Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 99. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich einige Mitteilungen zu machen.
Der Abgeordnete Dr. Czermak ist mit Wirkung vom 14. Juli 1955 aus der Fraktion des GB/BHE ausgetreten.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 14. Juli 1955 mitgeteilt, daß sie die Abgeordneten Dr. Czermak und Körner als Mitglieder aufgenommen hat.
Herr Abgeordneter Samwer hat mit Schreiben vom 14. Juli 1955 im Auftrage der Abgeordneten Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Bender, Dr. Eckhardt, Gräfin Finckenstein und Haasler mitgeteilt, daß diese Abgeordneten und er sich zu der Gruppe Kraft/Oberländer zusammengeschlossen haben.
Nach § 10 Abs. 4 der Geschäftsordnung können Mitglieder des Bundestages, die sich zusammenschließen wollen, ohne damit Fraktionsstärke zu erreichen, als Gruppe anerkannt werden. Die Entscheidung liegt beim Plenum des Bundestages. Ich frage, ob diese Gruppenbildung anerkannt wird. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das die Meinung des Hauses.
Noch ein anderes, nicht damit Zusammenhängendes. Der Bundestag hat in seiner 86. Sitzung das Erste Bundesmietengesetz verabschiedet. Dabei ist in der dritten Beratung auf Grund des Änderungsantrags Umdruck 396 beschlossen worden, in § 6 Abs. 1 Satz 1 hinter dem Wort „neuzeitlichen" die Worte „und betriebsfähigen" und in Abs. 1 Satz 2 und in Abs. 2 vor dem Wort „Sammelheizung" das Wort „betriebsfähige" einzufügen. Es wurde jedoch übersehen — ganz offensichtlich durch ein Versehen —, in § 45 die für Berlin geltenden Bestimmungen entsprechend zu verändern.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir dieses Versehen jetzt als offenbaren Irrtum korrigieren? In § 45 Abs. 1 Ziffer 4 würde Abs. 2 des dort zitierten § 13 nunmehr wie folgt lauten — ich lese den ganzen Absatz in dem Wortlaut vor, der der off enbar gewollte war —:
Absatz 1 gilt nicht
1. für eine abgeschlossene Wohnung mit Anschlußmöglichkeiten für Gas- oder Elektroherd, neuzeitlichen und betriebsfähigen sanitären Anlagen innerhalb der Wohnung einschließlich einer Badeeinrichtung mit zentralem oder besonderem Warmwasserbereiter und mit Keller oder entsprechendem Ersatzraum;
2. für eine abgeschlossene Wohnung der in Nummer 1 bezeichneten Art, die keine Badeeinrichtung, aber eine betriebsfähige Sammelheizung aufweist;
3. für eine abgeschlossene Wohnung, die außer der in Nummer 1 bezeichneten Ausstattung eine betriebsfähige Sammelheizung aufweist.
Ist das Haus damit einverstanden, daß in diesem Sinne eine redaktionelle Korrektur vorgenommen wird? — Das Haus ist einverstanden.
Ein weiterer Punkt. Die Eigenschaft als Schriftführer wird nach dem d'Hondtschen System mit Beziehung auf die Fraktionsstärken von dem Hause verliehen. Der Abgeordnete Czermak, der nunmehr aus der Fraktion des GB/BHE ausgetreten ist, hat durch den Übertritt zu der anderen Fraktion seine Schriftführereigenschaft verloren; das ist wenigstens meine Auffassung. Die Fraktion des GB/BHE hat den Abgeordneten Dr. Sornik als Schriftführer vorgeschlagen. Schriftführer sind gemäß § 3 in Verbindung mit § 12 der Geschäftsordnung vom Plenum des Bundestages zu wählen. Ist das Haus damit einverstanden, daß der Abgeordnete Dr. Sornik nunmehr Schriftführer des Hauses ist? — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Nunmehr treten wir in die Tagesordnung ein. Punkt 1 der Tagesordnung lautet:
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelberatung zweiter Lesung und rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — § 4, — Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Einzelaussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Nach der Vereinbarung der Fraktionen im Ältestenrat wollen sich die Fraktionen auf die Abgabe von Erklärungen beschränken.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Mellies.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über den Personalgutachterausschuß für die Streitkräfte habe ich für die sozialdemokratische Fraktion folgendes zu erklären.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt mit Befriedigung fest, daß ihre schon am 26. Februar 1954 erhobene Forderung nach Schaffung eines Personalausschusses mit bestimmt abgegrenzten Befugnissen auf gesetzlicher Grundlage zum großen Teil erfüllt worden ist. Es ist bedauerlich, daß sich die Bundesregierung dieser Forderung, die in den letzten Debatten mit einer einzigen Ausnahme von allen Fraktionen des Hauses erhoben wurde, so lange widersetzt hat.
Das Gesetz macht den Personalausschuß von der Bundesregierung unabhängig. Seine Zusammensetzung und die ihm zustehenden Befugnisse können nur vom Gesetzgeber und nicht von der Bundesregierung verändert werden. Es wird niemand von einem bestimmten Rang an in die Streitkräfte berufen werden können, dessen Einstellung der Personalausschuß nicht bejaht hat. Der Bundestag hat durch das Recht, die Mitglieder des Personalausschusses vor der Ernennung durch den Bundespräsidenten zu bestätigen, Einfluß auf seine Zusammensetzung erhalten. Es ist erfreulich, daß in allen diesen Punkten der Bundestag als Parlament auf seinen Vorrechten gegenüber der Exekutive beharrt hat.
Leider sind auch mit dieser Vorlage nicht alle Wünsche erfüllt. Vor allem fehlt eine Bestimmung,
*) Siehe Anlage 2.
daß auch Beförderungen zu einem bestimmten Rang der Zustimmung dieses Ausschusses bedürfen.
Schließlich ist auch nicht vorgesehen, daß der Ausschuß unmittelbar an das Parlament oder seine Organe berichtet. Mancher Wunsch, so vor allem der nach einer klaren Regelung der für eine Zustimmung erforderlichen Mehrheiten, kann durch die Geschäftsordnung des Ausschusses erfüllt werden. Weitere noch offenstehende Fragen werden sich in der Praxis und Bewährung des Ausschusses lösen lassen. Der Bundestag muß sich aber vorbehalten, die sich in dieser Zeit etwa herausstellenden Lücken des Gesetzes noch zu schließen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt mit Nachdruck fest, daß dieses Gesetz keine Streitkräfte schafft. Mit dem Aufbau von Streitkräften wird mit dem von uns abgelehnten Freiwilligengesetz begonnen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält nach wie vor die außen- und innenpolitischen Voraussetzungen für den Aufbau von Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland für nicht gegeben.
Sie lehnt daher alle Gesetze ab, die unter den augenblicklich gegebenen Voraussetzungen Streitkräfte zu schaffen bestimmt sind. Das Personalgutachterausschuß-Gesetz dagegen soll lediglich die Garantien schaffen, daß, wenn schon durch andere Gesetze mit dem Aufbau der bewaffneten Macht begonnen wird, dann wenigstens durch dieses Gesetz eine sorgfältige Auslese der Bewerber für führende Stellen möglich ist.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt weiterhin fest, daß dieses Gesetz selbstverständlich noch keine Wehrverfassung ist. Alle entscheidenden Grundlagen für eine Wehrverfassung fehlen. Vom Oberbefehl über die Organisation des Verteidigungsministeriums und die Spitzengliederung der Streitkräfte, aus denen allein sich die Form der zivilen Leitung der Streitkräfte ergibt, bis zu den durch entsprechende Organe zu sichernden Kontrollbefugnissen des Parlaments ist bisher nichts geregelt. Der Personalgutachterausschuß ist kein Organ der parlamentarischen Kontrolle über den Aufbau und die innere Gestaltung der Streitkräfte, sondern lediglich ein Organ, das Mißgriffe in der Stellenbesetzung verhindern soll.
Angesichts der erheblichen Bedeutung dieses Gesetzes stimmt ihm die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zu.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Die Aufstellung deutscher Streitkräfte dient der Erhaltung des Friedens in Freiheit.
Sie muß im Geist demokratischer Freiheit und in Achtung vor der Würde der Persönlichkeit erfolgen. Die organisatorische Einordnung der Streitkräfte in den demokratischen Rechtsstaat ist ein
gemeinsames Anliegen des ganzen Volkes. In dieser Verantwortung hat sich die CDU/CSU-Fraktion entschlossen, das Gesetz über den Personalgutachterausschuß zusammen mit den Fraktionen der SPD, der FDP und des GB/BHE einzubringen.
Der Personalgutachterausschuß trägt mit dazu bei, daß Persönlichkeiten, die nach Charakter und staatsbürgerlicher Gesinnung als Führungskräfte geeignet sind, berufen werden. Der Ausschuß soll weiterhin durch Ausarbeitung entsprechender Richtlinien sicherstellen, daß der gesamte personelle Aufbau in allen Stufen unter den gleichen Gesichtspunkten erfolgt. Der Personalgutachterausschuß bietet Gewähr dafür, daß der Aufbau der Streitkräfte sich im Geiste gegenseitigen Vertrauens vollzieht.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Gesetz zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben:
Meine Freunde und ich haben von Anfang an kein Hehl daraus gemacht, daß wir die Überprüfung — praktisch ist es die Auswahl — der höheren Offiziere durch einen Personalgutachterausschuß ablehnen. Die Tatsache, daß sich sowohl im Bericht des Herrn Kollegen Mende wie im Bericht des Herrn Kollegen Schmidt ein Satz befindet, in dem darauf hingewiesen wird, daß sowohl in der ersten wie in der zweiten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages Einmütigkeit unter den Fraktionen in dieser Frage bestanden habe, wie andererseits die Tatsache, daß der Herr Kollege Schmidt hier in seinem Bericht zum Ausdruck brachte, daß die Fraktion der Deutschen Partei keine geschäftsordnungsmäßigen Schwierigkeiten machen werde, entsprechen im ersten Falle nicht dem tatsächlichen Sachverhalt. Im letzten Fall wird die Fraktion der DP deshalb keine Schwierigkeiten machen, weil sie das große Ganze vor ihre Bedenken in diesem speziellen Falle stellt.
Die Gründe, die seitdem zugunsten des Ausschusses vorgebracht worden sind, haben wir sorgfältig geprüft. Sie haben uns jedoch nicht zu überzeugen vermocht. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß wir uns damit gegen die überwiegende Mehrheit dieses Hohen Hauses stellen. Wir glauben nämlich, daß diese Meinung von einer Psychose, einer Zwangsvorstellung beeinflußt wird, die unmittelbar nach 1945 vielleicht noch verständlich war, heute aber längst überwunden sein sollte.
Die Deutsche Partei ist dieser Psychose niemals erlegen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf über den Personalgutachterausschuß nach wie vor ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte von vornherein Mißdeutungen und Mißverständnissen begegnen, indem ich betone, daß auch wir eine Überprüfung der Anwärter für höhere Kommandostellen für richtig halten. Was nach unserer Auffassung verfehlt, ja sogar gefährlich ist, ist das Verfahren, das mit diesem Gesetzentwurf eingeführt werden soll.
Wir wissen, daß der in Frage kommende Personenkreis keine der Sache gemäße Überprüfung zu scheuen braucht. Wenn wir die Entwicklung der letzten 20 Jahre ohne Ressentiment überblicken, möchten wir sogar der Auffassung zuneigen, daß der Soldatenstand in seiner Gesamtheit weniger Veranlassung zu einer Überprüfung bietet als mancher andere Stand.
Ich werde darauf später noch zu sprechen kommen.
— Meine Damen und Herren, ich mache hier nur von meinem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch, wie die anderen Fraktionen des Hauses es auch tun.
Ich habe eben gesagt, daß wir das beabsichtigte Verfahren der Überprüfung für falsch und schädlich halten. Wer einen anderen überprüft — zumal mit so weittragenden persönlichen und sachlichen Folgen —, der muß sich genau darüber im klaren sein, welche Verantwortung er mit seiner Entscheidung auf sich nimmt. Verantwortung ist wiederum eine sehr persönliche Sache. Wenn man sie formal einem Kollektivausschuß zuschiebt, dann gibt es überhaupt keine Verantwortung im strengsten Sinne mehr. Man irrt eben schlimmstenfalls mit dem Kollektiv, oder man kann sich leider gegen die Mehrheit nicht durchsetzen.
Immer sind die Grenzen verwischt. Deshalb kann es nach unserer Auffassung immer nur einen individuellen Träger wirklicher Verantwortung geben, und das ist in diesem Fall der Bundesverteidigungsminister, der ja der Kontrolle des Parlaments untersteht.
Ich wiederhole: Auch wir befürworten eine Überprüfung, sogar eine strenge Überprüfung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Schneider, bezieht sich Ihr Urteil über die Kollektivverantwortung auch auf die Kollektivverantwortung eines Parlaments?
Ich verstehe Ihre Frage, ehrlich gesagt, nicht, Herr Kollege Mende.
Mir ist bekannt, Herr Kollege Mende, daß auch in weiten Kreisen der Koalition zumindest ein gewisses Unbehagen über die Einrichtung des Gutachterausschusses besteht, und ich nehme Sie dabei nicht aus.
Meine Damen und Herren, ich sagte, wir befürworten ebenfalls eine Überprüfung, allerdings nach
Gesichtspunkten, die wahrscheinlich nicht überall die gleichen sind, wie sie ein Teil der Anhänger des Personalausschusses im Auge haben dürfte.
Für uns ist die Erwägung maßgebend: Welche Eigenschaften muß ein Mann besitzen, der Soldaten führen soll — Soldaten, nicht einen Verein von Zivilisten, und da gibt es einen Begriff, der aus der Tradition deutschen Soldatentums gewachsen ist und alles andere in sich schließt: Der Offizier, gerade auch der höhere Offizier, muß Vorbild sein. Dazu gehören Qualitäten — menschliche Qualitäten —, wie sie in so spezifischer Ausprägung kaum ein anderer Stand beansprucht.
Wir halten es nicht für ausreichend, daß jemand ein guter Demokrat und ein versierter Techniker des Waffenhandwerks ist. Das sind selbstverständliche Voraussetzungen. Aber sie machen allein noch keinen vorbildlichen Soldaten und Offizier aus. Dazu gehört, wie ich schon sagte, mehr, nämlich ein gefestigter Charakter, eine vornehme Gesinnung, menschliche Zuverlässigkeit ,und selbstlose Hingabe an den zu verrichtenden Dienst, alles in allem ein guter Schuß in den Idealismus, mag dieses Wort auch heute offenbar aus der Mode gekommen sein.
— Auch Sie, meine Damen und Herren, müssen insgeheim mit diesem Idealismus rechnen, denn Sie können sich doch nicht verhehlen, daß beispielsweise die vorgesehenen Besoldungssätze keineswegs attraktiv genug sind, um kühle Rechner zu veranlassen, sich bei den Streitkräften zu bewerben.
Die Frage ist nun: wie will man herausfinden, wer für höhere Kommandostellen geeignet ist und wer nicht? Die rein technischen Fertigkeiten und Fähigkeiten werden verhältnismäßig leicht zu ermitteln sein. Das wäre auch kaum Aufgabe eines so unterschiedlich zusammengesetzten Personalausschusses. Was die offenbar im Mittelpunkt stehende Einstellung zur Demokratie anlangt, so glauben wir, daß das letzte Jahrzehnt da bereits eine weitgehende Auslese gebracht hat. Wer die Demokratie verneint, hat gewöhnlich aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Dafür gibt es Beispiele genug. Aber, so wird man uns vielleicht entgegenhalten, wie steht es mit den anderen? Kann man jemandem ins Herz schauen? Meine Damen und Herren, wenn man schon so mißtrauisch sein will, antworten wir: Das kann auch kein Ausschuß. Es ist möglich, daß sich jemand als 150%iger Demokrat gebärdet, der im Grunde seiner Seele nichts weiter ist als ein bedenkenloser Opportunist. Wir fürchten sogar, daß ein Personalausschuß auf solche geschickte Leute am ehesten hereinfallen könnte,
denn er muß sich ja in der Hauptsache an das
halten, was ihm schwarz auf weiß vorgelegt wird.
Meine Freunde von der Deutschen Partei sind der Auffassung, daß man die charakterliche Eigenschaft eines Menschen, auf die es doch in erster Linie ankommt, mit Hilfe schematischer Richtlinien und auf Grund von Fragebogen, polizeilichen Führungszeugnissen, Unbedenktlichkeitsbescheinigungen von Parteisekretariaten, Kirchenbehörden usw. nicht bewerten kann.
Was einer ist und nicht nur zu sein scheint, das zeigt sich am besten im persönlichen Umgang. Seinen Kameraden kann der Soldat, seinen Soldaten kann der Offizier auf die Dauer kein X für ein U vormachen. Man sollte daher in erster Linie auf deren Urteil zurückgreifen. Vor allem das Verhalten bei und nach dem Zusammenbruch und während der Gefangenschaft kann eine wichtige Quelle der Erkenntnis sein. Denn als sich die militärische Ordnungsgewalt aufgelöst hatte, zeigte sich, welche menschliche Substanz in dem einzelnen Menschen steckte.
Ich fasse zusammen: um die charakterlichen Qualitäten zu erkennen, muß jeder Fall individuell geprüft werden. Es muß dies unter Verantwortlichkeit einer leibhaftigen Person, nämlich des Bundesverteidigungsministers geschehen, dem ein Ehrenrat beratend zur Seite stehen könnte.
Nur so werden wir die — ich betone: auch von uns —als überaus wichtig anerkannte Auslese befriedigend vornehmen können. Ein Personalausschuß ist, wie gesagt, einer so diffizilen Aufgabe nicht gewachsen. Er ist seiner Entstehung nach ein politisches Gremium und kann infolgedessen gar nicht anders, als die Dinge durch eine gewisse politische Brille zu betrachten. Wir möchten sogar annehmen, daß es vielfach eine parteipolitische Brille sein wird.
Lassen Sie mich hier eine Bemerkung über den Ausschuß selbst einflechten. § 2 der Vorlage regelt seine Bestallung; dabei heißt es im letzten Satz: „Der Vorschlag der Bundesregierung bedarf der Bestätigung durch den Bundestag; eine Aussprache findet nicht statt." Meine Freunde und ich können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß den Vätern dieses Gesetzentwurfs nicht ganz wohl war bei dem Gedanken, der Ausschuß könnte, bevor er überhaupt tätig wird, selber zur Zielscheibe parteipolitischer Auseinandersetzungen werden. Anders kann ich die Bestimmung nicht verstehen, daß der Bundestag ohne Aussprache, d. h. doch gleichsam hinter verschlossenen Türen über die personelle Zusammensetzung des Ausschusses befinden soll. Was Sie damit aber nicht verhindern können, ist, daß &ne solche, unerwünschte Diskussion in der Öffentlichkeit unter Umständen nun gerade inszeniert wird,
entweder mit dem Ziel, den einen oder den anderen Ausschußkandidaten, der der einen oder der anderen Richtung unbequem erscheint, schon vorher abzuschießen, oder mit dem noch hintergründigeren Ziele, Unruhe hervorzurufen und das praktische Wirksamwerden der Wehrgesetzgebung, wenn möglich, hinauszuzögern.
Meine Damen und Herren, ,daß die von mir vorgebrachten Bedenken berechtigt sind, vermag ich damit zu beweisen, daß in einer der letzten Sitzungen des Sicherheitsausschusses ein Sprecher der Opposition Bedenken gegen einen von einer anderen großen Fraktion benannten Kandidaten und gegen dessen politische Vergangenheit und Tätigkeit im sogenannten Dritten Reich äußerte. Es stellte sich dann zur größten Überraschung heraus, daß der betreffende Angegriffene langjähriges Landtagsmitglied einer Partei ist, die hier die große Mehrheit im Hause hat. Das ist ein schlagendes Beispiel dafür, daß derartige Dinge leicht zu einer
parteipolitischen Gesinnungsschnüffelei führen können und damit das eintritt, was wir alle befürchten.
Meine Damen und Herren, Sie können es auffassen, wie Sie wollen: dieses Kind, genannt Personalausschuß, ist, obwohl oder gerade weil es so viele Taufpaten hat, von vornherein politisch, sagen wir ruhig auch: parteipolitisch. Damit aber setzt man die Streitkräfte, noch ehe der erste Mann aufgestellt ist, dem Einfluß gewisser politischer Kräfte aus.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich sehen indessen noch eine andere, ebenso ernste Gefahr in dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Er stellt — das kann niemand bestreiten — den Soldaten unter ein Sonderrecht. Man will damit angebliche oder wirkliche Fehler der Vergangenheit vermeiden, übersieht jedoch, daß man einen wohl unbestrittenen Fehler genau zu wiederholen im Begriff ist.
Meine Damen und Herren, wenn Sie auf der einen Seite an den künftigen deutschen Soldaten alle nur denkbaren zivilen oder, sagen wir, auch demokratischen Maßstäbe anlegen, ihn aber andererseits in der Frage der personellen Auslese einem Ausnahmerecht unterwerfen wollen, so ist das nach unserer Auffassung ein Widerspruch in sich selbst. Wollen Sie diesen Widerspruch in das Gesetz für die künftige Wehrmacht mit einbauen? Das würde doch heißen, daß sich die Wehrmacht einem diesmal sogar gesetzlich deklarierten Mißtrauen ausgesetzt fühlen müßte. Das wiederum würde ein Gefühl der Isolierung in ihr wecken, das wir als äußerst gefährlich betrachten.
Wenn es wahr ist, daß die Reichswehr in der Weimarer Republik zu einem Staat im Staate geworden ist, dann liegt hierin der Grund. Will man die künftigen Streitkräfte also auch in eine Abwehrstellung gegen die politischen Organe hineintreiben? Daß dies die Reaktion auf eine unfreundliche Aktion wäre, wie es dieses Gesetz darstellt, liegt leider nur allzusehr auf der Hand.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben noch ein anderes, staatsrechtliches Bedenken gegen die Vorlage. Mit der Einsetzung des Personalausschusses, vor allem mit seiner gesetzlichen Verankerung, würde ein grundlegendes Verfassungsprinzip, und zwar das der Ministerverantwortlichkeit, durchbrochen werden. Beschwört man damit nicht die Gefahr herauf, daß die Wehrgesetzgebung durch eine Verfassungsklage, die nun allerdings nicht von unserer Seite kommen würde, abermals verzögert wird?
Ich fasse unsere Bedenken zusammen. Mit diesem Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, stehen wir im Begriff, den richtigen Ansatzpunkt für die gesamte Wehrgesetzgebung zu verfehlen.
Meine Freunde von der Deutschen Partei und ich können und wollen nicht die Hand dazu bieten, daß dieses Gesetzgebungswerk und die Aufstellung einer Wehrmacht überhaupt auf überlebten Ressentiments aufgebaut wird. Das Mißtrauen gegen die künftigen Soldaten ist damit scheinbar begründet, nach unserer Auffassung allerdings nicht. Diese
Männer haben nach dem Zusammenbruch ihre loyale und anständige Haltung gegenüber dem demokratischen Staate bewiesen, wenn ich von einigen Ausnahmen absehe, die es in allen anderen Berufssparten auch gibt.
Und weiter: Wer glaubt denn im Ernst daran, daß in diesem Zeitalter der Massen und der bis ins letzte verfeinerten politischen Organisation des Staates eine eigene Militärpolitik überhaupt noch denkbar wäre? Im Gegenteil, wenn es hier Gefahren gibt, dann sehen wir sie von der anderen Seite her, nämlich darin, daß politische Kräfte wiederum die Wehrmacht eines Tages mißbrauchen könnten. In Deutschland ist im Gegensatz zu anderen Ländern noch kein Usurpator auf der Spitze der Bajonette an die Macht gekommen. Der größte Usurpator aller Zeiten hat den Soldaten nur mißbrauchen können, weil ihm mit dem demokratischen Mittel des Stimmzettels die Möglichkeit dazu gegeben worden war.
— Meine Damen und Herren, das ist eine Tatsache, die können Sie nicht leugnen.
Meine Damen und Herren, ich habe unsere Auffassung hiermit eingehend dargelegt. Die Fraktion der Deutschen Partei wünscht nichts sehnlicher, als daß die von mir vorgebrachten Bedenken sich eines Tages doch als unbegründet erweisen mögen. Die Beschlußfassung über den Personalgutachterausschuß und die vorgelegte Namensliste muß meine Fraktion ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man braucht nicht die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu kennen, um festzustellen, daß der Herr Vorredner von der Vereinbarung im Ältestenrat, kurze Erklärungen abzugeben, abgewichen ist.
Das zwingt mich meinerseits, mich für die Fraktion der Freien Demokraten nicht auf eine kurze Erklärung zu beschränken, sondern sowohl die grundsätzliche Stellungnahme der Freien Demokraten darzulegen wie auch auf einige ungerechtfertigte Angriffe des Herrn Vorredners auf den Personalgutachterausschuß und auf die Antragsteller zu antworten.
Der Ursprung des Personalausschusses liegt in dem vor Jahren den Fraktionen dieses Hauses übermittelten Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, aus den Erfahrungen beim Aufbau des Auswärtigen Amtes gewisse Konsequenzen zu ziehen und die kommenden Offiziere der Wehrmacht, soweit es menschenmöglich ist, aus dem Beschuß der politischen Parteien, Verbände und der öffentlichen Meinung dadurch herauszuheben, daß ein aus Persönlichkeiten von höchstem Rang gebildeter Ausschuß bei der Einstellung der höheren Offiziere mitberatend tätig sein soll.
Ich wundere mich, daß die Fraktion der Deutschen Partei in diesem Fall dem Wunsch des Herrn Bundeskanzlers nicht Rechnung trägt. Sie war im 1. Deutschen Bundestag, wie Herr Dr. Mühlenfeld, der seinerzeitige Fraktionsvorsitzende, es sagte, die Opposition in der Koalition. Inzwischen hat sich die Fraktion der Deutschen Partei doch zum getreuesten Koalitionsknappen des Kanzlers entwickelt.
Ich sehe nun einen Widerspruch zu diesem doch „getreuen Knappen-Verhältnis" zu Seiner Majestät dem Herrn Bundeskanzler,
wenn Sie ihm nunmehr in der Frage, die sein ureigenstes Anliegen seit Jahren gewesen ist, Schwierigkeiten machen.
— Frau Kollegin Kalinke, auf Ihre liebenswerten Zwischenrufe hat das Haus bereits geantwortet.
Ich darf zunächst daran erinnern, daß der Plan, bei der Aufstellung einer Armee nach einer turbulenten Zeit auch entsprechend besondere Maßnahmen zu treffen, nicht neu ist. Ich wiederhole das, was ich schon bei der ersten Lesung des Freiwilligengesetzes als Erwiderung auf die Ausführungen des Kollegen Matthes gesagt habe: Nach dem deutschen Zusammenbruch am Anfang des vorigen Jahrhunderts hat beim Wiederaufbau der preußischen Armee auch die Institution von Ehrenkammern eine Überprüfungsarbeit bis herauf zu den Feldmarschällen geleistet, und es hat sich damals, nach 1813, als richtig herausgestellt, zu prüfen, wie sich die Offiziere im Zusammenbruch und auch nach dem Zusammenbruch verhalten hatten, insbesondere in der Erfüllung ihrer verantwortlichen Aufgaben beim Zusammenbruch. Wir haben also in unserer eigenen Geschichte hierfür ein Vorbild.
