Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde .
Ich schlage dem Hause vor, daß wir wieder so verfahren, wie es im Ältestenrat vereinbart worden ist und wie es das letztemal praktiziert wurde.
Frage 1 des Abgeordneten Hübner:
Welche Gesamtkosten werden voraussichtlich dem Wohnungsbau durch den stark umstrittenen, jedoch vom Herrn Bundespostminister lebhaft geförderten Einbau von Hausbriefkästen einschließlich Signalanlage entstehen, wenn die Forderungen des Herrn Bundespostministers erfüllt werden?
Wie hoch werden die Einsparungen geschätzt, die der Deutschen Bundespost hierdurch zugute kommen werden?
Beabsichtigt die Deutsche Bundespost, die Kosten für diese der Verbilligung des Postbetriebes dienenden Anlagen zu übernehmen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage, Herr Abgeordneter, besteht aus drei Einzelfragen. Ich beantworte sie wie folgt:
1. Die Gesamtkosten, die durch den Einbau von Hausbriefkästen dem Wohnungsbau entstehen, lassen sich nur grob schätzen; sie werden etwa in der Größenordnung von 0,4 bis 0,5 Promille der Baukosten liegen. Signalanlagen werden auch ohne Hausbriefkästen eingebaut.
2. Wenn die Einrichtung der Hausbriefkästen weiträumig und systematisch durchgeführt ist, werden vermutlich 15 bis 20 % der Zustellkosten eingespart werden können.
3. Es ist beabsichtigt, bei bereits fertiggestellten Bauten die Einrichtung von Hausbriefkästen durch einen angemessenen Zuschuß der Deutschen Bundespost zu fördern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Hübner, stellen Sie eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Bundesminister, befürchten Sie nicht, daß sich die von Ihnen getroffene, aus einer anspruchslosen Überlegung ohne jeden technischen Einfall gefundene Lösung bei dem immerhin hohen Kostenaufwand im Zeitalter der Technik im Endeffekt als eine Fehlinvestition herausstellen wird? Ist sich die Bundespost auch darüber klar, daß sie sich mit dieser Lösung über die Bestimmungen der Postordnung — es handelt sich um den § 40 — hinwegsetzt, in dem eine Zustellung in der Wohnung des Empfängers vorgeschrieben ist, und ebensosehr über die selbst getroffene Bestimmung in der Dienstanweisung für die Postbediensteten, die den gleichen Wortlaut hat? Glaubt die Bundespost, es verantworten zu können, über derartige Bestimmungen einfach hinwegzugehen, oder beabsichtigt sie dann wenigstens, die einschlägigen Bestimmungen zu ändern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soviel ich verstanden habe, Herr Abgeordneter Hübner, sind das drei Fragen.
1. Die Gefahr der Fehlinvestition scheint nach dem bisherigen Ergebnis nicht gegeben zu sein. Wir haben in der Bundesrepublik über zwei Millionen Hausbriefkästen, und fast alle anderen Länder der Welt benutzen diese Einrichtung ebenfalls.
2. Die Einrichtung der Hausbriefkästen ist von uns bis jetzt nur auf rein freiwilliger Basis gewünscht worden.
3. Eine Änderung der Postordnung kann selbstverständlich nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Es ist aber durchaus möglich, daß die Bundespostverwaltung zu gegebener Zeit eine solche Vorlage einbringt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 2 des Abgeordneten Erler:
Aus welchem Grunde enthält die Sonderausgabe des Bulletins des Presse- ,und Informationsamtes der Bundesregierung vom 20. September 1955 über die Moskauer Konferenz den Satz des Herrn Chruschtschow nicht mehr: „Wir stellen diese Frage nicht" bzw. „Wir werfen diese Frage nicht auf", der sich auf den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO bezog und sowohl in der deutschen Presse als auch im Pressespiegel des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. II/:3 mit der Rede des Herrn Chruschtschow vom 10. September 1955 sowie in der Wiedergabe des russischen Textes in der „Prawda" enthalten war?
Das Wort zur Beantwortung müßte eigentlich der Bundesminister des Auswärtigen haben. Er ist aber, wie Sie wissen, abwesend. Sein Stellvertreter im Amt ist der Herr Bundesinnenminister; auch er kann nicht da sein. Die Frage wird daher von Herrn Staatssekretär Bleek des Bundesministeriums des Innern beantwortet. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Sonderausgabe des „Bulletin" enthält den angeführten Satz des Herrn Chruschtschow deswegen nicht, weil er in dieser Form nicht Teil seiner Ausführungen gewesen ist, wie sie der russische Dolmetscher während der Verhandlungen übersetzt hat. Der Wiedergabe im „Bulletin" liegt nämlich das Stenogramm der Übersetzung des russischen Dolmetschers zugrunde, das von den deutschen Stenotypistinnen während der Verhandlung aufgenommen worden ist und das im Einvernehmen zwischen beiden Delegationen zur Veröffentlichung freigegeben worden war. Die fragliche Stelle lautet nach der Übersetzung des Dolmetschers und demgemäß im deutschen Stenogramm: „Diese Frage so zu stellen, daß die Deutsche Bundesrepublik aus der NATO austritt, das würde uns als ein Ultimatum ausgelegt werden können; das wollen wir nicht."
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß normalerweise bei amtlichen Veröffentlichungen über stattgefundene Konferenzen die Texte nicht nach den Aufzeichnungen der mündlichen Übersetzer, sondern nach den Texten geprüft werden, die in der Originalsprache vorgelegt worden sind und die dann später ausdrücklich noch einmal übersetzt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dies ist bekannt, Herr Abgeordneter, und wird auch bei den vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Dokumenten der auswärtigen Politik strengstens beachtet. Es handelt sich hier um eine Presseverlautbarung des Presse- und Informationsamtes, bei der dieser Grundsatz nicht beachtet worden ist. Im übrigen darf ich sagen, daß, abgesehen von der unterschiedlichen sprachlichen Formulierung der Stelle, die inhaltliche Aussage der beiden Fassungen wohl im wesentlichen das gleiche besagt.
Ist der Bundesregierung weiter bekannt, daß das Bundespresse- und Informations-
amt vor dieser Dokumentensammlung den vollständigen, mit der russischen Fassung übereinstimmenden Text, wie er sich aus der „Prawda" ergibt, selbst verbreitet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, feststellen zu dürfen, Herr Abgeordneter, daß ich als Vertreter des Stellvertreters des zuständigen Bundesministers, der infolge der Tagung in Paris nicht anwesend ist, auf diese Frage keine Antwort geben kann. Ich werde aber anregen, daß das Auswärtige Amt Ihnen Auskunft gibt.
Unter diesen Umständen, Herr Präsident, wäre ich dankbar, wenn, da diese zweite Frage nicht einwandfrei beantwortet werden konnte, dafür gesorgt würde, daß aufgeklärt wird, warum man von der eigenen früheren Veröffentlichung abgewichen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, Herr Abgeordneter.
Frage 3 — Abgeordneter Dr. Arndt — :
Ist deutscherseits darauf hingewirkt worden, daß die Villa Massimo In Rom, deren Freigabe die interalliierte SequesterKommission bereits am 20. Januar 1955 beschloß und nach deren Schicksal ich schon einmal fragte, möglichst nicht vor dem Herbst 1955 oder gar dem Februar 1956 zurückgegeben werden soll?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um ihrerseits dazu beizutragen, daß außer der Ablösung des Sequester-Defizits und der Steuerrückstände auch die Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden können und durch Zuwendung laufender Bundesmittel die Deutsche Kunstakademie in Rom wieder ihre Wirksamkeit in der Villa Massimo aufnehmen kann?
Auch diese Frage beantwortet, wie ich annehme, Herr Staatssekretär Bleek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist nichts davon bekannt, daß deutscherseits darauf hingewirkt worden wäre, die Übergabe der von der interalliierten Sequester-Kommission durch Beschluß vom 20. Januar dieses Jahres freigegebenen Villa Massimo in Rom bis Herbst 1955 oder gar bis Februar 1956 zu verzögern. Die Bundesregierung ist vielmehr bestrebt, die Villa Massimo so bald wie möglich wieder einer dem Stiftungszweck entsprechenden Verwendung zuzuführen. Dabei ist sie jedoch in ihren Entschlüssen nicht frei, weil die Villa Massimo, wie Herr Bundesminister Dr. Schröder bereits am 4. Mai 1955 auf Ihre Frage vor diesem Hohen Hause erklärt hat, zum ehemals preußischen Kulturbesitz gehört. Die Rechtsverhältnisse an dieser Vermögensmasse sollen aber erst durch das dem Bundestag vorliegende Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" geregelt werden. Nach Annahme dieses Gesetzentwurfs würde die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Villa Massimo dem aus Vertretern der preußischen Nachfolgeländer und des Bundes paritätisch zusammengesetzten Stiftungsrat zustehen.
Nach Übergabe der Villa Massimo wird die Bundesregierung jedoch zunächst bemüht sein, die zur Zeit noch darin wohnenden italienischen Mieter zur Räumung zu veranlassen. Außerdem wird sie, wenn es erforderlich ist, die zur Erhaltung des Gebäudes notwendigen Instandsetzungsarbeiten vornehmen lassen. Mittel dafür werden aus dem Haushalt des Ministeriums des Innern für 1955 bereitgestellt werden können.
Es sind also nach unserer Auffassung alle Voraussetzungen geschaffen, daß die Villa Massimo wieder zu einem deutschen Künstlerheim und damit zu einem Mittelpunkt des deutschen kulturellen Lebens in Rom werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Eine Zusatzfrage! Herr Staatssekretär, ich hatte in der zweiten Hälfte meiner Anfrage gefragt, was die Bundesregierung tun wird, um über die Instandsetzung des Hauses hinaus finanziell das Wiedererstehen der Deutschen Kunstakademie in Rom zu ermöglichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wird, Herr Abgeordneter, doch wohl wesentlich von der endgültigen Gestaltung des Gesetzes über den preußischen Kulturbesitz abhängen, weil von dieser gesetzlichen Regelung auch abhängt, wieweit die Bundesregierung an den durch die Erhaltung des preußischen Kulturbesitzes entstandenen Lasten teilnehmen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage mehr.
Frage 4 des Abgeordneten Gengler:
Was gedenkt der Herr Bundeswirtschaftsminister gegen die außerordentlich hohen Steigerungen der Rohwarenpreise für Kalbfelle zu tun?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kalbfellpreise sind infolge der derzeitigen Moderichtung, die Kalbleder stark bevorzugt, nicht nur in der Bundesrepublik erheblich gestiegen. Die prozentuale Steigerung der Kalbfellpreise von Januar bis November dieses Jahres hat an den für die Preisbildung repräsentativen Plätzen Stuttgart 26 %, Zürich 43 %, Paris 23 % und Chikago 50 % betragen. Demgegenüber sind die Boxkalfpreise im gleichen Zeitraum nur um etwa 1.0 % gestiegen.
Für eine unmittelbare Preisbeeinflussung seitens der Behörde bestehen keine rechtlichen Möglichkeiten. Es ist aber versucht worden, das Angebot französischer Kalbfelle, die bisher noch einer strengen Ausfuhrkontingentierung unterliegen und demgemäß an der allgemeinen Preisentwicklung auf dem Weltmarkt nicht im gleichen Umfang teilgenommen haben, zu erhöhen. Diese Versuche sind jedoch auch wegen der in Frankreich gestiegenen Nachfrage gescheitert. Davon abgesehen, sind Besprechungen in der Richtung geführt worden, durch Übergang auf andere dem Kalbleder verwandte Lederarten den Nachfragedruck zu mildern. Im Benehmen mit der Schuh- und Lederindustrie wird zur Zeit geprüft, inwieweit auch durch Erleichterungen der Kalbledereinfuhr, die im OEEC-Raum nur noch Frankreich gegenüber Beschränkungen unterliegt, ein mittelbarer Druck auf die Kalbfellpreise ausgeübt werden kann.
Es ist zu erwarten, daß in Kürze die Nachfrage nach Kalbleder saisonbedingt nachlassen wird, während etwa zur gleichen Zeit mit einem Steigen des Kalbfellaufkommens zu rechnen ist. Beides zusammen dürfte ein Sinken der Kalbfellpreise zur Folge haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage. Frage 5, auch des Abgeordneten Gengler:
Wann gedenkt der Herr Bundesfinanzminister die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 bekanntzugeben, damit übersehen werden kann, welche Kapitalanlagen in festverzinslichen Wertpapieren als Sonderausgaben anerkannt werden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt nicht allein in der Hand der Bundesregierung, den Zeitpunkt der Verkündung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 zu bestimmen. Als Rechtsverordnung bedarf sie der Zustimmung des Bundesrates, da es sich um Steuern der Länder handelt. Die Beratungen des, Entwurfs haben zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat geführt, die eine von uns bereits für den Sommer 1955 vorgesehene Verkündung verzögert haben. Der Bundesrat hat am 2. Dezember dem Wortlaut der Verordnung zugestimmt. Die Verordnung mußte dann wieder dem Bundeskabinett zugeleitet werden, weil dieses die Änderungen des Bundesrates genehmigen muß. Die Zustimmung des Bundeskabinetts ist in den nächsten Tagen zu erwarten. Die Verordnung wird dann sofort verkündet werden, damit, wie der Herr Abgeordnete mit Recht betont hat, die Steuerpflichtigen sich in ihren Dispositionen auf den Inhalt der Verordnung einstellen können. Wir bedauern diese Verzögerung sehr. Ich habe aber schon erwähnt, daß die Verordnung nach der Absicht der Bundesregierung im Juli hat verkündet werden sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Dann Frage 6, auch des Herrn Abgeordneten Gengler:
Ist dem Herrn Bundesfinanzminister der dem Erliegen gleichkommende Rückgang der Sparverträge mit seinen nachteiligen Folgen für das Sparen und den Kapitalmarkt bekannt, und sind auch im Hinblick auf die gegenwärtige Konjunkturlage Erwägungen im Gange, die Erhöhung der Sperrfrist bei Sparanlagen und sonstigen Kapitalansammlungsverträgen auf 10 bzw. 7 Jahre rückgängig zu machen und auch auf diese Weise konjunkturdämpfend zu wirken?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Begünstigung von Kapitalansammlungsverträgen, die aus kapitalmarktpolitischen Gründen nach der Währungsreform in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden ist, war von vornherein nur als eine vorübergehende Maßnahme gedacht. Sie wurde bereits im Gesetz vom 24. Juli 1953 im Zuge der Normalisierung des Steuerrechts, d. h. der Beseitigung der Spezialvergünstigungen, ebenfalls aufgehoben. Ursprünglich sollte die Aufhebung zu Ende 1954 erfolgen. Im Steuerneuordnungsgesetz 1954 sind dann die begünstigten Kapitalansammlungsverträge für eine kurze Übergangszeit beibehalten worden, aber nicht mehr aus kapitalmarktpolitischen Gründen, sondern unter dem Gesichtspunkt der Altersversorgung. Mit dieser Zielsetzung rechtfertigt sich die damals durch Gesetz festgelegte Verlängerung der Sperrfristen von 3 auf 7 bzw. 10 Jahre. Eine Verlängerung der Sperrfrist erschien dem Hohen Hause auch notwendig, weil sich Mißstände dadurch ergeben hatten, daß begünstigte Spareinlagen nach Ablauf der dreijährigen Frist erneut steuerbegünstigt festgelegt werden konnten. Die insgesamt erzielte Steuerersparnis konnte dann unter Umständen größer sein als die Sparsumme selbst. Das ist die Ursache für die damalige gesetzliche Regelung gewesen.
Man kann wohl annehmen, daß im Jahre 1955 weniger Kapitalansammlungsverträge als in früheren Jahren abgeschlossen worden sind. Das war bei der gesetzgeberischen Regelung von vornherein einkalkuliert worden. Daß sich aber dieser Rückgang auf den Kapitalmarkt nachteilig auswirken könnte, wird man nicht annehmen können. Der Anteil der steuerbegünstigten Spareinlagen war Ende 1953 9,3 %, Ende 1954 10,2 % und am 30. September 1955 wieder etwas weniger, nämlich 9,6 %. Bei allen Kreditinstituten machen die steuerbegünstigten Spareinlagen nur rund ein Achtel der gesamten Spareinlagen aus. Daraus sieht man also, daß die Summe -dieser Spareinlagen relativ nicht allzuhoch ist. Ihre Bedeutung ist nur begrenzt. Dementsprechend kann man wohl davon ausgehen, daß der Einfluß dieser Kapitalansammlungsverträge auf die Konjunktur auch nur begrenzt ist. Es steht wohl auch nicht fest, daß infolge der von dem Hohen Hause vorgenommenen Einschränkung der Steuerbegünstigung die Steuerpflichtigen die Beträge nunmehr in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß dem Konsum oder Investitionen zuführen werden. Man kann ebensogut annehmen, daß die Steuerpflichtigen weiterhin normale Sparkonten anlegen werden. Im übrigen sind auch Spareinlagen nicht ohne Einfluß auf die konjunkturelle Entwicklung; denn sie werden ja von den Sparkassen und den anderen Kreditinstituten ebenfalls dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist dem Herrn Staatssekretär nicht bekannt, daß gerade in diesem Jahre infolge der gesetzlichen Regelung das steuerbegünstigte Sparen praktisch zum Erliegen gekommen ist? Entstehen daraus nicht gewisse Folgen für die Gesamtheit? Andere Länder haben im Gegensatz zu uns erst neuerdings das steuerbegünstigte Sparen durchgeführt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, mir ist das Gegenteil bekannt. Die steuerbegünstigten Spareinlagen machten,. wie ich mir eben erlaubte auszuführen, am 30. September 1955 9,6 % aus und waren Ende 1953 9,3 %. Sie sind also noch um 0,3 % höher als vor zwei Jahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Zusatzfrage?
Das kommt im wesentlichen von der früheren Regelung her. Aber die neuen Sparguthaben, die in diesem Jahr auslaufen, werden ja nicht mehr erneuert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist, glaube ich, bei der Gesetzgebung mit einkalkuliert worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 7 des Abgeordneten Kutschera, der heute krank ist und deshalb hier von Herrn Abgeordneten Dr. Strosche vertreten wird.
Entspricht die Meldung der „Deutsche Illustrierte" vom 12. November 1955 den Tatsachen, in der es heißt, daß die deutschen Fremdenlegionäre, die kürzlich im Suezkanal von ihrem Truppentransporter flohen, zur Zahlung von je 460,32 DM „Heimschaffungskosten" aufgefordert wurden?
Ich nehme an, daß Herr Staatssekretär Bleek wieder beantwortet. — Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist zutreffend, daß deutsche Fremdenlegionäre, die mit Hilfe deutscher Auslandsvertretungen heimgeschafft worden sind,
zur Zahlung der sogenannten Heimschaffungskosten aufgefordert wurden. Eine solche Aufforderung wird durch die gesetzlichen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen vorgeschrieben. Einmal ist im Konsulargesetz bestimmt, daß die deutschen Auslandsvertretungen „hilfsbedürftigen Reichsangehörigen die Mittel zur Milderung augenblicklicher Not oder zur Rückkehr in die Heimat nach Maßgabe der ihnen erteilten Amtsinstruktionen zu gewähren" haben. Die hierzu ergangenen Instruktionen berücksichtigen die amtlichen Erläuterungen zu dem einschlägigen Haushaltstitel im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955, wo es ausdrücklich heißt: „Unterstützungen werden gegen Rückzahlungsverpflichtung gezahlt."
Demgemäß hat eine Rückzahlungsaufforderung zu ergehen. Sie ergeht in der Weise, daß der Heimgeschaffte aufgefordert wird, dem Auswärtigen Amt geeignete Vorschläge zur Abdeckung der durch die Heimschaffung entstandenen Kosten zu unterbreiten.
Ich darf einer etwaigen Zusatzfrage vielleicht zuvorkommen, Herr Abgeordneter, wenn ich erkläre, daß die Bundesregierung bei dieser an sich gesetzlich und haushaltsmäßig vorgeschriebenen Rückzahlungsaufforderung selbstverständlich die besondere Lage der im Suezkanal geflohenen deutschen Fremdenlegionäre berücksichtigt und berücksichtigen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, bitte!
Herr Staatssekretär, halten Sie trotz der sehr freundlichen und vielversprechenden Zusage diese doch recht fiskalische Verfahrensweise für in. Übereinstimmung befindlich mit der in diesem Hause oftmals und allseits offenbar gewordenen Einstellung zum Problem der Fremdenlegion und ihrer Legionäre? Wäre es Ihres Erachtens nicht besser gewesen, von allem Anfang an d i e Haltung einzunehmen, die Sie freundlicherweise zugesagt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das, was ich zugesagt habe, Herr Abgeordneter, bedeutet, daß wir in allen Fällen, in denen bei außerordentlich wohlwollender Prüfung eine Rückzahlung eine Härte bedeuten würde, keine Rückzahlung fordern werden. Wir können aber schon auf Grund unserer Verpflichtung zu einer ordnungsmäßigen Haushaltswirtschaft und um Beanstandungen des Rechnungshofs zu entgehen, nicht von vornherein darauf verzichten, Rückzahlungsaufforderungen überhaupt noch zu stellen. Denn es sind immerhin Fälle denkbar, in denen die Rückzahlung oder wenigstens eine teilweise Rückzahlung ohne jede Härte möglich ist.
Vizepräsident, Dr. Schneider: Frage 8 des Abgeordneten Regling:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß einzelne Familienausgleichskassen bereits im Oktober 1955 Beitragsvorschüsse für das Jahr 1957 anfordern, und was gedenkt sie zu tun, um eine derartige Belastung der Wirtschaft und insbesondere der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden zu vermeiden?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Nach Auskunft des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen und den mir vorliegenden Unterlagen kann ich Ihnen mitteilen, daß Beitragsvorschüsse für das
Jahr 1957 bisher von keiner Familienausgleichskasse angefordert worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter, bitte!
Herr Minister, ich habe aber Beitragsanforderungen der Norddeutschen Holzberufsgenossenschaft bei mir — ich kann sie Ihnen sofort vorlegen —, die Anforderungen für das Jahr 1957 stellen.
Ich habe mit dieser Zusatzfrage gerechnet und möchte Ihnen deshalb folgendes sagen. Die Familienausgleichskasse bei der Norddeutschen Holzberufsgenossenschaft hat in einem Rundschreiben vom 24. Oktober —darauf beziehen Sie sich wohl —, das sich mit der Finanzierung der Kindergeldaufwendungen auf weite Sicht befaßt, auf die zu erwartenden Vorschußerhebungen hingewiesen, und hierbei auf die für das erste Halbjahr 1957 erforderlichen Beitragssummen aufmerksam gemacht.
Bitte eine weitere Zusatzfrage! Vizepräsident Dr. Schneider: Bitte!
Sicher bestehen Schwierigkeiten bei der Anlauffinanzierung. Ist der Herr Minister für Arbeit bereit, mit dem Herrn Bundesfinanzminister gemeinsam dafür' Sorge zu tragen, daß weiterhin zinslose Darlehen für die Anlauffinanzierung gegeben werden, damit die übermäßigen, weit vorausreichenden Vorauszahlungen nicht nötig sind?
Wir werden uns wahrscheinlich im Laufe der heutigen Sitzung noch mit einigen Fragen der Familienausgleichskassen beschäftigen. Ich will Ihnen aber jetzt schon sagen: Wir werden nach dem ersten Geschäftsbericht des Verbandes der Familienausgleichskassen sehr ernst zu prüfen haben, wie wir das Problem für die Zukunft gesetzlich zu regeln haben, so daß jede übertriebene Beitragsanforderung vermieden werden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 9 des Abgeordneten Matthes, der heute hier durch den Abgeordneten Becker vertreten wird:
Sollen für den Bekleidungsbedarf bei den Streitkräften heereseigene Schneiderwerkstätten eingerichtet werden oder nicht?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Rust vom Verteidigungsministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bekleidungsbedarf der Streitkräfte, Herr Abgeordneter, wird grundsätzlich im Wege der öffentlichen Ausschreibung als Vollauftrag gedeckt. Einrichtungen wie die früheren Bekleidungsämter sind nicht vorgesehen. Die Bekleidung und auch das Schuhwerk der Soldaten werden nur durch Betriebe der freien Wirtschaft hergestellt. Größere Instandsetzungen werden nicht mehr in truppeneigenen Werkstätten ausgeführt. Werkstätten für die Durchführung dieser Arbeiten sollen durch öffentliche Ausschreibung ermittelt werden. Lediglich kleinere Arbeiten und Änderungen werden bei der Truppe selbst erfolgen. Hierfür stehen nach den Stärkenachweisungen ab Bataillonsstärke ein Schneider und ein Schuster zur Verfügung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird eine Zusatzfrage gestellt? — Nein.
Frage 10 des Abgeordneten Kalbitzer:
Weshalb verlangt der Herr Bundesfinanzminister die vertrauliche Behandlung der Zolleinnahmen, aufgegliedert nach Warengruppen, für das vergangene Haushaltsjahr?
Auf welches Gesetz stützt sich diese Anordnung der Vertraulichkeit?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zollertragsstatistik wird vom Statistischen Bundesamt in sehr weitgehender Aufgliederung für den Bundesminister der Finanzen erstellt. Diese Aufgliederung gestattet Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage einzelner Wirtschaftszweige und sogar einzelner Betriebe. Eine Veröffentlichung würde jedermann Einblick darin gestatten. Die Bundesregierung ist deshalb der Ansicht, daß die Zollertragsstatistik für eine volle Veröffentlichung nicht geeignet und daß sie vertraulich zu behandeln ist. Eine gesetzliche Vorschrift zur vertraulichen Behandlung der Zollertragsstatistik besteht aber nicht.
Um dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit entgegenzukommen, in die Zollerträge in großen Zügen Einblick zu gewinnen, hat die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen erstmalig für das Jahr 1953 eine Zollertragsstatistik nach Warengruppen und Warenuntergruppen im Statistischen Jahrbuch 1955 veröffentlicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Bitte!
Herr Staatssekretär, halten Sie es also für berechtigt, daß der Öffentlichkeit von der Regierung Wirtschaftszahlen vorenthalten werden, wofür keine gesetzliche Grundlage besteht? Wird die Bundesregierung dann wenigstens versuchen, dafür durch Einbringung eines entsprechenden Gesetzes eine gesetzliche Grundlage zu erreichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nicht nur verpflichtet, die Öffentlichkeit so weit wie möglich über diese Daten zu unterrichten; sie hat dabei auch die berechtigten Interessen der betreffenden Unternehmen zu wahren. Nur aus diesem Grunde kann die Statistik nicht in allen Einzelheiten veröffentlicht werden. Ich darf aber vielleicht anregen, zu prüfen, ob nicht die bereits im Statistischen Jahrbuch 1955 veröffentlichte Statistik, die nach Warengruppen und Warenuntergruppen gegliedert ist, dem allgemeinen Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Unterrichtung genügt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgeordneter!
In dem mir zugeleiteten Schreiben, das den Vermerk „Vertraulich" trug, waren von Ihnen nur angegeben — und nur danach hatte ich gefragt — die Beträge für Kaffee, Tee, Kakao und Erdöl. Dafür trifft doch Ihre Argumentation, daß man Rückschlüsse auf einzelne Betriebe oder kleine Betriebszweige ziehen könne, in keiner Weise zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, daher sind Ihnen diese Zahlen ja auch mitgeteilt worden!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 11 des Abgeordneten Ritzel:
Was gedenkt der Herr Bundesverkehrsminister zu tun, um entsprechend dem Internationalen Abkommen von 1949 dafür zu sorgen, daß alle Kraftfahrzeuge einen genügend großen Rückspiegel haben, der so angebracht sein muß, daß der Führer von seinem Sitz aus die Straße hinter dem Fahrzeug überblicken kann?
Beabsichtigt der Herr Bundesverkehrsminister, eine entsprechende Vorschrift auch für Kraftfahrer mit Seitenwagenmaschinen zu bewirken?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist in Übereinstimmung mit dem dem Bundestag zur Ratifizierung vorgelegten Genfer Abkommen vom 19. September 1949 vorgeschrieben, daß Kraftfahrzeuge einen nach Größe und Art der Anbringung ausreichenden Rückspiegel für die Beobachtung der Fahrbahn nach rückwärts haben müssen. Krafträder mit und ohne Beiwagen sind dabei ausgenommen. Die Anbringung des Rückspiegels ist bei diesen Fahrzeugen dem Fahrzeughalter überlassen.
Da diese Vorschriften den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht mehr gerecht werden, habe ich in dem Entwurf einer Verordnung über die Änderung von Vorschriften des Straßenverkehrsrechts, der dem Bundesrat zur Beschlußfassung vorliegt, vorgeschlagen, daß Kraftfahrzeuge grundsätzlich Innen- und Außenspiegel haben müssen. Diese Spiegel sollen so beschaffen und in solcher Anzahl angebracht sein, daß der Führer des Fahrzeugs nach rückwärts die für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge auf der ganzen Breite der Fahrbahn beobachten kann. Für Krafträder mit und ohne Beiwagen wird e i n Rückspiegel vorgeschlagen. Bei Kraftfahrzeugen ohne Fenster in der Rückwand sollen Außenspiegel genügen.
Die Größe und Art der Anbringung dieser Spiegel werden in den Richtlinien für die Typprüfung der Kraftfahrzeuge festgelegt werden. Der Entwurf zu diesen Richtlinien wird zur Zeit vorbereitet. Der Verband der Automobilindustrie hat erklärt, daß er mit dem obligatorischen Anbringen von Innen- und Außenspiegeln und mit den dazu vorbereiteten Richtlinien nicht einverstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Bitte!
Soll das bedeuten, Herr Bundesverkehrsminister, daß Ihre geplante Maßnahme, alle Kraftfahrzeuge mit einem Rückspiegel zu versehen, sich auch auf die Kraftfahrzeuge — wie beispielsweise Traktoren — bezieht, die nicht mehr als 20 km je Stunde fahren, wie es in der jetzt geltenden Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bestimmt ist?
Es wird sich aus den Beratungen im Bundesrat im einzelnen ergeben, wieweit der Bundesrat diesen Wünschen nachkommt. Sie wissen, Herr Kollege Ritzel, daß die Landwirtschaft der Anbringung von Rückspiegeln bei Traktoren im landwirtschaftlichen Betrieb widersprochen hat. Die Sache wird also auch noch im Landwirtschaftsausschuß des Bundesrats zur Behandlung kommen.
Darf ich fragen: Ist es Ihre Auffassung, Herr Bundesverkehrsminister, daß alle Kraftfahrzeuge, auch die, die weniger als 20 km fahren, ebenfalls einen Rückspiegel haben müssen?
Nach meiner Auffassung sollten alle Kraftfahrzeuge mit mindestens einem Rückspiegel versehen werden.
Danke sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 12 des Herrn Abgeordneten Ritzel:
Was gedenkt der Herr Bundesverkehrsminister im Interesse der Sicherheit des Verkehrs zu tun, um die Führer aller mit Motor betriebenen Fahrzeuge, die die Landstraße benutzen, für führerscheinpflichtig zu erklären?
Bitte, Herr Minister!
Nach den im Bundesgebiet geltenden Vorschriften, die mit dem soeben zitierten Genfer Abkommen über den Straßenverkehr von 1949 übereinstimmen, ist für alle motorisierten Straßenfahrzeuge, die nach ihrer Bauart eine höhere Geschwindigkeit als 6 Stundenkilometer erreichen können, Fahrerlaubnis erforderlich. Einzige Ausnahme sind die Fahrräder mit Hilfsmotor.
Eine Einbeziehung der besonders langsamen Kraftfahrzeuge in die Führerscheinpflicht hat sich bisher nicht als nötig erwiesen. Dagegen wird die Ausdehnung der Führerscheinpflicht auf Fahrräder mit Hilfsmotor seit einigen Monaten einer ernsthaften Prüfung unterzogen. Der Länderfachausschuß Technische Kraftfahrzeugüberwachung wird diese Frage am 20. und 21. Dezember dieses Jahres mit den Vertretern der Bundesressorts und der Länder erörtern, und sie soll dann der Verkehrssicherheitskonferenz Anfang März 1956 zur Entscheidung vorgelegt werden. Zweifellos werden alle Fahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 Stundenkilometern in Zukunft führerscheinpflichtig werden. Die Frage, ob für Fahrräder mit Hilfsmotor, deren Höchstgeschwindigkeit durch die Bauart auf 40 Stundenkilometer beschränkt ist, die Führerscheinpflicht entbehrlich bleiben wird, möchte ich wegen der laufenden Untersuchungen und Verhandlungen heute noch nicht abschließend beantworten. Ich darf darauf hinweisen, daß für derartige Fahrräder mit Hilfsmotor in den meisten europäischen Staaten kein Führerscheinzwang vorliegt.
Bei der zur Zeit angestellten Überprüfung wird auch abzuwägen sein, ob den notwendigen Anforderungen der Verkehrssicherheit durch andere Mittel wie z. B. Kennzeichnung der Fahrzeuge, verstärkte technische Überwachung, verstärkte Verkehrserziehung usw. Rechnung getragen werden kann, ohne daß ein Führerscheinzwang eingeführt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 13 des Abgeordneten Dr. Preller:
Wann ist mit dem Wiederaufbau des im Kriege zerstörten Gebäudes der Hauptpost am Königsplatz in Kassel zu rechnen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Planungsarbeiten für den Wiederaufbau des Postdienstgebäudes am Königsplatz in Kassel sind aufgenommen und werden im Rahmen der Finanzierungsmöglichkeiten gefördert. Der Baubeginn läßt sich noch nicht mit Sicherheit angeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Bitte!
Herr Minister, ich möchte die Zusatzfrage stellen, ob es Ihnen bekannt ist, daß die Stadt Kassel außerordentlichen Wert auf einen sehr schnellen Aufbau dieses Gebäudes legt, weil das Grundstück in der Mitte der Stadt liegt und außerdem das Stadtbild augenblicklich gestört wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Verhältnisse in Kassel sind mir aus eigener Anschauung bekannt. Wir legen Wert darauf, so schnell wie möglich ein zweckentsprechendes Gebäude zu errichten. Hindernisse liegen erstens in der Verpflichtung für die öffentliche Hand, bei Bauvorhaben jetzt Zurückhaltung zu üben, zweitens in der Hauptsache aber in der Finanzierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 14 des Abgeordneten Platner:
Hat der Herr Bundesinnenminister seinen Auftrag an die zur Vorbereitung eines Parteiengesetzes einberufene Sachverständigenkommission derart befristet, daß mit der Einbringung des Entwurfs eines Parteiengesetzes noch in dieser Wahlperiode des Bundestages gerechnet werden kann?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesinnenministerium Bleek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Kommission für Fragen des Parteienrechts hat ihre Arbeit am 9. Dezember aufgenommen. Der Auftrag, der ihr erteilt worden ist, ist nicht befristet und kann auch nicht befristet werden. Die sich aus Art. 21 des Grundgesetzes ergebenden politischen, soziologischen und rechtlichen Probleme sind so umfassend, daß der Kommission ausreichende Zeit für ihre Untersuchungen gelassen werden muß. Wir rechnen damit, daß die Arbeitsergebnisse der Kommission in etwa anderthalb Jahren vorliegen werden. Erst wenn das der Fall ist und die Öffentlichkeit ausreichende Gelegenheit zur Diskussion gehabt hat, kann der Entwurf eines Parteiengesetzes fertiggestellt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage? Frage 15 der Frau Abgeordneten Lockmann:
Was gedenkt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern gegen die an vielen Orten bestehende Unsitte des Silvesterfeuerwerks zu unternehmen, da diese Unsitte sehr häufig zu Unfällen, Bränden und Schreckwirkungen geführt hat?
