Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat unter dem 28. Februar 1956 mitgeteilt, daß die folgenden Abgeordneten ihren Austritt aus der Fraktion der FDP erklärt haben: Euler, Hepp, Dr. Wellhausen, Dr. Henn, Dr. Berg, Dr. Schäfer, Hübner, Dr. Preiß, Dr. Blücher, Körner, von Manteuffel , Dr. Blank (Oberhausen), Lahr, Dr. Schneider (Lollar), Dr. Preusker, Neumayer.
Mit Schreiben vom 5. März 1956 hat mir der Abgeordnete Dr. Schneider mitgeteilt, daß sich diese 16 aus der Fraktion der FDP ausgetretenen Abgeordneten zu einer neuen Fraktion zusammengeschlossen hätten, die die Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten (AFD)" führe
und der 15 Mitglieder und ein Gast angehörten.
Schließlich darf ich dem Hause noch mitteilen, daß der Abgeordnete Graf von S p r e t i sein Mandat als Bundestagsabgeordneter am 5. März 1956 niedergelegt hat. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Dr. Winter in den Bundestag eingetreten. Ist Herr Dr. Winter da? — Ich darf Herrn Dr. Winter in unserer Mitte begrüßen und ihm eine gute Arbeit in diesem Hause wünschen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. Februar 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 1954
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Brüsseler Protokoll vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
Gesetz zu der Erklärung vom 10. März 1955 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Gesetz über das Vierte Berlchtigungs- und Änderungsprotokoll vom 7. März 1955 zu den Anlagen des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens und zum Wortlaut der diesem Abkommen beigefügten Zolizugeständnislisten
Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Gesetz -über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955
Zum Nachtragshaushaltsgesetz hat der Bundesrat Ausführungen gemacht, die in Drucksache 2129 vervielfältigt werden.
Der Bundesrat hat weiterhin in seiner Sitzung am 24. Februar 1956 zum Gesetz zur Förderung der deutschen Elerwirtschaft und zum Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Die Gründe hierzu sind in den Drucksachen 2130 und 2131 niedergelegt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. Februar 1956 die Kleine Anfrage 227 der Abgeordneten Wacher . Höcherl, Brese, Lermer und Genossen betreffend Abzüge für Überfeuchtigkeit nach der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Getreidepreisgesetzes 1955/56 (2068) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2144 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 2. März 1956 die Kleine Anfrage 228 der Abgeordneten Krammig, Schlick, Neuburger. Dr. Dresbach und Genossen betreffend Verbrechen Jugendlicher beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2148 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 28. Februar 1956 die Kleine Anfrage 232 der Abgeordneten Lenz , Kurlbaum und Genossen betreffend Kanalkreuzung Bundesstraße 77 (Europastraße 3 — Nord-Ostsee-Kanal bel Rendsburg) (2099) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2141 vervielfältigt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 2. März 1956 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 die Verordnung Z. Nr. 1/56 zur Änderung der Verordnung Z. Nr. 1/55 über die Preise für Zucker zur Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 23. Februar 1956 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes zurückgezogen.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe auf den Punkt 1:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ;
Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 2150, Umdrucke 525, 529).
Das Wort zur Berichterstattung hat die Abgeordnete Frau Dr. Schwarzhaupt.
Frau Dr. Schwarzhaupt , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes sollen drei Initiativanträge erledigt werden, die das Hohe Haus vor etwa zwei Jahren schon einmal beschäftigt haben. Damals wurden einige Einzelbestimmungen vorweggenommen; der größere Teil der Bestimmungen über die Wehrverfassung ist jedoch unerledigt geblieben. Über die neuerlichen Verhandlungen der beiden beteiligten Ausschüsse, des Verteidigungsausschusses und des Rechtsausschusses, ist ein Schriftlicher Bericht*) vorgelegt worden, der nur durch einige Worte über die Grundlinien zu ergänzen ist, die die beiden Ausschüsse bei ihren zu einem großen Teil einstimmig gefaßten Beschlüssen verfolgt haben.
Die Aufgabe der Ausschüsse war, Bestimmungen über die Streitkräfte in das Grundgesetz einzubauen. In der Zeit, als das Grundgesetz erlassen wurde, bestand kein Anlaß, Zuständigkeiten in bezug auf die Armee zu regeln. Das heißt nicht, daß das Grundgesetz in seinem unabänderlichen Wesenskern die Aufstellung von Soldaten ausschließe. Es bestand Einigkeit darüber, daß Änderungen von dreifacher Art in das Grundgesetz einzufügen sind. Erstens betreffen diese Änderungen die Grundrechte, zweitens betreffen sie die Regelung von Befugnissen für Entscheidungen, die die Bundeswehr angehen, und drittens betreffen sie die Neuschaffung von bestimmten staatlichen Einrichtungen, Einrichtungen der Rechtsprechung und der parlamentarischen Kontrolle.
Bei den Grundrechten waren beide Ausschüsse von dem Wunsch geleitet, die Grundrechte so weit wie möglich zu erhalten. Man ging in der Erhaltung dieses verfassungsmäßigen Schutzes weiter als die Weimarer Verfassung. Diese hatte den einfachen Gesetzgeber durch eine Generalklausel ermächtigt, einzelne Grundrechte für die Angehörigen der Wehrmacht einzuschränken, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Erhaltung der Disziplin nötig sei.
In dem Bestreben, die Grundrechte nur möglichst zurückhaltend einzuschränken, gingen die Ausschüsse den umgekehrten Weg. Sie gingen von
*) Siehe Anlage 2. dem Grundsatz aus, daß der Soldat, und zwar der I Wehrpflichtige ebenso wie der Berufssoldat, Staatsbürger wie ein anderer sein soll. Er soll aus den vielfältigen Gemeinschaftsbindungen, in denen der Bürger in einem demokratischen Staatswesen steht, nicht stärker herausgelöst werden, als es der Dienst des Soldaten erfordert.
Diejenigen Grundrechte, auf deren Einschränkung der einfache Gesetzgeber unter Umständen nicht verzichten kann, werden in der Vorlage einzeln aufgezählt. Es handelt sich für den Soldaten um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, um das Recht, Sammelbeschwerden und Sammelpetitionen einzubringen, und für die Zivilbevölkerung um das Recht der Freizügigkeit und auf Unverletzlichkeit der Wohnung; dabei wurde vor allem an die Notwendigkeit von Evakuierungen und an die Inanspruchnahme von Wohnungen bei Manövern gedacht.
Umstritten war im Rechtsausschuß, ob es möglich sei, dem Soldaten die Grundrechte der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit zu erhalten. Das Soldatengesetz sieht keine Einschränkung dieser beiden Grundrechte vor. Die Mehrheit des Rechtsausschusses hielt es aber für nötig, dem Gesetzgeber eine Handhabe dafür zu geben, daß in Krisenzeiten die Beteiligung von Soldaten an Versammlungen ausgeschlossen werden kann. In bezug auf die Vereinigungsfreiheit bestand — im Gedanken an Krisenzeiten — der gleiche Wunsch, dem Soldaten die Beteiligung an bestimmten Vereinigungen, die eine Störung der Disziplin zum Zweck haben könnten, zu verbieten. Die Mehrheit des Ausschusses hielt aber zur Z e i t eine derartige Bestimmung nicht für erforderlich. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Beteiligung von Berufssoldaten an solchen Vereinigungen, deren Zweck die Vertretung der Soldaten in bezug auf ihre Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen ist, den gleichen Beschränkungen unterliegt wie die Beteiligung der Beamten. Es gibt für sie also kein Streikrecht, und die Betätigung der Soldaten in diesen Verbänden ist an die Treueverpflichtung gegenüber dem Staat gebunden. Die Betätigung von Vereinigungen anderer Art ist durch Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes insofern beschränkt, als ihre Ziele den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen dürfen und als sie sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten dürfen. So ging der Ausschuß von der Erwartung aus, daß diese Beschränkungen genügen würden, um Zersetzungsversuche zu verhindern. Es wurde aber ausdrücklich erklärt, und zwar von Mitgliedern von allen Seiten des Hauses, daß sie sich der Notwendigkeit einer weiteren Verfassungsergänzung nicht verschließen würden, wenn sich diese Erwartung als unrichtig erweisen sollte.
In bezug auf die Beteiligung der Frauen will der Vorschlag eine Rechtslage noch einmal ausdrücklich bekräftigen, die sich bereits aus den Artikeln 12 Abs. 2 und 73 ergibt. Der neu eingefügte Abs. 3 im Art. 12 läßt keine gesetzliche Regelung zu, nach der Frauen zu einem Dienst innerhalb militärischer Verbände gegen ihren Willen herangezogen werden könnten. Darüber hinaus spricht der zweite Satz aus, daß Frauen weder auf Grund freiwilliger Meldung noch auf Grund gesetzlichen Zwanges zu einem Dienst mit der Waffe herangezogen werden dürfen. Es kam dem Rechtsausschuß darauf an, daß mit programmatischem Nachdruck im Grundgesetz ausgesprochen wird, daß unsere Auffassung von der Natur und der Bestimmung der Frau einen Dienst mit der Waffe verbietet.
Das steht in keinem Widerspruch zu der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Art. 3 Abs. 2 ausspricht, wie wir sie in der Bundesrepublik verstehen. Wir glaubten, diese Grundauffassung ausdrücklich festlegen zu müssen, gerade im Gedanken an die militärischen Dienste, in die Frauen unseres Volkes in der Vergangenheit und jetzt noch jenseits der Zonengrenze hineingezwungen wurden.
Bei der Regelung der Zuständigkeiten für wichtige Entscheidungen in bezug auf die Streitkräfte ging man von folgenden Gedanken aus.
Für die Erklärung des Verteidigungszustandes ging man von dem Gedanken aus, daß die schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden — soweit im Krisenfall überhaupt noch politische Entscheidungen gefällt werden können — von der obersten Vertretung des ganzen Volkes, um dessen Schicksal es geht, also von dem Parlament, getroffen werden soll. In dem Fall, daß Gefahr im Verzug ist und daß das Parlament nicht mehr rechtzeitig versammelt werden kann, geht diese Entscheidung auf den Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Kanzlers über, wobei nach Möglichkeit die Vertreter der obersten Organe beteiligt werden sollen.
Die Befehlsgewalt über die Armee hat man in die Hand des Verteidigungsministers gelegt. Man hat damit klargestellt, daß die oberste Befehlsgewalt der parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist und daß es eine Aufteilung von Befugnissen über die Armee, was in der Weimarer Zeit Ursache fil politische Fehlentwicklungen war, nicht
mehr geben soll.
Am meisten umstritten war die dritte Gruppe von neu eingeführten Einrichtungen, Organen der Rechtsprechung und der parlamentarischen Kontrolle: die Wehrstrafgerichte, der Wehrbeauftragte und die Übertragung von besonderen Befugnissen auf den Verteidigungsausschuß. Die hier vorgelegten Regelungen beruhen auf einem gegenseitigen Entgegenkommen. Beide Seiten des Hauses, soweit sie daran beteiligt sind, konnten nicht alle ihre Wünsche durchsetzen und mußten erhebliche Bedenken zurückstellen. Auf der einen Seite bestanden juristische, rechtspolitische und psychologische Bedenken dagegen, daß neben den bisherigen Kontrollbefugnissen des Parlaments zwei neue Sonderregelungen zur Durchführung der parlamentarischen Kontrolle über die Wehrmacht eingeführt wurden. Diese Bedenken konnten nur zurückgestellt werden in der Hoffnung, daß eine kluge und besonnene Praxis sie Lügen strafen wird. Auf der andern Seite des Hauses war man überzeugt, daß weit einschneidendere Maßnahmen nötig seien, um die Grundrechte zu schützen und um das Gleichgewicht des verfassungsmäßigen Gefüges zu erhalten, das durch die Einfügung eines so wesentlichen Machtfaktors wie einer Armee in unsere Staatsverfassung verändert wird. Beide Seiten gaben nach. Wichtiger erschien, daß eine Armee nicht auf einer umstrittenen verfassungsrechtlichen Grundlage aufgebaut werden sollte und daß sie nicht ohne einen hinreichend klaren Schutz der burger- liehen Rechtsstellung der Wehrpflichtigen und der Berufssoldaten begonnen wird. Was beide Seiten des Hauses veranlaßte, hier wesentliche Wünsche zurückzustellen, war diese gemeinsame Verantwortung
Diese gemeinsame Verantwortung des Hauses ist mit dem Erlaß dieses Gesetzes nicht beendet. Gerade well es auf einem gegenseitigen Entgegenkommen beruht und weil es in vielem für Deutschland Neuland betritt, ist entscheidend, wie es gebraucht wird; entscheidend ist das Leben und die Gesinnung, mit der die gesetzlichen Einrichtungen erfüllt werden. Davon wird in hohem Maße abhängen, ob nach dem Bruch in der Geschichte unseres Soldatentums eine neue gute Tradition wachsen wird, und davon hängt weiter das künftige Geschick der jungen Demokratie in Deutschland ab.
Von dieser Verantwortung war die Zusammenarbeit der beiden Ausschüsse getragen. Die Parteien, die an dieser Vorlage zusammen gearbeitet haben, haben ihre verschiedenen Grundauffassungen in bezug auf die Außenpolitik und auf innenpolitische Fragen nicht aufgegeben; sie haben sich aber in der Zusammenarbeit an diesem Entwurf zusammengefunden im Bewußtsein ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Demokratie in Deutschland und für die jungen deutschen Menschen, die jetzt in die neue Armee eintreten werden. Möge dies als ein hoffnungsvolles Vorzeichen für den Neubeginn gelten!
Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihren Bericht und eröffne die Beratung in der zweiten Lesung.
Eine allgemeine Aussprache findet in der zweiten Lesung nicht statt. Ich rufe den Art. I auf. Änderungsanträge liegen zu der Ziffer 9 vor. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß ich die Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 zusammen aufrufen kann. Wird das Wort dazu gewünscht? — Ich sehe keine Wortmeldung. Ich schließe die Beratung zu den Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8. Wer diesen Ziffern in der vorliegenden Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Ziffern sind einstimmig angenommen.
Ich komme zu der Ziffer 9. Hierzu liegt Ihnen auf Umdruck 525*) ein Änderungsantrag vor. Ich frage, ob zur Begründung dieses Änderungsantrages das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Gille hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, alle in diesem Hause werden Genugtuung darüber empfinden, daß das nicht leichte Werk der notwendig gewordenen Grundgesetzänderungen eine sehr breite Basis gefunden hat. Wer bei den Beratungen der zuständigen Ausschüsse hat mitwirken dürfen, der hatte bei Beginn der Gespräche nicht den Eindruck, daß dieses Ergebnis würde erzielt werden können. Ich kann der Frau Berichterstatterin darin zustimmen, daß die Einsicht auf allen Seiten dagewesen ist in einem besonders großen Maße. Diese Einsicht hat es zustande gebracht, daß dieses wichtige Gesetzgebungswerk aller Voraussicht nach eine so breite Grundlage im Parlament finden wird.
Ich habe den Auftrag meiner Fraktion, einen Änderungsantrag zum Art. 65 a zu begründen. Es handelt sich um einen der wenigen Punkte mit wirklich politischem Gehalt, über die eine völlige Einmütigkeit in den Ausschüssen nicht hat erzielt werden können. Ich darf zunächst unseren Änderungsantrag verlesen.
*) Siehe Anlage 3.
Der Bundestag wolle beschließen: Zu Art. I Nr. 9
Dem Art. 65 a Abs. 1 werden folgende Sätze 2 und 3 hinzugefügt:
Der Bundesminister für Verteidigung bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Bundestages. Er muß zurücktreten und ist vom Bundespräsidenten zu entlassen, sobald ihm der Bundestag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.
Es geht also um die Frage, ob die Funktion und Amtsführung des Verteidigungsministers einer besonderen parlamentarischen Vertrauensgrundlage bedarf oder nicht. Wir haben in den Ausschüssen, insbesondere im Rechtsausschuß, fast bei jeder Gelegenheit, die sich dazu bot und die uns diese Frage aufzwang, immer wieder erörtert, ob die ungewöhnliche Stellung des Verteidigungsministers, die in seiner Aufgabe liegt, nicht eine andere Behandlung seines Verhältnisses zum Parlament erforderlich macht, als es nach unserem Grundgesetz bei den anderen Ministern der Fall ist.
Ich möchte der Frau Berichterstatterin auch darin zustimmen, daß die Verfasser unseres Grundgesetzes zwar nicht daran gedacht haben, daß die Bundesrepublik einmal ein Staat mit Streitkräften werden würde, daß aber eigentlich jede staatliche Verfassung im Kern eine solche Aufgabe umschließt. Wer jedoch die Beratungen mitgemacht hat, der weiß und hat es noch sehr eindrucksvoll vor Augen, an wie vielen Stellen unseres Grundgesetzes eine neue Betrachtung notwendig war, da die Streitkräfte zur Aufstellung kommen. Die Eigenständigkeit und Besonderheit der Funktion des Verteidigungsministers haben sich mit dem Fortschreiten der Beratungen immer deutlicher gezeigt.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich bitte doch, die Türen hier im Saal zu schließen.
Fahren Sie bitte fort!
Welches sind nun die wesentlichen Einwände, die gegen den Vorschlag, die parlamentarische Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers festzulegen, vorgebracht worden sind? Zunächst der Einwand, daß man die Stellung des Verteidigungsministers nicht stärke, sondern — man höre und staune — schwäche, wenn man ihn von einem besonderen parlamentarischen Vertrauensvotum abhängig mache. Ich muß zu diesem Einwand in Abwandlung eines bekannten Wortes eigentlich sagen: Das sind mir schöne Parlamentarier! Es gibt doch in der parlamentarischen Demokratie keine größere Stärkung der Position eines politischen Aufgabenträgers, als wenn er sich des Vertrauens des gewählten Parlaments erfreuen darf. Es kann doch nicht angehen, daß man, wenn man glaubt, ohne dieses Vertrauen auskommen zu können, davon spricht, damit stärke man seine Stellung, und man schwäche sie, wenn man dieses Vertrauen verlange. Ich glaube, dieser Einwand kann bei genauer Betrachtung nicht ernst genommen werden. Hier liegt eine Verwechslung vor zwischen dem Vertrauen des Chefs der Bundesregierung zu einem seiner Minister und dem echten politischen Vertrauen, das nur das Parlament als die Vertretung des Volkes, des Souveräns unseres Staates, auszusprechen vermag.
Der zweite Einwand ist mehr grundsätzlicher Art. Man sagt, wir stören und ändern damit ein grundlegendes Prinzip unserer Verfassung, und zwar das Prinzip, daß allein der Bundeskanzler in seiner Person des Vertrauens des Parlaments bedarf, während die Ressortminister dieser besonderen Vertrauensstellung gegenüber dem Parlament nach unserer Verfassung nicht bedürfen. Nun, das ist richtig. Deswegen wird ja auch eine Änderung vorgeschlagen. Aber Systeme und Doktrinen müssen den harten Notwendigkeiten weichen, wenn man nicht zu einer völligen Versteifung und Verkrampfung kommen will. Es kann im Ernst doch nicht bestritten werden, daß die Verfasser unseres Grundgesetzes an diesen Fall einfach nicht gedacht haben, weil dazu kein Anlaß bestand. Es ist nachträglich sehr schwer, abzutaxieren, ob die Regelung des Art. 65 nicht doch eine andere Fassung gefunden hätte, wenn man schon damals davon hätte ausgehen müssen, daß einer der Minister vor eine ganz besonders wichtigen, bedeutungsvollen Aufgabe, nämlich der Führung des bewaffneten Teils unseres Volkes, gestellt sein werde.
— Ich weiß nicht, Frau Dr. Weber, ob man das so sagen kann.
Wir meinen jedenfalls,. daß die Änderung eines Grundprinzips in einem, ich möchte sagen, einzigen Teilpunkt kein zureichendes Gegenargument ist, wenn man die Argumente für eine Vertrauensstellung des Verteidigungsministers gegenüber dem Parlament angemessen in Rechnung stellt.
Ich möchte nicht verhehlen, daß die Ereignisse der letzten Wochen und Monate bei der Erwägung dieser Frage ihre Rolle gespielt haben. Wir stehen heute vor der sicherlich abnormen Situation, daß nicht weniger als sechs Bundesminister — sechs! — sich zwar der Gnadensonne des Herrn Bundeskanzlers erfreuen, aber eine echte parlamentarische Rückendeckung innerhalb einer der Fraktionen dieses Hauses nicht besitzen.
Ich weiß nicht, Frau Dr. Weber, ob Sie auch zu diesem Vorgang sagen können, die Schöpfer unserer Verfassung hätten die Probleme nicht anders geregelt und gelöst, wenn sie einen solchen Zustand überhaupt für möglich gehalten hätten. Daß sechs Mitglieder eines Bundeskabinetts sich ausschließlich in der Gnade des Herrn Bundeskanzlers sonnen und daß ihnen ansonsten nichts, was im parlamentarischen Bereich Bedeutung hat, als Rückendeckung zur Verfügung steht,
diese ungewöhnliche Entwicklung gibt doch zweifellos Anlaß genug, sie auch im vorliegenden Fall nicht unbeachtet zu lassen.
Bitte, unterstellen Sie doch einmal — es gibt ja kaum etwas, was in unserem staatsrechtlichen Bereich heute so abwegig wäre, daß es nicht wenigstens theoretisch vorstellbar ist —, daß einer der sechs Minister, von denen ich eben sprach, der Verteidigungsminister wäre!
Es muß doch ein gewisses peinliches Gefühl aufkommen, wenn man bedenkt, diese sehr geschwächte Stellung — Herr Dr. Jaeger, auch Sie
werden nicht annehmen, daß das eine besonders starke Stellung dieser sechs Herren Minister ist — könnte der Verteidigungsminister haben, der in der Verantwortung für 500 000 bewaffnete deutsche Männer an der Spitze steht. Das gibt doch wirklich Anlaß, diese Dinge ohne eine Doktringläubigkeit und ohne ein starres Festhalten an einem System ernstlich zu überlegen und unser Grundgesetz entsprechend zu ändern.
Ich möchte ausdrücklich betonen: Dieser unser Vorschlag richtet sich nicht gegen die Person des gegenwärtigen Verteidigungsministers. Wir haben im Augenblick keinen Anlaß und auch in den letzten Wochen keinen Anlaß gefunden, ihm unser Vertrauen nicht zu schenken. Die Schwierigkeiten, die er augenblicklich hat, scheinen nur in seiner eigenen Fraktion zu bestehen. Es geht um die grundsätzliche Frage. Bedenken Sie, welche, ich will nicht gerade das Wort „Machtfülle" gebrauchen, sondern vielleicht besser: welche Verantwortungsfülle in der Hand dieses einen Mannes liegt und auch in Zukunft liegen wird! Deshalb sollten wir alles tun, um seine Stellung zu stärken, und zwar auch gegenüber dem Herrn Bundeskanzler.
Nun darf ich auf den Einwand, unser Vorschlag bedeute eine Schwächung, folgendes erwidern. Es könnte doch sein, daß der Herr Verteidigungsminister bei irgendeiner Meinungsverschiedenheit den Herrn Bundeskanzler sehr gern darauf hinweisen möchte: Lieber, verehrter Herr Bundeskanzler, ich brauche ja nicht allein dein Vertrauen, ich brauche auch das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments! Das ist letzten Endes der Sinn, der unserem Vorschlag zugrunde liegt. Wir wollen den Verteidigungsminister aus der nicht sehr erfreulichen Situation herausheben, in der sich alle anderen Bundesminister durch die inzwischen erfolgte Manipulierung mit den Artikeln 65 ff. befinden. Wir empfinden es jedenfalls nicht als besonders erfreulich — für keinen der Herren Bundesminister —, daß sich in den letzten Wochen mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit herausgestellt hat, daß sie nicht politische Minister im echten Wortsinne sind, sondern tatsächlich nur Staatssekretäre oder, wie es neulich gesagt wurde, „Erfüllungsgehilfen des Herrn Bundeskanzlers". Das mag in allen anderen Ressorts noch hingehen; wir meinen aber, daß bei der Stellung, bei der Bedeutung der Aufgabe des Verteidigungsministers eine solche Position für ihn nicht ausreicht.
Es besteht gar kein Anlaß, bei einer Annahme unseres Vorschlags etwa ganz düster zu malen und an die Weimarer Zeit zu erinnern, wo eine Regierung nach der anderen durch ein Mißtrauensvotum gestürzt wurde, ohne daß man wußte, welches Kabinett man an ihre Stelle setzen konnte. Erstens handelt es sich ja nur um ein einziges Ressort, und dann ist es doch nicht wirklichkeitsnahe, wenn man annehmen wollte, daß der Versuch, den jeweiligen Herrn Verteidigungsminister aus dem Kabinett herauszuschießen — diese militaristischen Ausdrücke sind in dem Zusammenhang gefallen —, sich alle vierzehn Tage wiederholen werde. Davon kann keine Rede sein. Im übrigen wird die Stabilität unseres Regierungssystems, an der auch wir festzuhalten wünschen, in keiner Weise berührt. Der Herr Bundeskanzler und mit ihm sein ganzes Kabinett können auch in Zukunft nur durch ein konstruktives Mißtrauensvotum abgelöst und durch ein anderes Kabinett ersetzt werden. Ein Eingriff in dieses grundlegende Prinzip unserer
Verfassung ist also, genau betrachtet, nicht vorhanden. Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Sie haben die Begründung des Änderungsantrags gehört.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube dem Herrn Kollegen Dr. G i 11 e , daß sein Antrag nichts mit der Person des gegenwärtigen Herrn Verteidigungsministers zu tun hat. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Antrag etwas zu tun hat mit zwei anderen Ministern, die einstmals Parteifreunde des Herrn Dr. Gille waren,
und ich glaube, eine solche Sache wie die Verfassungsberatung ist kein guter Anlaß für eine parlamentarische Rache. Denn hier geht es um etwas Grundsätzliches. Wir machen nicht ein vorübergehendes Gesetz, wir ergänzen die Verfassung. Folglich müssen wir uns der Konsequenzen bewußt sein, die eine Annahme eines solchen Antrags haben würde.
Wenn Sie dem Bundesminister für Verteidigung eine Sonderstellung geben, nach der er vom Parlament abberufen werden kann, dann verstoßen Sie gegen das System, das wir mit der Kanzlerregierung und dem konstruktiven Mißtrauensvotum haben. Denn es ist nun einmal in unserem Grundgesetz aus guten Gründen die Regelung getroffen, daß nur der Kanzler vom Parlament gewählt wird, daß nur er vom Parlament gestürzt werden kann, und auch das nur, wenn zugleich ein Nachfolger gewählt wird. Diese Regelung ist getroffen worden, damit im Normalfall auf vier Jahre ein festes und beständiges Regieren möglich ist. Dieses wird an einem Punkte, und zwar an einem recht wichtigen Punkte, an der Stellung des Verteidigungsministers, geändert. Denn er kann nach dem Vorschlag des Abgeordneten Dr. Gille und seiner Freunde abberufen werden. Damit ist außerdem die Einheit der Regierung, die darauf beruht, daß alle Minister die gleiche Stellung haben und daß sie alle auf Vorschlag des Kanzlers ernannt und entlassen werden können, gesprengt.
Aber es sind weniger rechtssystematische Gründe, die mich veranlassen, Ihnen diese Bedenken vorzutragen, sondern die eminent politischen Gründe, die dahinterstehen. Schließlich hat der Parlamentarische Rat nicht ohne Grund die Regelung des konstruktiven Mißtrauensvotums getroffen. Denn der Parlamentarische Rat stand noch unter dem Eindruck des Versagens der ersten deutschen Republik. Im Weimarer Staat hat nicht zuletzt die Unfähigkeit des Parlaments, eine Regierung zu bilden, verbunden damit, daß jederzeit die Regierung und jeder einzelne Minister gestürzt werden konnte, zum Untergang des Systems beigetragen.
