebnis des allgemeinen Vertrauens, so daß jedermann weiß: Jawohl, hier ist ein Richter gewählt worden, der nicht voreingenommen war und von dem wir einen Richterspruch erwarten können. Um so fadenscheiniger ist der Vorwand, den man gewählt hat, indem man immer wieder darauf hinweist, es habe einmal eine etwa zweijährige Vakanz nach dem älteren Herrn Zweigert gegeben, eine Vakanz, für die der Bundestag durch sein Wahlmännergremium verantwortlich gewesen sei. Die andere Vakanz, nach Herrn Leusser, ist ja vom Bundesrat zu verantworten gewesen und hat auch nicht so lange gedauert.
Ich versage es mir, auf den Inhalt der vertraulichen Sitzung des Rechtsausschusses einzugehen, obgleich mir das, was ich in jener Sitzung gesagt habe, nicht aus der Sitzung bekannt ist, sondern vor der Sitzung zuverlässig bekanntgeworden ist. Aber wenn Sie immer wieder diesen einen fadenscheinigen Vorwand hervorziehen, so darf ich doch gewisse Fakten sprechen lassen, die man in dieser Konfliktlage sprechen lassen muß. Die Vakanz nach dem älteren Herrn Zweigert hat ungefähr zwei Jahre gedauert. Aber vergleichen Sie bitte das Datum, zu dem der Nachfolger des Herrn Zweigert, ein von der CDU oder ihren Mitgliedern selbst vorgeschlagener Nachfolger, seine Bereitwilligkeit, in das Gericht einzutreten, schriftlich erklärt hat, und das Datum seiner Wahl und seiner Ernennung! Sie werden dann finden, daß trotz der schriftlichen Bereiterklärung des Nachfolgers und trotz der unbestrittenen sofortigen Zustimmung der sozialdemokratischen Wahlmänner zu diesem Nachfolger es ein volles Jahr

(Hört! Hört! bei der SPD)

zwischen der Bereitwilligkeit des Nachfolgers und seiner Wahl und Ernennung gedauert hat, —

(Hört! Hört! bei der SPD)

ein Jahr, das ausschließlich damit ausgefüllt wurde, daß die der CDU angehörenden Mitglieder des Wahlmännergremiums ihrem eigenen Vorschlag die Stimme versagten, —

(Hört! Hört! bei der SPD)

ein Jahr, das zugleich damit ausgefüllt wurde, urbi et orbi zu verbreiten, Sozialdemokraten seien es, die Obstruktion trieben und das Bundesverfassungsgericht nicht ordnungsgemäß besetzten, —

(Hört! Hört! bei der SPD)

ein Jahr, das während des EVG-Prozesses weiterhin damit verbraucht wurde, daß man verbreitete, da werde ja ein Senat befaßt, der infolge Verschuldens seitens der Sozialdemokratie gar nicht ordnungsgemäß besetzt und gar nicht zu einer Entscheidung legitimiert sei. Und derjenige, der in jenen Monaten das böse Wort vom „Roten Senat" erfunden hat, war niemand anders — und das ist beweisbar — als Herr Dr. Adenauer persönlich auf einem Pressetee.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Jetzt kommen Sie als dieselbe Partei und dieselbe Fraktion, die ein Jahr die Nachwahl zum Bundesverfassungsgericht nach Herrn Zweigert verhindert hat, her und sagen: Das ist ein Grund, das Gesetz zu ändern. Ich glaube, wenn es jemals in der Rechtsgeschichte das gegeben hat, was die Römer venire contra factum proprium nannten, d. h. sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch und ins Unrecht setzen, dann ist es hier geschehen. Da gibt es wahrhaftig keinen Anlaß, unter der Flagge, daß die Geschäftsverteilung geändert werden müsse, an den Wahlmodus des Bundesverfassungsgerichts heranzugehen. Denn Sie zerstören durch zweierlei Arten von Richtern die innere Struktur und Glaubwürdigkeit des Gerichts und Sie diffamieren auch die Minderheit, und zwar die jeweilige Minderheit, durch den Vorwurf, daß sie sich pflichtvergessen weigere, zur Wahl beizutragen, obgleich gegen einen Vorschlag keine begründeten Bedenken zu erheben seien.


(Dr. Arndt)

Aber um auch das andere noch einmal zu sagen: auch dieser Vorschlag mit dem Beirat ist eklatant verfassungswidrig. Sie können der Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht dadurch ausweichen, daß Sie immer darauf hinweisen, das Wahlmännergremium behalte ja eine Wahlbefugnis. Da liegt die Frage nicht, sondern das, was hier vor sich geht, ist doch — und das können mindestens die Juristen unter Ihnen ernsthaft gar nicht bestreiten —, daß dem Beirat nicht etwa nur ein ,Vorschlagsrecht eingeräumt wird, sondern daß dieser Vorschlag konstitutiv ist für die Mehrheitsverhältnisse im Wahlmännergremium,

(Sehr richtig! bei der FDP)

daß sich infolgedessen je nach dem Vorschlag die erforderliche Mehrheit im Wahlmännergremium ändert. Das ist kein Vorschlag mehr, das ist eine unmittelbare Mitwirkung am Wahlakt. Was hier geschehen soll, ist doch gar nichts anderes - Herr Kollege Bucher hat es ausgezeichnet ausgeführt, und Herr Kollege Greve hat es ebenfalls sehr eindringlich dargestellt —, als daß Sie sagen: Der Bundestag kann durch sein Wahlmännergremium allein wählen, wenn er eine Dreiviertelmehrheit im Gremium auf die Beine bringt. Aber wenn er das nicht tut, dann können zwei Organe zusammen wählen, nämlich das eine mit absoluter Mehrheit und das andere mit einfacher Mehrheit, aber nur dadurch, daß sie beide zusammen handeln. Das ist eine Beteiligung an der Wahl, die bei der Ausschließlichkeit der Wahlbefugnis der gesetzgebenden Körperschaften unbestreitbar, uridiskutabel, unzweifelhaft eine unzulässige Beteiligung ist.
Zugleich stellt das eine Diskriminierung der Minderheit dar, die sozusagen unter die Zensur des Beirats gestellt wird. Unter diesen Umständen ist es müßig, so viele Worte darüber zu verlieren, ob denn der Beirat so schön ist. Ich will es mir ersparen, auf dieses heikle Gebiet einzugehen; sonst ließe sich auch darüber einiges sagen. Das habe ich ja im Ausschuß ausgeführt. Ich möchte mich dessen in der öffentlichen Plenarsitzung enthalten.
Namens meiner Fraktion stelle ich die drei Anträge aus dem Umdruck 647 auch für die dritte Lesung noch einmal.
Ich habe weiterhin zu erklären: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird ein Gesetz ablehnen, das der Ausschußvorlage und der zweiten Lesung entspricht.
Ich habe schließlich die Ehre, namens meiner Fraktion die folgende formulierte Erklärung abzugeben:
1. Sobald und solange der Beirat an einer Wahl mitwirkt, werden sich die sozialdemokratischen Mitglieder des Wahlmännergremiums an einer solchen Wahl nicht beteiligen, weil die dem Beirat zugesprochene Wirksamkeit verfassungswidrig ist und die jeweilige Minderheit diskriminiert.
2. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird Wahlen, die unter Beteiligung des Beirates zustande kommen, nicht als verfassungsgerecht und gültig anerkennen.
3. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird jedes demokratische und vom Grundgesetz zugelassene Mittel in Anspruch nehmen, um die-
sen Versuch einer Gleichschaltung des Bundesverfassungsgerichtes zu bekämpfen.

(Langanhaltender Beifall bei der SPD und bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215006700
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0215006800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, einige Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt , die sich gegen die Bundesregierung richten, hier zurückzuweisen. Herr Kollege Arndt hat davon gesprochen — wie das ja heute vormittag in der Debatte auch schon einmal erwähnt worden ist —, daß der Vorschlag, der heute zur Erörterung steht, nur aus reinem Machtstreben gemacht worden sei.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Er hat Tatsachen genannt!)

Zu einer derartigen Unterstellung besteht auch nicht die mindeste Veranlassung.

(Zuruf von der SPD: Widerlegen Sie die Tatsachen!)

Ich glaube gerade, sagen zu können: so wie der Vorschlag jetzt im Ausschuß ausgestaltet worden ist, kann man doch wirklich nicht davon reden, daß hier die Rechte der Minderheit unterdrückt werden sollen. Wie können Sie der Bundesregierung oder auch dem Ausschuß hier etwas Derartiges unterstellen?!

(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Tatsachen widerlegen!)

Ich glaube, ein unparteiischeres Gremium als das, das hier zur Debatte steht, kann überhaupt nicht gefunden werden. Oder besteht überhaupt kein Vertrauen mehr in den deutschen Richter? Wenn wir hier höchste Richter einsetzen, um die entsprechenden Vorschläge zu machen, ich glaube, dann kann man doch wirklich nicht sagen, daß man die Minderheit überfahren wolle. Wir wissen ja gar nicht, welche Vorschläge diese Richter machen werden.

(Abg. Mellies: Sie hätten auch die Begründung hören sollen, die Herr Arndt gegeben hat!)

Nun noch etwas, meine Damen und Herren. Ich glaube, die ganze Problematik, die aufgezeigt worden ist, wird in den nächsten Jahren überhaupt nicht zur Debatte stehen, und zwar deswegen, weil mit Rücksicht auf die Altersstufen, denen die Richter des Bundesverfassungsgerichts angehören
— 1956 ist die nächste Wahl, die übernächste Wahl im Jahre 1959 —, der Ausschuß gar nicht irgendwie in Tätigkeit treten wird.

(Abg. Dr. Greve: Warum haben Sie es denn so eilig? — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD.)

— Wir wollen hier ja gerade, Herr Greve, für die Zukunft ein Gesetz machen, nicht für den Augenblick. Ich habe das schon im Rechtsausschuß zurückgewiesen.

(Zuruf des Abg. Dr. Greve. — Abg. Dr. Menzel: Warum war es denn so eilig mit dem Gesetz?)



(Bundesjustizminister Neumayer)

— Wir haben es gar nicht so eilig mit dieser Bestimmung gehabt. Freilich haben wir es eilig mit dem Gesetz an sich.

(Abg. Dr. Greve: Dann ziehen Sie es doch noch zurück! Es ist ja noch Gelegenheit dazu!)

— Es scheiden, wie Sie ganz genau wissen, vier Richter mit Rücksicht auf ihr Alter in diesem Jahr sowieso aus. 24 Richter hat das Gericht heute. Wenn vier Richter ausscheiden, ist die Zahl der Richter 20.

(Abg. Dr. Greve: Wir machen keine Logarithmentafel für Dienstalter!)

Ich glaube, wir brauchen uns darüber nicht lange zu unterhalten. Sie wissen das so gut wie ich.
Es ist weiter behauptet worden, es bestünde ein „Kalter Krieg" zwischen der Bundesregierung und dem Verfassungsgerichtshof.

(Zuruf von der SPD: Tatsachen!)

Ich muß auch diese Behauptung zurückweisen. Wir haben uns immer bemüht, und es war mein erstes Bestreben, seit ich dieses Amt übernommen habe, eine gute Atmosphäre zwischen Gericht und Bundesregierung herzustellen.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Und was ist das Ergebnis Ihrer Bemühungen?)

— Das Ergebnis ist, daß gegenseitiges Vertrauen besteht, Herr Kollege Greve. Das kann ich hier ruhig sagen.

(Abg. Dr. Greve: Nein, nein! Das ist in keiner Weise beiderseits vorhanden!)

— Das kann ich ruhig sagen!

(Widerspruch bei der SPD.)

— Doch! Fragen Sie den Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, wie oft wir persönlich über diese ganzen Fragen verhandelt haben, vertrauensvoll verhandelt haben!
Außerdem möchte ich zuletzt noch zurückweisen, was Herr Kollege Arndt ausgeführt hat, daß das Wort vom „Roten Senat" zum erstenmal vom Herrn Bundeskanzler gefallen sei,

(Zuruf von der SPD: Tatsachen!)

und zwar während eines sogenannten Teegesprächs.

(Zuruf von der SPD: Wollen Sie das noch bestreiten?)

Meiner Kenntnis nach ist dies nicht richtig.

(Beifall in der Mitte. — Lachen und lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Greve: Dann haben Sie eben keine genügende Kenntnis! Da reichen Ihre Kenntnisse nicht aus, Herr Minister! Das ist es ja gerade: mit so mangelhafter Kenntnis Bundesjustizminister! Das bestreitet sogar die CDU/CSU-Fraktion nicht, Herr Minister! — Abg. Dr. Menzel: Der Kanzler war ja sogar stolz darauf!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215006900
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Bucher!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0215007000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich nun auch veranlaßt, mich gegen eine Unterstellung zu wenden, die der Herr Bundesjustizminister gegen diejenigen ausgesprochen hat, die diesen Beirat nicht wünschen, als ob wir nämlich irgendwelches Mißtrauen gegen die höchsten Richter hätten. Davon war doch keine Rede,

(Sehr richtig! bei der SPD)

sondern wir wollen diesen Beirat nicht, weil wir
ihn nicht mit der Verfassung für vereinbar halten.
Ich muß hier noch einmal mit einem Beispiel darauf eingehen, denn es wird immer wieder behauptet, das Wahlmännergremium dürfe ja mit einfacher Mehrheit wählen und es sei in seinem Wahlrecht nicht beschränkt. Ich muß das wirklich an einem Beispiel erklären, damit niemand in diesem Hause sagen kann, er sei sich darüber nicht im klaren gewesen. Nehmen wir an, es seien sieben Mitglieder dieses zwölfköpfigen Gremiums dafür, den Kandidaten X in das Gericht zu wählen. Dann werden sie nach dem jetzigen Verfahren durch die anderen fünf daran gehindert, das zu tun, weil sie nicht die qualifizierte Mehrheit haben. Das ist in Ordnung, denn sie werden, wie ich vorhin formuliert habe, nur durch andere Abgeordnete — —

(Abg. Dr. Greve: Herr Bucher, unterbrechen Sie einen Augenblick; hier müssen Verhandlungen geführt werden! — Staatssekretär Strauß spricht im Saal mit CDUAbgeordneten. — Abg. Mellies: Der Staatssekretär muß erst Instruktionen erteilen! — Unruhe. — Lebhafte Zurufe von der SPD. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215007100
Einen Augenblick, meine Damen und Herren!

(Unruhe.)

Herr Staatssekretär! — Herr Staatssekretär! —

(Glocke des Präsidenten.)

Ich habe schon bemerkt, bevor ich darauf aufmerksam gemacht wurde, daß der Herr Staatssekretär
sich nicht zu Recht in diesem Saal befunden hat.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich habe ihn deshalb schon auffordern lassen, zurückzugehen. — Fahren Sie bitte fort, Herr Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0215007200
Ich darf in meinem Beispiel fortfahren. Sieben Wahlmänner werden daran gehindert, hier ihren Kandidaten durchzubringen, weil die anderen fünf dagegen sind. Nun aber kommt der zweite Wahlgang, wie er hier vorgeschlagen wird.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Da werden diese sieben Wahlmänner nun nicht allein durch die anderen fünf gehindert, ihren Kandidaten X durchzubringen, sondern sie werden auch dadurch gehindert, daß der Kandidat X nicht zu den Vorschlägen des Beirats gehört.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Damit ist doch bewiesen, daß die Wahl nicht frei ist.
Oder das Gegenbeispiel: Fünf Wahlmänner wollen verhindern, daß der Kandidat Y gewählt wird. Sie können dies im ersten Wahlgang verhindern, weil sie eine qualifizierte Minderheit sind; sie können nachher aber nicht verhindern, daß, wenn dieser Kandidat Y nun von dem Beirat vorgeschlagen wird, er jetzt mit der einfachen Mehrheit von sieben, was bis jetzt nicht möglich war, gewählt wird. Auch hier bewirkt also die Einschal-


(Dr. Bucher)

tung des Beirats wieder, daß dieser sonst nicht wählbare Herr Y wählbar ist.
Ich meine, damit ist doch ganz klar gesagt, daß der Beirat eine wesentliche Funktion hat, dem Wahlmännergremium vorgeschaltet ist und die Entscheidung des Wahlmännergremiums nicht nur irgendwie berät, sondern bestimmend mit beeinflußt.
Ich brauche im übrigen den grundlegenden Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt nichts hinzuzufügen. Die Erklärung, die von seiten der SPD abgegeben worden ist, sollte doch jedenfalls auch diejenigen zu größter Nachdenklichkeit bestimmen, die diesem Gesetz zustimmen wollten. Ich habe schon vorhin erklärt, daß ich es für unmöglich halte, daß mit knapper Mehrheit ein so wesentliches, beinahe mit Verfassungsrang ausgestattetes Gesetz geändert wird.
Wenn ich in meinen vorherigen Ausführungen vom Wahlgesetz gesprochen habe, so möchte ich doch sagen, daß es beim Wahlgesetz erfreulicherweise gelungen ist, von einem solchen Versuch abzukommen, mit knapper Mehrheit ein so wesentliches Gesetz zu ändern. Wir sind allen Mitgliedern dieses Hauses dankbar, daß dies gelungen ist, und es sollte auch bei dieser Gelegenheit gelingen, daß sich die bessere Einsicht durchsetzt. Unsere Fraktion wird jedenfalls die Vorlage, wie sie jetzt in der zweiten Lesung verabschiedet worden ist, in dritter Lesung ablehnen, wenn der Wahlmodus so bleibt, wie es vorgesehen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215007300
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Wahl.

(Abg. Dr. Greve: Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang!)


Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215007400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt ist in die Debatte eine Schärfe hineingetragen worden,

(Widerspruch bei der SPD)

die während der ganzen zweiten Lesung nicht zu verzeichnen gewesen ist.

(Abg. Dr. Menzel: Doch! Es hat weh getan!)

Wir haben uns besonders gegen den Vorwurf zu wehren, daß wir unverantwortlich gehandelt hätten, als wir die Änderung der Regierungsvorlage vornahmen und in dem Ausschuß auch zur Anerkennung brachten. Die ganze Erregung bezieht sich doch allein auf die Änderung des Wahlmodus. Machen Sie sich doch bitte einmal klar, was wir in Wahrheit vorschlagen!

(Zuruf von der SPD: Das haben wir uns klargemacht!)

Wir schlagen vor, daß, wenn durch die

(Abg. Dr. Greve: Hintergedanken!) politische Erregung oder aus sonstigen politischen Motiven eine Einigung von drei Vierteln der Mitglieder des Wahlmännergremiums nicht zustande kommt, ein Beirat in Tätigkeit treten soll, der sich aus Persönlichkeiten zusammensetzt, von denen man doch wirklich annehmen kann, daß sie in der Lage sind, einen menschlich, politisch, juristisch, also fachlich in jeder Richtung geeigneten Kandidaten vorzuschlagen.


(Zurufe von der SPD.)

Erstens gehören diesem Beirat zwei Präsidenten der oberen Bundesgerichte an. Diese haben alle selbst schon eine politische Prüfung dadurch bestanden, daß sie vom Wahlmännerausschuß des Bundestags und Bundesrats gewählt worden sind. Dazu kommen die drei Präsidenten der Verfassungsgerichte der Länder. Auch diese Herren haben eine Wahl durch ein deutsches Parlament bereits hinter sich, indem sich dieses Parlament für sie eingesetzt und ihnen mit den erforderlichen Mehrheiten Vertrauen geschenkt hat.
Jetzt kommen die Professoren. Es ist hier mit Recht gesagt worden — und das hat mir an sich wohl getan —, daß die Arbeit der Professoren im Bundesverfassungsgericht besonders wertvoll gewesen und besonders geschätzt worden sei.

(Zustimmung.)

Nun werden diese Professoren zweifellos nicht von einem politischen Gremium in ihr Amt als Professor berufen, aber sie werden in den Beirat gewählt von den Dekanen der Rechtsfakultäten. Diese Dekane der Rechtsfakultäten ändern sich jedes Jahr, meistens nach der Anciennität in den einzelnen Fakultäten. Ich will damit sagen: wer will denn hier vorausberechnen, wer in diesem Beirat sein wird, und wer will vorausberechnen, was diese Leute einmal entscheiden werden?

(Sehr richtig! rechts.)

Und wenn sie einen Vorschlag gemacht haben, können wir doch sicher vermuten, daß die Kandidaten, die sie vorschlagen, geeignet sind. Dann soll noch das Wahlmännergremium mit einfacher Mehrheit zu diesem Vorschlag ja sagen können.

(Abg. Dr. Greve: Ja sagen! Wir sind aber keine Ja-Sager und wollen auch keine sein! — Gegenrufe von der Mitte. — Abg. Dr. Greve: Er sagt doch: Sie sollen!)

— Wenn sie nicht ja sagen, bleibt es dabei, daß die Dreiviertelmehrheit des Wahlmännergremiums entscheidet. Meine Damen und Herren, ich finde e erstaunlich,

(Abg. Dr. Greve: Wir auch!)

daß Sie kein Vertrauen dazu haben, daß diese Leute einen Richter vorschlagen, der brauchbar ist, der wirklich geeignet ist, seine Funktion im Bundesverfassungsgericht zu erfüllen.

(Abg. Dr. Greve: Wieso sollen die einen finden, wenn wir keinen finden? — Abg. Kiesinger: Mindestens drei! — Abg. Dr. Greve: Mindestens drei und sonst doppelt soviel! Und wir finden keinen, Herr Kiesinger?! — Unruhe bei der SPD.)

Unter diesen Umständen glaube ich, daß man zunächst einmal verfassungspolitisch zu diesem Vorschlag ja sagen kann. Was nun das Verfassungsrecht angeht, so scheinen Sie doch zu übersehen, daß es verfassungsrechtlich möglich ist, daß eine einfache Majorität überhaupt gültig einen Kandidaten wählt.

(Abg. Dr. Greve: Das habe ich heute vormittag selbst gesagt, Herr Wahl!)

— Das haben sie selbst gesagt. Ich sehe aber nicht
ein, wieso dann, wenn wir noch einem anderen ein
Vorschlagsrecht geben, die einfache Majorität


(Dr. Wahl)

plötzlich nicht mehr ausreichen soll, in diesem Fall eine gültige Wahl zustande zu bringen.

(Abg. Dr. Greve: Aber wir können doch nichts dafür, wenn Sie die Einsicht nicht haben, Herr Kollege Wahl! Es kommt darauf an, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist!)

Meine Damen und Herren, das Vorschlagen ist etwas anderes als das Wählen. Vorschlagen verschafft niemandem das Gewähltsein, sondern das macht nachher erst das Wahlmännergremium, das die Wahl trifft.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Aber er schließt doch andere Kandidaten aus! — Abg. Dr. Greve: Herr Wahl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215007500
Herr Abgeordneter Wahl, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215007600
Ja!

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215007700
Sind Sie mit mir der Auffassung, Herr Kollege Wahl, daß bei der Tätigkeit des Beirats weniger Mitglieder des Wahlmännergremiums in der Lage sind, einen Richter zu wählen, als ohne Vorschaltung des Beirats?

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215007800
Ich will Ihnen darauf eine Erwiderung geben.

(Abg. Dr. Greve: Die können Sie nur mit ja oder nein geben!)

Herr Kollege Arndt hat mich wegen eines Passus angegriffen, den ich in dem Schriftlichen Bericht geschrieben habe, und zwar habe ich da von der Situation gesprochen, die entstehen kann —

(Zurufe von der SPD: „Ist da"! — Abg. Dr. Greve: „Die Situation ist da"! Kernsatz aus der Gürzenich-Rede des Herrn Bundeskanzlers! — Weitere Zurufe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215007900
Herr Abgeordneter, fahren Sie fort!

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0215008000
Ich habe von der Situation gesprochen, daß mit Rücksicht auf einen laufenden Prozeß

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Denken Sie an das Pontius-Pilatus-Wort: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben!")

eine zu große Erregung gerade hier im Bundestag die politischen Parteien erfaßt, weil sie von diesem Prozeß in der einen oder anderen Richtung Entscheidendes erwarten. Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht bestreiten, daß die Mitglieder des Beirats, die für die Politik nicht unmittelbar verantwortlich sind, wie das bei den politischen Parteien der Fall ist, eher eine gewisse Distanz zu den politischen Problemen haben können und nicht mit einer solchen Leidenschaft in diesem Pro und Contra sich verfangen.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Warum beteiligen Sie denn überhaupt die politischen Parteien, wenn Sie die Nichtpolitiker für so viel geeigneter halten?)

In dieser. Ausnahmesituation, wenn die politische Erregung so hoch geht, würde ein solcher Beirat in der Tat eine Lücke in unserem Wahlsystem zu schließen vermögen. Ich stehe nicht auf dem Stand-
punkt, daß ich damit etwas vorschlage, bei dem mir das Gewissen schlagen müßte,

(Widerspruch bei der SPD Abg. Dr. Greve: Das ist Ihr Pech! — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Bei dem die Vernunft geschlagen wird!)

sondern unser Vorschlag ist die Vernunft selber.
Meine Damen und Herren, es sind noch Angriffe anderer Art, auch von Herrn Kollegen Arndt, gegen mich geäußert worden, ich hätte mit ihm bei meiner Berichterstattung polemisiert. Ich habe durchaus nicht mit ihm polemisiert, sondern ich habe seinem Wunsch, den Bericht zu ergänzen, entsprochen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215008100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schranz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215008200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde von der Deutschen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben: Die Deutsche Partei hat durch ihren damaligen Sprecher im Parlamentarischen Rat Bedenken hinsichtlich der Frage des Wahlmodus für die Bundesverfassungsrichter angemeldet. Diese Frage steht bei diesem Gesetzentwurf wieder im Mittelpunkt. Die Deutsche Partei sieht darin eine Verletzung des Grundsatzes der Teilung der Gewalten, da nach Art. 94 des Grundgesetzes die Richterwahl durch den Bundesrat und durch den Bundestag, also durch die gesetzgebende Gewalt, vorgesehen ist.
Die Deutsche Partei würde einer Grundgesetzänderung in der Richtung das Wort geredet haben, daß der Bundespräsident aus einer von den obersten Gerichten der Länder und des Bundes unter Beiziehung von Rechtslehrern deutscher Universitäten aufgestellten Vorschlagsliste die Berufung der Bundesverfassungsrichter vorzunehmen hätte. Angesichts der Unmöglichkeit, für eine solche Grundgesetzänderung die qualifizierten Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat zu erhalten, hat aber die Fraktion davon abgesehen, einen solchen Antrag zu stellen.
Sie verkennt nicht, daß die Fassung, wie sie im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht erarbeitet worden ist, einen gewissen Fortschritt gegenüber den ursprünglichen Vorstellungen bedeutet. Sie sieht aber in der nun vorliegenden Ausschußfassung nicht die Lösung, die die grundsätzlichen Bedenken auszuräumen in der Lage wäre. Aus Gründen der Konsequenz vermag daher die Fraktion nicht dem Wahlmodus, wie er in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, zuzustimmen.
Da aber die Frage der Wahl der Bundesverfassungsrichter ohne Zweifel der wichtigste Gegenstand ist, muß die Fraktion der Deutschen Partei dem Gesetzentwurf zu ihrem Bedauern ihre Zustimmung versagen.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215008300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215008400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Arndt hat zu Beginn seiner Ausführungen der Mehrheit, insbesondere meiner


(Dr. Weber [Koblenz])

Fraktion, vorgeworfen, daß sie bei der Beratung dieses Gesetzes verwerflich und unverantwortlich gehandelt habe.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

— Sie mögen da „Sehr richtig!" rufen! Dadurch wird es doch nicht richtig. Es wird sich anderswo finden, ob wir verwerflich und unverantwortlich gehandelt haben. Ich werde dazu noch einiges sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Ich bin der Meinung, daß wir in sehr eingehender und aufgeschlossener Weise beraten haben und daß wir uns dabei auch bemüht haben, der Minderheit einen Weg zu öffnen, der eine einhellige Verabschiedung dieses Gesetzes ermöglichte. Wir haben auch, Herr Kollege Arndt, der Versuchung widerstanden, schon im 1. Bundestag den Weg zu gehen, den die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf gezeigt hatte. Es ist nicht etwa so, daß die Koalition unbesehen jeden Entwurf der Bundesregierung hinnähme und ihm zustimmte.

(Widerspruch und Lachen bei der SPD.)

Ich habe in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs bereits für meine Fraktion erklärt, daß wir den Vorschlag der Bundesregierung, mit einfacher Mehrheit im zweiten Wahlgang zu entscheiden, nicht billigen könnten und daß wir im Ausschuß versuchen sollten, einen anderen Weg zu gehen.
Die Argumente, die Sie heute vorgebracht haben, scheinen mir auch nicht so bedeutend und etwas weit hergeholt zu sein. Ihre Redner mußten sich nämlich in der Hauptsache mit dem Regierungsentwurf befassen und glaubten, uns etwas vorhalten zu können, was angeblich in der Giftküche einer gewissen Dienststelle produziert worden sei. Sie glaubten uns vorhalten zu müssen, wir seien von diesem Gift infiziert worden. Ich habe bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß meine Fraktion in den Verhandlungen im Ausschuß einen Weg suchen werde, der unserer Meinung nach die Rechtsstaatlichkeit unter allen Umständen garantiere und der auch der Institution des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan angemessen sein werde.

(Abg. Dr. Arndt: Der Weg ist doch viel schlimmer geworden!)

Mit diesem Gesetz ist keinerlei Angriff auf das Bundesverfassungsgericht beabsichtigt. Ich meine — das kann in diesem Zusammenhang ruhig einmal gesagt werden an sich kann die Bundesregierung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts recht zufrieden sein. Sie sind doch mit Ihren Anträgen, soweit sie politischen Inhalt haben, vor dem Bundesverfassungsgericht abgewiesen worden, und in der Saarentscheidung — worauf heute morgen hingewiesen worden ist — hat doch das Bundesverfassungsgericht erfreulicherweise die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit aufgezeigt: daß eben politische Tatbestände als solche nicht justitiabel sind.
Es geht uns nicht darum, ein Verfassungsorgan umzugestalten.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Diese Möglichkeit ist schließlich im Grundgesetz dem Bundesgesetzgeber übertragen worden. Der Bundesgesetzgeber besteht ja nicht allein aus dem Bundestag, sondern auch aus dem Bundesrat, und
der Bundestag macht nur von einem Recht Gebrauch, das ihm im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen worden ist, wenn er jetzt, nachdem sich Mißstände und Mißhelligkeiten ergeben haben, nachdem Lücken aufgetreten sind, besorgt ist, diese Lücken rechtzeitig, wo ein akuter Anlaß — das möchte ich besonders betonen — nicht besteht, zu schließen. Wir hätten es infolgedessen begrüßt, wenn es wie bei der Verabschiedung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes im 1. Bundestag möglich gewesen wäre, das Gesetz auf breitester Grundlage zu beschließen. Aber wir sind nicht der Meinung, daß wir uns nun von der guten Lösung, die wir glauben gefunden zu haben, abbringen lassen sollten. Es ist eine gute Lösung deshalb, weil wir hier einen entscheidenden Schritt vorwärts sehen dahin, daß ein Gericht, das höchste Gericht, weiter entpolitisiert wird. Das ist das Anliegen, um das es uns geht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Arndt hat die Gelegenheit der Verabschiedung dieses Gesetzes zum Anlaß genommen, allgemein auf das Verhältnis der Bundesregierung zum Bundesverfassungsgericht einzugehen, und in dem Zusammenhang behauptet, es seien unablässige Versuche festzustellen, das Bundesverfassungsgericht in seinem Rang zu mindern und seiner Herr zu werden. Nun, Herr Kollege Arndt, es ist doch nicht etwa so, daß die Bundesregierung als Prozeßpartei dem Bundesverfassungsgericht unterworfen wäre. Sie hat seinen Rechtsspruch hinzunehmen. Aber immerhin tritt auch die Bundesregierung, wenn sie das Bundesverfassungsgericht anruft, dem Bundesverfassungsgericht als Partei gegenüber und ist infolgedessen als Partei keineswegs verpflichtet, jeder Auflage des Bundesverfassungsgerichts nachzukommen. Vielmehr ist es jeder Partei unbenommen, die Gründe darzulegen, die sie veranlassen, einer Auflage nicht nachzukommen, und es ist dann, wenn man einer Auflage nicht nachkommt, Sache des Gerichts, daraus die entscheidenden Folgerungen zu ziehen. Sie haben in diesem Zusammenhang sogar das Wort vom Kalten Krieg zwischen Bonn und Karlsruhe erwähnt und sind so weit gegangen, zu behaupten, einmal habe man gezittert. Ich kann Ihnen nur sagen, daß gerade die Prozeßvertreter meiner Fraktion, die in Karlsruhe gewesen sind, den Entschluß des Herrn Bundespräsidenten, nunmehr sein Ersuchen um ein Gutachten zurückzuziehen, außerordentlich bedauert haben.

(Zurufe und Lachen bei der SPD.)

Wir haben die Situation nicht so eingeschätzt, daß wir darum hätten zu zittern brauchen. Ich brauche das hier nur zurückzuweisen.
Schließlich ist man so weit gegangen, aus dem mir bis dahin nicht bekannten Aufsatz von Dr. Marcic zu zitieren, die Gegner jeder Verfassungsgerichtsbarkeit witterten Morgenluft und dieses Gesetz gehe darauf hinaus, einen massiven Angriff gegen die Verfassungsgerichtsbarkeit zu führen. Auch wenn Sie es nur zitiert haben, ich sehe mich veranlaßt, diesen Vorwurf entscheidend zurückzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist durch das Gesetz nicht veranlaßt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben schließlich gemeint, die Lösung, die der Ausschuß und nicht die Regierung vorschlägt, sei eklatant verfassungswidrig. Herr Kollege Wahl


(Dr. Weber [Koblenz])

hat Ihnen darauf schon kurz geantwortet. Uns wäre es auch ebenso recht gewesen, wenn die Lösung, die das Grundgesetz selber vorschreibt, genommen worden wäre, daß nämlich, wenn der erste Wahlgang ohne Erfolg bleibt, das Wahlrecht an den Bundestag zurückfällt, wo dann ohne weiteres mit einfacher Mehrheit zu entscheiden wäre. Das haben wir im Ausschuß erklärt. Auch auf diesen Vorschlag, der dem Grundgesetz entspricht, ist man nicht eingegangen; da hat man sich ebenso ablehnend verhalten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Unser Bestreben ging nun dahin, den Wahlvorgang als solchen und damit das Gericht selbst möglichst aus dem Parteienstreit herauszuhalten. Deshalb der Vorschlag des Beirats; deshalb diese Leute in den Beirat hinein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es sind immerhin — Herr Wahl hat es eben schon betont — drei Präsidenten der Verfassungsgerichtshöfe der Länder, also doch Persönlichkeiten, die mit solchen Fragen, wie sie beim Bundesverfassungsgericht zu behandeln sind, vertraut sind.

(Abg. Dr. Greve: Gar nichts zu tun haben!)

— Herr Kollege Greve, Sie mögen alles abstreiten, deswegen lasse ich mich von meiner Meinung nicht abbringen, auch nicht durch Ihre Zwischenrufe.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das haben wir auch nicht erwartet! — Lachen bei der SPD.)

Es sind weiter zwei Präsidenten der Oberen Bundesgerichte, die, das hat auch Herr Kollege Wahl schon betont, schließlich durch ein Wahlmännergremium unter Mitwirkung von Mitgliedern dieses Hauses in diese Ämter hineingewählt worden sind. Und schließlich sind es zwei Professoren, Lehrer des öffentlichen Rechts, die von den Dekanen, also einem durchaus unpolitischen Gremium, aber einem Gremium, das auch in diese Dinge Einsicht hat, gewählt werden. Deshalb ist nach meiner Meinung gerade durch diesen Beirat sichergestellt, daß eine Wahl erfolgt, die uns dem Ziel, das Bundesverfassungsgericht zu entpolitisieren, näherbringt. Deshalb werden wir mit gutem Gewissen auch dieser Bestimmung des Gesetzes und dem Gesetz im ganzen zustimmen.

(Lebhafter Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215008500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0215008600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen Herrn Kollegen Dr. Weber und meinen Freunden und mir besteht eben ein grundlegender Unterschied insofern

(Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Allerdings!)

— daß Sie mir schon Beifall klatschen, bevor Sie wissen, was ich überhaupt gesagt habe, ist außerordentlich nett von Ihnen —, als Herr Kollege Dr. Weber von vornherein das Bundesverfassungsgericht überhaupt, wie er sagt, entpolitisieren will, und glaubt, zu diesem Zweck auf die Mitwirkung des Bundestags bei der Richterwahl verzichten zu sollen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Aber Herr Greve!)

— Jawohl, Herr Kollege Weber, das ist in Ihren Äußerungen heute morgen zum Ausdruck gekommen; das ist auch jetzt zum Ausdruck gekommen. Sie haben eben wieder darauf hingewiesen, wie neutral die sieben Männer des Beirats seien und welch inneren Wert sie schon von selbst haben.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Und wie geeignet!)

— Wie geeignet sie sind! Ja, Herr Kollege Dr. Weber, wenn Sie meinen, daß die Mitglieder des Wahlmännergremiums Ihrer Fraktion nicht entsprechend geeignet sind, Verfassungsrichter zu wählen, dann bleibt es Ihnen unbenommen, geeignete Mitglieder in das Wahlmännergremium zu entsenden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Meine Fraktion scheint nicht diese Auffassung zu vertreten, daß die von ihr in das Wahlmännergremium entsandten Mitglieder ungeeignet für die Wahl von Verfassungsrichtern seien. Damit, daß jemand Lehrer des öffentlichen Rechts an einer deutschen Universität oder Präsident eines Verfassungsgerichts oder Präsident eines Oberen Bundesgerichts ist, ist er nach unserer Auffassung noch nicht a priori geeignet, solche Funktionen auszuüben, wie Sie sie von ihm ausgeübt wissen möchten. Es handelt sich hier um politische Funktionen von Verfassungsorganen, und in diesen politischen Funktionen von Verfassungsorganen wünschen wir keine Zensoren außerhalb dieses Hauses. Solche würde es aber geben, wenn wir dem Beirat zustimmten.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Herr Kollege Dr. Arndt gesagt hat, daß ein bestimmter politischer Akt der Bundesregierung als verwerflich und unverantwortlich bezeichnet werden muß, hat er meines Erachtens damit durchaus das Richtige getroffen. Der Herr Bundesminister der Justiz kann doch unsere Bedenken nicht damit aus dem Wege räumen, daß er uns hier sagt, was die Bundesregierung Gutes mit diesem Gesetz erreichen will. Er muß doch bedenken, daß schließlich auch wir in der Lage sind, die Hintergedanken und Hintergründe zu erkennen, die bei der Bundesregierung vorhanden gewesen sind, als diese Regierungsvorlage ausgeheckt worden ist. Ich will mich nicht noch einmal dazu verleiten lassen, das so zu schildern, wie ich es heute morgen getan habe.
Herr Kollege Weber hat gesagt, unsere Argumente seien auch nicht so bedeutend, und sie seien weit hergeholt gewesen. Nun, Herr Kollege Weber, es kommt gar nicht darauf an, ob unsere Argumente bedeutend sind oder nicht, sondern es kommt darauf an, ob sie richtig sind oder nicht,

(Beifall bei der SPD)

und weit hergeholt sind sie auch nicht, sondern sie liegen geradezu auf dem Tisch; wir brauchten sie nur aufzugreifen.
Welche Unruhe in Ihren Reihen Platz gegriffen hat, ist heute vor der ganzen Öffentlichkeit demonstriert worden. Herr Kollege Weber, Sie legen immer soviel Wert auf neutrale Beobachter politischer Vorgänge. Ein neutraler Beobachter der Vorgänge der heutigen Plenarsitzung wird zweifelsohne zu der Auffassung kommen, daß hier ein Spiel getrieben wird, das verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich nicht zu verantworten ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Es kommt auch gar nicht darauf an, ob wir bisher mit den Entscheidungen des Bundesverfas-


(Dr. Greve)

sungsgerichts zufrieden gewesen sind oder ob wir nicht zufrieden gewesen sind. Meine Partei und meine Fraktion haben die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts respektiert, und darum handelt es sich. Das hat die Bundesregierung aber nicht getan.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Herr Kollege Dr. Arndt hat darauf hingewiesen, daß in Aussicht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Bundesregierung den Herrn Bundespräsidenten veranlaßt hat, etwas zu tun, was weder politisch noch verfassungsmäßig notwendig war.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wenn Ihnen das auch nicht gefällt, so muß es Ihnen doch so oft gesagt werden, bis Sie endlich wissen, wie wir diese Vorgänge post festum beurteilen. Dafür sprechen Sie von Kaltem Krieg, und dafür sprechen Sie von Dingen, die mit den eigentlichen Aufgaben überhaupt nichts zu tun haben.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Herr Arndt hat das getan!)

Hier handelt es sich heute darum, ob ein Wahlmodus gefunden wird, dem die überwiegende Mehrheit dieses Parlaments die Zustimmung geben kann, oder nicht. Nach dem, was Sie hier heute gehört haben, meine Damen und Herren, scheinen Sie doch nur auf eine sehr knappe Mehrheit hinauszukommen. Ich weiß, Herr Kollege Weber, das wird Ihnen genügen. Ein Kollege Ihrer Fraktion war es, der uns einmal entgegengerufen hat: Und wenn noch so gewichtige Argumente gegen uns sprechen, das kann uns nicht hindern, unsere politische Macht so zu gebrauchen, wie wir es für richtig halten. Darauf läuft es auch heute hinaus, Herr Kollege Weber.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Kunze [Bethel] : Das ist ein grober Mißbrauch einer mißverständlichen Äußerung!)