Das Wort zur Beantwortung hat ebenfalls der Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesinnenministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, der Verkehr mit pyrotechnischen Gegenständen, zu denen auch Feuerwerkskörper gehören, regelt sich ausschließlich nach landesrechtlichen Vorschriften. Hamburg und Schleswig-Holstein haben in ihren Verordnungen über die Verwendung von solchen Gegenständen die entgeltliche und unentgeltliche Abgabe von Feuerwerkskörpern an Personen unter 18 Jahren untersagt. In den übrigen Ländern der Bundes-
republik ist die Abgabe von Feuerwerkskörpern an Jugendliche nicht verboten. In dem unter Leitung des bayerischen Staatsministerium des Innern stehenden Hauptausschuß der Länder für die Sprengstoffgesetzgebung ist ein grundsätzliches Verbot der Verwendung von Feuerwerkskörpern anläßlich des Jahreswechsels bisher nicht erwogen worden. Es kann auch kaum damit gerechnet werden, daß ein solches Verbot durch die Länder ausgesprochen wird, weil die Verwendung von Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel vielfach zu den traditionellen Gebräuchen der Bevölkerung gehört. Die Länder achten aber darauf, daß Auswüchse, soweit das möglich ist, unterbunden werden. Auf der Innenministerkonferenz Ende Oktober dieses Jahres in Bad Pyrmont waren die Innenminister und Senatoren der Länder der Auffassung, daß es zweckmäßig sei, die Regelung von Hamburg und Schleswig-Holstein zu übernehmen, also wenigstens die Abgabe von Feuerwerkskörpern an Personen unter 18 Jahren zu untersagen. Wir werden abwarten müssen, ob die Länder solche Vorschriften erlassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Nein.
Frage 16 ebenfalls der Frau Abgeordneten Lockmann:
Warum und mit welcher Begründung sind die wiederholten Anträge der Gemeinde Hollenstedt, einen unbeschrankten Bahnübergang, der bereits wiederholt die Ursache folgenschwerer Unfälle gewesen ist, unfallverhütend abzusichern, von der Deutschen Bundesbahn abgelehnt oder vorn Bundesverkehrsministerium gar nicht beantwortet worden?
Geschah dies mit der ausdrücklichen Billigung des Herrn Bundesverkehrsministers, in dessen Wahlkreis die Gemeinde Hollenstedt liegt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anträge der Gemeinde Hollenstedt wegen zusätzlicher Schutzeinrichtungen für den unbeschrankten Bahnübergang im Zuge der Landstraße I. Ordnung Nr. 141, also einer Straße, deren Baulast beim Lande Niedersachsen liegt, sind, soweit ich feststellen konnte, weder an den Bundesminister für Verkehr noch an das Bundesverkehrsministerium jemals gerichtet worden.
Die Gemeinde Hollenstedt hatte am 8. Oktober 1954 einen Antrag an die Bundesbahndirektion Hamburg gerichtet und gebeten, diesen Bahnübergang mit Schranken oder mit einer Blinklichtanlage auszurüsten. Die Bundesbahndirektion hat damals in eigener Zuständigkeit geantwortet, daß noch zahlreiche weitere schienengleiche Bahnübergänge in ihrem Bezirk gesichert werden müßten, bei denen eine wesentlich höhere Verkehrsfrequenz vorliege und die daher zunächst Berücksichtigung finden sollten. Der an sich den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend mit Warntafeln ausgerüstete Bahnübergang bei Hollenstedt könne erst später mit einer Blinklichtanlage versehen werden.
Danach hat sich die Gemeinde Hollenstedt über den zuständigen Kreis und den zuständigen Regierungspräsidenten mit dem für die genannte Straße zuständigen Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen in Verbindung gesetzt, der sich am 15. September 1955 in dieser Angelegenheit an das Bundesverkehrsministerium gewandt hat. Seine Anregung ist vom Bundesverkehrsministerium umgehend an den Vorstand der Deutschen Bundesbahn weitergegeben und befürwortet worden. Kurz vor dem Unfall hat die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mitgeteilt, daß sie bereit sei, bei der nächsten Serie diesen Übergang mit einer Blinklichtanlage zu versehen. Inzwischen sind die Arbeiten aufgenommen worden und werden in kurzer Zeit fertiggestellt sein, so daß die Anlage am 20. Dezember in Betrieb genommen
werden dürfte.
Ich darf persönlich bemerken, daß ich als Abgeordneter des Wahlkreises, in dem Hollenstedt liegt, seit dem Sommer 1953 mehrere Male in Hollenstedt selbst und in den Nachbarorten von Hollenstedt zu Sprechtagen und Besprechungen gewesen bin. Von keiner Seite bin ich dabei auf eine besondere Gefährlichkeit gerade dieses unbeschrankten Bahnübergangs aufmerksam gemacht worden. Vor dem schweren Unfall am 5. November 1955 hatten sich in den letzten Jahren an diesem Bahnübergang drei Unfälle ereignet. In den Zeitungen haben andere Zahlen gestanden, die aber nicht richtig sind. In diesen drei Fällen sind die Kraftfahrer als die Schuldigen an den Zusammenstößen festgestellt und rechtskräftig verurteilt worden.
Ich darf weiter bemerken, daß gerade die schienengleichen Bahnübergänge seit Jahren Gegenstand besonderer Sorgen des Bundesministers für Verkehr sind, der schon 1951 eine besondere Kommission eingesetzt hatte, um dieses Problem zu prüfen. Der Bericht der Kommission, die alle schienengleichen Bahnübergänge im Bundesgebiet besichtigt hat, ist im März 1952 in der Länderverkehrsministerkonferenz eingehend besprochen und dazu ein Merkblatt für den Straßenverkehr herausgegeben worden.
Die Bundesbahn ist seitdem in vermehrtem Maße bemüht, diese Gefahrenquellen zu beseitigen oder mindestens die Gefahren an diesen Stellen herabzusetzen. Zahlreiche schienengleiche Wegübergänge konnten in den letzten Jahren beseitigt werden. Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß auf etwa 700 Straßenverkehrsunfälle nur ein Unfall kommt, der durch Zusammenstoß zwischen Kraftfahrzeug und Eisenbahn entstanden ist. Also nur 0,14 % der sich bedauerlicherweise auf der Straße ereignenden Unfälle sind auf einen Zusammenstoß zwischen Kraftfahrzeug und Eisenbahn zurückzuführen. Leider steht in der überwiegenden Zahl dieser Fälle fest, daß die Unfälle durch Verschulden der Kraftfahrzeuge eingetreten sind. Bei dem Unfall bei Hollenstedt am 5. November 1955 wird die gerichtliche Nachprüfung zur Schuldfrage abzuwarten sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Bitte.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Bundesbahn, sehr zur Beunruhigung der Bevölkerung, beabsichtigt, in unmittelbarer Nähe der Unglücksgemeinde Hollenstedt von sechs beschrankten Bahnübergängen jetzt die Schranken zu entfernen?
Die Bundesbahn entfernt bei einer ganzen Reihe von Bahnübergängen die Schranken und ersetzt sie durch Blinklichtanlagen. Wenn ein solcher Antrag der Bundesbahn vorliegt, muß er von der zuständigen Polizeibehörde, als in Niedersachsen dem Regierungspräsidenten, genehmigt werden, nicht vorn Bundesverkehrsminister. Entscheidend ist, ob
die örtliche Polizeibehörde keine Bedenken hat, Schranken durch Blinklichtanlagen zu ersetzen. Man muß es ja der Entscheidung dieser örtlichen Behörde überlassen, wie sie verfährt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 17 des Herrn Abgeordneten Stingl:
Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß auch heimatvertriebene Bauern, die ihren Wohnsitz zur Zeit in Berlin haben, in den anderen Ländern bei der Vergabe von Lastenausgleichsmitteln für die bäuerliche Siedlung mehr als bisher berücksichtigt werden?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Minister Dr. Oberländer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen ist mit Schreiben vom 22. April 1954 mit der Bitte an mich herangetreten, die Frage der Ansiedlungsmöglichkeit für rund 80 heimatvertriebene in Berlin befindliche Bauernfamilien zu prüfen, da sie dort zu keiner landwirtschaftlichen Existenz kommen konnten. Ich habe am 20. Mai 1954 die Ländervertreter gebeten, die Möglichkeiten zur Ansiedlung dieser Bauern mit den obersten Siedlungsbehörden der für die Abwicklung von Einzelfällen allein zuständigen Länder zu klären. Gleichzeitig habe ich den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebeten, auch seinerseits die Länderernährungsminister auf die besondere Notlage dieser Bauern hinzuweisen und eine Sonderaktion zu unterstützen. Der Herr Bundesernährungsminister hat meiner Bitte am 7. Juli 1954 entsprochen. Mit Ausnahme der Stadtstaaten haben sich daraufhin sämtliche Bundesländer bereit erklärt, je 5 Berliner Bauernfamilien aufzunehmen und teils auf Vollbauern-, teils auf Nebenerwerbsstellen anzusiedeln.
Am 30.. Januar 1955 hat der zuständige Fachreferent meines Hauses die Bewerber eingehend über Verfahren, Finanzierungsmöglichkeiten usw. aufgeklärt. Für jedes Land wurde dem Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen ein Verbindungsmann namhaft gemacht, der die Ansiedlung der Berliner Familien vom Aufnahmeland her verantwortlich in die Hand zu nehmen bereit war. Am 10. Februar 1955 wurde dankenswerterweise die Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten bis 1000 DM für jede Berliner Bauernfamilie von der Deutsch-Schwedischen Flüchtlingshilfe zugesichert. Der Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen, der die Vertretung der Interessenten mit deren Einverständnis übernommen hatte, teilte mir am 21. Juni 1955 mit, daß die Aktion laufe, so daß eine weitere Einschaltung meines Hauses zur Zeit nicht erforderlich erscheine. Der Verband hat mich von dem Stand der Aktion bis heute nicht weiter unterrichtet.
Die Inanspruchnahme von Mitteln für die ländliche Siedlung ist Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen in der Regel immer dann möglich, wenn der Kauf oder die Pachtung eines landwirtschaftlichen Anwesens der zuständigen obersten Siedlungsbehörde nachgewiesen wird. Es liegt ausschließlich in der Hand der in Berlin ansässigen Bauern, von dem Angebot der Länder Gebrauch zu machen und den Länderregierungen die Unterlagen zuzuleiten. Es ist kein Fall bekannt, in dem bed. Vorliegen aller persönlichen und sachlichen Voraussetzungen die Ablehnung eines Antrages auf Bereitstellung von Siedlungskrediten nach dem
Bundesvertriebenen- oder Lastenausgleichsgesetz ausschließlich mangels Mittel erfolgt wäre. Dagegen sind zwei Fälle bekannt, in denen in Berlin ansässige vertriebene Bauern im Rahmen der ihnen gebotenen finanziellen Möglichkeiten verkaufsreife Betriebe in Rheinland-Pfalz besichtigten und ohne Benachrichtigung der betreuenden Landesbehörde sowie ohne jede Begründung wieder nach Berlin abfuhren.
Die Bundesregierung und die Bundesländer haben organisatorisch und finanziell alle Voraussetzungen für die bevorzugte Ansiedung dieses Personenkreises geschaffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, in einem Einzelfall, der mir bekannt ist, eine Überprüfung vorzunehmen?
Jederzeit gern!
Danke sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 18 des Abgeordneten Dr. Schellenberg:
Warum unterhalten die meisten Familienausgleichskassen in Berlin keine Bezirksstellen, so daß die Leistungsberechtigten und die zahlungsverpflichteten Betriebe zur Klärung der vielfachen Zweifelsfragen keine persönliche bzw. telefonische Auskunft erlangen können, sondern genötigt sind, Schriftwechsel zu führen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Die Familienausgleichskassen, die für Berlin zuständig sind — das sind von 36 gewerblichen Familienausgleichskassen 22 —, haben durch ihre Berufsgenossenschaft, bei der sie errichtet sind, eine Berliner Vertretung, die in der Lage ist, Anträge auf Gewährung von Kindergeld entgegenzunehmen und Auskünfte zu erteilen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schellenberg? — Bitte!
Herr Minister, wollen Sie im Hinblick darauf, daß die Berliner Wirtschaft mehr als 100 % ihres eigenen Bedarfes für Kindergeld, nämlich jährlich etwa 7 Millionen Mark, für Ausgleichskassen des Bundesgebietes aufbringt, dahin wirken, daß in verstärktem Maße Berliner Arbeitskräfte bei den Familienausgleichskassen Beschäftigung finden?
Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wir haben bei allen sozialen Kassen und Einrichtungen zwischen dem Bundesgebiet und Berlin eine Lastengemeinschaft. In der Mehrzahl der Fälle führt diese Lastengemeinschaft zur Überführung von Geldern aus der Bundesrepublik nach Berlin. Wenn es bei den Kindergeldern zufälligerweise einmal anders sein sollte, bin ich der Meinung, daß Berlin davon nicht allzulaut reden sollte.
Herr Minister, ich habe nach den Arbeitskräften für die Familienaus-
gleichskassen gefragt und wäre dankbar, wenn Sie diese Frage beantworteten.
Ich kann keine Berliner Arbeitskräfte für die Familienausgleichskassen nach dem Bundesgebiet bringen, wenn die Leute nicht von Berlin hierher wollen. Die Berliner Arbeitskräfte können sich selbstverständlich wie jeder andere um eine Anstellung und Beschäftigung bei einer Familienausgleichskasse bemühen.
Danke schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 19 des Abgeordneten Ritzel:
Entspricht es den Tatsachen, daß zwei verantwortliche Beamte der Deutschen Bundespost trotz der Nichtanerkennung der Ergebnisse der Kopenhagener Rundfunkkonferenz erklärt haben sollen, daß für die Bundesrepublik Deutschland die moralische Pflicht bestehe, den Kopenhagener Plan zu befolgen?
Was beabsichtigt der Herr Bundespostminister zu tun, um bei der Neuordnung der Mittelwellen auch die berufenen Vertreter des deutschen Rundfunks zur Beratung hinzuzuziehen, um die Rechte des Rundfunks und damit die Interessen der deutschen Rundfunkhörer sicherzustellen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter! In einer privaten wissenschaftlichen Arbeit haben zwei Beamte meines Ministeriums ausgeführt, daß die Bundesrepublik als Mitglied des Internationalen Fernmeldevereins die moralische Pflicht habe, den Kopenhagener Plan zu befolgen. Sie begründen diese Auffassung wie folgt. Die durch den Kopenhagener Plan zugewiesenen Frequenzen sind für die begünstigten Länder registriert werden. Wird der Funkdienst auf einer registrierten Frequenz durch eine andere Funkstelle gestört, so ist das Land, in dem die störende Funkstelle betrieben wird, auf Grund von Art. 45 des Internationalen Fernmeldevertrages Buenos Aires 1952, der für die Bundesrepublik Deutschland am 26. Juli 1955 in Kraft getreten ist, verpflichtet, die Störung abzustellen. Da die Abstellung der Störung und damit die Beachtung des Kopenhagener Planes aber nicht erzwungen werden kann, haben die Verfasser der Abhandlung von einer „moralischen Pflicht" gesprochen. Derselbe Standpunkt ist übrigens von dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen schon vor einigen Jahren in diesem Hohen Hause vertreten worden.
Die Ansprüche des deutschen Rundfunks und die Interessen der deutschen Hörer werden von mir in Verhandlungen über internationale Abkommen der Fernmeldeverwaltungen nachdrücklichst vertreten. Darüber hinaus werden zu diesen Verhandlungen Vertreter des Rundfunks hinzugezogen.
Danke sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 20 des Herrn Abgeordneten Arnholz:
Sind die vom Herrn Bundesinnenminister erlassenen Richtlinien vom 21. Dezember 1950 Ober Suppen und Soßen noch gültig, und ist gegebenenfalls die Auslegung ihres § 4 durch Hersteller und Handel richtig, daß als „Fleischsuppe" oder „Suppe mit Fleisch" Erzeugnisse bezeichnet werden dürfen, wenn bei der nach Vorschrift fertig hergerichteten „Fleisch"-Suppe auf 250 g 1 g (Rohgewicht) Fleisch mit Knochen (4 g Rohgewicht Fleisch mit Knochen je Liter fertiger Suppe) entfällt, und berechtigt entsprechend die gleiche „Menge" Rohgewicht auch jetzt noch zu der Bezeichnung Hühner- oder Geflügelsuppe?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesinnenministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In dem Rundschreiben aus dem Jahre 1950 sind die von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnten Richtlinien den obersten Gesundheitsbehörden der Länder übersandt worden. Es heißt dort, daß die Richtlinien den „derzeitigen", d. h. also den damaligen, redlichen Handelsbrauch für den Verkehr mit solchen Erzeugnissen zutreffend wiedergeben. Die Richtlinien sollten zunächst der Gewinnung von Erfahrungen auf diesem Gebiet dienen. Ich gebe zu, daß sie in der von Ihnen angezogenen Bestimmung nicht mehr den heutigen Verhältnissen und dem gestiegenen Lebensstandard der Bevölkerung entsprechen. Praktisch weisen die heute im Verkehr anzutreffenden Produkte auch wesentlich größere Mengen an Fleisch und einen höheren Gehalt an Fleischextraktivstoffen auf, als es die Richtlinien damals gefordert haben. Wie uns bekanntgeworden ist, sind bereits Arbeiten im Gange, um die Richtlinien dem heutigen Handelsbrauch anzupassen.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgeordneter!
Ist der Herr Staatssekretär nicht mit mir der Ansicht, daß fünf Jahre staatlich konzessionierter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine zu reichlich bemessene Frist sind, um Erfahrungen zu sammeln, und ist der Herr Staatssekretär nunmehr imstande, dafür zu sorgen, daß die in den in Rede stehenden Richtlinien von 1950 festgelegten Grundsätze unverzüglich ersetzt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden uns dafür einsetzen.
Noch eine Frage, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgegeordneter.
Ist der Herr Staatssekretär bereit, zuzusagen, daß in den zu erlassenden neuen Vorschriften die Bezeichnungen Fleisch- oder Geflügelsuppe oder ähnliche Bezeichnungen nur zugelassen werden, wenn die nach Vorschrift fertiggestellten Suppen die angewendete Kennzeichnung nach dem anerkannten Sprachgebrauch und nach den Mindestforderungen auch verdienen, die im normalen Haushalt an solche Suppen im allgemeinen gestellt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir werden uns dafür einsetzen, daß die Richtlinien eine Definition bringen, die den allgemeinen Anforderungen des Lebensmittelgesetzes entspricht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 21 des Abgeordneten Lenz :
Wann ist mit dem Gesetz zur Regelung von Hörtefällen in der Wertpapierbereinigung, dessen Vorlage der Herr Bundesfinanzminister in der 75. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 23. März 1955 noch vor Beendigung dieses Jahres angekündigt hat, zu rechnen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Behebung von Härten in der Wertpapierbereinigung wird
zwar nicht mehr, wie in der Fragestunde am 23. März angenommen war, in diesem Kalenderjahr, jedoch Anfang des nächsten Jahres, also in wenigen Wochen, der Bundesregierung vorgelegt werden.
Der Gesetzentwurf ist im Bundesfinanzministerium mit aller Dringlichkeit bearbeitet worden und an sich fertiggestellt. Er wird gerade heute mit den Bankaufsichtsbehörden der Länder erörtert. Nach der jetzigen Fassung des Gesetzentwurfs soll nicht nur in den Fällen verspäteter oder unterbliebener Anmeldung geholfen werden, wovon in der Fragestunde im März dieses Jahres die Rede war. Es hat sich vielmehr als notwendig erwiesen, möglichst auch andere Härtefälle zu berücksichtigen, also den Rahmen des Gesetzes über die ursprüngliche Absicht hinaus zu erweitern und dabei den Belangen der Bewohner der sowjetisch besetzten Zone besonders Rechnung zu tragen.
Ich glaube, daß es richtig war, die Härteregelung gleich so umfassend und großzügig wie möglich zu gestalten und die dadurch verursachte geringfügige Verzögerung in Kauf zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfrage? Lenz (CDU/CSU): Nein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 22 des Abgeordneten Lenz :
Wird der Herr Bundeswohnungsminister angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Kleinsiedler die erheblichen Gebührennachzahlungen nicht aufbringen können, in die Novelle zum Wohnungsbaugesetz eine Bestimmung aufnehmen, die sicherstellt, daß auch Kleinsiedler-Betreuungsverträge die gleiche Gebührenermäßigung erfahren wie die übrigen Vorhaben des sozialen Wohnungsbaues?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Abgeordneter, Sie haben bei Ihrer Frage offensichtlich das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Juli 1955 im Sinne, durch das tatsächlich eine Rechtsunsicherheit in der Frage entstanden ist, ob für Kleinsiedlungen die Gebührenbefreiungen bei den Beurkundungen weiter gelten oder nicht.
Die Bundesregierung hat, als über das Gesetz über die Gebührenbefreiungen für den sozialen Wohnungsbau vom 30. Mai 1953 hier im Bundestag beschlossen wurde, ebensowenig wie der Gesetzgeber die Absicht gehabt, daß damit etwa die seit 1931 bestehenden Gebührenbefreiungen für Beurkundungen bei Kleinsiedlungen in Fortfall kommen. Dies ist sogar in einem Schriftwechsel mit dem hierfür federführenden Bundesminister der Justiz dem Bundestag und dem Bundesministerium für Wohnungsbau noch ausdrücklich bestätigt worden; denn unter den Aufhebungen, die in diesem Gesetz von 1953 vorgenommen wurden, das für den sozialen, d. h. öffentlich geförderten und steuerbegünstigten Wohnungsbau erstmals bestimmte Befreiungen von Gerichtsgebühren mit Ausnahme der Beurkundungsgebühren brachte, war nicht die seit 1931 bestehende Gebührenbefreiung für die Kleinsiedlungen aufgeführt.
Da nach diesem Urteil des Oberlandesgerichts Köln, in dem eine den klaren Absichten des Gesetzgebers und der Bundesregierung entgegenstehende Ansicht vertreten wird, eine Rechtsunsicherheit entstanden ist, wird die Bundesregierung in, wie sie glaubt, voller Übereinstimmung mit dem Bundestagsausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen dafür sorgen, daß in das zweite Wohnungsbaugesetz eine klarstellende Bestimmung hineinkommt.
Ich darf im übrigen bemerken, daß Sie mit die-Frage sicher nicht darauf abgestellt haben — Sie haben es so formuliert —, daß die gleichen Befreiungen, wie sie für den übrigen steuerbegünstigten und sozialen Wohnungsbau gelten, für die Kleinsiedlung eintreten sollten; denn dann würde gerade das eintreten, was das Oberlandesgericht Köln hier unterstellt hat. Es soll vielmehr der ursprüngliche und vom Gesetzgeber gewollte Tatbestand wieder eindeutig und klar herausgestellt werden, daß für die Kleinsiedlung, die ja für die sozial schwächsten Schichten Eigentum schaffen soll, die Beurkundungsgebühren für die gesamten Eintragungen entfallen, daß hier also die Befreiungen eindeutig weiter gelten, wie sie bereits seit 1931 Rechtens sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 23 des Abgeordnete Lenz :
Ist der Bundesregierung der skandalöse Vorgang bekannt, daß ein deutsches Verlagsunternehmen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse völkerverhetzende Literatur ausstellen konnte, wodurch das Ansehen der Bundesrepublik im In- und Ausland schwer geschädigt worden ist? Ist gegen die Verantwortlichen ein Verfahren gemäß Art. 18 des Grundgesetzes eingeleitet worden?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesministerium des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Zwischenfall, der sich am 9. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse ereignet hat, ist der Bundesregierung bekannt. Nach den bei der Bundesregierung vorhandenen Unterlagen ist dabei der Stand' des Plesse-Verlages in Göttingen durch einige andere Aussteller aus der Ausstellungshalle entfernt worden. Anlaß zu diesem Vorgehen gaben die ausgestellten Bücher des Verlages, insbesondere das nachgelassene Werk Rosenbergs „Ideale und Idole der nationalsozialistischen Revolution".
Der Bundesminister des Innern beabsichtigt, dem Bundeskabinett vorzuschlagen, in diesem Falle von seinem Antragsrecht nach Art. 18 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen, damit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfange die Verantwortlichen des Verlages das Grundrecht der freien Meinungsäußerung verwirkt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Die nächste Fragestunde wird am Freitag, dem 13. Januar 1956, stattfinden. Sperrfrist für eingehende Fragen: Freitag, der 6. Januar 1956, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt 2 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) (Druck-1938).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Seidl .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwa vier Wochen, am 11. November 1955, habe ich als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses vor diesem Hause einen Bericht dieses Ausschusses über das Finanzverfassungsgesetz gegeben. Ich darf mich heute zunächst nochmals auf diesen Bericht beziehen, der vor allem einen Überblick über die lange Geschichte dieses Gesetzes gibt. Der damals anstehende Vermittlungsvorschlag zum Finanzverfassungsgesetz — es handelte sich bekanntlich um den zweiten Vorschlag in dieser Sache — war vom Bundestag mit großer Mehrheit angenommen worden. Der Bundesrat dagegen hatte in seiner Sitzung vom 2. Dezember 1955 auch diesen Vorschlag nicht angenommen, sondern seinerseits den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Ausschuß mußte sich nunmehr zum dritten Mal mit dem Finanzverfassungsgesetz befassen.
In seinem Anrufungsbegehren hat der Bundesrat verlangt:
erstens die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, deren Aufkommen nach dem Katalog des Finanzverfassungsgesetzes dem Bunde zustehen soll, der Höhe nach verfassungskräftig auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu begrenzen;
zweitens den Bundesanteil an der Einkommen-und Körperschaftsteuer nicht mit 35 % zu Bernessen, sondern auf 331/3 % des Aufkommens zu begrenzen;
drittens die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Grundsätze über die Anwendung der Revisionsklausel zu streichen;
viertens die Sperrfrist für die Anwendung der Revisionsklausel von zwei Jahren auf drei Jahre zu erstrecken.
Der Vermittlungsausschuß hat sich am 8. Dezember nochmals eingehend mit diesen Änderungsvorschlägen des Bundesrates befaßt. In dem neuen Vermittlungsvorschlag ist man übereingekommen, in der Frage der prozentualen Aufteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Sperrfrist für die Revisionsklausel dem Begehren des Bundesrates zum Teil zu folgen, im übrigen aber den Beschluß des Bundestages vom 11. November 1955 zu bestätigen und aufrechtzuerhalten. Ich verweise auf die Ihnen vorliegende Drucksache 1938, welche die neuen Vorschläge des Vermittlungsausschusses enthält.
Im einzelnen darf ich folgendes berichten.
1. Zur Ergänzungsabgabe.
Gegen das Verlangen des Bundesrates, eine künftig etwa zu erhebende Ergänzungsabgabe verfassungskräftig der Höhe nach zu begrenzen, bestanden nach wie vor erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die nicht ausgeräumt wurden. Dabei muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß hier vor allem die engen Grenzen des Art. 107 des Grundgesetzes solchem Verlangen entgegenstehen. Es ist weiter sehr fraglich, ob Art. 107 dem Bundesgesetzgeber die Ermächtigung gibt, die Entschließungsfreiheit des künftigen Steuergesetzgebers irgendwie einzuengen. Es wurde weiter die Auffassung vertreten, daß es nicht Aufgabe einer Verfassung sein kann, Einzelfragen der Finanz- und Steuerpolitik vorab zu entscheiden.
Aus diesen Gründen kam der Ausschuß zu dem Vorschlag, dem Verlangen des Bundesrates wegen
der Ergänzungsabgabe nicht stattzugeben, sondern weder eine Begrenzung dieser Abgabe noch das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates vorzusehen. Es soll jedoch noch einmal klargestellt werden, daß mit der Erwähnung der Ergänzungsabgabe im Finanzverfassungsgesetz noch nichts über ihre Erhebung ausgesagt ist. Die Frage, ob, wann und gegebenenfalls in welcher Höhe eine solche Abgabe erhoben wird, ist zur Zeit nicht aktuell und völlig offen. Sowohl nach den Erklärungen in diesem Hause als auch der Regierung denkt wohl niemand daran, in den nächsten Jahren eine derartige Ergänzungsabgabe einzuführen.
2. Zum Bundesanteil.
Bezüglich des Bundesanteils hat der Vermittlungsausschuß mit seinem Vorschlage ein neues Kompromiß gefunden. Für die ersten drei Jahre, nämlich 1955, 1956 und 1957, soll der Bund sich mit 331/3 %, also einem Drittel, des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer begnügen. Nach Ablauf dieser Frist soll aber dem Bund im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung seines Finanzbedarfs verfassungskräftig eine höhere Beteiligungsquote, nämlich 35 %, eingeräumt werden. Mit Rücksicht darauf, daß das Jahr 1955 schon nahezu verstrichen ist und die Jahre 1956 und 1957 bereits einigermaßen überschaubar sind, und zwar sowohl bezüglich der Einnahme- wie der Ausgabenseite, glaubt der Vermittlungsausschuß dem Begehren des Bundesrates insoweit Rechnung tragen zu können, obwohl nicht verkannt wurde, daß damit die finanzielle Bewegungsfreiheit des Bundes für die nächsten drei Jahre fühlbar eingeschränkt wird. Die Differenz zwischen 35 % und 331/3 % Bundesanteil macht jährlich etwa 200 Millionen DM aus. Andererseits bietet aber der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für beide Partner, Bund und Länder, den großen Vorteil, daß die finanziellen Beziehungen untereinander auf absehbare Zeit beruhigt und übersichtlich gestaltet werden. Die Beteiligten wissen fürs erste, woran sie sind, und können für die nächste Zukunft ihre gesamte Haushaltsplanung darauf abstimmen. Dies war mit ein entscheidender Punkt für die Einigung im Vermittlungsausschuß.
3. Grundsätze des Revisionsverfahrens.
Die Bedenken des Bundesrates gegen diese Grundsätze wurden vom Vermittlungsausschuß nicht voll geteilt. Es sind die Grundsätze, die in Art. 106 Abs. 4 in den Ziffern 1 und 2 aufgeführt sind. Es wurde im Gegenteil sogar die Auffassung vertreten, die Grundsätze seien notwendig, um den in Art. 107 niedergelegten Verfassungswillen zu verwirklichen. Man glaubte, auch auf den Grundsatz Nr. 3 nicht verzichten zu können. Es soll daher insoweit bei der vom Bundestag beschlossenen Fassung bleiben. Ein Antrag ist daher im Vermittlungsausschuß zu diesem Anrufungsbegehren nicht mehr gestellt worden.
4. Sperrfrist des Revisionsverfahrens.
Der Vermittlungsausschuß hat hier dem Wunsche des Bundesrates insofern entsprochen, als das für die ersten drei Jahre vorgesehene Beteiligungsverhältnis an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht revisibel gemacht und eine Revisionsmöglichkeit erstmals mit Wirkung vom 1. April 1958 eröffnet werden soll. Für die Folgezeit hält dagegen der Vermittlungsausschuß eine dreijährige Sperrfrist für zu lang, weil Umstände eintreten können, die eine so ausgedehnte Blockierung des vertikalen Finanzausgleichs für den einen oder den anderen
Partner unerträglich werden lassen, während ein Zeitraum von zwei Jahren nach menschlichem Ermessen wohl auch in schwierigen Situationen überbrückt werden kann.
Der Vermittlungsausschuß hat die Beschlüsse mit großer Mehrheit gefaßt. Dies rechtfertigt die Annahme, daß das Finanzverfassungsgesetz nun endlich in dieser Gestalt die Billigung der beiden Häuser des Parlaments finden wird und so noch rechtzeitig vor dem 31. Dezember 1955 verkündet werden kann. Es ist die Ansicht des Vermittlungsausschusses, daß es für das Ansehen sowohl des Bundes wie der Länder von Vorteil ist, wenn ein Streit über die finanziellen Beziehungen, der sich über lange Zeiträume erstreckt und oft sehr heftig geführt worden ist, bis endlich eine Einigung hat erzielt werden können, für die Zukunft nicht mehr stattzufinden braucht. Dazu kam die Überlegung, daß es doch gelingen sollte, den Auftrag des Grundgesetzes zu erfüllen, nämlich durch einfaches Bundesgesetz eine Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern vorzunehmen.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, den Ihnen vorliegenden Antrag gemäß Drucksache 1938 anzunehmen, wobei ich noch mitzuteilen habe, daß der Vermittlungsausschuß beschlossen hat, daß über die Änderungen nur gemeinsam abgestimmt werden soll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile das Wort zur Abgabe einer Erklärung Herrn Professor Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum dritten Male gebe ich heute namens der sozialdemokratischen Fraktion zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung eine Erklärung ab, nachdem dreimal zum gleichen Gesetzgebungswerk der Vermittlungsausschuß angerufen wurde, zuerst von der Bundesregierung, dann vom Bundestag, dann vom Bundesrat. In jedem der drei Fälle lag die Ursache der Anrufung des Vermittlungsausschusses bei der gleichen Gesetzgebungsinstanz, dem Bundesrat, der dreimal seine Zustimmung zu den fast einstimmig — beim letzten Male mit großer Mehrheit — vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwürfen verweigert hat.
Dieses zweifellos ungewöhnliche Verfahren bestätigt, daß unsere Finanzverfassung sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrer Handhabung unzulänglich ist. Die Sozialdemokratische Partei hat ihre Vorstellungen von einer unserem gesamten öffentlichen Leben organisch angepaßten Finanzverfassung mit einer einheitlichen Finanzverwaltung vom Parlamentarischen Rat bis heute nicht geändert, es jedoch für richtig erachtet, sich gewissen Gegebenheiten unserer föderativen Struktur anzupassen.
Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages hat dem Ergebnis der ersten beiden Vermittlungsverfahren unter politischen und systematischen Bedenken zugestimmt, um einen Beitrag zur Befriedung des unglücklichen, ja unwürdigen Verhältnisses, das sich zwischen Bund und Ländern entwickelt hat, zu leisten. Sie stimmt auch dem auf Drucksache 1938 vorliegenden Antrag des Vermittlungsausschusses zu, weil sie sowohl das Beteiligungsverhältnis des Bundes und der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit einem Drittel zu zwei Dritteln für die Zeit von drei Jahren wie auch die vorgesehenen Fristen zur
Anwendung der Revisionsklausel für zuträglich hält.