Die Spuren von Weimar schrecken, und wir möchten den großen Fortschritt, der in der Kanzlerregierung und dem konstruktiven Mißtrauensvo-
tum liegt, nicht gefährdet wissen. Denn wir wissen nicht, ob über unsere zweite deutsche Demokratie nicht auch einmal wieder Sturmzeiten heraufziehen werden.
Diese unsere Erwägungen geschichtlichen Inhalts werden noch unterstützt durch den Blick auf unser westliches Nachbarland, in dem eine Regierungskrise die andere jagt, was von uns ebenso wie von den Bürgern dieses Landes bedauert wird. Wir wollen in Deutschland den großen Fortschritt eines stabilen Regierungssystems erhalten wissen, der gerade von vielen Ausländern als ein solcher Fortschritt anerkannt worden ist.
Außerdem glaube ich, daß dieser ganze Antrag sehr unpraktisch ist. Denn wegen einer Lappalie wird kein verantwortungsbewußter Abgeordneter dem Verteidigungsminister das Mißtrauen aussprechen. Liegt aber irgendein grober Mißgriff vor, der hier im Parlament auf Grund eines Mißtrauensantrags behandelt werden soll, dann dürfte er ja auch dem Regierungschef nicht unbekannt sein.
Wenn der Bundeskanzler daraufhin den Minister entläßt, ist die Angelegenheit sowieso im Sinne der Antragsteller erledigt.
Wenn er den Minister nicht entläßt, hat er selbst die Verantwortung mitübernommen, und ein Mißtrauensantrag kann sich dann konsequenterweise nur gegen den Kanzler selber richten, der die Richtlinien der Politik bestimmt und in diesem Fall eben die Verantwortung mitübernommen hat.
Zudem: Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie sind aus den Beratungen in beiden Ausschüssen davon überzeugt, daß mir der Gedanke einer parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte wahrhaftig am Herzen liegt. Es geht nur darum, wie sie am wirkungsvollsten verwirklicht wird.
Ich glaube, Sie haben die wirkungsvollste Form getroffen, als Sie vorhin einstimmig dem Verteidigungsausschuß eine besondere Rechtsstellung gegeben haben, durch die er positiv seine Kontrolle geltend machen kann, während das Mißtrauensvotum nur eine sehr negative Form der Kontrolle, die keineswegs ins einzelne gehen wird, darstellen würde.
Schließlich und endlich aber erscheint mir noch ein Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung. Es ist doch nur in der Theorie davon gesprochen, daß der Verteidigungsminister des Vertrauens des Bundestags bedarf. Denn auch nach dem Antrag Dr. Gille wird ihm ja nicht das Vertrauen ausgesprochen, sondern es kann ihm nur das Miß -trauen ausgesprochen werden. Das Vertrauen wird nur vermutet, bis ihm das Mißtrauen ausgesprochen ist. Wenn aber der Verteidigungsminister als einziger Bundesminister in der Gefahr steht, jeden Tag oder mindestens in gewissen Abständen eines Mißtrauensvotums gewärtig zu sein, während sein Kollege im Ressort des Innern, der Finanzen oder der auswärtigen Politik in dieser Gefahr nicht steht, dann ist der Verteidigungsminister nicht der stärkste Minister geworden, sondern dann ist er der schwächste in der ganzen Bundesregierung.
Glauben Sie doch nicht, daß Sie mit Hilfe eines Mißtrauensvotums, also einer negativen Handlung, die Stellung eines Ministers gegenüber dem Kanzler stärk en könnten! Das Verhältnis von Kanzler und Minister wird in aller Zukunft wie in der Gegenwart eine Frage der beiden Persönlichkeiten und nicht eine Frage des geschriebenen Rechts sein. Außerdem, meine Damen und Herren, ist es doch nun einmal so, daß, wenn wir den Verteidigungsminister in die Gefahr setzen, ständig abgesetzt zu werden, damit seine Autorität bei den ihm untergebenen Soldaten geschwächt wird.
Vielleicht wird mancher höhere Soldat inner- oder außerhalb des Ministeriums sich sagen, wenn er eine Anordnung bekommt, die ihm nicht gefällt: „Ach, lassen wir die mal ruhig auf dem Schreibtisch liegen; gerade hat eine Fraktion einen Mißtrauensantrag im Parlament eingebracht; vor einem halben Jahr ist ein solcher mit zwei Stimmen Mehrheit abgelehnt worden; vielleicht wird er jetzt angenommen, dann sind wir auch dieses ganzen Erlasses ledig." — Ich glaube, das ist nicht das, was wir uns unter der politischen Führung der Armee vorstellen.
Wenn ich mir überlege, daß der Verteidigungsminister die größte Zahl von Untergebenen — wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf — hat, die überhaupt ein Bundesminister haben kann — denn es werden in der Armee mehr Menschen g stehen als selbst in der Bundesbahn —, wenn ich mir zudem überlege, daß er das bedeutsamste und das schwierigste Instrument der Bundespolitik hat, weil in ihm die Frage Krieg und Frieden mitbeschlossen liegt und weil auf diesem Instrument auch in seinem Verhältnis zum Staate eine gewisse historische Hypothek liegt, dann muß ich mir sagen: Ich kann mir nur wünschen, daß der Bundesminister für Verteidigung heute und in aller Zukunft nicht der schwächste, sondern der stärkste aller Minister ist.
Deshalb bitte ich Sie namens meiner Fraktion, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß ich in dieser Frage heute hier auf einem verlorenen Posten kämpfe. Aber vielleicht gehört es mit zum Wesen der Politik, daß man lernen muß, in gewissen Lagen auch ohne eine Hoffnung zu handeln, jedenfalls es am Versuch des Handelns nicht fehlen zu lassen. Ich bitte darum in dieser Frage um Ihr Gehör, auch wenn Sie noch so entschlossen sind, den Antrag, der von der Fraktion des GB/BHE vorgelegt worden ist, abzulehnen.
Wir haben uns in den interfraktionellen Vorbesprechungen zwar über ein Mindestmaß dessen verständigt, was notwendig ist, um das Grundgesetz geeignet zu machen, die von Ihnen gegen unseren Willen beschlossene Bundeswehr nun in die Demokratie einzugliedern. Aber wir haben uns aus-
drücklich vorbehalten, sowohl im Ausschuß als auch im Plenum für einen Antrag der Art, wie der Herr Kollege Gille ihn gestellt und begründet hat, einzutreten und ihm zuzustimmen.
Was uns dazu bewegt, sind tiefe, sehr tiefe Sorgen, die dadurch heraufbeschworen worden sind, daß durch die Verfassungsänderung des Jahres 1954 und durch die Pariser Verträge des vergangenen Jahres ein grundlegender Wandel in der Verfassungssituation in Deutschland eingetreten ist. Um verstehen zu können, sich überhaupt darüber klarzuwerden, weshalb wir hier Änderungen des Bonner Grundgesetzes anstreben, ist es notwendig, auf die Ursprünge der Verfassungsänderung hinzuweisen. Ich bitte mir dazu einige Ausführungen zu erlauben. Es mag sein, daß mir dabei vielleicht das eine oder andere harte Wort auf die Zunge kommt; aber ich bitte mir im voraus zu glauben, daß es — wie gesagt — aus der Sorge um den gegenwärtigen Stand der Dinge geschieht.
Wir hören heute draußen — in manchen Zeitungen und auch sonst — weise Ratschläge und Belehrungen, besonders an die Opposition. Diese Ratschläge werden uns erteilt, die wir uns jahrelang dem widersetzt haben, vor dem wir heute stehen! Damals waren jene Stimmen stumm.
Jetzt weiß man auf einmal uns Ratschläge darüber zu erteilen, was wir zu tun haben. Das wissen wir leider allzu sehr. Wir haben es notwendig, hier das Grundgesetz zu ergänzen, zwar nicht, wie die Brunnenvergiftung draußen sagt, weil es irgendeine Einigung in der Wehrfrage gäbe oder es sich jetzt um den Anfang gemeinsamer Wehrpolitik handelt, sondern weil die Bundeswehr im Jahre 1954 von einer damaligen Zweidrittelmehrheit gegen uns beschlossen worden ist und weil die Pariser Verträge gegen uns beschlossen worden sind und es deshalb die Bundeswehr gibt, die nun schon eine Tatsache in Deutschland ist, wie jeder weiß, der nach Andernach oder sonst wohin sieht.
Diese auf uns zurollende Lage einer Bewaffnung von 500 000 Mann — die Sie beabsichtigen, nicht wir, — macht es notwendig, nun in dem Grundgesetz wenigstens ein Mindestmaß an Vorsorge dafür zu treffen, daß diese neue Erscheinung im politischen Leben — denn eine bewaffnete Macht ist auch ein politischer Faktor — nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung sprengt. Das ist der Sinn dieser Verfassungsergänzung, bei der es sich um Notmaßnahmen und um ein Mindestmaß an Vorsorge um der freiheitlich-demokratischen Grundordnung willen und auch wegen der Menschen, die in der Bundeswehr die Waffen tragen sollen, handelt. Ich weiß, daß das in der Bevölkerung weitgehend noch gar nicht so hinreichend zur Kenntnis genommen ist.
Wir haben, wenn ich mich recht erinnere, 1912, im kaiserlichen Deutschland, ein stehendes Heer von ungefähr 600 000 Mann gehabt, das nicht über die moderne Waffentechnik und das moderne Nachrichtenwesen verfügte, größtenteils an den Grenzen kaserniert und von Elsaß-Lothringen bis nach Wirballen und von Schleswig bis nach Kattowitz verteilt war. Jetzt wollen Sie eine im Verhältnis zur Bevölkerungsstärke ungleich größere bewaffnete Macht in der Bundesrepublik Deutschland aufstellen, in einer Lage, in der auf Grund des Warschauer Paktes gleichzeitig jenseits des Eisernen Vorhangs eine zweite deutsche Armee auf dem einen deutschen Boden entsteht. Das ist eine Lage, die noch nicht da war und auf die das Bonner Grundgesetz in gar keiner Weise vorbereitet ist. Aber wir sehen uns Ihrer Rechtsbehauptung gegenüber, daß Sie das können, ohne überhaupt die Verfassung zu ändern, und wir sehen uns vor der Tatsache, die von der Bevölkerung weitgehend noch gar nicht in das Bewußtsein aufgenommen ist, daß, wie ich immer wiederholen muß, durch das Gesetz vom 26. März 1954 das Grundgesetz zugelassen hat, Verteidigungsgesetze zu erlassen — eine Beschränkung der Verteidigungsgesetze ist nicht erwähnt — und sogar — das ist seit zwei Jahren Verfassungsrecht, gegen die Stimmen der Sozialdemokratie — eine allgemeine Wehrpflicht durch einfaches Gesetz einzuführen. In dieser Lage steht vor uns die Frage, die wir vor der Geschichte allesamt zu verantwortren haben — ob wir Mehrheit oder Minderheit, Regierung oder Opposition sind, ist dabei ganz gleich —: Wie führen wir Demokratie und die von Ihnen beschlossene Bundeswehr zusammen? Uns beseelt dabei nicht etwa eine Gegnerschaft oder gar Feindschaft gegen die Menschen, die in der Bundeswehr sind; denn wenn sie nun einmal eine Einrichtung ist — von Ihnen geschaffen —, so haben auch wir die Verantwortung dafür, daß es ein gesundes Verhältnis der Demokratie zu ihrer Bundeswehr gibt, also, daß es eine Eingliederung der Bundeswehr in die Demokratie gibt. Denn wir alle haben schon einmal erlebt, was es heißt, wenn die Demokratie zugrunde geht; in allen Fraktionen dieses Hauses sitzen doch Menschen, die unter dem leiden mußten, was geschieht, wenn eine rechtsstaatliche Grundordnung eines Tages gesprengt wird und untergeht. Darum muß es unsere gemeinsame Sorge sein, nachdem die Bundeswehr, von Ihnen beschlossen, da ist, zu sichern, daß es nicht wieder dazu kommt, wie es in der Weimarer Zeit war: daß die damalige Reichswehr ein Staat im Staate wurde.
Ich werde mich noch mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Jaeger auseinandersetzen müssen, ob es wirklich das Parlament war oder ob es nicht ganz andere Kräfte waren, an denen die Weimarer Verfassung zugrunde gegangen ist.
Jedenfalls kann man, ohne irgendeine Schuldfrage zu untersuchen, objektiv sagen: Das Verhältnis zwischen der Weimarer Reichswehr und der demokratischen Ordnung war nicht gut, und die Stellung auch gerade des damaligen Reichswehrministers war nicht gut. Wenn nun schon eine Bundeswehr da ist, so haben wir ein Anliegen — und ich will es mit aller Kraßheit aussprechen —: daß diese Bundeswehr nicht, wie seinerzeit die Weimarer Reichswehr ein Staat im Staate, so heute eine Kanzlerarmee wird.
Dazu kommt ein weiteres, meine Damen und Herren, wovor wir nicht die Augen verschließen sollten. Die Demokratie in Deutschland ist alles andere als gefestigt und alles andere als im Bewußtsein der Bevölkerung verwurzelt. Sie lieben es zwar, die Mängel und Schwächen, die heute da sind, mit dem Nimbus der Kanzlerlegende zuzudecken. Aber ich glaube, das ist eine sehr dünne Glanzschicht, unter der sehr bald manches zum Vorschein kommen wird, was Ihnen, die Sie Demokraten sind, genau so wenig gefallen wird und gefallen kann wie uns. Ein sehr bekanntes Mitglied dieses Hauses, ein Kollege, der noch vor einiger
Zeit selber der Bundesregierung angehörte und der immerhin der Vorsitzende einer großen Fraktion und Partei ist, hat in den letzten Tagen eine sehr harte Kritik an dem Zustand in Bonn und der Demokratie in Deutschland geübt.
— Ja, meine Damen und Herren, das mag Ihnen nicht passen. Die einzelnen Ausdrücke mögen auch übertrieben sein. Aber sehen Sie doch darin ein Zeichen, daß es keineswegs zum besten bestellt ist!
— Aber wenn Sie hier Unruhe machen — ich bin auch bereit, Ihnen alle jene Worte zu berichten, die Herr D r. Dehler in Stuttgart und in Hamburg gesagt hat —, dann können wir uns darüber auseinandersetzen.
— Denn das, worum es geht, ist doch, Herr Kollege Krone, die Erkenntnis: Wir sind nicht so stark, wie Sie es nach draußen hin glauben darstellen zu können. Hier findet eine Bewaffnung in einem gespaltenen Deutschland statt, die auf im Grunde sehr wenig gefestigten inneren Verhältnissen in Westdeutschland steht.
Und nun kommt ein Gegensatz des Denkens zwischen uns. Sie — jedenfalls viele unter Ihnen — neigen dazu, dabei taktisch zu denken, organisatorisch zu denken und zu glauben, man könne das eine oder andere an Schwächen wegorganisieren. Man kann es vielleicht eine Zeitlang überdecken, aber mehr nicht. Das, wessen es bedarf, ist das institutionale Denken, ist das Schaffen von Einrichtungen, die sich ihrem Wesen nach so auswirken, daß hier etwas erreicht wird, was unser gemeinsames Anliegen sein sollte, nämlich keine Kanzlerarmee oder keine Armee, die hier Gefahren heraufbeschwört, sondern eine Armee, die wirklich eingebettet ist in das Staatsganze und in die demokratische freiheitliche Ordnung. Das kann man mit organisatorischem und taktischem Denken, wie es auch in den Ausführungen des Herrn Kollegen Jaeger zutage trat, nicht erreichen. Deshalb ist auch dieses — entschuldigen Sie, Herr Jaeger — so undemokratisch gedachte Argument, man schwäche den Verteidigungsminister damit, daß man seine verfassungsrechtliche Stellung besonders regle, so abwegig.
Sie haben dazu dann angespielt — und ich finde das gar nicht sehr höflich — auf das uns immer wieder an die Wand gemalte Gespenst der sogenannten französischen Zustände. Meine Damen und Herren, wenn unser Nachbarvolk Frankreich leidet und noch nicht zu einer Ruhe gekommen sein mag, so sollte man nicht vergessen, daß das noch wesentlich mehr als etwa vermeintliche organisatorische Schwächen der französischen Verfassung materielle Nachwirkungen des Überfalls Hitlers auf Frankreich sind.
— Jawohl, weil seit jener Zeit die Substanz, die eine Demokratie braucht, gestört ist!
Sie können die Demokratie nicht mit bloßen organisatorischen Maßnahmen festigen und sozusagen unter eine Käseglocke stellen, sondern Sie müssen das Ganze ordnen, sozial, ökonomisch, politisch und geistig. Dann allein kann es lebendig sein, nicht durch organisatorische Maßnahmen. Also ich halte diesen Hinweis für sehr verfehlt, für sehr unangebracht und für international sehr unhöflich. Im übrigen ist er falsch auch in organisatorischer Hinsicht, weil ja kein Mensch bei uns daran denkt, das konstruktive Mißtrauensvotum gegenüber dem jeweiligen Bundeskanzler zu beseitigen, und wir uns allein schon dadurch auch in der formalen verfassungsrechtlichen Ordnung von den Franzosen und der französischen Situation ganz erheblich unterscheiden.
Genau so verfehlt — und damit komme ich darauf zurück — ist der Hinweis auf die angeblichen Weimarer Zustände. Die Weimarer Verfassung ist bestimmt aus manchen Gründen nicht die beste der Welt gewesen. Aber die entscheidenden Gründe dafür, warum die Weimarer Republik zugrunde ging, lagen nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung, sondern darin, daß die herrschenden gesellschaftlichen Kräfte auf der rechten Seite und auf der kommunistischen Seite in einer radikalen Feindschaft zu jenem Staat überhaupt standen. Manche von jenen Kräften, die damals zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen haben, weil sie überhaupt die erbitterten Feinde demokratischer und republikanischer Ordnung waren, haben in Deutschland auch heute noch nicht umgelernt.
Man soll das also nicht auf die sogenannte Unfähigkeit des Parlaments zurückführen, zumal das Parlament sich nicht selber wählt. Das Parlament ist ein Ausdruck vorhandener Kräfte im Volk, und da war es schlecht bestellt. Also mit solchen Argumenten kann man nicht beweisen, daß die Stellung des Verteidigungsministers dann geschwächt würde, wenn er des besonderen Vertrauens des Bundestages bedürfte, eines besonderen Vertrauens, das eben darin seinen Ausdruck findet, daß in einem Grenzfall ein Mißtrauensvotum gegen ihn ausgesprochen werden kann.
Ich muß dazu noch eine weitere Bemerkung machen. Es gibt Verteidigungsminister — denn es ist auch eine Frage der Person —, die auch ohne Mißtrauensvotum schwach sind. Ich will kein Beispiel dafür nennen, wie schwach ein Verteidigungsminister sein kann, auch wenn er nicht von einem Mißtrauensvotum bedroht ist.
Man wird den Bedenken des Herrn Kollegen Gille auch nicht dadurch gerecht, daß man, wie es Herr Jaeger getan hat, es nun so hinstellt, als sei das eine persönliche oder gar private Verärgerung wegen der Fälle Kraft und Oberländer. Es ist doch eine symptomatische Erscheinung, die uns alle beunruhigen muß, daß wir sechs Bundesminister haben, die ihren politischen Nährboden im Parlament verloren haben. Es muß uns allen noch in den Ohren sein, was wir zu dieser Frage jüngst in einer Debatte hier von dem Herrn Bundeskanzler gehört haben. Das steht mit den vorliegenden Fragen in einem sehr sachlichen Zusammenhang, weil es uns für die Zukunft das Verhältnis zwischen dem Kanzler und dem Verteidigungsminister vor Augen führt. Ich will einmal mit etwas anderen Worten wiederholen, was der Herr Bundes-
kanzler damals von diesem Pult aus gesagt hat. Er hat gesagt: Ja, vor der Wahl müssen selbstverständlich politische Besprechungen mit den politischen Parteien stattfinden. Aber unter Berufung darauf, daß dann die Wahl den Gewählten zum Kanzler nach dem Grundgesetz legitimiert, hat er
— zwar nicht mit den gleichen Worten, aber der Sache nach - sich zu dem Spruch bekannt, daß, wenn die Wahl einmal erfolgt ist, der Satz gilt: Ich kenne keine Fraktionen mehr, ich kenne nur noch Adenauer.
— Herr Kollege Krone, es handelt sich hier um einen Punkt von solcher Bedeutung, daß das gesagt werden muß. — Damit Ist in etwas scherzhafter und leichter Form ausgedrückt, wie stark hierbei noch ein wilhelminisches Denken nachklingt.
Die Sache ist aber die, daß, wenn es bei einem so schlechten politischen Stil bleibt, der von uns gemeinsam erarbeitete Grundsatz, daß der Verteidigungsminister den Oberbefehl haben soll, durch eine falsche Handhabung ausgehöhlt wird, indem man auch den Verteidigungsminister zum Kanzlergehilfen hinabstuft.
Das ist die Gefahr, die wir nach diesen Vorgängen sehen müssen.
Worauf es ankommt, ist doch, eine Einrichtung zu schaffen, die nach dem Gewicht und nach ihrer inneren Zielrichtung dahin führt, daß sich der jeweilige Verteidigungsminister auch um das Vertrauen der jeweiligen Minderheit bemühen und bewerben muß; denn nur auf diese Weise wird der Minister Oberbefehlshaber einer Bundeswehr sein, die eben nicht die Bundeswehr der jeweils herrschenden Koalition ist. Bedenken Sie doch das Anliegen, um das es hier geht: die Beziehung des Bundesverteidigungsministers zum Parlament so weit wie möglich aus dem übrigen Streit herauszunehmen, der notwendig ist, manchmal aber auch übertrieben wird, zwischen Regierungskoalition und Opposition, zwischen Mehrheit und Minderheit. Wenn Ihnen daran liegen würde — und ich hoffe doch, daß es bei Ihnen auch so ist —, die Bundeswehr nicht zu einem Parteiinstrument werden zu lassen, dann sollten Sie sich, bitte, auch wenn Sie noch so entschlossen sind, diese Fragen auf das ernsteste überlegen.
Und nun zum Schluß. Der Herr Kollege Jaeger hat gesagt, man würde gegen das System verstoßen — als ob es überhaupt zum System des Grundgesetzes gehörte, daß es eine Bundeswehr hat! —; denn es sei ja der Bundeskanzler, der den Verteidigungsminister ernenne und entlasse. Meine Damen und Herren, an dem Ernennungs- und Entlassungsrecht auch seitens des Bundeskanzlers soll insoweit nicht gerührt werden; das will keiner. Aber wenn man es in dieser Weise ausdehnt wie Sie, Herr Kollege Jaeger, dann würde das in sehr fragwürdiger Weise bedeuten, daß man jeden Vorgang in der Bundeswehr zu einer Regierungskrise oder letzten Endes sogar zu einer Staatskrise machen sollte. Was Sie gesagt haben, führt dazu, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers geradezu total auszulegen, als ob er damit alles decken müßte, was überhaupt innerhalb der Regierung geschieht, während ja im Grundgesetz steht, daß jeder Minister in eigener Verantwortung — und das heißt auch in politischer eigener Verantwortung dem Parlament gegenüber — sein Amt zu führen hat. Wir haben Beispiele aus der Vergangenheit. Wenn es nach dem eigenen Willen des Bundesverteidigungsministers gegangen wäre, dann hätten wir manches mit dem Freiwilligengesetz und der Frage des Eides gar nicht oder mindestens nicht so erlebt, wie es uns hier vorgesetzt worden ist.
Glauben Sie denn, daß ein in der Demokratie so erfahrenes Volk wie die Engländer das parlamentarische Mißtrauensvotum seit Jahrhunderten als eine Verfassungseinrichtung üben würden, wenn die Briten der Meinung wären, daß dadurch der Premierminister und die Minister geschwächt würden? Das ist doch ein Mißverstehen der Demokratie!
Woran uns allen liegen muß, ist das Zusammenführen des Verteidigungsministers mit dem Bundestag. Das kann institutionell auf keine Weise richtiger und besser geschehen als durch die verfassungsrechtliche Stellung, wie sie von den Kollegen des BHE beantragt ist.
Weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 525 liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 525*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer der Ziffer 9 der Vorlage nach dem Ausschußbeschluß zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ziffer 9 ist angenommen.
Ich komme zu Ziffer 10. Hier liegt ein Änderungsantrag vor, der inzwischen auch dem Hause vorgelegt worden ist, Umdruck 529**). Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird sonst dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 529 zu Ziffer 10 der Vorlage. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 529 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist der Änderungsantrag auf Umdruck 529 angenommen. In Ziffer 10 wird Art. 87 a entsprechend geändert.
Ich rufe auf Ziffer 10, Art. 87 b, — Ziffer 11, — Ziffer 12, — Ziffer 13, — Ziffer 14. — Wer den aufgerufenen Ziffern der Vorlage zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. II, — Einleitung und Überschrift nach der Ausschußvorlage. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
- Bei einer Enthaltung? — Verzeihen Sie, offenbar bei einer Enthaltung angenommen.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.
Meine Damen und Herren, wir haben im Ältestenrat vereinbart, daß wir nun zunächst die zweite Beratung des Soldatengesetzes vornehmen. Die dritte Lesung des Entwurfs zur Ergänzung des Grundgesetzes, Drucksache 2150, erfolgt nach der zweiten Lesung des Soldatengesetzes. Beabsichtigt ist, wenn möglich, eine Pause einzulegen. Ob wir die Pause einlegen können, hängt davon ab, wieviel Zeit wir für die zweite Lesung des Soldatengesetzes brauchen.
Ich rufe also auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Drucksache 1700);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache 2140, Umdrucke 524, 526, 527, 528, 530, 531, 532).
Ich frage, ob das Wort zur Berichterstattung gewünscht wird. — Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht*) Drucksache 2140 hier weiter keine Ausführungen machen. Ich möchte Sie nur bitten, zwei Berichtigungen im Text der Drucksache vorzunehmen.
Die erste Berichtigung betrifft den allgemeinen Bericht auf Seite 12 zu § 40, vierte Zeile von unten. Es ist da von der Altersgrenze der Soldaten die ) Rede. Durch einen Druckfehler ist aus der Altersgrenze eine Altersrente geworden. Ich bitte Sie, das zu berichtigen. Es muß natürlich Altersgrenze und nicht Altersrente heißen.
Die zweite Berichtigung betrifft den § 5 im Text des Gesetzes selber. Hier ist ein beamtenrechtlicher Lapsus insoweit passiert, als man die Rechtsfolge einer Begnadigung durch den Bundespräsidenten nicht in das Gesetz aufgenommen hat. § 5 in der vorliegenden Form muß also zum Abs. 1 werden, und es muß ein Abs. 2 folgenden Wortlauts hinzugefügt werden:
Wird im Gnadenwege der Verlust der Soldatenrechte in vollem Umfange beseitigt, so gilt von diesem Zeitpunkt ab § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.
Das ist im Beamtenrecht bereits so geregelt, und es ist durch ein bedauerliches Versehen nicht in das Gesetz hier hineingekommen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, bei der Abstimmung über den § 5 auch diesen Änderungsantrag zur Abstimmung zu stellen. Im übrigen möchte ich zu dem Gesetzentwurf und dem Bericht keine weiteren Ausführungen machen.
Ich möchte Sie im Namen des Verteidigungsausschusses bitten, dem Entwurf des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten in der Ausschußfassung Ihre Zustimmung zu erteilen, und ich habe Sie zweitens als Berichterstatter namens des Ausschusses zu bitten, die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
*) Siehe Anlage 5.
Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung in zweiter Lesung ein. Ich rufe zunächst, entgegen der Übung, die Überschrift und die Einleitung auf, und zwar deshalb, weil dazu ein Änderungsantrag der Fraktion der DP — Umdruck 526*) — vorliegt. Darin ist vorgeschlagen, eine Präambel aufzunehmen, die der Ausschuß nicht aufgenommen hat. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages auf Umdruck 526 Ziffer 1 das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Herrn Kollegen Arndt hier sagen: Ich bin mir fast im klaren darüber, daß Sie unseren Antrag ablehnen werden. Ich halte es aber trotzdem für notwendig, über die Dinge zu sprechen.
Mit der Präambel wird im Grundsatz das festgelegt, was das hier zu beratende Gesetz sowieso beinhaltet. Wir haben auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland damals eine Präambel vorangestellt. Da es sich hier um das Grundgesetz des Soldaten handelt, sind meine Freunde der Meinung, daß wir in einem solchen Augenblick, da wir uns anschicken, eine neue Wehrmacht aufzustellen — vielfach auch nach alten Traditionen —, diesem Gesetz, das die Beziehungen der Soldaten untereinander und insbesondere die Beziehungen der Soldaten zum Staat regelt, etwas Grundsätzliches voranstellen sollten. Denn Leistung und Achtung, Vertrauen und Gehorsam sind nun einmal Dinge, die bei den Soldaten untereinander und in den Beziehungen zwischen Soldat und Staat nicht aus der Welt geschafft werden können. Sie sind so lebenswichtig für das Funktionieren einer Wehrmacht, daß wir es für richtig halten, auf diese Dinge eingangs des Gesetzes ganz besonders und nachdrücklich hinzuweisen.
Und noch eines, meine Damen und Herren. Der erste Satz der Präambel lautet:
Die Wehrmacht ist zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland berufen.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß dies vielleicht sogar der wichtigste Satz aus dieser Präambel ist, weil wir mit ihm auch ganz besonders bekräftigen, daß die Aufstellung dieser Streitkräfte ausschließlich aus politischen Notwendigkeiten geschieht und daß insonderheit — —
Entschuldigen Sie! Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Ruhe.
— — daß insonderheit die Vorwürfe, die meistens böswillig gemacht werden, daß nämlich diese kommende Wehrmacht zur Vorbereitung von Kriegen dienen solle, aus der Welt geschafft werden. Ich glaube, wenn Sie sich speziell diesen Satz ansehen, werden Sie vielleicht von der Notwendigkeit überzeugt sein, dem Gesetz eine solche Präambel voranzustellen.
*) Siehe Anlage 6.
Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag aus einem sachlichen und aus einem rechtspolitischen Grunde abzulehnen. Der sachliche Grund gilt nicht nur für das Soldatengesetz, sondern gilt überhaupt für das Bestreben, Gesetzen Präambeln voranzustellen. Präambeln zu Gesetzen gab es in großer Zahl in der vorkonstitutionellen Zeit. Schon damals war man bestrebt, Gesetze durch Präambeln zu begründen und verständlich zu machen. Als dann die konstitutionelle Zeit und die parlamentarische Zeit begann, hat man auf derartige Präambeln verzichtet, weil die Begründungen in den Gesetzentwürfen und in den parlamentarischen Aussprachen gegeben wurden. Das war ein ganzes Jahrhundert hindurch der Fall. Erst als der Nationalsozialismus keine echte parlamentarische Vertretung mehr hatte, stellte er seinen Gesetzen Präambeln voran, und zwar Präambeln, die dem Inhalt der Gesetze — ich erinnere nur an die Deutsche Gemeindeordnung — geradezu ins Gesicht geschlagen haben. Das war eine Pathetik der Propaganda.
Das ist der Grund, meine Damen und Herren, warum man aus sachlichen Gründen unseren Gesetzen nicht Präambeln voranstellen, sondern sich schlicht an die Gesetzgebung halten soll.
Der zweite Gesichtspunkt ist rechtspolitischer Art; er ist noch wichtiger als der andere. Man hat begonnen, Gesetze in Zweifelsfällen auch nach den Präambeln auszulegen. Das ist auch in einigen Entscheidungen geschehen. Es ist aber sehr bedenklich, wenn Präambeln Grundsätze für die Auslegung der Gesetze enthalten sollen. Das ist bereits die Absicht in einer Fülle von Petitionen, die an uns gehen. Hier treten Schwierigkeiten für die Rechtsprechung ein, und das müssen wir vermeiden.
Aus diesen rein geschichtlichen, sachlichen und rechtspolitischen Gesichtspunkten bitte ich, den Antrag abzulehnen und überhaupt davon abzusehen, daß man den Gesetzen Präambeln voranstellt, ausgenommen etwa Verfassungen, auf die wir ja hoffen und die mit Recht eine Begründung haben sollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zwar immer noch nicht der Auffassung, daß wir für unsern Antrag die Mehrheit erlangen werden; aber ich kann die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst nicht ganz unwidersprochen lassen. Er zieht hier historische Begründungen heran und verweist insonderheit auf das, was der Nationalsozialismus in einer verflossenen Ära einmal mit Präambeln zu Gesetzen getan hat, und das bedauere ich außerordentlich. Wir sollten gerade in der Frage, die wir heute zu behandeln haben, diese überkommenen Ressentiments möglichst aus der Debatte herauslassen.
— Es mag Ihnen nicht passen, daß ich das sage; aber ich nehme mir das Recht, es zu tun.
Ich glaube nicht, daß, wenn der Deutsche Bundestag eine solche Präambel beschlösse, von irgendeiner Seite ein Vorwurf der Art, wie Herr Dr. Kleindinst ihn befürchtet, kommen könnte. Ich möchte noch einmal mit Nachdruck darauf aufmerksam machen: Die Feststellung, es handle sich bei der Wehrmacht um ein Verteidigungsinstrument der Bundesrepublik — wobei ich außerdem bemerken möchte, daß nach der Rechtsauffassung der DP-Fraktion und, ich glaube, auch nach fast allgemeiner Auffassung in diesem Hause die Bundesrepublik hier gleichzeitig für ganz Deutschland stellvertretend ist —, ist so gravierend, daß es allein schon aus diesem Grunde gerechtfertig erscheint, hier eine Präambel voranzusetzen. Das Soldatengesetz, das wir heute zu beraten haben und das wahrhaftig ohne Pathetik zustande gekommen ist und auch in seinen Formulierungen keine Pathetik zeigt, würde sicherlich durch eine Zusammenfassung, wie wir sie in unserem Antrag vorgelegt haben, gut unterstrichen werden, ohne daß allzu empfindliche Kritiker befürchten müssen, daß nach draußen hin durch eine solche Präambel etwa dem Soldaten eine Sonderstellung eingeräumt werden sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen lind Herren! Ich teile die Auffassung des Kollegen Kleindinst bezüglich der Geschichte und des Wertes oder Unwertes einer Präambel, zumindest ihrer Problematik. Trotzdem sollte man in diesem Fall Pine Ausnahme gelten lassen. Schließlich ist das Soldatengesetz die sogenannte Magna Charta militaris. Angesichts der Einstellung, die ein Teil des deutschen Volkes, insbesondere des politischen deutschen Volkes, nach 1945 gegenüber der früheren Wehrmacht und ihren Soldaten haben zu müssen glaubte. angesichts der Begriffsverwirrungen der ersten Nachkriegszeit, da man Soldatentum und Militarismus gleichsetzte, angesichts der Tribunale, vor denen sich seinerzeit Soldaten verantworten mußten, die keine kriminellen Delikte begangen hatten, sondern lediglich ihre Pflicht, ebenso unter dem Kaiser Wilhelm II. wie unter dem Reichspräsidenten Ebert und Reichswehrminister Noske, wie unter Hindenburg und wie leider auch später unter Hitler, getan hatten, angesichts dieser besonderen Sachlage unterstützen meine Freunde den Antrag der DP und des Kollegen Schneider, diesem Gesetz ausnahmsweise eine Präambel voranzustellen, um damit seitens des Deutschen Bundestages sichtbar zum Ausdruck zu bringen, wie das deutsche Volk zu seinen Soldaten zu stehen habe.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 526 Ziffer 1.*) Wer diesem Änderungsantrag unter Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei 2 Enthaltungen im übrigen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zu dem Ersten Abschnitt, § 1. Ein Änderungsvorschlag dazu liegt nicht vor. Wer die-
*) Siehe Anlage 6.
sem § 1 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der § 1 ist angenommen.
Ich komme zu § 2. Hier liegen Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 526*) ein Änderungsantrag der Fraktion der DP und gleichlautend ein Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Mende auf Umdruck 528**). Ich bin nicht sicher, ob der Änderungsantrag Umdruck 528 schon verteilt ist.
— Er ist noch nicht verteilt. Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mende ist gleichlautend mit dem Änderungsantrag der DP, d. h. das Wort „Bundeswehr" soll durch das Wort „Wehrmacht" ersetzt werden. Soll der Antrag begründet werden? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits beim Freiwilligengesetz hat Kollege Dr. Jaeger erklärt, daß er die Gattungsbezeichnung „Bundeswehr" an Stelle des damaligen Wortungeheuers „Gesamtstreitkräfte" einsetzen wolle. Ich habe seinerzeit die Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" mit den drei Unterbezeichnungen „Heer", „Marine" und „Luftwaffe" vorgeschlagen. Der Ausschuß für Verteidigung glaubte damals eine Entscheidung noch nicht fällen zu dürfen, sondern wollte erst eine Abklärung der öffentlichen Meinung abwarten. Obgleich die öffentliche Meinung, wie durch Befragungen verschiedener Institute festgestellt wurde, mit übergroßer Mehrheit die Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" für die beste hält, hat der Ausschuß für Verteidigung mit 18 zu 8 Stimmen sich für den Antrag des Kollegen Jaeger, „Bundeswehr" zu sagen, entschieden.
Ich erlaube mir daher, Ihnen hier im Plenum einige Argumente für die Bezeichnung „Wehrmacht" darzulegen. Die Bezeichnung „Wehrmacht" ist keine Erfindung der nationalsozialistischen Zeit. Sie ist erstmalig in der Paulskirchen-Verfassung von 1848 zu finden. Sie erscheint ferner im Art. 47 der Weimarer Reichsverfassung von 1919, in dem es heißt: „Der Reichspräsident hat den Oberbefehl über die Wehrmacht des Reichs." Natürlich ist in der Weimarer Zeit nur mit den Bezeichnungen „Reichswehr" oder „Reichsheer" und „Reichsmarine" operiert worden, weil ja „Wehrmacht" eine Gattenbezeichnung für alle drei Wehrmachtteile darstellt, aber eine Luftwaffe damals nach dem Versailler Vertrag verboten war. Erst als 1935 auch wieder eine Luftwaffe aufgestellt wurde, ist man zur Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" im Sinne der Weimarer Reichsverfassung übergegangen. Der Herr Bundeskanzler selbst hat einmal bei einem Besuch in der Fraktion der Freien Demokraten auf meine Frage erklärt, daß er keine Bedenken aus außenpolitischen Gründen gegen die Bezeichnung „Wehrmacht" hege; er habe immer bei den außenpolitischen Konferenzen mit der Bezeichnung „Wehrmacht" gearbeitet, ohne daß Bedenken geltend gemacht worden seien. Ich glaube, daß die deutsche Bevölkerung, was immer wir hier beschließen mögen, ebenso die Bezeichnung „Wehrmacht" wählen wird, wie sie auch trotz des Versuchs, eine Schroedersche Nationalhymne einzuführen, am Ende doch das Deutschlandlied durchgesetzt hat. Wir glauben daher im Sinne der öffentlichen Meinung, aber auch im Sinne unserer Ver*) Stehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 9.
fassungsgeschichte zu handeln, wenn wir Ihnen empfehlen, statt „Bundeswehr" die Gattenbezeichnung „Wehrmacht" zu wählen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen des Kollegen Mende nachdrücklich unterstützen und noch hinzufügen, daß wir uns des Ausdrucks „Wehrmacht" auch gar nicht zu schämen und ihn gar nicht zu scheuen brauchen, weder im Inland noch — ich behaupte es — im Ausland, zumal der Ausdruck „Wehrmacht" eine republikanische Angelegenheit der Weimarer Zeit ist. Als konservative Republikaner vertreten wir gern diese Auffassung.
Hinzu kommt, daß man durch diese Änderung im Formalen in der Sache ja keine Änderung erreicht, daß man aber — ich werde das nachher in meiner Ansprache zum Soldatengesetz hier auch noch näher ausführen —
sehr wohl durch falsche psychologische Maßnahmen — — Was gibt es zu lachen, Herr Dr. Jaeger?
— Verzeihung: Rede!
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Es ist ein Mißverständnis! Hier werden ja keine Ansprachen gehalten, sondern Diskussionsreden. Ein Lapsus linguae!
Herr Präsident! das Wort entfleuchte dem Gehege meiner Zähne unkontrolliert.
— Vielleicht kommen Sie auch einmal herauf und halten eine zusammenhängende Rede, Herr Kollege!
Meine Damen und Herren, wir wollen jetzt keine Diskussion über die spezielle Terminologie dieses Zweiges unseres Staates führen. Ich bitte deshalb, daß der Herr Abgeordnete fortfährt.
Ich habe selbstverständlich eine Rede gemeint, wenn ich das noch feststellen darf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte zum Schluß noch sagen, daß wir im psychologischen Vorgehen in all diesen Fragen in der Vergangenheit schon manchen Fehler begangen haben. Meine Freunde und ich glauben, daß wir auch hier im Begriffe sind, psychologisch einen Fehler zu begehen. Korrigieren wir das also, ehe wir ihn begehen!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage eines Namens ist im allgemeinen keine Frage von allzu weittragender Bedeutung. Aber ich glaube doch, daß der Name in diesem Fall wie in vielen anderen Fällen mehr ist als nur Schall und Rauch.
Bestimmt hat der Verteidigungsausschuß, als er mit 18 gegen 8 Stimmen sich für das Wort „Bundeswehr" entschieden hat, nicht daran gedacht, daß wir Deutsche uns des Namens „Wehrmacht" zu schämen hätten. Daran denken wir auch heute nicht. Wenn wir uns aber entschieden haben, einen anderen Namen zu wählen, so lag es nicht nur daran, daß das Wort „Streitkräfte" nur eine Behelfsbezeichnung war; es lag auch daran, daß wir glauben, daß das alte, zehn Jahre gültige Wort „Wehrmacht" heute nicht zweckmäßig und sachdienlich ist. Wir stehen vor einem Neubeginn und sollten das auch klar zum Ausdruck bringen. Wir sollten hier wie in verschiedenen anderen Fragen der Verteidigung keine Fassade aufstellen, sondern uns zu diesem bescheidenen neuen Anfang bekennen und keinen Mythos erwecken, der hier nicht mehr sachgerecht wäre, schon deshalb nicht, weil die neue deutsche Armee etwas wesentlich Kleineres und durch ihre Integration in die NATO auch anderes sein wird, als es die alte Armee gewesen ist. Wir glauben zudem, daß in dem Wort „Bundeswehr" der defensive Charakter unserer Streitkräfte noch klarer zum Ausdruck kommt als in irgendeinem anderen Wort.
Sicherlich hat der Verteidigungsausschuß sich bei seiner Entscheidung auch von dem Gedanken leiten lassen, daß es außenpolitische Überlegungen gibt, die dafür sprechen, das alte Wort „Wehrmacht" nicht mehr zu verwenden. Zwar mag im Gespräch mit hochgestellten Ministern anderer Staaten der Name — so oder so — keine Rolle spielen; aber für den Mann auf der Straße in den einstmals von der Wehrmacht besetzten Ländern liegen nun einmal Schatten auf diesem Namen, für die die Soldaten der alten Wehrmacht nichts können, die aber nun einmal dadurch gegeben sind, daß es eine Armee unter dem Namen „Wehrmacht" war, die auf einen Befehl dort eingerückt ist. Im Hinblick auf diese Schatten erscheint es uns auch zweckmäßig, Ressentiments in verbündeten Staaten zu vermeiden.
Der Einwand des Herrn Kollegen Dr. Mende, der Begriff „Wehrmacht" sei schon lange vor der nationalsozialistischen Zeit dagewesen, ist zwar im Verfassungsrecht belegt; aber damals handelte es sich doch wohl nur um eine Sachbezeichnung wie jetzt bei dem Wort „Streitkräfte", nicht hingegen um einen Namen. Denn man hat weder nach 1848 noch nach 1919 von einer „Wehrmacht" gesprochen, sondern zuerst von einer „Armee" und „Marine" und später von einer „Reichswehr".
Wir glauben also, daß tatsächlich eine Tradition für das Wort „Wehrmacht" nur in den zehn Jahren von 1935 bis 1945 begründet ist, und das ist eine recht kurze Zeit für ein Volk wie das deutsche,
das eine mehr als tausendjährige Geschichte hat.
Die Erinnerung, die das Wort „Bundeswehr" auch dadurch bringt, daß es an das Wort .,Reichswehr" anklingt, ist zweifellos keine schlechte. Wir glauben außerdem, daß es durch die enge Verbindung, die damit zu anderen Worten wie „Bundeskanzler", „Bundesregierung" usw. hergestellt ist, einer späteren deutschen Nationalversammlung ermöglicht wird, hier wie in anderen Punkten eine endgültige Bezeichnung zu wählen.
Es hat sich bei einer demoskopischen Umfrage, wie die neuen Streitkräfte heißen sollen, gezeigt, daß für das Wort „Streitkräfte" praktisch überhaupt keine Resonanz vorhanden war. Das Wort „Wehrmacht" fand allerdings 35 % Anhänger; es ist ja auch das Wort, das bisher fast allein im Sprachgebrauch war. Aber das neue Wort „Bundeswehr", für das praktisch noch von keiner Stelle Propaganda gemacht worden war, hat immerhin 20 %, also mehr als die Hälfte dessen erhalten, was das Wort „Wehrmacht" an Zustimmung gefunden hat. Dies wird mit Recht als ein Zeichen dafür ausgelegt, daß dann, wenn das Hohe Haus sich dem Antrag des Verteidigungsausschusses anschließt, dieses Wort auch sehr rasch in den Sprachgebrauch der Presse und des Volkes eingehen wird.
Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, den gemeinsamen Antrag der Herren Dr. Mende und Schneider abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 526*) Ziffer 2 und auf Umdruck 528**) liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsanträgen, die also in der Sache und im Wortlaut gleichlautend sind, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; die beiden Anträge sind abgelehnt.
Ich rufe auf die
§§ 3 und 4, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer den beiden Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die beiden Paragraphen sind angenommen.
Ich komme zu dem § 5. Hier liegt der Änderungsantrag auf Umdruck 532***) vor, den der Herr Berichterstatter vorgelegt und begründet hat. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann wird also der § 5 nach dem Ihnen vorliegenden Umdruck 532 ergänzt. Der Umdruck ist inzwischen in Ihrer Hand?
— Muß der Text noch einmal vorgelesen werden?
— Also nach dem Änderungsantrag soll der bisherige Wortlaut des § 5 der Absatz 1 werden, und dann soll ein Abs. 2 angefügt werden, der lautet:
Wird im Gnadenwege der Verlust der Soldatenrechte in vollem Umfange beseitigt, so gilt von diesem Zeitpunkt ab § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Paragraphen in der Fassung der Vorlage des Ausschusses mit dieser vom Ausschuß beantragten Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um ein
*) Siehe Anlage 6.
**) Siehe Anlage 9.
***) Siehe Anlage 12.
Handzeichen. — Gegenprobe! — Der § 5 ist mit dieser vom Ausschuß vorgeschlagenen Ergänzung angenommen.
Ich komme zu den §§ 5 a, 6 und 7. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird das Wort zu diesen Paragraphen gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung zu diesen Paragraphen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Die §§ 5 a, 6 und 7 sind angenommen.
Ich komme zu dem § 7 a. Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst einmal den Antrag auf Umdruck 524 Ziffer 1*) vornehmen. Zu diesem Antrag schlage ich Ihnen vor, daß wir die Frage teilen. Ich würde empfehlen, daß wir unter den Abs. 1 Unterabschnitt 1 des § 7 a in der Fassung des Änderungsantrages auf Umdruck 524 Ziffer 1, d. h. unter der Eidesformel, einen Strich ziehen und über den übrigen Inhalt des Abs. 1 — „Der Eid kann auch ohne die Worte ,so wahr mir Gott helfe' . . ." — nachher abstimmen, weil von da ab dieser Antrag eigentlich wörtlich identisch ist mit dem Antrag auf Umdruck 527**). Ich nehme an, daß der Umdruck 527 inzwischen in Ihrer Hand ist.
Ich schlage also vor, daß wir so verfahren, weil, was das übrige anlangt, über beide Anträge zusammen abgestimmt werden kann.
Zunächst also zu diesen Änderungsanträgen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? —Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat bereits darauf hingewiesen, daß ein ähnlicher Antrag seitens der FDP vorliegt, der sich nur in der Formulierung des Eidestextes unterscheidet. Ich möchte dazu sagen, daß meine Freunde und ich den Text, den wir Ihnen vorschlagen, vorziehen, weil er in seiner Formulierung das Ergebnis der Ausschußberatungen wiedergibt.
Die Problematik des Eides im allgemeinen und die des Fahneneides insbesondere ist in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit eingehend diskutiert worden und hat, wie der vorliegende Bericht des Kollegen Merten zeigt, auch in den Beratungen des Verteidigungsausschusses eine ihrer Bedeutung entsprechende eingehende Würdigung erfahren. Die Argumente für und wider den Fahneneid sind hinreichend bekanntgeworden. Ich kann mich trotz des Antrages des Kollegen Schneider in dieser Frage deshalb darauf beschränken, festzustellen, daß sich im Ausschuß eine sehr klare Mehrheit entschloß, auf den Fahneneid für alle Soldaten zu verzichten. Der Hauptbeweggrund war für uns die berechtigte Sorge um die Gewissensnot vieler, die künftig ihrer Wehrpflicht nur wegen des damit verbundenen gesetzlichen Zwanges nachkommen würden. Menschen aber durch einen erzwungenen Eid in Gewissensnot zu bringen, steht unseres Erachtens dem Gesetzgeber im demokratischen Staate nicht an. Insbesondere auch nach den noch nachwirkenden Erfahrungen unserer jüngsten Geschichte sollte der Staat jeden Gewissenszwang vermeiden.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8.
Wesentlich anders ist jedoch die Situation, in der diejenigen stehen, die sich für den Beruf des Soldaten entscheiden, sei es nun, daß sie darin den Inhalt ihrer Lebensarbeit sehen, oder sei es, daß sie sich nur für einen längeren Abschnitt ihres Lebens dazu verpflichten. Von einer Gewissensnot oder einem Gewissenszwang kann hier nicht die Rede sein; denn wer den Soldatenberuf erwählt, tut das freiwillig ebenso wie der Beamte, der ja nach dem Willen des Gesetzgebers in unserem Staate auch vereidigt wird. Der Bewerber für den Soldatenberuf weiß, welche Pflichten ihn erwarten, und er entschließt sich aus freiem Willen zu ihrer Übernahme. Eine eidliche Bekräftigung dieser Pflichten kann ihn also nicht in jenen Gewissenskonflikt hineintreiben, der unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen dem Wehrpflichtigen durch einen erzwungenen Eid auferlegt würde. Würde der freiwillig dienende Berufssoldat durch einen Treueid auf den demokratischen Staat und dessen Forderungen an ihn entgegen seiner Überzeugung handeln und damit sein Gewissen in Not bringen, so wäre wohl zu folgern, daß auch bereits sein Gelöbnis ohne Eideskraft innerlich unwahrhaftig wäre.
Der Eid wird daher in seinem Ernst und in seiner Würde eine Schranke bedeuten, vor der der Anwärter auf den Soldatenberuf seine innere Überzeugung und ihre Vereinbarkeit mit dem von ihm zu erfüllenden Pflichtenkreis zu überprüfen hat. Zwar wird es auch gewissenlose Menschen geben, die — wenn man sie nicht rechtzeitig als solche erkennt — auch durch einen Eid nicht gebunden werden können; aber man sollte gerade diesen Menschen die Betätigung ihres Zynismus nicht erleichtern, sondern dafür Sorge tragen, daß sie, falls sie als das entlarvt werden, was sie tatsächlich sind, auch die ganze Schmach ihres Verhaltens zu tragen haben.
Es bleibt überdies zu überlegen, ob der Staat, der von jedem seiner Beamten den Diensteid verlangt, gegenüber den Berufssoldaten darauf verzichten sollte; denn schließlich sind diese Berufssoldaten doch die Träger der stärksten äußeren Machtmittel des Staates, und sie entscheiden im Ernstfall über Leben und Tod vieler Menschen. Es dürfte meiner Meinung nach gerade nach den Erfahrungen unserer Geschichte im Interesse unseres demokratischen Staates liegen, den Berufssoldaten an sich zu binden.
Es gibt natürlich auch Gegenargumente. Es ist von dem Dualismus gesprochen worden, der entstehen würde, wenn man vereidigte und nicht vereidigte Soldaten nebeneinander hätte. Wir haben diese Bedenken sehr gründlich geprüft, und ich habe im Ausschuß wiederholt die Forderung erhoben, man solle mir doch die konkreten bedenklichen Folgen eines solchen Zustandes aufweisen. Es sind allerdings von der andern Seite keinerlei entscheidende Argumente vorgebracht worden.
Schließlich hängt die Frage der Vereidigung der Berufssoldaten auch mit dem Problem des Beamteneides zusammen. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, in die Problematik des Beamteneides einzusteigen. Ich gehe von der Tatsache aus, daß diesem Hohen Hause bisher keine Anträge vorliegen, die darauf hinweisen, daß man gewillt ist, die Frage des Beamteneides erneut aufzurollen. Wenn nun also unser Änderungsantrag abgelehnt würde, so würde nach Lage der Dinge eine Situation entstehen, in der zwar der Beamte des einfachen Dien-
stes dem Staat nach wie vor den Treueid leisten muß, alle höheren und höchsten Offiziere aber unvereidigt bleiben. Man sollte nicht sagen, die Schuld an der Herbeiführung einer derartigen mißlichen Situation liege nicht darin, daß man auf den Eid der Berufssoldaten verzichte, sondern darin, daß man noch auf der Vereidigung der Beamten beharre. Wenn man schon diesen Standpunkt einnimmt, dann müßte man auch die entsprechenden Konsequenzen in der Frage des Beamteneides ziehen. Solange man aber nicht deutlich den Willen zu erkennen gibt, diese Konsequenzen zu ziehen, kann man sich auch nicht auf ein derartiges Argument berufen. Wer aus Gründen einer sittlichen Überzeugung grundsätzlich Bedenken gegen die Vereidigung der Berufssoldaten hat, muß meines Erachtens die gleichen Bedenken gegen die Vereidigung der Beamten haben, und er hätte dann meiner Meinung nach aus dieser sittlichen Überzeugung bereits längst die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen. Der vorliegende Antrag will unter anderem verhüten, daß nach der Verabschiedung dieses Soldatengesetzes beispielsweise im Verteidigungsministerium die groteske Situation entsteht, daß der Hausmeister als Beamter des einfachen Dienstes den Treueid leisten muß, während die gesamte Generalität unvereidigt bleibt.
Ich glaube, ohne jede Übertreibung feststellen zu können, daß die Herbeiführung eines solchen Zustandes durch den Gesetzgeber in unserem Volke keinem großen Verständnis begegnen und daß sie auch nicht für den Mut des Gesetzgebers, konsequent zu sein, zeugen würde.
