Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir die traurige Pflicht, der Opfer dreier schwerer Verkehrsunfälle der letzten Zeit zu gedenken.
Wir gedenken jener braven 19 Frauen, die bei dem Unglück am 1. Juni auf der Gefällestrecke der Bundesstraße 8 von Köln nach Frankfurt am Dorfausgang der Westerwaldgemeinde Höchstenbach infolge des Omnibusunglücks ihr Leben ließen, und wir gedenken vor allem auch der 51 Kinder, die dadurch ihre Mütter verloren. Der Deutsche Bundestag spricht den Angehörigen sein tiefgefühltes Beileid aus.
Wir gedenken weiter des Verkehrsunfalls, der sich am Morgen des 11. Juni in Osnabrück ereignet hat, bei dem ein holländischer Autobus mit vier Erwachsenen und 43 Schülern im Alter von 13 bis 18 Jahren verunglückte und bei dem zwei Schüler getötet und 12 schwer verletzt wurden. Der Deutsche Bundestag gedenkt auch dieser Opfer und spricht dem holländischen Volk und den Angehörigen sein Beileid aus.
Wir gedenken auch des furchtbaren Unglücks, das sich am gleichen Tag auf der Rennstrecke bei Le Mans zugetragen hat und bei dem nach bisher vorliegenden Meldungen 77 Zuschauer getötet und ebenso viele schwer verletzt wurden. Der Herr Präsident dieses Hauses hat dem Präsidenten der französischen Nationalversammlung telegraphisch seine tiefgefühlte Anteilnahme ausgesprochen. Der
Deutsche Bundestag schließt sich der von dem
Herrn Präsidenten ausgesprochenen Teilnahme an.
Sie haben sich, meine Damen und Herren, zum stillen Gedenken an die Opfer dieser drei Unglücksfälle von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. Juni 1955 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Erstes Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 , des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 467) und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" vom 16. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 422) ;
Gesetz über Todeserklärungen nach der Konvention der Vereinten Nationen vom 6. April 1950 über die Todeserklärung Verschollener;
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu der Konvention der Vereinten Nationen vom 6. April 1950 über die Todeserklärung Verschollener.
Weiter hat der Bundesrat zum
Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung
und zum
Gesetz über Änderung von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes
beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Seine diesbezüglichen Schreiben werden als Drucksachen 1446 und 1447 verteilt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
8. Juni 1955 die Kleine Anfrage 173 der Fraktion der FDP betreffend DAF-Vermögen — Drucksache 1372 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1452 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 10. Juni 1955 die Kleine Anfrage 177 der Abgeordneten Brück und Genossen betreffend Flughafen Wann — Drucksache 1419 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1448 vervielfältigt.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat unter dem 7. Juni 1955 im Auftrag der Antragsteller mitgeteilt, daß der Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller , Schrader und Genossen betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen — Drucksache 203 — sachlich erledigt sei und zurückgezogen wurde.
Wir treten nunmehr in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1.:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts (Drucksache 1110);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (Drucksache 1421, zu 1421, Änderungsanträge Umdrucke 396, 410).
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, den Punkt 1 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Der Antrag wird sowohl aus formellen als auch aus materiellen Erwägungen gestellt.
In formeller Hinsicht muß darauf hingewiesen werden, daß es nach der Geschäftsordnung erforderlich ist, Schriftliche Berichte der Ausschüsse mindestens zwei Tage vor der zweiten Beratung vorzulegen. Dem ist nicht entsprochen worden. Wir haben den Schriftlichen Bericht des Ausschusses erst gestern im. Laufe der Nachmittagsstunden bekommen.
Im übrigen sind auch hinsichtlich der anderen Modalitäten der Berichterstattung ernsthafte Bedenken zu erheben. Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, und zwar nach § 74, müssen die Berichte die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben. Das ist in dem vorliegenden Ausschußbericht nur sehr bedingt der Fall.
Aber vielleicht sind, von den formellen Erwägungen abgesehen, die materiellen Bedenken, die gegen eine heutige Beratung sprechen, gewichtiger. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach den eigenen Erklärungen der Bundesregierung werden von diesem Bundesmietengesetz zirka 5 Millionen Wohnungen betroffen. Das Gesetz greift in die Rechtsverhältnisse unzähliger Menschen ein. Es ist von weittragender Bedeutung, und es ist ein lebhaft umstrittenes Gesetz, an dem nicht nur von der sozialdemokratischen Opposition, sondern auch in der Öffentlichkeit Kritik geübt worden ist. Sie haben, meine Damen und Herren, wenn Sie sich ehrlich prüfen, keine Möglichkeit gehabt, die Materie einer so eingehenden Durchsicht zu unterziehen, daß Sie aus einem wirklich profunden Wissen heraus heute in der Lage wären, Entscheidungen zu fällen.
Wir glauben, daß es weder der Würde dieses Hauses noch dem Ansehen des Parlaments entspricht, eine Vorlage von solcher Wichtigkeit ohne die Möglichkeit einer sachlichen Prüfung durch die Mitglieder dieses Hauses abschließend beraten zu lassen.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag auf Absetzung des Punktes 1 von der Tagesordnung aus diesen rein sachlichen Erwägungen zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Hefren! Namens meiner Fraktion bitte ich das Hohe Haus, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zu entsprechen.
— Einen Augenblick, Herr Kollege Jacobi! - Die Meinung des Herrn Kollegen Jacobi, daß die Vorlage Drucksache 1421, also der Mündliche Bericht, der in gedruckter Form vorliegt, nicht mit den Vorschriften der Geschäftsordnung und — ich darf hinzufügen — nicht mit dem Brauch in diesem Hause in Einklang stehe, entspricht keineswegs den Tatsachen. Diese Vorlage Drucksache 1421 stimmt überein mit der Vorschrift des § 74 unserer Geschäftsordnung, nach welcher Ausschußberichte an den Bundestag über Gesetzentwürfe und Grundsatzfragen erheblichen Umfangs in der Regel schriftlich zu erstatten
und in den Stenographischen Bericht aufzunehmen sind. Im übrigen erfolgt mündliche Berichterstattung.
Meine Damen und Herren, wir können doch nicht im Ernst behaupten, daß hier ein Gesetzentwurf erheblichen Umfangs vorliegt.
— Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ausreden! - Auch in anderen Fällen, in denen der 32. Ausschuß, der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen, Gesetzentwürfe zu beraten hatte
— ich spreche vom Baulandbeschaffungsgesetz, ich spreche von dem Gesetz über das Stockwerkseigentum —, aber auch bei einem Gesetz, das der Rechtsausschuß zu beraten hatte, dem sehr wichtigen Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, ist so verfahren worden.
Ich darf zunächst feststellen, daß dieser Mündliche Bericht am 7. Juni, also rechtzeitig, verteilt worden ist, und daß außerdem am 13. Juni ein Schriftlicher Bericht verteilt worden ist. Letzteres ist zusätzlich geschehen; nach der Geschäftsordnung ist das nicht nötig. Wenn Sie wollen, ist es das, was heute der Berichterstatter hier mündlich vorzutragen haben würde.
Ich glaube, wir könnten uns damit abfinden, daß der Berichterstatter das hier zusätzlich noch mündlich vorträgt. Dann würden allerdings die Verhandlungen noch mehr in die Länge gezogen.
Meine Damen und Herren, wir können doch nicht die Tatsache, daß der Berichterstatter das, was er hier mündlich vorzutragen beabsichtigte, in anerkennenswerter Arbeit einen Tag vorher uns schriftlich gegeben hat, nun zum Nachteil unserer Beratungen ausschlagen lassen und deshalb, weil die Opposition meint, das entspreche alles nicht unserer Geschäftsordnung, hier die Beratung absetzen. Ich darf hinzufügen, daß eine solche Behandlung dieser Sache dem guten Brauch in diesem Hause entspricht, und bitte aus diesen Gründen, hier dem Antrage nicht stattzugeben.
Herr Kollege Jacobi hat aber auch einige wenige Worte zur Sache selbst gesprochen. Das ist gut, und auch darauf möchte ich antworten. Es ist der Wille der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, das Gesetz bis zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten zu lassen.
— Ich spreche von der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, Herr Kollege Schoettle. Das ist mit den zuständigen Ausschüssen des Bundesrates und mit dem Bundesrat selbst abgesprochen worden. Der Bundesrat ist bereit, das Gesetz dort in Beratung zu nehmen und alsbald die erforderlichen Beschlüsse zu fassen, wenn ihm dieser Gesetzentwurf rechtzeitig zugeleitet wird. Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates haben sich für heute mittag versammelt und sind bereit, den Gesetzentwurf dort in Beratung zu nehmen.
Wir sollten diese gute Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesrat anerkennen und sollten nicht aus rein formellen Gründen, Herr Kollege Jacobi, die in gar keiner Weise der Übung in diesem Hause und der Geschäftsordnung entsprechen, das nicht respektieren, was das Plenum des Hauses in seiner letzten Sitzung beschlossen hat. Das Plenum des Hauses hat in Kenntnis der Drucksache 1421 — die ihm infolgedessen wohl genügt hat hinsichtlich der Anforderungen, die die Geschäftsordnung an Vorlagen stellt — beschlossen, die Sache heute zu verhandeln. Ich bitte das Hohe Haus, an diesem Beschluß festzuhalten und dem Antrag auf Absetzung nicht zu entsprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Hoogen veranlassen mich — und zwar möchte ich das tun in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Geschäftsordnung, ohne mich in diesem Fall in den Streit der Parteien einzumischen —, auf folgende Tatsachen hinzuweisen.
Der Bundestag bewegt sich bei der Interpretation der Geschäftsordnung in der jüngsten Zeit mehr und mehr in einer Richtung, die doch eine ehrliche Sorge begründet. Wenn hier gesagt wird, daß keine geschäftsordnungsmäßigen Argumente gegen die Behandlung dieses Punktes der Tagesordnung in der vorgesehenen Weise stünden, so darf ich das Haus und insbesondere Herrn Kollegen Hoogen darauf aufmerksam machen, daß es sowohl Bestimmung der Geschäftsordnung ist als auch eine nachweisbare und unbestreitbare Gewohnheit des Hauses auf Grund der Geschäftsordnung, eine Gegenüberstellung von Regierungsvorlage und Ausschußbeschluß entsprechend den Bestimmungen des § 74 der Geschäftsordnung zu bringen. § 74 Abs. 2 lautet:
Die Berichte müssen die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben.
Es ist ausdrücklich anerkanntes Recht und auch von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages, unserem verstorbenen Kollegen . Herrn D. Dr. Ehlers, hier in einer Sitzung vom 18. Januar 1951 hervorgehoben worden — genau so, wie es in dem Kommentar zum Ausdruck kommt —, daß die Beschlüsse in Gestalt einer Gegenüberstellung zu dem überwiesenen Gesetzentwurf gedruckt vorliegen sollen. Herr Ehlers hat damals erklärt:
Nach der Geschäftsordnung wird der Bericht nur von dem federführenden Ausschuß erstattet, der die Aufgabe hat, die abweichenden Meinungen und Anträge der anderen Ausschüsse bekanntzugeben.
Selbstverständlich auch die abweichenden Anträge des federführenden Ausschusses.