In dieser Situation ist es aber erforderlich, ein kritisches Wort offen auszusprechen. Wir räumen den Ländern ein, daß ihre Stellung zum Bund von Bundesseite, und zwar durch das Verhalten des Herrn Bundesfinanzministers, erschwert worden ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat die Länder von Jahr zu Jahr durch seine Steuerschätzungen, durch seine überhöhten Forderungen in bezug auf den Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, durch seine Haushaltspolitik der Thesaurierung, der Verwendung von laufenden Steuereinnahmen für die Deckung des außerordentlichen Haushalts und dergleichen steigend strapaziert und verärgert. Auch seine Politik des Verhandelns mit den Länderfinanzministern in Situationen, in denen der Gesetzgeber das Wort hatte und nicht die Finanzminister, hat das an sich unglückliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern bis zum Unerträglichen verschärft. Hierdurch wurde die Unzulänglichkeit, die in unserer Finanzverfassung ihren tiefsten Ursprung hat, geradezu zur Signatur der Finanzpolitik unserer Zeit.
Wenn der Bundesrat seiner ihm durch das Grundgesetz gestellten Aufgabe gerecht werden soll, ein Gesetzgebungsorgan des Bundes und nicht eine Interessenvertretung der Länder zu sein, muß das Mißtrauen verschwinden. Das kann nur durch absolute Offenheit und Loyalität erreicht werden. So bitten wir, meine Damen und Herren, unseren Beitrag zu verstehen, den wir mit nochmaligem Nachgeben durch nochmalige Zustimmung zum Antrag des Vermittlungsausschusses zu leisten uns verpflichtet fühlen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dias Wort zur Abgabe einer weiteren Erklärung hat Herr Abgeordneter Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein mehr oder weniger schöner Brauch dieses Hauses geworden, in unregelmäßigen Abständen dem Hause eine Vorlage des Vermittlungsausschusses vorzulegen und es mit beschwörenden Worten aufzufordern, dem zuzustimmen. Meine Freunde haben das bisher nicht getan und werden es auch jetzt nicht tun. Sie werden dabei bleiben, daß eine Ergänzungsabgabe, die jetzt wieder indirekt in den Beschlüssen des Ausschusses steht, unter gar keinen Umständen akzeptiert werden kann.
Meine Fraktion ist geneigt, die Dinge ein wenig humoristisch aufzufassen, auch wenn sie durchaus nicht humoristisch sind. Sie möchte damit der Gefahr entgehen, nach dem lateinischen Satz zu handeln: Difficile est satiram non scribere.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag . des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 1938 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe auf Punkt 3:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes .
— Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, das stimmt nicht; denn der Antrag wird erst obsolet, wenn auch der Bundesrat den soeben von dem Hohen Hause angenommenen Vermittlungsvorschlag angenommen hat und dies Gesetz wird. Der Bundesrat hat aber schon zweimal abgelehnt, und es könnte sein, daß er auch ein drittes Mal ablehnt. Zumindest besteht theoretisch die Möglichkeit. Deshalb ist dieser Antrag nicht hinfällig.
Soll der Antrag der Fraktion der FDP begründet werden? — Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es liegt ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vor. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 4:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes (Drucksache 1539);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 1884, Umdrucke 500, 501, 503, 504)
;
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Drucksache 974); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (28. Ausschuß) (Drucksache 1885). (Erste Beratung: 58. Sitzung.)
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Winkelheide, indem ich unterstelle, daß er über beide Entwürfe gleichzeitig berichten wird.
Ich verzichte, da der Schriftliche Bericht*) vorliegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Berichterstatter verzichtet auf eine mündliche Berichterstattung und bezieht sich auf den eingehenden Bericht, den er in beiden Fällen dem Hause schriftlich vorgelegt hat. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; denn ist so beschlossen.
Wir treten dann ein in die zweite Beratung des Gesetzes in der Fassung, die Ihnen der Ausschuß vorschlägt. Sie finden diese Fassung in Drucksache 1884 Seiten 14 ff.
Ich rufe auf § 1 in der Einzelberatung, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 500 Ziffer 1 und den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 503 Ziffer 1. Wer begründet? — Frau Abgeordnete Döhring zur Begründung des Antrags auf Umdruck 500 Ziffer 1*).
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bereits im Jahre 1950 hatte die sozialdemokratische Fraktion durch einen Initiativgesetzentwurf im 1. Bundestag beantragt, ein Kindergeld aus allgemeinen Steuermitteln zu gewähren. Leider kamen jedoch die Beratungen in der ersten Legislaturperiode zu keinem Abschluß. Nach Zusammentritt des 2. Bundestages hat meine Frak-
*) Siehe Anlage 2.
*) Siehe Anlage 3.
tion im März 1954 erneut einen Gesetzentwurf eingereicht mit der Forderung, Kindergeld zunächst vom zweiten Kind an zu gewähren. Auch diesmal kam unser Antrag bedauerlicherweise nicht zum Tragen. Vielmehr wurde ein Kindergeldgesetz beschlossen, das nur für dritte und weitere Kinder gilt. Dies hat bei Hunderttausenden von Familien, die nach den jahrelangen Verhandlungen im 1. Bundestag und im 2. Bundestag mit Recht gehofft hatten, ein Kindergeld zu bekommen, große Enttäuschungen hervorgerufen. Wir wissen zur Genüge, daß der weitaus größte Teil der Zweikinderfamilien, zumal wenn alle Ausgaben nur aus einer Lohntüte bestritten werden müssen, bei einer Einkommensgrenze liegt, bei der es einfach nicht möglich ist, die Kinder anständig zu ernähren, zu kleiden und aufzuziehen. Sie wissen auch, daß durch die Steuer ein sozial gerechter Ausgleich für Familien mit Kindern, die nur ein kleines oder mittleres Einkommen haben, niemals herbeigeführt werden kann und daß deshalb dieser Ausgleich durch Kinderbeihilfen kommen muß.
Die sozialdemokratische Fraktion stellt deshalb heute unter Ziffer 1 des Umdrucks 500 erneut den Antrag, den Anspruch auf Kindergeld auf das zweite Kind auszudehnen. Es ist eine unrühmliche Tatsache, daß die Bundesrepublik auf dem wichtigen Gebiet der Kinderbeihilfen hinter der Entwicklung in anderen Staaten weit zurückgeblieben ist. In anderen europäischen Ländern werden überall Kinderbeihilfen vom ersten oder zumindest vom zweiten Kinde an gezahlt.
Sie können sich denken, meine Herren und Damen, insbesondere von der CDU und CSU, daß es uns sehr gefreut hat, daß jetzt auch der Herr Familienminister für das zweite Kind die Kinderbeihilfe fordert, wie es die sozialdemokratische Fraktion bereits seit Jahren gefordert hat. Er hat eine Denkschrift zum Familienlastenausgleich herausgegeben, zu der allerdings an anderer Stelle noch manches zu sagen sein wird. Eigentümlicherweise haben noch nicht alle Abgeordneten diese Schrift erhalten, wohl aber die Presse, die diese Verlautbarungen mit großem Interesse aufgenommen und es dabei begrüßt hat, daß auch der Herr Familienminister nunmehr das Kindergeld vom zweiten Kind an wünscht, weil die Familien mit zwei Kindern eben zur Zeit am schlechtesten gestellt sind, da sie kein Kindergeld erhalten.
Neben der erwähnten Denkschrift sind noch einige andere Verlautbarungen des Herrn Familienministers in die Öffentlichkeit gegangen. Dadurch sind Hoffnungen bei den betroffenen Familien erweckt worden, die wir — das sollten wir uns gut überlegen — nicht zum zweitenmal enttäuschen sollten. Unter anderem hat nach einer Veröffentlichung im Bremer „Weser-Kurier" vom 14. November 1955 der Herr Familienminister auf einer Veranstaltung der Katholischen Arbeiterbewegung erklärt, das Kindergeldgesetz müsse noch in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verbessert werden, man müsse sich anderen Ländern mehr annähern, die viel mehr Kindergeld zahlten. Wenn der Herr Familienminister jetzt, nachdem er von seinen Parteifreunden sozusagen — entschuldigen Sie bitte den Ausdruck — zurückgepfiffen worden ist, sich von seinen Äußerungen in der Öffentlichkeit distanzieren zu müssen glaubt, dann muß man allerdings die Frage aufwerfen, was denn der Herr Familienminister eigentlich will.
Wir Sozialdemokraten sind nach wie vor von der Notwendigkeit dieses sozialpolitischen Schrittes überzeugt. Wir unterbreiten Ihnen deshalb den Antrag, zu beschließen, das Kindergeld nunmehr vom zweiten Kind an zu gewähren. Als Zeitpunkt bitten wir den 1. April 1956 vorzusehen. Bis dahin könnten die Vorbereitungen zur Erledigung der technischen Erfordernisse getroffen sein.
Die sozialdemokratische Fraktion hat schon bei der Schaffung des Kindergeldgesetzes im Oktober vorigen Jahres im Bundestag mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, wie unsinnig und unnötig kraftvergeudend es ist, ein Gesetz zu machen, bei dem von rund 13 Millionen Kindern nur 11/2 Millionen Kinder berücksichtigt werden. Ich will nicht etwa auf die vielen Unzulänglichkeiten des damals von Ihnen, meine Herren und Damen von der CDU/ CSU-Fraktion, ganz allein beschlossenen Kindergeldgesetzes eingehen. Die Öffentlichkeit und inzwischen wohl auch Sie selbst haben ja erfahren müssen, wie mangelhaft dieses Gesetz ist, von dem einer der Initiatoren so schön behauptet hatte, es sei ein klassisches Gesetz. Daß dieses Gesetz alles andere als klassisch ist, hat der Bundestag inzwischen selbst bewiesen, indem er nicht nur ein, sondern mit dem heutigen Gesetz sogar zwei Änderungsgesetze schaffen mußte; ein schlechtes Ergebnis, wenn man bedenkt, daß schon im 1. Bundestag drei Jahre an dieser Materie gearbeitet wurde und wir inzwischen zwei weitere Jahre damit zugebracht haben. Eine Vielzahl von Arbeitstagen und ein gerüttelt Maß von Kraftaufwand der einzelnen Abgeordneten hätte man sich ersparen können, wenn man den klaren, vernünftigen Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion zugrunde gelegt hätte, der in wesentlichen Punkten erfreulicherweise auch von der FDP getragen wurde und der vorsah, Kinderbeihilfen aus allgemeinen Bundesmitteln zu gewähren.
Herr Präsident, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine kleine Abschweifung, die eine ernste Seite unserer ganzen Gesetzgebung berührt. Ich las kürzlich in einer Düsseldorfer Zeitung einen Aufsatz, betitelt „Die Diktatur der Termine". Im Hinblick auf die sich häufenden Todesfälle und Herzerkrankungen in der letzten Zeit insbesondere unter den Parlamentariern war die Mahnung ergangen, daß man nicht von einer Konferenz zur anderen jagen sollte und daß man nicht die Termine zum Diktator seines Lebensablaufs werden lassen dürfe. Sicherlich empfinden wir alle diese Mahnung als richtig und angebracht. Doch eines, scheint mir, hat der Schreiber dieses Aufsatzes vergessen, nämlich anzufügen, daß sich der Bundestag befleißigen möge, sich bei der Schaffung von Gesetzen — ja, Herr Winkelheide — in erster Linie nicht von politischen Gesichtspunkten, sondern von größerem Sachverstand leiten zu lassen
und somit nicht nur gute und unkomplizierte Gesetze zu machen, sondern vor allem mit der Zeit und mit der Kraft der Abgeordneten sparsamer und sinnvoller umzugehen.
Der Herr Familienminister stellt in seiner Denkschrift ganz richtig heraus — ich sehe ihn nicht mehr — —
— Herr Familienminister, ich würde es viel mehr begrüßen, wenn Sie hier vor mir säßen, dann könnte ich mich mit Ihnen viel besser auseinandersetzen. Herr Familienminister, Sie stellen in Ihrer Denkschrift ganz richtig heraus, daß der Ausgleich der Familienlasten, besonders bei den niedrigen Einkommen, bisher sehr ungenügend ist. Bei einem Monatslohn von 300 DM, schreiben Sie, sind für zwei Kinder rund 130 DM monatlich aufzuwenden, bei einem Monatslohn von 400 DM rund 150 DM. Die Hilfe für die Kinder über die Steuern beträgt bei dieser Familie mit 400 DM Monatslohn aber nur 17 DM monatlich, und bei einem Monatslohn von 300 DM sind es nur 7,40 DM im Monat. Das ist der Wert von einem halben Liter Milch täglich, wie der Herr Familienminister selbst festgestellt hat.
Angesichts dieser Tatsachen wird doch wohl niemand hier ernsthaft behaupten wollen, daß es ein unbilliges oder gar ungerechtes Verlangen sei, das Kindergeld nunmehr, d. h. ab 1. April 1956, vom zweiten Kind an zu zahlen, denn die Großzahl der Familien mit zwei Kindern liegt bei diesen Einkommensgrenzen. Das trifft selbst dann noch zu, wenn man die Einkommensbezieher von 600 DM monatlich hinzunehmen wollte. Auch bei ihnen macht die Hilfe für zwei Kinder gegenüber Familien ohne Kinder nur 24 DM im Monat aus. Jedenfalls wird in Ihrer Denkschrift, Herr Familienminister, bestätigt, daß zu der Gruppe bis zu 500 DM Monatslohn rund 80 v. H. aller Lohnsteuerpflichtigen gehören und daß auch bei der veranlagten Einkommensteuer zwei Drittel aller Steuerpflichtigen weniger als 6000 DM Jahreseinkommen haben.
Hier liegt doch die Ursache für die große Zahl von Frauen, die gezwungen sind, berufstätig zu sein. Wer von uns mit den Arbeitnehmerschichten in direktem Kontakt steht, weiß doch, daß ein ganz erheblicher Teil der in Berufsarbeit stehenden Mütter lieber heute als morgen die Arbeit aufgeben möchte, wenn nur die wirtschaftliche Lage ihrer Familie etwas besser und leichter wäre. Wir Sozialdemokraten pflichten dem Herrn Familienminister voll und ganz bei, wenn er sagt, daß die Hausfrau die Seele der Familie ist und daß es wesentlich ist, ob die Hausfrau und Mutter ihrer eigentlichen Tätigkeit nachgehen kann oder ob sie gezwungen ist, einer Berufsarbeit nachzugehen. Aber, Herr Familienminister, allein mit schönen Worten oder mit Forderungen, die Sie hinterher wieder meinen abschwächen zu müssen — so daß die Ernsthaftigkeit dieser Forderungen in Zweifel gezogen werden muß —,
damit allein ist nichts getan. Den Familien muß mit
materieller Hilfe unter die Arme gegriffen werden.
Eine solche Hilfe bzw. einen weiteren Schritt auf diesem Wege sehen wir Sozialdemokraten darin, daß wir den Anspruch auf Kindergeld für das zweite Kind jetzt schaffen.
— Dazu kommen wir auch noch, Herr Kollege; ich hoffe dann auf Ihre Mithilfe! — Damit würden dann 42 % aller Kinder in der Bundesrepublik, nämlich rund 51/2 Millionen Kinder, berücksichtigt werden. Wie aus unseren Anträgen ersichtlich ist, sollen, wie bereits kurz erwähnt, die Mittel für das zweite Kind, die 800 bis 900 Millionen DM jährlich
ausmachen, vom Bund aufgebracht werden; doch wird zu dieser Frage einer meiner Parteifreunde noch sprechen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur kurz darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Fraktion — und ich darf wohl sagen: erfreulicherweise auch die Fraktionen der FDP und des GB/ BHE — nach wie vor der Auffassung ist, daß eine allgemeine Aufbringung der Mittel durch den Bund gerechter und unkomplizierter wäre als das Umlageverfahren für die Wirtschaft und daß auch die Auszahlung über die Finanzämter einfacher und reibungsloser und kostensparender vor sich ginge.
Wir sind aber nicht der Auffassung, für das zweite Kind müsse etwa von der bereits geschaffenen Einrichtung der Familienausgleichskassen jetzt ad hoc abgewichen werden, so gut und so nützlich dies auch wäre.
Ich hoffe, daß heute nicht wiederum der Versuch gemacht wird, glauben zu machen, daß die betroffenen Familien gegen Kinderbeihilfen vom Bund eingestellt seien; denn so ist es doch keineswegs. Vielmehr hat sich inzwischen herumgesprochen, daß die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung ihr Kindergeld ebenfalls vom Bund, also aus staatlichen Mitteln, erhalten, und zwar für alle Kinder, also schon vom ersten Kinde an. Das ist auch richtig, und das ist gut so; schließlich sollten wir das gleiche Lebensrecht aller Kinder beachten. Wir wissen, daß der Anspruch auf Kindergeld vom ersten Kind an jetzt nicht geschaffen werden kann, da dies nur in Verbindung mit einer echten — ich betone: echten — Steuerreform möglich ist. Wir Sozialdemokraten sind aber der Auffassung, daß jetzt wenigstens auch alle zweiten Kinder in der Bundesrepublik in den Genuß des Kindergeldes kommen sollten und daß die finanziellen Möglichkeiten hierzu durchaus gegeben sind. Das ist das Mindeste, was die Bundesrepublik auf dem sozialpolitischen Sektor jetzt tun sollte; denn kein Gesetzgeber kann es sich auf die Dauer leisten, mit zweierlei Maß zu messen. Das Kind des Arbeiters, des Handwerkers, des Landwirts, des Angestellten ist uns schließlich genau so wertvoll wie das Kind des im öffentlichen Dienst Beschäftigten.
Mit diesen Ausführungen, Herr Präsident, wollen Sie gleichzeitig die Ziffern 7, 9 und 14 des Umdrucks 500 als begründet gelten lassen. Alle unter den genannten Ziffern gestellten Anträge enthalten lediglich die Folgerungen, die sich aus der Ziffer 1 unseres Antrages ergeben.
Abschließend bitte ich Sie, meine Herren und Damen, namens der sozialdemokratischen Fraktion, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, und zwar ganz besonders im Hinblick auf die jungen Familien mit zwei Kindern, die bei ihrem zumeist noch bescheidenen Einkommen oft unter das Existenzminimum heruntergedrückt sind. Ihnen sollten wir schnellstens helfen, einmal um ihrer Kinder willen, zum anderen aber auch aus der Erkenntnis, daß glückliche und zufriedene Familien die besten Garanten für die friedliche und freiheitliche Entwicklung eines Volkes sind.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich zunächst eine kurze Antwort auf die Bemerkung von Frau Kollegin Döhring geben, daß sie nicht in den Besitz der Denkschrift habe kommen können. Ich habe allen Fraktionen eine Anzahl von Denkschriften zugesandt, und es hat für jeden die Möglichkeit bestanden, noch zusätzliche Denkschriften zu erhalten.
Diese Übergabe an die Fraktionen ist an dem gleichen Tage erfolgt, an dem ich die Pressekonferenz abgehalten habe.
— Nein, Herr Kollege Mellies, nicht nachdem Sie es gelesen hatten; denn die Zeitungen konnten die Sache erst am nächsten Tage bringen.
Ich war heute — wenn ich ehrlich bin — in der Hoffnung in den Bundestag gekommen, daß die bedauerliche Hereinziehung der Denkschrift über den Familienlastenausgleich in den parteipolitischen Tagesstreit inzwischen ihr Ende gefunden habe, zumal da es sich um eine Denkschrift handelt, die völlig überparteilich im Interesse der wichtigen Anliegen unserer deutschen Familien von ersten wissenschaftlichen Kapazitäten mitgetragen wird. Im Sozialpolitischen Ausschuß habe ich dargelegt, aus welchen Gründen eine zeitliche Verschiebung der Veröffentlichung nicht möglich war. Ich hatte meinerseits im Interesse der wichtigen Anliegen unserer Familien alles getan, um einer weiteren parteipolitischen Ausschlachtung der überparteilichen Denkschrift vorzubeugen. Ich wollte Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, geradezu goldene Brücken bauen, um Ihnen eine unangenehme Abfuhr am heutigen Tage zu ersparen.
Zu diesem Zweck habe ich durch Veröffentlichung — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ein Moment! Ich weiß nicht, wer den Ausdruck „Weihnachtsmann" mit Bezug auf den Herrn Minister gebraucht hat. Ich weise ihn aber als absolut unparlamentarisch zurück.
Es tut mir geradezu leid, daß ich ihn selbst nicht gehört habe.
Meine Damen und Herren, um diese goldenen Brücken zu bauen, habe ich durch Veröffentlichung meiner zu der Denkschrift gemachten Ausführungen im Bulletin vom 25. November und vom 9. Dezember erneut in aller Form klargestellt, daß die Denkschrift natürlich mit dem heute zur Beratung stehenden Kindergeldergänzungsgesetz nichts zu tun habe und auch nichts zu tun haben könne, da es doch eine Selbstverständlichkeit sei, daß die letzte Lücke beim Kindergeld ab drittem Kind zunächst schleunigst geschlossen werden müsse, ehe die Frage einer Ausdehnung des Kindergeldes auf
das zweite Kind in Angriff genommen werden könne. Sie haben diese goldene Brücke nicht beachtet. Ich habe trotzdem nicht den Wunsch, bei einer für unsere Familien so bedeutsamen Materie unnötige Schärfen in die Debatte hineinzutragen. Ich muß aber vor aller Öffentlichkeit namens der Verfasser und Mitverfasser der Denkschrift ausdrücklich Einspruch dagegen einlegen, daß diese Denkschrift des Familienministeriums heute erneut zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht wird.
Die Dinge liegen doch für jeden objektiven Beurteiler der Angelegenheit völlig klar. Wir haben jetzt die sehr dringliche Aufgabe, die letzte Lücke in der Kindergeldzahlung ab drittem Kind schnellstens zu schließen. Es wäre inbesondere gegenüber den schon so lange Monate auf das Kindergeld wartenden Haushaltungen mit drei und mehr Kindern nicht zu verantworten, durch den Versuch einer Einbeziehung der zweiten Kinder in dieses Gesetz die heutige Verabschiedung des Kindergeldgesetzes zu vereiteln.
Jedes Mitglied dieses Hauses weiß ganz genau, und die sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses haben das in einem anderen Falle gestern mit ihrer Stimmabgabe ausdrücklich bestätigt, daß eine Änderung des Entwurfs, die einen Mehraufwand von 800 bis 900 Millionen DM erfordert, zunächst vor den Haushaltsausschuß gebracht werden müßte, so daß die Beschlußfassung über die Schließung der Lücke
für die Dritt- und Mehrkinder vor Weihnachten nicht möglich wäre, wenn solchem Antrag stattgegeben würde. Ich glaube wirklich nicht, daß jemand in diesem Hohen Hause das verantworten könnte.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, haben anklingen lassen, ich setzte mich mit meiner heutigen Stellungnahme in Widerspruch zu der Denkschrift und zu dem, was ich in der Pressekonferenz am 17. November über die Denkschrift gesagt habe, so veranlassen Sie mich, hier wörtlich zu wiederholen, was ich in der Pressekonferenz am 17. November den anwesenden Pressevertretern gesagt habe. Diese meine Ausführungen sind damals mitstenographiert worden, also authentisch. Ich habe bei der ersten Bekanntgabe der Denkschrift wörtlich erklärt:
Es ist für mich im Augenblick noch nicht der Hauptsinn dieser Denkschrift, zu sagen: Es muß morgen dieses oder jenes geschehen, sondern der Hauptzweck dieser Denkschrift ist, einmal eine echte Diskussion darüber einzuleiten, wie die Lage unserer Familien ist, und dann erst die Frage zu stellen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Ich habe weiter die Pressevertreter eindringlich gebeten, die Dinge so zu bringen, mit folgenden Worten:
Deswegen liegt mir so unendlich daran, Sie zu
bitten, den ersten Teil dieser Denkschrift an
unsere Menschen richtig heranzubringen, damit sie die Erkenntnis für die Notwendigkeiten gewinnen und eine gewisse Bereitschaft zu weiteren Maßnahmen geschaffen wird.
Dpa hat diese Formulierungen zum Teil wörtlich gebracht. Ich trage keine Schuld daran, wenn einige besonders knüllersüchtige Zeitungen in ihren Überschriften die Dinge nun doch andersherum gebracht haben.
Im übrigen habe ich in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses am folgenden Tage, also am 18. November, genau dasselbe gesagt, wovon Sie sich aus dem Wortlaut des Protokolls, das ich heute gerade gelesen habe, überzeugen können. Ich möchte Sie nicht damit aufhalten, daß ich das jetzt auch noch verlese, sondern verweise auf das Protokoll der 66. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses vom 18. November.
Es ist gesagt worden, ich sei von meinen Fraktionskollegen „zurückgepfiffen" worden. Dazu kann ich nur fragen: wenn ich am zweiten Tage genau dasselbe gesagt habe wie am ersten Tage, wie kann dann die These von einem „Zurückgepfiffenwerden" aufkommen? Von „Zurückgepfiffenwerden" kann doch höchstens die Rede sein, wenn man etwas anderes sagt, als man vorher gesagt hat.
Im übrigen lege ich Wert darauf, auch heute hier ausdrücklich zu erklären, wie ich das schon im Sozialpolitischen Ausschuß getan habe, daß ich selbstverständlich voll und ganz zum Inhalt der Denkschrift stehe und das Vertrauen habe, daß der Bundestag sich mit der öffentlichen Meinung an Hand des Studiums der Denkschrift ihren Inhalt immer mehr zu eigen machen wird, so daß wir im kommenden Jahr hoffentlich zu einer freundschaftlichen Verständigung möglichst zwischen allen Fraktionen des Hauses über die weiter notwendigen Maßnahmen kommen können. Für heute habe ich nur die dringende Bitte an das Hohe Haus, der Verabschiedung des Kindergeldergänzungsgesetzes zwecks Sicherung der Zahlung des Kindergeldes an die noch nicht berücksichtigten Dritt- und Mehrkinder keine Schwierigkeiten zu bereiten,
— ja, keine Schwierigkeiten zu bereiten! —, da meines Erachtens niemand die Verantwortung dafür übernehmen kann, daß die bestehende Lücke immer noch nicht geschlossen wird. Darüber hinaus habe ich den aufrichtigen Wunsch, daß sich alle Parteien dieses Hauses nach Erledigung des heutigen Streites zu gemeinsamer Betreuung der wichtigen Anliegen unserer Familien zusammenfinden. Denn Familienpolitik kann und darf nicht Parteipolitik sein. Sie muß vielmehr ein Anliegen aller verantwortungsbewußten Staatsbürger werden.
Dazu möge der gute Wille aller uns im kommenden Jahr verhelfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer begründet den Änderungsantrag der FDP? — Abgeordneter Dr. Atzenroth!
— Ich folge der Übung dieses Hauses, die wir immer beachtet haben: Zuerst werden die Änderungsanträge begründet, dann wird debattiert. Dem Herrn Minister muß ich nach der Geschäftsordnung die Ausnahme gestatten, denn er ist jederzeit zu hören.
Herr Abgeordneter Atzenroth!
Herr Präsident! Ich bitte den Antrag auf Umdruck 503*) in seiner Gesamtheit begründen zu dürfen, weil er eine Einheit darstellt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte!
Meine Damen und Herren! Unsere Haltung zu dem Gesamtkomplex Kindergeld ist bekannt. Sie ist unverändert die gleiche, wie wir sie bei den Beratungen zu dem ersten Gesetz eingenommen haben. Wir halten das beschlossene Gesetz mit all seinen Folgewirkungen für falsch und fehlerhaft und glauben in der Öffentlichkeit in den letzten Monaten eine sehr deutliche Bestätigung dieser unserer Ansicht gefunden zu haben. Auch der Entschließungsantrag, der uns heute vorgelegt wird, bestätigt diese Überzeugung, die wir von dem Gesamtkomplex Kindergeld haben.
Wir können dem uns vorgelegten Gesetzentwurf in der Ausschußfassung nicht zustimmen, weil er dieser Konzeption, die wir für falsch halten, folgt.
Ich möchte, besonders angesichts einer Äußerung des Herrn Bundesfamilienministers, mit aller Deutlichkeit erklären, daß auch nach unserer Absicht demselben Kreis, der durch die Ausschußfassung erfaßt wird, das Kindergeld in der gleichen Höhe zuerkannt werden soll, wie sie in der Ausschußfassung vorgesehen ist. In der Öffentlichkeit werden leicht Verdächtigungen ausgesprochen, daß diejenigen, die diesem Gesetzentwurf nicht zustimmten, irgendwelchen Kindern das Kindergeld entziehen wollten. Diese Verdächtigungen dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen.
Der bei den Beratungen des ersten Gesetzes immer wieder vorgetragene Gesichtspunkt des Subsidiaritätsprinzips und der Gemeinschaftshaftung von Gruppen wird durch die Ausschußfassung dieses Gesetzentwurfs wesentlich verlassen; er wird nur an einigen Stellen etwas krampfhaft aufrechterhalten. Bei der Beratung des ersten Gesetzes wurde uns der Vorwurf gemacht, wir wollten Mittel des Steuerzahlers für die Kindergeldregelung verwenden. Das tut nun auch die Ausschußfassung. Nach ihren Bestimmungen wird der größte Teil der Mittel, die aufgebracht werden müssen, aus Steuergeldern entnommen. Nur für einen ganz kleinen Kreis — ich schätze den hierfür benötigten Betrag auf etwa 4,2 Millionen DM jährlich — werden andere, nämlich die genossenschaftlichen Quellen zu
`) Siehe Anlage 4.
Hilfe genommen. Die große Masse der durch dieses Gesetz erfaßten Kinder wird aus öffentlichen Mitteln, aus Steuermitteln versorgt. Infolgedessen sehen wir nicht ein, warum bei diesem letzten Kreis, sozusagen beim Aufräumen, noch einmal eine komplizierte Lösung gewählt werden soll. Wir sind der Meinung, man könnte wenigstens hier den einfachen Weg gehen und die erforderlichen Beträge — das besagt unser Antrag — aus Mitteln der öffentlichen Hand aufbringen. Wir wollen daher die für den hier betroffenen Kreis von Kindern benötigten Gelder aus Mitteln des Bundes nehmen.
Wir würden uns insofern auch dem sozialdemokratischen Antrag anschließen, als er in einem seiner Vorschläge sagt, daß für den Bund ein gewisser Erstattungsanspruch an die eigentlich zu belastenden Gemeinden festgelegt werden soll. Das könnte eine Abänderung unseres Antrages sein, wodurch das System in keiner Weise berührt wird.
Wir wollen also, wie gesagt, durch unseren Antrag auf Umdruck 503 denselben Kreis von Kindern wie die Ausschußfassung erfassen. Wir wollen aber das organisatorische Problem und die Aufbringung der Mittel anders lösen. Für eine Novelle zum Kindergeldgesetz, zu der wir — wie es auch die Absicht der CDU ist — im nächsten Jahr, vielleicht schon sehr früh, kommen, würde unsere Lösung kein Präjudiz darstellen. Unsere Lösung. würde vielleicht sogar die Grundlage für eine neue Regelung bilden können. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfamilienministers lassen es notwendig erscheinen, einige Bemerkungen zu machen.
Zuerst eine Vorbemerkung. Herr Dr. Wuermeling , der in der Öffentlichkeit zu Fragen der Kindergeldgesetzgebung laufend Stellung nimmt und der in den letzten vierzehn Tagen allein dreimal im Bulletin der Bundesregierung mit seinen Ausführungen herausgestellt wurde, hat es — das muß ich feststellen — nicht für notwendig gehalten, an den 39 Arbeitssitzungen der Ausschüsse dieses Hauses, die sich mit den Kindergeldgesetzen beschäftigten, teilzunehmen,
mit einer einzigen Ausnahme, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde. Auch das Familienministerium hat an den Beratungen der Kindergeldgesetzgebung wenig Interesse genommen, denn nur an etwa einem Drittel aller Sitzungen hat ein Vertreter dieses Ministeriums teilgenommen
und in keiner Sitzung auch nur einmal das Wort erbeten.
Wahrscheinlich waren der Herr Bundesfamilienminister und die Herren seines Ministeriums zu stark mit der Ausarbeitung von „grundsätzlichen" Erklärungen über die Familienpolitik beschäftigt, so daß sie keine Zeit fanden, sich mit der Tagesarbeit der zuständigen Ausschüsse auf dem Gebiete der Kindergeldgesetzgebung zu beschäftigen und an diesen Arbeiten teilzunehmen.
Nun eine Bemerkung zu der Veröffentlichung der Denkschrift. Am 17. November 1955 hat der Herr Bundesfamilienminister in einer Pressekonferenz diese Denkschrift der Öffentlichkeit übergeben und dazu erläutende Ausführungen gemacht.
Ich muß zur Beseitigung von Mißverständnissen darauf hinweisen, daß die Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses erst aus der Tagespresse von dieser Denkschrift erfahren haben,
und zwar in einem Zeitpunkt, in dem sie mit der Beratung des heute zur Verabschiedung anstehenden dritten Kindergeldergänzungsgesetzes beschäftigt waren. Das hat auch bei den Mitgliedern der CDU-Fraktion des Ausschusses einige Überraschung hervorgerufen. Es war deshalb die einhellige Auffassung des Ausschusses, daß der Minister, der eine Denkschrift veröffentlicht, die sich auch auf Probleme bezieht, über die ein Ausschuß berät, in diesen Ausschuß kommen und über seine Meinung und Meinungsänderung berichten solle. Daraufhin hat — das war das einzige Mal — der Herr Familienminister an den Beratungen teilgenommen.
Der Sozialpolitische Ausschuß konnte nicht umhin, den Herrn Bundesfamilienminister auf Widersprüche in seinem bisherigen Verhalten, insbesondere in bezug auf das zweite bzw. dritte Kind, hinzuweisen. Es ist auch klar, daß von diesen Widersprüchen zwischen der bisherigen Haltung des Ministers und seiner Stellungnahme in der Denkschrift die Öffentlichkeit Kenntnis erhalten hat.
Wir müssen bedauern, daß der Herr Bundesfamilienminister, der so großen Wert darauf legt, Gesichtspunkte der Ethik in den Vordergrund zu stellen, denjenigen, die ihn auf seine Widersprüche aufmerksam machen, vorwirft, sie würden, wie er es in der „Rheinischen Post" wörtlich ausgeführt hat, sich in die Niederungen der Parteipolitik begeben.
Gegen derartige Formulierungen des Herrn Bundesfamilienministers muß ich namens meiner politischen Freunde nachdrücklich protestieren.
Wir nehmen es für uns in Anspruch und haben es durch unsere Mitarbeit insbesondere in den Ausschüssen bewiesen, daß wir mit dem gleichen sittlichen Ernst an die Aufgaben des Familienausgleichs herangehen wie jeder andere in diesem Hause.
Wir müssen erwarten, daß auch der Herr Familienminister sich mit den Fragen der Familienpolitik nicht nur in Reden und Denkschriften beschäftigt, sondern sich intensiver mit den „Niederungen" und Schwierigkeiten der zur Beratung stehenden Gesetze befaßt. Dann wird der Herr Bundesfamilienminister wahrscheinlich auch in seinen Reden und Ankündigungen etwas zurückhaltender sein und nicht so überheblich, wie er es vorhin hier getan hat, von „Abfuhr" sprechen, die er gewissen Kollegen bereiten will.
Nun zum Inhalt der Denkschrift, auf die der Herr Bundesfamilienminister Bezug genommen hat.
Mit großem Interesse stellt die sozialdemokratische Fraktion fest, daß der Herr Bundesfamilienminister in dieser Denkschrift die Auffassung der Sozialdemokraten, daß das bisherige Kindergeldgesetz das schlechteste Europas ist, bestätigt.