Um dies zu vermeiden, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 524*) zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter gebe, lassen Sie mich folgendes sagen. Inzwischen ist hier ein Änderungsantrag von Frau Dr. Lüders zu dem eben begründeten Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger und Genossen eingegangen. Damit es keine Verwirrung gibt, mache ich Ihnen den Vorschlag, daß wir zunächst der Reihe nach die Begründungen zu diesen Änderungsanträgen hören, dann in die allgemeine Diskussion darüber eintreten und schließlich nach folgendem Verfahren abstimmen. Am weitestgehenden scheint mir der Antrag der Fraktion der DP auf Umdruck 526 Ziffer 3 zu sein. Dieser Antrag liegt Ihnen vor. Danach, würde ich meinen, wäre abzustimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Mende, Dr. Dehler und Fraktion auf Umdruck 527; und schließlich wäre abzustimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger, Berendsen und Genossen auf Umdruck 524 Ziffer 1, der soeben begründet worden ist. Aber bevor darüber abgestimmt wird, muß über den Änderungsantrag zu diesem Änderungsantrag Umdruck 524 abgestimmt werden. Wenn das Haus damit einverstanden ist, dann werden wir jetzt so verfahren.
Ich darf nun bitten, daß zunächst einmal die Änderungsanträge begründet werden. Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 527**) hat das Wort Herr Abeordneter Dr. Mende.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8.
Meine Damen und Herren, einige wenige Erläuterungen. Wir lehnen den Eid für a 11 e Soldaten, wie er von der DP auf Umdruck 526 gefordert wird, ab. Wir berufen uns hier auf die Mehrheitsentscheidung des Ausschusses für Verteidigung nach den Vorträgen der Vertreter der Religionsgemeinschaften, von denen alle Angehörigen des Ausschusses für Verteidigung sichtlich beeindruckt waren.
Wir wissen, wie häufig der Eid in der jüngsten Vergangenheit entwertet wurde, und können es daher nicht billigen, daß Wehrpflichtige g e g en ihren Willen zu einem Eid gewissermaßen gezwungen werden. Wir schlagen daher die Kompromißlösung vor — wie sie soeben auch vom Kollegen Kliesing begründet wurde —, alle Berufssoldaten zu vereidigen, um sie auf die gleiche Ebene zu stellen wie die Beamten. Es wäre allerdings — da hat Herr Kollege Kliesing völlig recht — eine Unterbewertung des Berufssoldaten gegenüber dem Beamten, wenn man von einer Vereidigung des Berufssoldaten absähe, dagegen jeden Beamten auch des einfachen Dienstes glaubte auf das Grundgesetz vereidigen zu müssen. Wir wollen die gleiche Ebene für die Staatsdiener in Zivil und für die Staatsdiener in Uniform. Wir schlagen Ihnen allerdings eine andere, eine weitergehende Formulierung vor als Herr Kollege Kliesing. Wir schlagen in unserem Antrag Umdruck 527*) die Fassung vor:
Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.
„Das Grundgesetz" ist die weiteste Fassung, denn es beinhaltet alle Grund- und Freiheitsrechte in Abschnitt I unseres Grundgesetzes, also nicht nur Recht und Freiheit.
Ferner glauben wir, daß von den Berufssoldaten, also von den Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren, ebenso wie von den Beamten verlangt werden kann, daß sie alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze wahren. Wir denken beispielsweise an die sehr weitgehende Beeinflussung unseres staatsrechtlichen Lebens durch eine Notstandsgesetzgebung. Wir sehen nicht ein, daß z. B. der Soldat nicht auch verpflichtet sein soll, gerade das Notstandsgesetz besonders zu wahren. Gerade aus der Notstandsgesetzgebung kann jene Konfliktsituation entstehen, bei der wir wissen möchten, daß der Berufsoffizier und -unteroffizier auch hier durch eine feierliche Eidesformel an diese Gesetzgebung gebunden ist.
Für die übrigen Soldaten schlagen wir das auch im Ausschuß für richtig erachtete feierliche Gelöbnis vor, dessen Text dann lauten würde:
Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland
treu zu dienen und das Recht und die Freiheit
des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Im Gegensatz zu der Formel, die Herr Kollege Kliesing vorschlug, bitten wir, das Wort „nur" in Abs. 4 nicht aufzunehmen. Es soll also nicht heißen: „Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten", sondern es muß heißen: „Soldaten, die auf Grund .der Wehrpflicht Wehrdienst leisten". Wir möchten hier keine Differenzierung, aus der man eine Abwertung derer herauslesen könnte, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten.
*) Siehe Anlage 8.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden es verständlich finden, wenn ich als Vertreter einer konservativen Partei mich hier absolut für den Eid ausspreche. Das vielfältige Hin und Her in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Monaten zu der Frage „Vereidigung der Soldaten oder nicht?" hat die Gemüter sehr erregt und hat meine Freunde angeregt, sich sehr eingehend mit dem Problem zu befassen. Ich denke heute gern noch an die Vorträge, die die Herren Vertreter der Evangelischen und Katholischen Kirche im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages gehalten haben. Nach diesen Vorträgen ist es sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen, wenn man — ich gestehe das offen — nicht aus politischen Gründen schon eine gewisse Voreingenommenheit hat. Ich vermag allerdings dem Herrn Landesbischof Dr. Lilje nicht beizupflichten, wenn er in seiner Begründung der Ablehnung des Eides unter anderem darauf verweist, es sei zu befürchten, daß ein solcher Eid einen neuen Nationalismus im deutschen Volk bzw. in der Wehrmacht erwecken könne.
Die Frage der Vereidigung oder Nichtvereidigung der Soldaten ist eine wirklich tiefgehende Gewissensfrage, die man auch nicht einfach damit abtun kann, daß man auf die vielfältige deutsche Vergangenheit hinweist, in der der Wert des Eides einmal höher und einmal tiefer gestanden hat. Aus unserer konservativen Anschauung stehen wir auf dem Standpunkt — ich darf es einmal so formulieren -: Regierungen kommen und gehen, aber die Heiligkeit des Eides bleibt bestehen. Dinge, die
B) in der Vergangenheit unter einer anderen politischen Ara geschehen sind, können nicht einfach dazu dienen, heute zu sagen, daß der Eid als solcher eine solche Entwertung erfahren habe, daß man es aus vielerlei Gründen, aus politischen, Gewissens- und anderen Gründen nicht verantworten könne, ihn dem deutschen Soldaten zuzumuten.
— Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich doch bitte aussprechen; ich unterbreche Ihre Redner ja auch nicht.
Meine Freunde sind der Auffassung, daß es notwendig ist, den Eid für a 11 e Soldaten einzuführen, weil durch den Eid eine ganz besondere Bekräftigung des Gehorsams und der Treue erfolgt und weil eine ganz besondere Bekräftigung dessen erfolgt, was der Soldat in letzter Konsequenz, die Gott verhüten möge, einmal für sein Volk und sein Vaterland zu tun hat, nämlich sein Leben hinzugeben. Gerade dieser letzte Punkt ist es, der es meinen Freunden nicht ausreichend erscheinen läßt, daß wir den Soldaten lediglich verpflichten. Hier spielt auch der Gesichtspunkt eine Rolle, daß beispielsweise die Minister der Regierung und überhaupt die Beamten vereidigt werden.
Eine Teilung des Eides, wie sie von der Bundestagsfraktion der CDU/CSU vorgeschlagen worden ist, können meine Freunde erst recht nicht billigen. Es muß hier gleiches Recht und eine gleiche Verpflichtung für alle vorliegen.
Der Eid ist darüber hinaus nach Ansicht der Fraktion der Deutschen Partei nach der ganzen geschichtlichen Entwicklung ein entscheidendes Wesensmerkmal deutschen Soldatentums. Wir sind
nicht bereit, ohne weiteres mit Traditionen zu brechen, die sich nicht als schlecht erwiesen haben.
Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Nun, meine Damen und Herren, sind die Änderungsanträge begründet mit Ausnahme des Änderungsantrages von Frau Dr. Lüders. Frau Dr. Lüders, möchten Sie das Wort nehmen? — Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erlauben uns, Ihnen den Antrag Umdruck 531 *) vorzulegen, der sich auf den § 7 a Absätze 1 und 2 bezieht. Wir schlagen vor, im § 7 a Absätze 1 und 2 in der Eidesbzw. Gelöbnisformel nach den Worten „treu zu dienen" jeweils die Worte „und das Grundgesetz" einzufügen. Dieser Zusatz würde auch der Formel entsprechen, die sich im Beamtengesetz findet. Wir sind der Meinung, daß das Grundgesetz das oberste Gesetz ist, dem alle anderen Gesetze unterstehen. Es kann keine Rechtssetzung und keine Durchführung eines Gesetzes erfolgen, wenn nicht beides dem Grundgesetz entspricht.
Zu dem § 7 a Abs. 2 beantragen wir, das Wort „nur" zu streichen. Das Wort „nur" hat einen gewissen diskriminierenden Ton, und wir glauben, daß er für keine Art der Wehrdienstpflichtigen angewendet werden kann.
Wir bitten Sie, die beiden Anträge anzunehmen.
Sie haben damit alle Begründungen zu den jetzt vorliegenden Änderungsanträgen gehört. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird? — Herr Abgeordneter Merten hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, alle gestellten Änderungsanträge abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Herr Kollege Dr. Kliesing hat in seiner Begründung dafür, daß der Eid für den Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit eingeführt werden soll, wiederholt darauf hingewiesen, daß man andernfalls zu einem Unterschied der beiden Staatsdiener — der Beamten und der Soldaten — komme, daß also die einen vereidigt wären und dadurch vielleicht eine andere Wertigkeit hätten, während die Soldaten nicht vereidigt wären; es wäre ein grotesker Zustand, daß der Pförtner im Bundesverteidigungsministerium vereidigt ist und der Oberst, der durch seine Türe hindurchgeht, nicht.
Nun, meine Damen und Herren, dazu ist grundsätzlich zu sagen, daß durch die Vereidigung der betreffende Mensch weder einen höheren noch einen niedrigeren Wert bekommt, als er ihn ohnedies hat. Das spielt also für die Wertigkeit des einzelnen überhaupt keine Rolle. Denn in welcher Rolle befänden sich sonst die Angestellten des öffentlichen Dienstes, die ja bekanntlich nicht vereidigt werden. Ich glaube bestimmt, daß die Männer, die im Bundesverteidigungsministerium bisher als Angestellte gearbeitet haben und nicht vereidigt waren, ihre Pflicht genau so gut oder schlecht getan haben, wie sie sie in Zukunft tun werden, wenn sie vereidigt sind. Man überspitzt diese Dinge in einer ganz gefährlichen Weise.
*) Siehe Anlage 11.
Herr Kollege Kliesing, Sie haben ja gesagt, niemand habe Ihnen klarmachen können, daß durch die Vereidigung der Berufssoldaten Schwierigkeiten beispielsweise gegenüber den Reservisten entstünden. Da soll es also auf einmal nicht mehr gelten, daß die einen durch den Eid besser sind als die anderen, die den Eid nicht geleistet haben? Da sehen Sie keine Schwierigkeiten? Aber in dem Verhältnis von Berufssoldaten zu Berufsbeamten — das ist ja genau dasselbe — sehen Sie plötzlich diese Schwierigkeiten! Ich glaube, das sind formale Fragen, die in bezug auf den Diensteifer und die Verpflichtung des einzelnen, die Gesetze zu achten, gar keine Rolle spielen sollten.
In der Begründung ist ferner gesagt worden, die Soldaten entschlössen sich freiwillig zu diesem Beruf, und infolgedessen seien sie auch bereit, den Eid freiwillig zu leisten. Das ist bestimmt richtig. Aber was ist denn die Folge? Ein leichtsinniger Mensch wird diesen Eid natürlich ohne jeden Skrupel und viel leichter leisten können als einer, der diese Dinge ernst nimmt. Sie spannen also ein Sieb vor die Aufnahme in das Verhältnis des Berufssoldaten mit Maschen, die so gebaut sind, daß viele ernste Menschen, auf die Sie Wert legen sollten, nicht durch dieses Sieb hindurchkönnen, während viele Leichtsinnige, denen der Eid ziemlich gleichgültig ist, nun ganz gemütlich durch dieses Sieb hindurchmarschieren und Sie dadurch in die Bundeswehr Leute hineinbekommen, die Sie auf gar keinen Fall — darüber sind wir uns wohl einig — in der Bundeswehr haben wollen.
Gegen den Eid schlechthin sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten die allerschwersten Bedenken geltend gemacht und auch diskutiert worden. Ich will hier gar nicht von der geschäftsmäßigen Formelhaftigkeit des Eides im Prozeßwesen reden. Wir haben bei der Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes und des Lastenausgleichsgesetzes auch über die Frage der eidesstattlichen Versicherungen gesprochen. Es war immerhin ein großer Teil dieses Hauses, der glaubte, daß man endlich einmal mit dieser geschäftsmäßigen Formelhaftigkeit des Eidwesens Schluß machen sollte. Ich will auch nur am Rande auf die Meineidseuche hinweisen, die immer mehr um sich greift und die geradezu nach einer Reform des deutschen Eideswesens schreit. Aber ich will darüber hinaus auch noch andere Bedenken anmelden.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Schneider befindet sich in einem großen Irrtum, wenn er glaubt, daß die Vereidigung des Soldaten ein entscheidendes Wesensmerkmal des deutschen Soldaten sei. Der Soldateneid ist ein entscheidendes Merkmal des Fremdenlegionärtums, er ist ein entscheidendes Merkmal des Söldnertums. Denn als solcher ist er in die Geschichte eingegangen. Der Soldat hat einen Eid geleistet in der Zeit, als Angehörige fremder Nationen sich in den Dienst irgendwelcher fremder Landesherren stellten. Da wurde zwischen ihm und dem Feldhauptmann ein Eid geleistet, und der Vertrag auf gegenseitige Verpflichtungen, den man da geschlossen hatte, wurde durch den Eid bekräftigt. Der eine verpflichtete sich zum sturen Kadavergehorsam, und der andere verpflichtete sich, pünktlich den Sold zu zahlen. Das ist die Entstehung des Soldateneides. Wenn man aus der Geschichte argumentiert, sollte man also erst recht die Finger von dem Soldateneid lassen.
Von dem stehenden Heer wurde dann später der Eid als Verpflichtung zu Treue und Gehorsam
übernommen. Aber auch hier war es eine Art von Vertragsabschluß, weil nämlich die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen dem Dienstherrn und dem Soldaten weder durch eine Verfassung garantiert noch durch Gesetze geregelt waren. Da wurde das in Bausch und Bogen durch einen Eid gemacht.
Aber das ist doch heute völlig anders. Die Pflichten des Staates gegenüber dem Soldaten und die Pflichten des Soldaten gegenüber dem Staate sind durch das Grundgesetz und durch zahlreiche Spezialgesetze bis in das einzelne geregelt oder werden noch geregelt. Was soll da nun noch ein Eid? Soll der Soldat bekräftigen, daß er sich dem Gesetz unterwirft? Ich glaube, es gilt für jeden Staatsbürger, daß er sich dem Gesetz zu unterwerfen hat, und wenn er es nicht tut, wird er entsprechend bestraft. Also auch hier ist der Eid vollkommen unnötig.
Er ist auch als Beamteneid vollkommen unnötig. Daß bisher über diese Frage hier noch nicht gesprochen worden ist, kommt daher, daß das Beamtenrechtsrahmengesetz und die damit zusammenhängenden Dinge noch als Entwurf im Hause liegen. Aber Sie werden bestimmt erleben, daß, wenn diese Gesetze auf die Tagesordnung kommen, auch über diese Frage gesprochen werden muß. Man kann gar nicht so argumentieren, daß man, wenn man in der Vergangenheit einmal etwas schlecht gemacht hat, es deswegen auch in alle Zukunft schlecht machen muß, sondern wenn man einsieht, daß etwas schlecht war, macht man es besser, und man macht dann auch das, was man in der Vergangenheit sonst noch schlecht gemacht hat, besser, sobald es hier auf der Tagesordnung steht.
Das wichtigste grundsätzliche Bedenken gegen den Eid aber kommt nicht aus der Geschichte und kommt nicht aus dem geltenden Recht, sondern es kommt daher, daß der Eid eine ganz bestimmte religiöse Bedeutung hat. Das Wesen des Eides ist die bedingte Selbstverfluchung. Wir haben es hier beim Soldateneid mit einem promissorischen Eid zu tun, das heißt mit einem Eid, mit dem ich eine Verpflichtung für die Zukunft übernehme. Ich übernehme eine Verpflichtung für die Zukunft und sage dazu: „Falls ich eine dieser Pflichten oder die Verpflichtung als Ganzes verletze, will ich von Gott zur ewigen Verdammnis verurteilt sein." Das ist das Wesen des Eides. Nun ist es in der Vergangenheit oft so gewesen, daß sich die religiösen Gemeinschaften und die Kirchen mit der Eidespraxis des Staates einverstanden erklärt haben. Aber, meine Damen und Herren, das ist die typische Folge, wenn Glaubenstatbestände dadurch vernebelt werden, daß die staatliche Autorität gewisse Dinge durchsetzen muß und daß die religiösen Gemeinschaften sich mit dem Staat und seinen Ansprüchen irgendwie zu rangieren versuchen. Ergebnis war, daß der Staat beim promissorischen Eid genau so wie beim assertorischen Eid es mit der ewigen Verdammnis und der Strafe Gottes nicht bewenden lassen wollte. Der Staat wollte ganz sicher gehen und hat deswegen neben die ewige Verdammnis immer auch noch die Zuchthausstrafe gesetzt. Allein dadurch hat der Staat von sich aus den religiösen Eid entwertet, hat ihn damit so entwertet, daß ja schon der Rechtsausschuß des alten Reichstages um 1930 herum daraus die Konsequenzen ziehen wollte, indem er beschloß, den Eid abzuschaffen, auch im Strafrecht, und an seine Stelle eine besondere Form der Beteuerung zu setzen, die keinerlei religiöse Bedeutung hat, aber im Sinne des Strafrechts dieselben Folgen für den, der
unter dieser Beteuerung die Unwahrheit sagt, die Folge nämlich, daß er ins Zuchthaus kommt.
Bei dem hier geforderten Eid der Soldaten liegt nun die Sache insofern noch schwieriger, als der Soldat gleichsam die ewige Verdammnis auf sich selbst herabschwört für den Fall, daß er auch nur eine einzige seiner zahlreichen Verpflichtungen wissentlich oder fahrlässig verletzt. Wir wissen ja, wie gerade diese Form des verpflichtenden Eides in der Vergangenheit mißbraucht worden ist. Es ist keineswegs so, Herr Kollege Schneider, wie Sie meinen — „Regierungen kommen, Regierungen gehen, die Heiligkeit des Eids bleibt bestehen" —; ich glaube, Sie kämen in die größte Verlegenheit, wenn ich Sie unter diesem Generalthema fragen würde, wie Sie sich denn nun die Ereignisse des 20. Juli in ihrer Bewertung vorstellen.
Wir alle wissen, wie der Eid gerade beim Soldaten auch im Zusammenhang mit dem 20. Juli von gewissenlosen Führern und Leitern des damaligen Staates mißbraucht worden ist. Wenn der Staat, wie es damals war, von gewissenlosen Zynikern geleitet wird, dann wird auch der Eid zu nichts anderem benützt als dazu, die Gewissen zu knebeln, um eigene verbrecherische Pläne mit Hilfe von Menschen durchzuführen, denen der Eid heilig ist und denen er etwas bedeutet. Die Forderung nach dem Eid durch einen Menschen, der selber gar nicht an Gott glaubt, kann nur als eine ganz besonders schwere Form der Gotteslästerung angesehen werden.
Aber heute fordert gar nicht ein Mensch den Eid, sondern der Staat fordert den Eid, der Staat, der als Funktion und als Organisation gegenüber Gottüberhaupt keine Verantwortung hat und haben kann. Unser staatsrechtliches Denken hat seine Wurzeln in der Aufklärung. Der Staat ist eine Funktion der menschlichen Gesellschaft. Diese Funktion kann zum Guten ausschlagen, sie kann zum Bösen ausschlagen. Alles das hat gar nichts mit dem zu tun, was wir mit Religion bezeichnen, nämlich der persönlichen Bindung des einzelnen Menschen an Gott. Deswegen müssen wir uns dagegen wehren, daß der Staat auf dem Umwege über den Eid in diese persönliche Bindung eingreift, daß er sich anmaßt, mit Hilfe des Eides über das Gewissen der Menschen zu verfügen, indem er ihnen eben diesen verpflichtenden Eid abnimmt. Das kann er auch nicht bei denen, die sich freiwillig dafür zur Verfügung stellen. Denn niemand übernimmt es, diesen Freiwilligen vorher eine Belehrung über den ganzen Ernst und über die ganze Gewissensbindung zu erteilen, die sie mit diesem Eid auf sich nehmen. Und wenn Sie eine solche Belehrung machen würden, dann hätten Sie eben nur den einen Erfolg, daß die Leichtfertigen und die Leichtsinnigen Ihnen diesen Eid vor die Füße legen würden, wie sie es jederzeit tun würden, und daß die anderen Ihnen wieder weggehen würden.
Der Staat kann niemals das Recht haben — das ist gerade im Zusammenhang mit dem Eid wichtig zu unterstreichen —, über das Gewissen seiner Bürger zu verfügen. Dieses Recht streiten wir ihm in vollem Umfange ab, und dieses Recht kann auch nicht auf dem Umweg, durch die Hintertür einer Vereidigung für eine gewisse Gruppe von Staatsbürgern wieder eingeführt werden. Der Staat tut das, er tut es deutlich und er tut es folgenreich, wenn er diesen verpflichtenden Eid verlangt. Das ist der Grund dafür, daß sich die christlichen Kirchen sehr skeptisch gegenüber der Vereidigung der Soldaten ausgesprochen haben.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich in der Anlage zu dem Ihnen vorliegenden Bericht in aller Ausführlichkeit die Stellungnahmen der Herren Vertreter der Kirchen zu dieser Frage durchzulesen, die dort niedergelegt sind.*) Ich erinnere mich, daß beispielsweise der Vertreter der Evangelischen Kirche ganz ausdrücklich als Beschluß des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland uns mitgeteilt hat, daß von dort aus jeder verpflichtende Eid wegen der ungeheuren religiösen Folgen, die an einen derartigen Eid gebunden sind, abgelehnt wird. Wenn Sie die Vereidigung in dieses Gesetz hineinnehmen und sie aus dem Beamtengesetz nicht herausnehmen, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß ein ernster, gläubiger Mensch wohl oder übel auf den Staatsdienst verzichten muß, daß er darauf verzichten muß, Soldat zu werden, wenn er damit sein bis dahin freies Gewissen an den Staat um den Preis seiner Seligkeit verkaufen muß; denn um nichts anderes geht es dabei.
Ich gebe zu, daß die Forderung, den Eid zu leisten, viele Menschen nicht stören wird, Soldat zu werden. Ich gebe zu, daß das aber offenbar nicht die Besten sein werden, auf die wir Wert zu legen haben. Derartige Naturen, wie ich sie schon erwähnt habe, sind in ihrem ganzen Leben noch nicht über den dünnen Zwirnsfaden eines Eides gestolpert, und sie werden das auch in Zukunft nicht tun.
Für die bedeutet der Eid nicht allzuviel. Aber denken Sie an die Gewissensnöte derjenigen. die nun schon zum fünften, zum sechsten und siebenten Male einen Eid leisten müssen — auf die Monarchie, auf den König von Preußen oder den Großherzog von Hessen, auf die Weimarer Republik, auf den Führer des „Dritten Reiches" — und die jetzt gezwungen werden sollen, wiederum einen derartigen Eid zu leisten. Gerade die besondere Wertigkeit des Eides ist ja durch die wiederholte Eidesleistung innerhalb eines einzigen Menschenlebens manchen erst richtig zum Bewußtsein gekommen, und sie haben deshalb die allergrößten Bedenken bekommen, daß heute schon wieder mit dieser Praxis angefangen wird.
Ich weiß — und das sage ich auch besonders den Herren Kollegen von der CDU, die diesen Antrag eingebracht haben —, daß Sie als Verfechter des Eides für die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit keineswegs wollen, daß die Bundeswehr der Tummelplatz leichtfertiger oder oberflächlicher Naturen wird; und weil Sie das nicht wollen, deswegen bitte ich Sie. sich die Konsequenzen zu überlegen, die durch Ihre Forderung heraufbeschworen werden. Für die anständigen Charaktere und für die gläubigen Menschen brauchen Sie den Eid nicht, weil sie ohnedies aus ihrem Gewissen heraus sich fester gebunden fühlen, als der Staat sie jemals binden könnte, und weil sie ohnedies aus ihrem Gewissen heraus das. wozu sie sich verpflichtet haben. nun auch halten werden, nämlich Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Für die anderen aber bedeutet der Eid eine leere Form ohne jeden Sinn, und er ist da-
*) Siehe Anlage A zu Anlage 5.
her erst recht zwecklos. Hören Sie auf, meine Damen und Herren, die Sie diese Anträge unterstützen, mit Eingriffen des Staates in das Gewissen! Machen Sie Schluß auch mit den sinnlos gewordenen überlieferten Formen und setzen Sie endlich bei dieser Gelegenheit dem Eidesmißbrauch eine Schranke!
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Feller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird gegen jeden Fahneneid, ob für Wehrpflichtige oder Berufssoldaten, stimmen. Wenn ich das sage, möchte ich, um jedes Mißverständnis zu verhindern, ausdrücklich betonen, daß es sich dabei nicht etwa um einen Fraktionsbeschluß handelt; denn wir sind uns völlig darüber im klaren, daß wir es hier mit einer Frage zu tun haben, die jeder einzelne letzten Endes nur vor seinem Gewissen nach Abwägung aller Gesichtspunkte entscheiden kann. Aber der Umstand, daß wir uns alle unabhängig voneinander den gegen die Wiedereinführung des Fahneneids — zumindest heute im Jahre 1956 — vorhandenen Bedenken gebeugt haben, mag mindestens als ein Zeichen dafür angesehen werden, wie problematisch es heute um den Eid bestellt ist. Wir sind mit unserer ablehnenden Stellungnahme bei der Auffassung geblieben, die ich schon bei der ersten Lesung des Soldatengesetzes hier vortragen durfte. Sie läßt sich, knapp in einem Satz zusammengefaßt, so wiederholen: Sowohl die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wie die Situation, in der wir unsere ) Jugend wieder Soldat werden lassen wollen, sollten uns daran hindern, für sie die Verpflichtung zur Eidesleistung gesetzlich wieder einzuführen. Diese unsere Auffassung ist durch nichts, aber auch gar nichts, was in der Zwischenzeit gesagt und geschrieben wurde, ins Wanken gekommen. Im Gegenteil, vor allem die Anhörung der Vertreter der Kirchen im Verteidigungsausschuß hat bei aller Unterschiedlichkeit der Argumente, die dabei vorgetragen wurden, bei all denen, die dabei waren, zunächst doch den Eindruck hinterlassen, daß die Diskussion um den Eid im kirchlichen Raum noch keineswegs abgeschlossen ist. Es wurde aber auch deutlich sichtbar, daß sie sich bei allen Konfessionen einer Ablehnung des Soldateneides zuneigt.
Noch problematischer wird die Frage, wenn wir aus dem kirchlichen Raum hinaustreten in den Raum, in dem der Soldat nun zur Eidesleistung gezwungen werden soll. Es ist hier mit Recht schon vom Herrn Kollegen Merten bezweifelt worden, wie weit sich der, der den Eid leistet, damit der metaphysischen Bindung, des Versprechens an Gott, das im religiös geleisteten Eid liegen muß, wirklich bewußt ist. Es ist in diesem Zusammenhang schon das Wort von der Gotteslästerung gefallen.
Aber gehen wir von der theologischen Betrachtung ab, dann gibt es noch sehr viele andere Gesichtspunkte, politische, historische und auch menschlich-gesellschaftliche, die gegen die Einführung des Soldateneides sprechen. Es sind hier vom Herrn Kollegen Merten schon einige erwähnt worden.
Ein Wort zum Historischen. Herr Kollege Schneider, wenn Sie zunächst die Beständigkeit des Eides ausgerechnet mit der Beständigkeit der Lederhosen
bei Börries von Münchhausen vergleichen, ist das vielleicht nicht gerade passend.