Meine Damen und Herren! In unserer Mappe befindet sich heute morgen die Drucksache 1110. Das ist die Regierungsvorlage. Sie weist 33 Paragraphen auf. In unserer Mappe befindet sich die Drucksache 1421. Sie weist 46 Paragraphen auf. In unserer Mappe befindet sich der gedruckte Schriftliche Bericht zu der Drucksache 1421, der, wie ich mir eben von dem Herrn Berichterstatter sagen ließ, gestern abend fertiggedruckt wurde.
Es fehlt das, was Sie, wenn Sie auf Ihrem Platz nachsehen wollen, in allen Berichten, beispielsweise zum Haushaltsplan, finden: die Gegenüberstellung von Regierungsvorlage und Ausschußbeschlüssen.
Das Haus ist nicht in der Lage, sich ohne eine solche Synopsis ein Urteil über die Vergleichbarkeit der einzelnen Paragraphen zu bilden. Es ist nicht in der Lage — auf Grund der Neuheit des Berichts, der heute morgen auf dem Tisch liegt mit 18 Seiten —, sich ein Urteil zu bilden, das eine Rechtfertigung für den Beschluß in sich trägt, der gefaßt werden soll.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie als Ausschußvorsitzender inständigst bitten, die Geschäftsordnung nicht zu vergewaltigen. Ich möchte Sie dringend darum bitten, sich an sehr gute Erkenntnisse des Bundestages in den vergangenen sechs Jahren und auch des früheren Reichstages zu halten und die Dinge so zu behandeln, wie sie bisher behandelt worden sind, nämlich geradlinig im Rahmen und im Sinne der Geschäftsordnung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich schließe die Beratung zur Geschäftsordnung. Es sind zwei Anträge von der Fraktion der SPD gestellt, ein materieller, auf den ich gleich zu sprechen komme, und ein formeller. Der formelle geht dahin, daß eingewandt wird, die Voraussetzungen des § 80 der Geschäftsordnung seien nicht erfüllt:
Die zweite Beratung beginnt im allgemeinen am zweiten Tage nach Schluß der ersten und, wenn Ausschußberatungen vorausgegangen sind,
— das ist hier der Fall —
frühestens am zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichtes.
„Frühestens am zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichtes" r Das ist das, was interessiert. Die Frage des Einwandes spitzt sich also zu auf die Streitfrage, ob der § 74 der Geschäftsordnung erfüllt ist oder nicht:
Ausschußberichte an den Bundestag über Gesetzentwürfe und Grundsatzfragen erheblichen Umfangs sind in der Regel schriftlich zu erstatten und in den stenographischen Bericht aufzunehmen. Im übrigen erfolgt mündliche Berichterstattung.
Das ist die zwingende Vorschrift des § 74.
Die Streitfrage taucht jetzt in der Plenarsitzung auf. Ich habe nach § 128 die Pflicht, sie zu entscheiden. Ich entscheide dahin, daß der formelle Einwand nicht gerechtfertigt ist, da ich der Auffassung bin, daß die Drucksache 1421, die schon längst vorliegt, ein entsprechender schriftlicher Bericht im Sinne von § 74 ist.
Den materiellen Antrag kann ich nicht verhindern, den muß ich zur Abstimmung stellen. Meine Damen und Herren, es ist auch aus materiellen Gründen, die der Herr Abgeordnete Jacobi hier vorgetragen hat, beantragt worden, heute den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag, Punkt 1 der heutigen Tagesordnung abzusetzen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit bleibt der Punkt, wie das Plenum in der vorigen Sitzung beschlossen hatte, auf der Tagesordnung.
Ich trete ein in die Einzelberatung der zweiten Lesung. Will der Herr Berichterstatter noch einen mündlichen Ergänzungsbericht geben? — Herr Abgeordneter Hauffe, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Vordebatte hat bereits gezeigt, wie umfangreich
die Materie ist, und ich möchte darauf hinweisen, daß die Umstände, unter denen ich die Arbeit zu diesem Schriftlichen Bericht*) bewältigen mußte, doch, glaube ich, ziemlich einmalig sind. Ich möchte hierbei anerkennend erwähnen, daß ohne die sehr weitgehende Mitarbeit der Beamten der drei beteiligten Ministerien dieser Bericht einfach nicht zustande gekommen wäre, und er ist am Freitag abend, nachdem am Donnerstag trotz Feiertag und am Freitag ganztägig gearbeitet wurde, erst im Konzept fertiggestellt worden. Eine weitere eingehende Behandlung einzelner Punkte ist somit einfach nicht möglich gewesen, und ich glaube, Sie werden mir auch zugeben, daß einige Dinge dabei unmöglich sind. Ich bin nämlich nicht in der Lage, Ihnen das Ergebnis der Schlußabstimmung auf Grund des sonst vorliegenden Ausschußprotokolls bekanntzugeben, da das letzte Ausschußprotokoll mir als Berichterstatter bis zum heutigen Tage nicht einmal im Konzept zur Verfügung steht.
— Einen Moment, Herr Vorsitzender! Wenn Sie glauben, mir hier einen Vorwurf machen zu müssen, dann kann ich Ihnen nur nochmals sagen: ich habe den Bericht mit Unterstützung der Beamten der Ministerien unter Aufwand der letzten Freizeit, die möglich war, fertiggestellt, damit mir nicht der Vorwurf gemacht werden kann, an mir seien die Dinge gescheitert. Aber daß allen Mitgliedern des Ausschusses und mir als Berichterstatter bis heute nicht einmal das Schlußprotokoll der Ausschußberatungen zur Verfügung steht, das, glaube ich, darf ich auch als Berichterstatter sagen, wenn ich mich bemühe, bis zum letzten Punkt objektiv zu sein. Ich möchte das deswegen besonders betonen, weil damit klar zum Vorschein kommt, daß ohne die Unterstützung der Beamten der drei beteiligten Ministerien dieser Bericht nicht fristgerecht hätte erstattet werden können. Das zu der umstrittenen Frage der Berichterstattung. Ich hielt es für notwendig, das zu sagen, damit ich als Berichterstatter nicht in einem schiefen Licht dastehe.
Nun zu den Einzelheiten des Berichts bzw. des Gesetzentwurfs. Die Frage der Mieterhöhung oder der Angleichung der Miete an das heutige Preisniveau hat bereits den ersten Bundestag beschäftigt. Die damaligen Koalitionsparteien legten dem Bundestag mit Drucksache 2418 vom 5. Juli 1951 einen Antrag vor, der vier Punkte umfaßte, nämlich erstens die Anhebung der Geschäftsraummieten, zweitens die teilweise Angleichung der Altbaumieten an die Neubaumieten, drittens die großzügigere Anwendung des § 3 der Preisstoppverordnung und viertens die Besserstellung des Althausbesitzes im Lastenausgleichsgesetz und bei Abschreibungen. In der 280. Sitzung vom 3. Juli 1953 erklärte der erste Bundestag diesen Antrag für erledigt. Trotzdem hielt es die Bundesregierung für notwendig, dem Bundestag den Entwurf eines Ersten Bundesmietengesetzes vorzulegen, weil erstens der Althausbesitz und zweitens der Zwischenkriegswohnungshausbesitz in seiner Ertragslage nicht ausgeglichen sei. Als Gründe wurden hauptsächlich der immer noch bestehende Preisstopp und zweitens das Ansteigen der Bewirtschaftungskosten angeführt.
*) Siehe Anlage 17.
Der Bundesrat, dem der Gesetzentwurf zunächst zum ersten Durchgang vorgelegt wurde, hat sich bereits am 15. Oktober 1954 mit der Materie befaßt und den Gesetzentwurf mit seiner Stellungnahme an die Bundesregierung zurückgegeben. Die Bundesregierung hat daraufhin am 5. Januar 1955 den Gesetzentwurf mit Begründung, mit der Stellungnahme des Bundesrates und mit ihrer Stellungnahme zu den Einwendungen des Bundesrates dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet.
Die Drucksache 1110, die den Regierungsentwurf mit Begründung enthält, ist sehr umfangreich und hat insgesamt 146 Seiten. Diese Drucksache 1110 kam bereits am 18. Februar dieses Jahres in erster Lesung auf die Tagesordnung der 67. Plenarsitzung. Der eigentliche Gesetzentwurf umfaßt in dieser Drucksache nur 10 Seiten und 34 Paragraphen. Alles andere sind Begründungen, statistisches Material, Stellungnahme des Bundesrates und wiederum Stellungnahme der Bundesregierung hierzu. In diesem alten Gesetzentwurf der Bundesregierung waren sehr viel Bezugnahmen auf bestehende Gesetze und Verordnungen.
Der neue Gesetzentwurf ist in seinem Umfang etwas gewachsen, von 10 auf 14 Seiten, in der Paragraphenzahl von 34 auf 46. Die Bezugnahmen und Verweisungen wurden wesentlich eingeschränkt. Der Ausschuß hofft, daß damit der Gesetzentwurf verständlicher geworden ist. Der federführende Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen, der 32. Ausschuß, hat sich in insgesamt 10 Sitzungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befaßt und drei Lesungen durchgeführt. Ich habe schon gesagt: dieser Gesetzentwurf wurde dann mit Mehrheit angenommen, und es wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bei Abwesenheit des Vertreters des GB/BHE beschlossen, ihn in seiner jetzigen Fassung dem Plenum zur Annahme zu empfehlen.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat sich als mitberatender Ausschuß in drei Sitzungen mit dem Gesetzentwurf befaßt und dabei hauptsächlich die Dinge beraten, die wirtschaftliche Punkte betreffen, nämlich die 10-, 15- bzw. 20%ige globale Mieterhöhung in den §§ 5 und 6, die Kostenvergleichsmiete in dem früheren § 10 mit den dazugehörigen Praragraphen und in den jetzigen Paragraphen 8 und 9, die Mieterleistungen in dem früheren § 21 und den jetzigen §§ 28 und 29, dann die Wohnungen, die von Mieterhöhungen ausgeschlossen sein sollen, bzw. die Obergrenze in den jetzigen §§ 12 und 13, ferner die Ermächtigung an die Bundesregierung, Teile dieses Gesetzes außer Kraft setzen zu können bzw. das Gesetz für Teile des Bundesgebietes außer Kraft zu setzen; früher enthielt diese Bestimmung der § 28, jetzt ist es § 38 geworden. Der Ausschuß hat sich ferner sehr eingehend mit den frieren §§ 26 und 27 befaßt, die in der zweiten Lesung gestrichen worden waren, die aber in der dritten Lesung wieder 'aufgenommen wurden und jetzt die Paragraphenbezeichnung 36 und 37 erhalten haben. Diese Bestimmung besagt hauptsächlich — wenn ich das aus dem Schriftlichen Bericht herausnehmen darf —, daß, wenn Wohnungen und Geschäftsräume miteinander vermietet worden sind, nicht bloß die Geschäftsräume aus der Preiskontrolle herausfallen, sondern auch die Wohnungen, die sonst noch preisgebunden wären, was zur Folge hat, daß bei einer späteren getrennten Vermietung die Wohnungen aus der
preislichen Bindung herausbleiben. Dies wurde im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ungefähr mit den gleichen Mehrheiten beschlossen wie im Wohnungsbauausschuß. Es standen sich hier die Meinungen der Mehrheit und der Opposition bzw. einer Minderheit, da sich der GB/BHE in der Abstimmung weitgehend und sehr oft auf der Seite der Opposition befand, gegenüber.