Sie wollen über den schmalen Pfad, den Sie jetzt zu gehen vorhaben, Bestimmungen in das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht hineinbringen, die sehr, sehr bedenklich sind, von denen S i e auf die Dauer nichts haben werden, von denen w i r auf die Dauer auch nichts haben werden. Wir fühlen uns jedenfalls mitverantwortlich für das Bundesverfassungsgericht.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Wir auch!)

— Das scheint mir aber sehr zweifelhaft zu sein. Denn wenn Sie sich in gleicher Weise verantwortlich fühlen, Herr Kollege Weber, dann dürfen Sie den Weg nicht zu Ende gehen, den Sie beschritten haben gegen alle Fraktionen dieses Hauses. Sie allein, die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, werden es zu verantworten haben, ob sich das, was Sie hier auf Weisung Ihres Herrn Bundeskanzlers tun,

(Oh-Rufe von der Mitte)

bewähren wird oder nicht.

(Stürmischer Beifall bei der SPD. — Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Herr Kollege Wahl hat die Katze aus dem Sack gelassen. Sie sollen ja sagen, meine Herren; sagen Sie ruhig ja. Die Verantwortung für das, was verfassungspolitisch und -rechtlich aus dieser Ihrer Entscheidung herauskommt,

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Sie verdrehen die Entscheidung!)

tragen Sie allein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215008700
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat das Wort.

(Abg. Mellies: Auf Befehl von Staatssekretär Strauß spricht der Herr Vertreter des Bundeskanzlers! — Abg. Neubauer: Herr Blücher legt ein Straußenei!)

Dr. h. c. Blücher: Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Ich finde zwar die Bemerkung des Herrn Zwischenrufers nicht geschmackvoll, aber ich werde trotzdem nicht darauf antworten. Ich habe nur eine Aufgabe, die Sie immerhin anzuerkennen haben, wenn es überhaupt eine Möglichkeit einer ruhigen und sachlichen Auseinandersetzung geben soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe einer falschen Darstellung, die eben zweimal gegeben worden ist, aus intimster Sachkenntnis im Namen der Bundesregierung nachdrücklich entgegenzutreten.
Der Herr Bundespräsident hat seinerzeit seine Entscheidung, den Antrag auf Erstattung eines Gutachtens zurückzuziehen, aus eigener Initiative getroffen, und zwar bevor der Herr Bundeskanzler irgendwie mit ihm Rücksprache genommen hatte. Ich möchte das ausdrücklich feststellen,

(Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

erstens, damit dieser Gegenstand endlich aus dem Streit herauskommt, und zweitens, weil ich glaube, auch in Übereinstimmung mit Ihnen zu sein, wenn ich sage, daß es bisher nicht üblich gewesen ist, Gegenstände, die sich mit der Person des Bundespräsidenten befassen, ohne sehr ausreichende Abklärung des tatsächlichen Sachverhalts hier anzusprechen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Greve: Sie sollten doch noch zu der zweiten Frage Stellung nehmen; das haben Sie offenbar vergessen! — Zurufe von der Mitte. — Abg. Dr. Greve: Sie haben bloß zu einer Frage Stellung genommen!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215008800
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0215008900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärung, die Herr Bundesminister Blücher soeben abgegeben hat, stößt völlig ins Leere.

(Widerspruch in der Mitte.)

Ich bitte Sie, meine Rede nachzulesen. Ich bin der letzte, der den Herrn Bundespräsidenten in diesem Haus anspricht. Weil der Herr Bundespräsident in diesem Hause nicht redebefugt ist, würde es unangemessen sein, von seiner Rolle als Staatsoberhaupt ganz abgesehen, ihn etwa hier irgendwie in das Gespräch hineinzubringen.
Ich habe etwas ganz anderes gesagt. Ich habe gesagt, daß der Herr Bundeskanzler mit zwei Staatssekretären sich anheischig gemacht hat, dem Herrn Bundespräsidenten zu beweisen, daß ein Plenarbeschluß des Bundesverfassungsgerichts juristisch falsch sei,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und das weiß ich, und das ist von Ihnen nicht widerlegt. Das ist das eine, was ich feststellen möchte.


(Dr. Arndt)

Das andere: Der Herr Bundesminister der Justiz hat gesagt, es verbinde ihn ein so ausgezeichnetes Vertrauensverhältnis zu dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Ich bitte den Herrn Bundesminister der Justiz, mir eine Frage zu beantworten. Hat der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts von dem Vorhaben der Bundesregierung, den Wahlmodus zu ändern, Kenntnis erlangt, bevor die Bundesregierung es endgültig beschlossen hatte oder erst nachher?

(Abg. Dr. Greve: Hic Rhodus, hic salta, Herr Neumayer! — Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Es lag die Äußerung Herrn Dr. Höpker-Aschoffs vor!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215009000
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Zur Abstimmung!)

— Einen Augenblick! Meine Damen und Herren, ich schließe damit die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung. Es liegt der Antrag vor, — —

(Zuruf von der SPD: Wir haben den Herrn Justizminister nicht gehört!)

— Ich stelle fest, daß weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache nicht vorliegen und daß diese Aussprache deshalb geschlossen ist.

(Unruhe und weitere Zurufe von der SPD.)

— Ich muß doch bitten, meine Damen und Herren, daß Sie mich reden lassen; wir müssen ja schließlich weiterkommen.
Es sind hier erneut die Änderungsanträge eingebracht, die Ihnen aus der zweiten Lesung bekannt sind.
Ich rufe auf zunächst den Änderungsantrag auf Umdruck 647*) Ziffer 1 zu § 2 des Art. I der Vorlage. Ich frage, ob dazu das Wort zur Begründung gewünscht wird.

(Zurufe: Nein!)

— Es wird verzichtet.
Nun zur Abstimmung. Herr Abgeordneter Dr. Weber, wollten Sie dazu sprechen?

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Zu diesem Punkt noch nicht, zum dritten Punkt!)

— Erst zur Schlußabstimmung.
Ich rufe auf zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 647 Zifferl. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 647 Ziffer 2; er bezieht sich auf § 6 Abs. 4. Ich nehme an, daß auch hier auf Begründung verzichtet wird. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 647 Ziffer 3, der sich auf § 7 a bezieht. Auch hier wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Nunmehr zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Weber!
*) Siehe Anlage 4.

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0215009100
Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

(Zurufe von der SPD: Das ist gut! — Das ist sehr gut!)

— Wir haben den Mut!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215009200
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

(Einsammeln der Stimmkarten. — Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215009300
Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied des Hauses, das sich an der Abstimmung zu beteiligen wünscht, seine Stimmkarte noch nicht abgegeben?

(Zuruf: Es haben noch ein ganze Reihe nicht abgegeben!)

— Dann bitte ich, sich ein wenig zu beeilen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Nachzügler können ihre Stimmkarte noch am Zähltisch abgeben.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir, solange ausgezählt wird, in der Tagesordnung fortfahren.
Ich rufe auf Punkt III der Tagesordnung.

(Zuruf von der SPD: Es ist doch unmöglich, bei diesem Zustand die Haushaltsberatung zu machen!)

— Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß man bei diesem Zustand des Hauses nicht gut den Haushaltsplan beraten kann. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Es ist der Sinn der Sessel in diesem Saale, daß man sich darauf setzt.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, ich bin' zu meinem Bedauern nicht in der Lage, in der Tagesordnung fortzufahren. Es liegt mir fern, Ihr Bedürfnis nach Unterhaltung stören zu wollen, aber — —

(Zuruf von der SPD: Unterbrechen Sie doch die Sitzung!)

Herr Abgeordneter Sabel, wir haben draußen ausgezeichnete Wandelhallen. Dort ist Gelegenheit zu plaudern. Man kann sogar dabei sitzen.
Ich rufe auf Punkt III der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs einer Ergänzung zum Entwurf eines Vierten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 für die Einzelpläne 14 und 35 (Drucksache 2512).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diese Vorlage ohne eine besondere Begründung entgegenzunehmen und ohne Aussprache an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf Punkt IV der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die am 22. März 1956 in


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich (Drucksache 2333);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 2440, zu 2440).

(Erste Beratung: 145. Sitzung.)

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Neuburger. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0215009400
Meine Damen und Herren, den Bericht habe ich schriftlich*) erstattet; er liegt allen Abgeordneten vor. Ich möchte im Interesse der Beschleunigung auf diesen Bericht verweisen. Ich bitte, den Gesetzentwurf in der Form anzunehmen, wie er vom Ausschuß einstimmig beschlossen wurde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215009500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Ich rufe auf § 1 — keine Wortmeldungen, — § 2, — § 3, — § 4, — § 5, — § 6, —Einleitung und Überschrift. — Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.
Zur
dritten Beratung
liegen keine Anträge vor. Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. — Wünschen Sie das Wort zur Abstimmung, Herr Abgeordneter Neuburger? Sie sitzen so sprungbereit da.

(Abg. Neuburger: Nein!)

Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich danke Ihnen. Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt V:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz-Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz-Corporation und im Internationalen Währungsfonds (Drucksache 2328);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuß) (Drucksache 2446)**).

(Erste Beratung: 145. Sitzung).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Kirchhoff. — Er verzichtet auf Berichterstattung. Das Haus verzichtet ebenfalls auf Entgegennahme einer Berichterstattung? — Dann kommen wir zur zweiten Beratung. Ich rufe auf Artikel 1, — 2, — 3, — 4, —5, — 6, — 7, — Einleitung und Überschrift. — Wer diesen Bestimmungen seine Zustimmung geben will, der möge die Hand erleben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest und schließe die zweite Beratung.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor; wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. — Ich danke Ihnen. Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Bevor wir zu Punkt VI, zur Haushaltsberatung, kommen, möchte ich die namentliche Abstimmung schließen und das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung*) bekanntgeben. Es haben sich an der Abstimmung beteiligt 378 stimmberechtigte Abgeordnete und 18 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 205 stimmberechtigte Abgeordnete, 7 Berliner Abgeordnete, mit Nein 167 stimmberechtigte Abgeordnete, 10 Berliner Abgeordnete; 6 stimmberechtigte Abgeordnete, 1 Berliner Abgeordneter haben sich der Stimme enthalten. Damit ist das Gesetz beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt VI der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900);
Berichte des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) (Drucksachen 2450 bis 2480).
Ich schlage vor, daß wir Einzelplan 05 vorziehen. Der Herr Bundesaußenminister ist morgen offenbar verhindert. — Abgeordneter Rasner, haben Sie einen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen? Dann bitte ich Sie, sich an das Pult zu bemühen.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0215009600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu verfahren, wie vorgesehen: den Etat des Herrn Bundeskanzlers vor dem Etat des Herrn Bundesaußenministers zu behandeln.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215009700
Sie meinen den Einzelplan 04?

(Abg. Rasner: Ja!)

Das Wort hat der Abgeordnete Mellies zur Geschäftsordnung.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0215009800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zunächst einmal festzustellen, ob es auch mit Rücksicht auf die Dispositionen der anderen Fraktionen möglich ist, eine solche Verschiebung durchzuführen. Es wäre doch wünschenswert und es wäre doch sicher keine Schwierigkeit, wenn man sich mindestens einen halben Tag vorher über solche Dinge verständigte.

(Abg. Rasner: Man hat sich verständigt! Ich bin in Übereinstimmung mit den Wünschen Ihrer Fraktion!)

— Tut mir sehr leid. Ich höre eben gerade, daß eine Verständigung nicht stattgefunden hat.

(Abg. Rasner: Herr Präsident!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215009900
Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0215010000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute morgen mit dem Kollegen Menzel über die Reihenfolge gesprochen und von Herrn Kollegen Menzel erfahren, daß auch
') Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8037.


(Rasner)

die sozialdemokratische Fraktion Wert darauf legt, heute unter allen Umständen noch den Einzelplan 04 zu hören.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch etwas ganz anderes! — Abg. Dr. Klötzer: Außerdem sind ja mehr Fraktionen im Hause!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215010100
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Menzel.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0215010200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß hier offensichtlich ein mir gar nicht verständliches Mißverständnis entstanden ist. Herr Kollege Rasner hatte gebeten, heute den Einzelplan 06 zu behandeln, weil der Herr Innenminister morgen verhindert sei. Ich habe erklärt, daß, wenn es sich heute einrichten ließe, wir erfreut sein würden, heute mit der Debatte so weit zu kommen. Über den Einzelplan des Herrn Außenministers ist gar nicht gesprochen worden.

(Zuruf von der Mitte: Nein, 04! — Abg. Dr. Krone: 04 ist Bundeskanzleramt!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215010300
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist nun genug zu diesem Punkt gesprochen worden. Es ist der Vorschlag gemacht worden, den Einzelplan 04 vorzuziehen. Wer diese Geschäftsbehandlung wünscht, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Dann werden wir so verfahren.
Ich möchte um der guten Ordnung der Debatte willen zunächst einige Verfahrensvorschläge machen. Ich schlage Ihnen vor — ganz allgemein und unabhängig vom Aufruf des Einzelplanes 04 —, daß das Haushaltsgesetz und die Berichterstattung dazu erst am Schluß der zweiten Beratung vorgenommen und daß zunächst die Einzelpläne beraten werden. Ich werde dann so verfahren, daß ich zunächst den Einzelplan aufrufe und dann dem Herrn Berichterstatter das Wort erteile, vorausgesetzt, daß das Haus nicht auf Berichterstattung verzichten sollte. Danach werde ich die Aussprache eröffnen und Änderungsanträge, falls solche vorliegen sollten, bekanntgeben. Zu den einzelnen Änderungsanträgen erteile ich das Wort. Dann wird eine allgemeine Aussprache über den Einzelplan stattfinden, falls das Wort dazu gewünscht werden sollte. Nach Schluß der Aussprache stimmen wir über die Änderungsanträge und dann über den Einzelplan im ganzen ab, sei es in der Fassung der Änderungsanträge, sei es in der Fassung des Ausschußantrages. Über die Entschließungen werden wir erst in der dritten Beratung abstimmen, jedoch könnte die Begründung dazu schon in der zweiten Lesung gegeben werden. Vielleicht vereinfachen wir damit das Verfahren.
Ich rufe auf
Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 2453, Umdrucke 634, 653).
Herr Abgeordneter Schoettle, wollen Sie das Wort zur Geschäftsordnung?

(Abg. Schoettle: Nein, zur Beratung des Haushaltes im ganzen wollte ich das Wort!)

— Bitte, dann erteile ich Ihnen das Wort.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0215010400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte um die Erlaubnis gebeten, bevor wir in die eigentliche Haushaltsberatung
eintreten, eine Angelegenheit hier zur Sprache zu bringen, von der meine politischen Freunde überzeugt sind, daß sie dieses Haus wissen muß. Mit dem Datum vom 8. Juni 1956 hat der Herr Bundeskanzler an den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in diesem Hause, Herrn Erich Ollenhauer, einen Brief gerichtet, von dem wir annehmen, daß er im gleichen Wortlaut auch an die Vorsitzenden anderer Fraktionen gegangen ist. Ich möchte diesen Brief mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten dem Hause zur Kenntnis bringen, ehe ich einige Bemerkungen daran knüpfe. Es heißt da:
Sehr geehrter Herr Ollenhauer!
Bereits in meinem Schreiben vom 15. März 1956 habe ich darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung bei Beschlüssen des Bundestags, welche die Ausgaben des Haushaltsplans erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen, unter Umständen von den Befugnissen des Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch machen muß. In der Zwischenzeit sind Entscheidungen getroffen worden, die sehr erhebliche Mehrausgaben zur Folge haben. Die Bundesregierung hat deshalb in der Kabinettssitzung am 15. Mai 1956 beschlossen, daß sie bei den Beschlüssen des Bundestags, die über das im Haushaltsplan 1956 enthaltene Ausgabeprogramm hinausgehen, die Zustimmung nach Art. 113 des Grundgesetzes verweigern wird.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener Dr. Adenauer (Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich bin der Meinung — und mit mir meine politischen Freunde —, daß es sich hier um einen Vorgang von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Zunächst muß da ein Mißverständnis aufgeklärt werden. Im Brief des Herrn Bundeskanzlers wird vom Haushaltsplan 1956 gesprochen. Solange der Haushaltsplan von diesem Hause nicht verabschiedet ist, handelt es sich um einen Entwurf der Bundesregierung, der der gesetzgebenden Körperschaft, nämlich diesem Hause, zur weiteren Bearbeitung überwiesen worden ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Das Haus nimmt sein Budgetrecht wahr; wenn es diesen Haushaltsplan entweder in seinen Ausschüssen oder hier im Plenum in der vorgeschriebenen Form berät. Die Bundesregierung steht in ihrem eigenen Recht, wenn sie von den ihr im Grundgesetz gegebenen Mitteln Gebrauch macht. Dazu gehört auch der Art. 113 des Grundgesetzes. Aber in eine Korrespondenz mit den Vorsitzenden der Fraktionen einzutreten und dem Hause anzudrohen, daß gegebenenfalls von Art. 113 Gebrauch gemacht wird, ist nach unserer Meinung der Versuch, dieses Haus unter einen unerträglichen Druck bei der Wahrnehmung seines Budgetrechts zu setzen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Mellies: Das ist Erpressung!)

Die Bundesregierung hat nach der Verabschiedung ihres Haushaltsentwurfs im Kabinett und während der Beratungen des Entwurfs in diesem Hause eine Reihe von weittragenden finanziellen Beschlüssen gefaßt und ihre Eingliederung in den Haushaltsplanentwurf durch Überweisung ihrer


(Schoettle)

Vorlagen an dieses Haus herbeigeführt. Wenn dieses Haus unter dem Druck der Drohung der Bundesregierung darauf verzichten wollte, seinerseits den Haushaltsplan nach den in diesem Hause geltenden politischen Gesichtspunkten zu gestalten, dann würde es darauf verzichten, von seinem wichtigsten Recht Gebrauch zu machen. Ich bitte das Haus, diesen Weg nicht zu gehen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215010500
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0215010600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat sich mit dem Art. 113 des Grundgesetzes beschäftigt

(Zuruf von der SPD: Der Kanzler!)

— aber auch der Herr Vorredner —

(Abg. Schoettle: Ich mußte ja notgedrungen!)

— selbstverständlich — und seiner eventuellen Anwendung.

(Abg. Mellies: Nicht mit Art. 113, sondern mit dem Brief des Bundeskanzlers!)

— Mit dem Brief des Bundeskanzlers, ganz richtig, und infolgedessen auch mit der Stellungnahme der Bundesregierung zur Anwendung des Art. 113 des Grundgesetzes. Der Art. 113 des Grundgesetzes ist von dem Verfassungsgesetzgeber, dem Schöpfer des Grundgesetzes, doch aus den Erfahrungen der Zeit vor Bestehen des Grundgesetzes eingeführt worden, um Erscheinungen, die vor Bestehen des Grundgesetzes auf finanziellem Gebiet im deutschen Staatsleben eingetreten waren, möglichst zu verhindern. Der Verfassungsgesetzgeber war sich der Pflicht bewußt, der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Sparer möglichst einen Garanten für den Wert des Geldes und die Kaufkraft der Mark zu geben. Dazu gehört selbstverständlich ein abgeglichener Haushalt. Der Art. 113 des Grundgesetzes ist am besten im Zusammenhang mit Art. 110 des Grundgesetzes zu verstehen. Der Verfassungsgesetzgeber hat die Pflicht der Bundesregierung, die Pflicht jeder Regierung betont,

(Abg. Dr. Menzel: Wie ist das mit den Stationierungskosten?)

bei all ihren Maßnahmen — das gilt für sämtliche Gebiete — daran zu denken, daß die Beschlüsse des Bundestags und die Beschlüsse des Bundesrats unter dem Gesichtspunkt der Abgleichung des Haushalts, der Wahrung der Grundlage des Haushalts, auch als Grundlage ,der Währung, betrachtet werden müssen. Infolgedessen sieht Art. 113 des Grundgesetzes vor, daß solche Beschlüsse der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen, weil die Verfassung bei der Bundesregierung das Pflichtbewußtsein voraussetzte, daß sie die Wahrung der Währung des deutschen Volkes als eine ihrer ersten und obersten Aufgaben betrachtet. Wenn die Gefahr besteht, daß die Anwendung des Art. 113, die bisher in einem einzigen unbedeutenden Fall — —

(Abg. Mellies: Haben Sie aber Maßstäbe! — Abg. Dr. Keller: So unbedeutend war er auch wieder nicht!)

— Wissen Sie, welchen Fall ich meine? — Sie erinnern sich gar nicht mehr daran; er war so unbedeutend, daß Sie ihn gar nicht mehr kennen.

(Abg. Mellies: Kriegsgefangenenentschädigung!)

Der Art. 113 des Grundgesetzes ist bisher in einem einzigen Fall angewandt worden,

(Zuruf von der SPD: Welcher war es denn?)

und ich wäre dankbar, wenn der Art. 113 möglichst überhaupt nicht angewendet zu werden bräuchte, weil sich die gesetzgebenden Körperschaften, Bundesrat und Bundestag, ihrer Verantwortung, die sich aus Art. 110 des Grundgesetzes ergibt, bewußt sind, wie jeder, der an der deutschen Gesetzgebung mitarbeitet, sich dieser Pflicht bewußt sein muß.

(Abg. Wehner: Für die Bundesregierung gilt das auch!)

Der Bundesregierung ist in Art. 113 des Grundgesetzes — darum geht es ja — eine besondere Pflicht auferlegt, eine Pflicht, die dann gewahrt werden muß, wenn die Grenzen des Art. 110 von den gesetzgebenden Körperschaften, Bundestag und Bundesrat, überschritten werden. In diesem Fall hat die Bundesregierung die Pflicht, den Art. 113 anzuwenden. Wenn sie solche Gefahren kommen sieht, heißt es nicht, jemanden zur Verantwortung ziehen, sondern heißt es, einen Appell an eine gemeinsame deutsche Zusammenarbeit, einen Appell für ein Zusammenwirken aller politisch verantwortlichen Kräfte richten,

(Zuruf von der SPD)

in möglichst größter Harmonie den Sinn der Verfassung zu wahren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das geht am Thema vorbei!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215010700
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0215010800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes verfassungsmäßige Organ steht in seinem eigenen Recht und hat seine eigenen Funktionen und verfassungsmäßigen Aufgaben zu seiner Zeit. In der Absicht, die Währung stabil zu erhalten und nicht zu gefährden, sind sich wohl alle in diesem Hause einig. Einer Mahnung in dieser Richtung bedarf es auch vom Herrn Bundesfinanzminister nicht.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Auf der anderen Seite hat doch wohl auch dieses Haus die Verpflichtung, innerhalb der Haushaltsberatungen nach einem Ausgleich des Haushalts zu suchen. Die Bundesregierung, die sieben Jahre lang den Art. 113 nicht angewandt hat und es sieben Jahre lang nicht für notwendig gehalten hat, das Haus in dieser Weise unter Druck zu setzen, sollte sich dann, wenn das Parlament seine haushaltsrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat, fragen, ob sie den Art. 113 anwenden soll. Sie soll dann den politischen Mut haben, es zu tun, und soll nicht schon in diesem Augenblick, wo wir uns anschicken zu beraten, den Knüppel des Art. 113 schwing en.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215010900
Weitere Wortmeldungen zu diesem Teil der Aussprache liegen nicht vor.
Wir werden nunmehr die Änderungsanträge begründen lassen, die Sie auf Umdruck 634 und auf Umdruck 653 finden.
Das Wort zur Begründung der Änderungsanträge Umdruck 634* hat der Abgeordnete Kühn.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215011000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist meine Aufgabe, Ihnen hier die Änderungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion zum Etat des Herrn Bundeskanzlers vorzutragen, d. h. die Änderungsanträge zu dem jährlich mehr und mehr anschwellenden Propagandaapparat der Bundesregierung.
Ich will beginnen mit dem Kap. 04 03 Tit. 309. Das ist der Titel „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen!"

(Zuruf von der SPD: Das ist eine Wahlpropaganda!)

Die Bundesregierung hat eine merkwürdige, wenn auch verständliche Vorliebe für, ich möchte sagen, terminologische Camouflagen, für Tarnformeln. Wofür Bismarck in schlichter Kürze „Reptilienfonds" gesagt hat, finden wir bei der Bundesregierung den Namen „Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens". Auch bei dem Tit. 309 sollte man für die da gegebene Titulierung eigentlich etwas anderes sagen. Es heißt: „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen". Man sollte es schlicht und nüchtern „Wehrpropaganda" nennen.

(Zuruf von der SPD: Wahlpropaganda!)

Ich finde, „Öffentlichkeitsarbeit" ist ohnehin ein Begriff, der dem öffentlichkeitsscheuesten Minister, Herrn Blank, wenig auf den Leib geschrieben ist. Es geht um Wehrpropaganda.

(Erneute Zurufe von der SPD: Wahlpropaganda!)

7,8 Millionen sind dafür vorgesehen.
Wir verstehen die Höhe der Summe. Wir vermuten sogar, daß der Herr Verteidigungsminister mit dieser Summe nicht auskommen wird, daß seine Wehr-Werbepsychologen sehr viel mehr brauchen werden und daß es zu Forderungen aus außerplanmäßigen und überplanmäßigen Mitteln kommen wird, so wie wir dies im Rechnungsjahr 1954 bereits einmal mit 2 Millionen DM erlebt haben, die zur „Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Ziele und Auswirkungen der Pariser Verträge" gefordert wurden.
Die 7,8 Millionen werden nicht ausreichen. Diese Erkenntnis wird die Regierung leicht gewinnen können, wenn sie sich der Ergebnisse bedient, die sie aus dem Tit. 304 gewinnen kann: „Erforschung der öffentlichen Meinung". Zu diesem Titel finden Sie die Zweckbestimmung:
Die lebhafte politische Entwicklung bedingt fortlaufend eine besonders eingehende Beobachtung der öffentlichen Meinung von seiten der Bundesregierung.
Ich glaube, daß die Bundesregierung sich in der Tat die Ergebnisse dieser Meinungsforschung einmal ansehen sollte. Dann würde sie beispielsweise nicht zu einem Ergebnis kommen, wie es im Bul*) Siehe Anlage 7.
letin veröffentlicht worden ist, wo es heißt: „Wir wissen, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes eine Wehrpflicht befürwortet."
Wenn die Bundesregierung sich beispielsweise die Ergebnisse der EMNID-Forschung von Januar bis Juni zu eigen machte, würde sie erkennen, daß dies einfach eine massiv unrichtige Information ist. Ich glaube, die EMNID-Ergebnisse werden Ihnen sagen, daß das Bekenntnis zur Wehrpflicht, ich möchte sagen, eine Konzeption der alten Herren ist; denn lediglich unter den über 65jährigen haben sich 52 % der Befragten für die allgemeine Wehrpflicht ausgesprochen. Bei der Jugend unter 30 ist es weniger als ein Viertel.
Die Tatsachen, die Sie aus der Meinungsforschung entnehmen können, legen Ihnen also in der Tat die Notwendigkeit auf, einen großen Betrag für Wehrpropaganda einzusetzen. Wofür er gebraucht werden soll, auch das sagt uns das Bulletin. Dort heißt es beispielsweise: „Eine allgemeine Wehrpflicht macht das Volk mit dem Ordnungsdenken auch in der Katastrophe vertraut." Im Bulletin heißt es weiter: Die Bundeswehr soll „als politische Armee im Kalten Krieg" aufgebaut werden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das alles soll hier geistig aus dem Titel vorbereitet werden, der uns als „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen" vorgelegt wird. Ohne massive Propaganda werden Sie dem Volk nicht plausibel machen können, warum Sie in einer Zeit beginnender allgemeiner Abrüstung stehender Massenheere mit der Aufrüstung einer solchen Massenarmee beginnen wollen, warum Sie im Augenblick, wo die anderen von der Wehrpflicht heruntergehen, dieses Pferd besteigen. Sie werden von uns nicht erwarten — mehr möchte ich zu diesem Titel nicht sagen —, daß wir Ihnen die Mittel bewilligen, die für die Propaganda einer Politik notwendig sind, die wir für falsch und verhängnisvoll halten. Deshalb verlangt unser Antrag die Streichung dieser Mittel. Wir bitten das Haus, diesem Antrag stattzugeben.
Eine weitere Position, zu der wir einen Änderungsantrag vorzutragen haben, finden Sie im Einzelplan 04 bei dem Kapitel „Bundesnachrichtendienst". Nachrichtendienste sind notwendige Übel. Man sollte den Akzent dabei nicht so sehr auf das Adjektiv „notwendig" legen, daß man darüber das Substantiv „Übel" vergißt. Nehmen wir also den Bundesnachrichtendienst als Bestandteil des Instrumentariums der Unzulänglichkeit im menschlichen Leben. Ein besonderes Bedenken, das wir im Zusammenhang mit ihm nicht diskutieren, das wir nur ansprechen möchten, ist, daß dieser Bundesnachrichtendienst aus einem Instrument entstanden ist, das vorher in fremden Diensten stand, ein militärisch-politisch ausländischer Nachrichtendienst war. Wir hätten es für glücklicher befunden, den Neuaufbau eines neuen Dienstes zu vollziehen und nicht zu viel aus dem alten zu übernehmen.
Wir möchten in der Haushaltsberatung bei diesem Punkt das grundsätzliche Anliegen vortragen: daß bei allen Dingen, für die wir Geld bewilligen — so auch bei einem solchen Kapitel, das seine Delikatesse hat wie der Nachrichtendienst —, der Grundsatz möglichst weitgehender Öffentlichkeit vorherrschen sollte. Leider haben wir in der Bundesrepublik nicht wie in den Vereinigten Staaten für den Nachrichtendienst eine ordentliches Gesetz.


(Kühn [Köln])

Die Regierung ist der Auffassung, daß sie seine Organisation allein im Rahmen der ihr zustehenden Ordnungsgewalt durchführen kann. Das kann sie — das kann nicht bestritten werden —; aber wir bedauern, daß dies nicht auf der Grundlage eines ordentlichen Gesetzes erfolgt ist.
Angesichts unseres Grundsatzes der parlamentarischen Kontrolle haben wir mit Genugtuung festzustellen, daß auf Drängen aus sozialdemokratischen Kreisen dieser Nachrichtendienst wenigstens einen ordentlichen Haushalt bekommen hat. Dieser Haushalt sollte so ausführlich und durchsichtig sein, wie es der Charakter dieser Tätigkeit nur eben erlaubt. Darüber hinaus sollte eine demokratische Kontrolle in diesem Dienste soweit wie möglich ausgeübt werden.
Zu einem solchen Instrument hat jede Fraktion des Bundestages ein Mitglied bestellt. Dieses aus den Fraktionen des Hauses gebildete Gremium sollte aber nicht nur in einem allgemeinen, an der Oberfläche bleibenden Sinn informiert werden, sondern es sollte ihm ein möglichst weitgehender Einblick auch in die laufende Arbeit eines solchen Dienstes möglich sein. Der Herr Bundeskanzler und sein effektiver Stellvertreter, Herr Globke, sollten ihrer Neigung zum demokratischen Minimalismus möglichst viel Gewalt antun, damit dieses Gremium besonders ausgewählter Parlamentarier nicht etwa nur ein parlamentarisches Feigenblatt an dieser Dienststelle bleibt.
Schließlich wünschen wir aus dem gleichen Grundsatz der parlamentarischen Kontrolle die Einschaltung des Haushaltsausschusses. Unter Ziffer 5 unseres Änderungsantrages finden Sie folgende Formulierung für den letzten Absatz des Haushaltsvermerks in Tit. 300:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Wir erwarten von der politischen Einsicht der Mehrheit des Hauses in die Notwendigkeit, daß ein solch delikates Instrument der Politik, wie es ein Nachrichtendienst nun einmal ist, von dem Vertrauen der Gesamtheit des Parlaments getragen wird, Ihre Zustimmung zu diesem unseren Antrag. Nur so könnte auch unsere ernste Besorgnis, daß er als Instrument der Innenpolitik mißbraucht werden könnte, auf ein Minimum reduziert werden.
Nun lassen Sie mich einiges zu den Änderungsanträgen sagen, die den allgemeinen Informationshaushalt, die allgemeine Informationspolitik der Bundesregierung betreffen. Der Haushalt des Presse- und Informationsamtes kann nicht ohne eine allgemeine Diskussion der Presse- und Informationspolitik der Bundesregierung behandelt werden. Die zeitliche Einengung unserer Beratung erlaubt dies jedoch heute nicht. Ich erlaube mir im Namen meiner Fraktion anzukündigen, daß wir zu gegebener Zeit in notwendiger Ausführlichkeit dies hier tun werden. Heute nur ein paar Bemerkungen.
Das neue Gebäude des Bundespresse- und Informationsamtes steht nun, in wohlgefälliger Breite vor dem Bundeshaus hingelagert, dort drüben. Wer
als harmloser Bürger von der Koblenzer Straße kommt, ist gelegentlich versucht, es mit dem etwas bescheiden dahinterliegenden Sitz des Parlaments zu verwechseln. Aber der Schein trügt. Ein führender Mann der führenden Regierungspartei hat neulich einmal gesagt, der Bau sei nur äußerlich ein NS-Bau: auf optischen Eindruck angelegt. Ich habe mir das Haus in der Tat von unten bis oben angesehen, und ich muß sagen, es ist — dies muß zugegeben werden — im Innern ohne unnötigen Aufwand gebaut. Ich würde sagen, es ist zwar innerlich architektonisch vermurkst, aber man kann nicht sagen, daß es aufwendig gebaut worden ist. Daß es nicht aufwendig gebaut worden ist, ist vielleicht das Verdienst, das sich der Haushaltsausschuß damals mit seinem Veto erworben hat. Ich will nicht sagen, daß dafür, daß es innerlich architektonisch vermurkst ist, der Haushaltsausschuß zuständig ist. Das Haus befindet sich aber unter einem inneren Druck. Es weitet sich immer mehr in seinen Abteilungen aus. Wer sich den Organisationsplan des Bundespresse- und Informationsamtes ansieht, der weiß, daß dort bereits eine sechste Abteilung vorgesehen ist. Es wird die sein, die sich eben mit der Wehrpropaganda beschäftigen soll.

(Zuruf von der SPD: Wahlpropaganda!)

— Zur Wahlpropaganda gibt es noch einen anderen Titel, der noch größer ist als der der Wehrpropaganda.

(Abg. Dr. Gülich: Der Titel für Wehrpropaganda dient auch der Wahlpropaganda!)

- Gewiß, auch der Wahlpropaganda.
Nun, das Haus hält innen nicht das, was es außen verspricht, sagte ich. Das gilt für die Architektur. Gilt es auch für die Arbeit? Ich fürchte, die Arbeit im Bundespresse- und Informationsamt hält nicht das, was sich die Öffentlichkeit und die Presse von ihr versprechen müssen, nämlich eine objektive Information. Ich glaube, das Bundespresse- und Informationsamt müht sich redlich, das zu erreichen, was der Bundeskanzler von ihm verlangt, nämlich eine Meinungsbildung im Sinne der Regierung und im Sinne der Kanzlerpartei durchzuführen. Das hat im vorigen Jahr der Sprecher der CDU-Fraktion in diesem Hause als die eigentliche, als die erklärte Aufgabe hingestellt: es sei Aufgabe des Bundespresse- und Informationsamtes, die Meinung der Regierung nach draußen zu tragen, mit anderen Worten, die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung in Deutschland zu machen. Wir halten das nicht für mit dem Grundsatz der Demokratie vereinbar. Wir sind der Meinung, daß die Publikationen des Bundespresse- und Informationsamtes in objektiver Weise die in unserem Volke und insbesondere auch die in diesem Hause vorhandenen Meinungen zum Ausdruck bringen sollten.

(Abg. Kiesinger: Fast hätte ich den Wunsch, Sie einmal daran erinnern zu können!)

— Ich bin ganz sicher, daß Sie nach 1957 Gelegenheit haben werden, daran zu erinnern und dann diesen Wunsch hier vorzutragen.

(Abg. Arndgen: Das ist Optimismus!)

Die erneute Umbesetzung der Spitze des Bundespresse- und Informationsamtes wird nichts an der Tatsache ändern, daß es sich bei diesem Amt in Wirklichkeit um ein Koalitionspropagandainstrument handelt; denn das liegt ja nicht in der


(Kühn leitenden Persönlichkeit, das liegt in der Absicht dieses Amtes, so wie es von der Bundesregierung organisiert worden ist, es liegt nicht so sehr in der Unzulänglichkeit der Gehilfen des Kanzlers, sondern in seinem Willen. Nachdem Herr Forschbach nach vergeblichen Bemühungen, dem ersten Teil seines Namens Ehre zu machen, den zweiten Teil seines Namens heruntergegangen ist, haben wir wieder Herrn Eckardt als Mann an der Spitze. Ich glaube, man wird feststellen müssen: Herr Eckardt ist ein sehr qualifizierter Publizist, und es ist ohne jeden Zweifel dem Amte zuträglicher, einen qualifizierten Publizisten, als einen dafür ungeeigneten Beamten an der Spitze zu haben. Gewiß, es wird für die Presse rein atmosphärisch einen Unterschied ausmachen, ob in der Bundespressekonferenz Herr Forschbach humorund phantasielos nichts sagt oder ob Herr Eckardt elegant und scharmant auch nichts sagt. Aber die Aufgabe, die das Amt hat, wird es auch in Zukunft nicht erfüllen, daran wird seine personelle Spitze nichts ändern. Ein paar Bemerkungen zu den Dingen, die zu ändern notwendig wäre. Ich habe zunächst einige Bemerkungen über den Abhördienst der ausländischen und inländischen Rundfunkstationen zu machen. Der Dienst ist an sich ein sehr verdienstvolles Werk; er gibt einen breiten Überblick. Aber ich bin nicht in der Lage anzuerkennen, daß er auch einen sehr objektiven Überblick gibt. Er dient der Information. Wenn er nur der Information der Regierung und ihrer Ämter dienen soll, dann muß ich die Regierung warnen; denn das, was sie dort findet, entspricht keineswegs immer dem, was in der Beurteilung ihrer Politik insbesondere über die ausländischen Rundfunkstationen mitgeteilt wird. Wer sich nur ein Bild über die Beurteilung unserer Regierung im Ausland aus diesem Kommentardienst verschaffen wollte, der würde diesen Kommentardienst gewissermaßen als Opium des Selbstbetruges zu sich nehmen. Auszüge, die schönfärbend sind, die das Negative weglassen, findet man in einem ungewöhnlich großen und die Kritik in einem ungewöhnlich geringen Prozentsatz. Deutlich und für jeden kontrollierbar aber — während das, was ich soeben gesagt habe, etwas schwieriger zu kontrollieren ist — ist die publizistische Politik des Bulletins der Bundesregierung. Es erscheint in mehreren Sprachen, also im Inund Ausland. Aber es ist nicht selten erfüllt von falschen Informationen, von waghalsigen Theorien, von so falschen Informationen, daß man sehr häufig mehr von Deformationen als von Informationen sprechen könnte. Mein Kollege Arndt hat heute morgen vorgetragen, daß die Nachrichten über die Verhandlungen vor dem Karlsruher Verfassungsgericht in der Konkordatsfrage dort einen Niederschlag finden, den er als eine Art romanhafter Berichterstattung in Fortsetzung bezeichnet. Ich habe gerade einen anderen Artikel hier, wo es sich um die Rechtfertigung der Thesen in der seinerzeit von meinem Freund Erler hier auseinandergenommenen Propagandaschrift des Verteidigungsministerium handelt: „Warum brauchen wir die Wehrpflicht?" Mit waghalsigen Theorien speist da die Bundesregierung die Öffentlichkeit, unter aderem mit einer, die da sagt: Wir müssen deshalb die allgemeine Wehrpflicht einführen, weil wir damit die DDR im Osten zwingen, auch die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, obschon sie das gar nicht will. — So etwas können Sie im Bulletin lesen. Sie werden nicht erwarten, daß dies die Sympathie für ein derartiges Blättchen bei Leuten, die sich um ein ernstes politisches Urteil bemühen, irgendwie erhöhen kann. Ich habe hier den Antrag meiner Fraktion vorzutragen, der in Ziffer 3 sagt, daß die Mittel für die Veröffentlichungen der Bundesregierung um 920 000 DM auf 180 000 DM gekürzt werden sollen. Das ist der Betrag für das Bulletin. Wir beantragen damit also den Wegfall des Bulletins. Wir beantragen, daß durch die Entziehung der Mittel die Bundesregierung veranlaßt wird, die Herausgabe dieses Blattes einzustellen, das nicht ein Blatt objektiver Information, sondern ein Blatt massiver Meinungsdeformation ist. Hier soll eine Meinung fabriziert werden, die in einer Form praktiziert wird, wie Sie von der CDU das in Ihren parteipolitischen Blättern genauso tun können wie wir. Das ist Sache der Parteien. Aber es geht nicht an, aus öffentlichen Mitteln eine einseitige deformierende Meinungsbildung in das Volk hineinzutragen. Ganz am Rande noch eine Bemerkung. Da dieses Blatt sowieso nur das mitteilt, was dem Herrn Bundeskanzler recht ist, wird es niemanden erstaunen, daß es für das Bulletin offensichtlich zweierlei Abgeordnete gibt, solche, die darin schreiben können, und solche, die nicht schreiben können. Sie werden immer nur finden, daß Herren aus der Koalition ihre Meinung vortragen können, und auch da nur solche, die dem Herrn Bundeskanzler in seiner persönlichen Interpretation der Weltgeschichte sehr nahestehen. Man kann nicht einmal sagen, daß dieses Blatt jedem Minister offensteht, wenn er einmal etwas sagt, was dem Bundeskanzler nicht paßt. Ich denke beispielsweise an Herrn von Merkatz, der auf dem Parteitag der DP gesagt hat, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Ostblock nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wann und des Wie sei. Darüber hat es im Kabinett eine Auseinandersetzung gegeben. Der Herr Bundeskanzler hat Herrn von Merkatz mit dem Ausdruck seiner Ungunst übergossen. Die Folge war unmittelbar, daß diese Darlegung von Herrn von Merkatz, im Gegensatz zu anderen, dem Herrn Bundeskanzler lieben Meinungen der Minister, die im Bulletin abgedruckt wurden, nicht abgedruckt worden ist. Wir wünschen also, daß die Herausgabe des Blattes eingestellt wird. Wir sind nicht der Meinung, daß Steuergelder für Parteipropaganda verwendet werden sollen, und halten mithin die Einstellung des Bulletins für erforderlich. Unser besonderes Anliegen unterbreiten wir Ihnen in Umdruck 634 unter Ziffer 2. Es geht dabei um einen alten Streit. Es geht um den Verfügungsfonds des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens, also um seinen Geheimfonds. Wir werden diesen Geheimfonds so lange einen Reptilienfonds nennen, wie Sie, die Mehrheit, die Noch-Mehrheit dieses Hauses, die parlamentarische Kontrolle dieses Fonds ablehnen; so lange werden wir bei diesem Begriff bleiben. Wir werden unverdrossen den Antrag stellen, daß dieser Fonds einer parlamentarischen Kontrolle unterstellt wird. Wir sind davon überzeugt, daß Sie ebenso unverdrossen diesen unseren Antrag ablehnen werden. In diesem Jahre wie im nächsten Jahre werden Sie ihn nicht nur ablehnen, sondern Sie werden die ständige Erhöhung dieses Fonds beantragen, wenigstens noch ein Jahr. Im nächsten Jahr erwarte ich Summen, die noch erheblich über das hinausgehen, was Sie bisher an jährlichen Steigerungen beantragt haben. (Abg. Dr. Dresbach: Herr Kühn, wie wäre es, wenn Sie mal an der Regierung wären?)