— Aber Ihr Zitat stammt aus der Lederhosen-Saga von Börries von Münchhausen:
Geschlechter kommen, Geschlechter gehen, hirschlederne Reithosen bleiben bestehen.
Das ist doch die Quelle Ihres Zitates gewesen. Dieses Zitat zum mindesten war nicht ganz angebracht.
Aber zur Sache selbst, Herr Kollege Schneider! Tradition ist beim Fahneneid nur, daß er auf Personen geleistet wurde. Das ist die Tradition des Eids, und zwar vom mittelalterlichen Lehnseid bis zum Fahneneid der Monarchie bis 1918. Wenn Sie also schon von einer Tradition sprechen, die Sie wahren wollen, dann könnte diese nur darin bestehen, daß dieser Eid auf eine Person geleistet werden soll.
Es geht hier um einen Soldateneid. Nach der vorliegenden Fassung wird darin versprochen, das Grundgesetz zu wahren. Das ist dem Beamteneid entnommen. Aber beim Soldaten handelt es sich doch um ganz andere Dinge. Der entscheidende Akzent des hier vorgeschlagenen Soldateneides liegt doch auf dem zweiten Teil, nämlich da, wo es heißt „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen" oder: seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, was dasselbe beinhaltet, was hier in der anderen Formulierung unter „verteidigen" gemeint ist. Der Unterschied zwischen Beamteneid und Soldateneid ist doch sehr erheblich. Denn bei den Beamten bezieht sich der Eid auf die Wahrung des Grundgesetzes, auf die Funktionen, die sie beruflich zu erfüllen haben, während die beruflichen Aufgaben und Pflichten des Soldaten auf einem ganz anderen Gebiet liegen.
Wenn hier vorgeschlagen wird, die Berufssoldaten den Eid ablegen zu lassen und nicht die Wehrpflichtigen, dann muß ich sagen, Herr Kollege Kliesing: nicht nur das Argument, daß man dadurch zweierlei Soldaten schaffe, ist zutreffend, sondern es gibt auch eine andere sachliche Überlegung. Der Unterschied zwischen dem Berufssoldaten und dem Wehrpflichtigen ist überhaupt nur in ihrem rechtlichen Status zu sehen, aber nicht in ihren Pflichten und Aufgaben; die sind genau dieselben. Wie wollen Sie denn den Unterschied rechtfertigen, den Sie herbeiführen, wenn Sie die Berufssoldaten den Eid schwören und die Wehrpflichtigen nur das Gelöbnis ablegen lassen?
Dann noch zu der Formulierung: „das GrundBesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren". Vom Beamten, der das schwört, kann man selbstverständlich erwarten, daß er sich über die Tragweite dieser Formulierung voll im klaren ist. Aber bei dem Soldaten können Sie es, abgesehen von den ganz anderen beruflichen Aufgaben und Pflichten, die er hat, nicht ohne weiteres unterstellen. Ich darf noch hinzufügen: der Beamte hat nichts zu verteidigen, während der Soldat verteidgen soll. Auch die Minister schwören nicht, etwas zu verteidigen, nicht einmal ihren Ministersessel zu verteidigen, sondern sie schwören nur, das Grundgesetz treu zu wahren.
Ich darf noch mit einem Satz auf die hier schon heraufbeschworenen Erinnerungen an die Hitlerzeit und den 20. Juli eingehen. Die noch lange
Ell nicht abgeschlossenen Diskussionen darüber sollten uns wirklich davon abhalten, in der augenblicklichen Situation schon eine gesetzliche Bestimmung über den Eid zu schaffen.
Aber was uns am meisten bewegt, wenn wir uns mit dieser Frage beschäftigen, ist der von uns immer noch nicht voll ermessene Zustand unseres gespaltenen Vaterlandes, sind die Entwicklungen, die es in Zukunft noch nehmen kann. In der Regierungsvorlage des Soldatengesetzes war vorgesehen, den Soldaten einen Eid schwören zu lassen, daß er das Vaterland tapfer verteidigen wolle. Meine Damen und Herren, auf unser deutsches Vaterland kann heute leider kein Eid geschworen werden, denn es besteht nur in unseren Hoffnungen, in unseren Wünschen und in unserer Sehnsucht. Aber vor der Erfüllung dieser unserer Wünsche können wir alle noch vor Konfliktsituationen gestellt werden, die wir durch den Eid für unsere Soldaten nicht erschweren sollten. Die Spaltung Deutschlands lastet auf uns allen schwer genug. Versuchen wir erst einmal, sie zu überwinden; wenn wir wieder ein gesamtdeutsches Vaterland haben, dann werden wir auch über den Eid darauf sprechen können. Heute ist die Zeit dafür nicht reif.
Das Wort hat der Abgeordnete Heye.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte — und will versuchen, mich kurz zu fassen — meine persönliche Auffassung zur Frage des Eides sagen. Ich bin mir darüber klar, wie verschieden — die Debatte hat es bewiesen — die Auffassungen über die bindende Kraft des Eides, über die Bedeutung des Eides, über den Eidgebenden und den Eidfordernden sind. Ich glaube, die Bewertung des Eides befindet sich nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern in einer Krise. Sie hat bei uns mit dem 20. Juli ihren Höhepunkt gefunden, und ihre Nachwirkungen sind nach meiner Überzeugung bis heute noch nicht überwunden.
Ich glaube mich in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Mitglieder des Hohen Hauses zu befinden, wenn ich der Auffassung bin, daß ein Eid immer religiösen Charakter hat und daß ein Eid ohne diesen religiösen Charakter im Grunde kein Eid ist. Wir wissen, daß in der Sowjetunion der Eid mit den Worten „Ich schwöre" geschworen wird. Auch das Wort „Eid" kommt in diesem Schwur oder in diesem Gelöbnis vor. Ich glaube, daß dieser Schwur nicht die Form ist, die wir als „Eid" bezeichnen. Dieser Eid stellt meines Erachtens keine Bindung an eine höhere Ordnung dar. Lediglich die Strafandrohung durch die staatlichen Gewalten üben eine bindende oder hemmende Wirkung auf den Menschen aus, der diesem Eid unterworfen ist.
Gerade die Ereignisse der vergangenen 20 Jahre haben uns die Notwendigkeit bewiesen, daß wir nach dem „Verschleiß" des Eides — ich möchte dieses Wort einmal gebrauchen — erst einmal wieder eine Basis für eine höhere Verpflichtung finden. Wir sollten deshalb in jedem Falle erst abwarten, bis die Verwirrung — ich möchte das gerade im Zusammenhang mit dem Soldatengesetz betonen -, die z. B. durch die Beurteilung des 20. Juli entstanden ist und in der es in weiten Kreisen des Volkes noch keineswegs zu einer befriedigenden Klärung gekommen ist, überwunden und damit die Bahn frei ist für eine neue Ordnung der soldatischen Verpflichtung.
Im einzelnen möchte ich folgende Probleme ansprechen: Ich bin der Auffassung, daß der Eid, wie er in der monarchischen Zeit dem Landesherrn, dem Herrscher geleistet wurde, ein religiöser Eid war. Er war immer eine wechselseitige Bindung, d. h. nicht nur vom Eidgebenden gegenüber dem Eidfordernden, sondern auch umgekehrt. Viele Menschen, auch Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges, vergessen und hatten es auch in der Zeit Hitlers vergessen, daß Hitler moralisch nicht berechtigt war, einen Eid auf seine Person zu fordern, ja sogar unter Strafandrohung zu erzwingen. Hitler hatte ja den Eid selbst gebrochen und die Menschen, die ihm einen Eid geleistet haben, damit ihrer Treuepflicht moralisch entbunden. Aus dieser Betrachtungsweise ergibt sich, daß der Eid nach meiner Ansicht im Grunde seinen Sinn verliert, wenn er nicht irgendwie in einer eidfordenden Persönlichkeit personifiziert wird. Wie will man sonst das wechselseitige Treueverhältnis zur Wirkung bringen? Wenn der Eid also nicht irgendeiner Person geleistet wird, sei es dem Herrscher, sei es dem Bundespräsidenten oder sonst einem verantwortlichen Amtsinhaber, so verliert er nach der persönlichen Einstellung einen wesentlichen Teil seiner bindenden Kraft. Ich bezweifle, ob man den Eid nur auf eine Institution, also z. B. die Regierung, den Staat oder auch die Gesetze, abstellen kann, weil die Auswirkungen des Verhältnisses wechselseitiger Treue ohne einen persönlichen Partner für den Eidgebenden nach meiner Überzeugung kaum erwartet werden können.
Ein weiterer Punkt erscheint mir wichtig. Bis 1918 bestand ein Verhältnis wechselseitiger Treue der Beamten und Offiziere zum Herrscher, das natürlich auf einem religiösen Eid beruhte, wobei Gott als Eideshort angesprochen wurde. Aber — und das scheint mir entscheidend zu sein — der Soldat oder der Beamte wurde nicht erst durch den Eid verpflichtet, die Gesetze einzuhalten. Aus dem Eid ergab sich lediglich ein besonderes persönliches Treueverhältnis zwischen dem Herrscher einerseits und dem Beamten und dem Offizier andererseits. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich eine Entscheidung des Reichsmilitärgerichts aus dem Jahre 1902, das diesen Tatbestand klar beleuchtet. In dieser Entscheidung vom März 1902 führte das Reichsmilitärgericht aus, daß dem soldatischen Eid nur die Bedeutung einer äußerlich erkennbaren feierlichen Bekräftigung getreuer Pflichterfüllung der schon im Augenblick der Zugehörigkeit zuni aktiven Heer übernommenen Dienstpflichten beizumessen sei. Der Soldat ist also bereits durch Gesetz verpflichtet, seine Dienstpflichten zu erfüllen, wenn er das Kasernentor durchschreitet. Die Eigenschaft als Militärperson sei nicht von der vorgängigen Leistung des Fahneneides abhängig, und die Verweigerung des Eides habe keinerlei Folgen. Wie verschieden ist gegenüber dieser Auffassung die Behandlung des Eidproblems in der Hitlerzeit durch Zwang und Strafe.
Im Art. 136 der Weimarer Verfassung, den wir ins Grundgesetz übernommen haben, war festgelegt worden, daß niemand zu einer kirchlichen Handlung oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden dürfe. Durch die Verfassung von 1919 wurde also dem Eide trotz
der ebenfalls benutzten Ausdrücke „Ich schwöre" und „Eid" ein neuer Sinn beigelegt, der das Religiöse in dem früheren Sinne ausschaltete. Es blieb natürlich jedem unbenommen, dem Eid eine besondere religiöse Beteuerungsformel hinzuzufügen. Nach der Weimarer Verfassung bedeuten also die Worte „Ich schwöre" einfach: „Ich versichere feierlich".
Trotz dieser Wandlung des Inhaltes wurde am Eide festgehalten. Ich zitiere hier den Bonner Gelehrten Friesenhahn, der in einer Abhandlung über den politischen Eid schreibt:
Bei aller reinlichen Scheidung des Staates von der Religion
— wie sie in unserer Verfassung niedergelegt worden ist —
versuchte der Staat, die bei vielen Staatsangehörigen noch vorhandenen religiösen Vorstellungen, die mit dem Eide verbunden waren, für die Zwecke des Staates dienstbar zu machen.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Kernpunkt dessen, was ich sagen wollte. Ich halte den Eid nicht für das geeignete Mittel, die Bürger stärker an den Staat zu binden. Ich habe es in meinem Leben, auch als Soldat im ersten_und im zweiten Weltkrieg, selbst in schwierigen Situationen, wo es um das Letzte ging, nie erlebt, daß ein Mensch, wenn er nicht schon von sich aus die entsprechende religiöse oder ethische Haltung hatte, in solcher Stunde deshalb seine Pflicht tat oder bis zum letzten aushielt, etwa weil er sich durch den Eid gebunden fühlte. Ich kenne nur wenige Fälle, in denen u. a. einige Offiziere sich in den Novembertagen 1918 gegen die Meuterei vor die Flagge gestellt und sie mit Einsatz ihrer Person verteidigt haben. Aber die Masse der Menschen, die damals unter einer anderen Staatsform dem Kaiser den Treueid geleistet hatten, war 1918 nicht bereit, den Kaiser unter Einsatz ihres Lebens zu schützen. Ich warne vor der Täuschung, den Eid als zuverlässiges Element den Zwecken des Staates dienstbar machen zu können. Der Ankläger Bauer im Remer-Prozeß hat 1952 diese Auffassung so formuliert:
Dem „Dritten Reich" blieb es vorbehalten, das religiöse Element als Untermauerung des soldatischen Berufsethos neu zu entdecken.
Ich bin der Überzeugung, daß für uns die Gesetze maßgebend sind, nach unserer Verfassung, nach unserer Tradition und unserer gegenwärtigen Lage. Wer nicht von sich aus bereit ist, die Gesetze zu erfüllen, der wird sie bestimmt nicht deswegen erfüllen, weil er einen Eid leistet. Der Eid macht aus dem Feigling keinen Helden!
Der Eid macht auch aus dem Menschen, der den Staat ablehnt, keinen treuen Staatsdiener. Ich kann nur immer wieder sagen, daß ein solcher Glaube gefährlich ist und zur Entwertung des Eides führt. Man darf den Eid nicht zu einer bloßen Formalität herabwürdigen.
In jedem Fall bin ich der Auffassung, daß wir mit der Einführung des Eides zumindest warten sollten, bis die Meinungen sich geklärt haben. Wir versuchen, die Trümmer des letzten Krieges mit all den Gesetzgebungswerken, die wir vor uns haben
— Kriegsopfer, Rentenversorgung, 131-Novellen—, wegzuräumen, und wir bedauern, daß es nicht schneller geht. Wir müssen aber auch auf dem ethischen, geistigen Gebiete Trümmer entfernen, und das geht nicht so schnell wie das Wegräumen des Materiellen. Deshalb bin ich persönlich der Auffassung, daß wir bei der Entscheidung über Probleme wie den Eid, der gerade bei uns besonders an das metaphysische Empfinden rührt, sehr behutsam vorgehen sollten. Nichts verdeutlicht die Schwierigkeit, vor der wir stehen, mehr als die heutige Debatte und die Tatsache, daß selbst in allen Kirchen völlig verschiedene Auffassungen über das Problem des Eides herrschen. Es ist nichts verloren, wenn zunächst die Auffassung des Verteidigungsausschusses Gesetz wird, bis wir in zwei, drei Jahren größere Klarheit und bessere Einsicht gewonnen haben.
Abschließend noch ein Punkt, meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Auffassung, daß man den Beamten und den Soldaten gleichstellen kann.
Beide haben eine völlig verschiedene Funktion im Leben der Gemeinschaft. Der Soldat — und ich glaube, der ganze Bundestag ist mit mir darin einig — oder überhaupt das Soldatentum beruhen auf Gehorsam und Kameradschaft. Das heißt, der Soldat bekommt Befehle; er bekommt Befehle von der politischen Führung. Die Befehlsgewalt, die er ausübt, ist technischer, spezieller Art. Sie rührt aber niemals an das Grundsätzliche.
Demgegenüber der Beamte. Der Beamte bekommt keinen Befehl, sondern er erhält einen Auftrag. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seiner Rechtskenntnis Gesetze auszulegen. Das ist etwas völlig anderes. Der Vergleich, demzufolge auf der einen Seite ein kleiner Beamter und auf der anderen Seite ein General steht, ist meiner Ansicht nach nicht beweiskräftig; denn die Aufgaben beider sind völlig verschieden. Ich bekenne mich in der Auffassung, daß wir bei den Menschen, die das Gesetz von sich aus halten wollen und zu denen wir — ob Soldaten oder Beamte, ist dabei ohne Bedeutung — dieses Vertrauen haben, auch ohne Eid auskommen. Diese Menschen erfüllen ihre Aufgabe aus einer inneren ethischen, religiösen Verpflichtung, auch ohne Eid, getreu dem Gesetz, dem alle Bürger unterworfen sind. Hüten wir uns vor dem trügerischen Glauben, durch den Eid eine stärkere Bindung an den Staat erreichen zu können!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Entgegnung! Herr Kollege Feller, Sie haben Sorge wegen des Dualismus, der zwischen vereidigten und nicht vereidigten Soldaten entstehen könnte. Ich möchte Ihnen sagen, das Großbritannien und Holland eine Lösung gefunden haben, die unserem Vorschlag gleicht, und die Erfahrungen beweisen doch, daß es dort nicht zu bedenklichen Konsequenzen gekommen ist, sondern daß die dort praktizierte Lösung sich vollauf bewährt hat.
— Darauf kommt es ja nicht entscheidend an.
Das geht am Wesen des Eides vorbei.
— Das will ich damit gar nicht gesagt haben; aber man sollte auch nicht damit argumentieren, daß dort andere Verhältnisse seien. Denn dann würde ich mich fragen, welchen Zweck es hat, daß wir im Ausland herumreisen und Erfahrungen sammeln, wenn hinterher gesagt wird: ja, dort sind andere Verhältnisse. In der Frage des parlamentarischen Beauftragten, der aus Schweden entlehnt wird, hat man ja auch nicht so gedacht.
Nun aber zu den Argumenten des Kollegen Merten! Herr Kollege Merten, angesichts Ihrer Argumentation muß ich mich sehr wundern, daß Sie es nicht längst als Ihre Pflicht angesehen haben, in diesem Hohen Hause einen Antrag auf Abschaffung des Beamteneides zu stellen.
Denn wenn man den Diensteid als einen Mißbrauch des Eides ansieht, meine Damen und Herren, dann kann man nicht hingehen und sagen: „Staat, du darfst deine Berufssoldaten nicht vereidigen", und gleichzeitig ruhig mit ansehen, wie die Beamten weiter vereidigt werden. Dann muß man schon konsequent sein. Wenn die Wiedereinführung des Beamteneides als Irrtum angesehen wird, dann möchte ich darauf hinweisen, daß ein Irrtum dann zur Schuld wird, wenn man in ihm beharrt. Entweder wir vereidigen Beamte und Soldaten, oder aber wir sind konsequent und lehnen die Vereidigung aller Beamten bis hinauf zu den Mitgliedern der Bundesregierung ab.
Man muß zwischen Gewissensnot und Gewissensbelastung unterscheiden, Herr Kollege Merten. Eine Gewissensbelastung stellt ein jedes Versprechen, ein Gelöbnis und selbstverständlich auch der Eid dar. Aber ich meine, gerade auf diese Belastung, die einen Appell an das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen darstellt, sollten wir nicht verzichten; denn davon existiert letzten Endes die Demokratie.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache über die Änderungsanträge geschlossen.
Ich komme zu der Abstimmung, wie angekündigt. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag Umdruck 526 Ziffer 3*) abstimmen. Meine Damen und Herren, ich schlage auch hier vor, daß wir nur über den ersten Absatz abstimmen, weil der Abs. 2 völlig wortgleich mit allen anderen vorliegenden Anträgen ist. Also zunächst der Antrag der Deutschen Partei Ziffer 3 zu § 7 a Abs. 1! Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nun zu dem Antrag Umdruck 527**) und rufe auch hier zunächst Ziffer 1, § 7 a Abs. 1,
*) Siehe Anlage 6.
**) Siehe Anlage 8.
auf. Wer diesem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mende und Genossen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Lüders zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger und Genossen auf Umdruck 531*). Wer diesem Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag Umdruck 524 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing und Genossen Umdruck 524 Ziffer 1**). Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, die Abstimmung wird wiederholt, durch Aufstehen bitte! Wer dem Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Kliesing und Genossen zustimmen will, den bitte ich, vom Platz aufzustehen. — Gegenprobe! — Uneinigkeit im Vorstand. Wir kommen zum Hammelsprung.
Meine Damen und Herren, ich bedaure, daß die Berliner Abgeordneten das „Privileg" haben, im Saal zu bleiben. Aber alle anderen Mitglieder bitte ich, den Saal nunmehr zu räumen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Auszählung beginnt. Ich bitte, die Türen zu öffnen.
Ich bitte die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den ersten Teil des Abs. 1 des § 7 a unter Ziffer 1 des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 524 haben 221 Mitglieder des Hauses gestimmt. Mit Nein haben 193 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten haben sich zwei. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Nun stehen wir vor der Frage, wie wir über die anderen Antragsteile zusammen abstimmen können. In Abs. 2 des § 7 a auf Umdruck 524 ist noch ein Wort strittig. In dem Antrag Dr. Kliesing heißt es: „Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten . . .". Dem steht der Antrag Dr. Mende und Fraktion gegenüber, der vorschlägt, zu sagen: „Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten . . .". Das Wort „nur" soll also danach gestrichen werden. Im übrigen sind die beiden Anträge völlig gleich.
Herr Abgeordneter Kliesing!
Um Schwierigkeiten zu vermeiden, streichen wir das Wort „nur".
Der Antragsteller streicht in § 7 a Abs. 2 des Änderungsantrags auf Umdruck 524***) das Wort „nur", so daß der Antrag auf Umdruck 527 von Abs. 2 an mit dem Antrag auf Umdruck 524 völlig gleichlautend wird. Die beiden Änderungsanträge sind also von den Worten: „Der Eid kann auch ohne die Worte ..." ab völlig gleich. Ich lasse deshalb über sie gemeinsam abstimmen.
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 7.
Wer dem Änderungsantrag zu § 7 a Absätze 2, 3 und 4 unter Ziffer 1 des Umdrucks*) sowie dem Änderungsantrag zum zweiten Teil des § 7 a Abs. 1 und zum Abs. 2 des § 7 a auf Umdruck 524 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die beiden wortgleichen Anträge sind damit angenommen.
Damit ist auch der Antrag der DP unter Ziffer 3 des Umdrucks 526 betreffend den Abs. 2 des § 7 a erledigt, der lauten sollte:
Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden.
Dieser Antrag ist dann sinngemäß mit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich fahre in der Abstimmung fort und rufe § 8 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 526 unter Ziffer 4 und Ziffer 5**) vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Es wird verzichtet.
Ich eröffne die Beratung über § 8. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse über die Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Partei abstimmen, also zunächst über Ziffer 4 auf Umdruck 526. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Nun Änderungsantrag unter Ziffer 5. Meine Damen und Herren, ich möchte darüber nicht abstimmen lassen. Hier heißt es nämlich: „Im § 8 wird Abs. 6 gestrichen". Ich bin bereit, die Frage zu teilen und über die Absätze 1 bis 5 und dann getrennt über Abs. 6 abstimmen zu lassen.
Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident, ich bitte, es bei Ihrer ursprünglichen Entscheidung zu belassen, daß über den Änderungsantrag vorab und dann über den Paragraphen abgestimmt wird. Ich bitte, nach Möglichkeit die Frage nicht zu teilen, sondern über den Änderungsantrag für sich abstimmen zu lassen.
Ja natürlich, Herr Abgeordneter, ist das meine Absicht. Das Problem ist ein ganz anderes, nämlich ein geschäftsordnungsmäßiges. Es liegt ein Streichungsantrag vor: im § 8 wird Abs. 6 gestrichen. Das ist keine gute Form. Man soll dann zu dem Abs. 6 entweder ja oder nein sagen. Wir haben bei Abstimmungen dieser Art, die sich auf Streichungen bezogen, im Hause im allgemeinen keine sehr guten Erfahrungen gemacht. Ich habe deshalb lediglich der Klarheit wegen diesen Abstimmungsmodus vorgeschlagen. Ich nehme an, daß Sie dagegen keine Bedenken haben, Herr Abgeordneter Erler.
Der Änderungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 526 unter Ziffer 4 ist schon zur Abstimmung gestellt und abgelehnt worden. Ich muß deshalb jetzt zunächst den Abs. 6 des § 8 aufrufen. Wer dem Abs. 6 des § 8 in der vorliegenden Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der DP unter Ziffer 5 abgelehnt.
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 6.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schneider!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren; Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich mit dem Verfahren, das hier geübt wird, nicht einverstanden bin, da wir natürlich Wert darauf legen, über unsere Anträge, wenn wir als Antragsteller es für erforderlich halten, auch etwas zu sagen. Im vorliegenden Fall habe ich wirklich das Bedürfnis gehabt, das zu tun. Ich weiß nicht, ob der Hinweis des Herrn Präsidenten so zu verstehen war, daß die Formulierung meines Antrags, nämlich den Abs. 6 des § 8 zu streichen, ihn zu dem Vorgehen veranlaßt hat, wie wir es soeben exerziert haben. Da wir noch weitere ähnliche Streichungsanträge gestellt haben, würde ich vorsorglich darum bitten, uns Gelegenheit zu geben, diese unsere Streichungsanträge zu begründen.
Herr Abgeordneter, das ist gar kein Problem. Ich habe Sie vorhin gefragt, ob Sie das Wort zu diesen Änderungsanträgen wünschen; Sie haben darauf verzichtet. Ich gebe Ihnen vorsorglich schon jetzt das Wort. Wenn ich diese Ziffern aufrufe, haben Sie das Wort zur Begründung. Selbstverständlich soll hier niemand zu kurz kommen. Ich habe Sie so verstanden, daß Sie darauf verzichten, die Anträge zu begründen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt, nachdem die Änderungsanträge Umdruck 526 Ziffern 4 und 5 erledigt sind, den § 8 mit den Absätzen 1, 2, 3, 4 und 5 auf. Wer diesen Absätzen des § 8 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der § 8 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Nunmehr zu § 9. Hier liegt wiederum ein Änderungsantrag der Fraktion der DP vor, Umdruck 526 Ziffer 6.*) Herr Abgeordneter Schneider zur Begründung!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Freunde beantragen, den dritten Satz des § 9 zu streichen, der da lautet:
Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist; die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung.
Wir sind der Auffassung, daß die Disziplinarstrafordnung ausreichende Möglichkeiten bieten wird, um solche Vorkommnisse zu verhindern, da sowohl Untergebene wie Vorgesetzte gleichermaßen von dieser Regelung betroffen würden.
— Herr Dr. Menzel, lassen Sie mich bitte ausreden! Ihre Zwischenrufe sind so schlecht wie die Politik, die Sie machen.
— Ja, sehen Sie, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus.
S) Siehe Anlage 6.
Meine Freunde von der Deutschen Partei — —
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß mit dieser Formulierung die Urteilsfähigkeit der Untergebenen überfordert wird. Es besteht die Gefahr, daß künstliche Gewissenskonflikte konstruiert werden, was gerade in einem Fall eintreten könnte, wo es sich in entscheidender Lage um Befehle handelt, die schnell gegeben und die auch schnell ausgeführt werden müssen.
Ganz besonderen Anstoß nehmen wir aber an der letzten Formulierung:
die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung.
Wir sollten unbedingt darauf sehen, daß die Verantwortung für Befehle ausschließlich beim Vorgesetzten liegen muß und nicht, auch nicht teilweise, auf den Untergebenen abgewälzt werden darf. Wenn wir uns dieses Prinzip zu eigen machen — und die Fraktion der DP hat das getan —, dann können wir uns mit dem letzten Satz nicht einverstanden erklären.
Ich bitte Sie, unserem Antrage zuzustimmen.
Sie haben die Begründung dieses Änderungsantrags gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Wenn der Herr Kollege Schneider etwas mehr Gelegenheit und Zeit gehabt hätte, an den Beratungen des Verteidigungsausschusses persönlich teilzunehmen,
würde er diesen Antrag und einige andere Anträge vielleicht nicht gestellt haben. Ich möchte für die Fraktion der CDU/CSU jedenfalls erklären, daß wir den Streichungsantrag mit Entschiedenheit ablehnen. Die Erfahrungen der Vergangenheit und der Wille, eine Armee aufzubauen, die auf Menschenrecht und Menschenwürde beruht, verpflichten uns dazu, eine solche Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen. Ein Mißbrauch wird durch den zweiten Halbsatz sowieso ausgeschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Bemerkung des Herrn Kollegen Jaeger ganz energisch zurückweisen. Ich stelle fest, daß ich genau so oft und genau so wenig an Verteidigungsausschußsitzungen teilgenommen habe wie er selbst und andere Kollegen des Ausschusses. Gegebenenfalls kann das ja überprüft werden. Ich halte es für eine zu billige Methode, mit solchen Mitteln hier gegen einen Antrag zu argumentieren, Herr Kollege Jaeger, und ich hätte Ihnen, ehrlich gesagt, etwas mehr zugetraut.
