Protokoll:
2132

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 132

  • date_rangeDatum: 6. März 1956

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 15:34 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:10 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 132. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. März 1956 6817 13 2. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. März 1956. Mitteilung über Austritt der Abgeordneten Euler, Hepp, Dr. Wellhausen, Dr. Henn, Dr. Berg, Dr. Schäfer, Hübner, Dr. Preiß, Dr. h. c. Blücher, Körner, von Manteuffel (Neuß), Dr. Blank (Oberhausen), Lahr, Dr. Schneider (Lollar), Dr. Preusker, Neumayer aus der Fraktion der FDP und über ihren Zusammenschluß als „Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten" (AFD) 6818 C Niederlegung des Mandats des Abg. Grafen von Spreti 6818 C Eintritt des Abg. Dr. Winter in den Bundestag 6818 C Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 6818 D Vorlage von Ausführungen des Bundesrats zum Nachtragshaushaltsgesetz (Drucksache 2129) 6818 D Verlangen des Bundesrats auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu den Gesetzen zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (Drucksache 2130) und über die Tilgung von Ausgleichsforderungen (Drucksache 2131) 6818 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 227, 228 und 232 (Drucksachen 2068, 2144; 2078, 2148; 2099, 2141) . . . . 6818 D Mitteilung über Vorlage der Verordnung Z. Nr. 1/56 über die Preise für Zucker . . 6819 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksachen 124, 125, 171); Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksachen 2150, 2187, Umdrucke 525, 529) 6819 A, 6845 C Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU): als Berichterstatterin 6819 A Schriftlicher Bericht 6856 B Dr. Gille (GB/BHE) 6820 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . 6822 C, 6845 C Dr. Arndt (SPD) 6823 D Mellies (SPD) 6847 A Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 6848 A Dr. Mende (FDP) 6848 B Abstimmungen 6820 C, 6826 C, 6848 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksache 1700); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksachen 2140, 2186, Umdrucke 524, 526 bis 528, 530 bis 533) 6827 A, 6849 B Merten (SPD): als Berichterstatter 6827 A Schriftlicher Bericht 6860 B als Abgeordneter 6833 D Schneider (Bremerhaven) (DP): zur Sache 6827 C, 6828 B, 6829 C, D, 6833 A, 6840 C, D, 6841 B, 6843 C, 6852 D, 6854 D, 6855 B zur Geschäftsordnung 6843 D Dr. Kleindinst (CDU/CSU) 6828 A Dr. Mende (FDP) . . 6828 C, 6829 A, 6832 C, 6851 A Präsident D.. Dr. Gerstenmaier. . 6829 C, D, 6843 D, 6844 A Dr. Jaeger (CDU/CSU) . . . 6830 A, 6841 B Dr. Kliesing (CDU/CSU) . . . 6831 B, 6838 D, 6839 D Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . . 6833 C Feller (GB/BHE) 6836 A, 6852 B Heye (CDU/CSU) 6837 A Erler (SPD) . 6840 B, 6841 C, 6842 B, 6850 D Becker (Hamburg) (DP) 6841 C Berendsen (CDU/CSU) . . . 6842 D, 6849 B Abstimmungen . .. . 6828 D, 6830 C, 6839 B, D, 6840 B, C, 6842 A, D, 6844 B, 6855 B, C Unterbrechung der Sitzung . . . 6844 C Tatsächliche Erklärung der Fraktion der FDP nach § 36 der Geschäftsordnung zu • der Mitteilung über die Bildung der „Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten": Dr. Bucher (FDP) 6844 C Persönliche Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung zu Pressemeldungen betr. Ausführungen des Abg. Dr. von Brentano auf einer Wahlversammlung in Karlsruhe zu dem Diskussionsentwurf eines Deutschlandplanes des Abg. Dr. Mende: Dr. Mende (FDP) 6845 A Nächste Sitzung 6855 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6856 A Anlage 2: Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP und FDP eingebrachten Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 2150) 6856 B Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zu den von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP und FDP eingebrachten Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (Umdruck 525) 6860 A Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu den von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP und FDP eingebrachten Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes (Umdruck 529) . . . 6860 A Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung über den Entwurf eines Soldatengesetzes (Drucksache 2140) 6860 B Anlage A: Stellungnahmen des Paters Dr. Hirschmann, Frankfurt a. M., des Staatsministers Osterloh, Kiel, des Prälaten D. Kunst, Bonn und des Stadtrats Schäfer, Ludwigshafen, zur Frage der Vereidigung von Soldaten 6873 A Anlage 6: Änderungsantrag der Fraktion der DP zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 526) 6882 C Anlage 7: Änderungsantrag der Abg. Dr Kliesing u. Gen. zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 524) 6883 A Anlage 8: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 527) 6883 C Anlage 9: Änderungsantrag des Abg. Dr Mende zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 528) 6883 D Anlage 10: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 530) 6884 A Anlage 11: Änderungsantrag der Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders u. Gen. zu Anlage 7 (Umdruck 531) 6884 A Anlage 12: Änderungsantrag des Abg. Merten zum Entwurf eines Soldatengesetzes (Umdruck 532) 6884 C Anlage 13: Änderungsantrag der Fraktion der DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Soldatengesetzes (Umdruck 533) 6884 C Die Sitzung wird um 11 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Peters 15. 7. Dr. Starke 30. 4. Lulay 7. 4. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 1. 4. Dr. Kopf 31. 3. Gedat 24. 3. Hörauf 17. 3. Albers 15. 3. Miller 14. 3. Blachstein 10. 3. Brockmann (Rinkerode) 10. 3. Graaff (Elze) 10. 3. Hahn 10. 3. Ladebeck 10. 3. Dr. von Merkatz 10. 3. Dr. Orth 10. 3. Richter 10. 3. Scheppmann 10. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 9. 3. Jaksch 8. 3. Stücklen 8. 3. Dr. Will 8. 3. Frau Brauksiepe 6. 3. Eckstein 6. 3. Fassbender 6. 3. Frühwald 6. 3. Gibbert 6. 3. Jacobs 6. 3. Dr. Kihn (Würzburg) 6. 3. Koenen (Lippstadt) 6. 3. Leukert 6. 3. Margulies 6. 3. Mattick 6. 3. Mauk 6. 3. Dr. Mocker 6. 3. Neuburger 6. 3. Onnen 6. 3. Dr. Pohle (Düsseldorf) 6. 3. Rademacher 6. 3. Schloß 6. 3. Seiboth 6. 3. Dr. Wellhausen 6. 3. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Mensing 15. 4. Diedrichsen 31. 3. Dr. Hammer 31. 3. Meitmann 31. 3. Moll 31. 3. von Manteuffel (Neuß) 28. 3. Horn 24. 3. Bender 17. 3. Dr. Deist 17. 3. Held 17. 3. Dr. Luchtenberg 17. 3. Anlage 2 Drucksache 2150 (Vgl. S. 6819 A) Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) über die von den Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE, DP (Drucksache 124) und von der Fraktion der FDP (Drucksachen 125, 171) eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes. Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Schwarzhaupt Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht legt dem Plenum des Bundestages den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vor. Diese Vorschläge beruhen auf Anträgen der Fraktionen der CDU/CSU, GB/BHE und DP - Drucksache 124 - und der Fraktion der FDP - Drucksachen 125, 171 -, die dem Plenum des Bundestages bereits in seiner 17. Sitzung am 26. Februar 1954 vorgelegen haben. Auf Grund des Ersten Berichts des Abgeordneten Dr. von Merkatz über die Verhandlungen des Rechtsausschusses zu diesen Anträgen wurde das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 26. März 1954 (BGBl. I S. 45) erlassen, das die Nrn. 3, 4 und 9 der Drucksachen 124 und 125 erledigte. Zu den übrigen Nummern dieser Anträge und zu dem Antrag der Fraktion der FDP über die Regelung des Oberbefehls Drucksache 171- hat der Verteidigungsausschuß als mitberatender Ausschuß in seinen Berichten an den Rechtsausschuß vom 16. und 18. Januar 1956 Stellung genommen. Der Rechtsausschuß hat in seinen Beratungen diesen Vorschlägen die aus der Anlage ersichtliche Fassung gegeben. 1. Im allgemeinen Sämtliche Änderungen des Grundgesetzes, die hier vorgeschlagen werden, sollen der Einordnung der Bundeswehr in den verfassungsmäßigen Aufbau des Staates dienen. Im Ausschuß war die Meinung darüber geteilt, inwieweit eine Änderung des Grundgesetzes zur Aufstellung von militärischen Verbänden und zum Erlaß der vorgesehenen Wehrgesetze rechtsnotwendig ist. Es bestand aber Einmütigkeit darüber, daß es zweckmäßig und erwünscht ist, eine Änderung des Grundgesetzes vorzunehmen und auch eine Reihe von Bestimmungen aufzunehmen, die nach Auffassung eines Teils der Mitglieder nur der Verdeutlichung dienen. Die Änderungen haben die Einschränkung einiger Grundrechte zum Inhalt, die Regelung von Kompetenzen in bezug auf die Bundeswehr und die Schaffung neuer Institutionen, die in einem inneren Zusammenhang mit der Wehrverfassung stehen. Beide Ausschüsse waren der übereinstimmenden Meinung, daß der deutsche Soldat, soweit es die Natur eines militärischen Verbandes zuläßt, im Besitz seiner bürgerlichen Rechte bleiben soll. Dem Soldaten sollen Grundrechte, wie die Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3), das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 4), das Recht der Koalitionsfreiheit (Art. 9) und das aktive Wahlrecht, erhalten bleiben. Andere Grundrechte vertragen sich nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Ausschusses nicht oder wenigstens nicht in ihrem vollen Umfang mit dem Dienst in einem militärischen Verband. Es war deshalb notwendig, durch einen neu eingefügten Art. 17 a den Gesetzgeber zu ermächtigen, in Bestimmungen über Wehr- und Ersatzdienst bestimmte Grundrechte für die Dauer dieses Dienstes einzuschränken. Alle hiermit zugelassenen Einschränkungen von Grundrechten können nur durch Bundesgesetze eingeführt werden, die dem Art. 19 Abs. 1 und 2 GG genügen. (Frau Dr. Schwarzhaupt) Die zu regelnden Kompetenzen betreffen insbesondere die Feststellung des Verteidigungsfalles, das Recht, Offiziere und Unteroffiziere zu ernennen, die Befehls- und Kommandogewalt und die Zuständigkeiten von Bund und Ländern für Aufgaben der Wehrverwaltung und des Schutzes der Zivilbevölkerung. Neu einzurichten sind Dienststrafgerichte, Dienstgerichte und Wehrstrafgerichte als Bundesgerichte. Außerdem wurden zwei Sonderregelungen zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle in bezug auf die Bundeswehr getroffen; es soll ein Wehrbeauftragter eingesetzt und die Rechtsstellung des Verteidigungsausschusses geändert werden. II. Im einzelnen Zu Art. 1 Abs. 3 Die Neufassung soll klarstellen, daß a 11 e Ausübung von Staatsgewalt an die Grundrechte gebunden ist. Dies war auch bisher der Wille des Grundgesetzes. Der Ausdruck „vollziehende Ge-wait" statt „Verwaltung" entspricht dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 benutzten Wortlaut und soll jeden Zweifel daran beheben, daß auch alle staatlichen Maßnahmen, die die Bundeswehr betreffen, mit eingeschlossen sind. Die Änderung entspricht dem Vorschlag des mitberatenden Ausschusses für Verteidigung und einem einstimmigen Beschluß des Rechtsausschusses. Zu Art. 12 Abs. 2 Satz 2 a) Der Ausschuß hat geprüft, ob es notwendig ist, ausdrücklich klarzustellen, daß das Grundgesetz die Heranziehung von Staatsbürgern zu Dienstleistungen im zivilen Luftschutz nicht ausschließt. Von einer Klarstellung wurde abgesehen, da nach einhelliger Auffassung des Ausschusses Dienstleistungspflichten für den zivilen Luftschutz herkömmliche Dienstleistungen im Sinne des Art. 12 Abs. 2 sind. b) Die Mehrheit des Ausschusses war in bezug auf den Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer der Auffassung, daß er bereits nach Art. 4 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 75 Nr. 1 zulässig ist und daß sich aus der gleichen Bestimmung ergebe, daß die Regelung dieses Ersatzdienstes die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen dürfe. Angesichts der abweichenden Meinung der Minderheit stimmte die Mehrheit des Ausschusses jedoch der in Art. 12 Abs. 2 Satz 2 bis 4 vorgesehenen ausdrücklichen Klarstellung zu. Man war einig darüber, daß es der Bestimmung über die gleiche Dauer des Ersatzdienstes nicht widersprechen würde, wenn von dem Ersatzdienstpflichtigen verlangt wird, daß er die Dienstzeit, zu der Wehrpflichtige in späteren Reserveübungen herangezogen werden, im Anschluß an die erste Ersatzdienstzeit ableistet. Zu Art. 12 Abs. 3 (neu) Der Vorschlag beruht auf einem einstimmigen Beschluß des Ausschusses. Der erste Satz weicht von einem entsprechenden Vorschlag des Verteidigungsausschusses nur in der Formulierung ab. Der zweite Satz geht über diesen Vorschlag insofern hinaus, als er auch einen freiwilligen Dienst der Frau mit der Waffe in keinem Fall zuläßt. Das Verbot, Frauen auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung zu Dienstleistungen im Verband der Streitkräfte zu zwingen, schließt ihre Heranziehung zur Dienstpflicht zum zivilen Luftschutz nicht aus. Zu Art. 17 a a) Die Initiativanträge — Drucksachen 124, 125 — hatten eine Generalklausel, wie sie Art. 133 Abs. 2 der Weimarer Verfassung enthält, vorgeschlagen. Diese sollte den einfachen Gesetzgeber ermächtigen, für die Angehörigen der Streitkräfte einzelne Grundrechte einzuschränken. Der Verteidigungsausschuß hat empfohlen, die einzuschränkenden Grundrechte einzeln aufzuführen. Er hielt die Art. 5, 6, 8, 9, 11, 12 und 17 für betroffen. Der Rechtsausschuß folgte dem Vorschlag des Verteidigungsausschusses und zog die Einzelaufführung der einschränkbaren Grundrechte vor. b) Bei Erörterung der Grundrechte, deren Einschränkung im einzelnen vorzusehen war, war die Mehrheit der Auffassung, daß es jedenfalls insoweit nicht zwingend geboten sei, Einschränkungen für Grundrechte vorzusehen, als sich die Einschränkbarkeit unmittelbar und unvermeidbar aus dem Wesen des in Art. 73 Nr. 1 vorgesehenen Wehrverhältnisses ergebe. Bei Art. 5 vertrat die Mehrheit darüber hinaus die Auffassung, daß - c) entsprechend der Rechtsprechung zur Weimarer Verfassung und nach einem neueren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1953 Akt.Z. 2 C 21/53 - auch das Soldatengesetz als „allgemeines Gesetz" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG angesehen werden müsse; das Recht der freien Meinungsäußerung finde also bereits in einem solchen Gesetz seine Schranken. Da die Minderheit einen gegenteiligen Standpunkt vertrat, erschien dem Ausschuß eine Klarstellung im Grundgesetz zweckmäßig. d) Im Bestreben, den Soldaten die verfassungsmäßigen Grundrechte, soweit es möglich ist, zu erhalten, wurde die Einschränkung des Grundrechts von Art. 5 nur auf das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, bezogen. Dagegen soll der Art. 5 nicht eingeschränkt werden, soweit er das Recht schützt, sich aus allgemein zugänglichen Quellen, insbesondere also aus Zeitungen und Zeitschriften, ungehindert zu unterrichten. Ebenso wurde das Recht zur Einbringung von Bitten und Beschwerden (Art. 17) nur für Sammelpetitionen und Sammelbeschwerden für beschränkbar erklärt, während jedem Soldaten das Recht, sich mit Einzelpetitionen oder -beschwerden an die zuständigen Stellen oder an die Volksvertretung zu wenden, unbeschränkbar erhalten bleiben soll. Die Einschränkung von Sammeleingaben hielt der Rechtsausschuß allerdings für notwendig, um Erscheinungen zu unterbinden, die unter Umständen mindestens schwerwiegende Disziplinwidrigkeiten darstellen würden. Eine Sammelbeschwerde oder -petition sah der Ausschuß auch in einer Eingabe, die ein Soldat in Gemeinschaft mit Nichtsoldaten einreicht. e) Der Ausschuß hat ferner davon abgesehen, eine Einschränkung des Vereinigungsrechts nach Art. 9 vorzuschlagen. Er ging dabei von der Auffassung aus, daß Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft, ohnehin verboten sind und daß das Vereinigungsrecht nicht die Befugnis in sich schließt, im Bereich der Truppe eine Agitation zu entfalten. Die Mehrheit des Aus- (Frau Dr. Schwarzhaupt) schusses war der Ansicht, daß diese Beschränkungen genügen werden, um Zersetzungsversuche extremer und undemokratischer Vereinigungen zu verhindern. Die Mitglieder der Opposition erklärten nachdrücklich, daß sie sich der Notwendigkeit einer weiteren Verfassungsergänzung nicht verschließen würden, falls sich diese Erwartung als unrichtig erweisen sollte. e) Hinsichtlich des Art. 9 Abs. 3 GG war der Ausschuß einhellig der Meinung, daß sich aus diesem Absatz — falls er überhaupt für dien Wehrpflichtigen von Bedeutung sein sollte — kein Streikrecht für den Soldaten ergebe und daß die Mitgliedschaft eines Wehrpflichtigen bei der Gewerkschaft, der er auf Grund seines Zivilberufes angehört, unangetastet bleibt. Für den Berufssoldaten gelten hier ähnliche Grundsätze wie für den Beamten. f) Die Anführung von Art. 8 beruht auf einem Mehrheitsbeschluß. Obgleich der Entwurf eines Soldatengesetzes keine Einschränkung des Versammlungsrechts vorsieht, erschien es der Mehrheit des Ausschusses zweckmäßig, der Gesetzgebung eine Handhabe dafür zu geben, daß in Krisenzeiten die Beteiligung von Soldaten an Versammlungen ausgeschlossen werden kann. Diese Bestimmung erschien notwendig zum Schutze des Soldaten selbst. Die Minderheit teilte diese Auffassung nicht. g) Eine Anführung des Art. 6 wurde nicht für notwendig gehalten, da das Erziehungsrecht der Eltern gegenüber ihren Kindern, wie es in Art. 6 verstanden wird, durch die Einführung der Wehrpflicht nicht berührt wird. h) Bei Einschränkung der Art. 11 und 13 durch Art. 17 a Abs. 2 ist für normale Zeiten etwa an die Beschränkung der Freizügigkeit nach dem Schutzbereichgesetz und an die Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Inanspruchnahme von Quartieren bei Manövern zu denken. Zu Art. 36 Abs. 2 (neu) Die Bestimmung entspricht dien Vorschlägen der Initiativanträge Drucksachen 124 und 125, dem Vorschlag des Verteidigungsausschusses zu Art. 32 a Abs. 2 und einem einstimmigen Beschluß des Rechtsausschusses. Auch die Weimarer Verfassung enthielt eine ähnliche Bestimmung. Zu Art. 45 a, 45 b und 49 Die Heraushebung der Stellung des Verteidigungsausschusses entspricht einem einstimmigen, und die Einfügung des Wehrbeauftragten einem Mehrheitsbeschluß des Verteidigungsausschusses. Der Rechtsausschuß übernahm beide Vorschläge. Beide Neuregelungen sind gedacht als eine Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle, die durch die Einfügung eines starken Machtfaktors wie der Bundeswehr in den Gesamtaufbau der Staatsordnung eine erhöhte Bedeutung erhält. Während die Weimarer Verfassung (Art. 35) einen ständigen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorsah, der die Rechte eines Untersuchungsausschusses hatte, sieht das Grundgesetz bisher nur einen ständigen Ausschuß vor, und zwar zur Wahrung der Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung zwischen zwei Wahlperioden. Dieser Ausschuß hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses (Art. 45). Der Entwurf sieht vor, daß der Bundestag in Zukunft einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuß für Verteidigung bestellt, die beide auch zwischen zwei Wahlperioden tätig werden können. Der Ausschuß für Verteidigung soll auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses (Art. 44) haben. Dafür soll Art. 44 Abs. 1 auf dem Gebiete der Verteidigung keine Anwendung finden. Der Ausschuß für Verteidigung soll hiernach im Rahmen seines Sachgebietes d i e Aufgaben und d i e Rechte haben, die ein Untersuchungsausschuß im herkömmlichen Sinne bisher hatte. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sollen ihm die Rechte aus Art. 44 Abs. 2 und 3 zustehen. Hierbei soll er auch aus eigener Initiative auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder, also auch ohne Auftrag des Plenums, tätig werden. Dabei soll er nach der übereinstimmenden Meinung aller Mitglieder des Rechtsausschusses nicht verpflichtet sein, dem Plenum Bericht über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu erstatten, es sei denn, daß das Plenum dieses im Einzelfall verlangt. Übereinstimmend ging man hierbei davon aus, daß die Sitzungen des Ausschusses für Verteidigung nach den Vorschriften der Geschäftsordnung vertraulich sind. Die Einrichtung des Wehrbeauftragten schließt nicht aus, daß Soldaten oder Nichtsoldaten sich mit Einzelpetitionen und Einzelbeschwerden, die die Bundeswehr betreffen, auch unmittelbar an den Petitionsausschuß oder an einzelne Mitglieder des Bundestages wenden können. Zu Art. 59 a Der Vorschlag entspricht im wesentlichen dem Beschluß des Verteidigungsausschusses, der einstimmig (bei vier Enthaltungen) gefaßt worden ist. Der Rechtsausschuß hat den Vorschlag übernommen. Bei Abs. 1 ist vor allem an den Fall gedacht, daß über den Eintritt einer Bündnisverpflichtung zu entscheiden ist, während Abs. 2 den Fall regelt, daß wegen Gefahr im Verzug eine schnelle politische Entscheidung zu treffen ist. Die Beschlüsse nach Abs. 1 und 2 werden mit der Verkündung wirksam. Sie können auf jede nach Lage des Falles mögliche Weise verkündet werden; Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG gilt nur für die Verkündung von Gesetzen. Zu Art. 60 Abs. 1 Die Bestimmung entspricht den Initiativanträgen Drucksachen 124 und 125 und den einstimmigen Beschlüssen der beteiligten Ausschüsse. Sie beruht auf dem System des Grundgesetzes. Zu Art. 65 a Dieser Artikel regelt den Fragenkomplex des früher so genannten Oberbefehls. Im Ausschuß bestand weitgehend Übereinstimmung darüber, daß das, was zur kaiserlichen und auch zur Weimarer Zeit noch als Oberbefehl oder Kommandogewalt bezeichnet wurde, in der modernen parlamentarischen Demokratie keinen Bestand mehr haben kann. Die aus dem so genannten Oberbefehl nach früheren Begriffen resultierenden Befugnisse müssen den Organen zukommen, die nach dem System des Grundgesetzes hierfür zuständig sind: (Frau Dr. Schwarzhaupt) a) Die Repräsentationsbefugnisse und auch das Ernennungs- und das Begnadigungsrecht müssen dem Staatsoberhaupt zugewiesen werden. Dies ist hinsichtlich des Ernennungsrechts in der neuen Fassung des Art. 60 Abs. 1 geschehen. Hinzu kommen die äußerst wichtigen Kompetenzen des Staatsoberhaupts für den Verteidigungsfall, wie sie in dem neuen Art. 59 a vorgesehen sind. b) In den früheren Begriff des Oberbefehls war auch ein Verordnungsrecht eingeschlossen. Die Neuregelung läßt die alleinige Gesetzgebungskompetenz bei dem Bundestag mit der bisher geltenden Maßgabe, daß nur dieser nach Art. 80 die Exekutive zum Erlaß von Verordnungen ermächtigen kann. Unberührt bleiben auch die Befugnisse der Legislative zur Mitwirkung bei internationalen Verträgen nach Art. 59 Abs. 2, die durch die Befehls- und Kommandogewalt keine Einschränkung erfahren. c) Die eigentliche Befehlsgewalt muß dagegen der dem Parlament verantwortlichen Exekutive zukommen. Für den Normalfall soll der Bundesminister für Verteidigung die Befehls- und Kommandogewalt ausüben. Die Fassung „Befehls- und Kommandogewalt" soll klarstellen, daß alle militärischen Befehls- und Kommandobefugnisse ihre Spitze in der Person des Verteidigungsministers finden und daß es keine ihm entzogene besondere Kommandogewalt gibt. Dabei bleibt die Richtlinienbefugnis des Bundeskanzlers unberührt. Im Verteidigungsfall soll die Befehls- und Kommandogewalt auf den Bundeskanzler übergehen, damit für diesen Fall eine Konzentration aller Entscheidungen gewährleistet bleibt. Zu Art. 87 a Abs. 1 begründet die Kompetenz des Bundes für die Aufstellung der Streitkräfte, eine Regelung, die nicht streitig war. Abs. 2 enthält eine Handhabe für die Ausübung der Kontrolle des Parlaments. Zu Art. 87 b Die Bestimmung beruht auf einer eingehenden Beratung mit Vertretern des Bundesrates und einem einstimmigen Beschluß des federführenden Ausschusses. Sie weicht von dem Entwurf des Verteidigungsausschusses ab. Die Beratung hatte ergeben, daß die eingehendere Regelung des Art. 87 b erforderlich ist. Zu Abs. 2 legten die Vertreter des Bundesrates Wert auf die Feststellung, daß die Worte „ganz oder teilweise" bedeuten, daß ein Verwaltungsbereich zwischen Bund und Ländern nur dann aufgeteilt werden kann, wenn eine Trennung nach Materien möglich ist; ein Instanzenzug von Bundes- zu Landesbehörden soll durch diese Bestimmung nicht ermöglicht werden. Zu Art. 96 Abs. 3 Es entspricht einem praktischen Bedürfnis ebenso wie dem System des Grundgesetzes, wenn entsprechend der Regelung für Beamte und Richter auch für Dienststrafverfahren gegen Soldaten sowie für Entscheidungen über Beschwerden von Soldaten Bundesgerichte eingerichtet werden. Der Vorschlag entspricht einstimmigen Beschlüssen beider Ausschüsse. Zu Art. 96 a Der Verteidigungsausschuß hatte vorgeschlagen, den Bund zur Errichtung von Militärstrafgerichten, die zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz gehören sollten, zu ermächtigen; er hatte weiter den Rechtsausschuß gebeten, eine Formulierung auszuarbeiten, die es gewährleistet, daß weder in Kriegs- noch in Friedenszeiten deutsche Staatsbürger, die in keiner Beziehung zu den Streitkräften stehen, von Militärgerichten verurteilt werden können. Der Rechtsausschuß stimmte diesen Vorschlägen zu; er hielt darüber hinaus eine präzisere Regelung der Zuständigkeit der Militärgerichte in Friedenszeiten für erforderlich. In Friedenszeiten solle eine Wehrstrafgerichtsbarkeit nur über Angehörige der Streitkräfte ausgeübt werden können, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind. In allen anderen Fällen sollen die Soldaten in Friedenszeiten den ordentlichen Gerichten unterstehen. Es bestand auch Einverständnis darüber, daß unter „Fähigkeit zum Richteramt" die Fähigkeit zum Richteramt in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verstehen ist und daß bei jeder Entscheidung mindestens ein Richter mit der Fähigkeit zum Richteramt als Vorsitzender mitwirken muß. Standgerichte, d. h. Gerichte, in denen keine ordnungsmäßig bestellten Richter mitwirken, sind damit schlechthin ausgeschlossen. Zu Art. 137 Abs. 1 Der Vorschlag entspricht übereinstimmenden Beschlüssen der beiden beteiligten Ausschüsse. Es entspricht dem System des Grundgesetzes, wenn es eine Beschränkung der Wählbarkeit der Berufssoldaten und der freiwilligen Soldaten auf Zeit in ähnlicher Weise ermöglicht wie für Richter und Angehörige des öffentlichen Dienstes. Zu Art. 143 Der Verteidigungsausschuß hatte durch einstimmigen Beschluß angeregt, der Rechtsausschuß möge eine Ergänzung des Art. 91 GG erwägen, durch die der Einsatz der Bundeswehr im Fall eines inneren Notstandes zur Unterstützung der Polizeikräfte geregelt wird. Der Rechtsausschuß sah sich nicht in der Lage, in der zur Verfügung stehenden Zeit eine derartige Regelung zu erarbeiten und zu beschließen. Er hielt es aber für geboten, daß durch einen neu eingefügten Art. 143 klargestellt wird, daß bei der gegenwärtigen Verfassungslage keine Befugnis besteht, die Bundeswehr bei einem inneren Notstand einzusetzen. Die Worte „. . . zulässig wird" bringen dies zum Ausdruck. Ein Einsatz der Bundeswehr und die Feststellung eines inneren Notstandes ist nach übereinstimmender Auffassung des Ausschusses erst möglich, wenn durch ein verfassungsänderndes Gesetz die Frage geklärt worden ist, wer feststellt, daß ein Fall des Notstandes eingetreten ist, und wer die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte in diesem Fall ausübt. Bonn, den 1. März 1956 Frau Dr. Schwarzhaupt Berichterstatterin Anlage 3 Umdruck 525 (Vgl. S. 6820 D, 6826 C) Ãnderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksachen 2150, 124, 125, 171). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel I Nr.9: Dem Artikel 65 a Absatz 1 werden folgende Sätze 2 und 3 hinzugefügt: Der Bundesminister für Verteidigung bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Bundestages. Er muß zurücktreten und ist vom Bundespräsidenten zu entlassen, sobald ihm der Bundestag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht. Bonn, den 5. März 1956 Feller und Fraktion Anlage 4 Umdruck 529 (Vgl. S. 6826 D) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksachen 2150, 124, 125, 171). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel I Nr. 10: Artikel 87 a erhält folgende Fassung: Artikel 87 a Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben. Bonn, den 6. März 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Drucksache 2140 (Vgl. S. 6827 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (6. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksache 1700). Berichterstatter: Abgeordneter Merten Der Deutsche Bundestag hat in seiner 105. Sitzung vom 12. Oktober 1955 den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) — Drucksache 1700 — federführend dem Ausschuß für Verteidigung und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung überwiesen. Auf Beschluß des Ältestenrates wurde das Gesetz am 18. Oktober 1955 ferner an den Ausschuß für Beamtenrecht — mitberatend — überwiesen. Der Ausschuß für Verteidigung hat sich in 11 Sitzungen, der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht in 7 Sitzungen und der Ausschuß für Beamtenrecht in 11 Sitzungen mit dem Gesetz befaßt. Der Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen wird den Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch den nachstehenden Bericht zur Kenntnis gebracht. I. Allgemeines Der Ausschuß für Verteidigung als federführender Ausschuß ist in eine allgemeine Debatte über das Soldatengesetz nicht eingetreten. Ein großer Teil der Fragen, die in diesem Gesetz geregelt werden sollen, ist von dem Ausschuß bereits bei früheren Gelegenheiten zur Verhandlung gestellt worden. Insbesondere haben die Arbeitsgruppen für soldatische Ordnung, Pflichten und Rechte der Soldaten, Diszipfinar- und Beschwerdeordnung bereits vorbereitende Arbeiten geleistet und dem Ausschuß darüber Bericht erstattet. Die Arbeitsgruppe I für das Gebiet der soldatischen Ordnung hat Richtlinien für den inneren Dienst, das Truppenzeremoniell, das Vorgesetztenverhältnis und die Grußpflicht, den Vertrauensmann und die Truppenbetreuung am 14. Oktober 1954 dem Ausschuß vorgelegt. Die Arbeitsgruppe II für die Pflichten und Rechte der Soldaten hat besonders zu folgenden Punkten Bericht an den Ausschuß erstattet: die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit der Person, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die freie Meinungsbildung, die Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, das Petitionsrecht, das aktive und passive Wahlrecht, der völkerrechtliche Unterricht, die Annahme von Belohnungen, die Übernahme von Vormundschaft und Ehrenämtern, der Anspruch auf freie Unterkunft, freie Bekleidung und freie Verpflegung, die Berufsfürsorge und Truppenversorgung, das Recht der Einsichtnahme in die Personalakten und die Lösung des Dienstverhältnisses. Das Ergebnis der Arbeiten der Arbeitsgruppe III für die Disziplinar- und Beschwerdeordnung ist in diesem Gesetz nur kurz angesprochen, weil diese Fragen in besonderen Gesetzen geregelt werden sollen. Die Vorarbeiten der Arbeitsgruppen und ihre Ergebnisse fanden zum Teil ihren Niederschlag im Entwurf der Bundesregierung, zum Teil wurden sie vom Ausschuß in den Gesetzentwurf eingearbeitet. In der 1. Beratung des Gesetzentwurfs und in der Regierungserklärung vom 27. Juni 1955 war die Frage der Änderung des Grundgesetzes als Voraussetzung für die Aufstellung der Bundeswehr angesprochen worden. Der Ausschuß hat vor Eintritt in die Beratungen über das Soldatengesetz die notwendig erscheinenden Änderungen und Ergänzungen des Grundgesetzes beraten und das Ergebnis seiner Beratungen dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur weiteren Behandlung übermittelt. Der Ausschuß war sich darüber im klaren, daß nach vorheriger Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes die rechtlichen Einwände gegen verschiedene Bestimmungen des Gesetzes gegenstandslos werden und damit sowohl die Verabschiedung als auch die Ausführung des Gesetzes erleichtert wird. Durch dieses Gesetz wird die Rechtsstellung des Soldaten in einem freiheitlich demokratischen Staat in einer Form festgelegt, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung dieses Staates entspricht. Die Rechte und Pflichten des Staatsdieners in der Uniform des Soldaten werden begründet und eingeordnet in weitgehender Entsprechung der Regeln, die auch für die übrigen Staatsdiener gültig sind. Bei diesem Bestreben mußten in einigen Fällen Abweichungen vom Recht der übrigen Staatsdiener vorgenommen werden. Der Ausschuß war bestrebt, dies nur in den Fällen zu tun, wo es unbedingt erforderlich war. Ohne Zweifel mußte (Merten) dabei in vielen Fällen von alten Traditionen und liebgewordenen Gewohnheiten Abstand genommen werden. Der Ausschuß war entschlossen, neue Wege konsequent zu gehen und die hierfür notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Der Ausschuß war sich bewußt, daß das Gesetz nur eine Voraussetzung dafür sein kann, daß der von ihm gewollte freiheitlich demokratische Geist in der Bundeswehr wirksam ist. Auf den gesetzlichen Voraussetzungen aufbauend, ist es die Aufgabe der Verwaltung und der Truppenführung, den Willen des Gesetzgebers in die Praxis umzusetzen. Im Hinblick auf das gesteckte Ziel ergaben sich besonders eingehende Erörterungen zur Frage der Grundpflicht des Soldaten, zur feierlichen Verpflichtung, zu Befehl und Gehorsam, zur politischen Betätigung, zum Wahlrecht und zur Fürsorge der Soldaten. Der Ausschuß hat bei seiner Arbeit ständig berücksichtigt, daß unter den derzeit herrschenden Verhältnissen des Kalten Krieges und der Teilung Deutschlands nur ein Soldat seiner Aufgabe voll gerecht werden kann, der auf dem Boden unserer demokratischen Grundordnung steht und die hohen Werte des Rechts und der Freiheit auch im täglichen Dienst vorlebt und weitervermittelt. Der Ausschuß ging bei seiner Arbeit ferner von der Überzeugung aus, daß es in einer modernen Truppe keinen blinden Gehorsam geben kann. Alle Maßnahmen der Erziehung der Truppe müssen durch den einzelnen Soldaten unterstützt werden, durch seinen Willen zur Selbstdisziplin und zur Selbsterziehung. Die vollkommen neuartigen Verhältnisse auf dem Gebiet des militärischen Lebens stellen an den einzelnen Soldaten weit höhere Anforderungen als früher und verlangen viel von seiner eigenen Entscheidungskraft und der Freudigkeit zur Verantwortung. Hieraus waren auch bestimmte Folgerungen für die gesetzlichen Grundlagen der Rechte und Pflichten des Soldaten zu ziehen. Der praktische Zweck des vorliegenden Gesetzes besteht darin, das Gesetz über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) vom 23. Juli 1955 (BGBl. I S. 449) zu ersetzen. Allerdings werden darüber hinaus im vorliegenden Gesetz auch Angelegenheiten angesprochen, die nicht nur für die freiwillig dienenden Soldaten, sondern auch für die Wehrpflichtigen von Bedeutung sind. Dies gilt besonders für den Ersten Abschnitt. Er enthält die Vorschriften, die für die Gesamtheit der Bundeswehr gelten. Dabei war der Gedanke maßgebend, daß der Dienst als Soldat als Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht anzusehen ist. Daher darf der Soldat nicht außerhalb des öffentlichen Lebens und des politischen Geschehens stehen. Er nimmt an diesem Lében und diesem Geschehen teil wie jeder andere Staatsbürger. Seine Teilnahme geschieht jedoch unter der besonderen Verantwortung, zu der ihn der Dienst für die Gesamtheit zwingt. Einen besonderen Raum nimmt die im Zweiten Abschnitt des Gesetzes geregelte Rechtsstellung der Berufssoldaten und der Soldaten auf Zeit ein. Hier ist nunmehr die endgültige Rechtsgrundlage für die freiwillig dienenden Soldaten geschaffen. Dabei ist berücksichtigt, daß gerade die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit von der freiwilligen Verpflichtung und dem zeitlichen Umfang ihrer Dienstzeit her gesehen den Berufsbeamten entsprechen. So wird auch ihre Rechtsstellung weitgehend in Übereinstimmung mit dem Recht der Beamten geregelt. Die Bestimmungen für die Wehrpflichtigen werden im Dritten Abschnitt lediglich in den Grundzügen angedeutet. Die Regelung im einzelnen bleibt dem Wehrpflichtgesetz vorbehalten, in dem die persönlichen und zeitlichen Grenzen der Wehrpflicht, ihr Inhalt, das Verfahren bei der Einberufung und der Beendigung des Wehrdienstes geregelt werden müssen. Der Aufbau der- Streitkräfte machte zunächst Vorschriften für die freiwillig dienenden Soldaten erforderlich. Erst wenn die Ausbilder und Einheitsführer ausgebildet sind, ist es möglich, eine allgemeine Wehrpflicht zu verwirklichen. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich von selbst, daß im Vierten Abschnitt dem Soldaten für Klagen und Beschwerden der Rechtsweg geöffnet wird, der auch den Beamten in solchen Fällen zugänglich ist. Im Fünften Abschnitt mußte eine verhältnismäßig große Zahl von Überleitungs- und Schlußvorschriften Aufnahme finden, weil zahlreiche Gesetze noch fehlen, die für die Organisation und das Leben der Bundeswehr unbedingt erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für die Regelung der Geld- und Sachbezüge, der Versorgung, der Disziplinarverfahren und der Laufbahnen. Auch für die Verwendung der Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht mußte eine gesetzliche Bestimmung getroffen werden. Ferner war es notwendig, aus dem Freiwilligengesetz diejenigen Bestimmungen herauszunehmen und in diesem Gesetz neu zu verankern, die mit dem 31. März 1956 nicht außer Kraft treten dürfen, weil sie weiterhin gültig bleiben müssen. Bis auf die Bestimmungen über die feierliche Verpflichtung der Soldaten und die Bezeichnung der Streitkräfte als Bundeswehr sind alle Vorschriften des Gesetzes im Verteidigungsausschuß einstimmig verabschiedet worden. II. Die einzelnen Bestimmungen ERSTER ABSCHNITT Zu 1. Allgemeines Mit der Frage der Änderung des Grundgesetzes als Voraussetzung für die Wehrgesetzgebung hat sich der Ausschuß für Verteidigung eingehend befaßt. Die Ergebnisse der Beratungen wurden dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht übermittelt. Dieser Ausschuß wird in einem eigenen Bericht die Ergebnisse seiner Beratung dem Bundestag vorlegen. Damit sind die in der Stellungnahme des Bundesrates zum Soldatengesetz geäußerten Bedenken ausgeräumt. Sie brauchten bei der weiteren Beratung des Soldatengesetzes vom Verteidigungsausschuß nicht mehr berücksichtigt zu werden. Zu §1 A b s. 1 bestimmt den Begriff des Soldaten. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Bundeswehr auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaut wird. In der Bundeswehr werden aber über das Wehrpflichtverhältnis hinaus insbesondere die Ausbilder, die Fachleute und die militärischen Führer Soldaten sein, deren Wehrdienstverhältnis auf einer freiwilligen Verpflichtung beruht. (Merten) Bei der Beratung beschäftigte sich der Ausschuß mit der Frage, ob für den Fall einer Verminderung der Planstellen durch Bundesgesetz oder välkerrechtliche Verpflichtung den Soldaten Sicherheiten für die wirtschaftlichen Grundlagen ihrer Existenz gegeben werden sollten. Zur Begründung dieser Forderung wurde auch die Frage der wirtschaftlichen Benachteiligung in anderen Fällen, z. B. bei einer Umorganisation der Bundeswehr, besprochen. Der Ausschuß hat sich dafür ausgesprochen, daß das Verhältnis der Soldaten zum Staat als gegenseitiges Treueverhältnis ausdrücklich gekennzeichnet wird. Hieraus ergibt sich, daß eine besondere Regelung für den Fall einer Verminderung der Bundeswehr oder einer Umorganisation innerhalb der Bundeswehr im Gesetz nicht vorgesehen werden muß. Abs. 1 a. Der Ausschuß für Beamtenrecht hat es für notwendig erachtet, die Statusbegriffe im Soldatenrecht klar festzulegen, weil auch spätere Gesetze auf sie zurückgreifen müssen. Die Erwähnung der Soldaten, die zu einem Dienstgrad befördert worden sind, erscheint erforderlich, weil sonst unter einem Wehrpflichtigen immer nur derjenige verstanden werden kann, der eingezogen worden ist und erstmalig seiner Wehrdienstpflicht genügt. Es soll deutlich gemacht werden, daß auch die Unteroffiziere und Offiziere der Reserve während der Leistung einer Übung als Wehrpflichtige anzusehen sind. A b s. 2 stellt fest, daß für die freiwilligen Soldaten zwei Möglichkeiten eines besonderen Dienstverhältnisses bestehen: das Dienstverhältnis auf Lebenszeit (Berufssoldat) und das Dienstverhältnis für begrenzte Zeit (Soldat auf Zeit). In A b s. 3 ist einmal der Begriff des Vorgesetzten dahin bezeichnet worden, daß Vorgesetzteneigenschaft mit Befehlsbefugnis gleichbedeutend ist. Ferner ist die Rechtsverordnung, die zur Ausgestaltung des Vorgesetztenverhältnisses ergeht, näher dahin bestimmt worden, daß es Vorgesetzte auf Grund der Dienststellung, des Dienstgrades, besonderer Anordnung und eigener Erklärung geben kann. Die Schaffung eines allgemeinen Vorgesetztenverhältnisses auf Grund des Dienstgrades allein ist jedoch ausgeschlossen. Die Fälle, in denen durch eigene Erklärung eine Befehlsbefugnis begründet werden darf, sind im einzelnen im Gesetz aufgezählt. Der Ausschuß befaßte sich auch mit der Frage, ob es ein Vorgesetztenverhältnis eines Soldaten gegenüber einem Nichtsoldaten geben kann. Hierbei ist u. a. an Fachleute wie Ingenieure und Ärzte gedacht worden. Diese Frage soll nicht in diesem Gesetz geklärt werden. Sie regelt sich grundsätzlich aus der Organisationsgewalt und wird in anderen Gesetzen einer Regelung zugeführt. Die Frage der Befehlsbefugnis eines Nichtsoldaten gegenüber einem Soldaten ist ebenfalls eine Angelegenheit der Organisationsgewalt. Auf Grund der Ermächtigung des Abs. 3 kann diese Frage durch die vorgesehene Rechtsverordnung geregelt werden. A b s. 4 des Regierungsentwurfs ist unverändert. Die näheren Einzelheiten bleiben der Regelung durch die Wehrdisziplinarordnung vorbehalten. Zu §2 Es wurde die Fassung angenommen, die der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Überschrift wurde durch den Ausschuß dem Text des § 2 angepaßt. Wegen des Beginns und der Beendigung der Rechte und Pflichten des Soldaten mußte besonderer Wert auf eine rechtlich klare Formulierung des § 2 gelegt werden. Insbesondere erschien dies notwendig wegen möglicher versorgungsrechtlicher, haftungs- und disziplinarrechtlicher Folgen. Es muß Rechtssicherheit darüber bestehen, wann dem einzelnen Staatsbürger die besonderen Pflichten eines Soldaten obliegen und wann die Unterwerfung unter diese Pflichten endet. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß eine besonders sorgf äl-tige Prüfung der Formulierung dieser Bestimmungen vorgenommen. Für den Beginn ist die festgesetzte Zeit des Diensteintritts maßgeblich, nicht der tatsächliche Diensteintritt. Der Einberufene kann also durch Fernbleiben nicht verhindern, daß er den militärischen Pflichten unterworfen wird. Das Dienstverhältnis endet mit Ablauf des Tages, an dem der Soldat aus dem Wehrdienst ausscheidet. Zu § 2 lagen dem Ausschuß zwei Anträge vor, das Wort „Streitkräfte" durch das Wort „Bundeswehr" oder durch die Worte „Wehrmacht des Bundes" zu ersetzen. Der Ausschuß hat sich mit Mehrheit dafür entschieden, im ganzen Gesetz das Wort „Streitkräfte" jeweils durch das Wort „Bundeswehr" zu ersetzen. Zu § 3 Die Formulierung wurde an den Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 GG angeglichen. Jedoch hat der Ausschuß die negative Formulierung des Grundgesetzes in diesem Gesetz in eine positive Forderung für das Personalwesen der Bundeswehr gekleidet. Zu §4 A b s. 1. Der Beamtenrechtsausschuß hielt es für notwendig, die Überführung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder umgekehrt als Umwandlung des Dienstverhältnisses in Abs. 1 Nr. 1 a aufzuführen. Dieser Auffassung schloß sich der Verteidigungsausschuß an. Der Wehrpflichtige wird durch die Einberufung in dem für seinen Dienstantritt festgesetzten Zeitpunkt kraft Gesetzes Soldat; insoweit bedarf es daher keiner Ernennung. A b s. 2. Die hierzu vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesrates und einer Minderheit des Beamtenrechtsausschusses konnten durch den Hinweis auf die gleichzeitig zur Beratung stehenden Änderungen des Grundgesetzes beseitigt werden. Der Bundesminister für Verteidigung hat danach die Befugnis, die Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, zu Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgraden zu ernennen. A b s. 3 sieht für den Bundespräsidenten die Befugnisse vor, die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten festzusetzen und Bestimmungen über die Uniform zu treffen. Bereits bisher hatte der Bundespräsident dieses Recht auf Grund des § 2 des Freiwilligengesetzes in Verbindung mit den §§ 76 und 81 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes. Hierbei handelt es sich um das hergebrachte Recht eines Staatsoberhauptes. Zu §5 § 5 regelt nach einem Vorschlag des Bundesrates entsprechend der Vorschrift des § 50 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes die Zuständigkeit des Bundespräsidenten in bezug auf die Ausübung des Gnadenrechts, soweit sich Strafurteile auf die Rechtsstellung des Soldaten auswirken. Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf die Rechte aus einem früheren Soldatenverhältnis. (Merten) Zu 2. Pflichten und Rechte der Soldaten Der Ausschuß hat eine ausführliche und gründliche Diskussion über die Rechte und Pflichten der Soldaten geführt. Dabei befaßte er sich insbesondere mit denjenigen Rechten und Pflichten, die sich aus der Grundkonzeption des Staatsbürgers in Uniform ergeben. Der Ausschuß ging von dem Grundsatz aus, daß die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten soweit wie möglich erhalten bleiben sollen. Die soldatischen Pflichten gründen sich auf die Verantwortung, die der Soldat für die demokratische Grundordnung übernimmt. Der Ausschuß hat daher ausdrücklich die Bestimmung über die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten an den Anfang dieses Unterabschnitts gestellt, weil er die Anerkennung der staatsbürgerlichen Rechte als Voraussetzung fur die Forderung einer besonderen Art der Pflichterfüllung ansieht. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß mit der Grundpflicht des Soldaten zu treuem Dienst, der Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes, zu Tapferkeit, zum Eintreten fur die freiheitliche demokratische Grundordnung, zum Gehorsam, zur Kameradschaft und zur Wahrhaftigkeit erhebliche Anforderungen an den Charakter und die gesamte Persönlichkeit der einzelnen Soldaten gestellt werden. Diese Anforderungen sind jedoch unumgänglich im Hinblick auf die besondere Verantwortung, die der Soldat sowohl im Zustande des Kalten Krieges als auch im Verteidigungsfall durch die völlig neuartige Form der gewaltsamen Auseinandersetzung trägt. Der Ausschuß war sich der besonderen Schwierigkeiten bewußt, die sich daraus ergeben, wenn ethische Forderungen in Bestimmungen eines Gesetzes niedergelegt werden sollen, aus denen sich dann für die Disziplinarordnung und andere Rechtsgebiete entsprechende rechtliche Folgerungen ergeben. Zu § 5 a Auf Antrag des Abg. Dr. Kliesing wurde § 5 a neu in das Gesetz eingefügt. Der Ausschuß nahm damit einen Gedanken auf, der bereits bei dem ersten Entwurf des Verteidigungsministeriums berücksichtigt war. Dieser Gedanke wurde später aus staatsrechtlichen Gründen nicht weiter verfolgt. Der Ausschuß sah jedoch keine Schwierigkeiten staatsrechtlicher Art und hat aus den bereits erwähnten Gründen die Aufnahme dieser Bestimmung in das Gesetz fur zweckmäßig gehalten. Die staatsbürgerlichen Rechte eines Soldaten bleiben in vollem Umfang erhalten, soweit sie nicht ausdrücklich durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt werden. Der Ausschuß war der Auffassung, daß durch die Aufnahme des § 5 a in das Gesetz der Standort des Soldaten in einem demokratischen Staat noch besonders verdeutlicht werden soll. Zu §6 Bei der Festlegung dieser Bestimmung sah sich der Ausschuß besonderen Schwierigkeiten gegenüber. Im Regierungsentwurf vermißte der Ausschuß die Bezeichnung des Dienstherrn, dem der Soldat zu treuem Dienst verpflichtet ist. Ferner gab der Begriff „Vaterland" Anlaß zu gründlicher Überlegung. Der Ausschuß wünschte klarzustellen, daß der Soldat Befehle und Anweisungen von den Organen der Bundesrepublik entgegenzunehmen und treu zu erfüllen hat, daß er sich aber dabei für das Schicksal des gesamten deutschen Volkes, auch soweit es nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebt, verantwortlich weiß. Es mußte klar P herausgestellt werden, daß Recht und Freiheit des gesamten deutschen Volkes von dem Soldaten verteidigt werden müssen, daß aber andererseits der Begriff des deutschen Volkes bei der Gehorsamspflicht zu Schwierigkeiten führen kann. Aus diesem Grund ist als Dienstherr ausdrücklich die Bundesrepublik Deutschland genannt worden. Die Behörden der sowjetischen Besatzungszone behaupten, auch im Namen des deutschen Volkes zu handeln. Es mußte Klarheit darüber geschaffen werden, daß von dieser Seite keinerlei Rechte in Anspruch genommen werden können, die mit der Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes zusammenhängen. Besondere Erörterungen des Ausschusses gingen um die Frage, ob das Wort „tapfer" in die Grundpflicht des Soldaten aufgenommen werden sollté oder nicht. Aus der Diskussion ergab sich, daß Tapferkeit das Ziel der Erziehung und Selbsterziehung des Soldaten sein soll, dessen Wille zur treuen Pflichterfüllung stärker als die Furcht ist. Der besondere Ernst seiner Aufgabe soll ihm deutlich vor Augen gestellt werden, damit er die Einsicht gewinnt, daß die Verteidigung von Recht und Freiheit den Einsatz der ganzen Person notwendig macht. Der Ausschuß war der Auffassung, daß hierbei nicht nur an den Verteidigungsfall gedacht werden dürfe, sondern daß das gesamte Verhalten des Soldaten auch im Frieden unter dem Gesichtspunkt dieser Crundpflicht stehen müsse. Zu § 7 Der Ausschuß hat sich entschlossen, entsprechend den Beschlüssen des Rechtsausschusses das in der Regierungsvorlage enthaltene Wort „bekennen" durch „anerkennen" zu ersetzen. Der Ausschuß ging dabei von der Auffassung aus, daß diese Bestimmung auf alle Soldaten, also auch auf die Wehrpflichtigen, Anwendung findet. Bei den auf Grund eines Wehrpflichtgesetzes eingezogenen Soldaten kann ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ernstlich nicht von allen verlangt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, daß das Bekenntnis zu einem Lippenbekenntnis wird. Jedoch muß von allen Soldaten wie von allen Staatsbürgern gefordert werden können, daß sie die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung als verbindlich ansehen. Sie können ja auch die Rechte in Anspruch nehmen, die ihnen das Grundgesetz als Staatsbürger gewährt. Der Unterschied zu der in § 52 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes gefundenen Regelung, in der das Wort „bekennen" verwendet wird, ergibt sich daraus, daß das Beamtenrecht es nur mit Personen zu tun hat, die sich freiwillig für den Beruf des Beamten entscheiden und von denen daher auch Pflichten erwartet werden können, die über die allgemeinen Verpflichtungen des Staatsbürgers hinausgehen. Der Ausschuß war übereinstimmend der Auffassung, daß an Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit Anforderungen gestellt werden müssen, die dem Bundesbeamtenrecht entsprechen. Dies ergebe sich auch aus dem § 32 Abs. 1 Nr. 2, der von dem freiwillig länger dienenden Soldaten verlangt, daß er die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Diese Pflicht wirkt für Offiziere und Unteroffiziere auch außerhalb des aktiven Dienstes nach, wie sich aus § 20 Abs. 2 ergibt. Wenn sich Offiziere und Unteroffiziere, die nicht mehr im aktiven Dienst stehen, als Gegner (Merten) der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erweisen, muß die Möglichkeit gegeben sein, sie wegen der Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten disziplinarisch zur Verantwortung zu ziehen. Zu § 7 a Der Soldateneid hat den Ausschuß in mehreren Sitzungen beschäftigt. Zu dieser Frage wurden gehört als Vertreter der katholischen Kirche Pater Dr. Hirschmann, S. J., Frankfurt, Prälat Böhler, Köln, als Vertreter der evangelischen Kirche Staatsminister Osterloh, Kiel, Prälat D. Kunst, Bonn, und als Vertreter des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit Stadtrat Schäfer, Ludwigshafen. Staatsminister Osterloh, Kiel, sprach sich für eine Vereidigung aller Soldaten aus, die vier anderen genannten Vertreter erklärten sich gegen eine Vereidigung der Soldaten. Der Ausschuß nahm zur Kenntnis, daß Staatsminister Osterloh nur für seine Person, jedoch nicht für die evangelische Kirche sprach. Die grundsätzlichen Erklärungen von P. Dr. Hirschmann, S. J., Staatsminister Osterloh, Prälat D. Kunst und Stadtrat Schäfer werden wegen der Wichtigkeit der Angelegenheit als Anlage (siehe S. 6873 A) dem. Ausschußbericht beigefügt. Der Ausschuß hat sich zunächst mit der grundsätzlichen Frage beschäftigt, ob eine Vereidigung überhaupt empfohlen werden könne oder nicht. Die geschichtliche Entwicklung des Soldateneides wurde eingehend besprochen. Es wurden ferner die religiösen Grundlagen und die Rechtsfolgen des Eides einer eingehenden Erörterung unterzogen. Nach der Grundsatzdebatte hat der Ausschuß die Vereidigung aller Soldaten, d. h. also sowohl der Wehrpflichtigen als auch der freiwillig dienenden Soldaten, gegen vier Stimmen abgelehnt. Der Ausschuß hat dann darüber beraten, ob lediglich die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit verpflichtet werden sollten, einen Diensteid zu leisten. Ein entsprechender Antrag wurde mit 13 : 13 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Es wurde dann der Antrag zur Abstimmung gebracht, nur die Berufssoldaten, dagegen nicht die Soldaten auf Zeit zu vereidigen. Auch dieser Antrag wurde mit demselben Stimmenverhältnis abgelehnt. Schließlich hatte der Ausschuß noch über den Antrag zu entscheiden, alle Offiziere, und zwar sowohl die Berufsoffiziere als auch die Offiziere auf Zeit und die Reserveoffiziere zu vereidigen. Auch dieser Antrag wurde bei Stimmengleichheit und einer Enthaltung abgelehnt. Der Ausschuß befaßte sich dann mit der Frage, ob alle Soldaten in einer besonders feierlichen Form verpflichtet werden sollten. Bei 2 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen wurde eine Entscheidung getroffen, die feierliche Verpflichtung im Gesetz zu verankern. Es bestand Übereinstimmung darüber, daß Gegenstand dieser Verpflichtung die in § 6 niedergelegte Grundpflicht des Soldaten sein müsse. Daher wurde der Wortlaut dieser Verpflichtung entsprechend formuliert. Der Ausschuß war der Auffassung, daß das nunmehr im Gesetz verankerte feierliche Gelöbnis von den Wehrdienstpflichtigen erst nach Abschluß der Grundausbildung verlangt werden sollte, damit vorher eine eingehende Belehrung über den Sinn und den Umfang seiner Pflichten erfolgen kann, die ihm dieses Gesetz auferlegt. Zu § 8 Der Ausschuß hat die gesetzliche Regelung der Pflichten des Vorgesetzten im Zusammenhang mit der in § 9 geregelten Gehorsamspflicht des Soldaten behandelt. Das gesamte Problem Befehl und Gehorsam wurde vom Ausschuß eingehend untersucht. Dabei wurden vor allem diejenigen Erkenntnisse berücksichtigt, die sich aus der Behandlung strafrechtlicher Tatbestände des zweiten Weltkrieges durch die Gewahrsamsstaaten der deutschen Kriegsgefangenen ergeben haben. Der Ausschuß versucht, eine Regelung zu finden, die dem Befehlsgeber die Verantwortung für den Befehl und seine Folgen überträgt, andererseits aber dem Untergebenen einen blinden Gehorsam nicht zumutet. Zu A b s. 1 hat der Ausschuß sich der Auffassung des Bundesrates, das Wort „Beispiel" durch „Vorbild" zu ersetzen, nicht angeschlossen. Er folgte dem Entwurf der Regierung, durch den von dem Vorgesetzten in Haltung und Pflichterfüllung verlangt wird, den Untergebenen beispielhaft voranzugehen. Hieraus ergibt sich, daß zwar keine neuen Pflichten begründet werden, jedoch bei der Erfüllung der soldatischen Pflichten erhöhte Anforderungen gestellt werden und damit auch im Falle von Pflichtverletzung schärfere Maßstäbe angelegt werden. Zu A b s. 2 hat der Ausschuß die Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß die Pflicht zur Dienstaufsicht des Vorgesetzten über die Überwachung der Untergebenen hinausgeht, die sich lediglich darauf erstreckt, Pflichtverletzungen oder Straftaten zu verhindern. Die Pflicht zur Dienstaufsicht hat auch den Charakter der Fürsorge dafür, daß die Untergebenen nicht zu Schaden kommen. Die Verantwortung für die Disziplin der Untergebenen ist eine Folge der Vorgesetzteneigenschaft. A b s. 3 ist für die menschlichen Beziehungen zwischen Vorgesetztem und Untergebenem von besonderer Bedeutung. Dem Vorgesetzten muß das Wohl und Wehe seiner Untergebenen am Herzen liegen. Seine Pflicht zur Fürsorge wird wesentlich dazu beitragen, seine Untergebenen zu einer echten Gemeinschaft zu formen. Ohne eine rechte Fürsorge wird auch die Disziplin in Frage gestellt. Unabhängig von der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten besteht im Rahmen des Treueverhältnisses für den Staat selbst eine Rechtspflicht zur Fürsorge für den Soldaten (§ 26 a). A b s. 4 legt dem Vorgesetzten die Pflicht auf, die Grenzen seiner Befehlsgewalt streng zu beachten. Es soll der Mißbrauch der Befehlsgewalt durch den Vorgesetzten verhindert werden. Damit zugleich soll dem Untergebenen ein Schutz davor gewährt werden, daß er in seinen Rechten durch rechtswidrige Befehle beeinträchtigt wird. Zu Abs. 4 hat es der Ausschuß für zweckmäßig gehalten, die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten für seine Befehle wegen der Wichtigkeit dieser Vorschrift in einem besonderen Absatz zu regeln. Diese Verantwortung betrifft zunächst die Rechtmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit und die Durchführbarkeit des gegebenen Befehls. Sie umfaßt jedoch darüber hinaus auch das rechtlich