Ich darf jetzt noch einige Ausführungen zu dem sachlichen Inhalt des Schriftlichen Berichts machen. Ich habe mich in der Kürze der Zeit mit Unterstützung der Beamten bemüht, die wirtschafts- und wohnungspolitischen Motive darzulegen und hierbei — soweit es in der Kürze der Zeit möglich war — auch die Meinungen der Opposition wiederzugeben, für die natürlich — das werden Sie verstehen — nicht entsprechend Unterlagen und Mitarbeit von der Regierungsseite gestellt wurden. Die Frage der Synopsis hat bei der Erstellung des Berichts eine Rolle gespielt. Aber wenn man eine Synopsis hätte erstellen wollen, dann hätte das wahrscheinlich einen Zeitaufwand erfordert, bei dem die Fristen, die von der Mehrheit gewünscht wurden, nicht innezuhalten gewesen wären. Deswegen haben wir versucht, im Schriftlichen Bericht einen entsprechenden Ersatz für die Synopsis zu schaffen. Da ist zunächst die Gegenüberstellung der einzelnen Abschnitte der Regierungsvorlage und der Ausschußvorlage. Die Zahl der Abschnitte des Gesetzentwurfs hat sich von ursprünglich sieben auf jetzt neun erhöht, d. h. der Vierte und der Fünfte Abschnitt sind neu hinzugekommen, und dadurch haben sich die nachfolgenden Abschnitte hinausgeschoben. Ferner haben wir im Bericht — wenn nicht diese gewissenhafte Mithilfe dagewesen wäre, wäre das vielleicht auch nicht so gut möglich gewesen — eine Gegenüberstellung der Paragraphen des ursprünglichen Regierungsentwurfs und der Paragraphen des jetzigen Ausschußentwurfs gemacht. Sie linden diese Gegenüberstellung auf Seite 5 des Schriftlichen Berichts. Da der Gesetzentwurf in verschiedenen Dingen erweitert wurde, finden Sie weiter auf Seite 5 eine Aufführung der neuen Paragraphen — sie greift über auf Seite 6 — mit einer Bezeichnung des sachlichen Inhalts der neuen Paragraphen. Ich kann wohl darauf verzichten, hier alle Einzelheiten dieser Neuerungen aufzuführen, denn ich darf wohl bemerken, daß diejenigen, idle diesem Bericht dann folgen können, die Materie sowieso aus den Ausschußberatungen kennen und daß die anderen, die dann versuchten, zu folgen, es bei dem Umfang der Materie und bei der Schwierigkeit und Kurzfristigkeit der Vorlage des Schriftlichen Berichts sowieso nicht bis ins einzelne würden erfassen können.
Zu jedem einzelnen Paragraphen folgen dann unter III die Erläuterungen der einzelnen Vorschriften. Ich hoffe, daß es wenigstens gelungen ist, klarzumachen, was mit den einzelnen Vorschriften gewollt ist; denn aus der Formulierung der Paragraphen des Gesetzentwurfs dürfte für den Laien doch noch mancher Zweifel übrigbleiben. Aber ich glaube, daß das nicht ein Mangel ist, der bloß diesem Gesetze anhaftet; das dürfte ein Mangel sein, der bei anderen Gesetzen ebenfalls feststellbar ist.
Ich hoffe auch, daß die Bundesregierung nicht gekränkt ist, wenn ich sage, daß wir in der Ausschußarbeit versucht haben, manches an der Formulierung so zu ändern, daß es für den Laien etwas verständlicher wurde. Wenn das gelungen ist, dann ist immerhin etwas erreicht.
Der Gesetzentwurf ist Ihnen bereits vor einigen Tagen zugegangen. Ich glaube, es ist viel besser, wir überlassen es der Diskussion der Paragraphen, die einzelnen Streitpunkte, die zwischen der Mehrheit und der Minderheit bestehen, noch einmal offensichtlich werden zu lassen, als daß ich meinen Bericht zu weit ausdehne. Ich hoffe, trotz meiner kritischen Bemerkung über die Kurzfristigkeit meine Aufgabe als Berichterstatter, einen möglichst sachlichen und einwandfreien Bericht zu geben, nicht verletzt zu halben. Sie werden es mir verzeihen, daß ich dies angesichts der Diskussion über die Berichterstattung, die am Anfang der Sitzung stattgefunden hat, sagen mußte. Ich bitte deshalb, mich als Berichterstatter abtreten zu lassen und das zu diskutieren, was Ihnen als Bericht vorgelegt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Doch, er hat den Antrag gestellt!
Ich habe bereits gesagt: Der Ausschuß hat mit Mehrheit gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bei Abwesenheit des Vertreters des BHE beschlossen, die Ausschußvorlage dem Plenum zur Annahme zu empfehlen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Ich rufe auf in der Einzelberatung § 1 mit dem Antrag Umdruck 396*) Ziffer 1. Wer begründet ihn? — Abgeordneter Jacobi!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu § 1 den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag gestellt, weil wir der Auffassung sind, daß die Vorlage schon von diesem § 1 her keine Vorzüge anbietet, sondern eine Verschlechterung statt einer Vereinfachung der vielfältigen und komplizierten Gesetzgebung darstellt. § 1 der Regierungsvorlage scheint uns vor allem deshalb unzweckmäßig, ja schädlich zu sein, weil sich aus dieser Bestimmung die Legalisierung von preisrechtlich nicht zulässigen Mieten ergibt und weil diese Legalisierung unter dem Gesichtspunkt des Rechts und einer den Rechtssitten entsprechenden Praxis sicherlich bedauerlich ist. Ein solches Gesetz kann zu leicht dazu führen, daß es präjudiziell auch im Sinne eines Anreizes ist, auf diesem wie auf anderen Gebieten in Zukunft ähnlich zu verfahren, Gesetze zu mißachten und darauf zu vertrauen, daß später der Gesetzgeber eine Legalisierung solcher Verstöße vornimmt.
Das Entscheidende aber ist, daß leider schon diese Bestimmung erkennen läßt, daß es dem Gesetzgeber, wenn er dieses Gesetz verabschiedet, nicht gelungen ist, den Mietenwirrwarr zu beseitigen und endlich einmal das Mietrecht wieder auf die Ebene des privaten Rechts zurückzuführen. Hier bleibt nach wie vor Mietpreisrecht bestehen, und
*) Siehe Anlage 2.
zwar in einer verwirrenden Fülle und in einer Weise, daß der gemeine Bürger mit diesem Gesetz nicht fertig wird. Wir haben schon in den Ausschußberatungen auf die Problematik dieser Bestimmungen hingewiesen. Es war der Kollege Dr. Czaja von der CDU-Fraktion, der bei diesen Beratungen feststellte, daß nach diesem Gesetz zu den vielen anderen Möglichkeiten, die sich bisher schon ergeben haben, leider sieben verschiedene Mietberechnungen möglich sind:
nach § 1 die preisrechtlich zulässige Miete, nach § 3 die vereinbarte Miete, nach § 5 die um 10% erhöhte Miete, nach § 6 die um weitere 5 oder 10% erhöhte Miete, nach § 8 die zugelassene Kostenvergleichsmiete, nach § 10 Abs. 1 die mögliche Kostenmiete und nach § 10 Abs. 2 die zugelassene Richtsatzmiete.
— Wollen Sie der Feststellung widersprechen, daß Sie das selber im Ausschuß erklärt haben?
— Verzeihen Sie, was ist das für ein Einwand?! Unsere Absicht, eine differenzierte Miete einzuführen — das wissen Sie besser als jeder andere, Herr Kollege Czaja —, basiert auf dem Versuch, eine Wohnwertmiete einzuführen, bei der es natürlich Differenzierungen gibt, aber Differenzierungen nach dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, also Mieten, die im Einzelfall zumutbar sind,
während hier willkürliche Mieten gebildet werden und vor allen Dingen eine Reihe von Bestimmungen, wie der § 3, jede Schutzmöglichkeit für den Mieter außer acht lassen, ohne dem Hausbesitzer echte Hilfe zuteil werden zu lassen;
denn er wird ja auch keinerlei Absicht haben, im Streite zu leben.
Nein, dieser Gesetzentwurf ist schon seinem § 1 nach verunglückt. Er hat nicht den Versuch gewagt, zu einer Entzerrung des Mietengefüges und zu einer Vereinfachung der Gesetzgebung zu kommen. Wir sehen in der nach wie vor bestehenden Verklammerung mit dem Mietpreisrecht einen entscheidenden Fehler schon vom Ausgangspunkt des § 1 her.
Deshalb haben wir einen Antrag gestellt, mit dem wir den Versuch machen, hier Privatrechtsverhältnisse wiederherzustellen, eine Grundmiete zu bilden und im übrigen, aufbauend auf diesem Paragraphen, dann zu einer Mietregelung zu kommen, die sowohl materiell ausreicht — auch für den Hausbesitzer — als auch vor allem eine Vereinfachung der Mietgesetzgebung herbeiführt.
Wir bitten Sie also, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, obwohl wir es angesichts der vorhin in der Geschäftsordnungsdebatte Ihrerseits an den Tag gelegten Haltung kaum wagen können, von Ihnen eine verständige Würdigung unserer Anträge zu erwarten.
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Wird das Wort weiter gewünscht? — Abgeordneter Dr. Hesberg! Dr. Hesberg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jacobi hat der Meinung Ausdruck gegeben, daß das vorliegende Gesetz sehr kompliziert sei und daß durch den Antrag der SPD zu § 1 ein wesentlicher Fortschritt und eine Klärung möglich seien. Es ist zweifellos nicht berechtigt, die Beurteilung des vorliegenden Gesetzes ohne eine Rückschau auf das vorzunehmen, was durch dieses Gesetz abgelöst werden soll, nämlich das bestehende außerordentlich komplizierte Mietpreisrecht.
Gegenüber diesen Vorschriften, die nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses nunmehr abgelöst werden sollen, also außer Kraft treten sollen, bedeutet das neue Recht zweifellos einen wesentlichen Fortschritt.
Das einfachste wäre es natürlich gewesen, wieder restlos zur freien Vereinbarung, zum Mietrecht des BGB überzugehen. Wir konnten uns aber zu einer solchen Lösung nicht entschließen. Wir waren der Überzeugung, daß es im Hinblick auf den noch gegebenen Wohnungsmangel notwendig ist, zwar einen weiteren Schritt zur Marktwirtschaft zu gehen, im übrigen aber den Schutz des Mieters aufrechtzuerhalten. Dieser Schutz ist nach den Bestimmungen des Entwurfs durchaus gegeben. Der Mieter hat z. B., wenn er eine Miete vereinbart hat, die um 10 % die preisrechtlich zulässige Miete übersteigt, nach § 2 die Möglichkeit, hiergegen Einspruch einzulegen und die Preisbehörde entscheiden zu lassen. Wir haben darüber hinaus einen weitergehenden Schutz vorgesehen, der zu gegebener Zeit im Zusammenhang mit diesem Paragraphen zu besprechen ist.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß man es bei Auflockerung der bisherigen Bindungen nicht auf neue Begriffe ankommen lassen sollte, daß es unzweckmäßig ist, hier den Begriff einer Grundmiete einzuführen. Die Terminologie, wie wir sie hier finden, hat sich bei der allgemeinen Mietanhebung im Jahre 1952 durchaus bewährt.