Der Personalgutachterausschuß soll eine doppelte Funktion haben. Er soll zunächst die Abschirmung der auserwählten Offiziere gegenüber der öffentlichkeit übernehmen. Wir wissen doch, wie leider, insbesondere in der Bonner Atmosphäre, bei Personalfragen leicht ein Klima entstehen kann, das der Sache nicht dienlich ist. Gerade weil wir eben das schlechte Klima vermeiden wollen, das wir manchmal beobachten, weil wir ebén nicht wollen, daß die Personalauslese mittels Dossiers erfolgt, soll ein solcher Ausschuß die allgemeine Abschirmung vornehmen. Ich zitiere jetzt den Kollegen Erler aus dem Ausschuß: Wenn dieser Ausschuß aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens keine Bedenken gegen die persönliche Eignung — nicht die fachliche, die steht nicht zur Diskussion — erhoben hat, so müssen wir uns — so sagte der Kollege Erler — schützend vor diesen Mann stellen, und zwar alle politisch tragenden Kräfte Deutschlands, wenn er, von wo auch immer, dann angegriffen werden sollte. — Ich sehe in diesem Wort eines Vertreters der Opposition gerade den Beweis für die Richtigkeit der Auffassung des Herrn Bundeskanzlers, eine solche Institution müsse die
Funktion erfüllen, die Kollege Erler im Ausschuß richtig dargelegt hat. Wir wissen doch, meine Damen und Herren, daß wir manchmal von einem Bundesschießplatz Bonn reden können, schon bei der Anstellung von Zivilisten. Was erst, wenn Anstellungen im militärischen Bereich erfolgen müssen! Der Herr Kollege Stücklen wird mir bestätigen: Es genügt in Bonn manchmal nur ein über den Tisch des Ältestenrats hingeworfenes Bonmot eines Mitglieds dieses Hauses, um gleich Reflexwirkungen und Vermutungen eines Koalitionsbruchs bis ins Kabinett auszulösen.
Die zweite Aufgabe dieses Ausschusses, neben dieser Abschirmungsfunktion, liegt in einer Prüfung des Verhaltens der Offiziere, insbesondere in der Zeit des Zusammenbruchs und in der Zeit zwischen 1945 und 1955. Hier läßt sich nicht leugnen, Herr Kollege Schneider, daß zwar die überwältigende Anzahl der Offiziere sich ihrer Verantwortung auch in der Todesstunde der deutschen Wehrmacht bewußt war, sie mit ihren Männern das harte Los der Gefangenschaft getragen haben und bis zuletzt sich ihrer Verpflichtungen aus ihrem officium — denn Offizier kommt von dem officium, von der Pflicht, die dann erst gewisse Rechte gibt und nicht umgekehrt — bewußt waren. Wir wissen aber auch, daß es Offiziere auch höchsten Ranges gegeben hat, die ihre Verbände in der Todesstunde der deutschen Wehrmacht im Stich ließen
und in krachledernen Hosen sich in die eigene Sicherheit retteten ohne Rücksicht auf die Zehntausende ihrer Männer, die ihnen anvertraut waren.
Hier ist die Spreu vom Weizen zu sondern und darauf achtzugeben, daß die überwältigende Zahl der pflichtbewußten Offiziere wiederkommen darf, aber niemand aus dem Kreis der Verräter ihrer eigenen Institution, ihrer Pflicht und der Kameraden. Das ist die zweite Aufgabe des Personalgutachterausschusses.
Und zum andern: Beobachten wir nicht nach 1945 eine Radikalisierung auch eines Kreises ehemaliger höherer und höchster Offiziere? Wir müssen es zutiefst beklagen, daß tapfere Soldaten des zweiten Weltkrieges, auch höchster Ränge, nachdem sie durch die Hilfe dieses Hauses aus westlichen oder östlichen Gefängnissen befreit wurden, in einer manchmal der Demokratie an die Grundlagen gehenden Weise Kritik an diesem Staat üben und ihn bekämpfen.
Auch hier wird ein solcher Ausschuß dafür sorgen müssen, daß Menschen dieser Art vom Wiederaufbau einer deutschen Wehrmacht ausgeschlossen werden.
Es scheint mir viertens zweckmäßig zu sein, einen Ausschuß mit dieser Auslese mitberatend zu beauftragen, auch um zu verhindern, daß, wenn diese Aufgabe nur in einem politisch kontrollierten Ministerium liegt, vielleicht die Einstellung nach parteipolitischen oder konfessionellen Quoten erfolgen könnte. Auch das wird dieser Ausschuß zumindest erschweren, wenn nicht sogar verhindern können.
Ich bin es, glaube ich, auch den Personen, die dieses Haus vorgeschlagen hat, schuldig, sie vor den Mißdeutungen in Schutz zu nehmen, denen sie unterworfen sein müßten, wenn Ihre Ausführungen, Herr Kollege Schneider, unwidersprochen im Raume blieben.
Ich sehe überhaupt in Ihrem Angriff, den Sie hier soeben gegen den Personalgutachterausschuß geführt haben, den ersten Angriff auf eine gemeinsame Wehrpolitik dieses Hauses.
Ich bin glücklich, daß nun wenigstens unter dem ersten Wehrgesetz auch die Unterschrift der Opposition steht und daß die Opposition dieses Hauses sich in dieser wichtigen Frage nunmehr mitverantwortlich eingeschaltet hat. Sie gefährden das, was wir erreicht haben, wenn Sie dem Personalausschuß eine Deutung geben, die draußen vielleicht zu parteipolitischen Erfolgen führen könnte, der Demokratie aber nicht dient. Mit der Ablehnung des Personalgutachterausschusses sollte man nicht parteipolitische Tendenzen verbinden wollen, etwa: ,,Seht, die anderen sind mißtrauisch und wollen auch kontrollieren! Aber wir, die Deutsche Partei, wir wollen das nicht! Ihr seht, wir sind doch die besseren Nationaldemokraten!"
Meine Damen und Herren, so soll es nicht sein.
Ich darf daran erinnern, Herr Kollege Schneider — nun darf auch ich parteipolitisch werden —, daß die Freien Demokraten sich gegen den Unsinn einer Entnazisierung und Entmilitarisierung schon zu einer Zeit gewehrt haben, als die Deutsche Partei in Niedersachsen noch eine „Niedersächsische Landespartei" und mehr welfische als deutsche Partei war.
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem mein Herr Vorredner auf die Stellungnahme der Deutschen Partei schon ausreichend erwidert hat, befinde ich mich in der glücklichen Lage, wieder zu der Vereinbarung des Altestenrats zurückzukehren
und im Auftrage der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE kurz erklären zu können, daß wir es mit Genugtuung begrüßen, daß die schon bei der ersten Lesung des Freiwilligengesetzes von uns gegebene Anregung aufgenommen und ein besonderes Gesetz über den Personalgutachterausschuß aus der Initiative von vier Fraktionen dieses Hauses geschaffen worden ist.
Mit diesem Gesetz ist der Personalgutachterausschuß zu einer Einrichtung geworden, die vom Deutschen Bundestag als dem höchsten politischen Willensträger des deutschen Volkes mitgetragen wird und deren Entscheidungen daher, wie wir hoffen dürfen, auch die entsprechende Achtung in der Öffentlichkeit erfahren werden. Ich glaube, daß die Bedeutung und die Stellung, die dem Ausschuß auf diese Weise gegeben ist, alle Bedenken oder Befürchtungen, die von irgendeiner Seite noch gegen
diese Einrichtung gehegt werden sollten, ausräumen müßten. Wir hoffen, daß der Personalgutachterausschuß seiner großen staatspolitsichen Aufgabe dahin gerecht wird, daß nur die besten und geeignetsten der noch zur Verfügung stehenden früheren Offiziere in der neuen Wehrmacht an führender Stelle Verwendung finden werden. Wir werden sowohl dem Gesetz selbst wie auch der Vorschlagsliste unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mende hat es für nötig gehalten, hier in einer Form über persönliche und politische Dinge zu sprechen, die meines Erachtens nicht zu diesem hier zur Behandlung stehenden Thema gehören.
— Mich bringen Sie nicht aus dem Konzept; nehmen Sie das ein für allemal zur Kenntnis! —
Herr Kollege Mende hat hier meine Fraktion als die „getreuesten Knappen des Bundeskanzlers" bezeichnet. Ich erkläre dazu, daß es uns eine Ehre war, daß wir in den ganzen vergangenen Jahren unsere eigene politische Meinung konsequent und gerade verfolgt haben
und daß wir nicht so einen demokratischen Eiertanz aufgeführt haben, wie es die FDP im Bundesgebiet bisher immer getan hat.
Diese Partei ist ja nachgerade unglaubwürdig geworden.
Außerdem sprach aus den Ausführungen des Herrn Dr. Mende noch eine erhebliche Unsicherheit und Verärgerung darüber — und damit ist das unterstrichen, was ich hier schon ausgeführt hatte —, nämlich daß zum mindesten in Kreisen der Koalitionsfraktionen ebenfalls stärkste Bedenken gegen diesen Personalgutachterausschuß bestehen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht notwendig, daß Herr Kollege Mende sich hier auf Grund meiner Ausführungen vor die Mitglieder des Personalgutachterausschusses stellen zu müssen glaubt. Wir sind als konservativ denkende Menschen weit davon entfernt, irgendjemand persönlich zu diffamieren.
— Sie haben ja keine Ahnung von Geschichte, wenn Sie so etwas sagen.
Meine Damen und Herren, ich erkläre hier für die
Fraktion der Deutschen Partei klar und ausdrücklich, daß es uns selbstverständlich fernliegt, irgendeiner Persönlichkeit des Personalgutachterausschusses persönlich zu nahe treten zu wollen, daß wir und aber mit aller Entschiedenheit gegen die Methode, die Sie hier zu handhaben belieben, wenden werden. Wir erklären außerdem ausdrücklich, daß selbstverständlich auch meine politischen Freunde 'dagegen sind, daß etwa undemokratische und unliebsame Elemente in der neuen Wehrmacht einen Platz haben werden. Aber das herauszufinden, ist Sache des Bundesverteidigungsministers und nicht eines außerparlamentarischen Ausschusses.
Ich wiederhole noch einmal das, was ich vorhin sagte. Es ist eine geradezu groteske Situation, wenn im Sicherheitsausschuß des Bundestages ein Mitglied einer großen Fraktion Vorwürfe gegen die Benennung irgendeines Mitgliedes des Personalgutachterausschusses erhebt und sich dann hinterher herausstellt, daß der Betreffende seit Jahren Landtagsmitglied einer anderen großen demokratischen Partei ist. Damit ist doch schlagend bewiesen, was letzten Endes mit diesem ganzen Gutachterausschuß verfolgt werden soll. Sollen wir etwa dahin kommen, meine Damen und Herren, daß wir einen Gutachterausschuß zur Begutachtung des Personalgutachterausschusses einrichten, oder ist der Sicherheitsausschuß oder soll der Personalgutachterausschuß etwa eine permanente Entnazifizierungskommission sein? Das können wir unter keinen Umständen dulden.
Da der Personalgutachterausschuß die ausschließliche Aufgabe hat, die Gesinnung letzten Endes — —
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein! — Da der Personalgutachterausschuß die ausschließliche Aufgabe hat, die charakterliche und gesinnungsmäßige Einstellung der einzelnen höheren Offiziere zu prüfen, besteht nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland nach 1945 leider Gottes gemacht haben, die Gefahr, daß die Dinge fortgesetzt werden, die sich zum Nachteil unseres ganzen Volkes ausgewirkt haben und die doch letzten Endes dazu geführt haben, daß wir heute in Wahrheit auch noch nicht den innerpolitischen Frieden haben, den wir brauchen und den wir besonders in einem Moment brauchen, wo wir uns anschicken, eine neue Wehrmacht aufzustellen.
Es ist dem Herrn Kollegen Mende in den Sitzungen des Sicherheitsausschusses vorbehalten geblieben, stets und ständig von der potentiellen Gefahr einer neuen Wehrmacht für den demokratischen Staat zu sprechen. Er gebrauchte einmal sogar das Wort: Das Leben ist lebensgefährlich, eine Wehrmacht ist für den demokratischen Staat lebensgefährlich. — Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: wenn wir mit einem solchen Mißtrauen an die Aufstellung neuer Streitkräfte in Deutschland herangehen, dann befürchten meine Freunde und ich, daß das zu nichts Gutem führen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In die Sachdebatte möchte ich nicht mehr einsteigen; aber die Ausführungen des Kollegen Schneider zwingen mich doch, ein paar kurze Bemerkungen zu machen.
Zunächst eine Berichtigung hinsichtlich der geschichtlichen Vorgänge. Herr Schneider scheint der Auffassung zu sein, daß er so ziemlich der einzige im Hause sei, der etwas von der Geschichte wüßte.
Aber, Herr Kollege Schneider, wenn das der Fall wäre, hätten Sie hier nicht die Behauptung aufgestellt, daß die Bevölkerung mit dem Stimmzettel dem „größten Feldherrn aller Zeiten" die Möglichkeit gegeben habe, seine verbrecherische Politik zu führen. Diese Möglichkeit wurde ihm durch die Abstimmung im deutschen Reichstag am 23. März 1933 gegeben,
als er für das Ermächtigungsgesetz die Zweidrittelmehrheit bekam, und Sie wissen ganz genau, wer ihm damals die notwendige Schützenhilfe geleistet hat. Das waren auch die Kreise, die Sie heute hier im Bundestag vertreten!
Meine Damen und Herren, wenn eins die Notwendigkeit dieses Ausschusses bewiesen hat, dann sind es die Ausführungen, die der Kollege Schneider hier gemacht hat.
Denn seine Ausführungen haben bewiesen, daß dieser Personalgutachterausschuß nötig ist, um die künftigen Streitkräfte vor denen zu bewahren, die aus der Geschichte nichts gelernt haben.
Offenbar gibt es für Herrn Schneider nur Erfahrungen aus der Zeit nach 1945, aber nicht aus der Zeit von 1933 bis 1945.
Die Diffamierung, die Vordiffamierung — ich gebrauche jetzt ein schärferes Wort als der Kollege Mende —, die der Abgeordnete Schneider hier gegenüber der Arbeit des Personalgutachterausschusses ausgesprochen hat, weise ich mit aller Entschiedenheit und aller Schärfe zurück. Wenn Sie die Protokolle des Ausschusses gelesen oder wenn Sie selbst dauernd an den Sitzungen teilgenommen hätten, dann hätten Sie das über die Arbeit des Personalgutachterausschusses nicht gesagt, was Sie hier ausgeführt haben.
— Nein, das hätten Sie nicht gesagt; denn dann hätten Sie es wider besseres Wissen und Gewissen sagen müssen!
Und wenn Sie behaupten, Sie kennen die Dinge, dann sage ich Ihnen jetzt von dieser Stelle: dann sind Ihre Ausführungen hier wider besseres Wissen und Gewissen gemacht worden.
Sie haben Ihrer Sache selbst den schlechtesten Dienst erwiesen.
— Nein, nicht nach meiner Ansicht! Wir werden auf diese Angelegenheit noch wiederholt zurück4ommen müssen, Herr Kollege Schneider. Sie haben ihr damit den schlechtesten Dienst erwiesen. Ich möchte noch einmal wiederholen: Diejenigen Fraktionen dieses Hauses, die diesen Antrag eingebracht haben, haben durch Ihre Ausführungen die Bestätigung für die Richtigkeit ihres Vorgehens bekommen, und wir können Ihnen deshalb für Ihre Ausführungen nur dankbar sein — und die gesamte deutsche Öffentlichkeit dazu!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte nicht die Absicht, in dieser Debatte das Wort zu nehmen,
(Stürmische Heiterkeit und Beifall. —
Abg. Dr. Königswarter: Nur schöne!
— Große Unruhe.)
Sie würdigen mit Ihrem Gelächter das Niveau in dieser Debatte!
Meine Damen und Herren, Sie haben den Sinn dieser Bemerkung der Frau Rednerin mißverstanden.
Ich kann warten.
Ich kann warten.
Ich kann warten, meine Herren!
Wenn die linke Seite des Hauses mit dem Lärm, der eines Jahrmarkts würdig ist, über so ernste Fragen der Nation zu sprechen wünscht,
Meine Damen und Herren, ich bitte, der Frau Abgeordneten das Reden nicht so sehr zu erschweren.
Ich habe nicht die Absicht, mich mit der linken Seite des Hauses zu beschäftigen, auch nicht in deren Ton, sondern ich wollte nur Herrn Mende auf seine Ausführungen antworten, nachdem er es für notwendig befunden hat, sich mit der Niedersächsischen Landespartei zu befassen, die die Vorgängerin der Deutschen Partei ist und als deren Abgeordnete ich die Ehre hatte, im Niedersächsischen Landtag und im Zonenbeirat in gleicher Weise mich mit Menschen auseinandersetzen zu müssen, die glaubten, mit Fragebogen und mit Untersuchungsmethoden sehr fragwürdiger Art den Charakter feststellen zu können. Meine Herren, ich bedaure außerordentlich, daß wir uns in einer so ernsten Stunde wiederum mit der linken Seite des Hauses auseinandersetzen müssen, in einer Stunde, in der die Nation allen Grund hätte, einig zu sein.
Wenn Sie glaubten, die Erklärungen meines Parteifreundes Schneider in der Methode des Wahlkampfes beantworten zu müssen, dann erkläre ich Ihnen als Sprecherin der Deutschen Partei, daß wir Frauen der Meinung sind: Es gibt Stunden in der Nation, in denen das Gewissen uns befiehlt zu reden, weil Schweigen ein Unrecht wäre!
Wir haben es nie an dem Mut mangeln lassen zu warnen, wenn Reden notwendiger war als Schweigen! Unser Standort ist aber eine Welt weit von der Ihren entfernt. Deshalb lehne ich es mit dieser Erklärung entschieden ab, hier, von wem immer es sei — von rechts oder von links —, den konservativen und verantwortungsbewußten Standpunkt, den die Deutsche Partei ohne alle politischen Geschäfte auch in der Koalition vertreten hat, angreifen zu lassen.
Der Standpunkt der Deutschen Partei war seit 1949 auch in diesem Hause: staatspolitische Verantwortung und nicht parteipolitisches Geschwätz oder Geschäft!
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Ich will zunächst nur feststellen, daß die kleinste Partei und die kleinste Fraktion dieses Hauses leider heute hier bisher den größten akustischen Raum eingenommen hat.
Ich darf antworten auf den Vorwurf des Herrn Kollegen Schneider, ich hätte im Ausschuß die Wehrmacht als potentielle Gefahr bezeichnet. Ich habe erklärt, daß bei der Aufstellung einer Wehrmacht durch das Eintreten von 500 000 Waffenträgern modernster technischer Ausrüstung eine erhebliche soziologische Strukturveränderung in ler Demokratie entstehe und daß die Demokratie daher die Pflicht habe, dafür zu sorgen, daß die
Wehrmacht Objekt der Politik werde, daß die Eigenverantwortlichkeit der Politiker und Parlamente nicht ausgehöhlt werde und daß kein Staat im Staate entstehen könne, wie das leider durch die Fehlentwicklung in der Weimarer Zeit der Fall gewesen sei. Ich bedauere, daß der Kollege Schneider meine Ausführungen, die ich als Berichterstatter beim Freiwilligengesetz noch wesentlich unterbauen kann durch das, was der Kollege Heye, der dienstälteste und erfahrenste ehemalige Soldat des Deutschen Bundestages, aus den gleichen Sorgen zum § 2 c ausgeführt hat, nicht verstanden hat oder nicht verstehen konnte oder wollte. Ich bitte den Vorsitzenden des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit, dafür Sorge zu tragen, daß die unrichtigen Ausführungen des Kollegen Schneider auf Grund der stenographischen Protokolle, die im Ausschuß geführt wurden, berichtigt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung.
Da keine Änderungsanträge vorliegen, stimmen wir sofort über das Gesetz im ganzen ab. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen und bei Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2:
Bestätigung des Vorschlages der Bundesregierung gemäß § 2 des Personalgutachterausschuß-Gesetzes .
Ich habe zunächst eine Berichtigung zu Ziffer 32 der Liste vorzunehmen: bei Professor Dr. Stier muß es statt „München" heißen „Münster".
Eine Aussprache zu diesem Punkt ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer bereit ist, diese Liste — Drucksache 1619 — zu bestätigen, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Gegenstimmen und bei Enthaltungen ist diese Liste bestätigt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Drucksache 1467);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit (Drucksache 1600).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mende. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt zur Sache der Schriftliche Bericht auf Drucksache 1600 vor*). Ich kann mich auf wenige mündliche Ergänzungen und Erläuterungen dieses Schriftlichen Berichts beschränken.
*) Siehe Anlage 3.
Aus dem Allgemeinen Teil ist zu erwähnen, daß bei der Auseinandersetzung darüber, ob man nicht vor dem Freiwilligengesetz die verfassungsrechtlichen Grundlagen regeln und insbesondere die Drucksachen 124, 125 und 171 vor dem Freiwilligengesetz behandeln solle, auch von Vertretern der Koalition zum Ausdruck gebracht worden ist, der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit sollte nach dem Freiwilligengesetz unverzüglich an die Beratung dieser Anträge auf Ergänzung des Grundgesetzes herangehen.
Bezüglich der Begrenzung des Freiwilligengesetzes nach der Sache darf ich auf das verweisen, was der Bundesverteidigungsminister in dem Ausschuß erklärt hat: dieses Freiwilligengesetz soll erstens die Besetzung internationaler Stäbe ermöglichen, zweitens die Übernahme der amerikanischen Außenhilfe, drittens die Durchführung von Lehrgängen, viertens die personelle Ausgestaltung des Verteidigungsministeriums und fünftens die Vorbereitung von bodenständigen militärischen Einrichtungen.
Hinsichtlich der Gesamtzahl der nach dem Freiwilligengesetz einzustellenden Soldaten wurde seitens des Ausschusses eine Aufschlüsselung nach Rängen, Funktionen und Organisationen gewünscht; Sie finden diese Aufschlüsselung auf Seite 2. Bei den 6000 einzustellenden freiwilligen Soldaten sind vorgesehen: 3000 Offiziere — vorwiegend der unteren Ränge —, 1500 Unteroffiziere und 1500 Angehörige des Mannschaftsstandes; bei den oberen Offizieren etwa 26 Generale und 275 Obersten.
Wichtig für die Mitglieder des Hauses ist bei der Besoldung die Feststellung, daß der Ausschuß die Besoldungsordnung, die für den Bundesgrenzschutz gilt, abgelehnt hat, weil sie ihm reformbedürftig erscheint. Die Bundesgrenzschutzbesoldung ist anerkanntermaßen zu niedrig. Sie führt dazu, daß Ehefrauen von Angehörigen unterer oder mittlerer Dienstgrade gezwungen sind, berufstätig zu sein, um den Familienunterhalt sicherzustellen. Wir glauben der Wehrmacht das nicht zumuten zu können und hoffen, daß die Erhöhung der Bundesgrenzschutzbesoldung in diesem Hause bald beschlossen werden kann.
Bei den Ihnen auch aus der Presse bekannten Grundgehältern der Besoldungsordnung handelt es sich um das Grundgehalt ohne Einbeziehung des Wohnungsgeldes und der Kinderzulagen. Die Beträge werden also jeweils noch erheblich höher. Bei denen, die auf eine Truppenverpflegung angewiesen sind, also meistens bei den Angehörigen des Mannschafts-, zum Teil auch des Unteroffizierstandes, wird nach der Auskunft des Bundesministers für Verteidigung jeweils ein Betrag von 80 DM monatlich von den angegebenen Gehältern abgezogen werden.
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 2 a hat eine lange Diskussion nicht nur im Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, sondern auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und im Beamtenrechtsausschuß ausgelöst. Alle drei Ausschüsse waren der Meinung, daß die Regelung, wie sie hier vorgesehen ist, nicht glücklich sei. Man könne das Recht der Haushaltsbewilligung, das dem ganzen Hause zustehe, nicht an zwei Ausschüsse delegieren. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich erklärt, daß
er ernste verfassungsrechtliche Bedenken habe, daß hier Parlamentsausschüssen Rechte übertragen würden, die nur dem Parlament selbst zustünden. Der Rechtsausschuß hat jedoch angesichts der vorliegenden besonderen Gründe und bei der gegebenen außergewöhnlichen Lage seine verfassungspolitischen Bedenken zurückgestellt. Er hat aber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß hierdurch kein Präjudiz für weitere Fälle geschaffen werden solle. Die beiden Ausschüsse, der Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit und der Haushaltsausschuß, werden noch in der übernächsten Woche, am 25. und 26. Juli, zusammentreten, um den Erfordernissen des Freiwilligengesetzes auch haushaltstechnisch Rechnung zu tragen.
Auf die Frage eines Vertreters der Koalition. ob die Opposition verfassungsrechtliche Konsequenzen auch bezüglich der Einreichung einer Klage ziehen würde, hat ein Vertreter der Opposition ausdrücklich versichert, daß das nicht der Fall sein werde.
Ich darf ferner auf den § 2 c hinweisen. Der § 2 c hat nicht nur bei der Bundesregierung und in den Fraktionsberatungen der letzten Tage eine ausführliche Erörterung und Kritik erfahren, sondern ist auch bereits im Ausschuß ausführlich nach allen Seiten hin geprüft worden. Ich darf nun, meine Damen und Herren, um Ihre Aufmerksamkeit bitten, weil ich Ihnen wörtlich aus dem stenographischen Protokoll des Ausschusses die Motivierung für den § 2 c bekanntgebe, wie sie insbesondere in den Ausführungen des Kollegen H e y e zum Ausdruck kam. Kollege Heye kann sich als dienstältester ehemaliger Berufssoldat dieses Parlaments durchaus das Recht nehmen, uns aus seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung einen kritischen Rat zu geben. Hören Sie — und ich bitte Herrn Kollegen Schneider, gut zuzuhören —, was Abgeordneter Heye zu der Frage der Verankerung einer Wehrmacht im demokratischen Staat und zu der Pflicht des Gesetzgebers, des Parlaments, also des höchsten Trägers der Souveränität in einer parlamentarischen Demokratie, ausgeführt hat. Abgeordneter Heye sagte u. a.:
Ich möchte darauf hinweisen, daß ich persönlich, und zwar auf Grund meiner Erfahrungen, die bis in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurückreichen, sehr schwere Bedenken habe, die Verantwortung — es handelt sich ja gar nicht darum, wer es macht — im Hinblick auch auf die Tragweite der ganzen Sache und im Hinblick auf die Organisation innerhalb des Verteidigungsministeriums nur auf einigen Schultern ruhen zu lassen oder gar nur einer politischen Einzelstelle zu übertragen. Welche Folgen können daraus entstehen! Ich will mich dazu hier nicht weiter äußern. Aber, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern. Die Gefahr, daß die Wehrmacht ein selbständiges Leben führt oder zu einem Eigenleben kommt, liegt nicht nur einseitig beim Soldaten, sondern sie liegt auch bei der politischen Führung. Wie es beim Soldaten ist, weiß ich aus wirklich grundlegenden Erfahrungen. Ich war auch zwei Jahre im Stabe des Obersten von Fritsch und weiß, was der Generalstab bedeutet. Das liegt niemals an der Truppe und hat niemals an der Truppe gelegen, auch in der Reichswehrzeit nicht. Die Truppe ist jeder Führung, die den Gehorsam von ihr verlangt
hat, treu gewesen, nach dem berühmten Wort von Seeckt: Die Truppe steht hinter mir! Die Truppe hat, als Seeckt dann vom Reichswehrminister Geßler kurzerhand entlassen wurde, nicht Widerstand geleistet!