nicht immer faßbare Gebiet der allgemeinen sittlichen Verantwortung für Form und Inhalt des Befehls und seine Folgen. Hier ist insbesondere die Verpflichtung des Abs. 1 von Bedeutung, dem Untergebenen ein Beispiel zu geben. Der Vorgesetzte muß im Rahmen seiner Pflichten Befehle durchsetzen und für reibungsloses Funktionieren der militärischen Organisation Sorge tragen. Das folgt aus seiner Verantwortung für die ihm gestellte militärische Aufgabe und aus seiner Verantwortung für die Disziplin. (Merten) Der Beamtenrechtsausschuß war zwar der Auffassung, daß die Verhältnismäßigkeit der Mittel zur Durchsetzung eines Befehls ohnedies nach den für den Verwaltungsvollzug bestehenden Grundsätzen auch hier Geltung habe und durch die Begrenzung der Befehlsgebung in Abs. 4 geregelt sei. Der Rechtsausschuß jedoch hielt es für richtig, im Gesetz ausdrücklich zu sagen, daß Befehle in einer Weise durchzusetzen seien, die den jeweiligen Umständen angemessen ist. Der Ausschuß hat sich der Auffassung des Rechtsausschusses angeschlossen. Die Formulierung des Abs. 6 wurde vom Ausschuß bei der Behandlung der Frage der politischen Betätigung (§ 15) und der Kameradschaft (§ 10) gefunden. Das Vertrauen des Untergebenen zum Vorgesetzten kann dann eine erhebliche Belastung erfahren, wenn der Vorgesetzte nicht den Forderungen der Toleranz und der Gerechtigkeit entspricht und sich in der Behandlung seiner Untergebenen nicht völlig unparteiisch verhält. Von einem Soldaten, der Vorgesetzter von Soldaten der verschiedensten Auffassungen und Haltungen ist, muß erwartet werden, daß er auch andere Meinungen gelten läßt. Zu §9 Der Ausschuß ist der Auffassung, daß die Pflicht, einem Befehl zu gehorchen, unerläßlich ist für das Funktionieren jeder militärischen Organisation. Diese Verpflichtung des Untergebenen zum Gehorsam bedürfte keinerlei Einschränkung, wenn nicht damit gerechnet werden müßte, daß auch Befehle erteilt werden können, die den in § 8 geregelten Anforderungen an einen Befehl nicht in vollem Umfang oder gar nicht entsprechen. In Abs. 1 hat der Ausschuß daher den Untergebenen die Möglichkeit eingeräumt, einen Befehl dann nicht zu befolgen, wenn er die Menschenwürde des Untergebenen oder eines Dritten verletzt oder wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist. Es sollte hier insbesondere der schikanöse Befehl getroffen werden, und ferner Befehle, die Vorgesetzte in privaten Angelegenheiten erteilen. Hier soll der Untergebene die Ausführung eines Befehls ablehnen können. Allerdings trifft ihn in diesen Fällen die Verantwortung für eine Gehorsamsverweigerung, wenn er sich über den Charakter des betreffenden Befehls in einem Irrtum befunden hat. Der Ausschuß hat in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung der Rechtsprechung der früheren deutschen militärischen Gerichtsbarkeit geprüft. Insbesondere hat sich der Ausschuß in seinen Überlegungen zu einer Entscheidung des Reichskriegsgerichtes bekannt, derzufolge die Pflicht zum Gehorsam entfällt, wenn ein rechtswidriger Befehl so entscheidend in die Ehre, das Ansehen, die militärische Stellung, die Gesundheit, das Leben und das wirtschaftliche Dasein des Untergebenen eingreift, daß diesem die Ausführung des Befehls nicht zugemutet werden kann. Es ist ein wesentlicher Zug freiheitlicher Ordnung, der Gehorsamspflicht dort Grenzen zu setzen, wo Grundwerte verletzt oder Forderungen gestellt werden, die nichts mit der eigentlichen Aufgabe zu tun haben. In diesen Fällen sind die menschlichen Grundrechte wichtiger als das rein mechanische Funktionieren eines Apparates. Zu A b s. 2 wird verwiesen auf den Bericht zu § 8 in bezug auf die Berücksichtigung der strafrechtlichen Praxis der Gewahrsamsstaaten. Dem Untergebenen wird die Verantwortung für einen Befehl. durch den Verbrechen oder Vergehen begangen würden, grundsätzlich nicht auferlegt. Hiervon gibt es jedoch zwei Ausnahmen. Erstens trifft den Untergebenen die Verantwortung für die Ausführung des Befehls dann, wenn er selbst weiß, daß durch den Befehl ein Verbrechen oder ein Vergehen begangen wird. Diese Regelung entspricht in etwa der Regelung des § 47 des früheren Militärstrafgesetzbuches. Zweitens soll der gehorchende Untergebene auch dann die Verantwortung tragen, wenn er zwar den verbrecherischen Charakter des Befehls nicht erkannt hat, ihn aber nach den obwaltenden Umständen hätte erkennen müssen. Diese Bestimmung richtet sich besonders gegen Untergebene, die in gewissenloser Weise handeln oder die an ihr Handeln keinerlei moralische Maßstäbe anlegen. Gewissenlose Untergebene sollen ihrer Verantwortung nicht entzogen werden, wenn sie sich darauf berufen, daß ihnen das Verbrechen oder Vergehen bei der Ausführung des Befehls nicht zum Bewußtsein gekommen sei. Hier sollen die höheren sittlichen Normen gegenüber Menschen bestimmend sein, die glauben, diese Normen außer acht lassen zu können. Der Ausschuß hat sich zur Frage „Befehl und Gehorsam" mit zahlreichen Eingaben und Anträgen befaßt. Er glaubt, daß das ernsthafte Anliegen aller dieser Eingaben und Anträge in der gefundenen Formulierung der §§ 8 und 9 seinen Niederschlag gefunden hat. Zu § 10 Die in § 8 Abs. 6 dem Vorgesetzten in besonderem Maße zur Pflicht gemachte Toleranz gegenüber den Untergebenen wird hier allen Soldaten als Verpflichtung auferlegt. Der Ausschuß war sich darüber klar, daß der Begriff Kameradschaft einen ethischen Gehalt hat, der in der Sprache des Gesetzes nicht zu fassen ist und der in seinem vollen Gehalt nicht als Verpflichtung einem jeden Soldaten vorgeschrieben werden kann. Der § 10 enthält daher nur die Mindestanforderungen, die an jeden Soldaten gestellt werden müssen, damit er sich in die Truppe einfügt und damit nicht durch einzelne Soldaten diese Gemeinschaft in empfindlicher Weise gestört wird. Zu § 12 Der Ausschuß ist der Auffassung, daß es sich hier nicht um die Verpflichtung zu einem allgemein moralischen Verhalten des Soldaten handelt. In § 12 wird vielmehr nur die Verpflichtung des Soldaten zu der Wahrheit entsprechenden dienstlichen Aussagen geregelt. Diese Verpflichtung ist notwendig, weil von den dienstlichen Aussagen die Bildung eines militärischen Urteils und die Erteilung von Befehlen abhängt, die erhebliche Folgen haben können. Aus diesem Grunde ist die Wahrheitspflicht gefordert in Angelegenheiten, die den Dienst betreffen. A b s. 2 entspricht den Beschlüssen des Rechtsausschusses und des Beamtenrechtsausschusses. Er dient dem Schutz der Untergebenen vor mißbräuchlicher Ausnutzung seiner Verpflichtung, wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen. Ein Vorgesetzter kann nur dann eine Auskunft unter dieser Verpflichtung fordern, wenn der Dienst es rechtfertigt. Damit ist insbesondere ein unzulässiges Eindringen in die private Sphäre des Soldaten verboten. Zu § 13 Die Pflicht zur Verschwiegenheit hat eine Regelung gefunden, die dem § 61 Abs. 1 bis 4 und § 62 des Bundesbeamtengesetzes entspricht. (Merten) Zu § 15 Die staatsbürgerlichen Rechte des Soldaten werden in § 5 a ausdrücklich garantiert. Daraus ergibt sich, daß die politische Meinungsäußerung des Soldaten im kameradschaftlichen Gespräch nicht beschränkt werden soll. Der Ausschuß ist jedoch der Auffassung, daß im Dienst die parteipolitische Betätigung des Soldaten keinen Platz haben kann. Abs. 1 a regelt die politische Betätigung innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen außerhalb des Dienstes. Im Ausschuß bestand Klarheit darüber, daß unter dienstlichen Unterkünften und Anlagen auch dienstlich angewiesene Quartiere während Übungen, Manövern und Märschen zu verstehen sind. Grundsätzlich soll hier die politische Betätigung in den Fällen geregelt werden, in denen der Soldat außerhalb des Dienstes durch die militärischen Verhältnisse genötigt ist, mit Kameraden zusammenzuleben. Aus diesem Grunde bildet hier die Forderung der Kameradschaft die Schranke für seine politische Betätigung. Diese Schranke ist deutlich gemacht durch das ausgesprochene Verbot, für eine politische Gruppe Ansprachen zu halten, Schriften zu verteilen oder sich als Funktionär zu betätigen. Abs. 2. Die Teilnahme am politischen Leben soll dem Soldaten außerhalb des Dienstes und der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen nicht verwehrt werden. Allerdings wird ihm wie dem Beamten auferlegt, sich hier zurückzuhalten und zu mäßigen, weil er als Soldat im Dienste der Gesamtheit auch Verpflichtungen gegenüber der Gesamtheit hat. Daraus ergibt sich das Verbot, in Uniform an politischen Versammlungen teilzunehmen. Hier sind nicht gemeint politische Akte, die von Staats wegen durchgeführt werden, sondern lediglich Veranstaltungen politischer Gruppen, die im Rahmen der Versammlungsfreiheit und zur Ausübung des Rechtes der freien Meinungsäußerung durchgeführt werden. Abs. 2 a unterstreicht noch einmal im Zusammenhang mit § 8 Abs. 6 die Pflicht des Vorgesetzten, seine dienstliche Stellung nicht zur politischen Beeinflussung der Untergebenen zu mißbrauchen. Diese Verpflichtung des Vorgesetzten gilt für ihn sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes. Zu § 15 a Der Ausschuß hat die Regelung des Verhaltens der Soldaten im Ausland als besonderen Paragraphen formuliert, weil dieses Verhalten über den Umfang der politischen Betätigung hinaus berücksichtigt werden muß. Bereits in Friedenszeiten besteht die Möglichkeit, daß zahlreiche Soldaten ihren Dienst außerhalb der Bundesrepublik zu tun haben. Entsprechend den Vorschriften für die Angehörigen des diplomatischen Dienstes ist es auch den Soldaten verboten, sich in irgendeine Angelegenheit einzumischen, die den Aufenthaltsstaat betrifft. Zu § 15b Das Verhältnis des Untergebenen zum Vorgesetzten außerhalb des Dienstes war im Ausschuß Gegenstand längerer Erörterungen. Der Ausschuß war der Auffassung, daß es im Interesse der allgemeinen Disziplin erforderlich sei, daß der Untergebene auch außerhalb des Dienstes dem Vorgesetzten in seiner Person Achtung entgegenbringt. In diesem Zusammenhang wurde die Grußpflicht gegenüber dem Vorgesetzten außerhalb des Dienstes erörtert. Der Ausschuß nahm dabei Bezug auf die bereits früher bei der Behandlung der inneren Führung erarbeiteten Grundsätze. Im einzelnen soll diese Frage jedoch in den Vorschriften des Verteidigungsministers über den inneren Dienst ihre Regelung finden. Die Vorschrift des A b s. 1 beinhaltet nicht von sich aus die Grußpflicht außerhalb des Dienstes. Der Ausschuß wünscht eine möglichst weitgehende Einschränkung der Grußpflicht auch im Hinblick auf die Anwesenheit zahlreicher ausländischer Truppenteile in dem Gebiet der Bundesrepublik. Abs. 2 entspricht der Regelung im Beamtenrecht, wie sie in § 54 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes niedergelegt ist. Abs. 3 enthält eine besondere Verpflichtung für die Offiziere und Unteroffiziere und entspricht der Regelung des § 20 Abs. 2 Nr. 2. Diese Bestimmung geht über die entsprechende Regelung des Beamtenrechts in § 77 des Bundesbeamtengesetzes hinaus, weil im Gegensatz zum Beamtenrecht bei Offizieren und Unteroffizieren jederzeit und besonders im Verteidigungsfalle mit einer Wiederverwendung gerechnet werden muß. A b s. 4 hat im Ausschuß zu längeren Diskussionen geführt. Zunächst mußte die Bestimmung über die Erhaltung der Wehrtüchtigkeit so präzisiert werden, daß daraus klar hervorgeht, daß es sich hier lediglich um die Erhaltung der Gesundheit handelt. Der Soldat sollte gegen eine mißbräuchliche Anwendung der Bestimmung geschützt werden. Andererseits mußte jedoch verhindert werden, daß sich Soldaten mutwillig zum Wehrdienst untauglich machen, um sich der Wehrpflicht ganz oder teilweise zu entziehen. Eine Pflichtverletzung liegt nur dann vor, wenn die Beeinträchtigung der Gesundheit vorsätzlich oder grob fahrlässig geschieht. Die leicht fahrlässige Beeinträchtigung darf nicht als Pflichtverletzung angesehen werden. Der Ausschuß hat sich dann mit der Frage befaßt, wieweit der Art. 2 Abs. 2 GG mit der Notwendigkeit zu vereinbaren ist, daß im Interesse der Gemeinschaft in gewissen Fällen der Soldat ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit dulden muß. Hierzu hat der Ausschuß die Bundestagsabgeordneten, die von Beruf Ärzte sind, zu einer Stellungnahme aufgefordert. Aus dieser Stellungnahme hat der Ausschuß die Bestimmung übernommen, daß der Soldat dann ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit dulden muß, wenn diese Eingriffe der Seuchenbekämpfung dienen. Es ist hierbei in erster Linie an Schutzimpfungen gedacht. In allen anderen Fällen können ärztliche Eingriffe und Behandlungen nur mit Zustimmung des Soldaten durchgeführt werden. Damit soll die Achtung vor der Person des Soldaten zum Ausdruck kommen und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefördert werden. Eine Benachteiligung des Soldaten kann nur in den Fällen eintreten, in denen er eine ärztliche Behandlung ablehnt, obwohl sie zumutbar wäre, und durch diese Ablehnung seine Dienst- oder Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflußt wird. In diesen Fällen kann ihm insoweit eine Versorgung versagt werden, die ihm andernfalls zugestanden hätte. Weitere Nachteile, insbesondere disziplinärer Art, dürfen dem Soldaten hieraus nicht entstehen. Nachteile entstehen dem Soldaten jedoch nicht, wenn er eine ärztliche Behandlung ablehnt, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit verbunden ist oder die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeutet, wie es z. B. bei einer Operation der Fall ist. Zu dieser Frage hat der Ausschuß als Sachverständige (Merten) Herrn Generalarzt a. D. Dr. Kritzler-Kosch und Herrn Professor Dr. Elbel gehört. Zu § 15 c Diese Vorschrift entspricht dem § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes vom 6. August 1953 (BGBl. I S. 899). Die Notwendigkeit dieser Vorschrift wurde in Übereinstimmung mit dem Beamtenrechtsausschuß bejaht, weil durch das Gesetz sichergestellt werden muß, daß die Pflicht des Soldaten zum gemeinsamen Wohnen und zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung nicht in Zweifel gezogen werden kann. Zu § 15 d Diese Bestimmung entspricht dem § 70 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 17 Die Absätze 1 bis 4 und 6 entsprechen der Regelung des Beamtenrechts in den §§ 64 ff. des Bundesbeamtengesetzes. Die in § 69 erteilte Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über die Nebentätigkeit der Beamten gilt auch für die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit entsprechend. In dieser Rechtsverordnung kann bestimmt werden, ob und inwieweit der Soldat für eine im öffentlichen Dienst ausgeübte oder auf Anordnung, Vorschlag oder Veranlassung seines Vorgesetzten übernommene Nebentätigkeit eine Vergütung erhält oder eine erhaltene Vergütung abzuführen hat. Weiter kann für einzelne Gruppen von Soldaten, soweit es nach der Natur des Dienstverhältnisses erforderlich ist, auch die schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeit, ferner die mit Lehr- und Forschungsaufgaben zusammenhängende Gutachtertätigkeit von Soldaten an wissenschaftlichen Instituten und Anstalten von einer Genehmigung abhängig gemacht werden. Eine besondere Regelung findet die Frage der Nebentätigkeit für die Soldaten, die als Wehrpflichtige Wehrdienst leisten. Ihnen steht die Nebentätigkeit grundsätzlich frei. Allerdings besteht im Falle einer Gefährdung der Dienstfähigkeit oder Beeinträchtigung der dienstlichen Erfordernisse die Möglichkeit, ein Verbot auszusprechen. Zu § 18 Die Übernahme staatsbürgerlicher Ehrenämter ist auch dem Soldaten möglich. Sie darf ihm nur versagt werden, wenn zwingende dienstliche Gründe für die Übernahme eines derartigen Ehrenamtes keine Möglichkeit lassen. In den Fällen, in denen die Übernahme eines staatsbürgerlichen Ehrenamtes eine gesetzliche Pflicht für den Staatsbürger ist, wird dem Soldaten mit Rücksicht auf seine dienstliche Beanspruchung die Möglichkeit gegeben, die Übernahme abzulehnen. Zu § 19 Diese Vorschrift stimmt sachlich mit dem § 60 des Bundesbeamtengesetzes überein. Zu § 20 A b s. 1 entspricht dem § 77 des Bundesbeamtengesetzes. Abs. 2 enthält besondere Bestimmungen für die Soldaten, die von dem Bundesbeamtenrecht abweichen. Es werden von diesen Bestimmungen nicht nur die Soldaten im Ruhestand betroffen, sondern alle Angehörigen der Reserve. Die Nr. 2 zieht in ihrem letzten Halbsatz die Folgerungen aus der Verpflichtung in § 15 b Abs. 3. A b s. 3 überläßt es dem Gesetz über die Wehrdisziplinarordnung, das Nähere zu regeln. Zu § 21 Die Frage der Haftung ist entsprechend § 78 des Bundesbeamtengesetzes geregelt. — In A b s. 1 wird jedoch für den Soldaten eine abweichende Regelung insoweit getroffen, als er für schadenstiftende Handlungen im Ausbildungsdienst oder im Einsatz nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zum Ersatz herangezogen werden darf. Dies ergibt sich aus der besonderen Natur des militärischen Dienstes. Zu § 22 Die Frage des aktiven Wahlrechts der Soldaten braucht an dieser Stelle nicht mehr ausdrücklich angesprochen zu werden, nachdem der Soldat entsprechend § 5 a alle Rechte eines Staatsbürgers besitzt. Der Ausschuß befaßte sich daher an dieser Stelle ausschließlich mit der Frage des passiven Wahlrechts. Nach einer eingehenden Diskussion hat der Ausschuß sich einstimmig dafür ausgesprochen, das passive Wahlrecht des Berufssoldaten zum Bundestag in derselben Form zu regeln, wie dies bei den Beamten durch das Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 777) geregelt ist. Der Ausschuß hat dann weiterhin beschlossen, auch das passive Wahlrecht zu einem Landtag oder zu einer kommunalen Vertretungskörperschaft in derselben Weise wie für die Wahl zum Bundestag zu regeln. Dadurch wird erreicht, daß Berufssoldaten auch bei der Wahl in einen Landtag oder eine kommunale Vertretungskörperschaft in den Ruhestand treten, solange sie dieser Körperschaft angehören. Im Hinblick auf die besondere Verpflichtung des Vorgesetzten in § 8 Abs. 6 hielt es der Ausschuß nicht für richtig, einen Berufssoldaten nach der Wahl in einen Landtag oder eine kommunale Vertretungskörperschaft im Dienste zu belassen. Eine besondere Regelung mußte für die Soldaten auf Zeit getroffen werden, weil für sie das für den Beamten geltende Recht in der vorliegenden Form nicht angewandt werden kann. Für sie wird eine Regelung getroffen, wie sie bei den Angestellten im Dienst des Bundes vorgesehen ist. Jedoch werden Dienstbezüge nur bis zum Ablauf der Verpflichtungszeit gezahlt. Zu § 23 Der Dienstgrad des Soldaten wird als geschützter Rechtsstand sichergestellt. Dies erscheint notwendig, weil mit dem Dienstgrad häufig die Vorgesetzteneigenschaft verbunden ist. Ferner gewährt er im internationalen Kriegsgefangenenrecht bestimmte Rechte. Außerdem sind mit dem Dienstgrad persönliche Rechte — wie Besoldung und Urlaub — verknüpft. In den Fällen der §§ 44, 48, 51 und 52 dieses Gesetzes geht der Dienstgrad in den dort geregelten Fällen verloren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Aberkennung durch Richterspruch im Disziplinarverfahren. Eine Degradierung durch Disziplinarvorgesetzte ist ausgeschlossen. Nähere Einzelheiten über den Verlust des Dienstgrades durch Richterspruch werden in dem Gesetz über die Wehrdisziplinarordnung geregelt. Zu § 23 a Dem Wunsch des Bundesrates auf eine nähere Abgrenzung der in A b s. 1 vorgesehenen Rechts- (Merten) verordnung ist durch den Ausschuß Rechnung getragen worden. Zu A b s. 2 wurde auf Grund eines Antrags des Abg. Heye die Frage diskutiert, ob bei der Einteilung der Rangklassen als oberster Mannschaftsdienstgrad der „Korporal" eingeführt werden solle. Sollte der Unteroffiziersdienstgrad wegfallen, wird dafür die Rangklasse der Unteroffiziere erst bei dem Stabsunteroffizier beginnen. Über diesen Antrag wurde im Rahmen dieses Gesetzes nicht entschieden, sondern er wurde mit Zustimmung des Antragstellers dem Verteidigungsminister zur Stellungnahme überwiesen. Die Mitwirkung des Bundespersonalausschusses bei der Beförderung von Soldaten ist in A b s. 4 entsprechend der Regelung des Beamtenrechts festgelegt. Bei dem Überspringen von Dienstgraden in besonderen Fällen hat die Mitwirkung des Bundespersonalausschusses auch dann besondere Bedeutung, wenn Außenseiter mit besonderen Fähigkeiten verwendet werden sollen. A b s. 5 gibt den Unteroffizieren die Möglichkeit, Offizier zu werden, ohne daß bei ihnen das Reifezeugnis einer höheren Schule oder ein entsprechender Bildungsstand vorausgesetzt wird. Die Voraussetzungen der Dienstzeit von drei Jahren unter Ablegung der Offiziersprüfung gelten für sie ebenso wie für die Laufbahnoffiziere. A b s. 7 trifft Bestimmungen über die Zusammensetzung des Bundespersonalausschusses, die für die Behandlung militärischer Angelegenheiten geändert werden mußte gegenüber der Behandlung der Beamtenangelegenheiten. Zu § 24 Die Regelung des Urlaubs der Soldaten entspricht den Regelungen des Beamtenrechts, wie sie in § 89 Abs. 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes festgelegt sind. Der Ausschuß hat die Frage erörtert, ob im Urlaub und außer Dienst von den Soldaten ohne besondere Erlaubnis Zivilkleidung getragen werden darf. Hierzu wurde festgestellt, daß das Recht zum Tragen von Zivilkleidung im allgemeinen nicht beschränkt ist. Ohne eine besondere Regelung in diesem Gesetz hat der Soldat die Möglichkeit, im Urlaub und außer Dienst Zivilkleidung zu tragen. Eine besondere Einschränkung dieses Rechts insbesondere in Zeiten besonderer Spannung oder im Verteidigungsfalle ist nach § 5 a Satz 2 im Rahmen der besonderen Erfordernisse des militärischen Dienstes von Fall zu Fall zu regeln. Zu § 25 Die Abs. 1 und 3 entsprechen dem § 90 des Bundesbeamtengesetzes. Über das Beamtenrecht hinaus geht die Regelung des Abs. 2. Aus Gründen der militärischen Erziehung wird den Disziplinarvorgesetzten zur Pflicht gemacht, dem Soldaten seine Beurteilung in allen Punkten zu eröffnen, die sich auf seine Laufbahn, seine Beförderung oder beziehen. Dienstverhältnis beziehen. Dies geschieht pflichtgemäß, ohne daß der Soldat einen Antrag zu stellen braucht. Zu § 26 Die eigenen Ansprüche des Soldaten auf Geld-und Sachbezüge, Heilfürsorge und Versorgung werden dem Grunde nach anerkannt. Bis zur endgültigen Regelung durch besondere Gesetze werden diese Ansprüche durch die Übergangsregelung des § 57 a geregelt. Die Weiterführung der Versicherungen der Reichsversicherungsordnung und der Arbeitslosenversicherung für den Wehrpflichtigen und seine Angehörigen muß noch besonders geregelt werden. Diese Angelegenheit wurde zurückgestellt. Sie muß jedoch spätestens bis zur Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes geregelt sein. A b s. 2 entspricht einem Beschluß des Beamtenrechtsausschusses, der übernommen worden ist. Zu § 26 a Diese Bestimmung entspricht einem Vorschlag des Beamtenrechtsausschusses. Satz 1 regelt die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit so, wie es auch im Beamtenrecht für die Beamten — § 79 des Bundesbeamtengesetzes — vorgesehen ist. Für die Soldaten, die ihrer Wehrpflicht genügen, können die Bestimmungen des Beamtenrechts keine Anwendung finden. Jedoch muß auch für sie und für ihre Familien eine Fürsorgepflicht des Staates während des Wehrdienstes gewährleistet werden. Diese Frage wird in anderen Gesetzen ihre Regelung finden müssen. Zu § 27 Es entspricht der Fürsorgepflicht des Staates, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses dem Soldaten den Weg in das Berufsleben zu erleichtern. Dies gilt nicht nur für die freiwillig dienenden Soldaten, sondern auch für die Wehrpflichtigen. Aus diesem Grunde hat jeder Soldat Anspruch auf einen Beleg über die im Wehrdienst verbrachte Zeit. Auf Antrag kann er weiterhin ein Zeugnis erhalten, das nähere Auskunft über seine Tätigkeit, seine Leistungen und seine Führung gibt und damit den Zeugnissen entspricht, die auch in arbeitsrechtlichen Verhältnissen erteilt werden. Abs. 2 gibt dem Soldaten das Recht, ein vorläufiges Dienstzeugnis zu verlangen, damit er sich noch während des Wehrdienstes um freie Stellungen bewerben kann und sein Übertritt in das Berufsleben in unmittelbarem Anschluß an den Wehrdienst erleichtert wird. Zu § 28 Der Ausschuß hat sich der Formulierung angeschlossen, die im Rechtsausschuß erarbeitet worden ist. Sie entspricht den Gedanken, die in der Arbeitsgruppe Innere Führung des Verteidigungsausschusses entwickelt worden waren. Im Zusammenhang mit der Regelung des staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Unterrichts müssen die §§ 7 (Eintreten für die demokratische Grundordnung), 8 (Pflichten des Vorgesetzten), 10 (Kameradschaft), 15 (politische Betätigung), 15 a (Verhalten in anderen Staaten) beachtet werden. Der Ausschuß gab einhellig der Auffassung Ausdruck, daß dieser Unterricht für den Soldaten von außerordentlicher Bedeutung ist, weil er wesentlich dazu beitragen soll, die Bundeswehr in die demokratische Ordnung der Bundesrepublik einzugliedern. Der Unterricht hat auch das Verständnis für das in § 7 a vorgeschriebene feierliche Gelöbnis der Soldaten zu wecken. Die Kenntnis der staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte soll für den Soldaten den Weg ebnen zum Verständnis seines Dienstes für die Gesamtheit. Die Kenntnis des Völkerrechts wird sich in erster Linie auf die Regeln der Haager Landkriegsordnung von 1905 und der vier Genfer Abkommen von 1949 zu beziehen haben. Darüber hinaus wird (Merten) es wichtig sein, den Soldaten die sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik darzustellen. Der Unterricht soll möglichst abwechslungsreich und interessant gestaltet werden. In der Regel wird er dem für den Dienst verantwortlichen Offizier obliegen. Darüber hinaus sollen aber auch Persönlichkeiten außerhalb der Bundeswehr herangezogen werden. Bei diesem Personenkreis kann auch in Kauf genommen werden, daß persönliche Meinungen vorgetragen werden, deren Kenntnis zur Erreichung des Unterrichtszieles von Bedeutung ist. Zu § 29 Das Recht des Soldaten, sich zu beschweren, wird durch die Wehrbeschwerdeordnung gesetzlich geregelt. Bis dahin gilt auch auf militärischem Gebiet der Art. 19 Abs. 4 GG, soweit nicht die Vorschrift des § 53 a in Frage kommt. Zu § 30 Die Einführung eines Vertrauensmannes in der Bundeswehr entspricht den Auffassungen, die der Arbeitskreis Innere Führung des Verteidigungsausschusses bereits früher erarbeitet hat. Der Vertrauensmann ist nichts Neues, sondern war bereits in der Reichswehr nach § 9 des Wehrgesetzes von 1921 vorgesehen. Ihm kommt große Bedeutung zu für die enge Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und damit für das gesamte Innere Gefüge der Bundeswehr. Der Ausschuß war daher der Auffassung, daß die wesentlichen Bestimmungen über den Vertrauensmann nicht, wie es der Regierungsentwurf vorsah, in einer Rechtsverordnung, sondern in diesem Gesetz geregelt werden müssen. Abs. 1 grenzt die Bereiche ab, in denen Vertrauensleute gewählt werden müssen. Damit ist die Stufenvertretung ausgeschlossen. Abs. 2 regelt die Aufgaben, die dem Vertrauensmann gestellt sind. Die verantwortungsvolle Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und die Erhaltung des kameradschaftlichen Vertrauens in seinem Wahlbereich müssen in seiner gesamten Tätigkeit der leitende Gedanke sein. In Fragen des inneren Dienstbetriebes, der Fürsorge, der Berufsförderung und des außerdienstlichen Gemeinschaftslebens soll er gehört werden und Vorschläge machen. Er muß daher jederzeit über die Auffassungen der Soldaten zu diesen Dingen in seinem Wahlbereich im Bilde sein und diesen Auffassungen Geltung zu schaffen versuchen. In zahlreichen Fällen werden die Vorschläge des Vertrauensmannes Bedeutung haben über seinen Wahlbereich hinaus. In diesem Fall muß er die Vorschläge dem Führer seiner Einheit vorlegen, der sie seinerseits weiterzureichen hat. Eine Umgehung des zuständigen Einheitsführers durch den Vertrauensmann ist nicht gestattet. Abs. 3 regelt das Wahlverfahren, indem er geheime und unmittelbare Wahl vorschreibt. Die sonstigen Einzelheiten der Wahl werden einer besonderen gesetzlichen Regelung überlassen. Abs. 4 enthält die Vorschriften für diejenigen Fälle, die durch die Wahlbereiche des Abs. 1 nicht gedeckt sind. Hier sollen die Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes vom 5. August 1955 (BGBl. I S. 477) entsprechend angewendet werden. Dabei mußte berücksichtigt werden, daß in den Fällen des Abs. 4 die Soldaten in aller Regel gemeinsam ihren Dienst tun mit den Gruppen des öffentlichen Dienstes, für die das Personalvertretungsgesetz gilt. Zu § 31 Zur Frage der Seelsorge und Religionsausübung in der Bundeswehr nahm der Ausschuß die Berichte von Prälat D. Kunst für die Evangelische Kirche und von Prälat Dr. Böhler für die Katholische Kirche entgegen. Die Einzelheiten der Seelsorge in den Streitkräften werden durch besondere Abmachungen zwischen der Bundesregierung und der Evangelischen bzw. Katholischen Kirche geregelt. Die gesetzlichen Grundlagen für diese Abmachungen werden im Organisationsgesetz zu treffen sein. Das vorliegende Gesetz hat lediglich die Rechte der Soldaten in bezug auf die Seelsorge und Religionsausübung anzusprechen. Der Anspruch des Soldaten ist in dieser Richtung festgelegt. Ein Zwang darf auf diesem Gebiet nicht ausgeübt werden. Die Teilnahme an gottesdienstlichen Veranstaltungen ist immer freiwillig. Es bestand im Ausschuß Übereinstimmung darüber, daß der Anspruch auf ungestörte Religionsausübung dann nicht als eingeschränkt anzusehen ist, wenn dringende dienstliche Erfordernisse in einzelnen Fällen der Möglichkeit der ungestörten Religionsausübung entgegenstehen. ZWEITER ABSCHNITT Zu § 32 Die Voraussetzungen der Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit entsprechen dem Beamtenrecht in § 7 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 33 A b s. 1 zählt die Hindernisse auf, die einer Ernennung zum Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit im Wege stehen. Dieser Katalog geht über die im Bundesbeamtengesetz genannten Straftaten hinaus und übernimmt die staatsgefährdenden Delikte(§ § 88 bis 97 StGB), weil sie schwere Verletzungen der staatsbürgerlichen Treuepflicht darstellen, die ebenso wie Hoch- und Landesverrat vom Dienst in der Bundeswehr ausschließen müssen. Abs. 1 Nr. 1 bildete Gegenstand einer besonderen Erörterung im Ausschuß. Es wurde Klarheit darüber erzielt, daß die Verurteilungen durch ausländische Gerichte keinen gesetzlichen Ausschlußgrund darstellen, jedoch in jedem einzelnen Fall geprüft werden sollen. Insbesondere werden Verurteilungen aus politischen Gründen, wie sie nach dem zweiten Weltkrieg in großer Zahl im Auslande erfolgt sind, die Frage der Eignung für die Bundeswehr in der Regel nicht berühren. Dies gilt jedoch nicht für Verurteilungen, die wegen gemeiner Verbrechen auch nach deutschem Strafrecht erfolgt wären. Zu Ab s. 1 a: Strafen, die von deutschen Gerichten außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes verhängt worden sind, sind nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. Mai 1953 (BGBl. I S. 161) nur insoweit zu berücksichtigen, als ihre Art und Höhe nach rechtsstaatlichen Grundsätzen angemessen sind und nicht dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Abs. 2 soll dem Bundesminister für Verteidigung auch die Möglichkeit geben, bei Verurteilungen in (Merten) der Zeit vor dem 8. Mai 1945 im Einzelfall zu prüfen, ob sie dem heutigen Rechtsempfinden entsprechen, und gegebenenfalls ihre Wirkung auf die Einstellung in der Bundeswehr zu beseitigen. Zu § 34 Das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten kann erst beginnen mit der Beförderung zum Feldwebel. Unterhalb dieses Dienstgrades wird es keine Berufssoldaten geben. Offiziersanwärter werden mit der Beförderung zum Leutnant Berufssoldaten sein können. Ferner können Offiziere auf Zeit und der Reserve in das Berufssoldatenverhältnis überführt werden. Zu § 35 Die Soldaten auf Zeit, d. h. die freiwillig länger Dienenden, werden in der Bundeswehr einen großen Teil des Ausbildungspersonals bilden. Sie werden weiterhin dort einen großen Teil der Soldaten bilden, wo es auf besondere Fachkenntnisse ankommt, wie z. B. bei der Marine und der Luftwaffe. Für alle Soldaten auf Zeit gilt, daß sie sich auf mindestens vier und höchstens zwölf Jahre zu verpflichten haben. Über das 32. Lebensjahr hinaus sollen Mannschaften und Unteroffiziere auf Zeit nicht berufen werden, weil andernfalls ihre Eingliederung in das Berufsleben auf Schwierigkeiten stoßen könnte. Durch eine Übergangsregelung in § 54 Abs. 4 wird die Altersgrenze von 32 für diejenigen Soldaten auf Zeit aufgehoben, die als Angehörige der früheren Wehrmacht wiederverwendet werden. Zu § 36 Der Ausschuß hat sich hier dem Vorschlag des Beamtenrechtsausschusses angeschlossen, der eine Angleichung der Bestimmungen über Begründung und Umwandlung des Dienstverhältnisses an den Entwurf des Beamtenrechtsrahmengesetzes vorgesehen hatte. Zu § 37 Die Bestimmungen über die Form der Beförderung entsprechen dem Beamtenrecht in § 6 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 39 Die Bestimmungen entsprechen dem Beamtenrecht in den §§ 41, 42, 43, 44, 47, 81 und 106 des Bundesbeamtengesetzes sowie den §§ 6 und 16 des Vorläufigen Bundespolizeibeamtengesetzes. Die Bestimmungen wurden zusammengefaßt und systematisch geordnet. Zu § 40 Die Altersgrenze wurde vom Ausschuß für alle Berufssoldaten auf das vollendete 60. Lebensjahr vorläufig festgesetzt. Die endgültige Regelung soll innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffen werden. Der Bundesminister für Verteidigung ist ermächtigt worden, in Einzelfällen die Altersgrenze um jeweils ein Jahr, jedoch höchstens fünf Jahre hinauszuschieben. Diese Regelung entspricht dem § 16 des Vorläufigen Bundespolizeibeamtengesetzes. Für die wiederverwendeten Soldaten der früheren Wehrmacht ist im § 54 Abs. 3 eine Übergangsregelung getroffen worden, die es ermöglichen soll, sie auch über die Altersgrenze hinaus einzustellen. Zu § 41 A b s. 1 entspricht dem Beamtenrecht in § 29 des Bundesbeamtengesetzes. A b s. 2 geht über das Bundesbeamtenrecht insofern hinaus, als er die in § 12 des Bundesbeamtengesetzes vorgesehene Zurücknahme einer Ernennung nicht kennt, sondern statt dessen zwingend die Entlassung vorsieht. A b s. 3 entspricht dem Beamtenrecht im § 30 des Bundesbeamtengesetzes. A b s. 3 a trifft eine Regelung der Entlassung für den Sonderfall, daß die militärische Ausbildung eines Berufssoldaten mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war. In diesem Fall muß er die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung ersetzen. Jedoch kann er genau wie alle anderen Berufssoldaten auf eigenen Antrag aus dem Dienst ausscheiden. Der Kostenersatz wurde deshalb vorgeschrieben, weil die Ausbildung auf verschiedenen Fachgebieten von Staats wegen erfolgt und damit dem Staat erhebliche Kosten entstehen. Die Erfahrungen anderer Bundesbehörden wurden vom Ausschuß zur Kenntnis genommen und führten zu der getroffenen Regelung. Abs. 4 hat keine entsprechende Bestimmung im Beamtenrecht, weil ein Berufssoldat schon in einem verhältnismäßig niedrigen Lebensalter ernannt werden kann. Wenn sich dann mangelnde Eignung herausstellt, kann es im Interesse der Bundeswehr liegen, daß er aus dem Dienst ausscheidet. Die Versorgung für diesen Sonderfall soll im Soldatenversorgungsgesetz geregelt werden. Zu § 42 Zuständigkeit, Anhörungspflicht und Fristen bei der Entlassung entsprechen den Grundsätzen des Beamtenrechts, wie sie in den §§ 13, 33, 35 und 47 des Bundesbeamtengesetzes und dem § 8 des Vorläufigen Bundespolizeibeamtengesetzes niedergelegt sind. Zu § 43 Die Bestimmungen über den Verlust der Rechtsstellung eines Berufssoldaten entsprechen dem § 48 des Bundesbeamtengesetzes. Die Ausdehnung auf die staatsgefährdenden Delikte ist bereits in § 33 erwähnt worden. Zu § 44 Abs. 1 Satz 1 ist die Folge der Regelung des § 2 dieses Gesetzes. Satz 2 regelt die Frage des Wehrdienstverhältnisses auf Grund der Wehrpflicht für diejenigen Soldaten, deren besonderes Dienstverhältnis als Berufssoldat endet. Abs. 2 bestimmt, daß im Falle einer nicht ehrenhaften Entlassung und des Verlustes der bisherigen Rechtsstellung als Berufssoldat auch der Dienstgrad verlorengeht und der Soldat damit mit dem niedrigsten Mannschaftsdienstgrad in das Reserveverhältnis zurücktritt. Abs. 3 entspricht § 34 Satz 1 und § 49 des Bundesbeamtengesetzes. Abs. 4 entspricht § 34 Satz 2 und § 81 Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 45 Abs. 1 wurde vom Ausschuß eingehend erörtert. Der Ausschuß kam zu der Auffassung, daß die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auf alle Angehörigen des Generalsranges ausgedehnt werden soll. Es soll damit zum Ausdruck gebracht wer- (Merten) den, daß der Umfang ihrer Verantwortung der des sogenannten politischen Beamten entspricht. A b s. 2 regelt die dienstrechtlichen Folgen der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand entsprechend den §§ 37 bis 40 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 46 Der ehemalige Berufssoldat wird in § 46 in einem weitergehenden Maße für wehrpflichtig erklärt als der normale Reservist. Er steht in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat, da er sich zu lebenslangem Dienst bereit erklärt hat und eine entsprechende Versorgung erhält. Deshalb soll er auch in einem erhöhten Maße zum Dienst herangezogen werden, damit er jederzeit wieder verwendet werden kann. Abs. 3 entspricht dem § 45 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 47 Die Vorschrift entspricht dem § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes. Zu § 48 Abs. 1 entspricht dem § 162 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes. Abs. 2 trifft eine besondere Regelung für den Soldaten, der auch in den Fällen, in denen er seine Ansprüche auf Versorgung behält, seinen Dienstgrad verlieren kann. Zu § 49 Abs. 1 und 2 entspricht der Regelung, die auch für die Berufssoldaten in § 38 getroffen ist. Abs. 3 gibt die Möglichkeit, in Ausnahmefällen das Dienstverhältnis der Soldaten auf Zeit auch gegen ihren Willen um einen Zeitraum zu verlängern, der drei Monate nicht übersteigen darf. Die allgemeine Verlängerung für alle Soldaten auf Zeit kann nur durch eine Rechtsverordnung erfolgen, die aus zwingenden Gründen der Verteidigung und nur in diesem Fall erlassen werden kann. In Einzelfällen kann der Bundesminister für Verteidigung die Verlängerung anordnen, jedoch auch nur, wenn zwingende Gründe der Verteidigung eine derartige Anordnung erforderlich machen. Zu § 50 Abs. 1 regelt die zwingenden Entlassungsgründe für die Soldaten auf Zeit in derselben Weise wie für den Berufssoldaten. Abs. 2 sieht bei Dienstunfähigkeit die Entlassung in der gleichen Weise vor, wie sie für die Versetzung in den Ruhestand der Berufssoldaten geregelt ist. Abs. 3 gibt dem Soldaten auf Zeit die Möglichkeit, bereits vor Ablauf seiner Verpflichtungszeit seine Entlassung zu beantragen. Jedoch müssen für ihn persönliche, berufliche oder wirtschaftliche Gründe vorliegen, durch die ein weiteres Verbleiben im Wehrdienst eine besondere Härte für ihn bedeuten würde. Abs. 4 gibt die Möglichkeit, den Offiziersbewerber schon vor dem Ablauf der Verpflichtungszeit zu entlassen, wenn sich während der Ausbildungszeit herausstellt, daß er infolge mangelnder Eignung nicht Offizier werden kann. Abs. 5 entspricht einer Bestimmung des Beamtenrechts für Beamte auf Probe und auf Widerruf, wie sie in § 31 Abs. 1 Nr. 1 und § 32 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes niedergelegt ist. Durch diese Bestimmung wird erreicht, daß ein besonderes Verfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienstverhältnis in den ersten vier Dienstjahren nicht notwendig ist. Jedoch steht dem Soldaten die Möglichkeit frei, gegen die Entlassungsverfügung nach Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz bei dem zuständigen Gericht zu suchen. A b s. 6 trifft für die Soldaten auf Zeit Regelungen, die den Vorschriften für die Berufssoldaten entsprechen. Zu § 51 Die Folgen der Entlassung und des Verlustes der Rechtsstellung eines Soldaten auf Zeit sind entsprechend der Bestimmung für Berufssoldaten in § 44 dieses Gesetzes geregelt. Zu § 52 Für die Wiederaufnahme des Verfahrens und für Verurteilungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses gelten ebenfalls die entsprechenden Bestimmungen für Berufssoldaten in den §§ 47 und 48 dieses Gesetzes. DRITTER ABSCHNITT Zu § 53 Hier handelt es sich um eine Sonderbestimmung für die Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten. Ihre Heranziehung zum Wehrdienst und die Beendigung ihres Wehrdienstes werden durch das Wehrpflichtgesetz geregelt werden. A b s. 2 regelt ihre Beförderung, bei der die Formalitäten gegenüber den Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit wesentlich vereinfacht sind. Über die Pflichten und Rechte der Wehrpflichtigen sind im Ersten Abschnitt dieses Gesetzes die erforderlichen Bestimmungen getroffen. VIERTER ABSCHNITT Zu § 53 a Die Vorschriften über den Rechtsweg entsprechen dem § 172 des Bundesbeamtengesetzes. Der Ausschuß hat Wert darauf gelegt, daß das im Bundesbeamtengesetz vorgesehene Verfahren auch den Soldaten erhalten bleibt. Abs. 3 Satz 2 entspricht dem § 174 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes. FÜNFTER ABSCHNITT Zu § 54 Für die Einstellung von Soldaten und Beamten der früheren Wehrmacht mußten besondere Bestimmungen getroffen werden, weil durch die inzwischen verstrichene Zeit und das dadurch bedingte höhere Lebensalter für sie besondere Verhältnisse entstanden sind. Auch ist es für ihre Verwendung wesentlich, wie sie ihr Leben in der Zwischenzeit gestaltet haben und welche besonderen Lebenserfahrungen sie nunmehr in die Bundeswehr mitbringen können. Dies gilt auch für Be- (Merten) werber, die als sogenannte Außenseiter Verwendung in der Bundeswehr finden sollen. Für beide Gruppen ist die Einberufung zu einer Eignungsübung vorgesehen, die entsprechend den Bestimmungen des Eignungsübungsgesetzes durchgeführt wird. Sie genießen dadurch einen besonderen Schutz in ihren sonstigen Arbeits- und Dienstverhältnissen. Zu § 55 Für die Angehörigen der früheren Wehrmacht und die Außenseiter mußte außer den in § 41 Abs. 2 Nr. 3 geregelten Entlassungsgründen noch eine besondere Bestimmung getroffen werden, weil ein grob ehrenrühriges Verhalten in der Vergangenheit oder strafgerichtlich nicht abgeurteilte Verfehlungen die Würdigkeit und Brauchbarkeit für den Dienst in Frage stellen können, ohne daß es sich dabei um strafbare Handlungen gehandelt haben muß. Insbesondere wird auch entsprechend den Richtlinien für die Einstellung von freiwilligen Soldaten das Verhalten in der Kriegsgefangenschaft besonders zu würdigen sein. Auch hier muß noch nach der Einstellung die Möglichkeit bestehen, eine Entlassung anzuordnen, wenn sich erst später Tatsachen herausstellen, die bei der Einstellung noch nicht bekannt waren. Die Feststellung des Sachverhalts ist wegen des Rechtsschutzes der Betroffenen einem Disziplinargericht übertragen. Die Entlassung selbst jedoch wird nicht von einem disziplinargerichtlichen Urteil abhängig gemacht, sondern bleibt Verwaltungsakt des Dienstherrn. Zu § 57 a Die vorläufige Regelung der Geld- und Sachbezöge wurde vom Beamtenrechtsausschuß vorgeschlagen und durch den Verteidigungsausschuß übernommen. Sie ermöglicht es bis zum Inkrafttreten des Besoldungsgesetzes, die bisherige Praxis gemäß § 4 des Freiwilligengesetzes vom 23. Juli 1955 (BGB1. I S. 449) auch nach dem Ablauf dieses Gesetzes beizubehalten. Ferner ist die bisher noch nicht geregelte truppenärztliche Versorgung, die Versorgung mit Dienstbekleidung oderKleidergeld, der Einkleidungszuschuß für die Offiziere und die Entschädigung für Abnutzung der Dienstkleidung geregelt. Zu § 57b Bis zum Inkrafttreten des Soldatenversorgungsgesetzes wird die Versorgung der Berufssoldaten und ihrer Hinterbliebenen nach den Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes für Beamte auf Lebenszeit erfolgen. Für die Soldaten auf Zeit werden die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes angewandt, wenn sie in Ausübung des Wehrdienstes einen Unfall oder eine gesundheitliche Schädigung erleiden oder wenn infolge ihres Todes für die Hinterbliebenen gesorgt werden muß. Zu § 57c Da die Wehrdisziplinarordnung bisher noch nicht in Kraft getreten ist, gilt bis dahin die Bundesdisziplinarordnung entsprechend. Die Zusammensetzung der Bundesdisziplinarkammer und die Bezeichnung der Dienstvorgesetzten wird für Verfahren gegen Soldaten besonders geregelt. Zu § 57 d Das Freiwilligengesetz tritt an 31. März 1956 außer Kraft. Den Soldaten, die nach diesem Gesetz ein Rechtsverhältnis gegenüber dem Bund begründet haben, bleibt ihre bisherige Rechtsstellung erhalten. Es ist hier zwingend vorgeschrieben, daß sie nach erfolgreicher Beendigung ihrer Eignungsübung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit nach diesem Gesetz zu überführen sind. Abs. 2 bestimmt, daß sich ihre Pflichten sofort nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nach den entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes richten. Zu § 57 e Da bis zum Ablaufen des Freiwilligengesetzes am 31. März 1956 die Vorlage des in § 7 des Freiwilligengesetzes vorgesehenen Gesetzes über die Organisation und seine Verabschiedung nicht möglich sein wird, mußte der § 7 des Freiwilligengesetzes in dieses Gesetz übernommen werden, um seine Fortgeltung zu sichern. Zu § 57 f Um jeden Zweifel auszuschließen, wird die unveränderte Gültigkeit des Personalgutachterausschuß-Gesetzes vom 23. Juli 1955 (BGBl. I S. 451) noch einmal festgestellt. Dies geschieht insbesondere deshalb, weil in diesem Gesetz bei den Gründen, die einer Einstellung in die Bundeswehr entgegenstehen, die Zustimmung des Personalgutachterausschusses nicht ausdrücklich erwähnt ist. Zu § 57 g Im Zusammenhang mit der Erörterung des aktiven und des passiven Wahlrechts der Soldaten ergab sich die Notwendigkeit, die Bestimmungen des BGB über den Wohnsitz von Soldaten neu zu fassen. Damit soll der Unsicherheit ein Ende bereitet werden, ob der § 9 BGB als durch die Gesetzgebung des Alliierten Kontrollrats aufgehoben angesehen werden muß oder nicht. Die neue Fassung entspricht inhaltlich der Fassung, die § 9 BGB auch vor seiner Aufhebung bereits hatte. Zu § 57 h Für die zivilen Arbeitnehmer in der Bundeswehr mußte eine Änderung der Arbeitszeitordnung erfolgen, weil sich aus zwingenden Gründen der Verteidigung die Notwendigkeit zur Leistung von Mehrarbeit ergeben kann. Wenn die zwingenden Gründe der Verteidigung eine Änderung der Arbeitszeitgrenzen notwendig macht, wird dies durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Verteidigung festgestellt werden. Bis dahin bleibt es bei den jetzigen Bestimmungen der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938. Zu § 57 i Das Personalvertretungsgesetz gilt auch für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr. Jedoch darf die Personalvertretung sich nicht in die militärischen Angelegenheiten einmischen, und daher ist ihre Mitwirkung bei der Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Dienststellen beschränkt. Zu § 57 k Für die Aufbauzeit der Bundeswehr können die in § 23 a Abs. 2 Nr: 2 Buchstabe b für die Offiziere (Merten) vorgesehenen Laufbahndienstzeiten auf 14 Monate verkürzt werden. Diese Möglichkeit endet fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Zu § 58 Die Rechtsverordnungen über die Nebentätigkeit, die Laufbahnen, den Urlaub der Soldaten und die Verlängerung der Dienstzeit von Soldaten auf Zeit erläßt die Bundesregierung. Die Regelung des Vorgesetztenverhältnisses bleibt einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Verteidigung vorbehalten. Zu § 59 Das Soldatengesetz muß am 1. April 1956, 0 Uhr, in Kraft treten, weil das Freiwilligengesetz am 31. März 1956, 24 Uhr, außer Kraft tritt. Hierdurch wird eine zeitliche Lücke in den Rechtsverhältnissen der freiwilligen Soldaten vermieden. Bonn, den 29. Februar 1956 Merten Berichterstatter Anlage A (Vgl. S. 6835 C) Stellungnahmen zur Frage der Vereidigung von Soldaten (§ 7 a) Pater Dr. Hirschmann, S. J., als Vertreter der Katholischen Kirche: Es ist nicht ganz so einfach, sich zu dieser Frage in der Form zu äußern, daß dabei der Standpunkt der Katholischen Kirche zu dieser Frage sichtbar wird; denn es gibt in dieser Frage ein gewisses Gemeinsames bei allen katholischen Christen, und es gibt verschiedene Fragen, über die wir selber verschiedener Meinung sind und auch nicht zu einer einheitlichen Auffassung gekommen sind. Ich will versuchen, beiden hier gerecht zu werden. Die Stellungnahme der Katholischen Kirche zu diesen Fragen ist natürlich durch das Verständnis des Eides im Rahmen der Katholischen Kirche bestimmt. Vielleicht ist es gut, darüber kurz einiges Wesentliche zu sagen. Wir sehen im Eid selbst eine Anrufung Gottes zum Zeugen der Wahrheit einer Aussage oder zum Bürgen der Zuverlässigkeit eines Versprechens. Damit ist bereits zum Ausdruck gebracht, daß es hauptsächlich zwei Gruppen von Eiden gibt, .den Aussageeid und den Versprechenseid. Der Eid, der uns hier beschäftigt, würde als Versprechenseid zu fassen sein, wobei vielleicht doch darauf hingewiesen werden darf, daß nach katholischer Auffassung auch jeder Versprechenseid ein gewisses Minimum von einem Aussageeid in sich insofern enthält, als der den Eid Leistende damit auch eidlich im Sinne eines Aussageeides zum Ausdruck bringen will, daß es ihm mit dem Versprechen, das er ablegt, ernst ist, daß es sich tatsächlich um ein ernst gemeintes Versprechen handelt. Das ist eine Versicherung, und die steht unter dem Gesetz des Aussageeides. Welches ist der Sinn einer Verknüpfung Gottes mit einer derartigen Aussage oder mit einem derartigen Versprechen? Der an Gott selbst glaubende Mensch stellt sich in diesem Akt, der ja ein kultisches Geschehen darstellt, in einer qualifizierten Weise unter Gottes Gericht, und das gibt seiner Aussage oder seinem Versprechen — wenn es ernst gemeint ist — eine qualifizierte Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit. Auf diese Glaubwürdigkeit kommt es sowohl bei der Aussage wie bei dem Versprechen an. Es muß angenommen werden, daß der Mensch im Angesicht Gottes nicht leichtfertig die Unwahrheit sagt oder ein Versprechen macht. Es muß angenommen werden, daß der religiöse Mensch der Überzeugung ist, daß hier nicht bloß ein Verhalten seiner Person Gott gegenüber stattfindet, sondern gleichzeitig doch auch mit einer entsprechenden Stellungnahme Gottes gegenüber den Menschen gerechnet wird, und eben das meinte ich mit den Worten: Der Mensch unterstellt sich in einer qualifizierten Weise Gottes Gericht. Selbstverständlich spricht bei alledem gleichzeitig auch eine gewisse Rücksichtnahme und ein Rechnen mit der menschlichen Schwäche mit. Wäre es so selbstverständlich, daß alle Menschen in ihren Aussagen glaubwürdig und in ihren Versprechen zuverlässig sind, dann wäre nicht einzusehen, warum es zwei Arten von Aussagen und Versprechungen geben sollte: solche, die einfach den Charakter des ja, ja und nein, nein haben, und solche, bei denen irgend etwas mitschwingt, was darüber hinaus ist. Wir erinnern uns an das Wort der Bergpredigt: Ihr sollt überhaupt nicht schwören, eure Rede sei ja, ja, nein, nein. Was darüber hinaus ist, ist vom Übel. — Dieses Wort ist im traditionellen Verständnis der Katholischen Kirche von Anfang an — wir haben Diskussionen darüber bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten und auch im Zusammenhang mit soldatischen Verpflichtungen — nicht so gemeint, daß damit der Eid schlechthin umfaßt wäre, sondern damit ist das im Umkreis des Lebens Christi damals so häufige tagtägliche Schwören gemeint. Wenn ich mich nun speziell dem uns beschäftigenden Eid als einem Versprechenseid zuwende, so ist auch darüber noch etwas Klärendes zu sagen. Nach katholischer Auffassung übernimmt derjenige, der den Eid selbst schwört, eine zusätzliche Verpflichtung zu der Verpflichtung, die das gegebene Wort bereits in sich enthält, eben jene Verpflichtung, die darin begründet liegt, daß er Gott bei seinem Versprechen anruft. Es ist also eine religiöse Verpflichtung, und diese religiöse Verpflichtung macht eigentlich das Wesentliche der Eidesverpflichtung aus. Sie ist aber wesentlich zusätzlich, d. h. sie setzt eine bereits vorhergehende Verpflichtung kraft des gegebenen Wortes voraus. Besteht die Verpflichtung des Versprechens selbst nicht, ist z. B. der Inhalt des Versprochenen unsittlich, dann kommt auch überhaupt keine eidliche Verpflichtung zustande. Es ist also nicht so, (Pater Dr. Hirschmann) als ob durch den Eid irgendeine Verpflichtung erst konstituiert würde — auch die militärische Verpflichtung kann nicht konstituiert werden —, sondern es wird vorausgesetzt, daß das, was im Eid geschworen wird, in sich selbst sittlich einwandfrei ist. Eine eidliche Verpflichtung, etwas Unsittliches zu tun, kann nur als eine Sinnlosigkeit betrachtet werden. Das ist überhaupt kein Eid. Die Grundsätze, nach denen die Katholische Kirche derartige Eide beurteilt, sind im wesentlichen diese: Zunächst einmal: Der Eid stellt einen religiösen, sittlichen und sozialen Wert dar. Die Katholische Kirche setzt sich infolgedessen in Widerspruch mit den Auffassungen, die den Eid grundsätzlich verwerfen. Es ist ein religiöser Wert. Er liegt vor allen Dingen in der Anerkennung Gottes, in seinem kultischen Charakter. Es ist ein sittlicher Wert; denn durch diese qualifizierte Verbindung des religiösen und des sittlichen Moments der Treue zum gegebenen Wort wird die sittliche Verpflichtung noch einmal in ihrer Bedeutsamkeit bekräftigt. Es ist eine sozial bedeutsame Wertung; denn der Eid geschieht ja zum großen Teil im Dienst des menschlichen Zusammenlebens. Zweitens: Nach katholischer Auffassung hat der Staat auch grundsätzlich das Recht, von seinen Bürgern in entsprechenden Situationen den Eid zu verlangen. Infolgedessen beschränkt sich die Möglichkeit des Eides selbst oder der Eidesforderung nach katholischer Auffassung nicht auf die Religionsgemeinschaften in ihrem inneren Eigenleben oder auf das freie, private menschliche Zusammenleben, sondern auch auf das Zusammenleben der Menschen im Staat. Dritter Grundsatz: In welchem Umfang nun der Staat von seiner grundsätzlichen Fähigkeit, den Eid zu fordern, Gebrauch macht oder nicht, ist eine Angelegenheit, die er selbst zu entscheiden hat und wo man nicht sagen kann: Der Staat ist grundsätzlich verpflichtet, in bestimmten Situationen einen Eid zu verlangen. Das würde zu weit gehen. Damit ist bereits zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Frage, die Sie zu entscheiden haben, nach katholischer Auffassung um eine Angelegenheit handelt, die auch ihren Ermessensanteil hat. Man wird das Für und Wider für und gegen den Eid klug abzuwägen haben. Wir haben auch innerkatholisch keine Meinungsverschiedenheiten in den vorhin genannten grundsätzlichen Gesichtspunkten, sondern nur in der Wertung dieses Für und Wider. Ich will versuchen, kurz die Gründe darzulegen, die in unseren Reihen für den Eid dargelegt werden, und dann die Gesichtspunkte darlegen, die in unseren Reihen gegen die Wiedereinführung eines solchen Eides vorgebracht werden. Der erste Gesichtspunkt, der für den Eid geltend gemacht wird, ist die Bedeutung, die eine eidliche Verpflichtung immerhin bei sehr vielen Menschen, die gläubig sind, im Ernstfall hat. Es gibt, wenn man diejenigen fragt, die den Eid abgelegt haben und die im Dienst gestanden haben, immer wieder Menschen, die einem ernst versichern, daß für sie der Gedanke an den Eid von einer nicht geringen Bedeutung gewesen ist. Selbst wenn im Zusammenhang mit den Eiden, die im Hitlerregime geschworen wurden, die Bedeutsamkeit dieses Moments sehr erheblich herabgesetzt wurde, so weisen diese Leute doch darauf hin, daß, wenn es gelingt, jetzt in unserem Staatswesen dem Dienst mit der Waffe selbst wiederum den Sinn zu geben, der ihm allein zukommen kann, und wenn es ferner gelingt, eine entsprechende Einführung in den Sinn des Eides zu geben, das, was in früheren Jahrhunderten hier erreicht wurde, auch noch erreicht werden kann, also eine Bekräftigung des einzelnen Soldaten, vor allen Dingen im Ernstfall von dieser seiner religiösen Bindung her zum gegebenen Wort zu stehen. Ein zweiter Gesichtspunkt. Gerade in dieser Bindung der soldatischen Pflichterfüllung mit einem Eid sehen viele von uns eine bedeutsame Unterstreichung des Zusammenhangs zwischen Staat und sittlicher Ordnung. Es wird für uns ein Anliegen bleiben müssen, die Anliegen unseres Staates selbst unseren Bürgern auch sittlich glaubhaft zu machen. In einer derartigen Bindung entscheidender staatsbürgerlicher Pflichten an die sittliche Ordnung würde in dieser Beziehung neben der Bedeutsamkeit des Fahneneides für den kritischen Ernstfall dann auch ein positiver Wert für die Entfaltung eines sittlichen, staatsbürgerlichen Pflichtbewußtseins überhaupt liegen. Die Menschen würden dann eben auch ganz klar sehen, daß sie dem Staat nicht letztlich aus Angst, sondern aus tieferen Gründen gehorchen. Ein dritter Gesichtspunkt, der in diesem Zusammenhang geltend gemacht wird, ist der, daß die zweifellos vorhandenen religiösen Kräfte in unserem Volk durch eine derartige Institution auch für eine wichtige politische Entscheidung fruchtbar gemacht würden. Eine große Anzahl, die Mehrzahl der Menschen in unserem Volk steht positiv zur religiösen Wirklichkeit, sie steht positiv zum Staat. Eine derartige Verbindung von Politischem und Religiösem kann infolgedessen auch selber einen positiven Gehalt haben. In dieser Beziehung sehen die gleichen Kräfte in der vollständigen Abschaffung der Institution des soldatischen Eides eine weitere Säkularisierung unseres politischen Lebens, ein weiteres Auseinanderentwickeln der religiösen Wirklichkeit und der politischen Wirklichkeit, in der unsere Menschen stehen, und sie sagen: Wir dürfen das nicht begünstigen. Schließlich ein zusätzlicher Gesichtspunkt, der vielleicht aber weniger bedeutsam ist, weil das ganze Problem j a vielleicht nicht so schwer wiegt; es ist nur praktisch für den Eid derer, die Berufssoldaten sind. Hier ist nicht einzusehen, warum, wenn wir überhaupt einen Diensteid derer haben, die dem Staat in einem besonderen Treueverhältnis gegenüberstehen, dieser Eid bei den Soldaten fehlen sollte. Selbstverständlich, wer grundsätzliche Bedenken gegen den Beamteneid überhaupt hat, für den wird dieser Gesichtspunkt allein nicht durchschlagend sein. Wir haben aber auf Grund der vorhin genannten Überlegungen keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Beamteneid als solchen, sondern wir sehen dieses auch positiv. Das Gesagte bedeutet selbstverständlich nicht, daß man den Eid in dieser religiösen Form allen auferlegen kann. Es ist selbstverständlich, daß bei der religiösen Situation unseres Volkes mit Menschen gerechnet werden muß, die aus religiösen Gründen, aus Gründen ihrer religiösen Überzeugung oder aus im Religiösen begründeten sittlichen Gründen den Eid selbst grundsätzlich ablehnen. Es ist ein Grundsatz der katholischen Sittenlehre, daß niemals irgendein Mensch von jemandem gezwungen werden darf, positiv etwas zu tun, was er (Pater Dr. Hirschmann) — und sei es, katholisch betrachtet, auch auf Grund eines unverschuldeten irrigen Gewissens — hier und jetzt als unsittlich betrachten muß. Genauso wie das seine Konsequenzen für den Problemkreis der Kriegsdienstverweigerung hat, hat es selbstverständlich auch seine Konsequenzen für die Eidesverweigerung. Wir müssen also, selbst wenn wir in diesem Bereich für den Eid sind, für diejenigen, die aus Gewissensgründen den Eid ablehnen, eine andere Form der Verpflichtung wählen, wenn die Form der Verpflichtung überhaupt als eine Form feierlicher Indienstnahme bestehenbleiben soll. Welches sind die Bedenken, die in unserem Bereich gegen die Ausdehnung des Eides auf alle Soldaten geltend gemacht werden? Ich möchte diese Bedenken klar unterscheiden von den Bedenken, die gegen den Eid der Berufssoldaten bestehen. Zunächst müssen wir selbstverständlich aus religiösen Gründen Wert darauf legen, daß es, wenn eine Institution, wie ein so universaler Eid, erhalten bleibt, dann wirklich auch ein kultisches Geschehen, ein echt religiöser Akt bleibt. Besteht hinreichend Gewißheit, daß, wenn Millionen einen solchen Eid äußerlich zu sprechen veranlaßt werden, bei der überwältigenden Mehrheit dieser Leute ein echter religiöser Akt zustande kommt? Wenn man nämlich befürchten müßte, daß aus irgendwelchen Gründen eine sehr erhebliche Anzahl, vielleicht sogar die Mehrzahl der Leute, hier bloß äußerlich etwas tut, innerlich dagegen gar nicht mitgeht, dann müßte man sagen, daß das eine kollektive Gotteslästerung und keineswegs eine Ehrung Gottes wäre. Daran kann kein religiöser Mensch ein Interesse haben. In der Beurteilung der Situation des heutigen Menschen sind wir Katholiken nun, offen gesagt, nicht einer Meinung. Es gibt sehr viele von uns, die sagen, man sollte nicht zu pessimistisch sein. Wir haben in der Mehrzahl in unserem Volk doch noch mit gläubigen Menschen zu rechnen. Vor allen Dingen wenn eine entsprechende Einführung in den Eid gegeben wird, muß man damit rechnen, daß bei der überwältigenden Mehrzahl unserer Leute dieser Eid selber ein echtes religiöses Erlebnis bleiben wird, das die vorhin genannten Wirkungen haben wird. Andere bestreiten das, und je nachdem gehen hier die Meinungen schon auseinander. Eine zweite Gruppe von Schwierigkeiten ergibt sich daraus, daß eigentlich ein solcher Eid nur dann sinnvoll ist, wenn ein eindeutiges Verständnis im wesentlichen über das zu erreichen ist, was dieser Eid tatsächlich bedeutet. Wenn ich weder genau weiß, was ich im Grunde hier verspreche, noch weiß, was der religiöse Gehalt dieses Versprechens zusätzlich für eine Bedeutsamkeit hat, dann ist die Gefahr, daß hier kein echtes religiöses Geschehen zustande kommt, von einer anderen Seite her sehr groß. Dann kann nämlich das, was hier geschieht, entscheidend mißverstanden und auch entscheidend mißbraucht werden. Und mit diesem Mißverständnis und diesem Mißbrauch des Eides müssen wir nach dem Zeugnis der letztvergangenen Geschichte in einem ziemlich umfangreichen Maß rechnen. Wir müssen, sagte ich, rechnen mit Mißverständnissen des Eides. Denn — nehmen wir die Dinge sofort konkret — „Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren, treu zu dienen und Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen". Wenn ich sagte, es handelt sich hier doch zunächst darum, daß ein Versprechen religiös bekräftigt wird, dann frage ich mich: Welches ist der Inhalt dieses Versprechens? Das kommt hier zum Ausdruck: ,,... das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren". Vielleicht ist es noch am leichtesten möglich, den wesentlichen Inhalt dieses Versprechens zu präzisieren; denn hier bin ich im Rechtsbereich, und im Rechtsbereich lassen sich die Dinge relativ leicht determinieren. „treu zu dienen", — ist es genau so leicht festzulegen, was das als Versprechen eigentlich meint, vor allem wenn ich daran denke, daß dieses Versprechen nachher eidlich bekräftigt werden soll und infolgedessen das ganze Gewicht des Eides auch auf dem treuen Dienen liegt? Wenn ich mir dann die Begründung etwa des Gesetzentwurfs durchsehe und dort an einer anderen Stelle bei den Pflichten des Soldaten sehe, daß die pflegliche Sorge für die Waffe schon zum Treueid dazugehört, dann frage ich mich natürlich: Was ist hier alles Gegenstand des Eides? Ich bin der Überzeugung, daß das für den Soldaten selbst und für denjenigen, dem er den Eid ablegt, klar sein muß. Darf ich Ihnen hier aus unserer eigenen Erfahrung im Ordensleben einmal eine Parallele bringen, die hier vielleicht gut das Anliegen veranschaulicht. Wir Ordensleute sind über den Rahmen hinaus, in dem der gewöhnliche katholische Christ religiös gebunden ist, religiös gebunden durch unsere Gelübde. Die Gelübde haben als religiöser Akt etwas Ähnliches an sich wie der Eid. Sie sind ein freiwilliges Gott gemachtes Versprechen. Wenn ich jetzt gefragt werde: In welchem Fall verletzest du eigentlich als Ordensmann . dein Gehorsamsgelübde?, dann kann ich Ihnen darauf eine klare Antwort geben, weil das in unserem Ordensrecht eindeutig determiniert wird: erstens dann, wenn ich mich der Gebundenheit an meine religiöse Gemeinschaft überhaupt entziehe, wenn ich also eines Tages durchbrenne. Zweitens gibt es ganz bestimmte qualifizierte Tatbestände, die bei uns in der Verfassung des Ordens niedergelegt sind, und wir sind alle unter Gelübde verpflichtet, das dort Gesagte zu tun. Das sind sehr wenige, sehr genau umgrenzte Tatbestände. Und drittens haben bestimmte höhere Obere — keineswegs jeder — bei uns im Orden das Recht, mir in einer schweren Situation einmal mit Berufung auf das Gelübde, also unter Gelübde etwas Bestimmtes aufzuerlegen. Wenn ich dann nicht pariere, dann verletze ich die Gehorsamspflicht, die ich im Gelübde übernommen habe. Wird es nun gleich gut möglich sein, dem Soldaten zu sagen: Eidesverletzung ist erstens Fahnenflucht, zweitens die Begehung ganz bestimmter schwerer Vergehen gegen seine militärische Dienstpflicht, die in ihrer Eigenart ganz eindeutig und bestimmt gekennzeichnet sind. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, bestimmten Militärs mit Berufung auf den Eid einmal in einer bestimmten Situation etwas Bestimmtes abzuverlangen. Wenn ich diese Klarheit allen Soldaten vermitteln könnte, dann wäre klar, was ein Soldateneid bedeutet. Frage: Ist zu erwarten, daß wir zu einer derartigen Klarheit über den Inhalt des Soldateneides kommen werden, und zwar zu einer gemeinsamen Klarheit, oder werden wir nicht damit rechnen müssen, daß hier die stärksten Meinungsverschiedenheiten bestehenbleiben über das, was der Eid nun tatsächlich bedeutet? Das ist eine zweite Schwierigkeit. Ich gebe zu, daß das Gewicht dieser Schwierigkeit (Pater Dr. Hirschmann) für mich erheblich geringer wäre, wenn der Umfang der Verpflichtungen, die unter den Eid fallen, sich rechtlich genau determinieren ließe. Ich möchte aber auch sagen, daß die Schwierigkeit für mich um so größer wird, wenn geradezu mit Bewußtsein Formulierungen gewählt werden, die keinen rechtlichen Charakter haben, wie z. B. „Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen". Ich habe eine sehr bestimmte Auffassung davon, was mein Vaterland ist. Ich habe auch eine sehr bestimmte Auffassung von dem, was jene Freiheit ist, die man unter Einsatz seiner Person zu verteidigen hat. Ist zu erwarten, daß wir ein gemeinsames Verständnis für diese Worte haben werden? Das ist meine Schwierigkeit. Die dritte Schwierigkeit: Wir müssen ja doch, wie ich vorhin bereits sagte, die Möglichkeit offenhalten, daß ein bestimmter Prozentsatz von Soldaten mit Berufung auf ihr Gewissen den Eid verweigern wird. Wir haben dann doch zwei Sorten von Soldaten. Wir werden auch in der Formulierung selber Unterschiede machen zwischen denen, die die Worte „Ich schwöre" ablehnen und eine andere Form gebrauchen können, und denen, die die Worte „so wahr mir Gott helfe" ablehnen. Nun kann man sich ja auf den Standpunkt stellen, rechtlich und praktisch sei kein Unterschied zwischen denen, die einen ernsten religiösen Eid schwören, und denjenigen, die an seiner Stelle ein entsprechendes anderes feierliches Gelöbnis ablegen. Aber wenn das auch vielleicht der Fall ist und wenn auch die religiöse Seite rechtlich überhaupt nicht mehr faßbar wird — es gibt ja keinen Tatbestand der Eidesverletzung, der etwa strafrechtlich faßbar wäre —, so frage ich mich zunächst einmal objektiv: Sind die Verpflichtungen, die hier die Gläubigen auf sich nehmen, und die Verpflichtungen derer, die den Eid verweigern, denn dieselben? Ich müßte sagen: objektiv besteht nach meiner Auffassung ein sehr erheblicher Unterschied zwischen diesen Verpflichtungen. Wenn er auch vielleicht rechtlich und strafrechtlich nicht faßbar ist, so ist doch das dem Gläubigen hier durch den Eid Auferlegte eine schwerere und andere Verpflichtung als die, die dem anderen auferlegt ist. Die- Frage ist: Sollen wir zu einer derartigen Ungleichheit kommen? Haben wir sie nötig, urn das Ziel zu erreichen?, aber auch: Sind die Schwierigkeiten, die ich hier ausspreche, nicht kompensiert durch die Gesichtspunkte, die ich vorhin dafür nannte, daß eben auch sehr vieles gegen die Abschaffung spricht. Eine vierte Gruppe von Schwierigkeiten ergibt sich aus der historischen Belastung des Eides. Die Zeit liegt noch nicht weit zurück, wo der Eid in entscheidender Weise mißverstanden wurde. Jeder weiß, was sehr viele, auch hochgestellte Soldaten im letzten Krieg glaubten, ihrem Eid schuldig zu sein, ohne daß objektiv eine solche Bindung bestand. Jeder weiß, was diese Gewissensschwierigkeit im Zusammenhang mit der Bewertung von Situationen wie der des 20. Juli bedeutet, und jeder weiß auch, in welchem Umfang der Eid mißbraucht werden kann. Ich würde bereits einen Mißbrauch darin sehen, wenn man bloß um des irrationalen Gehaltes oder um des reinen Traditionsgehaltes willen den Eid bejahte. Er muß, wenn er bejaht wird, um seines religiösen Wertes willen bejaht werden. Sonst wird hier das Religiöse zu einem Mittel im Dienst niederer Werte gemacht und damit religiös entwürdigt. Das ist die vierte Schwierigkeit. Ich weiß nicht, ob die politischen Verhältnisse so konsolidiert sind, daß wir sagen können: Es ist nicht zu befürchten, daß in unserem jetzigen Staatswesen derartige Gewissenschwierigkeiten, wie sie in der Zeit nach 1933 enstanden, sich wiederholen können. Die fünfte Gruppe von Schwierigkeiten ergibt sich aus der Belastung, die es nach der Auffassung vieler von uns mit sich bringen wird, wenn zu der Arbeit, dem deutschen Volk den Wehrdienst überhaupt wiederum tragbar erscheinen zu lassen, nun die zusätzliche Schwierigkeit kommt, auch noch den Eid mit dazuzunehmen. Jeder weiß, mit wievielen Schwierigkeiten eine allgemeine Dienstpflicht zu rechnen hat. Verbindet sich die allgemeine Dienstpflicht mit einer allgemeinen militärischen Eidespflicht, dann bekommen wir eine zusätzliche Schwierigkeit praktischer Art. Diese Gesichtspunkte, die ich unter den Bedenken aufgezählt habe, sind teilweise Gesichtspunkte, die sich aus der katholischen Sicht des Eides ergeben. Teilweise sind es allgemeinere Gesichtspunkte, die jeder von uns mit zu vollziehen imstande ist. Es würde sich also nun darum handeln — wenn ich zunächst einmal vom Standpunkt der Katholischen Kirche sprechen darf —, abzuwägen, ob das Gewicht dessen, was gegen den Eid spricht, was auch pastoral und religiös gegen den Eid spricht, groß genug ist, um das Gewicht der Gründe für den Eid aufzuwiegen. Hier sind wir nun nicht einer Meinung. Nach den Überlegungen, die in entsprechenden zuständigeren Gremien von Kirchenleitungen und von Theologen angestellt wurden, habe ich den Eindruck, daß zunächst einmal der Wegfall jedes Eides im militärischen Bereich einschließlich der eidlichen Verpflichtung der Berufssoldaten sehr weitgehend und von der Mehrzahl nicht begrüßt würde. Ich glaube auch noch, daß in dem eben genannten Kreise die Mehrzahl dazu neigt, man solle den Eid beibehalten unter gewissen Voraussetzungen: daß erstens die Formulierung noch einmal überprüft würde, vor allem hinsichtlich der Worte „treu zu dienen", „Vaterland und Freiheit" und „Einsatz meiner Person", und daß weiter gewisse Sicherungen getroffen würden, daß die Tatbestände, die hier unter Eidespflicht fallen, ganz klar zum Bewußtsein zu bringen sind, und daß auch gewährleistet würde, daß in einer entsprechenden Form eine Einführung in den Eid gegeben wird, bevor er abgelegt wird, und letzlich, daß er in einer Weise abgelegt wird, die der religiösen Würde des Aktes gerecht wird. Wenn das gewährleistet ist, sind sie in der Mehrzahl für die Beibehaltung des Eides, und zwar auch deswegen, weil sie der Meinung sind, daß die Mehrzahl der Leute selbst grundsätzlich noch religiös eingestellt ist. Die Mehrzahl ist dafür, daß eine Formel gewählt wird, die die Eidesformel des gewöhnlichen Soldaten als die allgemeine Regel unterstellt und die das andere zur Ausnahme macht. Eine Minderheit unter uns ist der Überzeugung, daß die zweite Gruppe von Bedenken entschieden schwerer wiegt als die erste und daß trotz des Bedauerlichen, das der Verzicht auf den Eid wenigstens unter den augenblicklichen Verhältnissen mit sich bringen würde, doch alles in allem der Religion ein größerer Dienst geschehe, wenn man den Eid opfere. In dem Bericht über die beiden Gruppen von Ansichten habe ich meine persönliche Meinung (Pater Dr. Hirschmann) vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas in den Akzenten durchschimmern lassen, die ich setzte; aber es kam mir mehr darauf an, einen Bericht darüber zu geben, wie die Dinge bei uns stehen. Staatsminister Osterloh: Darf ich, damit gar keine Mißverständnisse entstehen können, sagen, daß ich hier in meiner Eigenschaft als lutherischer Theologe und als Staatsbürger den Versuch machen werde, Ihnen ein sachliches Gutachten über die Stellung eines lutherischen Theologen zur Frage der Vereidigung von Soldaten heute vorzutragen. Ich spreche also nicht als Beamter eines Bundesressorts und auch nicht als Mitglied einer Landesregierung. Ich habe im Grunde nur zwei Thesen zu vertreten. Die erste These lautet, daß es vom Standpunkt der lutherischen Theologie aus nicht möglich ist, die Einführung eines Eides zu begründen, daß es aber ebensowenig möglich ist, die Ablehnung eines eventuell vom Staat geforderten Eides mit theologischen Argumenten zu unterbauen. Dadurch komme ich zu der zweiten These, daß trotz gegenteiligen Anscheins alle Stimmen aus dem Raume der evangelischen Kirche, die sich bisher zum Eid geäußert haben, in Wirklichkeit politische Stellungnahmen sind und nicht zurückgeführt werden können auf biblisch-theologisch dogmatische Argumente. Die dem Parlament vorgelegte Frage kann nur mit rein politischen Erwägungen entschieden und im Ergebnis nicht abgeleitet werden aus genuin theologischen Grundpositionen. Ich komme zur Begründung meiner ersten These. Die Ansicht, daß Christen, insbesondere evangelisch-lutherische Christen, den Eid überhaupt verweigern müßten, wird begründet mit dem Wortlaut von Matthäus 5, 34. Diese Stelle überliefert ein Herrenwort: „Ich aber sage euch, daß ihr überhaupt nicht schwören sollt". Die Frage lautet, ob Jesus mit dieser Aussage seinen Anhängern die Leistung des von Behörden geforderten Eides verbieten wollte, ob er also die Absicht hatte, eine Regel für das bürgerliche und politische Verhalten seiner Jünger zu geben. Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn das Problem des Gesamtverständnisses der Bergpredigt gelöst wäre. Will sie Maßstab und Grundlage einer staatlichen Gesetzgebung sein? Stellt sie das besondere Gesetz der Christen etwa im Gegensatz zum Gesetz der Heiden und Juden dar? Rechnet die Bergpredigt damit, daß sie als Lebensregel in allen ihren Forderungen durch aktives Handeln befolgt werden kann, oder will sie dem Menschen so, wie er immer tatsächlich lebt, handelt und denkt, einen Spiegel vorhalten, in dem er die Bosheit und Gottwidrigkeit seines faktischen Wollens und Tuns erkennt? Nun, bei der Auslegung der Forderung: „Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir!", läßt sich in dieser Frage eine eindeutige Erkenntnis erlangen. Diese Forderung will bestimmt nicht wörtlich befolgt werden. Die Frage bezüglich der Eidesleistung läßt sich aber auch in einem speziellen Sinne beantworten durch die Beobachtung des Verhaltens Jesu und der Apostel selbst. Das Neue Testament hat das Eidesverbot in der Bergpredigt nicht als bürgerliches Recht verstanden. Jesus leistet — Matthäus 26, 62 ff. — den vom Hohen Priester verlangten Eid und weist die Schwurformel nicht zurück. Auch Paulus schwört — Galater 1, 20, 2. Korinther 1, 23. Die Forderung in der Bergpredigt wendet sich wahrscheinlich in erster Linie gegen die Verwendung der Eidesformel im Privatleben zur Durchsetzung eines vermeintlichen eigenen Rechtes und Anspruchs. In der damaligen Zeit wurden Eid- und Fluchformeln im Alltag häufig mißbraucht, um sich persönlich gegen Angriffe zu wehren und sich mit seinen privaten Absichten durchzusetzen. Die ganze Bergpredigt richtet sich in Wirklichkeit gegen die Neigung des Menschen, sich auf den Buchstaben des Gesetzes zu berufen, um die eigene Makellosigkeit und Korrektheit, ja, um die persönliche Sündlosigkeit unter Beweis zu stellen. Die Aussagen Jesu entziehen dieser pharisäischen Grundhaltung die Begründung. Jesus will die unausweichliche Forderung Gottes so vor den Menschen hinstellen, daß dieser sich als Übertreter und Sünder erkennen muß und keine andere Möglichkeit mehr hat als die Zuflucht zur Vergebung. Der Angriff Jesu gegen die Berufung auf den Eid ist in Wirklichkeit die Enthüllung der Tatsache, daß schon das schlichte Ja und Nein des Menschen vor Gott verantwortet werden muß. Jesus macht deutlich, daß das, was der Eid erreichen will, nämlich Wahrhaftigkeit und Treue, im Verständnis der Bibel untrennbar miteinander verbunden ist, so daß hier kein Unterschied zwischen dem assertorischen und dem promissorischen Eid besteht, da Wahrhaftigkeit und Treue schon geboten sind für die schlichte Aussage ohne jede religiöse Formel. Man kann das auch so sagen: Jesus macht die gewöhnlich als Ausnahmesituation betrachtete Lage des schwörenden Menschen, daß er nämlich Zeugenschaft und Gericht Gottes anruft, zum Charakteristikum seiner gesamten Existenz. Für unsere Frage bedeutet das: Jesus verbietet den Eid, sofern der einzelne damit für sich persönlich die Absicht verfolgt, sich zu sichern. Dabei stellt er seine Anhänger mit ihrem ganzen Leben insofern ständig in die Eidessituation, als er das Ja und das Nein unbedingt unter die Verantwortung vor Gott stellt. Die alte Kirche hat die Bergpredigt nicht anders verstanden als Jesus und die Apostel. Sie hat Kreise, die aus der Bergpredigt ein rigoroses Lebensgesetz machen wollten, als Ketzer und Häretiker ausgeschieden. Insofern steht die Reformation mit ihrer Abwehr der wiedertäuferischen Eidesverweigerung auf dem gleichen Boden wie die alte Kirche. Die Stellung der Reformation ist in den Bekenntnisschriften niedergelegt. Die Bekenntnisschriften stellen für die evangelische Kirche zwar kein zeitlos gültiges starres Lehrgesetz dar; sie bedeuten aber mehr als einen bloßen Diskussionsbeitrag auf der Ebene der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen protestantischen Gruppen; denn sie sind für die landeskirchlichen Pfarrer verbindliche Hinweise auf die evangelische Orientierung einzelner biblischer Aussagen an einem leitenden Gesamtverständnis der Schrift. Man wird bei der Ordination auf die Bekenntnisschriften verpflichtet. In Oldenburg bestand sogar die Unsitte, daß man darauf einen körperlichen Eid ablegen mußte. Diese Unsitte habe ich abgeschafft, nicht aber die Verpflichtung. Dieses Gesamtverständnis der Schrift ist unabhängig von subjektiven, individuellen oder kollektiven, spezifisch religiösen Überzeugungen und verlangt seine Aktualisierung in unserer Gegenwart als Aufdeckung der auch unsere „ungläubige" oder (Staatsminister Osterloh) „gottlose" Existenz tatsächlich tragenden und bestimmenden Wirklichkeit. Ich gebe jetzt die wesentlichen Texte der klassischen lutherischen Bekenntnisschriften: Confessio Augustana XVI Von der Polizei und weltlichem Regiment ... daß Christen mögen in Oberkeit, Fürsten- und Richter-Amt ohne Sunde sein, nach kaiserlichen und anderen üblichen Rechten Urteil und Recht sprechen, Übeltäter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege fuhren, streiten, kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide tun, Eigens haben, ehelich sein etc. ... Dann so der Oberkeit Gebot ohn Sund nicht geschehen mag, soll man Gott mehr gehorsam sein, dann den Menschen. Der Eid ist also keine absolute ewige Größe. Er überträgt nicht endgültig die Verantwortung von dem Schwörenden auf den, dem der Eid geleistet wird. Apologie XVI .. daß wir den Gesetzen sollen gehorsam sein und der Obrigkeit, darunter wir wohnen, es sein Heiden oder Christen, und daß wir in solchem Gehorsam unser Liebe erzeigen sollen. Konkordienformel XII, der Artikel gegen die Wiedertäufer, von denen gesagt wird, daß sie im politischen Bereich untragbare Lehren vertreten. Die Lehren werden charakterisiert: Daß ein Christenmensch mit gutem Gewissen kein Eid schweren noch mit Eide seinem Landesfürsten oder Oberherrn die Erbholdigung tun könne. Das wird als eine untragbare Lehre abgelehnt. Im Großen Katechismus sagt Luther zum 2. Gebot: Und aus diesem Verstand hat man die Frage leichtlich aufgelöset, damit sich viel Lehrer bekümmert haben, warümb im Evangelio verpoten ist zu schweren, so doch Christus, S. Paulus und andere Heiligen oft geschworen haben. Und ist kürzlich diese Meinung: schweren soll man nicht zum Bösen, das ist zur Lügen, und wo es nicht not noch nütz ist; aber zum Guten und des Nächsten Besserung soll man schweren. Denn es ist ein recht gut Werk, dadurch Gott gepreiset, die Wahrheit und Recht bestätigt, die Lügen zurückgeschlagen, die Leute zu Friede bracht, Gehorsam geleistet und Hader vertragen wird; denn Gott kommpt selbs da ins Mittel und scheidet Recht und Unrecht, böse und gut voneinander. Schweret ein Teil falsch, so hat es sein Urteil, das der Strafe nicht wird entlaufen, und, ob es ein Weile lang anstehet, soll ihm doch nichts gelingen .. . Vgl. dazu Mt. 26, 63 f; Gal. 1, 20; 2. Kor. 1, 23. — CA. XXVII: „ ... Dann ein gottlos Gelubd, und das wider Gotts Gebot geschehen, ist unbundig und nichtig; wie auch die Canones lehren, daß der Eid nicht soll ein Band zur Sunde sein." Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirchen weichen in der Beantwortung der uns hier beschäftigenden Frage nicht wesentlich von den klassischen lutherischen Aussagen ab. Dabei ist in der ganzen Bibel und in den Bekenntnisschriften selbstverständlich, daß innerhalb der christlichen Verkündigung keine Möglichkeit für eine Auffassung des Eides besteht, die den Eid als ewigen Wert verabsolutiert und die behauptet, der Treueid bedeute eine uneingeschränkte Übertragung der Verantwortung vom Gehorchenden auf den Befehlenden. Der evangelisch verstandene Eid steht in der Begründung und Begrenzung der mit ihm vollzogenen Verpflichtung unter dem geoffenbarten Gebot Gottes. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich anläßlich einer Anfrage von Pädagogen und Theologen aus Lippe grundsätzlich mit dem Problem des promissorischen Eides befaßt. Diese Pädagogen und Theologen hatten Bedenken, den Eid auf die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen abzulegen. Der Eid ist dann geleistet worden, nachdem der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland sich ein vom Kirchenpräsident Brunotte entworfenes Schreiben zu eigen gemacht hat, in dem ausgeführt wird, daß die Obrigkeit nach evangelischem Verständnis, in dem kein Unterschied zwischen den Lutheranern und den Reformierten sei, das Recht habe, Beamteneide zu fordern, und daß es dabei gleichgültig sei, ob es sich um eine römisch-katholische, um eine evangelische oder um eine andersgläubige oder um eine ungläubige Obrigkeit handle. Das heißt also, daß die repräsentative Leitung der evangelischen Kirche in Deutschland diese Auffassung der Lehre der evangelischen Kirche jetzt auch praktiziert hat. Ich fasse zusammen: Die prinzipielle, religiös begründete Ablehnung eines Eides, die sich auf die Bergpredigt beruft, kann nicht begründet werden mit der auch heute rechtlich und faktisch in der evangelischen Landeskirche praktizierten Lehre. Das heißt also, die Frage, ob unter bestimmten Bedingungen und in unserer Gegenwart überhaupt Eide, insbesondere Diensteide, Treueide und Fahneneide, verlangt werden sollen oder nicht, ist kein kirchliches, sondern ein staatliches, kein theologisches, sondern ein politisches Problem. An der Lösung dieses Problems kann der evangelische Christ sich nicht durch ein unmittelbares Zeugnis vom Inhalt seines Glaubens, sondern nur mittelbar als Staatsbürger durch den Hinweis auf seine Sicht der Bedeutung des Eides für Gehorsam und Verantwortung des Soldaten und für die gegenwärtigen staatspolitischen Aufgaben der Nation beteiligen. Selbstverständlich ist aus dem evangelischen Bereich die Warnung vor jedem magischen, massenpsychologischen, leichtfertigen und auch konfessionspolitischen Mißbrauch des Eides durch den, der ihn fordert, und durch den, der ihn leistet. Selbstverständlich sollte auch der Hinweis darauf sein, daß der Eid — ich habe das schon ausgeführt — nicht die prinzipielle und uneingeschränkte Übertragung der Verantwortlichkeit bewirken kann, sondern in jedem Falle die Anrufung einer dritten Instanz bedeutet, die nämlich den Inhalt und die Grenze der im Eid vollzogenen Bindung für den Schwörenden durch den Gewissensappell festlegt. Mir scheint bedeutsam, daß wir gerade heute ernsthaft die Feststellung berücksichtigen, daß die (Staatsminister Osterloh) Eidesleistung, auch unter ausdrücklicher Nennung des Namens Gottes, nicht abhängig gemacht werden kann von der Profilierung des religiösen Bewußtseins der Beteiligten. Es ist nicht möglich, daß der Staat vorher ein theologisches Examen ablegen läßt oder ein Gläubigkeitsthermometer anlegt. Die politische Entscheidung für oder gegen die Vereidigung von Soldaten — und jetzt rede ich als Untertan und Staatsbürger; ich bitte das nicht als Nichtachtung der mir bekannten Ansicht der Mehrheit dieses Ausschusses anzusehen; es ist aber, ich muß es eingestehen, meine bisher nicht widerlegte private Überzeugung — spiegelt heute die grundsätzliche Gewißheit oder Unsicherheit der Verantwortlichen über den Inhalt ihrer eigenen Verantwortlichkeit in der Findung des entscheidenden Volkswillens und die Gewißheit oder Unsicherheit ihres Bewußtseins von ihrer Vollmacht, Gehorsam zu verlangen, wider. Ich meine damit das gesamte Parlament. Der zeitweise Verzicht auf die Vereidigung kann eine notwendige volkspädagogische Reaktion auf den Mißbrauch des Eides und eine bewußte Vorbereitung auf spätere echte Eidesleistung und Eidesmöglichkeit sein. Der grundsätzliche Verzicht auf den Eid aber kann individualistische und liberalistische Selbsttäuschung, eine Zersetzungserscheinung der Staatssubstanz und objektiv Vorbereitung zu totalitärer Versklavung sein. Forderung und Leistung des Fahneneides können für die Verkündigung des Evangeliums der Anlaß zum Zeugnis von der entscheidenden Verantwortung und dem freien Gehorsam des Soldaten sein. Aber diese Predigt von der letzten Bindung und der letzten Freiheit des Soldaten ist ihrem Wesen nach unabhängig von der Entscheidung für oder gegen den Fahneneid. Ich bitte Sie, mir zu erlauben, daß ich nun noch in wenigen Worten meine ganz persönliche Sorge ausspreche, und bitte Sie, mir zu glauben, daß ich damit niemandem von meinen Freunden und von allen, mit denen ich darüber gesprochen habe, wehtun und daß ich nicht beleidigend werden möchte. Ich habe die Angst, daß ein demokratisches Parlament, das grundsätzlich auf die Vereidigung der Soldaten verzichtet, das aber Beamte vereidigt, und zwar nicht nur Juristen, die unmittelbar an der Wahrung und Entwicklung des Verfassungsrechts mitwirken, nicht nur Rechtskundige, sondern auch Philologen, Volksschullehrer und Oberlehrer, daß ein solches Parlament ein Vakuum lassen könnte, das die Gefahr in sich hält, daß in kritischen weltanschaulichen Gesamtsituationen unverantwortliche chaotische, zur Diktatur greifende Elemente sich dieses Vakuums bemächtigen. Ich möchte es ganz schlicht sagen: Sollte einmal die mir nicht ganz unwahrscheinlich erscheinende Situation eintreten, daß ein deutscher General über nennenswerte Atomstreitkräfte verfügt, dann möchte ich, daß dieser General, wenn er von politischen Machtträumen angefochten wird, mindestens in denselben Konflikten steht, in denen die verantwortlichen Offiziere standen, die wegen ihres Eides auf Adolf Hitler sich nicht in der Lage sahen, sich an der Aktion des 20. Juli zu beteiligen. Man mag über die faktische Bedeutung des Eides reden, wie man will. Es steht literarisch fest, daß er für den Soldaten, der zu der Erwägung gedrängt wird, ob er nicht eine eigene, von der Staatsführung unabhängige, ihr entgegenstehende Verantwortung für das Volksganze hat, in Deutschland an einigen Punkten -geschichtlicher Entscheidung die Bedeutung gehabt hat, daß die Bindung, die der Eid darstellte, stärker war als der Inhalt politischer Erwägungen. Ich möchte, daß derjenige, der über atomare Streitkräfte verfügen kann, mit den stärksten Mitteln gebunden ist an das geltende Recht, an den Gehorsam und die Treue gegenüber den der Verfassung entsprechenden repräsentativen und faktischen Organen der Staatsführung. Ich glaube nicht, daß ich eine romantische Auffassung vom Eid habe. Ich bin Soldat gewesen und weiß, wie wenig für den Einsatz der Truppe das Bewußtsein eine Rolle gespielt hat, einmal einen Eid geschworen zu haben. Ich weiß aber, und zwar auch von mir persönlich, daß bei der Erörterung der Frage, was man seinem Volk schuldig ist und wie weit die Disziplin zu gehen hat, doch auch die Erinnerung an den Wortlaut des Eides den Soldaten, der überhaupt auf ethische und, darf ich sagen, transrationale Bindung ansprechbar ist, in engem Kontakt mit der vorhandenen Staatsgewalt hält. Ich habe nicht den Wunsch, daß die parlamentarische Demokratie irgend etwas unterläßt, um die von ihr selbst geschaffenen Instrumente davor zu bewahren, sich einmal gegen sie zu kehren. Wenn man auf die Vereidigung der Berufssoldaten, auf die Vereidigung der Generalität verzichtete, könnte ich es nicht verstehen, warum man Regierungsmitglieder vereidigt, über die das Parlament ja auch Gewalt hätte, wenn es sie nicht vereidigte. Meine Leidenschaft, meine wirkliche Sorge gilt dem Phänomen, das wir ja kennen, daß cue parlamentarische Demokratie geneigt ist, die Güte, Zuverlässigkeit, subjektive Qualität der Träger von Verantwortung und Teilgewalten zu überschätzen und die Zentralgewalt, die zuletzt vom Parlament verantwortete Gesamtgewalt zuwenig zu schützen gegen Mißbrauch durch partielle Aushöhlung. Ich habe den Wunsch, daß das Parlament eine Entscheidung trifft, die nicht nur möglichst Reibungen vermeidet, den Aufbau der Streitkräfte der Situation anpaßt, sondern die auch an die Zukunft denkt und die Position der parlamentarischen Instanzen auch auf diesem Gebiet so stark befestigt, wie es eben möglich ist. Ich möchte damit abschließen, daß die Erwägungen der von mir verehrten Bischöfe der evangelischen Kirche, die darauf hinweisen, daß die Diskussion über die Gewissensfrage die Eidesleistung sehr erschwere, daß bei einer allgemeinen Wehrpflicht ein nicht ganz mit der Beamtenschaft vergleichbarer Zustand geschaffen werde, daß das Gottesbewußtsein in unserer Jugend problematisch sei, mich nicht überzeugen konnten. Ich will zu einigen Dingen nur Bemerkungen machen. Das Gottesbewußtsein ist in der Zeit des Mittelalters, wenn man es demoskopisch, nach Gallup-Methoden untersucht, nicht besser gewesen als heute. Die Verschiedenheit religiöser Überzeugungen ist allezeit gleich. Das Schwören, die Anrufung Gottes, beinhaltet nicht eine profilierte, trinitarische Theologie. Man müßte, wenn man diese Gesichtspunkte für durchschlagend hielte, konsequenterweise auch den Eid vor Gericht, den assertorischen Eid, ablehnen. Der Hinweis auf die besondere Situation, die durch den Mißbrauch des Eides in der hinter uns liegenden Vergangenheit entstanden sei, scheint mir mit den Jahren an Gewicht zu verlieren. (Staatsminister Osterloh) Ich schließe: Ich befürchte, daß wir als parlamentarische Demokratie zu sehr verzichten auf transrationale, symbolkräftige Momente, die das Individuum in der Mitte seiner Existenz verpflichten, für diesen Staat, für dieses Recht, für diese so verfaßte Nation mit allen Kräften einzutreten. Prälat D. Kunst als Vertreter der Evangelischen Kirche: Die gegenwärtige Stellung der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Soldateneid halte ich beinahe für unverständlich ohne eine Erinnerung an die verflossenen beiden Jahrzehnte. Im dogmatischen und ethischen Urteil der Evangelischen Kirche ist volle Klarheit darüber, daß die Weisungen der Bergpredigt, über die Herr Minister Osterloh gesprochen hat, im Wesen etwas anderes sind als etwa die zehn Gebote Gottes. Darüber möchte ich gleich noch ein Wort sagen. Aber belangvoll für unsere Stellungnahme ist die Erinnerung daran, was wir nach 1933 erlebt haben. Damals ist es in der Geschichte unserer Kirche zum erstenmal passiert, daß wir unmittelbar vor jene Frage des Eides gestellt worden sind. Es gab damals eine sogenannte Nationalsynode, die nur durch den Bruch des Rechtes in breiter Front zustande gebracht werden konnte. Auf dieser Nationalsynode hatten sich die Nationalsozialisten eine sichere Zweidrittelmehrheit verschafft. Diese Nationalsynode beschloß, allen Geistlichen und kirchlichen Beamten einen Diensteid aufzuerlegen, in dem die Verpflichtung auf Hitler und den Reichsbischof in einer vollständig unmöglichen Form miteinander verbunden war. Darauf antwortete der Bruderrat der Bekenntnissynode mit großer Heftigkeit. Ich lese Ihnen den kurzen Absatz vor, der entscheidend ist: Die sogenannte Nationalsynode, ihre Verhandlungen und Beschlüsse sind nach kirchlichem und nach weltlichem Recht ungültig. Wer sie befolgt, bricht selbst Verfassung und Recht der Kirche. Wir weigern uns dessen und rufen die Gemeinden und Kirchen auf, sich auch ihrerseits nicht des Verfassungs- und Rechtsbruches mitschuldig zu machen. Der Bruderrat hat angeordnet, daß dieser geforderte Eid auf Hitler und den Reichsbischof nicht zu leisten sei. Es bedarf keines Kommentars, welche Flut der Verleumdungen und der Bestrafungen die Folge war. Immerhin, stillschweigend mußten die Machthaber das Gesetz fallen lassen. Es ist nicht exekutiert worden. Eine Variante dazu war der sogenannte Staatseid, der Beamteneid. Es war ein bedeutsames Ereignis, als Karl Barth, seinerzeit Professor für Dogmatik hier in Bonn, als Staatsbeamter den Beamteneid mit dem Zusatz leisten wollte: „Soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann." Er hat damals die Bekennende Kirche um eine offizielle Verlautbarung zu seinen Gewissensbedenken gebeten, ebenso den Reformierten Bund. Karl Barth ist reformierter Konfession. Beide Gremien haben dahin votiert, daß die Anrufung Gottes im Eid der Treue- und Gehorsamsverpflichtung den Ernst der Verantwortung vor Gott und damit ihre rechte Begründung gebe. Durch die Berufung auf Gott sei jedes Tun ausgeschlossen, das gegen Gott geboten sei. Karl Barth war daraufhin bereit, den vorgeschriebenen Eid ohne Zusatz zu leisten. Es kam nicht dazu, weil er inzwischen aus seinem Amt entfernt wurde. Viel breiter aber wurde die Erregung und das Mißtrauen in der Kirche, als die mit Partei- und Staatsfunktionären weithin durchsetzte Kirchenbehörde von den Amtsträgern der Kirche die Ablegung des normalen Beamteneides verlangte. Es wurde behauptet, daß der Staat diese Forderung gestellt habe, weil die Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, die Pfarrer Urkundsbeamte seien usw. Nach langem Kampfe wurde der Eid unter Abgabe einer Erklärung zu den Personalakten, wie und in welchen Grenzen wir den Eid verstünden, von einem großen Teil der Pfarrer geleistet. Nach der Eidesleistung wurde bekannt, daß wir in aller Form betrogen worden waren. Es hatte keine Anweisung des Staates vorgelegen. Die Staatsfunktionäre hatten den Eid benutzt, um eine Erfolgsmeldung zur Festigung ihrer eigenen Position zu haben. Ich sage dies alles nicht, weil ich heute morgen mit Ihnen ein kirchengeschichtliches Kolleg exerzieren möchte, sondern damit Sie verstehen, daß in unserer Zurückhaltung zum Eid die Erinnerung. an den schamlosen Mißbrauch des Eides in unseren eigenen Reihen mitschwingt. Der Soldateneid stand in der nationalsozialistischen Zeit nicht zur Diskussion. Es waren nur wenige Pfarrer, die den Soldateneid verweigert haben. Zu ernsten Auseinandersetzungen kam es mit dem nationalsozialistischen Staat, als die Eidespflicht immer weiter ausgedehnt wurde bis hin zu den Kindern in der Hitlerjugend. Inzwischen freilich hatten die Abschnürungen, Verhaftungen usw. die Folge, daß der Angriff gegen diesen Mißbrauch des Eides nicht in der Breite vorgetragen werden konnte, wie es nötig gewesen wäre. Aber Sie machen sich schwer eine Vorstellung davon, was damals im Kampf gegen den Mißbrauch des Eides in jeder einzelnen Gemeinde durchgestanden und erlitten worden ist. Ich erinnere an diese Dinge heute nur, weil alle Männer, die heute in der Evangelischen Kirche Deutschlands in der Leitung eine Verantwortung tragen, weder vergessen können noch vergessen wollen, was sich in unserem Volk in der Sache des Eides begeben hat. Zu einer Diskussion von Belang in der Frage des Eides kam es nach 1945 erst im Zusammenhang mit dem Problem der Wiederbewaffnung. Auch die Männer, die geglaubt haben, nicht öffentlich gegen eine neue Streitmacht auftreten zu müssen, haben mit Nachdruck vor einem neuen Fahneneid gewarnt. Noch im Oktober des vergangenen Jahres hat sich der Landesbischof von Hannover, D. Lilje, in der „Jungen Stimme" gegen einen Fahneneid ausgesprochen. Er hat drei Gründe geltend gemacht: 1. Die Voraussetzung des Fahneneides war der Landesherr, dem Persönlich man die Treue schwor. Ihn gibt es in Deutschland nicht mehr. Das mythische Element der Fahnen ist unserer Generation nicht mehr gegenwärtig wie den Vätern. Es muß dem Eindruck bei der Jugend gewehrt werden, als solle sie einen Eid auf etwas leisten, was nicht mehr recht real ist. 2. So bedrückend es ist, aber bis heute ist im Bewußtsein unseres Volkes noch ungeklärt die Frage, wie man das Verhältnis der Männer vom 20. Juli zu ihrem Fahneneid bewerten soll. Damit fehlen heute entscheidende geistige und ethische Voraussetzungen für einen Fahneneid. 3. Unter allen Umständen muß verhindert werden, daß sich der Nationalismus der neuen Streit- (Prälat D. Kunst) macht bedient. Deshalb sollte alles vermieden werden, was pathetisch wirken könnte. Wir sollten unser Vaterland nicht weniger lieben als unsere Väter, aber in einer veränderten Welt sollten wir es in Freiheit von allem nationalen Egoismus lieben. Gerade im Blick auf Europa sollten wir die Soldaten dahin erziehen, von ihrem Vaterland im Zusammenhang mit anderen Völkern zu denken. Landesbischof Lilje meint: Die Disziplin in der Truppe kann man mit normalen gesetzlichen Mitteln sicherstellen. Auch die Probleme um den Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen könnten unbefangener behandelt werden, wenn es keinen Fahneneid gibt. Sein Votum also — ich meine immer noch das Votum von Landesbischof Lilje — will ausdrücklich nicht dogmatisch verstanden werden in einer grundsätzlichen Ablehnung des Fahneneides unter Heranziehung der Heiligen Schrift als Begründung. Er spricht von der gegenwärtigen Situation, in der eine Entscheidung zu fällen ist. Er möchte jede nicht zwingende Komplikation bei der Aufstellung der neuen Streitmacht verhindert sehen. Es fehlt aber auch nicht am grundsätzlichen Einspruch. Am präzisesten ist er von Professor Strath-mann vorgetragen worden, dem Neutestamentler in Erlangen, dem früheren Reichstagsabgeordneten. Herr Minister Osterloh hat sich in der Sache schon auf ihn bezogen und seine Begründungen abgewehrt. Er sagt: Das Wesen des Eides ist die bedingte Selbstverfluchung. Gottes Fluch wird herausgefordert für den Fall, daß dem Eid die Treue nicht gehalten wird. Der Mensch kann gar nicht so treu sein, daß er nicht der Vergebung bedürfe. Im Eid aber sage er: Ich will in dieser Sache keine Vergebung haben. Er hält dies für eine Lästerung der Majestät der göttlichen Vergebungsgnade. Professor Strathmann geht so weit, daß er sogar das Wort „Schwören" eliminiert sehen möchte, weil es im allgemeinen Bewußtsein noch einen religiösen Beigeschmack habe. Er hält eine Beteuerung für innerlich redlicher, dem christlichen Glauben wie auch der allgemeinen geistigen Situation der Gegenwart für angemessener. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist in ihrer offiziellen Vertretung den Argumenten von Professor Strathmann nicht gefolgt, und zwar weder im Rat noch in der Kirchenkonferenz — also in beiden Konferenzen —, noch in der Synode, was nicht hindert, daß die von Professor Strathmann vorgetragenen Thesen diskussionswürdig sind. Rat und Kirchenkonferenz haben aber in ihrer Sitzung vom 7. Juli 1955 eine Erklärung beschlossen, die auf dem basiert, was die Kirche 1934 in Sachen des Eides ausgesprochen hat und was ich soeben zitierte. Der Rat und die Kirchenkonferenz haben mich einstimmig beauftragt, das Parlament und die Regierung zu bitten, auf den Soldateneid zu verzichten und ihn durch ein Gelübde zu ersetzen. Ich sage ausdrücklich: Das ist ein einstimmiges Votum der offiziellen Vertretung unserer Kirche. Unter allen Umständen sollte auf den Soldateneid bei den Wehrpflichtigen verzichtet werden. Wir glauben nicht, daß jetzt schon die inneren Voraussetzungen für einen Soldateneid in der gegenwärtigen Jugend gegeben sind. Wir meinen, es sollte Geduld mit dieser Jugend geübt und die Gewissen nicht strapaziert werden. Natürlich sind dieses, wenn Sie so wollen, volkspädagogische Gründe; aber es geht ja um eine Entscheidung für den Menschen unserer Tage. Da sind wir der Meinung, daß diese Gründe nicht deshalb beiseite geschoben werden können, weil sie nicht biblisch begründet werden können mit der Ablehnung des Eides überhaupt. Vor allem aber wurden diese Sorgen wach im Blick auf den vorgeschlagenen Soldateneid, der Ihnen allen bekannt ist. Wir haben die äußersten Zweifel, ob ein Wehrpflichtiger — der normale Wehrpflichtige — das Grundgesetz so kennt, daß er sich darauf verschwören kann, daß er es wahren und ihm treu dienen wolle. Hier liegt eine innere Strapazierung, eine innere Überforderung vor. Denn was wir bisher bei unserer Jugend an staatspolitischer Kenntnis gefunden haben, ist so minimal, daß wir glauben, daß mindestens eine lange Einführung in das Grundgesetz vorangegangen sein müßte, damit der Wehrpflichtige überhaupt weiß, was er beschwören soll. Viel heftiger aber ist unser Einspruch gegen das, was im zweiten Teil des Eides folgt: „Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen". Wir denken, wir sind mit dem ganzen Parlament einig, wenn wir mindestens Dresden und Stettin, Görlitz und Saarbrücken als noch zum deutschen Vaterland gehörig ansehen. Dies alles könnte doch von der Bundeswehr erst dann verteidigt werden, nachdem es zuvor erobert worden ist oder nachdem sonst im politischen Raum irgend etwas passiert ist, was uns die Wiedervereinigung gebracht hätte. Auch wenn eine Formulierung für den Eid gefunden würde und unsere Bedenken ausgeräumt würden, glauben wir, daß der sichere Schade größer als der mögliche Gewinn ist. In jedem Falle wären wir dankbar, wenn Sie bei Ihrer Prüfung besonders der Tatsache unseres geteilten Vaterlandes eingedenk sein würden. Bis auf diesen Tag sind wir nicht müde geworden, unser Volk daran zu erinnern, welche Konsekutiva dieses geteilte Vaterland von uns fordert. Wir sind der Meinung, es sollte auch Gewicht haben bei der Frage des Soldateneides. Wir befürchten auch, daß der metaphysische Glanz, der mit dem Fahneneid verbunden ist, für das gesunde innere Wachstum in der Truppe nicht gut ist. Der Verschleiß des Eides, die Aushöhlung beinahe aller edlen Begriffe in der Vergangenheit — ich brauche Ihnen nicht die Summe der Gründe aufzuzählen, die uns bewogen haben, zu sagen: Jetzt nicht, vor allem aber jetzt keinen Soldateneid für die Wehrpflichtigen. Ich darf Ihnen aber ein letztes nicht verschweigen. Gerade die Männer in der Kirche, die nicht von vornherein gegen eine neue Streitmacht waren, bemühten sich, die Diskussion in unserer kirchlichen Jugend dadurch zu fördern, daß sie eine Reihe von Sachfragen der neuen Streitmacht in, ich kann beinahe sagen, zahllosen Tagungen zur Besprechung stellten. Von Anfang an baten wir die Herren in der damaligen Dienststelle Blank aus der Rechtsabteilung und der Abteilung für das Innere Gefüge, uns dabei zur Verfügung zu stehen. Ich würde etwas schuldig bleiben in dem von mir erbetenen Bericht, wenn ich in der Rückschau nicht ausspräche, daß diese Herren in sicher nach mehrreren Hunderten zählenden Vorträgen über Grundsatz- und Einzelfragen einen wesentlichen, wahrscheinlich den wesentlichsten Beitrag geleistet haben, daß in der evangelisch-kirchlichen Jugend im Blick auf die Wehrfrage eine Wandlung gegenüber 1951 eingetreten ist. Durch eine ruhige, sachliche, gelegentlich an das Charismatische grenzende Weise haben sie Frage für Frage ausgehalten und viele ernste Gewissensnot ausgeräumt. Immer aber haben diese Männer gesagt: die Auffassung (Prälat D. Kunst) ihres Hauses mit Einschluß ihres Herrn Ministers sei, der Soldateneid solle durch ein Gelübde ersetzt werden. Natürlich haben sie auch gesagt, daß das letzte Wort selbstredend der Souverän, das Parlament, habe. Aber da aus dem parlamentarischen Raum kaum Stimmen für den Soldateneid laut wurden, war unsere Jugend der Meinung, der Verteidigungsminister würde sich mit seiner Konzeption in dieser Sache durchsetzen. Bitte, ersparen Sie mir, vor Ihnen auszusprechen, was ich in den verflossenen Monaten an harten Vokabeln von dieser Jugend habe hören müssen und wie ich gefragt worden bin, ob am Ende die ganze bisher entwickelte Konzeption noch etwas anderes gewesen sei als ein Lockvogel, daß sie zunächst einmal auf die neue Streitmacht überhaupt zugingen, ob also die Konzeption des neuen Soldaten als Bürger in Uniform in Frage gestellt sei. Selbstverständlich wissen wir in der Leitung der Kirchen, daß die Herren des Verteidigungsministeriums und der Herr Verteidigungsminister selber in voller Redlichkeit in den vergangenen Jahren ihre persönliche Überzeugung vertreten haben, und wir unterstellen .auch, daß es bis heute ihre Überzeugung ist. Aber es geht ja nicht um uns, sondern es geht um unsere Jugend. Sie kann jedenfalls — wie Sie zugeben müssen — sehr schwer begreifen, daß jahrelang unangefochten von den verantwortlichen Männern diese These vertreten worden ist: Der Soldateneid wird durch ein Gelübde ersetzt, und auf einmal stellt sich heraus, es kommt im Parlament etwas vollständig anderes heraus. Wir wissen es noch nicht. Im allgemeinen geht der Bürger ja davon aus, daß die Regierungsvorlage, die ja dann eine breite Mehrheit in der Koalition hat, nicht ohne weiteres zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch eine gewisse Chance hat, durchzukommen. Aber jedenfalls darf ich heute hier nicht nur vor Ihnen stehen als der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche Deutschlands, sondern ich stehe ausdrücklich vor Ihnen auch als der Anwalt der evangelisch-kirchlichen Jugend, wenn ich Sie bitte: Ersparen Sie uns den Soldateneid, ganz besonders den Soldateneid für den Wehrpflichtigen! Sie machen es vielen Jugendlichen leichter, den erforderlichen Dienst zu leisten. Stadtrat Schäfer als Vertreter des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit: Ich komme im Auftrage des Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit. Der Deutsche Volksbund für Geistesfreiheit ist ein Rechtsschutzverband; in ihm sind die freiheitlichen Organisationen zusammengeschlossen. Herr Professor von Frankenberg hat mich beauftragt, meine Stellungnahme hier vorzutragen, weil ich Präsident des Bundes freireligiöser Gemeinden Deutschlands bin und auch im Namen der Unitarier spreche. Vereidigung kann grundsätzlich nur in Frage kommen, wenn derjenige, der den Eid leistet, sich freiwilig zum Dienst gemeldet hat, nicht aber, wenn er — etwa durch ein Gesetz — zur Dienstleistung gezwungen ist. Ist die Verweigerung des Eides mit irgendwelchen Nachteilen bedroht, so ist die Eidesleistung moralisch anfechtbar und praktisch ohne Wert. Dies würde um so mehr gelten, wenn jemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen würde, was ja zur Zeit noch durch Art. 4 GG verboten ist. Falls eine Vereidigung stattfinden soll, muß die Möglichkeit bestehen, den Eid in der weltanschaulich neutralen Form zu leisten (Art. 140 GG und Art. 136 der Reichsverfassung vom 11. August 1919). Das würde aber bei der heute herrschenden Mentalität vielfach zu einer Diffamierung derjenigen führen, die aus Gründen ihrer Religion oder Weltanschauung die neutrale Form wählten, oder auch umgekehrt. Unter diesen Umständen empfiehlt der Deutsche Volksbund für Geistesfreiheit, von einer Vereidigung der Soldaten ganz abzusehen und sich mit einer Verpflichtung in feierlicher Form zu begnügen. Selbstverständlich kann man solche Verpflichtung ebenfalls nur Menschen abnehmen, die nicht der Meinung sind, daß Kriegsdienst mit der Waffe gegen ihr Gewissen verstoßen würde. Gesetzt den Fall, daß aber jemand, der aus Gewissensgründen den Militärdienst ablehnt, trotzdem zu diesem einberufen werden sollte, so müßte allerdings von ihm verlangt werden, daß er in feierlicher Form erklärt, nichts gegen Deutschland zu unternehmen, was die Sicherheit des Staates gefährdet, beispielsweise auch Spionage zugunsten ausländischer Mächte. Anlage 6 Umdruck 526 (Vgl. S. 6827 C ff.) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Einleitung wird wie folgt gefaßt: Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:• Die Wehrmacht ist zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland berufen. Leistung und gegenseitiges Vertrauen werden Geist und Wert der Wehrmacht und ihre Stellung im Volk bestimmen. Der Wehrdienst stellt die höchste Forderung der Gemeinschaft an den einzelnen dar. Der Staat ist verpflichtet, sich zum Soldaten zu bekennen und für ihn zu sorgen. Das Wesen der soldatischen Disziplin liegt in der Einheit von Befehl in Verantwortung und von Gehorsam in Vertrauen; Ehrfurcht vor der Würde des Menschen und freiwillige Einordnung aus Einsicht sind ihre tragenden Pfeiler. 2. Im § 2 ist das Wort „Bundeswehr" durch das Wort „Wehrmacht" zu ersetzen. In der Folge ist das Wort „Bundeswehr" jeweils durch das Wort „Wehrmacht" zu ersetzen. 3. § 7 a erhält folgende Fassung: § 7a Eid (1) Der Soldat hat folgenden Diensteid zu leisten: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe. (2) Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. 4. § 8 Abs. 1 wird wie folgt gefaßt: „(1) Der Vorgesetzte hat in seiner Haltung und Pflichterfüllung Vorbild zu sein." 5. Im § 8 wird Abs. 6 gestrichen. 6. Im § 9 Abs. 1 ist Satz 3 zu streichen. 7. Im § 41 Abs. 2 wird Nr. 4 wie folgt gefaßt: „4. wenn er sich weigert, den Diensteid (§ 7 a) zu leisten;" 8. § 57f wird gestrichen. Bonn, den 6. März 1956 Schneider (Bremerhaven) Dr. Brühler und Fraktion Anlage 7 Umdruck 524 (Vgl. S. 6831 A ff., 6839 C ff.) Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger, Berendsen und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 7 a erhält folgenden Wortlaut: § 7a Eid und feierliches Gelöbnis (1) Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit haben folgenden Diensteid zu leisten: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe." Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. Gestattet ein Bundesgesetz den Mitgliedern einer Religionsgesellschaft, an Stelle der Worte „ich schwöre" andere Beteuerungsformeln zu gebrauchen, so kann das Mitglied einer solchen Religionsgesellschaft diese Beteuerungsformel sprechen. (2) Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, bekennen sich zu ihren Pflichten durch das folgende feierliche Gelöbnis: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." 2. In § 41 Abs. 2 Nr. 4 werden die Worte „das feierliche Gelöbnis" durch die Worte „den Eid" ersetzt. Bonn. den 5. März 1956 Dr. Kliesing Dr. Jaeger Berendsen Frau Ackermann Arndgen Brück Etzenbach Even Franzen Dr. Furler Günther Harnischfeger Hoogen Kemmer (Bamberg) Kemper (Trier) Kortmann Kramel Krammig Dr. Krone Kunze (Bethel) Lücke Mühlenberg Pelster Frau Pitz Rasner Richarts Rösing Sabel Schlick Dr.-Ing. E. h. Schuberth Teriete Frau Vietje Vol?. Wacker (Buchen) Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) Dr. Weber (Koblenz) Wullenhaupt Anlage 8 Umdruck 527 (Vgl. S. 6831 A, 6839 B) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 7 a erhält folgenden Wortlaut: § 7a Eid und feierliches Gelöbnis (1) Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit haben folgenden Diensteid zu leisten: „Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe." (2) Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden. (3) Gestattet ein Gesetz den Mitgliedern einer Religionsgesellschaft, an Stelle der Worte „ich schwöre" andere Beteuerungsformeln zu gebrauchen, so kann das Mitglied einer solchen Religionsgesellschaft diese Beteuerungsformel sprechen. (4) Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, bekennen sich zu ihren Pflichten durch das folgende feierliche Gelöbnis: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." 2. In § 41 Abs. 2 Nr. 4 werden die Worte „das feierliche Gelöbnis" durch die Worte „den Eid" ersetzt. Bonn, den 6. März 1956 Dr. Mende Dr. Dehler und Fraktion Anlage 9 Umdruck 528 (Vgl. S. 6829 A, 6830 C) Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Mende zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: Im § 2 ist das Wort „Bundeswehr" durch das Wort „Wehrmacht" zu ersetzen. In der Folge ist das Wort „Bundeswehr" jeweils durch das Wort „Wehrmacht" zu ersetzen. Bonn, den 6. März 1956 Dr. Mende Anlage 10 Umdruck 530 (Vgl. S. 6842 A, D) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: § 15 Abs. 2 erhält folgende Fassung: (2) Der Soldat darf bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen. Bonn, den 6. März 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 11 Umdruck 531 (Vgl. S. 6833 C, 6839 C) Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Dr. h. c. Lüders und Genossen zum Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger, Berendsen und Genossen (Umdruck 524) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Im § 7 a Abs. 1 und Abs. 2 sind in der Eidesbzw. Gelöbnisformel nach den Worten „treu zu dienen" jeweils die Worte einzufügen: „und das Grundgesetz". 2. Im § 7 a Abs. 2 ist das Wort „nur" zu streichen. Bonn, den 6. März 1956 Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. Bucher Dr. Mende Anlage 12 Umdruck 532 (Vgl. S. 6830 D) Änderungsantrag des Abgeordneten Merten zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: Der bisherige Wortlaut des § 5 wird Absatz 1. Es wird folgender Absatz 2 angefügt: (2) Wird im Gnadenwege der Verlust der Soldatenrechte in vollem Umfange beseitigt, so gilt von diesem Zeitpunkt ab § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend. Bonn, den 6. März 1956 Merten Anlage 13 Umdruck 533 (Vgl. S. 6854 D, 6855 B) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2186, 2140, 1700). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Im § 8 wird Abs. 6 gestrichen. 2. § 57 f wird gestrichen. Bonn, den 6. März 1956 Schneide (Bremerhaven) Dr. Brühler und Fraktion
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat unter dem 28. Februar 1956 mitgeteilt, daß die folgenden Abgeordneten ihren Austritt aus der Fraktion der FDP erklärt haben: Euler, Hepp, Dr. Wellhausen, Dr. Henn, Dr. Berg, Dr. Schäfer, Hübner, Dr. Preiß, Dr. Blücher, Körner, von Manteuffel (Neuß), Dr. Blank (Oberhausen), Lahr, Dr. Schneider (Lollar), Dr. Preusker, Neumayer.
Mit Schreiben vom 5. März 1956 hat mir der Abgeordnete Dr. Schneider (Lollar) mitgeteilt, daß sich diese 16 aus der Fraktion der FDP ausgetretenen Abgeordneten zu einer neuen Fraktion zusammengeschlossen hätten, die die Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten (AFD)" führe