Im Ausschuß ist von seiten des Wohnungsbauministers auch zugesagt worden, daß im Wege der Rechtsverordnung hierzu eine für jeden Mieter und Vermieter einfache Regelung geschaffen werden soll, zumal auch beabsichtigt ist, durch Formulare eine einfache Benachrichtigung des Mieters zu ermöglichen, so daß Unklarheiten nach dieser Richtung nicht aufkommen können.
Das Streben nach weitgehender Gerechtigkeit hat es im übrigen erforderlich gemacht, daß durch die Gesetzgebung mit dem vorliegenden Entwurf endlich einmal mit den mannigfaltigen Arten der zu verschiedenen Zeiten und verschiedenartigen finanziellen Bedingungen fertiggestellten Wohnungen ein Ende gemacht und hier der Übergang zu einer Regelung marktwirtschaftlicher Konzeption gesucht wird. Sie wissen, daß dabei durch die Bestimmungen, die den Mieter bei schlechten Wohnungen, bei Bruchbuden und dergleichen schützen, in hinreichendem Umfang der Schutz des schutzwürdigen Mieters gegeben ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundeswohnungsbauminister Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur ein paar ganz kurze Bemerkungen zu dem Antrag der SPD. Der § 1 des Antrags sieht äußerlich kaum
anders aus als der § 1 des Regierungsentwurfs. Er enthält aber das eine Wort „Grundmiete" anstatt wie im Regierungsentwurf nur „Miete vom 1. Januar 1955". Darin liegt natürlich ein kardinaler Unterschied. Die Opposition wird mir schon gestatten, daß ich einen sehr erheblichen Zweifel in die Begründung des Herrn Kollegen Jacobi setze, daß mit der Festlegung oder Zementierung von Grundmieten gerade die Privatrechtsverhältnisse wieder in Gang gesetzt werden sollen. Wie Sie aus den weiteren Anträgen sehen, mündet das natürlich in die Wohnwertfestsetzung für alle Wohnungen mit Zu- und Abschlägen ein, die ohne Zweifel die private Auffassung darüber, wie der Wohnwert einer Wohnung ist, ausschließt und durch ein behördliches System ersetzt.
Dann das zweite, die Frage der Vereinfachung. Wir haben dem Ausschuß eine erste Zusammenstellung der Vorschriften vorgelegt, die mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Vereinfachung des seit 30 Jahren gewordenen Wirrwarrs auf dem Gebiet der Zwangsbewirtschaftung der Wohnungen aufgehoben werden sollen. Nach dieser ersten Zusammenstellung sollen 6 Gesetze, 16 Rechtsverordnungen und zirka 80 Runderlasse aus den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen bis 1954 sofort außer Kraft gesetzt werden. Ich glaube, daß die Linie damit ziemlich eindeutig ist und Ihre Entscheidung dadurch auch sehr erleichtert wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Will.
Meine Damen und Herren! Zu § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs einige ergänzende Bemerkungen. Ich glaube nicht, Herr Kollege Jacobi, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen Ihrer Vorlage und dem Regierungsentwurf besteht. Tatsächlich soll doch erreicht werden, daß wir einen neuen Stichtag, nämlich den 1. Januar 1955, als Zeitpunkt für die Abschaffung dieses Mietwirrwarrs, den wir bisher gehabt haben, einführen. Es ist doch eigentlich der Sinn des Gesetzentwurfs, zu einer neuen Grundlage, zu einer Vereinfachung der gesamten Mietgesetzgebung zu kommen.
Man kann auch nicht sagen, daß die Verhältnisse, die wir bisher leider gehabt haben, weiter bestehenbleiben. Dieser Gesetzentwurf enthält auch einen § 39, auf den ich noch kurz Bezug nehmen darf, in dem diese sogenannte Kodifikationsermächtigung enthalten ist, durch die deutlich zum Ausdruck kommt, wie sehr dieses Gesetz eine Vereinfachung der Mietpreisregelung herbeiführen wird. Soweit ich unterrichtet bin, Herr Jacobi — wir kommen ja dann bei dem Paragraphen 39 noch darauf —, werden durch dieses Gesetz und durch die Kodifikation, die dann erfolgen wird, nicht weniger als 17 Gesetze ersetzt werden; es werden 78 Verordnungen und einige Hundert Erlasse und Anordnungen, die auf diesem Gebiet bisher ergangen sind, außer Kraft gesetzt. Wir werden also durch § 39, der natürlich nur auf der Grundlage des ganzen Gesetzes überhaupt möglich ist, zu einer Vereinfachung unerhörten Ausmaßes kommen. Ich möchte also glauben, daß wir es bei der Regierungsvorlage belassen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Hauffe!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Will und einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Dr. Hesberg reizen mich, einige Worte zu sagen. Wenn man das so hört, glaubt man, wenn jetzt diese Geschichte beschlossen wird und wenn man vor allen Dingen nicht neue Begriffe wie den der Grundmiete einfügt, dann geht alles herrlich einfach, und der ganze Wirrwarr löst sich schön auf. Dem ist aber nicht so; denn der Entwurf der vielgepriesenen Kodifizierungsverordnung, der ja auch schon so ungefähr ein halbes Jahr besteht, enthält allein 56 Paragraphen. Wenn man wirklich alles langsam beseitigen und Jahr für Jahr Stück für Stück von dem Gesetz aufheben will, warum denn dann diese merkwürdige Überschrift „Erstes" Bundesmietengesetz? Daran sieht man doch, daß das eine zementierte Geschichte, eine Sache für die Dauer werden soll, ähnlich wie bei unserem Ersten Wohnungsbaugesetz. Die Bezeichnung ist sowieso irreführend. Man könnte nämlich daraus schließen, daß alle Fragen, die irgendwie die Miete betreffen, in diesem Gesetz geregelt sind. Aber weit gefehlt! Es ist in Wirklichkeit ein Altwohnungsmietengesetz. Wenn man es als Gegenstück zum Geschäftsraummietengesetz als Wohnraummietengesetz bezeichnet hätte, wäre es ein bißchen verständlicher. Aber es ist eine Illusion. Nachdem man schon den Weg beschritten hat, ein „Erstes Bundesmietengesetz" zu machen, hätte man es sich auch leisten können, den Begriff der Grundmiete zu verwenden und darauf ein vollkommen neues Mietrecht aufzubauen und von dem Bestehenden eines nach dem andern abzuschaffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung zu § 1. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 396 *) Ziffer 1 zu § 1 des Gesetzentwurfs zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Vorstand ist sich nicht einig; wir müssen auszählen. Ich bitte den Saal zu verlassen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 146 Abgeordnete, mit Nein 206. Damit ist der Antrag auf Umdruck 396 Ziffer 1 abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den § 1 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe auf § 2, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 2. Wer begründet? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu § 2 lediglich den Antrag gestellt, die in diesem Paragraphen vorgesehenen Fristen zu verlängern. Wir beantragen, daß der
*) Siehe Anlage 2.
Antrag, der in § 2 Abs. 1 vorgesehen ist, bis zu einem Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes oder innerhalb eines Jahres nach Abschluß eines neuen Mietverhältnisses gestellt werden kann, es sei denn, daß die Miete die nach den bisherigen Vorschriften zulässige Miete um mehr als 20 vom Hundert übersteigt. Während nach dem Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, hinsichtlich des letzten Punktes die 331/3-%-Grenze erreicht werden muß, sind wir der Auffassung, daß 20 vom Hundert bereits eine Höhe darstellen, die unter allen Umständen der Anfechtung unterliegen muß. Im übrigen halten wir die Fristen, die im Antrag des Ausschusses übereinstimmend mit der Regierungsvorlage festgelegt worden sind, nicht für glücklich und bitten Sie, unserem Änderungsantrag aus rein sachlichen Erwägungen zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Opposition ist bereits im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen Gegenstand eingehender Beratung gewesen, bei der die Mehrheit zu der Überzeugung gekommen ist, daß es unbedenklich ist, die Auflockerung in dem Maße zu betreiben, wie es von der Regierung vorgeschlagen worden ist. Der Ausschuß hat sich daher mit Mehrheit für die Fassung entschieden, die Sie in der Drucksache 1421 finden. Wir beantragen, dieser Fassung zuzustimmen, und bitten, den Antrag auf Umdruck 396 abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu § 2 und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über § 2 des Gesetzes in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 3 des Gesetzes, dazu Umdruck 396 *) Ziffer 3 und Umdruck 410 **) Ziffer 1. Beide Anträge sind gleichlautend: § 3 wird gestrichen.
Wer begründet den Antrag auf Umdruck 396? — Frau Abgeordnete Heise!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dieser § 3 in der Fassung der Vorlage stellt wohl die weitestgehende Änderung unseres bisherigen Mietpreisrechtes dar. Ich darf Ihnen dazu vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten eine Verlautbarung des Deutschen Anwaltvereins vorlesen. Der Deutsche Anwaltverein hat sich in einem Ausschuß für Miet- und Wohnungswesen mit diesem Gesetz befaßt und sagt zu § 3 folgendes:
Diese Vorschrift ist der Totengräber des Mietpreisrechts.
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
Sie ist weit davon entfernt, ein Schutz des Mieters zu sein oder gar, wie Minister Preusker behauptet hat, die wirksamste Waffe gegen den Mietpreiswucher.
Die Begründung des Bundesrats zu seinem Streichungsvorschlag ist zu billigen. Die Gegenausführungen der Bundesregierung sind rechtlich unhaltbar.
Es ist nicht so, daß schon jetzt die Möglichkeit bestehe, überhöhte Mieten zu vereinbaren und sich jederzeit auf die preisrechtliche Unzulässigkeit einer solchen Vereinbarung zu berufen. Mit diesen Ausführungen wird die gegenwärtige Rechtslage völlig verkannt. Es gibt keineswegs ein Berufungsrecht des Mieters. Wie bereits oben ausgeführt, sind Vereinbarungen, die sich über die Höchstmietgrenzen hinwegsetzen, absolut und objektiv nichtig.
Es kommt nicht darauf an, ob sich der Mieter auf die Nichtigkeit beruft. Durch die Nichtberufung wird der nichtige Teil der Vereinbarung nicht geheilt.
Soweit der Anwaltverein.
Auf Grund dieses Paragraphen wird jeder preisgebundene Wohnraum, der bis zum 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden ist, an den meistbietenden Mieter vermietet werden können. Für Wohnungen ohne moderne Ausstattung, also z. B. ohne Bad, gibt es in diesem Paragraphen allerdings eine Obergrenze von 130 % der ortsüblichen Richtsatzmiete, die nicht überschritten werden darf. Für eine Wohnung, wie wir sie heute im sozialen Wohnungsbau kennen, also eine Normalwohnung mit Bad und eventuell Zentralheizung, gibt es diese Obergrenze schon nicht mehr. Es kann also ein Mietpreis verlangt und gezahlt werden, ohne daß irgendeine Stelle einschreiten könnte. Keine Frage, daß bei der noch immer herrschenden Wohnungsnot solche Preise verlangt und gezahlt werden!
Für Wohnungen, die eine normale Ausstattung aufweisen, kann sich ein Mieter finden, der ohne weiteres dem Verlangen des Vermieters nachgibt und 4 oder 5 DM pro qm bezahlt. Damit wird aber den Kreisen,
— Herr Leukert, auch Sie hatten ja im Ausschuß Bedenken —
für die der soziale Wohnungsbau schon jetzt zu teuer ist, auch noch der Zugang zu Altwohnungen versperrt werden.