Der Kern sitzt hier bei uns, gerade bei der Organisation des Verteidigungsministeriums. Die Gefahr ist, daß das Ministerium in seiner Organisation Stellen schafft, die mit dem Ausdruck „im Auftrage" oder „auf Befehl" — siehe Schleicher — handeln. Dort sind die Gefahrenpunkte auch für den richtigen Einbau des Soldaten in das Staatswesen.
Kollege Heye führte weiter aus:
Dort liegen die Gefahrenpunkte, nicht bei der Truppe. Die Truppe ist niemals eine Gefahr für den Staat gewesen, der deutsche Soldat genau so wenig wie das deutsche Volk, das im Grunde genommen gar nicht revolutionär und wirklich der Typ des treuen Untertanen ist. Der Soldat ist auch nichts anderes. Die Gefahr liegt vielmehr darin, daß Leute, die eine Verantwortung zu tragen haben, in einer Stellung sitzen, die wir gar nicht erfassen können, daß Leute, die auch in jeder zivilen Organisation, in jedem Ministerium, auch im Auswärtigen Amt, eine Rolle spielen, den ungeheuren Apparat, den sie in die Hand bekommen, in eine bestimmte Richtung lenken, auch ohne daß der verantwortliche Minister oder Staatssekretär das erkennen kann. Der Apparat ist viel zu groß, als daß er es erkennen könnte. Dort liegt die Gefahr! ... Wir alle können die Verantwortung nicht übernehmen, daß dieselben Dinge, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, noch einmal geschehen.
Deshalb
— so folgert Kollege Heye —
ist es notwendig, daß sich das Parlament, daß sich die politische Führung und das Bundesverteidigungsministerium darüber klar sind, daß es sich hier nicht nur um eine bloße Organisationsfrage handelt, daß man nicht bloß einige Kästchen hinstellen und einen da hineinsetzen darf, sondern die Auswirkungen dieser Sache gehen viel weiter. Ich war in den Anfängen dieses Jahrhunderts im Ministerium. Mein Vater war Chef der Heeresleitung. Ich weiß, was da gespielt wurde. Ich möchte das, was der Abgeordnete Mende gestern gesagt hat,
— und hier bezog er sich auf das, was Kollege Schneider falsch wiedergegeben hat —
... unterstreichen — er hat auch auf die Gefahr hingewiesen —: Wir können die Sache nicht ernst genug nehmen! Ich sage das nicht gegen die Wehrmacht, sondern im Interesse der Wehrmacht, ...
Diese Ausführungen des Abgeordneten Heye wurden weiter ergänzt und in vollem Umfang bestätigt, auch aus jahrzehntelanger militärischer Berufserfahrung, vom Abgeordneten von Manteuffel.
Der § 2 c ist nach diesen Ausführungen einstimmig angenommen worden.
Ich darf Ihnen dann zu der Schlußbemerkung auf Seite 9 noch kurz berichten, wie sich im Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit die Erörterung der Frage der Bezeichnungen abgespielt hat. Es lagen zwei Anträge vor. Der eine Antrag war der des Abgeordneten Dr. Jaeger, das Wort „Streitkräfte", das hier nur als arbeitstechnischer Titel geführt werden sollte, zu ersetzen durch „Bundeswehr". Herr Kollege Dr. Jaeger wies in seiner Begründung darauf hin, daß der Ausdruck „Streitkräfte" — „Landstreitkräfte", „Seestreitkräfte", „Luftstreitkräfte", zusammengefaßt in „Gesamtstreitkräfte" — ein Wortungeheuer und nicht glücklich gewählt sei. Er glaubt auch wegen außenpolitischer Bedenken daher „Bundeswehr" vorschlagen zu müssen.
Der Antragsteller Dr. Mende legte einen Antrag vor, das Wort „Streitkräfte" durch „Wehrmacht" zu ersetzen. Er berief sich hierbei darauf, daß der Ausdruck „Wehrmacht" als Gattungsbezeichnung für Heer, Marine, Luftwaffe nicht erst in der nationalsozialistischen Zeit erfunden worden ist, sondern bereits in der Weimarer Nationalversammlung, wo er in die Artikel 46 und 47 der Weimarer Reichsverfassung eingefügt wurde. Beispielsweise heißt es in Art. 47:
Der Reichspräsident ist der oberste Befehlshaber über die Wehrmacht des Reiches.
Und im vorhergehenden Artikel heißt es:
Der Reichspräsident ernennt und entläßt die Offiziere und Unteroffiziere der Wehrmacht des Reiches.
Allerdings ist die Bezeichnung „Wehrmacht" kaum aktuell geworden. Man brauchte eine Gattungsbezeichnung für drei Wehrmachtteile nicht, da es nur eine Reichswehr und eine Reichsmarine gab und eine Luftwaffe durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags verboten war. Man sprach also gemeinhin von der Reichswehr und von der Reichsmarine. Erst mit der Aufstellung einer Luftwaffe im Jahre 1935 ergab sich die Notwendigkeit, wieder auf den Titel „Wehrmacht" zurückzukommen, um in einer Gattungsbezeichnung die drei Wehrmachtteile Heer, Marine, Luftwaffe zusammenzufassen.
Außenpolitische Bedenken glaubte der Antragsteller nicht teilen zu müssen. Er berief sich dabei auf das Wort des Herrn Bundeskanzlers, der in einer Fraktion dieses Hauses erklärt hat, daß ihm gegenüber bei Begegnungen mit den ausländischen Staatsmännern und Politikern niemals .Bedenken geäußert worden seien, wann immer er von „Wehrmacht" gesprochen habe.
Der Ausschuß beschloß nach dieser Diskussion, bei diesem Gesetz die Entscheidung noch nicht zu fällen, weil dieses Gesetz ein vorbereitendes Gesetz ist und sich daher zweckmäßigerweise die Fraktionen dieses Hauses, aber auch die deutsche Öffentlichkeit mit dieser Frage erst noch beschäftigen sollten. Er meinte, erst bei der Beschlußfassung über das dem Bundesrat bereits vorliegende Soldatengesetz und spätestens bei den Verfassungsergänzungen sollte die endgültige Entscheidung fallen.
Ich darf als Berichterstatter zusammenfassen: Das Ihnen nunmehr in der Drucksache 1600 vorliegende Freiwilligengesetz unterscheidet sich wesentlich vom Regierungsentwurf. Erst jetzt ist eine brauchbare Grundlage geschaffen, um die Aufstellung einer Wehrmacht vorzubereiten. Besonders bemerkenswert ist an den Ausschuß-
arbeiten aller drei Ausschüsse die Zusammenarbeit zwischen den Parteien der Koalition und der Opposition gewesen. Anträge sowohl der Koalition wie der Opposition sind zum Teil einstimmig angenommen worden.
Zweitens ist bemerkenswert eine Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesrat auch schon in den Ausschüssen. Der Bundestag hat verschiedene Anregungen, die von Vertretern der Länder, insbesondere vom Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen, schon während der Ausschußberatungen gegeben wurden, eingearbeitet, weil er der Auffassung war, auch dadurch könne er verhindern, daß eventuell durch einen Konflikt zwischen Bundestag und Bundesrat das Gesetz in den Vermittlungsausschuß kommt; in den Parlamentsferien eine organisatorisch nicht sehr glückliche Angelegenheit.
Zum dritten ist bei diesem Gesetz bemerkenswert die enge Zusammenarbeit während der Beratungen zwischen dem Ausschuß für europäische Sicherheit und der Presse. Der Vorsitzende des Ausschusses, Dr. Jaeger, hat im Benehmen mit der Bundespressekonferenz jedesmal nach einer Ausschußberatung der Presse des In- und Auslandes Gelegenheit gegeben, die Ergebnisse der Ausschußberatung kennenzulernen in Anwesenheit der Vertreter der Koalition wie der Opposition, die ihrerseits Ergänzungen machen konnten. Uns scheint, daß das ein glücklicherer Weg der Zusammenarbeit zwischen Parlament, Presse und deutscher Öffentlichkeit gewesen ist, als er bisher in der Zusammenarbeit zwischen Bundesverteidigungsministerium und Presse sichtbar geworden ist. Der Ausschuß empfiehlt daher, in wehrpolitischen Fragen dieses gute Beginnen in der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Presse und damit deutscher Öffentlichkeit auch in Zukunft fortzuführen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache zweiter Lesung. Ich rufe auf § 1.
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 1 eines Gesetzes gibt in der zweiten Lesung die Möglichkeit, einige allgemeine Ausführungen zu dem Gesetz zu machen. Die Debatte, die sich vorhin bei dem Gesetz unter Punkt 1 der Tagesordnung abgespielt hat, zeigt recht deutlich, daß die ersten Militärgesetze, die wir heute hier verabschieden, doch im wesentlichen die Stellung einer Wehrmacht — ich darf diesen Terminus technicus hier der Einfachheit halber benutzen, da offenbar ein einheitlicher Terminus noch nicht gefunden ist — im Staate fixieren. Man hat als Sicherung für die innenpolitische Stellung der Armee im Staate das Gesetz unter Punkt 1 der Tagesordnung verabschiedet. Ich selbst habe mit zahlreichen Mitgliedern dieses Hauses in allen Parteien gegen dieses Gesetz gestimmt, und zwar deswegen, weil es im Grunde doch nur zwei Möglichkeiten einer Stellung der Wehrmacht im Staate gibt. Einmal gibt es den Standpunkt, der damals in der Regierungserklärung durch den Herrn Bundesminister für Verteidigung vorgetragen worden ist, nämlich, daß die Wehrmacht ein Bestandteil der Exekutive ist. Das ist ein Standpunkt, den man einnehmen kann. Man kann aber auch einen anderen Standpunkt einnehmen, nämlich den, daß eine Wehrmacht ein wesentliches Instrument des gesamten Volkes und damit des gesamten Staates ist. Dann ist der Anteil der Legislative als Körperschaft dieses Staates gleichrangig mit dem der Exekutive. Ich nehme diesen letzten Standpunkt ein. Ich stütze mich dabei z. B. auf die verfassungsmäßigen Verhältnisse in Amerika, wo die Dinge ähnlich liegen. Wenn man also sagt, die Wehrmacht ist ein Bestandteil, ein Instrument des gesamten Volkes, dann hat das Parlament wesentlichen Anteil an der Kontrolle der Wehrmacht. Ich will nicht wieder auf die geschichtlichen Überlegungen, etwa auf die Weimarer Republik, eingehen; denn wir treiben hier keine rückblickende, sondern eine in die Zukunft weisende Politik. Wenn das Parlament wesentlich am Aufbau, an der Überwachung der Wehrmacht beteiligt sein soll, reicht ein Personalüberprüfungsausschuß nicht aus; im Gegenteil, er verhindert sogar eine echte parlamentarische Kontrolle. Warum, meine Damen und Herren? Lassen wir doch einmal unseren Blick 35 Jahre zurück-schweifen und denken wir einmal an die Zeit, wo die Reichswehr in einen demokratischen Staat eingebaut wurde. Hätten wir damals einen solchen Personalausschuß gehabt — ich darf hierbei den Kollegen Erler ansprechen —, dann hätte Herr Erler in irgendeinem Zimmer mit dem Personalausschuß sämtliche Obersten und Generale der künftigen deutschen Armee kontrolliert und hätte nicht verhindern können, daß im Nebenzimmer ein Oberstleutnant die Grundlagen für eine neue eigene Wehrmachtspolitik schafft. Ich will die Fragen der Entnazifizierung und alle diese Dinge, die hier eine Rolle gespielt haben, gänzlich ausschalten. Es geht aber darum, daß eine Wehrmacht in Zukunft ein loyaler Bestandteil des demokratischen Staates ist. Hätte man vor 35 Jahren die Ober s t e n und Generäle kontrolliert, dann hätte man mit dieser Kontrolle einen Major von Schleicher und einen Hauptmann von Bredow nicht erfaßt, die damals schon die Grundlagen für eine eigene Wehrmachtpolitik gelegt haben.
Aus diesen Gründen erklärt sich meine Einstellung. Ich sehe den Personalüberprüfungsausschuß als ein Minimum der parlamentarischen Überwachung an, aber als eines, das gefährlich ist, weil es geeignet ist, die gesamte parlamentarische Überprüfung und Überwachung der Armee in der Zukunft zu blockieren und damit zu gefährden.
Wir müssen, meine Damen und Herren, und das haben wir — —
Herr Abgeordneter Stegner, sprechen Sie zur Sache! Der Personalausschuß ist schon erledigt.
Herr Präsident, der Personalausschuß gehört in diesen Gesamtkomplex hinein. Ich wollte nur noch über die Stellung der Wehrmacht im Staate sprechen. Ich bin im übrigen sofort damit fertig, Herr Präsident. Das gehört durchaus zu § 1 des Freiwilligengesetzes, denn mit der Einstellung dieser Freiwilligen wird praktisch die Wehrmacht begründet. Das ist aus dem Bericht des Herrn Kollegen Dr. Mende eindeutig hervorgegangen. Damit werden sogar speziell die Dienstränge, die Besoldung und alle die damit zusammenhängenden Fragen geregelt. Wenn ich mir über diese Einzelheiten ein Bild machen will, muß ich
mir primär ein Bild über die Stellung der Wehrmacht im Staate machen, und dahinein gehört das Gesetz über die Personalüberwachung.
Ich habe gesagt, das Gesetz über die Personalüberwachung verhindert eine parlamentarische Überprüfungs- und Inspektionsmöglichkeit, wie sie z. B. in den Vereinigten Staaten besteht. Dort bedarf nämlich der Präsident zur Ernennung jedes Offiziers der Zustimmung gewisser parlamentarischer Instanzen. Dasselbe gilt in Amerika selbstverständlich auch für den Auswärtigen Dienst und für andere Stellen.
Das entscheidende Problem für die Zukunft ist doch, dieser Wehrmacht den richtigen Standort im demokratischen Staat zu geben. Die Folgerungen aus dieser Erkenntnis vermisse ich in dem Freiwilligengesetzentwurf, wenn es auch in der Fassung des Ausschusses nach meinem Geschmack wesentlich besser geworden ist, als der Entwurf in der ersten Lesung war.
Nun darf ich noch etwas zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Gesetze sagen. Ich persönlich halte ihn nicht für glücklich und habe mich auch nicht durch die Regierungserklärung und die Debatte in der ersten Lesung davon überzeugen lassen, daß der Zeitpunkt unbedingt wenige Tage vor der Viererkonferenz liegen muß. Es wird ins Feld geführt, der Westen wolle geschlossen dastehen. Nun, dieses Hohe Haus hat mit der Ratifizierung der Pariser Verträge seinen Willen eindeutig bekundet, fest zum Westen zu stehen, und hat sich zu einer Zusammenarbeit in der NATO bekannt. Da in wenigen Tagen in Genf die Viererkonferenz sich wesentlich mit den Fragen einer globalen Abrüstung beschäftigen muß, halte ich es nicht für glücklich, daß bei uns im gleichen Zeitpunkt die ersten Militärgesetze verabschiedet werden, nachdem dieses Hohe Haus und damit das deutsche Volk seinen politischen Willen bereits eindeutig bekundet hat.
Noch ein Zweites. Der Ausschuß „Unteilbares Deutschland" hatte neulich auf seiner Tagung in Braunschweig einen ausgezeichneten Redner, den Professor Heimpel aus Göttingen. Er ist ein ausgezeichneter Historiker und sagte eines mit aller Deutlichkeit — —
- Ja, das gehört zur Sache, diese Frage des Zeitpunkts der Verabschiedung der Gesetze. Eben diese Frage des Zeitpunkts, Herr Lücke, gehört schon zur Sache.
Er sagte: Wenn wir überhaupt die Wiedervereinigung erstreben, genügen das Bekenntnis und der politische Wille dazu nicht; es besteht die Gefahr, daß durch die Kraft der tatsächlichen Entwicklung eine so starke Entfremdung eintritt, daß eine solche Wiedervereinigung außerordentlich erschwert wird. Und dazu gehört die Aufstellung von Wehrmachten.
Der Herr Bundeskanzler hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Sowjetzone mit dieser falschen Entwicklung begonnen hat. Sollen wir denn in dieser falschen Entwicklung fortfahren, zumal da es sich nur um eine kurze Zeitspanne handelt, in der wir die Wehrgesetze hier sowieso verabschieden würden?
Meine Damen und Herren, mißverstehen Sie mich nicht! Ich bekenne mich genau so wie alle in
diesem Hause zu einer Wehrmacht als einem integrierenden Bestandteil eines souveränen Staates; das ist ganz selbstverständlich. Aber der Zeitpunkt für die Inkraftsetzung der Wehrgesetze und die Schaffung einer Wehrmacht in Deutschland ist doch außenpolitisch von einem so erheblichen globalpolitischen Werte, daß die Diskussion über den Zeitpunkt durchaus in eine derartige Debatte hineingehört.
Ich hoffe, daß die fehlenden Passus wenigstens in den nachfolgenden Gesetzen die entsprechende Rolle spielen werden. In dem bisherigen Entwurf des Soldatengesetzes, der uns zugänglich gemacht ist, sind die Fragen der parlamentarischen Kontrolle usw. noch nicht verankert, und die etwas überstürzte Behandlung des Freiwilligengesetzes läßt mir dieses Gesetz auch heute noch in dieser Richtung innenpolitisch unvollkommen erscheinen. Ich bitte alle Mitglieder des Hauses noch einmal, wenn das Soldatengesetz auf der Tagesordnung steht, darauf zu achten, daß alle Sicherungen eingefügt werden, damit eine künftige Wehrmacht nicht wieder, wie es schon einmal in Deutschland war, der Hort der politischen Unruhe, sondern die politische Konstante für eine klare demokratische Entwicklung in Deutschland wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler zu § 1.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um den Kollegen Mende in einem Punkt der vorangegangenen Aussprache gleich zu berichtigen, glaube ich nichts Falsches zu sagen, wenn ich meine, daß es der § 1 des Freiwilligengesetzes ist, der den Beginn des ersten Wehrgesetzes darstellt.
Dieses Gesetz beginnt mit der Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, nicht das Gesetz über den Personalausschuß. Das Personalausschuß-Gesetz soll nur verhindern, daß unerwünschte Freiwillige eingestellt werden. Aber die Einstellung von Freiwilligen überhaupt wird erst durch dieses Gesetz ermöglicht; das schafft Soldaten, kein anderes.
Bei der Behandlung auch des § 1 ist schon mit Recht die Frage aufgeworfen worden, ob es wirklich klug und weise ist, den gegenwärtigen Zeitpunkt zur Verabschiedung dieses Gesetzes zu benutzen. Wir befinden uns in einem Abstand von drei Tagen von der Genfer Konferenz. Dort werden u. a. das weltweite Problem der Abrüstung und gleichzeitig hoffentlich auch die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands zur Debatte stehen. Ob man dafür den richtigen Auftakt schafft, indem man zunächst mit der Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland beginnt, daran sind eine Reihe von Zweifeln erlaubt. Aber darüber wird wohl in der dritten Lesung, die die allgemeine Aussprache zu diesem Gesetz bringt, noch einiges zu sagen sein, genau so wie wir uns auch im Zusammenhang mit der Gesamtproblematik dieses Gesetzes damit befassen müssen, auf welchen Planungen auch schon die Einberufung der ersten Freiwilligen eigentlich beruht. Wie sieht denn die Konzeption aus, von der die Bundesregierung bei der Beurteilung der Möglichkeiten der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland im Zeitalter der Atomwaffen ausgeht? Die Manöver der Carte Blanche haben so erschrekkende Aufschlüsse gegeben, daß ich fest davon
überzeugt bin, daß Planungen, die im wesentlichen auf das Jahr 1950 zurückgehen, in diesem Zeitpunkt völlig überholt sind. Aber auch darüber wird in der allgemeinen Aussprache zu reden sein.
Meine Bemerkungen zum § 1 sollen sich nach diesen einleitenden Ausführungen über den unglücklichen Zeitpunkt, an dem das Gesetz verabschiedet wird, nun den Lücken des Gesetzes zuwenden, dem, was eigentlich in diesem Gesetz hätte stehen müssen, damit es wenigstens innenpolitisch auf einer einwandfreien Grundlage ruht.
Wir haben schon in den vergangenen Debatten des Bundestages immer wieder darauf hingewiesen, daß es an dem verfassungsrechtlichen Einbau der möglichen künftigen Streitkräfte in unsere demokratische Ordnung fehlt. Wir sind der Überzeugung, daß man niemandem eine Waffe in die Hand drücken sollte, daß niemand in eine bewaffnete Organisation hineingestellt werden sollte, ehe wir nicht einigermaßen Klarheit über den verfassungsrechtlichen Standort der bewaffneten Macht geschaffen haben. Wir haben sehr bedauert, daß die Versuche, diese Probleme in den Ausschüssen vorab zu diskutieren, bevor das Freiwilligengesetz dem Bundestag vorgelegt wurde, gescheitert sind. Ich möchte darauf hinweisen, daß ohne Regelung des Oberbefehls schließlich die Frage nach der Verfügungsgewalt über die Freiwilligen, die Frage, wem sie eigentlich zu gehorchen hätten, nahezu unbeantwortet ist. Auch wenn es nur wenige Freiwillige sind, wird damit immerhin mit der Schaffung eines Machtinstruments begonnen. Da sollten wir uns schon bei dem ersten Schritt, den wir tun, überlegen, welche Sicherungen gegen einen Mißbrauch eines solchen Machtinstruments im Innern geschaffen werden müssen. Für jeden Freiwilligen stellt sich von der ersten Stunde seines Dienstes an die Frage nach dem Verhältnis zu den Grundrechten. Denn bei voller Befolgung der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte ist eben keine wirkliche militärische Organisation zu schaffen. Auch hier stellen wir fest, daß das Gesetz für die Erreichung des gesteckten Ziels nicht genügt, weil man überall an die Schranken des Grundgesetzes stößt, und daß Sie infolgedessen, wenn Sie das Grundgesetz nicht verletzen, nicht stillschweigend übergehen, für veraltet erklären wollen, gezwungen sind, mit dem Entstehen der bewaffneten Macht alle diese Probleme zu regeln. Wir bedauern, daß diese Regelung nicht stattgefunden hat, bevor das Freiwilligengesetz dem Bundestag vorgelegt worden ist.
Ein weiterer Punkt, auf den der Kollege Stegner mit vollem Recht hingewiesen hat, ist das fehlende Instrumentarium für die parlamentarische Kontrolle. Wir glauben nicht, daß es ausreicht, einen Bundestagsausschuß zu haben, der sich mit diesen Problemen befaßt, ohne daß Sie dem Bundestagsausschuß sowohl wirksame Kontrollbefugnisse an die Hand geben als auch die notwendigen Hilfsmittel, um eine solche Kontrolle auch effektiv auszuüben. Das alles zeigt, welche Lücken das Gesetz läßt. Ein so lückenhaftes Gesetz sollten wir nicht mit guten Gründen zur Verabschiedung bringen.
Immerhin wollen wir hier feststellen, welche Fortschritte insofern erreicht worden sind, als endlich einmal der Versuch der Bundesregierung, hier ein Machtinstrument nach völlig eigenem Gutdünken zu schaffen, von der Mehrheit dieses Hauses in die Schranken zurückgewiesen worden ist. Uns
reichen aber die Begrenzungen nach Zahl und Zweck, die Sie in den § 1 aufgenommen haben, nicht aus.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Frage an den Herrn Verteidigungsminister richten, die wir schon in mehreren Debatten an ihn gerichtet haben und die bisher noch zu keiner Stunde beantwortet worden ist. Wir stellen ganz , eindeutig fest, daß die Zweckbestimmung dieses Gesetzes auch in der von Ihnen vorgesehenen Fassung keine Möglichkeit gibt, zu den Freiwilligen etwa auch die Angehörigen der Organisation Gehlen zu zählen, — um das einmal ganz klar zu machen.
Wir stellen weiterhin fest, daß Meldungen über die Übernahme dieser Organisation in Bundesdienste bisher von der Bundesregierung nicht widersprochen worden ist.
Wir meinen die Bundesregierung vor Schritten warnen zu sollen, welche unter Umständen die haushaltsrechtliche Verantwortung der daran Beteiligten auslösen könnten. Meine Damen und Herren, es ist seit langem bekannt, von welchem Zeitpunkt ab diese Organisation möglicherweise aus den Diensten ihrer bisherigen geldgebenden Organisationen ausscheidet. Infolgedessen ist das keine neue Frage, die vor der Bundesregierung steht und die sie unter Umständen auf Grund unabweisbaren Bedürfnisses mit den sonstigen Hilfsmitteln der Verfassung und des Haushaltsrechts lösen kann. Eine Übernahme dieser Organisation ist nur möglich auf Grund eines Gesetzes, das Sie hier im Bundestag mindestens in Form eines Nachtragshaushaltsplans zum Bundeshaushalt beschließen. Ich möchte das sagen, damit all denen der Appetit vergeht, die vielleicht die Absicht haben, diese Organisation hinter dem Rücken und ohne Mitwirkung des Parlaments unter die Fittiche der Bundesregierung zu nehmen.
Wer eine Mark dafür bezahlt, ist regreßpflichtig; das sei hier eindeutig festgelegt.
Meine Damen und Herren, ich bin zu dieser sehr scharfen Erklärung gezwungen, weil unsere wiederholten Anfragen in dieser Sache bei der Bundesregierung nichts als Schweigen gefunden haben
und nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, wenn man schon im Plenum keine Auskunft über diese Fragen gibt, dann wenigstens den zuständigen Ausschuß ides Bundestages von dem in Kenntnis zu setzen, was hier beabsichtig ist.
Eine weitere Lücke, die in diesem Gesetz offenbar wird, ist das Fehlen eines Organisationsplanes für das, was auch in dem beschränkten Rahmen des Gesetzes mit den 6000 Mann, deren Einstellung beabsichtigt ist, nun gewollt wird. Diese Planung der ersten 6000 schafft doch den Kern und legt damit auch die Planung für die Gestaltung der künftigen Streitkräfte fest. Sie haben mit Recht sich dazu bereit gefunden, in dem hart umkämpften § 2 c wenigstens dafür zu sorgen, daß die künftige Organisation der Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums nur durch Mitwirkung des Gesetzgebers entstehen kann. Das ist gut und verdienstlich. Aber wieviel von dem, was der Gesetz-
geber künftig zu regeln haben wird, wird schon vorweggenommen durch personelle und materielle Tatsachen, die jetzt auf Grund dieses Gesetzes entstehen werden, bei dem uns die organisatorischen Planungen eben nicht bekannt sind! Damit werden Gleise gelegt und Tatsachen geschaffen, an denen der künftige Gesetzgeber dann leider nicht ohne weiteres vorbei kann.