(Heiterkeit und Zurufe)

und der 15 Mitglieder und ein Gast angehörten.
Schließlich darf ich dem Hause noch mitteilen, daß der Abgeordnete Graf von S p r e t i sein Mandat als Bundestagsabgeordneter am 5. März 1956 niedergelegt hat. Als sein Nachfolger ist der Abgeordnete Dr. Winter in den Bundestag eingetreten. Ist Herr Dr. Winter da? — Ich darf Herrn Dr. Winter in unserer Mitte begrüßen und ihm eine gute Arbeit in diesem Hause wünschen.

(Beifall.)

Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. Februar 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 1954
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Brüsseler Protokoll vom 30. Juli 1936 über die Immunitäten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
Gesetz zu der Erklärung vom 10. März 1955 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT)

Gesetz über das Vierte Berlchtigungs- und Änderungsprotokoll vom 7. März 1955 zu den Anlagen des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (GATT) und zum Wortlaut der diesem Abkommen beigefügten Zolizugeständnislisten
Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Gesetz -über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 (Nachtragshaushaltsgesetz 1955)

Zum Nachtragshaushaltsgesetz hat der Bundesrat Ausführungen gemacht, die in Drucksache 2129 vervielfältigt werden.
Der Bundesrat hat weiterhin in seiner Sitzung am 24. Februar 1956 zum Gesetz zur Förderung der deutschen Elerwirtschaft und zum Gesetz über die Tilgung von Ausgleichsforderungen verlangt, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Die Gründe hierzu sind in den Drucksachen 2130 und 2131 niedergelegt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. Februar 1956 die Kleine Anfrage 227 der Abgeordneten Wacher (Hof). Höcherl, Brese, Lermer und Genossen betreffend Abzüge für Überfeuchtigkeit nach der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Getreidepreisgesetzes 1955/56 (2068) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2144 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 2. März 1956 die Kleine Anfrage 228 der Abgeordneten Krammig, Schlick, Neuburger. Dr. Dresbach und Genossen betreffend Verbrechen Jugendlicher (2078) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2148 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 28. Februar 1956 die Kleine Anfrage 232 der Abgeordneten Lenz (Brühl), Kurlbaum und Genossen betreffend Kanalkreuzung Bundesstraße 77 (Europastraße 3 — Nord-Ostsee-Kanal bel Rendsburg) (2099) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2141 vervielfältigt.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 2. März 1956 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 852) die Verordnung Z. Nr. 1/56 zur Änderung der Verordnung Z. Nr. 1/55 über die Preise für Zucker zur Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 23. Februar 1956 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (Drucksache 1680) zurückgezogen.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe auf den Punkt 1:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksachen 124, 125, 171);
Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (16. Ausschuß) (Drucksache 2150, Umdrucke 525, 529).

(Erste Beratung: 9. Sitzung.)

Das Wort zur Berichterstattung hat die Abgeordnete Frau Dr. Schwarzhaupt.
Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes sollen drei Initiativanträge erledigt werden, die das Hohe Haus vor etwa zwei Jahren schon einmal beschäftigt haben. Damals wurden einige Einzelbestimmungen vorweggenommen; der größere Teil der Bestimmungen über die Wehrverfassung ist jedoch unerledigt geblieben. Über die neuerlichen Verhandlungen der beiden beteiligten Ausschüsse, des Verteidigungsausschusses und des Rechtsausschusses, ist ein Schriftlicher Bericht*) vorgelegt worden, der nur durch einige Worte über die Grundlinien zu ergänzen ist, die die beiden Ausschüsse bei ihren zu einem großen Teil einstimmig gefaßten Beschlüssen verfolgt haben.
Die Aufgabe der Ausschüsse war, Bestimmungen über die Streitkräfte in das Grundgesetz einzubauen. In der Zeit, als das Grundgesetz erlassen wurde, bestand kein Anlaß, Zuständigkeiten in bezug auf die Armee zu regeln. Das heißt nicht, daß das Grundgesetz in seinem unabänderlichen Wesenskern die Aufstellung von Soldaten ausschließe. Es bestand Einigkeit darüber, daß Änderungen von dreifacher Art in das Grundgesetz einzufügen sind. Erstens betreffen diese Änderungen die Grundrechte, zweitens betreffen sie die Regelung von Befugnissen für Entscheidungen, die die Bundeswehr angehen, und drittens betreffen sie die Neuschaffung von bestimmten staatlichen Einrichtungen, Einrichtungen der Rechtsprechung und der parlamentarischen Kontrolle.
Bei den Grundrechten waren beide Ausschüsse von dem Wunsch geleitet, die Grundrechte so weit wie möglich zu erhalten. Man ging in der Erhaltung dieses verfassungsmäßigen Schutzes weiter als die Weimarer Verfassung. Diese hatte den einfachen Gesetzgeber durch eine Generalklausel ermächtigt, einzelne Grundrechte für die Angehörigen der Wehrmacht einzuschränken, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Erhaltung der Disziplin nötig sei.
In dem Bestreben, die Grundrechte nur möglichst zurückhaltend einzuschränken, gingen die Ausschüsse den umgekehrten Weg. Sie gingen von
*) Siehe Anlage 2. dem Grundsatz aus, daß der Soldat, und zwar der I Wehrpflichtige ebenso wie der Berufssoldat, Staatsbürger wie ein anderer sein soll. Er soll aus den vielfältigen Gemeinschaftsbindungen, in denen der Bürger in einem demokratischen Staatswesen steht, nicht stärker herausgelöst werden, als es der Dienst des Soldaten erfordert.
Diejenigen Grundrechte, auf deren Einschränkung der einfache Gesetzgeber unter Umständen nicht verzichten kann, werden in der Vorlage einzeln aufgezählt. Es handelt sich für den Soldaten um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, um das Recht, Sammelbeschwerden und Sammelpetitionen einzubringen, und für die Zivilbevölkerung um das Recht der Freizügigkeit und auf Unverletzlichkeit der Wohnung; dabei wurde vor allem an die Notwendigkeit von Evakuierungen und an die Inanspruchnahme von Wohnungen bei Manövern gedacht.
Umstritten war im Rechtsausschuß, ob es möglich sei, dem Soldaten die Grundrechte der Versammlungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit zu erhalten. Das Soldatengesetz sieht keine Einschränkung dieser beiden Grundrechte vor. Die Mehrheit des Rechtsausschusses hielt es aber für nötig, dem Gesetzgeber eine Handhabe dafür zu geben, daß in Krisenzeiten die Beteiligung von Soldaten an Versammlungen ausgeschlossen werden kann. In bezug auf die Vereinigungsfreiheit bestand — im Gedanken an Krisenzeiten — der gleiche Wunsch, dem Soldaten die Beteiligung an bestimmten Vereinigungen, die eine Störung der Disziplin zum Zweck haben könnten, zu verbieten. Die Mehrheit des Ausschusses hielt aber zur Z e i t eine derartige Bestimmung nicht für erforderlich. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Beteiligung von Berufssoldaten an solchen Vereinigungen, deren Zweck die Vertretung der Soldaten in bezug auf ihre Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen ist, den gleichen Beschränkungen unterliegt wie die Beteiligung der Beamten. Es gibt für sie also kein Streikrecht, und die Betätigung der Soldaten in diesen Verbänden ist an die Treueverpflichtung gegenüber dem Staat gebunden. Die Betätigung von Vereinigungen anderer Art ist durch Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes insofern beschränkt, als ihre Ziele den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen dürfen und als sie sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten dürfen. So ging der Ausschuß von der Erwartung aus, daß diese Beschränkungen genügen würden, um Zersetzungsversuche zu verhindern. Es wurde aber ausdrücklich erklärt, und zwar von Mitgliedern von allen Seiten des Hauses, daß sie sich der Notwendigkeit einer weiteren Verfassungsergänzung nicht verschließen würden, wenn sich diese Erwartung als unrichtig erweisen sollte.
In bezug auf die Beteiligung der Frauen will der Vorschlag eine Rechtslage noch einmal ausdrücklich bekräftigen, die sich bereits aus den Artikeln 12 Abs. 2 und 73 ergibt. Der neu eingefügte Abs. 3 im Art. 12 läßt keine gesetzliche Regelung zu, nach der Frauen zu einem Dienst innerhalb militärischer Verbände gegen ihren Willen herangezogen werden könnten. Darüber hinaus spricht der zweite Satz aus, daß Frauen weder auf Grund freiwilliger Meldung noch auf Grund gesetzlichen Zwanges zu einem Dienst mit der Waffe herangezogen werden dürfen. Es kam dem Rechtsausschuß darauf an, daß mit programmatischem Nachdruck im Grundgesetz ausgesprochen wird, daß unsere Auffassung von der Natur und der Bestimmung der Frau einen Dienst mit der Waffe verbietet.


(Frau Dr. Schwarzhaupt)

Das steht in keinem Widerspruch zu der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Art. 3 Abs. 2 ausspricht, wie wir sie in der Bundesrepublik verstehen. Wir glaubten, diese Grundauffassung ausdrücklich festlegen zu müssen, gerade im Gedanken an die militärischen Dienste, in die Frauen unseres Volkes in der Vergangenheit und jetzt noch jenseits der Zonengrenze hineingezwungen wurden.
Bei der Regelung der Zuständigkeiten für wichtige Entscheidungen in bezug auf die Streitkräfte ging man von folgenden Gedanken aus.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Für die Erklärung des Verteidigungszustandes ging man von dem Gedanken aus, daß die schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden — soweit im Krisenfall überhaupt noch politische Entscheidungen gefällt werden können — von der obersten Vertretung des ganzen Volkes, um dessen Schicksal es geht, also von dem Parlament, getroffen werden soll. In dem Fall, daß Gefahr im Verzug ist und daß das Parlament nicht mehr rechtzeitig versammelt werden kann, geht diese Entscheidung auf den Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Kanzlers über, wobei nach Möglichkeit die Vertreter der obersten Organe beteiligt werden sollen.
Die Befehlsgewalt über die Armee hat man in die Hand des Verteidigungsministers gelegt. Man hat damit klargestellt, daß die oberste Befehlsgewalt der parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist und daß es eine Aufteilung von Befugnissen über die Armee, was in der Weimarer Zeit Ursache fil politische Fehlentwicklungen war, nicht
mehr geben soll.
Am meisten umstritten war die dritte Gruppe von neu eingeführten Einrichtungen, Organen der Rechtsprechung und der parlamentarischen Kontrolle: die Wehrstrafgerichte, der Wehrbeauftragte und die Übertragung von besonderen Befugnissen auf den Verteidigungsausschuß. Die hier vorgelegten Regelungen beruhen auf einem gegenseitigen Entgegenkommen. Beide Seiten des Hauses, soweit sie daran beteiligt sind, konnten nicht alle ihre Wünsche durchsetzen und mußten erhebliche Bedenken zurückstellen. Auf der einen Seite bestanden juristische, rechtspolitische und psychologische Bedenken dagegen, daß neben den bisherigen Kontrollbefugnissen des Parlaments zwei neue Sonderregelungen zur Durchführung der parlamentarischen Kontrolle über die Wehrmacht eingeführt wurden. Diese Bedenken konnten nur zurückgestellt werden in der Hoffnung, daß eine kluge und besonnene Praxis sie Lügen strafen wird. Auf der andern Seite des Hauses war man überzeugt, daß weit einschneidendere Maßnahmen nötig seien, um die Grundrechte zu schützen und um das Gleichgewicht des verfassungsmäßigen Gefüges zu erhalten, das durch die Einfügung eines so wesentlichen Machtfaktors wie einer Armee in unsere Staatsverfassung verändert wird. Beide Seiten gaben nach. Wichtiger erschien, daß eine Armee nicht auf einer umstrittenen verfassungsrechtlichen Grundlage aufgebaut werden sollte und daß sie nicht ohne einen hinreichend klaren Schutz der burger- liehen Rechtsstellung der Wehrpflichtigen und der Berufssoldaten begonnen wird. Was beide Seiten des Hauses veranlaßte, hier wesentliche Wünsche zurückzustellen, war diese gemeinsame Verantwortung
Diese gemeinsame Verantwortung des Hauses ist mit dem Erlaß dieses Gesetzes nicht beendet. Gerade well es auf einem gegenseitigen Entgegenkommen beruht und weil es in vielem für Deutschland Neuland betritt, ist entscheidend, wie es gebraucht wird; entscheidend ist das Leben und die Gesinnung, mit der die gesetzlichen Einrichtungen erfüllt werden. Davon wird in hohem Maße abhängen, ob nach dem Bruch in der Geschichte unseres Soldatentums eine neue gute Tradition wachsen wird, und davon hängt weiter das künftige Geschick der jungen Demokratie in Deutschland ab.
Von dieser Verantwortung war die Zusammenarbeit der beiden Ausschüsse getragen. Die Parteien, die an dieser Vorlage zusammen gearbeitet haben, haben ihre verschiedenen Grundauffassungen in bezug auf die Außenpolitik und auf innenpolitische Fragen nicht aufgegeben; sie haben sich aber in der Zusammenarbeit an diesem Entwurf zusammengefunden im Bewußtsein ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Demokratie in Deutschland und für die jungen deutschen Menschen, die jetzt in die neue Armee eintreten werden. Möge dies als ein hoffnungsvolles Vorzeichen für den Neubeginn gelten!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200100
Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihren Bericht und eröffne die Beratung in der zweiten Lesung.
Eine allgemeine Aussprache findet in der zweiten Lesung nicht statt. Ich rufe den Art. I auf. Änderungsanträge liegen zu der Ziffer 9 vor. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß ich die Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 zusammen aufrufen kann. Wird das Wort dazu gewünscht? — Ich sehe keine Wortmeldung. Ich schließe die Beratung zu den Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8. Wer diesen Ziffern in der vorliegenden Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Ziffern sind einstimmig angenommen.
Ich komme zu der Ziffer 9. Hierzu liegt Ihnen auf Umdruck 525*) ein Änderungsantrag vor. Ich frage, ob zur Begründung dieses Änderungsantrages das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Gille hat das Wort.

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0213200200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, alle in diesem Hause werden Genugtuung darüber empfinden, daß das nicht leichte Werk der notwendig gewordenen Grundgesetzänderungen eine sehr breite Basis gefunden hat. Wer bei den Beratungen der zuständigen Ausschüsse hat mitwirken dürfen, der hatte bei Beginn der Gespräche nicht den Eindruck, daß dieses Ergebnis würde erzielt werden können. Ich kann der Frau Berichterstatterin darin zustimmen, daß die Einsicht auf allen Seiten dagewesen ist in einem besonders großen Maße. Diese Einsicht hat es zustande gebracht, daß dieses wichtige Gesetzgebungswerk aller Voraussicht nach eine so breite Grundlage im Parlament finden wird.
Ich habe den Auftrag meiner Fraktion, einen Änderungsantrag zum Art. 65 a zu begründen. Es handelt sich um einen der wenigen Punkte mit wirklich politischem Gehalt, über die eine völlige Einmütigkeit in den Ausschüssen nicht hat erzielt werden können. Ich darf zunächst unseren Änderungsantrag verlesen.
*) Siehe Anlage 3.


(Dr. Gille)

Der Bundestag wolle beschließen: Zu Art. I Nr. 9
Dem Art. 65 a Abs. 1 werden folgende Sätze 2 und 3 hinzugefügt:
Der Bundesminister für Verteidigung bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Bundestages. Er muß zurücktreten und ist vom Bundespräsidenten zu entlassen, sobald ihm der Bundestag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht.
Es geht also um die Frage, ob die Funktion und Amtsführung des Verteidigungsministers einer besonderen parlamentarischen Vertrauensgrundlage bedarf oder nicht. Wir haben in den Ausschüssen, insbesondere im Rechtsausschuß, fast bei jeder Gelegenheit, die sich dazu bot und die uns diese Frage aufzwang, immer wieder erörtert, ob die ungewöhnliche Stellung des Verteidigungsministers, die in seiner Aufgabe liegt, nicht eine andere Behandlung seines Verhältnisses zum Parlament erforderlich macht, als es nach unserem Grundgesetz bei den anderen Ministern der Fall ist.
Ich möchte der Frau Berichterstatterin auch darin zustimmen, daß die Verfasser unseres Grundgesetzes zwar nicht daran gedacht haben, daß die Bundesrepublik einmal ein Staat mit Streitkräften werden würde, daß aber eigentlich jede staatliche Verfassung im Kern eine solche Aufgabe umschließt. Wer jedoch die Beratungen mitgemacht hat, der weiß und hat es noch sehr eindrucksvoll vor Augen, an wie vielen Stellen unseres Grundgesetzes eine neue Betrachtung notwendig war, da die Streitkräfte zur Aufstellung kommen. Die Eigenständigkeit und Besonderheit der Funktion des Verteidigungsministers haben sich mit dem Fortschreiten der Beratungen immer deutlicher gezeigt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200300
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich bitte doch, die Türen hier im Saal zu schließen.
Fahren Sie bitte fort!

Dr. Alfred Gille (GB/BHE):
Rede ID: ID0213200400
Welches sind nun die wesentlichen Einwände, die gegen den Vorschlag, die parlamentarische Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers festzulegen, vorgebracht worden sind? Zunächst der Einwand, daß man die Stellung des Verteidigungsministers nicht stärke, sondern — man höre und staune — schwäche, wenn man ihn von einem besonderen parlamentarischen Vertrauensvotum abhängig mache. Ich muß zu diesem Einwand in Abwandlung eines bekannten Wortes eigentlich sagen: Das sind mir schöne Parlamentarier! Es gibt doch in der parlamentarischen Demokratie keine größere Stärkung der Position eines politischen Aufgabenträgers, als wenn er sich des Vertrauens des gewählten Parlaments erfreuen darf. Es kann doch nicht angehen, daß man, wenn man glaubt, ohne dieses Vertrauen auskommen zu können, davon spricht, damit stärke man seine Stellung, und man schwäche sie, wenn man dieses Vertrauen verlange. Ich glaube, dieser Einwand kann bei genauer Betrachtung nicht ernst genommen werden. Hier liegt eine Verwechslung vor zwischen dem Vertrauen des Chefs der Bundesregierung zu einem seiner Minister und dem echten politischen Vertrauen, das nur das Parlament als die Vertretung des Volkes, des Souveräns unseres Staates, auszusprechen vermag.
Der zweite Einwand ist mehr grundsätzlicher Art. Man sagt, wir stören und ändern damit ein grundlegendes Prinzip unserer Verfassung, und zwar das Prinzip, daß allein der Bundeskanzler in seiner Person des Vertrauens des Parlaments bedarf, während die Ressortminister dieser besonderen Vertrauensstellung gegenüber dem Parlament nach unserer Verfassung nicht bedürfen. Nun, das ist richtig. Deswegen wird ja auch eine Änderung vorgeschlagen. Aber Systeme und Doktrinen müssen den harten Notwendigkeiten weichen, wenn man nicht zu einer völligen Versteifung und Verkrampfung kommen will. Es kann im Ernst doch nicht bestritten werden, daß die Verfasser unseres Grundgesetzes an diesen Fall einfach nicht gedacht haben, weil dazu kein Anlaß bestand. Es ist nachträglich sehr schwer, abzutaxieren, ob die Regelung des Art. 65 nicht doch eine andere Fassung gefunden hätte, wenn man schon damals davon hätte ausgehen müssen, daß einer der Minister vor eine ganz besonders wichtigen, bedeutungsvollen Aufgabe, nämlich der Führung des bewaffneten Teils unseres Volkes, gestellt sein werde.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Dann wäre er nicht anders ausgefallen!)

— Ich weiß nicht, Frau Dr. Weber, ob man das so sagen kann.
Wir meinen jedenfalls,. daß die Änderung eines Grundprinzips in einem, ich möchte sagen, einzigen Teilpunkt kein zureichendes Gegenargument ist, wenn man die Argumente für eine Vertrauensstellung des Verteidigungsministers gegenüber dem Parlament angemessen in Rechnung stellt.
Ich möchte nicht verhehlen, daß die Ereignisse der letzten Wochen und Monate bei der Erwägung dieser Frage ihre Rolle gespielt haben. Wir stehen heute vor der sicherlich abnormen Situation, daß nicht weniger als sechs Bundesminister — sechs! — sich zwar der Gnadensonne des Herrn Bundeskanzlers erfreuen, aber eine echte parlamentarische Rückendeckung innerhalb einer der Fraktionen dieses Hauses nicht besitzen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)

Ich weiß nicht, Frau Dr. Weber, ob Sie auch zu diesem Vorgang sagen können, die Schöpfer unserer Verfassung hätten die Probleme nicht anders geregelt und gelöst, wenn sie einen solchen Zustand überhaupt für möglich gehalten hätten. Daß sechs Mitglieder eines Bundeskabinetts sich ausschließlich in der Gnade des Herrn Bundeskanzlers sonnen und daß ihnen ansonsten nichts, was im parlamentarischen Bereich Bedeutung hat, als Rückendeckung zur Verfügung steht,

(Erneuter Beifall beim GB/BHE und bei der SPD)

diese ungewöhnliche Entwicklung gibt doch zweifellos Anlaß genug, sie auch im vorliegenden Fall nicht unbeachtet zu lassen.
Bitte, unterstellen Sie doch einmal — es gibt ja kaum etwas, was in unserem staatsrechtlichen Bereich heute so abwegig wäre, daß es nicht wenigstens theoretisch vorstellbar ist —, daß einer der sechs Minister, von denen ich eben sprach, der Verteidigungsminister wäre!

(Sehr gut! beim GB/BHE und bei der SPD.)