Die Folge kann nur sein, daß für die finanziell schwachen Kreise die Wohnungsnot und das Wohnungselend bleibt und daß der finanzstarke Mieter die Auswahl hat.
Dieser § 3 stellt, wie auch der Bundesrat in seiner Ablehnung bemerkt, geradezu eine Aufforderung an den Hauswirt dar, die Wohnung dem Meistbietenden zu überlassen.
Hier wird getan, als ständen sich Mieter und Vermieter mit gleichen Chancen gegenüber. Dabei feh-
len uns schätzungsweise noch 31/2 Millionen Wohnungen. Die Deutsche Pfandbriefanstalt spricht übrigens in ihrem letzten Bericht von 3,8 Millionen Wohnungen.
Nach diesem § 3 ist im Gegenteil die Ausnutzung einer Zwangslage möglich, in der sich der Wohnungsuchende noch immer befindet.
Der Bundesrat befürchtet dazu noch etwas anderes. Er sagt, es könnten sich auch finanziell schwache Mieter zum Schein auf eine Vereinbarung mit dem Vermieter einlassen, und wenn der Mieter durch die für ihn viel zu hohe Miete nachher fürsorgeberechtigt geworden ist, dann muß das Geld von der Stadtkasse bezahlt werden, um den Mieter in der Wohnung zu halten.
Nun verweist die Regierung auf die Möglichkeit für den Mieter, sich auf die Unzulässigkeit zu berufen, wenn die Miete die preisrechtlich zugelassene Miete um 10 % übersteigt. Bis zu 10 % kann er überhaupt nichts machen; da kann auch die öffentliche Stelle nicht eingreifen, wenn der Mieter etwa fürsorgeberechtigt geworden ist.
— Ja, er kann sich dadurch notleidend machen.
Innerhalb eines Jahres kann also der Mieter, wenn die preisrechtlich zulässige Miete um zwischen 10 und 331/3 % überschritten wird, ein Schreiben an den Hauswirt schicken und sagen: „Ich habe es mir anders überlegt; ich möchte jetzt die preisrechtlich zulässige Miete haben." Liegt die Grenze mit mehr als 331/3 % über der preisrechtlich zulässigen Miete — das heißt also, die Regierung hat mit Vereinbarungen gerechnet, die die preisrechtlich zulässige Miete um mehr als 331/3 % übersteigen —, dann kann er diese Miete auch nachher noch anfechten.
Hier ist die Befürchtung laut geworden — das haben wir im Ausschuß des öfteren behandelt —, daß der Skrupellose sich durch Eingehen auf eine Forderung vor anderen Bewerbern, die sich anständig verhalten, eine Wohnung sichert. Dem unfairen Mieter wird also sozusagen hier gesetzlich ein Vorteil eingeräumt vor dem fairen, dem verantwortungsbewußten Mieter.
Dieser leidige § 3 bedeutet eine weitere Verzerrung des Mietpreisgefüges und führt zu einer Erschwerung der immer noch notwendigen Wohnraumbewirtschaftung. Nur der Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt kann diese Mietpreisbindungen lösen und vereinfachen. Der Versuch, das an Hand des § 3 auf Kosten des anständigen Mieters zu tun, schließt die Gefahr ein, daß auch bestehende Mietverhältnisse unter Druck genommen werden. Stellen Sie sich vor, daß der Mieter über Ihnen und der Mieter unter Ihnen mehr zahlen; dann wird der Hauswirt natürlich immer wieder an den Mieter in der mittleren Etage herangehen und sagen: „Sehen Sie, Sie haben die gleiche Wohnung und wohnen viel billiger!", und es wird ein Druck auf den Mieter, der schon im Mietverhältnis steht, einsetzen. Es wird nicht nur so sein, daß bei der Neuvermietung der Meistbietende die Wohnung bekommt, sondern der Druck wird auch manchen Mieter, der jetzt in der Wohnung sitzt, nachgeben lassen.
Ich möchte sagen, daß der § 3 der ursprünglichen Absicht der Regierung, die Altbauwohnungen für minderbemittelte Bevölkerungskreise frei zu lassen oder frei zu machen, direkt entgegenwirkt. Er ist als der Kernpunkt des ganzen Gesetzes im Ausschuß und mehrfach auch in Besprechungen bezeichnet worden. Wir glauben, daß dieser Kernpunkt sehr schlecht ist, und wir beantragen deswegen — im Namen der sozialdemokratischen Fraktion kann ich das hier tun — die ersatzlose Streichung des § 3.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Engell. Zur Begründung?
Meine Fraktion ist nicht in der Lage, diesem Paragraphen zuzustimmen, und beantragt gleichfalls ersatzlose Streichung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Paragraph hat eine besondere Wichtigkeit. Angesichts der Zeitnot, in der wir auch durch die Haushaltsberatung stehen,
will ich mich auf verhältnismäßig kurze Ausführungen beschränken, die aber Ihren Bedenken begegnen sollen.
Erstens gilt die Regelung des § 3 nur für die Vertragspartner, nicht aber für deren Rechtsnachfolger.
Ich möchte dem vierehrlichen Redner der Opposition entgegenhalten, daß gerade die Opposition, wie wir noch zu § 13 ausführen wollen, in der Regelung in § 13 weitgehend eine freie Vereinbarung unterstellt.
Auch der Herr Kollege Jacobi hat das hier in seinen Ausführungen zu § 1 betont, und das steht auch in dem Schriftlichen Bericht, der über die Meinung der Minderheit im Ausschuß auf Seite 3 ausführt, daß die Zu- und Abschläge, die ja die Opposition gegenüber der Richtsatzmiete für entscheidend hält, in den meisten Fällen wohl frei vereinbart werden und daß nur wenige umstrittene Fälle an die Entscheidungsinstanzen kommen.
Insofern geht auch die Opposition in die Richtung einer Lockerung und einer freien Vereinbarung.
Zum Zweiten. Allzu überhöhte Mieten — das hat schon die Frau Kollegin Heise aus den Ausführungen des Anwaltsvereins unterstrichen — sind anfechtbar, so daß sich der Hausbesitzer sehr wohl überlegen wird, Überhöhtes zu fordern.
Meine Damen und Herren, Sie unterstellen bei Ihren Ausführungen sehr unkluge Hausbesitzer, die Mietern, welche Überhöhtes bieten, Gehör schenken und es dann nach einem halben Jahr zurückzahlen müssen. Ich glaube nicht, daß wir es mit so unklugen Hausbesitzern zu tun haben.
— Dann sind sie geschädigt, wenn sie diese Unklugheit begehen.
Zum Dritten — und das ist viel zuwenig unterstrichen worden — haben wir ein klares rotes Licht. Die Überhöhung der Mieten kann, auch bei freier Vereinbarung, gar nicht sehr weit gehen. Auch um der rechtlichen Klarstellung und um der Interpretation willen, die dieser Paragraph voraussetzt, muß, damit die Debatte keine falschen Meinungen zur Folge hat, unterstrichen werden, daß nach § 13, wie ihn die Mehrheit eingebaut hat, keineswegs in allen Fällen eine Miete von 1,43 DM als Höchstgrenze vorgesehen ist, sondern je nach der Ortslage zwischen 1,10 und 1,43 DM differenziert wird.
Zu den im übrigen beachtenswerten Ausführungen des Kollegen Engell möchte ich nur folgendes sagen. Der großen Zahl der Vertriebenen, der Umsiedler, der jungen Familien hat dieses Haus — und zwar ursprünglich einstimmig — zugemutet, in Neubauwohnungen mit einer Richtsatzmiete von 1,10 DM einzuziehen und dann, weitgehend durch die Praxis aller Wohnungsbauunternehmen bewiesen und auch in weitem Umfange in den Gemeinden eingeführt wie von uns später durch Gesetz bestätigt, diesen Richtsatz, von 1,10 DM bis zu einer Höhe von 1,43 DM elastisch erhöht, hinzunehmen. Man mutet das also all denen zu, die sich trotz kleiner Einkommen um eine neue Wohnung bemühen. Es ist unter diesen Umständen wohl nicht möglich, diese Dinge als sozial untragbar zu bezeichnen. Unter den hier angeführten Beschränkungen der Freiheit halten wir diesen ersten Schritt — ich betone: diesen ersten beschränkten Schritt — in die Freiheit der Miete für vertretbar und gangbar.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme zugunsten des von mir sonst sehr verehrten Herrn Kollegen D r. Czaja an, daß er über seine Ausführungen selbst nicht sehr glücklich ist; denn man merkte ihm an, daß er eine außerordentliche Verlegenheit ausstrahlte.
Denn diese Bestimmungen kann man wirklich nicht so sehen und so werten, wie der Kollege Czaja das getan hat.
Zunächst einmal kann ich nicht zugeben, daß es von wesentlicher Bedeutung ist, wenn er feststellt, daß diese Bestimmungen nur die Vertragspartner und nicht die Rechtsnachfolger binden. Der Fall der Rechtsnachfolge, Herr Kollege Dr. Czaja, ist ein Einzelfall; denn es ist ja gerade eines der Kriterien unserer Wohnungsnot, daß es kaum Wohnungswechsel geben kann, daß die Menschen gebunden und gezwungen sind, zusammen zu wohnen, und daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß dies unter Bedingungen geschieht, die einigermaßen erträglich sind und .ein Klima haben, in dem sich leben läßt. In diesem § 3 wird nun der Anreiz gegeben — das können Sie und wollen Sie doch hoffentlich nicht bestreiten —, die nun einmal in diesem Falle doch relativ stärkere Position des einen Vertragspartners auszunutzen und dem anderen anzubieten, zu einer höheren als der preisrechtlich zulässigen Miete zu akkordieren. Er tut dies im Zweifelsfall, und hinterher erfährt er — vielleicht hat er es vorher schon gewußt — daß ihm, weil ihm mehr als 10% abgefordert werden, die Möglichkeit des Einspruchs zusteht. Er beruft sich darauf. Sind das erfreuliche Dinge? Abgesehen davon, Herr Kollege Dr. Czaja, daß die Anfechtung einer ails überhöht erkannten, aber vereinbarten Miete bekanntlich sehr im Streite steht und daß wir Gerichtsentscheidungen kennen
— dann will ich Sie belehren, wenn Sie das nicht wissen —, in denen ein solches Verhalten geradezu als sittenwidrig bezeichnet worden ist. Mir liegt beispielsweise ein Urteil des Landgerichts Köln vor, bei idem so judiziert worden ist: Dem Verlangen des Mieters, der, um in den Besitz einer Wohnung zu kommen, zunächst einmal eine Miete vertraglich vereinbarte, von der ihm bekannt war, daß sie die zulässige Stoppmiete überschritt, ist nicht stattgegeben worden, als er den Antrag stellte, die Vereinbarung als sittenwidrig und den Gesetzen widersprechend aufzuheben. Das Landgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, daß es sich hier um ein arglistiges Verhalten des Mieters gehandelt habe, der selbst bewußt eine angeblich preiswidrige Mietvereinbarung eingegangen sei und erfüllt habe, um sich nach Erlangung der Wohnung auf den Preisverstoß zu berufen. Das widerspreche so offensichtlich dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, daß er auch nicht durch einen etwaigen Hinweis der Preisbehörde sein Handeln als sittlich berechtigt ansehen könnte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist da für ein Unterschied in der moralischen Bewertung der Fakten?! Hier reizt der Gesetzgeber dazu an, den Versuch zu machen, über die preisrechtlich zulässige Miete hinaus eine Vereinbarung zu treffen, und mit einem Augenzwinkern sagt er: Wenn es dir gar zu toll vorkommt, dann kannst du dich aber dagegen wehren. Ich kann nicht zugeben, daß das eine vertretbare Gesetzgebung ist. Hier verstößt der Gesetzgeber selbst gegen Treu und Glauben und gegen Sitte und Moral.