Denn der Herr Bundesfamilienminister erklärt wörtlich:
Die Übersicht zeigt, daß das Kindergeld in der Bundesrepublik am niedrigsten ist.
Und er führt weiter aus:
Andere Länder gewähren trotz geringerer
Das war eine wesentliche Grundlage für die ablehnende Haltung der Sozialdemokraten zu den bisherigen, beiden Gesetzen.
Wir stellen weiter mit großem Interesse fest, daß der Herr Bundesfamilienminister in seiner Denkschrift wörtlich erklärt, daß die familienpolitische Diskussion aus der Ebene mehr oder weniger gefühlsbetonter Spekulationen auf die Grundlage wirtschaftlicher Tatsachen gestellt werden sollte. Gerade das haben wir bisher beim Herrn Bundesfamilienminister vermißt.
Wenn der Herr Bundesfamilienminister in seiner Denkschrift sodann die sozialdemokratische Behauptung untermauert, daß in bezug auf den Familienlastenausgleich die wirtschaftlich Schwächsten bisher am schlechtesten behandelt wurden, so nehmen wir auch das mit großem Interesse zur Kenntnis. Der Herr Bundesfamilienminister weist beispielsweise zahlenmäßig nach, daß eine Familie mit zwei Kindern bei einem Einkommen von 400 DM des Ernährers 30 % für die Ernährung und Erziehung dieser zwei Kinder aufzubringen hat, dagegen ein Bezieher hoher Einkommen nur 10 % seines Gesamteinkommens. Das war bisher schon die Auffassung der Sozialdemokraten, und darauf haben wir unsere Anträge nicht nur zum Kindergeld, sondern zur gesamten Steuerpolitik gegründet, ohne dabei allerdings die Unterstützung des Herrn Bundesfamilienministers zu finden.
Nun zu der Frage der Erweiterung auf das zweite Kind. In der Denkschrift heißt es:
Es zeigt sich, daß bei der Mehrkinderfamilie das größte Mißverhältnis bei den Familien mit zwei Kindern besteht.
Diese Ausführungen der Denkschrift, die sich noch an verschiedenen Stellen wiederholen, haben mit Recht das Interesse der Presse und damit der Öffentlichkeit gefunden, weil sie im Widerspruch stehen zu dem, was die Mitglieder der CDU-Fraktion bei den bisherigen Beratungen der Kindergeldgesetze erklärt haben.
Herr Winkelheide hat geradezu eine Philosophie daraus gemacht, daß Kindergeld erst vom dritten Kind an gewährt werden solle, und der Herr Bundesarbeitsminister hat mit weithergeholten lohn-
politischen Argumenten nachzuweisen versucht, daß der Lohn für die Familie mit zwei Kindern noch ausreiche und eine zusätzliche Leistung erst vom dritten Kinde ab benötigt würde. Der Herr Bundesfamilienminister widerlegt durch diese Denkschrift die bisherige Argumentation seiner eigenen Fraktion
und stützt in dieser Hinsicht die Behauptung der
Sozialdemokraten und aller anderen, die das
Kindergeld für das zweite Kind verlangt haben.
Dieser Inhalt der Denkschrift hat das Interesse der Öffentlichkeit gefunden. Wenn der Herr Bundesfamilienminister jetzt sagt, die Presse habe ihn falsch verstanden, so muß ich demgegenüber feststellen, daß selbst das Bulletin vom 25. November — und Sie selbst haben auf diese Nummer hingewiesen — in der Einleitung erklärt, der Grundgedanke dieser Denkschrift sei eine Erweiterung des Kindergeldes auf das zweite Kind. Die Presse hat also die Denkschrift sehr richtig verstanden, als sie berichtete: „Bundesfamilienminister für Kindergeld auch für das zweite Kind", und es ist sehr merkwürdig, daß der Herr Bundesfamilienminister nun versucht, der Öffentlichkeit klarzumachen, so ernst habe er es damit, jedenfalls für die Gegenwart, nicht gemeint, sondern es handele sich um Diskussionsgrundlagen für spätere Maßnahmen.
Nun hat der Herr Familienminister selbst davon gesprochen, daß ihm der Vorwurf gemacht worden sei, er sei von seiner Fraktion zurückgepfiffen worden. Da der Herr Minister auf das Protokoll der 66. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses hingewiesen hat, darf ich- — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — die betreffende Stelle zitieren. Es sprach der Sprecher der CDU im Sozialpolitischen Ausschuß, Herr Kollege H o r n. Er erklärte wörtlich:
Der Zeitpunkt, in dem Sie — zu Herrn Dr. Wuermeling —
diese Denkschrift der Öffentlichkeit übergeben haben, ist nach unserer Überzeugung in bezug auf den Fortgang unserer Beratungen nicht glücklich gewählt.
Wenn man sieht, wie die Presse heute vormittag darauf reagiert, darf man sagen: Mit dieser Veröffentlichung wird die breite Öffentlichkeit in Alarmzustand versetzt.
Dann führte der Kollege Horn weiter laut Protokoll wörtlich aus:
Ich möchte Sie, Herr Minister, freundlichst bitten, vielleicht heute noch in einer Presseverlautbarung dte Dinge etwas klarer zu stellen.
Daraus hat die Öffentlichkeit jene Folgerungen gezogen, die der Herr Minister heute bestreitet.
Auf alle weiteren Einzelheiten der Denkschrift, meine Damen und Herren, kann ich nicht eingehen, weil das den Rahmen der Beratung des Gesetzes sprengen würde.
Aber eine Bemerkung muß ich noch machen, nachdem ich das, was Herr Minister Wuermeling bezüglich des zweiten Kindes in der Denkschrift erklärte, als sozialdemokratische Auffassung hier bestätigen konnte. Um unseren Standpunkt zur Denkschrift abzugrenzen, muß ich noch folgendes sagen. Die Denkschrift geht in einem weiteren Teil von dem aus, was der Herr Bundesfamilienminister als den spitzenspezifischen Ausgleich bezeichnet; er meint damit, daß innerhalb jeder sozialen Schicht ein besonderer Ausgleich erfolgen soll. Mit diesen Ausführungen können wir uns keinesfalls einverstanden erklären. Ich muß erklären, daß die Sozialdemokraten einer solchen Auffassung nachdrücklich widersprechen.
Aber noch etwas anderes ist notwendig. Der Herr Bundesfamilienminister erklärt bei jeder Gelegenheit, daß es ihm nicht um Bevölkerungspolitik gehe, wie er wörtlich einmal sagte, „die die Familien anreizen wolle, mehr Kinder zu haben, sondern um eine echte Familienpolitik". Das sind Ihre eigenen Worte. Verschiedene Formulierungen in der Denkschrift Herrn Dr. Wuermelings jedoch sind zumindest mißverständlich, etwa wenn er davon spricht, daß jedes Jahr Verzögerung der Maßnahmen für die Zukunft einen weiteren zahlenmäßig unzureichenden Geburtenjahrgang ergibt. Das scheinen uns Formulierungen zu sein, die keinen guten Beigeschmack haben. Für die Sozialdemokraten geht es bei all diesen Maßnahmen entscheidend um das Kind. Das Kind steht im Mittelpunkt, und die Sicherung des gleichen Lebensrechtes aller Kinder ist unser Anliegen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da heute an sich nicht der Bundesminister für Familienfragen, sondern das Kindergeldergänzungsgesetz auf der Tagesordnung steht,
habe ich nicht die Absicht, die Verhandlungen durch eine längere Erklärung aufzuhalten. Ich muß nur Herrn Professor Schellenberg ganz kurz erwidern.
Zunächst einmal eins, Herr Professor Schellenberg. Ich habe mich eigentlich, wenn ich jetzt von der persönlichen Polemik absehe, die zu beurteilen ich gern der Öffentlichkeit überlasse,
über eine so weitgehende Übereinstimmung meiner Auffassungen mit denen der sozialdemokratischen Fraktion herzlich gefreut, und ich muß sagen, das eröffnet hocherfreuliche Perspektiven auf gute Zusammenarbeit für das kommende Jahr.
— Jawohl, die Taten werden auch entscheiden.
Zum Beispiel hat ja die Tat der Familientarife bei
der Bundesbahn gestern auch einmal gesprochen.
Im übrigen wollte ich nur zu zwei Punkten etwas sagen. Es ist in etwas eigenartiger Weise beanstandet worden, daß ich persönlich an den Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses nicht teilgenommen habe. Dazu möchte ich bemerken, daß es normalerweise üblich ist, daß die Ministerien in den Ausschüssen durch die zuständigen Beamten vertreten werden. Im übrigen ist das Familienministerium stets durch einen Beauftragten vertreten gewesen,
der mir ständig über jede Ausschußsitzung berichtet hat. Entscheidend ist aber, daß der Standpunkt der Bundesregierung in den Ausschüssen von dem federführenden Minister zu vertreten ist, und das ist in diesem Falle der Bundesminister für Arbeit,
was ohne weiteres erklärt, daß sich mein Referent
auf eine informatorische Teilnahme beschränkt hat.
Dann noch eine letzte Bemerkung, die die Bekanntgabe der Denkschrift betrifft. Ich lege wirklich großes Gewicht darauf, klarzustellen, daß die Fraktionen an dem gleichen Tage die Denkschrift erhalten haben, an dem ich sie der Presse bekanntgegeben habe.
Die Fraktion der SPD hat ebenso wie die anderen Fraktionen am Abend des 17. November die Denkschrift erhalten. In dem Anschreiben steht ausdrücklich, daß ich darum bitte, vor allem den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses und des Finanzausschusses die Denkschrift zugänglich zu machen. Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß das doch sonst so bewährte Organisationstalent des Fraktionsbüros der SPD in diesem Falle nicht so vollendet funktioniert hat, wie ich es erhofft habe.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen!' Den Herrn Familienminister möchte ich doch einmal zunächst daran erinnern, daß es tatsächlich so gewesen ist, wie Herr Professor Schellenberg es geschildert hat. Ich möchte noch ergänzen, daß Ihr Herr Vertreter, der an dieser Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses teilgenommen hat, feststellen mußte, daß kein einziges Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses von einer solchen Denkschrift überhaupt etwas ahnte. Aus diesem Grunde hat dann Ihr Herr Vertreter sofort dafür gesorgt, und zwar während der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses, daß etwa 40 Exemplare zum Sozialpolitischen Ausschuß
geschickt und verteilt wurden. Und dann ist es doch wohl so gewesen, daß wir die Sitzung unterbrochen haben, um überhaupt die Gelegenheit zu haben, einmal einen Blick in diese Denkschrift zu tun. Ich glaube, Herr Bundesfamilienminister, Sie haben Mitarbeiter genug, so daß Sie eigentlich Ihr Erinnerungsvermögen nicht so im Stich lassen dürfte, wie es der Fall ist; denn die Darstellung, die Sie heute gegeben haben, weicht weit vom tatsächlichen Ablauf der Dinge ab. Ich bedaure, daß das einem Bundesminister überhaupt unterlaufen kann.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Bitte, begeben Sie sich an das Mikrophon, Herr Abgeordneter Dr. Dresbach!
Ich bitte, meine Bemerkungen nicht als eine Kritik an dem Herrn Präsidenten auslegen zu wollen, aber ich frage hier: haben wir eine zweite Lesung des Gesetzentwurfs, oder was haben wir eigentlich?
Ich überlasse Ihnen die Antwort, Frau Kollegin.
Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren — ganz besonders wende ich mich an die CDU/CSU-Fraktion —, daß die Redefreiheit für alle gleich ist. Nachdem der Herr Bundesfamilienminister schon zweimal das Wort dazu genommen hat, darf ich auch für meine Person in Anspruch nehmen, auf diesen Komplex genausogut einzugehen.
Meine Damen und Herren, ich darf folgendes bemerken. Als ich vor zehn Minuten das Präsidium übernahm, habe ich mir im Innern auch die Frage gestellt, die Herr Kollege Dr. Dresbach eben erhoben hat. Ich konnte aber nicht feststellen, wer den üblichen Rahmen der Beratungen in zweiter Lesung zuerst überschritten hat, kann also kein Urteil fällen.
Ich habe die Situation so vorgefunden, darf aber nunmehr alle Mitglieder des Hauses bitten, möglichst den Rahmen nicht zu überschreiten. Ich möchte natürlich auch nach Möglichkeit —.das soll nicht auf diese Rednerin speziell bezogen gemeint sein, sondern ganz allgemein, jetzt und in Zukunft — nicht in den Redefluß der einzelnen Redner eingreifen.
Es wird mir aber doch immerhin gestattet sein, auf die Darstellung des Herrn Bundesfamilienministers, mit der ich
mich nicht einverstanden erklären kann, weil es sich anders abgespielt hat, auch an dieser Stelle einzugehen. Es kommt bei dem Herrn Bundesfamilienminister allzuhäufig vor, daß er von der Presse mißverstanden wird.
Ich glaube, das muß man hier auch einmal sehr deutlich sagen.
Und, Herr Bundesfamilienminister, Sie sind doch zurückgepfiffen worden. Das möchte ich hier ganz klar feststellen.
Ich habe das auch sehr einsichtig und sehr korrekt von Ihren politischen Freunden gefunden. Wir hätten es sicherlich als sehr merkwürdig empfunden, wenn man darüber von seiten Ihrer Fraktion einfach so hinweggegangen wäre.
Ich möchte Ihnen ein Zweites sagen, und damit will ich dieses Kapitel abschließen: die Familien mit vielen Kindern wollen endlich einmal ein soziales Kindergeld haben, aber keine Denkschriften!
Zu den vorliegenden Anträgen der SPD und der FDP möchte ich nun für meine politischen Freunde folgendes sagen. Beide Anträge beinhalten Grundsätze, die wir hier ja schon bei der ersten, zweiten und dritten Beratung des Kindergeldgesetzes vertreten haben. Deshalb werden wir hier auch entsprechend abstimmen; das ist gar nicht anders zu erwarten.
Wir sind nach wie vor der Meinung, daß die Zahlung des Kindergeldes über die Finanzämter erfolgen muß, weil es das einfachste und auch das natürlichste ist. Darüber hinaus gehört es auch durchaus zur Verpflichtung eines sozialen Rechtsstaates, daß er von sich aus Mittel zur Verfügung stellt, um den kinderreichen Familien zu helfen. Meine politischen Freunde haben diesen Grundsatz immer vertreten. Ich möchte Sie, meine Herren und Damen, die Sie diese unsere Einstellung immer so auslegen, als seien wir die Vertreter eines Wohlfahrtsstaates, doch bitten, sich einmal grundsätzlich mit der Frage zu beschäftigen, worin eigentlich der Unterschied zwischen einem sozialen Rechtsstaat und einem Wohlfahrtsstaat besteht.
Wenn der Herr Bundesfamilienminister in einem geradezu ungeschickten, untaktischen und unklugen Zeitpunkt, in dem wir uns bemühen, in dem Kindergeldergänzungsgesetz alle jene restlichen Dinge dieser sehr unglücklichen und schwierigen Gesetzgebung unterzubringen, die Forderung aufstellt, das Kindergeld vom zweiten Kind an zu zahlen, so müssen wir wohl sagen, daß das Redensarten sind. Denn der Herr Bundesfamilienminister hat genügend Gelegenheit und Zeit gehabt, uns in unserem Anliegen zu unterstützen. Sowohl meine politischen Freunde als auch die Fraktion der SPD haben sich dafür eingesetzt, das Kindergeld vom zweiten Kind an zu geben. Gerade aus den Reihen der CDU und der CSU — und in diesem Fall doch auch immerhin unterstützt von dem Herrn Bundesfamilienminister — wurde doch eingewandt, man solle zunächst einmal mit der Zahlung des Kindergeldes vom dritten Kind an beginnen. Was soll man dann sagen und inwieweit soll man den Auslassungen eines Bundesfamilienministers überhaupt noch Ernst entgegenbringen, wenn man nun eine solche 180-Grad-Schwenkung feststellen muß? Wir werden deshalb, weil es unserer Grundhaltung gegenüber dem Kindergeldgesetz entspricht, diese SPD-Anträge unterstützen. Wir stehen auch nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Auszahlung des Kindergeldes über die Finanzämter erfolgen muß.
Wir haben im Laufe des letzten Jahres — das Gesetz ist jetzt ein Jahr in Kraft — festgestellt — und daran möchte ich auch einmal die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion erinnern —, wieviel Eingaben, wieviel Zuschriften wir bekommen haben und mit wieviel Schwierigkeiten und auch finanziellen Belastungen gerade für den gewerblichen Mittelstand als Auswirkungen dieser Kindergeldgesetzgebung zu rechnen ist. Ich möchte hoffen, daß in dem Entschließungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion etwas mehr steckt, als er im Augenblick aufweist — darüber wird ja schon seit einiger Zeit geraunt —, und daß auch die Kollegen der CDU/CSU, die sowieso sehr skeptisch zu dieser ganzen Kindergeldgesetzgebung gestanden haben, dazu beitragen, daß wir im kommenden Jahr zu einer völligen Umformung der Kindergeldgesetzgebung kommen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich in dieser Debatte nicht zum Wort gemeldet, wenn der Herr Bundesfamilienminister sich nicht zum Werkzeug bei einer Legendenbildung gemacht hätte, die gestern offenbar ihren Anfang genommen hat. Ich bitte den Herrn Kollegen Dresbach, bei seinem Verständnis für Fairneß auch zu verstehen, daß ein solcher Versuch hier nicht unwidersprochen bleiben kann.
Der Herr Bundesfamilienminister hat in seiner ersten Intervention in diesem Hause heute morgen einen Vorgang im Haushaltsausschuß zum Anlaß genommen — vermutlich nicht auf Grund eigener Information, sondern auf Grund von Informationen, die ihm geworden sind —, die sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses zu verdächtigen, sie hätten gestern bei der Beratung des Ergänzungsgesetzes zum Bundesversorgungsgesetz im Haushaltsausschuß darauf gedrängt, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes verschoben werde. Ich muß mit allem Nachdruck gegen eine solche Legendenbildung Einspruch erheben.
— Ich weiß nicht; hat das ganze Haus hier nicht zugehört?!
— Nein, nein, das ist kein Irrtum, Herr Kollege Lücke. Das ist genau das, was der Herr Bundesfamilienminister hier behauptet hat. Ob er Grundlagen für seine Behauptung hat, ist eine ganz andere Sache.
Da das Haus daran interessiert sein müßte, daß seine eigenen Beschlüsse und Maßnahmen respektiert werden, möchte ich hier daran erinnern, daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses ohne Unterschied der Fraktion mit der Annahme des § 96 der Geschäftsordnung einen besonderen Auftrag erhalten haben, der sie verpflichtet und dessen Durchführung man ihnen nicht zum Vorwurf machen sollte. Ich verwahre mich für die sozialdemokratischen Mitglieder dagegen, daß man jetzt herumläuft und so tut, als ob wir die Verabschiedung der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz verhindert hätten. Dagegen wehre ich mich mit allem Nachdruck.
— Fragen Sie doch mal in Ihrer eigenen Fraktion herum, Herr Kollege Kunze, wer die Legende bildet; es ist ja nicht das erstemal.
Schließlich muß man hier auch einmal feststellen, was wirklich gewesen ist. Es hat einen Streit um die Realisierung verschiedener dem Hause vorgelegter Gesetzentwürfe gegeben; zu denen der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat: Es stehen für die Durchführung dieser Anliegen soundso viele Millionen zur Verfügung, nämlich 141 Millionen DM, während die anderen Anträge soundso viel kosten. Daß der Haushaltsausschuß die Aufgabe hat, nachzuprüfen, woher die Mittel kommen, ist ihm schließlich nicht zum Vorwurf zu machen. Aber ich darf doch, wenn man immer wieder versucht, die pflichtgemäße Ausübung einer Funktion einzelnen Mitgliedern je nach ihrer parteipolitischen Stellung zum Vorwurf zu machen, die Frage stellen: Wer ist denn eigentlich Finanzminister in der Bundesrepublik? Welcher Fraktion gehört er denn an, und welche Fraktionen schwenken denn regelmäßig ein, nachdem sie Anträge gestellt haben, die weit über das hinausgehen, was der Finanzminister zugestehen will?
Sind das die Sozialdemokraten? Sind das nicht etwa die Mitglieder der CDU/CSU? Und bestand nicht ein Vorstandsbeschluß der CDU/CSU, das Gesetz, das heute auf der Tagesordnung steht, abzusetzen?
Prüfen Sie einmal diese Dinge, und dann hören Sie mit diesen Geschichten auf!
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich das Hohe Haus noch einen Augenblick aufhalten muß, aber dieses Mißverständnis muß im allgemeinen Interesse aufgeklärt werden.
Ich habe hier den Text dessen, was ich gesagt habe und was Herr Kollege Schoettle offensichtlich mißverstanden hat. Ich habe wörtlich gesagt:
Jedes Mitglied dieses Hauses weiß — und die sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses haben das in einem anderen Fall gestern mit Ihrer Stimmabgabe ausdrücklich bestätigt —, daß eine Änderung des Entwurfs, die einen Mehraufwand von 800 bis 900 Millionen erfordert, zunächst vor den Haushaltsausschuß gebracht werden müßte, so daß die Beschlußfassung über die Schließung der Lücke für die Dritt- und Mehrkinder — —
Ich darf doch bitten, dem jeweiligen Redner zuzuhören!
Ich sehe nicht den geringsten Anlaß zu irgendwelcher Aufregung! Es geht doch um eine ganz ruhige, sachliche Feststellung des Inhalts, daß auch die SPD im Haushaltsausschuß
den Standpunkt vertreten hat, daß der neue § 96 der Geschäftsordnung des Bundestages beachtet werden müsse. Es war mir in keiner Weise daran gelegen, in diesem Zusammenhange aggressiv gegen die SPD zu werden,
sondern ich habe das Bedürfnis gehabt, festzustellen, daß wir uns in diesen Dingen einig sind.
— Meine Damen und Herren, nun sehen Sie doch bitte nicht immer gleich rot, wenn ich hier oben stehe.
Ich bin ja gar nicht rot!
Wollen Sie zur Geschäftsordnung sprechen, Herr Abgeordneter Ritzel? — Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nützlich, zu den Ausfüh-
rungen des Herrn Bundesfamilienministers — wegen der Verwirrung der Begriffe, die daraus sprach, in bezug auf den tatsächlichen Inhalt der Geschäftsordnung —
hier klarzustellen, — —
Herr Abgeordneter Ritzel, verzeihen Sie bitte! Wenn Sie jetzt eine Bestimmung der Geschäftsordnung auslegen wollen, die für das Verfahren hier nicht einschlägig ist, dann bitte ich Sie, sich zur Sache zu melden. Die Meldung zur Geschäftsordnung bezieht sich auf das gerade Vorliegende, auf die weitere Prozedur des Bundestages in diesem Augenblick. Ich bin gern bereit, Ihnen das Wort zur Sache zu geben, aber Sie werden dann nach der Rednerliste drankommen.
Ich habe nicht die Absicht, das Wort zur Sache zu verlangen, sondern ich habe die Absicht, Herr Präsident, die Sie selber zum Ausdruck gebracht haben: ich will hiermit nachweisen, daß der § 81 der Geschäftsordnung von dem Herrn Bundesfamilienminister — offensichtlich aus Unkenntnis — mißachtet worden ist. Es handelt sich in dem vorliegenden Fall, bei der Beratung des Punktes 4 der Tagesordnung, um Änderungsanträge zu vorliegenden Anträgen, und da bestimmt § 81 der Geschäftsordnung — § 96 findet keine Anwendung —:
Änderungen zu Gesetzentwürfen und Entschließungen können beantragt werden, solange die Beratung des Gegenstandes, auf den sie sich beziehen, noch nicht abgeschlossen ist. Die Anträge müssen schriftlich abgefaßt sein und werden verlesen, wenn sie noch nicht gedruckt verteilt sind.
Änderungsanträge bedürfen keiner Unterstützung. Anträge auf Annahme von Entschließungen müssen von mindestens soviel Mitgliedern unterstützt sein, wie einer Fraktionsstärke entspricht.
§ 96, in dem von Finanzvorlagen die Rede ist und nicht von Änderungsanträgen, behandelt etwas Grundverschiedenes!
Das Wort hat der Abgeordnete Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Was wir heute morgen hier erlebt haben, ist ungefähr das, was ich befürchtet habe. Es ist eben eine Konsequenz der Tatsache, daß wir einen Tatbestand mit einer Gesetzeskonstruktion zu regeln versucht haben, die sich als völlig unzureichend erwiesen hat.
Ich möchte nur ganz wenige Bemerkungen machen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir anscheinend über den Streit des Herrn Familienministers mit einigen Kollegen aus dem Hause vergessen haben, was eigentlich heute beschlossen werden sollte.
Es handelt sich doch darum, daß die bisherige Konstruktion der Familienausgleichskassen ungefähr 50 000 Menschen nicht erfaßt hat, die gerade am notwendigsten der Unterstützung des Familiengeldes bedürfen.
So sehr meine politischen Freunde von der Fraktion der Deutschen Partei und ich das Kindergeldgesetz ablehnen, so sehr dürfen wir doch diesen Tatbestand nicht aus den Augen verlieren.
Ich erkläre daher im Namen meiner Freunde, daß wir dem vorliegenden Gesetz nicht zustimmen werden. Wir werden uns der Stimme enthalten. Ich muß eine solche Haltung begründen, weil ich an und für sich kein Freund der Enthaltung bin; man soll entweder ja oder nein sagen. Aber wir müssen durch unsere Enthaltung zum Ausdruck bringen, daß wir im Prinzip — und das betone ich hier in der Öffentlichkeit — dem Gedanken des Kindergeldes zustimmen. Es ist leider so, daß man, wenn man in der Öffentlichkeit über diese Frage spricht, sofort diffamiert wird, als wenn man das Kindergeld als solches nicht wollte. Deshalb nehme ich diese Debatte noch einmal zum Anlaß, zu betonen, daß meine Freunde von der Deutschen Partei sich nachdrücklich für die Zahlung von Kindergeld einsetzen. Aber wir können dieser Konstruktion nicht zustimmen, weil sie sich eben — der bisherige Tatbestand erweist das — als völlig ungenügend erwiesen hat.
— Nein, nein, entschuldigen Sie! Ich betone in aller Deutlichkeit: diese Konstruktion geht nicht.
— Ich sage ja jetzt in aller Deutlichkeit, daß es nicht geht.
Aber wenn wir jetzt ablehnen — das ist doch der Konflikt, in dem wir uns in diesem Augenblick befinden — und den Änderungsanträgen, die an und für sich nach unserer Meinung auch richtig sind, zustimmen, dann bewirken wir, daß 50 000 Menschen kein Kindergeld bekommen.
— Entschuldigen Sie, der Auffassung bin ich, und Sie haben bislang zu dieser Sache noch keinen schlüssigen Gegenbeweis antreten können. Ich bedaure lebhaft, daß die Diskussion sich bislang nicht in diesen Bahnen, um die es hier gehen sollte, bewegt hat. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich eines Besseren belehrten. Dann sähe die Entscheidung für uns leichter aus. Vorerst muß ich dies feststellen, da mir nicht bekannt ist, daß wir, wenn wir diesen Antrag zu Fall bringen, dann auf anderem Wege dafür sorgen können, daß diese Menschen sofort in den Genuß des Kindergeldes kommen.
Nun zu den Änderungsanträgen. Ich sagte eben schon, daß meine Fraktion an und für sich den Anträgen der Sache nach zustimmt. Aber zum Antrag der SPD-Fraktion, Kindergeld vom zweiten Kinde an zu zahlen, möchte ich folgendes bemerken. Die Zahlung vom zweiten Kinde an macht einen Mehrbetrag von rund 900 Millionen DM aus. Sie wissen, daß wir unabhängig von der Anwendbarkeit des § 96 der Geschäftsordnung, den eben Kollege Ritzel zu erläutern versucht hat, dieses Geld einfach haben müssen, wenn wir dem zustimmen. Sie wissen aber auch, daß wir im kom-
menden Jahr eine ganze Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen im Zuge der Rentenaufbesserung, die notwendig sind, noch beschließen müssen, so daß wir die Mittel nach meiner Überzeugung jetzt nicht für diesen Zweck ausgeben können. Es beweist sich das, was ich in der damaligen Diskussion gesagt habe: Es wäre besser gewesen, wir hätten die Zahlung von Kindergeld nicht nach Grundsätzen, sondern nach der Notwendigkeit behandelt und hätten dadurch den Personenkreis beschränkt. Wir würden dann den sozial schwachen Personenkreis besser unterstützen, als das jetzt der Fall ist. Ich glaube, die Erfahrung hat uns das gelehrt.
Zum § 3: Auch da würden wir zustimmen, daß die Zahlung besser über das Finanzamt als über das System der Familienausgleichskassen geht. Ich wiederhole: Der Mechanismus der Ausgleichskassen funktioniert bestenfalls bei Lohn- und Gehaltsempfängern, er funktioniert nicht für alle anderen Personenkreise. Auch das ist eine Erfahrung, die wir leider machen mußten und die von allen anderen, auch von großen Teilen der CDU-Fraktion, vorherzusehen war. Das darf hier einmal ausgesprochen werden. Wenn wir aber dem Änderungsantrag zu § 3 und auch zu § 7, die ja in einem Zusammenhang stehen, nicht zustimmen, fällt heute das Gesetz vermutlich in der vorliegenden Form. Es treten die Folgen ein, die ich eben erwähnt habe: Diese 50 000 Menschen kommen nicht in den Genuß der Zahlung. Aus diesem Grunde werden meine Freunde sich sowohl bei den Änderungsanträgen wie auch bei dem Gesetz selber der Stimme enthalten.
Ich begrüße aber — das möchte ich ausdrücklich sagen — den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion. Ich sehe darin einen Hoffnungsschimmer; vielleicht irre ich mich, ich weiß es nicht. Ich darf die sehr angespannte Stimmung hier vielleicht mit einem Scherz auflockern. Wir Männer — ich nehme mich nicht aus — tun uns im allgemeinen sehr schwer, Unrecht einzugestehen, und wenn man Politiker ist — als Politiker ist man ja ein besonders starker Mann —, tut man sich besonders schwer. Erfreulicherweise tun sich die Damen da leichter; die hielten es sonst mit uns Männern gar nicht aus.
Da fällt mir, wenn ich mich selber bei dieser Beharrlichkeit ertappe, immer ein Witz, ein kleiner Scherz ein, den ich vielleicht vortragen darf. Auf einer Zeichnung ist dargestellt, wie ein Auto in einen Fluß geraten ist. Der Mann sitzt wütend mit verkrampftem Gesicht am Lenkrad, und die Frau sagt in lakonischer Kürze: Nun gib doch endlich zu, daß du nicht mehr auf der Autobahn bist! Und ich möchte meinen Freunden von der CDU raten: Nun geben Sie endlich zu, daß Sie auf dem falschen Wege waren!
Es würde sehr viel für Ihre parlamentarisch-demokratische Gesinnung sprechen, wenn Sie den Mut hätten, die Konsequenzen aus diesem Entschließungsantrag zu ziehen und in einem halben Jahr einen völligen Umbau dieses unglücklichen Gesetzes zu beschließen. Ich hoffe, daß dieser Entschließungsantrag zu diesem Wege führen wird.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion zu dem Ergänzungsgesetz hat dazu geführt, daß wir heute nicht nur das gesamte Problem der Kindergeldgesetzgebung erneut darlegen, sondern es hat sich dazu auch noch eine Aussprache über eine Denkschrift des Familienministers entwickelt. Ich möchte doch wirklich darum bitten, das, was heute vor uns liegt, so zu sehen, wie es tatsächlich ist. Das Hohe Haus hat durch eine Entschließung in irgendeiner Sitzung von der Bundesregierung
eine Gesetzesvorlage gewünscht, die im Rahmen der Kindergeldgesetzgebung, wie sie durch dieses Haus erfolgt ist, die letzten Lücken schließt.
Das liegt heute vor Ihnen.
Wenn man aber nunmehr auf die Grundsätzlichkeit der ganzen Familien- und Kindergeldgesetzgebung eingeht, so gestatten Sie mir, doch einmal kurz zu sagen, wie sich die Dinge entwickelt haben. In unserem deutschen Volk, namentlich unter den arbeitenden Menschen, vor allen Dingen dort, wo nur ein Familieneinkommen ist, haben die Arbeitnehmer dahin gedrängt, und zwar mit vollem Recht, daß ihnen auf diese oder jene Art eine Erleichterung ihrer Lebensbedingungen gegeben wird. Die Gewerkschaften haben durch die. Tarifverträge zuerst Familienzuschläge zu dem Leistungslohn vereinbart. Aber die Dinge waren ja nicht vollkommen, aus dem einfachen Grund, weil hier die besonders leistungsstarken Berufszweige viel weiter gehen konnten als diejenigen Berufsgruppen in unserem deutschen Volk, die es etwas schwerer oder vielleicht sehr schwer haben. Außerdem kam bei Erörterung dieser Sache auch immer die Frage auf, welche Funktion und welche Höhe eigentlich der Lohn haben soll, der unter den Vertragsparteien im Tarifvertrag vereinbart wird. Dabei ist man zu der Überzeugung gekommen, dieser Lohn müsse so gestaltet sein, daß davon eine Normalfamilie, d. h. Mann, Frau und zwei Kinder, leben können. Deshalb ist man auf den Grundgedanken mit dem dritten Kind gekommen. Wenn wir dann in der Kindergeldgesetzgebung davon ausgehen, daß letzten Endes der arbeitende Mensch im Betrieb oder in der Volkswirtschaft die Lebensgrundlagen schafft und er aus dieser Leistungsgemeinschaft der Volkswirtschaft diese Beträge bekommen soll, und wenn dann dieser Gedanke der Familienausgleichskassen geboren worden ist, die eben aus den Kreisen unserer Wirtschaft gespeist werden sollen, dann hat man dabei doch auch daran gedacht, daß das Kind von heute nicht nur der Staatsbürger, sondern auch der Arbeitnehmer von morgen ist. Deshalb hat man geglaubt, diese Dinge in die Wirtschaft verlagern zu können.
Nun sage ich Ihnen in aller Offenheit, daß ich mir über die Auswirkung der Gesetzgebung in dieser dezentralisierten Form selbst ernsthaft Gedanken mache. Wir haben Ihnen ja gesagt: Sowie uns der erste Jahresbericht der Familienausgleichskassen vorliegt, werden wir uns an die Reform dieses Gesetzes in seiner Gesamtheit heranbegeben. Dann sollte man meines Erachtens noch einmal all das vorbringen, was heute hier vielleicht vorgebracht wird. Schließen Sie doch heute nur die letzte Lücke in dieser Gesetzgebung und nehmen Sie sich gemeinschaftlich vor, dieses Gesetzeswerk, von den
Ergebnissen der inzwischen abgelaufenen Zeit beeinflußt, so zu gestalten, daß wir nachher allen deutschen Menschen auf diesem Gebiet Gerechtigkeit widerfahren lassen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Diskussion ist nicht gerade erfreulich, wobei ich nicht feststellen will, auf welcher Seite des Hauses die Schuld liegt. Wir alle miteinander — das möchte ich einmal sagen — haben in der Kindergeldgesetzgebung Fehler gemacht.