Es muß doch ein gewisses peinliches Gefühl aufkommen, wenn man bedenkt, diese sehr geschwächte Stellung — Herr Dr. Jaeger, auch Sie


(Dr. Gille)

werden nicht annehmen, daß das eine besonders starke Stellung dieser sechs Herren Minister ist — könnte der Verteidigungsminister haben, der in der Verantwortung für 500 000 bewaffnete deutsche Männer an der Spitze steht. Das gibt doch wirklich Anlaß, diese Dinge ohne eine Doktringläubigkeit und ohne ein starres Festhalten an einem System ernstlich zu überlegen und unser Grundgesetz entsprechend zu ändern.
Ich möchte ausdrücklich betonen: Dieser unser Vorschlag richtet sich nicht gegen die Person des gegenwärtigen Verteidigungsministers. Wir haben im Augenblick keinen Anlaß und auch in den letzten Wochen keinen Anlaß gefunden, ihm unser Vertrauen nicht zu schenken. Die Schwierigkeiten, die er augenblicklich hat, scheinen nur in seiner eigenen Fraktion zu bestehen. Es geht um die grundsätzliche Frage. Bedenken Sie, welche, ich will nicht gerade das Wort „Machtfülle" gebrauchen, sondern vielleicht besser: welche Verantwortungsfülle in der Hand dieses einen Mannes liegt und auch in Zukunft liegen wird! Deshalb sollten wir alles tun, um seine Stellung zu stärken, und zwar auch gegenüber dem Herrn Bundeskanzler.
Nun darf ich auf den Einwand, unser Vorschlag bedeute eine Schwächung, folgendes erwidern. Es könnte doch sein, daß der Herr Verteidigungsminister bei irgendeiner Meinungsverschiedenheit den Herrn Bundeskanzler sehr gern darauf hinweisen möchte: Lieber, verehrter Herr Bundeskanzler, ich brauche ja nicht allein dein Vertrauen, ich brauche auch das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments! Das ist letzten Endes der Sinn, der unserem Vorschlag zugrunde liegt. Wir wollen den Verteidigungsminister aus der nicht sehr erfreulichen Situation herausheben, in der sich alle anderen Bundesminister durch die inzwischen erfolgte Manipulierung mit den Artikeln 65 ff. befinden. Wir empfinden es jedenfalls nicht als besonders erfreulich — für keinen der Herren Bundesminister —, daß sich in den letzten Wochen mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit herausgestellt hat, daß sie nicht politische Minister im echten Wortsinne sind, sondern tatsächlich nur Staatssekretäre oder, wie es neulich gesagt wurde, „Erfüllungsgehilfen des Herrn Bundeskanzlers". Das mag in allen anderen Ressorts noch hingehen; wir meinen aber, daß bei der Stellung, bei der Bedeutung der Aufgabe des Verteidigungsministers eine solche Position für ihn nicht ausreicht.
Es besteht gar kein Anlaß, bei einer Annahme unseres Vorschlags etwa ganz düster zu malen und an die Weimarer Zeit zu erinnern, wo eine Regierung nach der anderen durch ein Mißtrauensvotum gestürzt wurde, ohne daß man wußte, welches Kabinett man an ihre Stelle setzen konnte. Erstens handelt es sich ja nur um ein einziges Ressort, und dann ist es doch nicht wirklichkeitsnahe, wenn man annehmen wollte, daß der Versuch, den jeweiligen Herrn Verteidigungsminister aus dem Kabinett herauszuschießen — diese militaristischen Ausdrücke sind in dem Zusammenhang gefallen —, sich alle vierzehn Tage wiederholen werde. Davon kann keine Rede sein. Im übrigen wird die Stabilität unseres Regierungssystems, an der auch wir festzuhalten wünschen, in keiner Weise berührt. Der Herr Bundeskanzler und mit ihm sein ganzes Kabinett können auch in Zukunft nur durch ein konstruktives Mißtrauensvotum abgelöst und durch ein anderes Kabinett ersetzt werden. Ein Eingriff in dieses grundlegende Prinzip unserer
Verfassung ist also, genau betrachtet, nicht vorhanden. Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200500
Sie haben die Begründung des Änderungsantrags gehört.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0213200600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube dem Herrn Kollegen Dr. G i 11 e , daß sein Antrag nichts mit der Person des gegenwärtigen Herrn Verteidigungsministers zu tun hat. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Antrag etwas zu tun hat mit zwei anderen Ministern, die einstmals Parteifreunde des Herrn Dr. Gille waren,

(lebhafte Zurufe vom GB/BHE und von der SPD)

und ich glaube, eine solche Sache wie die Verfassungsberatung ist kein guter Anlaß für eine parlamentarische Rache. Denn hier geht es um etwas Grundsätzliches. Wir machen nicht ein vorübergehendes Gesetz, wir ergänzen die Verfassung. Folglich müssen wir uns der Konsequenzen bewußt sein, die eine Annahme eines solchen Antrags haben würde.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Sehr richtig!)

Wenn Sie dem Bundesminister für Verteidigung eine Sonderstellung geben, nach der er vom Parlament abberufen werden kann, dann verstoßen Sie gegen das System, das wir mit der Kanzlerregierung und dem konstruktiven Mißtrauensvotum haben. Denn es ist nun einmal in unserem Grundgesetz aus guten Gründen die Regelung getroffen, daß nur der Kanzler vom Parlament gewählt wird, daß nur er vom Parlament gestürzt werden kann, und auch das nur, wenn zugleich ein Nachfolger gewählt wird. Diese Regelung ist getroffen worden, damit im Normalfall auf vier Jahre ein festes und beständiges Regieren möglich ist. Dieses wird an einem Punkte, und zwar an einem recht wichtigen Punkte, an der Stellung des Verteidigungsministers, geändert. Denn er kann nach dem Vorschlag des Abgeordneten Dr. Gille und seiner Freunde abberufen werden. Damit ist außerdem die Einheit der Regierung, die darauf beruht, daß alle Minister die gleiche Stellung haben und daß sie alle auf Vorschlag des Kanzlers ernannt und entlassen werden können, gesprengt.
Aber es sind weniger rechtssystematische Gründe, die mich veranlassen, Ihnen diese Bedenken vorzutragen, sondern die eminent politischen Gründe, die dahinterstehen. Schließlich hat der Parlamentarische Rat nicht ohne Grund die Regelung des konstruktiven Mißtrauensvotums getroffen. Denn der Parlamentarische Rat stand noch unter dem Eindruck des Versagens der ersten deutschen Republik. Im Weimarer Staat hat nicht zuletzt die Unfähigkeit des Parlaments, eine Regierung zu bilden, verbunden damit, daß jederzeit die Regierung und jeder einzelne Minister gestürzt werden konnte, zum Untergang des Systems beigetragen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die Spuren von Weimar schrecken, und wir möchten den großen Fortschritt, der in der Kanzlerregierung und dem konstruktiven Mißtrauensvo-


(Dr. Jaeger)

tum liegt, nicht gefährdet wissen. Denn wir wissen nicht, ob über unsere zweite deutsche Demokratie nicht auch einmal wieder Sturmzeiten heraufziehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese unsere Erwägungen geschichtlichen Inhalts werden noch unterstützt durch den Blick auf unser westliches Nachbarland, in dem eine Regierungskrise die andere jagt, was von uns ebenso wie von den Bürgern dieses Landes bedauert wird. Wir wollen in Deutschland den großen Fortschritt eines stabilen Regierungssystems erhalten wissen, der gerade von vielen Ausländern als ein solcher Fortschritt anerkannt worden ist.
Außerdem glaube ich, daß dieser ganze Antrag sehr unpraktisch ist. Denn wegen einer Lappalie wird kein verantwortungsbewußter Abgeordneter dem Verteidigungsminister das Mißtrauen aussprechen. Liegt aber irgendein grober Mißgriff vor, der hier im Parlament auf Grund eines Mißtrauensantrags behandelt werden soll, dann dürfte er ja auch dem Regierungschef nicht unbekannt sein.

(Lebhafte Zurufe vom GB/BHE und von der SPD. — Abg. Feller: Wenn er zu einer anderen Fraktion überläuft!!)

Wenn der Bundeskanzler daraufhin den Minister entläßt, ist die Angelegenheit sowieso im Sinne der Antragsteller erledigt.

(Zuruf vom GB/BHE: Wenn!)

Wenn er den Minister nicht entläßt, hat er selbst die Verantwortung mitübernommen, und ein Mißtrauensantrag kann sich dann konsequenterweise nur gegen den Kanzler selber richten, der die Richtlinien der Politik bestimmt und in diesem Fall eben die Verantwortung mitübernommen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf vom GB/BHE: Verteidigungsüberläufer!)

Zudem: Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie sind aus den Beratungen in beiden Ausschüssen davon überzeugt, daß mir der Gedanke einer parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte wahrhaftig am Herzen liegt. Es geht nur darum, wie sie am wirkungsvollsten verwirklicht wird.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, Sie haben die wirkungsvollste Form getroffen, als Sie vorhin einstimmig dem Verteidigungsausschuß eine besondere Rechtsstellung gegeben haben, durch die er positiv seine Kontrolle geltend machen kann, während das Mißtrauensvotum nur eine sehr negative Form der Kontrolle, die keineswegs ins einzelne gehen wird, darstellen würde.
Schließlich und endlich aber erscheint mir noch ein Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung. Es ist doch nur in der Theorie davon gesprochen, daß der Verteidigungsminister des Vertrauens des Bundestags bedarf. Denn auch nach dem Antrag Dr. Gille wird ihm ja nicht das Vertrauen ausgesprochen, sondern es kann ihm nur das Miß -trauen ausgesprochen werden. Das Vertrauen wird nur vermutet, bis ihm das Mißtrauen ausgesprochen ist. Wenn aber der Verteidigungsminister als einziger Bundesminister in der Gefahr steht, jeden Tag oder mindestens in gewissen Abständen eines Mißtrauensvotums gewärtig zu sein, während sein Kollege im Ressort des Innern, der Finanzen oder der auswärtigen Politik in dieser Gefahr nicht steht, dann ist der Verteidigungsminister nicht der stärkste Minister geworden, sondern dann ist er der schwächste in der ganzen Bundesregierung.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Glauben Sie doch nicht, daß Sie mit Hilfe eines Mißtrauensvotums, also einer negativen Handlung, die Stellung eines Ministers gegenüber dem Kanzler stärk en könnten! Das Verhältnis von Kanzler und Minister wird in aller Zukunft wie in der Gegenwart eine Frage der beiden Persönlichkeiten und nicht eine Frage des geschriebenen Rechts sein. Außerdem, meine Damen und Herren, ist es doch nun einmal so, daß, wenn wir den Verteidigungsminister in die Gefahr setzen, ständig abgesetzt zu werden, damit seine Autorität bei den ihm untergebenen Soldaten geschwächt wird.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Vielleicht wird mancher höhere Soldat inner- oder außerhalb des Ministeriums sich sagen, wenn er eine Anordnung bekommt, die ihm nicht gefällt: „Ach, lassen wir die mal ruhig auf dem Schreibtisch liegen; gerade hat eine Fraktion einen Mißtrauensantrag im Parlament eingebracht; vor einem halben Jahr ist ein solcher mit zwei Stimmen Mehrheit abgelehnt worden; vielleicht wird er jetzt angenommen, dann sind wir auch dieses ganzen Erlasses ledig." — Ich glaube, das ist nicht das, was wir uns unter der politischen Führung der Armee vorstellen.
Wenn ich mir überlege, daß der Verteidigungsminister die größte Zahl von Untergebenen — wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf — hat, die überhaupt ein Bundesminister haben kann — denn es werden in der Armee mehr Menschen g stehen als selbst in der Bundesbahn —, wenn ich mir zudem überlege, daß er das bedeutsamste und das schwierigste Instrument der Bundespolitik hat, weil in ihm die Frage Krieg und Frieden mitbeschlossen liegt und weil auf diesem Instrument auch in seinem Verhältnis zum Staate eine gewisse historische Hypothek liegt, dann muß ich mir sagen: Ich kann mir nur wünschen, daß der Bundesminister für Verteidigung heute und in aller Zukunft nicht der schwächste, sondern der stärkste aller Minister ist.
Deshalb bitte ich Sie namens meiner Fraktion, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0213200800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, daß ich in dieser Frage heute hier auf einem verlorenen Posten kämpfe. Aber vielleicht gehört es mit zum Wesen der Politik, daß man lernen muß, in gewissen Lagen auch ohne eine Hoffnung zu handeln, jedenfalls es am Versuch des Handelns nicht fehlen zu lassen. Ich bitte darum in dieser Frage um Ihr Gehör, auch wenn Sie noch so entschlossen sind, den Antrag, der von der Fraktion des GB/BHE vorgelegt worden ist, abzulehnen.
Wir haben uns in den interfraktionellen Vorbesprechungen zwar über ein Mindestmaß dessen verständigt, was notwendig ist, um das Grundgesetz geeignet zu machen, die von Ihnen gegen unseren Willen beschlossene Bundeswehr nun in die Demokratie einzugliedern. Aber wir haben uns aus-


(Dr. Arndt)

drücklich vorbehalten, sowohl im Ausschuß als auch im Plenum für einen Antrag der Art, wie der Herr Kollege Gille ihn gestellt und begründet hat, einzutreten und ihm zuzustimmen.
Was uns dazu bewegt, sind tiefe, sehr tiefe Sorgen, die dadurch heraufbeschworen worden sind, daß durch die Verfassungsänderung des Jahres 1954 und durch die Pariser Verträge des vergangenen Jahres ein grundlegender Wandel in der Verfassungssituation in Deutschland eingetreten ist. Um verstehen zu können, sich überhaupt darüber klarzuwerden, weshalb wir hier Änderungen des Bonner Grundgesetzes anstreben, ist es notwendig, auf die Ursprünge der Verfassungsänderung hinzuweisen. Ich bitte mir dazu einige Ausführungen zu erlauben. Es mag sein, daß mir dabei vielleicht das eine oder andere harte Wort auf die Zunge kommt; aber ich bitte mir im voraus zu glauben, daß es — wie gesagt — aus der Sorge um den gegenwärtigen Stand der Dinge geschieht.
Wir hören heute draußen — in manchen Zeitungen und auch sonst — weise Ratschläge und Belehrungen, besonders an die Opposition. Diese Ratschläge werden uns erteilt, die wir uns jahrelang dem widersetzt haben, vor dem wir heute stehen! Damals waren jene Stimmen stumm.

(Beifall bei der SPD.)

Jetzt weiß man auf einmal uns Ratschläge darüber zu erteilen, was wir zu tun haben. Das wissen wir leider allzu sehr. Wir haben es notwendig, hier das Grundgesetz zu ergänzen, zwar nicht, wie die Brunnenvergiftung draußen sagt, weil es irgendeine Einigung in der Wehrfrage gäbe oder es sich jetzt um den Anfang gemeinsamer Wehrpolitik handelt, sondern weil die Bundeswehr im Jahre 1954 von einer damaligen Zweidrittelmehrheit gegen uns beschlossen worden ist und weil die Pariser Verträge gegen uns beschlossen worden sind und es deshalb die Bundeswehr gibt, die nun schon eine Tatsache in Deutschland ist, wie jeder weiß, der nach Andernach oder sonst wohin sieht.
Diese auf uns zurollende Lage einer Bewaffnung von 500 000 Mann — die Sie beabsichtigen, nicht wir, — macht es notwendig, nun in dem Grundgesetz wenigstens ein Mindestmaß an Vorsorge dafür zu treffen, daß diese neue Erscheinung im politischen Leben — denn eine bewaffnete Macht ist auch ein politischer Faktor — nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung sprengt. Das ist der Sinn dieser Verfassungsergänzung, bei der es sich um Notmaßnahmen und um ein Mindestmaß an Vorsorge um der freiheitlich-demokratischen Grundordnung willen und auch wegen der Menschen, die in der Bundeswehr die Waffen tragen sollen, handelt. Ich weiß, daß das in der Bevölkerung weitgehend noch gar nicht so hinreichend zur Kenntnis genommen ist.
Wir haben, wenn ich mich recht erinnere, 1912, im kaiserlichen Deutschland, ein stehendes Heer von ungefähr 600 000 Mann gehabt, das nicht über die moderne Waffentechnik und das moderne Nachrichtenwesen verfügte, größtenteils an den Grenzen kaserniert und von Elsaß-Lothringen bis nach Wirballen und von Schleswig bis nach Kattowitz verteilt war. Jetzt wollen Sie eine im Verhältnis zur Bevölkerungsstärke ungleich größere bewaffnete Macht in der Bundesrepublik Deutschland aufstellen, in einer Lage, in der auf Grund des Warschauer Paktes gleichzeitig jenseits des Eisernen Vorhangs eine zweite deutsche Armee auf dem einen deutschen Boden entsteht. Das ist eine Lage, die noch nicht da war und auf die das Bonner Grundgesetz in gar keiner Weise vorbereitet ist. Aber wir sehen uns Ihrer Rechtsbehauptung gegenüber, daß Sie das können, ohne überhaupt die Verfassung zu ändern, und wir sehen uns vor der Tatsache, die von der Bevölkerung weitgehend noch gar nicht in das Bewußtsein aufgenommen ist, daß, wie ich immer wiederholen muß, durch das Gesetz vom 26. März 1954 das Grundgesetz zugelassen hat, Verteidigungsgesetze zu erlassen — eine Beschränkung der Verteidigungsgesetze ist nicht erwähnt — und sogar — das ist seit zwei Jahren Verfassungsrecht, gegen die Stimmen der Sozialdemokratie — eine allgemeine Wehrpflicht durch einfaches Gesetz einzuführen. In dieser Lage steht vor uns die Frage, die wir vor der Geschichte allesamt zu verantwortren haben — ob wir Mehrheit oder Minderheit, Regierung oder Opposition sind, ist dabei ganz gleich —: Wie führen wir Demokratie und die von Ihnen beschlossene Bundeswehr zusammen? Uns beseelt dabei nicht etwa eine Gegnerschaft oder gar Feindschaft gegen die Menschen, die in der Bundeswehr sind; denn wenn sie nun einmal eine Einrichtung ist — von Ihnen geschaffen —, so haben auch wir die Verantwortung dafür, daß es ein gesundes Verhältnis der Demokratie zu ihrer Bundeswehr gibt, also, daß es eine Eingliederung der Bundeswehr in die Demokratie gibt. Denn wir alle haben schon einmal erlebt, was es heißt, wenn die Demokratie zugrunde geht; in allen Fraktionen dieses Hauses sitzen doch Menschen, die unter dem leiden mußten, was geschieht, wenn eine rechtsstaatliche Grundordnung eines Tages gesprengt wird und untergeht. Darum muß es unsere gemeinsame Sorge sein, nachdem die Bundeswehr, von Ihnen beschlossen, da ist, zu sichern, daß es nicht wieder dazu kommt, wie es in der Weimarer Zeit war: daß die damalige Reichswehr ein Staat im Staate wurde.
Ich werde mich noch mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Jaeger auseinandersetzen müssen, ob es wirklich das Parlament war oder ob es nicht ganz andere Kräfte waren, an denen die Weimarer Verfassung zugrunde gegangen ist.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Jedenfalls kann man, ohne irgendeine Schuldfrage zu untersuchen, objektiv sagen: Das Verhältnis zwischen der Weimarer Reichswehr und der demokratischen Ordnung war nicht gut, und die Stellung auch gerade des damaligen Reichswehrministers war nicht gut. Wenn nun schon eine Bundeswehr da ist, so haben wir ein Anliegen — und ich will es mit aller Kraßheit aussprechen —: daß diese Bundeswehr nicht, wie seinerzeit die Weimarer Reichswehr ein Staat im Staate, so heute eine Kanzlerarmee wird.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Dazu kommt ein weiteres, meine Damen und Herren, wovor wir nicht die Augen verschließen sollten. Die Demokratie in Deutschland ist alles andere als gefestigt und alles andere als im Bewußtsein der Bevölkerung verwurzelt. Sie lieben es zwar, die Mängel und Schwächen, die heute da sind, mit dem Nimbus der Kanzlerlegende zuzudecken. Aber ich glaube, das ist eine sehr dünne Glanzschicht, unter der sehr bald manches zum Vorschein kommen wird, was Ihnen, die Sie Demokraten sind, genau so wenig gefallen wird und gefallen kann wie uns. Ein sehr bekanntes Mitglied dieses Hauses, ein Kollege, der noch vor einiger


(Dr. Arndt)

Zeit selber der Bundesregierung angehörte und der immerhin der Vorsitzende einer großen Fraktion und Partei ist, hat in den letzten Tagen eine sehr harte Kritik an dem Zustand in Bonn und der Demokratie in Deutschland geübt.

(Unruhe und Heiterkeit in der Mitte.)

— Ja, meine Damen und Herren, das mag Ihnen nicht passen. Die einzelnen Ausdrücke mögen auch übertrieben sein. Aber sehen Sie doch darin ein Zeichen, daß es keineswegs zum besten bestellt ist!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim GB/BHE. — Anhaltende Zurufe von den Regierungparteien. — Unruhe.)

— Aber wenn Sie hier Unruhe machen — ich bin auch bereit, Ihnen alle jene Worte zu berichten, die Herr D r. Dehler in Stuttgart und in Hamburg gesagt hat —, dann können wir uns darüber auseinandersetzen.

(Erneute Zurufe von der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Krone: Das ist doch ein anderes Thema!)

— Denn das, worum es geht, ist doch, Herr Kollege Krone, die Erkenntnis: Wir sind nicht so stark, wie Sie es nach draußen hin glauben darstellen zu können. Hier findet eine Bewaffnung in einem gespaltenen Deutschland statt, die auf im Grunde sehr wenig gefestigten inneren Verhältnissen in Westdeutschland steht.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Und nun kommt ein Gegensatz des Denkens zwischen uns. Sie — jedenfalls viele unter Ihnen — neigen dazu, dabei taktisch zu denken, organisatorisch zu denken und zu glauben, man könne das eine oder andere an Schwächen wegorganisieren. Man kann es vielleicht eine Zeitlang überdecken, aber mehr nicht. Das, wessen es bedarf, ist das institutionale Denken, ist das Schaffen von Einrichtungen, die sich ihrem Wesen nach so auswirken, daß hier etwas erreicht wird, was unser gemeinsames Anliegen sein sollte, nämlich keine Kanzlerarmee oder keine Armee, die hier Gefahren heraufbeschwört, sondern eine Armee, die wirklich eingebettet ist in das Staatsganze und in die demokratische freiheitliche Ordnung. Das kann man mit organisatorischem und taktischem Denken, wie es auch in den Ausführungen des Herrn Kollegen Jaeger zutage trat, nicht erreichen. Deshalb ist auch dieses — entschuldigen Sie, Herr Jaeger — so undemokratisch gedachte Argument, man schwäche den Verteidigungsminister damit, daß man seine verfassungsrechtliche Stellung besonders regle, so abwegig.
Sie haben dazu dann angespielt — und ich finde das gar nicht sehr höflich — auf das uns immer wieder an die Wand gemalte Gespenst der sogenannten französischen Zustände. Meine Damen und Herren, wenn unser Nachbarvolk Frankreich leidet und noch nicht zu einer Ruhe gekommen sein mag, so sollte man nicht vergessen, daß das noch wesentlich mehr als etwa vermeintliche organisatorische Schwächen der französischen Verfassung materielle Nachwirkungen des Überfalls Hitlers auf Frankreich sind.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

— Jawohl, weil seit jener Zeit die Substanz, die eine Demokratie braucht, gestört ist!

(Zurufe von der Mitte.)

Sie können die Demokratie nicht mit bloßen organisatorischen Maßnahmen festigen und sozusagen unter eine Käseglocke stellen, sondern Sie müssen das Ganze ordnen, sozial, ökonomisch, politisch und geistig. Dann allein kann es lebendig sein, nicht durch organisatorische Maßnahmen. Also ich halte diesen Hinweis für sehr verfehlt, für sehr unangebracht und für international sehr unhöflich. Im übrigen ist er falsch auch in organisatorischer Hinsicht, weil ja kein Mensch bei uns daran denkt, das konstruktive Mißtrauensvotum gegenüber dem jeweiligen Bundeskanzler zu beseitigen, und wir uns allein schon dadurch auch in der formalen verfassungsrechtlichen Ordnung von den Franzosen und der französischen Situation ganz erheblich unterscheiden.
Genau so verfehlt — und damit komme ich darauf zurück — ist der Hinweis auf die angeblichen Weimarer Zustände. Die Weimarer Verfassung ist bestimmt aus manchen Gründen nicht die beste der Welt gewesen. Aber die entscheidenden Gründe dafür, warum die Weimarer Republik zugrunde ging, lagen nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung, sondern darin, daß die herrschenden gesellschaftlichen Kräfte auf der rechten Seite und auf der kommunistischen Seite in einer radikalen Feindschaft zu jenem Staat überhaupt standen. Manche von jenen Kräften, die damals zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen haben, weil sie überhaupt die erbitterten Feinde demokratischer und republikanischer Ordnung waren, haben in Deutschland auch heute noch nicht umgelernt.

(Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE.)

Man soll das also nicht auf die sogenannte Unfähigkeit des Parlaments zurückführen, zumal das Parlament sich nicht selber wählt. Das Parlament ist ein Ausdruck vorhandener Kräfte im Volk, und da war es schlecht bestellt. Also mit solchen Argumenten kann man nicht beweisen, daß die Stellung des Verteidigungsministers dann geschwächt würde, wenn er des besonderen Vertrauens des Bundestages bedürfte, eines besonderen Vertrauens, das eben darin seinen Ausdruck findet, daß in einem Grenzfall ein Mißtrauensvotum gegen ihn ausgesprochen werden kann.
Ich muß dazu noch eine weitere Bemerkung machen. Es gibt Verteidigungsminister — denn es ist auch eine Frage der Person —, die auch ohne Mißtrauensvotum schwach sind. Ich will kein Beispiel dafür nennen, wie schwach ein Verteidigungsminister sein kann, auch wenn er nicht von einem Mißtrauensvotum bedroht ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Man wird den Bedenken des Herrn Kollegen Gille auch nicht dadurch gerecht, daß man, wie es Herr Jaeger getan hat, es nun so hinstellt, als sei das eine persönliche oder gar private Verärgerung wegen der Fälle Kraft und Oberländer. Es ist doch eine symptomatische Erscheinung, die uns alle beunruhigen muß, daß wir sechs Bundesminister haben, die ihren politischen Nährboden im Parlament verloren haben. Es muß uns allen noch in den Ohren sein, was wir zu dieser Frage jüngst in einer Debatte hier von dem Herrn Bundeskanzler gehört haben. Das steht mit den vorliegenden Fragen in einem sehr sachlichen Zusammenhang, weil es uns für die Zukunft das Verhältnis zwischen dem Kanzler und dem Verteidigungsminister vor Augen führt. Ich will einmal mit etwas anderen Worten wiederholen, was der Herr Bundes-


(Dr. Arndt)

kanzler damals von diesem Pult aus gesagt hat. Er hat gesagt: Ja, vor der Wahl müssen selbstverständlich politische Besprechungen mit den politischen Parteien stattfinden. Aber unter Berufung darauf, daß dann die Wahl den Gewählten zum Kanzler nach dem Grundgesetz legitimiert, hat er
— zwar nicht mit den gleichen Worten, aber der Sache nach - sich zu dem Spruch bekannt, daß, wenn die Wahl einmal erfolgt ist, der Satz gilt: Ich kenne keine Fraktionen mehr, ich kenne nur noch Adenauer.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Krone: Herr Arndt, wollen Sie eine Generaldebatte führen?)

— Herr Kollege Krone, es handelt sich hier um einen Punkt von solcher Bedeutung, daß das gesagt werden muß. — Damit Ist in etwas scherzhafter und leichter Form ausgedrückt, wie stark hierbei noch ein wilhelminisches Denken nachklingt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Die Sache ist aber die, daß, wenn es bei einem so schlechten politischen Stil bleibt, der von uns gemeinsam erarbeitete Grundsatz, daß der Verteidigungsminister den Oberbefehl haben soll, durch eine falsche Handhabung ausgehöhlt wird, indem man auch den Verteidigungsminister zum Kanzlergehilfen hinabstuft.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist die Gefahr, die wir nach diesen Vorgängen sehen müssen.
Worauf es ankommt, ist doch, eine Einrichtung zu schaffen, die nach dem Gewicht und nach ihrer inneren Zielrichtung dahin führt, daß sich der jeweilige Verteidigungsminister auch um das Vertrauen der jeweiligen Minderheit bemühen und bewerben muß; denn nur auf diese Weise wird der Minister Oberbefehlshaber einer Bundeswehr sein, die eben nicht die Bundeswehr der jeweils herrschenden Koalition ist. Bedenken Sie doch das Anliegen, um das es hier geht: die Beziehung des Bundesverteidigungsministers zum Parlament so weit wie möglich aus dem übrigen Streit herauszunehmen, der notwendig ist, manchmal aber auch übertrieben wird, zwischen Regierungskoalition und Opposition, zwischen Mehrheit und Minderheit. Wenn Ihnen daran liegen würde — und ich hoffe doch, daß es bei Ihnen auch so ist —, die Bundeswehr nicht zu einem Parteiinstrument werden zu lassen, dann sollten Sie sich, bitte, auch wenn Sie noch so entschlossen sind, diese Fragen auf das ernsteste überlegen.
Und nun zum Schluß. Der Herr Kollege Jaeger hat gesagt, man würde gegen das System verstoßen — als ob es überhaupt zum System des Grundgesetzes gehörte, daß es eine Bundeswehr hat! —; denn es sei ja der Bundeskanzler, der den Verteidigungsminister ernenne und entlasse. Meine Damen und Herren, an dem Ernennungs- und Entlassungsrecht auch seitens des Bundeskanzlers soll insoweit nicht gerührt werden; das will keiner. Aber wenn man es in dieser Weise ausdehnt wie Sie, Herr Kollege Jaeger, dann würde das in sehr fragwürdiger Weise bedeuten, daß man jeden Vorgang in der Bundeswehr zu einer Regierungskrise oder letzten Endes sogar zu einer Staatskrise machen sollte. Was Sie gesagt haben, führt dazu, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers geradezu total auszulegen, als ob er damit alles decken müßte, was überhaupt innerhalb der Regierung geschieht, während ja im Grundgesetz steht, daß jeder Minister in eigener Verantwortung — und das heißt auch in politischer eigener Verantwortung dem Parlament gegenüber — sein Amt zu führen hat. Wir haben Beispiele aus der Vergangenheit. Wenn es nach dem eigenen Willen des Bundesverteidigungsministers gegangen wäre, dann hätten wir manches mit dem Freiwilligengesetz und der Frage des Eides gar nicht oder mindestens nicht so erlebt, wie es uns hier vorgesetzt worden ist.
Glauben Sie denn, daß ein in der Demokratie so erfahrenes Volk wie die Engländer das parlamentarische Mißtrauensvotum seit Jahrhunderten als eine Verfassungseinrichtung üben würden, wenn die Briten der Meinung wären, daß dadurch der Premierminister und die Minister geschwächt würden? Das ist doch ein Mißverstehen der Demokratie!
Woran uns allen liegen muß, ist das Zusammenführen des Verteidigungsministers mit dem Bundestag. Das kann institutionell auf keine Weise richtiger und besser geschehen als durch die verfassungsrechtliche Stellung, wie sie von den Kollegen des BHE beantragt ist.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213200900
Weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 525 liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 525*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer der Ziffer 9 der Vorlage nach dem Ausschußbeschluß zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ziffer 9 ist angenommen.
Ich komme zu Ziffer 10. Hier liegt ein Änderungsantrag vor, der inzwischen auch dem Hause vorgelegt worden ist, Umdruck 529**). Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird sonst dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 529 zu Ziffer 10 der Vorlage. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 529 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist der Änderungsantrag auf Umdruck 529 angenommen. In Ziffer 10 wird Art. 87 a entsprechend geändert.
Ich rufe auf Ziffer 10, Art. 87 b, — Ziffer 11, — Ziffer 12, — Ziffer 13, — Ziffer 14. — Wer den aufgerufenen Ziffern der Vorlage zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. II, — Einleitung und Überschrift nach der Ausschußvorlage. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.

(Zuruf.)

- Bei einer Enthaltung? — Verzeihen Sie, offenbar bei einer Enthaltung angenommen.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Meine Damen und Herren, wir haben im Ältestenrat vereinbart, daß wir nun zunächst die zweite Beratung des Soldatengesetzes vornehmen. Die dritte Lesung des Entwurfs zur Ergänzung des Grundgesetzes, Drucksache 2150, erfolgt nach der zweiten Lesung des Soldatengesetzes. Beabsichtigt ist, wenn möglich, eine Pause einzulegen. Ob wir die Pause einlegen können, hängt davon ab, wieviel Zeit wir für die zweite Lesung des Soldatengesetzes brauchen.
Ich rufe also auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksache 1700);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (6. Ausschuß) (Drucksache 2140, Umdrucke 524, 526, 527, 528, 530, 531, 532).

(Erste Beratung: 105. Sitzung.)

Ich frage, ob das Wort zur Berichterstattung gewünscht wird. — Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Merten.

Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0213201000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht*) Drucksache 2140 hier weiter keine Ausführungen machen. Ich möchte Sie nur bitten, zwei Berichtigungen im Text der Drucksache vorzunehmen.
Die erste Berichtigung betrifft den allgemeinen Bericht auf Seite 12 zu § 40, vierte Zeile von unten. Es ist da von der Altersgrenze der Soldaten die ) Rede. Durch einen Druckfehler ist aus der Altersgrenze eine Altersrente geworden. Ich bitte Sie, das zu berichtigen. Es muß natürlich Altersgrenze und nicht Altersrente heißen.
Die zweite Berichtigung betrifft den § 5 im Text des Gesetzes selber. Hier ist ein beamtenrechtlicher Lapsus insoweit passiert, als man die Rechtsfolge einer Begnadigung durch den Bundespräsidenten nicht in das Gesetz aufgenommen hat. § 5 in der vorliegenden Form muß also zum Abs. 1 werden, und es muß ein Abs. 2 folgenden Wortlauts hinzugefügt werden:
Wird im Gnadenwege der Verlust der Soldatenrechte in vollem Umfange beseitigt, so gilt von diesem Zeitpunkt ab § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.
Das ist im Beamtenrecht bereits so geregelt, und es ist durch ein bedauerliches Versehen nicht in das Gesetz hier hineingekommen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, bei der Abstimmung über den § 5 auch diesen Änderungsantrag zur Abstimmung zu stellen. Im übrigen möchte ich zu dem Gesetzentwurf und dem Bericht keine weiteren Ausführungen machen.
Ich möchte Sie im Namen des Verteidigungsausschusses bitten, dem Entwurf des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten in der Ausschußfassung Ihre Zustimmung zu erteilen, und ich habe Sie zweitens als Berichterstatter namens des Ausschusses zu bitten, die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

(Beifall.)

*) Siehe Anlage 5.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213201100
Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung in zweiter Lesung ein. Ich rufe zunächst, entgegen der Übung, die Überschrift und die Einleitung auf, und zwar deshalb, weil dazu ein Änderungsantrag der Fraktion der DP — Umdruck 526*) — vorliegt. Darin ist vorgeschlagen, eine Präambel aufzunehmen, die der Ausschuß nicht aufgenommen hat. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages auf Umdruck 526 Ziffer 1 das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213201200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Herrn Kollegen Arndt hier sagen: Ich bin mir fast im klaren darüber, daß Sie unseren Antrag ablehnen werden. Ich halte es aber trotzdem für notwendig, über die Dinge zu sprechen.
Mit der Präambel wird im Grundsatz das festgelegt, was das hier zu beratende Gesetz sowieso beinhaltet. Wir haben auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland damals eine Präambel vorangestellt. Da es sich hier um das Grundgesetz des Soldaten handelt, sind meine Freunde der Meinung, daß wir in einem solchen Augenblick, da wir uns anschicken, eine neue Wehrmacht aufzustellen — vielfach auch nach alten Traditionen —, diesem Gesetz, das die Beziehungen der Soldaten untereinander und insbesondere die Beziehungen der Soldaten zum Staat regelt, etwas Grundsätzliches voranstellen sollten. Denn Leistung und Achtung, Vertrauen und Gehorsam sind nun einmal Dinge, die bei den Soldaten untereinander und in den Beziehungen zwischen Soldat und Staat nicht aus der Welt geschafft werden können. Sie sind so lebenswichtig für das Funktionieren einer Wehrmacht, daß wir es für richtig halten, auf diese Dinge eingangs des Gesetzes ganz besonders und nachdrücklich hinzuweisen.
Und noch eines, meine Damen und Herren. Der erste Satz der Präambel lautet:
Die Wehrmacht ist zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland berufen.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß dies vielleicht sogar der wichtigste Satz aus dieser Präambel ist, weil wir mit ihm auch ganz besonders bekräftigen, daß die Aufstellung dieser Streitkräfte ausschließlich aus politischen Notwendigkeiten geschieht und daß insonderheit — —

(Glocke des Präsidenten)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213201300
Entschuldigen Sie! Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Ruhe.

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213201400
— — daß insonderheit die Vorwürfe, die meistens böswillig gemacht werden, daß nämlich diese kommende Wehrmacht zur Vorbereitung von Kriegen dienen solle, aus der Welt geschafft werden. Ich glaube, wenn Sie sich speziell diesen Satz ansehen, werden Sie vielleicht von der Notwendigkeit überzeugt sein, dem Gesetz eine solche Präambel voranzustellen.

(Beifall bei der DP.)

*) Siehe Anlage 6.


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213201500
Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0213201600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag aus einem sachlichen und aus einem rechtspolitischen Grunde abzulehnen. Der sachliche Grund gilt nicht nur für das Soldatengesetz, sondern gilt überhaupt für das Bestreben, Gesetzen Präambeln voranzustellen. Präambeln zu Gesetzen gab es in großer Zahl in der vorkonstitutionellen Zeit. Schon damals war man bestrebt, Gesetze durch Präambeln zu begründen und verständlich zu machen. Als dann die konstitutionelle Zeit und die parlamentarische Zeit begann, hat man auf derartige Präambeln verzichtet, weil die Begründungen in den Gesetzentwürfen und in den parlamentarischen Aussprachen gegeben wurden. Das war ein ganzes Jahrhundert hindurch der Fall. Erst als der Nationalsozialismus keine echte parlamentarische Vertretung mehr hatte, stellte er seinen Gesetzen Präambeln voran, und zwar Präambeln, die dem Inhalt der Gesetze — ich erinnere nur an die Deutsche Gemeindeordnung — geradezu ins Gesicht geschlagen haben. Das war eine Pathetik der Propaganda.

(Abg. Feller: Sehr richtig!)

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, warum man aus sachlichen Gründen unseren Gesetzen nicht Präambeln voranstellen, sondern sich schlicht an die Gesetzgebung halten soll.
Der zweite Gesichtspunkt ist rechtspolitischer Art; er ist noch wichtiger als der andere. Man hat begonnen, Gesetze in Zweifelsfällen auch nach den Präambeln auszulegen. Das ist auch in einigen Entscheidungen geschehen. Es ist aber sehr bedenklich, wenn Präambeln Grundsätze für die Auslegung der Gesetze enthalten sollen. Das ist bereits die Absicht in einer Fülle von Petitionen, die an uns gehen. Hier treten Schwierigkeiten für die Rechtsprechung ein, und das müssen wir vermeiden.
Aus diesen rein geschichtlichen, sachlichen und rechtspolitischen Gesichtspunkten bitte ich, den Antrag abzulehnen und überhaupt davon abzusehen, daß man den Gesetzen Präambeln voranstellt, ausgenommen etwa Verfassungen, auf die wir ja hoffen und die mit Recht eine Begründung haben sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213201700
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213201800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zwar immer noch nicht der Auffassung, daß wir für unsern Antrag die Mehrheit erlangen werden; aber ich kann die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst nicht ganz unwidersprochen lassen. Er zieht hier historische Begründungen heran und verweist insonderheit auf das, was der Nationalsozialismus in einer verflossenen Ära einmal mit Präambeln zu Gesetzen getan hat, und das bedauere ich außerordentlich. Wir sollten gerade in der Frage, die wir heute zu behandeln haben, diese überkommenen Ressentiments möglichst aus der Debatte herauslassen.

(Widerspruch in der Mitte und links.) — Es mag Ihnen nicht passen, daß ich das sage; aber ich nehme mir das Recht, es zu tun.


(Zurufe in der Mitte und links.)

Ich glaube nicht, daß, wenn der Deutsche Bundestag eine solche Präambel beschlösse, von irgendeiner Seite ein Vorwurf der Art, wie Herr Dr. Kleindinst ihn befürchtet, kommen könnte. Ich möchte noch einmal mit Nachdruck darauf aufmerksam machen: Die Feststellung, es handle sich bei der Wehrmacht um ein Verteidigungsinstrument der Bundesrepublik — wobei ich außerdem bemerken möchte, daß nach der Rechtsauffassung der DP-Fraktion und, ich glaube, auch nach fast allgemeiner Auffassung in diesem Hause die Bundesrepublik hier gleichzeitig für ganz Deutschland stellvertretend ist —, ist so gravierend, daß es allein schon aus diesem Grunde gerechtfertig erscheint, hier eine Präambel voranzusetzen. Das Soldatengesetz, das wir heute zu beraten haben und das wahrhaftig ohne Pathetik zustande gekommen ist und auch in seinen Formulierungen keine Pathetik zeigt, würde sicherlich durch eine Zusammenfassung, wie wir sie in unserem Antrag vorgelegt haben, gut unterstrichen werden, ohne daß allzu empfindliche Kritiker befürchten müssen, daß nach draußen hin durch eine solche Präambel etwa dem Soldaten eine Sonderstellung eingeräumt werden sollte.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213201900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213202000
Herr Präsident! Meine Damen lind Herren! Ich teile die Auffassung des Kollegen Kleindinst bezüglich der Geschichte und des Wertes oder Unwertes einer Präambel, zumindest ihrer Problematik. Trotzdem sollte man in diesem Fall Pine Ausnahme gelten lassen. Schließlich ist das Soldatengesetz die sogenannte Magna Charta militaris. Angesichts der Einstellung, die ein Teil des deutschen Volkes, insbesondere des politischen deutschen Volkes, nach 1945 gegenüber der früheren Wehrmacht und ihren Soldaten haben zu müssen glaubte. angesichts der Begriffsverwirrungen der ersten Nachkriegszeit, da man Soldatentum und Militarismus gleichsetzte, angesichts der Tribunale, vor denen sich seinerzeit Soldaten verantworten mußten, die keine kriminellen Delikte begangen hatten, sondern lediglich ihre Pflicht, ebenso unter dem Kaiser Wilhelm II. wie unter dem Reichspräsidenten Ebert und Reichswehrminister Noske, wie unter Hindenburg und wie leider auch später unter Hitler, getan hatten, angesichts dieser besonderen Sachlage unterstützen meine Freunde den Antrag der DP und des Kollegen Schneider, diesem Gesetz ausnahmsweise eine Präambel voranzustellen, um damit seitens des Deutschen Bundestages sichtbar zum Ausdruck zu bringen, wie das deutsche Volk zu seinen Soldaten zu stehen habe.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213202100
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 526 Ziffer 1.*) Wer diesem Änderungsantrag unter Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei 2 Enthaltungen im übrigen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zu dem Ersten Abschnitt, § 1. Ein Änderungsvorschlag dazu liegt nicht vor. Wer die-
*) Siehe Anlage 6.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

sem § 1 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der § 1 ist angenommen.
Ich komme zu § 2. Hier liegen Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 526*) ein Änderungsantrag der Fraktion der DP und gleichlautend ein Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Mende auf Umdruck 528**). Ich bin nicht sicher, ob der Änderungsantrag Umdruck 528 schon verteilt ist.

(Zurufe: Nein!)

— Er ist noch nicht verteilt. Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Mende ist gleichlautend mit dem Änderungsantrag der DP, d. h. das Wort „Bundeswehr" soll durch das Wort „Wehrmacht" ersetzt werden. Soll der Antrag begründet werden? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213202200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits beim Freiwilligengesetz hat Kollege Dr. Jaeger erklärt, daß er die Gattungsbezeichnung „Bundeswehr" an Stelle des damaligen Wortungeheuers „Gesamtstreitkräfte" einsetzen wolle. Ich habe seinerzeit die Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" mit den drei Unterbezeichnungen „Heer", „Marine" und „Luftwaffe" vorgeschlagen. Der Ausschuß für Verteidigung glaubte damals eine Entscheidung noch nicht fällen zu dürfen, sondern wollte erst eine Abklärung der öffentlichen Meinung abwarten. Obgleich die öffentliche Meinung, wie durch Befragungen verschiedener Institute festgestellt wurde, mit übergroßer Mehrheit die Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" für die beste hält, hat der Ausschuß für Verteidigung mit 18 zu 8 Stimmen sich für den Antrag des Kollegen Jaeger, „Bundeswehr" zu sagen, entschieden.
Ich erlaube mir daher, Ihnen hier im Plenum einige Argumente für die Bezeichnung „Wehrmacht" darzulegen. Die Bezeichnung „Wehrmacht" ist keine Erfindung der nationalsozialistischen Zeit. Sie ist erstmalig in der Paulskirchen-Verfassung von 1848 zu finden. Sie erscheint ferner im Art. 47 der Weimarer Reichsverfassung von 1919, in dem es heißt: „Der Reichspräsident hat den Oberbefehl über die Wehrmacht des Reichs." Natürlich ist in der Weimarer Zeit nur mit den Bezeichnungen „Reichswehr" oder „Reichsheer" und „Reichsmarine" operiert worden, weil ja „Wehrmacht" eine Gattenbezeichnung für alle drei Wehrmachtteile darstellt, aber eine Luftwaffe damals nach dem Versailler Vertrag verboten war. Erst als 1935 auch wieder eine Luftwaffe aufgestellt wurde, ist man zur Gattungsbezeichnung „Wehrmacht" im Sinne der Weimarer Reichsverfassung übergegangen. Der Herr Bundeskanzler selbst hat einmal bei einem Besuch in der Fraktion der Freien Demokraten auf meine Frage erklärt, daß er keine Bedenken aus außenpolitischen Gründen gegen die Bezeichnung „Wehrmacht" hege; er habe immer bei den außenpolitischen Konferenzen mit der Bezeichnung „Wehrmacht" gearbeitet, ohne daß Bedenken geltend gemacht worden seien. Ich glaube, daß die deutsche Bevölkerung, was immer wir hier beschließen mögen, ebenso die Bezeichnung „Wehrmacht" wählen wird, wie sie auch trotz des Versuchs, eine Schroedersche Nationalhymne einzuführen, am Ende doch das Deutschlandlied durchgesetzt hat. Wir glauben daher im Sinne der öffentlichen Meinung, aber auch im Sinne unserer Ver*) Stehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 9.
fassungsgeschichte zu handeln, wenn wir Ihnen empfehlen, statt „Bundeswehr" die Gattenbezeichnung „Wehrmacht" zu wählen.

(Beifall bei der FDP und rechts. — Abg. Wehner: Nein!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213202300
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213202400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen des Kollegen Mende nachdrücklich unterstützen und noch hinzufügen, daß wir uns des Ausdrucks „Wehrmacht" auch gar nicht zu schämen und ihn gar nicht zu scheuen brauchen, weder im Inland noch — ich behaupte es — im Ausland, zumal der Ausdruck „Wehrmacht" eine republikanische Angelegenheit der Weimarer Zeit ist. Als konservative Republikaner vertreten wir gern diese Auffassung.
Hinzu kommt, daß man durch diese Änderung im Formalen in der Sache ja keine Änderung erreicht, daß man aber — ich werde das nachher in meiner Ansprache zum Soldatengesetz hier auch noch näher ausführen —(Lachen in der Mitte und bei der SPD)

sehr wohl durch falsche psychologische Maßnahmen — — Was gibt es zu lachen, Herr Dr. Jaeger?

(Abg. Dr. Jaeger: Das Wort „Ansprache"!) — Verzeihung: Rede!


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213202500
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Es ist ein Mißverständnis! Hier werden ja keine Ansprachen gehalten, sondern Diskussionsreden. Ein Lapsus linguae!

(Zurufe von der SPD.)


Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213202600
Herr Präsident! das Wort entfleuchte dem Gehege meiner Zähne unkontrolliert.

(Heiterkeit. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Kasinohohn!)

— Vielleicht kommen Sie auch einmal herauf und halten eine zusammenhängende Rede, Herr Kollege!

(Erneute Heiterkeit.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213202700
Meine Damen und Herren, wir wollen jetzt keine Diskussion über die spezielle Terminologie dieses Zweiges unseres Staates führen. Ich bitte deshalb, daß der Herr Abgeordnete fortfährt.

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213202800
Ich habe selbstverständlich eine Rede gemeint, wenn ich das noch feststellen darf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wollte zum Schluß noch sagen, daß wir im psychologischen Vorgehen in all diesen Fragen in der Vergangenheit schon manchen Fehler begangen haben. Meine Freunde und ich glauben, daß wir auch hier im Begriffe sind, psychologisch einen Fehler zu begehen. Korrigieren wir das also, ehe wir ihn begehen!

(Beifall rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213202900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0213203000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage eines Namens ist im allgemeinen keine Frage von allzu weittragender Bedeutung. Aber ich glaube doch, daß der Name in diesem Fall wie in vielen anderen Fällen mehr ist als nur Schall und Rauch.
Bestimmt hat der Verteidigungsausschuß, als er mit 18 gegen 8 Stimmen sich für das Wort „Bundeswehr" entschieden hat, nicht daran gedacht, daß wir Deutsche uns des Namens „Wehrmacht" zu schämen hätten. Daran denken wir auch heute nicht. Wenn wir uns aber entschieden haben, einen anderen Namen zu wählen, so lag es nicht nur daran, daß das Wort „Streitkräfte" nur eine Behelfsbezeichnung war; es lag auch daran, daß wir glauben, daß das alte, zehn Jahre gültige Wort „Wehrmacht" heute nicht zweckmäßig und sachdienlich ist. Wir stehen vor einem Neubeginn und sollten das auch klar zum Ausdruck bringen. Wir sollten hier wie in verschiedenen anderen Fragen der Verteidigung keine Fassade aufstellen, sondern uns zu diesem bescheidenen neuen Anfang bekennen und keinen Mythos erwecken, der hier nicht mehr sachgerecht wäre, schon deshalb nicht, weil die neue deutsche Armee etwas wesentlich Kleineres und durch ihre Integration in die NATO auch anderes sein wird, als es die alte Armee gewesen ist. Wir glauben zudem, daß in dem Wort „Bundeswehr" der defensive Charakter unserer Streitkräfte noch klarer zum Ausdruck kommt als in irgendeinem anderen Wort.
Sicherlich hat der Verteidigungsausschuß sich bei seiner Entscheidung auch von dem Gedanken leiten lassen, daß es außenpolitische Überlegungen gibt, die dafür sprechen, das alte Wort „Wehrmacht" nicht mehr zu verwenden. Zwar mag im Gespräch mit hochgestellten Ministern anderer Staaten der Name — so oder so — keine Rolle spielen; aber für den Mann auf der Straße in den einstmals von der Wehrmacht besetzten Ländern liegen nun einmal Schatten auf diesem Namen, für die die Soldaten der alten Wehrmacht nichts können, die aber nun einmal dadurch gegeben sind, daß es eine Armee unter dem Namen „Wehrmacht" war, die auf einen Befehl dort eingerückt ist. Im Hinblick auf diese Schatten erscheint es uns auch zweckmäßig, Ressentiments in verbündeten Staaten zu vermeiden.
Der Einwand des Herrn Kollegen Dr. Mende, der Begriff „Wehrmacht" sei schon lange vor der nationalsozialistischen Zeit dagewesen, ist zwar im Verfassungsrecht belegt; aber damals handelte es sich doch wohl nur um eine Sachbezeichnung wie jetzt bei dem Wort „Streitkräfte", nicht hingegen um einen Namen. Denn man hat weder nach 1848 noch nach 1919 von einer „Wehrmacht" gesprochen, sondern zuerst von einer „Armee" und „Marine" und später von einer „Reichswehr".
Wir glauben also, daß tatsächlich eine Tradition für das Wort „Wehrmacht" nur in den zehn Jahren von 1935 bis 1945 begründet ist, und das ist eine recht kurze Zeit für ein Volk wie das deutsche,

(Abg. Erler: Auch keine gute Zeit!)

das eine mehr als tausendjährige Geschichte hat.
Die Erinnerung, die das Wort „Bundeswehr" auch dadurch bringt, daß es an das Wort .,Reichswehr" anklingt, ist zweifellos keine schlechte. Wir glauben außerdem, daß es durch die enge Verbindung, die damit zu anderen Worten wie „Bundeskanzler", „Bundesregierung" usw. hergestellt ist, einer späteren deutschen Nationalversammlung ermöglicht wird, hier wie in anderen Punkten eine endgültige Bezeichnung zu wählen.
Es hat sich bei einer demoskopischen Umfrage, wie die neuen Streitkräfte heißen sollen, gezeigt, daß für das Wort „Streitkräfte" praktisch überhaupt keine Resonanz vorhanden war. Das Wort „Wehrmacht" fand allerdings 35 % Anhänger; es ist ja auch das Wort, das bisher fast allein im Sprachgebrauch war. Aber das neue Wort „Bundeswehr", für das praktisch noch von keiner Stelle Propaganda gemacht worden war, hat immerhin 20 %, also mehr als die Hälfte dessen erhalten, was das Wort „Wehrmacht" an Zustimmung gefunden hat. Dies wird mit Recht als ein Zeichen dafür ausgelegt, daß dann, wenn das Hohe Haus sich dem Antrag des Verteidigungsausschusses anschließt, dieses Wort auch sehr rasch in den Sprachgebrauch der Presse und des Volkes eingehen wird.
Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, den gemeinsamen Antrag der Herren Dr. Mende und Schneider abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213203100
Weitere Wortmeldungen zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 526*) Ziffer 2 und auf Umdruck 528**) liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsanträgen, die also in der Sache und im Wortlaut gleichlautend sind, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; die beiden Anträge sind abgelehnt.
Ich rufe auf die
§§ 3 und 4, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Ich komme zur Abstimmung. Wer den beiden Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die beiden Paragraphen sind angenommen.
Ich komme zu dem § 5. Hier liegt der Änderungsantrag auf Umdruck 532***) vor, den der Herr Berichterstatter vorgelegt und begründet hat. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann wird also der § 5 nach dem Ihnen vorliegenden Umdruck 532 ergänzt. Der Umdruck ist inzwischen in Ihrer Hand?