Den kritischen, sachlich begründeten Bemerkungen etwa des Bundesrats oder des Deutschen Anwaltsvereins ist kein Wort mehr hinzuzufügen. &e selbst, meine Damen und Herren, fühlen sich nicht sehr glücklich in der Rolle der Verteidiger, und wir haben uns deshalb — angesichts der Bedeutung dieser Bestimmung, die in der Tat das Kernstück dieses Gesetzes darstellt, weil sie wahrscheinlich dazu führen wird, daß wir keine gebundenen Mieten, sondern im Regelfall die sogenannten frei vereinbarten Mieten haben werden — entschlossen, den Antrag zu stellen, über unseren Streichungsantrag durch namentliche Abstimmung zu entscheiden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Haus den § 1 des Gesetzes angenommen hat, wird es wahrscheinlich nun munter weiter sündigen müssen bis zur letzten Bestimmung. Wir haben im § 1 tatsächlich einen illegalen Zustand, der jahrelang, in der Öffentlichkeit halb geduldet, halb angegriffen, bestanden hat, jetzt mit einem Strich legalisiert, und nun wollen wir im § 3 — was Herr Jacobi sagt, ist goldrichtig — geradezu anreizen zu Vereinbarungen, .die über die preisrechtlich in diesem Gesetz festgelegte Miete hinausgehen. Meine Damen und Herren, ich habe manchmal den Eindruck, als ob wir uns hier rein theoretisch unterhalten und als ob dieser oder jener, der das Wort nimmt, die rauhe, grausame Wirklichkeit draußen einfach nicht kennt oder einfach nicht sehen will!
Ich habe mich wirklich gewundert, lieber Herr Kollege Czaja, daß Ihnen von der Situation der Wohnungsbewirtschaftung offenbar nichts bekannt ist.
Das Auswahlrecht des Hausbesitzers ist doch heute weitestgehend festgelegt. Bitte, ich will gegen den Grundsatz nichts sagen. Aber wenn Sie jetzt in diesem Gesetz zusätzlich die Möglichkeit schaffen, über die preisrechtlich gebundene Miete hinauszugehen, und dazu geradezu anreizen, dann scheint ja doch die Absicht des Gesetzgebers zu sein, nicht nur hier ein Ventil zu schaffen, sondern geradezu einen Weg zu öffnen. Wenn Sie das nun noch hinzunehmen, dann brauchen Sie gar nicht zu sagen: „Es ist kein kluger oder unkluger oder törichter Hausbesitzer", dann ist es selbstverständlich, daß jede vom Gesetzgeber gegebene Möglichkeit ausgenutzt und die nur denkbar höchste Miete gefordert wird. Wer bleibt dann am Wege, lieber Herr Czaja? Einmal der Kreis, für den, wie ich hoffe, Sie sich genau so einzusetzen bemühen wie ich; aber es bleibt auch übrig die große Zahl der kinderreichen Familien. Ich glaube, Herr Familienminister, Sie sollten einmal hier jetzt zu diesen Dingen etwas sagen!
Es hat doch keinen Zweck, daß wir wundervolle
Demonstrationen veranstalten, daß wir uns hier
mehrfach einmütig dazu bekannt haben, der kinderreichen Familie zu helfen. Und hier wird — —
— Entschuldigen Sie mal, das ist kein Mißbrauch! Sie können mir doch nicht im Ernst bestreiten, daß eine kinderreiche Familie weniger in der Lage ist, eine höhere Miete zu zahlen, als eine Familie, die keine Kinder hat!
— Daß Sie an manchen Stellen darauf Rücksicht nehmen, ist ja klar; aber, verehrter Herr Lücke, ich spreche jetzt zu § 3 und habe lediglich die Behauptung aufgestellt — die doch ernstlich wohl nicht bestritten werden kann —: wenn Sie hier eine Konkurrenz unter den Wohnungsuchenden eröffnen und dem Hausbesitzer die Möglichkeit geben, die Wohnung dem zu geben, der am meisten bietet, dann kommen doch die sozial Schwachen schlechter weg. Das ist doch ernstlich nicht zu bestreiten!
— Also bitte, wir werden ja zu der Bestimmung kommen! Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, mir und dem Hause noch zu erklären, inwieweit Sie glauben, daß durch irgendeine Sicherungsbestimmung in dem Gesetz die Befürchtung, die ich gerade für die kinderreichen Familien hege, ausgeräumt worden ist.
Aber ich darf noch eines sagen, Herr Czaja! Auch das kann man allerdings nur sagen, wenn man die Wirklichkeit kennt.
— Also los, bitte, antworten Sie! Antworten Sie mir, Herr Czaja, auf meine jetzige Frage! Es wird Ihnen doch bekannt sein, daß im sozialen Wohnungsbau gerade Vertriebene gar nicht in der Lage waren, Wohnungen, die für sie mit Mitteln des Bundes gebaut wurden, in Anspruch zu nehmen, weil die Miete zu hoch war, und daß dann in ganz verständiger Regelung die freigewordenen Altwohnungen von diesen schwachen Kreisen als Ersatz dafür bezogen wurden. Das haben wir alle gebilligt, und das ist nun jahrelang so gemacht worden.
— Zu dem Thema kommen wir noch! Wenn Sie das „Mietbeihilfen durchgesetzt" nennen, Herr Czaja, — das ist trostlos!
— Ach, entschuldigen Sie mal! Wir können uns ja hier unterhalten. Sie wollten ja die Dinge hier im Plenum behandeln, die nach meiner Meinung noch gar nicht richtig spruchreif sind. — Ich wollte Sie nun nur darauf hinweisen, daß gerade auch die Vertriebenen, die sozial Schwachen, die Unterhaltshilfeempfänger und was in unseren Kreisen noch vorhanden ist, jahrelang jetzt in Altwohnungen gesteckt worden sind, weil man sagte: „Die teure Wohnung kannst du nicht bezahlen" — die
konnte er auch nicht bezahlen —, und der Wohnungsinhaber aus der Altwohnung ist in den sozialen Wohnungsbau hineingekommen. Und jetzt wollen Sie die Mieten dieser Altwohnungen nicht nur um 10% erhöhen — darüber ließe wahrscheinlich jeder in diesem Hause mit sich reden, wenn das Ihr eigentliches Anliegen gewesen wäre; da wäre wahrscheinlich keine große Debatte notwendig gewesen —, aber jetzt eröffnen Sie im § 3 die Möglichkeit, nun noch durch freie Vereinbarungen eine höhere Miete festzusetzen. Es wurde sehr richtig geschildert: eine Etage über und eine Etage unter dem armen Mann wird eine höhere Miete frei vereinbart, und er selber kann natürlich auf die Dauer dem Druck gar nicht widerstehen.
Der Grundfehler in der Konstruktion des § 3 scheint mir in folgendem zu liegen. Es ist eben nicht möglich, Grundsätze der freien Marktwirtschaft auf einem Gebiete anzuwenden, wo zwischen Angebot und Nachfrage eine solch entsetzlich große Lücke auch heute noch klafft.
Wir wären genau so froh wie Sie, wenn wir bereits so weit wären, daß wir das machen könnten.
— Der ist doch leider so furchtbar spät gekommen! Vielleicht hätte ich es dann auch begriffen, vielleicht hätte ich Sie hier nicht zu inkommodieren brauchen, wenn ich die nötige Zeit dazu gehabt hätte. Aber es war wirklich nicht möglich; ich habe den Bericht erst gestern, ein Teil hat ihn sogar erst heute bekommen. Aber bitte, Herr Lücke, ich wäre Ihnen sehr dankbar! Es sind nicht Worte, die ich nach draußen rede, sondern darin kommen ernste Besorgnisse zum Ausdruck. Vielleicht sind Sie in der Lage, diese Besorgnisse zu zerstreuen. Ich bitte Sie herzlich darum! Wir können die Dinge hier nicht so durchpeitschen. Diese zehn Minuten werden Sie doch noch zugeben. Bitte, sagen Sie mir, wie Sie das meinen.
Also: der Grundsatz, den man hier durchzusetzen versucht — der als großes politisches Ziel auch meine Billigung findet —, soll in einem Zeitpunkt und mit Mitteln angewendet werden, die am Ende nur eine ganz böse Verwirrung zu Lasten von Schichten, die sich nicht allein helfen können, auslösen werden. Deshalb bitten wir, der Streichung des Paragraphen zuzustimmen.
Auch meine Fraktion bittet, weil uns dies eine Kernfrage der ganzen Neuregelung zu sein scheint, um namentliche Abstimmung.
Vizepräsident Dr. Schneider: Das Wort hat der Herr Bundeswohnungsbauminister.
Meine Damen und Herren! Daß der § 3 dieses Gesetzes mit die heftigsten Auseinandersetzungen auslösen würde, haben wir bereits bei der ersten Lesung in diesem Hause festgestellt. Das hat sich auch in den Ausschüssen und der Debatte der Öffentlichkeit fortgesetzt. Ich möchte mich trotzdem bemühen, die Dinge so nüchtern und wirklichkeitsgemäß wie nur irgend möglich darzustellen.
Der Herr Kollege Gille und der Herr Kollege Jacobi haben davon gesprochen, man solle sich doch eimal die gegenwärtige rauhe Wirklichkeit ansehen. Gerade darum geht es nämlich. Herr Kollege Gille, im Augenblick werden etwa 80 % aller Wohnungswechsel — und deren Zahl ist, Gott sei Dank, dauernd im Steigen, weil wir in der Wohnungsbauleistung immer wieder weitere Fortschritte gemacht haben — im Wege der Benutzungsgenehmigung durchgeführt. Das heißt — und nun wollen wir uns mit den Dingen beschäftigen, wie sie im Leben sind —, der von den Hausbesitzern Vorgeschlagene bekommt die Wohnung. Ja, glauben Sie denn im Ernst, daß Menschen überfordert werden können, indem sie sich unter sämtlichen Leuten, die sich bei ihnen um eine Wohnung bemühen, immer den Ärmsten oder den Kinderreichsten oder möglichst noch einen, der Trompete bläst, heraussuchen werden?! Vielmehr werden sie sich doch natürlich einen heraussuchen, der ihnen irgendwie die Gewähr bietet, zahlungskräftig zu sein.
— Gut, ich freue mich, daß Sie mir in diesem Punkt zustimmen. Dann sind wir im Ausgangspunkt einig.
— Richtig, Herr Schoettle,
und dem begegnet die Bundesregierung nun erstmals mit der Rechtsvorschrift des § 3. Das ist der entscheidende Punkt.