(Lachen)


(Heiterkeit.)


(Zuruf bei der SPD: Wie bei den Nazis!)


(Hört! Hört! bei der SPD.)


(Beifall bei der SPD.)


(Beifall bei der SPD.)


(Kühn [Köln])

— Dann werden wir Ihnen Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen, Herr Kollege Dresbach. Bei diesen Ziffern werden Sie dann keine Gelegenheit haben, hier etwas zu sagen.

(Lachen in der Mitte.)

Sie müssen nicht immer die Prinzipien, die Ihnen als Grundlage für Ihre Politik, den Staat zur Beute einer Partei zu machen, dienen, auch auf andere übertragen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Niederalt: Wie ist es mit den Landesregierungen?)

— Wir haben Ihnen schon einmal gesagt, nennen Sie uns eine Landesregierung unter sozialdemokratischer Führung, wo Sie einen solchen Fonds im Etat finden. Sie finden in dem Haushalt jeder Landesregierung einen Dispositionsfonds für den Ministerpräsdenten, so wie der Herr Bundeskanzler auch einen Dispositionsfonds hat, der nicht identisch ist mit diesem Fonds zur Förderung des Informationswesens. Sagen Sie mir ein Land unter sozialdemokratischer Führung, wo Sie erstens einen solchen Fonds finden, und zweitens, wenn Sie ihn finden — aber Sie finden ihn nicht; deshalb ist das, was ich jetzt sage, nicht mehr nötig —, wo es nicht eine parlamentarische Kontrolle dieses Fonds gäbe.
Das Unikum einer solchen Konstruktion hat die Mehrheit dieses Hauses mit dem Herrn Bundeskanzler hier geschaffen. Ich sagte, Sie erhöhen jedes Jahr diesen Fonds. Es begann mit 4 1/2 Millionen, stieg auf 5 1/2, stieg auf 10 Millionen, stieg im vorigen Jahr auf 11 1/4, und in diesem Jahr hat der Herr Bundeskanzler 12 1/2 Millionen verlangt. Es ist dabei nicht uninteressant — wir haben darüber bereits im vorigen Jahr gesprochen —: die in einem Jahr nicht aufgebrauchten Mittel wachsen durch eine Übertragbarkeitsformulierung im nächsten Jahr zur Substanz zu, so daß ein munteres Sparsümmchen für das Jahr 1957, das es aus bestimmten Gründen in sich hat, anwachsen wird.
Wir haben nie die grundsätzliche Existenzberechtigung eines solchen Fonds bei der Bundesregierung geleugnet — auch deshalb war Ihr Einwand eben nicht gerade sehr treffend —; denn wir wissen durchaus, daß an der Spitze der Bundesrepublik vom Regierungschef gewisse Aufgaben erfüllt werden müssen, die einen solchen Fonds in entsprechendem vertretbarem Umfang notwendig machen. Aber er bedarf der Kontrolle, er bedarf der Durchsichtigkeit, der Transparenz; er muß parlamentarisch vom ganzen Hause vertreten werden. Denn bei den Aufgaben, die ich angesprochen habe, handelt es sich um solche, die der Herr Bundeskanzler nicht in seiner Eigenschaft als Parteiführer zu erfüllen hat, sondern als Repräsentant der Regierung, Aufgaben, die das ganze Volk zu vertreten hat, beispielsweise gewisse Öffentlichkeitsaufgaben nach draußen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn der Fonds aber in seiner Verwendung auf diese Aufgaben konzentriert wird, dann brauchen Sie, meine Herren von der vorläufigen Mehrheit dieses Hauses, nicht seine parlamentarische Kontrolle zu fürchten; dann müssen Sie auf unserer Seite stehen und mit uns einstimmen in den Ruf nach Transparenz, nach Durchsichtigkeit und nach parlamentarischer Kontrolle.
In dem Fonds von 12 1/2 Millionen, den der Herr Bundeskanzler fordert, haben wir nach sorgfältiger Überlegung etwa 4 Millionen entdecken können, von denen wir überzeugt sind, daß sie zu rechtfertigen wären. Es sind in diesem Fonds zur Förderung des Informationswesens eine ganze Reihe von Aufgaben, von denen ich nicht verstehe, warum man sie nicht ordentlich etatisieren kann. Man sagt beispielsweise, aus diesem Fonds würden auch die Mittel an dpa, an die Deutsche Presseagentur, bezahlt. Meine Herren, warum wird das nicht ordentlich ausgewiesen? Warum muß das in einen Geheimniskrämerfonds hineingepackt werden? Etwa deshalb, weil Herr Globke auf Grund der Tatsache, daß dpa aus diesen Mitteln finanziert wird, den Daumen darauf drücken und gewisse politische Konsequenzen erzielen will?

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel.)

— Bitte, warum etatisieren Sie dann solche legalen und durchaus vertretbaren Ausgaben nicht in aller Form im Haushalt?
Wir haben etwa 4 Millionen gefunden, die wir für vertretbar halten. Unser Antrag geht deshalb auch nicht dahin wie der des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, diesen Fonds total zu streichen, sondern wir haben seine Halbierung beantragt. Aber ich bitte, diese Halbierung in Verbindung mit dem zweiten Teil unseres Antrags zu sehen, bei dem wir erwarten, daß sich die Mehrheit dieses Hauses und die Bundesregierung damit einverstanden erklären, daß die Verwendung dieser Mittel von einem aus drei Mitgliedern dieses Hauses bestehenden kleinen parlamentarischen Gremium kontrolliert wird. Die beiden Forderungen: Halbierung des Fonds und die Bereitschaft, die Hälfte zu bewilligen, sind an die Bereitschaft der Mehrheit des Hauses und der Bundesregierung gebunden, eine solche parlamentarische Kontrolle zuzulassen. So beantrage ich namens unserer Fraktion, nachher in der Reihenfolge der Abstimmung über die Anträge so zu verfahren, daß zunächst über den sozialdemokratischen Antrag in Ziffer 2 abgestimmt wird, worin es heißt:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Titels unterliegt der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärung der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Sollten Sie nicht bereit sein, für diese parlamentarische Kontrolle zu stimmen, was — lassen Sie mich das in aller Offenheit sagen — Ihr politisch schlechtes Gewissen manifestieren würde, dann


(Kühn [Köln])

werden wir für den Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE stimmen, diese Summe insgesamt zu streichen. Dann wird also als zweites zu empfehlen sein, über den Antrag des GB/BHE abzustimmen.
Ich sagte, etwa 4 Millionen glauben wir in diesem Fonds zu erkennen, die sich rechtfertigen ließen. Wie sieht es aber mit der Hauptmasse aus, die dann noch verbleibt? Was geschieht mit ihr? Es genügt uns nicht, wenn man sagt: Da können Sie beruhigt sein, der Präsident des Bundesrechnungshofes überprüft die Rechnungslegung! — Der Präsident des Bundesrechnunghofes überprüft nur die Rechnungslegung, gewissermaßen also Quittungen und Belege, er überprüft, ob das Geld auch ausgegeben worden ist. Er hat keinerlei Befugnisse, und es steht ihm nicht zu — er wird dies auch nicht tun —, die politische Verwendung dieser Mittel zu überprüfen. Dafür bedarf es der parlamentarischen Kontrolle.
Was beabsichtigt die Bundesregierung mit diesen Mitteln zu tun? Beispielsweise etwa das jetzt neu herausgebrachte drei Meter hohe AdenauerPlakat zu finanzieren? „Adenauer der Garant für die Festigkeit" steht da drauf. Es ist herausgegeben von einer obskuren „Arbeitsgemeinschaft für Wiedervereinigung", die keiner kennt, ebensowenig wie man in klarer Öffentlichkeit weiß, was hinter all den anderen obskuren Propagandaorganisationen der Bundesregierung steht, die wohl von Herrn Lenz und einigen anderen organisiert worden sind und über die wir schon oft genug hier gesprochen haben. Was wird mit all diesen Millionen gemacht, die aus Steuergeldern genommen werden, nicht aus irgendwelchen Industrieförderungsgeldern urid aus all den Mitteln, die Ihnen aus anderen Quellen zufließen? Das Parlament hat ein Recht, zu erfahren, was mit diesen Geldern gemacht wird.
Nun, in diesen mehr als acht Millionen liegt eine Quelle des Mißbrauchs, ja lassen Sie mich sagen und, wenn Sie wollen, belegen, eine Quelle auch der Korrumpierung. Da gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die wir aufs äußerste mißbilligen. Da gibt es beispielsweise eine Artikelkorrespondenz unter dem Titel „Die Deutsche Korrespondenz". Sie wird ins Ausland verschickt, nicht nur ins Ausland, aber in hohem Maße. Es wird, wie ich annehme, auch dem Herrn Bundeskanzler nicht unbekannt sein und der Bundesregierung ganz gewiß nicht, daß die meisten Botschaften diese „Deutsche Korrespondenz" ablehnen. Sie hat eigentlich gar keine publizistische Funktion. Die Artikel, die in ihr erscheinen, werden nirgendwo gedruckt.

(Abg. Dr. Vogel: Wer sagt Ihnen denn das?)

— Bitte, bringen Sie die Belege! Zeigen Sie mir, wo die Artikel der „Deutschen Korrespondenz", Herr Dr. Vogel, auch wenn es Ihre Artikel sind, die dort erscheinen, in anderen Sprachen abgedruckt werden! Ich weiß nur, daß die Artikel hoch bezahlt werden und daß es nicht ohne erhebliches Interesse ist, zum Mitarbeiterkreis dieser „Deutschen Korrespondenz" zu gehören.
Aber da gibt es auch andere Fälle, die die Informations- und die publizistische Politik der Bundesregierung in ein merkwürdiges Licht rücken. Da passiert es beispielsweise, daß Leute aufgefordert werden, Artikel zu schreiben, die nie erscheinen, aber honoriert werden. Es gibt da den Fall einer Zeitung, die aus Ersparnisgründen einen Korrespondenten im Ausland entlassen wollte, weil er für das bis dahin niedrigere Honorar nicht weiter arbeiten wollte, einen Korrespondenten, der aber sehr im Sinne der Bundesregierung berichtete. Da ereignete sich folgendes: Die Zeitung erhielt eine Mitteilung, daß die Differenz zwischen dem bisherigen und dem geforderten Honorar aus diesen Mitteln bezahlt werde, damit die Zeitung diesen Korrespondenten behalte. Es wurde nur gewünscht, daß die Durchschläge seiner Artikel dem Presse-und Informationsamt zur Verfügung gestellt würden;

(Hört! Hört! bei der SPD)

ganz gewiß nicht, um die Erkenntnisse dieses Amtes zu bereichern; denn die Artikel konnte man ja, wenn sie abgedruckt wurden, in der Zeitung selbst lesen.
Wenn sie andere Beispiele wollen, — es wird eine Menge geben. In der großen Debatte werden wir über diese Dinge noch sehr ausführlich zu sprechen haben.

(Zuruf von der SPD: Es gibt sogar Artikel, die nicht geschrieben und doch honoriert werden!)

— Ja, das habe ich eben schon gesagt: eine ganze Reihe von Leuten sind aufgefordert worden, Artikel zu schreiben; die Artikel werden honoriert, aber niemand weiß bis heute, wo sie jemals veröffentlicht werden. Das ist eine Art der Pressepolitik, bei der ich, wenn ich sie charakterisieren sollte, geneigt sein müßte, dafür einen Begriff zu finden, der nicht sehr weit von Bismarcks zoologischer Qualifikation entfernt ist.
Da gibt es beispielsweise auch den Fall, daß Mittelsleute bei Korrespondenten auftreten und ihnen sagen, man wäre in der Lage, ihnen einen bestimmten Betrag zur Verfügung zu stellen, der es ihnen erlaubte, im Ausland, wo sie als Korrespondenten tätig sind, nun so aufzutreten, wie es notwendig wäre, um ihre Informationen zu bekommen und um zu arbeiten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Da gibt es eine Reihe von anderen Dingen. Gestatten Sie, daß ich es mit diesen wenigen Beispielen im Augenblick genug sein lasse. Die modernen Metternichs bedienen sich sublimerer Methoden als offener Zensurgesetze, wenn sie Meinung fabrizieren wollen. Ich will weder Herrn Lenz noch Herrn Globke mit Metternich verwechseln, ich sage das ausdrücklich zugunsten Metternichs.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Ich sage, wir werden auf alle diese Dinge eingehen, wenn wir die publizistischen Lenkungsversuche mit Hilfe der Regierungshilfsorganisationen diskutieren werden und wenn wir auch alle die Methoden der Industrie, auf die Meinungsbildung einzuwirken, diskutieren werden. Wir werden Veranlassung genug dazu haben. Denn je mehr wir an den Wahltermin des Jahres 1957 herankommen, um so mehr wird die Lawine dieses Materials anschwellen. Dann wird auch von der Problematik einer gesellschaftlichen Ordnung die Rede sein müssen, in der es einigen wenigen möglich ist, durch einen Scheck in die Kassen unendlich viele Wahlzettel so zu gestalten, wie sie wohl sonst nicht aus der Wahlurne kämen. Es wird gewiß auch gerühmt werden müssen, daß es Verleger, Chefredakteure und Journalisten gibt, die ihren Beruf als Dienst an der Freiheit und Wahrheit ernst neh-


(Kühn [Köln])

men, selbst dann, wenn sie der Gefahr unterliegen, sei es als Mitherausgeber, sei es als Korrespondenten aus den Zeitungen wegexperimentiert zu werden. Leider gibt es nicht wenige, bei denen diese Methoden, die ich eben anzudeuten versucht habe, auf fruchtbaren Boden stoßen; denn die Spekulation auf die Bereitschaft zum Konformismus ist leider heute in der Zeit, in der wir leben, nicht immer nur eine Fehlspekulation.
Es ist unser ernstes Anliegen — und deshalb sind wir mit aller Leidenschaft gegen solche Geheimfonds —, daß die Presse nicht zum Fabrikationsinstrument einer Regierungsmeinung gemacht werden darf. Zweierlei haben wir heute zu fordern und zu erfüllen: Jede Regierung, die sich zum Prinzip der Demokratie bekennt, muß darauf verzichten, die Meinungsbildung mit solch fragwürdigen Methoden zu manipulieren, und sie muß sich des vielleicht menschlich verständlichen Strebens enthalten, die Instrumente der Meinungsbildung in ihre Hand bekommen zu wollen, so wie wir von uns allen und von allen anderen das Wagnis der Gesinnung fordern müssen, das Wagnis, die Meinung zu sagen, auch wenn die Verlockungen und die Gefahren von außen noch so groß sein mögen.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns darin einig sind — und ich habe die Hoffnung, daß es weit über den Kreis meiner politischen Freunde in allen Fraktionen dieses Hauses sehr viele gibt, die mir in diesem Prinzip zuzustimmen bereit sind - -

(Zuruf: Auch beim Rundfunk!)

— Ich höre das Stichwort „Auch beim Rundfunk". Dazu würde ich sagen: Auch das ist eine Forderung, die Sie an Ihre Regierung richten sollten, auch das gehört in dieses Kapitel hinein, daß die Regierung darauf verzichtet, Rundfunkgesetze anzustreben, die das Mikrophon zu einem Instrument machen, das einseitig der Regierung zur Verfügung stehen soll, das der Regierung die Möglichkeit geben soll, zu der von ihr gewählten Zeit ans Mikrophon zu treten und zum Volke zu sprechen. Auch das muß verhindert werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Krone.)

— Wir wissen, was in § 5 des Rundfunkgesetzes steht, und wir werden uns zu gegebener Zeit auch hier darüber unterhalten können. Wenn wir uns in diesem Prinzip einig sind, Herr Dr. Krone und Sie alle, die Sie zustimmen — wir müssen uns darin einig sein, wenn uns die Zukunft der Demokratie am Herzen liegt —, dann stimmen Sie bitte unseren Anträgen zu, die nichts anderes wollen, als die Verhältnisse auf dem Gebiet der Meinungsbildung durchsichtig, sauber und von Verlockungen frei zu machen, Verlockungen, denen nachzugehen für die Träger der Macht noch unendlich viel unmoralischer ist als für die, die man mit dieser Macht gefügig machen will.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215011100
Das Wort hat der Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0215011200
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Da Herr Abgeordneter Kühn noch eine große Debatte in Aussicht gestellt hat, darf ich mich darauf beschränken, heute wenige Ausführungen zu seinen Darlegungen zu machen. Zunächst habe ich bisher nicht gemerkt,
daß die deutsche Presse zu einer Förderung der 1 Regierungsmeinung formiert worden ist.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Leider habe ich das nicht gemerkt; ich finde gerade das Gegenteil.

(Lachen bei der SPD.)

Die „Deutsche Korrespondenz" ist ein enormer Erfolg. Ich stelle dem Herrn Kollegen Kühn gern eine Reihe von Bänden, die im Auswärtigen Amt gesammelt worden sind, zur Verfügung, aus denen er sehen kann, wieviel Mitteilungen gerade aus der „Deutschen Korrespondenz" im Ausland abgedruckt werden.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Ein Drittes möchte ich noch sagen. Es ist ein Irrtum des Herrn Kollegen Kühn, wenn er meint, daß aus dem Fonds zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens die von ihm angeführten Plakate hergestellt worden seien. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat unter Ziffer 5 beantragt, in Tit. 300, allgemeine nachrichtendienstliche Ausgaben, den letzten Absatz des Haushaltsvermerks dadurch zu ändern, daß „Prüfung durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses" hinzugesetzt wird. Ich habe nichts dagegen, meine Damen und Herren.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215011300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215011400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte zunächst die freundliche Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers falsch verstanden. Ich dachte schon, daß ich zur Begründung unseres Antrags gar nicht mehr zu sprechen brauchte. Ich habe aber dann bemerkt, daß sich diese freundliche Zusage nur auf die Ziffer 5 des Antrags bezieht. Ich möchte meinen, Herr Kollege Kühn, daß das ein Zustand ist, den wir eigentlich schon haben. Ich wunderte mich über die Ziffer 5; denn nach meiner Orientierung gibt es diesen Zustand schon. Die Zusage des Herrn Bundeskanzlers war also tatsächlich sehr billig.

(Abg. Schoettle: Nein, es geht um die Rechnungsprüfung! Das war bisher nicht!)

— Ich glaube, doch. Also gut, wenn das ein Fortschritt ist, ich bin einverstanden.
Ich darf zunächst bitten, einen bedauerlichen Konzeptionsfehler in unserem Antrag*) berichtigen zu dürfen. Die Ziffern 1 und 2 sind miteinander verwechselt. Ich bitte, sie einfach umzustellen und das besonders bei der Abstimmung zu berücksichtigen.
Ich komme nicht wie Herr Kollege Kühn mit einer großen Tasche von interessanten Neuigkeiten. Ich habe nicht die Möglichkeit, zur Begründung des Antrags meiner Fraktion einige hier interessierende und auch mit einem gewissen Schmunzeln aufgenommene Beispiele zu nennen. Unser Anliegen ist folgendes. Wir verkennen ebenfalls nicht
— ich darf mich auch da den Ausführungen des Herrn Kühn anschließen — eine unausweichliche Notwendigkeit für den Chef der Bundesregierung, einen seiner alleinigen Verfügung unterliegenden Dispositionsfonds zu besitzen. Aber, Herr Bundes-
') Siehe Umdruck 653, Anlage 8.


(Dr. Gille)

kanzler, wir meinen, daß eigentlich kaum überzeugende Gründe dafür namhaft gemacht werden können, daß eine so bescheidene parlamentarische Kontrolle, wie sie in dem Antrag der SPD formuliert worden ist und wie sie in der Ausgestaltung auch unserer Anregung in etwa entspricht, nicht möglich sein könnte. Ihre Zusage, die Sie eben gegeben haben, bezieht sich auf ein viel delikateres Gebiet,

(Sehr richtig! beim GB/BHE)

auf ein Gebiet, — nun, ich will es nicht im einzelnen weiter andeuten; wir wissen, was damit zusammenhängt. Wenn Sie der Meinung sind, daß auf diesem Gebiet sogar ein echter Unterausschuß des Haushaltsausschusses mit allen Kompetenzen möglich ist, dann ist es beim besten Willen nicht einzusehen, weshalb nicht ein Ausschuß mit wesentlich geringeren Funktionen und auch mit wesentlich geringerem Umfang diesen Fonds bei Tit. 300 in Beobachtung und Kontrolle halten soll. Man kann, wenn wir auch vieles heute mit einem Lächeln und Schmunzeln aufgenommen haben, es doch nicht ganz ohne Zweifel hinnehmen, wenn solche Äußerungen und Mitteilungen, wie sie heute hier gemacht worden sind, doch in viel stärkerem Maße tatsächlich in der Öffentlichkeit grassieren.
Ich meine, auch die Bundesregierung sollte daran interessiert sein, solche Vorwürfe, wie sie immer wieder laut werden und an uns herangetragen werden — daß aus diesem Fonds auch ausgesprochen innerpolitisch, und zwar einseitig parteimäßig gesteuerte Maßnahmen finanziert werden —, zu widerlegen.
Unser Anliegen geht dahin — und das ist der Schwerpunkt unseres Antrages —, eine solche Kontrolle einzurichten. Für den Fall, daß diese Ziffer 1 unseres Antrages abgelehnt werden sollte, möchten wir die Folgerung ziehen, die Streichung dieser ansonsten von uns als notwendig anerkannten Position zu beantragen. Was die Notwendigkeit dieser oder einer geringeren Höhe angeht, so haben wir nicht ausreichend Einblick, um uns da ein eigenes Urteil bilden zu können. Wir haben deshalb insoweit keine Anträge gestellt.
Darf ich nochmals bitten, zu vermerken, daß Ziffer 1 und Ziffer 2 ausgewechselt werden müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215011500
Herr Abgeordneter, ich verstehe nicht recht, warum Sie diese Feststellung treffen. Sie sagen ja selbst, daß für den Fall der Ablehnung des Antrages unter Ziffer 1 der Antrag unter Ziffer 2 zur Abstimmung gestellt werden soll. Wir müssen aber doch zunächst feststellen, ob der Antrag unter Ziffer 1 angenommen oder abgelehnt wird. Dann erst können wir zu Ziffer 2 übergehen.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215011600
Nein, Sie müßten nach meiner Auffassung erst über den Antrag unter Ziffer 2 abstimmen, der die Kontrolle enthält. Wenn Ziffer 2 abgelehnt ist, kommt Ziffer 1 dran.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215011700
Nein, zunächst wollen Sie doch die Streichung des Ansatzes haben. Wenn Sie mit der Streichung Erfolg haben, brauchen Sie keine Kontrolle mehr.

(Zuruf vom GB/BHE: Der Antrag ist falsch gedruckt!)


Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215011800
Der Schwerpunkt unseres Antrages lag anders. Der Schwerpunkt lag nicht in der Streichung des Fonds, sondern in der Kontrolle.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215011900
Herr Kollege, gestatten Sie mir, an die Belehrung zu erinnern, die im ersten Teil des Faust dem Scholaren zuteil wird: Zuerst Collegium logicum!

(Heiterkeit.)


Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215012000
Verzeihung! Ich danke sehr für diese Belehrung, Herr Präsident.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215012100
Es war nur ein Hinweis!

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215012200
Ich glaube nicht, mit den Grundsätzen der Logik in Widerspruch gekommen zu sein. Ich habe ja ausdrücklich gesagt:

(Zuruf von der Mitte: Sprechen Sie doch nach hier und nicht zum Präsidenten! Sie führen eine ganz neue Geschäftsordnung ein!)

Unser Wunsch geht dahin, die Kontrolle einzuführen. Das ist unser Anliegen Nummer eins. Und erst dann — —(Zuruf vom GB/BHE: Das ist im Antrag
dadurch nicht zum Ausdruck gekommen,
daß die beiden Absätze verwechselt worden sind!)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215012300
Jetzt verstehe ich Ihre Absicht. Sie wollen in erster Linie die Kontrolle haben und nur für den Fall der Ablehnung der Kontrolle die Streichung. Ich bitte um Entschuldigung; aber so haben Sie Ihren Wunsch zunächst nicht begründet.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0215012400
So ist es nicht zu lesen, aber so habe ich es dargestellt.
Aber jetzt darf ich annehmen, Herr Präsident, daß bei Ihnen und beim Hause Deutlichkeit herrscht, daß der Schwerpunkt unseres Antrages bei der Kontrolle und nicht bei der Streichung liegt. Ich bitte, in der dementsprechenden Reihenfolge über unseren Antrag abstimmen zu lassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215012500
Das Wort zur Aussprache über die gestellten Anträge und zum Einzelplan 04 überhaupt hat der Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0215012600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat eben in der Antwort auf die Darlegungen meines Freundes Kühn darauf hingewiesen, er habe bisher nicht bemerkt, daß die Presse bemüht sei, die Bevölkerung im Sinne der Regierungsmeinung zu beeinflussen. Herr Bundeskanzler, da haben Sie am heutigen Tage mal Glück gehabt. Darüber, daß in den letzten Wochen eine wesentliche Wandlung eingetreten ist, und über ihre Gründe werden wir uns in den nächsten Tagen unterhalten, wenn die konjunkturpolitische und die außenpolitische Debatte stattfindet. Dieser Umschwung ist deshalb eingetreten, weil sich in der Öffentlichkeit immer mehr die Erkenntnis verbreitet, daß die Regierungspolitik oder in diesem Falle gesagt: die Kanzlerpolitik einfach nicht mehr verantwortet werden kann.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Zurufe bei der CDU/CSU.)



(Mellies)

— Wir haben ja übermorgen und in der nächsten Woche genügend Zeit, uns darüber zu verbreiten. Meine Damen und Herren, bemühen Sie sich doch gar nicht, das Unbehagen, das auch in Ihren Reihen so außerordentlich um sich gegriffen hat, dadurch zu verbergen und zu verstecken, daß Sie glauben, hier möglichst laute Zwischenrufe machen zu müssen.
Dann aber, Herr Bundeskanzler, wäre es für uns sehr wichtig und mindestens auch sehr interessant, wenn Sie sich noch einmal zu der Ziffer 2 unseres Antrags äußerten. Sie haben gesagt — und darüber freuen wir uns —, daß Sie bereit sind, zuzustimmen, daß die Regelung getroffen wird, wie sie in Ziffer 5 vorgeschlagen ist. Aber ebenso wichtig ist für uns, eine Regelung zu finden, wie sie in Ziffer 2 vorgeschlagen ist. Wir hoffen, daß wir nach Ihrer Einstellung zu Ziffer 5 jetzt gleich von dieser Stelle aus auch Ihre Erklärung vernehmen, daß Sie mit der Regelung einverstanden sind, die wir in Ziffer 2 vorgeschlagen haben.
Nun kann es heute nicht die Aufgabe sein, eine große politische Debatte beim Haushaltsplan 04 — Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — zu führen. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß wir übermorgen die konjunkturpolitische Debatte haben und daß für die nächste Woche die außenpolitische Debatte vorgesehen ist. Dort werden wir uns über die großen politischen Fragen genügend zu unterhalten haben. Aber es ist doch nach unserer Auffassung notwendig, heute hier einige Fragen anzuschneiden, die in der Bevölkerung große Besorgnis und weitgehende Unruhe hervorgerufen haben.
Wenn ich in den verflossenen Jahren zu die-
sem Einzelplan gesprochen habe, mußte ich immer wieder Klage darüber führen, daß von einigen Ministern die Bestimmung des § 12 der Geschäftsordnung der Bundesregierung nicht beachtet wird. Dieser § 12 der Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht bekanntlich vor, daß die Bundesminister bei Äußerungen in der Öffentlichkeit die vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien der Politik beachten müssen. Nun haben die Ereignisse der letzten Monate, vor allen Dingen die Ereignisse der letzten Wochen gezeigt, daß der Herr Bundeskanzler auf bestimmten Gebieten offenbar nicht die Richtlinien der Politik mehr bestimmen will oder daß er einer solchen Bestimmung ausweicht.
Als mit Zustimmung des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers die Bank deutscher Länder vor einigen Wochen die Erhöhung des Diskontsatzes beschloß, erregte das, wie wir alle wissen, den großen Zorn des Bundeskanzlers. Offenbar war also über diese einschneidende und wichtige wirtschaftspolitische Maßnahme im Kabinett vorher nicht gesprochen worden. Der Bundeskanzler hatte offenbar auch keine Richtlinien herausgegeben, nach denen sich die Minister hätten richten müssen. Dafür kann es doch nur zwei Erklärungen geben, wie ich eben schon angedeutet habe. Entweder war der Bundeskanzler einer solchen Beratung im Kabinett ausgewichen, und das würde eben bedeuten, daß er hier keine Richtlinien geben wollte, oder aber er war nicht darüber unterrichtet, daß solche Maßnahmen beabsichtigt waren.
Auch das letzte könnte ja der Fall sein, denn wir haben vor gut Jahresfrist schon einmal in einem Ausschuß von dem Herrn Bundeskanzler eine Beschwerde darüber gehört, daß er über wichtige politische Vorgänge und Stellungnahmen in
seinem eigenen Hause nicht unterrichtet sei. Er hat damals sehr drohend ausgeführt, es würden sich daraus in seinem Hause gewisse Konsequenzen ergeben. Ich habe ihn dann freundlich gebeten, uns im Ausschuß einmal über diese Konsequenzen zu unterrichten. Er hat damals ausweichend geantwortet, und bis heute ist leider diese Unterrichtung nicht erfolgt.
Aber, meine Damen und Herren, was immer der Grund gewesen sein mag: angesichts der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung bestand doch seit langem die Notwendigkeit, bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen durchzuführen. Schließlich haben wir uns doch vor gut acht Monaten bei der Bundestagssitzung in Berlin bereits ausführlich über die Konjunkturpolitik unterhalten. Es war doch jedem Einsichtigen klar, daß mit der Frühjahrsbelebung in der Wirtschaft diese Fragen erneut und viel schärfer vor uns stehen würden. Wenn der Herr Bundeskanzler seiner Aufgabe, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, gerecht geworden wäre, hätte er schon lange ein entsprechendes Programm ausarbeiten lassen müssen. Aber durch das Versagen des Bundeskanzlers wurde versäumt, die Weiche der Wirtschaftspolitik rechtzeitig und richtig zu stellen. Da er das versäumte, blieb — wenn ich in diesem Bild bleiben darf — der Bank deutscher Länder nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen. Die Schuld dafür trifft nicht diejenigen, die die Notbremse gezogen haben, um größeres Unglück zu verhüten, sondern sie trift denjenigen, der für die Weichenstellung verantwortlich ist und der sich dieser Verantwortung offenbar entzogen hat.
Daß mit der Maßnahme der Diskonterhöhung schwere wirtschaftliche Schäden für weite Kreise verbunden sein mußten, ist so klar, daß ich darüber heute nicht weiter reden will. Darüber wird auch am Freitag noch genügend gesprochen werden. Aber die Art und Weise, wie dann der Herr Bundeskanzler auf diese Maßnahme reagierte, ist wohl wirklich einmalig — um diesen Ausdruck zu gebrauchen — in der Geschichte der parlamentarischen Demokratie. Herr Bundeskanzler, in hemmungsloser Weise wandten Sie sich gegen diese Maßnahme, desavourierten Ihre beiden Minister in der Öffentlichkeit in einer Art, die in einer gesunden parlamentarischen Demokratie doch nur den Rücktritt der Minister hätte zur Folge haben können.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Nun, dieser Rücktritt ist nicht erfolgt. Wir haben uns darüber nicht sehr gewundert; denn in den ganzen sieben Jahren hat man parlamentarische Selbstverständlichkeiten in dieser Demokratie seitens des Bundeskanzlers und der Bundesminister nicht sehr beachtet. Außerdem waltet über den Ministersesseln in Bonn offenbar eine magische Kraft: Wer erst einmal darin sitzt, kommt kaum wieder davon los.

(Zuruf von der Mitte: Das soll auch in anderen Ländern der Fall sein!)

— Nein, das ist gar nicht überall so. Ich könnte Ihnen Beispiele nennen, wo es gerade nicht so ist. Aber auch wenn es anderswo in etwa so wäre, so stark wie in Bonn werden Sie es in keiner Demokratie finden.
Den Schaden trägt jedoch die Demokratie, und den Schaden tragen vor allen Dingen diejenigen, die durch die Diskonterhöhung in schwere wirt-


(Mellies)

schaftliche Bedrängnis geraten sind. Es ist natürlich, wenn man Bundeskanzler ist, sehr leicht, von dieser Position aus für das eigene Versagen andere Sündenböcke zu suchen. Der Bundeskanzler hat in diesem Fall, anstatt selbst zeitig genug die notwendige Koordinierung in der Wirtschaftspolitik vorzunehmen, seine Minister desavouiert. Er schiebt in der Öffentlichkeit die Schuld, die er letzten Endes selbst trägt, der Bank deutscher Länder und den Ministern zu.
Ebenso hatte der Bundeskanzler für die dauernden Preissteigerungen schnell andere Verantwortliche bei der Hand. Er beschuldigte einfach die deutschen Frauen, daß sie durch ihren wahllosen Einkauf die Schuld an den Preissteigerungen trügen. Meine Damen und Herren, das Versagen der Bundesregierung in dieser Frage den deutschen Frauen in die Schuhe zu schieben, ist nach meiner Auffassung das Skandalöseste, was wir in der letzten Zeit von der Regierungsseite gehört haben.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Bundeskanzler, wahrscheinlich hätte Ihr Familienminister hier einmal eine wirkliche Aufgabe, indem er Ihnen nämlich klarmachte, wieviel Zeit den geplagten Hausfrauen und den berufstätigen Frauen für ihre Einkäufe tatsächlich zur Verfügung steht. Aber selbst, wenn Sie der Auffassung sein sollten, daß hier etwas geschehen müßte, hätten Sie die Möglichkeit gehabt, sich um eine großzügige Organisation und Beratung der Verbraucher verdient zu machen, und in diesem Fall hätten Ihnen die Mittel aus dem — ich gebrauche jetzt gerade nach den Ausführungen meines Freundes Kühn diesen Ausdruck — Reptilienfonds zur Verfügung gestanden. Nach den Darlegungen meines Freundes Kühn muß man doch schon beinahe von einem Korruptionsfonds reden.

(Widerspruch in der Mitte.)

Hier wäre Gelegenheit, derartige Mittel einmal zweckmäßig zu verwenden.
Wir können Ihnen noch mehr sagen, als Herr Kollege Kühn gesagt hat. Oder wollen Sie jetzt etwa behaupten, daß der Vorgang aus dem Ausland, den Kollege Kühn geschildert hat, nicht das ganz klare Merkmal der Korruption verträgt? Was verstehen Sie denn eigentlich noch unter Korruption?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Ach, Sie treuer Hüter von Stilfragen!)

Nun würde man sicher den Bundeskanzler überfordern, wenn man erwarten wollte, daß er an seine eigene Politik die kritische Sonde anlegte. Aber, Herr Bundeskanzler, es entspräche doch wohl dem Gebot des politischen Taktes, Kritik an den Entwicklungen zu unterlassen, die durch Ihre eigene Politik in die Wege geleitet worden sind.
Die Kritik, die Sie z. B. in Stuttgart auf dem Parteitag der CDU am Bundesrat geübt haben, hätte durch die einfache Überlegung verhindert werden sollen, daß gerade Sie bei der Bildung der Länderregierungen in den letzten Jahren doch nur die Gesichtspunkte der Bundespolitik maßgebend sein lassen wollten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die landespolitischen Überlegungen, die Ihre eigenen Parteifreunde angestellt hatten, mußten dabei doch in der Regel zurücktreten.
Meine Damen und Herren, durch alle diese Vorgänge ist das Vertrauen in die Politik der Bundesregierung weitgehend erschüttert worden,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

und es kann auch nicht dadurch wiederhergestellt werden, daß die großen Plakate heute draußen an die Anschlagsäulen geklebt werden, von denen mein Freund Kühn soeben gesprochen hat. Meine Damen und Herren, auch noch so viele Doktorhüte und der schönste Indianerkopfschmuck des „weißen Häuptlings vieler Männer" können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Zügel der Regierung seit Monaten am Boden schleifen. Übrigens scheint es mir, Herr Bundeskanzler, als ob Sie eine junge Konkurrenz auf dem Felde bekommen. Es könnte sein, daß Sie einiges tun müssen, um in diesem Rennen vorn zu bleiben.
Kennzeichnend für die Situation ist auch, daß man heute auch im Ausland offen darüber spricht, daß die Ära Adenauer zu Ende geht. Hier zeigt sich wieder, wie verhängnisvoll es war, daß sich der Herr Bundeskanzler und seine Partei in den verflossenen Jahren immer wieder als der einzige stabile und demokratische Faktor in der Bundesrepublik hingestellt haben. Anstatt stets die demokratische Selbstverständlichkeit herauszustellen, daß durch einen Regierungswechsel und die Übernahme der Regierung durch andere demokratische Kräfte die Demokratie nicht gefährdet sei, tat man alles, um das Ausland mit der Sorge zu erfüllen, welche Folgerungen sich aus einem Regierungswechsel ergeben würden. Den Schaden, der dadurch entstanden ist und noch entsteht, werden wir alle, meine Damen und Herren, wir und Sie, und damit das gesamte deutsche Volk gemeinsam sehr teuer zu bezahlen haben.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Denken Sie an den Schaden, den Sie anrichten!)

Darüber werden wir uns in den Debatten in den nächsten Tagen noch einmal sehr ausführlich unterhalten.
Es ist menschlich erklärlich, daß jemand im hohen Alter nicht gern einen Personenwechsel im Kabinett oder in seiner nächsten Umgebung vornimmt. Ich will hier nicht das wiederholen, was in der Debatte vom 19. Januar über die Entlassung der Minister, die den früheren Koalitionsparteien angehörten, gesagt worden ist. Der nicht erfolgte Rücktritt dieser Minister und die nicht vorgeschlagene Entlassung haben auch dem Ansehen der Demokratie und dem Ansehen der Bundesregierung sicher nicht gedient. Sie haben damals vielleicht geglaubt, Herr Bundeskanzler, daß durch die Aussprache, die am 19. Januar stattfand, diese Angelegenheit erledigt sei. Aber Sie haben erlebt, daß in den letzten Wochen erneut über diese Frage diskutiert worden ist. Es ist hier gar nicht ausschlaggebend, ob das, was in den letzten Tagen über einen politischen Kuhhandel behauptet wurde — so darf ich es wohl bezeichnen —, richtig ist oder nicht. Entscheidend ist, daß diese Frage nicht zur Ruhe gekommen ist und nicht zur Ruhe kommen wird. Man kann — wie das bei dem Herrn Bundeskanzler wahrscheinlich der Fall gewesen ist — der Meinung sein, daß man die ungeschriebenen Gesetze der Demokratie nicht allzusehr zu beachten braucht. Man kann das auch eine Zeitlang ertragen, vor allen Dingen dann, wenn man eine Mehrheit im Bundestag hat, die immer und


(Mellies)

jederzeit gern bereit ist, ein solches Verhalten zu billigen und noch Beifall dazu zu spenden. Aber, meine Damen und Herren, Sie werden in allen diesen Fällen immer wieder merken, daß es keine Ruhe geben wird, bis solche Angelegenheiten so erledigt sind, wie es die ungeschriebenen Gesetze der Demokratie erfordern.
Lassen Sie mich mit meinem Satz nur noch darauf hinweisen, daß aus diesem Grunde auch der sogenannte Fall Globke immer wieder zur Diskussion kommen wird, bis die Erkenntnis Allgemeingut geworden ist, daß dieser Mann in seiner gegenwärtigen Stellung politisch einfach nicht zu ertragen ist.