(Zurufe: Nein!)

— Muß der Text noch einmal vorgelesen werden?

(Zurufe: Ja!)

— Also nach dem Änderungsantrag soll der bisherige Wortlaut des § 5 der Absatz 1 werden, und dann soll ein Abs. 2 angefügt werden, der lautet:
Wird im Gnadenwege der Verlust der Soldatenrechte in vollem Umfange beseitigt, so gilt von diesem Zeitpunkt ab § 51 Abs. 1, 2 und 4 des Bundesbeamtengesetzes entsprechend.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Paragraphen in der Fassung der Vorlage des Ausschusses mit dieser vom Ausschuß beantragten Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um ein
*) Siehe Anlage 6.
**) Siehe Anlage 9.
***) Siehe Anlage 12.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Handzeichen. — Gegenprobe! — Der § 5 ist mit dieser vom Ausschuß vorgeschlagenen Ergänzung angenommen.
Ich komme zu den §§ 5 a, 6 und 7. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird das Wort zu diesen Paragraphen gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung zu diesen Paragraphen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Die §§ 5 a, 6 und 7 sind angenommen.
Ich komme zu dem § 7 a. Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst einmal den Antrag auf Umdruck 524 Ziffer 1*) vornehmen. Zu diesem Antrag schlage ich Ihnen vor, daß wir die Frage teilen. Ich würde empfehlen, daß wir unter den Abs. 1 Unterabschnitt 1 des § 7 a in der Fassung des Änderungsantrages auf Umdruck 524 Ziffer 1, d. h. unter der Eidesformel, einen Strich ziehen und über den übrigen Inhalt des Abs. 1 — „Der Eid kann auch ohne die Worte ,so wahr mir Gott helfe' . . ." — nachher abstimmen, weil von da ab dieser Antrag eigentlich wörtlich identisch ist mit dem Antrag auf Umdruck 527**). Ich nehme an, daß der Umdruck 527 inzwischen in Ihrer Hand ist.

(Zustimmung.)

Ich schlage also vor, daß wir so verfahren, weil, was das übrige anlangt, über beide Anträge zusammen abgestimmt werden kann.
Zunächst also zu diesen Änderungsanträgen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? —Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0213203200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat bereits darauf hingewiesen, daß ein ähnlicher Antrag seitens der FDP vorliegt, der sich nur in der Formulierung des Eidestextes unterscheidet. Ich möchte dazu sagen, daß meine Freunde und ich den Text, den wir Ihnen vorschlagen, vorziehen, weil er in seiner Formulierung das Ergebnis der Ausschußberatungen wiedergibt.
Die Problematik des Eides im allgemeinen und die des Fahneneides insbesondere ist in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit eingehend diskutiert worden und hat, wie der vorliegende Bericht des Kollegen Merten zeigt, auch in den Beratungen des Verteidigungsausschusses eine ihrer Bedeutung entsprechende eingehende Würdigung erfahren. Die Argumente für und wider den Fahneneid sind hinreichend bekanntgeworden. Ich kann mich trotz des Antrages des Kollegen Schneider in dieser Frage deshalb darauf beschränken, festzustellen, daß sich im Ausschuß eine sehr klare Mehrheit entschloß, auf den Fahneneid für alle Soldaten zu verzichten. Der Hauptbeweggrund war für uns die berechtigte Sorge um die Gewissensnot vieler, die künftig ihrer Wehrpflicht nur wegen des damit verbundenen gesetzlichen Zwanges nachkommen würden. Menschen aber durch einen erzwungenen Eid in Gewissensnot zu bringen, steht unseres Erachtens dem Gesetzgeber im demokratischen Staate nicht an. Insbesondere auch nach den noch nachwirkenden Erfahrungen unserer jüngsten Geschichte sollte der Staat jeden Gewissenszwang vermeiden.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8.
Wesentlich anders ist jedoch die Situation, in der diejenigen stehen, die sich für den Beruf des Soldaten entscheiden, sei es nun, daß sie darin den Inhalt ihrer Lebensarbeit sehen, oder sei es, daß sie sich nur für einen längeren Abschnitt ihres Lebens dazu verpflichten. Von einer Gewissensnot oder einem Gewissenszwang kann hier nicht die Rede sein; denn wer den Soldatenberuf erwählt, tut das freiwillig ebenso wie der Beamte, der ja nach dem Willen des Gesetzgebers in unserem Staate auch vereidigt wird. Der Bewerber für den Soldatenberuf weiß, welche Pflichten ihn erwarten, und er entschließt sich aus freiem Willen zu ihrer Übernahme. Eine eidliche Bekräftigung dieser Pflichten kann ihn also nicht in jenen Gewissenskonflikt hineintreiben, der unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen dem Wehrpflichtigen durch einen erzwungenen Eid auferlegt würde. Würde der freiwillig dienende Berufssoldat durch einen Treueid auf den demokratischen Staat und dessen Forderungen an ihn entgegen seiner Überzeugung handeln und damit sein Gewissen in Not bringen, so wäre wohl zu folgern, daß auch bereits sein Gelöbnis ohne Eideskraft innerlich unwahrhaftig wäre.
Der Eid wird daher in seinem Ernst und in seiner Würde eine Schranke bedeuten, vor der der Anwärter auf den Soldatenberuf seine innere Überzeugung und ihre Vereinbarkeit mit dem von ihm zu erfüllenden Pflichtenkreis zu überprüfen hat. Zwar wird es auch gewissenlose Menschen geben, die — wenn man sie nicht rechtzeitig als solche erkennt — auch durch einen Eid nicht gebunden werden können; aber man sollte gerade diesen Menschen die Betätigung ihres Zynismus nicht erleichtern, sondern dafür Sorge tragen, daß sie, falls sie als das entlarvt werden, was sie tatsächlich sind, auch die ganze Schmach ihres Verhaltens zu tragen haben.
Es bleibt überdies zu überlegen, ob der Staat, der von jedem seiner Beamten den Diensteid verlangt, gegenüber den Berufssoldaten darauf verzichten sollte; denn schließlich sind diese Berufssoldaten doch die Träger der stärksten äußeren Machtmittel des Staates, und sie entscheiden im Ernstfall über Leben und Tod vieler Menschen. Es dürfte meiner Meinung nach gerade nach den Erfahrungen unserer Geschichte im Interesse unseres demokratischen Staates liegen, den Berufssoldaten an sich zu binden.
Es gibt natürlich auch Gegenargumente. Es ist von dem Dualismus gesprochen worden, der entstehen würde, wenn man vereidigte und nicht vereidigte Soldaten nebeneinander hätte. Wir haben diese Bedenken sehr gründlich geprüft, und ich habe im Ausschuß wiederholt die Forderung erhoben, man solle mir doch die konkreten bedenklichen Folgen eines solchen Zustandes aufweisen. Es sind allerdings von der andern Seite keinerlei entscheidende Argumente vorgebracht worden.
Schließlich hängt die Frage der Vereidigung der Berufssoldaten auch mit dem Problem des Beamteneides zusammen. Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, in die Problematik des Beamteneides einzusteigen. Ich gehe von der Tatsache aus, daß diesem Hohen Hause bisher keine Anträge vorliegen, die darauf hinweisen, daß man gewillt ist, die Frage des Beamteneides erneut aufzurollen. Wenn nun also unser Änderungsantrag abgelehnt würde, so würde nach Lage der Dinge eine Situation entstehen, in der zwar der Beamte des einfachen Dien-


(Dr. Kliesing)

stes dem Staat nach wie vor den Treueid leisten muß, alle höheren und höchsten Offiziere aber unvereidigt bleiben. Man sollte nicht sagen, die Schuld an der Herbeiführung einer derartigen mißlichen Situation liege nicht darin, daß man auf den Eid der Berufssoldaten verzichte, sondern darin, daß man noch auf der Vereidigung der Beamten beharre. Wenn man schon diesen Standpunkt einnimmt, dann müßte man auch die entsprechenden Konsequenzen in der Frage des Beamteneides ziehen. Solange man aber nicht deutlich den Willen zu erkennen gibt, diese Konsequenzen zu ziehen, kann man sich auch nicht auf ein derartiges Argument berufen. Wer aus Gründen einer sittlichen Überzeugung grundsätzlich Bedenken gegen die Vereidigung der Berufssoldaten hat, muß meines Erachtens die gleichen Bedenken gegen die Vereidigung der Beamten haben, und er hätte dann meiner Meinung nach aus dieser sittlichen Überzeugung bereits längst die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen. Der vorliegende Antrag will unter anderem verhüten, daß nach der Verabschiedung dieses Soldatengesetzes beispielsweise im Verteidigungsministerium die groteske Situation entsteht, daß der Hausmeister als Beamter des einfachen Dienstes den Treueid leisten muß, während die gesamte Generalität unvereidigt bleibt.

(Abg. Dr. Jaeger: Sehr richtig!)

Ich glaube, ohne jede Übertreibung feststellen zu können, daß die Herbeiführung eines solchen Zustandes durch den Gesetzgeber in unserem Volke keinem großen Verständnis begegnen und daß sie auch nicht für den Mut des Gesetzgebers, konsequent zu sein, zeugen würde.
Um dies zu vermeiden, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 524*) zuzustimmen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213203300
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter gebe, lassen Sie mich folgendes sagen. Inzwischen ist hier ein Änderungsantrag von Frau Dr. Lüders zu dem eben begründeten Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger und Genossen eingegangen. Damit es keine Verwirrung gibt, mache ich Ihnen den Vorschlag, daß wir zunächst der Reihe nach die Begründungen zu diesen Änderungsanträgen hören, dann in die allgemeine Diskussion darüber eintreten und schließlich nach folgendem Verfahren abstimmen. Am weitestgehenden scheint mir der Antrag der Fraktion der DP auf Umdruck 526 Ziffer 3 zu sein. Dieser Antrag liegt Ihnen vor. Danach, würde ich meinen, wäre abzustimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Mende, Dr. Dehler und Fraktion auf Umdruck 527; und schließlich wäre abzustimmen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger, Berendsen und Genossen auf Umdruck 524 Ziffer 1, der soeben begründet worden ist. Aber bevor darüber abgestimmt wird, muß über den Änderungsantrag zu diesem Änderungsantrag Umdruck 524 abgestimmt werden. Wenn das Haus damit einverstanden ist, dann werden wir jetzt so verfahren.
Ich darf nun bitten, daß zunächst einmal die Änderungsanträge begründet werden. Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 527**) hat das Wort Herr Abeordneter Dr. Mende.
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 8.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213203400
Meine Damen und Herren, einige wenige Erläuterungen. Wir lehnen den Eid für a 11 e Soldaten, wie er von der DP auf Umdruck 526 gefordert wird, ab. Wir berufen uns hier auf die Mehrheitsentscheidung des Ausschusses für Verteidigung nach den Vorträgen der Vertreter der Religionsgemeinschaften, von denen alle Angehörigen des Ausschusses für Verteidigung sichtlich beeindruckt waren.
Wir wissen, wie häufig der Eid in der jüngsten Vergangenheit entwertet wurde, und können es daher nicht billigen, daß Wehrpflichtige g e g en ihren Willen zu einem Eid gewissermaßen gezwungen werden. Wir schlagen daher die Kompromißlösung vor — wie sie soeben auch vom Kollegen Kliesing begründet wurde —, alle Berufssoldaten zu vereidigen, um sie auf die gleiche Ebene zu stellen wie die Beamten. Es wäre allerdings — da hat Herr Kollege Kliesing völlig recht — eine Unterbewertung des Berufssoldaten gegenüber dem Beamten, wenn man von einer Vereidigung des Berufssoldaten absähe, dagegen jeden Beamten auch des einfachen Dienstes glaubte auf das Grundgesetz vereidigen zu müssen. Wir wollen die gleiche Ebene für die Staatsdiener in Zivil und für die Staatsdiener in Uniform. Wir schlagen Ihnen allerdings eine andere, eine weitergehende Formulierung vor als Herr Kollege Kliesing. Wir schlagen in unserem Antrag Umdruck 527*) die Fassung vor:
Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.
„Das Grundgesetz" ist die weiteste Fassung, denn es beinhaltet alle Grund- und Freiheitsrechte in Abschnitt I unseres Grundgesetzes, also nicht nur Recht und Freiheit.
Ferner glauben wir, daß von den Berufssoldaten, also von den Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren, ebenso wie von den Beamten verlangt werden kann, daß sie alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze wahren. Wir denken beispielsweise an die sehr weitgehende Beeinflussung unseres staatsrechtlichen Lebens durch eine Notstandsgesetzgebung. Wir sehen nicht ein, daß z. B. der Soldat nicht auch verpflichtet sein soll, gerade das Notstandsgesetz besonders zu wahren. Gerade aus der Notstandsgesetzgebung kann jene Konfliktsituation entstehen, bei der wir wissen möchten, daß der Berufsoffizier und -unteroffizier auch hier durch eine feierliche Eidesformel an diese Gesetzgebung gebunden ist.
Für die übrigen Soldaten schlagen wir das auch im Ausschuß für richtig erachtete feierliche Gelöbnis vor, dessen Text dann lauten würde:
Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland
treu zu dienen und das Recht und die Freiheit
des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Im Gegensatz zu der Formel, die Herr Kollege Kliesing vorschlug, bitten wir, das Wort „nur" in Abs. 4 nicht aufzunehmen. Es soll also nicht heißen: „Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten", sondern es muß heißen: „Soldaten, die auf Grund .der Wehrpflicht Wehrdienst leisten". Wir möchten hier keine Differenzierung, aus der man eine Abwertung derer herauslesen könnte, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten.
*) Siehe Anlage 8.


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213203500
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213203600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden es verständlich finden, wenn ich als Vertreter einer konservativen Partei mich hier absolut für den Eid ausspreche. Das vielfältige Hin und Her in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Monaten zu der Frage „Vereidigung der Soldaten oder nicht?" hat die Gemüter sehr erregt und hat meine Freunde angeregt, sich sehr eingehend mit dem Problem zu befassen. Ich denke heute gern noch an die Vorträge, die die Herren Vertreter der Evangelischen und Katholischen Kirche im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages gehalten haben. Nach diesen Vorträgen ist es sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen, wenn man — ich gestehe das offen — nicht aus politischen Gründen schon eine gewisse Voreingenommenheit hat. Ich vermag allerdings dem Herrn Landesbischof Dr. Lilje nicht beizupflichten, wenn er in seiner Begründung der Ablehnung des Eides unter anderem darauf verweist, es sei zu befürchten, daß ein solcher Eid einen neuen Nationalismus im deutschen Volk bzw. in der Wehrmacht erwecken könne.
Die Frage der Vereidigung oder Nichtvereidigung der Soldaten ist eine wirklich tiefgehende Gewissensfrage, die man auch nicht einfach damit abtun kann, daß man auf die vielfältige deutsche Vergangenheit hinweist, in der der Wert des Eides einmal höher und einmal tiefer gestanden hat. Aus unserer konservativen Anschauung stehen wir auf dem Standpunkt — ich darf es einmal so formulieren -: Regierungen kommen und gehen, aber die Heiligkeit des Eides bleibt bestehen. Dinge, die
B) in der Vergangenheit unter einer anderen politischen Ara geschehen sind, können nicht einfach dazu dienen, heute zu sagen, daß der Eid als solcher eine solche Entwertung erfahren habe, daß man es aus vielerlei Gründen, aus politischen, Gewissens- und anderen Gründen nicht verantworten könne, ihn dem deutschen Soldaten zuzumuten.

(Zurufe von der SPD.)

— Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich doch bitte aussprechen; ich unterbreche Ihre Redner ja auch nicht.
Meine Freunde sind der Auffassung, daß es notwendig ist, den Eid für a 11 e Soldaten einzuführen, weil durch den Eid eine ganz besondere Bekräftigung des Gehorsams und der Treue erfolgt und weil eine ganz besondere Bekräftigung dessen erfolgt, was der Soldat in letzter Konsequenz, die Gott verhüten möge, einmal für sein Volk und sein Vaterland zu tun hat, nämlich sein Leben hinzugeben. Gerade dieser letzte Punkt ist es, der es meinen Freunden nicht ausreichend erscheinen läßt, daß wir den Soldaten lediglich verpflichten. Hier spielt auch der Gesichtspunkt eine Rolle, daß beispielsweise die Minister der Regierung und überhaupt die Beamten vereidigt werden.
Eine Teilung des Eides, wie sie von der Bundestagsfraktion der CDU/CSU vorgeschlagen worden ist, können meine Freunde erst recht nicht billigen. Es muß hier gleiches Recht und eine gleiche Verpflichtung für alle vorliegen.
Der Eid ist darüber hinaus nach Ansicht der Fraktion der Deutschen Partei nach der ganzen geschichtlichen Entwicklung ein entscheidendes Wesensmerkmal deutschen Soldatentums. Wir sind
nicht bereit, ohne weiteres mit Traditionen zu brechen, die sich nicht als schlecht erwiesen haben.
Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213203700
Nun, meine Damen und Herren, sind die Änderungsanträge begründet mit Ausnahme des Änderungsantrages von Frau Dr. Lüders. Frau Dr. Lüders, möchten Sie das Wort nehmen? — Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0213203800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erlauben uns, Ihnen den Antrag Umdruck 531 *) vorzulegen, der sich auf den § 7 a Absätze 1 und 2 bezieht. Wir schlagen vor, im § 7 a Absätze 1 und 2 in der Eidesbzw. Gelöbnisformel nach den Worten „treu zu dienen" jeweils die Worte „und das Grundgesetz" einzufügen. Dieser Zusatz würde auch der Formel entsprechen, die sich im Beamtengesetz findet. Wir sind der Meinung, daß das Grundgesetz das oberste Gesetz ist, dem alle anderen Gesetze unterstehen. Es kann keine Rechtssetzung und keine Durchführung eines Gesetzes erfolgen, wenn nicht beides dem Grundgesetz entspricht.
Zu dem § 7 a Abs. 2 beantragen wir, das Wort „nur" zu streichen. Das Wort „nur" hat einen gewissen diskriminierenden Ton, und wir glauben, daß er für keine Art der Wehrdienstpflichtigen angewendet werden kann.
Wir bitten Sie, die beiden Anträge anzunehmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213203900
Sie haben damit alle Begründungen zu den jetzt vorliegenden Änderungsanträgen gehört. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird? — Herr Abgeordneter Merten hat das Wort.

Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0213204000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, alle gestellten Änderungsanträge abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Herr Kollege Dr. Kliesing hat in seiner Begründung dafür, daß der Eid für den Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit eingeführt werden soll, wiederholt darauf hingewiesen, daß man andernfalls zu einem Unterschied der beiden Staatsdiener — der Beamten und der Soldaten — komme, daß also die einen vereidigt wären und dadurch vielleicht eine andere Wertigkeit hätten, während die Soldaten nicht vereidigt wären; es wäre ein grotesker Zustand, daß der Pförtner im Bundesverteidigungsministerium vereidigt ist und der Oberst, der durch seine Türe hindurchgeht, nicht.
Nun, meine Damen und Herren, dazu ist grundsätzlich zu sagen, daß durch die Vereidigung der betreffende Mensch weder einen höheren noch einen niedrigeren Wert bekommt, als er ihn ohnedies hat. Das spielt also für die Wertigkeit des einzelnen überhaupt keine Rolle. Denn in welcher Rolle befänden sich sonst die Angestellten des öffentlichen Dienstes, die ja bekanntlich nicht vereidigt werden. Ich glaube bestimmt, daß die Männer, die im Bundesverteidigungsministerium bisher als Angestellte gearbeitet haben und nicht vereidigt waren, ihre Pflicht genau so gut oder schlecht getan haben, wie sie sie in Zukunft tun werden, wenn sie vereidigt sind. Man überspitzt diese Dinge in einer ganz gefährlichen Weise.
*) Siehe Anlage 11.


(Merten)

Herr Kollege Kliesing, Sie haben ja gesagt, niemand habe Ihnen klarmachen können, daß durch die Vereidigung der Berufssoldaten Schwierigkeiten beispielsweise gegenüber den Reservisten entstünden. Da soll es also auf einmal nicht mehr gelten, daß die einen durch den Eid besser sind als die anderen, die den Eid nicht geleistet haben? Da sehen Sie keine Schwierigkeiten? Aber in dem Verhältnis von Berufssoldaten zu Berufsbeamten — das ist ja genau dasselbe — sehen Sie plötzlich diese Schwierigkeiten! Ich glaube, das sind formale Fragen, die in bezug auf den Diensteifer und die Verpflichtung des einzelnen, die Gesetze zu achten, gar keine Rolle spielen sollten.
In der Begründung ist ferner gesagt worden, die Soldaten entschlössen sich freiwillig zu diesem Beruf, und infolgedessen seien sie auch bereit, den Eid freiwillig zu leisten. Das ist bestimmt richtig. Aber was ist denn die Folge? Ein leichtsinniger Mensch wird diesen Eid natürlich ohne jeden Skrupel und viel leichter leisten können als einer, der diese Dinge ernst nimmt. Sie spannen also ein Sieb vor die Aufnahme in das Verhältnis des Berufssoldaten mit Maschen, die so gebaut sind, daß viele ernste Menschen, auf die Sie Wert legen sollten, nicht durch dieses Sieb hindurchkönnen, während viele Leichtsinnige, denen der Eid ziemlich gleichgültig ist, nun ganz gemütlich durch dieses Sieb hindurchmarschieren und Sie dadurch in die Bundeswehr Leute hineinbekommen, die Sie auf gar keinen Fall — darüber sind wir uns wohl einig — in der Bundeswehr haben wollen.
Gegen den Eid schlechthin sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten die allerschwersten Bedenken geltend gemacht und auch diskutiert worden. Ich will hier gar nicht von der geschäftsmäßigen Formelhaftigkeit des Eides im Prozeßwesen reden. Wir haben bei der Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes und des Lastenausgleichsgesetzes auch über die Frage der eidesstattlichen Versicherungen gesprochen. Es war immerhin ein großer Teil dieses Hauses, der glaubte, daß man endlich einmal mit dieser geschäftsmäßigen Formelhaftigkeit des Eidwesens Schluß machen sollte. Ich will auch nur am Rande auf die Meineidseuche hinweisen, die immer mehr um sich greift und die geradezu nach einer Reform des deutschen Eideswesens schreit. Aber ich will darüber hinaus auch noch andere Bedenken anmelden.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Schneider befindet sich in einem großen Irrtum, wenn er glaubt, daß die Vereidigung des Soldaten ein entscheidendes Wesensmerkmal des deutschen Soldaten sei. Der Soldateneid ist ein entscheidendes Merkmal des Fremdenlegionärtums, er ist ein entscheidendes Merkmal des Söldnertums. Denn als solcher ist er in die Geschichte eingegangen. Der Soldat hat einen Eid geleistet in der Zeit, als Angehörige fremder Nationen sich in den Dienst irgendwelcher fremder Landesherren stellten. Da wurde zwischen ihm und dem Feldhauptmann ein Eid geleistet, und der Vertrag auf gegenseitige Verpflichtungen, den man da geschlossen hatte, wurde durch den Eid bekräftigt. Der eine verpflichtete sich zum sturen Kadavergehorsam, und der andere verpflichtete sich, pünktlich den Sold zu zahlen. Das ist die Entstehung des Soldateneides. Wenn man aus der Geschichte argumentiert, sollte man also erst recht die Finger von dem Soldateneid lassen.

(Abg. Eschmann: Sehr richtig!)

Von dem stehenden Heer wurde dann später der Eid als Verpflichtung zu Treue und Gehorsam
übernommen. Aber auch hier war es eine Art von Vertragsabschluß, weil nämlich die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen dem Dienstherrn und dem Soldaten weder durch eine Verfassung garantiert noch durch Gesetze geregelt waren. Da wurde das in Bausch und Bogen durch einen Eid gemacht.
Aber das ist doch heute völlig anders. Die Pflichten des Staates gegenüber dem Soldaten und die Pflichten des Soldaten gegenüber dem Staate sind durch das Grundgesetz und durch zahlreiche Spezialgesetze bis in das einzelne geregelt oder werden noch geregelt. Was soll da nun noch ein Eid? Soll der Soldat bekräftigen, daß er sich dem Gesetz unterwirft? Ich glaube, es gilt für jeden Staatsbürger, daß er sich dem Gesetz zu unterwerfen hat, und wenn er es nicht tut, wird er entsprechend bestraft. Also auch hier ist der Eid vollkommen unnötig.
Er ist auch als Beamteneid vollkommen unnötig. Daß bisher über diese Frage hier noch nicht gesprochen worden ist, kommt daher, daß das Beamtenrechtsrahmengesetz und die damit zusammenhängenden Dinge noch als Entwurf im Hause liegen. Aber Sie werden bestimmt erleben, daß, wenn diese Gesetze auf die Tagesordnung kommen, auch über diese Frage gesprochen werden muß. Man kann gar nicht so argumentieren, daß man, wenn man in der Vergangenheit einmal etwas schlecht gemacht hat, es deswegen auch in alle Zukunft schlecht machen muß, sondern wenn man einsieht, daß etwas schlecht war, macht man es besser, und man macht dann auch das, was man in der Vergangenheit sonst noch schlecht gemacht hat, besser, sobald es hier auf der Tagesordnung steht.
Das wichtigste grundsätzliche Bedenken gegen den Eid aber kommt nicht aus der Geschichte und kommt nicht aus dem geltenden Recht, sondern es kommt daher, daß der Eid eine ganz bestimmte religiöse Bedeutung hat. Das Wesen des Eides ist die bedingte Selbstverfluchung. Wir haben es hier beim Soldateneid mit einem promissorischen Eid zu tun, das heißt mit einem Eid, mit dem ich eine Verpflichtung für die Zukunft übernehme. Ich übernehme eine Verpflichtung für die Zukunft und sage dazu: „Falls ich eine dieser Pflichten oder die Verpflichtung als Ganzes verletze, will ich von Gott zur ewigen Verdammnis verurteilt sein." Das ist das Wesen des Eides. Nun ist es in der Vergangenheit oft so gewesen, daß sich die religiösen Gemeinschaften und die Kirchen mit der Eidespraxis des Staates einverstanden erklärt haben. Aber, meine Damen und Herren, das ist die typische Folge, wenn Glaubenstatbestände dadurch vernebelt werden, daß die staatliche Autorität gewisse Dinge durchsetzen muß und daß die religiösen Gemeinschaften sich mit dem Staat und seinen Ansprüchen irgendwie zu rangieren versuchen. Ergebnis war, daß der Staat beim promissorischen Eid genau so wie beim assertorischen Eid es mit der ewigen Verdammnis und der Strafe Gottes nicht bewenden lassen wollte. Der Staat wollte ganz sicher gehen und hat deswegen neben die ewige Verdammnis immer auch noch die Zuchthausstrafe gesetzt. Allein dadurch hat der Staat von sich aus den religiösen Eid entwertet, hat ihn damit so entwertet, daß ja schon der Rechtsausschuß des alten Reichstages um 1930 herum daraus die Konsequenzen ziehen wollte, indem er beschloß, den Eid abzuschaffen, auch im Strafrecht, und an seine Stelle eine besondere Form der Beteuerung zu setzen, die keinerlei religiöse Bedeutung hat, aber im Sinne des Strafrechts dieselben Folgen für den, der


(Merten)

unter dieser Beteuerung die Unwahrheit sagt, die Folge nämlich, daß er ins Zuchthaus kommt.
Bei dem hier geforderten Eid der Soldaten liegt nun die Sache insofern noch schwieriger, als der Soldat gleichsam die ewige Verdammnis auf sich selbst herabschwört für den Fall, daß er auch nur eine einzige seiner zahlreichen Verpflichtungen wissentlich oder fahrlässig verletzt. Wir wissen ja, wie gerade diese Form des verpflichtenden Eides in der Vergangenheit mißbraucht worden ist. Es ist keineswegs so, Herr Kollege Schneider, wie Sie meinen — „Regierungen kommen, Regierungen gehen, die Heiligkeit des Eids bleibt bestehen" —; ich glaube, Sie kämen in die größte Verlegenheit, wenn ich Sie unter diesem Generalthema fragen würde, wie Sie sich denn nun die Ereignisse des 20. Juli in ihrer Bewertung vorstellen.

(Abg. Eschmann: Schneider hat ja auch Stalin zitiert!)

Wir alle wissen, wie der Eid gerade beim Soldaten auch im Zusammenhang mit dem 20. Juli von gewissenlosen Führern und Leitern des damaligen Staates mißbraucht worden ist. Wenn der Staat, wie es damals war, von gewissenlosen Zynikern geleitet wird, dann wird auch der Eid zu nichts anderem benützt als dazu, die Gewissen zu knebeln, um eigene verbrecherische Pläne mit Hilfe von Menschen durchzuführen, denen der Eid heilig ist und denen er etwas bedeutet. Die Forderung nach dem Eid durch einen Menschen, der selber gar nicht an Gott glaubt, kann nur als eine ganz besonders schwere Form der Gotteslästerung angesehen werden.
Aber heute fordert gar nicht ein Mensch den Eid, sondern der Staat fordert den Eid, der Staat, der als Funktion und als Organisation gegenüber Gottüberhaupt keine Verantwortung hat und haben kann. Unser staatsrechtliches Denken hat seine Wurzeln in der Aufklärung. Der Staat ist eine Funktion der menschlichen Gesellschaft. Diese Funktion kann zum Guten ausschlagen, sie kann zum Bösen ausschlagen. Alles das hat gar nichts mit dem zu tun, was wir mit Religion bezeichnen, nämlich der persönlichen Bindung des einzelnen Menschen an Gott. Deswegen müssen wir uns dagegen wehren, daß der Staat auf dem Umwege über den Eid in diese persönliche Bindung eingreift, daß er sich anmaßt, mit Hilfe des Eides über das Gewissen der Menschen zu verfügen, indem er ihnen eben diesen verpflichtenden Eid abnimmt. Das kann er auch nicht bei denen, die sich freiwillig dafür zur Verfügung stellen. Denn niemand übernimmt es, diesen Freiwilligen vorher eine Belehrung über den ganzen Ernst und über die ganze Gewissensbindung zu erteilen, die sie mit diesem Eid auf sich nehmen. Und wenn Sie eine solche Belehrung machen würden, dann hätten Sie eben nur den einen Erfolg, daß die Leichtfertigen und die Leichtsinnigen Ihnen diesen Eid vor die Füße legen würden, wie sie es jederzeit tun würden, und daß die anderen Ihnen wieder weggehen würden.
Der Staat kann niemals das Recht haben — das ist gerade im Zusammenhang mit dem Eid wichtig zu unterstreichen —, über das Gewissen seiner Bürger zu verfügen. Dieses Recht streiten wir ihm in vollem Umfange ab, und dieses Recht kann auch nicht auf dem Umweg, durch die Hintertür einer Vereidigung für eine gewisse Gruppe von Staatsbürgern wieder eingeführt werden. Der Staat tut das, er tut es deutlich und er tut es folgenreich, wenn er diesen verpflichtenden Eid verlangt. Das ist der Grund dafür, daß sich die christlichen Kirchen sehr skeptisch gegenüber der Vereidigung der Soldaten ausgesprochen haben.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich in der Anlage zu dem Ihnen vorliegenden Bericht in aller Ausführlichkeit die Stellungnahmen der Herren Vertreter der Kirchen zu dieser Frage durchzulesen, die dort niedergelegt sind.*) Ich erinnere mich, daß beispielsweise der Vertreter der Evangelischen Kirche ganz ausdrücklich als Beschluß des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland uns mitgeteilt hat, daß von dort aus jeder verpflichtende Eid wegen der ungeheuren religiösen Folgen, die an einen derartigen Eid gebunden sind, abgelehnt wird. Wenn Sie die Vereidigung in dieses Gesetz hineinnehmen und sie aus dem Beamtengesetz nicht herausnehmen, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß ein ernster, gläubiger Mensch wohl oder übel auf den Staatsdienst verzichten muß, daß er darauf verzichten muß, Soldat zu werden, wenn er damit sein bis dahin freies Gewissen an den Staat um den Preis seiner Seligkeit verkaufen muß; denn um nichts anderes geht es dabei.
Ich gebe zu, daß die Forderung, den Eid zu leisten, viele Menschen nicht stören wird, Soldat zu werden. Ich gebe zu, daß das aber offenbar nicht die Besten sein werden, auf die wir Wert zu legen haben. Derartige Naturen, wie ich sie schon erwähnt habe, sind in ihrem ganzen Leben noch nicht über den dünnen Zwirnsfaden eines Eides gestolpert, und sie werden das auch in Zukunft nicht tun.

(Sehr wahr! links.)

Für die bedeutet der Eid nicht allzuviel. Aber denken Sie an die Gewissensnöte derjenigen. die nun schon zum fünften, zum sechsten und siebenten Male einen Eid leisten müssen — auf die Monarchie, auf den König von Preußen oder den Großherzog von Hessen, auf die Weimarer Republik, auf den Führer des „Dritten Reiches" — und die jetzt gezwungen werden sollen, wiederum einen derartigen Eid zu leisten. Gerade die besondere Wertigkeit des Eides ist ja durch die wiederholte Eidesleistung innerhalb eines einzigen Menschenlebens manchen erst richtig zum Bewußtsein gekommen, und sie haben deshalb die allergrößten Bedenken bekommen, daß heute schon wieder mit dieser Praxis angefangen wird.
Ich weiß — und das sage ich auch besonders den Herren Kollegen von der CDU, die diesen Antrag eingebracht haben —, daß Sie als Verfechter des Eides für die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit keineswegs wollen, daß die Bundeswehr der Tummelplatz leichtfertiger oder oberflächlicher Naturen wird; und weil Sie das nicht wollen, deswegen bitte ich Sie. sich die Konsequenzen zu überlegen, die durch Ihre Forderung heraufbeschworen werden. Für die anständigen Charaktere und für die gläubigen Menschen brauchen Sie den Eid nicht, weil sie ohnedies aus ihrem Gewissen heraus sich fester gebunden fühlen, als der Staat sie jemals binden könnte, und weil sie ohnedies aus ihrem Gewissen heraus das. wozu sie sich verpflichtet haben. nun auch halten werden, nämlich Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Für die anderen aber bedeutet der Eid eine leere Form ohne jeden Sinn, und er ist da-
*) Siehe Anlage A zu Anlage 5.


(Merten)

her erst recht zwecklos. Hören Sie auf, meine Damen und Herren, die Sie diese Anträge unterstützen, mit Eingriffen des Staates in das Gewissen! Machen Sie Schluß auch mit den sinnlos gewordenen überlieferten Formen und setzen Sie endlich bei dieser Gelegenheit dem Eidesmißbrauch eine Schranke!

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213204100
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Feller!

Erwin Feller (GB/BHE):
Rede ID: ID0213204200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird gegen jeden Fahneneid, ob für Wehrpflichtige oder Berufssoldaten, stimmen. Wenn ich das sage, möchte ich, um jedes Mißverständnis zu verhindern, ausdrücklich betonen, daß es sich dabei nicht etwa um einen Fraktionsbeschluß handelt; denn wir sind uns völlig darüber im klaren, daß wir es hier mit einer Frage zu tun haben, die jeder einzelne letzten Endes nur vor seinem Gewissen nach Abwägung aller Gesichtspunkte entscheiden kann. Aber der Umstand, daß wir uns alle unabhängig voneinander den gegen die Wiedereinführung des Fahneneids — zumindest heute im Jahre 1956 — vorhandenen Bedenken gebeugt haben, mag mindestens als ein Zeichen dafür angesehen werden, wie problematisch es heute um den Eid bestellt ist. Wir sind mit unserer ablehnenden Stellungnahme bei der Auffassung geblieben, die ich schon bei der ersten Lesung des Soldatengesetzes hier vortragen durfte. Sie läßt sich, knapp in einem Satz zusammengefaßt, so wiederholen: Sowohl die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wie die Situation, in der wir unsere ) Jugend wieder Soldat werden lassen wollen, sollten uns daran hindern, für sie die Verpflichtung zur Eidesleistung gesetzlich wieder einzuführen. Diese unsere Auffassung ist durch nichts, aber auch gar nichts, was in der Zwischenzeit gesagt und geschrieben wurde, ins Wanken gekommen. Im Gegenteil, vor allem die Anhörung der Vertreter der Kirchen im Verteidigungsausschuß hat bei aller Unterschiedlichkeit der Argumente, die dabei vorgetragen wurden, bei all denen, die dabei waren, zunächst doch den Eindruck hinterlassen, daß die Diskussion um den Eid im kirchlichen Raum noch keineswegs abgeschlossen ist. Es wurde aber auch deutlich sichtbar, daß sie sich bei allen Konfessionen einer Ablehnung des Soldateneides zuneigt.
Noch problematischer wird die Frage, wenn wir aus dem kirchlichen Raum hinaustreten in den Raum, in dem der Soldat nun zur Eidesleistung gezwungen werden soll. Es ist hier mit Recht schon vom Herrn Kollegen Merten bezweifelt worden, wie weit sich der, der den Eid leistet, damit der metaphysischen Bindung, des Versprechens an Gott, das im religiös geleisteten Eid liegen muß, wirklich bewußt ist. Es ist in diesem Zusammenhang schon das Wort von der Gotteslästerung gefallen.
Aber gehen wir von der theologischen Betrachtung ab, dann gibt es noch sehr viele andere Gesichtspunkte, politische, historische und auch menschlich-gesellschaftliche, die gegen die Einführung des Soldateneides sprechen. Es sind hier vom Herrn Kollegen Merten schon einige erwähnt worden.
Ein Wort zum Historischen. Herr Kollege Schneider, wenn Sie zunächst die Beständigkeit des Eides ausgerechnet mit der Beständigkeit der Lederhosen
bei Börries von Münchhausen vergleichen, ist das vielleicht nicht gerade passend.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Ich habe nichts von Lederhosen gesagt!)

— Aber Ihr Zitat stammt aus der Lederhosen-Saga von Börries von Münchhausen:
Geschlechter kommen, Geschlechter gehen, hirschlederne Reithosen bleiben bestehen.

(Heiterkeit.)

Das ist doch die Quelle Ihres Zitates gewesen. Dieses Zitat zum mindesten war nicht ganz angebracht.
Aber zur Sache selbst, Herr Kollege Schneider! Tradition ist beim Fahneneid nur, daß er auf Personen geleistet wurde. Das ist die Tradition des Eids, und zwar vom mittelalterlichen Lehnseid bis zum Fahneneid der Monarchie bis 1918. Wenn Sie also schon von einer Tradition sprechen, die Sie wahren wollen, dann könnte diese nur darin bestehen, daß dieser Eid auf eine Person geleistet werden soll.
Es geht hier um einen Soldateneid. Nach der vorliegenden Fassung wird darin versprochen, das Grundgesetz zu wahren. Das ist dem Beamteneid entnommen. Aber beim Soldaten handelt es sich doch um ganz andere Dinge. Der entscheidende Akzent des hier vorgeschlagenen Soldateneides liegt doch auf dem zweiten Teil, nämlich da, wo es heißt „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen" oder: seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, was dasselbe beinhaltet, was hier in der anderen Formulierung unter „verteidigen" gemeint ist. Der Unterschied zwischen Beamteneid und Soldateneid ist doch sehr erheblich. Denn bei den Beamten bezieht sich der Eid auf die Wahrung des Grundgesetzes, auf die Funktionen, die sie beruflich zu erfüllen haben, während die beruflichen Aufgaben und Pflichten des Soldaten auf einem ganz anderen Gebiet liegen.
Wenn hier vorgeschlagen wird, die Berufssoldaten den Eid ablegen zu lassen und nicht die Wehrpflichtigen, dann muß ich sagen, Herr Kollege Kliesing: nicht nur das Argument, daß man dadurch zweierlei Soldaten schaffe, ist zutreffend, sondern es gibt auch eine andere sachliche Überlegung. Der Unterschied zwischen dem Berufssoldaten und dem Wehrpflichtigen ist überhaupt nur in ihrem rechtlichen Status zu sehen, aber nicht in ihren Pflichten und Aufgaben; die sind genau dieselben. Wie wollen Sie denn den Unterschied rechtfertigen, den Sie herbeiführen, wenn Sie die Berufssoldaten den Eid schwören und die Wehrpflichtigen nur das Gelöbnis ablegen lassen?
Dann noch zu der Formulierung: „das GrundBesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren". Vom Beamten, der das schwört, kann man selbstverständlich erwarten, daß er sich über die Tragweite dieser Formulierung voll im klaren ist. Aber bei dem Soldaten können Sie es, abgesehen von den ganz anderen beruflichen Aufgaben und Pflichten, die er hat, nicht ohne weiteres unterstellen. Ich darf noch hinzufügen: der Beamte hat nichts zu verteidigen, während der Soldat verteidgen soll. Auch die Minister schwören nicht, etwas zu verteidigen, nicht einmal ihren Ministersessel zu verteidigen, sondern sie schwören nur, das Grundgesetz treu zu wahren.

(Abg. Dr. Strosche: Das ist gut!)

Ich darf noch mit einem Satz auf die hier schon heraufbeschworenen Erinnerungen an die Hitlerzeit und den 20. Juli eingehen. Die noch lange


(Feller)

Ell nicht abgeschlossenen Diskussionen darüber sollten uns wirklich davon abhalten, in der augenblicklichen Situation schon eine gesetzliche Bestimmung über den Eid zu schaffen.
Aber was uns am meisten bewegt, wenn wir uns mit dieser Frage beschäftigen, ist der von uns immer noch nicht voll ermessene Zustand unseres gespaltenen Vaterlandes, sind die Entwicklungen, die es in Zukunft noch nehmen kann. In der Regierungsvorlage des Soldatengesetzes war vorgesehen, den Soldaten einen Eid schwören zu lassen, daß er das Vaterland tapfer verteidigen wolle. Meine Damen und Herren, auf unser deutsches Vaterland kann heute leider kein Eid geschworen werden, denn es besteht nur in unseren Hoffnungen, in unseren Wünschen und in unserer Sehnsucht. Aber vor der Erfüllung dieser unserer Wünsche können wir alle noch vor Konfliktsituationen gestellt werden, die wir durch den Eid für unsere Soldaten nicht erschweren sollten. Die Spaltung Deutschlands lastet auf uns allen schwer genug. Versuchen wir erst einmal, sie zu überwinden; wenn wir wieder ein gesamtdeutsches Vaterland haben, dann werden wir auch über den Eid darauf sprechen können. Heute ist die Zeit dafür nicht reif.

(Beifall beim GB/BHE und Abgeordneten der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213204300
Das Wort hat der Abgeordnete Heye.

Hellmuth Guido Alexander Heye (CDU):
Rede ID: ID0213204400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte — und will versuchen, mich kurz zu fassen — meine persönliche Auffassung zur Frage des Eides sagen. Ich bin mir darüber klar, wie verschieden — die Debatte hat es bewiesen — die Auffassungen über die bindende Kraft des Eides, über die Bedeutung des Eides, über den Eidgebenden und den Eidfordernden sind. Ich glaube, die Bewertung des Eides befindet sich nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern in einer Krise. Sie hat bei uns mit dem 20. Juli ihren Höhepunkt gefunden, und ihre Nachwirkungen sind nach meiner Überzeugung bis heute noch nicht überwunden.

(Abg. Erler: Sehr wahr!)

Ich glaube mich in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Mitglieder des Hohen Hauses zu befinden, wenn ich der Auffassung bin, daß ein Eid immer religiösen Charakter hat und daß ein Eid ohne diesen religiösen Charakter im Grunde kein Eid ist. Wir wissen, daß in der Sowjetunion der Eid mit den Worten „Ich schwöre" geschworen wird. Auch das Wort „Eid" kommt in diesem Schwur oder in diesem Gelöbnis vor. Ich glaube, daß dieser Schwur nicht die Form ist, die wir als „Eid" bezeichnen. Dieser Eid stellt meines Erachtens keine Bindung an eine höhere Ordnung dar. Lediglich die Strafandrohung durch die staatlichen Gewalten üben eine bindende oder hemmende Wirkung auf den Menschen aus, der diesem Eid unterworfen ist.
Gerade die Ereignisse der vergangenen 20 Jahre haben uns die Notwendigkeit bewiesen, daß wir nach dem „Verschleiß" des Eides — ich möchte dieses Wort einmal gebrauchen — erst einmal wieder eine Basis für eine höhere Verpflichtung finden. Wir sollten deshalb in jedem Falle erst abwarten, bis die Verwirrung — ich möchte das gerade im Zusammenhang mit dem Soldatengesetz betonen -, die z. B. durch die Beurteilung des 20. Juli entstanden ist und in der es in weiten Kreisen des Volkes noch keineswegs zu einer befriedigenden Klärung gekommen ist, überwunden und damit die Bahn frei ist für eine neue Ordnung der soldatischen Verpflichtung.
Im einzelnen möchte ich folgende Probleme ansprechen: Ich bin der Auffassung, daß der Eid, wie er in der monarchischen Zeit dem Landesherrn, dem Herrscher geleistet wurde, ein religiöser Eid war. Er war immer eine wechselseitige Bindung, d. h. nicht nur vom Eidgebenden gegenüber dem Eidfordernden, sondern auch umgekehrt. Viele Menschen, auch Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges, vergessen und hatten es auch in der Zeit Hitlers vergessen, daß Hitler moralisch nicht berechtigt war, einen Eid auf seine Person zu fordern, ja sogar unter Strafandrohung zu erzwingen. Hitler hatte ja den Eid selbst gebrochen und die Menschen, die ihm einen Eid geleistet haben, damit ihrer Treuepflicht moralisch entbunden. Aus dieser Betrachtungsweise ergibt sich, daß der Eid nach meiner Ansicht im Grunde seinen Sinn verliert, wenn er nicht irgendwie in einer eidfordenden Persönlichkeit personifiziert wird. Wie will man sonst das wechselseitige Treueverhältnis zur Wirkung bringen? Wenn der Eid also nicht irgendeiner Person geleistet wird, sei es dem Herrscher, sei es dem Bundespräsidenten oder sonst einem verantwortlichen Amtsinhaber, so verliert er nach der persönlichen Einstellung einen wesentlichen Teil seiner bindenden Kraft. Ich bezweifle, ob man den Eid nur auf eine Institution, also z. B. die Regierung, den Staat oder auch die Gesetze, abstellen kann, weil die Auswirkungen des Verhältnisses wechselseitiger Treue ohne einen persönlichen Partner für den Eidgebenden nach meiner Überzeugung kaum erwartet werden können.
Ein weiterer Punkt erscheint mir wichtig. Bis 1918 bestand ein Verhältnis wechselseitiger Treue der Beamten und Offiziere zum Herrscher, das natürlich auf einem religiösen Eid beruhte, wobei Gott als Eideshort angesprochen wurde. Aber — und das scheint mir entscheidend zu sein — der Soldat oder der Beamte wurde nicht erst durch den Eid verpflichtet, die Gesetze einzuhalten. Aus dem Eid ergab sich lediglich ein besonderes persönliches Treueverhältnis zwischen dem Herrscher einerseits und dem Beamten und dem Offizier andererseits. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere ich eine Entscheidung des Reichsmilitärgerichts aus dem Jahre 1902, das diesen Tatbestand klar beleuchtet. In dieser Entscheidung vom März 1902 führte das Reichsmilitärgericht aus, daß dem soldatischen Eid nur die Bedeutung einer äußerlich erkennbaren feierlichen Bekräftigung getreuer Pflichterfüllung der schon im Augenblick der Zugehörigkeit zuni aktiven Heer übernommenen Dienstpflichten beizumessen sei. Der Soldat ist also bereits durch Gesetz verpflichtet, seine Dienstpflichten zu erfüllen, wenn er das Kasernentor durchschreitet. Die Eigenschaft als Militärperson sei nicht von der vorgängigen Leistung des Fahneneides abhängig, und die Verweigerung des Eides habe keinerlei Folgen. Wie verschieden ist gegenüber dieser Auffassung die Behandlung des Eidproblems in der Hitlerzeit durch Zwang und Strafe.
Im Art. 136 der Weimarer Verfassung, den wir ins Grundgesetz übernommen haben, war festgelegt worden, daß niemand zu einer kirchlichen Handlung oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden dürfe. Durch die Verfassung von 1919 wurde also dem Eide trotz


(Heye)

der ebenfalls benutzten Ausdrücke „Ich schwöre" und „Eid" ein neuer Sinn beigelegt, der das Religiöse in dem früheren Sinne ausschaltete. Es blieb natürlich jedem unbenommen, dem Eid eine besondere religiöse Beteuerungsformel hinzuzufügen. Nach der Weimarer Verfassung bedeuten also die Worte „Ich schwöre" einfach: „Ich versichere feierlich".
Trotz dieser Wandlung des Inhaltes wurde am Eide festgehalten. Ich zitiere hier den Bonner Gelehrten Friesenhahn, der in einer Abhandlung über den politischen Eid schreibt:
Bei aller reinlichen Scheidung des Staates von der Religion
— wie sie in unserer Verfassung niedergelegt worden ist —
versuchte der Staat, die bei vielen Staatsangehörigen noch vorhandenen religiösen Vorstellungen, die mit dem Eide verbunden waren, für die Zwecke des Staates dienstbar zu machen.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Kernpunkt dessen, was ich sagen wollte. Ich halte den Eid nicht für das geeignete Mittel, die Bürger stärker an den Staat zu binden. Ich habe es in meinem Leben, auch als Soldat im ersten_und im zweiten Weltkrieg, selbst in schwierigen Situationen, wo es um das Letzte ging, nie erlebt, daß ein Mensch, wenn er nicht schon von sich aus die entsprechende religiöse oder ethische Haltung hatte, in solcher Stunde deshalb seine Pflicht tat oder bis zum letzten aushielt, etwa weil er sich durch den Eid gebunden fühlte. Ich kenne nur wenige Fälle, in denen u. a. einige Offiziere sich in den Novembertagen 1918 gegen die Meuterei vor die Flagge gestellt und sie mit Einsatz ihrer Person verteidigt haben. Aber die Masse der Menschen, die damals unter einer anderen Staatsform dem Kaiser den Treueid geleistet hatten, war 1918 nicht bereit, den Kaiser unter Einsatz ihres Lebens zu schützen. Ich warne vor der Täuschung, den Eid als zuverlässiges Element den Zwecken des Staates dienstbar machen zu können. Der Ankläger Bauer im Remer-Prozeß hat 1952 diese Auffassung so formuliert:
Dem „Dritten Reich" blieb es vorbehalten, das religiöse Element als Untermauerung des soldatischen Berufsethos neu zu entdecken.
Ich bin der Überzeugung, daß für uns die Gesetze maßgebend sind, nach unserer Verfassung, nach unserer Tradition und unserer gegenwärtigen Lage. Wer nicht von sich aus bereit ist, die Gesetze zu erfüllen, der wird sie bestimmt nicht deswegen erfüllen, weil er einen Eid leistet. Der Eid macht aus dem Feigling keinen Helden!