— Wieso? Gut, dann muß ich noch einmal die ganzen Dinge anführen, obwohl sie in der ersten Lesung, in den Ausschußberatungen in dien letzten Wochen — —
— Lieber Herr Kollege Haasler, wir haben uns soeben darüber geeinigt, daß die Kinderreichen gegenwärtig nicht gerade die größten Chancen haben, zu Wohnungen zu kommen. Auch die Ärmsten haben sie nicht. Die rauhe, grausame Wirklichkeit — ich greife den Ausdruck des Herrn Gille noch einmal auf — sieht eben so aus, daß, wie es nun einmal in jeder Mangelsituation gewesen ist, derjenige, der weniger unangenehm, der zahlungskräftiger erscheint, von vornherein etwas größere Chancen besitzt.
— Ich denke ja gar nicht daran, sondern ich will verhindern, daß es weiterhin prämiiert bleibt.
— Ob es ein taugliches oder ein untaugliches Mittel ist, darüber läßt sich durchaus diskutieren. Wir haben versucht, es so tauglich wie irgend möglich
zu gestalten. Im Augenblick gibt es eben gar kein Mittel gegen die Unmoral, die der Herr Kollege Jacobi geschildert hat, daß ein Mieter, der es sich gar nicht leisten kann, zunächst eine Vereinbarung über einen Mietpreis von meinetwegen bis zu 200 % der preisrechtlich an und für sich zulässigen Miete trifft. Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann dieser Mieter nach drei, nach vier, nach fünf Jahren kommen und sagen: Diese Vereinbarung war preisrechtlich unzulässig, ich berufe mich auf die preisrechtlich zulässige Miete. — Wir haben bereits Urteile, die allerdings schwanken. Sie haben ein Urteil verlesen, in dem gesagt wurde: Wenn du von vornherein wider Treu und Glauben verstößt, dann kommt das natürlich nicht in Betracht . — Ich glaube, daß die Rechtsprechung den Grundsatz von Treu und Glauben, der ein Grundsatz unseres allgemeinen bürgerlichen Rechts ist, wieder stark in den Vordergrund rücken muß. Aber bis jetzt ist, wenn man von absolut dolosen Fällen absieht, die Möglichkeit gegeben, unbeschränkt — auch unbeschränkt in der Zeit — später diese Fragen wiederaufzugreifen.
Nun soll folgendes geschehen. Erstens soll für alle einfachen Normalwohnungen im Altbestand als Obergrenze, über die hinaus jede Vereinbarung völlig ungültig ist, die Obergrenze der Richtsatzmieten plus örtlich zugelassenen Zuschlägen des Sozialen Wohnungsbaus fixiert werden. Das hat es bis jetzt nicht gegeben, und da's ist eine zusätzliche Sicherung zugunsten der Mieter, die dieses Gesetz versucht.
Zum zweiten: Das alte Reichsmietengesetz, das lange genug in der gleichen Weise gegolten hat, wird mit einer wesentlichen Einschränkung der vertraglichen Möglichkeiten wiederhergestellt, indem gesagt wird: Gut, wer einen Mietpreis — der bei den normalen Wohnungen ja in seiner Höhe durch ,die Richtsatzmieten begrenzt ist — frei vereinbart, der die preisrechtlich zulässige Miete um mehr als 10 % bis zu 331/3 % übersteigt, hat innerhalb eines Jahres die Möglichkeit, sich auf die preisrechtlich zulässige Miete zu berufen. Diese Möglichkeit hat er doch, ohne daß dabei jemand einen Druck auf ihn ausüben kann; denn die Mieterschutzbestimmungen bleiben in vollem Umfang erhalten. Und wenn es — immer wieder innerhalb dieser 1,10- bis 1,43-DM-Grenze für .die 4 Millionen Normalwohnungen, die hier betroffen sind — über 331/3% hinausgehen sollte, dann bleibt dem Mieter nach der gegenwärtigen Fassung des § 3 unbeschränkt die Möglichkeit der Berufung auf die preisrechtlich zulässige Miete. Danach wird es keine Vermieter geben, die sich noch dem Risiko aussetzen, Mieten zu vereinbaren, bei denen sie jederzeit mit der Rückforderung rechnen können. Als zusätzliche Sicherung haben wir ja auch noch § 30 in das Gesetz eingebaut, der den Rückforderungsanspruch des Mieters gesetzlich vollkommen eindeutig fixiert.
Wir haben sogar den Einwendungen des Anwaltsvereins — die Frau Kollegin Heise hat ja diese Dinge zu Beginn hier zitiert — durch Einfügung der Absätze 5 und 6 in dem § 3 Rechnung getragen. Wir haben in Abs. 5 die zivilrechtlichen Konsequenzen entsprechend dem Petitum des Anwaltsvereins berücksichtigt und im Abs. 6 dafür gesorgt, daß die Rechte des Mieters auf Rückforderung, auf Berufung unverzichtbar und unabdingbar sind. Sie können also durch keinerlei vertragliche Vereinbarungen ausgeschaltet werden.
Wenn Sie diese Sicherungen betrachten, müssen Sie doch feststellen, daß die Lage gegenüber der „grausamen und harten Wirklichkeit", die wir zur Zeit haben, eine wesentliche Verbesserung zugunsten der Mieter erfährt. Die Maßnahmen werden sicher wirksamer werden, als es in der Vergangenheit der Fall war. Ich glaube, das wird kaum jemand ernsthaft bestreiten können. Denn daß bei einer fortlaufenden Schließung der Lücke des Wohnungsbestandes die Verhältnisse sich nicht verschärfen, sondern sich allmählich entspannen, das ist eine Entwicklung, die bisher mit jeder Beseitigung von Lücken — ob das beim Treibstoff, ob das bei der Kohle war — einhergegangen ist.
Sie haben gesagt, Herr Kollege Gille, es sei doch nicht möglich, die Grundsätze der freien Marktwirtschaft auf Gebieten anzuwenden, wohin sie nicht paßten. Ich glaube, daß man dazu einiges sagen muß. Solange, wie Sie nicht versuchen, gleich auf welchen Gebieten — und wir haben doch nun in der Bundesrepublik genügend Erfahrungen —, die Grundsätze der freien Marktwirtschaft oder, ich möchte mal sagen, einer sozial verantwortlichen Marktwirtschaft auf irgendein Gebiet anzuwenden, auf dem Mangel herrscht, solange werden Sie es überhaupt nicht schaffen, diesen Mangel zu beheben. Nehmen Sie doch einmal den Wohnungsbau selbst! Solange, wie allein der Staat mit seinen Mitteln auf diesem Gebiet tätig war, zu Beginn des Wiederaufbaus, da kamen wir nicht über die 200- bis 250 000 Wohnungen hinaus. Nachdem wir jetzt die private Initiative, die private Sparkraft immer stärker in den Vordergrund haben rücken können durch Auflockerung der Bestimmungen, sind wir auf 541 000 Wohnungen im letzten Jahr und 518 000 Wohnungen im Jahre 1953 gekommen. Erst mit Hilfe dieser zusätzlichen Möglichkeiten haben wir dem Ziel der endgültigen Überwindung der Wohnungsnot näherkommen können.
Ich darf Ihnen einmal ein ganz aktuelles Beispiel nennen. Wir haben in den letzten Jahren, als wir zu Beginn des Baujahrs dauernd vor der einen Frage standen: Mangel an ersten Hypotheken — wie werden wir den Wohnungsbau finanzieren können?, mit allen möglichen staatlichen Lenkungs-, Bewirtschaftungs- und Förderungsmaßnahmen am Kapitalmarkt versucht, diese ersten Hypotheken heranzulocken, mit dem Sozialpfandbrief, dem 5%igen, steuerfreien Papier, das in der Emission einen absoluten Vorzug vor den anderen Werten hatte. Wir haben den Mut gehabt, zum 1. Januar dieses Jahres den Sozialpfandbrief und mit ihm die emissionsdirigistischen Maßnahmen über Bord zu werfen. Lesen Sie einmal nach, was selbst führende Kapitalmarkt- und Wohnungswirtschaftsexperten schwarz auf weiß vorausgesagt haben, was für Zinssätze es danach für erste Hypotheken geben würde. Die Mindestschätzungen lagen bei 8 bis 9 %, und die größte Dichte der Schätzungen zwischen 10 und 12 %.
Jetzt haben wir den Kapitalmarkt der Marktwirtschaft unterstellt. Im Augenblick gibt es nicht mehr einen Mangel an Hypotheken, sondern jetzt gibt es bereits einen Mangel an Pfandbriefen. Heute sind bereits die ersten 51/2%igen Pfandbriefemissionen zu Auszahlungskursen für den Schuldner genehmigt worden, die höher liegen als zu der
Zeit, zu der ich mein Amt antrat, wo die 5%igen steuerfreien Pfandbriefe mit Schwarz- und Graumarktkoppelung mit 83 bis 85 % ausgezahlt wurden. Ich glaube, wenn das nun innerhalb einer kurzen Zeit ein erneuter Beweis zugunsten der Marktwirtschaft ist, dann dürfte es wohl auch und das ist natürlich eine Grundsatzentscheidung — der richtige Weg sein, nun die ersten bescheidenen Ansätze einer Auflockerung, einer freivertraglichen Vereinbarung zu machen, die sich natürlich nur darauf stützt, daß zugleich alles unternommen wird, um den Wohnungsneubau voranzutreiben und zu fördern. Ohne das würde die Regierung es nie gewagt haben, Ihnen diesen Vorschlag zu machen.
Dann das Problem der kinderreichen Familien, das von Ihnen so besonders in den Vordergrund gestellt worden ist und das auch die Bundesregierung in besonderem Maße von Anbeginn an bewegt. In unserem Wohnungsbau- und Familienheimgesetz sind zusätzliche Familienzusatzdarlehen vorgesehen, die der Ausschuß inzwischen von 750 DM der Regierungsvorlage, denen auch der Bundesrat zugestimmt hatte, auf 1000 DM ab dem 3. Kind erhöht hat, damit diese kinderreichen Familien auch wirklich zu Wohnungen kommen. Denn wir können die Situation, die grausame Wirklichkeit, nun einmal nicht mit irgendwelchen Wunschvorstellungen und letzten Endes auch nicht mit einer besonderen Polizeieinrichtung aus der Welt schaffen. Wir schaffen sie eben nur aus der Welt, indem wir in ganz erheblichem Maße eine zusätzliche Förderung gerade zugunsten der kinderreichen Familien vorsehen.
Dann noch ein Weiteres. Warum sind denn in vielen Fällen die Dinge so verkrampft? Weil diejenigen, die das Glück haben, zusätzlich dazu, daß ihnen das Schicksal die Vertreibung aus der Heimat oder die Ausbombung erspart hat, daß sie noch alle ihre ganzen Möbel, Wäsche und alles besitzen, in einer Wohnung mit 50 oder 60 Pfennig pro Quadratmeter wohnen, auf der ,anderen Seite — das wissen Sie selbst — von den Mietern in den sozialen Neubauwohnungen über 45 % Heimatvertriebene, über 20 % Kriegssachgeschädigte und Bombengeschädigte sind, die allesamt bereits die Mieten zwischen 1,10 DM und 1,43 DM zahlen.
Sie sitzen zum Teil mit mehreren Kindern in Kleinwohnungen, Drei- höchstens Vierraumwohnungen des Sozialen Wohnungsbaus, weil wir es noch nicht anders vermocht haben. Auf der anderen Seite nur ein statistisches Beispiel aus Berlin, das ich im Augenblick gerade im Kopf habe. Dort wohnen allein etwas über 100 000 Einzelpersonen, Hauptmieter, in Wohnungen mit drei und mehr Räumen.