(Beifall bei der SPD und Zurufe.)

Ich möchte dem, was ich gerade in dieser Angelegenheit so oft von dieser Stelle aus gesagt habe, nichts mehr hinzufügen.
Nun wird der Herr Bundeskanzler in den kommenden neuen Schwierigkeiten sicher wieder versuchen, weiter Sündenböcke für sein Versagen und für das Versagen der Bundesregierung zu finden.

(Lachen in der Mitte.)

Er wird weiter Minister desavouieren, wenn es ihm paßt. Er wird ganze Bevölkerungsschichten beschuldigen, daß ihr Verhalten Schuld an der Entwicklung trage. Er wird aber niemals zugeben, daß seine Politik, die in den letzten Wochen und Monaten einfach die Zügel der Regierung schleifen läßt, der eigentliche Grund für das immer größere Unbehagen an der gegenwärtigen Politik der Bundesregierung ist.
Wir haben den Haushalt des Bundeskanzleramts in den letzten Jahren stets abgelehnt; wir werden ihn aus den Gründen, die ich vorgetragen habe, in diesem Jahre erst recht ablehnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215012700
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0215012800
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich möchte nur auf einige Punkte der Ausführungen des Herrn Kollegen Mellies antworten. Da wir ja im Laufe der Woche eine Konjunkturdebatte und, wie er selbst sagte, Anfang nächster Woche eine außenpolitische Debatte haben werden, wird sich die Gelegenheit ergeben, ausführlich zu antworten.
Der Herr Kollege Mellies wirft mir vor, daß ich die Zügel der Regierung am Boden schleifen ließe.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Von anderer Seite, meine Damen und Herren, bekomme ich den Vorwurf, daß ich den einzelnen Ministern nicht genügend Freiheit ließe.

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU.)

Ich kann also wohl annehmen, daß ich so die richtige Mitte halte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun scheint der Herr Kollege Mellies nicht das Verhältnis zu kennen, in dem wir zur Bank deutscher Länder oder, besser ausgedrückt, zum Zentralbankrat stehen.

(Abg. Mellies: Das kenne ich sehr genau, Herr Bundeskanzler!)

— Sie erlauben aber doch, Herr Mellies, Ihnen dazu etwas zu sagen. Es ist vorgekommen, daß im vergangenen Jahre eine Diskonterhöhung stattgefunden hat, ohne daß die beiden Minister, die zur Teilnahme an den Sitzungen des Zentralbankrates berechtigt sind, benachrichtigt wurden. Ich habe darauf den Präsidenten des Zentralbankrates gebeten, die beiden zur Teilnahme berechtigten Minister doch immer rechtzeitig zu benachrichtigen. Der Präsident des Zentralbankrats hat mir darauf erwidert, Diskonterhöhungen müßten unter Umständen so schnell erfolgen, daß er keine Gewähr dafür übernehmen könne, daß die Herren rechtzeitig eingeladen würden.
Herr Mellies, in einem solchen Falle helfen mir meine Richtlinien der Politik nichts. Es kommt noch eins hinzu: Wenn die beiden Herren — es sind der Wirtschaftsminister und der Finanzminister — zu einer Sitzung des Zentralbankrates eingeladen werden, wird ihnen vorher nicht gesagt, daß eine Diskonterhöhung in dem oder dem Umfang oder überhaupt eine Diskonterhöhung geplant sei. Und wenn ich auf Grund der Richtlinien der Politik den Herren vorher sagte: Bitte, Sie stimmen nicht dafür!, dann möchte ich mal gerne hären, welche Kritik ich von der sozialdemokratischen Fraktion bekäme.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215012900
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie dem Abgeordneten Mellies eine Zwischenfrage?

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0215013000
Bitte sehr!

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0215013100
Herr Bundeskanzler, war denn aus der ganzen wirtschaftspolitischen Entwicklung nicht zu ersehen, daß, wenn die Bundesregierung in den Wirtschaftsfragen nichts tat, die Bank deutscher Länder einfach gezwungen war, notwendige Maßnahmen durchzuführen, und ist Ihnen nicht mindestens von Ihrem Herrn Wirtschaftsminister in der Woche vorher ein derartiger Hinweis gegeben worden?

(Zuruf von der SPD: Es haben laufend Verhandlungen stattgefunden!)


Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0215013200
Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Mellies folgendes antworten. Ich bin der Auffassung, daß bei einer wirtschaftlichen Situation wie derjenigen unserer Zeit eine Diskonterhöhung außerordentlich wenig Erfolg hat.

(Abg. Mellies: Ja, wenn die Bundesregierung vorher nichts tut, natürlich!)

— Nein! — Darüber werden wir ja sprechen, Herr Kollege Mellies, wenn die große Konjunkturdebatte kommt.

(Lachen bei der SPD.)

Jetzt handelt es sich einfach darum, ob ich die Zügel am Boden schleifen lasse, weil ich den beiden Ministern keine Anweisung gegeben habe, wie sie stimmen sollten. Darauf habe ich geantwortet.
Nun soll ich in hemmungsloser Weise die beiden Minister desavouiert haben. Verehrter Herr Kollege Mellies, lesen Sie doch bitte die Rede, die ich damals im Gürzenich gehalten habe.

(Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Mellies: Habe ich gelesen; eine vergnügte Viertelstunde!)



(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

— Nein, meine Herren, lesen Sie sie bitte so, wie sie in der Beilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gestanden hat. Ich kann Ihnen sagen, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt:
Ich bin noch nicht in der Lage, mir ein Urteil darüber zu bilden, ob diese Diskonterhöhung gerechtfertigt ist oder nicht. Wir werden aber morgen Kabinettssitzung haben, und dort werden die beiden Herren uns mitteilen,

(Zuruf von der SPD: „Rechenschaft ablegen"!)

werden dem Kabinett Rechenschaft darüber ablegen, was vorgegangen ist.
Ja, meine Herren, ist denn das nicht richtig? Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

Nicht sehr schön finde ich, daß Herr Mellies gesagt hat, es sei ein skandalöser Vorgang, daß ich den Hausfrauen die Schuld an der Preissteigerung zugeschoben hätte. Wissen Sie denn, Herr Mellies, wie die Sache sich abgespielt hat?

(Abg. Mellies: Ja, das weiß ich!)

Es war bei einem Empfang des Presseklubs — nun, Sie hören vielleicht auch einmal etwas, was nicht so wichtig ist bei den wichtigen Debatten, ganz gerne —. Ein Mitglied dort klagte mir, daß die Leber seiner Frau verkauft worden sei

(große Heiterkeit)

— meine Damen und Herren, Sie übersehen, daß Genetiv und Dativ hier übereinstimmen —(Heiterkeit — Beifall bei der CDU/CSU)

für 6 Mark das Pfund; er habe sich an den Metzger gewandt, und darauf habe er sie ihm für 5 Mark verkauft. Daraufhin habe ich gesagt: „Ja, die deutschen Hausfrauen sollen sich zur Wehr setzen." Ist denn das nicht richtig, Herr Mellies?!

(Beifall bei der CDU/CSU und rechts. — Ironisches Händeklatschen bei der SPD.)

Ich kann auch gar nicht finden, daß das mit den geschriebenen Gesetzen oder den ungeschriebenen Gesetzen der Demokratie nicht vereinbar sei.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Mellies: Von den ungeschriebenen Gesetzen der Demokratie habe ich in einem ganz anderen Zusammenhang gesprochen!)

— Sie haben mehrfach davon gesprochen. — Ich bin im Gegenteil der Auffassung, Herr Mellies — und das sage ich in aller Öffentlichkeit —, daß der Käufer wirklich Einfluß ausüben soll.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und rechts. — Abg. Mellies: Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, daß ich das gar nicht gesagt habe!)

— Sie haben wörtlich gesagt, es sei skandalös, daß ich den deutschen Hausfrauen das zugeschoben hätte.

(Abg. Mellies: Jawohl!)

Ich habe nur gesagt, daß die deutschen Hausfrauen überhöhte Forderungen einfach ablehnen sollen, und das können sie ja auch tun.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215013300
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie dem Abgeordneten Könen eine Frage?

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0215013400
Herr Bundeskanzler, da wir gerade von den Hausfrauen sprechen: Ist Ihnen aber auch bekannt, daß die tapferen Hausfrauen, die sich zur Wehr gesetzt haben, vor sämtlichen Gerichten die Prozesse verlieren, die die Lebensmittelämter wegen der Verfälschung der Lebensmittel beim Metzger, wegen der Kalbsleberwurst, wegen der Fleischwurst usw. veranlaßt haben?

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0215013500
Meine Damen und Herren, das ist mir nicht bekannt.

(Abg. Könen [Düsseldorf]: Das ist doch traurig!)

Aber meine verehrten Damen und Herren, ich muß doch auch einen ernsten Satz aussprechen. Es ist soeben von Herrn Kollegen Mellies von Korruption gesprochen worden. Ich meine, wenn man den Vorwurf der Korruption macht, ist man verpflichtet, Roß und Reiter zu nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215013600
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215013700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion darf ich dem Hohen Hause zu Einzelplan 04 das folgende vortragen.
Wir machen von dem historischen Recht aller Parlamente Gebrauch, bei der Haushaltsdebatte vorzubringen, was sich an politischer Kritik aufgehäuft hat. Das ist auch die richtige Stelle, es zu tun; denn das Bundeskanzleramt ist Herz und Brennpunkt der gesamten Regierungsmaschine. Und damit nicht gesagt wird, wie wir das in einer früheren Debatte einmal gehört haben, daß wir nunmehr eine ganz neue, von der bisherigen abweichende Linie verfolgen, möchte ich gleich hinzufügen, daß ich schon vor einem und vor zwei Jahren zu diesem Thema gesprochen habe und unsere Linie völlig konstant geblieben ist.

(Abg. Niederalt: Alles bewegt sich im Leben!)

— Sie meinen, man dürfe nicht konstant bleiben? Bitte schön, das haben Sie gesagt!

(Abg. D. Dr. Gerstenmaier: Er hat Heraklit zitiert!)

Seit dem letzten Jahr hat sich nun manches ereignet, was nicht unbedingt dazu angetan war, das Vertrauen in unserem Staat zu stärken. Herr Kollege Mellies hat schon darauf hingewiesen, daß es eine Gewichtsverschiebung in der Regierung gegeben hat, die zweifellos, wie ich hinzufügen möchte, mit den ursprünglichen Koalitionsverabredungen nichts mehr zu tun hatte. Aber das Entscheidende ist, daß diese Gewichtsverschiebung nicht nur innerhalb der Regierung stattfand, sondern daß es eine Gewichtsverschiebung zwischen Regierung und Parlament ist. Sie ist zuerst akut geworden beim Austritt der BHE-Minister aus ihrer Fraktion. Der Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes ist uns wohl bekannt, nach dem der Bundespräsident auf Vorschlag des


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

Bundeskanzlers die Minister ernennt und entläßt. Aber ich halte es — und meine politischen Freunde sind derselben Meinung — für höchst bedenklich, wenn man über diesen Art. 64 das notwendige Spiel der parlamentarischen Fairneß außer acht läßt. Hier handelt es sich um eine Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung, die dringend nötig ist, wenn nicht die gesamte Regierungstätigkeit völlig in das monokratische Fahrwasser geraten soll. Wir haben das konstruktive Mißtrauensvotum des Art. 67. Es ist eingeführt worden aus der damals vielleicht berechtigten Sorge, daß es wiederum negative Mehrheiten geben könnte, wie wir es in den letzten Jahren der Weimarer Republik erlebt haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215013800
Meine Damen und Herren, der Redner ist kaum zu verstehen. Ich bitte Sie, Ihre privaten und politischen Gespräche draußen zu führen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215013900
Das konstruktive Mißtrauensvotum ist zweifellos nicht in das Grundgesetz hineingekommen, um damit praktisch die Kontrolle des Parlaments überhaupt auszuschalten. Heute ist es doch so, daß ein Minister, wenn er von der Volksvertretung völlig unabhängig werden will, ein sehr einfaches Mittel zu seiner Verfügung hat. Er braucht nur aus seiner Fraktion auszutreten und anzudeuten, daß er, weil er ein besonderer politischer Freund des Herrn Bundeskanzlers ist, bereit ist, Amt niederzulegen. Dann wird er neu ernannt oder bestätigt und hat überhaupt keine Verbindung mehr mit und keine Verantwortung mehr gegenüber dem Parlament.
Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, werden den sehr bemerkenswerten Aufsatz gelesen haben, den Professor Theodor Eschenburg, Tübingen, im „Handelsblatt" am 28. Mai d. J. unter dem Titel veröffentlicht hat „Die Schranken wurden überschritten — Handelte der Kanzler verfassungsmäßig?" Ich darf vielleicht mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige wenige Zeilen aus diesem Artikel zitieren. Es heißt darin:
Die Minister ohne Partei sind zwar frei von parlamentarischer Bindung, aber auch ohne parlamentarischen Schutz und stehen daher dem Bundeskanzler ungesicherter gegenüber als die anderen Bundesminister. Sie sind Minister à la suite des Bundeskanzlers. Sie bilden die Partei Adenauer sans phrase im Kabinett.
Professor Eschenburg weist weiter darauf hin, daß durch die heutige Regelung der Ministerpensionen dem Bundeskanzler ein zusätzliches Machtmittel in die Hand gegeben ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Auch sonst ist einiges dazu zu sagen. In Art. 65 und der Geschäftsordnung im Zusammenhang mit diesem Artikel wird zweifellos die Kabinettsberatung vorgesehen. Die „einsamen Beschlüsse" sind, wie Professor Eschenburg sagt, doch nur denkbar, nur konstitutionell, nach solchen Beratungen.
Ich möchte die Frage noch einmal aufwerfen, wie es dann mit dem Thema aussieht, das soeben besprochen wurde, der Desavouierung — es ist leider nicht möglich, ein schwächeres Wort zu verwenden — der Minister Schäffer und Erhard. Es ist da in der Öffentlichkeit ein sehr peinlicher Eindruck entstanden. Wir fragen uns auch, ob es denn zwischen der Bank deutscher Länder und dem Bundeskanzleramt keine Telefonverbindung gibt, über die man sich eventuell hätte verständigen können. Professor Eschenburg spricht von einem institutionswidrigen Verhalten und meint am Schluß, daß es sich hier nicht nur um eine Formfrage, sondern um eine höchst politische Angelegenheit handele.

(Sehr richtig! rechts.)

Herr Bundeskanzler, Sie meinten, die eine Seite werfe Ihnen vor, daß Sie die Zügel schleifen ließen, und die andere, daß Sie die Zügel zu fest anzögen. Ich glaube, daß man hier etwas anderes hinzufügen müßte. Man kann nämlich auch durch eine Überbürokratisierung und durch eine allzu starke Anhäufung von Macht zu einem Schleifenlassen der Zügel kommen.

(Beifall bei der SDP und rechts.)

Es ist doch, wenn Sie sich den Haushalt des Bundeskanzleramtes ansehen, sehr offenkundig, was sich da abspielt. Es ist eine Anhäufung von Macht, eine Anhäufung bürokratischer Einflußmöglichkeiten. Der Herr Bundeskanzler ist der Atlas, der dieses ungeheure Gewicht zu tragen hat. Da kann man sich nicht wundern, wenn es zu einem Schleifenlassen der Zügel kommt und wenn gleichzeitig, vom Standpunkt der parlamentarischen Demokratie aus, die Zügel oftmals zu straff angezogen werden. Im Jahre 1951 betrug der Personalstand des Bundeskanzleramtes 370 Personen; heute 1956, beträgt er 575 Personen,

(Hört! Hört! rechts und bei der SPD)

also über 200 Personen mehr als vor fünf Jahren. Wir meinen, daß in diesem ungeheuren Koloß, in diesem Apparat, der da aufgebaut wird, sehr große Gefahren ruhen. Da kann man sich nicht wundern, wenn die Bundesregierung auch zu den wichtigsten Maßnahmen — Steuerreform, Sozialreform und vieles andere — so wenig Zeit gefunden hat.
Wir können dem Herrn Bundeskanzler durchaus das Recht zubilligen — um auf den politischen Stil zu kommen —, bei Verhandlungen Sekretärinnen und Tonbandgeräte dabei zu haben. Wir haben nichts dagegen. Aber nachher sollte man doch nicht Bedingungen an die Herausgabe von Tonbändern knüpfen.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Das ist kein guter politischer Stil. Soll ich sagen: „Vorsicht am Tonband" entsprechend der Devise: „Vorsicht am Telefon"?

(Beifall.)

Bis zum heutigen Tage, trotz der Debatte vom 7. Dezember 1955, ist die dem Ansehen des Staates nicht nützliche Angelegenheit, die SchmeißerAffäre, nicht geklärt. Wir warten darauf, daß die interessanteste Persönlichkeit jener Affäre — das sind die Worte des Herrn Bundeskanzlers —, nämlich Herr Ziebell, vielleicht noch in einer Gerichtsverhandlung einiges wird aussagen können. Ich weiß nicht, wie lange wir noch warten müssen. Die Öffentlichkeit hat es nicht vergessen.
Wenn man andererseits — und das gehört auch zum Stil — jemand als Landesverräter bezeichnet, wie es im Falle Hertslet geschehen ist, sollte man ihm Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen, und das nicht dadurch verhindern, daß die Aussagegenehmigungen verweigert werden. Der Staatsbür-


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

ger hat einen Anspruch darauf, gegen solche Angriffe oder Verunglimpfungen geschützt zu werden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Vulkan-Affäre, Schroth-Scharley, Hertslet — eine traurige Liste; wahrscheinlich konnte da nichts geschehen wegen „Gefährdung der Staatssicherheit", und vielleicht galt auch hier wieder das warnende Kanzlerwort: „Noch nie, meine Damen und Herren, war die Lage so gefährlich wie jetzt."

(Beifall bei der SPD.)

Ich halte das vom gesamtpolitischen Standpunkt
aus für bedenklich. Man soll nicht rufen: „Der
Wolf ist da!" Das lehrt einen schon das Märchen.
Ich kann mir, wenn wir in der deutschen Geschichte so ein wenig Umschau halten, nicht vorstellen, daß etwa ein Mann wie Stresemann in gleich ernsten Lagen jemals so etwas gesagt hätte. Zu dem, was Sie vortrugen, Herr Kollege Mellies: bestimmt hätte ein Mann wie Stresemann sich niemals so hingestellt, als ob nur er die deutsche Demokratie und die Bündnistreue verträte. Das ist in der Tat kein Dienst an Deutschland, wenn der Eindruck hervorgerufen wird, — sicherlich unbeabsichtigt, aber er ist entstanden —, als ob die Demokratie in Deutschland, die deutsche Bündnistreue auf einem einzigen Manne ruhe. Wir alle, dieses ganze Hohe Haus, man darf wohl sagen, die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes sind Garanten der Demokratie und sind Garanten für die Verbindung Deutschlands mit der freien Welt.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, der SPD und beim GB/BHE.)

Hier im Einzelplan 04 läuft alles zusammen, die Außenpolitik, die gesamtdeutschen Fragen. Über die gesamtdeutschen Fragen werden wir vielleicht nächste Woche sprechen können. Aber jetzt schon eine Bemerkung dazu, warum wir so mit tiefem Mißtrauen erfüllt sind. Die Bochumer Rede vom 2. September 1955 ist uns in lebhaftester Erinnerung.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es ist ja nun ein Witz der Weltgeschichte und nicht einmal ein guter, wenn in Stuttgart sodann gesagt wurde: Die Saar wurde vom Herrn Bundeskanzler heimgeholt.

(Zustimmung bei der SPD.)

Es ist doch wieder eine Frage des Stils, daß an die Männer und Frauen des Deutschen Heimatbundes an der Saar nicht ein einziges Wort des Dankes gerichtet wurde.

(Sehr richtig! bei der FDP und SPD.)

Das sind Dinge, die doch wohl in keinem anderen Lande vorstellbar wären.
Zur Außenpolitik, die wir besprechen werden, nur einige wenige Andeutungen. Im Augenblick steht sie ja unter der Devise, die vor vielen Jahrzehnten der „Simplizissimus" einmal prägte: „Reisend mit viel schönen Reden."

(Zustimmung bei der FDP und SPD.)

Der Tit. 301 war nach dem Regierungsentwurf ein Leertitel und ist nun durch den 18. Ausschuß mit 300 000 DM dotiert worden. Ich hoffe, daß es reichen wird. Ich weiß nicht, wie viel Gelder nötig
sind, um die diplomatischen Beziehungen auszubauen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Indianerstämmen von Milwaukee.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Es wurde schon einiges über die Presse gesagt; gerade heute steht so einiges darin, worüber ich mich nicht freue, worüber sich keiner freuen kann, ganz gleich, wo er politisch stehen mag. Das ist der Artikel von Walter Lippmann, der alarmierend ist, und ich bin sicher, daß niemand in diesem Hohen Hause ihn mit Freude oder mit Genugtuung gelesen hat, denn er trifft uns alle, da er den Repräsentanten des Staates trifft. In diesem Artikel wird von einem „deprimierenden Besuch" gesprochen, es kommen darin Worte vor wie „starr", „unfruchtbar", „unrealistisch", „illusionär". Und Walter Lippmann glaubt am Schluß sagen zu müssen — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
Die Hoffnung, die Adenauer und Dulles beseelte, war nicht, daß sie Deutschland wieder vereinigen könnten, sondern daß die alte Routine noch ausreichen würde, Adenauer durch die Wahl von 1957 durchzubringen.

(Hört! Hört! bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Das ist nicht angenehm zu hören. Das ist nicht schön, wenn man das am Frühstückstisch präsentiert bekommt. Denn man weiß, daß Walter Lippmann ein sehr einflußreicher Mann ist und außerdem ein besonderes Talent hat, die Dinge immer dann zu sagen, wenn sie bereits im allgemeinen Bewußtsein sind.
Wenn wir vom Reisen sprechen, darf noch eine Frage aufgeworfen werden. Es ging doch um eine außenpolitische Frage. Warum war zwar der Herr Staatssekretär Hallstein mit, aber nicht der Herr Außenminister von Brentano? Warum nimmt man den Bundesaußenminister nicht mit, der doch schließlich der verantwortliche Vertreter der Außenpolitik ist?
Die „Neue Zürcher Zeitung" — auch da kann man sich wieder nicht freuen, ich will nicht wörtlich zitieren, Sie haben es sicher gelesen —, die doch durchaus freundlich gesonnen ist, meint, daß von höchster bundesrepublikanischer Seite „ein massiver Beitrag geleistet wurde zu der gegenwärtig von den republikanischen Ärzten bestrittenen Wahlkampagne in Amerika". Dieses Hohe Haus und das ganze deutsche Volk sind sich einig in den besten Genesungswünschen für den Präsidenten der Vereinigten Staaten Dwight D. Eisenhower.

(Beifall.)

— Ich danke Ihnen für die Zustimmung, denn ich bin sicher, daß dies die Gefühle des gesamten Volkes ausdrückt. Um so mehr muß man sich hüten, als deutscher Staatsmann irgendwie den Eindruck zu erwecken, als ob man in den inneren Parteienkampf der Vereinigten Staaten eingreife. Ich habe lange genug dort gelebt, um beurteilen zu können, wie sensitiv Amerika da ist. Alles, was da irgendwie so aussehen könnte, als wenn von unserer Seite die eine Partei oder die andere bei den kommenden Präsidentschaftswahlen unterstützt werden würde, wird für unsere außenpolitischen Beziehungen in höchstem Maße schädlich sein. Ich bin der Meinung, daß eigentlich die Public Relations dazu da sind, den Bundeskanzler zu beraten. Wir haben ja die-


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

sen Titel. Wir haben den Tit. 300 „Public Relations im In- und Ausland", einen Titel von 12 500 000 DM. Dieser Titel interessiert mich sehr. Ich habe vorhin in dem Protokoll des vergangenen Jahres nachgesehen und in meiner Rede vom 21. Juni 1955 noch einmal festgestellt, daß es damals in der Regierungsvorlage hieß, man verlange eigentlich nur 10 Millionen DM, die zusätzlichen 11/4 Millionen seien nur ein Vorgriff gewesen wegen der Berliner Konferenz und überdies eine einmalige Ausgabe.

(Abg. Dr. Gülich: Es bekam im Haushaltsgesetz den Zusatz „künftig wegfallend" und ist dann in diesem Jahr noch um 11/4 Millionen erhöht worden!)

Der Posten des vorigen Jahres ist stehengeblieben, plus weiteren 11/4 Millionen!

(Abg. Dr. Gülich: Obgleich im Haushaltsgesetz stand: „künftig wegfallend"!)

Es ist wesentlich, das so genau festzustellen. Wir haben also heute 12,5 Millionen DM, und es sollten 10 Millionen DM sein, auch nach dem Haushaltsgesetz, wie Sie dankenswerterweise festgestellt haben. Die Frage ist, was mit diesem Geld, was damit für Public Relations geschieht. Es ist nicht schön, was man da im Ausland in den letzten Monaten erleben mußte! Ich habe selbst gesehen und zu hören bekommen, daß in manchen Teilen Amerikas in der öffentlichen Meinung über die Sozialdemokratische Partei und über die Freien Demokraten Dinge in Umlauf gesetzt wurden, so ungefähr, als stünden die SPD und die FDP praktisch im Lager Moskaus — Verleumdungen ungeheuerlichster Art, denen man hätte entgegentreten müssen. Jede Regierung jedes anderen Lan- des wäre dem auch entgegengetreten, wenn gegen die Opposition des eigenen Landes so etwas verbreitet würde. Das ist leider nicht geschehen.
Das Presse- und Informationsamt unter Herrn Forschbach! Herr Kollege Kühn, Sie haben schon vorweggenommen, was ich sagen wollte: die Oppositionsparteien könnten eigentlich mit Herrn Forschbach sehr zufrieden sein, weil seine Wirkung in der deutschen Öffentlichkeit gleich null gewesen ist. Aber sie müssen besorgen — und so hinderte uns unsere Pflicht gegenüber dem Staat, uns darüber zu freuen —, daß seine Wirkung im Ausland ebenfalls gleich null ist.

(Zuruf von der SPD: Gefüllte Null!)

Es mag sein, daß die Diplomaten gute Berichte schicken. Ich will es hoffen. Wir werden auch darüber einiges zu hören bekommen. Ich bin überzeugt, daß wir gute Berichte von unseren Missionen bekommen und daß wir keine Ja-Sager darunter haben. Aber diese Berichte bleiben verschlossen, von der Öffentlichkeit sieht sie niemand. Die deutsche Öffentlichkeit wird über das Ausland durch Nachrichtenquellen unterrichtet, die zum größten Teil ausländisch sind und aus diesem Gesichtspunkt berichten, aber nicht nach dem, was für Deutschland interessant und wichtig ist. Umgekehrt — und das ist eigentlich noch weniger wünschenswert — wird die Öffentlichkeit im Ausland meist durch ausländische Beobachter, weniger aus deutschen Quellen informiert Ich bin der Meinung des Kollegen Kühn, daß man die Posten für die deutschen Nachrichtendienste etatisieren sollte, daß man es offen zugeben sollte. Ich bin sogar der Meinung, daß man dann diese Posten noch erhöhen könnte, um eine stärkere
Verbindung zwischen der deutschen und der ausländischen öffentlichen Meinung zu erzielen.
Die Zahl der Beamten und Angestellten hat sich nicht wesentlich erhöht. Sie war im letzten Jahr 394 und ist heute 419. Diese Erhöhung ist ja bescheiden. Das Propagandaministerium hat, glaube ich, noch mehr Beamte gehabt.
Das Bundespresseamt — ein ansehnlicher Bau für etwas über 5 Millionen DM! Aber die Frage taucht auf, ob dieser Aufwand an Personal, Raum und Geld in irgendeinem Verhältnis zum Unterrichtetsein des Publikums steht. Es scheint mir doch so zu sein, daß hier die Verwaltung zum Selbstzweck wird. Um ein Wort von Lincoln abzuwandeln: das ist Verwaltung der Verwaltung durch die Verwaltung und für die Verwaltung.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.) Was Pressekonferenzen angeht, so bestätigen mir meine Kollegen von der Presse aller Richtungen, daß es eine Quelle ständiger Heiterkeit gewesen ist, wenn meistens von zehn Fragen acht nicht beantwortet wurden. Nun ja, das ist ja eine alte Sache mit der deutschen Zivilcourage; man hat sich vielleicht nicht ganz getraut, Antworten zu geben. Wozu dann überhaupt eine Pressekonferenz?

Wie wird es denn sonst gehandhabt? Ich traf vor einigen Tagen mit einem englischen Journalisten zusammen, dem Vertreter einer sehr großen Zeitung, die deutschfreundlich und kanzlerfreundlich ist, einem Manne, der voll besten Willens hierherkam. Seit zwei Jahren bemühte er sich um ein Interview. Er bekam es nicht. Er hat endlich seine Fragen schriftlich eingereicht und sah dann im Bundeshausrestaurant den Zettel des Beamten des Bundespresse- und -informationsamtes, auf dem die Fragen auf deutsch aufgezeichnet waren. Dabei konnte er feststellen, daß von sechs Fragen, die er eingereicht hatte, vier bereits durchgestrichen waren, darunter Fragen über die Wiedervereinigung und darüber, welche Stellung Herr von Brentano wohl einnehmen würde. Dann fragte der englische Journalist, ob er das Thema aufnehmen könne, was man denn nun zu den Gerüchten sagen müsse, daß das Ende der jetzigen Regierungsmehrheit in Sicht sei. Erschreckter Aufschrei des Vertreters des Bundespresse- und -informationsamtes: „Um Gottes willen, so etwas dürfen Sie doch nicht berühren, wenn Sie den Kanzler sehen!" Dann: „Darf ich die Frage stellen, ob eine Koalition mit der SPD in Frage käme?" — „Um Gottes willen, das dürfen Sie auch nicht berühren!" Man fragt sich, ob das nicht bereits eine Knechtseligkeit ist in dieser Verwaltung, die für den deutschen Staat nur von Schaden sein kann.
In bemerkenswertem Gegensatz zu diesem 5-
Millionen-Gebäude stehen auch heute noch die Baracken der ausländischen und der deutschen Presse. Ich habe bereits im letzten Jahr darüber gesprochen, und ich muß dieses leidige Thema heute noch einmal anschneiden. In der Begründung für die Antwort des Bundesfinanzministers vom 9. April 1956 heißt es:
Bei der bekannten Abneigung des Bundestages gegen weitere Neubauten für den Bund in der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn sehe ich keine Möglichkeit, die von NordrheinWestfalen seinerzeit in Leichtbauweise errichteten drei Pressehäuser durch massive Bauten zu ersetzen.


(Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein)

Welch schöne Musik in unseren Ohren, „die provisorische Bundeshauptstadt" und „keine weiteren Mittel"! Aber warum gerade für die Presse, warum gerade da diese Sparsamkeit? Für die provisorische Bundeshauptstadt wird soeben ein neues Ministerium gebaut mit 55 Millionen DM, das für den Frieden wohl keine besondere Verwendung finden wird und im Ernstfall sofort geräumt werden müßte,

(Sehr gut! bei der SPD)

statt daß dieses Geld für Berlin ausgegeben wird, wo die Arbeitslosigkeit heute noch über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Der Tit. 302 ist um weitere 100 000 DM für das Bulletin auf 1,1 Millionen DM erhöht worden. Letztes Jahr ist er, wenn ich mich recht erinnere, bereits um 200 000 DM erhöht worden, also in zwei Jahren um 300 000 DM. Meine Damen und Herren, man muß das verstehen; das ist nicht zu teuer für ein Instrument der authentischen Verfassungsinterpretation.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und SPD.)

Besonders interessant finde ich auch den Tit. 304, Erforschung der öffentlichen Meinung. Er ist um 50 000 DM erhöht worden. Die Fußnote sagt: „Die lebhafte politische Entwicklung" - ei, welche wohl? — „bedingt fortlaufend eine besonders eingehende Beobachtung der öffentlichen Meinung von seiten der Bundesregierung." Je schlechter die öffentliche Meinung wird, desto sorgfältiger muß man sie wohl beobachten.

(Heiterkeit.)

Als Krösus die Orakelsprüche der Pythia erhalten wollte, hat er auch Geschenke bringen müssen. Die Aussprüche waren sehr treffend; er hat sie nur nicht richtig interpretiert. Das hat dann zu einigen Folgen geführt.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Ich möchte Ihnen einen konkreten und positiven Vorschlag machen. Ich darf ihn im Namen der Fraktion machen, weil ja wirklich kein Verdacht bestehen kann, daß wir eines dieser Ämter haben möchten. Wenn man schon einen solchen Stab von Beamten hat, wodurch die Zügel schleifen und zu straff sind, sollte man einen Schritt weitergehen. Wir würden dafür plädieren, zwei Staatssekretäre im Bundeskanzleramt zu haben, einen, der sich mit Personalfragen und mit der Koordinierung mit den Arbeitsgebieten der Ministerien befaßt, und einen zweiten, der das Nachrichten- und Informationswesen unter sich hat. Vielleicht könnte dann eine nutzbringendere, bessere Arbeit geleistet werden.
Meine Damen und Herren, das ist nur eine Vorschau auf das, was in den nächsten Tagen, in den nächsten zwei Wochen gesagt werden wird. Wir sehen — und damit möchte ich zusammenfassen —, daß dieser ungünstige, dieser oft häßliche Stil in unserem demokratischen Leben eine Gefahr für unsere junge Demokratie darstellt und daß die Basis erschüttert werden könnte, auf der dieser Staat stehen soll, die Basis, die für Gesamtdeutschland von entscheidender Bedeutung sein wird.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Wir haben im vergangenen Jahr — ich selbst habe es schon vor zwei Jahren getan — die Kontrolle dieser Fonds verlangt, die Bismarck mit dem
Namen eines kaltblütigen Lebewesens belegt hat. Wir werden diese Forderung wiederholen. Im übrigen wird unsere Fraktion allem zustimmen, was diese Fonds auf das drastischste reduziert und was dem Parlament eine wirkliche Einflußmöglichkeit verschafft.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215014000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.

Dr. Gerd Bucerius (CDU):
Rede ID: ID0215014100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte dem Herrn Kollegen Kühn einige Worte erwidern. Der Zufall der Rednerfolge hat mich aber hinter den Kollegen Prinz zu Löwenstein gesetzt. Ich darf zunächst ihm ein paar Worte sagen.
Herr Kollege Prinz zu Löwenstein: es ist außerordentlich schwer, sich mit Ihnen über Erlebnisse englischer Journalisten im Bundeshausrestaurant zu unterhalten. Sie haben auch nach meiner Auffassung wirklich nicht den staatspolitischen Wert, in einer Debatte über den Haushalt diskutiert zu werden. Wenn man eine Beschwerde über deutsche Politiker und nach meiner Auffassung auch vielleicht über den Herrn Bundeskanzler anbringen kann, ist es nicht die, daß er zuwenig Interviews gibt, sondern, daß er gelegentlich ein Wort zuviel gesagt und ein Interview zuviel gegeben hat. Darüber haben gerade Sie und Ihre Fraktion häufiger Beschwerde geführt. Ihm jetzt also vorzuwerfen, er sei zu schweigsam, scheint mir neben der Sache zu liegen.
Prinz zu Löwenstein, Sie haben lebhaft Beschwerde darüber geführt, daß die Bundesrepublik in ihrem amtlichen Organ die Oppositionsparteien nicht vor dem Vorwurf in Schutz genommen habe, keine demokratischen Parteien zu sein. Prinz zu Löwenstein, ich habe diesen Vorwurf, daß eine der Parteien der Opposition, soweit sie heute in diesem Hause vertreten sind, keine demokratische Partei sei, noch nicht gehört,

(Sehr richtig! in der Mitte) weder hier noch im Ausland.


(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD.)

Ich erinnere mich nur eines einzigen Zwischenfalls dieser Art. Das war, nachdem in der vorigen Wahl das deutsche Volk zu einem sehr erheblichen Teile seine Stimme der Partei des von Ihnen angegriffenen Bundeskanzlers gegeben hatte. Damals verkündete ein führendes Mitglied einer der Oppositionsparteien,

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Sagen Sie, was der Kanzler dem Herrn Spaak gesagt hat!)

dieses Wahlergebnis sei das Ergebnis undemokratischer Machenschaften, und Deutschland sei auf dem Wege zum Totalitarismus.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Prinz zu Löwenstein: ich glaube, es wäre richtiger gewesen, sich dieses Zwischenfalls zu erinnern, statt einen Vorwurf zu erheben, dem ich selbst, wenn er berechtigt wäre, in der Tat immer und mit großer Energie entgegengetreten wäre.
Prinz zu Löwenstein! In Ihrem Referat sind einige Namen gefallen. Sie haben Eschenburg er-


(Dr. Bucerius)

wähnt, Sie haben Ziebell erwähnt. Irgendwo stehen die beiden nicht auf der gleichen Ebene, und wir wollen den Fall Ziebell auch ruhig weiterhin dort erledigen lassen, wohin er gehört, nämlich im Gerichtssaal.
Zum Thema Eschenburg möchte ich Ihnen gern noch einige Worte sagen. Eschenburg ist ein Gelehrter der politischen Wissenschaften. Ich hatte — das wird Sie interessieren — kürzlich Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und er hat mir folgendes gesagt. — Sie wissen, wer Eschenburg ist. Er war lange Mitarbeiter eines in diesem Hause von allen Parteien verehrten Staatsmannes, nämlich Stresemanns. Er hat den Weg Stresemanns durch viele Jahre begleitet. Er hat alle Kabinette in der Weimarer Republik gesehen. — Herr Eschenburg hat mir mit großem Ernst gesagt, er könne versichern und sei bereit, das jederzeit zu bezeugen, daß in der ganzen Zeit der Weimarer Republik nach seiner Überzeugung — ich wiederhole nur sein e Überzeugung, gebe nur dies e wieder — kein Kabinett vorhanden gewesen sei, in dem so viele Persönlichkeiten von politischem Gewicht versammelt gewesen seien wie in der gegenwärtigen Bundesregierung. Ich wiederhole: das ist nicht die Meinung irgendeines Mannes, sondern die des Herrn Eschenburg, der von einem Vertreter der Opposition, dem Prinzen zu Löwenstein, heute zitiert wurde.

(Zuruf von der SPD.)

Herr Kollege Prinz zu Löwenstein, Sie haben Beschwerde darüber geführt, daß der Bundeskanzler gelegentlich seiner Reise in Amerika spontan und lebhaft seiner Freude über den Gesundheitszustand des amerikanischen Präsidenten Ausdruck gegeben habe. Prinz zu Löwenstein, ebenso wie niemand auf den Gedanken kommen könnte, daß das, was Sie heute gesagt haben, als Wunsch Ihrer Person und Ihrer Partei auszulegen sei, sich die Zuneigung der Demokraten in Amerika zu gewinnen; ebenso möchten wir Sie ganz herzlich bitten, diesen spontanen Äußerungen eines deutschen Staatsmannes über die Wiedergenesung eines amerikanischen Staatsmannes keine falschen Motive zu unterschieben.

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn die einfache menschliche Herzlichkeit, die wir uns alle untereinander schulden und die im Verhältnis zwischen dem großen amerikanischen Volk und dem deutschen Volk selbstverständlich sind, so mißdeutet werden kann, dann laufen wir allerdings Gefahr, daß die Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn sich in Zukunft nicht verbessern.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren! Die offene Kritik an allen politischen Institutionen, die offene Kritik an der Bundesregierung und am Bundeskanzler ist die Aufgabe der deutschen Presse, wie sie die Aufgabe aller Mitglieder dieses Hauses ist, nicht nur der Opposition, sondern auch der Angehörigen der Partei, der die jeweiligen Minister und der Bundeskanzler angehören. Ich glaube, daß Sie sich über die Art und Weise, wie in unserem Kreise Kritik am Bundeskanzler geübt wird, nicht beschweren können. Wir haben überzeugende Beispiele jederzeit dafür abgelegt, daß wir trotz der Bedeutung, die wir der Person des Bundeskanzlers beimessen,
es uns durchaus angelegen sein lassen, Kritik dort
zu üben, wo wir diese Kritik für berechtigt hielten.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Meist in seiner Abwesenheit!)

— Ach Gott! Aber auch die Anwesenheit hat uns dann nicht immer geniert.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : „Nicht immer!" — Heiterkeit.)

— Er kann halt nicht immer da sein, wenn ärgerliche Worte über ihn fallen.

(Zuruf von der SPD.)

— Ich kann Sie leider nicht verstehen; sonst würde ich Ihnen gerne antworten.
Herr Kollege Kühn, es gibt nur einen Punkt, wo ich glaube, daß Ihre Kritik und Ihre Forderung unberechtigt werden. Sie haben die Behauptung aufgestellt, daß zwischen der deutschen Presse, deren vornehmste Pflicht — ich wiederhole — es ist, gerade Kritik dort zu üben, wo Macht vorhanden ist, nämlich bei der Regierung, und der Bundesregierung eine Verfälschung des Verhältnisses eingetreten sei. Sie wollen behaupten, daß die deutsche Presse von der Bundesregierung durch Zuwendungen in der Redlichkeit ihres Urteils beeinflußt wird. Herr Kollege Kühn, meine Erfahrungen mit der Presse sind sicherlich begrenzt. Ich bin in dieses Gewerbe nicht hineingeboren und irgendwie nur am Rande mit ihm verhaftet. Aber ich habe doch in den letzten zehn Jahren meine Augen offenhalten können. Herr Kollege Kühn, ich kann Ihnen mit allem Ernst und mit allem Nachdruck versichern: es ist mir kein Fall bekanntgeworden, in dem die Bundesregierung den Versuch gemacht hätte, eine Kritik an ihr durch Maßnahmen geldlicher Art zu verfälschen. Ich wäre der erste, der sich von diesem Podium aus gegen eine solche Methode mit aller Energie zur Wehr setzen würde.