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Der Eid macht auch aus dem Menschen, der den Staat ablehnt, keinen treuen Staatsdiener. Ich kann nur immer wieder sagen, daß ein solcher Glaube gefährlich ist und zur Entwertung des Eides führt. Man darf den Eid nicht zu einer bloßen Formalität herabwürdigen.

(Sehr richtig! links.)

In jedem Fall bin ich der Auffassung, daß wir mit der Einführung des Eides zumindest warten sollten, bis die Meinungen sich geklärt haben. Wir versuchen, die Trümmer des letzten Krieges mit all den Gesetzgebungswerken, die wir vor uns haben
— Kriegsopfer, Rentenversorgung, 131-Novellen—, wegzuräumen, und wir bedauern, daß es nicht schneller geht. Wir müssen aber auch auf dem ethischen, geistigen Gebiete Trümmer entfernen, und das geht nicht so schnell wie das Wegräumen des Materiellen. Deshalb bin ich persönlich der Auffassung, daß wir bei der Entscheidung über Probleme wie den Eid, der gerade bei uns besonders an das metaphysische Empfinden rührt, sehr behutsam vorgehen sollten. Nichts verdeutlicht die Schwierigkeit, vor der wir stehen, mehr als die heutige Debatte und die Tatsache, daß selbst in allen Kirchen völlig verschiedene Auffassungen über das Problem des Eides herrschen. Es ist nichts verloren, wenn zunächst die Auffassung des Verteidigungsausschusses Gesetz wird, bis wir in zwei, drei Jahren größere Klarheit und bessere Einsicht gewonnen haben.
Abschließend noch ein Punkt, meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Auffassung, daß man den Beamten und den Soldaten gleichstellen kann.

(Sehr gut! beim GB/BHE.)

Beide haben eine völlig verschiedene Funktion im Leben der Gemeinschaft. Der Soldat — und ich glaube, der ganze Bundestag ist mit mir darin einig — oder überhaupt das Soldatentum beruhen auf Gehorsam und Kameradschaft. Das heißt, der Soldat bekommt Befehle; er bekommt Befehle von der politischen Führung. Die Befehlsgewalt, die er ausübt, ist technischer, spezieller Art. Sie rührt aber niemals an das Grundsätzliche.
Demgegenüber der Beamte. Der Beamte bekommt keinen Befehl, sondern er erhält einen Auftrag. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seiner Rechtskenntnis Gesetze auszulegen. Das ist etwas völlig anderes. Der Vergleich, demzufolge auf der einen Seite ein kleiner Beamter und auf der anderen Seite ein General steht, ist meiner Ansicht nach nicht beweiskräftig; denn die Aufgaben beider sind völlig verschieden. Ich bekenne mich in der Auffassung, daß wir bei den Menschen, die das Gesetz von sich aus halten wollen und zu denen wir — ob Soldaten oder Beamte, ist dabei ohne Bedeutung — dieses Vertrauen haben, auch ohne Eid auskommen. Diese Menschen erfüllen ihre Aufgabe aus einer inneren ethischen, religiösen Verpflichtung, auch ohne Eid, getreu dem Gesetz, dem alle Bürger unterworfen sind. Hüten wir uns vor dem trügerischen Glauben, durch den Eid eine stärkere Bindung an den Staat erreichen zu können!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213204500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0213204600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Entgegnung! Herr Kollege Feller, Sie haben Sorge wegen des Dualismus, der zwischen vereidigten und nicht vereidigten Soldaten entstehen könnte. Ich möchte Ihnen sagen, das Großbritannien und Holland eine Lösung gefunden haben, die unserem Vorschlag gleicht, und die Erfahrungen beweisen doch, daß es dort nicht zu bedenklichen Konsequenzen gekommen ist, sondern daß die dort praktizierte Lösung sich vollauf bewährt hat.

(Abg. Erler: Die haben immer noch denselben König!)



(Dr. Kliesing)

— Darauf kommt es ja nicht entscheidend an.

(Zuruf vom GB/BHE: Natürlich!) Das geht am Wesen des Eides vorbei.


(Abg. Feller: Herr Kliesing, aber Sie meinen doch nicht, daß die englischen oder holländischen Truppen schlechter wären, wenn die Berufssoldaten dort nicht vereidigt wären?)

— Das will ich damit gar nicht gesagt haben; aber man sollte auch nicht damit argumentieren, daß dort andere Verhältnisse seien. Denn dann würde ich mich fragen, welchen Zweck es hat, daß wir im Ausland herumreisen und Erfahrungen sammeln, wenn hinterher gesagt wird: ja, dort sind andere Verhältnisse. In der Frage des parlamentarischen Beauftragten, der aus Schweden entlehnt wird, hat man ja auch nicht so gedacht.
Nun aber zu den Argumenten des Kollegen Merten! Herr Kollege Merten, angesichts Ihrer Argumentation muß ich mich sehr wundern, daß Sie es nicht längst als Ihre Pflicht angesehen haben, in diesem Hohen Hause einen Antrag auf Abschaffung des Beamteneides zu stellen.

(Abg. Arnholz: Das haben wir ja getan!)

Denn wenn man den Diensteid als einen Mißbrauch des Eides ansieht, meine Damen und Herren, dann kann man nicht hingehen und sagen: „Staat, du darfst deine Berufssoldaten nicht vereidigen", und gleichzeitig ruhig mit ansehen, wie die Beamten weiter vereidigt werden. Dann muß man schon konsequent sein. Wenn die Wiedereinführung des Beamteneides als Irrtum angesehen wird, dann möchte ich darauf hinweisen, daß ein Irrtum dann zur Schuld wird, wenn man in ihm beharrt. Entweder wir vereidigen Beamte und Soldaten, oder aber wir sind konsequent und lehnen die Vereidigung aller Beamten bis hinauf zu den Mitgliedern der Bundesregierung ab.
Man muß zwischen Gewissensnot und Gewissensbelastung unterscheiden, Herr Kollege Merten. Eine Gewissensbelastung stellt ein jedes Versprechen, ein Gelöbnis und selbstverständlich auch der Eid dar. Aber ich meine, gerade auf diese Belastung, die einen Appell an das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen darstellt, sollten wir nicht verzichten; denn davon existiert letzten Endes die Demokratie.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213204700
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache über die Änderungsanträge geschlossen.
Ich komme zu der Abstimmung, wie angekündigt. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag Umdruck 526 Ziffer 3*) abstimmen. Meine Damen und Herren, ich schlage auch hier vor, daß wir nur über den ersten Absatz abstimmen, weil der Abs. 2 völlig wortgleich mit allen anderen vorliegenden Anträgen ist. Also zunächst der Antrag der Deutschen Partei Ziffer 3 zu § 7 a Abs. 1! Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nun zu dem Antrag Umdruck 527**) und rufe auch hier zunächst Ziffer 1, § 7 a Abs. 1,
*) Siehe Anlage 6.
**) Siehe Anlage 8.
auf. Wer diesem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mende und Genossen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Lüders zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, Dr. Jaeger und Genossen auf Umdruck 531*). Wer diesem Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag Umdruck 524 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing und Genossen Umdruck 524 Ziffer 1**). Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, die Abstimmung wird wiederholt, durch Aufstehen bitte! Wer dem Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Kliesing und Genossen zustimmen will, den bitte ich, vom Platz aufzustehen. — Gegenprobe! — Uneinigkeit im Vorstand. Wir kommen zum Hammelsprung.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Meine Damen und Herren, ich bedaure, daß die Berliner Abgeordneten das „Privileg" haben, im Saal zu bleiben. Aber alle anderen Mitglieder bitte ich, den Saal nunmehr zu räumen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Auszählung beginnt. Ich bitte, die Türen zu öffnen.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Ich bitte die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den ersten Teil des Abs. 1 des § 7 a unter Ziffer 1 des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 524 haben 221 Mitglieder des Hauses gestimmt. Mit Nein haben 193 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten haben sich zwei. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Nun stehen wir vor der Frage, wie wir über die anderen Antragsteile zusammen abstimmen können. In Abs. 2 des § 7 a auf Umdruck 524 ist noch ein Wort strittig. In dem Antrag Dr. Kliesing heißt es: „Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten . . .". Dem steht der Antrag Dr. Mende und Fraktion gegenüber, der vorschlägt, zu sagen: „Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten . . .". Das Wort „nur" soll also danach gestrichen werden. Im übrigen sind die beiden Anträge völlig gleich.
Herr Abgeordneter Kliesing!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0213204800
Um Schwierigkeiten zu vermeiden, streichen wir das Wort „nur".

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213204900
Der Antragsteller streicht in § 7 a Abs. 2 des Änderungsantrags auf Umdruck 524***) das Wort „nur", so daß der Antrag auf Umdruck 527 von Abs. 2 an mit dem Antrag auf Umdruck 524 völlig gleichlautend wird. Die beiden Änderungsanträge sind also von den Worten: „Der Eid kann auch ohne die Worte ..." ab völlig gleich. Ich lasse deshalb über sie gemeinsam abstimmen.
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 7.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Wer dem Änderungsantrag zu § 7 a Absätze 2, 3 und 4 unter Ziffer 1 des Umdrucks*) sowie dem Änderungsantrag zum zweiten Teil des § 7 a Abs. 1 und zum Abs. 2 des § 7 a auf Umdruck 524 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die beiden wortgleichen Anträge sind damit angenommen.
Damit ist auch der Antrag der DP unter Ziffer 3 des Umdrucks 526 betreffend den Abs. 2 des § 7 a erledigt, der lauten sollte:
Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe" geleistet werden.
Dieser Antrag ist dann sinngemäß mit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich fahre in der Abstimmung fort und rufe § 8 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 526 unter Ziffer 4 und Ziffer 5**) vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Es wird verzichtet.
Ich eröffne die Beratung über § 8. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse über die Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Partei abstimmen, also zunächst über Ziffer 4 auf Umdruck 526. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Nun Änderungsantrag unter Ziffer 5. Meine Damen und Herren, ich möchte darüber nicht abstimmen lassen. Hier heißt es nämlich: „Im § 8 wird Abs. 6 gestrichen". Ich bin bereit, die Frage zu teilen und über die Absätze 1 bis 5 und dann getrennt über Abs. 6 abstimmen zu lassen.
Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0213205000
Herr Präsident, ich bitte, es bei Ihrer ursprünglichen Entscheidung zu belassen, daß über den Änderungsantrag vorab und dann über den Paragraphen abgestimmt wird. Ich bitte, nach Möglichkeit die Frage nicht zu teilen, sondern über den Änderungsantrag für sich abstimmen zu lassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213205100
Ja natürlich, Herr Abgeordneter, ist das meine Absicht. Das Problem ist ein ganz anderes, nämlich ein geschäftsordnungsmäßiges. Es liegt ein Streichungsantrag vor: im § 8 wird Abs. 6 gestrichen. Das ist keine gute Form. Man soll dann zu dem Abs. 6 entweder ja oder nein sagen. Wir haben bei Abstimmungen dieser Art, die sich auf Streichungen bezogen, im Hause im allgemeinen keine sehr guten Erfahrungen gemacht. Ich habe deshalb lediglich der Klarheit wegen diesen Abstimmungsmodus vorgeschlagen. Ich nehme an, daß Sie dagegen keine Bedenken haben, Herr Abgeordneter Erler.
Der Änderungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 526 unter Ziffer 4 ist schon zur Abstimmung gestellt und abgelehnt worden. Ich muß deshalb jetzt zunächst den Abs. 6 des § 8 aufrufen. Wer dem Abs. 6 des § 8 in der vorliegenden Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der DP unter Ziffer 5 abgelehnt.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Zur Geschäftsordnung!)

*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 6.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schneider!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213205200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren; Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich mit dem Verfahren, das hier geübt wird, nicht einverstanden bin, da wir natürlich Wert darauf legen, über unsere Anträge, wenn wir als Antragsteller es für erforderlich halten, auch etwas zu sagen. Im vorliegenden Fall habe ich wirklich das Bedürfnis gehabt, das zu tun. Ich weiß nicht, ob der Hinweis des Herrn Präsidenten so zu verstehen war, daß die Formulierung meines Antrags, nämlich den Abs. 6 des § 8 zu streichen, ihn zu dem Vorgehen veranlaßt hat, wie wir es soeben exerziert haben. Da wir noch weitere ähnliche Streichungsanträge gestellt haben, würde ich vorsorglich darum bitten, uns Gelegenheit zu geben, diese unsere Streichungsanträge zu begründen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213205300
Herr Abgeordneter, das ist gar kein Problem. Ich habe Sie vorhin gefragt, ob Sie das Wort zu diesen Änderungsanträgen wünschen; Sie haben darauf verzichtet. Ich gebe Ihnen vorsorglich schon jetzt das Wort. Wenn ich diese Ziffern aufrufe, haben Sie das Wort zur Begründung. Selbstverständlich soll hier niemand zu kurz kommen. Ich habe Sie so verstanden, daß Sie darauf verzichten, die Anträge zu begründen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt, nachdem die Änderungsanträge Umdruck 526 Ziffern 4 und 5 erledigt sind, den § 8 mit den Absätzen 1, 2, 3, 4 und 5 auf. Wer diesen Absätzen des § 8 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der § 8 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Nunmehr zu § 9. Hier liegt wiederum ein Änderungsantrag der Fraktion der DP vor, Umdruck 526 Ziffer 6.*) Herr Abgeordneter Schneider (Bremerhaven) zur Begründung!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213205400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Freunde beantragen, den dritten Satz des § 9 zu streichen, der da lautet:
Ungehorsam liegt nicht vor, wenn ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist; die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung.
Wir sind der Auffassung, daß die Disziplinarstrafordnung ausreichende Möglichkeiten bieten wird, um solche Vorkommnisse zu verhindern, da sowohl Untergebene wie Vorgesetzte gleichermaßen von dieser Regelung betroffen würden.

(Abg. Dr. Menzel: Ihr Antrag für Lautz!)

— Herr Dr. Menzel, lassen Sie mich bitte ausreden! Ihre Zwischenrufe sind so schlecht wie die Politik, die Sie machen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

— Ja, sehen Sie, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus.

(Zuruf von der SPD: Das sollten Sie sich mal merken! — Anhaltende erregte Zurufe von der SPD.)

S) Siehe Anlage 6.


(Schneider [Bremerhaven])

Meine Freunde von der Deutschen Partei — —

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD. — Abg. Baur [Augsburg] : Sie haben überhaupt keinen Begriff von Menschenwürde und Menschenrecht! — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß mit dieser Formulierung die Urteilsfähigkeit der Untergebenen überfordert wird. Es besteht die Gefahr, daß künstliche Gewissenskonflikte konstruiert werden, was gerade in einem Fall eintreten könnte, wo es sich in entscheidender Lage um Befehle handelt, die schnell gegeben und die auch schnell ausgeführt werden müssen.
Ganz besonderen Anstoß nehmen wir aber an der letzten Formulierung:
die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung.
Wir sollten unbedingt darauf sehen, daß die Verantwortung für Befehle ausschließlich beim Vorgesetzten liegen muß und nicht, auch nicht teilweise, auf den Untergebenen abgewälzt werden darf. Wenn wir uns dieses Prinzip zu eigen machen — und die Fraktion der DP hat das getan —, dann können wir uns mit dem letzten Satz nicht einverstanden erklären.
Ich bitte Sie, unserem Antrage zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213205500
Sie haben die Begründung dieses Änderungsantrags gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0213205600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Wenn der Herr Kollege Schneider etwas mehr Gelegenheit und Zeit gehabt hätte, an den Beratungen des Verteidigungsausschusses persönlich teilzunehmen,

(Beifall bei der SPD)

würde er diesen Antrag und einige andere Anträge vielleicht nicht gestellt haben. Ich möchte für die Fraktion der CDU/CSU jedenfalls erklären, daß wir den Streichungsantrag mit Entschiedenheit ablehnen. Die Erfahrungen der Vergangenheit und der Wille, eine Armee aufzubauen, die auf Menschenrecht und Menschenwürde beruht, verpflichten uns dazu, eine solche Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen. Ein Mißbrauch wird durch den zweiten Halbsatz sowieso ausgeschlossen.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213205700
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213205800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Bemerkung des Herrn Kollegen Jaeger ganz energisch zurückweisen. Ich stelle fest, daß ich genau so oft und genau so wenig an Verteidigungsausschußsitzungen teilgenommen habe wie er selbst und andere Kollegen des Ausschusses. Gegebenenfalls kann das ja überprüft werden. Ich halte es für eine zu billige Methode, mit solchen Mitteln hier gegen einen Antrag zu argumentieren, Herr Kollege Jaeger, und ich hätte Ihnen, ehrlich gesagt, etwas mehr zugetraut.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213205900
Nun, ich würde es begrüßen, wenn solche persönlichen Auseinandersetzungen hier unterlassen würden und nicht die Debatte belasteten.
Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0213206000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwar würde auch ich es begrüßen, wenn wir keine unnötigen persönlichen Auseinandersetzungen führen würden. Aber dann muß ein Antragsteller wenigstens die Vorlage auch lesen.

(Zuruf.)

— Ja, um einer Legendenbildung vorzubeugen. Der zweite Halbsatz ist von Herrn Kollegen Schneider so ausgelegt worden, als wollten die Verfasser der Vorlage dem Soldaten die Verantwortung für die Ausführung eines Befehls aufbürden. Das ist gar nicht wahr. Es handelt sich hier lediglich darum, daß er die Verantwortung dafür trägt, wenn er den Befehl nicht ausführt.

(Abg. Metzger: Das hat Herr Schneider nicht kapiert!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213206100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag? — Herr Abgeordneter Becker (Hamburg)!

(Abg. Metzger: Da kommt noch einer, der es nicht kapiert hat!)


Fritz Becker (DP):
Rede ID: ID0213206200
Meine Damen und Herren! Es handelt sich meiner Ansicht nach nicht darum, was hier und dort ausgelegt wird, sondern darum, daß wir ein Gesetz machen müssen, das auch von denjenigen verstanden wird, die es betrifft.

(Zuruf von der SPD.)

Darauf kommt es an. Wenn Sie hier einen Halbsatz anhängen, in dem steht: „die irrige Annahme, es handle sich um einen solchen Befehl, befreit nicht von der Verantwortung", dann muß der betreffende Soldat wieder nachschlagen und muß sehen: „. . . ein Befehl nicht befolgt wird, der die Menschenwürde verletzt oder der nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist". Aus der Formulierung dieses zweiten Halbsatzes geht nicht einwandfrei hervor, wofür die Verantwortung zu tragen ist.

(Abg. Erler: Das steht ja auch nicht darin!)

— Es steht nicht darin. Sie können aber nicht verlangen, daß jemand, der dieses Gesetz kennen und befolgen soll, die scharfsinnigen Überlegungen anstellt, die vielleicht bei vielen Diskussionen im Verteidigungsausschuß angestellt worden sind und schließlich zu dieser Formulierung geführt haben. Es ist nach meiner Ansicht eine mißverständliche Formulierung. Sie führt tatsächlich dazu, daß dem Betreffenden, der eventuell einen Befehl nicht ausführt, eine Verantwortung auferlegt wird, die er nicht tragen kann.
Ich trete deshalb dafür ein und bitte Sie darum, diesen dritten Satz zu streichen — es handelt sich nicht um „Legendenbildung", sondern um die praktische Anwendung, um ein Begreifen des Gesetzes —, damit nicht der Soldat unter dem Eindruck steht, daß ihm eine Verantwortung angelastet werden soll, die tatsächlich nur der Vorgesetzte tragen kann.

(Beifall bei der DP.)



Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213206300
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor. — Meine Damen und Herren, ich kann auch in dieser Sache nur so verfahren, daß ich mit ja oder nein zum Text abstimmen lasse. Ich teile also die Frage und lasse zunächst abstimmen über die ersten beiden Sätze des Abs. 1 von § 9: „Der Soldat muß seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen." Wer diesen Sätzen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die beiden Sätze sind angenommen.
Nun kommt Satz 3, der nach dem Antrag der Deutschen Partei gestrichen werden soll — in der Ausschußvorlage ist dieser Satz dick gedruckt —: „Ungehorsam liegt nicht vor, . . ." bis ,,. . . von der Verantwortung." Wer diesem Satz zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der § 9 Abs. 1 ist damit in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf den Abs. 2 des § 9. Wer diesem Abs. 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abs. 2 ist angenommen.
Ich rufe auf § 10 — § 11 entfällt hier —, § 12, § 13; § 14 entfällt hier. Wer den Beschlüssen des Ausschusses zu § 10 bis § 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 15. Hier liegt ein Änderungsantrag zu Abs. 2 auf Umdruck 530*) vor.
Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist, wenn ich zunächst den Abs. 1 zur Diskussion und zur Abstimmung stelle. Wird zu dem Abs. 1 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über § 15 Abs. 1. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun der Änderungsantrag zu Abs. 2 auf Umdruck 530. Wird der Wunsch geäußert, diesen Änderungsantrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0213206400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die Neufassung des § 15 Abs. 2, wie wir sie vorschlagen, wird der letzte Gedanke des bisherigen Abs. 2 festgehalten, daß der Soldat bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen dürfe; dagegen entfällt, und zwar nur für den Wehrpflichtigen, die Vorschrift, daß außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen der Soldat bei politischer Betätigung die Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren habe, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf seine soldatischen Pflichten ergeben. Wir sind der Auffassung, daß dieser Sachverhalt im § 8 Abs. 6 für alle Vorgesetzten und damit im wesentlichen für die Berufssoldaten in ausreichender Weise geregelt ist. Dort heißt es, daß Offiziere und Unteroffiziere innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren haben, die erforderlich ist, um sich das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. Das bezieht sich selbstverständlich auch auf politische Äußerungen.
Im übrigen ist in den bisherigen Absätzen des § 15 sehr ausführlich über die Grenzen der poli*) Siehe Anlage 10.
tischen Tätigkeit für alle Soldaten gesprochen worden. Eine weitergehende Beschränkung gerade der politischen Meinungsfreiheit und Tätigkeit der Wehrpflichtigen halten wir nicht für angezeigt. Dabei handelt es sich ja nicht nur um jüngere Männer, sondern nach dem Entwurf des Wehrpflichtgesetzes, das dem Bundesrat bereits vorliegt, auch um zahlreiche ältere Männer, die zu Übungen einberufen werden und deren staatsbürgerliche Betätigung hier über Gebühr eingeschränkt wäre.
Zum Schluß erlaube ich mir noch die Berner-kung, daß ich den Satz etwas seltsam finde, daß der Soldat bei politischer Betätigung die Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren habe, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit ergeben. Diese selbe Zurückhaltung und Mäßigung sollte doch eigentlich Sache aller Staatsbürger sein und nicht nur der Soldaten. Ich glaube, das gilt sogar für die Mitglieder des Bundestages, ganz gleich, auf welchen Bänken sie sitzen, daß sie sich bei ihrer Arbeit der Stellung gegenüber der Gesamtheit durchaus bewußt sind. Oder etwa nicht, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD und Heiterkeit.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213206500
Meine Damen und Herren, wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Berendsen!

Fritz Berendsen (CDU):
Rede ID: ID0213206600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Streichung so verstanden wird, Herr Kollege, wie Sie es eben sagten, daß Sie das auch auf uns, auf jeden Staatsbürger beziehen, dann kann man mit dieser Erklärung selbstverständlich einverstanden sein. Wenn das also ausdrücklich damit gemeint ist, dann, glaube ich, ist auch von unserer Seite nichts dagegen einzuwenden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213206700
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, damit kein Mißverständnis entsteht, möchte ich folgendes sagen. Ich habe vorhin den Abs. 1 a nicht ausdrücklich aufgerufen. Wir können ihn als einen Teil des Abs. 1 betrachten. Entsprechendes gilt dann für Abs. 2 a.
Wir haben zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck 530*) abzustimmen. Wer diesem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige ablehnende Stimmen ist der Änderungsantrag auf Umdruck 530 angenommen.
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zur Abstimmung über den Abs. 2 einschließlich Abs. 2 a, genau so wie vorhin Abs. 1 a in Abs. 1 eingeschlossen gewesen sein soll. Wer diesem Abs. 2 in der durch die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 530 veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen einige ablehnende Stimmen angenommen.
Ich komme zu § 15 a — hier liegen Änderungsanträge nicht vor —, § 15 b, — § 15 c, — § 15 d, —§ 16 entfällt, § 17 mit allen Absätzen, — § 18, —§ 19,—§ 20,—§ 21,—§ 22,—§ 23,—§ 23 a,§ 24,—§ 25,—§ 26,—§ 26 a, — § 27,—§ 28,§ 29, — § 30, — § 31. — Wird zu sämtlichen noch offenen Paragraphen des Ersten Abschnitts das
*) Siehe Anlage 10.


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen des Ersten Abschnitts in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich komme zum Zweiten Abschnitt und rufe auf die §§ 32,-33,-34,-35,-36,-37,-38,39, — 40. — So weit liegen bis jetzt keine Änderungsanträge vor. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Nunmehr kommen wir zu dem § 41. Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor, die sich aus der Annahme des Änderungsantrags des Abg. Kliesing ergeben. Auf Umdruck 524 heißt es unter Ziffer 2:
In § 41 Abs. 2 Nr. 4 werden die Worte „das feierliche Gelöbnis" durch die Worte „den Eid" ersetzt.
Über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 526 wird besonders abzustimmen sein. Zunächst zum Änderungsantrag des Abg. Dr. Kliesing zu § 41 Abs. 2 Nr. 4. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; die Fassung ergibt sich ja aus der Annahme des früheren Änderungsantrags. Der DP-Antrag spricht von „Diensteid". Ich habe verstanden, daß vorhin das Wort „Eid" angenommen worden ist, und nehme an, daß es dabei bleiben soll. Darf ich die Herren Antragsteller von der Deutschen Partei fragen, ob sie auf „Diensteid" beharren oder ob sie sich mit dem „Eid" einverstanden erklären?

(Abg. Schneider [Bremerhaven]: Eid!)

— Dann fällt der Änderungsantrag der Deutschen Partei unter Ziffer 7 weg, und wir stimmen zunächst ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 524 Ziffer 2 zu § 41 Abs. 2 Nr. 4. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag Umdruck 524 Ziffer 2*) ist angenommen. Damit ist gleichzeitig der FDP-Antrag erledigt, der ja wortwörtlich denselben Inhalt hat.
Meine Damen und Herren, wird zu den übrigen Bestimmungen des § 41 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich stelle dann den ganzen § 41 mit der bereits beschlossenen Änderung zu Abs. 2 Ziffer 4 zur Abstimmung. Wer diesem Vorschlag des Ausschusses mit der eben beschlossenen Änderung in Abs. 2 Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —§ 41 ist mit der beschlossenen Änderung in Abs. 2 Ziffer 4 angenommen.
Ich rufe auf die §§ 42, — 43, — 44, — 45, —46,-47,-48,-49,-50,-51,-52,-53,-53a,-54,-55,-56,-57a,-57b,-57c,-57 d, — 57 e. — Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Paragraphen sind in zweiter Lesung angenommen.
*) Siehe Anlage 7.
Zu § 57 f liegt auf Umdruck 526 Ziffer 8**) ein Streichungsantrag vor. Ich kann es wiederum nur so machen, daß ich den Text des § 57 f zur Abstimmung aufrufe. Wer dem § 57 f zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das ist die Mehrheit; § 57 f ist angenommen. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zu diesem Punkt erledigt.

(Widerspruch bei der DP.)

- Verzeihung, wollten Sie das Wort?

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Zur Geschäftsordnung!)

— Noch einmal zur Geschäftsordnung? (Unruhe in der Mitte und links.)

— Meine Damen und Herren, es sollen alle rechtlichen Bedenken hier erwogen werden; deshalb gedulden Sie sich! — Herr Abgeordneter Schneider (Bremerhaven) zur Geschäftsordnung!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213206800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, vorhin eingehend genug dargelegt zu haben, daß wir Wert darauf legen, unsere Anträge zu begründen, sofern wir durch die Beratungen nicht zu einem gegenteiligen Schluß gekommen sind. Es ist eine schlechte demokratische Gepflogenheit in diesem Hause

(Unruhe und Zurufe von der SPD)

— ich bitte, mich nicht dauernd zu unterbrechen! —,

(Abg. Wehner: Es kam auf den Ton an!)

wenn man den Antragstellern verwehrt, ihre Anträge auch zu begründen. Ich habe vorhin, Herr Präsident, ausdrücklich gebeten, daß Sie mir, auch wenn Sie an der Formulierung unserer Anträge, die zumeist nur auf Streichung lauten, Anstoß nehmen, trotzdem das Wort zur Begründung unserer Anträge geben. Sie haben mir das zugesichert. Ich bin deswegen überrascht, daß. ich auch hier wieder nicht das Wort erhalten habe, obwohl ein Änderungsantrag nach der Geschäftsordnung vorgezogen werden muß.

(Abg. Mellies: Er muß sich zu Wort melden, Herr Präsident!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213206900
Herr Abgeordneter Schneider. es ist in diesem Fall wahrscheinlich ein reines Versehen meinerseits. Ich hatte angenommen, daß Sie sich dazu noch einmal melden würden. Ich hatte mich beim Schriftführer erkundigt, ob diese Meldung erfolgt war; wir haben sie hier nicht bemerkt. Herr Abgeordneter Schneider, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß Sie das, was Sie sachlich zu diesem Änderungsantrag ausführen wollten, schriftlich hier vorlegen und daß das in das Protokoll voll aufgenommen wird.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Zur Geschäftsordnung!)

— Ich gebe Ihnen jetzt noch einmal das Wort zur Geschäftsordnung, dann aber nicht mehr.

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213207000
Meine Damen und Herren. ich muß gegen dieses Verfahren nachdrücklichst Einspruch erheben. Hier handelt es sich darum, daß wir alle in gemeinsamer großer Verantwortung an einem Gesetzeswerk arbeiten, das nicht mit der linken Hand gemacht werden kann.

(Zurufe.)

**) Siehe Anlage 6.


(Schneider [Bremerhaven])

— Schon längst nicht mit der linken Hand, sondern nur gemeinsam!
Herr Präsident, ich bitte es mir nicht zu verübeln, wenn ich mit dieser Hartnäckigkeit darauf bestehe, daß ich zu den Anträgen und zu den Fragen, die meine Fraktion besonders bewegt haben, hier das Wort erhalte. Ich kann mich unter keinen Umständen mit dem hier geübten Verfahren einverstanden erklären.

(Zurufe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213207100
Herr Abgeordneter, wenn Sie dem Präsidenten oder dem Präsidium unterstellen, daß Ihnen mit Absicht das Wort nicht gegeben worden sei, als Sie Anspruch darauf hatten, dann täuschen Sie sich. Ich und das ganze Präsidium haben nicht bemerkt, daß Sie sich zum Wort gemeldet haben.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Herr Präsident, — —)

Ich habe Ihnen gesagt, falls es auf einem Irrtum oder einem Versehen meinerseits beruht

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Es ist das zweite Mal!)

— lassen Sie mich reden, ich lasse Sie auch reden —, dann schlage ich Ihnen vor, diese Erklärung zu Protokoll zu geben. Wenn Sie davon keinen Gebrauch machen wollen, dann stelle ich das fest und fahre in der Verhandlung fort.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Schneider [Bremerhaven] : Herr Präsident, ich werde noch Gelegenheit nehmen, diesen Antrag zu begründen!)

Ich komme zu den §§ 57 g, — 57 h, — 57 i, —57 k, — 58 und 59. — Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Über Einleitung und Überschrift haben wir bereits beraten und beschlossen; ich brauche sie deshalb in der zweiten Lesung nicht noch einmal aufzurufen.
In diesem Augenblick wird vorgeschlagen, nach Beendigung der zweiten Lesung — wir sind jetzt gleich mit der zweiten Lesung fertig — eine Pause von einer Stunde eintreten zu lassen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.

(Widerspruch.)

— Einen Augenblick! Lassen Sie mich erst die zweite Lesung hiermit feierlich schließen.
Nun der Antrag auf Vertagung bzw. Unterbrechung für eine Stunde. Diesem Vorschlag wird hier widersprochen.

(Zurufe.)

— Einverstanden?

(Erneute Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß nach Möglichkeit mindestens eine halbe Stunde, möglichst aber eine Stunde unterbrochen wird. Ich glaube, daß dieser Vorschlag seinen Sinn hat, und möchte Ihnen doch empfehlen, nunmehr eine Stunde Pause zu machen.

(Widerspruch.)

— Nein?

(Teils lebhafte Zustimmung, teils Widerspruch.)

— Meine Damen und Herren, wenn Widerspruch laut wird, dann muß ich abstimmen lassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Menzel hat beantragt, die Sitzung für eine Stunde zu unterbrechen. Ich schlage vor, daß bis 15 Uhr 30 unterbrochen wird. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die große Mehrheit.
Die Sitzung ist bis 15 Uhr 30 unterbrochen.

(Unterbrechung der Sitzung: 14 Uhr 39 Minuten.)

Die Sitzung wird um 15 Uhr 34 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213207200
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Zunächst gebe ich nach § 36 der Geschäftsordnung das Wort zu einer tatsächlichen Erklärung für die Fraktion der FDP dem Herrn Abgeordneten Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0213207300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der zu Beginn der heutigen Sitzung erfolgten Mitteilung über die Bildung einer „Arbeitsgemeinschaft freier Demokraten" als Fraktion gebe ich namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung ab:
1. Die genannte Vereinigung besteht aus 14 Abgeordneten, die sich als Mitglieder der FDP betrachten, und den Abgeordneten Dr. Berg und Euler als Gästen. Entgegen der dem Herrn Präsidenten gemachten Mitteilung ist Abgeordneter Dr. Berg nicht mehr Mitglied der FDP; er hat am 24. Februar 1956 durch Telegramm an den Kreisverband Altena der FDP seinen Austritt aus der FDP erklärt.

(Abg. Mellies: Hört! Hört!)

Der etwaige Versuch, diese Austrittserklärung zu widerrufen, ist rechtlich unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 bis 3 der Geschäftsordnung in Verbindung mit dem Beschluß des 2. Deutschen Bundestages gemäß Drucksache 45 sind somit nicht gegeben. Es handelt sich bei der Vereinigung um keine Fraktion.
2. Außerdem ist es nicht möglich, daß etwa ein und dieselbe Partei durch mehrere Fraktionen im Bundestag vertreten ist. Dies widerspricht der Stellung der Parteien nach Art. 21 des Grundgesetzes und dem Sinn des § 10 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
3. Die neugebildete Vereinigung hat nicht das Recht, sich des Namens „Freie Demokraten" zu bedienen.
4. Da die unter Ziffer 2 angeschnittene Frage von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist, behalten wir uns die geschäftsordnungsmäßig erforderlichen Schritte gemäß § 129 der Geschäftsordnung vor.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten diese formulierte Erklärung noch durch die Mitteilung ergänzen, daß, wie wir erst jetzt erfahren haben, auch der Abgeordnete Dr. Martin Blank seinen Austritt aus der FDP erklärt hat, so daß es sich nur um 13 plus 3 Abgeordnete handelt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213207400
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.


Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213207500
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, eine persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung entgegennehmen zu wollen.
Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, Abgeordneter Dr. von Brentano, hat ausweislich der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", „Stuttgarter Zeitung" und „Stuttgarter Nachrichten" vom 3. März 1956 und anderer Zeitungen auf einer Wahlversammlung in Karlsruhe am 2. März 1956 zu meinem Diskussionsentwurf eines Deutschlandplanes im Gegensatz zu Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier, Vizepräsident Professor Carlo Schmid, Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller und Bundestagsabgeordneten Kurt Georg Kiesinger, die sich in sachlicher Form teils zustimmend, teils ablehnend äußerten, wörtlich zu meiner Person erklärt: „Der Mann soll doch im Sandkasten spielen, aber keine` Politik machen".

(Beifall in der Mitte. — Heiterkeit.)

Damit glaubt Herr von Brentano, auf einen sachlichen Vorschlag zur Wiedervereinigung Deutschlands mit einer persönlichen Kränkung antworten zu müssen.

(Widerspruch in der Mitte.)

Der beleidigende Hinweis des Herrn von Brentano dürfte im Gegensatz zu dem stehen, was das Volk im geteilten Deutschland von seinen Politikern und Abgeordneten mit Fug und Recht erwarten kann.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim GB/BHE.)

Ich stehe die gleiche Zeit wie Herr von Brentano
im politischen Leben Deutschlands — seit 1945 —
und gehöre seit 1949 wie er dem Deutschen Bundestag an. Die Äußerungen des Herrn von Brentano sind daher nicht nur eines amtierenden Bundesaußenministers unwürdig,

(Sehr richtig! links)

sondern auch ungehörig.

(Beifall bei der FDP, der SPD und beim GB/BHE. — Anhaltende Unruhe in der Mitte.)

Es erscheint mir zweckmäßig, die Entgleisung des Herrn Bundesaußenministers von Brentano im Protokoll des Deutschen Bundestages festzuhalten, damit nicht in Vergessenheit geraten kann, wie ein Bundesaußenminister von Brentano im Jahre 1956 zu einem aus ernster Sorge um die Einheit Deutschlands geborenen Vorschlag glaubt Stellung nehmen zu müssen.

(Erneuter Beifall bei der FDP, der SPD und beim GB/BHE. — Lebhafte Gegenrufe von der Mitte. — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine persönliche Erklärung mehr! — Unruhe.)

Die Damen und Herren seiner Fraktion, die bei dem Zitat „Der Mann soll doch im Sandkasten spielen, aber keine Politik machen" hier geklatscht haben, haben sich auf das gleiche Niveau gestellt. Ich schäme mich für sie.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, der SPD und beim GB/BHE. — Anhaltende Gegenrufe von der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213207600
Meine Damen und Herren, Sie haben eine persönliche Erklärung

(lebhafte Zurufe von der Mitte: Nein, das war keine Erklärung!)

nack § 36 der Geschäftsordnung gehört. Dazu gibt es jetzt keine Debatte. Ich frage, ob eine andere Erklärung dazu abgegeben wird. — Dann darf ich bitten, daß sie mir nach der Geschäftsordnung vorher schriftlich vorgelegt wird.
Wir fahren nunmehr in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf die
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0213207700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestagsausschuß für Verteidigung hat am 13. Oktober vorigen Jahres mit den Beratungen der Ergänzungen des Grundgesetzes auf dem Gebiete der Wehrpolitik begonnen. Fast fünf Monate haben der Verteidigungsausschuß und der Rechtsausschuß sich mit diesen Entwürfen befaßt, bis schließlich heute das Plenum des Hohen Hauses sie berät. Sie sind wirklich in einer gründlichen und eingehenden Beratung herangereift, und nunmehr ist die Entscheidung fällig. Über die Grundlagen alter Anträge hinaus sind eine Reihe neuer Gesichtspunkte berücksichtigt worden, die vor allem die Stellung der Armee im Staat betreffen.
Die Meinungen in diesem Hohen Hause waren seit jeher geteilt, ob und inwieweit Grundgesetzergänzungen rechtlich zwingend notwendig seien. Aber man war sich von jeher in diesem Hause und der Bundesregierung gegenüber darüber einig, daß Ergänzungen des Grundgesetzes verfassungspolitisch notwendig sind. Sie sind es deshalb, weil der Parlamentarische Rat seinerzeit nicht in der Lage war, das zu tun, was die Weimarer Nationalversammlung getan hatte, nämlich die grundlegenden Bestimmungen über die Armee, über den Oberbefehl, über das Verhältnis von Armee und Staat in die Verfassung hineinzuschreiben, weil es damals gegen die Richtlinien der Alliierten verstoßen hätte. Nachdem die Besatzungsmächte von damals unsere Verbündeten geworden sind und die weltpolitische Lage heute auch von ihnen anders beurteilt wird als damals, ist nunmehr die Notwendigkeit gegeben, daß das inzwischen souverän gewordene deutsche Volk nachholt, was im Parlamentarischen Rat versäumt werden mußte.
Da das Grundgesetz seinerzeit unter der Mitarbeit aller politischen Parteien entstanden und mit den Stimmen der meisten politischen Parteien verabschiedet worden ist, war es notwendig, daß dieser Teil des Grundgesetzes, der nun nachgeholt wird, nicht von einer kleinen Mehrheit oder auch nur von einer knappen Zweidrittelmehrheit, die nach dem Grundgesetz notwendig ist, verabschiedet wird; es war vielmehr wünschenswert und notwendig, daß diese Ergänzung des Grundgesetzes von allen Parteien, von der Koalition sowohl wie von der Opposition, angenommen wird. Das Bestreben, das im Verteidigungsausschuß und im Rechtsausschuß geherrscht hat und von dem ich hoffe, daß es heute seine Erfüllung finden wird, ging dahin, daß diese Bestimmungen, die grundlegend für die Stellung der Armee im Staat sein werden, möglichst einstimmig angenommen werden. Ich darf die Hoffnung meiner politischen Freunde ausdrücken, daß das nun geschehen wird, nachdem es an Kompromißbereitschaft auf allen Seiten dieses Hohen Hauses nicht gefehlt hat. Wir sind seit jeher der Meinung, daß es über dem Streit


(Dr. Jaeger)

und Kampf der politischen Parteien, der in einer Demokratie richtig und notwendig ist, eine Reihe von Gebieten, besonders Gebieten nationaler Lebensinteressen, gibt, in denen sich alle Politiker und alle Parteien, die sich zum demokratischen Staat bekennen, einig sein sollten, unbeschadet dessen, ob sie gerade an der Regierung beteiligt sind oder sich in Opposition befinden. Solche Verhältnisse haben wir in den großen angelsächsischen Demokratien, und wir wünschen seit jeher, daß solche Verhältnisse auch bei uns herrschen mögen.
Es ist nach schwierigen Verhandlungen dank allgemeiner staatspolitischer Einsicht auf sämtlichen Seiten gelungen, zu einem Einverständnis zwischen den Parteien zu kommen und damit Koalition und Opposition in dieser Frage zu einigen. Wir sehen darin einen ersten und bedeutsamen Schritt, auch in Deutschland bestimmte lebenswichtige Fragen aus dem Streit der Parteien herauszunehmen und die Erkenntnisse daraus zur allen gemeinsamen Grundlage der Gesamtpolitik zu machen.
Wir halten diesen Punkt für um so wichtiger, als wir unter keinen Umständen wünschen, daß die Armee, in der die Söhne aller Bürger, der Angehörigen aller politischen Parteien, dienen werden, die Sache einer Partei oder einer Parteienkoalition wird. Die Bundeswehr kann und muß werden eine Sache der ganzen Nation, des ganzen Volkes und damit des ganzen Staates und des ganzen Parlamentes.

(Beifall in der Mitte.)

Bei den Beratungen über die Ausgestaltung der Ergänzung des Grundgesetzes haben wir uns vor allem davon leiten lassen, das Verhältnis der Bundeswehr zum Staat zu regeln. Wir wollten Fehler der Vergangenheit vermeiden und haben uns dafür entschieden, daß, um den Primat des Politischen über das Militärische klar und eindeutig zu betonen, die Befehls- und Kommandogewalt dem Bundesminister für Verteidigung gegeben wird, der sie auszuüben hat im Rahmen der Richtlinien der Politik, die der Bundeskanzler gibt, und unbeschadet der Prärogativen des Staatsoberhauptes, die die Verfassung im einzelnen aufzählt. Wir wollten verhindern, daß wieder, wie in früheren Zeiten, ein unmittelbarer Weg Generalität und Staatsoberhaupt verbindet, und wollten die parlamentarische Verantwortlichkeit völlig klarstellen. Unbeschadet dessen sind wir allerdings der Meinung und haben es auch im Grundgesetz verankert, daß es gewisse, sehr bescheiden gewordene, aber doch wichtige Prärogativen des Staatsoberhauptes gibt, das als der Exponent der Nation über allen Parteien in gewissen Fragen ein entscheidendes Wort zu sprechen haben soll, allerdings immer mit der Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers, bei den Grundfragen der des Bundeskanzlers selber.
Darüber hinaus sollte, um zu verhindern, daß die Bundeswehr ein Staat im Staate wird, eine parlamentarische Kontrolle wirksam sein. Wir haben uns deshalb mit den anderen Parteien darauf geeinigt, daß vor allem der Verteidigungsausschuß besondere Rechte erhalten soll, die es ihm ermöglichen, die Befugnisse auszuüben, deren Ausübung einem Parlament von 500 Abgeordneten, das öffentlich tagt, nicht möglich ist. Daß dem Ausschuß dabei die Rechte eines Untersuchungsausschusses übertragen sind, halten wir sowohl unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Kontrolle für einen sachlichen Fortschritt als auch deshalb begrüßenswert, weil damit die übliche Methode von Untersuchungsausschüssen, die sich auf dem Gebiet der Verteidigung nicht bewähren würde, in diesem Falle vermieden wird.
Selbstverständlich ist die Verteidigung Angelegenheit des Bundes. Wir haben aber trozdem dahin gewirkt und freuen uns, daß im Verteidigungs-
und im Rechtsausschuß Übereinstimmung darin erzielt worden ist, daß gemäß alter 'deutscher Tradition die landsmannschaftliche Gliederung und die Gliederung des Bundes in Länder Berücksichtigung finden sollen. Bei den schwierigen Fragen der Wehrverwaltung haben wir in gemeinsamer Arbeit mit dem Bundesrat versucht, eine Lösung zu finden, von der wir hoffen, daß sie nun auch im Bundesrat angenommen wird, so daß weitere gesetzgeberische Komplikationen vermieden werden können.
Schließlich haben wir uns angelegen sein lassen, uns darum zu bemühen, daß die Stellung des Soldaten in der Armee den Grundsätzen eines freiheitlichen Staates entspricht. Natürlich beruht eine jede Armee auf Autorität, auf Befehl und Gehorsam. Aber die Begrenzung des Befehlsrechtes und der Gehorsamspflicht mußte ebenso klargestellt werden, wie die Grundrechte zu betonen sind; denn der Soldat von morgen ist ein Staatsbürger in Uniform, und wir wünschen, daß diese Parole nicht zum leeren Schlagwort wird, sondern inhalterfüllt bleibt.

(Beifall in der Mitte.)

Wir haben uns deshalb dafür entschieden, die Grundrechte nur in einzelnen Fällen, die ausdrücklich aufgeführt werden, zu beschränken.
Wir haben uns auch darauf geeinigt, zum Schutz der Grundrechte einen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages einzusetzen. Die Mehrheit meiner politischen Freunde hat gegen diese Institution schwere sachliche Bedenken, denen, glaube ich, auch die Gegenseite nicht jedes Gewicht absprechen kann. Aber wir alle, ob wir, wie ich persönlich, Anhänger dieser Institution sind oder nur aus staatspolitischen Gründen, um eine Gesamteinigung zu erzielen, dieser Bestimmung zustimmen, hoffen, daß es durch eine weitere kluge Gesetzgebung, vor allem durch eine gute Durchführung der Gesetze und die Wahl richtiger Persönlichkeiten möglich sein wird, die Gefahren, die vielleicht in dieser Sache liegen mögen, zu vermeiden und auch diese Institution ähnlich fruchtbar zu gestalten wie in einigen nordischen Ländern.
Angesichts der großen Bedeutung 'der Frage, die heute zu entscheiden ist und die nach der Abstimmung über die außenpolitischen Verträge wohl die wichtigste ist, über die der Deutsche Bundestag bisher zu entscheiden hatte, ist es in der dritten Lesung nicht angebracht, auf Einzelheiten einzugehen; sie sind längst diskutiert. Es geht nur darum, die Grundsätze aufzuzeigen und zu betonen, daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union, auch wenn sie im einzelnen Bedenken haben mag, im ganzen aus Überzeugung der Grundgesetzänderung zustimmt, weil sie uns ein großer Fortschritt zu sein scheint in der Entwicklung des Verhältnisses von Armee und Staat und in der Gestaltwerdung der deutschen Demokratie. Unser größter Wunsch ist aber, daß für das Verhältnis von Armee und Staat ein neues Kapitel der deutschen Geschichte aufgeschlagen wird und daß die Gesetzgebung, die wir heute


(Dr. Jaeger)

verfassungsmäßig einleiten, nur dem einen Ziel dienen möge: den inneren und den äußeren Frieden unseres Volkes zu fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213207800
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0213207900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur dritten Lesung des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und zur Schlußabstimmung über dieses Gesetz habe ich für die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses folgende Erklärung abzugeben.
Vor zwei Jahren haben gegen den Widerspruch der sozialdemokratischen Minderheit Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit das Gesetz vom 26. März 1954 zur Ergänzung des Grundgesetzes beschlossen. Die damals gefallene Entscheidung hat das Bonner Grundgesetz, das keine Möglichkeit zur Aufstellung bewaffneter Streitkräfte vorsah, völlig umgestaltet und das Wesen der Bundesrepublik als eines unbewaffneten Staates von Grund auf verändert. Jenes Gesetz spricht aus, daß unsere Verfassungsordnung dem Abschluß von Militärbündnissen, durch die sich die Bundesrepublik zur Bewaffnung verpflichtet, nicht entgegenstehen soll. Insbesondere ist damals durch die Neufassung des Art. 73 Ziffer 1 des Bonner Grundgesetzes eine Wehrgewalt des Bundes und seine Zuständigkeit zur Gesetzgebung über die Verteidigung einschließlich der Wehrpflicht begründet worden. Im Anschluß an jene so tiefgreifende Veränderung unserer Verfassung sind die Pariser Verträge abgeschlossen, wieder im Bundestag und im Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit gebilligt ) sowie von dem Herrn Bundespräsidenten durch Ratifikation in Kraft gesetzt worden. Völkerrechtlich sind sie gegen unseren Willen verbindlich geworden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen im Bundesrat haben die Pariser Verträge abgelehnt.
Mit jenen in der Vergangenheit liegenden Entscheidungen ist auch die Wiederbewaffnung des geteilten Deutschland eine beschlossene Sache. Wir Sozialdemokraten, die wir uns jenen Entscheidungen widersetzten, billigen sie politisch auch heute nicht, sondern halten sie nach wie vor für verhängnisvoll.

(Beifall bei der SPD.)