Nachdem die vorherige Behandlung der verfassungsrechtlichen Fragen und aller anderen Lücken dieses Gesetzes im Ausschuß beim besten Willen der Opposition nicht durchgesetzt werden konnte, scheint es uns sinnlos zu sein, zu diesem Thema hier jetzt weitere Anträge zu stellen. In dieser Richtung ist dieser Torso von Gesetz nach wie vor nicht verbesserungsfähig. Aus diesem Grunde wird die sozialdemokratische Fraktion den § 1 des Gesetzes, der seinen Kern darstellt, ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zu § 1 hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte herausstellen, daß wir uns hier noch nicht in der dritten Lesung befinden und daß deshalb lange und grundsätzliche Ausführungen, die man zu dem Thema des Zeitpunktes dieses Gesetzes durchaus von verschiedenen Seiten machen kann, hier nicht am Platze sind. Ich glaube aber, daß gerade die außenpolitische Entwicklung des Augenblicks, die gewisse hoffnungsfreudige Aspekte zeigt, die es vor einem halben Jahr noch nicht gegeben hat, eine Frucht der Außenpolitik ist, die von der Regierungskoalition hier in diesem Hause und von der Bundesregierung in der Welt gemacht worden ist.
Diese Erfolge, wie sie verschiedentlich eingetreten sind, bestätigen und bekräftigen diese Politik, und deshalb fahren wir auf dem Wege fort, die Verträge von Paris zu erfüllen.
Nun ist hier, wie es auch im Ausschuß geschah, davon gesprochen worden, daß zuerst die verfassungsrechtlichen Ergänzungen vorgenommen werden sollten, die man auf allen Seiten wünscht, wenn auch nicht auf allen Seiten für rechtlich notwendig hält. Die Ausschußmehrheit hat sich jedoch — meines Erachtens mit vollem Recht — auf den Standpunkt gestellt, daß es zumindest für dieses Gesetz solche vorausgehenden Ergänzungen nicht braucht. Ich lasse es offen, ob es überhaupt eine verfassungsrechtliche Regelung des Oberbefehls braucht. Aber selbst wenn es sie brauchen sollte, braucht es sie nicht für diese 6000 Freiwilligen.
Ich gehöre nicht zu denen, die in einer Armee nur eine Sonderform der Exekutive sehen. Ich glaube, das ist dann nicht mehr der Fall, wenn Wehrpflichtige 'einberufen werden. Aber diese 6000 Mann sind zweifellos ein Arm der Exekutive, sie unterstehen nach dem Grundgesetz dem Verteidigungsminister, und deshalb ist ganz klar, wer ihnen eine Anordnung und einen Befehl zu geben hat und wer nicht.
Ebenso verhält es sich mit den Grundrechten. Man mag darüber streiten, ob man bestimmte Einschränkungen der Grundrechte verfassungsmäßig
vornehmen muß, wenn man Wehrpflichtige einberufen will. Ich möchte mich nicht für diese Meinung aussprechen; aber das kann heute unerörtert bleiben. Für Freiwillige braucht es dies bestimmt nicht, denn sie treten ja freiwillig ein, und auf Grund der Dienststellung, die sie einnehmen, ergibt sich von selbst, daß sie auf diese und jene Rechte verzichten, so wie auch jeder Beamte und Arbeitnehmer auf gewisse Rechte verzichtet, wenn er diesen Beruf ergreift oder eine Stelle annimmt. Eine rechtliche Notwendigkeit also, in diesem Augenblick Verfassungsänderungen oder auch nur -ergänzungen vorzunehmen, besteht keineswegs. Sie besteht um so weniger, als hier ja nicht, wie Herr Kollege Erler gemeint hat, bereits eine grundlegende Planung vorgenommen wird. Weil wir die grundlegenden Wehrgesetze noch nicht haben,deshalb haben wir von der CDU/CSU im Verein mit anderen Fraktionen in diesem Hause darauf hingewirkt, daß eine Begrenzung dieses Gesetzes nicht nur nach der Zeit, wie es schon die Bundesregierung vorgesehen hatte, sondern auch nach 'der Zahl und nach dem Zweck vorgenommen wird. Der Zweck, für den die freiwilligen Sodaten verwendet werden, ist ausschließlich im § 1 geregelt. Es sind internationale Stäbe, es sind Lehrgänge, es ist die Übernahme der Außenhilfe, es ist die Vorbereitung der bodenständigen militärischen Einrichtungen, es ist der Ausbau des Ministeriums. Es wird also keineswegs eine Planung für die Streitkräfte nunmehr bereits vorweggenommen, sondern es werden nur Vorbereitungshandlungen für den Aufbau vorgenommen, der nach ,dem Erlaß des Organisationsgesetzes und des Soldatengesetzes möglich und notwendig ist.
Wenn ich hier von der Zahl spreche — meine Damen und Herren, aus der Zahl 6000, die weiß Gott keine große Zahl ist, etwa nur 1 % der Gesamtzahl der künftigen deutschen Streitkräfte, ergibt sich ja von selbst, daß hier irgendeine andere Organisation, heiße sie Gehlen, heiße sie anders, gar nicht gemeint sein kann. Hiervon ist niemals gesprochen worden. Es liegt nicht in der Absicht der Koalitionsparteien, es liegt sicherlich nicht in der Absicht der Bundesregierung. Das ist eine Angelegenheit, die sich außerhalb des Sektors des Verteidigungsministeriums vollziehen wird, und der Zweck dieser Bestimmung, 6000 Soldaten zum Aufbau, zur Vorbereitung des Aufbaues der Streitkräfte einzustellen, würde ja zu einem Teil zunichte gemacht, wenn darauf die Organisation Gehlen angerechnet werden sollte. Wie die Bundesregierung diese Frage regeln wird, das wird sie sicherlich im geeigneten Augenblick diesem Hohen Hause mitteilen, denn es hat hieran ein hohes Interesse, und es wird seine haushaltsrechtliche Position. die auch die Bundesregierung kennt und anerkennt, zu würdigen wissen.
Meine Damen und Herren! Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß die vorgebrachten Argumente nicht stichhaltig genug sind, diesen Paragraphen abzulehnen. Im Gegenteil, diesen Paragraphen, der überhaupt die Vorbereitung des Aufbaus von Streitkräften erst möglich macht, bejahen wir, und wir geben ihm unsere Zustimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur zu einem Punkt äußern, den der Herr Abgeordnete Erler angeschnitten hat, daß nämlich der Oberbefehl hier nicht geregelt ist.
Es ist ein altes Anliegen der FDP, daß der Oberbefehl gesetzlich verankert werden muß. Ich darf hier ausdrücklich nochmals betonen, daß wir an der seinerzeitigen Erklärung von Herrn Dr. von Merkatz, deren Feierlichkeit durch ihre geschäftsordnungsmäßige Ungewöhnlichkeit besonders unterstrichen wurde, nach wie vor festhalten und uns darauf verlassen. Es wäre uns nichts lieber gewesen, als daß die Ausschüsse die Drucksachen 124, 125 und 171, die ihnen schon lange vorliegen, zusammen mit diesem Gesetz hätten bearbeiten können. Aber wir können mit dem besten Willen nicht behaupten, daß die Regelung des Oberbefehls nun ein notwendiges Essentiale für dieses Gesetz, so wie es jetzt aussieht, ist. Das wäre der Fall gewesen, wenn man es bei der Regierungsfassung belassen hätte, die eine zahlenmäßig unbegrenzte Einstellung von Freiwilligen zugelassen hätte, die eine richtige militärische Hierarchie bereits aufzurichten ermöglicht hätte, wenn man das wollte. Das ist jetzt alles nicht mehr möglich. Es können ja nicht einmal Verbände gebildet werden. Ich kann mir tatsächlich eigentlich schlecht vorstellen, wie ein Oberbefehlshaber fungieren soll, der lediglich über einer Anzahl nebeneinander stehender, sagen wir, Kompanien, Lehrgänge, Stäbe usw. steht und keinerlei Dienstweg und Kommandoweg unter sich hat.
Aus diesem Grunde allein haben wir keine Bedenken, dem § 1 des Gesetzes und dem Gesetz im ganzen jetzt schon zuzustimmen, bevor die Frage des Oberbefehls geklärt ist. Aber wir bestehen darauf, daß diese Frage bei der endgültigen Regelung der Wehrfragen, also im Soldatengesetz vor allem, geklärt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 1 in der zweiten Lesung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 1 in der Ausschußfassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; damit ist § 1 in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 1 a auf. Ich erteile das Wort zu diesem Paragraphen dem Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß niemand in diesem Hause Anlaß hat, über den jetzt zur Debatte stehenden § 1 a des Freiwilligengesetzes besonders glücklich zu sein. Wie an vielen anderen Punkten dieses Gesetzes ist auch hier, bedingt durch die sehr ungesunde Eile, in der wir gezwungen waren, dieses Gesetz zu beraten, an Stelle einer eindeutigen Regelung über die zukünftige Rechtsstellung der Soldaten, jedenfalls in den wichtigsten Grundzügen, eine höchst unbefriedigende Übergangslösung gefunden worden. Die hier für die Freiwilligen vorgesehene vorläufige Rechtsstellung von Beamten auf Probe kann wohl niemand darüber hinwegtäuschen, daß die Stellung des Soldaten im Staat eine gänzlich andere ist als die des Beamten und daß die hier gefundene vermeintliche Aushilfslösung in der Praxis zu einer Reihe von Unzuträglichkeiten führen wird. Ich glaube, der Herr Verteidigungsminister hat schon bisher Gelegenheit gehabt, festzustellen, daß die Kombination von soldatischen Aufgaberr und beamtenähnlicher Rechtsstellung bei eigenwilligen Persönlichkeiten außerordentlichen Verdruß bereiten kann.
Meine Damen und Herren, glauben Sie im Ernst, daß das, wozu das Soldatengesetz ungefähr 50 Paragraphen benötigt, für den Zweck des vorliegenden Gesetzes auch nur annähernd befriedigend mit den drei Sätzen geregelt werden könnte, die der § 1 a dieses Gesetzes enthält? Wenn ich an die sehr vielfältigen Aufgaben denke, die uns der Herr Verteidigungsminister hinsichtlich der Verwendung der von ihm einzuberufenden 6000 Freiwilligen geschildert hat, so zweifle ich zwar nicht daran, daß man die ganze Angelegenheit in irgendeiner Weise hinkriegen wird, wie man das auch in der Vergangenheit hingekriegt hat; aber ich fürchte: niemand von uns kann Zweifel darüber haben, daß trotz der verhältnismäßig kurzen Frist, für die dieses Gesetz gelten soll, die hier vorgesehene Lösung manches Risiko in sich trägt und daß außerdem darin auch Keime für eine vielleicht sehr unerfreuliche Entwicklung liegen können.
Ich denke dabei ferner daran, daß auch in den von dem Herrn Verteidigungsminister aufzustellenden Kadern Einheiten sein werden — er hat uns gesagt, daß das notwendig ist —, in denen es so etwas wie einen inneren Dienstbetrieb geben wird. Es läßt sich doch gar nicht übersehen, daß gerade bei der Zahl der hohen Dienstränge, die in diesen Einheiten beschäftigt sein werden, der innere Dienstbetrieb ganz zwangsläufig von der Rechtsstellung der jetzt einzuberufenden Soldaten abhängen wird. Man hat uns wiederholt gesagt, daß das bei dem vorläufigen Charakter dieses Gesetzes gar keine Rolle spielen wird; aber ich glaube, diese Bedenkenlosigkeit ist nicht gut. Ich habe bei einigen der rechtsformellen Einwendungen, die von seiten der Regierungsvertreter gegenüber gewissen Vorschlägen, die wir in den Beratungen vorgebracht haben, geltend gemacht wurden, häufig das Gefühl gehabt, daß man manchmal auf dieser Seite daran denkt, es handle sich bei der Vorlage, die uns hier gemacht worden ist und über die wir zu beraten haben, nicht um die Aufstellung einer Armee von 500 000 Mann mit allen Konsequenzen, die das auch für unser Verfassungsleben haben muß, sondern lediglich um die Errichtung etwa einer Bundesanstalt zur Förderung irgendeiner Aufgabe, die selbstverständlich mit der üblichen Rechts- und Verfassungspraxis übereinstimmen muß. Ich glaube, gerade in diesem Tatbestand liegt eben der elementare Unterschied und der Grund dafür, daß man Soldaten die Rechtsstellung von Soldaten geben muß und es nicht bei einer Lösung belassen kann, bei deren Diskussion man, schon wenn man in die Anfänge des Grundsätzlichen geht, in Schwierigkeiten gerät, wenn man eben, wie das hier geschehen ist, die Rechtsstellung von Beamten auf Probe als Ersatzlösung in Erwägung zieht. Ich will anerkennen, daß es durch eine geschickte Lösung und schließlich auch durch eine von der Mehrheit des Ausschusses akzeptierte Fassung meines Freundes Merten einigermaßen gelungen ist, zu verhindern, daß wir nach Ablauf des Gesetzes plötzlich zwei verschiedene Arten von Soldaten haben werden, nämlich solche, die die Rechtsstellung von Sol-
daten haben auf Grund des dann möglicherweise vorliegenden Soldatengesetzes, und solche, die nach wie vor zwar auch Soldaten sind, die aber durch die allgemeinen Umstände noch eine Zeitlang Beamte auf Probe bleiben müssen. Ich glaube, daß das eine sehr schlechte Entwicklung sein würde. Ich bin nicht sicher, daß wir das völlig ausgeräumt haben. Aber immerhin ist hier ein kleiner Fortschritt zu sehen.
Die 6000 Mann — das hat uns der Herr Verteidigungsminister doch mehrfach bestätigt — haben vom ersten Tage an durchaus soldatische Aufgaben wahrzunehmen. Bei dieser Gelegenheit muß man vor diesem Hause noch einmal eindeutig feststellen, daß es der Regierung bis zum heutigen Tage leider nicht möglich gewesen ist, uns klar zu sagen, welche Bestimmungen der Beamtengesetzgebung, soweit sie auch für Beamte auf Probe zutreffen, in etwa sinngemäß auf diese freiwilligen Soldaten angewandt werden können und welche nicht. Die Tatsache, daß dies offensichtlich gar nicht möglich war, zeigt mehr als deutlich, daß die hier getroffene Aushilfslösung im Grunde eine sehr schlechte Lösung ist.
Der Herr Verteidigungsminister hat uns mitgeteilt, daß sich unter den 6000 einzuberufenden Freiwilligen eine verhältnismäßig große Zahl von Soldaten befinden wird, die für hohe und höchste Stellungen innerhalb der kommenden Streitkräfte vorgesehen sind. Es wird aber auf der anderen Seite auch eine stattliche Anzahl von Personal geben, das nicht für Offiziersränge vorgesehen ist. Bei den Aufgaben dieser 6000 Mann wird es infolge dieser Mischung kaum zu umgehen sein, daß in bestimmten Lehrgängen und auch in bestimmten Einheiten, in denen z. B. die Einweisung an Waffen und Gerät erfolgt, Dienstgrade vom General abwärts, vielleicht bis hinunter zum Feldwebel Dienst tun werden. Ich will davon absehen, zu erörtern, daß die Vorlage keinerlei gesetzliche Grundlage für eine allgemeine Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses enthält. Da es sich nun einmal um Übungseinheiten handelt, müßte dem in irgendeiner Form Rechnung getragen werden. Ich glaube nicht, daß es ohne Konsequenzen sein würde, wenn man hier eine nur in etwa vergleichbare Ordnung übernähme, wie sie für die Übergangszeit im Bundesgrenzschutz vorgesehen ist. Das kann man doch alles gar nicht übernehmen.
Ich will ferner unerörtert lassen, daß die für Beamte auf Probe gültigen Bestimmungen für eine sinngemäße Anwendung ungeeignet sind, um die völlig ungelöste Frage der Disziplinargewalt in solchen Übungseinheiten und Lehrgängen zu regeln. Dabei ist die Bundesregierung selber sogar der Meinung, daß diese Frage im Bereich des Soldatischen durch ein eigenes Gesetz gelöst werden muß. Hier ist aber über diese Dinge überhaupt nichts zu finden, und ich bin sehr gespannt, wie man sich in den Lehrgängen und Übungseinheiten aus der Affäre ziehen wird, wenn es bezüglich dieses Problems zu Schwierigkeiten und Kontroversen kommen wird.
Ebenso muß man befürchten, daß es auf Grund der uns jetzt vorliegenden Aushilfslösung zu gewissen Unzuträglichkeiten kommt im Hinblick auf die mit Sicherheit auftauchende Frage der Gehorsamspflicht, wie sie etwa in § 9 des uns vorliegenden Regierungsentwurfs des Soldatengesetzes geregelt ist. Für ihre sinngemäße oder entsprechende Lösung bietet die Beamtengesetzgebung, auf die
hier Bezug genommen ist, keinen geeigneten Ersatz. Übrigens erscheint mir die vorliegende Interimslösung nach zwei Seiten hin unbefriedigend. Erstens weil ich fürchte, daß bei der großen Zahl von höheren und höchsten Dienstgraden, die jetzt einberufen werden und die zum Teil aus den unterschiedlichsten Positionen kommen und das bürgerliche Leben mit der Uniform vertauschen, sehr rasch die unterschiedlichsten Temperamente aneinander geraten werden. Ich brauche das hier im einzelnen gar nicht auszumalen. Es ist ganz selbstverständlich, daß es bei so hohen militärischen Befehlshabern bei den vielen Fragen, die ja auch im vorläufigen Dienstbetrieb an sie herankommen werden, zu Differenzen kommen wird. Ich glaube, hier ist eine schlechte Basis gefunden, diese Dinge zu regeln, aus dem einfachen Grunde, weil die in der Beamtengesetzgebung vorgesehenen Regelungen für den Dienst, der hier getan wird, einfach nicht angewendet werden können.
Man muß sich auch im klaren darüber sein, daß der größte Teil der Freiwilligen versucht sein wird — das liegt in der Natur der Sache —, bezüglich ihres, ich möchte einmal sagen, Stils, der hier entwickelt wird, an alten militärischen Traditionen festzuhalten, die sie von früher her kennen, und daß mangels einer klaren gesetzlichen Regelung die Verantwortung des Verteidigungsministers für den Stil dieser Freiwilligen manchmal in verschiedenen Situationen wahrscheinlich bis aufs Unerträglichste belastet werden muß. Kurzum, die hier geschaffene Übergangslösung schafft die Voraussetzung für eine Unzahl von persönlichen Reibungsflächen in den höheren Stäben, und sie wird damit auch die Dienstaufsicht des Herrn Verteidigungsministers in einem unnötigen Maße erschweren.
Auf der anderen Seite befürchte ich, daß die nicht eindeutige Regelung der Befehls- und Subordinationsverhältnisse in diesem Gesetz auch nicht gerade dazu geeignet sein wird, die Autorität des Verteidigungsministers und seiner höchsten zivilen Beamten gegenüber diesen Freiwilligen in den höchsten Rängen zu stärken. Denn ich glaube nicht, daß unter den Persönlichkeiten, die hierfür vorgesehen und ausgewählt sein werden, Männer der Kategorie sind, von denen der Herr Bundeskanzler kürzlich meinte, sie würden sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen. Weil die in diesem Freiwilligengesetz verankerte Rechtsstellung auch den Nachteil hat, daß die Subordinationsverhältnisse der Militärs gegenüber ihrem zivilen Chef nicht klar und eindeutig in dem Sinne einer fest definierten militärischen Gehorsamspflicht geregelt sind, muß die Gefahr zu sehr unglücklichen Entwicklungen schon im Anfang des Aufbaus der Wehrmacht liegen.
Ich möchte mich auf diese wenigen Beispiele beschränken. Sie ließen sich sicher beliebig vermehren, und eine Reihe von sehr grundsätzlichen und weitgehenden Bedenken, wie sie beispielsweise auch in der ersten Stellungnahme des Bundesrats zum Freiwilligengesetz zum Ausdruck gekommen sind, ließen sich hier anfügen. Ich will damit nicht sagen, daß alle diese Bedenken eines Tages Wirklichkeit werden. Ich glaube, niemand von uns kann das wünschen. Aber schließlich hat dieses Parlament die Pflicht, möglichst gute Gesetze zu machen und nicht Gesetze, welche Bestimmungen enthalten, die von vornherein die Basis nicht nur für Unzuträglichkeiten, sondern auch für sehr be-
dauerliche Entwicklungen bilden können. Dieser Grundsatz sollte doch besonders auf dem Gebiet der Wehrgesetzgebung beachtet werden.
Wir bedauern daher — das möchte ich nochmals betonen — sehr, daß der unerträgliche Zeitdruck, unter dem die Beratungen über dieses Gesetz standen, es einfach nicht möglich gemacht hat, trotz der von allen Seiten erhobenen schwersten Bedenken die in diesem Paragraphen festzulegende Rechtsstellung der zukünftigen Freiwilligen in einer eindeutigen und vernünftigen Form zu regeln. Wir sehen uns daher nicht in der Lage, diesem Paragraphen unsere Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich habe um das Wort gebeten, um für den von mir vertretenen Ausschuß für Beamtenrecht zu versichern, daß die entsprechende Anwendung nicht nur der Vorschriften für Beamte auf Probe, sondern auch des Bundesbeamtengesetzes keine Gefahr irgendwelcher Schwierigkeiten bringen wird, sondern im Interesse der Freiwilligen liegt, die hier eingestellt werden sollen. Wir haben doch die Vorschriften eingehend durchgeprüft, eigentlich jede für sich, und ich kann Sie versichern, daß nur ausnahmsweise Vorschriften vorhanden sind, die absolut unanwendbar sind und die deshalb auch nicht „entsprechend" angewendet werden können. Die Vorschriften des ganzen Beamtengesetzes, also auch die über die Voraussetzungen für die Einstellung, z. B. die Vorschrift, daß man Deutscher sein muß, die Vorschrift, daß man sich verpflichten muß, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, gelten natürlich für die Freiwilligen. Der Sinn dieser Bestimmung in § 1 a ist der, daß sofort ein klar durchdachter und seinerzeit vom ganzen Bundestag gebilligter Rechtsboden vorhanden ist, auf den diese Freiwilligenkräfte treten können, und daß nur ausnahmsweise Vorschriften nicht anwendbar sind. Denken Sie nur an die Altersgrenze, die für diese Leute gar nicht in Frage kommt. Ich möchte unterstreichen, es ist im Interesse dieser Freiwilligen, daß wir auf diese Grundlage getreten sind. Ich erinnere nur daran, daß diese Freiwilligen auch die Außenhilfe zu übernehmen haben und daß dabei z. B. die Unfallvorschriften des Bundesbeamtengesetzes für sie einen sehr klaren Schutz darstellen.
Darüber hinaus möchte ich noch folgendes hervorheben. Ein rein militärisches Dienstrecht, das mit dem übrigen Dienstrecht überhaupt nicht zusammenhängt, wollen wir gar nicht zur Entstehung bringen. Wir wollen auch die Wehrmacht unter die allgemeinen Voraussetzungen des öffentlichen Dienstes stellen, so daß sie im öffentlichen Leben, im Staate neben den Richtern, der Verwaltung und dem Bundesgrenzschutz als ein besonderer Zweig der Exekutive steht. Es muß ein allgemeines öffentliches Dienstrecht für sie gelten. Dadurch werden der Standort, die Pflicht und die Aufgabe der neuen Wehrmacht — im Soldatengesetz werden wir im einzelnen dazu Stellung nehmen — deutlich herausgehoben. Haben Sie keine Bedenken, daß Schwierigkeiten entstehen! Im Gegenteil, es ist nicht nur im Interesse des Staates, sondern auch im Interesse jedes einzelnen Freiwilligen, daß er
den Schutz und damit auch die Pflichten dieses Gesetzes hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu § 1 a.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 1 a des aufgerufenen Gesetzes in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 1 a ist angenommen.
Ich rufe auf § 1 b. — Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war unter anderem ein Zeichen der oberflächlichen Vorbereitung des ursprünglichen Entwurfs dieses Freiwilligengesetzes, daß er keine Bestimmung darüber enthielt, was mit dem alten Arbeitsplatz derjenigen werden sollte, die hier auf Probe einberufen werden. Daß das nicht geschehen ist, war besonders deshalb sehr erstaunlich, weil gleichzeitig mit der Vorlage dieses Gesetzes noch ein anderer Entwurf vorlag, in dem die Frage des Kündigungsschutzes geregelt werden sollte. Wir hätten bei Beginn des Aufbaus der Streitkräfte gleich von vornherein zwei Arten von Freiwilligen gehabt, nämlich solche mit und solche ohne Kündigungsschutz.
Nun könnte man die Frage aufwerfen: Warum erscheint euch denn nun die Erhaltung des alten Arbeitsplatzes wenigstens für die ersten vier Monate der freiwilligen Teilnahme an Eignungsübungen notwendig? Der überwiegende Teil der Männer, die hier eingestellt werden sollen, ist dem Soldatenberuf seit zehn Jahren fremd, und das Verteidigungsministerium wird in jedem einzelnen Fall sehr eingehend prüfen müssen, ob der Bewerber geeignet ist, da am Aufbau der Streitkräfte mitzuwirken, wo man ihm seinen Platz anweisen will. Es wird auch sehr eingehend prüfen müssen, ob der betreffende Bewerber in den zehn Jahren etwas dazugelernt hat und ob er überhaupt in der Lage ist, Streitkräfte aufzubauen, in denen ein ganz anderer Geist herrschen soll als in denen, in denen er zuletzt gewesen ist. Dann wird sich herausstellen, daß entweder einige Bewerber ungeeignet sind oder daß sie selbst einsehen, daß es keinen Sinn hat, sich hier an Aufgaben zu versuchen, denen sie nicht gewachsen sind. Für diesen Fall muß dem Bewerber sein alter Arbeitsplatz erhalten werden, damit sein schnelles und reibungsloses Ausscheiden aus den Streitkräften erleichtert wird. Täte man das nämlich nicht, dann läge es auf der Hand, daß bei manchem an und für sich ungeeigneten Bewerber zwei Augen zugedrückt werden müßten, weil seine Entlassung für ihn große wirtschaftliche und soziale Schäden mit sich bringen und ihn in eine sehr schwierige Lage versetzen würde.