(Beifall in der Mitte.)

Herr Kollege Kühn, es bedeutet nach meiner Überzeugung eine ganz unberechtigte Kritik, nicht an der Bundesregierung — Gott, die muß sich heute vielerlei von seiten der Opposition gefallen lassen, und warum soll man nicht auch einmal dort Kritik zu üben versuchen, wo sie nicht ganz berechtigt ist; das gehört zum parlamentarischen Leben; wir Parlamentarier sind ja alle gewohnt, daß wir Prügel bekommen, auch wenn wir sie nicht verdient haben —, aber ich habe das Gefühl, es bedeutet eine unberechtigte Kritik an der deutschen Presse, wenn Sie behaupten, daß diese Presse im Sinne der Bundesregierung käuflich sei.

(Erneuter Beifall in der Mitte.)

Herr Kollege Mellies, deshalb muß ich bei aller Bescheidenheit und allem Respekt vor der Bedeutung, die Sie in Ihrer Fraktion haben, und dem Gewicht, das Ihre Worte haben, die Behauptung, es existiere ein Korruptionsfonds — ein Korruptionsfonds! —, mit dessen Hilfe die deutsche Bundesregierung die deutsche Presse zu beeinflussen suche, mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe von der SPD.)

Noch ein letztes Wort zu dem, was Sie, Herr Kollege Mellies, gesagt haben. Sie haben die Treue, die der Bundeskanzler gegenüber Mitgliedern seines Kabinetts bewiesen hat, darauf zurückgeführt, daß der Bundeskanzler, wie wir alle wis-


(Dr. Bucerius)

I sen, kürzlich seinen 80. Geburtstag feierte. Ich glaube, manches Mitglied dieses Hauses, nicht nur aus meiner eigenen Fraktion, sondern auch aus anderen Fraktionen, kann sich an der Haltung dieses Mannes, der bereit ist, hier Debatten, denen viele Mitglieder des Hauses nicht immer mit Aufmerksamkeit folgen, unbeirrt und unabgelenkt viele Stunden und Tage hindurch anzuhören, ein Beispiel nehmen. Ich möchte Ihnen die Frage vorlegen: Sind Sie wirklich nicht davon überzeugt, daß dieser Mann einen ganz wesentlichen Teil dazu beigetragen hat, daß Deutschland heute das Ansehen in der Welt genießt, das es besitzt?

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und bei der DP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215014200
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0215014300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war vorhin während der Rede meines Freundes Kühn erschrocken über die Selbstverständlichkeit, mit der die Zwischenrufer aus der Koalition ihre Auffassung kundtaten, daß die Partei, die in der Regierungsverantwortung steht, diese Verantwortung für parteipolitische Zwecke mißbrauchen könnte. Denn darum handelt es sich doch, wenn Sie sagen: Sie würden es ja nicht anders machen. — Wir würden es anders machen!

(Lachen in der Mitte. — Abg. Majonica: Davon bin ich überzeugt! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

Diese Verantwortungslosigkeit ist nicht nur ein Mißbrauch der Macht und ein Mißbrauch der Steuerzahler schlechthin; die Situation wird grotesk, wenn man bedenkt, daß bei dieser Wahlfinanzierung ja auch die Steuerzahler, die der Opposition angehören, zur Finanzierung ihrer politischen Gegner herangezogen werden.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Wie ist es denn in Hessen?)

Ich möchte eine Frage stellen. Wir kennen eine ganze Anzahl von offiziellen Veröffentlichungen der Bundesregierung; es steht auf dem Titelblatt, daß sie von der Bundesregierung veröffentlicht sind. Ich will mich über den Inhalt der Veröffentlichungen nicht äußern, sondern unterstellen, daß sie gut und notwendig sind. Ich frage: warum werden diese Veröffentlichungen nicht aus dem Tit. 302 „Veröffentlichungen der Bundesregierung" des Kap. 04 03 bezahlt? Ich frage: warum werden diese Veröffentlichungen aus dem Tit. 300, dem Geheimfonds des Bundeskanzlers bezahlt?
Sie wissen, ich bin ein Mann aus der Welt der Bücher und verstehe auch ein bißchen vom Büchermachen und von der Finanzierung von Publikationen. Ich bin nun im Laufe der Jahre hartnäckig der Frage nachgegangen, welche Veröffentlichungen der Bundesregierung aus den öffentlichen Titeln bezahlt worden sind. Mit Hilfe der Haushaltsrechnung können wir das für die zurückliegenden Jahre tun; mit Hilfe beharrlicher Fragen ist es mir im Haushaltsausschuß im Laufe der Jahre oftmals gelungen, zu erfahren, daß bestimmte Veröffentlichungen eben aus dem Geheimtitel bezahlt werden. Man fragt sich, warum sie aus dem Geheimtitel bezahlt werden, da doch offizielle Veröffentlichungen der Bundesregierung aus dem dafür vorgesehenen Titel bezahlt werden könnten. Nun, es ist auch inzwischen klar geworden, daß sie aus dem Geheimtitel deswegen bezahlt werden, um diesen Geheimtitel stubenrein zu machen. Denn der Herr Staatssekretär Globke hat mir auf meine Frage „Woraus ist das bezahlt worden?" mit Freude gesagt: „Ja, aus dem Titel 300; da sehen Sie, wie ordentlich der Titel 300 ist!"
Nun, wenn man von Büchern etwas versteht und ziemlich genau weiß, fast ganz genau weiß, welche Veröffentlichungen aus dem Tit. 300 bezahlt werden, wenn man die Auflagen kennt und die Kosten kennt, dann hat man auch eine Vorstellung, wieviel nun summenmäßig bezahlt wird. Ich sage Ihnen meine Damen und Herren: die Summen für diese offenen, ordentlichen Zwecke betragen nur wenige hunderttausend Mark. Das übrige ist geheim und wird beharrlich selbst der Kontrolle durch ein Kollegium, welches aus Vertretern je einer Fraktion bestehen soll, entzogen.
Nun ist es ja nicht so, daß man im Laufe der Jahre über diese geheimen Fonds, über geheime Verwendungen nichts erführe. Es spricht sich manches herum. Vor zwei oder drei Jahren wurde uns gesagt: „Im Mittelwesten Amerikas, da haben sie so schlechte Vorstellungen von Deutschland, das muß aufgeklärt werden."

(Heiterkeit links.)

Nun, ich nehme an, daß durch die neuerlichen Reisen des Herrn Bundeskanzlers in den Mittelwesten diese Aufklärung gebührend erfolgt ist.

(Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

So viel kann ich Ihnen sagen: für Public-relations-Arbeit im Ausland — gewisse Dinge können wir offensichtlich nur noch in englischen Worten ausdrücken — wird aus diesem Titel außerordentlich wenig bezahlt. Es wird im kommenden Jahre aus diesem Titel ganz besonders wenig oder nichts bezahlt werden, weil das kommende Jahr ganz im Zeichen der Vorbereitung der Wahlen für 1957 steht.
Wenn mein Freund Kühn glaubte, der Herr Forschbach sei den Bach heruntergegangen, dann irrt er. Männer, die über Geheimfonds verfügen und sie kennen, gehen den Bach nicht herunter, sondern herauf; sie werden befördert. Und wer sich so erniedrigt hat wie der Herr Forschbach, der wird erhöht werden.

(Heiterkeit.)

Seien Sie sicher, daß Sie ihn alsbald als Ministerialdirektor im Innenministerium wiedersehen werden.

(Erneute Heiterkeit. — Bundesinnenminister Dr. Schröder: Langsam, langsam, Herr Gülich, nicht so schnell damit!)

— Na, es wird schon ungefähr so kommen. Vielleicht wird er auch Luftschutzgeneral.

(Heiterkeit.)

Ich wollte nur sagen — und nur das gehört hierher —: mein Freund Kühn irrt, —
Vizepräsident —Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Minister, es ist
nicht üblich, daß von der Ministerbank aus Zwischenrufe gemacht werden.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0215014400
Mein Freund Kühn irrt, wenn er schon um das Schicksal des Herrn Forschbach besorgt sein zu müssen glaubt.
Ich möchte erklären — ich habe Grund, das zu sagen, und ich sage, wie ich früher schon einmal


(Dr. Gülich)

bemerkt habe, immer etwas weniger, als ich weiß —: der Tit. 300 wird ganz überwiegend für Propagandazwecke gebraucht, und das sind Parteipropagandazwecke für die CDU.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun hat der Haushalt noch mehrere geheime Fonds, die der Kontrolle des Parlaments entzogen sind; und es gibt ja auch allerhand forsche Männer in der Bundesregierung, die für die Vorbereitung der Wahl für 1957 schon eifrig tätig sind. Die Herren von Eckardt und Krüger, die Wahlstrategen von 1953, sind ja in ihre Ämter zurückgekehrt oder kommen jetzt zurück, und sie werden, wenn sie an ihre Arbeit herangehen, auf ganz interessante Vorarbeiten stoßen.
Es kann nicht unbekannt bleiben, daß durch die Korridore gewisser Häuser das feste Bestreben geht, — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215014500
Welche Häuser meinen Sie, Herr Abgeordneter?

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0215014600
Ich meine gewisse Regierungshäuser, Herr Präsident,

(Heiterkeit)

die neu und groß in der Nähe des Bundeshauses errichtet worden sind. — Es kann nicht unbekannt bleiben, daß es durch diese Korridore tönt: Aus den Geheimfonds der Bundesregierung müssen in diesem Jahre 40 Millionen für Wahlpropaganda zusammenkommen!

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre schön! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja, Herr Kollege Krone, — —

(Abg. Kunze [Bethel]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

— Herr Kunze, das glaube ich nicht? (Abg. Kunze [Bethel]: Nein!)

— Wenn ich es nicht glaubte, würde ich es Ihnen nicht sagen.

(Lachen in der Mitte.)

Ich würde es nicht sagen, wenn ich nicht gute Gründe hätte, das zu sagen; denn Sie können sich denken, daß ich auch um meinen guten Namen besorgt bin.

(Abg. Majonica: Wir auch!)

— Ja, Sie haben allen Grund dazu! Deswegen weise ich Sie im Interesse der Sauberhaltung der Demokratie, darauf hin, damit Sie den Weg von 1953 nicht weitergehen, sondern sich überlegen, daß auf diese Weise die Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Leben erheblichen Schaden leidet.
Es handelt sich hier um einen Mißbrauch des Vertrauens, das die Mehrheit der Bevölkerung dem Bundeskanzler im Jahre 1953 entgegengebracht hat. Der Herr Bundeskanzler ist nicht ermächtigt, auf Grund dieses Vertrauens von 1953 seine Geheimfonds auszubauen und sie in den Dienst der Wahlpropaganda zu stellen, wie es geschehen ist und wie es weiterhin geschehen soll.

(Beifall bei der SPD, dem GB/BHE und der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215014700
Das Wort hat der Abgeordnete Künstler. — Er scheint nicht im Hause zu sein. — Herr Neumann, wollen Sie das Wort? Herr Neumann hatte sich gemeldet; ich habe einen falschen Namen verstanden.

(Zuruf von der Mitte.)


Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0215014800
Nein, Herr Kollege Kiesinger, zu der Zeit waren Sie politisch noch nicht tätig, als mein Vorgänger in der Funktion des Vorsitzenden der Berliner SPD Franz Künstler hieß. Er ist eines der armen Opfer des Nazismus geworden. Die alten Kollegen aus dem Reichstag kennen ihn noch und daher wahrscheinlich die Verwechslung des Herrn Präsidenten.
Ich hatte eigentlich nur die Absicht, auf eine Frage meines Freundes Mellies, die der Herr Bundeskanzler anzuschneiden vergessen hatte, etwas zu sagen und dem Wunsche des Herrn Bundeskanzlers entsprechend über Roß und Reiter etwas Näheres zu bringen. Aber Herr Kollege Bucerius hat mich verführt, zuvor einige wenige Sätze über eine Angelegenheit zu sagen, die oftmals in diesem Hause besprochen worden ist, die ich aber, weil er anscheinend sehr vergeßlich ist, heute doch noch einmal kurz erwähnen will.
Der Herr Kollege Bucerius hat — dankenswerterweise — erklärt, daß niemand in diesem Hause an der demokratischen Auffassung der Parteien der Opposition zweifelt. Aber, Herr Kollege Bucerius, wenn Sie sagen, daß das nie der Fall gewesen ist, darf ich wohl nur ganz kurz in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß vor drei Jahren der Wahlkampf gegen die Sozialdemokratie mit der Hauptparole geführt worden ist, daß alle Wege des Marxismus, der Sozialdemokratie nach Moskau führen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Krone: Nicht „der Sozialdemokratie"!)

— Aber Herr Krone, vielleicht erinnern Sie sich des Plakats! Da sind ja bestimmte Personen und bestimmte Embleme dargestellt worden.

(Abg. Dr. Krone: Da steht nichts von der Sozialdemokratie drauf!)

Das ist ganz klar. Da brauchen Sie sich heute überhaupt nicht zu entschuldigen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es ist nicht wahr!)

— Das ist eine Tatsache, über die wir uns gar nicht zu streiten brauchen. Wir Sozialdemokraten haben j a wohl nur das Glück gehabt, daß auf dem Wege nach Moskau der Herr Bundeskanzler uns den Rang abgelaufen hat.

(Heiterkeit.)

Aber wenn Sie jetzt sagen, meine Damen und Herren, daß das nicht der Fall ist, Herr Kollege Krone, darf ich an einen anderen Fall erinnern, an den Fall Schroth-Scharley. Ich mache nicht einmal dem Herrn Bundeskanzler den Vorwurf, denn er hat das Material im Falle Schroth-Scharley, wie ich Ihnen heute in der Lage bin zu beweisen, nicht zusammengetragen. Morgen, glaube ich, haben wir Sommeranfang, aber damals vor drei Jahren war noch die Ära Lenz. Ich habe vor einiger Zeit, vor meiner letzten Erkrankung, Herr Bundeskanzler, den Mitgliedern des Fraktionsvorstandes meiner Fraktion einige Photokopien gezeigt, aus denen ganz deutlich hervorgeht, mit welcher Gewissen-


(Neumann)

losigkeit man Ihnen Material vorgetragen hat, das Sie im Wahlkampf verbreitet haben und das Sie dann in die peinliche Lage versetzt hat, daß Sie erklären mußten, Sie bedauerten, daß Sie dieses Material haben. — Herr Kollege Bucerius, Sie sagen „na also"; ich bin gern bereit, Ihnen an Hand schriftlicher Unterlagen — Sie kennen meine Sammlerfreudigkeit — nachzuweisen, daß der heute noch amtierende Landessekretär der CDU Berlin und der verstorbene Landesvorsitzende der CDU Berlin mit dem Mann verhandelt haben. Und, Herr Kollege Bucerius — ich sage Ihnen das heute anderthalb Jahre vor dem Wahlkampf —, ich bin auch in der Lage, Ihnen die Photokopie eines Briefes der damaligen rechten Hand des Herrn Bundeskanzlers vorzulegen, in dem er dem Mann, der diese Dokumente gegeben hat, seinen herzlichen Dank für die Unterstützung ausspricht.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Jetzt möchte ich meinen, Herr Kollege Bucerius, daß Sie nach solchen Feststellungen wahrscheinlich Ihre Behauptung, es sei nie angezweifelt worden, daß die Sozialdemokratie oder die Oppositionsparteien in ihrer Auffassung demokratische Parteien sind, nicht wiederholen werden.

(Abg. Arnholz: Der Herr Bundeskanzler hat sich ja hier im Hause mit dem Erfolg seines Verhaltens in den Fällen SchrothScharley gerühmt und uns höhnisch empfohlen, wir sollten uns ein Beispiel an ihm nehmen!)

Nur dies eine wollte ich zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Bucerius sagen.
Herr Bundeskanzler, ich sprach von der rechten Hand, und mein Parteifreund Mellies hat vorhin einige Sätze über Ihre linke Hand gesprochen, von der Sie gesagt haben: Es ist einer der Besten und Getreuesten; und Sie stellen sich voll und ganz vor Ihren Staatssekretär Globke. Hätte ich gewußt, daß diese Äußerung fällt, daß überhaupt der Fall Globke heute wieder angesprochen wird, hätte ich Ihnen vorhin vielleicht einen interessanten Briefwechsel der letzten Tage gegeben. Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost in den Bundestag tragen.

(Heiterkeit.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215014900

Wie der „Telegraf" vom .19. Mai 1956 berichtet, soll angeblich die Naziverordnung über das Führen von Zusatznamen für Juden nach Ihrer eigenen Aussage vor dem Nürnberger Tribunal 1945 Ihr eigenes Werk gewesen sein. Wenn das wahr ist, dann sind Sie mit einem Makel behaftet, der Ihnen im Interesse des deutschen Ansehens verbietet, heute wieder an so maßgebender Regierungsstelle zu stehen. Danach verdanke ich vor allem Ihnen, wenn ich heute vor 14 Jahren
— schreibt der Mann, das wäre also am 29. Mai 1942 gewesen —
wegen Nichtführens des Zusatznamens in einem Privatbrief auf Grund dieses durch Ihr Wirken zum Gesetz erhobenen Unrechts vom Amtsgericht Berlin Moabit am 29. Mai 1942, Strafsache 635 C s 204/42, strafrechtlich verurteilt und dadurch als unbescholtener Mann
in meiner Ehre verletzt worden bin. Ich behalte mir weitere Schritte gegen Sie vor, falls von Ihnen innerhalb zwei Wochen kein Dementi vorliegt oder falls Sie es nicht vorziehen, vorher freiwillig zu demissionieren.
Nun, dieser Berliner Bürger ist ein Utopist, wenn er glaubt, daß der Herr Staatssekretär demissionieren würde. Aber er hat nicht etwa zwei Wochen, er hat nur zwei Tage gebraucht, um diesem Berliner Bürger folgenden Brief zustellen zu lassen:
Der Staatssekretär des Bundeskanzleramts Der persönliche Referent
Herrn
Baurat Dipl.-Ing. Sowieso
— ich brauche den Namen nicht zu nennen, Herr Bundeskanzler, ich gebe Ihnen nachher den Brief —
Sehr geehrter Herr Baurat!
Der Herr Staatssekretär Dr. Globke läßt Ihnen auf Ihren Brief vom 29. Mai 1956 folgendes mitteilen.
— Am 4. Juni! —
Die Entstehungsgeschichte der Verordnung vom 17. August 1938 ist vor dem Internationalen Militärgericht in Nürnberg geklärt worden. Diese Klärung ergab folgenden Sachverhalt: Auf Grund zahlreicher Vorstellungen „arischer" Träger von Familiennamen, die in der Öffentlichkeit als sogenannte jüdische Namen angesehen wurden, ordnete der damalige Minister Frick an, daß ihm ein Verordnungsentwurf vorgelegt wurde, daß alle Juden einen Doppelnamen führen müßten. Der Doppelname sollte in der Form gebildet werden, daß an den bisherigen Namen als zweiter Namensbestandteil das Wort „Judd" angehängt wurde.
Um diese Diskriminierung
— „Judd" —
des in Frage stehenden Personenkreises zu verhindern, erhob Dr. Globke als Referent für Namensrecht gegen die Anordnung Gegenvorstellungen. Nach längeren Auseinandersetzungen gelang es zwar, Minister Frick zu bewegen, nicht auf einer Durchführung seiner ersten Anordnung zu bestehen. Er bestand aber auf der dann erfolgten Regelung der Vornamensführung.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Waldhausen
— Das ist der persönliche Referent. —

(Abg. Dr. Krone: Herr Neumann, wollen Sie das Herrn Globke ankreiden?)

— Einen Augenblick, Herr Dr. Krone. Ich kenne Ihre persönlichen Beziehungen, und ich weiß, daß Sie den Herrn Staatssekretär verteidigen. Aber gestatten Sie, daß ich noch folgendes sage.
Der Herr Kollege Bucerius hat von dem großen Ansehen gesprochen, das der Herr Bundeskanzler hat. Ich will kein Wort dazu sagen. Herr Bundeskanzler, Sie stehen — ich möchte mich vorsichtig ausdrücken, um Sie nicht zu beleidigen — am Beginn Ihres Lebensabends. Aber wieviel mehr Ansehen könnten Sie einmal in den Geschichtsbüchern für die deutsche Jugend erreichen, wenn man von Ihnen in bezug auf die bösen Kräfte der Vergan-


(Neumann)

genheit schreiben könnte: Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Bundeskanzler geschlagen.

(Zuruf von der SPD: Das tut er nicht! — Weitere Zurufe.)

— Ich nehme es Ihnen, Herr Kollege (zur CDU/ CSU), gar nicht übel, daß Sie winken. Sie haben auch einige Kräfte in Ihren Reihen. Da brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Herr Bundeskanzler, wieviel Ansehen könnten Sie bei den demokratischen und republikanischen Kräften hinterlassen, wenn Sie nachwiesen, daß die bösen Kräfte der Vergangenheit nicht zu Ihren engsten Beratern gehören.

(Zustimmung bei der SPD.)

Sie wollten Namen haben, Sie wollten Roß und Reiter genannt haben. Ich habe Ihnen von Herrn Staatssekretär Dr. Globke das Neueste berichtet.
Herr Kollege Dr. Krone, Sie sagen: Wollen Sie ihm das zum Vorwurf machen? Der heutige Staatssekretär hat als Büchsenspanner des damaligen nazistischen Ministers Frick nach seinen eigenen Angaben verhütet, daß die Juden den Doppelnamen „Judd" führen mußten. Er hat aber seinem Minister die Voraussetzungen geschaffen, die dazu führten, daß die Vornamen Israel und Sara und was weiß ich alles geführt werden mußten. Herr Kollege Dr. Krone, mit den jüdischen Vornamen fing es damals an, und mit den Gaskammern endete es.
Dem Herrn Bundeskanzler möchte ich, nachdem er nach Roß und Reiter gefragt hat, sagen: es ist nach meiner Ansicht schlimm, daß belastete Kräfte der Vergangenheit heute als 131er Pensionen bekommen, die für die Naziverfolgten und große Teile des Volkes geradezu etwas Unglaubliches sind. Es ist noch viel schlimmer, daß derartige Kräfte der Vergangenheit heute, 1956, noch ais Büchsenspanner des Bundeskanzlers dienen können.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Das ist eine Gemeinheit!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215015000
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0215015100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So reizvoll es wäre, die Ausführungen des Herrn Kollegen Neumann in einen etwas weiteren und, wie ich glaube, einen etwas zutreffenderen geschichtlichen Rahmen zu stellen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

möchte ich darauf verzichten. Vielleicht komme ich darauf zurück, sobald mein eigener Haushalt behandelt wird.
Ich bin leider genötigt, hier einige Worte zu sagen, um auf das zu antworten, was der Herr Präsident als im Hause „nicht üblich" feststellen zu können glaubte, weil ich den Satz beachten möchte: Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Das ist ein Satz. der im parlamentarischen Raum gar nicht gelten kann, weil man sonst sehr oft reden müßte. Diese Sache ist aber wichtig. Der Herr Präsident war der Meinung, als ich gerade an einer mein Haus betreffenden Stelle in der Rede des Herrn Kollegen Gülich einen Zwischenruf machte, das als unüblich zurückweisen zu müssen. Ich muß dazu folgendes sagen: Wenn der Herr Präsident die Liebenswürdigkeit haben wird, die zurückliegenden Bände der Bundestagsprotokolle durchzusehen, wird er finden, daß diese Praxis nicht unüblich, sondern üblich ist, ganz bestimmt dann, wenn man an einer Sache unmittelbar beteiligt oder angesprochen ist.
Im übrigen lege ich Wert darauf hervorzuheben und hier festzuhalten, daß ich diesem Hause seit 1949 angehöre, daß sich mein Platz unverändert in den Reihen dieses Hauses befindet und ich nicht genötigt werden kann, mir für Zwischenrufe sozusagen einen besonderen Platz im Hause anweisen oder mir für Zwischenrufe einen solchen Platz versagen zu lassen.

(Zurufe von der SPD.)

Im übrigen, falls es irgendeinen Zweifel über die Richtigkeit dieses Standpunktes, den ich aus bestimmten Gründen unbedingt festhalten möchte, geben sollte, möchte ich anregen, daß sich der Altestenrat und der Geschäftsordnungsausschuß dieses Hauses damit beschäftigen. Sie werden beim Studium der zurückliegenden Praxis feststellen können, daß es so gewesen ist, wie ich es hier ausgeführt habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215015200
Der amtierende Präsident ist nicht in der Lage, auf eine Rede zu antworten, die von der Tribüne dieses Hauses gehalten worden ist. Er ist aber verpflichtet, zu sagen, daß es in diesem Hause zum mindesten bisher nicht als gehörig angesehen wurde, einen amtierenden Präsidenten zu kritisieren.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD und der FDP. — Erregte Zurufe von der SPD. — Zuruf von der SPD: Unverschämtheit sondergleichen!)

Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.

Heinz Kühn (SPD):
Rede ID: ID0215015300
Meine Damen und Herren! Nachdem die Sachdiskussion durch die persönliche Erklärung des Ministers unterbrochen war, wollen wir sie wieder aufnehmen. Ich möchte sie wieder aufnehmen, indem ich zunächst meinen Freund Gülich bitte, meine Nächstenliebe nicht zu überschätzen, wenn er meint, ich bedauerte das Schicksal Forschbachs. Auch mir ist klar: Bach rauf oder Bach runter — Herr Forschbach wird weiter schwimmen.

(Heiterkeit.)

Das ist also nicht ein Problem meines Mitleids.
Ich habe mich zu Worte gemeldet, um dem Herrn Bundeskanzler auf seine Frage nach Roß und Reiter zu antworten und bin dazu auch noch gezwungen, nachdem mein Freund Neumann gesprochen hat. D a s Roß wollte der Herr Bundeskanzler nicht haben.

(Richtig! bei der SPD.)

Bevor wir über das Kapitel „Roß und Reiter" sprechen, noch ein paar Bemerkungen an die Adresse des Herrn Kollegen Bucerius. Ich würde auch diese Bemerkung nicht machen, wenn nicht lebhafte Vergeßlichkeitsmanifestierungen der CDU-Fraktion hier an der Tatsache gern vorbeiführen möchten, daß Sie, meine Herren von der CDU, in der Tat im letzten Bundestagswahlkampf Plakate herausgebracht haben, die uns in das Licht setzen sollten, daß wir Moskau den Weg bereiten würden. Ist es Ihrer Vergeßlichkeit anheimgefallen, daß auf dem Plakat stand „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau"? Und diese Plakate waren


(Kühn [Köln])

doch gegen uns gerichtet; das war die politische Zielsetzung. Und da darf man sich hier nicht im biedermännischen Tugendrock der Unwissenheit hinstellen und sagen: So etwas gibt es doch nicht, daß im Ausland eine demokratische Partei dieses Hauses der demokratischen Unzuverlässigkeit bezichtigt worden ist. Wir haben es gar nicht notwendig, dem entgegenzutreten. Sie selbst haben sich mitschuldig gemacht, daß dies im Ausland von manchen Leuten gutgläubig aufgenommen worden ist. Denn sie haben gemeint, wenn die größte Partei unseres Landes das sage, stimme es vielleicht auch. Sie sind dieser These nicht nur nicht entgegengetreten, Sie haben das durch Ihre Propaganda hier in diesem Lande häufig genug erst ermöglicht.
Nun hat Herr Kollege Bucerius versucht, das Gewicht der Auseinandersetzung auf eine falsche Ebene zu verschieben. Er hat gesagt, ich hätte von der Verfälschung des Verhältnisses von Regierung und Presse gesprochen. Nein, Herr Kollege Bucerius, S i e haben meine Darlegungen verfälscht. D i e deutsche Presse habe ich nicht beschuldigt, Zuwendungen anzunehmen. Es war hier überhaupt nicht von der deutschen Presse die Rede, sondern von der Tatsache, daß es bedenkliche Fälle gibt und daß es bedenklich zahlreiche Fälle gibt, in denen diese Versuche teils negativ, teils positiv gemacht worden sind. Nicht um d i e Presse ging es! Keine Verlagerung, meine Herren! Ich habe in meinen Darlegungen ausdrücklich gesagt, daß wir hohen Respekt vor den deutschen Verlegern, Chefredakteuren und Korrespondenten haben, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Und es gibt einen Beweis dafür, der sehr sichtbar in der Geschichte des Pressewesens unseres Landes steht: Wenn das Informationsministerium als verstecktes Propagandaministerium als staatliche Druckinstitution auf die Presse zu wirken verhindert worden ist, dann, meine Herren, ist das nicht geschehen durch Ihr en Widerstand, sondern durch den Widerstand der Presse selbst, die sich damit ein Ruhmesblatt geschrieben hat.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn einmal die Freiheit der Presse ruiniert sein sollte, dann werden es nicht wir sein, die sagen: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuldig!, wie man es jetzt in unsere Darlegungen hineinlegen will. Wir beschuldigen diejenigen, die sich sehr eifrig bemühen, an der Erstickung der Freiheit mitzuwirken. Wir beschuldigen nicht diejenigen, die dabei erstickt werden sollten.
Sollte der Herr Kollege Bucerius wirklich so weltfremd sein, nicht zu wissen, was heute alles auf die Presse einwirkt? Sollten ihm, der, wenn auch nicht in die Presse hineingeboren, so doch einiges damit zu tun hat, die Fälle nicht bekannt sein, wo aus den Kreisen der Industrie beispielsweise Verlegern auch politische Auflagen gemacht werden? Es wird ihnen gesagt: Wenn Sie das nicht erfüllen — Sie können auch in Ihrer Zeitung ruhig veröffentlichen, daß wir Ihnen die Auflage gemacht haben —, dann werden Sie künftig die vier oder sechs Seiten Anzeigen in der Woche nicht mehr bekommen, die Sie heute von uns bekommen. Ist das dem schlecht unterrichteten und besser zu unterrichtenden Kollegen Bucerius alles unbekannt?

(Abg. Dr. Bucerius: Dann sollten Sie wirklich die Fälle nennen, in denen das vorgekommen ist!)

— Sie wissen ganz genau, daß diese Verleger zu uns kommen, und ich bin sicher, sie kommen nicht nur zu uns. Auch Ihnen sind diese Fälle bekannt, und Sie wissen doch, daß wir ihre Namen nicht sagen können, da ja doch die Existenz ihrer Zeitung auf dem Spiel steht. Eine Zeitung mit einer Auflage von z. B. 80 000 kann in der Woche auf sechs Seiten Anzeigen nicht verzichten!

(Abg. Dr. Bucerius: Wenn Sie Namen nicht nennen können, sollten Sie das auch nicht vorbringen!)

— Ich zeige Ihnen einen Ausweg! Ich bleibe dem Herrn Bundeskanzler die Antwort nicht schuldig.
Der Herr Bundeskanzler hat die Bände des Auswärtigen Amtes, die die Effektivität der „Deutschen Korrespondenz" belegen sollen, zur Einsicht angeboten. Ich werde sehr gern Einsicht in diese Bände nehmen, denn jeder soll die Gelegenheit wahrnehmen, einen Irrtum zu korrigieren, wenn er einem solchen erlegen ist. Aber ich glaube, daß hier der Irrtum auf seiten des Herrn Bundeskanzlers liegt, wenn er sagt, daß Mitteilungen aus der „Deutschen Korrespondenz" zahlreich im Ausland veröffentlicht worden seien. Sie wissen alle, daß die „Deutsche Korrespondenz" nicht ein Organ von Mitteilungen, sondern ein Organ von sehr langen Artikeln ist. Aber bitte, wie gesagt, ich bin gern bereit, in die angebotenen Bände Einsicht zu nehmen.
Der Herr Bundeskanzler hat sodann erklärt, das von mir angezogene Plakat sei nicht aus den Mitteln dieses Fonds finanziert. Da könnte ich nur fragen: Aus welchen dann? Und in bezug auf dieses Plakat müßte ich sagen: dieses Plakat — —

(Zurufe von der Mitte.)

— Meine Herren, Sie wissen ganz genau, was drei Meter hohe Plakate kosten! Das geht in die Hunderttausende. Aber bitte, ich nehme es gern zur Kenntnis, wenn die Mittel dazu aus Hilfsmitteln der Förderergesellschaften oder Industrieumlagen zusammengekommen sind.
Ich glaube aber, daß hier ein Doppelproblem vorliegt. Es geht darum, in unserer Demokratie sowohl die Reptilienfonds aus Steuergeldern als auch die Subsidienfonds aus Gewinnen der Indutrie zu verhindern.

(Beifall bei der SPD.) Beides ist schlecht.

Herr Kollege Prinz zu Löwenstein hat bereits Herrn Professor Eschenburg erwähnt, auch Herr Kollege Bucerius hat sich mit Worten hoher Anerkennung über ihn geäußert. Dann glaube ich aber, daß dem Kollegen Bucerius auch die Rede nicht unbekannt geblieben ist, die Herr Professor Eschenburg vor der Industrie- und Handelskammer in Dortmund gehalten hat, wo er von dem Machtmißbrauch von Regierungen und von Interessenverbänden gesprochen hat und wo er ausdrücklich den 12,5-Millionen-Geheimfonds des Bundeskanzlers einer sehr scharfen Kritik unterzogen hat. Das können Sie nicht nullifizieren, indem Sie sagen, daß Herr Eschenburg gesagt habe, auf den Stühlen der Regierungsbank säßen Persönlichkeiten von hohem politischem Gewicht. Die Höhe des Gewichts ist noch nicht entscheidend dafür, ob die Wirkung dieses Gewichts verheißungsvoll oder verhängnisvoll ist.

(Beifall bei der SPD.)



(Kühn [Köln])

Nun ein kurzes Wort zu „Roß und Reiter"! Wir haben hier die Korrumpierung und die Korrumpierungsversuche als einen gefährlichen Zustand geschildert. Ihnen allen, meine Damen und Herren, ist ganz klar, daß Einzelfälle, hier mit Namen diskutiert, einen Akt der Denunziation für viele darstellen würden, die sich eben im Zustand der Abhängigkeit befinden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Aber ich glaube, es gibt eine Lösung, auf die wir uns verständigen könnten; wenn Sie, die Sie die Mehrheit hier haben, den Darlegungen, die ich gemacht habe, keinen Glaubenswert beimessen, dann gibt es eine Möglichkeit, sie zu verifizieren: Beantragen Sie doch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Überprüfung der Verwendung der Mittel aus dem Fonds zur Förderung des Informationswesens in der Vergangenheit!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Dann wird sichtbar werden, was mit diesen Mitteln gemacht worden ist, und dann wird sich als Ergebnis zeigen, wer in diesem Hause mit seinen Aussagen recht behalten hat.
Das für die Vergangenheit! Da genügt es nicht, in Unkenntnis und mit Entrüstung über Tatsachen hinweggehen zu wollen. Ich glaube, das ist ein Weg, es zu untersuchen.
Und in bezug auf die Zukunft würde ich Sie herzlich bitten, um auch nicht im mindesten den Schein solcher Möglichkeiten noch entstehen zu lassen, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, durch eine parlamentarische Kontrolle dieses Fonds künftig alle Mißverständnisse und auch alle talschen Verwendungen von Geldern zu verhindern.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215015400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Es ist nicht ganz einfach, die Reihenfolge der Ziffern zu bestimmen, über die abgestimmt werden soll. Ich glaube, wir werden zu den eindeutigsten Resultaten kommen, wenn wir in folgender Reihenfolge abstimmen: Zunächst Umdruck 634 Ziffer 2, denn davon hängt die Stellungnahme eines Teiles des Hauses zu den Streichungsanträgen, die gestellt worden sind, ab; alsdann Umdruck 653 Ziffer 2 nach der alten Numerierung, wobei ich mich frage, ob Sie nicht auf Umdruck 653 Ziffer 2 verzichten wollen, Herr Abgeordneter Dr. Keller. Das ist ja sachlich identisch mit Umdruck 634 Ziffer 2.

(Abg. Dr. Keller: Ja!)

— Dann ist der Antrag Umdruck 653*) Ziffer 2 zurückgezogen. Dann würden wir abstimmen über Umdruck 653 Ziffer 1. Die Abstimmung darüber würde entfallen, wenn Umdruck 634 Ziffer 2 angenommen werden sollte. Alsdann Umdruck 634 Ziffer 1, der Antrag, der auf Halbierung des Betrages geht, dann Umdruck 634 Ziffer 3, Umdruck 634 Ziffer 4, Umdruck 634 Ziffer 5. Ist das Haus mit dieser Reihenfolge einverstanden? — Das ist offenbar der Fall.
Wir stimmen nunmehr zunächst über Umdruck 634**) Ziffer 2 ab. Wer diesem Änderungsantrag zu*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 7.
stimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir ab über Umdruck 653*) Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit abgelehnt!
Wir stimmen ab über Umdruck 634 Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; er ist abgelehnt.
Dann Umdruck 634 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 634 Ziffer 4. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 634 Ziffer 5. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist die Ausschußvorlage durch die Annahme der Ziffer 5 des Umdrucks 634 verändert.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 04 in der abgeänderten Fassung. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 04 ist in zweiter Beratung angenommen.
Sie wollten einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen, Herr Abgeordneter Rasner. Ich erteile Ihnen hiermit das Wort.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0215015500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, als nächsten Einzelplan den Einzelplan 05 zu lesen. Der Herr Bundesaußenminister, unser Kollege von Brentano, hat morgen einen wichtigen dienstlichen Termin. Es besteht keine Notwendigkeit, aus irgendwelchen anderen zeitlichen Gründen jetzt zuerst die Einzelpläne 01, 02 und 03 zu lesen. Ich finde, wir sollten, der Übung in diesem Hause entsprechend, aus Gründen der Courtoisie, wenn kein zwingender Grund entgegensteht, dem Wunsche unseres Kollegen von Brentano entsprechen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215015600
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0215015700
Wenn Herr Kollege Rasner von der Courtoisie gesprochen hat, dann möchte ich nur bitten, daß man das immer zeitig genug macht. Der Herr Minister hat doch gewußt, daß die Haushaltsdebatte bevorstand. Jeder konnte nach seinem Terminkalender feststellen, wieweit er bereits disponiert hatte, konnte das dem Präsidenten dieses Hauses zeitig genug mitteilen, und dann konnten sich auch die einzelnen Fraktionen darauf einrichten. Es ist doch nicht etwa so, Herr Rasner, daß keine Schwierigkeiten entständen. Die Fraktionen haben ihre Redner bestimmt. Vielleicht sind — ich kann es im Augenblick von meiner Fraktion nicht feststellen — zur Zeit gar nicht einmal die Redner zur Stelle, die zu diesem Einzelplan sprechen sollten. Wenn also solche besonderen Wünsche vorhanden sind, muß das — ich möchte das auch für die nächsten Tage gleich von vornherein sagen — dem Präsidenten mitgeteilt und muß letzten Endes auch im Ältestenrat vereinbart werden. Sie können uns nicht vorwerfen, daß wir nicht Rücksicht auf


(Mellies)

Wünsche anderer Fraktionen nähmen. Aber es ist doch völlig unmöglich, daß man fortwährend mit solchen besonderen Wünschen aus dem Hause überrascht wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215015800
Der Herr Außenminister teilt mir eben mit, daß er diesen Wunsch gestern schon schriftlich dem Herrn Präsidenten übermittelt hat.
Herr Abgeordneter Rasner zur Geschäftsordnung.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0215015900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat war man übereinstimmend der Meinung, daß die Beratung des Punktes Bundesverfassungsgericht um 13 Uhr zu Ende sein würde. Im Ältestenrat war man übereinstimmend der Meinung, man könne infolgedessen mit Sicherheit damit rechnen, daß heute der Einzelplan 05 gelesen werde. Auch Herr Kollege Menzel, mit dem ich darüber gesprochen hatte, war zumindest früher dieser optimistischen Meinung. Infolgedessen sind aus der Sitzung des Ältestenrates heraus alle Fraktionen darauf eingestellt, heute den Plan 05 zu lesen. Ich habe nur um die Courtoisie des Hauses gebeten, und ich bitte nochmals darum.

(Abg. Mellies: Es scheint ja so, als wenn man sich im Ältestenrat oft Illusionen macht, Herr Kollege Rasner!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215016000
Es liegt ein formeller Antrag vor, die Tagesordnung insoweit zu ändern, daß die zwei Punkte umgestellt werden. Ich muß Sie also um Ihre Entscheidung bitten. Wer dafür ist, daß der Einzelplan 05 vorgezogen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Stimmen und bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.
Ich rufe daher auf den
Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen 2454, zu 2454, Umdrucke 629, 635, 637, 658, 661 Ziffer 1).
Für die Behandlung dieses Einzelplans schlage ich Ihnen vor, so zu verfahren wie bei Einzelplan 04, d. h. daß wir zunächst die Änderungsanträge begründen lassen und ich dann erst das Wort zur allgemeinen Aussprache erteile. Ist das Haus damit einverstanden?

(Zustimmung.)

— Dann wird so verfahren.
Ich muß zunächst den Herrn Berichterstatter fragen, ob er auf mündliche Berichterstattung Wert legt.

(Abg. Dr. Vogel: Der Bericht ist dem Hause bereits schriftlich vorgelegt worden!)