— Ja. Wenn Sie sich anders verhalten hätten, wäre wahrscheinlich etwas anderes herausgekommen. Auch das müssen Sie sich sagen lassen.
— Wir haben das Gesetz allein mit unseren Stimmen verabschiedet, weil Sie uns dazu gezwungen haben und weil Sie zu Kompromißvorschlägen damals nicht bereit waren.
Lassen Sie mich nun ein Wort zur SPD sagen, und zwar zum Herrn Kollegen Schoettle. Niemand von uns in diesem Hause denkt daran, der SPD den Vorwurf zu machen, sie wolle den § 96 unserer Geschäftsordnung vorschieben, um sozialpolitische Gesetze zu verzögern oder nicht in Kraft treten zu lassen. Sollte dieser Vorwurf auch nur andeutungsweise von irgendeiner Seite gemacht werden, würden wir ihn mit Entschiedenheit zurückweisen. Wir kennen die Arbeit unseres Kollegen Schoettle im Haushaltsausschuß; wir schätzen sie, und wir wissen, daß er mit dem gleichen Verantwortungsbewußtsein an die Arbeit geht wie wir.
Wir haben uns heute nicht mit dem Familienminister und mit seiner Denkschrift auseinanderzusetzen. Wir haben es auch nicht mit dem Kindergeldgesetz zu tun, das Gesetz ist, sondern wir haben heute die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Kinder, die schon ein Jahr lang auf das Kindergeld warten, jetzt endlich so schnell wie möglich in den Besitz des Kindergeldes kommen. Dazu sollten wir doch alle miteinander mithelfen.
Gewiß, in der Denkschrift des Familienministeriums ist die Rede — damit komme ich zum Änderungsantrag der SPD — vom zweiten Kind. Da kann man in der Tat verschiedener Auffassung sein. Man kann manches dafür sagen, man muß aber auch vieles dagegen sagen. Wir sollten uns darüber in diesem Zeitpunkt nicht unterhalten; wir können uns auch nicht darüber unterhalten. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß wir diese Denkschrift gründlich studieren werden. Sie dürfen aber auch davon überzeugt sein, daß, wie es immer der Fall ist, auf dieses Gutachten noch manches Gegengutachten kommen wird und daß noch manche Gegenstimme, die wir auch ernsthaft zu prüfen haben werden, zu hören sein wird.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß wir dem Hohen Hause eine Entschließung vorgelegt haben. Nach dieser Entschließung sind wir bereit, mit Ihnen, sobald der Geschäftsbericht eines Jahres einmal vorliegt,
— der wird bald vorliegen; das Jahr ist ja bald vorüber —, die Kindergeldgesetzgebung zu überprüfen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Der Vorsitzende meiner Fraktion wird nachher zur Begründung dieser Entschließung noch sprechen.
Unter diesen Umständen bitte ich Sie, heute den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 500 unter Ziffer 1 abzulehnen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Äußerungen der Kollegen Ruf und Elbrächter veranlassen mich, noch einmal hier zu sprechen.
Herr Kollege R u f , Sie haben erklärt, daß wir, wenn wir mehr Kompromißbereitschaft gezeigt hätten, diese Schwierigkeiten hätten vermeiden können. Ich darf Sie daran erinnern, daß bei den damaligen Beratungen in diesem Hause das berühmt gewordene Wort gefallen ist: „Auch Ihr besserer Sachverstand kann unsere politische Haltung nicht ändern."
Herr Kollege E l b r ä c h t er hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, ausgeführt: Wenn wir den vorgelegten Anträgen zustimmen, laufen 50 000 Kinder Gefahr, kein Kindergeld zu erhalten. Und so etwas Ähnliches hat auch der Kollege Ruf ausgeführt. Man konnte es auch den Worten des Herrn Bundesarbeitsministers entnehmen.
Ich möchte hier, um jeder Legendenbildung vorzubeugen, mit aller Deutlichkeit erklären: wenn unser Änderungsantrag angenommen und Gesetz wird, dann erhalten diese 50 000 Kinder ihr Kindergeld zu dem gleichen Zeitpunkt in der gleichen Höhe.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg. — Erledigt. Damit liegen weitere Wortmeldungen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 503 Ziffer 1. Er geht auf dem Wege der normalen Abstimmung. Namentliche Abstimmung haben Sie nur zu dem Änderungsantrag der SPD beantragt?
— Zur Abstimmung der Abgeordnete Ruf.
Meine Damen und Herren, ich beantrage im Namen meiner Fraktion auch zu diesem Antrag namentliche Abstimmung.
Zur Abstimmung Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die sozialdemokratische Fraktion
beantragt zu ihrem Änderungsantrag auf Umdruck 500 Ziffer 1 namentliche Abstimmung.
Zur Abstimmung der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Ich bitte, über unseren Antrag en bloc abzustimmen, da er eine Einheit darstellt.
En bloc abstimmen, Herr Dr. Atzenroth? Das heißt über Ziffer 1?
Ich würde vorschlagen, folgende Form zu wählen: Wir stimmen über Ziffer 1 ab, weil hier die Abänderung zu dem behandelten Paragraphen ist. Wenn sie angenommen ist, müssen wir auch noch über die weiteren Ziffern abstimmen. Wenn sie aber abgelehnt wird, ziehen Sie im übrigen den Antrag zurück? — Sind Sie einverstanden? — Dann kommen wir jetzt erst zu dem Antrag der Fraktion der FDP, Ziffer 1 mit der sachlichen Folge, die eben festgestellt worden ist.
Namentliche Abstimmung ist beantragt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. — Ich darf noch einmal darauf hinweisen: wir stehen in der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Freien Demokratischen Partei Umdruck 503 Ziffer 1*).
Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung zum Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei Umdruck 503 Ziffer 1 bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 421. Mit Ja haben gestimmt 202, mit Nein 211. Enthalten haben sich 8.
Außerdem haben abgestimmt 16 Berliner Abgeordnete, 12 mit Ja und 4 mit Nein.
Damit ist nach der Erklärung des Abgeordneten Dr. Atzenroth der gesamte Antrag hinfällig geworden.
Wir kommen nunmehr zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Umdruck 500 Ziffer 1***). Ich eröffne die namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln. Ich wiederhole: wir stimmen jetzt über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 500 Ziffer 1 ab.
Meine Damen und Herren, ich mache den Vorschlag, daß wir jetzt § 1 ruhen lassen und mit der Beratung des § 2 beginnen, da die Dinge nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, so daß wir damit fortfahren können.
*) Siehe Anlage 4.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6437.
***) Siehe Anlage 3.
Ich rufe also zur Beratung auf § 2 mit dem Umdruck 500 Ziffer 2 und erteile der Frau Abgeordneten Korspeter das Wort. — Ich bitte um Ruhe für die Rednerin.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der Kindergeldgesetzgebung sind es auf der Leistungsseite vor allem zwei Grundsätze, die diese Frage unseres Erachtens sozialpolitisch so unbefriedigend, ja ungerecht gelöst haben und die eine Verworrenheit und Unübersichtlichkeit in diese Materie gebracht haben, daß sie kaum verstanden werden kann. Ich bitte deshalb um Entschuldigung, wenn ich mich bei der Begründung meines Änderungsantrags zu § 2 nicht so knapp fassen kann, wie ich es eigentlich möchte. Aber es geht uns, den Gesetzgebern im Parlament, genauso wie den Menschen draußen, die dieses Gesetz durchzuführen haben, und denen, die etwas zu empfangen haben. Da ich Sie jedoch mit der Begründung meines Änderungsantrags überzeugen möchte, sehe ich mich gezwungen, ihn ausführlich zu erörtern.
Die beiden Grundsätze, die die Leistung der Kindergeldgesetzgebung bestimmen, wurden von der CDU-Fraktion gewünscht und bis zum bitteren Ende verfochten, während sie von allen anderen Fraktionen dieses Hauses abgelehnt wurden. Die Schuld an der schlechten Gesetzgebung, von der Sie, lieber Herr Kollege Ruf, gesprochen haben und die Sie dem ganzen Hause zuschieben wollen, diese Schuld liegt eindeutig und ausschließlich bei der CDU.
Es war ein Alleingang der CDU,
und alle anderen Fraktionen dieses Hauses waren für eine vernünftige Regelung der Kindergeldgesetzgebung.
Der erste Grundsatz fordert als Voraussetzung für die Kindergeldzahlung die Erwerbstätigkeit der Eltern. Der zweite Grundsatz legt fest, daß bei Sozialleistungsempfängern keine volle zusätzliche Leistung des Kindergeldes gewährt werden soll. Das Beharren auf diesen Grundsätzen von seiten der CDU hat uns eben bisher diese drei Gesetze beschert, und das vierte Gesetz — wir haben es ja heute gehört; der Bundesarbeitsminister hat es schon einmal angedeutet — steht uns also noch bevor.
Wir haben als erstes Gesetz das Kindergeldgesetz mit der Gewährung eines Kindergeldes von 25 DM für alle Erwerbstätigen, die in einer gewerblichen Berufsgenossenschaft versichert sind. Wir haben als zweites Gesetz das Kindergeldanpassungsgesetz, das die Kindergeldzahlung für die Sozialleistungsempfänger regelt. Dieses Gesetz aber brachte nicht wie bei den Erwerbstätigen eine zusätzliche Leistung vom 25 DM, sondern nur eine Aufstockung des Kinderzuschusses oder der Kinderzulage, wie sie z. B. bei Invalidität aus der Rentenversicherung gezahlt wird, und wurde auf den Betrag des Kindergeldes von 25 DM aufgestockt. Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Das Kind eines Rentners erhielt bis zum Kindergeldanpassungsgesetz einen Kindergeldzuschlag aus der Rentenversicherung von 20 DM, der sich jetzt nur auf 25 DM erhöht hat.
Wir haben dann als drittes Gesetz das heute zu beratende Kindergeldergänzungsgesetz, das die Lücken der anderen Gesetze schließen und die noch nicht erfaßten dritten und weiteren Kinder einbeziehen sollte. Das Bemerkenswerte an diesem Gesetz ist allerdings, daß es trotzdem noch nicht gelungen ist, alle dritten und weiteren Kinder einzubeziehen.
— Herr Kollege Winkelheide, es bleiben die Waisenkinder ausgeschlossen, deren Mütter nicht erwerbstätig sind, weil sie sich aus vielen guten Gründen der Erziehung ihrer Kinder widmen müssen.
Praktisch bleiben von der Kindergeldgesetzgebung auch die dritten und weiteren Kinder der Eltern unberührt, die Fürsorgeunterstützung beziehen.
— Einen Augenblick, Herr Winkelheide. Ich habe gesagt: praktisch. Man hat zwar den bislang als Fürsorgerichtsatz gezahlten Betrag für die dritten und weiteren Kinder in Kindergeld umgewandelt und fordert bis zur Höhe des Kindergeldes keine Rückzahlung. Aber wer weiß, in welch verschwindend geringem Prozentsatz Rückzahlungen erfolgen, und wer darüber hinaus noch überlegt, Herr Kollege Winkelheide, daß sich bei dieser Regelung das Familieneinkommen durch unsere Kindergeldgesetzgebung um keinen Pfennig erhöht, der wird mir recht geben, wenn ich sage, daß diese Familien praktisch von unserer Kindergeldgesetzgebung unberührt bleiben.
Die sozial schwächsten Gruppen in unserem Volk werden also von unserer Kindergeldgesetzgebung gar nicht erfaßt.
Ich möchte es noch einmal zusammenfassen. Die dritten und weiteren Kinder von Sozialleistungsempfängern haben nur eine ganz geringe Aufstockung erfahren, Waisenkinder und Kinder der Fürsorgeunterstützten überhaupt keine, da die Waisenrente in fast allen Fällen 30 DM ausmacht, also nicht mehr aufgestockt werden kann. Wir haben bei der Beratung des Kindergeldanpassungsgesetzes erklärt und auch Anträge in dieser Richtung gestellt, daß die Kinderzulage als Ersatz für das nicht mehr vorhandene Einkommen des Vaters, also als Existenzgrundlage für das Kind gesehen werden soll. Wir haben ein Kindergeld als zusätzliche Leistung gefordert, genauso wie bei den Erwerbstätigen, um — und darauf kommt es an — das Familieneinkommen zu erhöhen.
Bei diesen Überlegungen kommt es entscheidend darauf an, daß sich das Familieneinkommen der Erwerbstätigen bei der jetzigen Regelung um 25 DM erhöht hat; bei- den Sozialleistungsempfängern, die ohnehin schon ein unverhältnismäßig niedriges Einkommen haben, hat es sich aber nicht um 25 DM, sondern, um bei meinem Beispiel mit den Sozialrentnern zu bleiben, nur um 5 DM erhöht. Die SPD-Fraktion kann sich mit der bestehenden Regelung, daß das, was für die Erwerbstätigen an Rechten neu geschaffen wurde, für die sozial Schwächsten nicht gelten soll, niemals einverstanden erklären. Wir haben damals erklärt, daß wir jede, aber auch jede Gelegenheit benutzen werden, um eine sozial gerechtere Lösung zu
erreichen. Diese Gelegenheit ist jetzt gekommen.
Das Gesetz, das wir heute verabschieden, ist nicht nur ein Kindergeldergänzungsgesetz, sondern es bringt auch eine Reihe von Änderungen zum Kindergeldgesetz und zum Kindergeldanpassungsgesetz. Unser Änderungsantrag zu § 2 berührt das Kindergeldanpassungsgesetz. Folgen Sie unserem Antrag, so ergeben sich daraus zugleich eine Reihe von Änderungen, die ich, um die Debatte nicht unnötig zu verlängern, nur kurz erwähnen möchte. Es wird dann der § 8 überflüssig, der die Sonderregelung für den Personenkreis enthält, der für den laufenden Lebensunterhalt Fürsorgeunterstützung bezieht. Darüber hinaus werden einige Ausschlußvorschriften in § 10 und ferner die §§ 11 bis 18 des Gesetzentwurfs überflüssig. Sie finden diese Änderungen in den Ziffern 6, 8 und 13 unseres Änderungsantrags. Durch Annahme dieser Änderungsanträge würde das Kindergeldanpassungsgesetz entbehrlich. Deshalb haben wir in Ziffer 15 unseres Änderungsantrags durch Einfügung eines § 21 a die Aufhebung des Kindergeldanpassungsgesetzes festgelegt.
Um weiter zu erreichen, daß das Kindergeld nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet wird, um zu verhindern, daß wir mit der einen Hand geben, um mit der anderen Hand wieder zu nehmen, haben wir in Ziffer 11 unseres Änderungsantrags beantragt, in § 10 des Gesetzentwurfs eine neue Ziffer 11 b einzufügen.
Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, so erreichen wir zweierlei. Wir erreichen eine weitgehende Vereinfachung der Kindergeldgesetzgebung,
die sowohl denen, die sie durchzuführen haben, als auch jenen, die etwas zu empfangen haben, eine klarere Einsicht in die Materie gestattet, als es bisher der Fall war.
Wir erreichen weiter — und das ist sozialpolitisch so außerordentlich wichtig —, daß die Ausnahmevorschriften, die jetzt in diesem Gesetzentwurf in § 2 erneut für die Kinder von Sozialleistungsempfängern und für Waisen festgelegt sind, aufgehoben werden. Auch diese erhalten dann wie die Erwerbstätigen als eine zusätzliche Leistung ein Kindergeld in Höhe von 25 DM, d. h. das Familieneinkommen dieser sozial schwachen Gruppen erhöht sich dann nicht nur um 5 DM, sondern auch um 25 DM. Das sind unseres Erachtens zwei wichtige Gesichtspunkte, und wir bitten Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Ich frage: Sind noch Damen und Herren im Hause, die in der namentlichen Abstimmung über die Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auf Umdruck 500 ihre Stimmen abzugeben wünschen? — Ja. Dann bitte ich, die Karte abzugeben. — Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen zu § 2.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/
CSU-Fraktion habe ich zu erklären, daß wir nicht in der Lage sind, dem Antrag Ziffer 2 auf Umdruck 500 zuzustimmen. Bei Annahme dieses Antrags würde die Konstruktion unseres Gesetzes durchbrochen. Wir sind bei der Schaffung des Kindergeldgesetzes von dem Bestreben ausgegangen, die Lücken auszufüllen, die bei der damaligen Situation in der Kindergeldgewährung vorhanden waren. Wir mußten damals feststellen, daß Beamte oder sonst im öffentlichen Dienst Beschäftigte ein Kindergeld bekamen und daß die Bezüge all derer, die Leistungen aus sozialen Einrichtungen erhielten, nach dem Familienstande bemessen waren. Lediglich diejenigen, die in der freien Wirtschaft tätig waren — und eine Reihe von Personen aus anderen Kreisen —, erhielten neben ihrem tatsächlichen Stundenlohn, Wochenlohn oder Monatslohn keine Zahlung, die nach ihrem Familienstand berechnet wurde. Diese Lücke auszufüllen ist das Gesetz geschaffen worden. Mit der Annahme des vorliegenden Antrags würde diese Konstruktion durchbrochen, indem ein Teil für das dritte und weitere Kind zwei Leistungen erhielte, während andere nur eine Leistung für das dritte Kind bekommen.
Das jetzt zur Debatte stehende Gesetz muß nach einem Auftrag, den sich der Bundestag selbst gegeben hat, verabschiedet werden. Es war der Auftrag, dafür zu sorgen, daß das Kindergeld, das nach den beiden früheren Gesetzen einem großen Personenkreis schon gezahlt wird, auch noch den restlichen Familien — der Abgeordnete Elbrächter hat von 50 000 gesprochen — für das dritte Kind zugestanden wird. Ich bin der Meinung, daß man es bei dieser Regelung belassen sollte.
Weiter geht es bei der beantragten Änderung des § 2 um die Frage, ob diejenigen, die aus der Rentenversicherung, aus der Unfallversicherung und aus anderen sozialen Einrichtungen ein Waisengeld bekommen, noch dazu ein Kindergeld erhalten sollen. Mit diesem Antrag sind die Leistungsträger der Sozialeinrichtungen angesprochen worden, beispielsweise in der Rentenversicherung. Meine Damen und Herren, es ist ausgeschlossen, daß wir heute den Rentenversicherungsträgern neue Belastungen, die aus ihren Beiträgen gedeckt werden müßten, auferlegen, ohne mit ihnen auch nur ein Wort zu reden.
— Frau Finselberger, Sie hätten sich ja auch einmal die Mühe machen können, mit den Rentenversicherungsträgern zu reden; das hätten Sie doch nicht immer nur uns überlassen sollen. Wenn Sie der Meinung waren, es hätte geschehen können, hätten Sie es ja übernehmen können, mit den Rentenversicherungsträgern zu sprechen. Aber hier etwas zu beschließen, wodurch einer sozialen Einrichtung neue Lasten auferlegt werden, ohne mit diesen Trägern auch nur ein Wort zu reden, halten wir für unmöglich. Aus diesen Gründen lehnen wir diesen Antrag ab.
Zu den sonstigen Anträgen, deren Begründung wir noch hören werden, möchte ich namens meiner Fraktion erklären, daß wir uns an der Aussprache darüber nicht mehr beteiligen wollen,
um unsere Zeit nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen,
dann aber auch — das kommt in der Entschließung zum Ausdruck, die wir dem Hause in der dritten Lesung vorlegen werden —, weil wir der Meinung sind, daß wir, nachdem wir mit diesem Gesetz Neuland betreten haben, zunächst einmal 1 oder 11/2 Jahre Erfahrung über den Ablauf und die Auswirkungen des Gesetzes sammeln sollten.
Wenn dann die Erfahrungen und die ersten Geschäftsberichte der Ausführungsorgane vorliegen, müssen wir unter Berücksichtigung der vorliegenden Erfahrungen ernstlich überlegen, wie wir die Dinge ordnen können.
Weiter kommt es darauf an, gemeinsam dafür zu sorgen, daß diejenigen, die jetzt schon ein Jahr lang auf das Kindergeld warten, endlich zu einem Kindergeld kommen, und zwar rückwirkend ab 1. Januar 1955.
Das sind die Gründe, die uns veranlassen, gegen die Ziffer 2 zu stimmen, und das sind auch die Gründe für unsere Ablehnung auch der weiteren Anträge, die hier noch zur Debatte gestellt werden.
Ich beantrage, über Ziffer 2 des Antrags Umdruck 500 namentlich abzustimmen.
Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 500 Ziffer 1 bekanntgeben. Abgegebene Stimmen der stimmberechtigten Abgeordneten: 424; mit Ja haben gestimmt 155, mit Nein 252, enthalten haben sich 17. Der Antrag ist abgelehnt.
'Von den Berliner Abgeordneten haben sich 16 beteiligt, 8 haben ja und ebenso viele nein gesagt, enthalten hat sich niemand.
Nach Ablehnung der beiden Änderungsanträge kommen wir nunmehr zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußvorlage.
— Bisher nicht; aber es kann noch beantragt werden.
Wird zu § 1 in der Ausschußfassung namentliche Abstimmung beantragt? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 1 ist in der Ausschußfassung beschlossen.
Wir fahren nunmehr in der Aussprache zu § 2 fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen hat die ablehnende Stellungnahme seiner Fraktion zu unserem Änderungsantrag unter anderem damit begründet, daß durch diesen Änderungsantrag die Sozialversicherungsträger und andere Sozialleistungsträger belastet würden. Herr Kollege Arndgen, das stimmt nicht. Die Gesetzesmaterie ist
4) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6437.
offenbar so kompliziert, daß selbst ein prominenter Sprecher der CDU die Auswirkungen in dieser Hinsicht nicht voll zu übersehen scheint.
— Herr Kollege, Sie waren doch nicht im Ausschuß. Ihre Kollegen werden meine Mitarbeit bestätigen können.
Was ist der Sachverhalt? Nach § 7 des Gesetzes sind die Kosten entweder von den Familienausgleichskassen oder, wenn diese nicht als Kostenträger in Frage kommen, vom Bund aufzubringen. In § 7 steht nichts über eine Mittelaufbringung durch Träger der Rentenversicherung. Das zur Frage der Finanzierung.
Dann ein Zweites. Daß es sich bei dem Anliegen der Sozialdemokraten um eine sozialpolitisch bedeutsame Angelegenheit handelt, hat auch der Bundesrat zum Ausdruck gebracht. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme wörtlich folgendes ausgeführt: Der Ausschluß des Kindergeldanspruchs ist sozialpolitisch außerordentlich bedenklich. Die Sozialdemokraten sind der gleichen Auffassung, und deshalb wollen wir diesen Ausschluß beseitigen.
Im übrigen haben wir mit großem Interesse festgestellt, Herr Kollege Arndgen, daß Sie soeben erklärt haben, Sie würden sich zu den anderen Anträgen nicht mehr äußern.
Sollten Ihnen die Argumente fehlen?
Meine Damen und und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion unter Ziffer 2 auf Umdruck 500. Namens der Fraktion der CDU/CSU, also hinreichend unterstützt, ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir stimmen also namentlich ab. Ich bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir inzwischen die Aussprache über § 3 eröffnen. Ich rufe also auf zur Beratung § 3 und die Umdrucke 500 Ziffer 3 und 504 Ziffer 1.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die zur letzten namentlichen Abstimmung über Umdruck 500 Ziffer 2 ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zur Beschleunigung der Beratungen beitragen und Sie, Herr Präsident, obschon Sie nur Ziffer 3 aufgerufen haben, um Ihr Einverständnis bitten, daß ich auch zu den Ziffern 4 und 5 des Umdrucks 500 *) mit den Anträgen der Fraktion der SPD spreche.
§ 3 des Kindergeldergänzungsgesetzes betrifft das Organisatorische; er regelt das Verwaltungs-
*) Siehe Anlage 3.
mäßige für einen Teil dieses Gesetzes, für die Durchführung. Um mit einem Wort des Herrn Kollegen Elbrächter zu sprechen, das er heute früh hier gebraucht hat: Dieser § 3 der Ausschußvorlage soll dazu dienen, den nicht oder schlecht funktionierenden Mechanismus der Kindergeldgesetzgebung noch weiter auszubauen. Eigentlich ist „auszubauen" nicht das richtige Wort; er will ihn noch durch einen weiteren schlechten Mechanismus ergänzen.
Die Sozialdemokratische Partei hat von Anfang an auf dem Standpunkt gestanden, daß die Auszahlung des Kindergeldes durch die Finanzämter erfolgen soll. Wir haben diese Auffassung seit eh und je vertreten und die Erfahrungen, die wir im abgelaufenen Jahr gemacht haben, bestätigen sie. § 3 der Ausschußvorlage besagt nichts anderes, als daß für die 10-, 20,- 50- oder 70 000 Kinder, die bisher durch das Kindergeldgesetz und durch das Kindergeldanpassungsgesetz noch nicht erfaßt worden sind — eine verhältnismäßig nicht allzu große Zahl — ein sehr umfangreicher Verwaltungsapparat geschaffen werden soll. Nach Ziffer 1 des Abs. 1 des § 1 sollen für die Kinder der Arbeitnehmer, der Selbständigen und der mithelfenden Familienangehörigen, die nicht bei einer Berufsgenossenschaft gegen Unfall versichert sind, aber einem anderen gesetzlichen Träger der Unfallversicherung angehören, diese Träger der Unfallversicherung das Kindergeld auszahlen. Für einen Kreis der Übrigbleibenden sollen neue Träger bei den Familienausgleichskassen bzw. den Berufsgenossenschaften geschaffen werden, die unter Ziffer 3 Abs. 1 des § 3 aufgeführt sind. Ein ungeheuer komplizierter Apparat soll nach dem Ausschußbeschluß für einen unverhältnismäßig kleinen Teil der dritten und weiteren Kinder geschaffen werden.
Wir sind der Auffassung, daß das nicht sinnvoll, sondern sinnwidrig ist. Wir fordern Sie dringlichst auf, nicht auf dieser Ausschußvorlage zu bestehen, sondern dem Antrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 500 zuzustimmen, -wo vorgeschlagen wird, für diesen Kreis der Kinder das zuständige Finanzamt zur Auszahlung in Anspruch zu nehmen.
Aus dem Abs. 2 des von uns vorgeschlagenen § 3 ersehen Sie, daß wir damit einverstanden sind, .für die Auszahlung des Kindergeldes durch die Finanzämter die Verfahren anzuwenden, die bei der Durchführung des Kindergeldgesetzes bisher schon mit einigem Erfolg angewandt worden sind.
Lassen Sie mich nun noch einige wenige Bemerkungen zu diesem § 3 machen. Der § 3 wird, wenn er in der Fassung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion angenommen würde, in keiner Weise dazu führen — wie hier verschiedentlich befürchtet worden ist —, daß das Kindergeld weniger rasch oder nicht in dem Umfang ausgezahlt wird, wie es der Fall wäre, wenn die Ausschußvorlage angenommen würde. Ich stelle hiermit fest, daß die Durchführung des Verfahrens nach dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion einfacher ist und daß das Kindergeld auf diesem Wege schneller an die Berechtigten herangebracht werden kann.
Es ist voll gewährleistet — Herr Kollege Elbrächter, Sie haben das vorhin auch angezweifelt —, daß durch die Annahme des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion keinerlei Verzögerung in der Auszahlung des Kindergeldes eintritt.
Im übrigen möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß nach der Ausschußvorlage jetzt die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung als Träger der Kindergeldzahlung eingesetzt werden sollen, was Sie seinerzeit bei der zweiten und dritten Beratung, als die sozialdemokratische Fraktion das verschiedentlich beantragte, entschieden abgelehnt haben. Sie haben damals jede Verbindung zwischen Kindergeld und Berufsgenossenschaften oder Unfallversicherung abgelehnt beziehungsweise in Abrede gestellt, daß eine solche Verbindung bestehe. Nach der Ausschußvorlage wird eine solche Verbindung geschaffen. Es geht hier um das Prinzip, daß das Kindergeld eine Angelegenheit der Allgemeinheit
und nicht eine Angelegenheit eines Kreises von zufällig gemeinsam gegen Unfall versicherten Personen ist.
Wenn Sie dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf Änderung des § 3 folgen, ergibt sich, daß der § 4 der Ausschußvorlage überflüssig ist. Es ist dann nicht mehr notwendig, erst lange Überprüfungen darüber anzustellen, wer zuständig ist. Es steht von vornherein fest, daß das Finanzamt zuständig ist. Wir beantragen daher unter Ziffer 4 des Umdrucks 500 die Streichung des § 4.
Für § 7 beantragen wir unter Ziffer 5 unseres Änderungsantrags eine Fassung, nach der die Mittel zur Durchführung des Gesetzes vorbehaltlich des Abs. 2 desselben Paragraphen vom Bund aufgebracht werden. Ich brauche dazu nicht viel zu sagen. Eine Begründung dafür ist schon verschiedentlich, erst heute wieder von dem Herrn Kollegen Dr. Atzenroth gegeben worden, mit dem wir in dieser Beziehung völlig einig gehen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß es sich, wie Herr Dr. Atzenroth ausgeführt hat, lediglich noch um 4,2 Millionen DM im Jahr handelt, die der Bund zusätzlich zu dem zu übernehmen hätte, was er bereits durch die Bestimmungen des § 7 der Ausschußvorlage zu zahlen hätte. Es handelt sich also um eine finanziell nicht sehr ins Gewicht fallende Entscheidung, durch die die verwaltungsmäßige Durchführung aber wesentlich vereinfacht und erleichtert würde.
Aus diesen Gründen und Überlegungen bitten wir Sie um Zustimmung zu den Vorschlägen der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 500 unter den Ziffern 3, 4 und 5.
Meine Damen und Herren! Ich darf das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 500 Ziffer 2 bekanntgeben. Es haben sich insgesamt 421 stimmberechtigte Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 177, mit Nein 220 gestimmt; enthalten haben sich 24. Der Antrag ist abgelehnt. Es haben sich 16 Berliner Abgeordnete beteiligt. 10 haben mit Ja, 5 mit Nein gestimmt; einer hat sich enthalten.
Nach Ablehnung dieses Änderungsantrages komme ich zur Abstimmung über § 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Das erste war die Mehrheit; § 2 ist in der Ausschußfassung beschlossen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6437.
Wir fahren fort in der Debatte über § 3 mit den aufgerufenen Änderungsanträgen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Umdruck 504 ist ein Eventualantrag. Wir stimmen entsprechend der Haltung, die wir mit unserem ersten Antrag gezeigt haben, den sozialdemokratischen Anträgen unter den Ziffern 3, 4 und 5 zu. Wenn diese Anträge angenommen werden, dann erübrigt sich dieser Eventualantrag, den ich kurz begründen will.
Die Ausschußfassung dieses Ergänzungsgesetzes sieht als Träger der Kindergeldzahlung verschiedene Einrichtungen für drei Gruppen von Berechtigten vor, nämlich einmal die normalen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 genannten Personen. Für eine weitere Gruppe, die aus allen übrigen Personen besteht, wird eine bestimmte Zahl von Berufsgenossenschaften genannt, die zu diesem Zweck in den einzelnen Ländern oder für mehrere Länder zusammen eingesetzt sind. Die dritte Gruppe bilden die Personen, die früher einmal erwerbstätig und während dieser Zeit bei Berufsgenossenschaften versichert waren. Diese Menschen, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, also nicht mehr zu den Berufsgenossenschaften gehören, sollen durch das vorliegende Gesetz in bezug auf das Kindergeld wieder zu den Berufsgenossenschaften zurückgeführt werden. Das halten wir für eine falsche Lösung des Problems. Es widerspricht deutlich dem berufsständischen Aufbau, der dem Kindergeldgesetz zugrunde liegt, wie von den Verfassern des Gesetzes immer wieder betont wurde. Personen, die aus dem Beruf und aus der Berufsgemeinschaft ausgeschieden sind, kann man nicht nachträglich zwangsmäßig wieder hineinbringen. Es kommt noch hinzu, daß aus diesen Kreisen praktisch keine Beiträge gezahlt werden; denn von den Berufsgenossenschaften werden nur diejenigen erfaßt, die drei und mehr Kinder haben. Die anderen melden sich naturgemäß nicht. Infolgedessen kommen Beiträge aus diesen Kreisen praktisch nicht ein.
Wir stellen daher den Antrag, diese Gruppe genau so zu behandeln, wie die unter Nr. 3 des § 3 Abs. 1 genannten Personen, immer unter der Voraussetzung, daß der Antrag der SPD nicht angenommen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schellenberg hat vorhin, als er vom Podium abtrat, in seinen letzten Ausführungen mit Bezug auf die Erklärung des Kollegen Arndgen, daß wir uns an der Diskussion über die weiteren Änderungsanträge nicht mehr beteiligen wollten, die Bemerkung gemacht: „Sollten Ihnen etwa die Argumente fehlen?" Weil sich dieser Ausspruch vielleicht in der heutigen Veröffentlichung des „Sozialdemokratischen Pressedienstes" wiederfinden könnte — —
— Ja, wir haben in dieser Beziehung böse Erfahrungen, und wir hätten gelegentlich auch Anlaß —
wie heute morgen hier schon einmal —, uns darüber aufzuregen.
Ich wollte deshalb, Herr Kollege Schellenberg, nur erklären, daß wir diese Debatten nicht unnötig verlängern wollten, weil wir es nicht für sinnvoll halten, Argumente, die zu diesem Themenkreis schon weiß Gott wie oft vorgetragen worden sind, erneut vorzubringen.
Dauernd mit denselben Argumenten aufzutreten und immer wieder dieselbe Walze abzurollen, halten wir nicht für sehr zweckmäßig und sinnvoll. Aus diesem Grunde wollten wir uns daran nicht mehr beteiligen. Im übrigen beschleunigt das auch den Verlauf der Beratungen.
Zu dem Änderungsantrag Umdruck 500 Ziffer 3 betreffend Zahlung des Kindergeldes stelle ich im Namen meiner Fraktion den Antrag auf namentliche Abstimmung, weil seine Annahme eine Konzeptionsänderung bedeuten würde, der wir bei der derzeitigen Lage der Gesetzgebung nicht zustimmen können.
Wird zur Sache noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Zur Abstimmung hat das Wort der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren, ich bitte darum, daß die namentlichen Abstimmungen erst nach 15 Uhr stattfinden. Einige Mitglieder des Hauses waren für heute mittag eingeladen und sind diesen Verpflichtungen bereits nachgekommen; sie können deshalb im Augenblick nicht zugegen sein.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie wollen dem Wunsch des Herrn Kollegen Mellies entsprechen. — Dann darf ich jetzt die Sitzung bis 15 Uhr vertagen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, die Aussprache über § 3 ist geschlossen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf die Antragsteller fragen, ob der Antrag auf namentliche Abstimmung sich auch auf die §§ 4 und 7 oder ausschließlich auf den § 3 erstrecken soll. — Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident, der § 4 ist doch wohl nur eine Folge aus § 3. Wenn also über den § 3 in namentlicher Abstimmung befunden wird, dann würde — —
Der Herr Abgeordnete sagt, daß bei § 4 namentliche Abstimmung nicht beantragt ist oder jedenfalls darauf verzichtet wird, weil er eine Folge aus § 3 ist.
Zu § 7 würden wir wieder namentliche Abstimmung beantragen.