Es ist eingewendet worden, daß die Freiwilligen das Risiko kennen, wenn sie sich melden, und daß man das Risiko der Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Not ruhig den Bewerbern selber hätte überlassen sollen; sie hätten sich freiwillig gemeldet und hätten klar gewußt, um was es sich hier handelt. Ich bin der Auffassung, daß der allergrößte Teil der Bewerber, deren Angebote bei dem Verteidigungsministerium vorliegen — es ist
eine Zahl, die weit über 100 000 liegt —, sich über gar nichts klargewesen sind, als sie sich gemeldet haben. Die Tatsache nämlich, daß sie sich freiwillig gemeldet haben in einer Zeit, in der über die Rechtsverhältnisse und die Pflichten der zukünftigen Soldaten noch kein einziges Wort bekannt war, die Tatsache, daß sie sich gemeldet haben, als es noch nicht ein einziges Gesetz gab, in dem über die Verhältnisse der Soldaten irgend etwas geregelt war, spricht meines Erachtens klar gegen diese Bewerber, die sich so ins Dunkle und ins Blaue hinein beworben haben. Wer sich so ohne Kenntnis der Bedingungen, die für den künftigen Soldaten gegeben sind, bewirbt, der ist meiner Ansicht nach von dem Willen beseelt, Soldat zu werden, ganz egal wie und ganz egal wo und ganz egal zu welchem Zweck und in welchem Geist. Die Tatsache der freiwilligen Meldung zu einer Zeit, als noch keine der entscheidenden Fragen geklärt war, ist nicht etwas, was für, sondern etwas, was sehr stark gegen diese Bewerber spricht. Daher kommt auch die Sorge, die heute so viele Menschen haben, die meinen, unter diesen Bewerbern könnten sich nur wenige befinden, denen man seine Söhne in dem entscheidenden Stadium ihrer Entwicklung ohne Sorge anvertrauen könne.
Wir glauben, daß schärfste und rücksichtsloseste Auslese erforderlich ist. Diese Rücksichtslosigkeit der Auslese, die angesichts dieser ins Blaue hinein erfolgten Bewerbungen notwendig ist, soll durch den Kündigungsschutz, der hier im § 1 b vorgesehen ist, nach unserer Auffassung erleichtert werden. Damit das geschehen kann, werden auch wir dem § 1 b unsere Zustimmung erteilen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelberatung zu dem aufgerufenen § 1 b.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem aufgerufenen § 1 b des Gesetzes in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 2 in der Einzelberatung. — Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu dem Abs. 1 des § 2 machen. Die sozialdemokratische Fraktion wird diesen Absatz in der Abstimmung ablehnen. Wir können uns nicht dafür aussprechen, daß eine so wichtige Angelegenheit wie die gesamte Besoldungsordnung der zukünftigen Streitkräfte durch eine Ermächtigung der Regierung überlassen wird; denn der gesamte Aufbau und die innere Hierarchie der Streitkräfte wird durch die Bestimmungen, die hier getroffen werden sollen, in ganz entscheidender Weise vorweggenommen. Es wird kaum möglich sein, in einem künftigen Gesetz eine wesentlich andere Regelung dieser Fragen zu treffen, als sie durch diese Ermächtigung der Regierung überlassen wird. Wir bedauern sehr, daß das Parlament sich in einem solch entscheidenden Punkte unter Zeitdruck hat setzen lassen und daß, wie schon öfter in solchem Zusammenhang, die Regierung eine Ermächtigung einfach aus dem Grunde erhält, weil das Parlament für eine vernünftige und gründliche Regelung dieser Angelegenheit keine Zeit gefunden hat.
Wir sind auch der Auffassung, daß das Verhältnis der Streitkräfte zu den zivilen Behörden entscheidend durch die Besoldungsordnung beeinflußt wird. Es ist vollkommen unmöglich, auf die Dauer eine Unterstellung der bewaffneten Macht unter die zivile Gewalt zu erreichen, wenn die höchsten militärischen Repräsentanten in einer höheren Gehaltsklasse sind als der zivile Kontrahent, der ihnen vorgesetzt ist. Gerade wir hier in Deutschland wissen sehr genau, welche Rolle diese Dinge bei uns spielen können.
Weiterhin sind wir auch der Auffassung, daß es es sich beim Soldaten um eine besondere Form des Staatsdienertums handelt, der auch in der Besoldungsordnung Rechnung getragen werden sollte. Der Herr Kollege Kleindinst hat bereits vorhin darauf hingewiesen, daß nach seiner Auffassung diese Form nicht soviel Besonderheiten habe, daß man sie allzu weit von der geltenden Beamtenrechtsform entfernen sollte, und er hat gesagt, daß man die Bestimmungen des Beamtenrechts im einzelnen geprüft und festgestellt habe, das sei gar nicht so wild. — Lieber Herr Kollege Kleindinst, auf wiederholte Fragen im Sicherheitsausschuß, welche Bestimmungen des Beamtenrechts man denn nun anwenden wolle, welche man nicht anwenden wolle und welche man in veränderter Form anwenden wolle, haben wir bis heute noch keine befriedigende Auskunft bekommen, und von einer Prüfung der einzelnen Bestimmungen durch den Sicherheitsausschuß kann in diesem Zusammenhang überhaupt gar keine Rede sein. Eben diese besondere Form des Staatsdienertums, die sich nicht ohne weiteres in das Beamtenrecht hineinbringen läßt, erfordert nach unserer Auffassung auch ein besonderes Besoldungsrecht: Die Vorbildung ist anders, die Laufbahn ist anders als bei den übrigen Beamten, die Pensionierung erfolgt wesentlich früher als bei den anderen Beamten, die Form des Dienstes ist eine völlig andere. Alles das muß Berücksichtigung finden, und hier sollte durch ein besonderes Gesetz Rücksicht genommen werden.
Wir haben noch andere Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang, die aufgezeigt werden müssen. Immerhin sind inzwischen zehn Jahre vergangen, und nun sollen Menschen, die zehn Jahre nicht in ihrem Beruf waren, wieder sinnvoll eingegliedert werden. Was soll aus dem früheren Besoldungsdienstalter werden? Soll statt dessen das Lebensalter eine Rolle spielen? Alles offene Fragen, die noch nicht geklärt waren.
Ebenso ist die Frage des früheren Dienstrangs nach wie vor offen. Gelten die Hitlerschen Beförderungen einfach weiter oder ist das nicht der Fall? Der Herr Verteidigungsminister hat uns darüber im Ausschuß Ausführungen gemacht, die uns hätten befriedigen können; aber es wäre uns lieber gewesen, das hätte im Gesetz seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden.
Alle diese offenen Fragen hätte man regeln können, aber dazu hätte man Zeit gebraucht, um gründlich zu arbeiten, und diese Zeit ist nicht gegeben worden. Aus all diesen Erwägungen sachlicher und grundsätzlicher Natur sind wir nicht in der Lage, eine so weitgehende Ermächtigung zu erteilen, die die Organisation der Streitkräfte — ob man das will oder nicht — doch weitgehend präjudiziert.
Auch können wir auf keinen Fall einsehen, daß der Zeitmangel nun der Grund dafür sein soll, daß man bei diesem Gesetz nicht gründlich arbeitet, so gründlich arbeitet, wie es die Sache erfordert hätte. Gerade wegen der besonderen Bedeutung dieser Angelegenheit für die Zukunft hätte man an diesem Punkt gar nicht gründlich genug sein können.
Wir haben vorhin im § 1 a die Bestimmung verabschiedet: „Die freiwilligen Soldaten stehen im Dienst- und Treueverhältnis zum Bund." — Meine Damen und Herren, das ist ein gegenseitiges Verhältnis, für das auf der einen Seite hier der Bundestag die Verantwortung hat. Auch aus diesem Grunde und um dieses gegenseitige Verhältnis wirklich so aufzubauen, wie es Treu und Glauben erfordern, hätte das Parlament gerade an dieser Stelle klare Verhältnisse schaffen müssen.
Wir können uns angesichts der Unklarheiten und auch angesichts der verschiedenen Auffassungen, die innerhalb der Regierung zu diesem Punkt bisher geäußert worden sind, nicht entschließen, dem § 2 Abs. 1 unsere Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Vorredners bezogen sich noch einmal auf den § 1. Ich glaube, ich habe zu § 1 hier Beispiele für die Vorschriften gegeben, die anwendbar sind, für die, die nicht anwendbar sind, und für die, die zweifellos bei einem solchen Gesetz — ich denke nur an die Altersgrenze und an die Ruhestandsversorgung — innerhalb dieser 6 Monate gar nicht zur Anwendung kommen werden.
Für das Besoldungswesen ist eine Vorschrift vorgesehen, die von dem abweicht, was wir im Beamtenrechtsausschuß vorgeschlagen haben. Was wir vorgeschlagen haben, hätte eine sofortige gesetzliche Regelung ermöglicht. Aber der Sicherheitsausschuß hat es vorgezogen, diese Regelung einer Rechtsverordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu überlassen.
Die Zustimmung des Bundesrates ist in diesem Falle aus verschiedenen Gründen sehr notwendig. Im Bundesrat wird sehr eingehend erwogen werden, wie das Besoldungswesen für die Freiwilligen mit dem gesamten Besoldungswesen im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden zusammenhängt. Zweitens wird die Möglichkeit einer späteren Übernahme von Berufssoldaten in den zivilen Dienst, in den Verwaltungsdienst und in den Polizeidienst der Länder und der Gemeinden erörtert werden müssen. Deshalb haben wir, nachdem man unserem Vorschlag, das Besoldungswesen für die Freiwilligen sofort zu regeln, nicht gefolgt ist, diese Alternativregelung für möglich gehalten.
Aber nun eine wichtige Sache. Die Unterschiede zwischen einer Besoldung, die sich an die des Bundesgrenzschutzes anlehnt, und der hier vorgesehenen Regelung werden nicht groß sein. Für die Generale ist hier eine Regelung schon jetzt getroffen. Sie stimmt absolut mit dem überein, was auch der Beamtenrechtsausschuß gebracht hat. Offen ist nur noch die Besoldungsregelung für gewisse Gruppen —Unteroffiziere, Stabsunteroffiziere, Feldwebel—, bei denen wichtige Zusammenhänge mit der späteren Übernahme in den mittleren und in den einfachen Dienst der Länder und des Bundes berücksichtigt werden müssen. Gerade hier wird der Bundesrat sachlich mitwirken können und müssen. Die Unterschiede bestehen also nur noch bei diesen Gruppen. Im übrigen wird zwischen dem, was wir im Beamtenrechtsausschuß vorgeschlagen haben — Anlehnung an die Bezüge des Bundesgrenzschutzes —, und dem, was in der Rechtsverordnung in Aussicht genommen und in den Besprechungen zwischen dem Verteidigungsministerium, dem Innenministerium und dem Finanzministerium vorgesehen worden ist, eine vollkommene Übereinstimmung bestehen. Auch hier wird wie in § 1 und § 1 a im Interesse des Staates und der Freiwilligen eine völlig befriedigende Regelung erreicht werden.
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Ich erteile das Wort zu § 2 Abs. 2 dem Abgeordneten Thieme.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen im Sicherheitsausschuß wurde von der SPD festgestellt, aus dem Regierungsentwurf gehe nicht hervor, nach welchen Richtlinien die Freiwilligen eingestellt würden. In bezug auf die Pflicht zur Wiedergutmachung stellten sich Fragen wie: Werden die aus politischen Gründen degradierten Offiziere als Mannschaftsdienstgrade wiedereingestellt? Will man etwa die für wehrunwürdig erklärten politischen Gegner des nationalsozialistischen Regimes überhaupt nicht einstellen? Wie wird mit Soldaten verfahren, die wegen der Rassengesetzgebung als Berufsoffiziere ausscheiden mußten bzw. nicht befördert werden konnten, oder mit Soldaten, die es ablehnten, unter Hitler als Offiziere zu dienen?
Es hatte den Anschein, als wollte die Exekutive die Hierarchie der Wehrmacht aus dem Jahre 1945 zur Grundlage der Rangordnung machen. Diesen Eindruck erweckte auf jeden Fall die ursprüngliche Fassung des § 2 des Freiwilligengesetzes.
Nun, der Sicherheitsausschuß hat in etwa Klarheit geschaffen. Sie finden jetzt bei § 2 einen neu angefügten Abs. 2, der darauf verweist, daß „für die Einstellung von Bewerbern, die durch Maßnahmen oder Gesetze der nationalsozialistischen Regierung oder wegen Widerstands gegen diese Regierung Nachteile in ihrem militärischen Dienstverhältnis erlitten haben" sinngemäß „§ 20 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes" gilt.
Der Sicherheitsausschuß hat diese Ergänzung einstimmig angenommen. Es ist nun meine Bitte an das Haus, diesen Absatz ebenso einstimmig zu beschließen. Denn es geht hierbei nicht allein und ausschließlich darum, ausdrücklich festgelegt zu wissen, daß hinsichtlich der Wiedergutmachungsansprüche des Berufssoldaten der früheren Wehrmacht der zitierte Paragraph des erwähnten Gesetzes gilt und in Auswirkung dessen verschiedene einschlägige Verwaltungsvorschriften, Gesetzesänderungen und -ergänzungen Anwendung finden. Bloß um einer gerechten materiellen Bereinigung dieser Zweifelsfragen willen steht dieser Gesetzestext nicht da. Diese Art der Wiedergutmachung ist im Gange. Leider standen mir in der Kürze der Zeit nicht die Unterlagen zur Verfügung, um hier berichten zu können, in welcher Anzahl und in welcher Höhe Geschädigten samt ihren Hinterbliebenen materielle Wiedergutmachung bereits zuge-
standen wurde. Im Zusammenhang mit den heutigen Beratungen sind solche Angaben wohl auch entbehrlich. Bedeutsam dagegen — und das ist so eigentlich das tiefere Anliegen für die Bitte um Aufnahme dieses zur Debatte stehenden Textes in das Gesetz — ist für jeden Geschädigten, war er nun Berufssoldat oder wehrpflichtiger Staatsbürger, daß der Weg bereitet wird zu einer auf Antrag festzustellenden Aufhebung der ehrverletzenden, ja ehrvernichtenden Maßnahme des nationalsozialistischen Regimes: der Aberkennung der Wehrwürdigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen.
Warum steht diese Forderung unsichtbar hinter dem nüchternen Gesetzentwurf? Es ist schon genügend oft vorgetragen worden, daß die Regelung eines Teilproblems, wie das Freiwilligengesetz sie darstellt, ohne Klarheit über die Wehrverfassung als Ganzes bedenklich ist. Entsprechend der Begründung der Regierung ist die Einstellung von freiwilligen Soldaten nach diesem Gesetz der erste Abschnitt des Aufbaus deutscher Streitkräfte. An diesem Aufbau soll aber von der ersten Stunde an selbstverständlich auch derjenige wehrfähige Staatsbürger wieder teilnehmen können, der im verflossenen Unrechtsstaat Dulder schlimmster Erniedrigung war.
Wird die Geschichte der Wehrmacht von 1933 bis 1945 geschrieben, kann sie nur vollständig sein, wenn sie eine Zusammenstellung, die heute leider noch fehlt, enthält, die Auskunft über die große Zahl solcher in ihrer Menschenwürde Getroffenen gibt, die aufzählt die Jahre der Ausschließung vom Wehrrecht, die Bataillone der Soldaten zweiten Grades, der nur bedingt Wehrfähigen, der von der Beförderung Ausgeschlossenen, derer, die ihres militärischen Ranges, ihrer Dienstbezeichnung, ihrer Orden und Ehrenzeichen verlustig gingen; meine Damen und Herren, eine Aufzählung von Männern, die Leid und Schmach erdulden mußten, weil ihnen das Vaterland und die Gerechtigkeit mehr bedeuteten als der NS-Staat oder weil sie einer vom „Dritten Reich" zur Ausrottung verurteilten Rasse angehörten oder weil sie sich aus religiösen Gründen nicht beugen wollten. Vor Einstellung des ersten freiwilligen Soldaten muß für diese makellos beleumundeten, aber mit dem Odium der Ausschließung aus der Wehrmacht behafteten Staatsbürger unabdingbar sichergestellt sein, daß ihre Wehrwürdigkeit in vollem Umfang wiederhergestellt werden kann.
Wer über diese Stellungnahme aus dem Munde eines Sozialdemokraten überrascht sein sollte, dem möchte ich zu überlegen geben: Es ist historisch belegte Tatsache, daß in der Wilhelminischen Ära kein Mann, der Sozialdemokrat war, jemals hoffen konnte, im deutschen Heer Offizier zu werden. Das gleiche galt leider auch für die Reichswehr. Und wenn Sie die Kommentare zum Wehrgesetz des nationalsozialistischen Regimes studieren und die Heeresdienstvorschriften für Offiziers- und Reserveoffiziersanwärter mit den dazu herausgegebenen Fragebogen — denn damals wurden Fragebogen herausgegeben — nachlesen, so werden Sie finden, daß nach 1935 für einen SPD-Mann der Weg in Offiziersränge erst recht verschlossen war. Jede geheime und offene Absicht, die heute noch in Kommißköpfen spuken könnte, Männer, die sich zur SPD bekannt haben, wieder zu Bürgern minderen Wehrrechts herabzuwürdigen, wird zunichte gemacht. Eine wirksame Landeswehr kann nur mit der SPD zustande kommen; haben doch die statistischen Analysen der zurückliegenden Wahlen allgemein erkennen lassen, daß die Jahrgänge, die in den kommenden Jahren möglicherweise einberufen werden, mehr denn je junge Männer bringen werden, die politisch zur SPD stehen. Ich bin der Überzeugung, die SPD wird sich vom künftigen deutschen Soldaten nicht wieder trennen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dem aufgerufenen Paragraphen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Einzelberatung der zweiten Lesung.
Ich werde einzeln, d. h. zunächst über § 2 Abs. 1 und dann erst — aus naheliegenden Gründen — über § 2 Abs. 2 abstimmen lassen. — Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses.
Wir kommen also zur Abstimmung über § 2 Abs. 1 in der Ausschußfassung. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr § 2 Abs. 2 in der Ausschußfassung zur Abstimmung auf. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe in der zweiten Beratung § 2 a des Gesetzes auf und erteile das Wort dem Abgeordneten Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in dem vorliegenden § 2 a enthaltenen Bestimmungen waren im Regierungsentwurf nicht vorgesehen. Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, wie oberflächlich und schludrig — dabei nehme ich an, daß der Ausdruck „schludrig" nicht gegen die parlamentarische Ordnung verstößt, wenn er sich auf eine Vorlage bezieht;
ich finde jedenfalls keinen anderen Ausdruck, um
das ganze Verfahren richtig zu kennzeichnen — —Vizepräsident Dr. Schneider: Sie haben es also nur auf die Vorlage bezogen?
Nur auf die Vorlage, Herr Präsident! —
bei der Ausarbeitung verfahren wurde, dann ist es die Tatsache, daß man in den Ministerien und im Kabinett an die haushaltsrechtliche Seite der Angelegenheit nicht gedacht hat. Offenbar ist es in den Ministerien so, daß man bei einer Formulierung von Gesetzestexten sehr bereitwillig den Wünschen der Minister und der Bundesregierung Rechnung trägt. Aber eine entscheidende Frage, nämlich die Frage: „Welche Rechte stehen dem Parlament zu?" scheint bei den Überlegungen nicht an erster Stelle zu stehen. Diese Überlegung gehört doch in der parlamentarischen Demokratie an die erste Stelle.
Wenn man aber schon das wichtigste und entscheidendste Recht des Parlaments, nämlich das Haushaltsrecht übersieht, wie mag es dann erst bei anderen Dingen bestellt sein! Ich fürchte, bei einer Prüfung über die Kenntnisse der Rechte des Par-
laments innerhalb der Bundesregierung und innerhalb der Ministerien würden sehr schlechte Ergebnisse zu verzeichnen sein. Wenn die Bundesregierung sich ein Verdienst um die Demokratie erwerben will, sollte sie dafür sorgen, daß dieser Unwissenheit bald abgeholfen wird. Es würde sicher dem Respekt der Bürokratie vor dem Parlament sehr dienen, wenn jeder Ressortminister bei der Einreichung von Referentenentwürfen zunächst die Gretchenfrage stellte, ob die Rechte des Parlaments auch gewahrt seien.
Aber was soll man hier von der Bürokratie sagen, wenn anscheinend die Minister, die zum größten Teil gleichzeitig auch Parlamentarier sind, bei der Verabschiedung des Entwurfs im Kabinett nicht einmal gemerkt haben, daß man die haushaltsrechtlichen Bestimmungen nicht beachtet hat!
Wenn das am grünen Holz des Kabinetts geschieht, was soll man dann von dem hinsichtlich der parlamentarischen Belange ja doch dürren Holz der Bürokratie eigentlich sagen!
Nun hat man sich beim § 2 a bemüht, diesem Mangel abzuhelfen, aber in einer Weise, meine Damen und Herren, die den sachlichen Notwendigkeiten nicht gerecht wird und auch den Ansichten meiner Fraktion auf keinen Fall entspricht. Man hat zwar erkannt, daß der Stellenplan vom Parlament bewilligt werden muß. Aber gleichzeitig delegiert man dieses Recht des Plenums auf den Sicherheitsausschuß und den Haushaltsausschuß. Und warum? Nun, sagen wir es doch ganz deutlich und offen: um dem Plenum die Unterbrechung der Ferien zu ersparen. Man mutet den Kolleginnen und den Kollegen aus diesen beiden Ausschüssen zwar ein solches Opfer zu, das gesamte Parlament aber möchte es nicht bringen. In der Sitzung des Sicherheitsausschusses fiel aus der Koalition bei diesem Punkt die Bemerkung, es sei doch wohl besser, während der Ferien nur die beiden Ausschüsse zu mobilisieren und nicht das ganze Plenum. Ich habe daraufhin erklärt und möchte es hier mit Nachdruck wiederholen, es sei dann schon besser, das gesamte Parlament zu mobilisieren, um die Rechte des Parlaments auch tatsächlich zu wahren.
In dem Schriftlichen Bericht, den der Herr Kollege Dr. Mende vorgelegt hat, finden Sie die Stellungnahme des Rechtsausschusses und das Gutachten des Bundesfinanzministers. Aus diesen beiden Stellungnahmen können Sie ersehen, daß erhebliche verfassungsrechtliche und haushaltsrechtliche Bedenken gegen das in dem § 2 a vorgesehene Verfahren geltend gemacht werden.
Aber als es darum ging, daraus die Folgerungen zu ziehen und die Delegierung dieser Aufgabe auf die Ausschüsse abzulehnen, fürchtete man off enbar den Zorn und den Unmut der ferienhungrigen Kolleginnen und Kollegen. Der Rechtsausschuß kam sogar zu der interessanten Feststellung, daß durch diese Regelung im § 2 a keine Präjudizierung für weitere Fälle geschaffen werde. Nun, meine Damen und Herren, ich bin kein Jurist. Aber ich habe doch die Auffassung, daß durch die jetzt vorgesehene Regelung das Präjudiz gerade geschaffen wird. Ich fürchte, daß die Mehrheit des Rechtsausschusses dem Ansehen des Ausschusses
mit der hier abgegebenen Stellungnahme nicht sehr gedient hat.
Nun werden wir gleich den Hinweis hören, daß bereits in früheren Jahren so verfahren worden sei. Gewiß, es ist früher schon einmal so verfahren worden, daß der Haushaltsausschuß gewisse Vorwegbewilligungen vornahm. Aber wann und wie geschah das, meine Damen und Herren? Es geschah bis zum Jahre 1953. Die Kolleginnen und Kollegen, die bereits dem 1. Bundestag angehört haben, wissen, daß es damals einige Zeit dauerte, bis der Haushalt halbwegs fristgemäß verabschiedet werden konnte. In den ersten Jahren konnte das zum Teil erst kurz vor Schluß des Rechnungsjahres geschehen. Das hing eben mit dem Aufbau in der Bundesrepublik zusammen. Wir alle haben diesen Zustand bedauert, und wir alle sind bemüht gewesen, ihm möglichst bald abzuhelfen. Wir haben nur schweren Herzens einer solchen Regelung zugestimmt, und sie wurde außerdem jedesmal ausdrücklich im Haushaltsgesetz verankert.
Aber übersehen Sie jetzt doch bitte nicht den großen Unterschied! Es lagen bei solchen Vorwegbewilligungen die notwendigen gesetzlichen Regelungen für die betreffenden Verwaltungs- oder Sachausgaben vor. Aber niemand von Ihnen wird doch sagen oder im Ernst behaupten wollen, daß das Freiwilligengesetz eine wirkliche gesetzliche Regelung für das ist, was mit der Aufstellung von Streitkräften verbunden ist. Sie haben ja noch nicht einmal — das ist hier heute morgen schon wiederholt betont warden — die notwendigen verfassungsmäßigen Grundlagen dafür geschaffen.
Seit dem Jahre 1953 aber, seitdem also die Verabschiedung des Haushalts hier im Hause halbwegs ordnungsmäßig vor sich gehen konnte, sind entsprechende Bestimmungen im Haushaltsgesetz nicht mehr vorgesehen und sind auch Vorwegbewilligungen nicht mehr erfolgt. Ein außergewöhnlicher Zustand besteht eben nicht mehr. Sie sollten also im Interesse einer sauberen Gesetzgebung, wenn Sie nun diese Regelung schon einmal wollen, diese Bestimmung nicht in das Freiwilligengesetz hineinbringen, sondern Sie sollten dann wenigstens nachträglich eine Änderung des Haushaltsgesetzes vornehmen.
In der ersten Lesung und auch heute morgen in der Debatte sind sich alle Fraktionen 'darüber klar gewesen, daß mit der Aufstellung von Streitkräften die wichtigste und entscheidendste innenpolitische Aufgabe seit dem Jahre 1949 auf uns zukommt. Wir wollen uns doch nicht täuschen, meine Damen und Herren. Der Herr Kollege Jaeger hat vorhin ausgeführt, daß eine grundlegende Planung nicht vorgenommen würde. Aber mit dem Stellenplan, für den nach Ihrem Vorschlag die beiden Ausschüsse die Verantwortung übernehmen sollen, werden doch die wichtigsten Stellen in der Wehrmacht bereits festgelegt, und niemand kann doch später an diesen Festlegungen noch vorbeigehen.
Diesen wichtigen innerpolitischen Abschnitt beginnen Sie nun mit einem schlechten Gesetz. Durch die Bestimmung des § 2 a verzichten Sie weitgehend auf Rechte, die nur dem ganzen Hause zustehen und die nur unter den Voraussetzungen, die ich vorhin genannt habe, vor Jahren gelegentlich einmal auf Ausschüsse delegiert wurden. Und warum diese Regelung? Ich möchte es noch einmal wiederholen, meine Damen und Herren: damit dem gesamten Hause die Unterbrechung der Ferien er-
spart bleibt! Ich glaube, das ist kein sachlicher Grund dafür, eine solch weittragende Bestimmung zu treffen, wie sie hier vorgesehen ist.
Wenn Sie glauben, daß Sie das angesichts der Bedeutung der Angelegenheit verantworten können, müssen Sie es so beschließen, wie es vorgesehen ist. Ich bin überzeugt, die Bevölkerung draußen wird es nicht verstehen, und die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion werden Sie zu einer solchen Regelung auf keinen Fall bekommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das Bedürfnis, zu dem, was der Herr Kollege Mellies soeben ausgeführt hat, einiges zu sagen.