Vor der Geschichte trifft die Verantwortung dafür, daß in den Jahren 1954 und 1955 diese folgenschweren Schritte getan wurden, jene Parteien, die sich damals gegen die Sozialdemokratie zur Zweidrittelmehrheit zusammenschlossen.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Es hat sich nichts daran geändert, daß wir Sozialdemokraten politisch die Pariser Verträge entschieden ablehnen. Unsere Warnungen, daß der Weg einer solchen Vertragspolitik die deutsche Wiedervereinigung in gesicherter Freiheit erschwert und gefährdet, haben sich in der Folgezeit als gerechtfertigt erwiesen. Es wird äußerster Anstrengung und eines neuen Anfangs bedürfen, um in der dringlichsten Frage unserer Politik, der Frage der Wiedervereinigung, Fortschritte zu erzielen.
Bei der heute zu verabschiedenden Gesetzesvorlage geht es nicht um den Grundsatz der Wiederbewaffnung oder um die Vertragspolitik, sondern darum, verfassungskräftig Vorsorge dafür zu treffen, daß die bewaffnete Macht nicht wieder zum Staat im Staate wird, sondern die demokratische und freiheitliche Grundordnung trotz der veränderten Verhältnisse aufrechterhalten und gesichert bleibt. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, die Parteien dieses Bundestages hätten sich in der Wehrfrage geeinigt. Davon kann keine Rede sein. Hier und heute geht es nicht um die Wehrfrage, sondern um die innere Freiheit, um die Demokratie sowie um die Bürger- und Menschenrechte.
Wir Sozialdemokraten bedauern, daß die Bundesregierung keinen Finger gerührt und nichts dazu beigetragen hat, die Verfassungsordnung in der notwendigen Weise so neu zu gestalten, daß sich die Bewaffnung nicht zur innerpolitischen Gefahr auswächst. Weit davon entfernt, hier ihre Pflichten zu erfüllen, zeigte sich die gegenwärtige Bundesregierung sogar gewillt, mit einfacher Mehrheit die Wehrgesetze zu erlassen, ohne den verfassungspolitischen Erfordernissen, die sie selbst anerkannte, Genüge zu tun. Die Vorlage zur Ergänzung des Grundgesetzes mußte deshalb aus der Mitte des Bundestages kommen und im Wege der Initiative von den Fraktionen erarbeitet werden.
Wir konnten und werden niemals anerkennen, daß die im Bonner Grundgesetz verbürgten Grundrechte von selbst ihre innere und unbestimmte Grenze an den Wehrgesetzen finden. Die Verfassung gilt nicht im Rahmen der Wehrgesetze, sondern ein jedes Wehrgesetz muß seine Grenzen an den Vorschriften der Verfassung finden.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Daher dürfen Grundrechte nur in dem unbedingt notwendigen Maße eingeschränkt werden, wie es die Verfassungsurkunde selber ausdrücklich bei einzelnen Grundrechten zuläßt.
Das von den beteiligten Fraktionen sowie dem Verteidigungs- und dem Rechtsausschuß erarbeitete Gesetz richtet sich deshalb nicht gegen die Bundeswehr und die in ihr dienenden Soldaten, sondern soll ein Gesetz zugunsten der Bürger in Uniform sein. Das gleiche gilt für alle Vorschriften, denen wir unsere Zustimmung erteilen werden. Sie haben nicht den Sinn, sich aus Mißtrauen gegen die Menschen zu wenden, die künftig Waffen tragen sollen oder wollen, sondern diese Gesetzgebung hat zum Ziel, der Demokratie für alle zu dienen, auch zugunsten der Bundeswehr.
Als Fortschritte sehen wir die Einrichtung eines Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages an sowie die Ausgestaltung des Verteidigungsausschusses zu einem Verfassungsorgan mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses. Ein solches Ausmaß demokratischer Einrichtungen, um den Vorrang der zivilen Gewalt der parlamentarischen Regierung zu sichern, sowie innerhalb und außerhalb der Bundeswehr ein Höchstmaß an Menschen-und Bürgerrechten zu gewährleisten, hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Die Auswirkungen sollen und werden sich nicht gegen die Bundeswehr richten, sondern wollen die Bundeswehr als eine demokratische Einrichtung in das Ganze unserer freiheitlichen Grundordnung eingliedern.
Die infolge der vorausgegangenen Entscheidungen notwendige Ausgestaltung des Grundgesetzes widmet sich schließlich der Gewissensfreiheit, die durch den für uns unantastbaren Art. 4 jedermann versprochen ist, der aus Gewissensgründen den


(Mellies)

Dienst mit der Waffe verweigert. Die Grundgesetzergänzung sichert, daß Ausführungsgesetze die Freiheit dieser Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen dürfen, insbesondere keinen Ersatzdienst vorschreiben können, dessen Dauer die Dauer der Wehrpflicht überschreitet. Es gibt in der Welt keine Verfassung, die sich den Schutz der Gewissen zugunsten von Wehrdienstverweigerern so angelegen sein läßt wie die unsere.
Von unserer politischen Gegnerschaft gegen die Wiederbewaffnung des geteilten Deutschland weichen wir keinen Finger breit ab, weil wir den Weg zur Einheit in Freiheit unseres ganzen Volkes durch diese Wiederbewaffnung als gefährdet erkennen. Da gegen uns eine Wiederbewaffnung beschlossen ist, sehen wir es jedoch als unsere Pflicht an, für die Demokratie innerhalb und außerhalb der in der Entstehung begriffenen Bundeswehr Sorge zu tragen. Wir sind daher überzeugt, unsere Verantwortung der Demokratiegegenüber dadurch zu erfüllen, daß wir diese Ergänzungen des Grundgesetzes bejahen. Unsere Verfassung ist mit den sozialdemokratischen Stimmen angenommen. Wir bekennen uns zu diesem Staat, den wir mitzutragen und mitzugestalten entschlossen sind und immer bleiben werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den übrigen Fraktionen.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213208000
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213208100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die bedeutungsvollste und schwierigste Aufgabe
jeder Regierung, für die Sicherung der nationalen Existenz zu sorgen. Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind in dieser sicher sehr schweren Stunde der Auffassung, daß auf dem Wege, den wir jetzt beschreiten, die Sicherung erfolgen kann. Es ist ein weiter Weg von 1945 bis heute. Meinen Freunden ist es nicht leicht gefallen, zuzustimmen, daß nach all dem, was wir in Deutschland im Kriege und nach dem Kriege erleben mußten, nun wieder Streitkräfte aufgestellt werden. Aber vor die Frage gestellt, ob wir dem Gefühl oder den realpolitischen Tatsachen Raum geben sollen, haben wir uns als Realpolitiker für letzteres entschieden, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir der Überzeugung sind, daß es zur Bewahrung des freiheitlichen Lebensraumes Westdeutschlands notwendig ist, diesen Raum zu schützen. Auch wir sind davon durchdrungen, daß bei der Aufstellung neuer Streitkräfte, wie sie jetzt durch die Grundgesetzergänzungen unter anderem festgelegt werden, das Primat der Politik unbedingt gewährleistet sein muß. Wir sind aber andererseits auch der Meinung, daß es nun der Kontrolle genug sein muß.
Ich möchte zum Schluß betonen, daß wir uns bei dem Schritt, den wir jetzt unternehmen, der Verpflichtung allen Opfern des Krieges und der Kriegsfolgen gegenüber voll bewußt sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213208200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213208300
Herr Präsident! Meine Damen und. Herren! Ich habe die Ehre, für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei folgende Erklärung zur dritten Lesung der Grundgesetzergänzungen hier abzugeben.
Als die Bundesregierung im Sommer vorigen Jahres durch den Bundesminister für Verteidigung hier eine Regierungserklärung zur Wehrfrage abgeben ließ, stand sie auf dem Standpunkt, daß Ergänzungen des Grundgesetzes zu Wehrfragen verfassungspolitisch zwar erwünscht, jedoch verfassungsrechtlich nicht erforderlich seien. Der Sprecher der freien demokratischen Fraktion ist damals dieser Auffassung entgegengetreten. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß sich unsere Meinung durchgesetzt hat.
Allerdings sind die Vorstellungen, die wir von der Regelung des Oberbefehls hatten, andere gewesen, und wir bedauern, daß sie nicht angenommen wurden. Wir wollten, daß der Bundespräsident in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt Oberbefehlshaber über die Wehrmacht des Bundes werden und daß es selbstverständlich zu allen seinen Maßnahmen der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers bedürfen sollte. Die jetzige Aufteilung des Oberbefehlsrechtes auf den Bundespräsidenten, dem im wesentlichen nur repräsentative Funktionen verbleiben, den Bundeskanzler und den Bundesminister für Verteidigung bringt eine solche Komplizierung dieses in anderen Staaten selbstverständlichen höchsten Rechtes mit sich, daß wir die Sorge haben, diese Regelung werde sich in der Praxis nicht bewähren.
Trotzdem wird die Fraktion der Freien Demokraten den Ergänzungen des Grundgesetzes in vollem Umfange heute zustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213208400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in dritter Lesung. Änderungsanträge in der dritten Lesung sind nicht eingebracht.

(Zuruf: Doch!)

— Es sind keine Änderungen, meine Damen und Herren, sondern es ist die Zusammenstellung der in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen; ich darf also bitten, sich dadurch nicht beirren zu lassen.
Ich stelle den Entwurf, wie er mit der in der zweiten Lesung zu Art. 87 a beschlossenen Änderung in zweiter Lesung angenommen worden ist, nunmehr zur Abstimmung in der dritten Beratung. Meine Damen und Herren, da es sich um eine Grundgesetzänderung handelt, haben wir nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu verfahren, das heißt, die Abstimmung muß durch Auszählung durchgeführt werden. Ich darf deshalb bitten, den Saal zu räumen und zur Auszählung zu kommen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich frage, ob die nunmehr im Raume anwesenden Mitglieder des Hauses sämtlich Berliner Abgeordnete sind. —Ich bedanke mich.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Ich bitte, die Auszählung zu beenden und die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren! Der Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes schreibt für ein verfassungsän-


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

derndes Gesetz die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages vor. Bei der Auszählung haben der Vorlage 390 Mitglieder des Hauses zugestimmt; dagegen haben 20 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten hat sich niemand. Ich stelle fest, daß damit die vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages erreicht ist und der Bundestag dieses Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes angenommen hat.
Bevor wir zum Soldatengesetz kommen, habe ich noch über den Ausschußantrag in der Drucksache 2150 Ziffer 2 abstimmen zu lassen. Ich setze Ihr Einverständnis damit voraus, daß ich sämtliche Artikel der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 124, 125 und 171 zusammen aufrufe und zur Abstimmung bringe; in einer anderen Form kann ich über den Ausschußantrag nicht abstimmen lassen. Wer den aufgerufenen Artikeln der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 124, 125 und 171 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!

(Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, es handelt sich um die Vorlagen, die nach dem Ausschußantrag abgelehnt werden sollen; aber ich kann sie nicht einfach für erledigt erklären, sondern da es sich um Gesetzentwürfe handelt, muß ich darüber in zweiter Lesung abstimmen lassen. Ich komme also noch einmal zu der Abstimmung und rufe in der Abstimmung der zweiten Lesung alle Artikel in den Vorlagen Drucksachen 124, 125 und 171 auf. Wenn diese Vorlagen abgelehnt werden sollen, muß also jetzt mit Nein gestimmt werden.

(Heiterkeit.)

Wer also diesen Vorlagen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer dagegen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Enthaltungen? — Die Vorlagen Drucksachen 124, 125 und 171 sind abgelehnt.
Damit kommen wir zu der
Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) (Drucksachen 2186, 2140, 1700).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berendsen.

Fritz Berendsen (CDU):
Rede ID: ID0213208500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abzugeben.
Die Beratungen über das Soldatengesetz, die wir in diesem Hause gepflogen haben, sind mit großer Sorgfalt und Energie sowie unter konstruktiver Zusammenarbeit aller Parteien und der beteiligten Ministerien erfolgt. Wir glauben, daß wir damit diesem Gesetz von uns aus diejenige Ehre angetan haben, deren die fundamentalen Bestimmungen, die es enthält, wohl bedürfen. Wir glauben, daß wir etwas Neues geschaffen haben, um das neue Soldatentum hiermit aus der Taufe zu heben. Wir stehen an einem neuen Anfang, der genau so einschneidend ist, wie etwa die Reformen Scharnhorsts nach dem Zusammenbruch von 1806 waren. Wir wollen eine Bundeswehr aufbauen, durchdrungen von der Überzeugung, daß ihre christliche, freiheitliche, westliche Weltanschauung dem bolschewistischen Materialismus und Terror aus dem Osten
überlegen ist. Wir wollen eine Bundeswehr schaffen, die in der Lage ist, auf der Grundlage freiwilligen Gehorsams freudig ihre Pflicht zu tun, Volk und Land tapfer zu verteidigen, wenn der Osten es sich je in den Sinn kommen lassen sollte, uns anzugreifen.
Wir haben beim Legen der Fundamente dieses neuen Heeres auf der anderen Seite nicht vergessen, welche große Bedeutung die Übernahme alles Guten aus der Vergangenheit hat. Tradition ist in einem Heere das Salz, der Sauerteig, ohne den alles Tun und Lassen im militärischen Leben keinen Erfolg verspricht.
Ich darf in dieser abschließenden Beratung betonen, daß ich mich zu meiner großen Freude weitgehend auf den Bericht des Kollegen Merten beziehen kann. Dieser ausgezeichnete Bericht gibt in vollkommen zutreffender Form und erschöpfend alles das wieder, was in den Beratungen des Verteidigungsausschusses eine Rolle gespielt hat. Es ist daher wünschenswert, daß dieser Bericht nach Verabschiedung des Gesetzes nicht in den Akten des Bundestages untergeht, sondern den Soldaten und den zivilen Stellen der Bundeswehr weitgehend bekanntgemacht wird.
Ich kann es mir also versagen, zu weitschweifig zu werden, und mich auf die Hauptpunkte beschränken. Der Staat, die Bundesrepublik, und der Soldat, jeder Soldat, gleich ob Berufssoldat, Soldat auf Zeit oder Wehrpflichtiger, sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden. Das heißt: so wie der Staat verlangt, daß der Soldat der Bundesrepublik Deutschland treu dient und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigt, genauso kann und soll der Soldat erwarten, daß der Staat seine Pflicht erfüllt, für ihn und seine Familie während und nach Beendigung seiner Dienstzeit zu sorgen. Wir werden uns mit entsprechenden Gesetzesvorlagen bald hier zu befassen haben. Ferner ist selbstverständlich, daß sich diese Fürsorgepflicht auch auf die versehrten Soldaten der letzten Kriege bezieht.
Eine unterschiedliche Behandlung ehemaliger Soldaten und der jetzt neu eintretenden Soldaten ist meines Erachtens nicht möglich. Ebenso spricht meine Fraktion die Hoffnung aus, daß die noch in fremdem Gewahrsam befindlichen sogenannten Kriegsverbrecher nunmehr schnell ihre Freiheit wiedererhalten und zu uns zurückkehren.
Wir fordern in diesem Gesetz von denjenigen, die Soldat werden wollen oder sollen, treue Dienste, die Bereitwilligkeit zur Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes — des ganzen deutschen Volkes —, Tapferkeit, das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung; wir fordern Gehorsam, Kameradschaft und Wahrhaftigkeit. Lange Überlegungen sind der Aufstellung dieser Forderungen voraufgegangen. Trotz mancher Bedenken, derartige ethische Forderungen in ein Gesetz hineinzubringen, haben wir uns hierzu entschlossen. Wir sind der Ansicht, daß ohne diese Grundelemente jedes Soldatentums der Aufbau einer neuen Bundeswehr nicht möglich ist. Viel wird vielleicht hierüber gekrittelt werden. Jeder Deutsche indessen, dem in der materialistischen Welle, in der wir im Augenblick schwimmen, nicht der Blick und das Gefühl für das Wesentliche unseres menschlichen Daseins verlorengingen, wird jedoch mit uns übereinstimmen in der Forderung, daß diese Begriffe in das Grundgesetz des Soldatentums hineingehören. Wir sind sicher, daß hierüber ernst und eindringlich in der Bundeswehr nachgedacht werden muß. Was nützt uns die beste


(Berendsen)

Ausrüstung für unsere Truppen, wenn nicht dieser Geist der Liebe zum deutschen Volk, der Wahrhaftigkeit, der Kameradschaft, des Gehorsams und der Veranwortlichkeit für die Bewahrung von Recht und Freiheit Allgemeingut aller Soldaten würde?!
Da die Soldaten jedoch, wie wir fordern, Staatsbürger in Uniform, also nichts anderes als jeder andere Bürger unseres Volkes sein sollen und sein werden, sind mit diesen Forderungen an die geistige und sittliche Haltung der Soldaten gleichzeitig Maßstäbe gesetzt für die Haltung des ganzen Volkes. Wir sind uns bewußt, daß diese Forderungen und der Wille zu ihrer Erfüllung ohnehin schon die Grundlage unseres Zusammenlebens in der Bundesrepublik bedeuten. Sie werden hier lediglich noch einmal klar herausgestellt und unmißverständlich formuliert.
Wir sind uns bei der Setzung dieser Begriffe auf der anderen Seite klar bewußt gewesen, daß jemand, von dem die Erfüllung so hoher Anforderungen verlangt wird, daß jemand, der die Freiheit als sein höchstes Gut betrachten und für deren Verteidigung den größten Einsatz wagen soll, nicht selber als Soldat schutzlos der Willkür eines seine Grenzen mißachtenden Vorgesetzten ausgeliefert werden darf und soll. Es wurde daher großer Wert darauf gelegt, den Begriff des Vorgesetzten klar zu umreißen, die Begriffe Befehl und Gehorsam so zu fassen, daß mit beidem kein Mißbrauch getrieben werden kann. Der Ausdruck „verbrecherischer Befehl" wurde in das Gesetz aufgenommen.
Wenn auch das beste Gesetz und der vortrefflichste Wille des Gesetzgebers menschliche Unzulänglichkeiten nie ganz wird ausschließen können, so ist es wohl doch gelungen, dasjenige Maß an soldatischer Notwendigkeit für die Erhaltung der Schlagkraft der Truppe und für die Wahrung und Erhaltung der Menschenwürde jedes Soldaten zu finden, das den Auffassungen unserer Zeit und der besonderen Lage unseres Staatswesens angemessen ist. Besondere Bestimmungen zur Durchsetzung dieser Forderungen wie die Wahl von Vertrauensmännern, Beschwerdeordnung, Dienstaufsichtspflicht usw. sind in das Gesetz eingebaut. Wir haben das Vertrauen in die neue deutsche Bundeswehr, daß alle ihre Angehörigen diesen Willen des Gesetzgebers verstehen und danach handeln werden. Wir sind gewillt — das darf ich mir wohl erlauben für uns alle hier auszusprechen —, Verstöße gegen die Grundauffassung von Soldatenpflicht und Soldatenwürde nicht zu dulden.
Viel ist in der Vorbereitung dieses Gesetzes gesagt und geschrieben über inneres Gefüge. Soweit ich das Verteidigungsministerium in seinen dahingehenden Bestrebungen verstanden habe, soll der Geist der Bundeswehr so sein, daß der Soldat sich in der soldatischen Gemeinschaft wohl und geborgen fühlt, daß er in seinen Vorgesetzten nicht seine Feinde, sondern seine Lehrmeister und Freunde, durch Charakter und Können, nicht durch Sterne und Tressen ausgezeichnete militärische Führer sieht, freiwillig gehorcht, die Notwendigkeit des militärischen Dienstes auch in seiner sicher zu fordernden Härte einsieht und innerlich bejaht. Das Gefühl der Kameradschaft und das Treuegefühl zu seiner Einheit sollen ihn beseelen. Wir bejahen deshalb alle diese Bestrebungen und wünschen ihnen vollen Erfolg. Wir warnen jedoch davor, der Jugend ein Bild von dem Dienst in der Truppe zu machen, das der rauhen Wirklichkeit nicht entspricht.
Alles hängt davon ab, ob es gelingt, die richtigen Männer an den richtigen Platz zu setzen. Der junge Offizier und der Unteroffizier sind diejenigen Vorgesetzten, die dem Wehrpflichtigen fast in jeder Minute seiner Dienstzeit gegenübertreten, ihn belehren, ausbilden oder auch verbilden und zum Feind jedes Soldatentums machen können, wenn sie schlechte Menschen und Soldaten sind. Die Auswahl dieser Leute kann also gar nicht sorgfältig genug sein.
Es muß ausgesprochen werden, daß auch die materiellen Bedingungen, die wir dem Unteroffizierskorps bieten, auf die Auslesemöglichkeiten einen großen Einfluß haben. Wir, das Hohe Haus, haben es damit in der Hand, durch Knausern am falschen Fleck unter Umständen alle Bestrebungen des Ministeriums in dieser Hinsicht zu gefährden.
Ich darf schließen mit der Bemerkung: Der rechte Geist ist der einzige Garant dafür, daß alle unsere Hoffnungen auf eine neue Armee, auf eine Armee tauglich für die Verteidigung der Freiheit in Erfüllung gehen. Vertrauen statt Mißtrauen! Vertrauen wir dem guten Kern unseres Volkes, den an die Spitze der Truppe und des Ministeriums berufenen Männern! Helfen wir ihnen, wo wir können! Vergessen wir auf der anderen Seite nie, daß wir, das Hohe Haus, die letzte Verantwortung tragen!
Ich bitte Sie daher, dem Gesetz in der dritten Lesung Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213208600
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0213208700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion habe ich zur dritten Lesung des Entwurfs des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Dieses Gesetz bietet keinen Anlaß für gefühlsbetonte Mystik, für den Gebrauch allzu abgegriffener großer Worte und für leicht als hohl empfundenes Pathos. Die Sozialdemokratische Partei lehnt das Soldatengesetz wie die übrigen Folgegesetze der Pariser Verträge ab. Sie ist dennoch ihrer Pflicht nachgekommen, auch in diesem Gesetz möglichst viel von ihren eigenen Vorstellungen über den richtigen Standort der bewaffneten Macht in einem demokratischen Staatswesen und von der Rolle des Staatsbürgers in der Bundeswehr und von dem Schutz seiner Persönlichkeit durchzusetzen. Die sozialdemokratische Opposition hat auch als Minderheit die Aufgabe, auf jedes Gesetz, das dem Bundestag zur Beschlußfassung vorliegt, gestaltend einzuwirken. Sie erfüllt damit den Auftrag ihrer Wähler und ihre Pflicht gegenüber dem gesamten deutschen Volk.
Ich beziehe mich auf die Erklärung, mit der Abgeordneter Mellies im Namen der sozialdemokratischen Fraktion ihre Zustimmung zu den Grundgesetzänderungen begründet hat. Die Grundgesetzänderungen dienen dem Schutz der Demokratie und dem Schutz des einzelnen Staatsbürgers und seiner Grundrechte. Sie haben außerdem die Aufgabe, die bewaffnete Macht vor einem Mißbrauch zu außenpolitischen Abenteuern oder in einem innerpolitischen Machtkampf zu schützen. Die Kette der übrigen Folgegesetze der Pariser Verträge dagegen dient lediglich unmittelbar der Aufstellung von Streitkräften.


(Erler)

Die Sozialdemokratische Partei lehnt das Soldatengesetz als wesentliches Ausführungsgesetz der Pariser Verträge ab. Es ist ein Glied in der Kette jener Gesetze, die mit dem Freiwilligengesetz begonnen hat und mit dem jetzt dem Bundesrat zugegangenen Wehrpflichtgesetz ihr vorläufiges Schlußglied findet, worin sich die Entwicklung darstellt, die zur Aufstellung von zwei deutschen Armeen in einander feindlich gegenüberstehenden Militärblöcken geführt hat. Die Sozialdemokratische Partei hält diese Entwicklung für ein Unglück für unser Volk. Die Aussichten für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands werden damit nicht verbessert, sondern verschlechtert. Das einsetzende Wettrüsten auf deutschem Boden verschärft die internationalen Spannungen. Die Wiedervereinigung Deutschlands kann aber nur erreicht werden, wenn man die weltpolitischen Spannungen mindert. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion, den vorliegenden Entwurf des Soldatengesetzes abzulehnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213208800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0213208900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten habe ich zur Schlußabstimmung des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Im Juli 1955 ist das Freiwilligengesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet worden. Es sollte eine Beschleunigung beim Aufbau der deutschen Wehrmacht bewirken. Nach drei Vierteljahren läßt sich feststellen, daß dieser Zweck des Freiwilligengesetzes nicht erfüllt ist.
Immer wieder wird durch Angehörige der ausländischen Missionen in Bonn und bei Begegnungen mit Politikern und Soldaten unserer Partnerstaaten im Ausland die Frage gestellt, warum nach fast fünfjähriger theoretischer Vorarbeit bei der praktischen Gestaltung des deutschen Wehrwesens so geringe Fortschritte erzielt werden. Man hat dem deutschen Organisationstalent ganz andere Zeitpläne zugetraut und steht nun mißtrauisch vor der Frage, ob die Bundesrepublik nicht aus politischen Gründen den Aufbau der neuen Wehrmacht bewußt langsam und vorsichtig betreibe.
Die Vertreter der Freien Demokratischen Partei haben in einer Kabinettssitzung am 20. November 1955 außer auf diese noch auf folgende Gefahr hingewiesen: Die Sowjetzone ist durch die Aufstellung von sieben Volkspolizeidivisionen, einer Volksmarine und einer Volksluftwaffe auf dem Gebiet der praktischen Wehrpolitik der Bundesrepublik weit voraus. Auch wenn man den Kampfwert der Sowjetzonenstreitkräfte nicht hoch veranschlagt und mit Recht auf den Mangel an zuverlässigen und qualifizierten Offizieren und Unteroffizieren hinweist, bleibt die Bewaffnung der Sowjetzone eine große staatspolitische Gefahr für die Bundesrepublik. Es ist nicht zu verkennen, daß durch die Ernennung des Sicherheitsministers Wollweber, des Ministers für gesamtdeutsche Fragen Dr. Loch und andere Umgruppierungen der Sowjetzonenmachthaber die Sowjetzone zur Offensive im Sinne einer deutschen Aktion übergegangen ist. Diese Gefahr ist um so größer, als sich im Jahre der amerikanischen Präsidentschaftswahlen und großer eigener Sorgen eines Teils unserer
Bündnispartner im Nahen Osten und in Afrika durchaus ein Anreiz zu innerdeutschen Aktionen bei den Sowjetzonenmachthabern ergeben könnte, wenn die Bundesrepublik nicht binnen kürzester Frist über einen genügenden Selbstschutz verfügt.
Aus diesem Grunde hat die Fraktion in der Kabinettssitzung am 20. November 1955 der dringenden Übernahme des Bundesgrenzschutzes zugestimmt, damit in wenigen Monaten durch die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes mit den ersten schweren Waffen und durch die Auffüllung dieser Kader durch Freiwillige noch in diesem Jahr einige einsatzbereite Divisionen aufgestellt werden können. Das ist auch der Grund, weswegen die Fraktion der Freien Demokraten dem Soldatengesetz ihre Zustimmung gibt.
Die Übernahme des Bundesgrenzschutzes wird eine fühlbare zeitliche und organisatorische Hilfe beim Aufbau der deutschen Wehrmacht sein. Es besteht jedoch die Gefahr, daß gerade beim Einbau des Bundesgrenzschutzes in die Wehrmacht durch Kompetenzstreitigkeiten der beteiligten Ressorts, personelle Rivalitäten und schematisches Festhalten an bisher erarbeiteten theoretischen Grundlagen Reibungen entstehen, die nicht nur einen neuen Zeitverlust bedeuten, sondern auch dem Aufbau des Wehrwesens selbst nicht dienlich sind.
Das erste Halbjahr des praktischen Aufbaus des Wehrwesens und eine grundsätzliche Stellungnahme der Fraktionen zum Soldatengesetz zwingen ohnehin zu einer allgemeinen Selbstkritik, ob nicht bereits gewisse Fehlentwicklungen nach Verabschiedung des Freiwilligengesetzes eingetreten sind. Ausgelöst durch die unvollkommene Vorlage des Freiwilligengesetzes im Sommer vorigen Jahres ist bei den Politikern aller Parteien ein Mißtrauen entstanden, das die Tendenz zur Übersteigerung in sich birgt. Es besteht gegenwärtig die Gefahr, daß die zivile Kontrolle über den militärischen Bereich so überspitzt wird, daß die in einer Demokratie selbstverständliche Unterordnung des Militärischen unter die Politik nicht mehr als freiwillige Einordnung, sondern bewußte Deklassierung des Soldatischen empfunden werden könnte. Eine solche Übersteigerung des Prinzips muß zwangsläufig einen Soldatentypus des ständigen Mißtrauens prägen an Stelle des von uns allen erwünschten „Soldaten im Volk" und „Bürgers in Uniform".
Auch die von der CDU/CSU und SPD in den Ausschüssen beschlossene Atomisierung des Oberbefehls und seine Aufteilung in die einzelnen verfassungsrechtlichen Funktionen des Staatsoberhaupts, des Regierungschefs und des Bundesverteidigungsministers wird eine Komplizierung der in anderen Staaten selbstverständlichen Zuständigkeiten herbeiführen.
Eine sehr problematische Sache ist auch die derzeitige Uniformgestaltung. Es ist selbstverständlich, daß für die Uniformierung des Soldaten in erster Linie die Zweckmäßigkeit ausschlaggebend sein soll. Über den eingeführten Kampfanzug bestehen daher keine Meinungsverschiedenheiten. Die sonstigen Uniformen, die das äußere Bild des Soldaten bestimmen, sind jedoch aus den alten Vorstellungen der EVG entstanden; sie sollten möglichst nicht an das äußere Bild des Soldaten der früheren Wehrmacht erinnern. Diese noch aus den Jahren 1951/52 herrührende Rücksichtnahme auf


(Dr. Mende)

die Überempfindlichkeit eines Teils der Bevölkerung in den Partnerstaaten dürfte heute nicht mehr am Platze sein, nachdem im Jahre 1956 ein großer Teil der verständlichen Ressentiments damaliger Zeit verschwunden ist.
Man kann eine solche Frage nicht mit der Bemerkung als nebensächlich abtun, es komme weniger auf die Gestaltung der äußeren Formen als auf den inneren Gehalt an. Beide stehen oft in einer Wechselwirkung zueinander, und man sollte die Symbolkraft bewährter traditioneller Formen gerade in einem demokratischen Staat nicht zu gering achten. Das Beispiel Amerikas und Englands lehrt uns den Wert äußerer Symbole. Eine Armee ist keine Addition von Offizieren, Unteroffizieren, Soldaten und Material, sondern ein Organismus. Das Entscheidende an dem Organismus ist der Geist. Der Geist der neuen Wehrmacht soll aus zwei Kraftquellen seine Nahrung beziehen: aus dem aus innerster Überzeugung geborenen Bekenntnis zur rechtsstaatlichen demokratischen Grundordnung mit ihren Grund- und Freiheitsrechten, die unser Leben erst lebenswert machen, und aus der Ehrfurcht vor bewährten Vorbildern und soldatischen Traditionen unserer hieran nicht armen Geschichte.
Es scheint, daß der psychologischen Seite beim Aufbau des neuen Wehrwesens bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Nach dem politischen Mißbrauch des deutschen Soldatentums vor 1945 und der Fehlbehandlung durch die Siegermächte nach 1945 bedarf es kluger Maßnahmen und einer großzügigen ideellen und materiellen Wiedergutmachung, um die auf dem deutschen Soldatentum lastenden psychologischen Hypotheken abzutragen. Es sei gerade hier angesichts der Verabschiedung des Soldatengesetzes als des Grundgesetzes der neuen Wehrmacht an die längst fällige zweite Novelle zum Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes mit der sich aus der neuen Entwicklung zwangsläufig ergebenden Verbesserung der materiellen Situation der ehemaligen Berufssoldaten und an die Reform der Kriegsopferversorgung im materiellen wie im organisatorischen Sinne erinnert. Ähnliche organisatorische Fragen werden noch bei der Debatte über das Organisationsgesetz Gegenstand der Erörterung sein müssen.
Die FDP stimmt dem Soldatengesetz zu, da es die Möglichkeit gibt, einen unbedingt nötigen militärischen Selbstschutz der Bundesrepublik aufzustellen. Sie hofft, daß bei der Ausführung des Gesetzes jene Fehlentwicklungen korrigiert werden, die beim bisherigen Aufbau der Wehrmacht leider eingetreten sind.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213209000
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (GB/BHE):
Rede ID: ID0213209100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE habe ich zur dritten Lesung des Soldatengesetzes folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird dem Soldatengesetz in der vorliegenden Fassung zustimmen. Sie tut dies, nachdem durch die soeben von allen Parteien dieses Hauses und mit allen Stimmen meiner Fraktion vorgenommene Änderung des Grundgesetzes die Mehrzahl der Bedenken ausgeräumt wurde, die wir bei der ersten Lesung des Soldatengesetzes geltend gemacht hatten. Wir bedauern zwar, daß das Parlament nicht bereit war, durch eine Annahme unseres Antrags, durch die Festlegung einer unmittelbaren parlamentarischen Verantwortlichkeit des Verteidigungsministers sich auch eine unmittelbare politische und personelle Kontrolle dieses Ressorts zu sichern. Aber wir glauben, daß dem Bundestag damit eine um so größere Verantwortung dafür zuwächst, daß in diesem außerordentlich bedeutungsund machtvollen Ressort keine Entwicklungen eintreten, die eines Tages für die demokratischen Freiheiten, für die soziale Sicherheit und damit für den Bestand der Demokratie überhaupt eine Bedrohung darstellen könnten.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf sind bloß die Rechte und die Pflichten festgelegt, die der einzelne Soldat gegenüber Volk und Staat hat. Er sagt jedoch nichts aus über Rechte und Pflichten der Institution als Ganzes, die nach dem Willen der Mehrheit dieses Hauses nunmehr den Namen „Bundeswehr" trägt. Darüber zu entscheiden wird die immerwährende Aufgabe des Parlaments bleiben. Es wird sie vor allem dadurch zu erfüllen haben, daß es sein Budgetrecht auch gegenüber den Anforderungen der Streitkräfte in strenger Weise wahrnimmt. Wir werden uns dabei vor allem der Verantwortung bewußt bleiben müssen, die wir gegenüber den sozial schwachen Schichten unseres Volkes, insbesondere gegenüber den Opfern der vergangenen Kriege zu tragen haben. Sie ist eine Verantwortung gegenüber dem Volksganzen und der Sicherung seiner Freiheit. Denn die Herstellung einer sozialen Ordnung ist nach unserer Überzeugung dafür zumindest ebenso entscheidend wie die Verteidigungskraft.
Wir werden dem Gesetz zustimmen, weil es einen Teil der Verpflichtungen erfüllt, die wir in völkerrechtlichen Verträgen, denen auch meine Fraktion seinerzeit in ihrer großen Mehrheit zugestimmt hat, übernommen haben und denen wir uns nicht ohne Schaden für unser Ansehen bei den Völkern der freien Welt entziehen können. Mit dem Erlaß dieser rechtlichen Grundordnung für die neuen Streitkräfte wird nach unserer Auffassung nichts präjudiziert, was zu ihrer weiteren Gestaltung stets im freien Ermessen der deutschen Volksvertretung bleiben muß. An ihr wird es allerdings auch liegen, ob der heute zu unternehmende Schritt einen Weg eröffnet, den die Geschichte einmal als glücklich oder unglücklich für Deutschland bewerten wird!

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213209200
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213209300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem Satz beginnen, den ich vorhin bei der Abgabe einer Erklärung zu den Grundgesetzänderungen sagte, nämlich, daß es zu den bedeutungsvollsten und schwierigsten Aufgaben jeder Regierung gehört, die nationale Existenz zu sichern. Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sind der Auffassung, daß es durch das, was wir hier heute tun, geschehen kann. Wir müssen nun angesichts der Bedrohung aus dem Osten selbst unseren Schutz übernehmen. Sicherlich ist das eine notwendige Folge der Bündnispolitik, die


(Schneider [Bremerhaven])

die Bundesregierung in den letzten Jahren getrieben hat. Dabei darf nicht übersehen werden, daß wir durch die konsequente Linie unserer Politik aus den Trümmern und aus dem totalen Zusammenbruch wieder ein Staatswesen werden konnten, daß gegebenenfalls auch der Verteidigung wert ist. Ich lege auch noch einmal Wert auf die ausdrückliche Feststellung, daß nach unserer Auffassung diese nun aufzustellende Wehrmacht ausschließlich für den Verteidigungsfall gedacht ist, den uns aber auch Gott ersparen möge. Es ist auf der andern Seite nicht angängig, darauf zu vertrauen, daß in einem eventuellen Ernstfalle andere Nationen die Verteidigung von Haus und Herd der Deutschen übernehmen würden.
Es ist das gute Recht der Opposition in diesem Hause, an der Richtigkeit dieser Politik Zweifel zu äußern. Die Zukunft erst wird zeigen, wer recht gehabt 'hat.

(Abg. Merten: Dann ist es zu spät!)

Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich möchten aber auch keinen Zweifel darüber lassen, daß wir, wenn wir der Aufstellung der Streitkräfte zustimmen, auf der andern Seite erwarten, daß die sozialen Verpflichtungen dieses Staates auf keinen Fall ins Hintertreffen geraten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Zustimmung wird uns dadurch sehr schwer gemacht, daß wir außer im Kriege selbst noch nach dem Kriege Erfahrungen machen mußten und auch heute noch machen müssen, die uns oftmals unverständlich sind. Wir stehen vor der Tatsache, daß immer noch Deutsche in alliiertem Gewahrsam festgehalten werden. Ich stelle mit Bedauern fest, daß der Westen sich hier offenbar vom Osten beschämen läßt. Wir haben weiter die Tatsache zu verzeichnen, daß — verzeihen Sie das Wort — die Diffamierung der früheren deutschen Soldaten noch nicht ihr absolutes Ende gefunden hat. Die Verabschiedung dieses Gesetzes sollte uns allen Anlaß und Verpflichtung zugleich sein, nun den Soldaten, sei es, daß er der ehemaligen Wehrmacht angehörte, sei es, daß er zur neuen Wehrmacht gehört, auch wirklich voll und ganz als gleichberechtigten Staatsbürger zu behandeln.
Ich möchte, genau wie der Kollege Mende, darauf hinweisen, daß es nun an der Zeit ist, daß der Deutsche Bundestag sich mit der 131er-Novelle befaßt. Es ist an der Zeit — und erfreuliche Anzeichen dafür liegen vor —, daß auch in der Versorgung der Kriegsopfer der vergangenen Kriege eine Besserung eintritt. Ich möchte vor allen Dingen noch auf etwas hinweisen, was hier nicht gesagt wurde, nämlich, daß es zum Recht der betreffenden Personen gehört, daß die Wehrdienstzeiten der verflossenen Zeit auf die maßgebenden Zeiten für die Versorgungsansprüche angerechnet werden.

(Zurufe von der SPD.)

— Ja, ich gehöre leider auch zu den Versorgungsberechtigten, weil ich etwas blessiert bin, Herr Kollege.
Wir haben mit der Wehrgesetzgebung in den ersten Monaten zweifellos nicht immer eine sehr glückliche Hand gehabt. Es wäre verkehrt, darüber hinwegzusehen und die Dinge zu beschönigen; es ist besser, sie offen auszusprechen und aus den gemachten Fehlern zu lernen. Zweifellos ist es auch die sogenannte Umerziehung, der wir nach 1945
in militärischen Dingen besonders teilhaftig geworden sind, die heute in der Öffentlichkeit für unser Vorhaben so wenig Resonanz finden läßt. Auf der anderen Seite haben wir als verantwortliche Parlamentarier uns bei Beginn der Gesetzgebung vielleicht manchmal zu weit nach vorne begeben, so daß unter den ehemaligen Soldaten und denjenigen, die es werden wollen, der Eindruck entstehen mußte, daß hier nicht mehr um Vertrauen gerungen wird, sondern daß hier das Mißtrauen nach vorne gesetzt wird. Ich stimme allen meinen Herren Vorrednern darin zu, daß es notwendig ist, mit diesem Beginn jetzt absolutes Vertrauen zwischen Wehrmacht und Parlament bzw. Regierung herzustellen, ganz abgesehen davon, daß natürlich zwischen Volk und Wehrmacht ebenfalls Vertrauen bestehen muß.
Betrachten wir weiter, was in der Vergangenheit oftmals gesagt und getan worden ist. Ich erinnere Sie an vielfältige Äußerungen, die die Stellung der Offiziere, ja oftmals sogar ihrer Ehefrauen betrafen. Ich erinnere Sie daran, daß Äußerungen von Offizieren auf die Goldwaage gelegt wurden und noch werden. Ich erinnere Sie an vielfältige unglückliche, zumindest in der Öffentlichkeit unglücklich angekommene Äußerungen von Parlamentariern. Ich erinnere auch, wie der Kollege Mende, an die Uniformfrage, die ich hier nicht breit auswalzen möchte, zu der ich aber nur sagen möchte, das auch dies vielleicht ein Stück psychologischer Verteidigungsbeitrag gewesen wäre. Nicht zuletzt zeichnet sich unsere Wehrgesetzgebung — das bitte ich aus meiner Schau zu verstehen — durch ein ganz großes Stück Traditionslosigkeit aus. Meine Freunde glauben, daß wir manchmal nicht imstande sind, die Psychologie mit der Politik richtig zu vereinen.
Ich glaube, daß wir, d. h. wir in Westdeutschland, die bessere Sache zu vertreten haben. Ich glaube aber auch, daß wir leider die schlechtere Propaganda machen, daß wir hier in Westdeutschland sachlich richtig handeln. Ich glaube auch, daß wir oft psychologisch sehr falsch handeln. Wir in Westdeutschland, in einer freiheitlichen Demokratie, behandeln den Menschen als Menschen; aber wir mißachten oftmals gleichzeitig seine Gefühle und seine Erinnerungen. Drüben wird der Mensch als Nummer behandelt; aber man spielt geschickt mit den Gefühlen und Erinnerungen dieser Menschen

(Zuruf des Abg. Wehner — Abg. Merten: Sollen wir das nachmachen?)

und hofft auf diese Weise den Erfolg einzuheimsen. Das ist eine Tragik, besonders wenn man oftmals sieht, daß der größere Erfolg bei denen zu liegen scheint, die es in Wahrheit schlechter meinen.
Ich glaube also, daß wir ganz allgemein zu einer besseren psychologischen Situation und auch zu einer Verbesserung des Klimas in der Öffentlichkeit gegenüber früheren und kommenden Offizieren und Soldaten kommen müssen, weil wir sonst Gefahr laufen, daß wir nicht die besten freiwilligen Offiziere bekommen und daß die Rekruten nicht mit einem guten Gefühl in ihre Kasernen einziehen können.
Der Anlaß dieser Beschlußfassung gestattet es auch ganz offen von dieser Stelle auszusprechen, daß die deutschen Soldaten in ihrer überwiegenden Mehrheit auch im letzten Krieg untadelig gekämpft haben. Die Geschichte wird sicherlich das


(Schneider [Bremerhaven])

letzte Urteil in dieser Frage sprechen. Aber meine Freunde und ich glauben nach den Anzeichen, die heute schon oftmals im Ausland zu bemerken sind, daß das Urteil der Geschichte nur in dieser Richtung liegen kann.
Auf jeden Fall begeben wir uns jetzt — und ich glaube, dieser Tag heute ist insofern ein Markstein — aus der Wirrnis der Kollektivbeurteilung der deutschen Soldaten heraus. Das Bild klärt sich wieder auf. Ich betrachte es auch als ein freundliches Zeichen, daß es möglich war, in gemeinsamer konstruktiver Arbeit mit der sozialdemokratischen Fraktion im Verteidigungsausschuß diese Dinge zu bearbeiten.
Meine Freunde und ich sind weit davon entfernt, das heutige Geschehen etwa zum Anlaß eines Hurra-Patriotismus zu nehmen. Wir sehen in dem, was wir hier heute tun, vielmehr einen ganz nüchternen politischen Akt. Wir unterscheiden uns allerdings insofern noch etwas von einigen Fraktionen des Hauses, als wir im Soldaten — das gilt für die Vergangenheit wie für die Zukunft — nicht lediglich einen Funktionär sehen, der auf Befehl etwas auszuführen hat und es dafür tut, daß er seinen Sold empfängt. Auf der anderen Seite ist es auch übertrieben, vom „Staatsbürger in Uniform" zu sprechen. Das ist in meinen Augen ein billiges Schlagwort. Denn praktisch ist speziell der junge Soldat überfordert, wenn man ihn als Staatsbürger in Uniform hinstellt.

(Lachen und Zurufe bei der SPD.)

Denn — ich spreche auch das offen aus —: Wo ist
die Staatsgesinnung heute, die wirkliche Staatsgesinnung in unserem freiheitlichen Staatsraum?

(Zuruf von der SPD: Bei Ihnen offenbar nicht! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Ich glaube, daß die Staatsgesinnung sehr stark von der Beurteilung der wirtschaftlichen Prosperität ausgeht.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Gerade dieser Mangel an Staatsgesinnung — auch hier hat es keinen Zweck, Vogel-Strauß-Politik zu treiben, Herr Kollege Wehner — sollte uns aber veranlassen, keine allzu große Scheu vor Traditionen zu haben. Denn eine Wehrmacht oder Bundeswehr, die dieses Haus beschlossen hat, kann letzten Endes nicht ohne Traditionen sein. Es kann auch nicht übersehen werden, daß in einem Augenblick, da wir uns anschicken, sehr viele und auch teilweise sehr gute Traditionen über Bord zu werfen, das Ausland genau das Gegenteil davon tut. Gute Traditionen, wie sie in der verflossenen Reichswehr und in der Wehrmacht lebendig gewesen sind, sind auf jeden Fall ein Vorbild. Vielleicht löst es den Widerspruch eines Teils dieses Hauses aus, wenn ich sage, daß zu den besten soldatischen Traditionen auch gehört hat, Staatsgesinnung zu haben.
Auch meine Freunde sind der Ansicht, daß diese Bundeswehr von allen Ständen und Schichten des Volkes getragen werden muß, daß ein besonderes Treueverhältnis zum Staate bestehen muß, wenn ich auch nicht der Diktion des Kollegen Arndt von heute morgen, als er etwas über den Status der früheren deutschen Wehrmacht in der Republik gesagt hat, zu folgen vermag. Ich glaube mit meinen Freunden, es hat weniger an den Soldaten als an den Politikern gelegen, die sich von dieser Wehrmacht damals distanziert haben.

(Abg. Dopatka: Geschichte ungenügend!)

Man sollte aus der Geschichte lernen, (Lachen und Beifall bei der SPD)

wie gefährlich es ist, wenn eine Wehrmacht aus Ressentiment oder Mißtrauen gewissermaßen als gefährlicher Außenseiter der Gesellschaft dargestellt wird.

(Unruhe bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, die parlamentarische Kontrolle, von der in den letzten Monaten so sehr viel die Rede war, wird von meinen Freunden vollauf bejaht, aber nur unter der Bedingung, daß sie nicht zu einem Mißtrauen ausartet. Es besteht auch keine Veranlassung etwa zur Angst der Politiker vor den Militärs. Herr Kollege Erler hat kürzlich einmal das Wort geprägt, daß die Demokratie lernen müsse, mit der bewaffneten Macht umzugehen, weil sonst die bewaffnete Macht mit der Demokratie umgehen würde. Meine Damen und Herren, ich vermag diese Anschauung nicht ohne weiteres zu teilen. Wenn wir genügend Selbstvertrauen zu uns haben, wird es zu so etwas nicht kommen.
Unser aller gemeinsames Ziel ist es, eine größtmögliche Schlagkraft dieses Instrumentes „Bundeswehr" herzustellen. Wieweit die Neuerungen, die unter dem Ausdruck „Inneres Gefüge" bekannt sind, dabei in Zukunft voll Platz greifen können, wird die Praxis erweisen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Kein Soldat soll glauben, daß er etwa auf den Kasernenhof geholt wird, um Kommiß oder Drill zu üben.
Ich komme zum Schluß. Der Soldat ist nach unserer Auffassung gerade in der politischen Situation, in der wir uns befinden, keineswegs ein notwendiges Übel, wenn man auch manchmal den Eindruck haben könnte. Dieser Staat muß Vertrauen zum deutschen Soldaten haben, wenn er auf der andern Seite verlangt, daß der Soldat auch Vertrauen zu ihm hat. Durch dieses Vertrauen muß es dem Soldaten möglich sein, nicht nur mit dem Verstande, sondern auch etwas mit dem Herzen diesem Staate zu dienen. Ich glaube, daß wir die Wehrmacht oder die Bundeswehr bekommen werden, die wir auf Grund unserer Politik verdienen. Lassen Sie uns, das Parlament, stets ein Freund dieser neuen Wehrmacht sein!

(Beifall rechts und in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Hurra!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213209400
Weitere Wortmeldungen für die allgemeine Beratung in der dritten Lesung liegen nicht vor. Hingegen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, Umdruck 533*). Ich frage den Herrn Abgeordneten Schneider (Bremerhaven), ob er das Wort zur Begründung wünscht. —

(Zuruf von der SPD: Ja, natürlich!)

Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 533 hat der Herr Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213209500
Meine Damen und Herren, es geht zwar oft nach d'Hondt, aber heute kann auch ich einmal reden!

(Zuruf von der SPD: Sie können nicht! — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Bitte, haben Sie doch die Liebenswürdigkeit, mich ungehindert sprechen zu lassen.
*) Siehe Anlage 13.


(Schneider [Bremerhaven])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion beantragt, den Abs. 6 des § 8 zu streichen, in dem folgendes steht:
Offiziere und Unteroffiziere haben innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.
Ich pflichte dem Herrn Kollegen Erler hundertprozentig bei, wenn er vorhin ausgeführt hat, daß dies eine selbstverständliche Erwartung ist, die man von jedem ordentlichen Staatsbürger haben kann. Deswegen vermögen meine Freunde nicht einzusehen, warum, wenn auf der einen Seite keine Sonderstellung des Soldaten gewünscht wird, hier auf der andern Seite eine Sonderbehandlung festgelegt sein soll. Ich glaube, es ist selbstverständlich, daß sowohl Unteroffiziere wie Offiziere — noch dazu wir alle, die wir ehemals Soldaten waren und zehn Jahre lang Zeit hatten, uns im zivilen Leben zu bewegen — sich diese Zurückhaltung auferlegen, die ihnen das Tragen der Uniform und die Zugehörigkeit zu den Streitkräften gebietet. Ich darf darauf hinweisen, daß meines Wissens für die Beamten eine gleiche Regelung nicht besteht. Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Disziplinarordnung ausreichende Möglichkeiten gibt, um solche Soldaten bzw. Unteroffiziere und Offiziere, die diese selbstverständlichen Regeln des Anstands nicht beachten, entsprechend zur Ordnung zu bringen. Meine Damen und Herren, meine Freunde haben das Gefühl — ich spreche das ganz offen aus —, daß es sich bei diesem nachträglich in den § 8 hineingekommenen Passus um eine „Lex Zenker" handelt.

(Abg. Merten: Und wenn schon!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213209600
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Änderungsantrages — Umdruck 533*) Ziffer 1 — gehört. Ich eröffne dazu die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann lasse ich zunächst über diesen Änderungsantrag abstimmen, § 8 Abs. 6 zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der DP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat in Umdruck 533 Ziffer 2 einen zweiten Änderungsantrag vorgelegt, und zwar zu § 57 f. Nachdem ich in der zweiten Lesung versehentlich das Wort zur Begründung hierzu nicht erteilt habe, frage ich den Herrn Abgeordneten Schneider (Bremerhaven), ob er das Wort zur Begründung haben will. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schneider!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0213209700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ange*) Siehe Anlage 13.
sichts der vorgeschrittenen Zeit verzichte ich darauf, die ursprünglich geplanten längeren Ausführungen zu diesem Thema zu machen. Allerdings verzichte ich darauf in der Erwartung, daß, nachdem seit Monaten ein diesbezüglicher Antrag meiner Fraktion im Ältestenrat liegt, wir nun in Kürze Gelegenheit erhalten, diesen Antrag hier im Hause zu behandeln.
Sie kennen alle unsere Einstellung zum Personalgutachterausschuß. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß er — bei aller Integrität der in ihm tätigen Personen — nicht das geeignete Instrument ist, um der Aufgabe gerecht zu werden, die ihm das Parlament damals gesetzt hat. Insonderheit haben die vielfältigen Auseinandersetzungen der letzten Zeit gezeigt — ich sage: bedauerlicherweise gezeigt; ich kann mich mit meinen Freunden beim besten Willen nicht darüber freuen, daß wir so sehr recht behalten haben —, daß durch die Konstituierung eines Gremiums, das außerhalb der Kontrolle des Bundestages steht, unliebsame Vorkommnisse eingetreten sind,

(Widerspruch bei der SPD — Zuruf von der SPD: Im Gegenteil!)

die der Sache schlechthin nicht förderlich sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0213209800
Sie haben auch die Begründung dieses Änderungsantrages gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der DP — Umdruck 533 Ziffer 2 — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der dritten Beratung; weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem mit den in der zweiten Lesung angenommenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) ist angenommen.
Ich muß noch über die Ziffer 2 des Ausschußantrages abstimmen, den Antrag, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 8. März, 9 Uhr vormittags. Die Sitzung ist geschlossen.