Nun, ich würde es begrüßen, wenn solche persönlichen Auseinandersetzungen hier unterlassen würden und nicht die Debatte belasteten.
Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwar würde auch ich es begrüßen, wenn wir keine unnötigen persönlichen Auseinandersetzungen führen würden. Aber dann muß ein Antragsteller wenigstens die Vorlage auch lesen.
— Ja, um einer Legendenbildung vorzubeugen. Der zweite Halbsatz ist von Herrn Kollegen Schneider so ausgelegt worden, als wollten die Verfasser der Vorlage dem Soldaten die Verantwortung für die Ausführung eines Befehls aufbürden. Das ist gar nicht wahr. Es handelt sich hier lediglich darum, daß er die Verantwortung dafür trägt, wenn er den Befehl nicht ausführt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag? — Herr Abgeordneter Becker !
Meine Damen und Herren! Es handelt sich meiner Ansicht nach nicht darum, was hier und dort ausgelegt wird, sondern darum, daß wir ein Gesetz machen müssen, das auch von denjenigen verstanden wird, die es betrifft.
Darauf kommt es an. Wenn Sie hier einen Halbsatz anhängen, in dem steht: „die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung", dann muß der betreffende Soldat wieder nachschlagen und muß sehen: „. . . ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist". Aus der Formulierung dieses zweiten Halbsatzes geht nicht einwandfrei hervor, wofür die Verantwortung zu tragen ist.
— Es steht nicht darin. Sie können aber nicht verlangen, daß jemand, der dieses Gesetz kennen und befolgen soll, die scharfsinnigen Überlegungen anstellt, die vielleicht bei vielen Diskussionen im Verteidigungsausschuß angestellt worden sind und schließlich zu dieser Formulierung geführt haben. Es ist nach meiner Ansicht eine mißverständliche Formulierung. Sie führt tatsächlich dazu, daß dem Betreffenden, der eventuell einen Befehl nicht ausführt, eine Verantwortung auferlegt wird, die er nicht tragen kann.
Ich trete deshalb dafür ein und bitte Sie darum, diesen dritten Satz zu streichen — es handelt sich nicht um „Legendenbildung", sondern um die praktische Anwendung, um ein Begreifen des Gesetzes —, damit nicht der Soldat unter dem Eindruck steht, daß ihm eine Verantwortung angelastet werden soll, die tatsächlich nur der Vorgesetzte tragen kann.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor. — Meine Damen und Herren, ich kann auch in dieser Sache nur so verfahren, daß ich mit ja oder nein zum Text abstimmen lasse. Ich teile also die Frage und lasse zunächst abstimmen über die ersten beiden Sätze des Abs. 1 von § 9: „Der Soldat muß seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen." Wer diesen Sätzen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die beiden Sätze sind angenommen.
Nun kommt Satz 3, der nach dem Antrag der Deutschen Partei gestrichen werden soll — in der Ausschußvorlage ist dieser Satz dick gedruckt —: „Ungehorsam liegt nicht vor, . . ." bis ,,. . . von der Verantwortung." Wer diesem Satz zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der § 9 Abs. 1 ist damit in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf den Abs. 2 des § 9. Wer diesem Abs. 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abs. 2 ist angenommen.
Ich rufe auf § 10 — § 11 entfällt hier —, § 12, § 13; § 14 entfällt hier. Wer den Beschlüssen des Ausschusses zu § 10 bis § 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 15. Hier liegt ein Änderungsantrag zu Abs. 2 auf Umdruck 530*) vor.
Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist, wenn ich zunächst den Abs. 1 zur Diskussion und zur Abstimmung stelle. Wird zu dem Abs. 1 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über § 15 Abs. 1. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun der Änderungsantrag zu Abs. 2 auf Umdruck 530. Wird der Wunsch geäußert, diesen Änderungsantrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die Neufassung des § 15 Abs. 2, wie wir sie vorschlagen, wird der letzte Gedanke des bisherigen Abs. 2 festgehalten, daß der Soldat bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen dürfe; dagegen entfällt, und zwar nur für den Wehrpflichtigen, die Vorschrift, daß außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen der Soldat bei politischer Betätigung die Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren habe, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf seine soldatischen Pflichten ergeben. Wir sind der Auffassung, daß dieser Sachverhalt im § 8 Abs. 6 für alle Vorgesetzten und damit im wesentlichen für die Berufssoldaten in ausreichender Weise geregelt ist. Dort heißt es, daß Offiziere und Unteroffiziere innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren haben, die erforderlich ist, um sich das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. Das bezieht sich selbstverständlich auch auf politische Äußerungen.
Im übrigen ist in den bisherigen Absätzen des § 15 sehr ausführlich über die Grenzen der poli*) Siehe Anlage 10.
tischen Tätigkeit für alle Soldaten gesprochen worden. Eine weitergehende Beschränkung gerade der politischen Meinungsfreiheit und Tätigkeit der Wehrpflichtigen halten wir nicht für angezeigt. Dabei handelt es sich ja nicht nur um jüngere Männer, sondern nach dem Entwurf des Wehrpflichtgesetzes, das dem Bundesrat bereits vorliegt, auch um zahlreiche ältere Männer, die zu Übungen einberufen werden und deren staatsbürgerliche Betätigung hier über Gebühr eingeschränkt wäre.
Zum Schluß erlaube ich mir noch die Berner-kung, daß ich den Satz etwas seltsam finde, daß der Soldat bei politischer Betätigung die Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren habe, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit ergeben. Diese selbe Zurückhaltung und Mäßigung sollte doch eigentlich Sache aller Staatsbürger sein und nicht nur der Soldaten. Ich glaube, das gilt sogar für die Mitglieder des Bundestages, ganz gleich, auf welchen Bänken sie sitzen, daß sie sich bei ihrer Arbeit der Stellung gegenüber der Gesamtheit durchaus bewußt sind. Oder etwa nicht, meine Damen und Herren?
Meine Damen und Herren, wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Berendsen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Streichung so verstanden wird, Herr Kollege, wie Sie es eben sagten, daß Sie das auch auf uns, auf jeden Staatsbürger beziehen, dann kann man mit dieser Erklärung selbstverständlich einverstanden sein. Wenn das also ausdrücklich damit gemeint ist, dann, glaube ich, ist auch von unserer Seite nichts dagegen einzuwenden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, damit kein Mißverständnis entsteht, möchte ich folgendes sagen. Ich habe vorhin den Abs. 1 a nicht ausdrücklich aufgerufen. Wir können ihn als einen Teil des Abs. 1 betrachten. Entsprechendes gilt dann für Abs. 2 a.
Wir haben zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck 530*) abzustimmen. Wer diesem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige ablehnende Stimmen ist der Änderungsantrag auf Umdruck 530 angenommen.
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zur Abstimmung über den Abs. 2 einschließlich Abs. 2 a, genau so wie vorhin Abs. 1 a in Abs. 1 eingeschlossen gewesen sein soll. Wer diesem Abs. 2 in der durch die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 530 veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen einige ablehnende Stimmen angenommen.
Ich komme zu § 15 a — hier liegen Änderungsanträge nicht vor —, § 15 b, — § 15 c, — § 15 d, —§ 16 entfällt, § 17 mit allen Absätzen, — § 18, —§ 19,—§ 20,—§ 21,—§ 22,—§ 23,—§ 23 a,§ 24,—§ 25,—§ 26,—§ 26 a, — § 27,—§ 28,§ 29, — § 30, — § 31. — Wird zu sämtlichen noch offenen Paragraphen des Ersten Abschnitts das
*) Siehe Anlage 10.
Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen des Ersten Abschnitts in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich komme zum Zweiten Abschnitt und rufe auf die §§ 32,-33,-34,-35,-36,-37,-38,39, — 40. — So weit liegen bis jetzt keine Änderungsanträge vor. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Nunmehr kommen wir zu dem § 41. Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor, die sich aus der Annahme des Änderungsantrags des Abg. Kliesing ergeben. Auf Umdruck 524 heißt es unter Ziffer 2:
In § 41 Abs. 2 Nr. 4 werden die Worte „das feierliche Gelöbnis" durch die Worte „den Eid" ersetzt.
Über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 526 wird besonders abzustimmen sein. Zunächst zum Änderungsantrag des Abg. Dr. Kliesing zu § 41 Abs. 2 Nr. 4. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; die Fassung ergibt sich ja aus der Annahme des früheren Änderungsantrags. Der DP-Antrag spricht von „Diensteid". Ich habe verstanden, daß vorhin das Wort „Eid" angenommen worden ist, und nehme an, daß es dabei bleiben soll. Darf ich die Herren Antragsteller von der Deutschen Partei fragen, ob sie auf „Diensteid" beharren oder ob sie sich mit dem „Eid" einverstanden erklären?
— Dann fällt der Änderungsantrag der Deutschen Partei unter Ziffer 7 weg, und wir stimmen zunächst ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 524 Ziffer 2 zu § 41 Abs. 2 Nr. 4. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag Umdruck 524 Ziffer 2*) ist angenommen. Damit ist gleichzeitig der FDP-Antrag erledigt, der ja wortwörtlich denselben Inhalt hat.
Meine Damen und Herren, wird zu den übrigen Bestimmungen des § 41 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich stelle dann den ganzen § 41 mit der bereits beschlossenen Änderung zu Abs. 2 Ziffer 4 zur Abstimmung. Wer diesem Vorschlag des Ausschusses mit der eben beschlossenen Änderung in Abs. 2 Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —§ 41 ist mit der beschlossenen Änderung in Abs. 2 Ziffer 4 angenommen.
Ich rufe auf die §§ 42, — 43, — 44, — 45, —46,-47,-48,-49,-50,-51,-52,-53,-53a,-54,-55,-56,-57a,-57b,-57c,-57 d, — 57 e. — Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind in zweiter Lesung angenommen.
*) Siehe Anlage 7.
Zu § 57 f liegt auf Umdruck 526 Ziffer 8**) ein Streichungsantrag vor. Ich kann es wiederum nur so machen, daß ich den Text des § 57 f zur Abstimmung aufrufe. Wer dem § 57 f zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das ist die Mehrheit; § 57 f ist angenommen. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zu diesem Punkt erledigt.
- Verzeihung, wollten Sie das Wort?
— Noch einmal zur Geschäftsordnung?
— Meine Damen und Herren, es sollen alle rechtlichen Bedenken hier erwogen werden; deshalb gedulden Sie sich! — Herr Abgeordneter Schneider zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, vorhin eingehend genug dargelegt zu haben, daß wir Wert darauf legen, unsere Anträge zu begründen, sofern wir durch die Beratungen nicht zu einem gegenteiligen Schluß gekommen sind. Es ist eine schlechte demokratische Gepflogenheit in diesem Hause
— ich bitte, mich nicht dauernd zu unterbrechen! —,
wenn man den Antragstellern verwehrt, ihre Anträge auch zu begründen. Ich habe vorhin, Herr Präsident, ausdrücklich gebeten, daß Sie mir, auch wenn Sie an der Formulierung unserer Anträge, die zumeist nur auf Streichung lauten, Anstoß nehmen, trotzdem das Wort zur Begründung unserer Anträge geben. Sie haben mir das zugesichert. Ich bin deswegen überrascht, daß. ich auch hier wieder nicht das Wort erhalten habe, obwohl ein Änderungsantrag nach der Geschäftsordnung vorgezogen werden muß.
Herr Abgeordneter Schneider. es ist in diesem Fall wahrscheinlich ein reines Versehen meinerseits. Ich hatte angenommen, daß Sie sich dazu noch einmal melden würden. Ich hatte mich beim Schriftführer erkundigt, ob diese Meldung erfolgt war; wir haben sie hier nicht bemerkt. Herr Abgeordneter Schneider, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß Sie das, was Sie sachlich zu diesem Änderungsantrag ausführen wollten, schriftlich hier vorlegen und daß das in das Protokoll voll aufgenommen wird.
— Ich gebe Ihnen jetzt noch einmal das Wort zur Geschäftsordnung, dann aber nicht mehr.
Meine Damen und Herren. ich muß gegen dieses Verfahren nachdrücklichst Einspruch erheben. Hier handelt es sich darum, daß wir alle in gemeinsamer großer Verantwortung an einem Gesetzeswerk arbeiten, das nicht mit der linken Hand gemacht werden kann.
**) Siehe Anlage 6.
— Schon längst nicht mit der linken Hand, sondern nur gemeinsam!
Herr Präsident, ich bitte es mir nicht zu verübeln, wenn ich mit dieser Hartnäckigkeit darauf bestehe, daß ich zu den Anträgen und zu den Fragen, die meine Fraktion besonders bewegt haben, hier das Wort erhalte. Ich kann mich unter keinen Umständen mit dem hier geübten Verfahren einverstanden erklären.
Herr Abgeordneter, wenn Sie dem Präsidenten oder dem Präsidium unterstellen, daß Ihnen mit Absicht das Wort nicht gegeben worden sei, als Sie Anspruch darauf hatten, dann täuschen Sie sich. Ich und das ganze Präsidium haben nicht bemerkt, daß Sie sich zum Wort gemeldet haben.
Ich habe Ihnen gesagt, falls es auf einem Irrtum oder einem Versehen meinerseits beruht
— lassen Sie mich reden, ich lasse Sie auch reden —, dann schlage ich Ihnen vor, diese Erklärung zu Protokoll zu geben. Wenn Sie davon keinen Gebrauch machen wollen, dann stelle ich das fest und fahre in der Verhandlung fort.
Ich komme zu den §§ 57 g, — 57 h, — 57 i, —57 k, — 58 und 59. — Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Über Einleitung und Überschrift haben wir bereits beraten und beschlossen; ich brauche sie deshalb in der zweiten Lesung nicht noch einmal aufzurufen.
In diesem Augenblick wird vorgeschlagen, nach Beendigung der zweiten Lesung — wir sind jetzt gleich mit der zweiten Lesung fertig — eine Pause von einer Stunde eintreten zu lassen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
— Einen Augenblick! Lassen Sie mich erst die zweite Lesung hiermit feierlich schließen.
Nun der Antrag auf Vertagung bzw. Unterbrechung für eine Stunde. Diesem Vorschlag wird hier widersprochen.
— Einverstanden?
— Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß nach Möglichkeit mindestens eine halbe Stunde, möglichst aber eine Stunde unterbrochen wird. Ich glaube, daß dieser Vorschlag seinen Sinn hat, und möchte Ihnen doch empfehlen, nunmehr eine Stunde Pause zu machen.
— Nein?
— Meine Damen und Herren, wenn Widerspruch laut wird, dann muß ich abstimmen lassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Menzel hat beantragt, die Sitzung für eine Stunde zu unterbrechen. Ich schlage vor, daß bis 15 Uhr 30 unterbrochen wird. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die große Mehrheit.
Die Sitzung ist bis 15 Uhr 30 unterbrochen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Zunächst gebe ich nach § 36 der Geschäftsordnung das Wort zu einer tatsächlichen Erklärung für die Fraktion der FDP dem Herrn Abgeordneten Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der zu Beginn der heutigen Sitzung erfolgten Mitteilung über die Bildung einer „Arbeitsgemeinschaft freier Demokraten" als Fraktion gebe ich namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung ab:
1. Die genannte Vereinigung besteht aus 14 Abgeordneten, die sich als Mitglieder der FDP betrachten, und den Abgeordneten Dr. Berg und Euler als Gästen. Entgegen der dem Herrn Präsidenten gemachten Mitteilung ist Abgeordneter Dr. Berg nicht mehr Mitglied der FDP; er hat am 24. Februar 1956 durch Telegramm an den Kreisverband Altena der FDP seinen Austritt aus der FDP erklärt.
Der etwaige Versuch, diese Austrittserklärung zu widerrufen, ist rechtlich unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 bis 3 der Geschäftsordnung in Verbindung mit dem Beschluß des 2. Deutschen Bundestages gemäß Drucksache 45 sind somit nicht gegeben. Es handelt sich bei der Vereinigung um keine Fraktion.
2. Außerdem ist es nicht möglich, daß etwa ein und dieselbe Partei durch mehrere Fraktionen im Bundestag vertreten ist. Dies widerspricht der Stellung der Parteien nach Art. 21 des Grundgesetzes und dem Sinn des § 10 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
3. Die neugebildete Vereinigung hat nicht das Recht, sich des Namens „Freie Demokraten" zu bedienen.
4. Da die unter Ziffer 2 angeschnittene Frage von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist, behalten wir uns die geschäftsordnungsmäßig erforderlichen Schritte gemäß § 129 der Geschäftsordnung vor.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten diese formulierte Erklärung noch durch die Mitteilung ergänzen, daß, wie wir erst jetzt erfahren haben, auch der Abgeordnete Dr. Martin Blank seinen Austritt aus der FDP erklärt hat, so daß es sich nur um 13 plus 3 Abgeordnete handelt.
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, eine persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung entgegennehmen zu wollen.
Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, Abgeordneter Dr. von Brentano, hat ausweislich der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", „Stuttgarter Zeitung" und „Stuttgarter Nachrichten" vom 3. März 1956 und anderer Zeitungen auf einer Wahlversammlung in Karlsruhe am 2. März 1956 zu meinem Diskussionsentwurf eines Deutschlandplanes im Gegensatz zu Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier, Vizepräsident Professor Carlo Schmid, Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller und Bundestagsabgeordneten Kurt Georg Kiesinger, die sich in sachlicher Form teils zustimmend, teils ablehnend äußerten, wörtlich zu meiner Person erklärt: „Der Mann soll doch im Sandkasten spielen, aber keine` Politik machen".
Damit glaubt Herr von Brentano, auf einen sachlichen Vorschlag zur Wiedervereinigung Deutschlands mit einer persönlichen Kränkung antworten zu müssen.
Der beleidigende Hinweis des Herrn von Brentano dürfte im Gegensatz zu dem stehen, was das Volk im geteilten Deutschland von seinen Politikern und Abgeordneten mit Fug und Recht erwarten kann.
Ich stehe die gleiche Zeit wie Herr von Brentano
im politischen Leben Deutschlands — seit 1945 —
und gehöre seit 1949 wie er dem Deutschen Bundestag an. Die Äußerungen des Herrn von Brentano sind daher nicht nur eines amtierenden Bundesaußenministers unwürdig,
sondern auch ungehörig.
Es erscheint mir zweckmäßig, die Entgleisung des Herrn Bundesaußenministers von Brentano im Protokoll des Deutschen Bundestages festzuhalten, damit nicht in Vergessenheit geraten kann, wie ein Bundesaußenminister von Brentano im Jahre 1956 zu einem aus ernster Sorge um die Einheit Deutschlands geborenen Vorschlag glaubt Stellung nehmen zu müssen.
Die Damen und Herren seiner Fraktion, die bei dem Zitat „Der Mann soll doch im Sandkasten spielen, aber keine Politik machen" hier geklatscht haben, haben sich auf das gleiche Niveau gestellt. Ich schäme mich für sie.
Meine Damen und Herren, Sie haben eine persönliche Erklärung
nack § 36 der Geschäftsordnung gehört. Dazu gibt es jetzt keine Debatte. Ich frage, ob eine andere Erklärung dazu abgegeben wird. — Dann darf ich bitten, daß sie mir nach der Geschäftsordnung vorher schriftlich vorgelegt wird.
Wir fahren nunmehr in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf die
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestagsausschuß für Verteidigung hat am 13. Oktober vorigen Jahres mit den Beratungen der Ergänzungen des Grundgesetzes auf dem Gebiete der Wehrpolitik begonnen. Fast fünf Monate haben der Verteidigungsausschuß und der Rechtsausschuß sich mit diesen Entwürfen befaßt, bis schließlich heute das Plenum des Hohen Hauses sie berät. Sie sind wirklich in einer gründlichen und eingehenden Beratung herangereift, und nunmehr ist die Entscheidung fällig. Über die Grundlagen alter Anträge hinaus sind eine Reihe neuer Gesichtspunkte berücksichtigt worden, die vor allem die Stellung der Armee im Staat betreffen.
Die Meinungen in diesem Hohen Hause waren seit jeher geteilt, ob und inwieweit Grundgesetzergänzungen rechtlich zwingend notwendig seien. Aber man war sich von jeher in diesem Hause und der Bundesregierung gegenüber darüber einig, daß Ergänzungen des Grundgesetzes verfassungspolitisch notwendig sind. Sie sind es deshalb, weil der Parlamentarische Rat seinerzeit nicht in der Lage war, das zu tun, was die Weimarer Nationalversammlung getan hatte, nämlich die grundlegenden Bestimmungen über die Armee, über den Oberbefehl, über das Verhältnis von Armee und Staat in die Verfassung hineinzuschreiben, weil es damals gegen die Richtlinien der Alliierten verstoßen hätte. Nachdem die Besatzungsmächte von damals unsere Verbündeten geworden sind und die weltpolitische Lage heute auch von ihnen anders beurteilt wird als damals, ist nunmehr die Notwendigkeit gegeben, daß das inzwischen souverän gewordene deutsche Volk nachholt, was im Parlamentarischen Rat versäumt werden mußte.
Da das Grundgesetz seinerzeit unter der Mitarbeit aller politischen Parteien entstanden und mit den Stimmen der meisten politischen Parteien verabschiedet worden ist, war es notwendig, daß dieser Teil des Grundgesetzes, der nun nachgeholt wird, nicht von einer kleinen Mehrheit oder auch nur von einer knappen Zweidrittelmehrheit, die nach dem Grundgesetz notwendig ist, verabschiedet wird; es war vielmehr wünschenswert und notwendig, daß diese Ergänzung des Grundgesetzes von allen Parteien, von der Koalition sowohl wie von der Opposition, angenommen wird. Das Bestreben, das im Verteidigungsausschuß und im Rechtsausschuß geherrscht hat und von dem ich hoffe, daß es heute seine Erfüllung finden wird, ging dahin, daß diese Bestimmungen, die grundlegend für die Stellung der Armee im Staat sein werden, möglichst einstimmig angenommen werden. Ich darf die Hoffnung meiner politischen Freunde ausdrücken, daß das nun geschehen wird, nachdem es an Kompromißbereitschaft auf allen Seiten dieses Hohen Hauses nicht gefehlt hat. Wir sind seit jeher der Meinung, daß es über dem Streit
und Kampf der politischen Parteien, der in einer Demokratie richtig und notwendig ist, eine Reihe von Gebieten, besonders Gebieten nationaler Lebensinteressen, gibt, in denen sich alle Politiker und alle Parteien, die sich zum demokratischen Staat bekennen, einig sein sollten, unbeschadet dessen, ob sie gerade an der Regierung beteiligt sind oder sich in Opposition befinden. Solche Verhältnisse haben wir in den großen angelsächsischen Demokratien, und wir wünschen seit jeher, daß solche Verhältnisse auch bei uns herrschen mögen.
Es ist nach schwierigen Verhandlungen dank allgemeiner staatspolitischer Einsicht auf sämtlichen Seiten gelungen, zu einem Einverständnis zwischen den Parteien zu kommen und damit Koalition und Opposition in dieser Frage zu einigen. Wir sehen darin einen ersten und bedeutsamen Schritt, auch in Deutschland bestimmte lebenswichtige Fragen aus dem Streit der Parteien herauszunehmen und die Erkenntnisse daraus zur allen gemeinsamen Grundlage der Gesamtpolitik zu machen.
Wir halten diesen Punkt für um so wichtiger, als wir unter keinen Umständen wünschen, daß die Armee, in der die Söhne aller Bürger, der Angehörigen aller politischen Parteien, dienen werden, die Sache einer Partei oder einer Parteienkoalition wird. Die Bundeswehr kann und muß werden eine Sache der ganzen Nation, des ganzen Volkes und damit des ganzen Staates und des ganzen Parlamentes.
Bei den Beratungen über die Ausgestaltung der Ergänzung des Grundgesetzes haben wir uns vor allem davon leiten lassen, das Verhältnis der Bundeswehr zum Staat zu regeln. Wir wollten Fehler der Vergangenheit vermeiden und haben uns dafür entschieden, daß, um den Primat des Politischen über das Militärische klar und eindeutig zu betonen, die Befehls- und Kommandogewalt dem Bundesminister für Verteidigung gegeben wird, der sie auszuüben hat im Rahmen der Richtlinien der Politik, die der Bundeskanzler gibt, und unbeschadet der Prärogativen des Staatsoberhauptes, die die Verfassung im einzelnen aufzählt. Wir wollten verhindern, daß wieder, wie in früheren Zeiten, ein unmittelbarer Weg Generalität und Staatsoberhaupt verbindet, und wollten die parlamentarische Verantwortlichkeit völlig klarstellen. Unbeschadet dessen sind wir allerdings der Meinung und haben es auch im Grundgesetz verankert, daß es gewisse, sehr bescheiden gewordene, aber doch wichtige Prärogativen des Staatsoberhauptes gibt, das als der Exponent der Nation über allen Parteien in gewissen Fragen ein entscheidendes Wort zu sprechen haben soll, allerdings immer mit der Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers, bei den Grundfragen der des Bundeskanzlers selber.
Darüber hinaus sollte, um zu verhindern, daß die Bundeswehr ein Staat im Staate wird, eine parlamentarische Kontrolle wirksam sein. Wir haben uns deshalb mit den anderen Parteien darauf geeinigt, daß vor allem der Verteidigungsausschuß besondere Rechte erhalten soll, die es ihm ermöglichen, die Befugnisse auszuüben, deren Ausübung einem Parlament von 500 Abgeordneten, das öffentlich tagt, nicht möglich ist. Daß dem Ausschuß dabei die Rechte eines Untersuchungsausschusses übertragen sind, halten wir sowohl unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Kontrolle für einen sachlichen Fortschritt als auch deshalb begrüßenswert, weil damit die übliche Methode von Untersuchungsausschüssen, die sich auf dem Gebiet der Verteidigung nicht bewähren würde, in diesem Falle vermieden wird.
Selbstverständlich ist die Verteidigung Angelegenheit des Bundes. Wir haben aber trozdem dahin gewirkt und freuen uns, daß im Verteidigungs-
und im Rechtsausschuß Übereinstimmung darin erzielt worden ist, daß gemäß alter 'deutscher Tradition die landsmannschaftliche Gliederung und die Gliederung des Bundes in Länder Berücksichtigung finden sollen. Bei den schwierigen Fragen der Wehrverwaltung haben wir in gemeinsamer Arbeit mit dem Bundesrat versucht, eine Lösung zu finden, von der wir hoffen, daß sie nun auch im Bundesrat angenommen wird, so daß weitere gesetzgeberische Komplikationen vermieden werden können.
Schließlich haben wir uns angelegen sein lassen, uns darum zu bemühen, daß die Stellung des Soldaten in der Armee den Grundsätzen eines freiheitlichen Staates entspricht. Natürlich beruht eine jede Armee auf Autorität, auf Befehl und Gehorsam. Aber die Begrenzung des Befehlsrechtes und der Gehorsamspflicht mußte ebenso klargestellt werden, wie die Grundrechte zu betonen sind; denn der Soldat von morgen ist ein Staatsbürger in Uniform, und wir wünschen, daß diese Parole nicht zum leeren Schlagwort wird, sondern inhalterfüllt bleibt.
Wir haben uns deshalb dafür entschieden, die Grundrechte nur in einzelnen Fällen, die ausdrücklich aufgeführt werden, zu beschränken.