— Ja. Das Haus begnügt sich mit dem schriftlich vorgelegten Bericht*)? — Ich höre keinen Widerspruch.
Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 629. Wer wird diesen Antrag begründen? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Leverkuehn.

Dr. Paul Leverkuehn (CDU):
Rede ID: ID0215016100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Um*) Siehe Anlage 9.
druck 629*) geht zurück auf einen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der in der Europa-Debatte vor einigen Monaten hier behandelt worden ist. Der Antrag ist dann dem Auswärtigen Ausschuß und von diesem einem Unterausschuß überwiesen worden, der den Namen erhielt „Wirtschaftsentwicklung fremder Völker". Dieser Unterausschuß hat die Annahme des Antrages der SPD in der Form empfohlen, wie er Ihnen jetzt hier vorliegt. Dem haben sich der Auswärtige Ausschuß und der Außenhandelsausschuß angeschlossen. Wenn ich diese beiden Ausschüsse erwähne, so liegt darin schon das Thema, um das es sich hier handelt. Es handelt sich einerseits um ein Thema von Bedeutung für unseren Außenhandel und andererseits um ein Thema von Bedeutung für unsere auswärtige Politik im ganzen.
Für die Förderung des Außenhandels sind Maßnahmen getroffen worden, die sich bewährt haben. Sie bewegen sich im wesentlichen auch in dem jetzigen Mat auf dem Gebiete der sogenannten klassischen Exportförderung. Die klassische Exportförderung fällt aber in dem Augenblick aus, wo Störungen auf den internationalen Märkten eintreten, die nichtwirtschaftlicher Art, sondern die politisch gezielt sind. Und da beginnt das außenpolitische Interesse. Es heißt hier „Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder". Ich glaube nicht, daß der Ausdruck sehr glücklich gewählt ist. Es handelt sich vielmehr darum, daß man eingesehen hat, daß nur eine gesamte, gleichmäßig entwickelte Welt die Völker zu Handelspartnern macht, die untereinander in einem gesunden Austausch stehen, und daß die politische Entwicklung der Welt gestört ist, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß auch die Länder, welche an der industriellen Entwicklung der letzten 200 Jahre nicht ausreichend haben teilnehmen können, in diese Teilnahme einbezogen werden.
Der Ausschuß, der sich mit dem Antrag befaßt hat, hat in Zusammenarbeit mit den Ministerien sehr genau geprüft, ob und inwieweit die Auswerfung eines solchen Fonds zweckmäßig ist und wieweit dieses Ziel vielleicht schon durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß das, was bisher geschehen und was in dem jetzigen Haushalt geplant ist, nicht ausreicht und daß die Bundesregierung mit einem größeren Fonds versehen werden muß, um den Aufgaben begegnen zu können, die ruckartig an uns herantreten.
Wir haben in der letzten Zeit Besuch aus Ländern gehabt, die den Wunsch haben, daß gerade die Bundesrepublik sich der Entwicklung ihrer natürlichen Kräfte und ihrer Industrien annimmt, und wir erwarten weitere Besuche dieser Art. Es hat sich aber gezeigt, daß wir diesen Besuchern gegenüber nicht mit ehrlichem Gewissen sagen können: Jawohl, wir können das oder das tun. Die Bundesregierung muß vielmehr in der Lage sein, über einen Fonds zu verfügen, der es ihr ermöglicht, Rede und Antwort zu stehen, der es auf der andern Seite aber auch ermöglicht, in eine Prülung des gesamten Programms einzutreten, das wir vorbereiten müssen, wenn wir nicht in uferlose Pläne hineingeraten wollen. Daran fehlt es noch.
Ihnen ist bekannt, daß auf der letzten NATO-Zusammenkunft die sogenannten drei Weisen —
*) Siehe Anlage 10.


(Dr. Leverkuehn)

drei Staatsmänner aus Norwegen, aus Kanada und aus Italien — den Auftrag übernommen haben, im großen zu prüfen, ob die Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft in der Lage ist, auch auf zivilem Gebiet hilfreich einzugreifen. Als erste Vorbereitung hierfür wurde, wie wir der Presse entnommen haben, den Ministern, die in Paris versammelt waren, eine Zusammenstellung der Organisationen vorgelegt, welche sich bereits auf diesem Gebiete gebildet haben, die Berichte erstatten oder sich irgendwie auf diesem Gebiete beschäftigen. Dieser Bericht war etwa 80 Seiten lang, wie sich aus der Presse ergeben hat, und soll, wie man hört, ungefähr 1000 Organisationen enthalten haben.
Meine Damen und Herren! Nichts kann die Verlegenheit auf diesem Gebiete besser illustrieren als ein solches Dokument oder eine solche Dokumentensammlung von Organisationen. Mit diesem Antrag ist beabsichtigt, daß die Bundesregierung nun nicht mehr in neue Organisationen eintritt oder auf die Organisation anderer angewiesen ist, sondern selbständig planen, aber auch selbständig vorschlagen und Initiative ergreifen kann. Das ist der Sinn dieses Antrags.
Ich glaube, ich brauche den Namen, die unter diesem Antrag stehen, nichts hinzuzufügen. Diese Namen zeigen in aller Deutlichkeit, daß in diesem Hohen Hause das Verständnis für die weitere Entwicklung unserer Wirtschaft im Verhältnis zu den Wirtschaften anderer Länder vorhanden ist und daß unser politisches Schicksal in seinen Beziehungen zu dem Schicksal derjenigen Länder, welche die industrielle Entwicklung der letzten 200 Jahre nicht mitgemacht haben, mit völliger Klarheit erkannt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215016200
Wird das Wort zu diesem Antrag noch gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0215016300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das mein Freund Leverkuehn hier hat anklingen lassen, hat nicht nur den Auswärtigen Ausschuß, nicht nur seinen Unterausschuß, dessen Vorsitzender er war, sondern auch den Haushaltsausschuß sehr ausführlich beschäftigt. Ich glaube, wir sind uns im Ziel völlig einig; aber in der Methode nicht ganz. Sie müssen schon gestatten, daß die Haushaltsleute in der Beziehung einige Einwände gegen die Höhe der Summe machen, die, hier mit 50 Millionen DM angegeben, auf dem Spiele steht.
Lassen Sie mich zunächst einmal einige grundsätzliche Dinge hinzufügen, die Herr Dr. Leverkuehn in diesem Zusammenhang nicht erwähnt hat. Worin kann dieses Beistandsprogramm bestehen? Es kann erstens in dem Austausch von Fachleuten, von Gelehrten, von Praktikanten, von Ingenieuren und sonstigen Hilfskräften bestehen und zweitens darin, daß man, was die Engländer in großem Stile tun, auch den betreffenden im Aufbau befindlichen Ländern Summen anbietet, um Consulting-Firmen dort wirken zu lassen. Man kann ihnen mit Hilfe von Instituten, von Versuchsanlagen und ähnlichen Dingen an die Hand gehen. Man kann dort eine Menge von ähnlichen Einrichtungen treffen, wie wir es z. B. in dem Sonderplan eines Versuchsgutes in der Türkei — ausgewiesen in Einzelplan 10 — bereits getan haben. Wenn Sie alle diese Möglichkeiten zusammenfassen, ergibt sich von vornherein eine gewisse Begrenzung in den Ausgabemöglichkeiten. Es ist unbestritten, daß wir für eine so große Aufgabe technisch noch nicht so gerüstet sind, wie wir das eigentlich sein sollten. Wir haben leider noch nicht die großen Weltfirmen an Consulting Trusts, wie sie z. B. die Amerikaner und Briten haben. Es mangelt uns vor allen Dingen nicht zuletzt auch an dem sprachkundigen Fachpersonal, um alle die Bitten und Wünsche zu erfüllen, die jetzt Gott sei Dank in sehr reichlichem Maße an uns herangetragen werden. Wir haben in unserem eigenen Lande — wir werden darauf später noch zu sprechen kommen — eine Not an Ingenieuren zu beklagen, und wir haben es infolgedessen schwer, wirklich sprachkundige geeignete Fachkräfte für den Wiederaufbau im Ausland zur Verfügung zu stellen.
Nun hat bereits in diesem Jahr im Haushalt ein ganz erheblicher Wandel stattgefunden. Lassen Sie mich einmal kurz die Summen aufzählen, die bis jetzt schon bewilligt sind. Es stehen neu im Bundeswirtschaftsministerium 3,5 Millionen DM für diesen Zweck. Es stehen neu im Auswärtigen Amt 3,5 Millionen DM als Gegenpol für den gleichen Zweck. Es stehen im Bundeswirtschaftsministerium 2 Millionen ERP-Mittel für den gleichen Zweck, und es stehen im Auswärtigen Amt 2 Millionen DM, die wir in den allgemeinen Kulturfonds eingebaut haben, die aber in der Technik ungefähr dasselbe treffen, was das Anliegen des Antrags ist. Das sind zusammen 11 Millionen DM. Hinzu müssen wir aber auch unbedingt die 7,1 Millionen DM rechnen, die für den sogenannten „Schneiter-Plan" neu ausgeworfen worden sind, der zwar nicht die ostasiatischen und vorderasiatischen Gebiete betrifft; da haben Sie völlig recht, Herr Kollege Leverkuehn. Aber Sie müssen mir zugute halten, daß ich als Haushaltssprecher der Fraktion Ihnen auch einmal aufzeige, für welche Gebiete noch etwas geschieht. Diese 7,1 Millionen DM im Rahmen des Schneiter-Planes sind für die engere europäische Gemeinschaft bestimmt, können hier aber nicht weggelassen werden. Dazu kommt dann noch 1 Million DM, die offiziell über den Titel Technical Assistance der Vereinten Nationen läuft. Schließlich sind noch die 15 Millionen DM für die International Finance Corporation hinzuzuzählen, die auch noch in diesem Rahmen mitwirken werden.
Sie werden nun sagen, das sind technische Dinge. Sie treffen aber das Ziel, das wir anstreben, nämlich der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, hier in Form von Anleihen, von Vergünstigungen und von sonstigen finanziellen und kreditmäßigen Erleichterungen tätig zu werden. Wir sind uns im Ausschuß darüber einig gewesen, daß es eine ganze Reihe von Wegen gibt. Die Bundesregierung hat sie in einer Denkschrift, die den Mitgliedern des Auswärtigen Amts zugänglich war, aufgezählt. Daraus ist ersichtlich, was man alles auf diesem Gebiete tun kann, etwa die Bürgschaftsaktion nicht nur auf die Exporteure selbst zu beschränken, wie das bisher der Fall war, sondern sie auf die exportfördernden Banken auszuweiten. Man kann zinsverbilligte Anleihen geben. Man kann auch sonst eine Reihe von Dingen tun, unter denen nicht zuletzt eine Durchkämmung der ERP-Mittel für diese Zwecke zu nennen wäre. Wir sind uns darüber im klaren, daß es eine auf die Dauer unhaltbare Situation ist, daß alljährlich fast eine halbe Milliarde an Bundesmitteln des Sondervermögens des ERP-Fonds am Haushalt vorbei durch einen interministeriellen Ausschuß vergeben werden. Es wird


(Dr. Vogel)

zwar behauptet, diese Mittel seien bis zum Jahre 1958 oder 1959 verplant. Ich habe mir aber sagen lassen, daß diese Vorplanung keineswegs restlos alle die Mittel erfaßt, so daß tatsächlich eine Erfüllung dieses Anliegens hier nicht gewährleistet werden könnte.
Wir sollten deshalb zunächst folgendes tun: wir sollten eine Regierungsvorlage, die uns für diese Dinge nach den Ferien angekündigt worden ist, abwarten, um konkret zu sehen, was die Regierung fordert und wie hoch sie ihre eigenen Ansprüche beziffert, wir sollten uns zweitens in der Zwischenzeit den ERP-Plan vornehmen und einmal nachschauen, was daraus entnommen werden kann, und uns drittens die anderen finanziellen Maßnahmen im Rahmen der Kreditausweitung und der Möglichkeiten, wie sie uns im Exposé des Auswärtigen Amts dargelegt worden sind, überlegen.
Ich kann nicht umhin, Ihre Aufmerksamkeit auch noch auf ein anderes Problem zu lenken. Wir haben uns doch einmal auch mit der ungewöhnlichen Belastung der deutschen Außenhandelsbilanz durch die quasi eingefrorenen Kredite in Argentinien, der Türkei und in sehr vielen anderen Ländern zu befassen. Dieser Umstand wird über kurz oder lang dazu führen, daß diese Exportkredite und -anleihen umgewandelt werden müssen. Über die Bedingungen wird zu reden sein. Leider ist man in Argentinien in dieser Beziehung vorgeprellt und wird uns dort als größten Gläubiger dieses Landes in eine unangenehme Situation bringen. Aber diese Dinge sind im Fluß; wir können sie nicht aufhalten. Der Herr Bundesfinanzminister muß hier bereits über Hermes einspringen; dadurch ergeben sich wesentliche neue Verpflichtungen des Bundes. Sollen wir über diese sehr großen Kredite hinaus jetzt in einem Augenblick, wo der Bundesfinanzminister und wir alle uns gewisse Sorgen über ein Übermaß des Exports machen, noch von neuem hier einen Anreiz schaffen, der sich unter Umständen von Jahr zu Jahr automatisch steigern müßte? Diese Engagements werden automatisch von Jahr zu Jahr größer werden. Oder sollten wir uns hier nicht einmal überlegen, wie weit wir volkswirtschaftlich gehen können und was wir auf diesem Gebiet gerade noch verkraften können? Auch das ist die eine Frage, die hier zu klären ist.
Die zweite Frage ist folgende. Ich habe mir von gut unterrichteten Herren des Auswärtigen Amts sagen lassen, daß, selbst wenn wir, Herr Kollege Leverkuehn, Ihrem Antrag mit 50 Millionen DM folgen würden, das Auswärtige Amt nicht in der Lage wäre, bei dem vorgeschrittenen Ablauf des Haushalts jetzt noch eine so große Summe zu verkraften. Wollen wir uns nicht lieber darauf verständigen, einmal vom Auswärtigen Amt selbst zu hören, welchen Betrag es sich als verkraftbar vorstellt, und uns dann auf eine Summe einigen, die, sagen wir einmal, zusammen mit den bereits bewilligten Summen ungefähr das darstellt, was wir gemeinsam hier bewilligen können?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215016400
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, möchte ich bekanntgeben, daß um 20 Uhr drüben im Hause Baden-Württemberg eine Veranstaltung stattfinden wird, an der eine Reihe von Mitgliedern des Hauses teilnehmen will. Sollen wir uns verabreden, die Abstimmungen auf morgen zu vertagen? Oder erhebt sich Widerspruch? — Ich selber spreche hier in völliger Neutralität; da ich an diesen Stuhl gebannt bin, kann ich an den Genüssen nicht teilnehmen, die den heute bevorzugteren Kollegen in jenem Hause geboten werden sollen. Ist das Haus einverstanden, daß wir die Abstimmungen generell auf morgen vertagen? — Ich sehe einige besonders erfreute Gesichter

(Heiterkeit)

und sehe, wie sich einige Pultdeckel heben. Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0215016500
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel hat sehr realistische Bedenken gegen diesen interfraktionellen Antrag vorgebracht. Aber seien Sie versichert: sowohl der Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses als auch der Außenhandelsausschuß haben sich mit diesem Antrag befaßt und ihn einmütig — beide Ausschüsse einmütig — akzeptiert.
Bei unserer Durchsicht dieses Antrags haben wir uns auch nicht im politischen Wolkenkuckucksheim verloren, sondern haben diese Überlegungen selbstverständlich pflichtgemäß auch angestellt, d. h. wir haben uns genau überlegt, ob diese Summe in dieser Höhe zu verantworten sei, haben uns andererseits, was Herr Kollege Vogel noch einmal dankenswerterweise hier wiederholt hat, vorgenommen, festzustellen, welche Summen denn schon tatsächlich gegeben sind. Wie gesagt, die Ausschüsse für Außenhandel und für Auswärtiges sind bei Würdigung dieser Punkte einmütig zu der Meinung gekommen, diesen Antrag — 50 Millionen zu geben — für zweckmäßig und für politisch unbedingt notwendig zu halten.
Darf ich auf einige Bemerkungen des Kollegen Vogel noch speziell eingehen. Ich glaube, Sie sagten ziemlich zum Schluß, Herr Dr. Vogel, wir machten uns gewisse Bedenken wegen eines Übermaßes an Export. Umgekehrt wird ein Schuh draus! Wir müssen uns Gedanken machen über ein Untermaß an Import. Das ist die ökonomische Lage.
Was wir hier wollen, ist doch, zu geben, ohne daran politische Bedingungen zu knüpfen, und zwar zu geben, weil Westdeutschland der drittgrößte Welthandelspartner ist und damit Verpflichtungen gegeben sind, die wir in den ersten Nachkriegsjahren, in den Aufbaujahren der deutschen Wirtschaft lange Zeit ignorieren konnten, die wir aber nicht dauernd ignorieren können. Eine solche Wirtschaftskraft wie die Westdeutschlands hat Verpflichtungen in der heutigen Weltwirtschaft. Hinzu kommt, daß Westdeutschland durch eine großartige und schnelle amerikanische Hilfe aus dem Elend der Nachkriegszeit gerettet worden ist. Ich meine, wir sollten geben, weil man uns gegeben hat. Wenn Sie sehen, daß Westdeutschland in wenigen Jahren allein von den Vereinigten Staaten 13 Milliarden als Hilfe im Rahmen des Marshallplans bekommen hat, müssen Sie zugeben, daß unser Vorschlag, 50 Millionen im Vergleich zu 13 Milliarden, doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein dieser Weltprobleme — der Elendsgebiete in allen Erdteilen einschließlich Südeuropas — sind.
Ich habe auch nicht den Eindruck, und keiner der von mir hier genannten Ausschüsse hat unter dem Eindruck gestanden, daß es der Bürokratie etwa nicht möglich wäre, eine solche Summe sinnvoll und zweckmäßig zu vergeben, sinnvoll, nicht bloß,


(Kalbitzer)

um sie loszuwerden. Es ist ganz richtig, was Herr Kollege Vogel anschloß, daß das in späteren Jahren durchaus noch mehr werden mag. Aber darüber haben wir in diesem Augenblick nicht zu diskutieren. Hier geht es um die genannte Summe. Der Eindruck unserer Ausschüsse ist gewesen, daß diese Summe ein erster Anfang ist, ein politisch notwendiger und wirtschaftlich von unserer Seite vertretbarer Anfang, und daß wir, da man uns gegeben hat, auch geben sollten und daß, wer schnell gibt, doppelt gibt.
Ich meine, das sind doch Argumente politischer Art, die es, ohne daß man die rein finanztechnischen dabei außer acht lassen müßte, geboten erscheinen lassen, daß die Bundesrepublik das tut, was ihre Pflicht ist und was ihr möglich ist und was gerade in den jetzigen Tagen, wo ein asiatischer Staatsmann hier zu Besuch ist, doch von besonderem Interesse und besonderer Wirkung sein könnte. Nicht, daß diese 50 Millionen den Indonesiern zu geben seien; aber in dem Augenblick, wo einer der führenden asiatischen Staatsmänner in Deutschland weilt, einer der Staatsmänner, von denen man mit Sicherheit weiß, daß sie keine antieuropäische Politik treiben, sondern eine Politik, die ihren eigenen Ländern angemessen ist, an deren Zusammenarbeit Deutschland als Ganzes und insbesondere Westdeutschland das stärkste Interesse hat, wäre es ein Zeichen wirklich freundschaftlicher und weltweiter Verbundenheit, diesem Antrag seine Zustimmung nicht zu versagen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0215016600
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Abstimmung wird zurückgestellt bis morgen vormittag 9 Uhr.
Ich rufe auf Umdruck 635. Wer begründet den Antrag Umdruck 635? — Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 635*) hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0215016700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe den Antrag Umdruck 635 Ziffer 2: Tit. 301 — Geheime Ausgaben im Bereich des Etats des Auswärtigen Amts — soll nach einem Antrag meiner Fraktion im Haushaltsvermerk folgende Fassung erhalten:
Die Jahresrechnung über die Ausgaben dieses Betrages unterliegt der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutchen Bundestages und der Prüfung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, im Rahmen der gesamten Geheimfonds des Haushaltsjahres 1956, die als Endsumme augenblicklich den Betrag von 24 950 000 DM aufweisen, entfallen auf den Einzelplan 05 des Auswärtigen Amts unter Tit. 301 3 Millionen DM für geheime Ausgaben. Das, was im übrigen bei anderen Titeln vergleichbarer Art vorgesehen ist, nämlich die Prüfung durch den Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes, ist in diesem Falle nicht vorgesehen. Diese Mittel unterlie*) Siehe Anlage 11.
gen nicht der Prüfung des Bundesrechnungshofs. Sie unterliegen keiner Prüfung. Es ist aber der verständliche Wunsch meiner Fraktion, der nicht zum erstenmal geäußert wird, auch hier eine parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen. Wir sind uns dabei vollkommen klar darüber, daß im Bereich des Auswärtigen Amts das Vorhandensein eines derartigen Fonds unabweisbar ist. Wir sind auch davon überzeugt, daß eine Kontrolle durch Beauftragte des Parlaments sich in einem angemessenen Rahmen zu bewegen hat. Aber wir können nicht davon überzeugt werden, daß es richtig ist, wenn keinerlei Kontrolle stattfinden soll. Nach dem vorhin gegebenen Beispiel der Entscheidung zu Kap. 04 04, Bundesnachrichtendienst, möchte ich die Hoffnung äußern, daß sowohl der Herr Bundesaußenminister als auch der Bundestag in seiner Abstimmung hierzu morgen früh einen Weg der Verständigung beschreiten.
Ein solcher Weg der Verständigung deckt sich auch mit den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung. Sie finden im § 89 der Reichshaushaltsordnung folgende Bestimmung:
Soweit Haushaltsmittel mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck der Prüfung durch den Rechnungshof nicht unterliegen sollen, muß dies im Haushaltsplan besonders angeordnet werden. Die Prüfung kann durch den Haushaltsplan auch einer anderen Stelle übertragen werden.
Viel mehr wollen wir gar nicht. Wir wollen eine „andere Stelle", nämlich ganz wenige Beauftragte des damit an sich zu befassenden Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages mit dieser Funktion bedacht wissen.
Nun bitte ich, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ganz kurz und abschließend einige Sätze, die ich in diesem Hause schon einmal in die Erinnerung gerufen habe, auch der Begründung dieses Antrages widmen zu dürfen. In einem Kommentar zur Reichshaushaltsordnung heißt es einmal:
Regelmäßig begründet die Exekutive mit erhöhter Staatsraison die Fernhaltung des kritischen Prüfers von den obengenannten gefährlichen Fonds (Informationsfonds, Dispositionsfonds und dergleichen). Es stellt sich aber oft heraus, daß diese Tendenz nur den Versuch zur Aufrechterhaltung eines Mysteriums oder des Wunsches nach ganz selbständiger Bewirtschaftung bedeutet.
Und an anderer Stelle:
Das Wesen der Kontrolle, wie sie hier verstanden wird, besteht nicht in der Aufsicht des Schutzmanns, sondern mehr in der Rolle des verantwortungsvollen Mitarbeiters.
Und schließlich heißt es dort:
Viel wichtiger ist die staatspolitische Kontrolle beim Zustandekommen und dem Vollzug des Bundeshaushalts unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit und der Klarheit.
Sie können diese Sätze nachlesen in einem Kommentar, den der Leiter der Haushaltsabteilung des Herrn Bundesfinanzministers, Herr Ministerialdirigent Dr. Vialon, geschrieben hat. Ich bin persönlich davon überzeugt, daß auch der Herr Bundesfinanzminister, der ja an der Verantwortung für die Ver-


(Ritzel)

wendung solcher Geheimfonds mit trägt und der bei gegebener Gelegenheit mindestens im Haushaltsausschuß, vielleicht auch im Rechnungsprüfungsausschuß nach dem einen oder anderen Verwendungszweck gefragt wird, entsprechend seiner Beteiligung an der Verantwortung bereit sein wird, hier seine vermittelnde Hand zu bieten. Jedenfalls würde ich mich sehr freuen, wenn der Herr Bundesaußenminister bei unsererseits völliger Anerkennung der Notwendigkeit der Existenz eines solchen Fonds, an dessen Summe wir auch nicht rütteln wollen, seinerseits anerkennen wollte, daß es eine legitime Forderung ist, die wir hier geltend machen, auf eine beschränkte parlamentarische Kontrolle dieses Geheimfonds.
Ich wäre dankbar, wenn sich die Fraktionen des Hauses morgen entschließen wollten, diesem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.

(Abg. Dr. Gülich: Die morgen zustimmen sollen, sind heute nicht da!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215016800
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 635 *) Ziffer 1 hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0215016900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, zu diesem Antrag in dieser Lage etwas sagen und mich des Auftrags meiner Fraktion entledigen zu müssen; denn es ist ja ein im Grunde genommen unerhörter Vorgang, daß man zu beginnender Nachtstunde Anträge begründen und zu einem Haushalt Stellung nehmen soll, während das, was zur Begründung gesagt wird, einfriert wie weiland die Töne in Münchhausens Horn, wobei damals noch der Vorzug darin bestand, daß die Töne wenigstens am Tage darauf beim Auftauen gehört wurden. Hier werden diejenigen, die morgen darüber abzustimmen haben, von der Begründung nichts gehört haben.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind gerade jetzt dabei, das, was wir an parlamentarischer Arbeit haben, auf diese Art und Weise zu Tode zu reiten. Entschuldigen Sie diesen meinen Gefühlsausbruch angesichts des ersten Drittels einer Haushaltsplanberatung.
Und nun einige Sätze — und nicht mehr - zur Begründung des Antrags meiner Fraktion, Tit. 961 um 250 000 DM zu erhöhen.
Vorhin ist von Herrn Kollegen Vogel im Zusammenhang mit der Debatte um den Antrag auf einen Beitrag für Wirtschaftshilfe an sogenannte wirtschaftlich unterentwickelte Länder darauf hingewiesen worden, daß auch dieser Fonds — ein Fonds der Vereinten Nationen - von uns mit einem Beitrag bedacht wird. Ich muß hier wiederholen, was wir auch im Auswärtigen Ausschuß betont haben und was — ich glaube, mich nicht falsch zu erinnern - damals sogar die wenn auch noch nicht zu einer Tat verpflichtende Zustimmung des Herrn Bundesaußenministers gefunden hatte: daß es nämlich im Grunde genommen der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht entspricht, wenn wir mit den Mindestbeiträgen bei solch gemeinnützigen Werken internationaler Art beteiligt sind, wie sie von den Vereinten Nationen, vom Kinderhilfswerk und von anderen betrieben werden.

(Beifall bei der SPD.)

*) Siehe Anlage 11. Wir sind mit dem Pflichtbeitrag drin, und so soll es offenbar bleiben, wenn unserem Antrag nicht entsprochen würde.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns fragen, was andere Länder diesem Fonds geben, so müssen wir tatsächlich beschämt schweigen. Die Niederlande zahlen diesem Fonds nach den Angaben, die uns gemacht worden sind, über 750 000 Dollar,

(Hört! Hört! bei der SPD)

Schweden an die 700 000 Dollar, Kanada 1,8 Millionen, Belgien 437 000 Dollar. Die Bundesrepublik zieht sich mit 1 Million DM aus dieser Affäre. Ich meine, wir sind es der Sache, wir sind es unserem Ruf schuldig, und wir haben eine politische Verpflichtung, dies zu tun; denn es ist eine politische und moralische Kapitalanlage für die Zukunft, ob wir uns anders als nur mit dem unumgänglichen Pflichtbeitrag an einem Gemeinschaftswerk der Vereinten Nationen beteiligen.
Und damit schließe ich in der schwachen Hoffnung, daß der eine oder andere von denen, die heute hier noch anwesend und nicht entschuldigt sind, weil sie an einem andern Abend teilnehmen müssen, es vielleicht dem einen oder andern der Fraktionskollegen morgen sagen wird, die hierher kommen und so abstimmen werden, wie es von oben angeordnet wird, weil sie nichts von der Begründung gehört haben und von der Sache nichts wisssen können. — Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215017000
Verzeihung, Herr Kollege Wehner, Sie haben Ziffer 1 des Umdrucks 635 begründet?

(Abg. Wehner: Ja! — Zuruf von der CDU/ CSU: Das kann man auch anders machen!)

Ziffer 2 ist schon begründet. Wird Ziffer 3 begründet? — Frau Abgeordnete Renger!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0215017100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich die Hoffnung, daß der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Herr Professor Wahl, diesen Antrag hier mit vertritt. Er hat mir heute früh versprochen, daß er ihn mit unterschreiben wird. Ich weiß nun nicht, ob es ihm gelungen ist, die CDU-Fraktion auch zum Befürworten dieses Antrags zu bringen. Ich habe davon noch nichts gehört.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, recht herzlich, die Aufgaben der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen dadurch zu unterstützen, daß Sie im Einzelplan 05 Tit. 603 den Zuschuß von bisher 25 000 DM auf 60 000 DM erhöhen. Das ist der Betrag, der notwendig ist, wenn die Gesellschaft ihre Ziele einigermaßen verfechten will. Ich brauche nicht weiter darüber zu reden, welcher Gedanke da in das Volk hineingetragen werden soll.
Aber eine politische Bemerkung möchte ich noch machen. In der sowjetischen Besatzungszone ist ebenfalls eine Liga für die Vereinten Nationen geschaffen worden, die sehr aktiv ist und mit allen Mitteln versucht, in diese Weltföderation hineinzukommen. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unsere Bemühungen in der Bundesrepublik durch die Bewilligung größerer Mittel unterstützten.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)



Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215017200
Nun kommt der Umdruck 637*). Zur Begründung Frau Abgeordnete Hütter.

Margarete Hütter (FDP):
Rede ID: ID0215017300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich schließe mich der Kritik deHerrn Kollegen Wehner über die Entscheidung an, daß wir heute unsere Anträge begründen, während das Haus morgen darüber abstimmen soll. Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu genehmigen, meinen Antrag, den ich für außerordentlich wichtig halte, morgen zu 'begründen. Ich bedauere, daß der Herr Bundesaußenminister morgen abwesend ist. Aber noch mehr müßte ich es bedauern, das Haus in die Lage zu bringen, über einen Antrag abzustimmen, dessen Begründung es nicht gehört hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215017400
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete. Wollen Sie sich nicht doch lieber dem Beschluß 'des Hauses anschließen?

(Abg. Wehner: Was heißt das? Das war ein Beschluß von einer solchen Handvoll Leute! Leider kann man nicht einmal die Beschlußfähigkeit anzweifeln!)

— Nein, Herr Kollege!

(Abg. Wehner: Es ist empörend, Herr Präsident!)

— Ich nehme Ihre Kritik zur Kenntnis. Aber wir haben keine andere Möglichkeit, als einem offenbar doch gefaßten Beschluß des Hauses zu folgen.

(Abg. Dr. Gülich: Zur Geschäftsordnung!)

Ich würde doch bitten, loyal dabei zu bleiben. Ich kann nichts anderes tun, als Sie zu bitten.

(Abg. Dr. Gülich: Zur Geschäftsordnung!)

— Ich verstehe, daß Sie das Wort zur Geschäftsordnung haben wollen. Ich werde es Ihnen sofort geben, Herr Professor. Aber ich mache noch einen letzten Versuch, mit diesem Pensum fertig zu werden.

Margarete Hütter (FDP):
Rede ID: ID0215017500
Herr Präsident, ich bedaure. So, wie Sie uns bitten, so muß ich Sie bitten, bei meiner Bitte zu bleiben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215017600
Schön! Nun zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0215017700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns viele Monate im Haushaltsausschuß um die Beratung dieses umfangreichen Haushalts bemüht. Wir haben jede parlamentsfreie Woche dafür geopfert.

(Sehr richtig!)

Nun ist beschlossen worden, bis 10 Uhr abends zu tagen. Das ist doch wohl unter der Annahme geschehen, daß dann auch bis 10 Uhr abends ordnungsgemäß getagt wird und abgestimmt werden kann. Ich empfinde es als unzumutbar für die Kollegen, die heute Anträge begründen sollen, wenn sie erleben müssen, daß morgen von Kolleginnen und Kollegen abgestimmt wird, die die Begründung dieser Anträge nicht gehört haben.

(Abg. Dr. Conring: Das haben Sie aber mit beschlossen!)

— Herr Kollege Conring, das ist der Behandlung
des Haushalts nicht würdig, wie auch die Kürze
s) Siehe Anlage 12. der Zeit, die wir für diese Haushaltsberatung aufwenden, unverantwortlich ist.
Ich beantrage deshalb Schluß der Debatte für heute.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und rechts. — Abg. Wehner: Stellen Sie, Herr Präsident, die Beschlußfähigkeit fest!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215017800
Herr Kollege Wehner, das kann ich nur im Zusammenhang mit einer Auszählung machen.

(Abg. Dr. Vogel: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0215017900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher völlig richtig, was hier an Kritik vom Kollegen Wehner, von Professor Gülich und anderen vorgebracht worden ist. Ich meine, ich würde mich auch sehr leicht tun, mich genauso dieser Kritik anzuschließen, aber ich weiß nicht, ob Sie damit der Sache selbst einen Dienst erweisen.

(Abg. Wehner: Was heißt hier, der Sache einen Dienst erweisen?)

— Ja, das könnte man, Herr Kollege Wehner. Wir wollen hier ganz ehrlich noch folgendes sagen:

(Zuruf von der SPD: Selber schuldig!)

Dann hätten Sie vorhin nicht als Fraktion mit zustimmen dürfen, als der Herr Präsident fragte, ob das Haus damit einverstanden sei, daß ungefähr 60 Abgeordnete an einer Veranstaltung außerhalb des Hauses teilnehmen.

(Zuruf von 'der SPD: Herr Vogel, uns geht die Spucke weg, wie wir überrascht worden sind! Es war doch keine Abstimmung!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215018000
Eine Sekunde, meine Damen und Herren! Auch in dieser vorgerückten Stunde werden wir — diejenigen, die noch da sind, ein blütenreines Deutsch sprechen.

(Heiterkeit.)

Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0215018100
Ich möchte Sie deswegen doch bitten, Herr Kollege Gülich, nicht auf den Antrag auf Schluß der Debatte zu beharren und darüber abstimmen zu lassen. Überlegen Sie einmal die Folgen, die sich daraus ergeben werden! Wir werden morgen früh natürlich da fortfahren müssen, wo wir heute geendet haben. Glauben Sie, daß wir die Kollegen mit diesem Beschluß zwingen werden, morgen vollzählig anwesend zu sein? Ich bewundere Ihren Optimismus.

(Zuruf von der SPD: Das Haus 'ist ja nicht beschlußfähig!)

— Das sind aber Klagen, die so alt sind wie die Behandlung des Haushalts; das wissen Sie doch alle.

(Abg. Wehner: Da hört sich's auf mit Gefühlen!)

— Das ist ein herzerfrischender Ton, den ich gern höre. Trotzdem muß ich sagen: Sie kommen damit der Sache nicht einen Schritt näher. Sie werden damit nur erleben — das sehe ich heute schon voraus —, daß Sie am Sonnabend alle hier sitzen.

(Zuruf von der SPD: Bitte schön!)



(Dr. Vogel)

— Wenn Sie glauben, daß das richtig ist, bitte schön, ich habe keine Einwendungen dagegen. Ich frage mich bloß, ob auch Ihre Fraktion damit einverstanden sein wird.

(Zuruf von der SPD: Das werden wir ja sehen!)

Also ich bitte noch einmal, nicht auf dem Antrag auf Schluß der Debatte zu bestehen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215018200
Wir müssen über diesen Antrag abstimmen, wenn er nicht zurückgezogen wird. Zunächst hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen das Wort.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0215018300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mit Rücksicht auf meine Abwesenheit morgen um die Vorziehung des Haushalts gebeten, selbstverständlich nur in der Voraussetzung, daß sich die Behandlung ordnungsmäßig vollziehen könnte. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß ich, wenn die Verhandlung auf morgen verlegt wird, selbstverständlich morgen da sein werde.

(Allgemeiner lebhafter Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215018400
Herr Bundesminister, Sie haben den Beifall des Hauses gehört.

(Zuruf von der SPD: Das war eine gute Haltung!)

Jetzt zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0215018500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach alter Übung und im Sinne des § 49 der Geschäftsordnung gilt das Haus als beratungsfähig, solange nicht seine Beschlußunfähigkeit festgestellt wird. Beschlußunfähig ist es, wenn weniger als die Hälfte der Abgeordneten da sind. Nachdem ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt ist, muß der Herr Präsident darüber abstimmen lassen, und bei dieser Abstimmung wird sich sehr rasch zeigen, daß wir beschlußunfähig sind. Ich bitte um die entsprechende Abstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215018600
Wird weiter das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? — Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht gewünscht. Nach § 30 der Geschäftsordnung bedarf der Antrag der Unterstützung von 30 anwesenden Abgeordneten. Ich unterstelle, daß dieser Antrag von 30 anwesenden Abgeordneten unterstützt ist. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Antrag auf Schluß der Beratung zustimmen will, den bitte ich, ein Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit.
Jetzt kommt die andere Seite, die Anzweiflung der Beschlußfähigkeit. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als das im Wege — —

(Zuruf von der Mitte: Sie ist gar nicht angezweifelt worden! — Abg. Dr. Horlacher: Zur Geschäftsordnung!)

Meine Damen und Herren, jetzt sind wir in einer schwierigen Situation. Die Anzweiflung kann nur im Zusammenhang mit einer Sachabstimmung erfolgen. Wir sind aber übereingekommen — meines Wissens liegt ein Beschluß des Hauses vor —, heute keine Sachabstimmung vorzunehmen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Horlacher!

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0215018700
Meine verehrten Damen und Herren! Da haben Sie wieder eine geschäftsordnungsmäßigen Fehler gemacht! Sie hätten Antrag auf Schluß der Debatte stellen sollen und gleichzeitig, weil der Antrag vorgelegen ist, die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln sollen. Jetzt ist das vorbei. Jetzt müssen Sie einen neuen Antrag stellen und neuerlich die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln.

(Zuruf von der Mitte: Das wollen wir ja gerade nicht, Horlacher!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215018800
Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, unsere Geschäftsordnung bindet die Auszählung an eine Sachabstimmung. Ich sehe also nicht, wie wir dem Wunsche des Herrn Kollegen Gülich Rechnung tragen können. Außerdem sind auch die Herren Schriftführer nunmehr der Meinung, daß wir beschlußfähig sind. Das Bild hat sich jedenfalls gerade in den letzten fünf Minuten recht verändert.

(Heiterkeit.)

Darauf darf ich ergebenst hinweisen. Ich schlage Ihnen vor, Herr Abgeordneter Gülich, daß wir nach dieser Abstimmung in den Beratungen- fortfahren. Ich bedaure die mißliche Situation, in der wir sind. Aber ich möchte doch meinen, daß wir keine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit haben, die Beratungen jetzt abzubrechen.

(Zuruf von der Mitte. — Abg. Ritzel: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident!)

— Herr Abgeordneter Ritzel zur Geschäftsordnung!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0215018900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier taucht jetzt ein anderes Problem auf. Wenn die Herren vom Vorstand der Auffassung sind, daß das Haus beschlußfähig ist, dann ist es auch nicht notwendig, die Vereinbarung von vorhin aufrechtzuerhalten, erst morgen früh abzustimmen. Dann kann die Debatte abrollen und heute abend abgestimmt werden.

(Abg. Arndgen: Es liegt doch ein Antrag auf Schluß der Debatte vor!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215019000
Meine Damen und Herren, ich kann dem nicht widersprechen. Das Haus ist jeden Augenblick frei, seine Beschlüsse aufzuheben, zu ändern, soweit das im Rahmen der Geschäftsordnung zulässig ist. Herr Abgeordneter Ritzel, soll ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Sie den Antrag stellen, zu beschließen, daß wir wieder in die Sachabstimmung eintreten?

(Abg. Ritzel: Ja!)

— Gut, Herr Abgeordneter Ritzel hat den Antrag gestellt. — Dazu Herr Abgeordneter Rasner!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0215019100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion widerspricht dem letzten Antrag. Wir bitten, es bei dem bisherigen Beschluß zu belassen, daß morgen abgestimmt wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215019200
Herr Abgeordneter Conring!


Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0215019300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vor ganz kurzer Zeit den Beschluß gefaßt, heute abend nicht abzustimmen. Auf Grund dieses unseres gemeinsamen Beschlusses, dem von keiner Seite widersprochen worden ist, haben die Abgeordneten, die heute abend Verpflichtungen haben, das Haus verlassen.

(Zuruf von der SPD: Was für Verpflichtungen?)

Es sind Abgeordnete aus allen Fraktionen fortgegangen.

(Abg. Mellies: Eine Verpflichtung ist das nicht, Herr Kollege!)

— Diese Abgeordneten haben diese Verpflichtungen ihrerseits jedenfalls als solche aufgefaßt, das müssen wir ihnen schon abnehmen. Jedenfalls haben sie auf Grund unseres gemeinsamen Beschlusses, der auf keiner Seite Widerspruch gefunden hat, das Haus verlassen. Ich halte es nicht für korrekt, wenn wir jetzt, etwa eine Viertelstunde später, einen gegenteiligen Beschluß fassen und sagen: nun wollen wir doch abstimmen. Das kann man billigerweise nicht machen. Ich glaube, wir müssen uns an gewisse Spielregeln halten, auch wenn sie nirgends geschrieben stehen. Nachdem wir diesen Weg angetreten haben, müssen wir ihn auch so weitergehen, d. h. beraten und heute abend nicht abstimmen, sondern die Abstimmungen auf morgen früh vertagen. Einen anderen Weg gibt es nach Lage der Verhältnisse jetzt nicht mehr.