Auch zu § 7 ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich teile deshalb wie folgt: wir stimmen jetzt in namentlicher Abstimmung zunächst lediglich über den § 3 ab. — Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dient der Vereinfachung, wenn wir über die §§ 3 und 7 in einem Gang namentlich abstimmen; denn es ergibt sich das eine aus dem andern.
Wir stimmen also in einem Gang über die Ziffern 3, 4 und 5 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD ab. Ich habe dann verstanden, daß die CDU/CSU-Fraktion für die gemeinsame Abstimmung über die Ziffern 3, 4 und 5 des Antrags Umdruck 500 namentliche Abstimmung beantragt.
— Meine Damen und Herren, dann rufe ich zur namentlichen Abstimmung über die Ziffern 3, 4 und 5 des Änderungsantrages Umdruck 500*) auf. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Darf ich fragen, ob alle Stimmkarten abgegeben sind. — Noch eine Stimmkarte.
Sind nunmehr alle Stimmkarten abgegeben? — Ich höre keinen Widerspruch; ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über die Ziffern 3, 4 und 5 des Umdrucks 500, Änderungsantrag der Fraktion der SPD, bekannt. Abgegebene Stimmen: 416. Mit Ja haben gestimmt 181, mit Nein 218 Mitglieder des Hauses bei 17 Enthaltungen. Berliner Abgeordnete: 16 abgegebene Stimmen, 12 Ja, 4 Nein. Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge Umdruck 500 Ziffern 3, 4 und 5 abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 504 Ziffer 1***). Hier heißt es: In § 3 Abs. 1 wird die Nr. 2 gestrichen." Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, einer unserer Schriftführer hat gewisse Bedenken. Ich darf bitten, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich aufzustehen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit komme ich zur Abstimmung über den § 3 in der Ausschußfassung. Wer dem § 3 in der vom Ausschuß beantragten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —§ 3 ist angenommen.
Ich rufe § 4 in der Ausschußfassung zur Abstimmung auf. Wer dem § 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
*) Siehe Anlage 3.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6437.
***) Siehe Anlage 5.
Das ist dieselbe Minderheit wie zuvor; der § 4 ist angenommen.
Ich rufe den § 5 auf und eröffne die Aussprache. Wird zu § 5 das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 5 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist wieder die gleiche Minderheit; der § 5 ist angenommen.
Ich rufe auf § 6. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem § 6 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der § 6 ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den § 7 in der Ausschußfassung. Wer dem § 7 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der § 7 ist angenommen.
Ich rufe den § 8 auf und eröffne die Aussprache. Zu § 8 liegen zwei Änderungsanträge vor. Zuerst der Antrag auf Umdruck 500 Ziffer 6*). Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zu dem zweiten Änderungsantrag auf Umdruck 504**). Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Atzenroth.
Meine Damen und Herren, es handelt sich bei diesem Änderungsantrag nach meiner Meinung nur um die Berichtigung einer falschen Formulierung. Nach der Ausschußfassung lautet dieser Paragraph: „Haben Personen, denen beim Inkrafttreten dieses Gesetzes Fürsorgeunterstützung ... gewährt wird, drei oder mehr Kinder . . ., so erhalten sie . . .". Das würde doch bedeuten, daß Personen, die erst einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes Fürsorgeunterstützung erhalten, diese Vergünstigung nicht bekommen. Wir müssen also — und ich glaube, daß das auch im Sinne der Mehrheit ist, die diesen Ausschußantrag beschlossen hat — die Worte „beim Inkrafttreten dieses Gesetzes" streichen und sagen: „Haben Personen, denen Fürsorgeunterstützung . . ., so erhalten sie ...".
Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse zunächst über den weitergehenden Änderungsantrag abstimmen, nämlich über den Antrag auf Umdruck 500 Ziffer 6 *) zu § 8, wo beantragt wird, den § 8 zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag auf Umdruck 500 Ziffer 6 ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 504 Ziffer 2, **) dessen Begründung Sie soeben gehört haben. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist wie-
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 5. der die gleiche Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den § 8 in der Ausschußfassung. Wer dem § 8 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Der § 8 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 9. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Der § 9 ist angenommen.
Ich rufe auf § 10. Ich eröffne die Aussprache. Hier liegen Änderungsanträge vor. Meine Damen und Herren, ich darf bitten, sich den Umdruck 500 Ziffern 7 bis 12 anzusehen.
— Das ist schon begründet. Das Wort wird dazu weiter nicht gewünscht? — Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion in Konsequenz der am Vormittag erfolgten Abstimmung auch für die aufgerufenen Ziffern namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag auf namentliche Abstimmung gehört. Er ist ausreichend unterstützt. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck 500 Ziffern 7 bis 12 abstimmen.
— Herr Abgeordneter Schellenberg!
Die Ziffern 7, 8 und 9 sind durch die vorhergehenden Abstimmungen in der Sache erledigt. Darüber braucht nicht mehr abgestimmt zu werden. Mit den anderen namentlichen Abstimmungen ist eine Grundsatzentscheidung gefallen. Aber Ziffer 10 beinhaltet etwas anderes, und darüber muß beraten und abgestimmt werden. Dazu wird auch der Kollege Regling das Wort nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Möchten Sie jetzt das Wort haben?
Meine Damen und Herren, damit wir hier völlig klar sind: Sie verzichten auf den Antrag auf namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 500 Ziffern 7, 8 und 9. Den streichen wir; das ist erledigt durch die vorangegangene Abstimmung. Nun wird das Wort zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 500 Ziffer 10*) gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag gemäß Umdruck 500 Ziffern 10 ff. betrifft etwas ganz anderes als das, was bisher hier zur Beratung anstand. Wir möchten, und das möglichst heute schon — denn wir sind der Meinung, daß wir nicht noch
*) Siehe Anlage 3.
ein weiteres halbes Jahr damit warten sollten, mit einem weiteren Übel in diesem Kindergeldgesetz aufzuräumen —, erreichen, daß die erforderlichen Mittel zur Erfüllung des g es amten Kindergeldgesetzes aus dem öffentlichen Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Es geht uns darum, daß dieses Gesetz, das ja nun oft genug als eines der verworrensten bezeichnet worden ist, heute mindestens nach einer Richtung, nämlich hinsichtlich der Aufbringung der Beiträge, in Ordnung gebracht wird. Die gute Absicht, die alle Seiten mit diesem Gesetz gehabt haben, hat doch einen sehr, sehr bitteren Beigeschmack für die Beitragspflichtigen bekommen. Nicht, daß man nicht bereit wäre, eine gewisse Belastung für dieses Vorhaben auf sich zu nehmen; aber diese Belastung müßte gerechter verteilt werden. Darum geht es meiner Fraktion. Nicht wir allein haben bereits im vergangenen Jahr gefordert, daß die Allgemeinheit für dieses allgemeine Anliegen eintritt, d. h. daß die Leistungen mit Mitteln des öffentlichen Haushalts zu decken sind. Der im Oktober vor einem Jahr fehlende bzw. noch nicht vorhandene oder, noch besser gesagt, der nicht zur Geltung gekommene Sachverstand hat uns die politische Entscheidung nach der sogenannten klassischen Konzeption, d. h. über die 55 Berufsgenossenschaften gebracht. Heute, nachdem uns das Kindergeldgesetz nun fast ein Jahr lang bekannt ist, können wir die Dinge schon aus der Praxis beurteilen, und es ist heute, nach einem Jahr, leichter, mit mehr Sachverstand darüber zu urteilen, als es möglich war, bevor das Gesetz erlassen wurde.
Daß es heute einfach ist, wollen wir zugeben. Aber wir können nicht einsehen, daß man noch einmal ein halbes Jahr warten will, sondern wir sollten über diese Angelegenheit, die draußen überall und immer wieder diskutiert wird, schon heute Beschluß fassen. Es wird Ihnen doch sicher so gehen wie mir: Man weiß nicht mehr, was man draußen noch sagen soll. Herr Stücklen, das stimmt doch? Weshalb sollten wir uns also nicht schon heute über dieses Anliegen einig werden? Mir scheint, heute ist die Gelegenheit dazu gegeben.
Zum anderen weiß man draußen sehr wohl, daß wir uns heute mit einer weiteren Änderung dieses Gesetzes befassen. Man erwartet, daß wir etwas Positives dazu sagen, um die in immer stärkerem Maße auftretenden Ungerechtigkeiten herauszubringen. Wenn wir nämlich jetzt diese Unebenheiten aus dem Gesetz nicht herausbringen, dann bin ich überzeugt, daß Ungerechtigkeiten und Unmöglichkeiten in unübersehbarer Zahl weiter auftauchen werden, wenn die Sache nur noch ein halbes Jahr wie bisher weiter läuft. Dem gesamten Gesetz erweisen wir mit einer solchen Verzerrung keinen guten Dienst.
Ich sagte bereits, daß heute nicht allein unsere Fraktion an das Hohe Haus wegen der Regelung dieses Anliegens herantritt, sondern daß das in unmißverständlicher Weise von den Aufbringungspflichtigen gefordert wird. Aus der Flut von Zuschriften, die Sie sicher alle genau so bekommen haben; wie sie bei uns eingegangen sind, ergibt sich doch folgendes Bild: Jede Familienausgleichskasse hat für ihren Bereich nach ihrem Ermessen eine eigene Beitragsregelung entwickelt. Das konnte sie nach dem Gesetz über das Statut tun. Der Gesamtverband, der koordinierend eingreifen und eine gleichmäßige Zahlung erwirken sollte, konnte das bisher noch nicht tun. Das ist verständlich. Aber immerhin sind deshalb die Maßnahmen so kunterbunt und so verworren geworden, und es läßt sich nicht vermeiden, daß ein Angehöriger einer Berufsgenossenschaft mit einem niedrigeren Hebesatz mit anderen Angehörigen von Berufsgenossenschaften, die das Mehrfache erheben, spricht und seinen Unwillen zum Ausdruck bringt. Wir kennen Unterschiede von 0,3 % bis zu 1,9 %.
Wir wissen weiterhin, daß die Kopfbeträge in sehr unterschiedlicher Höhe erhoben werden. Folgendes Kuriosum tritt auf: Von einigen Aufbringungspflichtigen wird sogar der doppelte Kopfbeitrag verlangt, weil sie zwei Berufsgenossenschaften angehören. Das trifft bei den vielen kleinen Handwerksmeistern und selbständigen Gewerbetreibenden auf dem flachen Lande zu, die nebenher noch irgendwie ein kleines Stückchen Land beackern. In diesem Falle werden sie von beiden Berufsgenossenschaften veranlagt und haben zweimal das Kopfgeld zu entrichten.
Diese Ungerechtigkeiten, die doch niemand will und die mit dem Gleichheitsprinzip absolut nichts zu tun haben, lassen sich mit der bisherigen Gesetzeskonstruktion aber kaum vermeiden. Jede Berufsgenossenschaft ist nun einmal für ihr Aufbringungssoll verantwortlich, und deshalb kommt es zu diesen Dingen.
Ein besonderes Kuriosum ist bei einer Berufsgenossenschaft zu verzeichnen, und zwar — ich kann sie hier nennen, weil sie heute morgen in der Fragestunde bereits erwähnt wurde — bei der Norddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft. Hier werden unter Hinweis darauf, daß die Anlauffinanzierung schwierig sei — wissen wir, ist zuzugeben —, die Beiträge insgesamt bis 1957 gefordert. Ich habe den Erhebungsbescheid hier, Herr Minister. Daraus geht ganz klar hervor, daß Beiträge bis 1957 verlangt werden. Allerdings ist seit meiner Fragestellung, die ja vor einigen Wochen erfolgte, seitens der Norddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft auf Grund der vielen, vielen Proteste nunmehr veranlaßt worden, daß die letzten beiden Ratenzahlungen, d. h. diejenigen, die im Mai und August nächsten Jahres fällig würden, vorläufig nicht mehr gefordert werden. Nun, das ist sowieso noch Zukunftsmusik. Bis dahin ist noch lange Zeit; die Raten sind sowieso noch nicht fällig. Es ist aber sehr einfach, heute zu sagen: Beruhigt euch nur, zahlt die ersten beiden Raten aus dieser Erhebung, die zwar bis 1957 reicht; aber inzwischen, bis die nächsten fällig werden, bekommt ihr einen neuen Bescheid! Es ist ziemlich sicher, daß eine Minderung kaum in Frage kommt, daß also diese große Überbelastung, dieser Vorausgriff tatsächlich weiter gefordert wird. Man fragt sich wirklich, was sich diese Selbstverwaltungsgremien bei einem solchen Verfahren gedacht haben. Hat vielleicht das überhitzte Gerede von der „überhitzten Konjunktur" auch diese Selbstverwaltungsgremien veranlaßt, der Wirtschaft eine solche Vorauszahlung ohne weiteres zuzumuten? Oder, was noch viel schlimmer wäre, herrscht bei diesen Selbstverwaltungsgremien — ich lege die Betonung auf die „Selbstverwaltung" — nur noch ein 08/15-Geist, der einfach das Gesetz als Auftrag, um nicht zu sagen: als Befehl hinnimmt und es ohne Rücksicht auf Verluste durchzuführen gedenkt, anstatt
— wie es einer Selbstverwaltung zustehen würde
— sich in echtem genossenschaftlichem Geist schützend vor die von ihnen zu betreuenden Mit-
glieder zu stellen und den Gesetzgeber darauf aufmerksam zu machen: So geht es nicht; gib uns weitere Darlehen oder tue sonst etwas, um diese Belastung tragbar zu machen.
Seinerzeit haben wir von Ihnen gehört, was passieren würde, wenn man die Durchführung den Finanzämtern gäbe, weil bei dem dort herrschenden Schematismus regulierende Dinge überhaupt nicht einzubauen sind. Das aber wollten Sie eigentlich erreichen, indem Sie die Sache den Berufsgenossenschaften, also den Selbstverwaltungskörperschaften übergeben haben. Ich muß nur feststellen — und das können wir alle miteinander feststellen —: das Gegenteil ist erreicht! Wir haben laufend diese Ungerechtigkeiten zu verzeichnen. Deshalb ist es hohe Zeit, daß wir jetzt — nicht erst nach einem weiteren Gutachten — mit diesem Teil des Kindergeldgesetzes Schluß machen. Wir beantragen weiter nichts, als daß die Aufbringung heute möglichst geklärt wird, indem wir Sie bitten, dem Änderungsantrag Umdruck 500 Ziffer 10 zuzustimmen, wonach ab 1. Januar 1956 die gesamten Mittel aus dem Bundeshaushalt angefordert werden sollen. Dann würden alle Unstimmigkeiten draußen wegfallen. Ich meine: Wenn wir diese ungleichen Belastungen nach einem erlassenen Gesetz im Laufe des Jahres feststellen, dann sollten wir auch den Mut haben, jetzt schon zu sagen: mit diesem Mangel können wir bereits heute aufräumen. Es ist möglich, auch finanziell möglich, das tatsächlich durchzuführen.
Ich habe, Herr Präsident, hiermit gleichzeitig die Begründung für die Punkte 10 a bis f und auch die Ziffer 12 einbezogen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die von Herrn Kollegen Regling vorgetragenen Bedenken teilen wir in vollem Umfang. Sie bilden ja einen der Hauptgründe, die gegen dieses Gesetz angeführt werden. Aber ich muß den Herrn Kollegen Regling doch daran erinnern, daß gerade die Vertreter seines Handwerks in der von ihm genannten Berufsgenossenschaft nicht mitgemacht haben, als es sich darum handelte, wirklich die Konsequenzen aus dieser Haltung zu ziehen. Wir können dem Vorschlag, obwohl wir die Bedenken in vollem Umfang anerkennen, nicht zustimmen. Ich habe schon betont, daß wir konsequent an unserer Haltung festhalten, die wir bei der ersten Lesung eingenommen haben und die sich verdichtet hat in dem damals von uns vorgelegten Gesetzentwurf, der leider nicht zur Beratung gekommen ist. Darin haben wir als Grundlage für die Aufbringung eine Erhebung von 0,5 °/o der Lohnsumme gefordert und den Bund nur dazu veranlassen wollen, das, was darüber hinaus benötigt wird, zu tragen. Wenn Sie Ihren Antrag in dieser Form ändern könnten, würden wir einem solchen Antrag unsere Zustimmung geben können.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir auch an sich die Absicht hatten, auf Begründungen zu den einzelnen Antragspunkten nicht einzugehen, so
halte ich es doch für notwendig, dem Hohen Hause davon Kenntnis zu geben, daß die Annahme dieses Antrags eine Belastung von rund einer halben Milliarde DM für die Bundesfinanzen bedeuten würde. Das hier zu beschließen, ohne die Einzelheiten zu beraten, halten wir für unmöglich. Wir lehnen die Ziffer 10 im Antrag Umdruck 500 ab. Ich stelle den Antrag auf namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist bereits gestellt. — Herr Abgeordneter Schellenberg, wollen Sie dazu noch sprechen? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen, ich muß Ihnen wieder sagen, daß Ihre finanziellen Angaben mit der Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung stehen.
Es ist zwar richtig, daß das Kindergeld gegenwärtig einen Gesamtaufwand von etwa 450 Millionen DM jährlich erfordert. Aber der Herr Bundesfinanzminister hat in einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Kindergeldgesetzes erklärt, daß ihm 204 Millionen DM an Steuereinnahmen durch die Befreiung der Betriebe verlorengingen, und diese Differenz von 204 Millionen DM haben Sie bei Ihrer Berechnung außer Betracht gelassen, Herr Kollege Arndgen. Darauf wollte ich hinweisen. Man kann nicht auf dier einen Seite von Belastungen für den Haushalt sprechen, wenn der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, daß die gegenwärtige Finanzierung einen Steuerausfall bringe. Dieser Steuerausfall wird im Falle der Annahme unseres Antrags beseitigt.
Das Wort wird weiter zu diem Änderungsantrag Umdruck 500 Ziffer 10 nicht gewünscht. Wir kommen deshalb zur Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Lassen Sie mich vorher aber noch folgendes sagen. Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich die Ziffer 11 durch die vorangegangenen Aussprachen und Abstimmungen erledigt habe. Wir stimmen also jetzt namentlich ab über die Ziffer 10 des Änderungsantrags Umdruck 500*). Ich darf die Damen und Herren Schriftführer bitten, die Stimmkarten einzusammeln.
Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Ich höre keinen Widerspruch; die Abstimmung ist geschlossen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über Umdruck 500 Ziffer 10 bekannt. Abgegeben wurden insgesamt 414 Stimmen. Mit Ja haben 158, mit Nein 240 Mitglieder des Hauses gestimmt; 16 haben sich enthalten. Von den Berliner Abgeordneten wurden 16 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben davon 8, mit Nein 7 gestimmt; enthalten hat sich ein Mitglied aus Berlin. Damit ist der Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 500 Ziffer 10 abgelehnt und damit ist, wenn
*) Siehe Anlage 3.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6438.
ich recht verstanden habe, auch die Ziffer 12 erledigt. Herr Professor Schellenberg, ist das richtig?
— Die Ziffer 12 ist damit auch erledigt; wir brauchen darüber nicht mehr abzustimmen.
Weitere Änderungsanträge zu § 10 liegen nicht vor. Ich komme deshalb zur Abstimmung über § 10 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; § 10 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 11 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag vor. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird der Änderungsantrag begründet? Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Ich ziehe diesen Änderungsantrag in der zweiten Lesung zurück und werde ihn in der dritten Lesung wieder vorbringen.
Meine Damen und Herren! Darf ich bitten, daß Sie diesen Umdruck in der Hand behalten; wir können nicht so schnell vervielfältigen. Wir kommen gleich zur dritten Lesung. Der Änderungsantrag ist also jetzt zurückgezogen. Weitere Änderungsanträge zu § 11 liegen nicht vor. Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache zu § 11.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit; der § 11 ist angenommen.
Ich rufe § 12 auf. Hierzu liegt kein Änderungsantrag vor. Ich eröffne die Aussprache zu § 12. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 12 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der § 12 ist angenommen.
Da weitere Änderungsanträge nicht vorliegen, darf ich nunmehr wohl die §§ 13 bis 21 gemeinsam aufrufen. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache über die §§ 13 bis 21 und komme zur Abstimmung.
Wer diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die §§ 13 bis 21 sind in der Ausschußfassung angenommen.
— Meine Damen und Herren, ich folge dem Wunsch auf Feststellung von Enthaltungen. Wer sich bezüglich der §§ 13 bis 21 der Stimme enthalten will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den § 22 auf. Ein Änderungsantrag liegt auch hier nicht vor. Wer dem § 22 sowie der Einleitung und der Überschrift in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Lesung des Gesetzentwurfs beendet. Zahlreiche
Änderungsanträge sind gestellt, aber nicht angenommen worden. Wir kommen deshalb zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der dritten Lesung möchte ich, da bei der zweiten Beratung schon zu verschiedenen Punkten Stellung genommen wurde, nur zwei Fragen herausgreifen: 1. die Komplizierung des Sozialrechts durch das vorliegende Gesetz und 2. die Fragen der Finanzierung.
Die Kindergeldgesetzgebung ist auch durch das jetzt zur Beratung stehende Gesetz so kompliziert geworden, daß — ich bitte, mir das nicht zu verübeln — selbst die antragstellende Fraktion die Dinge wohl kaum noch zu überschauen vermag. Ich möchte zur Begründung auf folgende Erfahrungen aus der Ausschußarbeit hinweisen.
In nahezu jeder Ausschußberatung hat die CDU-Fraktion neue Änderungsanträge gestellt, durch die ihr eigener Gesetzentwurf geändert werden sollte. Dann hat sie häufig in der darauffolgenden Sitzung wiederum Änderungsanträge zu den Anträgen, die sie in der vorhergehenden Sitzung gestellt hatte, eingebracht. Ich habe mir alle Änderungsanträge aufgehoben und habe sie durchgezählt und muß feststellen, daß die CDU in den Beratungen dieses Gesetzes im Ausschuß 108 Änderungsanträge zu ihrem eigenen Gesetzentwurf gestellt hat.
— Sie haben auch einen Entwurf eingebracht; der Entwurf trägt auch die Unterschrift der CDU, Herr Kollege Arndgen.
Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine groteske Situation. Sie sollte doch allen hier in diesem Hause noch vor der abschließenden, dritten Lesung eine Überlegung nahebringen.
Meine Damen und Herren! Die Beratungen dieser Kindergeldgesetzentwürfe haben fast die Hälfte aller Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses in Anspruch genommen. Wir mußten immer wieder feststellen, daß wir für andere dringende sozialpolitische Anliegen im Sozialpolitischen Ausschuß durch die Kindergeldgesetze praktisch blockiert waren. Jeder, der diesen Gesetzentwurf durchsieht, wird zu der Auffassung kommen müssen, daß das nicht der letzte Gesetzentwurf in bezug auf die Kindergeldregelung sein kann.
Aber nicht nur die antragstellende Fraktion vermag die Materie kaum noch zu überschauen; es geht der Bundesregierung nicht anders. Auch das möchte ich Ihnen durch zwei Beispiele beweisen.
Die Bundesregierung hat bei den Ausschußberatungen zum ersten Kindergeldgesetz im September 1954 laut Ausschußprotokoll zugesagt, sie werde unverzüglich nach der Verabschiedung des ersten Kindergeldgesetzes die Durchführungsverordnung zu § 34 erlassen, die insbesondere für die Grenzgänger in Berlin, darüber hinaus für alle Grenzgänger und beispielsweise auch für deutsche Seeleute, die auf ausländischen Schiffen beschäftigt sind, von Bedeutung ist. Herr Kollege Stammberger hat in der Fragestunde am 4. Mai dieses Jahres an den Herrn Bundesarbeitsminister eine Frage wegen dieser Durchführungsverordnung ge-
richtet. Der Herr Staatssekretär des Bundesarbeitsministeriums hat laut Protokoll am 4. Mai zu dieser Durchführungsverordnung wörtlich erklärt:
Wir hoffen, daß die Regelung der Durchführungsverordnung morgen endgültig beschlossen werden kann; dann steht dem Erlaß der Rechtsverordnung nichts mehr im Wege.
Seitdem sind sieben Monate vergangen, und die Durchführungsverordnung wurde immer noch nicht veröffentlicht. Das ist doch ein erschreckendes Symptom für die Komplizierung, in die man uns und auch die Regierung sich selbst durch die Kindergeldgesetze hineinmanövriert hat.
Ein weiteres Beispiel! Die Bundesregierung ist durch § 37 des Kindergeldgesetzes — ich bitte die sehr verehrten Damen und Herren auch der CDU, sich jetzt einmal diesen § 37 durchzulesen — verpflichtet worden, bis zum 1. Oktober dieses Jahres eine Rechtsverordnung über eine Kindergeldkarte zu erlassen. Der Herr Kollege Winkelheide hat bei einer früheren Beratung das Wort ausgesprochen — es steht im Protokoll —, das sei mit eine Grundlage der gesamten Kindergeldgesetzgebung.
Die Bundesregierung hat diese Verpflichtung aus § 37 des Kindergeldgesetzes nicht erfüllt. Die Verordnung über die Kindergeldkarte liegt immer noch nicht vor.
Diese Versäumnisse liegen bestimmt nicht an dem bösen Willen des Herrn Bundesarbeitsministers — denn der Herr Bundesarbeitsminister hat seinerzeit als Abgeordneter selber für das .Gesetz gestimmt —, sondern sie sind eben ein Beweis dafür, wie unübersehbar und kompliziert die Kindergeldgesetzgebung geworden ist.
Schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das vorliegende Gesetz selbst ein Beweis dafür, zu welchen Komplikationen die bisherige Konzeption führt. Durch dieses Gesetz werden neun andere Gesetze in der verschiedensten Hinsicht abgeändert, und es wird dadurch nicht nur die Kindergeldgesetzgebung, sondern das ganze Sozialrecht noch unübersichtlicher, als es ohnehin schon ist.
Wir sprechen in diesem Hause bei glücklichen Gelegenheiten so oft von einer Vereinfachung der Verwaltung und der Gesetzgebung; hier aber wird heute diesem Hause zugemutet, ein Gesetz zu verabschieden, von dem sich — meine Damen und Herren, ich bitte in dieser Hinsicht einmal ein offenes Wort sagen zu dürfen — wohl kaum ein Dutzend Mitglieder dieses Hauses rühmen können, es zu verstehen.
Das ist doch ein erschütternder Tatbestand.
Zur Frage der Finanzierung kann ich mich ganz kurz fassen. Vor einigen Monaten waren insbesondere die Damen und Herren der CDU stolz auf die „Bewährung" des Kindergeldgesetzes. Das war in einer Zeit, in der der Herr Bundesfinanzminister durch Darlehnsgewährung die Finanzierung erleichtert hatte. Aber inzwischen sind die Vorschüsse aufgebraucht, die Anforderung von Beiträgen ist in Gang gekommen, und das hat zu Schwierigkeiten geführt, die praktisch zu einer Auseinandersetzung der einzelnen Wirtschaftszweige untereinander geführt haben. Man soll wirklich nicht sagen, die Selbstverwaltung könne diese Dinge regeln. Es ist uns — und auch Ihnen — in Eingaben aus Kreisen der Selbstverwaltung mitgeteilt worden, daß die Selbstverwaltung hier vor Aufgaben steht, die nicht sie, sondern der Gesetzgeber lösen muß. Ich kann den Damen und Herren, die sich für diese Kindergeldgesetzgebung einsetzen, wirklich nur empfehlen, möglichst zahlreich in Protestversammlungen des Handels und Handwerks zu gehen, und dort die Auffassung zu vertreten, das Kindergeldgesetz habe sich bewährt.
Meine Damen und Herren, wir stehen wirklich vor einer sehr ernsten Situation. Deshalb muß ich noch ein deutliches Wort sagen. Der Umstand, daß Abgeordnete der CDU nun zu fast allen Änderungsanträgen namentliche Abstimmung beantragt haben, ist ein schlechtes Zeichen.
Es hat sich nämlich, meine Damen und Herren, im Hause herumgesprochen, daß man sich der Kollegen der eigenen Fraktion in dieser Angelegenheit nicht sicher ist
und die Befürchtung hat, sie würden sich einer Abstimmung vielleicht entziehen. Das ist der Grund für die Strapazierung der namentlichen Abstimmung,
die wir heute durch die Fraktion erleben, die sich
sonst, bei anderen Beratungen dagegen wendet,
daß die namentliche Abstimmung strapaziert wird.
Bei dieser Sachlage richte ich an die stärkste Fraktion des Hauses die Bitte, vor der abschließenden Beratung noch einmal zu überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, auch dieses Gesetz im Alleingang einer Fraktion zu verabschieden
und darauf zu hoffen, daß sich einige Kollegen vielleicht der Stimme enthalten. Das ist wirklich eine schlechte Gesetzgebung.
Wir haben in den letzten Wochen aus Anlaß der Auseinandersetzungen über die Rentenzulagengesetze eine wertvolle Erfahrung gewonnen. Nach harten Abstimmungskämpfen haben diejenigen, die in diesem Hause die Mehrheit haben, innegehalten und gemeinsam mit den anderen Fraktionen eine Verständigung gesucht, die zu einem Kompromiß geführt hat. Sollte dieser Weg nicht auch beim vorliegenden Gesetz in letzter Stunde noch möglich sein?
Herr Bundesarbeitsminister, ich war im Begriff, Herrn Abgeordneten Schmücker das Wort zu geben.
— Bitte sehr, Herr Bundesarbeitsminister!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg hat eben Anstoß daran genommen, daß die in § 37 des Kindergeldgesetzes vorgesehene Rechtsverordnung noch nicht erlassen worden ist. Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, daß man eine derartige Rechtsverordnung meines Erachtens erst erlassen kann, wenn der gesamte Komplex im Gesetz erfaßt ist, und dazu ist das heutige Gesetz eben notwendig. Nach der Verabschiedung dieses Gesetzes werden wir diese Rechtsverordnung auf dem schnellsten Wege herausbringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vorweg dem Kollegen Dr. Atzenroth und auch dem Kollegen Regling kurz etwas erwidern. Vor drei oder vier Wochen beklagte sich ein Kollege in einer Aussprache darüber, daß ein ihm zur Last gelegtes Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden sei und deshalb seine Meinung gar nicht richtig wiedergebe. Darauf sagte ihm der Vizepräsident Professor Schmid sehr geistreich und scherzhaft, wenn man solche Möglichkeiten mit Zitaten nicht mehr hätte, dann machte es ja gar keinen Spaß mehr, Zitate zu gebrauchen. Ich glaube, das genügt wohl! Daß wir im übrigen auch heute wieder den Vorrang des Politischen ganz allgemein betonen, setzt uns, glaube ich, nicht in Gegensatz zu den anderen Kollegen dieses Hauses.
Dann darf ich ein paar Worte zu dem Antrag ) der SPD sagen. Hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 haben wir die gleiche Auffassung wie Sie. Unsere Bemühungen, das Gesetz zu überarbeiten, gingen vor allem um diese beiden Dinge. Was die Freigrenze betrifft, so halten wir sie bereits für gegeben. Wir bedauern, daß die Möglichkeiten nicht von allen Berufsgenossenschaften genutzt worden sind, und wir sehen ein, daß ein innerer Zusammenhang mit dem zentralen Ausgleich vorhanden ist. Aber das sind ja nicht die einzigen Punkte für die Reform, und wir sind, wie schon mehrere Sprecher meiner Fraktion betont haben, der Auffassung, daß eine Zusammenfassung und Gesamtüberarbeitung des Gesetzes nach den bisherigen Erfahrungen notwendig ist. Ich möchte also ausdrücklich hervorheben, daß wir in bezug auf die Ziffern 3 und 4 keine andere Meinung haben als die Antragsteller, daß aber unserer Ansicht nach diese Dinge in einer Gesamtüberarbeitung bereinigt werden müssen.
Ich habe nun die Ehre, namens meiner Fraktion, der CDU/CSU, folgende Erklärung abzugeben. Es ist die Aufgabe des heute zur Verabschiedung anstehenden Ergänzungsgesetzes, diejenigen Dritt- und Mehrkinder in den Genuß des Kindergeldes zu bringen, die bisher noch nicht erfaßt waren. Bei der Verwirklichung dieses Anliegens haben wir natürlich auch das System der Kindergeldgesetze mit zu diskutieren. Aber dieser Teil der Debatte ist nach unserer Meinung heute nicht der wichtigere. Heute kommt es auf die notwendigen Ergänzungen an.
Ich erkläre aber ausdrücklich namens der CDU/ CSU-Fraktion die Bereitschaft, ohne Rechthaberei
und ohne Vorurteil an die Überarbeitung der Kindergeldgesetze heranzugehen.
Diese Überarbeitung scheint uns aber erst möglich und erfolgversprechend zu sein, wenn die Erfahrungen des ersten Jahres vorliegen.
Die CDU/CSU schlägt Ihnen daher die Annahme folgender Entschließung vor, die sie als wichtigen Bestandteil der Verabschiedung dieses Ergänzungsgesetzes ansieht:
Die Bundesregierung wird beauftragt, spätestens drei Monate nach Eingang des vom Gesamtverband der Familienausgleichskassen zu erstattenden Geschäftsberichts über die Erfahrungen des ersten Geschäftsjahres eine Neufassung der drei Kindergeldgesetze vorzulegen. Dabei sind in formeller und materieller Hinsicht die bisherigen Erfahrungen zu verwerten.
Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Herr Präsident! Mine Damen und Herren! Wir wollten uns an der allgemeinen Aussprache in der dritten Lesung nicht mehr beteiligen, da unser Standpunkt klar und eindeutig früher und heute dargelegt worden ist. Wir müssen aber zu der Erklärung Stellung nehmen, die der Abgeordnete Schmücker soeben verlesen hat.
Ich darf dazu erklären, daß die Fraktion der FDP dem Entschließungsantrag auf Umdruck 501 zustimmt und dazu folgende Erklärung abgibt. Wir halten es für notwendig, daß bei der geplanten Neufassung des Gesamtgesetzgebungswerks über den Geschäftsbereich des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen hinaus die Erfahrungen der beteiligten Berufsorganisationen, vor allem des Mittelstandes, gebührend berücksichtigt werden. Nur dann ist nach unserer Ansicht die Gewähr gegeben, daß die schwerwiegenden Ungerechtigkeiten in der Belastung bei der Aufbringung der Mittel ihren notwendigen Ausgleich finden.
Ich möchte für die dritte Lesung den schon bei der zweiten Lesung angekündigten Änderungsantrag auf Umdruck 504 erneut einbringen, da es hier aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen zweckmäßiger ist. Dieser Änderungsantrag lautet:
In § 11 wird nach Nummer 6 die folgende Nummer 7 angefügt:
7. Nach § 11 wird folgender § 11 a eingefügt:
§ 11a
Anwendung von Vorschriften des
Kindergeldgesetzes
Die Vorschriften des § 7 des Kindergeldgesetzes sind entsprechend anzuwenden, jedoch mit der Maßgabe, daß die schriftliche Mitteilung bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Kindergeldergänzungsgesetzes erfolgen kann.