Wir haben uns auch darauf geeinigt, zum Schutz der Grundrechte einen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages einzusetzen. Die Mehrheit meiner politischen Freunde hat gegen diese Institution schwere sachliche Bedenken, denen, glaube ich, auch die Gegenseite nicht jedes Gewicht absprechen kann. Aber wir alle, ob wir, wie ich persönlich, Anhänger dieser Institution sind oder nur aus staatspolitischen Gründen, um eine Gesamteinigung zu erzielen, dieser Bestimmung zustimmen, hoffen, daß es durch eine weitere kluge Gesetzgebung, vor allem durch eine gute Durchführung der Gesetze und die Wahl richtiger Persönlichkeiten möglich sein wird, die Gefahren, die vielleicht in dieser Sache liegen mögen, zu vermeiden und auch diese Institution ähnlich fruchtbar zu gestalten wie in einigen nordischen Ländern.
Angesichts der großen Bedeutung 'der Frage, die heute zu entscheiden ist und die nach der Abstimmung über die außenpolitischen Verträge wohl die wichtigste ist, über die der Deutsche Bundestag bisher zu entscheiden hatte, ist es in der dritten Lesung nicht angebracht, auf Einzelheiten einzugehen; sie sind längst diskutiert. Es geht nur darum, die Grundsätze aufzuzeigen und zu betonen, daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union, auch wenn sie im einzelnen Bedenken haben mag, im ganzen aus Überzeugung der Grundgesetzänderung zustimmt, weil sie uns ein großer Fortschritt zu sein scheint in der Entwicklung des Verhältnisses von Armee und Staat und in der Gestaltwerdung der deutschen Demokratie. Unser größter Wunsch ist aber, daß für das Verhältnis von Armee und Staat ein neues Kapitel der deutschen Geschichte aufgeschlagen wird und daß die Gesetzgebung, die wir heute
verfassungsmäßig einleiten, nur dem einen Ziel dienen möge: den inneren und den äußeren Frieden unseres Volkes zu fördern.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur dritten Lesung des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und zur Schlußabstimmung über dieses Gesetz habe ich für die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses folgende Erklärung abzugeben.
Vor zwei Jahren haben gegen den Widerspruch der sozialdemokratischen Minderheit Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz vom 26. März 1954 zur Ergänzung des Grundgesetzes beschlossen. Die damals gefallene Entscheidung hat das Bonner Grundgesetz, das keine Möglichkeit zur Aufstellung bewaffneter Streitkräfte vorsah, völlig umgestaltet und das Wesen der Bundesrepublik als eines unbewaffneten Staates von Grund auf verändert. Jenes Gesetz spricht aus, daß unsere Verfassungsordnung dem Abschluß von Militärbündnissen, durch die sich die Bundesrepublik zur Bewaffnung verpflichtet, nicht entgegenstehen soll. Insbesondere ist damals durch die Neufassung des Art. 73 Ziffer 1 des Bonner Grundgesetzes eine Wehrgewalt des Bundes und seine Zuständigkeit zur Gesetzgebung über die Verteidigung einschließlich der Wehrpflicht begründet worden. Im Anschluß an jene so tiefgreifende Veränderung unserer Verfassung sind die Pariser Verträge abgeschlossen, wieder im Bundestag und im Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit gebilligt ) sowie von dem Herrn Bundespräsidenten durch Ratifikation in Kraft gesetzt worden. Völkerrechtlich sind sie gegen unseren Willen verbindlich geworden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen im Bundesrat haben die Pariser Verträge abgelehnt.
Mit jenen in der Vergangenheit liegenden Entscheidungen ist auch die Wiederbewaffnung des geteilten Deutschland eine beschlossene Sache. Wir Sozialdemokraten, die wir uns jenen Entscheidungen widersetzten, billigen sie politisch auch heute nicht, sondern halten sie nach wie vor für verhängnisvoll.
Vor der Geschichte trifft die Verantwortung dafür, daß in den Jahren 1954 und 1955 diese folgenschweren Schritte getan wurden, jene Parteien, die sich damals gegen die Sozialdemokratie zur Zweidrittelmehrheit zusammenschlossen.
Es hat sich nichts daran geändert, daß wir Sozialdemokraten politisch die Pariser Verträge entschieden ablehnen. Unsere Warnungen, daß der Weg einer solchen Vertragspolitik die deutsche Wiedervereinigung in gesicherter Freiheit erschwert und gefährdet, haben sich in der Folgezeit als gerechtfertigt erwiesen. Es wird äußerster Anstrengung und eines neuen Anfangs bedürfen, um in der dringlichsten Frage unserer Politik, der Frage der Wiedervereinigung, Fortschritte zu erzielen.
Bei der heute zu verabschiedenden Gesetzesvorlage geht es nicht um den Grundsatz der Wiederbewaffnung oder um die Vertragspolitik, sondern darum, verfassungskräftig Vorsorge dafür zu treffen, daß die bewaffnete Macht nicht wieder zum Staat im Staate wird, sondern die demokratische und freiheitliche Grundordnung trotz der veränderten Verhältnisse aufrechterhalten und gesichert bleibt. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, die Parteien dieses Bundestages hätten sich in der Wehrfrage geeinigt. Davon kann keine Rede sein. Hier und heute geht es nicht um die Wehrfrage, sondern um die innere Freiheit, um die Demokratie sowie um die Bürger- und Menschenrechte.
Wir Sozialdemokraten bedauern, daß die Bundesregierung keinen Finger gerührt und nichts dazu beigetragen hat, die Verfassungsordnung in der notwendigen Weise so neu zu gestalten, daß sich die Bewaffnung nicht zur innerpolitischen Gefahr auswächst. Weit davon entfernt, hier ihre Pflichten zu erfüllen, zeigte sich die gegenwärtige Bundesregierung sogar gewillt, mit einfacher Mehrheit die Wehrgesetze zu erlassen, ohne den verfassungspolitischen Erfordernissen, die sie selbst anerkannte, Genüge zu tun. Die Vorlage zur Ergänzung des Grundgesetzes mußte deshalb aus der Mitte des Bundestages kommen und im Wege der Initiative von den Fraktionen erarbeitet werden.
Wir konnten und werden niemals anerkennen, daß die im Bonner Grundgesetz verbürgten Grundrechte von selbst ihre innere und unbestimmte Grenze an den Wehrgesetzen finden. Die Verfassung gilt nicht im Rahmen der Wehrgesetze, sondern ein jedes Wehrgesetz muß seine Grenzen an den Vorschriften der Verfassung finden.
Daher dürfen Grundrechte nur in dem unbedingt notwendigen Maße eingeschränkt werden, wie es die Verfassungsurkunde selber ausdrücklich bei einzelnen Grundrechten zuläßt.
Das von den beteiligten Fraktionen sowie dem Verteidigungs- und dem Rechtsausschuß erarbeitete Gesetz richtet sich deshalb nicht gegen die Bundeswehr und die in ihr dienenden Soldaten, sondern soll ein Gesetz zugunsten der Bürger in Uniform sein. Das gleiche gilt für alle Vorschriften, denen wir unsere Zustimmung erteilen werden. Sie haben nicht den Sinn, sich aus Mißtrauen gegen die Menschen zu wenden, die künftig Waffen tragen sollen oder wollen, sondern diese Gesetzgebung hat zum Ziel, der Demokratie für alle zu dienen, auch zugunsten der Bundeswehr.
Als Fortschritte sehen wir die Einrichtung eines Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages an sowie die Ausgestaltung des Verteidigungsausschusses zu einem Verfassungsorgan mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses. Ein solches Ausmaß demokratischer Einrichtungen, um den Vorrang der zivilen Gewalt der parlamentarischen Regierung zu sichern, sowie innerhalb und außerhalb der Bundeswehr ein Höchstmaß an Menschen-und Bürgerrechten zu gewährleisten, hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Die Auswirkungen sollen und werden sich nicht gegen die Bundeswehr richten, sondern wollen die Bundeswehr als eine demokratische Einrichtung in das Ganze unserer freiheitlichen Grundordnung eingliedern.
Die infolge der vorausgegangenen Entscheidungen notwendige Ausgestaltung des Grundgesetzes widmet sich schließlich der Gewissensfreiheit, die durch den für uns unantastbaren Art. 4 jedermann versprochen ist, der aus Gewissensgründen den
Dienst mit der Waffe verweigert. Die Grundgesetzergänzung sichert, daß Ausführungsgesetze die Freiheit dieser Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen dürfen, insbesondere keinen Ersatzdienst vorschreiben können, dessen Dauer die Dauer der Wehrpflicht überschreitet. Es gibt in der Welt keine Verfassung, die sich den Schutz der Gewissen zugunsten von Wehrdienstverweigerern so angelegen sein läßt wie die unsere.
Von unserer politischen Gegnerschaft gegen die Wiederbewaffnung des geteilten Deutschland weichen wir keinen Finger breit ab, weil wir den Weg zur Einheit in Freiheit unseres ganzen Volkes durch diese Wiederbewaffnung als gefährdet erkennen. Da gegen uns eine Wiederbewaffnung beschlossen ist, sehen wir es jedoch als unsere Pflicht an, für die Demokratie innerhalb und außerhalb der in der Entstehung begriffenen Bundeswehr Sorge zu tragen. Wir sind daher überzeugt, unsere Verantwortung der Demokratiegegenüber dadurch zu erfüllen, daß wir diese Ergänzungen des Grundgesetzes bejahen. Unsere Verfassung ist mit den sozialdemokratischen Stimmen angenommen. Wir bekennen uns zu diesem Staat, den wir mitzutragen und mitzugestalten entschlossen sind und immer bleiben werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die bedeutungsvollste und schwierigste Aufgabe
jeder Regierung, für die Sicherung der nationalen Existenz zu sorgen. Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind in dieser sicher sehr schweren Stunde der Auffassung, daß auf dem Wege, den wir jetzt beschreiten, die Sicherung erfolgen kann. Es ist ein weiter Weg von 1945 bis heute. Meinen Freunden ist es nicht leicht gefallen, zuzustimmen, daß nach all dem, was wir in Deutschland im Kriege und nach dem Kriege erleben mußten, nun wieder Streitkräfte aufgestellt werden. Aber vor die Frage gestellt, ob wir dem Gefühl oder den realpolitischen Tatsachen Raum geben sollen, haben wir uns als Realpolitiker für letzteres entschieden, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir der Überzeugung sind, daß es zur Bewahrung des freiheitlichen Lebensraumes Westdeutschlands notwendig ist, diesen Raum zu schützen. Auch wir sind davon durchdrungen, daß bei der Aufstellung neuer Streitkräfte, wie sie jetzt durch die Grundgesetzergänzungen unter anderem festgelegt werden, das Primat der Politik unbedingt gewährleistet sein muß. Wir sind aber andererseits auch der Meinung, daß es nun der Kontrolle genug sein muß.
Ich möchte zum Schluß betonen, daß wir uns bei dem Schritt, den wir jetzt unternehmen, der Verpflichtung allen Opfern des Krieges und der Kriegsfolgen gegenüber voll bewußt sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und. Herren! Ich habe die Ehre, für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung zur dritten Lesung der Grundgesetzergänzungen hier abzugeben.
Als die Bundesregierung im Sommer vorigen Jahres durch den Bundesminister für Verteidigung hier eine Regierungserklärung zur Wehrfrage abgeben ließ, stand sie auf dem Standpunkt, daß Ergänzungen des Grundgesetzes zu Wehrfragen verfassungspolitisch zwar erwünscht, jedoch verfassungsrechtlich nicht erforderlich seien. Der Sprecher der freien demokratischen Fraktion ist damals dieser Auffassung entgegengetreten. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß sich unsere Meinung durchgesetzt hat.
Allerdings sind die Vorstellungen, die wir von der Regelung des Oberbefehls hatten, andere gewesen, und wir bedauern, daß sie nicht angenommen wurden. Wir wollten, daß der Bundespräsident in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt Oberbefehlshaber über die Wehrmacht des Bundes werden und daß es selbstverständlich zu allen seinen Maßnahmen der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers bedürfen sollte. Die jetzige Aufteilung des Oberbefehlsrechtes auf den Bundespräsidenten, dem im wesentlichen nur repräsentative Funktionen verbleiben, den Bundeskanzler und den Bundesminister für Verteidigung bringt eine solche Komplizierung dieses in anderen Staaten selbstverständlichen höchsten Rechtes mit sich, daß wir die Sorge haben, diese Regelung werde sich in der Praxis nicht bewähren.
Trotzdem wird die Fraktion der Freien Demokraten den Ergänzungen des Grundgesetzes in vollem Umfange heute zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in dritter Lesung. Änderungsanträge in der dritten Lesung sind nicht eingebracht.
— Es sind keine Änderungen, meine Damen und Herren, sondern es ist die Zusammenstellung der in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen; ich darf also bitten, sich dadurch nicht beirren zu lassen.
Ich stelle den Entwurf, wie er mit der in der zweiten Lesung zu Art. 87 a beschlossenen Änderung in zweiter Lesung angenommen worden ist, nunmehr zur Abstimmung in der dritten Beratung. Meine Damen und Herren, da es sich um eine Grundgesetzänderung handelt, haben wir nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu verfahren, das heißt, die Abstimmung muß durch Auszählung durchgeführt werden. Ich darf deshalb bitten, den Saal zu räumen und zur Auszählung zu kommen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich frage, ob die nunmehr im Raume anwesenden Mitglieder des Hauses sämtlich Berliner Abgeordnete sind. —Ich bedanke mich.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.
Ich bitte, die Auszählung zu beenden und die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren! Der Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes schreibt für ein verfassungsän-
derndes Gesetz die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages vor. Bei der Auszählung haben der Vorlage 390 Mitglieder des Hauses zugestimmt; dagegen haben 20 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten hat sich niemand. Ich stelle fest, daß damit die vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages erreicht ist und der Bundestag dieses Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes angenommen hat.
Bevor wir zum Soldatengesetz kommen, habe ich noch über den Ausschußantrag in der Drucksache 2150 Ziffer 2 abstimmen zu lassen. Ich setze Ihr Einverständnis damit voraus, daß ich sämtliche Artikel der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 124, 125 und 171 zusammen aufrufe und zur Abstimmung bringe; in einer anderen Form kann ich über den Ausschußantrag nicht abstimmen lassen. Wer den aufgerufenen Artikeln der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 124, 125 und 171 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Meine Damen und Herren, es handelt sich um die Vorlagen, die nach dem Ausschußantrag abgelehnt werden sollen; aber ich kann sie nicht einfach für erledigt erklären, sondern da es sich um Gesetzentwürfe handelt, muß ich darüber in zweiter Lesung abstimmen lassen. Ich komme also noch einmal zu der Abstimmung und rufe in der Abstimmung der zweiten Lesung alle Artikel in den Vorlagen Drucksachen 124, 125 und 171 auf. Wenn diese Vorlagen abgelehnt werden sollen, muß also jetzt mit Nein gestimmt werden.
Wer also diesen Vorlagen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer dagegen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Enthaltungen? — Die Vorlagen Drucksachen 124, 125 und 171 sind abgelehnt.
Damit kommen wir zu der
Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Drucksachen 2186, 2140, 1700).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abzugeben.
Die Beratungen über das Soldatengesetz, die wir in diesem Hause gepflogen haben, sind mit großer Sorgfalt und Energie sowie unter konstruktiver Zusammenarbeit aller Parteien und der beteiligten Ministerien erfolgt. Wir glauben, daß wir damit diesem Gesetz von uns aus diejenige Ehre angetan haben, deren die fundamentalen Bestimmungen, die es enthält, wohl bedürfen. Wir glauben, daß wir etwas Neues geschaffen haben, um das neue Soldatentum hiermit aus der Taufe zu heben. Wir stehen an einem neuen Anfang, der genau so einschneidend ist, wie etwa die Reformen Scharnhorsts nach dem Zusammenbruch von 1806 waren. Wir wollen eine Bundeswehr aufbauen, durchdrungen von der Überzeugung, daß ihre christliche, freiheitliche, westliche Weltanschauung dem bolschewistischen Materialismus und Terror aus dem Osten
überlegen ist. Wir wollen eine Bundeswehr schaffen, die in der Lage ist, auf der Grundlage freiwilligen Gehorsams freudig ihre Pflicht zu tun, Volk und Land tapfer zu verteidigen, wenn der Osten es sich je in den Sinn kommen lassen sollte, uns anzugreifen.
Wir haben beim Legen der Fundamente dieses neuen Heeres auf der anderen Seite nicht vergessen, welche große Bedeutung die Übernahme alles Guten aus der Vergangenheit hat. Tradition ist in einem Heere das Salz, der Sauerteig, ohne den alles Tun und Lassen im militärischen Leben keinen Erfolg verspricht.
Ich darf in dieser abschließenden Beratung betonen, daß ich mich zu meiner großen Freude weitgehend auf den Bericht des Kollegen Merten beziehen kann. Dieser ausgezeichnete Bericht gibt in vollkommen zutreffender Form und erschöpfend alles das wieder, was in den Beratungen des Verteidigungsausschusses eine Rolle gespielt hat. Es ist daher wünschenswert, daß dieser Bericht nach Verabschiedung des Gesetzes nicht in den Akten des Bundestages untergeht, sondern den Soldaten und den zivilen Stellen der Bundeswehr weitgehend bekanntgemacht wird.
Ich kann es mir also versagen, zu weitschweifig zu werden, und mich auf die Hauptpunkte beschränken. Der Staat, die Bundesrepublik, und der Soldat, jeder Soldat, gleich ob Berufssoldat, Soldat auf Zeit oder Wehrpflichtiger, sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden. Das heißt: so wie der Staat verlangt, daß der Soldat der Bundesrepublik Deutschland treu dient und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigt, genauso kann und soll der Soldat erwarten, daß der Staat seine Pflicht erfüllt, für ihn und seine Familie während und nach Beendigung seiner Dienstzeit zu sorgen. Wir werden uns mit entsprechenden Gesetzesvorlagen bald hier zu befassen haben. Ferner ist selbstverständlich, daß sich diese Fürsorgepflicht auch auf die versehrten Soldaten der letzten Kriege bezieht.
Eine unterschiedliche Behandlung ehemaliger Soldaten und der jetzt neu eintretenden Soldaten ist meines Erachtens nicht möglich. Ebenso spricht meine Fraktion die Hoffnung aus, daß die noch in fremdem Gewahrsam befindlichen sogenannten Kriegsverbrecher nunmehr schnell ihre Freiheit wiedererhalten und zu uns zurückkehren.
Wir fordern in diesem Gesetz von denjenigen, die Soldat werden wollen oder sollen, treue Dienste, die Bereitwilligkeit zur Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes — des ganzen deutschen Volkes —, Tapferkeit, das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung; wir fordern Gehorsam, Kameradschaft und Wahrhaftigkeit. Lange Überlegungen sind der Aufstellung dieser Forderungen voraufgegangen. Trotz mancher Bedenken, derartige ethische Forderungen in ein Gesetz hineinzubringen, haben wir uns hierzu entschlossen. Wir sind der Ansicht, daß ohne diese Grundelemente jedes Soldatentums der Aufbau einer neuen Bundeswehr nicht möglich ist. Viel wird vielleicht hierüber gekrittelt werden. Jeder Deutsche indessen, dem in der materialistischen Welle, in der wir im Augenblick schwimmen, nicht der Blick und das Gefühl für das Wesentliche unseres menschlichen Daseins verlorengingen, wird jedoch mit uns übereinstimmen in der Forderung, daß diese Begriffe in das Grundgesetz des Soldatentums hineingehören. Wir sind sicher, daß hierüber ernst und eindringlich in der Bundeswehr nachgedacht werden muß. Was nützt uns die beste
Ausrüstung für unsere Truppen, wenn nicht dieser Geist der Liebe zum deutschen Volk, der Wahrhaftigkeit, der Kameradschaft, des Gehorsams und der Veranwortlichkeit für die Bewahrung von Recht und Freiheit Allgemeingut aller Soldaten würde?!
Da die Soldaten jedoch, wie wir fordern, Staatsbürger in Uniform, also nichts anderes als jeder andere Bürger unseres Volkes sein sollen und sein werden, sind mit diesen Forderungen an die geistige und sittliche Haltung der Soldaten gleichzeitig Maßstäbe gesetzt für die Haltung des ganzen Volkes. Wir sind uns bewußt, daß diese Forderungen und der Wille zu ihrer Erfüllung ohnehin schon die Grundlage unseres Zusammenlebens in der Bundesrepublik bedeuten. Sie werden hier lediglich noch einmal klar herausgestellt und unmißverständlich formuliert.
Wir sind uns bei der Setzung dieser Begriffe auf der anderen Seite klar bewußt gewesen, daß jemand, von dem die Erfüllung so hoher Anforderungen verlangt wird, daß jemand, der die Freiheit als sein höchstes Gut betrachten und für deren Verteidigung den größten Einsatz wagen soll, nicht selber als Soldat schutzlos der Willkür eines seine Grenzen mißachtenden Vorgesetzten ausgeliefert werden darf und soll. Es wurde daher großer Wert darauf gelegt, den Begriff des Vorgesetzten klar zu umreißen, die Begriffe Befehl und Gehorsam so zu fassen, daß mit beidem kein Mißbrauch getrieben werden kann. Der Ausdruck „verbrecherischer Befehl" wurde in das Gesetz aufgenommen.
Wenn auch das beste Gesetz und der vortrefflichste Wille des Gesetzgebers menschliche Unzulänglichkeiten nie ganz wird ausschließen können, so ist es wohl doch gelungen, dasjenige Maß an soldatischer Notwendigkeit für die Erhaltung der Schlagkraft der Truppe und für die Wahrung und Erhaltung der Menschenwürde jedes Soldaten zu finden, das den Auffassungen unserer Zeit und der besonderen Lage unseres Staatswesens angemessen ist. Besondere Bestimmungen zur Durchsetzung dieser Forderungen wie die Wahl von Vertrauensmännern, Beschwerdeordnung, Dienstaufsichtspflicht usw. sind in das Gesetz eingebaut. Wir haben das Vertrauen in die neue deutsche Bundeswehr, daß alle ihre Angehörigen diesen Willen des Gesetzgebers verstehen und danach handeln werden. Wir sind gewillt — das darf ich mir wohl erlauben für uns alle hier auszusprechen —, Verstöße gegen die Grundauffassung von Soldatenpflicht und Soldatenwürde nicht zu dulden.
Viel ist in der Vorbereitung dieses Gesetzes gesagt und geschrieben über inneres Gefüge. Soweit ich das Verteidigungsministerium in seinen dahingehenden Bestrebungen verstanden habe, soll der Geist der Bundeswehr so sein, daß der Soldat sich in der soldatischen Gemeinschaft wohl und geborgen fühlt, daß er in seinen Vorgesetzten nicht seine Feinde, sondern seine Lehrmeister und Freunde, durch Charakter und Können, nicht durch Sterne und Tressen ausgezeichnete militärische Führer sieht, freiwillig gehorcht, die Notwendigkeit des militärischen Dienstes auch in seiner sicher zu fordernden Härte einsieht und innerlich bejaht. Das Gefühl der Kameradschaft und das Treuegefühl zu seiner Einheit sollen ihn beseelen. Wir bejahen deshalb alle diese Bestrebungen und wünschen ihnen vollen Erfolg. Wir warnen jedoch davor, der Jugend ein Bild von dem Dienst in der Truppe zu machen, das der rauhen Wirklichkeit nicht entspricht.
Alles hängt davon ab, ob es gelingt, die richtigen Männer an den richtigen Platz zu setzen. Der junge Offizier und der Unteroffizier sind diejenigen Vorgesetzten, die dem Wehrpflichtigen fast in jeder Minute seiner Dienstzeit gegenübertreten, ihn belehren, ausbilden oder auch verbilden und zum Feind jedes Soldatentums machen können, wenn sie schlechte Menschen und Soldaten sind. Die Auswahl dieser Leute kann also gar nicht sorgfältig genug sein.
Es muß ausgesprochen werden, daß auch die materiellen Bedingungen, die wir dem Unteroffizierskorps bieten, auf die Auslesemöglichkeiten einen großen Einfluß haben. Wir, das Hohe Haus, haben es damit in der Hand, durch Knausern am falschen Fleck unter Umständen alle Bestrebungen des Ministeriums in dieser Hinsicht zu gefährden.
Ich darf schließen mit der Bemerkung: Der rechte Geist ist der einzige Garant dafür, daß alle unsere Hoffnungen auf eine neue Armee, auf eine Armee tauglich für die Verteidigung der Freiheit in Erfüllung gehen. Vertrauen statt Mißtrauen! Vertrauen wir dem guten Kern unseres Volkes, den an die Spitze der Truppe und des Ministeriums berufenen Männern! Helfen wir ihnen, wo wir können! Vergessen wir auf der anderen Seite nie, daß wir, das Hohe Haus, die letzte Verantwortung tragen!
Ich bitte Sie daher, dem Gesetz in der dritten Lesung Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion habe ich zur dritten Lesung des Entwurfs des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Dieses Gesetz bietet keinen Anlaß für gefühlsbetonte Mystik, für den Gebrauch allzu abgegriffener großer Worte und für leicht als hohl empfundenes Pathos. Die Sozialdemokratische Partei lehnt das Soldatengesetz wie die übrigen Folgegesetze der Pariser Verträge ab. Sie ist dennoch ihrer Pflicht nachgekommen, auch in diesem Gesetz möglichst viel von ihren eigenen Vorstellungen über den richtigen Standort der bewaffneten Macht in einem demokratischen Staatswesen und von der Rolle des Staatsbürgers in der Bundeswehr und von dem Schutz seiner Persönlichkeit durchzusetzen. Die sozialdemokratische Opposition hat auch als Minderheit die Aufgabe, auf jedes Gesetz, das dem Bundestag zur Beschlußfassung vorliegt, gestaltend einzuwirken. Sie erfüllt damit den Auftrag ihrer Wähler und ihre Pflicht gegenüber dem gesamten deutschen Volk.
Ich beziehe mich auf die Erklärung, mit der Abgeordneter Mellies im Namen der sozialdemokratischen Fraktion ihre Zustimmung zu den Grundgesetzänderungen begründet hat. Die Grundgesetzänderungen dienen dem Schutz der Demokratie und dem Schutz des einzelnen Staatsbürgers und seiner Grundrechte. Sie haben außerdem die Aufgabe, die bewaffnete Macht vor einem Mißbrauch zu außenpolitischen Abenteuern oder in einem innerpolitischen Machtkampf zu schützen. Die Kette der übrigen Folgegesetze der Pariser Verträge dagegen dient lediglich unmittelbar der Aufstellung von Streitkräften.
Die Sozialdemokratische Partei lehnt das Soldatengesetz als wesentliches Ausführungsgesetz der Pariser Verträge ab. Es ist ein Glied in der Kette jener Gesetze, die mit dem Freiwilligengesetz begonnen hat und mit dem jetzt dem Bundesrat zugegangenen Wehrpflichtgesetz ihr vorläufiges Schlußglied findet, worin sich die Entwicklung darstellt, die zur Aufstellung von zwei deutschen Armeen in einander feindlich gegenüberstehenden Militärblöcken geführt hat. Die Sozialdemokratische Partei hält diese Entwicklung für ein Unglück für unser Volk. Die Aussichten für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands werden damit nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das einsetzende Wettrüsten auf deutschem Boden verschärft die internationalen Spannungen. Die Wiedervereinigung Deutschlands kann aber nur erreicht werden, wenn man die weltpolitischen Spannungen mindert. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, den vorliegenden Entwurf des Soldatengesetzes abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten habe ich zur Schlußabstimmung des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Im Juli 1955 ist das Freiwilligengesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet worden. Es sollte eine Beschleunigung beim Aufbau der deutschen Wehrmacht bewirken. Nach drei Vierteljahren läßt sich feststellen, daß dieser Zweck des Freiwilligengesetzes nicht erfüllt ist.