Ganz gewiß ist Anlaß geboten, sehr sorgfältig die Frage zu prüfen, ob das System der Vorwegbewilligungen, das in dem neuen § 2 a des Gesetzes verankert ist, nun tatsächlich neu in Geltung gesetzt werden soll. In den ersten Jahren der Haushaltsberatungen haben wir dieses System in der Weise eingeführt, daß zunächst im Haushaltsgesetz festgelegt wurde, daß der Haushaltsausschuß berechtigt ist, nach einer vom Finanzministerium vorzulegenden Vorlage bestimmte Positionen vorwegzubewilligen. Alle Mitglieder dieses Hohen Hauses, die damals im Haushaltsausschuß mitgearbeitet haben, werden es mir bestätigen, wenn ich sage, daß wir an dieser Regelung keine besondere Freude gehabt haben. Sie hat uns alle irgendwie belastet. Sie hat uns allen eine besondere Art von Verantwortung auferlegt. Aber es hat sich doch immer mehr herausgestellt, daß unter den Umständen der damaligen Situation auf eine solche Bestimmung nicht verzichtet werden konnte. Sie war notwendig. Sie hat sich, auch auf das Ganze gesehen, bewährt und hat für den Aufbau der Bundesverwaltung und für den Aufbau der ersten Haushalte des Bundes gute Dienste geleistet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung wurden von der grundsätzlichen Seite her damals nicht geltend gemacht.
Meine Damen und Herren, ich möchte ein Zweites sagen, um dem Einwand des Herrn Kollegen Mellies zu begegnen, daß es sich hier nur um das Bedürfnis des Bundestages handle, rechtzeitig in die Ferien gehen zu können. Wenn Sie den Haushalt aufschlagen, den wir für das Rechnungsjahr 1955 schon im Frühjahr dieses Jahres hier in diesem Hause bewilligt haben, dann werden Sie bei Kap. 3501 sehen, daß auch in diesem Haushalt 1955 das System der Vorwegbewilligung gesetzlich verankert ist. In der Zweckbestimmung zu Kap. 3501, Tit. 300 ist nämlich folgendes festgelegt:
Mit Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit des Deutschen Bundestages dürfen Mittel für besonders dringliche Maßnahmen vor der Verkündung der Haushaltsnachträge bereitgestellt werden.
Ich darf, um Unklarheiten zu vermeiden, gleich bemerken, daß die Regierung im Verlauf der Beratungen im Haushaltsausschuß und im Sicherheitsausschuß die eindeutige Erklärung abgegeben hat, daß die Bundesregierung nicht beabsichtige, von dem in dem letzten Satz des Zweckbestimmungsvermerks zu Kap. 3501 Tit. 300 festgelegten Recht Gebrauch zu machen, um Planstellen in dem dort vorgesehenen besonderen Verfahren zu schaffen. Aber der Gesetzgeber hat, um dies nochmals zu sagen, schon bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1955 die Vorwegbewilligungen für notwendig gehalten.
— Ja, aber damals standen keine Ferien in Aussicht, Herr Kollege Mellies; und deshalb können Sie nicht sagen, daß die jetzt vorgeschlagene Regelung nur mit den Ferien des Bundestages zusammenhänge.
Meine Damen und Herren, wie stehen wir nun zu der in § 2 a des Gesetzes vorgesehenen Fassung?
Zunächst ist zu sagen, daß diese Ermächtigung, Vorwegbewilligungen auszusprechen, nicht nur dem Haushaltsausschuß, sondern auch dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, also zwei großen Ausschüssen dieses Hauses, übertragen wird. Dadurch kommt doch eine gewisse Verlagerung der Verantwortung auf breitere Schultern zustande. Ganz klar ist, daß der Haushaltsausschuß dabei die Federführung haben muß, weil ja dem Haushaltsausschuß für alle Fragen, die irgendwie mit de Bewilligung von Geld zusammenhängen, eben eine besondere Verantwortung auferlegt ist.
Nun muß aber bei der Bewertung dieser Regelung noch folgendes beachtet werden. Das Gesetz, das zu verabschieden wir im Begriff sind, begrenzt die von der Bundesregierung angestrebten Ziele sowohl hinsichtlich der Zahl wie auch hinsichtlich der Zeit und hinsichtlich des Zweckes. Diese Begrenzung gilt natürlich auch bei der Anwendung des Systems der Vorwegbewilligungen. Die beiden Ausschüsse sind nicht befugt, eine unbegrenzte Zahl von Stellen zu schaffen, sondern nur Stellen im Rahmen dieses Gesetzes. Es ist nicht möglich, dieses System mit unbegrenzter Zeit in Funktion zu setzen. Die Vollmacht gilt nur für die im Gesetz festgelegte Zeit. Außerdem können solche Stellen nur für die im Gesetz genannten Zwecke bewilligt werden.
Außerdem muß darauf hingewiesen werden, daß in § 2 des Gesetzes ganz bestimmte Richtlinien für die Schaffung der Planstellen aufgestellt sind. Es ist festgelegt, daß bestimmte Kategorien von Soldaten nur in bestimmte Besoldungsstufen eingewiesen werden dürfen. Auch hier hat der Gesetzgeber also eine Begrenzung geschaffen, an die auch die beiden Ausschüsse sich zu halten haben.
Schließlich und nicht zum letzten ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber durch die Schaffung des Personalausschusses die Gewähr dafür geschaffen hat, daß nur solche Bewerber in Planstellen eingewiesen werden können, deren persönliche Integrität außer jedem Zweifel steht. Bei dieser Sachlage glaubt meine Fraktion, die Verantwortung dafür übernehmen zu können, daß die in § 2 a vorgeschlagene Regelung — ich wiederhole nochmals: für begrenzte Zeit, für einen begrenzten Zweck und für eine begrenzte Zahl von Bewerbern — verwirklicht wird.
Es ist ganz klar, daß die beiden Ausschüsse eine besonders schwere Verantwortung zu tragen haben. Ich möchte an die Regierung den Appell richten, die Arbeit dieser Ausschüsse dadurch zu erleichtern, daß sie bei den bevorstehenden Verhandlungen ihre Planungen klar und durchsichtig offenlegt und den Ausschüssen alle Auskünfte gibt, deren sie bedürfen, um ihre Entscheidungen zu fällen. Ich denke dabei etwa an die Planung der Regierung für den Aufbau des inneren Gefüges einer kommenden Wehrmacht, eine Planung, über die wir uns im Sicherheitsausschuß sehr eingehend unterhalten haben. In der ersten Vorlage des Finanzministeriums hinsichtlich der neu zu schaffenden Einrichtungen, die an den Haushaltsausschuß gegangen ist, hat die Regierung bemerkt, die Planungsarbeiten für das innere Gefüge müßten beschleunigt weitergeführt und beendet werden. Wenn ich sage: die Regierung kann die Arbeit der Ausschüsse dadurch erleichtern, daß sie ihre Planung klar auf den Tisch des Hauses legt, dann denke ich vor allem an die Planung der Regierung für den Aufbau des inneren Gefüges der kommenden Wehrmacht, von der es so sehr abhängen wird, ob breite Schichten unseres Volkes dieser neu aufzubauenden Wehrmacht in einem inneren Vertrauensverhältnis gegenüberstehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit muß ich eine mißverständliche Bemerkung meines Herrn Vorredners richtigstellen. Im Rahmen des § 2 a kann es sich bei der Vorwegbewilligung nur um die gemeinsame Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Sicherheitsausschusses handeln. Beide Ausschüsse müssen zustimmen. Beide sind gleichberechtigt. Eine Federführung kann es nur dort geben, wo ein Bericht an das Plenum erstattet wird. Hier wird kein Bericht an das Plenum erstattet, sondern stellvertretend für das Plenum entschieden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zu dem aufgerufenen Paragraphen liegen nicht vor; ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den § 2 a des Gesetzes in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, möge das Handzeichen geben. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist in zweiter Lesung verabschiedet.
Ich rufe § 2 b in der Ausschußfassung auf und erteile dem Abgeordneten Schneider das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend der heute morgen im Namen meiner Fraktion abgegebenen Erklärung werden wir den § 2 b ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Beratung zu § 2 b.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 2 b zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Paragraph ist verabschiedet.
Ich rufe § 2 c des Gesetzes in der Ausschußfassung auf und erteile dem Abgeordneten Erler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß sich diese Bestimmung im Gesetz findet, die dem Bundestag die Möglichkeit gibt, bei der künftigen Gesetzgebung dafür zu sorgen, daß die von ihm immer vertretenen Grundsätze der zivilen Leitung und der parlamentarischen Kontrolle auch eingehalten werden. Wir dürfen auf die Beispiele alter Demokratien hinweisen, etwa der Schweiz oder der Vereinigten Staaten von Amerika, in denen die demokratische Gewaltenteilung durchaus besteht und in denen trotzdem das Parlament die Spitzengliederung der Streitkräfte und auch die Organisation bis in die Ministerien hinein durch seine eigenen Beschlüsse auf dem Wege der Gesetzgebung gestaltet. Wir müssen einsehen, daß wir in dieser Frage nicht davon ausgehen dürfen: Wie sieht das Minimum aus, das das Grundgesetz dem Parlament zwingend vorschreibt?, sondern wir müssen umgekehrt fragen: Wie sieht das Optimum an Mitwirkung des Parlaments aus, das eine lebendige Demokratie erfordert? In diesem Sinne scheint uns, daß wir mit der hier vorgesehenen Lösung auf dem richtigen Wege sind. Sie ist ein Symbol dafür, daß der Bundestag an dieser Stelle seinen Willen dahin bekundet, daß mit dem Aufbau von Streitkräften nicht etwa der Weg in den Obrigkeitsstaat beschritten werden soll. Wir stimmen diesem Paragraphen zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Heye.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gründe darlegen, die mich bewogen haben, diesem Paragraphen zuzustimmen. Ich bin überzeugt, daß die Herren in den Reihen des Hauses, die diesem Paragraphen zugestimmt haben, sehr verschiedene Motive gehabt haben. Ich persönlich bin allerdings der Ansicht, daß dieser Paragraph notwendig war, und zwar — das möchte ich hier hervorheben — im politischen Interesse und im Interesse der Soldaten.
Ich bin vorhin sehr schmeichelhafterweise als der Soldat mit der längsten Berufserfahrung bezeichnet worden. Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Auffassung, daß eine lange Dienstzeit in jedem Fall die Weisheit vermehrt; aber ich glaube auch, daß ich zu denen gehöre, die vielleicht die vielseitigsten Erfahrungen haben. Aus dem Erleben in zwei Weltkriegen und vor dem ersten Weltkriege, sowohl in Stäben wie in der Truppe, bin ich, ich möchte sagen: leidenschaftlich darum bemüht, die Ursachen, die damals und bis heute — sie sind noch nicht überwunden — zu dieser zwiespältigen Stellung des Soldaten in unserem Volke geführt haben, überwinden zu helfen. Dazu erscheint es mir notwendig — und das ist der Grund für meine Zustimmung zu diesem Paragraphen —, daß der Soldat von der Verantwortung, die er früher zu tragen hatte, entlastet wird und daß das Parlament als die politische Spitze des deutschen Volkes sich für diese Fragen mitverantwortlich fühlt.
Ich bin der Auffassung, daß man nur dann wirklich eine Verantwortung fühlt, wenn man mit dieser Verantwortung auch belastet wird. Früher trug
sie völlig einseitig der Soldat. Ich habe — ich gebe hier meine persönliche Auffassung wieder — seit 1917 diese Erfahrung gemacht, als ich als junger Offizier zum erstenmal eine Meuterei erlebt habe. Die Ereignisse vom 17. Juni in Berlin haben mich sehr oft an diese Zeit erinnert. Wir waren damals als junge Menschen sicher auch so erstaunt wie die Russen beim Aufstand der Berliner Bevölkerung. Wir hatten das nicht gelernt, wir waren nicht darauf vorbereitet; wir lebten in einem organisierten und ruhigen Staate. Es war die Erscheinung, daß eine Truppe, die noch am Abend vorher das Bild einer Zuverlässigkeit gab, die stramm stand und jeden Befehl ausführte — wie das, na, sagen wir einmal, etwas übertrieben im „Simplicissimus" dargestellt wurde, denn der richtige Soldat war nie so zackig —, die Erscheinung, daß die Truppe sich völlig veränderte, daß dieselben Menschen, mit denen man täglich zusammen war und die man zu kennen glaubte, am nächsten Tag nicht nur äußerlich, sondern auch in ihren Gesichtszügen ein völlig verändertes Bild zeigten. Das hat uns damals als junge Menschen stark beeindruckt; ich bin heute noch nicht darüber hinweggekommen. Es war ein so entscheidender Wendepunkt vor allem für uns junge Offiziere, nicht nur für mich allein, daß wir den Fragen der Psychologie, in der wir Deutschen nicht sehr stark sind, doch sehr viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet haben und daß dieser Punkt, die Meuterei unter den Soldaten, die in unserem deutschen und preußischen Staate sehr ungewöhnlich war, den Anstoß gegeben hat, daß wir uns mit Fragen der Psychologie, der Menschenführung sehr viel mehr beschäftigt haben, als es vorher der Fall gewesen ist.
Ich hatte dann — heute bezeichne ich es nachträglich als ein Glück — den Zusammenbruch 1918 sowohl in Österreich als auch hier bei uns erlebt. Ich habe also auf diesem Gebiete eine reichliche Erfahrung, und diese Erfahrung ist mir mehr wert als eine lange Dienstzeit; das muß ich Ihnen offen gestehen. Ich bin mit sehr wachen Augen, geschärft durch diese Ereignisse, in die Zeit nach dem Krieg gegangen. Aus den Erlebnissen dieser Zeit heraus, sowohl in der Truppe als auch im Generalstab — ich bin zwei Jahre in der Abteilung des damaligen Obersten von Fritsch gewesen; Major von Weyer war mein Gruppenchef, einer der modernsten und zeitgemäßesten Menschen, die ich je kennengelernt habe —, haben wir uns damals schon Gedanken gemacht, die auch heute das Amt Blank bewegen. Unsere Pläne sind gescheitert, nicht weil wir damals weniger revolutionär gewesen wären, als die jungen Menschen es heute sind, sondern sie sind daran gescheitert, daß das alte Fundament geblieben war und wir darauf aufbauen mußten.
Ich darf das hier erwähnen, weil meine Dienststellungen mir damals als jungem Menschen — vielleicht mehr als manchem anderen — einen tiefen Einblick gegeben haben. Vielleicht wissen einige noch, daß mein Vater damals Nachfolger des Generals von Seeckt als Chef der Heeresleitung geworden ist, des Generals von Seeckt, der das Wort gesprochen hat: „Die Reichswehr steht hinter mir". Dieser Satz ist nicht in dem machtbeanspruchenden Sinne aufzufassen, wie oft gesagt wird. Der gleiche Seeckt wurde später von dem Reichswehrminister Geßler kraft der Autorität der politischen Führung kurzerhand — aus einem Anlaß, den wir heute nicht mehr sehr tragisch nehmen würden —, entlassen. Gegen seine Verabschiedung hat die damalige Reichswehr keinen Widerspruch und keinen
Widerstand geleistet. Ich möchte das betonen, damit endlich die Auffassung widerlegt wird, die Reichswehr als solche oder überhaupt die Truppe sei ein Instrument, das zur Revolution neige.
Meine Damen und Herren, wer die Truppe kennt und wer den Deutschen kennt, der weiß, daß letzten Endes der Soldat dieselben Stärken und dieselben Schwächen hat wie das Volk, aus dem er kommt. Uns als Soldaten liegt das Revolutionäre überhaupt nicht. Uns liegt auch, um militärisch zu sprechen, der Partisan ebensowenig wie dem deutschen Volk der Revolutionär. Wir sind, um es übertrieben auszudrücken, der Typ des getreuen Untertanen, und das sind wir immer gewesen. Wenn es dafür eines Beweises bedürfte, dann brauchten wir nur an die zurückliegende Nachkriegszeit zu denken: ich bin überzeugt, keine Besatzungsmacht hat so gute Untertanen gehabt wie uns.
In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg also lebte mein Vater. Er war der Typ einer völlig unpolitischen und — ich glaube, alle, die ihn kennengelernt haben, werden das bestätigen — in keiner Weise nach einer politischen Macht strebenden Persönlichkeit, der durchaus soziale und dem Zeitgemäßen nicht abholde Gedanken auf militärischem Gebiet hatte. Er hatte allerdings durch seine Erziehung und durch die Vergangenheit eine Eigenschaft nicht: er war nicht revolutionär; er war ebenfalls ein gehorsamer Untertan. Ich selber habe damals als junger Kapitänleutnant meinem Vater geraten, er solle sich aus diesem Wust von Intrigantentum und hintergründiger Arbeit im Kriegsministerium herausziehen, weil er dem einfach nicht gewachsen war. Ich sage das, um zu betonen: die Gefahr liegt niemals in der Truppe selbst. Die Truppe hat, ob sie Reichswehr heißt oder kaiserliches Heer oder wie immer zukünftig, sich noch niemals geweigert, einer Regierung zu gehorchen, die ihrer selbst sicher war, ebensowenig wie das deutsche Volk einer solchen Regierung die Gefolgschaft verweigert hat. Die Gefahr liegt vielmehr dort, wo der „Apparat" beginnt. Ich will Ihnen das nicht im einzelnen aufzählen. Die Gefahr des „Apparates" besteht darin, daß Einfluß von Stellen, die nach außen hin nicht verantwortlich sind, ausgeübt wird und daß diese Stellen nachher praktisch ein politisches Spiel spielen. Ich will es einmal in einem Ausdruck zusammenfassen — ich habe ihn neulich in meiner Fraktion angewandt —: die politisierenden Offiziere sind beinahe genau so gefährlich wie die militaristischen Politiker;
und diese Typen züchten wir allzuleicht in einem „Apparat". Deshalb meine Sorge, und sie ist eine echte Sorge! Ich beabsichtige nicht, mich wieder als Soldat zu betätigen. Aber es ist eine berechtigte Sorge; denn ich habe meinen Beruf als Berufung aufgefaßt und ihn mit Ernst und mit Liebe ausgeübt. Ich bin in dieser Beziehung sicher nicht weniger besorgt als der sonst von mir verehrte Herr Kollege Schneider. Aber ich bin über das von ihm behandelte Problem etwas anderer Auffassung.
Dazu darf ich vielleicht einen kurzen Rückblick machen. All diese Ideen — ich will nicht behaupten, daß ich allein recht damit habe — haben sich bei mir in den Jahren gebildet, wo wir sehr viele Regierungen, sehr viele Systeme, sehr viel Gesetzmäßigkeit und sehr viel Ungesetzmäßigkeit an uns
haben vorüberziehen sehen. Aus den Ereignissen dieser Zeit habe ich gefolgert, daß wir in unserer — ich darf sie einmal so nennen — kontinentalen Einstellung oder in der Einstellung der Festlandsmächte uns seit jeher daran gewöhnt haben, daß eine kriegerische Auseinandersetzung nur der Kampf zwischen den beiderseitigen Armeen ist, sozusagen ein ritterliches Duell. Wenn der Soldat siegt, bekommt er ein Denkmal; wenn er nicht siegt, kommt er nach Nürnberg.
Aber die große Masse der Staatsbürger hat noch kein Gefühl dafür, daß sie die Verantwortung mitträgt. Deshalb lege ich auf diesen § 2 c Wert. Ich möchte damit erreichen, daß nicht nur die Regierung, nicht nur der Bundeskanzler, nicht nur der Verteidigungsminister diese Verantwortung trägt — die keiner allein tragen kann; denn sie ist viel zu groß, und wir wissen überhaupt nicht, wohin die Entwicklung geht —, sondern daß diese Verantwortung mitgetragen wird vom Parlament als der dafür verantwortlichen Stelle.
Aus diesem Grunde bin ich dafür, das Parlament als mitarbeitende und mitverantwortliche Stelle mit dieser Verantwortung mit zu belasten — aus keinem anderen Grund. Aus unserer früheren Einstellung, wie ich sie eben erwähnte, daß nämlich der Soldat sozusagen der einzige Träger der Verteidigung war, ergaben sich ja auch die vielen psychologischen Schwierigkeiten, die wir bis heute noch nicht überwunden haben. Auch die letzten Sitzungen in den Ausschüssen, die sonst wirklich einträchtig und sehr gut verlaufen sind, bewiesen mir immer wieder, daß hier noch psychologisch schwache Stellen zu überbrücken sind. Letzten Endes berührt der Personalausschuß auch eine solche Stelle. Ich messe der psychologischen Wirkung des Personalausschusses viel mehr Wert bei als der tatsächlichen. Einige mögen wie der Kollege Schneider sagen, er sei überflüssig. Meine Damen und Herren, es geht uns hier genau so wie mit unserem Nachbarvolk, den Franzosen: man hat Mißtrauen. Wir können noch einmal versichern — und ich glaube, wir sind alle einer Meinung diese Sorge ist überflüssig. Kein Mensch in diesem Hause, kein Mensch in Deutschland, am wenigsten der Soldat, denkt überhaupt daran, daß ein Krieg oder eine Auseinandersetzung mit Frankreich noch möglich ist. Trotzdem ist das Mißtrauen nicht von heute auf morgen zu beseitigen. Aber genau so müssen wir auch einsehen, daß dieses Mißtrauen, das nun einmal durch die Geschichte gegenüber der Wehrmacht besteht, ein Faktum ist, ganz gleich, ob es berechtigt oder unberechtigt ist. Deshalb müssen wir alles tun, es zu beseitigen. Darin sehe ich den Hauptwert eines Personalausschusses,
und zwar als eines Instruments, das sowohl im Interesse des Parlaments, sowohl im Interesse unserer Demokratie wie aber auch und nicht zuletzt im Interesse der Menschen, die sich für diese ungeheuer verantwortungsvolle Aufgabe zur Verfügung stellen, zu arbeiten hat. Das ist der Punkt, auf den ich noch einmal hinweisen wollte.
Wir hatten, wie gesagt, früher die Auffassung, daß eine Auseinandersetzung, ein Krieg, nur ein
Duell zwischen den beiderseitigen Wehrmachten sei. Hier unterschieden wir uns grundsätzlich von der Auffassung unserer heutigen Partner, den Engländern und den Amerikanern. Für die Engländer und Amerikaner ist auf Grund ihrer maritimen Vergangenheit von jeher ein Krieg nichts anderes als die Auseinandersetzung zwischen Volk und Volk, d. h. die Stellung des Soldaten im Staate und die Stellung des Staates zum Soldaten war immer klar. Es ist nie vorgekommen, daß der Soldat in die Regionen der Politik hinübergriff, und die Politik hat immer das Primat der Führung gehabt, das nie angezweifelt worden ist. Wenn wir diese Auffassung übernehmen — und wir müssen sie übernehmen, meine Damen und Herren —, dann werden wir die psychologischen Schwierigkeiten, die wir jetzt haben, überwinden, und wir werden dahin kommen, daß unsere Soldaten, unsere Menschen, die ihre staatsbürgerliche Pflicht als Soldaten tun werden, genau wie es bei den Engländern, den Amerikanern und den anderen Völkern der Fall ist, ihren Platz in der staatlichen Organisation bekommen, in der sie ihre Aufgabe unter der politischen Führung erfüllen werden.
Diese Auffassung müssen wir uns aneignen. Wir können nicht länger in der Ideologie der vergangenen Zeiten leben, daß nämlich ein Krieg oder die Vorbereitung dazu lediglich eine Aufgabe des Soldaten ist. Damit ist ,der Soldat überfordert. Daraus entspringen, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, sehr viel Einwendungen gegenüber dem Soldaten; sie entspringen der gesellschaftlichen Auffassung. Wir haben den Soldaten früher auf Grund der Auffassung, daß er allein für Verteidigung und für die Vorbereitung des Krieges verantwortlich ist, im Frieden sozusagen auch gesellschaftlich überbewertet. Er war ja der Mann, der sich im Kriege für die Gemeinschaft opfern muß. Heute im Zeichen des totalen Krieges ist das anders. Heute kann der Soldat seinen Aufgaben nur gerecht werden, wenn die Gemeinschaft und wenn vor allen Dingen die politischen Stellen diese Verantwortung mit tragen.
Ich gehe noch weiter, meine Damen und Herren. Ich behaupte sogar, daß die strategische Konzeption — und da befinde ich mich durchaus in Obereinstimmung mit meinem Freunde Speidel — kein Privileg des Soldaten ist. Wer nicht um die strategischen Konzeptionen weiß, wer sich nicht das Recht vorbehält, die Schwerpunkte auch der Kriegführung zu bestimmen,
wer sich das nicht zutraut, meine Damen und Herren, der ist in meinen Augen in diesem Sinne jedenfalls kein Staatsmann.
Die Sphäre des Soldaten liegt unter h a 1 b dieser Ebene, nicht i n dieser Ebene. Ich glaube, wenn wir an die Vergangenheit denken, sowohl an den ersten wie an den zweiten Weltkrieg, dann werden wir erkennen, worin der große Unterschied besteht. Der Soldat wurde bei uns einfach überfordert, und ich habe, wirklich auf Grund einer Kenntnis der Dinge und weil ich es nicht nur einmal, weil ich es zweimal erlebt habe, die Sorge, daß wir in gewissem Sinne diese Mentalität noch nicht überwunden haben. Große Teile unseres Volkes denken heute noch: Alles, was mit Verteidigung zusammenhängt, das macht Blank, die Vor-
bereitung macht der Soldat und die Durchführung macht der Soldat; wir, die Bürger, halten uns davon entlastet.
Meine Damen und Herren, wenn wir es nicht fertigbringen, daß wir uns alle — jeder Büger — für die Aufgabe der Veteidigung mit verantwortlich fühlen, dann werden wir das, was wir alle hier wollen, nicht erreichen, und dann geht es — das darf ich hier sagen — wie in der Vergangenheit zu Lasten des Soldaten. Es liegt mir daran, diese Punkte klarzustellen und zu sagen, daß ich, auch wenn ich weiß, daß es darüber sehr verschiedene Auffassungen gibt, gerade in dem § 2 c die Garantie für die Mitverantwortung der verantwortlichen politischen Stellen sehe. Ich sehe diesen Paragraphen nicht als ein Mißtrauensvotum gegen irgendeine der anderen politischen Stellen der Bundesrepublik an.
Ich stehe überhaupt auf dem Standpunkt, daß solche schwerwiegenden Verantwortungen, die jetzt auf uns zukommen, wie auch die große Konzeption — was machen wir, w o setzen wir die Mittel ein, die Konzeption, die uns auf Jahre bindet und deren Richtigkeit wir ja erst im Ernstfall, also hoffentlich nie erleben — überhaupt nicht von einem oder von zwei oder von drei Menschen, ja nicht einmal von einem ganzen Kabinett getragen werden können. Die Verantwortung ist so ungeheuer groß und so umfassend und entscheidend nicht nur für unsere Zukunft, sondern auch für die Zukunft unserer Kinder, daß wir alle Erfahrungen ausnutzen müssen, daß wir jede Möglichkeit der Mitverantwortung ausnutzen müssen, damit wir gemeinsam diese gewaltige Aufgabe meistern. Das ist der Grund, warum ich für diesen § 2 c gestimmt
habe und warum ich auch froh bin, daß sich hierfür eine Mehrheit gefunden hat, auch wenn die Gründe für die Zustimmung völlig verschieden sind.