Die Kassen, die Kindergeld gezahlt hatten, bevor es ein Kindergeldgesetz gab, hatten nach § 7 des Kindergeldgesetzes die Möglichkeit, innerhalb von 6 Monaten eine Erklärung über die weitere Regelung ihrer Kassen abzugeben. Da nun durch
dieses Gesetz in die Familienausgleichskassen zusätzlich Mitglieder hineinkommen, muß man logischerweise den Kassen auch für dieses Gesetz die Möglichkeit geben, und zwar in der gleichen Form, wie es beim Kindergeldgesetz geschehen ist. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die allgemeine Aussprache.
Ich schlage dem Haus vor, daß wir über die vorgelegten Entschließungsanträge, wie es im Hause üblich ist, nach der dritten Lesung abstimmen.
Meine Damen und Herren, auch für die dritte Lesung liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Wir treten ein in die Einzelberatung, soweit Änderungsanträge vorliegen. Ich rufe zunächst auf den § 2, zu dem ein Änderungsantrag auf Umdruck 505 vorliegt. Ich nehme an, daß er inzwischen verteilt worden ist. — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Korspeter, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie haben sich vorhin nicht entschließen können, unserem Änderungsantrag zu § 2 zuzustimmen, wonach dritten und weiteren Kindern von Sozialleistungsempfängern sowie Waisen ein zusätzliches Kindergeld in Höhe von 25 DM gewährt werden sollte. Wir bedauern diese Tatsache aus Gründen der sozialpolitischen Gerechtigkeit außerordentlich. Wir bringen deshalb in der dritten Lesung nochmals einen Änderungsantrag ein, mit dem wir erreichen wollen, daß wenigstens die Waisenkinder eine zusätzliche Leistung zu ihrer Waisenrente erhalten.
Es ist durchaus möglich, diese Änderung in das Gesetz einzuschließen. Gegenwärtig verspüren die Kinder, die Waisengeld oder Waisenrente beziehen, überhaupt nichts von unserer Kindergeldgesetzgebung. Der bisher von der CDU/CSU-Fraktion gewünschte Grundsatz, daß bei Sozialleistungsempfängern keine volle zusätzliche Leistung des Kindergeldes gegeben werden soll, ließ eine Kindergeldzahlung für Waisen nicht zu, kannte auch keine Aufstockung auf den Betrag des Kindergeldes, da die Waisenrente in den meisten Fällen bereits 30 DM ausmacht. Es ist unvorstellbar, meine Herren und Damen von der CDU, daß Sie diese Regelung damals gewünscht und auch im Alleingang — ich möchte das noch einmal sagen — durchgesetzt haben.
Ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, daß wir die Waisenrente als eine Leistung des Versicherungsträgers ansehen, die das Existenzminimum für das Kind sichern soll und für die der verstorbene Vater schließlich auch einmal Beiträge gezahlt hat.
Kindergeld soll aber eine zusätzliche Leistung sein,
um das Familieneinkommen zu erhöhen und eine bessere Erziehung sicherzustellen. Dieses Kindergeld wird bei den Erwerbstätigen zusätzlich gegeben, bei den Waisenkindern, die unserer besonderen Fürsorge bedürfen, verweigerte man es. Waisenrente, meine Herren und Damen, ist kein Ersatz für das Kindergeld! Mein Fraktionskollege Professor Schellenberg hat schon bei der ersten Lesung des Kindergeldergänzungsgesetzes darauf
hingewiesen, zu welch merkwürdigen Folgerungen der von Ihnen vertretene Grundsatz geführt hat, daß man die Kindergeldzahlung grundsätzlich an die Erwerbstätigkeit der Eltern, im Falle der Waisen an die Erwerbstätigkeit der Mütter gekoppelt hat. Eine Witwe mit drei und mehr Kindern, die noch erwerbstätig ist, vielleicht weil sie eine Angehörige hat, die ihre Kinder betreuen kann, erhält neben der Waisenrente auf Grund ihrer Erwerbstätigkeit auch noch Kindergeld. Eine Witwe aber, die sich der Erziehung ihrer Kinder widmen muß, die also nicht mehr erwerbstätig sein kann, weil ihre Kinder sie brauchen, weil sie vielleicht niemanden hat, der sie in der Erziehung ihrer Kinder unterstützt, weil vielleicht keine Tagesstätten für ihre Kinder zur Verfügung stehen, weil sie ihre Kinder nicht auf die Straße schicken möchte und zu den sogenannten Schlüsselkindern werden lassen möchte, — sie erhält das Kindergeld nicht.
Die Begründung, die die Bundesregierung im Gesetzentwurf zu dieser Regelung gebracht hat, ist geradezu unfaßbar. Es heißt dort:
Die Besserstellung der erwerbstätigen Witwe gegenüber der nicht erwerbstätigen Witwe erscheint im Hinblick auf das Streben, neben der Erfüllung der Mutteraufgabe durch eigene Erwerbstätigkeit die wirtschaftliche Lage der Familie zu verbessern, gerechtfertigt.
Das Kindergeld wird also hier als Belohnung für die Erwerbstätigkeit der Witwen anerkannt. Wir finden allerdings, daß das vom sozialpolitischen Standpunkt aus keine gerechte Lösung ist.
Bis jetzt wurde auch in Reden, auf Tagungen und auf Kundgebungen von unserem Herrn Bundesfamilienminister — ich nehme an, im Auftrage der Bundesregierung — immer wieder sehr betont erklärt, daß Witwen, die eine Erziehungsfunktion zu erfüllen haben, materiell so sichergestellt sein müssen, daß sie nicht erwerbstätig zu sein brauchen.
Ich habe mir, Herr Bundesfamilienminister, eine Reihe von Berichten über Ihre Reden verschafft. Das sind Reden im Sinne unseres Antrags gewesen. Ich nehme nicht an, daß die Presse Sie auch in diesem Fall mißverstanden hat.
Aber mit Bedauern stellen wir nun fest, daß die Reden des Herrn Bundesfamilienministers im Gesetz keinen Niederschlag gefunden haben.
Er hat, als es darauf ankam, diese seine Auffassung gesetzlich zu verankern, geschwiegen, und wir wissen auch — das ist ja vorhin schon von meinem Freund Schellenberg ein paarmal sehr ausdrücklich gesagt worden —, daß er im Ausschuß nicht versucht hat, seine politischen Freunde von seiner Auffassung zu überzeugen.
Das, was in der Begründung von der Bundesregierung gesagt wurde, ist geradezu das Gegenteil von dem, was der Herr Bundesfamilienminister in seinen Reden erklärt hat.
Meine Herren und Damen, sind wir nicht eigentlich alle der Meinung, daß Mütter mit drei und
vier Kindern ins Haus gehören? Sind wir nicht alle der Meinung, daß eine wichtige Aufgabe brachliegt, wenn nach dem Tod des Vaters auch noch die Mutter wegen notwendiger Erwerbsarbeit von der Erziehung zurücktreten muß? Wollen wir es eigentlich zugeben, daß die Kinder seelisch und körperlich verkümmern müssen, weil die Mutter im Falle der Erwerbstätigkeit sich nicht genügend um ihre Kinder kümmern kann? Wir klagen über das Los der sogenannten Schlüsselkinder. Wir lesen Polizeiberichte von Sittlichkeitsverbrechen an Kindern. Wir klagen über mangelhafte Schulleistungen der Kinder. In vielen dieser Fälle — und ich wage das zu behaupten — wird es sich um Kinder erwerbstätiger Witwen handeln. Diese Mütter stehen oft vor der schwerwiegenden Entscheidung, entweder ihre Kinder den Gefahren der Straße auszusetzen oder auf Erwerbstätigkeit und damit auf das Kindergeld zu verzichten. Das aber bedeutet für sie und ihre Kinder, mit unzulänglichen Renten das Leben zu fristen ohne die geringste Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lage. Aber wir haben es in der Hand, den Müttern mit drei und mehr Kindern eine gewisse Erleichterung zu geben, wenn wir ihnen als zusätzliche Leistung zum Waisengeld das Kindergeld zubilligen. Das will unser Antrag. Wir bitten Sie sehr herzlich, im Interesse der Mütter und vor allem im Interesse der Kinder unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Arndgen hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon heute morgen das Anliegen diskutiert, das hier von der Frau Korspeter erneut angesprochen worden ist. Aber wenn wir dem Antrag zustimmten, so wie er hier gestellt ist, dann würden namentlich in der Rentenversicherung Ungerechtigkeiten Platz greifen; ich nehme an, daß sie nicht gewollt sind, aber es wird dazu kommen.
Bei dem Antrag, den § 2 zu ändern, wird nichts von einer Aufwandsgrenze gesagt. Wenn der Antrag so angenommen würde, dann würden wir in sehr vielen Fällen feststellen müssen, daß der Versicherte, wenn er invalide wird — was ja heute auch in jungen Jahren sehr oft vorkommt — und noch Frau und Kinder hat, für seine Kinder nicht das Waisengeld, sondern nur Kinderzuschläge bekommt, daß dagegen die Witwe mit einer gleichen Anzahl Kinder das Waisengeld erhält — Sie sprachen heute morgen selber davon: 30 DM — und dazu noch 25 DM. Wenn es drei und vier Kinder sind, würden wir feststellen müssen, daß die Rente der Witwe aus dieser gleichen Versicherung höher wäre als die Rente des Versicherten, namentlich wenn er in jungen Jahren invalide wird.
— Ich will hier keine Rechenexempel aufstellen! —Ich bin aber der Meinung, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß dieses Problem angepackt werden muß. Es sollte aber nicht beim Kindergeld angepackt werden, sondern dann, wenn wir uns mit der Reform der sozialen Leistungen beschäftigen.
— Wir wollen doch nicht vom Sankt-NimmerleinsTag reden!
In Ihren Reihen sitzen Sachkenner,
die mit uns der Meinung sind, daß man bei dieser schwierigen Materie nichts übers Knie brechen darf, sondern daß ernsthaft überlegt werden muß, damit auch etwas zustande kommt, was nicht nur zu einer Verbesserung der Leistungen, sondern auch zur Gerechtigkeit führt. Dieses Problem sollte — ich glaube, wir werden uns alle dafür einsetzen — bei der Reform der sozialen Leistungen mit vorgezogen werden, wie man jetzt dabei ist, die Alterssicherung vorzuziehen. Das sind nach meinem Dafürhalten dringende Probleme: einmal die Alterssicherung und dann das Verhältnis von Kindergeld zu Waisenrente. Das sind Dinge, die bei der Reform geordnet werden sollen und nicht jetzt.
Wir lehnen — ich spreche hier im Namen meiner Fraktion — den Antrag Ziffer 1 auf Umdruck 505 ab. Ich beantrage namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, wird weiter dazu das Wort gewünscht? — Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Arndgen, leider muß ich Ihnen wiederum widersprechen. Sie haben heute vormittag in namentlicher Abstimmung den sozialdemokratischen Antrag abgelehnt, zusätzlich für alle Sozialleistungsempfänger vom dritten Kind an Kindergeld in Höhe von 25 DM zu gewähren. Jetzt begründen Sie mit dieser Ablehnung des ersten Antrags auch die Ablehnung des materiell weniger weitgehenden zweiten Antrags.
Dieser Antrag bezieht sich nicht mehr auf alle Sozialleistungsempfänger, sondern nur noch auf nichterwerbstätige Witwen mit drei und mehr Kindern. Sie haben von Ungerechtigkeiten gesprochen, Herr Kollege Arndgen. Welches ist denn die größere Ungerechtigkeit? Die Erwerbstätigen mit drei und mehr Kindern erhalten zusätzlich das Kindergeld. Aber Sie wollen im Namen der Gerechtigkeit der Witwe, die sich ausschließlich der Erziehung ihrer drei und mehr Kinder widmet, das zusätzliche Kindergeld nicht gewähren?! Zu welchen wirtschaftlichen Auswirkungen führt das? Eine Witwe mit drei Kindern würde, wenn unser Antrag angenommen würde, für das einzelne Waisenkind zusätzlich 8 Mark und 33 Pfennig erhalten. Herr Kollege Arndgen, ich bedaure wirklich, daß Sie als ein prominentes Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses hier sagen, das sei sozial ungerecht. Sozial ungerecht ist, der Witwe, die ihre Kinder erzieht, das zusätzliche Kindergeld vom dritten Kind an nicht zu gewähren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zu § 2 liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 505 Ziffer 1.*) Es ist nament-
*) Siehe Anlage 6.
liche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Ich frage, ob jedes Mitglied des Hauses seine Stimmkarte abgegeben hat. — Noch eine Stimmkarte. Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 505 Ziffer 1 bekannt: abgegebene Stimmen insgesamt 412. Mit Ja haben gestimmt 182 Mitglieder des Hauses, mit Nein 209; 21 Enthaltungen. Berliner Abgeordnete: 16 abgegebene Stimmen, mit Ja 11, mit Nein 4, 1 Enthaltung. Der Antrag auf Umdruck 505 Ziffer 1 ist damit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, weitere Änderungsanträge liegen zu § 10 vor. Ich frage, ob zur Begründung dieser Änderungsanträge auf Umdruck 505 das Wort gewünscht wird. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mich eigentlich vorhin etwas verwundert, daß Herr Kollege Schmücker am Anfang sagte, seine Fraktion vertrete zu den in den Ziffern 3 und 4 des Umdrucks 505 geforderten Änderungen die gleiche Auffassung, wie sie hier vorgetragen worden sei, und daß er gleich darauf feststellte, daß es trotz dieser Erkenntnis nicht möglich sei, den Änderungsanträgen zuzustimmen, weil es zu früh sei und man abwarten müsse. Wir haben heute schon zweimal gehört, daß wir abwarten sollen. Das ist uns unverständlich. Die Vertreter auch aus Ihrer Fraktion, die in den Mittelschichten tätig sind, wissen genau, wie schwer es gerade den kleinen Handwerker, Gewerbetreibenden und Bauern drückt, wenn es an die Beitragsleistung für die Familienausgleichskassen geht. Sie wissen genau, welche Unruhe in diesen Kreisen herrscht, seitdem die Beitragszahlungen bekannt wurden. Wir kennen alle die Schwierigkeiten dieser Kleinstbetriebe. Wir werden auch morgen in der großen Debatte wieder sehr vieles hören, was wir für sie tun wollen. Hier ist eine Gelegenheit, einmal zu beweisen, daß Sie es mit diesen Gruppen wirklich ehrlich meinen.
Es liegt an Ihnen. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, die immer schlechthin als mittelstandsfeindlich abgetan wird, bietet Ihnen hier Schützenhilfe. Es liegt an Ihnen, meine Herren Vertreter der Mittelschichten in der CDU, diese Hand zu ergreifen.
Hier ist einmal der gute Wille sichtbar nach außen zu dokumentieren. Es nützt diesen Menschen nichts, dauernd nur die Deklarationen von Ihnen zu hören, während nichts getan wird.
Sie kennen die Lage in den Mittelschichten genau wie ich. Uns ist es leider nicht möglich, was den Herren der Großmühlen möglich ist; sie haben, wenn es in ihrem Gebälk einmal knistert, Geldleute zur Verfügung, die dann schnell ein Mühlen-
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6447.
kartell inszenieren. Der kleine Schneider, der kleine Schuhmacher und die vielen Berufsgruppen sind einfach weg. Kein Mensch kümmert sich um sie.
Ich möchte Sie daher, meine Damen und Herren, bitten, dem Vorschlag auf Umdruck 505 Ziffer 2 Ihre Zustimmung zu geben. Hier schlagen wir Ihnen vor, daß in § 10 Nr. 8 des Kindergeldergänzungsgesetzes, der den § 11 Abs. 1 des Kindergeldgesetzes betrifft, der Satz 4, der lautet:
Die Satzung kann hiervon abweichende Bestimmungen treffen mit der Maßgabe, daß der Beitrag dieser Selbständigen zwölf Deutsche Mark im Jahr nicht übersteigt,
gestrichen wird. Infolgedessen müssen dann im Satz 6 die Worte „der Sätze 3 und 4" durch die Worte „des Satzes 3" ersetzt werden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie inständig, nicht im Lande auf- und abzupilgern und den Menschen, die schwer um ihre Existenz ringen. Versprechungen zu machen. Machen Sie Ernst und stimmen Sie zu! Wir werden jederzeit bereit sein, Maßnahmen für die zu unterstützen, die schwer um ihre Existenz ringen. Es liegt nun an Ihnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich über den Änderungsantrag auf Umdruck 505 *) Ziffer 2 abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Umdruck 505 Ziffer 3 auf. Wird dazu das Wort gewünscht?
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn auch zu erwarten ist, daß Sie auch diesen Antrag ablehnen werden, der auf einer ähnlichen Ebene wie der eben von meinem Kollegen Herold begründete liegt, so lassen wir uns dadurch doch nicht entmutigen. Der Antrag unter Ziffer 3 und unter Ziffer 4 betrifft die Landwirtschaft. Ich wäre froh, wenn ich mehr Vertreter der Landwirtschaft jetzt in diesem Hohen Hause sehen würde. Der Antrag zielt auf die Beseitigung der Benachteiligung ab, die in der jetzigen Fassung des § 11 Abs. 2 des Kindergeldgesetzes enthalten ist, wonach für die Landwirtschaft nicht einmal das gelten soll, was für die gewerbliche Wirtschaft gilt, die also in dieser Beziehung einen Vorteil hat, daß nämlich Selbständige von der Beitragspflicht befreit sind, wenn sie unter 4800 DM Einkommen im Jahr haben.
— Meine Damen und Herren, auf diesen Einwurf werde ich im Verlauf der Begründung näher eingehen können. Ich bitte Sie, sich so lange zu gedulden.
Den Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion heute vorlegt, haben wir bereits bei der zweiten und dritten Beratung des Kindergeldgesetzes gestellt. Wir haben auch damals beantragt, eine gleichmäßige Behandlung der gewerblichen Wirtschaft und der Landwirtschaft zu beschließen und
*) Siehe Anlage 6.
die landwirtschaftlichen Betriebe, bei denen das Einkommen nur bis zu 4800 DM im Jahr beträgt, von der Beitragspflicht zu befreien; da handelt es sich doch um die kleinen, die kleinsten und die mittleren Betriebe. Die Beitragszahlung durch die kleinsten Einkommensbezieher, durch die Schwächsten in der Landwirtschaft halten wir nach wie vor sachlich für nicht gerechtfertigt und für sozial ungerecht.
Es ist Tatsache, daß in der Landwirtschaft viele Betriebsinhaber und Eigner kleiner landwirtschaftlicher Grundstücke auf Grund dieser Bestimmung des Kindergeldgesetzes Beiträge zahlen müssen, obwohl sie selber noch nicht einmal das Existenzminimum haben. 1,1 Millionen landwirtschaftlicher Betriebe liegen unter 2 Morgen, 2,3 Millionen Betriebe unter 20 Morgen. Sie kennen die Einkommensverhältnisse in: der Landwirtschaft; sie sind hier öfter und besonders im Zusammenhang mit dem Landwirtschaftsgesetz gründlich diskutiert worden.
Sie müssen sich nicht wundern, wenn angesichts dieser Tatsache, daß für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebsinhaber durch das Kindergeldgesetz ungleiches Recht geschaffen wurde, eine Welle von Empörung und Verbitterung durch diese Kreise zieht. Es ist nicht zu verantworten, daß Ärmste zur Kindergeldgewährung für Begüterte beitragen müssen. Ich will Ihnen dazu Beispiele nennen.
Es gibt da ein Dorf in Franken, dessen Einwohner uns geschrieben haben. Da sind acht Betriebe in Größen von ungefähr 10 bis 25 Tagewerken, und es ist ein Betrieb in diesem Dorf, der 125 Tagewerke hat. Zufällig haben alle acht Inhaber der kleinen Betriebe keine drei oder mehr Kinder. Aber der Inhaber des größeren Betriebs, also der Großbauer, hat fünf Kinder. Hier ist die Situation eingetreten, daß diese acht Kleinen praktisch das Kindergeld für den Großen aufbringen müssen.
Es gibt viele andere Beispiele, etwa das des 89jährigen Rentners, der uns geschrieben hat, der sechs Kinder großgezogen hat, der ein kleines Stückchen Land — es sind etwa anderthalb Morgen — sein eigen nennt und der für diesen Besitz von anderthalb Morgen mit seinen 89 Jahren und mit seinen 123 Mark Rente Beiträge zur Familienausgleichskasse zahlen muß.
Ein anderes Beispiel ist das des 69 Jahre alten Rentners, der seit 1942 Invalide ist — ich kann Ihnen auch den Namen nennen; denn sein Brief liegt mir vor — und dessen monatliches Einkommen 115,60 DM aus der Invalidenrente und 25 DM aus dem Bundesversorgungsgesetz als Kriegsbeschädigtenrente beträgt, der ein eigenes Heim mit einem Grundstück von 21,96 a, also noch nicht einmal von einem Morgen hat und der bei diesen Einkommensverhältnissen jährlich 5,70 DM Beitrag zur Familienausgleichskasse zahlen muß.
Ein Mechaniker aus Bilfingen hat uns geschrieben, daß er 4,50 DM an die Familienausgleichskasse zahlen muß, obwohl sein Einkommen 161,20 DM beträgt und er 50 % kriegsversehrt ist. Der Einheitswert des Hauses und Grundstücks beträgt 2800,— DM.
Meine Damen und Herren, wir müssen Sie angesichts dieser Situation fragen, ob das, was wir hier mit dem Kindergeldgesetz beschlossen haben, unter dem Titel Familienlastenausgleich laufen kann. Wir haben uns unter dem Familienlastenausgleich etwas anderes vorgestellt!
Nun wird vielfach eingewandt, daß man die Befreiung der kleinen Beitragszahler, der kleinen Einkommensbezieher bis zu 4800,— DM jährlich, in der Landwirtschaft nicht durchführen könne, weil die Berufsgenossenschaften wegen der wenigen Verwaltungsunterlagen, die sie haben, dazu praktisch nicht in der Lage seien. Wir haben bereits bei der Beratung des Kindergeldgesetzes auf die Schwierigkeit der Durchführung dessen, was die Mehrheit dieses Hauses hier beschlossen hat, hingewiesen. Daher kann man uns jetzt nicht als Gegenargument zu diesem Antrag sagen, daß so etwas verwaltungsmäßig schwer durchzuführen sei. Abgesehen davon ist nach unserer Auffassung eine solche Bestimmung verwaltungsmäßig durchaus durchführbar; denn auch in der Landwirtschaft werden die Einkommen durch das Finanzamt festgestellt. Auch die Landwirte einschließlich der nichtbuchführenden Landwirte, zu denen die hier Betroffenen wohl alle gehören, werden zur Einkommensteuer veranlagt. Man kann also das Einkommen dieses Kreises der Landwirte durchaus feststellen.
Mein Vorredner hat bei der Begründung des Antrags Umdruck 505 Ziffer 2 die Beseitigung der Klausel gefordert, wonach auch in der gewerblichen Wirtschaft von der Beitragszahlung Befreite pauschal zu einem Beitrag zur Familienausgleichskasse herangezogen werden können, der im Höchstfall 12,— DM betragen darf. Diese Bestimmung würde natürlich für die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe nicht in Frage kommen; denn das würde bedeuten, daß die Kleinbetriebe, die Beiträge von 1,80 bis 12,— DM zahlen, jetzt 12,— DM zahlen müßten.
Wir haben auch das Argument bedacht, das uns sicherlich entgegengehalten werden wird — oder werden würde, wenn diskutiert würde —, daß durch diese Bestimmung eine untragbare Belastung der verbleibenden Beitragszahler, also der größeren landwirtschaftlichen Betriebe eintreten müsse. Deshalb haben wir unter Ziffer 4 des Umdrucks 505 beantragt, den § 14 Abs. 3 des Kindergeldgesetzes dergestalt zu ändern, daß der Ausgleich zwischen den einzelnen Familienausgleichskassen sich über alle Familienausgleichskassen, sowohl in der gewerblichen Wirtschaft als auch in der Landwirtschaft, erstreckt. Dadurch würde verhindert, daß die verbleibenden landwirtschaftlichen Betriebe nun das aufbringen müßten, was infolge der Befreiung der Einkommensbezieher bis 4800,— DM Einkommen jährlich nicht mehr aufkäme.
Wir stellen diese Anträge aus vollem Ernst und aus Kenntnis der wirklichen Situation insbesondere in den kleinbäuerlichen Betrieben. Wir machen uns die Sorgen dieser kleinen Betriebe zu eigen. Wir sind nicht der Auffassung, daß das, was wir hier beantragen, von den Angehörigen des gewerblichen Mittelstandes vielleicht „landwirtschaftlicher Protektionismus" genannt werden kann. Hier handelt es sich um nichts anderes als um die echte und gerechte Gleichbehandlung der kleinen Einkommensbezieher in der gewerblichen Wirtschaft und
in der Landwirtschaft. Wir wollen, wie ich soeben bei der Begründung der Ziffer 4 des Antrages Umdruck 505 betont habe, durchaus nicht eine bestimmte Schicht in Anspruch nehmen, auch nicht den kleingewerblichen Mittelstand, und haben deshalb — Sie haben es inzwischen leider abgelehnt — die Streichung der 12-Mark-Klausel beantragt. Wir haben am 24. September vorigen Jahres, als wir in zweiter und dritter Beratung das Kindergeldgesetz beschlossen haben, davor gewarnt, daß diese Ausnahmebehandlung der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe — diese, ich möchte beinahe sagen, Diskriminierung der kleinen landwirtschaftlichen Einkommensbezieher, denn Sie haben sie unter minderes Recht gestellt — zu Unruhe und zu Erbitterung im Bauerntum führen werde. Wir sind der Auffassung, daß vielleicht gerade diese Dinge aus dem Kindergeldgesetz zum großen Teil zu der Unruhe und zu der Empörung beigetragen haben, mit der Sie sich jetzt und demnächst wahrscheinlich auch in diesem Hause auseinanderzusetzen haben.
— Nun, meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Leitung des Bauernverbandes nicht dieses Argument gebraucht, sondern von dem nicht erfüllten Versprechen in bezug auf die Sofortmaßnahmen spricht, die nach Verabschiedung ,des Landwirtschaftsgesetzes erlassen werden sollten. Aber ich weiß auf der anderen Seite, daß draußen in der Praxis mehr noch als über die Umsatzsteuerbefreiung von der neuen Belastung durch das Kindergeldgesetz gesprochen wird.
Und nun darf ich auf das Argument eingehen, das mir eben zugerufen wurde: daß doch die Industrie 100 Millionen zugunsten der Landwirtschaft aufbringe, nämlich auf Grund des § 11 Abs. 2 des Kindergeldgesetzes, zwei Drittel der von der Landwirtschaft benötigten Mittel. Nun, meine Damen und Herren: meine politischen Freunde, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion steht auf dem Standpunkt, daß es sich bei dieser Maßnahme nicht um eine Großtat der Industrie handelt. Es ist an dieser Stelle und andernorts schon oft ausgesprochen worden und es ist etwas Wahres daran, daß die Kinder, die hier Kindergeld mit Mitteln, die aus der gewerblichen Wirtschaft fließen, erhalten, einmal in die gewerbliche Wirtschaft gehen werden. Sie wissen doch, daß eine starke Abwanderung aus der Landwirtschaft im Gange ist und daß gerade in Anbetracht des Arbeitskräftemangels, unter dem wir jetzt leiden, diese Wanderung aus der Landwirtschaft in die Industrie eine große Bedeutung hat. Sie erstreckt sich ja nicht nur auf die Lohnarbeiter, sondern auch auf die Söhne und Töchter der Landwirte selber.
Ich bin der Auffassung, daß wir uns auf dieses Gleis nicht abschieben lassen sollten. Damit möchte ich insbesondere die landwirtschaftlichen Kolleginnen und Kollegen angesprochen haben. Überhaupt kann die sozialdemokratische Fraktion nicht einsehen, warum denn im Kindergeldgesetz die unterschiedliche Behandlung von gewerblicher Wirtschaft und Landwirtschaft erfolgen mußte. Sie war nicht notwendig. Wir haben auch damals schon einen entsprechenden Antrag gestellt, der eine gleichmäßige Behandlung beider Wirtschaftszweige zum Ziel hatte. Sie haben ihn abgelehnt. Was wir jetzt beantragen, liegt auf der gleichen Ebene. Wenn Sie, meine Damen und Herren, es mit Ihrem
Vorhaben, der wirtschaftlichen Notlage der kleinen Landwirte zu begegnen, ernst meinen, dann müssen Sie jetzt den Anträgen unter Ziffer 3 und 4 auf Umdruck 505 zustimmen.
Ich möchte nur noch einen Satz anknüpfen, um es Ihnen zu ersparen, daß ich hier noch einmal auf das Podium kommen muß. Ich darf vielleicht mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gleich sagen, daß Ziffer 5 die Ziffern 3 und 4 des Umdrucks 505 insofern betrifft, als die in Ziffer 3 und Ziffer 4 beantragten Bestimmungen am 1. Januar 1956 in Kraft treten sollen.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesen Änderungsanträgen der sozialdemokratischen Fraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Siemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß meinem Vorredner, Herrn Frehsee, sagen, daß wir es allerdings sehr ernst meinen mit der Stützung der kleinen land. wirtschaftlichen Betriebe.
Wir haben deswegen ja dieses Kindergeldgesetz unter allen Umständen durchsetzen wollen, damit die Landwirtschaft, die der kinderreichste Wirtschaftszweig ist, die Unterstützung bekommt.
Vielleicht hätten wir heute noch kein Kindergeldgesetz, wenn wir den Weg der Selbstverwaltung nicht beschritten hätten.
— Zumindest, Herr Kollege, hat es an unserer Fraktion gelegen, daß das Kindergeldgesetz jetzt überhaupt da ist.
Meine Damen und Herren, es ist natürlich billig, zu sagen, Sie hätten es auch gemacht. Die Frage war eben, d a ß es gemacht wurde, und von uns ist es nun einmal so gemacht worden, wie Sie es ja wiederholt kritisiert haben.
Es wird sich noch zeigen, ob das Kindergeldgesetz so schlecht war. Im übrigen haben wir ja angekündigt, daß wir bereit sind, dieses Gesetz für den Fall, daß es sich in gewisser Beziehung als nicht richtig erweist, in den kommenden drei Monaten — wir haben das ja in der Hand — zu verbessern.
Meine Damen und Herren, ich muß darum bitten, die Anträge der SPD s in den Ziffern 3, 4 und 5 abzulehnen. Ich will versuchen, dies zu begründen. Wenn wir dem Antrag des Kollegen Frehsee stattgäben, würde das bedeuten, daß nach unseren Schätzungen ungefähr 1,6 bis 1,7 Millionen landwirtschaftliche Betriebe keinen Beitrag mehr zu zahlen hätten. Die Beitragssumme, die damit ausfallen würde, wird auf ungefähr 20 bis 25 Mil-
lionen DM geschätzt. Nach der jetzigen Gestaltung des Gesetzes müßten wir diese 20 Millionen DM auf die noch verbleibenden landwirtschaftlichen Betriebe umlegen, und Sie werden mir zugeben, daß diese Belastung für die einzelnen Betriebe, die dann noch Beitrag zu zahlen hätten, zu groß wäre.
Nun hat Kollege Frehsee vorgeschlagen, wir sollten diese Summe auf die Industrie umlegen. Meine Damen und Herren, wer die Verhandlungen mitgemacht hat, die wir zu Beginn der Erörterungen über das Kindergeldgesetz mit der Industrie geführt haben, wird wissen, wie schwer es gewesen ist, dieses auf Selbstverwaltung aufgebaute Gesetz so zu gestalten, daß sich die Industrie bereit erklärt hat, zwei Drittel der Aufkommenssumme für die Landwirtschaft zu tragen. Sicher ist es richtig — ich betone das und habe das auch damals betont —, daß die hier unterstützten Familien letzten Endes den Arbeitskraftnachwuchs für die Industrie bringen,
und insofern ist es auch berechtigt, daß von der Industrie dieses Opfer gebracht wird.
Um aber überhaupt auf der Basis der sogenannten Konzeption dieses Gesetzes als Selbständige dabeizusein,
haben wir es uns damals von seiten der Landwirtschaft wohl überlegt, dieses Opfer auf uns zu nehmen. Sollte es sich herausstellen, daß für die Klein- und Kleinstbetriebe der Landwirtschaft, die im Schnitt, sagen wir einmal, 3 DM, 4 DM oder 5 DM Berufsgenossenschaftsbeitrag zahlen und nunmehr zusätzlich rund 35 bis 40 % ihres jetzigen Beitrags für das Kindergeld zahlen müssen, die Belastung zu schwer ist, so werden wir nach Abschluß der ersten Periode im nächsten Jahr nicht zögern, andere Wege der Aufbringung zu beschreiten. Bevor wir aber nicht genau wissen, wie sich das Gesetz auswirkt, können wir diesen Weg, der hier vorgeschlagen wird, nicht beschreiten,
sondern müssen das Gesetz zunächst in der Form, in der es angenommen ist, durchführen.
Dann möchte ich Ihnen noch folgendes sagen. Das Ergänzungsgesetz, das jetzt vorliegt, hat doch nichts mit der Frage zu tun, ob wir nunmehr das erste Gesetz umwandeln wollen.
Es wird von Ihnen, Herr Kollege Frehsee, nicht bestritten werden, daß Sie diese Dinge nur nochmals in die Debatte über das Ergänzungsgesetz hineintragen wollen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß in der Landwirtschaft über das Kindergeld keine so große Aufregung herrscht, es sei denn bei den Betrieben, die nun wirklich einen hohen Beitrag zahlen. Zahlen tut bekanntlich niemand gern.
— Nein, ich war noch vor ungefähr zehn Tagen in meinem Wahlkreis und habe mich mit diesen Dingen sehr eingehend befassen müssen.
Aber um es nicht zu lang zu machen, bitte ich nochmals, es mit Rücksicht auf die Durchführung des jetzt von uns vor ungefähr Jahresfrist angenommenen Gesetzes bei der alten Regelung zu belassen und diese drei Ziffern abzulehnen. Wir haben nicht nur einmal, sondern wiederholt in Aussicht gestellt, daß wir nach ungefähr drei Monaten noch einmal eine Überprüfung vornehmen werden. Zu der Frage, ob es ratsam erscheint, die kleinen zusätzlichen Beträge, die von 1,5 Millionen Betrieben geleistet werden, auf andere Schultern zu verlagern, werden wir — das möchte ich ausdrücklich erklären — zu gegebener Zeit wieder Stellung nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Siemer hat den Versuch gemacht, die gewerbliche Wirtschaft gegen die Landwirtschaft auszuspielen.
— Jawohl. Herr Kollege, Sie haben gesagt: Wenn der Antrag angenommen wird, ergibt sich für die gewerbliche Wirtschaft eine Mehrbelastung von soundsoviel. Das war der Inhalt und die Begründung ihres Antrags.
— Aber Herr Kollege, hören Sie einmal zu! Sie können vielleicht jetzt noch etwas bezüglich dieses Gesetzes lernen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Anliegen ist folgendes. Wir wünschen keinen Kampf des einen Wirtschaftszweiges gegen den anderen,
sondern eine gleichmäßige Belastung. Wenn nun schon die Mittel über die Wirtschaft aufgebracht werden sollen, so soll die Wirtschaft gleichmäßig belastet werden. Das ist der Sinn unseres Antrages. Der entscheidende Gesichtspunkt liegt darin, daß wir in § 14 die Durchführung eines Ausgleichs zwischen allen Familienausgleichskassen, den gewerblichen und den landwirtschaftlichen, festgelegt wissen wollen, damit Beitragsunterschiede beseitigt werden. Soweit der wirtschaftliche Inhalt.