Immer wieder wird durch Angehörige der ausländischen Missionen in Bonn und bei Begegnungen mit Politikern und Soldaten unserer Partnerstaaten im Ausland die Frage gestellt, warum nach fast fünfjähriger theoretischer Vorarbeit bei der praktischen Gestaltung des deutschen Wehrwesens so geringe Fortschritte erzielt werden. Man hat dem deutschen Organisationstalent ganz andere Zeitpläne zugetraut und steht nun mißtrauisch vor der Frage, ob die Bundesrepublik nicht aus politischen Gründen den Aufbau der neuen Wehrmacht bewußt langsam und vorsichtig betreibe.
Die Vertreter der Freien Demokratischen Partei haben in einer Kabinettssitzung am 20. November 1955 außer auf diese noch auf folgende Gefahr hingewiesen: Die Sowjetzone ist durch die Aufstellung von sieben Volkspolizeidivisionen, einer Volksmarine und einer Volksluftwaffe auf dem Gebiet der praktischen Wehrpolitik der Bundesrepublik weit voraus. Auch wenn man den Kampfwert der Sowjetzonenstreitkräfte nicht hoch veranschlagt und mit Recht auf den Mangel an zuverlässigen und qualifizierten Offizieren und Unteroffizieren hinweist, bleibt die Bewaffnung der Sowjetzone eine große staatspolitische Gefahr für die Bundesrepublik. Es ist nicht zu verkennen, daß durch die Ernennung des Sicherheitsministers Wollweber, des Ministers für gesamtdeutsche Fragen Dr. Loch und andere Umgruppierungen der Sowjetzonenmachthaber die Sowjetzone zur Offensive im Sinne einer deutschen Aktion übergegangen ist. Diese Gefahr ist um so größer, als sich im Jahre der amerikanischen Präsidentschaftswahlen und großer eigener Sorgen eines Teils unserer
Bündnispartner im Nahen Osten und in Afrika durchaus ein Anreiz zu innerdeutschen Aktionen bei den Sowjetzonenmachthabern ergeben könnte, wenn die Bundesrepublik nicht binnen kürzester Frist über einen genügenden Selbstschutz verfügt.
Aus diesem Grunde hat die Fraktion in der Kabinettssitzung am 20. November 1955 der dringenden Übernahme des Bundesgrenzschutzes zugestimmt, damit in wenigen Monaten durch die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes mit den ersten schweren Waffen und durch die Auffüllung dieser Kader durch Freiwillige noch in diesem Jahr einige einsatzbereite Divisionen aufgestellt werden können. Das ist auch der Grund, weswegen die Fraktion der Freien Demokraten dem Soldatengesetz ihre Zustimmung gibt.
Die Übernahme des Bundesgrenzschutzes wird eine fühlbare zeitliche und organisatorische Hilfe beim Aufbau der deutschen Wehrmacht sein. Es besteht jedoch die Gefahr, daß gerade beim Einbau des Bundesgrenzschutzes in die Wehrmacht durch Kompetenzstreitigkeiten der beteiligten Ressorts, personelle Rivalitäten und schematisches Festhalten an bisher erarbeiteten theoretischen Grundlagen Reibungen entstehen, die nicht nur einen neuen Zeitverlust bedeuten, sondern auch dem Aufbau des Wehrwesens selbst nicht dienlich sind.
Das erste Halbjahr des praktischen Aufbaus des Wehrwesens und eine grundsätzliche Stellungnahme der Fraktionen zum Soldatengesetz zwingen ohnehin zu einer allgemeinen Selbstkritik, ob nicht bereits gewisse Fehlentwicklungen nach Verabschiedung des Freiwilligengesetzes eingetreten sind. Ausgelöst durch die unvollkommene Vorlage des Freiwilligengesetzes im Sommer vorigen Jahres ist bei den Politikern aller Parteien ein Mißtrauen entstanden, das die Tendenz zur Übersteigerung in sich birgt. Es besteht gegenwärtig die Gefahr, daß die zivile Kontrolle über den militärischen Bereich so überspitzt wird, daß die in einer Demokratie selbstverständliche Unterordnung des Militärischen unter die Politik nicht mehr als freiwillige Einordnung, sondern bewußte Deklassierung des Soldatischen empfunden werden könnte. Eine solche Übersteigerung des Prinzips muß zwangsläufig einen Soldatentypus des ständigen Mißtrauens prägen an Stelle des von uns allen erwünschten „Soldaten im Volk" und „Bürgers in Uniform".
Auch die von der CDU/CSU und SPD in den Ausschüssen beschlossene Atomisierung des Oberbefehls und seine Aufteilung in die einzelnen verfassungsrechtlichen Funktionen des Staatsoberhaupts, des Regierungschefs und des Bundesverteidigungsministers wird eine Komplizierung der in anderen Staaten selbstverständlichen Zuständigkeiten herbeiführen.
Eine sehr problematische Sache ist auch die derzeitige Uniformgestaltung. Es ist selbstverständlich, daß für die Uniformierung des Soldaten in erster Linie die Zweckmäßigkeit ausschlaggebend sein soll. Über den eingeführten Kampfanzug bestehen daher keine Meinungsverschiedenheiten. Die sonstigen Uniformen, die das äußere Bild des Soldaten bestimmen, sind jedoch aus den alten Vorstellungen der EVG entstanden; sie sollten möglichst nicht an das äußere Bild des Soldaten der früheren Wehrmacht erinnern. Diese noch aus den Jahren 1951/52 herrührende Rücksichtnahme auf
die Überempfindlichkeit eines Teils der Bevölkerung in den Partnerstaaten dürfte heute nicht mehr am Platze sein, nachdem im Jahre 1956 ein großer Teil der verständlichen Ressentiments damaliger Zeit verschwunden ist.
Man kann eine solche Frage nicht mit der Bemerkung als nebensächlich abtun, es komme weniger auf die Gestaltung der äußeren Formen als auf den inneren Gehalt an. Beide stehen oft in einer Wechselwirkung zueinander, und man sollte die Symbolkraft bewährter traditioneller Formen gerade in einem demokratischen Staat nicht zu gering achten. Das Beispiel Amerikas und Englands lehrt uns den Wert äußerer Symbole. Eine Armee ist keine Addition von Offizieren, Unteroffizieren, Soldaten und Material, sondern ein Organismus. Das Entscheidende an dem Organismus ist der Geist. Der Geist der neuen Wehrmacht soll aus zwei Kraftquellen seine Nahrung beziehen: aus dem aus innerster Überzeugung geborenen Bekenntnis zur rechtsstaatlichen demokratischen Grundordnung mit ihren Grund- und Freiheitsrechten, die unser Leben erst lebenswert machen, und aus der Ehrfurcht vor bewährten Vorbildern und soldatischen Traditionen unserer hieran nicht armen Geschichte.
Es scheint, daß der psychologischen Seite beim Aufbau des neuen Wehrwesens bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Nach dem politischen Mißbrauch des deutschen Soldatentums vor 1945 und der Fehlbehandlung durch die Siegermächte nach 1945 bedarf es kluger Maßnahmen und einer großzügigen ideellen und materiellen Wiedergutmachung, um die auf dem deutschen Soldatentum lastenden psychologischen Hypotheken abzutragen. Es sei gerade hier angesichts der Verabschiedung des Soldatengesetzes als des Grundgesetzes der neuen Wehrmacht an die längst fällige zweite Novelle zum Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes mit der sich aus der neuen Entwicklung zwangsläufig ergebenden Verbesserung der materiellen Situation der ehemaligen Berufssoldaten und an die Reform der Kriegsopferversorgung im materiellen wie im organisatorischen Sinne erinnert. Ähnliche organisatorische Fragen werden noch bei der Debatte über das Organisationsgesetz Gegenstand der Erörterung sein müssen.
Die FDP stimmt dem Soldatengesetz zu, da es die Möglichkeit gibt, einen unbedingt nötigen militärischen Selbstschutz der Bundesrepublik aufzustellen. Sie hofft, daß bei der Ausführung des Gesetzes jene Fehlentwicklungen korrigiert werden, die beim bisherigen Aufbau der Wehrmacht leider eingetreten sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE habe ich zur dritten Lesung des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird dem Soldatengesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen. Sie tut dies, nachdem durch die soeben von allen Parteien dieses Hauses und mit allen Stimmen meiner Fraktion vorgenommene Änderung des Grundgesetzes die Mehrzahl der Bedenken ausgeräumt wurde, die wir bei der ersten Lesung des Soldatengesetzes geltend gemacht hatten. Wir bedauern zwar, daß das Parlament nicht bereit war, durch eine Annahme unseres Antrags, durch die Festlegung einer unmittelbaren parlamentarischen Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers sich auch eine unmittelbare politische und personelle Kontrolle dieses Ressorts zu sichern. Aber wir glauben, daß dem Bundestag damit eine um so größere Verantwortung dafür zuwächst, daß in diesem außerordentlich bedeutungsund machtvollen Ressort keine Entwicklungen eintreten, die eines Tages für die demokratischen Freiheiten, für die soziale Sicherheit und damit für den Bestand der Demokratie überhaupt eine Bedrohung darstellen könnten.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf sind bloß die Rechte und die Pflichten festgelegt, die der einzelne Soldat gegenüber Volk und Staat hat. Er sagt jedoch nichts aus über Rechte und Pflichten der Institution als Ganzes, die nach dem Willen der Mehrheit dieses Hauses nunmehr den Namen „Bundeswehr" trägt. Darüber zu entscheiden wird die immerwährende Aufgabe des Parlaments bleiben. Es wird sie vor allem dadurch zu erfüllen haben, daß es sein Budgetrecht auch gegenüber den Anforderungen der Streitkräfte in strenger Weise wahrnimmt. Wir werden uns dabei vor allem der Verantwortung bewußt bleiben müssen, die wir gegenüber den sozial schwachen Schichten unseres Volkes, insbesondere gegenüber den Opfern der vergangenen Kriege zu tragen haben. Sie ist eine Verantwortung gegenüber dem Volksganzen und der Sicherung seiner Freiheit. Denn die Herstellung einer sozialen Ordnung ist nach unserer Überzeugung dafür zumindest ebenso entscheidend wie die Verteidigungskraft.
Wir werden dem Gesetz zustimmen, weil es einen Teil der Verpflichtungen erfüllt, die wir in völkerrechtlichen Verträgen, denen auch meine Fraktion seinerzeit in ihrer großen Mehrheit zugestimmt hat, übernommen haben und denen wir uns nicht ohne Schaden für unser Ansehen bei den Völkern der freien Welt entziehen können. Mit dem Erlaß dieser rechtlichen Grundordnung für die neuen Streitkräfte wird nach unserer Auffassung nichts präjudiziert, was zu ihrer weiteren Gestaltung stets im freien Ermessen der deutschen Volksvertretung bleiben muß. An ihr wird es allerdings auch liegen, ob der heute zu unternehmende Schritt einen Weg eröffnet, den die Geschichte einmal als glücklich oder unglücklich für Deutschland bewerten wird!
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Satz beginnen, den ich vorhin bei der Abgabe einer Erklärung zu den Grundgesetzänderungen sagte, nämlich, daß es zu den bedeutungsvollsten und schwierigsten Aufgaben jeder Regierung gehört, die nationale Existenz zu sichern. Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß es durch das, was wir hier heute tun, geschehen kann. Wir müssen nun angesichts der Bedrohung aus dem Osten selbst unseren Schutz übernehmen. Sicherlich ist das eine notwendige Folge der Bündnispolitik, die
die Bundesregierung in den letzten Jahren getrieben hat. Dabei darf nicht übersehen werden, daß wir durch die konsequente Linie unserer Politik aus den Trümmern und aus dem totalen Zusammenbruch wieder ein Staatswesen werden konnten, daß gegebenenfalls auch der Verteidigung wert ist. Ich lege auch noch einmal Wert auf die ausdrückliche Feststellung, daß nach unserer Auffassung diese nun aufzustellende Wehrmacht ausschließlich für den Verteidigungsfall gedacht ist, den uns aber auch Gott ersparen möge. Es ist auf der andern Seite nicht angängig, darauf zu vertrauen, daß in einem eventuellen Ernstfalle andere Nationen die Verteidigung von Haus und Herd der Deutschen übernehmen würden.
Es ist das gute Recht der Opposition in diesem Hause, an der Richtigkeit dieser Politik Zweifel zu äußern. Die Zukunft erst wird zeigen, wer recht gehabt 'hat.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich möchten aber auch keinen Zweifel darüber lassen, daß wir, wenn wir der Aufstellung der Streitkräfte zustimmen, auf der andern Seite erwarten, daß die sozialen Verpflichtungen dieses Staates auf keinen Fall ins Hintertreffen geraten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Zustimmung wird uns dadurch sehr schwer gemacht, daß wir außer im Kriege selbst noch nach dem Kriege Erfahrungen machen mußten und auch heute noch machen müssen, die uns oftmals unverständlich sind. Wir stehen vor der Tatsache, daß immer noch Deutsche in alliiertem Gewahrsam festgehalten werden. Ich stelle mit Bedauern fest, daß der Westen sich hier offenbar vom Osten beschämen läßt. Wir haben weiter die Tatsache zu verzeichnen, daß — verzeihen Sie das Wort — die Diffamierung der früheren deutschen Soldaten noch nicht ihr absolutes Ende gefunden hat. Die Verabschiedung dieses Gesetzes sollte uns allen Anlaß und Verpflichtung zugleich sein, nun den Soldaten, sei es, daß er der ehemaligen Wehrmacht angehörte, sei es, daß er zur neuen Wehrmacht gehört, auch wirklich voll und ganz als gleichberechtigten Staatsbürger zu behandeln.
Ich möchte, genau wie der Kollege Mende, darauf hinweisen, daß es nun an der Zeit ist, daß der Deutsche Bundestag sich mit der 131er-Novelle befaßt. Es ist an der Zeit — und erfreuliche Anzeichen dafür liegen vor —, daß auch in der Versorgung der Kriegsopfer der vergangenen Kriege eine Besserung eintritt. Ich möchte vor allen Dingen noch auf etwas hinweisen, was hier nicht gesagt wurde, nämlich, daß es zum Recht der betreffenden Personen gehört, daß die Wehrdienstzeiten der verflossenen Zeit auf die maßgebenden Zeiten für die Versorgungsansprüche angerechnet werden.
— Ja, ich gehöre leider auch zu den Versorgungsberechtigten, weil ich etwas blessiert bin, Herr Kollege.
Wir haben mit der Wehrgesetzgebung in den ersten Monaten zweifellos nicht immer eine sehr glückliche Hand gehabt. Es wäre verkehrt, darüber hinwegzusehen und die Dinge zu beschönigen; es ist besser, sie offen auszusprechen und aus den gemachten Fehlern zu lernen. Zweifellos ist es auch die sogenannte Umerziehung, der wir nach 1945
in militärischen Dingen besonders teilhaftig geworden sind, die heute in der Öffentlichkeit für unser Vorhaben so wenig Resonanz finden läßt. Auf der anderen Seite haben wir als verantwortliche Parlamentarier uns bei Beginn der Gesetzgebung vielleicht manchmal zu weit nach vorne begeben, so daß unter den ehemaligen Soldaten und denjenigen, die es werden wollen, der Eindruck entstehen mußte, daß hier nicht mehr um Vertrauen gerungen wird, sondern daß hier das Mißtrauen nach vorne gesetzt wird. Ich stimme allen meinen Herren Vorrednern darin zu, daß es notwendig ist, mit diesem Beginn jetzt absolutes Vertrauen zwischen Wehrmacht und Parlament bzw. Regierung herzustellen, ganz abgesehen davon, daß natürlich zwischen Volk und Wehrmacht ebenfalls Vertrauen bestehen muß.
Betrachten wir weiter, was in der Vergangenheit oftmals gesagt und getan worden ist. Ich erinnere Sie an vielfältige Äußerungen, die die Stellung der Offiziere, ja oftmals sogar ihrer Ehefrauen betrafen. Ich erinnere Sie daran, daß Äußerungen von Offizieren auf die Goldwaage gelegt wurden und noch werden. Ich erinnere Sie an vielfältige unglückliche, zumindest in der Öffentlichkeit unglücklich angekommene Äußerungen von Parlamentariern. Ich erinnere auch, wie der Kollege Mende, an die Uniformfrage, die ich hier nicht breit auswalzen möchte, zu der ich aber nur sagen möchte, das auch dies vielleicht ein Stück psychologischer Verteidigungsbeitrag gewesen wäre. Nicht zuletzt zeichnet sich unsere Wehrgesetzgebung — das bitte ich aus meiner Schau zu verstehen — durch ein ganz großes Stück Traditionslosigkeit aus. Meine Freunde glauben, daß wir manchmal nicht imstande sind, die Psychologie mit der Politik richtig zu vereinen.
Ich glaube, daß wir, d. h. wir in Westdeutschland, die bessere Sache zu vertreten haben. Ich glaube aber auch, daß wir leider die schlechtere Propaganda machen, daß wir hier in Westdeutschland sachlich richtig handeln. Ich glaube auch, daß wir oft psychologisch sehr falsch handeln. Wir in Westdeutschland, in einer freiheitlichen Demokratie, behandeln den Menschen als Menschen; aber wir mißachten oftmals gleichzeitig seine Gefühle und seine Erinnerungen. Drüben wird der Mensch als Nummer behandelt; aber man spielt geschickt mit den Gefühlen und Erinnerungen dieser Menschen
und hofft auf diese Weise den Erfolg einzuheimsen. Das ist eine Tragik, besonders wenn man oftmals sieht, daß der größere Erfolg bei denen zu liegen scheint, die es in Wahrheit schlechter meinen.
Ich glaube also, daß wir ganz allgemein zu einer besseren psychologischen Situation und auch zu einer Verbesserung des Klimas in der Öffentlichkeit gegenüber früheren und kommenden Offizieren und Soldaten kommen müssen, weil wir sonst Gefahr laufen, daß wir nicht die besten freiwilligen Offiziere bekommen und daß die Rekruten nicht mit einem guten Gefühl in ihre Kasernen einziehen können.
Der Anlaß dieser Beschlußfassung gestattet es auch ganz offen von dieser Stelle auszusprechen, daß die deutschen Soldaten in ihrer überwiegenden Mehrheit auch im letzten Krieg untadelig gekämpft haben. Die Geschichte wird sicherlich das
letzte Urteil in dieser Frage sprechen. Aber meine Freunde und ich glauben nach den Anzeichen, die heute schon oftmals im Ausland zu bemerken sind, daß das Urteil der Geschichte nur in dieser Richtung liegen kann.
Auf jeden Fall begeben wir uns jetzt — und ich glaube, dieser Tag heute ist insofern ein Markstein — aus der Wirrnis der Kollektivbeurteilung der deutschen Soldaten heraus. Das Bild klärt sich wieder auf. Ich betrachte es auch als ein freundliches Zeichen, daß es möglich war, in gemeinsamer konstruktiver Arbeit mit der sozialdemokratischen Fraktion im Verteidigungsausschuß diese Dinge zu bearbeiten.
Meine Freunde und ich sind weit davon entfernt, das heutige Geschehen etwa zum Anlaß eines Hurra-Patriotismus zu nehmen. Wir sehen in dem, was wir hier heute tun, vielmehr einen ganz nüchternen politischen Akt. Wir unterscheiden uns allerdings insofern noch etwas von einigen Fraktionen des Hauses, als wir im Soldaten — das gilt für die Vergangenheit wie für die Zukunft — nicht lediglich einen Funktionär sehen, der auf Befehl etwas auszuführen hat und es dafür tut, daß er seinen Sold empfängt. Auf der anderen Seite ist es auch übertrieben, vom „Staatsbürger in Uniform" zu sprechen. Das ist in meinen Augen ein billiges Schlagwort. Denn praktisch ist speziell der junge Soldat überfordert, wenn man ihn als Staatsbürger in Uniform hinstellt.
Denn — ich spreche auch das offen aus —: Wo ist
die Staatsgesinnung heute, die wirkliche Staatsgesinnung in unserem freiheitlichen Staatsraum?
Ich glaube, daß die Staatsgesinnung sehr stark von der Beurteilung der wirtschaftlichen Prosperität ausgeht.
Gerade dieser Mangel an Staatsgesinnung — auch hier hat es keinen Zweck, Vogel-Strauß-Politik zu treiben, Herr Kollege Wehner — sollte uns aber veranlassen, keine allzu große Scheu vor Traditionen zu haben. Denn eine Wehrmacht oder Bundeswehr, die dieses Haus beschlossen hat, kann letzten Endes nicht ohne Traditionen sein. Es kann auch nicht übersehen werden, daß in einem Augenblick, da wir uns anschicken, sehr viele und auch teilweise sehr gute Traditionen über Bord zu werfen, das Ausland genau das Gegenteil davon tut. Gute Traditionen, wie sie in der verflossenen Reichswehr und in der Wehrmacht lebendig gewesen sind, sind auf jeden Fall ein Vorbild. Vielleicht löst es den Widerspruch eines Teils dieses Hauses aus, wenn ich sage, daß zu den besten soldatischen Traditionen auch gehört hat, Staatsgesinnung zu haben.
Auch meine Freunde sind der Ansicht, daß diese Bundeswehr von allen Ständen und Schichten des Volkes getragen werden muß, daß ein besonderes Treueverhältnis zum Staate bestehen muß, wenn ich auch nicht der Diktion des Kollegen Arndt von heute morgen, als er etwas über den Status der früheren deutschen Wehrmacht in der Republik gesagt hat, zu folgen vermag. Ich glaube mit meinen Freunden, es hat weniger an den Soldaten als an den Politikern gelegen, die sich von dieser Wehrmacht damals distanziert haben.
Man sollte aus der Geschichte lernen,
wie gefährlich es ist, wenn eine Wehrmacht aus Ressentiment oder Mißtrauen gewissermaßen als gefährlicher Außenseiter der Gesellschaft dargestellt wird.
Meine Damen und Herren, die parlamentarische Kontrolle, von der in den letzten Monaten so sehr viel die Rede war, wird von meinen Freunden vollauf bejaht, aber nur unter der Bedingung, daß sie nicht zu einem Mißtrauen ausartet. Es besteht auch keine Veranlassung etwa zur Angst der Politiker vor den Militärs. Herr Kollege Erler hat kürzlich einmal das Wort geprägt, daß die Demokratie lernen müsse, mit der bewaffneten Macht umzugehen, weil sonst die bewaffnete Macht mit der Demokratie umgehen würde. Meine Damen und Herren, ich vermag diese Anschauung nicht ohne weiteres zu teilen. Wenn wir genügend Selbstvertrauen zu uns haben, wird es zu so etwas nicht kommen.
Unser aller gemeinsames Ziel ist es, eine größtmögliche Schlagkraft dieses Instrumentes „Bundeswehr" herzustellen. Wieweit die Neuerungen, die unter dem Ausdruck „Inneres Gefüge" bekannt sind, dabei in Zukunft voll Platz greifen können, wird die Praxis erweisen.
Kein Soldat soll glauben, daß er etwa auf den Kasernenhof geholt wird, um Kommiß oder Drill zu üben.
Ich komme zum Schluß. Der Soldat ist nach unserer Auffassung gerade in der politischen Situation, in der wir uns befinden, keineswegs ein notwendiges Übel, wenn man auch manchmal den Eindruck haben könnte. Dieser Staat muß Vertrauen zum deutschen Soldaten haben, wenn er auf der andern Seite verlangt, daß der Soldat auch Vertrauen zu ihm hat. Durch dieses Vertrauen muß es dem Soldaten möglich sein, nicht nur mit dem Verstande, sondern auch etwas mit dem Herzen diesem Staate zu dienen. Ich glaube, daß wir die Wehrmacht oder die Bundeswehr bekommen werden, die wir auf Grund unserer Politik verdienen. Lassen Sie uns, das Parlament, stets ein Freund dieser neuen Wehrmacht sein!
Weitere Wortmeldungen für die allgemeine Beratung in der dritten Lesung liegen nicht vor. Hingegen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, Umdruck 533*). Ich frage den Herrn Abgeordneten Schneider , ob er das Wort zur Begründung wünscht. —
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 533 hat der Herr Abgeordnete Schneider .
Meine Damen und Herren, es geht zwar oft nach d'Hondt, aber heute kann auch ich einmal reden!
— Bitte, haben Sie doch die Liebenswürdigkeit, mich ungehindert sprechen zu lassen.
*) Siehe Anlage 13.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion beantragt, den Abs. 6 des § 8 zu streichen, in dem folgendes steht:
Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.
Ich pflichte dem Herrn Kollegen Erler hundertprozentig bei, wenn er vorhin ausgeführt hat, daß dies eine selbstverständliche Erwartung ist, die man von jedem ordentlichen Staatsbürger haben kann. Deswegen vermögen meine Freunde nicht einzusehen, warum, wenn auf der einen Seite keine Sonderstellung des Soldaten gewünscht wird, hier auf der andern Seite eine Sonderbehandlung festgelegt sein soll. Ich glaube, es ist selbstverständlich, daß sowohl Unteroffiziere wie Offiziere — noch dazu wir alle, die wir ehemals Soldaten waren und zehn Jahre lang Zeit hatten, uns im zivilen Leben zu bewegen — sich diese Zurückhaltung auferlegen, die ihnen das Tragen der Uniform und die Zugehörigkeit zu den Streitkräften gebietet. Ich darf darauf hinweisen, daß meines Wissens für die Beamten eine gleiche Regelung nicht besteht. Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Disziplinarordnung ausreichende Möglichkeiten gibt, um solche Soldaten bzw. Unteroffiziere und Offiziere, die diese selbstverständlichen Regeln des Anstands nicht beachten, entsprechend zur Ordnung zu bringen. Meine Damen und Herren, meine Freunde haben das Gefühl — ich spreche das ganz offen aus —, daß es sich bei diesem nachträglich in den § 8 hineingekommenen Passus um eine „Lex Zenker" handelt.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Änderungsantrages — Umdruck 533*) Ziffer 1 — gehört. Ich eröffne dazu die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann lasse ich zunächst über diesen Änderungsantrag abstimmen, § 8 Abs. 6 zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der DP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat in Umdruck 533 Ziffer 2 einen zweiten Änderungsantrag vorgelegt, und zwar zu § 57 f. Nachdem ich in der zweiten Lesung versehentlich das Wort zur Begründung hierzu nicht erteilt habe, frage ich den Herrn Abgeordneten Schneider , ob er das Wort zur Begründung haben will. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schneider!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ange*) Siehe Anlage 13.
sichts der vorgeschrittenen Zeit verzichte ich darauf, die ursprünglich geplanten längeren Ausführungen zu diesem Thema zu machen. Allerdings verzichte ich darauf in der Erwartung, daß, nachdem seit Monaten ein diesbezüglicher Antrag meiner Fraktion im Ältestenrat liegt, wir nun in Kürze Gelegenheit erhalten, diesen Antrag hier im Hause zu behandeln.
Sie kennen alle unsere Einstellung zum Personalgutachterausschuß. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß er — bei aller Integrität der in ihm tätigen Personen — nicht das geeignete Instrument ist, um der Aufgabe gerecht zu werden, die ihm das Parlament damals gesetzt hat. Insonderheit haben die vielfältigen Auseinandersetzungen der letzten Zeit gezeigt — ich sage: bedauerlicherweise gezeigt; ich kann mich mit meinen Freunden beim besten Willen nicht darüber freuen, daß wir so sehr recht behalten haben —, daß durch die Konstituierung eines Gremiums, das außerhalb der Kontrolle des Bundestages steht, unliebsame Vorkommnisse eingetreten sind,
die der Sache schlechthin nicht förderlich sind.
Sie haben auch die Begründung dieses Änderungsantrages gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der DP — Umdruck 533 Ziffer 2 — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der dritten Beratung; weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem mit den in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten ist angenommen.
Ich muß noch über die Ziffer 2 des Ausschußantrages abstimmen, den Antrag, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 8. März, 9 Uhr vormittags. Die Sitzung ist geschlossen.