In diesem Zusammenhang soll eins nicht unerwähnt bleiben. Ich möchte es gerade in diesem Zusammenhang noch einmal sagen, weil sonst keine Gelegenheit dazu ist. Ich meine, daß sich das Parlament nicht nur um die Frage der 6000 Freiwilligen oder auch der 12 Divisionen bekümmern sollte. Es kommt darauf an, daß das Parlament sich bewußt ist, daß zum erfolgreichen Neuaufbau der Verteidigung auch das Wegräumen der Schlacken der Vergangenheit gehört. Das bedeutet — lassen Sie mich das ruhig aussprechen, meine Damen und Herren —, daß, wenn wir ,auf der einen Seite die großen Ausgaben einer Verteidigung auf uns nehmen müssen, wir uns auch bewußt sein sollen, daß wir mit der gleichen Bereitschaft die größten Mängel bei den Menschen beseitigen müssen, die immer noch unter 'den Auswirkungen des letzten Krieges leiden. Ich meine die Kriegsopfer, die Kriegsbeschädigten, kurzum all die Menschen, denen noch nicht ihr Recht geworden ist. Dazu gehören auch viele 131er.
Ich möchte mich dabei auch an die verehrte Frau Kollegin Jeanette Wolff wenden, die neulich etwas mißbilligend von den Generälen dem Sinne nach gesagt hat, sie erhielten zu große Pensionen. So ist es wohl nicht. Ich bin ja nun auch nicht ganz von der deutschen Schwäche des Neides frei; deshalb ärgert es mich manchmal, daß ich mit vielen Dienstjahren und imerhin mit einem Verantwortungsbereich, an dem man in zwei Kriegen sehr schwer zu tragen hatte, in den Bezügen schlechter gestellt werde als ein jüngerer Beamter im entsprechenden Rang. Trotz langer Dienstzeit bekomme ich z. B. — und ebenso andere ehemalige
Soldaten meines Alters — nicht die Pension als
Vizeadmiral, sondern als Oberst. Dies aber nur
als Beispiel, um den Ausführungen über eine zu
hohe Versorgung der Generäle entgegenzuwirken.
Dabei sei mir folgende Bemerkung erlaubt. Ich bin der Auffassung, daß man keinen Unterschied in der Bewertung von Offizieren und Beamten machen sollte. Beide sind Staatsdiener im guten Sinn. Ich lehne es aber ab und werde es immer ablehnen, daß man z. B. aus einem Rest von Mißtrauen behauptet: der Beamte sei immer noch um eine Schattierung zuverlässiger, und deshalb müsse in der künftigen Organisation, damit wirklich nichts passiert, der Beamte den Soldaten sozusagen kontrollieren. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß viele gute Kräfte auf den Dienst in den Streitkräften verzichten werden, wenn sie nicht das gleiche Vertrauen genießen wie die Beamten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Frage erörtern. Ich bin der Auffassung, daß wir uns, weil wir einen klaren Horizont für die künftigen Soldaten schaffen müssen, immer wieder bemühen sollten, das Problem der Menschen, die kriegsverurteilt sind oder die noch hinter Stacheldraht sitzen, baldigst zu lösen. Denn es gibt viele Menschen — ich hoffe sogar, ein großer Teil —, die nicht nur deshalb wieder in die Wehrmacht gehen, weil sie dadurch zu einer Verbesserung ihrer Bezüge kommen, oder weil sie dadurch als Arbeitslose endlich Beschäftigung finden, sondern die mehr wollen als nur ihr Geld verdienen, die diesen Beruf als Berufung auffassen und nicht nur als Job. Es wäre schade um die künftige Wehrmacht, wenn sie nicht wenigstens einen Kern von Menschen hätte, die diese — Sie können es so nennen — idealistische Auffassung besitzen. Das Freiwilligengesetz sollte ja, wie geschehen, so verbessert werden, daß es auf diese besonders erwünschten Bewerber eine Anziehungskraft ausübt.
Ich möchte dem Herrn Minister Blank für die Erfüllung seiner Aufgaben auch wünschen, daß er einen gewissen Prozentsatz von schwierigen Untergebenen bekommt. Ich glaube, diese schwierigen Untergebenen werden ihm weiter helfen als manche, die sich nur als Befehlsempfänger fühlen.
Abschließend möchte ich noch eine Hoffnung aussprechen. Wir haben als Soldaten nicht danach gefragt, welcher Partei einer angehörte, welche Religion er hatte oder woher er kam. Bei den Fronttruppen — ich glaube, dies war überall das gleiche — kam es lediglich darauf an: was ist das für ein Kerl, können wir uns aufeinander verlassen? Nur auf diesem Grundsatz beruhte das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Menschen, die in wirklicher Gemeinschaft verbunden waren. Ich sehe trotz der Nachteile des Freiwilligengesetzes — sie sind mir wie jedem von Ihnen hier völlig klar — in dem jetzt vorliegenden Entwurf einen guten Anfang kommender Arbeit. Ich möchte meinen, daß es auch der Ansicht des größten Teiles unserer Wähler, ganz gleich, wo sie stehen, entspricht, wenn wir in einer Aufgabe, die eine Lebensaufgabe für uns alle sein wird und heute schon ist, das Gemeinsame und nicht nur das Trennende suchen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zu dem aufgerufenen Paragraphen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 2 c in der Ausschußfassung zustimmen will, möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme bei mehreren Enthaltungen verabschiedet.
Ich rufe § 3 des Gesetzes auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer § 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe in der zweiten Lesung noch die Einleitung und die Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Damit ist dieser Punkt, da nur die zweite Lesung des Gesetzentwurfs auf der Tagesordnung stand, erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit von Richtern und des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 1615).
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung — an Stelle des erkrankten Abgeordneten Dr. Arndt — der Abgeordneten Frau Dr. Schwarzhaupt.
Frau Dr. Schwarzhaupt , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß für das vom Herrn Präsidenten aufgerufene Gesetz ist folgender: Dem Bundesrat liegt ein Regierungsentwurf über die Abänderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vor. Dieser Entwurf sieht u. a. eine Herabsetzung der Zahl der Richter in jedem Senat von 12 auf 7, also insgesamt von 24 auf 14 Richter, vor. Am 6. September 1955 läuft die Amtszeit von 8 Richtern ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte, doch etwas ruhiger zu sein, denn die Frau Berichterstatterin wird sonst nicht verstanden.
Frau Dr. Schwarzhaupt , Berichterstatterin: Eine Neuwahl nach dem bisherigen Recht würde bedeuten, daß die acht Richter wiederum auf acht Jahre gewählt würden. Wenn auf Grund des Regierungsentwurfs eine Herabsetzung der Richterzahl Gesetz wird, wäre dessen Durchführung bis zur nächsten Neuwahl, d. h. also mindestens für vier Jahre, blockiert. Deshalb erschien es zweckmäßig, vorerst keine Festlegung der Zahl der Richter für eine so lange Zeit vorzunehmen, ehe nicht eine Entscheidung über die Herabsetzung der Richterzahl gefallen ist.
Um der künftigen Entscheidung des Parlaments in der Frage einer Änderung der Richterzahl alle Türen offenzuhalten, haben die Fraktionen der Deutschen Partei, der Freien Demokratischen Partei und der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union einen Entwurf — die Drucksache 1536 — eingebracht, nach dem die am 6. September 1955 ablaufende Amtszeit von acht Richtern einschließlich des Präsidenten um ein Jahr verlängert werden soll. Dieser Entwurf wurde vom Bundestag dem Rechtsausschuß überwiesen.
Im Rechtsausschuß wurden verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Bedenken erhoben.
Verfassungsrechtlich wurde folgendes eingewandt: nach Art. 94 des Grundgesetzes werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Hieraus wurde die Folgerung gezogen, daß Richter, deren Amtszeit durch ein Gesetz verlängert werde, nicht als im Sinne des Grundgesetzes gewählte Richter verstanden werden könnten. Außerdem wurde eingewandt, der Verfassungsartikel begründe ein Wahlrecht des Bundesrats, das verfassungsmäßig gesichert sei und durch diese Verlängerung beeinträchtigt werde. Aus diesen beiden Gründen würden nach Ansicht derjenigen, die diese Einwendungen vorbrachten, bei allen Entscheidungen, an denen die von dem Verlängerungsgesetz betroffenen Richter mitwirkten, Zweifel an der ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts entstehen.
Aus verfassungspolitischen Gründen wurden weitere Einwendungen erhoben. Die Verlängerung der Amtszeit schaffe, auch wenn sie rechtswirksam sein sollte, gleichsam Richter minderen Rechts, Richter, deren Legitimation nicht aus einer Wahl, sondern aus einer gesetzlichen Verlängerung ihrer Amtszeit hergeleitet werde. Außerdem bedeute die Verlängerung eine Vorentscheidung im Sinne der von der Regierung in ihrem Entwurf vorgesehenen Herabsetzung der Richterzahl der Senate, und dies sei eben gerade eine Maßnahme, über die erst zu beraten und zu entscheiden sei.
Gegenüber den Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit wurde die Auffassung vertreten, die Verfassung lege zwar fest, daß die Richter vom Bundesrat und vom Bundestag zu wählen seien, aber die Dauer der Amtsperiode sei nicht im Grundgesetz, sondern in dem einfachen Gesetz über das Bundesverfassungsgericht festgelegt; dieses sei mit einfacher Mehrheit abänderbar. Der rechtspolitische Sinn des vorliegenden Gesetzentwurfs sei ausschließlich der, eine Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes, das die Regierung vorgelegt habe, zu treffen. Es solle also damit keine Vorentscheidung für oder gegen eine Änderung der Richterzahl getroffen, sondern gerade versucht werden, die Türen für die Abänderungsregelung, wie sie auch ausfallen möge, offenzuhalten.
Dem Ausschuß kam es aber einmütig darauf an, nicht nur Zweifel, sondern auch jede künftige Auseinandersetzung über die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit des Gesetzes zu vermeiden. Deshalb haben auch die Fraktionen, die den Entwurf eingebracht hatten, einer Neufassung des § 1 zugestimmt, der Fassung, die Ihnen in der Drucksache 1615 vorliegt. In dieser Neufassung ist nicht mehr von einer Verlängerung der Amtsperiode die Rede, sondern sie geht davon aus, daß die acht Richter, deren Amtsperiode abgelaufen ist, zu dem
gesetzmäßigen Termin neu gewählt werden, jedoch mit der Maßgabe, daß für diesen Sonderfall ihre künftige Amtsperiode am 31. August 1956 abläuft, also nur ein Jahr beträgt. Diese Fassung ist Ihnen nunmehr vorgelegt worden.
Der Ausschuß war sich darüber einig, daß damit die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt sind.
Eine Minderheit vertrat die Ansicht, daß die von ihr erhobenen verfassungspolitischen Bedenken allerdings weiter bestünden.
Aus der Neufassung des §1 Abs. 1 ergab sich, daß der Abs. 2 als nunmehr überflüssig gestrichen werden konnte. Um auch hier jegliche rechtliche Zweifel, die etwa auftauchen könnten, zu beheben, hat der Rechtsausschuß einstimmig folgende Entschließung gefaßt, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlese:
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist in Übereinstimmung mit den anwesenden Vertretern des Bundesjustizministeriums einstimmig der Auffassung, daß die nach § 1 des Gesetzentwurfs wiedergewählten Richter Versorgungsansprüche behalten, die sie nach den geltenden Vorschriften mit dem Tage des Ablaufs ihrer bisherigen Amtszeit erworben haben. § 99 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht kann nach Auffassung des Ausschusses nur dahin ausgelegt werden, daß der Anspruch auf Versorgungsbezüge entstanden ist, sobald die Voraussetzungen das erstemal erfüllt sind, worauf im Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz von Geiger mit Recht hingewiesen wird. Der Anspruch kann daher nicht dadurch verlorengehen, daß der Richter wiedergewählt oder nach Ablauf der neuen Amtsperiode nicht wiedergewählt wird.
Der § 2 des Fraktionsentwurfs, die Berlin-Klausel, konnte unverändert bleiben.
Der § 3 wurde in Verfolg der Änderung von § 1 dahin abgeändert, daß das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt. Ebenso ergab sich eine Änderung der Überschrift aus der Neufassung des § 1 Abs. 1.
Der Ausschuß hat sich sodann noch eingehend mit der Frage beschäftigt, ob es möglich und zweckmäßig ist, einen Teil der im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht jetzt schon vorwegzunehmen und mit dem Entwurf, der Ihnen vorliegt, zu verbinden. Anlaß zu diesen Erwägungen gab die allseits bekannte und anerkannte Tatsache, daß beide Senate des Bundesverfassungsgerichts sehr ungleich beschäftigt sind und daß der erste Senat unerträglich überlastet ist.
Der Ausschuß befaßte sich deshalb auch eingehend mit dem Schreiben des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli 1955, in dem eine Änderung vorgeschlagen wird. Danach soll sich künftig die Arbeitsteilung der beiden Senate nicht in der in § 14 des Gesetzes vorgesehenen Weise vollziehen, sondern das Plenum des Bundesverfassungsgerichts soll die Geschäfte für die Dauer des Geschäftsjahres verteilen. Trotz der Dringlichkeit einer Änderung schien der Mehrheit des Ausschusses die Verbindung dieser beiden Neuregelungen in einem Entwurf nicht möglich. Eine Neuregelung der Zuständigkeit der beiden Senate würde die grundsätzliche Struktur des Bundesverfassungsgerichts, die beim Erlaß des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes sehr gründlich beraten war, ändern. Wenn das vorliegende Gesetz noch vor den Ferien hätte zustande kommen sollen, hätte höchstens ein Tag zur Beratung dieser grundsätzlichen Neuregelung zur Verfügung gestanden. Zu einer so schnellen und übereilten Änderung von Bestimmungen, die eine derart grundsätzliche, weittragende Bedeutung haben, konnte sich der Ausschuß allerdings nicht bereit finden. Er hat also von einer Verbindung der sogenannten technischen Novelle mit diesem Gesetz abgesehen. Eine erhebliche Minderheit im Ausschuß hatte sich für die Aufnahme dieser Änderungen im Gesetz eingesetzt.
Angesichts der Eilbedürftigkeit der Neuregelung bitten wir das Hohe Haus um eine schnelle Verabschiedung und um Zustimmung zu der Fassung, die der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Ihnen mit der Drucksache 1615 vorgelegt hat. Es wurde außerdem in Aussicht genommen, an eine Bearbeitung der Vorlage der Regierung, sowie sie durch den Bundesrat gegangen ist, so bald wie möglich heranzugehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke der Frau Berichterstatterin und trete in die zweite Lesung des Gesetzes ein. Ich rufe auf § 1, — § 2, —§ 3, — Einleitung und Überschrift in der Ausschuß-fassung. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. .
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der
Überschrift zuzustimmen wünscht, möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das. Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Ich bitte den Redner, noch einen Augenblick zu warten, da ich mit dem Haus eine Frage klären will. Ich ersehe aus der Tagesordnung nicht, ob im Ältestenrat eine Einigung darüber erzielt worden ist, ob jetzt eine Pause eintreten oder ob weitergetagt werden soll. Ich frage deshalb das Haus, ob es weiter ohne Unterbrechung beraten will.
Es steht nur noch der Punkt 5 der Tagesordnung an, wenn wir den Punkt 4 verabschiedet haben: Große Anfrage der Fraktion der SPD. Mir ist aber gesagt worden, daß dann noch drei weitere Anliegen bestehen, die heute noch erledigt werden sollen. Das sind die Zustimmungserklärungen des Bundestages zu Verfügungen des Bundesfinanzministers, die wir gestern absetzen mußten, weil die Berichte noch nicht vorlagen. Erhebt sich Widerspruch — gemäß § 26 Abs. 3 der Geschäftsordnung — dagegen, daß diese drei Punkte nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden? — Das ist nicht der Fall. Dann sind sie auf die Tagesordnung gesetzt.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem Bericht der Frau Berichterstatterin ergab sich, daß das vorliegende Gesetz
den Weg eröffnen soll für die Herabsetzung der Richterzahl, die in dem Gesetzentwurf über die Novellierung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vorgesehen ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Herabsetzung der Richterzahl, für die dieser Gesetzentwurf die Voraussetzungen schaffen soll, dem ausdrücklichen Willen des Bundesverfassungsgerichts widerspricht.
Das Bundesverfassungsgericht hat durch sein Plenum eine Stellungnahme übermittelt, aus der ich Ihnen folgendes verlesen darf:
Das Gericht hält an seiner Auffassung fest, daß eine Verminderung der Richterzahl vor dem Herbst 1959 die Aufarbeitung der Rückstände
— es handelt sich um 600 rückständige Sachen im Ersten Senat —
wesentlich verzögern würde. Das Gericht kann sich von der Verminderung der Richterzahl nicht eine so erhebliche Erleichterung der Beratungen versprechen, daß hierdurch 'die Verminderung der Arbeitskräfte fühlbar ausgeglichen werden könnte.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung: Es ist keine gute Sache, wenn hier in diesem Hause Gesetzentwürfe gegen den Willen des Bundesverfassungsgerichts beschlossen werden.
Das Bundesverfassungsgericht ist gemäß § 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion glaubt hieraus entnehmen zu müssen, daß, wenn man sich offensichtlich gegen den Willen dieses selbständigen Verfassungsorgans richtet, ein Gebot der Courtoisie gegenüber einem anderen Verfassungsorgan verletzt wird. Sie wissen alle, daß die Respektierung der Gebote der Courtoisie gegenüber anderen Verfassungsorganen hier in diesem Hohen Hause ansonsten stets und prinzipiell beachtet worden ist. Aber in dem hier vorliegenden Falle wird jenes Gebot nach Auffassung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion verletzt, und hiergegen müssen wir uns auch aus verfassungspolitischen Gründen wenden.
Der Gesetzentwurf soll, wie sich bereits aus dem Bericht ergab, die Reform des Bundesverfassungsgerichts einleiten. Niemand in diesem Hause widersetzt sich einer Reform, soweit sie darauf gerichtet ist, die Arbeitsfähigkeit dieses Gerichtes zu gewährleisten und zu verstärken.
Aus diesem Grunde halten wir eine Reform — wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit den anderen Kollegen im Rechtsausschuß und sicherlich auch mit allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses —, die darauf gerichtet ist, die Geschäftsverteilung umzugestalten, für notwendig. Ich habe ja schon Zahlen genannt: 600 Sachen waren am 30. Juni beim Ersten Senat anhängig und 5 Sachen beim Zweiten Senat. Sie können daraus ermessen, wie verzerrt das Gefüge der Geschäftsverteilung zur Zeit ist. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses sind
sicherlich der Auffassung, daß eine Reform, die diesen arbeitstechnischen Mangel ausgleicht, durchaus notwendig ist. Es hat eine Zeit gegeben, in der der Herr Bundesminister der Justiz klar zum Ausdruck gebracht hat, daß diese technische Reform in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht vorgenommen werden muß und daß sie nach zuvor herbeigeführter Übereinstimmung mit allen Fraktionen dieses Hohen Hauses durchgeführt werden muß.
Dann hat sieh eine Änderung vollzogen. Man ist eines Tages auf den Gedanken gekommen, nicht nur eine technische Reform durchzuführen, sondern eine, ich möchte sagen: institutionelle Reform einzuleiten. Man hat diese Pläne dann paraphiert und in den Gesetzgebungsgang gegeben, und zwar entgegen den Auffassungen des Bundesverfassungsgerichts über die Art der notwendigen Reform und gegen die Auffassungen der zweitstärksten Fraktion dieses Hauses.
Meine Damen und Herren, wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß Mer die als notwendig anerkannte technische Reform dazu benutzt wird, ja, ich möchte sogar sagen: dazu mißbraucht wird,
eine aus politischen Gründen gewollte institutionelle Reform durchzuboxen. Hiergegen wenden wir Sozialdemokraten uns mit aller Energie und werden wir uns auch bei den weiteren Erörterungen über die Reform wenden.
Es geht nicht allein darum, daß hier Reformpläne verwirklicht werden sollen und durch den vorliegenden Gesetzentwurf eingeleitet werden sollen gegen den Willen dieses anderen Verfassungsorgans, sondern es besteht hier auch die Gefahr, daß eine Reform eingeleitet wird gegen die Institution des Bundesverfassungsgerichts. Das sei doch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt.
— Das ist nicht übertrieben,
sondern das ergibt sich aus all 'dem, was Sie mit eindeutiger Klarheit aus den vorliegenden Gesetzentwürfen entnehmen können.
Meine Damen und Herren, aus diesen Überlegungen müssen wir uns gegen den vorliegenden Gesetzentwurf wenden. Wir werden ihn in der dritten Beratung ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP stimmt diesem Gesetzentwurf zu, vollends nachdem er durch die Ausschußberatung eine Fassung erhalten hat, die verfasungsrechtlich hieb- und stichfest ist, was von keiner Seite mehr bestritten wird.
Ich darf übrigens — um den durch die Vorlage zum Verfassungsgerichtsgesetz etwas ramponierten Ruf dieses Hauses wieder zu verbessern —
bemerken, daß wir diese Fassung einem Entwurf des Bundesjustizministeriums verdanken. Daß eine Reform notwendig ist, darüber sind wir uns einig.
Nun hat Herr Kollege Wittrock gesagt, es solle hier offenbar zweierlei gemacht werden, eine Geschäftsordnungsreform und eine institutionelle Reform. Was das letztere betrifft, so ist zweifellos in dem Regierungsentwurf ein Teil enthalten, der auch bei mir gewisse politische Unlustgefühle hervorruft: die Änderung des Wahlmodus.
Aber die Sache, um die es hier geht, kann ich nicht als ein Politikum betrachten. Es dreht sich um die Frage, ob die Zahl der Richter auf die Dauer gesehen verringert werden soll. Wohl hat sich das Bundesverfassungsgericht bis jetzt selber dagegen ausgesprochen. Aber ich glaube, daß man, wenn man ohnehin eine Reform machen muß, trotzdem in aller Ruhe darüber diskutieren kann; denn ich könnte mir denken, daß auch das Gericht seine Meinung ändert, je nachdem die Geschäftsverteilung sich gestaltet. Dann könnte auch das Problem der Richterzahl ganz anders aussehen.
Deshalb können wir diesem Entwurf, der noch keinerlei Fakten schafft, sondern lediglich den Weg für alle Möglichkeiten freihält, zustimmen.
Ich darf zum Schluß auch der Ansicht Ausdruck geben, daß es die Aufgabe dieses Hohen Hauses sein sollte, unverzüglich nach den Ferien als eine der ersten Aufgaben die Reform der Geschäftsverteilung beim Bundesverfassungsgericht zu beraten. Der Herr Vertreter des Gerichts hat uns im Ausschuß sehr nachdrücklich und eindrucksvoll gezeigt, wie das ganze Gericht praktisch jetzt lahmgelegt ist durch die eine große Sache, die es zur Zeit beschäftigt. Leider können wir dem vor ,den Ferien nicht mehr abhelfen; aber, wie gesagt, es sollte nach den Ferien unsere erste Aufgabe sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung des Initiativantrages der Koalitionsfraktionen sind seitens des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion, Herrn Dr. Arndt, verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Bedenken geltend gemacht worden. Wir haben die Bedenken beider Art im Rechtsausschuß eingehend besprochen. Wir waren nicht der Meinung, daß die verfassungsrechtlichen Bedenken, die vorgetragen worden sind, durchschlagend sind. Trotzdem haben wir ihnen Rechnung getragen und haben durch die Neufassung des Gesetzes versucht, diese verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Die Verlängerung der Amtszeit der bisher amtierenden Richter soll nicht mehr, wie es ursprünglich vorgesehen war, durch ein Gesetz erfolgen; es soll vielmehr durch ein Gesetz bestimmt werden, daß eine Neuwahl der acht ausscheidenden Richter stattzufinden hat, allerdings nur für die Dauer einer Amtsperiode von einem Jahr.
In der heutigen Sitzung hat Herr Wittrock keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr vorgetragen — sie dürfen wohl als ausgeräumt gelten —; er hat aber verfassungspolitische Bedenken vorgetragen, und zu ihnen muß man Stellung nehmen. Der Gesetzentwurf in der jetzt vorliegenden Form enthält keine Vorentscheidung für irgendeine Art denkbarer und möglicher Reform des Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzentwurf hat lediglich den einen Zweck, die Türe für etwaige künftige Reformen offenzuhalten, ohne daß eine Festlegung in irgendeiner bestimmten Richtung stattfindet.
Warum ist dieser Gesetzentwurf notwendig? Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat eine Neuwahl der Richter auf die Dauer von acht Jahren stattzufinden. Die Amtsperiode von acht Richtern einschließlich des Präsidenten läuft am 5. September dieses Jahres ab. Es müßte daher neu gewählt werden für eine Amtsperiode, die erst am 5. September 1963 ablaufen würde. Nun besteht bei allen Parteien dieses Hauses Einigkeit darüber, daß eine Änderung der Geschäftsverteilung sehr wohl in Betracht gezogen werden kann, ja daß sie sogar notwendig ist. Ich glaube auch, daß die weitere Frage, ob das Bundesverfassungsgericht als Zwillingsgericht mit zwei selbständigen Senaten weiter amtieren soll oder ob es richtiger wäre, nur noch einen Senat zu haben, keineswegs an die Wurzeln des Gerichts rührt, sich nicht mit dem Charakter und dem Kern der Institution befaßt, sondern daß dies eine Frage der Zweckmäßigkeit ist. Sollte man aber bei den künftigen Beratungen zu dem Ergebnis kommen, daß dieser Zwillingscharakter des Bundesverfassungsgerichts beseitigt werden soll und daß an seine Stelle ein einheitlicher Senat treten soll, so wird sich in diesem Augenblick ohne weiteres die Frage der Richterzahl stellen. Es wäre unmöglich, einen einheitlichen Senat von 24 Richtern ins Leben zu rufen. Man müßte die Zahl der Richter vermindern. Das kann man aber nur, wenn man vor dem 5. September dieses Jahres bereits Vorsorge dafür trifft, daß die bisherige Zahl von 24 Richtern nicht auf die Dauer von acht Jahren beibehalten werden muß. Diese eine Überlegung macht die Notwendigkeit dieses Gesetzentwurfs offenbar.
Wir sollten uns jetzt, kurz vor dem Beginn unserer Parlamentsferien, nicht mehr auf irgendeine der möglichen und vorgeschlagenen Lösungen festlegen. Jede Lösung bedarf einer sorgfältigen Prüfung. Dabei sind sich der Bundestag und die Bundesregierung darüber klar, daß auch der eigenen Meinung und der Stimme des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einer künftigen Reform weitgehend Rechnung getragen werden soll. Wir begrüßen es, daß im Schoße des Bundesverfassungsgerichts ein Ausschuß gebildet worden ist, der sich mit Reformvorschlägen befaßt, und daß Reformvorschläge aus dem Gericht selbst hervorgegangen sind. Wir haben die Absicht, diese Reformvorschläge ernst zu nehmen und ihnen die erforderliche Beachtung zu schenken; aber das letzte Wort hat der Gesetzgeber und nur der Gesetzgeber, und er muß entscheiden.