(Sehr richtig! in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215019400
Meine Damen und Herren, Sie haben nun das Für und Wider gehört. Ich möchte diese Geschäftsordnungsdebatte jetzt abschließen. Aber ich stelle fest, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Ritzel noch steht, es sei denn, daß er ihn unter dem Eindruck dieser Worte jetzt zurückzieht.

(Abg. Ritzel: Nein!)

— Das tun Sie nicht. Dann muß ich darüber abstimmen lassen. Ich würde aber doch bitten, daß die Kolleginnen und Kollegen Platz nehmen; sonst ist es noch mißlicher.
Meine Damen und Herren, ich lasse also abstimmen über den geschäftsordnungsmäßigen Antrag des Herrn Abgeordneten Ritzel. den Beschluß des Hauses aufzuheben, also die Beratungen wiederaufzunehmen und wieder in die Sachabstimmungen einzutreten. Ist das klar? Wer also dafür ist. daß der Beschluß des Hauses aufgehoben wird, daß also wieder in die Sachberatung und die Sachabstimmung eingetreten wird. den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit. Herr Abgeordneter Ritzel, jetzt kann ich nicht mehr tun, als ohne Abstimmung in den Beratungen fortzufahren.

(Zustimmung.)

Also zur Sache!

(Unruhe und Zurufe.)

Ich bitte, jetzt dieses Intermezzo als beendet anzusehen.
Die Frau Abgeordnete Hütter hat hier erklärt, daß sie heute abend ihren Antrag nicht begründen wolle. Frau Abgeordnete. wollen Sie sich nun nach dieser interessanten Geschäftsordnungsdebatte nicht doch entschließen, es zu versuchen?

(Zustimmung.)

- Ich danke vielmals. Das Wort hat dann Frau Abgeordnete Hütter.

Margarete Hütter (FDP):
Rede ID: ID0215019500
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem die Mehrheit des Hauses, und zwar eine wirkliche Mehrheit, anders beschlossen hat, füge ich mich selbstverständlich dem Beschluß.
Ich bin von meinen Freunden beauftragt, einige Ausführungen zu Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — zu machen. Es befaßt sich mit den Ausgaben, die der Pflege menschlicher Beziehungen und kultureller Beziehungen durch die offiziellen Dienststellen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland dienen, und ist nach der Fassung des Ausschusses in Tit. 302 mit 15 Millionen DM und in Tit. 303 mit 12 Millionen DM veranschlagt.
Wir sind mit der Höhe der genannten Beträge nicht einverstanden. Die Fraktion der Freien Demokraten bedauert, daß nach den Plänen der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes keine höheren Summen als die hier eingesetzten verlangt wurden. Es fehlt offensichtlich an Initiative zu neuer und größerer Aktivität.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215019600
Meine Herren, ich appeliere an Ihre Courtoisie, einer Dame Gehör zu schenken. Fahren Sie bitte fort, Frau Abgeordnete Hütter!

Margarete Hütter (FDP):
Rede ID: ID0215019700
Man verwaltet lediglich, was ist, und tut nicht genug von dem, was sein sollte. Wir würden wünschen, daß ein mindestens fünfmal so hoher Betrag zur Verwendung gelangte als die hier ausgeworfene Summe von 13 Millionen DM. Die zukünftigen Bemühungen der Freien Demokraten werden sich jedenfalls in dieser Richtung bewegen, und wir erwarten Vorschläge für eine bessere Methode zur Information des Auslandes bis zum nächsten Haushaltsplan.
Ich weiß aus eigener Beobachtung, daß die Anstrengungen anderer europäischer Länder auf dem Gebiet der Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland unvergleichlich größer sind als unsere eigenen und daß dementsprechend weit höhere Beträge dafür ausgeworfen werden. Die Vereinigten Staaten, England und Frankreich und nicht zuletzt die Sowjetunion haben erkannt, daß durch die Entwicklung der Technik des Nachrichtendienstes und der immer schneller werdenden Verkehrsmöglichkeiten die Bedeutung der Diplomaten als Träger politischer Informationen zurückgeht und daß die Funktion der Diplomaten sich verändern muß, wenn sie ihrem Lande ein Höchstmaß an Diensten leisten wollen. Aus der Erkenntnis, daß die Pflege der menschlichen und kulturellen Beziehungen mehr zur Erhaltung des Friedens beiträgt als das der Vergangenheit angehörende Spiel der geheimen Diplomatie, das letztlich zu Mißverständnissen und zu Kriegen geführt hat, haben die meisten Länder die Konsequenz gezogen und sind im Begriffe, die Tätigkeit ihrer diplomatischen Vertretungen entsprechend zu ändern. Diese widmen sich in zunehmendem Maße der Unterrichtung des Auslandes über die öffentlichen Beziehungen, wobei der Begriff „öffentliche Beziehungen", die deutsche Übersetzung von „Public Relations", nichts mehr zu tun hat mit der zu verabscheuenden Propaganda, die die Verdrehung der Wahrheit zum Ziele hat und damit nur der Verwirrung,


(Frau Hütter)

nicht aber der Wahrheit dient. Und die Wahrheit zu erfahren gilt es, auch wenn sie einmal enttäuschend sein mag, weil nur sie zu echten politischen und gültigen Lösungen führen kann. Es ist selbstverständlich, daß für diese Aufgabe genügend Gelder vorhanden sein müssen; denn ihre Ausführung liegt in unser aller Interesse.
Was tun nun die andern, und was tun wir, um dem Ziel der Unterrichtung des Auslands über unsere öffentlichen Geschäfte zu dienen, worunter natürlich auch die Pflege der kulturellen und menschlichen Beziehungen zu verstehen ist?
Die Briten sind besonders aktiv auf dem Gebiet der Unterrichtung der Presse, die die öffentliche Meinung mit am stärksten beeinflußt. Der Inhalt der Leitartikel der großen britischen Tageszeitungen wird täglich an die Redaktionen der ausländischen Tageszeitungen sämtlicher Großstädte der Welt, sei es per Luftpost, sei es telegraphisch, versandt. Darüber hinaus werden wöchentlich kostenfrei und auf schnellstem Wege Exzerpte der besten politischen Kommentare und wichtige Wochenzeitschriften, wie der „Economist" und andere, den Herausgebern der größten Tageszeitungen zur Verfügung gestellt.
Ich bin mir bewußt, daß die Ausführung dieser Arbeit eher beim Presse- und Informationsamt als beim Auswärtigen Amt liegt. Aber das Auswärtige Amt sollte der Initiator eines solchen Programms sein und für die Durchführung Sorge tragen.
Daß die Briten die Bibliotheken ihrer auswärtigen Vertretungen mit einem Grundstock von Geschichts- und Jahrbüchern nicht nur über England, Schottland und Irland, sondern auch über ihr Commonwealth versehen, daß sie regelmäßig Wirtschaftsstatistiken herausgeben, die für die Unterrichtung des Auslands geeignet sind, und vieles andere mehr. Daß die britischen Konsuln im Ausland sich ihrer Unterlagen auch bestens zu bedienen wissen und diese nicht im Aktenschrank verschwinden lassen, bedarf kaum der besonderen Erwähnung.
Dazu kommt die Pflege der Beziehungen nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Treffens des Engländers mit dem Ausländer, sondern vor allem unter dem beruflich gleicher Individuen und Gruppen.
Wir haben hier im Parlament dank der Initiative des hiesigen britischen Botschafters bereits selber einen Eindruck von der Fruchtbarkeit dieser Unternehmungen bekommen und müssen zugeben, daß sie zum besseren Verständnis zwischen England und Deutschland entscheidend beitragen.
Ähnlich wie die Briten scheint auch die Sowjetunion im Begriff zu sein, ihre Beziehungen zur Bundesrepublik zu gestalten. In der Tat erhalten die Mitglieder des Gesamtdeutschen Ausschusses seit einiger Zeit regelmäßig Material von der hiesigen sowjetischen Botschaft mit den offiziellen Verlautbarungen über die politischen Demarchen ihrer Regierung. Das ist eine kluge Maßnahme vom Gesichtspunkt einer wie auch immer gearteten Regierung gesehen, die sich verstanden wissen und Einfluß nehmen will auf die internationalen öffentlichen Geschäfte, und wir fragen, ob die Regierung der Bundesrepublik z. B. die Auswärtigen Ausschüsse des amerikanischen Repräsentantenhauses und Senats oder des Kreml so gut über ihre Schritte unterrichtet, wie es der Kreml mit uns tut.
Schließlich löst die Aufnahme eines Kontaktes die Einflußnahme aus, und es wäre unklug, wenn unsere Regierung ihre Kontakte mit anderen Ländern nicht dazu benutzte, durch wahrheitsgemäße Unterrichtung über ihre offiziellen politischen Akte Einfluß zu nehmen.
Es würde zu weit führen, ginge ich hier z. B. auch auf die Einzelheiten der Methoden der Informationsarbeit der französischen Regierung im Ausland ein. Frankreich ist bekannt dafür, die wirkungsvollste Methode der Unterrichtung anderer Länder über die französischen öffentlichen Geschäfte anzuwenden, und die Sympathien, deren es sich in der Welt erfreut, sind, wenigstens teilweise, auf die erfolgreiche Arbeit der französischen Regierung auf diesem Gebiete zurückzuführen. Es würde sich empfehlen, gerade die französischen Methoden genau zu studieren, um sie eventuell selber anwenden zu können. Ich habe jahrelang im Ausland gelebt und konnte z. B. immer wieder beobachten, daß jeder Franzose, der ins Ausland reiste, Gelegenheit bekam, öffentlich in Erscheinung zu treten. In deutschen Konsulaten dagegen urteilt man über das gesellschaftliche und intellektuelle Niveau eines Besuchers, bevor man ihn auftreten läßt, und verhindert häufig sein Auftreten, aus Angst, er könnte nicht gut genug wirken. Auch trägt die französische Regierung dafür Sorge, daß die Elite unter der französischen Intelligenz durch die Gewährung von staatlichen Stipendien veranlaßt wird, nach bestandenem Staatsexamen zumindest ein Jahr lang ins Ausland zu gehen und dort Erfahrungen zu sammeln, wie auch zugunsten der Unterrichtung über Frankreich zu wirken. Gleichermaßen stellt die französische Regierung eine ansehnliche Summe für die besten Studenten der französischen Sprache an ausländischen Universitäten zur Verfügung und ermöglicht ihnen ein einjähriges Studium an einer französischen Universität.
Um dies alles zu organisieren, bedarf es einer Menge Geld. Aber kaum besser könnte das Geld des deutschen Steuerzahlers angewendet werden als durch eine gute Unterrichtung des Auslandes über seine kulturellen und ökonomischen Leistungen. Hätten wir ein solches Programm gehabt, wäre der Achtungsverlust der deutschen Wissenschaft z. B. in den letzten 40 Jahren nicht in dem Maße eingetreten, wie wir das heute bedauerlicherweise feststellen müssen. Denn um die Jahrhundertwende galt der deutsche Dozent für die ganze Welt noch als Vorbild in seiner Sphäre. In der Tat, seitdem ich lebe, hat es nicht eine einzige deutsche Regierung verstanden — und es hat in dieser Zeit vier verschiedene, die jeweilige Vergangenheit völlig umwälzende Systeme gegeben —, ein bleibendes und wirksames Informationsprogramm für die Unterrichtung des Auslandes aufzustellen. Jetzt stehen wir, die mittlere Generation, in der Verantwortung, und wir fordern dieses Programm unter Aufbietung außergewöhnlicher Kräfte, weil wir es für die Erhaltung der Achtung vor unserem Volk für notwendig erachten. Freilich wird es dazu besonderer Anstrengungen und eigener Initiative bedürfen. Einige Vorschläge sind in meinem Vergleich mit den Methoden anderer Länder bereits enthalten. Andere Vorschläge könnten von den deutchen Konsulaten im Ausland aus erfolgen.
Auf Grund des Berichtes zu Einzelplan 05 hat man stark den Eindruck, daß die Ausgaben für die Unterrichtung des Auslandes über die öffentlichen


(Frau Hütter)

Geschäfte in der Bundesrepublik hauptsächlich durch offizielle und offiziöse Stellen innerhalb der Bundesrepublik veranlaßt werden. Ihre Wirksamkeit, das sei gesagt, ist beschränkt. Weit wirksamer sind die Maßnahmen der Unterrichtung, die eine Botschaft oder ein Konsulat draußen treffen kann. Aber was steht einem deutschen Konsulat z. B. — Herr Schoettle, auch Ihnen gilt meine Rede —

(Abg. Schoettle: Ich war gerade anderweitig beschäftigt!)

zur Unterrichtung der Bewohner seines Amtsbereiches zur Verfügung? Ich nenne ein Grammophon mit wenigen, aber ausgezeichneten deutschen Sprech- und Musikplatten. Leider gibt es Amtsleiter, die das Grammophon und die Platten in ihre Wohnung stellen, um ihren häufigen Gästen ein musikalisches Programm bieten zu können. Wenn der Apparat und die Platten auch noch außerhalb der Wohnung Verwendung fänden, wäre dies nicht schlimm. Aber dem ist nicht immer so. Der jeweilige Presse- und Kulturreferent einer diplomatischen Vertretung muß sich in einem solchen Fall überlegen, ob er sich nicht selbst einen Apparat und gute Platten anschaffen soll und diese, wenn er seiner Aufgabe im besten Sinne nachkommen will, für eventuell angeforderte Zwecke zur Verfügung stellen soll. Oder er muß auf die Verbreitung deutscher kultureller Errungenschaften durch dieses Mittel ganz verzichten.
Was bleibt ihm als zweite Möglichkeit der Propagierung deutscher kultureller Leistungen? Es sind gute Bücher. Aber hier erweist sich die Schwierigkeit, daß nur noch wenige Ausländer die deutsche Sprache erlernen. Nach einer offiziellen Statistik in den Vereinigten Staaten ist das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache stark zurückgegangen. Eine Ursache dafür ist der Krieg. Aber ist nicht seither eine Entwicklung der wachsenden Freundschaft zwischen den beiden Staaten Amerika und Deutschland zu verzeichnen? Und was hat die deutsche Bundesregierung zur Belebung des Interesses an der deutschen Sprache im Ausland getan? Es ist erschreckend wenig. Eine gute Neuerscheinung auf dem Büchermarkt gelangt im allgemeinen nur in wenigen Exemplaren an die Konsulate. Diese werden dann willkürlich an zwei oder drei ausgewählte Universitätsbibliotheken vergeben. Aber das Gros der Universitäten, der Berufsschulen und höheren Schulen im Amtsbereich eines Konsulats geht leer aus. Begründung: Wir haben nicht mehr zu vergeben. Oder auch: Man kann ja doch nicht deutsch lesen, und eine Schule, an der nicht Deutsch gelehrt wird, kann damit nichts anfangen. Mit solchen Aussagen gibt man zu erkennen, daß man vom Grundsatz der Schaffung des Präjudizes nichts versteht, und begibt sich der Möglichkeit der Einwirkung.
Dieses Beispiel zeigt übrigens, daß von der Zentrale des Auswärtigen Amtes aus eine bessere Kontrolle über die Tätigkeit der Konsulate ausgeübt werden sollte. Mir scheint es notwendig zu sein, daß überall dort, wo wir Vertretungen im Ausland haben, Listen über sämtliche im Amtsbereich eines Konsulats liegenden Universitäten, Berufs- und Oberschulen sowie über die öffentlichen Bibliotheken aufgestellt und der Zentrale übersandt werden, damit sie sich selbst ein Bild von den Erfordernissen machen und die Lage auch selber beurteilen kann.
Um dem Hohen Hause eine Vergleichsmöglichkeit zur Beurteilung der Wirksamkeit guter Bücher zu geben, erinnere ich an die segensreiche Tätigkeit der Amerika-Häuser in der Bundesrepublik, die besonders in der Zeit nach der Niederlage die wissenshungrigen jungen Menschen anzogen, weil sie sich auf Grund des dort gebotenen Materials ein Bild von der Welt außerhalb Deutschlands machen konnten, von der sie jahrelang abgeschlossen waren. Deutsche Häuser im Ausland können wir nicht errichten. Dazu fehlen uns die Mittel. Aber wenn wir einige wenige gute Bücher, die in den letzten zehn Jahren erschienen sind — ich denke dabei z. B. an Veröffentlichungen auf dem literarischen Gebiet ebenso wie an gewisse Neuerscheinungen der Soziologie, der Architektur und natürlich der mathematischen Wissenschaften, an medizinische und chemische Bücher und dergleichen mehr —, in ausreichenden Mengen hinausstoßen würden, ließe sich sicherlich eine Belebung des Interesses an deutscher Kultur im Ausland feststellen. Manch einer wird, angeregt durch das Wissen um die Existenz solcher Bücher, dazu übergehen, Deutsch zu lernen, und damit der deutschen Kultur einen Dienst erweisen, der uns letztlich weit mehr nützt, als eine gute Unterrichtung des Auslands kostet.
Das traurige Kapitel des Mangels an guten Kurzfilmen für Fernsehstationen läßt sich nur streifen, weil auch dieses eine Geldfrage ist. Wenngleich der Wert der Unterrichtung durch Kulturfilme unumstritten ist, kann die Bundesrepublik auch nicht mit nur annähernd soviel Material im Ausland aufwarten wie andere Länder. Die deutschen Vertretungen im Ausland verfügen über viel zu wenig Filme, als daß sie eine genügende Wirksamkeit auslösen könnten.
Der Mangel an guten Kontakten mit den deutsche Sitten pflegenden Deutsch-Amerikanern ist ebenfalls bedauerlich. Er wird häufig damit begründet, daß der Verkehr mit solchen Gruppen gesellschaftlich nicht möglich sei. Damit begibt man sich aber der Möglichkeit, z. B. Amateuraufführungen kleinerer Theaterstücke in deutscher Sprache zu machen, und nimmt den entsprechenden Vereinen einen Teil ihrer Freude an der Pflege deutscher Sitten.
Es gäbe noch viel zu sagen, was zu einer wirksameren Tätigkeit der Kultur- und Pressereferenten im Ausland beitragen könnte, vieles über die Förderung des Austausches gleicher Gruppen. Aber es ist nicht meine Aufgabe, der Regierung die Arbeit abzunehmen. Anregungen habe ich mir erlaubt, mit dem Ziele, daß wenigstens eine davon ausgeführt wird, wozu der von der Fraktion der Freien Demokraten gestellte Antrag, den Ansatz für Kapitel 05 02 in Höhe der Regierungsvorlage wiederherzustellen, dienen soll. Die vorgetragene Kritik soll der Besserung der Informationsmethoden der Regierung dienen. Meine Fraktion wünscht, sie nicht wiederholen zu müssen, und vertraut darauf, daß sich der Herr Bundesaußenminister dieser Angelegenheit annimmt.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215019800
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Umdruck 658. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Feller.


Erwin Feller (GB/BHE):
Rede ID: ID0215019900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE hat auf Umdruck 658*) Ziffer 1 einen Antrag eingebracht, der zum Inhalt hat, das Amtsgehalt des Bundesministers des Auswärtigen zu streichen und den Gesamtbetrag des Titels entsprechend zu vermindern.
Im Namen meiner Fraktion darf ich zu diesem etwas ungewöhnlichen Antrag, so kurz, wie es der späten Abendstunde angemessen erscheint, folgendes erklären. Wir haben mit Rücksicht auf die Zeit keineswegs die Absicht, an dieser Stelle schon eine außenpolitische Debatte zu entfesseln oder auch nur eine Diskussion um die Person des Herrn Bundesaußenministers, die zweifellos eine ganze Reihe auch von uns anerkannter positiver Züge zur Geltung bringen würde. Wir haben jedoch auf Grund einiger Auslassungen des Herrn Bundesaußenministers Veranlassung, mit diesem in eine entschiedene Auseinandersetzung einzutreten, für deren Durchführung uns die für nächste Woche angesetzte außenpolitische Debatte der gegebene Anlaß zu sein scheint. Wir werden dort hoffentlich mit der Unterstützung des ganzen Hauses über die Gravamina zu sprechen haben, die unserem Antrag zugrunde liegen.
Es handelt sich um die Ausführungen, die der Bundesaußenminister in den vergangenen Monaten mehrmals zu der Frage des deutschen Rechtsanspruchs auf die Vertreibungsgebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie gemacht hat. Zunächst hat der Herr Bundesaußenminister nach Pressemeldungen in einem in London am 30. April dieses Jahres gegebenen Interview den deutschen Rechtsanspruch auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie als problematisch bezeichnet. Die Öffentlichkeit hat zwar von einer Kette von Dementis und Interpretationsversuchen Kenntnis nehmen können. Das hat aber nicht zu verhindern vermocht, daß sich ihrer eine sehr große Beunruhigung bemächtigt hat. Insbesondere in den Reihen der Ostvertriebenen und ihrer Verbände hat eine starke Erregung Hatz gegriffen, die sich teilweise bis zu verzweiflungsvollem Entsetzen gesteigert hat, eine Erregung darüber, daß der deutsche Außenminister den deutschen Rechtsanspruch auf diese Gebiete und damit das Heimatrecht der Vertriebenen in Frage gestellt hat. Wenn in den Interpretationsversuchen des Außenministeriums gesagt wurde, daß sich der Ausdruck „problematisch" nur auf die Durchsetzbarkeit dieser Rechtsansprüche bezogen habe, dann hat dies die tiefgreifende Beunruhigung in den Reihen der Ostdeutschen nicht zu beheben vermocht. Dies um so weniger, als der Herr Bundesaußenminister es inzwischen für angebracht hielt, das Thema in einem Interview mit der englischen Zeitung „Yorkshire Post" erneut zu behandeln, und zwar in einer Form, welche für die Betroffenen insofern einen besonderen Affront darstellte, als neben der Infragestellung ihres Heimatrechtes nun vom Herrn Bundesaußenminister auch ihre Rückkehrwilligkeit in Frage gestellt wurde.
Ohne an dieser Stelle schon eine abschließende Stellungnahme zu den genannten Auslassungen des Herrn Bundesaußenministers abgeben zu wollen, sieht sich meine Fraktion außerstande, die Beratung des Etats des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vorübergehen zu lassen, ohne ihre Mißbilligung über dieses Verhalten
1 Siehe Anlage 13.
des Herrn Bundesaußenministers zum Ausdruck zu bringen und damit die Frage nach seinem Verbleiben im Amt zu stellen. Wir halten die Auslassungen des Herrn Bundesaußenministers in ihren Auswirkungen für so gefährlich, daß wir diese Frage heute — unbeschadet der noch zu führenden sachlichen Kontroverse — stellen müssen. Da uns andere Möglichkeiten zur Stellung einer solchen Frage nicht gegeben sind und uns, wie wir aus Erfahrung wissen, auch von der Mehrheit des Hauses nicht gegeben werden, mußten wir unsere Frage in die Form dieses Antrages kleiden, auch auf die Gefahr des Mißverständnisses hin, daß man uns fragen wird, ob wir denn, wenn wir das Gehalt des Außenministers streichen wollten, auf dem Standpunkt stünden, daß wir überhaupt keinen Außenminister brauchten. Wir meinen im Gegenteil, daß wir einen Bundesaußenminister brauchen, der alles tut, um deutsche Rechtsansprüche zu wahren, nicht aber sie völlig unveranlaßt und unzeitgemäß zu problematisieren und damit in Frage zu stellen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der FDP.)

Das wollen wir Ihnen, Herr Bundesminister, heute in allem Ernst anläßlich der Beratung Ihres Etats vor Augen führen.

(Abg. Niederalt: Er würde nach Ihrem Antrag dann aber kein Gehalt bekommen!)

Keine Sorge, das würde er trotzdem bekommen, Herr Kollege!
Unsere Meinung zu Ihrem neu zu erstellenden Amtssitz, Herr Bundesaußenminister, die mit den von mir angesprochenen Vorgängen nichts zu tun hat und die in Ziffer 2 unseres Antrags Umdruck 658 zum Ausdruck kommt, wird einer meiner Freunde noch gesondert begründen.

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215020000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Keller.

Dr. Wilfried Keller (GB/BHE):
Rede ID: ID0215020100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat schon vorausgestellt, daß hier unglückseligerweise zwei Probleme zusammentreffen, die nichts miteinander ursächlich zu tun haben und von denen ich es sozusagen fast als peinlich empfinde, daß sie aus Gründen der Kürze der Drucksachen überhaupt auf einem Blatt stehen.
Es geht um die Dienstwohnung desselben Mannes, des Herrn Bundesaußenministers, den mein Freund Feller soeben in einer ganz anderen Richtung angesprochen hat. Ich glaube, auch er hat es rein vom Sachlichen, vom „Problematischen" seines Verhaltens und seiner Denkweise her getan und nicht irgendwie vom Persönlichen. Ich möchte das vorausschicken. Herr von Brentano ist wahrscheinlich — oder sicher — ein sehr umgänglicher Mann. Aber die Dienstwohnung ist ein Problem, das in diesem Haushalt aufgetaucht ist, das mit der Person des Herrn Außenministers gar nichts zu tun hat. Wir würden es genau so aufgegriffen und bemängelt haben, wenn es sich irgendwo anders gezeigt hätte. Ich weiß nicht, in welchem Umfang Dienstwohnungen dieses Ausmaßes und dieser Kosten — es geht immerhin um eine halbe Million DM — bereits geschaffen worden sind. Ich möchte hoffen, daß es bislang noch nicht der Fall gewesen ist.


(Dr. Keller)

Selbstverständlich hat jeder Bundesminister einen Anspruch darauf, eine Dienstwohnung zu haben; das ist unbestritten. Ich falle nicht in die Versuchung, hier etwa Vergleiche zwischen Elendsquartieren und einer solchen Wohnung anzustellen, wie das allerdings — das möchte ich sagen — im Volke draußen bei solchen Gelegenheiten sehr gern, sehr oft und mit üblen Folgen für den demokratischen Gedanken getan wird, sondern ich wollte nur sagen: wenn sicherlich eine Dienstwohnung für Herrn von Brentano erstellt werden soll und muß, dann sollte immerhin den Tatsachen — wie er auch selber oft immer wieder erklärt —, daß wir ein vorläufiger Staat sind, daß wir eine vorläufige Hauptstadt haben und daß überhaupt alles bei uns vorläufig sein soll — obwohl man manchmal wenig davon merkt —, etwas mehr Rechnung getragen werden. Man kann sich, wenn man diese Ansicht begründet und selbst wenn man hofft, dabei Zustimmung zu finden, verfahrens-und geschäftsordnungsmäßig nicht auf einen Handel um 100 000 oder 10 000 DM einlassen. Die einzige Möglichkeit, ein solches Problem anzusprechen, besteht nach meiner bescheidenen Auffassung eben darin, einen Streichungsantrag zu stellen, um eines ganz unabhängig von der Person zu sagen: daß Aufwand, der in gewissem Ausmaß nicht zu beanstanden ist, eben doch angesichts all der Umstände Grenzen haben muß und daß man einmal, wenn diese Dinge nicht in das Uferlose wachsen sollen, in das wir sie hier in Bonn oft wachsen sehen, diese Sache ansprechen sollte.

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215020200
Wir kommen zum Änderungsantrag der SPD Umdruck 661 *). Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0215020300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Freunde im Haushaltsausschuß den Antrag einbrachten, 2 Millionen DM in den Haushalt des Auswärtigen Amts einzustellen zur Förderung und vornehmlich zur Gewährung von Stipendien an Studenten aus wirtschaftlich entwicklungsfähigen Ländern, konnte man nicht wissen, daß die Zweckbestimmung für die 2 Millionen etwas geändert werden würde. Der Haushaltsausschuß hat sich vortragen lassen, wie die allgemeinen Unterbringungsverhältnisse und die allgemeinen Betreuungsverhältnisse für die in Frage kommenden Studenten sind. Er ist zu dem Entschluß gekommen, diese 2 Millionen DM zunächst einmal vornehmlich für die Betreuung und für die Schaffung von Einrichtungen, in denen diese Studenten betreut werden können, bereitzustellen und damit die Voraussetzung für die Gewährung von weiteren Stipendien zu schaffen.
Nun handelt es sich zweifellos um eine Aufgabe, die bisher immer im Bereich des Bundesministeriums des Innern gelegen hat. Wir haben mehrfach bei den Sitzungen des Haushaltsausschusses Klagen darüber gehört, daß sich zunehmend eine Kompetenzvermischung innerhalb der einzelnen Ministerien der Bundesregierung gerade in den Fragen der Förderung des Studiums und der Förderung der Wissenschaft, soweit ausländische Belange damit berührt werden, breitgemacht hat. Der Haushaltsausschuß hat mehrere Ansätze dazu gemacht, diese Kompetenzüberschneidungen zu be*) Siehe Anlage 14.
seitigen und die Dinge zu klären. Das ist nur sehr unzulänglich gelungen. Aber wir sollten, glaube ich, den gegenwärtigen Zustand nicht noch dadurch weiter verwirren, daß eine Aufgabe, die bisher eindeutig durch das Bundesinnenministerium wahrgenommen worden ist, neuerlich in die Hand des Auswärtigen Amts gelegt werden muß, daß dazu erst wieder Beamte anzusetzen sind, die sich mit der Sache befassen müssen.
Bisher hat auch, weil es im Auswärtigen Amt gar nicht möglich war, die Dinge ad hoc zu bearbeiten, soweit mir bekannt ist, erst eine Besprechung in dieser Angelegenheit stattgefunden. Hingegen ist bei den beteiligten Ressorts eine große Verärgerung darüber eingetreten, daß wieder neue Zuständigkeitszwistigkeiten entstanden sind. Unserer Meinung nach werden diese Zwistigkeiten der Bürokratie nicht durch irgendein Votum dieses Hauses aus der Welt geschafft, sondern sie werden nach all den Erfahrungen, die wir mit der Bürokratie gemacht haben, weiterbestehen.
Aus diesem Grunde und vornehmlich, weil hier eine Aufgabe nach allen Abkommen und bisherigen Gepflogenheiten ausschließlich im Bereich des Bundesministeriums des Innern gestanden hat, beantragen wir, daß diese 2 Millionen DM aus dem Tit. 302 im Auswärtigen Amt in den Tit. 624 des Bundesinnenministeriums mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung, die sie auch in dem Titel des Auswärtigen Amts gehabt haben, überstellt werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215020400
Damit, meine Damen und Herren, ist auch der Änderungsantrag Umdruck 661 begründet.
Ich höre soeben, daß noch ein weiterer Änderungsantrag zu dem Einzelplan 05 eingegangen ist. Ist er verteilt? — Noch nicht verteilt. Herr Abgeordneter Dr. Vogel, haben Sie ihn?

(Abg. Dr. Vogel: Nein, kein neuer Antrag! Ich wollte nur generell zu den Anträgen sprechen!)

Ich frage, ob zu dem Änderungsantrag, der unterwegs ist, gleich noch gesprochen werden kann. — Der Antragsteller scheint offenbar nicht im Saal zu sein. Dann, meine Damen und Herren, kommen wir zur Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0215020500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal generell ein paar Worte zu den hier eingebrachten Anträgen sagen. Ich möchte mit dem kleinsten Posten beginnen, mit dem Antrag, den der BHE eingebracht hat, nicht nur das Gehalt des Herrn Außenministers zu streichen, sondern gleichzeitig auch den vom Haushaltsausschuß ziemlich einmütig angenommenen Antrag, ein Wohngebäude bereitzustellen, zu annulieren.

(Abg. Dr. Keller: Es ist eine halbe Million! Um den Betrag geht es!)

— Es geht um den Betrag von 500 000 DM. Dazu ist zunächst einmal zu sagen, damit in der Öffentlichkeit kein falsches Bild entsteht: Es handelt sich hier um das Haus aus dem Besitze des Landes Nordrhein-Westfalen, in dem, wenn ich mich recht erinnere, zuerst der verstorbene Vorsitzende der SPD, Dr. Schumacher, gewohnt hatte, in dem spä-


(Dr. Vogel)

ter der Landwirtschaftsminister Dr. Lübke wohnte und das jetzt vom Lande Nordrhein-Westfalen dem Bund zum Kauf angeboten worden ist. Es ist ein Grundstück von 13 000 qm, und dafür hat das Land Nordrhein-Westfalen samt Gebäude einen Preis von 270 000 DM verlangt. Uns im Haushaltsausschuß schien dieses Angebot vom Blickpunkt des Interesses des Bundes an dem Erwerb überhaupt von passendem Grund und Boden in Bonn so bemerkenswert zu sein, daß wir in jedem Falle zugestimmt hätten, weil der Bund sich ein so großes ausbaufähiges Grundstück nicht entgehen lassen sollte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dieser Betrag muß zunächst einmal vorangestellt werden.
Nun handelt es sich um die zusätzliche Summe für Umbauten, die notwendig sind, um dieses Grundstück als Dienstsitz einzurichten. Alle Beteiligten im Haushaltsausschuß — und ich glaube, die SPD vorweg — waren sich darüber einig, daß dieses Haus im Grunde genommen für diese Zwecke zu klein ist und daß man ein anderes Grundstück wählen sollte. Ich glaube, es ist sogar auf Grund meiner Anregung im Protokoll vermerkt worden, daß man sich auf die Suche nach einem weiteren, etwas geeigneteren Grundstück dafür begeben sollte. Wir können nicht — Herr Kollege Dr. Keller, ich weiß, Sie stimmen da mit mir völlig überein — dem deutschen Außenminister zumuten, in dem nun einmal verkorksten Gebäude des Neubaus drüben den repräsentativen Pflichten nachzukommen, die ihm als Außenminister obliegen. Darüber sind wir uns wohl völlig einig. Ich habe an diesem Hausbau wiederholt im Ausschuß Kritik geübt; ich stehe auch heute dazu. Ich glaube, daß dieser Annex, der da gebaut worden ist, nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Er trägt weder den Notwendigkeiten des Außenministers noch denen des Staatssekretärs Rechnung. Es muß irgend etwas geschehen. Sie haben ja die Quittung dafür jetzt darin, daß ein neues Gebäude an der Koblenzer Straße erworben werden mußte und daß zweitens jetzt zu dem Ankauf des Grundstücks von Nordrhein-Westfalen geschritten worden ist. Also: wir können nicht alles ohne weiteres in einen Topf werfen, und ich bitte doch um Verständnis dafür, daß hier eine Zwangslage vorliegt, in deren Beurteilung sich der Haushaltsausschuß ziemlich einig war.
Nun die anderen Anträge, um die es hier geht! Wenn ich mich recht erinnere — und ich glaube, das kann durch das Protokoll gestützt werden —, haben nicht wir von der Regierungskoalition den Antrag gestellt, zwei Millionen DM von Tit. 303 zu streichen. Vielmehr hatte ich von vornherein als Berichterstatter für den Haushalt des Auswärtigen Amtes ausgeführt, daß wir jederzeit bereit sind, diese beiden großen Fonds, Tit. 302 und 303, zu erhöhen, daß mir aber als Berichterstatter von seiten des Auswärtigen Amts gesagt worden ist, nach der vorangegangenen kräftigen Erhöhung Jahr für Jahr — auch im vergangenen Jahr war es erheblich weniger, dieses Jahr sind 5 Millionen DM dazugelegt worden — könne das Auswärtige Amt mit seinem Personalbestand zunächst keine größere Summe verkraften. Diese Summe von 25 Millionen DM will doch ordnungsgemäß und mit Verstand ausgegeben werden. Auch dazu gehört schließlich viel Erfahrung und eine langjährige
Einarbeitung der Kulturabteilung, deren Besetzung ja leider nur allzuhäufig in der letzten Zeit gewechselt hat. Diese Abteilung muß sich erst einspielen, und wir müssen da etwas langsamer vorgehen. Ich weiß deswegen nicht, ob Sie der Sache dienen, wenn Sie jetzt sofort diese zwei Millionen DM verlangen. Wir haben uns seinerzeit im Haushaltsausschuß auf Antrag der SPD darauf geeinigt, zwei Millionen DM von der einen Seite, vom Schulfonds zu nehmen und sie beim allgemeinen Fonds, Tit. 302, aufzustocken, und zwar mit der Begründung — wenn ich mich nicht täusche, gab sie Kollege Ritzel —, daß noch große Reste beim Schulfonds in Höhe von einigen Millionen vorhanden seien, so daß dort eine Wegnahme nur für dieses Jahr vertretbar schien. Das war der Vorgang; er muß noch einmal rekapituliert werden, um ein wenig Helligkeit in die einzelnen Anträge zu bringen, damit sie richtig gesehen werden. Deswegen können wir im Augenblick nicht zustimmen, weil ich nicht glaube, daß durch Hinzufügung der 2 Millionen DM dem Zweck, den auch wir verfolgen, zunächst in diesem Jahr gedient wird. Wir sollten uns alle miteinander daran gewöhnen, nicht Summen zu fordern, von denen selbst das Amt erklärt, daß es sie zunächst nicht mehr verkraften kann.
Nun zum zweiten Antrag, den Herr Kollege Kahn-Ackermann vorgetragen hat, die 2 Millionen DM, die neu beschlossen worden waren, nicht im Etat des Auswärtigen Amtes auszubringen, sondern sie in das Bundesinnenministerium zu verpflanzen. Herr Kollege Kahn-Ackermann, wir haben mit einiger Aufmerksamkeit nicht nur diesen Antrag, sondern auch die anderen Anträge in der gleichen Richtung verfolgt. Wir werden wohl nicht fehlgehen in der Vermutung, daß Sie mit der Konzentration all dieser Mittel auf das Bundesinnenministerium — sprechen Sie es doch offen aus; Sie können sich offen dazu bekennen, es gibt sehr viele Freunde in meiner Fraktion, die das mit Ihnen wollen — ein Bundeskultusministerium aufbauen wollen.

(Abg. Kahn-Ackermann: Der Haushaltsausschuß hat immer bemängelt, daß gleiche Aufgaben in beiden Häusern wahrgenommen werden, und wollte eine reinliche Trennung. Hier haben wir eine reinliche Trennung vorgenommen!)

Dazu möchte ich gleich etwas rein Sachliches sagen. Wenn, wie z. B. bei den jüngsten Besuchen, die uns sehr freuen, aus Indonesien und demnächst aus Indien Auslandsstipendien genannt werden, die von uns bewilligt werden sollen, so bin ich sehr dafür. Aber nun folgende Frage: Wer soll die Reisen dieser Gäste organisieren? Wer soll das technische Drum und Dran dafür im Ausland organisieren? Wer soll dafür sorgen, daß sie nicht nur betreut werden, solange sie in Deutschland sind, sondern auch wenn sie in ihre Heimat zurückgekehrt sind? Das Wesentliche einer solchen Betreuung liegt nicht allein darin, daß wir einen AstaAusschuß beauftragen, ein paar Leute dafür abzustellen, sich dieser Gäste hilfreich anzunehmen, sondern das Wesentliche liegt in dem dauernden Kontakt, der später mit den Studenten, Praktikanten und Professoren gepflogen wird. Das kann nach meiner Auffassung nur ,das Auswärtige Amt.
Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich bitte Sie noch einmal, sich das zu überlegen. Das Bundes-


(Dr. Vogel)

innenministerium hat seinen Sondertitel für Hochschulaustausch. Wir haben ihn nicht angetastet. Wir wollen ihn auch nicht antasten. Aber man sollte hier nicht die Zwecke durcheinanderbringen. Ich glaube, daß diese 2 Millionen DM dort bleiben sollten, wo wir sie eingesetzt haben, nämlich beim Auswärtigen Amt, weil das eine Daueraufgabe für das Auswärtige Amt auch in der Zukunft darstellt.
Wir sollten uns aber gemeinschaftlich etwas ganz anderes überlegen, nämlich in welcher Weise wir bis zum nächsten Haushalt das Problem der zweckmäßigen Unterbringung und Betreuung unserer Gäste aus dem Ausland lösen. Das ist doch der springende Punkt. Ich habe das Beispiel Heidelberg vorgetragen. Sie erinnern sich, daß das überhaupt der Ausgangspunkt dieser Diskussion war. Das können wir mit dem vorliegenden Antrag in dieser Form nicht ausreichend tun. Das bedarf längerer Vorbesprechungen. Ich muß überhaupt hier einflechten, daß mich die mangelnde Aktivität unserer Kultminister auf diesem Gebiet wenig freut. Ich wünschte, daß es zu einem engeren Kontakt käme und man diese Maßnahmen in ständiger Berührung miteinander zu lösen versuchte, um an den Hochschulen die dafür erforderlichen Heime einzurichten, aber daß man auch — das ist in erster Linie ein psychologisches Problem — die Menschen findet, die sich um unsere Gäste kümmern.

(Abg. Dr. Schmid: Die Landeskultusminister denken an ihre Landeskinder zuerst!)

— Es gibt nicht nur Landeskinder.

(Abg. Dr. Schmid: Deshalb sollte man vielleicht eine andere Stelle mit solchen Aufgaben betrauen!)

— Das mag sein. Aber wir sollten ernstlich prüfen und für den nächsten Haushalt überlegen, was wir gemeinschaftlich zentral dafür tun können.

(Abg. Dr. Schmid: Richtig!)

— Schön, also wollen wir es tun. Aber in diesem Jahr sollten wir uns zunächst damit begnügen.

(Abg. Dr. Schmid: Ich bin sehr skeptisch gegenüber Ihren zu optimistischen Vermutungen! — Abg. Kahn-Ackermann: Das Innenministerium ist auf die Betreuung eingestellt. Das Auswärtige Amt muß völlig neu anfangen. Gerade deswegen hat es für dieses Jahr keinen Sinn!)