Noch ein Wort zu der sozialen Seite, die Sie, Herr Kollege Siemer, nicht erwähnt haben. Ich habe hier einen Bescheid der landwirtschaftlichen Familienausgleichskasse Hannover. Er ist an einen Mann im Alter von 76 Jahren gerichtet, der sechs Kinder großgezogen hat. Dieser Mann hat noch einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb von 0,25 ha.
Er bezieht außer den Einkünften aus diesem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb eine Rente der Sozialversicherung von 87 DM. Wie heißt es nun in dem Bescheid der landwirtschaftlichen Familienausgleichskasse Hannover?
Zu unserem Bedauern haben wir keine rechtliche Möglichkeit, den geforderten Vorschuß wegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse zu erlassen oder zu ermäßigen. , Aus diesem Grunde können auch Rentner, Empfänger von Unterhaltshilfen, Arbeitslosenunterstützung
oder Arbeitslosenfürsorgeunterstützung sowie die Empfänger von öffentlichen Unterstützungen von der Beitragspflicht grundsätzlich nicht befreit werden.
Das ist der soziale Inhalt der gegenwärtigen Regelung; wir wollen sie durch diesen Antrag beseitigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Siemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich recht verstanden habe, hat mein Herr Vorredner von 0,25 ha gesprochen. Ich kenne den Fall. Das ist also ein Morgen. Man kann vielleicht diesen Mann gar nicht als einen Landwirt ansprechen. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Mann, der in der Landwirtschaft einen Nebenerwerb hat und sonst in einem gewerblichen Betrieb tätig ist oder Rentenempfänger ist. Sie müssen aber dabei sagen, verehrter Herr Kollege, daß dieser Mann wahrscheinlich nicht mehr zahlt als 1 DM oder 1,50 DM.
— Ja, im Jahr. Wenn er mehr zahlt, dann zahlt er das aber nicht a conto seiner Landwirtschaft, sondern dann zahlt er das a conto seiner Tätigkeit in der gewerblichen Wirtschaft.
Ich möchte noch etwas dazu sagen. Der Selbstverwaltungskörperschaft, der Genossenschaft, ist es durchaus überlassen, in solchen Fällen durch einen Beschluß von der Beitragspflicht zu befreien. Dagegen besteht überhaupt kein Bedenken. Wenn es nicht geschieht, dann werden wahrscheinlich Gründe dafür vorliegen, die auf anderem Gebiete zu suchen sind. Ich kann mir nicht denken, daß man, um das Beitragsaufkommen zu erhöhen — es macht in der Landwirtschaft, einschließlich der sogenannten Kasten innerhalb des Aufbringungssolls, 35 Millionen DM aus —, diesen kleinen Rentner oder Landbesitzer mit einem Morgen Land mit diesem Betrag belasten muß.
Wenn Sie also schon von sozialer Härte sprechen, müssen Sie auch die andere Seite des Plans sehen, dann dürfen Sie nicht einseitig auf solche speziellen Fälle hinweisen, deren Aufzeigen das ganze Gesetz in Mißkredit bringen soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der eben geschilderte Fall gibt mir Veranlassung, dem Hause mitzuteilen, daß mir in den letzten Wochen und Monaten in Dutzenden von Versammlungen mehrere Dutzend Fälle von Veranlagungsbescheiden der Familienausgieichskassen in der Landwirtschaft vorgelegt worden sind. Aus ihnen ergibt sich, daß Landwirte, über 65, 70 Jahre alt, die im wesentlichen Rentenbezieher sind und, wie man in Baden-Württemberg sagt, ihren Hof noch umtreiben, damit er nicht verkommt, damit jemand da ist, der sich um das Land kümmert — bei kleinen Hofgrößen; die durchschnittliche Betriebsgröße in dem Kreis, in dem ich lebe, beträgt weniger als 2 ha —, zu Familienausgleichskassenbeiträgen zwischen 3 und 18 Mark herangezogen worden sind.
— Im Jahr. Meine Damen und Herren, warum sollen landwirtschaftliche Betriebe mit einem Einkommen von weniger als 4800 Mark schlechter behandelt werden als andere? Nach dem, was mir da an Bitterkeit vorgetragen worden ist, halte ich die Frage für so wichtig, daß ich sehen möchte, wie der einzelne Abgeordnete in diesem Fall entscheidet, und beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 3 des Antrags Umdruck 505*) der Fraktion der SPD. Es ist namentliche Abstimmung beantragt; dieser Antrag ist hinreichend unterstützt.
Die namentliche Abstimmung beginnt. Ich bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? — Es ist niemand mehr im Saal, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis, das mir soeben überreicht wird, ist außerordentlich knapp, so knapp, daß eine genaue Nachzählung und Nachprüfung erforderlich ist. Da von diesem Ergebnis alle weiteren Abstimmungen abhängen -- es ist ein Eventualantrag gestellt usw. —, sehe ich mich im Augenblick nicht in der Lage, das Ergebnis bekanntzugeben, und schlage Ihnen vor, die Sitzung für 10 Minuten zu unterbrechen. — Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird um 18 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich darf Ihnen nach einer zweiten Zählung, bei der sich der Abstand etwas vergrößert hat, das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 505 Ziffer 3*) bekanntgeben. Teilgenommen haben 407 stimmberechtigte Abgeordnete. Mit Ja haben 190 gestimmt, mit Nein 197. Enthalten haben sich 20. Der Antrag ist abgelehnt.
Es wurden 16 Berliner Stimmen abgegeben, davon 12 mit Ja und 4 mit Nein.
Von der Fraktion der SPD ist ein Eventualantrag gestellt worden. Ich muß ihn verlesen, da er nicht verteilt ist, und bitte um Ihre Aufmerksamkeit:
In § 10 wird folgende neue Nr. 8a eingefügt: 8 a) In § 11 Abs. 2 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:
*) Siehe Anlage 6.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6447.
Ergibt die Beitragsberechnung einen Beitrag von weniger als 12,— DM jährlich, so unterbleibt die Beitragserhebung.
Wollen Sie den Antrag noch begründen? — Herr Abgeordneter Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bedauert das soeben bekanntgegebene Abstimmungsergebnis, zeigt es doch, daß die Mehrheit dieses Hauses, wenn auch eine knappe Mehrheit und wenn auch die Zahl der Enthaltungen verhältnismäßig groß ist, nicht viel Verständnis für die soziale Lage der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe aufbringt.
Wir beantragen jetzt, wie der Herr Präsident bereits bekanntgegeben hat, daß für die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe wenigstens die größten sozialen Härten ausgeräumt werden und daß gesetzlich festgelegt wird, daß die Beiträge bis zu 12 DM jährlich nicht erhoben werden. Es sollen also nicht erhoben werden, Herr Kollege Siemer, diese Beiträge in Höhe von 1,80, 3,20 oder 5,40 DM, die die kleinen Rentner mit einem ganz kleinen Stückchen Land zahlen müssen; es gibt dort nämlich keine Ausnahme. Wir können uns nicht vorstellen, daß Sie selbst diesem Antrag Ihre Zustimmung verweigern.
Wir sind der Auffassung, daß auch dann, wenn dieser Antrag angenommen würde, dadurch keine höhere Belastung der verbleibenden Beitragszahler der landwirtschaftlichen Familienausgleichskasse eintreten soll. Deshalb bitten wir Sie, unter diesen Umständen die Ziffer 4 unseres Antrags anzunehmen, die besagt, daß alle Familienausgleichskassen in den allgemeinen Ausgleich einbezogen werden sollen. Die landwirtschaftlichen Betriebsinhaber, die dann noch als Beitragszahler verbleiben, würden dann also, gemessen an irgendeiner Größe wie der Lohnsumme oder dem Einheitswert oder dem Einkommen, relativ keinen höheren Beitrag zahlen als die gewerblichen Betriebe.
Ich bitte Sie inständig um Zustimmung zu diesem Eventualantrag, meine Damen und Herren, damit Sie jetzt ad absurdum führen, was der Kollege R u f heute hier in Richtung auf uns gesagt hat: daß keine Kompromißbereitschaft bestehe. Wir haben in vielen Punkten, sowohl bei der zweiten und dritten Beratung des Kindergeldgesetzes als auch heute wieder, immer wieder Kompromißbereitschaft gezeigt.
Zeigen auch S i e in diesem Falle einmal Kompromißbereitschaft!
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es braucht ja wohl kaum noch einmal betont zu werden, daß die Anträge, über die jetzt hier diskutiert wird und entschieden werden soll, mit dem eigentlichen Zweck des heute beratenen
Gesetzes, die noch ausstehenden Gruppen nachzuziehen, nichts zu tun haben,
sondern daß es sich hier um eine Änderung des Ersten Kindergeldgesetzes an sich handelt. Wir haben, meine Damen und Herren, aufgebaut — auch daran wollen wir zunächst doch festhalten — auf dem Prinzip der Selbstverwaltung. Wir haben die Festsetzung der Beiträge den Satzungen der einzelnen Familienausgleichskassen überlassen, also den Organen die Zuständigkeit gegeben, die Beiträge festzulegen. Bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften liegen die Dinge so, daß uns kürzlich in einem Gespräch der Sprecher bzw. der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft dieser Kassen, Herr Dr. Breitbach, erklärt hat, daß, wenn an der Beitragsregelung, wie sie im Kindergeldgesetz vorgenommen worden ist, Änderungen vorgenommen würden, die landwirtschaftlichen Kassen nicht mehr in der Lage seien, diese Kindergeldgesetzgebung ordnungsgemäß durchzuführen. Das, meine Damen und Herren, ist die Sorge, die uns bei den Dingen bewegt, und wir hätten geglaubt, auch bei der SPD ein gewisses Verständnis dafür zu finden.
Warum wollen wir denn nicht gemeinsam zunächst einmal den ersten Jahres- und Geschäftsbericht abwarten, uns die Dinge daraufhin ansehen und dann, wenn Folgerungen aus diesen Erfahrungen gezogen werden müssen, uns darüber unterhalten, ob und in welcher Weise Korrekturen notwendig oder am Platze sind?
Meine verehrten Damen und Herren, es heißt doch eigentlich die Dinge auf den Kopf stellen oder ist jedenfalls einfach von der Sache her nicht mehr begreiflich, wenn Sie von der SPD dieses Ergänzungsgesetz, in dem wir die Gruppen nachziehen, unter allen Umständen dazu benutzen wollen, nun diese Korrekturen heute mit Gewalt durchzusetzen.
Wir müssen darauf bestehen bleiben, meine Damen und Herren, daß wir erst den Jahresbericht vor den Augen haben und daß wir dann die aus den .gemachten Erfahrungen sich eventuell als notwendig ergebenden Konsequenzen ziehen. Aus diesen Gründen werden wir auch diesen Eventualantrag ablehnen müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu einzelnen Feststellungen des Kollegen Horn muß ich Stellung nehmen. Zunächst handelt es sich heute sehr wohl um eine Änderung des Kindergeldgesetzes, die bei Gelegenheit der Verabschiedung des Kindergeldergänzungsgesetzes erfolgen soll. Herr Kollege Siemer, Sie haben das vorhin auch schon bestritten. Nun, ich kann es verstehen. Weil sie dem Sozialpolitischen Ausschuß nicht angehören, darf ich Ihnen sagen, daß das
Kindergeldergänzungsgesetz in 11 von 22 Paragraphen Änderungen von kindergeldgesetzlichen Bestimmungen vornimmt.
Ich vermag nicht einzusehen, warum dann nicht auch diese Änderung noch erfolgen kann.
Zu der zweiten Feststellung. Es ist richtig, daß der Sachverständige D r. Breitb a c h vom Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bzw. der Arbeitsgemeinschaft der landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen in einem umfangreichen schriftlichen Gutachten Bedenken gegen die Befreiung der landwirtschaftlichen Einkommen bis 4800 DM geäußert hat. Diese Bedenken sind nach unserer Auffassung nicht stichhaltig. Ich habe bereits bei der Begründung des Antrags auf Umdruck 505 zu 3 ausgeführt, daß man auch in der Landwirtschaft die Einkommen feststellen kann, weil man es ja für steuerliche Zwecke tun muß. Es ist auch in der Landwirtschaft mit der VOL — die Sachverständigen wissen, was dies bedeutet — möglich, die Einkommen ohne neue große bürokratische Belastungen festzustellen.
Nach diesem Eventualantrag ist das aber nicht einmal erforderlich. Da wird nichts anderes verlangt, als daß die schon jetzt erhobenen Beiträge bis zu 12 DM in Zukunft nicht mehr erhoben werden. Es braucht also nicht irgend etwas Neues in organisatorischer Beziehung zu geschehen. Im Gegenteil, die Familienausgleichskassen in der Landwirtschaft werden, wenn Sie diesen Eventualantrag annehmen, sogar von einem Großteil Arbeit befreit, die häufig noch nicht einmal sehr sinnvoll ist; denn es kostet manchmal sogar ein Zwangsvollstreckungsverfahren, um die 6,80 DM oder 5,40 DM einzuziehen.
Von diesen Dingen werden die Familienausgleichskassen entlastet. Unser Antrag bringt also auch technisch und verwaltungsmäßig keine Belastung, sondern eine starke Entlastung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie brauchen sich da gar nicht zu belustigen. Ich weiß schon, was ich zu sagen habe, und ich weiß auch manches richtig einzuschätzen, ohne daß ich darüber viel Worte verliere. Die Verhältnisse sind so, daß wir uns von einer bestimmten Linie nicht abbringen lassen dürfen, nämlich davon, daß zunächst einmal diejenigen, die das Kindergeld nicht erhalten konnten, nachgezogen werden.
Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, daß Sie nur die Beitragsseite betrachtet haben, aber nicht die Seite derjenigen, die Kindergelder kriegen.
Das sind zwei Sachen. Gerade in den kleinbäuerlichen Gegenden, wo die Kinderzahl ziemlich groß
ist, findet der Ausgleich dadurch statt, daß die Kindergelder an die kleinbäuerlichen Familien fallen.
Dazu kommt noch folgender Gesichtspunkt. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bringen wegen des stärkeren Kinderreichtums der Landwirtschaft bei den Beiträgen nur 40 Millionen DM auf, während von den anderen Berufsgenossenschaften 80 Millionen DM dazu geliefert werden.
Wir könnten also durch Änderungen, deren Auswirkung wir nicht zu überblicken vermögen, plötzlich die Gefahr heraufbeschwören, daß die Kindergelder nicht mehr so ausgezahlt werden können wie bisher.
Das ist die Frage, die jetzt vor uns liegt. Dabei wollen wir uns vornehmen, die Dinge, wenn einmal der Jahresbericht vorliegt, sehr genau zu prüfen.
Auch unsere Fraktion hat — das darf ich wohl sagen — Sehnsucht danach, Verbesserungen im Gesetz unterzubringen, soweit sie nur untergebracht werden können. Aber im Augenblick müssen wir die Lücke schließen, damit alle in den Genuß des Kindergeldes kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mußte schon wiederholt festgestellt werden, daß das Kindergeldergänzungsgesetz sehr kompliziert ist, und ich muß leider weiter feststellen, Herr Kollege Horlacher, daß Sie weder das Kindergeldergänzungsgesetz studiert — was ich Ihnen nicht übelnehme, weil Sie nicht Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses sind — noch den Sinn unseres Antrages voll erkannt haben. Die. Sozialdemokraten haben zu der Leistungsseite heute eine ganze Reihe wichtiger Anträge gestellt, die vermutlich auch Sie in der namentlichen Abstimmung abgelehnt haben.
Die Sozialdemokraten wollen durch diesen Antrag nichts im Gefüge der Mittelaufbringung ändern. Es bleibt in der Konstruktion, auch bezüglich der Landwirtschaft, so, wie es in den Kindergeldgesetzen ist,
und wenn Sie aus dem Antrag etwas anderes entnehmen, dann sind Sie — das muß ich leider sagen nicht unterrichtet.
Worum handelt es sich hier? Auch ungeachtet der Tatsache, daß die Landwirtschaft insgesamt nur mit einem Drittel der Gesamtaufwendungen belastet ist, ergeben sich für viele Hunderttausende von Kleinstbauern stärkere Ungerechtigkeiten als in der gewerblichen Wirtschaft,
weil in der gewerblichen Wirtschaft gewisse Freigrenzen bestehen. Diese Freigrenzen bestehen in
der Landwirtschaft nicht. So haben wir das bedauerliche Ergebnis, daß jene Kleinstbeträge auch von den sozial Schwächsten erhoben werden. Der Antrag, den mein Kollege Frehsee begründet hat, bezweckt nichts anderes, als daß Kleinstbeträge unter 12 DM nicht erhoben werden sollen, weil der Verwaltungsaufwand in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Beiträgen steht und weil diese Erhebung die sozial Schwächsten trifft.
Das Wort wird nicht mehr begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über den Eventualantrag, der verlesen, begründet und debattiert wurde. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag Umdruck 505 Ziffer 4*). Der Antrag ist begründet. Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich lasse abstimmen.
— Herr Abgeordneter Frehsee!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Sie die Anträge zu Ziffer 3 und den Eventualantrag abgelehnt haben, entfällt unser Antrag unter Ziffer 4. Wir ziehen ihn zurück, ebenso den Antrag unter Ziffer 5.
Ich danke für die Erklärung.
Wir kommen dann zur Abstimmung über § 10 in der Fassung der zweiten Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der § 10 ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zum Antrag auf Umdruck 504 Ziffer 3. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat in der dritten Beratung denselben Antrag wie in der zweiten gestellt: einen § 11a einzufügen. Eine neuerliche Begründung unterbleibt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Schlußabstimmung. Vorher wird das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Schlußabstimmung habe ich namens der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung abzugeben:
Die sozialdemokratische Fraktion hat sich auch bei der Beratung dieses dritten Kindergeldgesetzes bemüht, die vielfältigen Mißstände auf dem Gebiete der Kindergeldgesetzgebung zu beseitigen. Die Sozialdemokraten haben versucht, erstens die Leistung durch Ausdehnung der Kindergeldzahlung auf das zweite Kind zu verbessern. Dann hat die sozialdemokratische Fraktion beantragt, wenigstens für alle dritten Kinder Kindergeld ohne Ein-
*) Siehe Anlage 6.
schränkung zu zahlen, um eine Benachteiligung der Witwen, die sich ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder widmen, zu beseitigen.
Die sozialdemokratische Fraktion muß nach Ablehnung all dieser Anträge auf Leistungsverbesserung ihre Erklärung bei der Verabschiedung des ersten Kindergeldgesetzes aufrechterhalten, daß es sich um das schlechteste Kindergeldgesetz Europas handelt.
Zweitens. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich bemüht, die Mißstände bei der Aufbringung der Mittel für die Kindergeldzahlunlung zu beseitigen, und beantragt, die Kindergeldgewährung in Zukunft nicht durch Sonderumlagen bei der Wirtschaft, sondern aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren. Denn die Gewährung von Kindergeld ist keine berufsständische Angelegenheit, sondern eine Aufgabe der Allgemeinheit.
Auch diese Anträge der Sozialdemokraten wurden abgelehnt.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat dann versucht, wenigstens die schwersten Ungerechtigkeiten bei der Beitragszahlung, die sich für Selbständige in der gewerblichen Wirtschaft und in der Landwirtschaft mit einem Einkommen unter 4800 DM jährlich ergeben, zu beseitigen. Auch diese Anträge, die keinerlei Belastung für den Bundeshaushalt mit sich gebracht hätten, wurden von der Mehrheit abgelehnt.
Die CDU, die allein die Verantwortung für die bisherige unbefriedigende Kindergeldgesetzgebung trägt, empfiehlt dem Hause eine Entschließung, durch die die Regierung beauftragt werden soll, drei Monate nach Vorliegen des ersten Geschäftsberichts der Familienausgleichskassen zu prüfen, ob eine zusammenfassende Neuformulierung der Gesetze und Änderungen notwendig sind. Hierzu weist die sozialdemokratische Fraktion darauf hin, daß bereits das vorliegende Gesetz einen anschaulichen Beweis dafür bietet, wann derartige Prüfungen zu praktischen gesetzgeberischen Ergebnissen führen; denn am 14. Oktober 1954 hat der Bundestag die Regierung beauftragt, in eine beschleunigte Prüfung darüber einzutreten, in welcher Weise noch nicht erfaßte Familien mit drei Kindern Kindergeld erhalten können. Nach 14 Monaten findet heute die abschließende Beratung dieses Gesetzentwurfs statt. Auf Grund der bisherigen Erfahrung wird somit die heute vorgelegte Entschließung erst in weiteren 14 Monaten, also im Februar 1957, zu praktischen Ergebnissen führen können,
wahrscheinlich sogar noch später; denn diesmal kann die Bundesregierung nicht sofort mit der Prüfung beginnen, sondern sie muß erst das Ergebnis des ersten Geschäftsberichts abwarten, der frühestens Ende April 1956 vorliegen kann.
Die Mißstände in bezug auf die Kindergeldzahlung und die Aufbringung der Beiträge lassen keine Hinausschiebung bis zum Jahre 1957 zu. Die Dinge sind nach Ansicht der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion schon viel zu lange hinausgezögert worden. Sie müssen deshalb heute beseitigt
werden; denn es ist eine schlechte Sache, die Öffentlichkeit durch Entschließungen beruhigen zu wollen, von denen das Haus weiß, daß sie bestenfalls erst nach Jahresfrist verwirklicht werden können.
Die sozialdemokratische Fraktion ist deshalb nicht gewillt, durch Annahme des Kindergeldergänzungsgesetzes die Verantwortung für die Fortdauer der ungerechten und unsozialen Regelungen über die Kindergeldgewährung sowohl im Bereich der Leistungen wie der Beiträge zu übernehmen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird deshalb dieses Gesetz ablehnen.
Mit der Ablehnung dieses Gesetzes ergeben sich — das muß im Hinblick auf gewisse Bemerkungen bei Verabschiedung des ersten Kindergeldgesetzes deutlich erklärt werden — nicht die geringsten Schwierigkeiten; denn unter Punkt 4 b der heutigen Tagesordnung steht die zweite Lesung des SPD-Entwurfes eines Kindergeldergänzungsgesetzes an. Das Haus hat ohne weiteres die Möglichkeit, alle sozialpolitisch ratsamen Ergänzungen in der zweiten und dritten Lesung des nunmehr zur Beratung kommenden Entwurfs als Art. II zu übernehmen und damit durch Ablehnung des jetzt zur Beratung stehenden Entwurfs den Weg für eine bessere Kindergeldgesetzgebung freizumachen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur für die Schlußabstimmung namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung beantragen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, die heutigen Beratungen waren einige der dunkelsten Stunden des Bundestages,
und die Behandlung des Tagesordnungspunktes, mit dem wir uns heute befaßt haben, war wirklich nicht glanzvoll für das Kapitel der sozialpolitischen Neuordnung, von der so viel gesprochen wird.
Sie hat unsere Bedenken voll bestätigt. Ich glaube, die SPD, mit der wir in vielen Fragen gern gestimmt hätten, wenn es darum gegangen wäre, ein neues Gesetz vorzulegen und klare Lösungen zu finden, war sehr schlecht beraten, als sie ein Gesetz, das sie selber als schlecht bezeichnet hat, nun dadurch noch schlechter machen wollte, daß es noch unübersichtlicher und in der Durchführung noch schwieriger werden sollte.
Ich glaube, die Sozialdemokratische Partei wird sich auch bei den Reformdebatten besinnen müssen, ob nicht aus den Erfahrungen, die wir mit dem Kindergeld für Selbständige mit ihr gemeinsam
gemacht haben, der Schluß zu ziehen ist, daß Selbständige, Rentner und in abhängiger Stellung befindliche Arbeitnehmer in ihren sozialen Angelegenheiten nicht durch ein einheitliches Gesetz befriedigt werden können. Wir alle sollten aus der heutigen Debatte lernen. Ich hoffe, die Sozialdemokratische Partei wird nun nicht wie unlängst beim Sonderzulagengesetz einen Brief des Vorsitzenden der Partei an alle Empfänger von Kindergeld richten,
mit dem sie dann mitteilt, daß sie durch namentliche Abstimmung nicht hätte erreichen können, was sie so gern erreichen wollte.
Gestatten Sie, daß ich zum Schluß noch feststelle: ich glaube, daß die vielen Probleme, die hier heute angesprochen worden sind, auch diejenigen, bei denen eine Verzahnung mit der Sozialversicherung und mit der Versorgung notwendig ist, nicht mehr in einem Gesetz wie diesem geregelt werden können. Aber wir meinen, daß, wer A gesagt hat — wir gehörten nicht zu den A-Sagern — auch B und zur Not das ganze Abc sagen muß. Wir haben die Konstruktion dieses Kindergeldgesetzes abgelehnt — nicht das Kindergeld an sich —, und die heutige Debatte, für die wir acht Stunden gebraucht haben — obwohl Sie gestern nicht eine Stunde Zeit hatten, über notwendige Fragen der Reform zu debattieren —,
zeigt, wie wichtig es ist, daß wir zu sinnvollen Abstimmungen zwischen den einzelnen sozialen Leistungen und damit zu sinnvollen Abgrenzungen zwischen der Versicherung, der Versorgung und der Fürsorge kommen. In dieser Neuordnung wird die Familienpolitik ihren Raum haben müssen. Ich glaube, daß die Selbständigen trotz der namentlichen Abstimmungen unsere Haltung sehr wohl verstehen werden, wenn ihnen erklärt wird, daß unsere Fraktion den Mut hat, ihnen zu sagen, daß soziale Versprechungen, die — ich sagte es gestern abend schon einmal — dazu führen, daß die Ärmsten der Armen sie bezahlen müssen oder überbezahlen müssen, sehr schlechte soziale Versprechungen sind. Meine Fraktion wird sich bei der Schlußabstimmung der Stimme enthalten.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion der FDP hat während der Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses sowie während der Lesungen des vorliegenden Gesetzentwurfs ihre von der Vorlage abweichende Auffassung bekundet. Sie sieht sich aus grundsätzlichen Bedenken infolge der ihrer Meinung nach falschen Konzeption des gesamten Kindergeldgesetzkomplexes nicht imstande, der Vorlage ihre Zustimmung zu geben. Die Fraktion der FDP legt jedoch Wert darauf, mit Nachdruck festzustellen, daß sie
die Notwendigkeit einer Kindergeldgesetzgebung als solche anerkennt. Die Fraktion der FDP hofft, daß die in dem Entschließungsantrag der CDU angekündigte Überarbeitung und Neufassung zu einer gerechteren Regelung führen wird. Sie wird sich in diese Arbeit mit allen Kräften einschalten.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat die Abgeordnete Frau Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Für die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE möchte ich folgende Erklärung abgeben.
Wir haben dem Kindergeldgesetz nicht zugestimmt, wir haben ebenfalls dem Kindergeld-Anpassungsgesetz nicht zugestimmt, und wir werden auch dem Kindergeldergänzungsgesetz unsere Zustimmung nicht geben können. Wir haben von Anfang an eindeutig und klar erklärt, daß nach unserer Meinung das Gestrüpp der Kindergeldgesetzgebung keinesfalls die Möglichkeit offen läßt, zu einer verwaltungsmäßig klaren und eindeutigen Verteilung und Auszahlung des Kindergeldes zu kommen. Wir haben in den Beratungen feststellen müssen, daß sich auch soziale Ungerechtigkeiten ergeben, zu denen wir nicht ja sagen können. Wenn wir dem Kindergeldergänzungsgesetz zustimmten, dann würde das rückwirkend eine Anerkennung dieser unsozialen Kindergeldgesetze, nämlich des Kindergeldgesetzes und des Kindergeld-Anpassungsgesetzes bedeuten. Das wird von uns nicht zu erwarten sein. Wir werden deshalb das Kindergeldergänzungsgesetz ablehnen.
Meine Damen und Herren, nachdem alle Fraktionen Erklärungen abgegeben haben, kommen wir zur Schlußabstimmung, die namentlich durchgeführt wird. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Nein. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich darf das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. Es haben 406 stimmberechtigte Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 212, mit Nein 176; enthalten haben sich 18. Das Gesetz ist angenommen. Von 16 Berliner Abgeordneten haben 4 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt.
Wir kommen nunmehr zum Ausschußantrag Ziffer 2:
a) den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindergeldgesetzes ,
b) den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes (Drucksache 1469)
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 6447.
als durch die Beschlußfassung zu 1. erledigt abzulehnen.
Gemäß dem Brauch des Hauses muß ich damit diese einzelnen Gesetzentwürfe in zweiter Lesung zur Abstimmung stellen, zuerst den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1163, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindergeldgesetzes. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift.—Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Sämtliche Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich stelle nunmehr zur Abstimmung den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 1469, Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes. Ich rufe auf die §§ 1 bis 20, Einleitung und Überschrift. —Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich glaube, es handelt sich um einen Irrtum. Ich darf noch einmal fragen — ich muß leider in dieser Form abstimmen lassen, weil es der Brauch ist —: Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 501.*) — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 4 b:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Drucksache 974);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 1885). (Erste Beratung: 58. Sitzung.)
Berichterstatter ist der Abgeordnete Winkelheide.
— Ist das Haus mit dem Verzicht auf den Bericht einverstanden? —
— Ja.
Der Antrag des Ausschusses heißt: den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich muß den Gesetzentwurf selbst zur Abstimmung stellen und rufe auf §§ 1 bis 9, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; die Bestimmungen sind abgelehnt.
Der nächste Punkt, Punkt 5 der Tagesordnung, ist abgesetzt.
*) Siehe Anlage 7.
Ich komme damit zu Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1952 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes .
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Einfluß von Eignungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse (Drucksache 1591);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (Drucksache 1951).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Wienand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der physischen Erschöpfung der Mitglieder dieses Hauses werde ich mich, damit ich Ihr Wohlwollen nicht verliere, so kurz wie möglich fassen.
Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit als federführender Ausschuß hat bei der Beratung des Entwurfs dieses Eignungsübungsgesetzes — ich nenne es hier so auch um der Kürze willen — die Beratungsergebnisse der mitberatenden Ausschüsse, nämlich des Ausschusses für Arbeit, des Ausschusses für Sozialpolitik, des Ausschusses für Beamtenrecht und des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, zur Grundlage genommen und isst zu der Ihnen vorliegenden Fassung gekommen. Ich will mich jetzt auf einige wesentliche Punkte beschränken.
Der Ausschuß hat sich die vom Ausschuß für Arbeit vorgeschlagene Fassung für einen Abs. 1 a des § 1 zu eigen gemacht, weil er glaubte, daß dies eine sehr weitgehende Fassung sei. Mit ihr soll erreicht werden, daß dem Arbeitgeber keine doppelten Belastungen entstehen.
Bei § 2 hat der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit Wert darauf gelegt, daß die Rechtsvermutung bei einer Entlassung durch den Arbeitgeber recht deutlich zum Ausdruck gebracht wird, um dem Arbeitnehmer den nötigen Schutz zu gewähren.
Bei § 3, der nur von Arbeitnehmern spricht, ist Wert darauf gelegt worden, daß eine gleiche Behandlung von Arbeitnehmern, Handelsvertretern und Beamten erfolgt. Es war die einhellige Meinung des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit, daß das Prinzip der gleichen Bewertung Platz greifen sollte und daß keine unterschiedlichen Schutzbestimmungen für Beamte einerseits und Handelsvertreter und Arbeitnehmer andererseits geschaffen werden sollten.
In § 4 ist nichts Wesentliches geändert worden Darin ist lediglich zum Ausdruck gebracht worden, daß der Eignungsübungsteilnehmer, wenn er eine Werkwohnung besitzt, ein Entgelt an den Wohnungseigentümer zu zahlen hat.
Der Fassung des § 5, die Vorschriften für Handelsvertreter bringt, liegen dieselben Gedanken wie der Fassung des § 3 zugrunde. Auch hier ist Wert auf die Gleichstellung gelegt worden.
Mit der Fassung des § 6 hat sich der Ausschuß sehr gründlich beschäftigt. Hier wurden im Ausschuß weitergehende Anträge gestellt. Der Ausschuß kam aber zu der Auffassung, daß die weitergehenden Vorschläge des DGB, die von einigen Mitgliedern des Ausschusses zum Antrag erhoben worden waren, nicht in das Gesetz hineingebracht werden sollten, sondern daß sie der Regierung als Material für die zu erlassenden Rechtsverordnungen überwiesen werden sollten.
Der § 7 ist im wesentlichen nach dem Vorschlag des Beamtenrechtsausschusses angenommen worden. Die im ursprünglichen Regierungsentwurf vorhandenen Einzelbestimmungen sind hier in Form einer Generalklausel zusammengefaßt worden, um den Ländern die Möglichkeit zu Einzelregelungen zu geben.
§ 8 regelt die Fragen der Krankenversicherung. Hier sind keine wesentlichen Änderungen vorgenommen worden. Ich darf auf den Regierungsentwurf verweisen.
§ 9, der die gesetzliche Rentenversicherung behandelt, hat nach unserer Auffassung nunmehr eine bessere Fassung erhalten, weil gewährleistet ist, daß einmal bei nicht erfülltem Zweck der Eignungsübung die Beträge nachgezahlt werden, so daß dem Eignungsübungsteilnehmer keinerlei Nachteile erwachsen können, und zum andern Eignungsübungsteilnehmern, die die Eignungsübung mit einem positiven Ergebnis abschließen und von den Streitkräften übernommen werden, die Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung haben.
§ 10 ist im wesentlichen so, wie es im Regierungsentwurf vorgesehen war, angenommen worden.
Letztlich haben wir im federführenden Ausschuß in § 11 in einem zusätzlichen Absatz die Aufhebung des § 3 des Freiwilligengesetzes bestimmt, weil die Fragen nun in dem Eignungsübungsgesetz weitergehend geregelt sind.
Der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit empfiehlt dem Parlament einstimmig die Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Beratung §§ 1 bis 11, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? — Der Abgeordnete Wienand hat das Wort zur allgemeinen Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird diesem Gesetz zustimmen, weil es zum Schutz der sozialen Sicherstellung der zukünftigen Soldaten — jetzt der Eignungsübenden — dient.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Das Wort zur Geschäftsordnung - zur morgigen Tagesordnung - hat der Abgeordnete Bender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens des Ausschusses für Außenhandelsfragen, die morgige Tagesordnung um folgenden Punkt zu ergänzen:
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen - Aluminiumzollkontingent 1956 -.
Es handelt sich um eine eilbedürftige Vorlage gemäß § 96 a der Geschäftsordnung. In dieser Bestimmung ist vorgesehen, daß die Beratung in der auf die Ausschußberatung folgenden ersten Plenarsitzung stattzufinden hat. Die Bestimmung ist zwingend. Ich bitte Sie deshalb, der Ergänzung der Tagesordnung zuzustimmen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Nein. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dem Vorschlag einverstanden ist.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß der IsraelFilm in einer Viertelstunde, also um 7 Uhr 15, vorgeführt wird.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste, die 121. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 16. Dezember, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.