Die Befürchtungen, die heute von Herrn Wittrock geäußert worden sind, die Annahme dieses Gesetzentwurfs könne die künftige Arbeit des Bundestags bei der Reform des Bundesverfassungsgerichts in irgendeinem Sinne vorbestimmen oder festlegen, halten wir nicht für gerechtfertigt. Wir wünschen lediglich, die Bahn frei zu haben für alle Möglichkeiten, die in Erwägung gezogen werden können, und den Weg nicht zu verbauen für eine Lösung, die der Würde und der Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts und seiner Rechtsprechung, aber auch den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit Rechnung trägt. In diesem Sinne bitten wir, den vorliegenden Gesetzentwurf anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige wenige Worte. Ich habe bereits während der ersten Lesung des Haushaltsplans Gelegenheit gehabt, darzulegen, daß der Gesetzentwurf über das Bundesverfassungsgericht erst dann beraten werden sollte, wenn er wirklich dem Hohen Hause zugegangen ist. Das ist bis jetzt noch nicht der Fall, und deswegen versage ich es mir auch, auf die einzelnen Einwendungen, die heute schon vorgebracht worden sind, einzugehen. Ich möchte nur das eine sagen: Wir haben es im Bundesjustizministerium über die Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts hinausgehend für notwendig gehalten, die Reformen vorzuschlagen, die uns aus der bisherigen Praxis als unausweichlich erschienen sind. Eine Beratung über eine eventuelle Verminderung der Zahl der Richter kann nur dann stattfinden, wenn dieses Gesetz angenommen ist. Dieses Verfahren soll dazu dienen, dem Hohen Hause die völlige Entscheidungsfreiheit darüber zu lassen, ob es sich zu einer Verminderung der Richterzahl entschließen will oder nicht, indem eben die bisherigen Richter noch bis zum 31. August 1956 im Amt bleiben.
Herr Kollege Bucher, Sie haben vorhin von einem ramponierten Ruf des Justizministeriums gesprochen, der jetzt wiederhergestellt sei. Herr Kollege Bucher, ich glaube dieser kleinen sprachlichen Entgleisung
— bitte, das überlassen Sie doch mir! — keine größere Bedeutung und keinen größeren Ernst beimessen zu sollen, 'als dieser Bemerkung nach Ihrer eigenen Auffassung zukommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Es ist zwar richtig, daß der Entwurf des Gesetzes über die Reform des Bundesverfassungsgerichts dem Bundestag noch nicht zugeleitet worden ist. Immerhin, der Herr Bundesjustizminister hatte bereits Gelegenheit, diesen Entwurf im Bundesrat zu begründen, und ich habe einige Minuten Gelegenheit genommen, mir diese Begründung anzuhören. Sie hat mir Veranlassung gegeben, mich nach einigen Minuten schon wieder zu entfernen.
Ich möchte, damit der — um mit Herrn Bucher zu sprechen — ramponierte Ruf des Bundesjustizministeriums wiederhergestellt wird, dem Herrn Bundesjustizminister den Rat geben, sich in den Parlamentsferien zu überlegen, ob er es, insbesondere auch im Hinblick auf die Ausführungen, die im Bundesrat gegenüber dem von ihm vorgelegten Gesetzentwurf gemacht worden sind, nicht für richtig hält, diesen Gesetzentwurf dem Bundestag gar nicht erst vorzulegen, sondern ihn zurückzuziehen, zumindest aber ihn mit besseren Argumenten zu begründen als denjenigen, die er im Bundesrat vorgetragen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung. Änderungsanträge habe ich nicht vorliegen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetz im ganzen in der dritten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in der dritten Lesung mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ausnutzung von Atomenergie zu friedlichen Zwecken .
Ich teile dem Hause mit, daß, wie mir gesagt wurde, der Herr Staatssekretär des Innenministeriums Bleek diese Anfrage beantworten wird, weil der Herr Außenminister und sein Staatssekretär sich außerhalb Deutschlands befinden
Wer begründet die Große Anfrage? — Herr Abgeordneter Professor Schmid!
Dr. Schmid (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor zehn Jahren die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen, wurde der Welt bekannt, was bisher nur einige Gelehrte wußten: daß es dem Menschen gelungen war, die Materie unvermittelt durch die Spaltung des Kerns der Atome gewisser Elemente in Energie umzuwandeln, wie Albert Einstein es vorausberechnet und wie Hahn es im Experiment vorgemacht hatte. Die Antwort der Menschheit darauf war zunächst freudiges Aufatmen, daß nunmehr der Krieg zu Ende sei. Es sollte ja, wie immer, dieser Krieg der letzte aller möglichen Kriege gewesen sein. Als man dann innewurde, daß es auch in Zukunft noch Kriege geben könnte, war die Antwort Entsetzen über die neuen Zerstörungsmittel, die neuen Waffen, die in einem neuen Kriege Millionen von Menschen töten, ganze Kontinente und Zivilisationen vernichten würden.
Man hat versucht, im Rahmen der Vereinten Nationen eine Kontrolle der Erzeugung der Atomenergie und der Verwendung von Atomwaffen einzuführen. Die Versuche waren vergeblich. Es war sehr bald klargeworden, daß eine Kontrolle nur dann einen Wert haben könnte, wenn sie alles umfaßte, was mit der Erzeugung atomarer Energie zu tun hatte, von den Uranvorkommen angefangen bis zu den kompliziertesten Fabrikationseinrichtungen selbst. Diese Bemühungen sind im wesentlichen an dem Widerstand der Sowjetunion gescheitert, die nicht gestatten wollte, daß eine supranationale oder internationale Behörde auf ihrem Gebiet selbständig Untersuchungen vornahm und Kontingente und Fabrikationslizenzen zuteilte. Der überspannte Souveränitätsbegriff der Sowjetunion wird, solange die Sowjetunion bleiben will, was sie ist, internationale Kontrollen wirksamer Art auf diesem Gebiet unmöglich machen. Solange die Sowjetunion darauf besteht, ihre Industrie ausschließlich auf der Grundlage nationaler Planungen zu organisieren, wird sie wohl kaum internationale Kontrollbehörden akzeptieren, die in den einzelnen Ländern Produktionskontingente an atomarer Energie zuteilen sollen. Schließlich aber einigte man sich darauf, eine Konferenz über die Organisation der friedlichen Verwendung atomarer Energie abzuhalten. Diese Konferenz soll in Genf
vom 8. bis 20. August dieses Jahres stattfinden. Die Bundesregierung ist aufgefordert teilzunehmen.
Der Bundestag hat ein Interesse daran, zu erfahren, mit welchen Absichten und mit welchem personellen und sachlichen Rüstzeug die Bundesregierung an dieser Konferenz teilnehmen wird. Die Pariser Verträge verbieten uns zwar die Herstellung atomarer Waffen, aber die Aufstellung und der Betrieb von Atomreaktoren sind uns erlaubt. Ihre Mächtigkeit wird gewiß nicht groß sein, aber immerhin wird die Bundesrepublik damit in den Kreis der Mächte treten, auf deren Gebiet atomare Energie nicht nur für Forschungszwecke erzeugt werden wird. Diese atomare Energie kann erzeugt werden, um Maschinen zu treiben, Schiffe, Kraftwerke; vielleicht wird in einigen Jahrzehnten kein Staat mehr eine industrielle Großmacht sein können, der nicht in großem Umfang atomare Energie herzustellen vermag. Darum wird es höchstwahrscheinlich notwendig sein, eines Tages die Herstellung atomarer Energie für friedliche Zwecke ebenso zu internationalisieren, wie man den Versuch gemacht hat, im Rahmen der Montan-Union die Erzeugung von Kohle und Stahl unter internationale Kontrolle zu stellen. Es ist kaum anzunehmen, daß einer der europäischen Staaten für sich allein in der Lage sein wird, so viel Atomenergie zu erzeugen, als er braucht, um den Wettbewerb mit besser situierten Staaten anderer Kontinente aufrechtzuerhalten. Deswegen scheint es uns ein besonderes Anliegen zu sein, mit den interessierten Mächten über die Möglichkeiten eines internationalen Atompools zu verhandeln. Vielleicht wird aber zunächst einmal — und das könnte in Genf geschehen — damit begonnen werden müssen, die Mächte an einem solchen Gedanken überhaupt zu interessieren. Ich glaube, daß Deutschland durchaus in der Lage wäre, ein Entgegenkommen durch eigene Leistungen zu kompensieren.
In den Atomreaktoren, die wir aufstellen werden, werden Isotope erzeugt werden, die schon heute ihre Rolle in der gewerblichen Wirtschaft spielen und die mehr und mehr zu wichtigen Faktoren unserer Medizin werden. Vielleicht, ja wahrscheinlich, ist auf diesem Gebiet — zunächst — die technische Auswertung der in den Laboratorien erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen für friedliche Zwecke am wichtigsten geworden. Aber all dies bringt auch Gefahren mit sich. Nicht nur im Krieg kann die Bevölkerung von den radioaktiven Zerfallprodukten atomarer Reaktionen heimgesucht werden; auch im Frieden können immer weitere Kreise durch Abfallstoffe bedroht werden, die das radioaktive Gift weitertragen. Gegen beides muß die Bevölkerung geschützt werden, und wir meinen, daß man sich heute mehr Gedanken darüber machen sollte, als es offenbar geschieht,
wie im Falle einer kriegerischen Katastrophe und im Frieden unsere Bevölkerung wenigstens vor den bösen Wirkungen der Nebenprodukte der atomaren Prozesse geschützt werden könnte. Hier gilt es, die Erfahrungen anderer Länder auszuwerten. Hier gilt es zumindest, sich in Ländern, die solche Erfahrungen haben, das dort vorhandene Wissen zu erwerben.
Der Techniker und der Physiker können dies allein tun; es bedarf dazu auch des Arztes.
Dabei sollte es sich um Ärzte handeln, die mit dem Isotopenproblem vertraut sind. Es bedarf dazu noch eines Weiteren: ohne breiteste Aufklärung der Bevölkerung wird alle staatliche Vorsorge nichts nützen. Ohne maßgebliche Beteiligung der Organisationen z. B. der Arbeiterschaft wird aber diese Aufklärung und werden die vorsorglichen Maßnahmen nicht voll wirksam werden können. Es ist daher notwendig, auch die Gewerkschaften rechtzeitig zu beteiligen, wie das in anderen Ländern schon geschehen ist, und zwar müssen sie an der Vorbereitung der Konferenz von Genf in wirksamer Weise mitbeteiligt werden.
Es sind nun in letzter Zeit einige Dinge bekanntgeworden, die Zweifel daran geweckt haben, ob die Bundesregierung der Vorbereitung der Genfer Konferenz die Sorgfalt und Aufmerksamkeit gewidmet hat, die diese Konferenz verdient. Vielleicht sind diese Nachrichten unrichtig. Unsere Anfrage hat den Zweck, Klarheit zu schaffen. Wir fragen die Bundesregierung:
Erstens. Nach welchen Gesichtspunkten wurden die der Bundesrepublik Deutschland zustehenden fünf Delegierten und die weiteren Berater ausgewählt?
Zweitens. Trifft es zu, daß sich in der gesamten Delegation nur ein Mediziner, und zwar nur als Berater, befindet, zudem eine Persönlichkeit, die in den zur Verhandlung stehenden Fragen nicht Fachmann ist?
Drittens. Hält die Bundesregierung die medizinische Verwendung der Isotope, die arbeitshygienischen Probleme der Verwendung der Atomenergie und den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren aus der Radioaktivität vor allem auch der Abfallstoffe für so unwichtig, daß sie auf diesen Gebieten auf besonders sachkundige Berater ihrer Delegation glaubt verzichten zu können?
Viertens. Die Probleme, die die technische Verwendung der atomaren Energie aufgeworfen hat, umfassen weite Gebiete, sehr viel weitere, als der Arbeitsbereich eines einzigen Ministeriums zu umfassen vermag. Wir fragen: Welche Ministerien sind an der Vorbereitung der Konferenz beteiligt worden? Sind auch das Ministerium für Arbeit, das Ministerium für Ernährung und die Gesundheitsabteilung des Innenministeriums beteiligt worden?
Fünftens. Ich sprach schon von der Beteiligung der Gewerkschaften an der Lösung der einschlägigen Probleme. Ich will wiederholen, daß andere Länder die Gewerkschaften weitgehend schon vor der Konferenz und für die Konferenz herangezogen haben. Wir fragen: Wurden bei uns in der Bundesrepublik die Gewerkschaften an der Vorbereitung beteiligt, um sie, wie es in anderen Ländern der Fall ist, als Berater auf den Gebieten des Arbeitsschutzes und der Arbeitsmedizin an der Konferenz mitwirken zu lassen?
Sechstens. Der Konferenz sind Fachberichte eingereicht worden. Man hört von 800 solcher Fachberichte. Darunter soll sich kein einziger deutscher befinden, und für die Konferenz soll nur ein einziger Vortrag von deutscher Seite vorgesehen sein. Es fehlt in unserem Lande nicht an Gelehrten und tüchtigen Männern, die etwas zur Konferenz beitragen könnten. Insbesondere haben wir treffliche Sachverständige, die der Konferenz die deutschen Bedürfnisse klarmachen könnten. Die Lage in Deutschland ist ja besonders kompliziert. Vielleicht ist diese Kompliziertheit den Konferenzteilneh-
mern aus anderen Ländern nicht bekannt genug; vielleicht reicht auch das Wissen der Ministerialbeamten nicht aus, um diese Kompliziertheit fremden Delegierten eingehend genug zu vermitteln. Und so fragen wir: Warum ist nur ein einziger deutscher Vortrag vorgesehen? Warum befindet sich unter den bisher für die Konferenz eingegangenen 800 Fachberichten kein deutscher, obwohl deutsche Sachverständige vorhanden sind und deutsche Bedürfnisse auch zur Aussprache gestellt werden könnten?
Siebtens. Andere Länder haben die Öffentlichkeit über die Bedeutung dieser Konferenz in der Breite und in der Tiefe aufgeklärt. Ich erinnere insbesondere an die Debatten im britischen Parlament. Ich erinnere an das britische Weißbuch, das der gesamten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist und eine eingehende Untersuchung aller mit der Erzeugung atomarer Energie und ihren Gefahren verbundenen Probleme enthält. In Deutschland ist auf diesem Gebiet nicht sehr viel geschehen. Jedenfalls ist nicht sehr viel davon zu bemerken gewesen. Wir fragen: Was ist geschehen, um die Öffentlichkeit über die Einladung zu dieser Konferenz, über die Bedeutung der Konferenz, die Vorbereitung der Konferenz in der Bundesrepublik zu unterrichten?
Achtens. Wir fragen weiter: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um durch wirkungsvolle Förderungsmaßnahmen zu gewährleisten, daß Wissenschaft und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik über den Stand der internationalen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussionen zur Verwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke und zur Verhütung der durch radioaktive Stoffe entstehenden Schäden in vollem Umfange informiert werden?
Es ist endlich an der Zeit, daß diese Dinge in Deutschland nicht mehr nur einem kleinen Kreis von Gelehrten bekannt bleiben. Diese Dinge, die die Ordnung unserer Gesellschaft, vielleicht sogar unsere moralische Ordnung erschüttern könnten, wie einst die Dampfmaschine und die Elektrizität sie erschüttert haben, müssen dem ganzen Volk in ihrer ganzen Bedeutung klargemacht werden. Die private Initiative genügt hierbei nicht, so notwendig sie ist, so wichtig sie ist. Sie muß in Gang gesetzt werden, es müssen ihr die erforderlichen Mittel von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden. Es ist Sache der Regierung, hier das Erforderliche zu tun. Die so erforderliche Aktivität der Bundesregierung in Bewegung zu setzen, das ist der eigentliche Grund für unsere Große Anfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort zur Beantwortung Herrn Staatssekretär Bleek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den in der Großen Anfrage enthaltenen einzelnen Fragen darf ich wie folgt Stellung nehmen.
Zur Frage 1: Die Zahl der Delegierten für die Genfer Atomkonferenz ist für jede teilnehmende Nation auf 5 beschränkt.
Die Zahl der Berater ist vom Auswärtigen Amt im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien und der Deutschen Forschungsgemeinschaft in einem angemessenen Verhältnis zur Größenordnung der übrigen Delegationen — soweit diese bisher bekanntgeworden ist — festgesetzt worden.
Die Vorschläge zur personellen Besetzung der Delegation sind durch das Auswärtige Amt von dem zur Entscheidung solcher Fragen berufensten wissenschaftlichen Gremium der Bundesrepublik, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, eingeholt und mit den beteiligten Ministerien abgestimmt worden.
Die Auswahl der Delegierten ist erfolgt unter dem Gesichtspunkt, daß je ein hervorragender Vertreter der physikalischen Chemie und der Atomphysik, ein Vertreter des federführenden Auswärtigen Amtes und ein Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft sowie ein Vertreter der interessierten Wirtschaft entsandt werden sollen. Der Vertreter der Wirtschaft, Herr Professor Dr. Winnacker von den Farbwerken Höchst, ist gleichzeitig unter Berücksichtigung der besonderen wissenschaftlichen Aspekte der Konferenz in seiner Eigenschaft als Persönlichkeit der Wissenschaft ausgewählt worden.
Der Kreis der Berater aus Wissenschaft und Wirtschaft ist auf Grund des Konferenzprogramms und nach Maßgabe der darin vorgesehenen Sachgebiete in dem oben erwähnten Verfahren zusammengestellt worden. Der Delegation werden 15 Wissenschaftler als Berater angehören. Darüber hinaus ist in Aussicht genommen, den wissenschaftlichen Nachwuchs besonders zu beteiligen. Der Kreis der Berater auf wirtschaftlichem Gebiet ist noch nicht endgültig festgelegt. Bisher sind 12 Mitglieder in Aussicht genommen.
Zur Frage 2: Es trifft nicht zu, daß sich in der gesamten Delegation nur ein Mediziner befindet. Richtig ist, daß der Delegation drei Fachleute auf medizinischem Gebiet als Berater angehören, und zwar die Professoren Dr. Josef Becker aus Heidelberg, Dr. Gerhard Schubert aus Hamburg und Dr. Dr. Michael Bauer aus Bonn, Mitglied des Bundesgesundheitsrats und Sachverständiger für Arbeitsmedizin. Darüber hinaus ist vorgesehen, daß auch Vertreter des medizinischen wissenschaftlichen Nachwuchses die Delegation begleiten sollen.
Zur Frage 3: Die Bundesregierung hält die medizinische Verwendung der Isotope, die arbeitshygienischen Probleme der Verwendung der Atomenergie und den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Radioaktivität, vor allem auch der Abfallstoffe, für so wichtig, daß sie der Delegation nicht nur die bei der Beantwortung der Frage 2 genannten besonders sachkundigen Berater auf medizinischem Gebiete zugeordnet hat, sondern darüber hinaus auch noch drei besonders sachkundige Berater auf dem Gebiet des Strahlenschutzes, nämlich den Vorsitzenden der Schutzkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Dr. Wolfgang Riezler, Bonn, den international anerkannten Strahlenbiologen Professor Dr. Boris Rajewski, Frankfurt/Main, und den Leiter des radiologischen Instituts der Universität Freiburg im Breisgau, Professor Dr. Langendorf, der zugleich Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Roten Kreuzes sowie Vorsitzender des Ausschusses VI — Strahlenschäden und Strahlenkrankheiten — der Schutzkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist. Herrn Professor Dr. Langendorf obliegt zur Zeit die Ausbildung der Ärzte in der Handhabung und Verwendung von radioaktiven Isotopen für das Deutsche Rote Kreuz.
Daß diese Beraterzahl den in der Frage aufgezählten Themen und ihrer Stellung innerhalb des durch das Konferenzprogramm vorgezeichneten Rahmens zum mindesten angemessen ist, ergibt sich daraus, daß die hier erwähnten Fragen in 9 von insgesamt 44 Konferenzthemen behandelt werden, wofür von 15 wissenschaftlichen Beratern, wie ausgeführt, 6 zuständig sind.
Zur Frage 4: An der Vorbereitung der Konferenz sind außer dem Auswärtigen Amt das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundesarbeitsministerium beteiligt.
Zur Frage 5: Die Unterrichtung der Gewerkschaften und gegebenenfalls ihre Beteiligung an der Vorbereitung der Konferenz durch das Bundesarbeitsministerium wird in diesen Tagen durchgeführt.
Zur Frage 6: Die Frage der deutschen Beteiligung in Form von Vorträgen und Fachberichten ist in besonders enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft als dem berufenen wissenschaftlichen Gremium eingehend geprüft worden. Die Beteiligten sind dabei von dem Wunsch geleitet gewesen, im Gegensatz zur Praxis einiger anderer Teilnehmernationen, die Vorträge und Fachberichte über bereits allgemein bekannte Tatsachen und Ergebnisse angekündigt haben, nur dort zu referieren, wo wir glauben, wirklich Neues sagen zu können. Auf Grund dieser Erwägungen sind von deutscher Seite zwei Vorträge vorgesehen, nämlich ein Vortrag auf technischem Gebiet und ein Vortrag auf medizinischem Gebiet. Entsprechend werden sich unter den Fachberichten für die Konferenz zwei deutsche befinden.
Im übrigen muß darauf hingewiesen werden, daß der Rückstand der deutschen Forschung und Entwicklung, die in den letzten 10 bis 15 Jahren von der Weltentwicklung abgeschnitten war, so bedeutend ist, daß die deutsche Teilnahme an einer Konferenz notwendig eine vorwiegend rezipierende sein muß. Aus der Tatsache, daß einer der beiden vorgesehenen Vorträge das medizinische Gebiet betrifft, ist im übrigen ebenfalls zu ersehen, welche Bedeutung die Bundesregierung diesem Gebiet zumißt.
Zur Frage 7: Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Konferenz erfolgt laufend durch die Tagespresse. Ein direkter Hinweis ist im übrigen auch im Bulletin der Bundesregierung vom 28. Juni dieses Jahres erschienen. Die Bundesregierung hält es im übrigen aus den zur vorigen Frage aufgeführten Gesichtspunkten für zweckmäßig, das Gewicht der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Konferenz auf die Zeit nach Durchführung der Konferenz zu legen, da so gewährleistet wird, daß die für die Unterrichtung der Öffentlichkeit wichtigen Konferenzergebnisse von Anfang an in der Information den ihnen gebührenden bestimmenden Platz einnehmen.
Zur Frage 8: Die Bundesregierung legt Wert darauf, Wissenschaft und Öffentlichkeit über den Stand der internationalen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussionen zur Verwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke und zur Verhütung der durch radioaktive Stoffe entstehenden Schäden in weitestem Umfange zu informieren. Auf dem medizinischen Gebiet waren die notwendigen Informationen schon bisher in der Regel den interessierten Wissenschaftlern frei zugänglich. Der internationale Informationsaustausch hat gerade
auf diesem Gebiet in weitem Umfang Früchte getragen. Für die übrigen beteiligten Kreise der Wissenschaft wird gerade die Genfer Atomkonferenz die erste und erwünschte Gelegenheit bieten, Informationen auf breiter Basis zu sammeln.
Im Hinblick auf die Unterrichtung der Öffentlichkeit findet bereits jetzt in angemessenem Rahmen eine laufende Unterrichtung, u. a. durch das Bulletin, durch die von der Bundeszentrale für Heimatdienst herausgegebenen .,Informationen zur politischen Bildung" und durch die Zeitschrift „Ziviler Luftschutz" statt.
Auf dem Gebiete der Überwachung der Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen und deren Verfrachtung wird das in der gestrigen Sitzung des Bundestages verabschiedete Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst eine gute Handhabe namentlich dazu bieten, Maßnahmen unter Beachtung der internationalen technisch-wissenschaftlichen Grundlagen einzuleiten und durchzuführen, um zu verhüten, daß durch solche radioaktive Stoffe Schäden entstehen. Eine entsprechende Information der Öffentlichkeit wird durch die auf Grund des Gesetzes zu schaffenden Einrichtungen möglich sein.
Im übrigen ist auch hier zu sagen, daß gerade die Genfer Atomkonferenz dazu dienen soll, wesentliche Voraussetzungen für eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die in Betracht kommenden Probleme zu liefern, wie ich bereits in der Beantwortung der vorigen Frage ausgeführt habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben die Antwort der Regierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache 1498 — gehört. Soll eine Beratung stattfinden? Die Fraktion stellt keinen Antrag. Wird sonst aus dem Hause der Antrag gestellt? — Das ist nicht der Fall.
— Gemeldet, j a; aber darauf kommt es nicht an. Sie können erst sprechen, wenn feststeht, daß beraten werden soll. Dieser Wunsch liegt nicht vor. Es haben keine dreißig anwesende Abgeordnete den Antrag gestellt. Deshalb treten wir nicht in die Beratung ein. Damit ist Punkt 5 der heutigen Tagesordnung abgeschlossen.
— Ich weiß nicht, warum das Haus so lacht. Ich habe absolut geschäftsordnungsmäßig verfahren.
— Ah, danke sehr!
Ich rufe auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Teilgrundstück der ehem. Lehrlingsausbildungswerkstätten der ehem. Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven in Westerstede (Drucksachen 1621, 1459).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich empfehle im Auftrag des Haushaltsausschusses die Annahme der Vorlage. Ich beantrage das gleiche für die Drucksache 1622.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. In der Kürze liegt die Würze! — Wird das Wort gewünscht? — Nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1621 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Marinegerätelagers Roffhausen bei Wilhelmshaven an die Olympia-Werke AG (Drucksachen 1622, 1580).
Das Haus hat den Bericht und den Antrag des Ausschusses bereits gehört. Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 1622 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Entwurf einer Zweiten Ergänzung (gemäß § 11 RWB) zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1624, 1572).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Arndgen.
Wenn das Hohe Haus auf die Berichterstattung verzichtet, werde ich den Bericht nicht erstatten. Ich bitte nur, der Drucksache 1624 zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich muß nur, meine Damen und Herren, geschäftsordnungsmäßig jetzt etwas anders verfahren. Nach unserer Geschäftsordnung gibt es keine Möglichkeit, einen vorliegenden Gesetzentwurf oder das, was Anlage zu einem Gesetz mit der gleichen Wirkung ist, für erledigt zu erklären. Deshalb müssen wir so verfahren, daß wir diese Anlage, den Einzelplan XI so behandeln, als ob er Gesetz sei. Wenn Sie ihn für erledigt erklären wollen, müssen Sie ihn in der zweiten Lesung ablehnen; denn wenn alle Teile eines Gesetzes in der zweiten Lesung abgelehnt sind, kann die dritte Lesung unterbleiben. Das möchte ich dem Hause sagen, damit wir geschäftsordnungsmäßig richtig verfahren.
Ich kann also jetzt nicht den Ausschußantrag zur Abstimmung stellen, sondern den materiellen Teil, nämlich den Entwurf einer Zweiten Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955, Einzelplan XI, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit. — Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Damit ist dieser Teil als Anlage eines Gesetzes in zweiter Lesung abgelehnt. Damit unterbleibt die dritte Beratung.
Wir sind am Ende der heutigen Sitzung.
Ich habe nur noch bekanntzugeben, daß die für heute vorgesehene Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses nicht stattfindet.
Ich berufe die nächste, die 100. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Sonnabend, den 16. Juli 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.