— Das Bundesinnenministerium ist doch höchst unzulänglich für diese Aufgaben gerüstet.

(Abg. Kahn-Ackermann: Aber nicht so unzulänglich wie das Auswärtige Amt.)

- Das Auswärtige Amt muß genauso wie das Bundesinnenministerium mit dem akademischen Austauschdienst zusammenarbeiten; beide haben keine Unterbehörden. — Ich glaube, wir sollten es in diesem Jahre dabei bewenden lassen.
Nun lassen Sie mich noch einiges generell zu den hier aufgeworfenen Problemen sagen. Das Auswärtige Amt befindet sich gegenwärtig erfreulicherweise in einem Zustand wachsender Konsolidierung. Wir haben bereits 147 Vertretungen eröffnet; 18 weitere sind in Vorbereitung. Wir werden hoffentlich in vielleicht ein bis zwei Jahren bei der Höchstzahl von etwa 170 Auslandsmissionen angelangt sein, die das vorläufige Ziel darstellt, wenn sich keine weltpolitischen Veränderungen oder Verselbständigungen im Ausland ergeben. Aber wir haben auch mit einiger Sorge festgestellt, daß es eine ganze Reihe von Engpässen nicht nur im — wie ich es nennen möchte — Inlandministerium, sondern auch bei den Auslandsmissionen gibt. Diese Engpässe kann man in verschiedene Kategorien einteilen.
Beginnen wir mit der Spitze. Ich halte es nicht für vorteilhaft und nützlich für unsere gesamte auswärtige Politik, daß sowohl der Herr Außenminister wie sein Staatssekretär gezwungen sind
— ich betone ausdrücklich: gezwungen sind —, sich fortgesetzt mit Verhandlungen im In- und Ausland zu befassen, und uns hier im Hause und ihrem eigenen Hause leider Gottes nicht in dem Maße zur Verfügung stehen können, wie das eigentlich nötig wäre. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie wir diese zwangsbedingten Engpässe an der Spitze irgendwie auflockern können. Ich persönlich würde einen wesentlichen Fortschritt darin sehen — ich glaube, das ist auch die Meinung sehr vieler meiner Freunde —, wenn sich das Auswärtige Amt dazu entschließen könnte, dafür Sorge zu tragen, daß für den Haushalt 1957 zwei Staatssekretäre von der Regierung eingebracht werden. Es wäre sogar zu begrüßen, wenn man damit nicht bis 1957 wartete, sondern das im Nachtrag dieses Jahres sofort miterledigte.

(Abg. Mellies: Das war schon längst fällig!)

— Ich freue mich um Ihre Zustimmung, Herr Kollege Mellies.

(Zuruf von der SPD: Warum haben Sie es nicht früher gesagt?)

— Es ist nicht Sache des Haushaltsausschusses, solche Stellen zu beantragen, sondern es ist Sache der Regierung, solche Stellen einzubringen.
Das zweite Problem. Es ist heute über eine gewisse Kopflastigkeit unserer Auslandsmissionen geklagt worden. Wenn man den Stellenplan der Auslandsmissionen eingehend durchsieht, wird man nach wie vor feststellen müssen, daß die einzelnen Auslandsmissionen höchst ungleich mit Stellen bedacht sind. Ich glaube, daß hier in den nächsten Jahren langsam eine Reform stattfinden muß. Sie hat zum Teil schon bei den Wirtschaftsabteilungen eingesetzt. Hier hat man schon die Posten von TOA III und den Regierungsratstellen aufwärts gegen Posten des mittleren Dienstes eingetauscht, um nicht Funktionen, die von untergeordneten Beamten ausgeübt werden können, durch Beamte des höheren Dienstes und entsprechende Angestellte ausüben zu lassen. Dieser Prozeß sollte beschleunigt werden, und er läßt sich auch beschleunigen.
Wir sollten uns auf der anderen Seite eines Grundfehlers im Aufbau erinnern; er ist nicht durch die gegenwärtigen Leiter des Amtes verschuldet. Er besteht einfach darin, daß der deutsche auswärtige Dienst generell ein meinem Empfinden nach viel zu starkes Gewicht auf den mittleren gehobenen Dienst legt, anstatt die Spitze entsprechend zu verstärken. Es kommt bei den Missionen in erster Linie auf die Fähigkeiten und Qualitäten des Missionschefs an. Das wird sich um so mehr erweisen, als in den künftigen Jahren in zunehmendem Maße die technischen Nebenaufgaben dieser Auslandsmissionen, die Betreuung von Rentnern, die Bewältigung der vielen Anträge


(Dr. Vogel)

wie Staatsangehörigkeitsanträge usw. langsam zurückgehen und zum Teil in nicht mehr nennenswertem Maße anfallen werden. Diese Arbeitsaufgaben, die durch Kräfte des mittleren gehobenen Dienstes zu bewältigen sind, bauen sich also langsam ab. Hier könnte man infolgedessen auch an Einsparungen denken und die Apparatur draußen verringern.
Es war auch vor 1933 nicht so, daß Konsulate an kleineren Plätzen in der Stärke mit Beamten besetzt waren, wie das heute der Fall ist. Man sollte auch in viel stärkerem Maße, als das zur Zeit geschieht, auf ortsansässige Kräfte zurückgreifen und damit das Gewicht des leidigen Problems der allzuhohen Reisekosten, Umzugskosten usw. etwas verringern. Wir erhielten im Ausschuß eine Liste über die Höhe einzelner solcher Umzugskosten vorgelegt. Die Versetzung eines Konsulatssekretärs von einer Hauptstadt in Südamerika nach Rangun kostete allein 30 000 DM. Das alles steht in keinem rechten Verhältnis mehr zu der Bewertung der Amtsleistung des Betreffenden an seinem Dienstort.
Ich hoffe, daß wir mit einem neuen Projekt, das wir im Haushaltsausschuß und auch im Auswärtigen Ausschuß öfter durchgesprochen haben, hier weiterkämen. Der Herr Bundesaußenminister hat sich in seinen letzten Äußerungen auch vor dem Ausschuß erfreulicherweise damit einverstanden erklärt, in erhöhtem Maße in tropischen und subtropischen Gegenden fertig eingerichtete Wohnungen für Bundesbedienstete bei den Auslandsmissionen zu schaffen, damit diese unsinnigen Umzüge, die den Ruin der Möbel und des Eigentums der Betreffenden mit sich bringen, verringert werden können. Große Staaten wie die USA und England sind ja darin mit sehr alter Erfahrung bereits längst vorangegangen. Erfreulicherweise ist der betreffende Titel im Haushalt des Auswärtigen Amts entsprechend verstärkt worden.
Frau Kollegin Hütter hat vorhin einige Ausführungen zu der Art und Weise gemacht, in der die bisherigen Mittel im Kulturfonds verwandt werden. Es ist sicher richtig, daß sehr vieles erst noch im Werden begriffen ist und daß sich hier manches ändern muß. Aber ich glaube, wir werden in Zukunft überhaupt der Kulturabteilung eine viel stärkere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, als es bis jetzt der Fall war. Das ist wohl ein gemeinsames Anliegen aller, die an diesen Dingen Interesse genommen haben.
Vor allen Dingen sollte eins erreicht werden: daß sich innerhalb des Amts selber Beamte und Angestellte der Kulturanliegen mit dem Ziel annehmen, sich dort für viele Jahre einzuarbeiten und sich in diese Arbeit derart hineinzuknien, daß sie zu Säulen einer vernünftigen Verteilung dieser Summen nach dem Ausland hin und ihrer sinnvollen Verwendung werden. Wir haben die erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, daß bereits ein Deutsches Kulturinstitut in Rom errichtet worden ist. Es ist uns angekündigt, daß eine Reihe weiterrer Institute in Paris, Brüssel, London, Ankara usw. neu hinzutreten soll. Wir finden dieses Vorhaben außerordentlich begrüßenswert. Es wird zwangsläufig zu einer erheblichen Ausweitung des Kulturfonds führen. Für meine Freunde möchte ich hier schon erklären: Wir sind jederzeit bereit, uns in den kommenden Jahren, sobald das Auswärtige Amt auch personell Schritt hält, für erhöhte Beiträge zu diesen Kulturfonds auszusprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215020600
Das Wort hat der Herr Außenminister.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0215020700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zu den einzelnen Ausführungen einige kurze Bemerkungen. Zunächst darf ich vielleicht auf den Antrag Umdruck 635 Ziffer 2 eingehen, den Herr Kollege Ritzel begründet hat. Ich bedauere es, daß ich diesen Antrag nicht vorher gesehen habe. Ich hätte sonst gern mit dem Herrn Kollegen Ritzel gesprochen. Ich wäre sehr dankbar, meine Damen d Herren, wenn Sie mir Gelegenheit gäben, über diesen Antrag im Auswärtigen Ausschuß zu sprechen. Ich glaube nicht, daß sich dieses Thema für das Plenum eignet. Ich habe inzwischen auch mit Herrn Kollegen Ritzel schon einige Worte gewechselt. Ich darf Ihnen sagen, ich bin auch überzeugt, daß wir im Auswärtigen Ausschuß zu einer guten und vernünftigen Verständigung und einer uns alle befriedigenden Lösung kommen. Ich darf hinzufügen, daß ich aus Gründen, die ich, wie gesagt, lieber im Ausschuß erörtere, es nicht für gut halten würde, wenn Sie dem Antrag Umdruck 635 entsprächen. Ich bitte sehr, das nicht zu tun.
Soweit Anträge gestellt worden sind, die über die Regierungsvorlage hinausgehen, bin ich in einer schwierigen Lage, da ich ja verpflichtet bin, die Regierungsvorlage zu verteidigen. Noch dazu ist es doppelt schwer, wenn ich zwischen Szylla und Charybdis stehe und nicht weiß, ob ich mir die Gunst des Auswärtigen Ausschusses, des Haushaltsausschusses oder des Außenhandelsausschusses erkaufen soll.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Sie bekommen sie geschenkt!)

— Vielen Dank, Herr Kollege Schmid!

(Abg. Schoettle: Der Haushaltsausschuß urteilt nicht nach Gunst!)

— Nein; aber ich lege doch Wert darauf, von Ihnen günstig beurteilt zu werden. Deswegen werden Sie auch verstehen, daß ich, soweit Anträge hier gestellt wurden, die die Regierungsvorlage überschreiten, aus Loyalität gegenüber dem Kabinettsbeschluß von einer eigenen Stellungnahme absehe.

(Zuruf von der SPD: Das war aber deutlich genug! — Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen von Frau Kollegin Hütter möchte ich nur sagen, daß ich das unterstreiche, was Herr Kollege Vogel dazu bereits gesagt hat. Ich bin mit Frau Kollegin Hütter und mit Herrn Kollegen Vogel der Überzeugung, daß auf dem Gebiete der Kulturpolitik im Ausland noch sehr vieles geschehen muß und daß sicher noch nicht alles geschehen ist, was möglich wäre. Aber Sie haben sicher Verständnis dafür, wenn ich sage, daß die Einrichtung dieser Dinge am schwierigsten ist. Es ist leichter, zunächst einmal — wie wir es tun mußten — mit der Errichtung diplomatischer und konsularischer Vertretungen vorzugehen, als Kulturinstitutionen zu gründen und Kulturarbeit draußen zu leisten; denn wir dürfen ja nicht in den Geruch kommen, Gewesenes zu wiederholen.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Aber wir sollten anfangen!)



(Bundesaußenminister Dr. von Brentano)

— Aber ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das begonnen werden muß. Ich darf Ihnen auch hier sagen, daß ich diesem Problem in meinem Amt meine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. Ich bin, wie gesagt, mit Ihnen der Meinung, daß hier etwas geschehen muß, und zwar nach einem guten und vorbedachten Plan.

(Zuruf von der SPD: Aber man soll den Anfängen wehren in dieser Abteilung!)

— Auch dazu bin ich gern bereit, Herr Kollege, wenn irgendein Anlaß dazu besteht und wenn Sie mich auf irgend etwas aufmerksam machen. Ich weiß nicht, was Sie im Auge haben. Aber ich bin durchaus bereit, jede Anregung entgegenzunehmen und gefährlichen Anfängen zu wehren, nicht allen Anfängen!
Aus diesen Gründen bitte ich auch, den zuletzt gestellten Antrag des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann nicht anzunehmen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Haushaltsvorlage, wie sie aus dem Haushaltsausschuß gekommen ist, in dieser veränderten Form der Initiative auch des Herrn Kollegen Ritzel zu verdanken ist. Es ist nicht so, daß dieser Posten im Etat des Auswärtigen Amtes etwa fremd wäre. Dieser Tit. 302 hieß schon im alten wie im jetzigen Haushalt: Gewährung von Stipendien und Beihilfen für das Studium von ausländischen Studenten in der Bundesrepublik Deutschland. Es liegt mir wirklich fern, hier etwa einen Zuständigkeitsstreit auszudiskutieren. Ich glaube, es geht nicht um die Frage der Zuständigkeit, es geht um die Frage der Zweckmäßigkeit; und dieser Zweckmäßigkeit würde ich jedes andere Argument unterordnen. Der Austausch von Studenten soll sich sachgemäß, sinngemäß und erfolgreich vollziehen. Ich darf aber darauf hinweisen — und ich glaube, daß ich damit recht habe —, daß gerade für diese Tätigkeit die Einschaltung unserer ausländischen Missionen nahezu unerläßlich ist, für die Auswahl, für den Austausch, für den Ausgleich von Stipendien, für den Wechsel auch von Deutschen, .die wir ins Ausland schicken können, für die Betreuung der Ausländer hier. Ich glaube, es wäre bedauerlich, wenn Sie diesen Ansatz strichen. Ich bin nicht berechtigt, hier Anträge zu stellen. Aber ich würde nicht widersprechen, wenn Sie den Ansatz im Sinne der Anregung von Frau Kollegin Hütter erhöhten. Wie gesagt, ich verteidige hier nicht aus Zuständigkeitsgründen irgendeine Position. Das würde mir sehr engstirnig und töricht erscheinen. Ich tue es wirklich aus der Überzeugung, daß wir in der Lage sind und im Amt vielleicht am besten in der Lage sind, diese Mittel zweckentsprechend so zu verwenden, wie es auch der Haushaltsausschuß gedacht und vorgeschlagen hat.
Ich darf mich dann noch dem Antrag auf Umdruck 658 zuwenden. Ich will selbstverständlich nicht zu der Frage der Dienstwohnung des Außenministers Stellung nehmen; ich glaube, das verstehen Sie.

(Abg. Dr. Keller: Ich hatte nicht Sie persönlich gemeint!)

— Ich habe es wohl verstanden, Herr Kollege. Ich will auch ganz sachlich darüber reden; die Initiative ist nicht von mir ausgegangen. Aber ich darf Ihnen wirklich sagen, wenn es hier auch schon ausgesprochen worden ist: die repräsentativen Verpflichtungen — die nicht immer Freude machen — müssen erfüllt werden, und es gehört dazu ein gewisser Rahmen. Ich glaube sogar, daß dieser Rah-
men dann billiger sein wird, als wenn ich, wie bisher, darauf angewiesen bin, alle solche Verpflichtungen im Namen der Bundesregierung in irgendwelchen Restaurants oder Hotels zu erfüllen, was mir auch dem Ansehen der Bundesregierung nicht zu entsprechen scheint. Aber, wie gesagt, das nur als Begründung dafür, daß ich glaube, nicht für mich, aber für den jeweiligen Inhaber dieses Amtes diese Notwendigkeit vertreten zu müssen.
In Umdruck 658 ist weiter der Antrag auf Streichung meines Gehalts gestellt. Ich möchte den Ausführungen des Herrn Kollegen Keller folgen und sagen, wir wollen diese Diskussion im Rahmen der außenpolitischen Debatte führen. Aber ich möchte doch, um hier nichts etwa unwidersprochen zu lassen, sehr eindeutig sagen: ich habe niemals, an keiner Stelle und niemandem gegenüber auf den Rechtsanspruch der deutschen Vertriebenen auf ihre Heimat verzichtet und ich habe niemals, an keiner Stelle und niemandem gegenüber das Recht auf Rückkehr in die Heimat in Zweifel gestellt oder geschmälert.

(Abg. Kunze [Bethel] : Sehr richtig!)

Ich weiß wohl, daß niemand von uns dagegen geschützt ist, auch mißverstanden zu werden, und ich habe volles Verständnis dafür, daß Menschen, die dieses unsagbar schwere Schicksal erlitten haben, ihre Heimat verloren zu haben, von ihrer Heimat ausgetrieben worden zu sein, sehr sensibel reagieren. Es mag auch sein, daß man vielleicht einmal etwas sagt, was in der Formulierung mißverständlich wirken kann. Ich habe über diese Dinge schon so oft gesprochen,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

hier und an anderer Stelle, daß niemand das Recht haben dürfte, mir solche Absichten oder Vorstellungen zu unterschieben oder zu unterstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich werde Gelegenheit nehmen, Herr Kollege Keller, in der außenpolitischen Debatte sehr klar auf das einzugehen, was ich gesagt habe. Ich wäre dankbar, wenn meine Worte im Zusammenhang zitiert würden, wenn nicht nur ein Satz herausgegriffen würde. Wenn ich Ihnen sage, was ich in dieser Pressekonferenz in London erklärt habe, wenn ich es Ihnen so vorlese, wie ich es gesagt habe, werden auch Sie, glaube ich, nicht anstehen, diesen Vorwurf mir gegenüber zurückzunehmen oder vielleicht auf eine mißverständliche Formulierung eines Teiles meiner Erklärungen zu beschränken.
Zu den letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel möchte ich nur noch folgendes sagen. Ich bin mir vollkommen darüber im klaren, daß der Aufbau des auswärtigen Dienstes noch nicht abgeschlossen ist, daß vieles in den letzten Jahren noch nicht so aufgebaut worden ist, daß es nicht der Änderung bedürfte oder eine Änderung nicht in Betracht gezogen werden könnte. Ich bin jederzeit bereit, das auch im Auswärtigen Ausschuß zu besprechen, und bin auch für jede Unterstützung dankbar. Es kommt uns allen, glaube ich, darauf an, den auswärtigen Dienst so gut wie möglich aufzuziehen, ihn so wirksam wie möglich zu gestalten, ohne damit etwa in irgendeiner Weise vermeidbare Kosten zu verursachen.
Ich bin mir auch klar darüber, daß noch Umbesetzungen einzelner Missionen stattfinden müssen,


(Bundesaußenminister Dr. von Brentano)

daß vielleicht einzelne Missionen überbesetzt sein mögen. Ich darf aber auch nicht verschweigen, daß ich den Eindruck habe, daß einzelne Missionen tatsächlich noch unterbesetzt sind.

(Abg. Dr. Vogel: Das ist genauso richtig!)

— Sie stimmen mir zu. Man kann sehr schwer Botschaften als solche vergleichen. Eine Botschaft in den Vereinigten Staaten, die schließlich den Amtsbereich eines Erdteils hat, ist natürlich anders zu werten als eine Botschaft in einem kleineren und überschaubaren Bereich. Aber ich bin da jederzeit bereit, einmal mit dem Auswärtigen Ausschuß die Meinungen auszutauschen. Es wird immer gelingen, hier ein Verständigung herbeizuführen, und auch mit dem Haushaltsausschuß, dem entsprechenden Herrn und Meister des Kabinetts, glaube ich mich über diese Dinge jederzeit gut verständigen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215020800
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann!

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0215020900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, Frau Kollegin Hütter und selbst der Herr Außenminister haben ziemlich eindeutig, glaube ich, darauf hingewiesen, daß die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts in mancher Hinsicht ein Sorgenkind ist. Ich glaube, daß dieser Hinweis ganz richtig war. Wenn Sie, Herr Minister, dieser Abteilung in Zukunft etwas mehr Augenmerk zuwenden wollen, wie Sie gesagt haben, so sollten Sie in erster Linie dafür Sorge tragen, daß man sich im Auswärtigen Amt klar darüber wird, nach welchen Prinzipien Kulturpolitik seitens der Bundesrepublik gemacht wird.
Wenn ich in einzelnen Dokumenten Ihres Amtes beispielsweise als Begründung lese, daß irgendwo Stellen für deutsche Dozenten an ausländischen Hochschulen geschaffen werden müssen, weil sonst unser Export eine große Schädigung erleide, oder wenn ich z. B. lese, daß die Förderung des deutschen Sports im Ausland hauptsächlich bei Veranstaltungen erfolgen soll, die geeignet sind, im Ausland einen starken Eindruck auf die öffentliche Meinung zu machen, so bin ich doch sehr stark an die Prinzipien von vorgestern erinnert, die Sie hier eben selbst angeführt hatten, Herr Minister. Ich weiß nicht, ob die uns berichtete Ignorierung einer Sportmannschaft in Moskau durch die Beamten des Auswärtigen Amts, weil hier keine Lorbeeren zu erringen waren, etwa in Übereinstimmung gebracht wird mit dem Kurs unserer außenpolitischen Beziehungen zur Sowjetunion überhaupt.

(Bundesaußenminister Dr. von Brentano: Sicherlich nicht!)

Aber wie gesagt, diese Frage, auf welche Art und Weise bei uns Kulturpolitik durch das Auswärtige Amt betrieben werden muß, bedarf dringend einer Klärung. Es ist auch nicht damit getan — Herr Kollege Vogel, Sie haben es zwar gerühmt —, daß zunächst eine der Hauptaufgaben dieser Abteilung darin zu bestehen scheint, jetzt den ganzen Erdball mit einem Netz von Kulturinstituten zu überziehen. Ich glaube, hier muß man sich doch in jedem Land fragen, was nützlich ist. Wenn ich etwa die Aufwendungen für die Kulturinstitute zu dem lächerlichen Betrag in Beziehung setze, den wir als Zuschüsse für deutsche Krankenhäuser im Ausland geben, so stelle ich eine Relation fest, die nicht ganz stimmt.
Darüber hinaus, Herr Minister, eines: Solche Kulturinstitute macht man zweckmäßig dann, wenn man die Leute hat, die in der Lage sind, ein solches Institut in dem betreffenden Land zu leiten, damit man nicht, wenn man es gebaut hat, hinterher mit der Laterne nach den Männern suchen muß, die so etwas leiten können, und wenn man zweitens auch die Gewähr dafür hat, daß sich die diplomatischen Missionen in den betreffenden Ländern auch um die Pflege der kulturellen Beziehungen kümmern. Ich will nicht abstreiten, daß eine große Zahl unserer Botschafter und Gesandten diese Aufgabe im Rahmen des Möglichen zu lösen versucht. Aber ich muß doch feststellen, daß wir an sehr vielen Orten nichts als Klagen hören.
Ein Land, in dem immer wieder zu Beanstandungen Anlaß ist, ist Italien, wo wir nun schon wiederholt Gelegenheit gehabt haben, hier daran zu mahnen, daß die Mitglieder unserer diplomatischen Vertretung auch dazu da sind, Vertretern der deutschen Kultur den entsprechenden gesellschaftlichen Rahmen zu geben und überhaupt bei derartigen Veranstaltungen zugegen zu sein, wie das ja bei allen anderen Ländern üblich ist. Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie die italienischen Presseberichte gelesen haben, in denen in diesem Jahr zu lesen stand, es sei eigentlich sehr bedauerlich, daß man in Italien vom deutschen Kulturleben nach 1945 so gut wie keine Kenntnis habe. Hier scheint mir doch ein echter Mangel vorzuliegen. Es berührt mich auch sehr seltsam, Herr Minister, wenn ich beispielsweise erfahren muß, daß gerade in Italien das Auftreten eines deutschen Musikers von internationalem Rang von der Kulturabteilung mit der Begründung verhindert worden ist, dieser Musiker trage einen ungarischen Namen und sei deswegen nicht geeignet, die deutsche Kultur in Rom zu repräsentieren.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Hört! Hört!)

Darüber hinaus muß man auch dafür sorgen, Herr Minister, daß die geeigneten Beamten in dieser Kulturabteilung tätig sind, wo ja schon ein Leiter ist, der sich dort so ein bißchen fühlt wie früher ein nach Spanien versetzter römischer Centurio. Spanien galt ja damals als finsterste Provinz, wenn ich auch zugeben muß: nicht ganz so finster wie Bonn in kultureller Beziehung. Dieser Geist ist doch in der ganzen Kulturabteilung spürbar. Ich will nur ein Beispiel nennen. In dem Brief eines leitenden Beamten dieser Abteilung — jetzt ist er Botschaftsrat in einem anderen Lande — an eine Institution, die vom Auswärtigen Amt gefördert wird und wo das Auswärtige Amt bei der Programmgestaltung für eine festliche Veranstaltung etwas zu sagen hat, stand etwa folgender klassischer Satz, gerichtet an den Leiter dieses Instituts: „Wir bitten Sie, in dem Musikprogramm Mozart zu streichen, weil wir uns ausschließlich auf deutsche Komponisten beschränken wollen."

(Heiterkeit.)

Also Fleiß und Diensteifer scheinen mir nicht die
einzigen Qualifikationen zu sein, um in der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts tätig zu sein.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Da ist was fällig, Herr Minister!)



(Kahn-Ackermann)

Aber es kommt noch ein zweiter Punkt; auch das lassen Sie mich sagen. Wir haben ungefähr 40 Kulturattachés an unseren Vertretungen. Die meisten dieser Kulturattachés sind nicht eigentlich Angehörige des diplomatischen Dienstes, sondern nur Angestellte. Sie rangieren im Protokoll am Schwanz, werden bei den offiziellen Veranstaltungen in den anderen Ländern häufig auch gar nicht eingeladen und sind überhaupt wie diese ganze Kulturabteilung immer noch das fünfte Rad am Wagen des Auswärtigen Amts. Ich möchte Sie daran erinnern, daß man in anderen Staaten die Gepflogenheit hat, hervorragende Vertreter des Geisteslebens mit vollen diplomatischen Würden für diese Missionen zu verwenden. In der Bundesrepublik ist der frühere Botschafter in Paris Hausenstein nahezu eine Ausnahme der Verwendung eines solchen Mannes aus diesem Bereich gewesen. Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß gehabt, über die Tätigkeit dieses Manne- zu klagen. Also auch hier sollte eine Änderung herbeigeführt werden.
Aber kommen wir in diesem Zusammenhang zu einem sehr wesentlichen Punkt! Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit eine Reihe von Kulturabkommen mit anderen Ländern geschlossen; eine Reihe sind auch noch in Vorbereitung. Keines dieser Kulturabkommen hat diesem Hause oder dem Bundesrat zur Ratifizierung vorgelegen. Ganz abgesehen davon, daß der Inhalt dieser Kulturabkommen zum großen Teil aus Dingen besteht, die ausschließlich in der Zuständigkeit der Länder liegen, muß ich hier sagen, daß die Verfassungsmäßigkeit dieser Kulturabkommen erst einmal geprüft werden muß. Ich glaube, sie sind verfassungswidrig, und wir stehen ihnen mit allem Vorbehalt gegenüber. Eigentlich sollte man sich ja auch vorher mit den Ländern, die diese Kulturabkommen praktisch effektuieren müssen, darüber unterhalten, ob der Abschluß eines Kulturabkommens mit dem betreffenden Lande sinnvoll ist, ob die Länder überhaupt in der Lage sind, all die Bestimmungen über den Austausch praktisch durchzuführen; denn sie müssen es ja tun. Kulturabkommen sollen nicht die Grundlage zu gegenseitigen Ordensverleihungen für bestimmte Mitglieder der Bundesregierung oder Mitglieder des diplomatischen Dienstes sein, und sie sollen auch nicht sein wie die Petersilie auf der Kalten Platte, die man hinterher abräumt und in den Kübel schmeißt, wenn ich beispielsweise daran denke, daß man zwei Kulturabkommen sozusagen über Nacht im Auswärtigen Amt entworfen hat, nämlich das mit Griechenland und der Türkei, um bei der Reise des Herrn Bundeskanzlers so ein bißchen etwas anzubieten zu haben, während hinterher von- diesen Kulturabkommen kein Mensch mehr geredet hat. Die Länder sind überhaupt nicht gefragt worden, und niemand kümmert sich um die Ausführung dieser Dinge. Ich glaube, daß ist keine gute Sache, und hier müßte eine grundsätzliche Änderung erfolgen. Wenn wir schon Kulturabkommen mit anderen Staaten treffen, dann sollte hier im Hause und auch im Bundesrat über die Möglichkeiten gesprochen werden, aus diesem Kulturabkommen wirklich ein Abkommen zu machen, das funktioniert und nicht bloß einer der vielen Verträge ist, die auf dem Papier stehen und nicht ausgeführt werden.
Herr Minister, lassen Sie mich zum Abschluß noch eines sagen. Wie unzulänglich in dieser Kulturabteilung — ich glaube, hier waren auch noch andere Abteilungen Ihres Amtes maßgebend beteiligt — Kulturpolitik gemacht wird, hat uns ja
der letzte Vorfall mit dem Film „Nacht und Nebel" auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt. Die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes hat uns, den Mitgliedern des 10. Ausschusses dieses Hauses, kürzlich noch einmal eine zusammenfassende Begründung vorgelegt, in der gestanden hat, daß man der Meinung gewesen wäre, die Kinobesucher und das Publikum im Ausland seien nicht fähig, zwischen den Dingen zu unterscheiden, die dort gezeigt werden, und was jetzt in der Bundesrepublik ist. Man würde diese Dinge durcheinanderbringen. Das Publikum dort sei nicht politisch reif genug, stand wortwörtlich drin. Ich muß schon sagen, ich halte es für eine Anmaßung, in einer solchen offiziellen Erklärung von dem Publikum anderer Staaten zu sagen, es sei nicht politisch reif genug, um in einem solchen Film an Dinge erinnert zu werden, die Millionen von Menschen am eigenen Leibe jahrelang erlebt haben. Immerhin sind 9 Millionen Menschen in diesen Konzentrationslagern ums Leben gekommen. Und wieviele sind aus ihnen herausgekommen? Man soll uns doch nicht sagen, daß die Menschen in anderen Ländern das vergessen können, und man soll doch nicht glauben, daß man durch einen solchen demonstrativen Schritt die Erinnerung an diese Vergangenheit auslöschen kann. Im Gegenteil. Dieser Film, in dem die Worte „Deutschland" und „die Deutschen" kein einziges Mal vorkommen, in dem nur die Nazis apostrophiert sind und die Schergen, die dort gewirkt haben, könnte überall gezeigt werden, und niemand brauchte sich hier in diesem Hause davon betroffen zu fühlen. Aber offensichtlich haben sich Leute betroffen gefühlt, denn sonst wäre es wohl nicht zu diesem Protest gekommen.
Das alles, Herr Minister, veranlaßt uns zu sagen, daß gerade in diesem wichtigen Amt, in dieser Kulturabteilung, die bisher, wie ich schon ausgeführt habe, das fünfte Rad am Wagen Ihres Hauses war, Erhebliches für die Zukunft geändert werden muß. Denn ich glaube doch. daß gerade die Kulturpolitik für die Bundesrepublik eines der entscheidenden Felder ist, auf denen wir im Ausland Ansehen erringen können. Gerade auch bei den Aufgaben der Förderung von wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern spielt sie eine bedeutsame Rolle. Für diese Aufgaben ist diese Abteilung in gar keiner Weise, weder personell noch in anderer Hinsicht gewappnet.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215021000
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0215021100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß mir die Einzelheiten, die Herr Kollege Kahn-Ackermann hier vorgetragen hat, nicht früher mitgeteilt worden sind; ich hätte dann sehr gerne hierzu Stellung genommen. Wenn es nach einem italienischen Pressebericht heißt, daß die deutsche Nachkriegskultur noch nicht nach Italien gekommen sei, werden Sie mir nicht übelnehmen, wenn ich sage, daß es für mich nicht möglich ist, dazu Stellung zu nehmen. Ich kann auch nicht dazu Stellung nehmen, wenn gesagt wird, man habe einen deutschen Künstler von Rang und Namen dort nicht auftreten lassen, weil er einen ungarischen Namen habe. Daß ich eine solche Dummheit nicht decken würde, brauche ich Ihnen kaum zu sagen, genauso wie ich jede Verantwortung dafür ablehnen würde, daß irgend je-


(Bundesaußenminister Dr. von Brentano)

mand der Meinung wäre, die Musik von Mozart sei nicht deutsch genug, um sie zu spielen.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Das scheint doch einen Wechsel in den Personen notwendig zu machen!)

— Sie dürfen überzeugt sein, Herr Kollege Schmid: ich gehe diesen Dingen nach und werde dann vielleicht auch die Unterstützung des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann haben, daß ich den Pressebericht einmal sehen und dazu Stellung nehmen kann und auch weiß, wer den ungarischen Namen beanstandet hat.
Was die Kulturattachés angeht, kann die generelle Feststellung meines Vorredners nicht zutreffend sein. Es ist nicht so, daß wir verschiedene Arten des Dienstes im Auswärtigen Amt haben. Wir haben einen einheitlichen Dienst, und ich werde alles tun, um das auch praktisch durchzusetzen. Es gibt keine Bevorzugten und keine Benachteiligten. Wir haben Kulturattachés und Kulturreferenten im Angestelltenrang, wie wir Wirtschafts- und andere Referenten auch im Angestelltenverhältnis haben. Wir haben solche im Beamtenverhältnis als Gesandschaftsräte oder als Botschaftsräte. Und ich wiederhole: ich werde sehr sorgfältig darüber wachen, daß hier nicht einzelne Sparten dieses auswärtigen Dienstes zugunsten anderer bevorzugt oder zurückgesetzt werden. Ich hatte vor kurzem einmal die Kulturreferenten zu einer mehrtägigen Tagung einberufen, und ich bin glücklich darüber, daß ich auch Gelegenheit hatte, einem Teil dieser Tagung beizuwohnen und mich mit einer ganzen Reihe der Kulturreferenten meines Hauses zu unterhalten. Ich darf hier feststellen, daß ich über das Niveau der Kulturreferenten wirklich außerordentlich befriedigt war und daß die dort geführte Diskussion — jeder der Beteiligten wird es Ihnen bestätigen — wirklich gezeigt hat, daß diese Stellen im allgemeinen mit qualifizierten Leuten, die sich große Mühe geben, ihrer besonderen Aufgabe gerecht zu werden, besetzt sind und daß keine Abständigen dabei sind, die etwa belehrt werden müßten, daß wir heute in einer anderen Zeit lebten. Das soll nicht bedeuten, daß nicht auch Mängel vorhanden sind, aber ich glaube, wir würden diesen Herren Unrecht tun, wenn wir nicht feststellen — und ich sage das, bis mir im Einzelfall der Beweis des Gegenteils erbracht wird —, daß die Leistungen nicht nur erfreulich, sondern auch sehr erfolgreich waren. In allen Ländern, die ich besucht habe, ist mir das auch von maßgeblichen deutschen und ausländischen Gesprächspartnern ohne jede Einschränkung bestätigt worden.
Nun zu den Kulturabkommen. Ich will zu der Frage, ob sie ratifizierungsbedürftig wären, nicht Stellung nehmen. Ich kann das nicht; ich habe diese Frage noch nie geprüft, weil sie noch nicht gestellt worden ist. Ich darf nur sagen, daß wir uns immer bemühen, uns mit den Ländern abzustimmen. Ich habe darüber selbst mit dem Vorsitzenden und dem Geschäftsführer der Ständigen Konferenz der Kultusminister Gespräche geführt. Es mag in dem einen oder anderen Fall vielleicht früher einmal nicht geschehen sein, aber ich bin mir völlig darüber klar, daß bei der Struktur unserer Bundesrepublik und bei unserer verfassungsmäßigen Ordnung die Durchführung dieser Kulturabkommen weitgehend in der Hand der Länder liegt, die die ausschließliche Kulturhoheit besitzen

(Abg. Dr. Gülich: Leider!)

— ich will mich dazu weiter nicht äußern, Herr Kollege —, und daß deswegen die Einbeziehung der Länder schon im Beratungsstadium notwendig und zweckmäßig ist. Daß die Dinge doch nicht ganz so laufen, liegt natürlich an dem etwas umständlichen Apparat. Diese Konferenz der Kultusminister — das sage ich ohne Vorwurf — ist ja kein Verhandlungspartner, die Personen wechseln auch häufig, und da ist es natürlich nicht so ganz leicht, zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Auf jeden Fall möchte ich gerade im Anschluß an das, was der Herr Kollege Kahn-Ackermann sagte, unterstreichen, was ich vorhin ausgeführt habe. Ich wäre jederzeit in der Lage — ich bin bereit, wenn der Auswärtige Ausschuß das etwa wünscht —, einen sehr umfassenden Bericht über die bisherige Arbeit der Kulturabteilung zu geben. Ich glaube, daß die Herren meiner Kulturabteilung mit ihren Leistungen bestehen können. Es ist — ich habe es vorhin schon gesagt — ganz besonders schwer auf diesem Gebiete. Es ist auch sehr schwierig — ich gebe es ganz offen zu —, geeignete Leute zu finden. Wenn hier gesagt worden ist: Ihr dürft erst ein Institut errichten, wenn ihr einen geeigneten Mann habt!, dann kann ich sagen: ich weiß nicht, wenn ich einen geeigneten Mann habe und dann erst ein Institut errichte, ob er so lange wartet. Wir müssen einmal anfangen und müssen dann nach geeigneten Leuten für diese so ungeheuer schwierige, verantwortungsvolle und subtile Tätigkeit suchen, die nicht nur einen Sinn für die besondere Aufgabe, sondern auch ein Wissen und eine Kenntnis voraussetzt, die nicht jeder mitbringt, und dazu noch ein Einfühlungsvermögen in die speziellen Verhältnisse des Gastlandes, das größer sein muß als etwa das, was man gemeinhin mit Takt zu umschreiben pflegt.
Ich darf Ihnen wiederholt versichern, meine O Damen und Herren, daß ich für jede unterstützende Mitarbeit, auch kritische Mitarbeit auf diesem Gebiete nur dankbar bin. Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, die Kulturabteilung auszugestalten und die Arbeit der Kulturabteilung wirksam zu machen; denn ich glaube, zu den Dingen, die wir als Deutsche noch mit gutem Gewissen nach draußen bringen können, gehört die deutsche Kultur.

(Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215021200
Weitere Wortmeldungen? — Frau Abgeordnete Hütter!

Margarete Hütter (FDP):
Rede ID: ID0215021300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! „Um nichts unwidersprochen zu lassen", sagten Sie, Herr Minister, in Ihrer Rede vorhin, und Sie berichtigen etwas, was falsch verstanden worden war. Um nichts unwidersprochen zu lassen, möchte ich Ihnen, Herr Dr. Vogel, sagen, daß ich den Antrag auf Erhöhung der Kap. 05 02/03 gestellt hatte, nachdem ich mich von meinen Kollegen im Haushaltsausschuß unterrichten ließ, daß es widersprechende Angaben der Referenten der Kulturabteilung zu dieser Frage gegeben habe und daß wohl noch der Wunsch bestanden habe — zumindest bei einem der Referenten —, eine Erhöhung der vorgesehenen Gelder vorzunehmen.

(Zurufe von der Mitte: Wer ist das?)

— Nun, ich möchte den Namen hier nicht nennen. Ich bin bereit, ihn dem zuständigen — —

(Erneute Zurufe: Um welchen Referenten handelt es sich? — Abg. Dr. Vogel: Auch Referenten sind an Regierungsvorlagen gebunden!)



(Frau Hütter)

- Ich bin bereit, den Namen dem Herrn Minister zu nennen.
Nun zu einer Kritik, die der Herr Kollege Kahn-Ackermann ausgesprochen hat und die Sie, Herr Minister, zurückgewiesen haben. Es handelt sich um die Stellung der Kulturreferenten im Ausland. Ich muß leider die Kritik des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann bestätigen, und zwar in allen Fällen, in denen der Kulturreferent und der Pressereferent identisch sind. In diesen Fällen besteht nach einer mir vorliegenden Information eine Anordnung oder eine Gepflogenheit, daß diese Referenten nicht verbeamtet sein dürfen oder nicht verbeamtet sein können.
Zum zweiten ist es ja sicherlich ein offenes Geheimnis, daß im Auswärtigen Amt ein Unterschied zwischen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes gemacht wird. Aus dieser Lage ergibt sich, wie Herr Kollege Kahn-Ackermann ganz richtig gesagt hat, tatsächlich gelegentlich eine diskriminierende Behandlung der Kultur- und Pressereferenten im Ausland. Daß das natürlich in der Wirkung auf das Ausland schädlich ist, schädlicher, als man sich zu Hause gemeiniglich vorstellt, das, glaube ich, werden die allermeisten Kollegen zugeben.
Ich möchte nicht noch einmal in eine große Sachdebatte einsteigen. Ich habe mich auf das Mindeste beschränkt. Ich hätte es auch sehr viel lieber persönlich getan, Herr Minister; ich bin aber bei einem Versuch, bei Ihnen vorzudringen, auf eine verschlossene Tür gestoßen, habe also nunmehr die Verpflichtung, es hier auszusprechen. Ich möchte daher meinen Wunsch wiederholen, daß mein Antrag, den ich vorhin begründet habe, morgen angenommen wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0215021400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung zu dem Einzelplan 05 in der zweiten Lesung beendet. Wir sind übereingekommen, die Abstimmung morgen vormittag vorzunehmen. Ich nehme an, daß wir dann morgen vormittag mit dieser Abstimmung beginnen.
Damit schließe ich die heutige, die 150. Sitzung des Deutschen Bundestages und berufe die nächste ein für morgen vormittag 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.