Es ist doch dringend notwendig, daß es auch hier langsam wieder zu einer Fluktuation kommt, daß sich die Dinge untereinander ausgleichen können. Die Chancen dazu wachsen doch auch in dem Maße, in dem die Wohnungsbautätigkeit fortschreitet, idle Auflockerung der Mangellage möglich ist.
Ich glaube, daß das, was an Sicherungen überhaupt gegen Mißbräuche, gegen soziale Überforderung überhaupt möglich war, hier eingebaut werden konnte. Wenn man schon diese absolut gleiche Obergrenze von 1,10 DM bis 1,43 DM je nach den örtlichen Gegebenheiten auch im Rahmen des § 3 wie für den sozialen Wohnungsneubau vorsieht, dann sind doch hier völlig gleiche zumutbare Verhältnisse geschaffen. Ihre Anklagen, wenn ich so sagen soll, richten sich doch dann höchstens noch dagegen, daß selbst diese Sätze, die wir mit diesen jährlich über 21/2 Milliarden DM öffentlichen Förderungsmitteln für den sozialen Wohnungsneubau erreicht haben, für einen erheblichen Teil unserer einkommensschwachen Bevölkerung noch zu hoch sind. Gerade deshalb, und weil das neue Wohnungsbau- und Familienheimgesetz mit seinem besonderen Schwergewicht zugunsten der sozial Schwachen auch im Neubau noch weitere Verbilligungen herbeiführen will, ist in dieses Gesetz das Instrument der Mietbeihilfen im Rahmen des Möglichen eingebaut worden. Auch wenn Sie es als unzureichend bezeichnen, ist es doch immerhin ein Versuch, zusätzliche Hilfe zu schaffen.
Ich glaube, Sie sollten bedenken, um was es jetzt geht und welche Weichen gestellt werden sollten, damit wir in Kürze das Gespenst der Wohnungsnot und des Wohnungselends überwinden. Zu diesem Zweck muß man die Fragen im Bereich der Wohnungspolitik und Wohnungswirtschaft mit den Gesetzen anpacken, die geeignet sind, das Wohnungsproblem .am besten zu lösen. Die sozialpolitischen Aufgaben können Sie doch nicht zu Lasten des Wohnungsbaus lösen wollen. Wenn Sie das ausschließlich versuchten, würden Sie nur erleben, daß wir uns auf beiden Gebieten festfahren. Ich glaube, die Bundesregierung hat in den vergangenen fünfeinhalb oder sechs Jahren bewiesen, daß sie auf jedem der beiden Gebiete Fortschritte erzielt hat, so daß sie auch hier das Vertrauen der Mehrheit dieses Hauses beanspruchen darf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Tenor der Reden des Herrn Kollegen Dr. Czaja und des Herrn Bundeswohnungsbauministers ist der unbefangene Zuhörer des Glaubens, daß die Auffanggrenze für Mieterhöhungen die Richtsätze des sozialen Wohnungsbaus seien. Vor allen Dingen kommt der unbefangene Zuhörer zu der Meinung, daß der Mieter für die Miete, die im sozialen Wohnungsbau auf Grund der Richtsätze ortsüblich ist, eine Wohnung in derselben Ausstattung wie im sozialen Wohnungsbau bekommt. Aber weit gefehlt! Wenn das der Fall wäre, dann wären wir uns in der Grundauffassung ein schönes Stückchen näher gekommen.
Was bedeutet denn der Plafond von 130 % der Richtsatzmiete? Der Plafond gilt doch bloß für Wohnungen, die schlechter sind als die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, denn nicht einbegriffen ist die Wohnung nach § 6 Abs. 1, d. h. die Wohnung mit Wohnungsabschluß und Bad, wie sie bei 130 % der Richtsatzmiete üblich ist. Also, es sind Wohnungen, die zwar besser sind als die Bruchbuden, aber die Ausstattungsmerkmale des sozialen Wohnungsbaus bei 130 % der Richtsatzmiete nicht erreichen; und das ist das Kriterium.
— Wenn Sie das wollen, meine Damen und Herren, können Sie nachher wenigstens einem unserer Anträge zustimmen, nämlich dem Antrag, die Wohnungen des § 6 Abs. 1 in den Plafond einzubeziehen. Ob Sie diese Absicht haben, wird sich zeigen, wenn wir in der Diskussion zu diesem Punkt kommen. Während der Ausschußberatungen jedenfalls haben Sie es laufend abgelehnt. Das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden; denn hier liegt nun das Kriterium.
Es wird gesagt, wir bessern den augenblicklichen Zustand, wenn wir diese Ausweitung gesetzlich vornehmen. Wir bessern durch die Ausweitung gar nichts daran. Vom Mieterstandpunkt aus gesehen — der Hausbesitzerstandpunkt ist etwas ganz anderes —, ist es so, daß der Mieter, wenn er Courage zum Einspruch hat, damit augenblicklich mehr erreichen kann als nach diesem Gesetz, zum Teil ungerechtfertigt erreichen kann. Denn das gebe ich zu und das sage ich in aller Öffentlichkeit: wenn ein gutverdienender Mieter eine Stoppmiete hat, die in keinem Verhältnis zu den Ausstattungsmerkmalen und dem Wert der Wohnung steht, dann soll man das auch nicht zementieren.
Aber wenn man eine gewisse Lockerung eintreten läßt, so bringen all die Dinge auf der anderen Seite wieder Härten mit sich, die wir nachher bei der Mietbeihilfe klären müssen. Dort werden wir dann sehen, wie die Dinge laufen, ob man eventuell von dem Mieter oder vom Hausbesitzer verlangt, sich an der von Herrn Storch noch nicht eingebrachten Sozialreform zu beteiligen und die Zeche im voraus zu zahlen.
Das ist nämlich die Frage, die wir nachher diskutieren müssen. Aber wir wollen doch die Sache so im Raum stehen lassen, wie sie ist.
Nun wird gesagt: Es ist nicht so, oder, es ist nicht so gefährlich. Tatsache ist folgendes. Der § 3 legalisiert eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Miete bis zu 10 % ohne Einspruchsrecht. Er legalisiert, wenn der Mieter innerhalb eines Jahres nicht den Mut hat, Einspruch einzulegen, Überschreitungen des Preisrechtes bis zur Höhe von 331/3 %
— das tut er! —, wenn die Wohnung so miserabel ist, daß sie nicht an die Ausstattungsmerkmale des Sozialen Wohnungsbaues heranreicht. Nicht legalisiert wird lediglich eine Überschreitung der Preisvorschrift, die noch über 331/3 % hinausgeht.
Das ist nackte Tatsache, das läßt sich nicht wegtheoretisieren.
— Wir sind bei § 3, Herr Kollege Czaja.
— Die Obergrenze von 130 %? Jawohl, bei den Wohnungen, die so miserabel sind, daß sie gerade nicht unter den Begriff der Bruchbude fallen. Herr Kollege Dr. Czaja, wenn Sie noch so sehr lachen, Sie haben nachher die Möglichkeit, hier einen anderen Standpunkt einzunehmen, indem Sie auch die Wohnungen des § 6 Abs. 1 unter Ihren Plafond fallen lassen. Dann sind wir uns auch schon
wieder ein Stückchen näher. Aber vorläufig ist es so, daß der Plafond bloß für die Wohnungen gilt — ich wiederhole es —, die schlechter als der Soziale Wohnungsbau, aber besser als die Bruchbude sind. Ich glaube, es ist plastisch genug ausgedrückt. Deswegen können wir dem § 3 in der augenblicklichen Formulierung nicht zustimmen.
Das hat auch gar nichts mit marktwirtschaftlichen Tendenzen zu tun; denn wir haben keinen Markt auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft. Wenn wir den Markt hätten, dann ließe sich über diese Konzeption reden, dann könnte nämlich derjenige Mieter, dem die Wohnung nicht gut genug ist, sagen: Für diesen Wucherpreis vermieten Sie an jemand anders. Das Kriterium in der ganzen Angelegenheit ist doch, daß so lange, wie der Markt nicht da ist, keine echte Auswahlmöglichkeit besteht.
Wir müssen deshalb versuchen, Mieter und Hausbesitzer auf andere Art und Weise zu helfen. Wir werden bei der Beratung unseres letzten Änderungsantrags ja sehen, ob Sie bereit sind, auf dem Wege mitzugehen, auf dem wir eine echte Hilfe für den notleidenden Hausbesitz suchen. Aber bei dieser Konzeption des § 3, Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen Stück für Stück zu legalisieren, können wir nicht mitgehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich die Absicht, für die Freie Demokratische Partei zu erklären, daß wir uns nach den Ausführungen des Herrn Ministers für Wohnungsbau einer weiteren Stellungnahme enthalten können und den Antrag der SPD ablehnen werden. Inzwischen sind aber nun eine Reihe von Behauptungen aufgestellt worden, die es mir doch angezeigt erscheinen lassen, einige Bemerkungen zusätzlicher Art dazu zu machen.
Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß dieser § 3, um den es jetzt geht, keineswegs zur Folge haben wind, daß nun in den Häusern mit Altwohnungen etwa grundsätzlich alle Mieten neu vereinbart wenden.
Wir wissen doch, daß die Mieterschutzbestimmungen bestehenbleiben. Es ist doch also einfach nicht richtig, wenn gesagt wird: Weil für die Wohnung im ersten oder im zweiten Stock eine neue Vereinbarung getroffen wird, muß nun auch für den vierten Stock eine neue Vereinbarung erfolgen.
— Aber bitte, es Ist keineswegs so, daß auch da irgendeine neue Vereinbarung getroffen werden muß ! Das kann immer nur im Wege des wechselseitigen Einverständnisses geschehen. Darüber müssen wir uns doch klar sein, Herr Kollege Jacobi! Sonst wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als ob die Eigentümer der alten Häuser nun in der Lage seien, sämtlichen Mietern von sich aus Mietpreissteigerungen aufzunötigen. Das ist nicht der Fall, soweit natürlich nicht die in diesem Gesetz vorgesehenen allgemeinen Mietzuschläge in Frage kommen.
Herr Kollege Hauffe hat nun vorhin gesagt: Wir wollen den Hauseigentümern anders helfen, wir wollen ihnen nämlich Darlehen geben. Zu diesem Antrag der SPD werden wir später noch Stellung nehmen. Wir wollen das allerdings nicht. Wir wollen nicht das Hauseigentum neu verschulden, wie Sie das wollen, sondern wir wollen es entschulden, indem wir die Voraussetzungen dafür schaffen, daß, wenn schon nicht die Kapitalverzinsung, so doch wenigstens die Bewirtschaftungskosten gesichert werden, was bisher auch nicht der Fall ist.
Natürlich ist auch beabsichtigt, die Zwangswirtschaft, die wir sowie in )der Landwirtschaft nur noch im Wohnungswesen haben, etwas aufzulockern. Dazu soll dieser § 3 in etwa, aber auch nur in sehr vorsichtiger Weise dienen.
Da also diese neuen Mietvereinbarungen nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen können, werden wir dem § 3 in der hier vorliegenden Fassung zustimmen. Wir bitten deshalb, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat recht gehabt, als er eingangs erklärte, um den § 3 werde hier ein heftiger Streit entbrennen. In dem Bericht, der Ihnen heute vorliegt, kommt das auch zum Ausdruck. Als Mitglied des Ausschusses ist mir dieser Bericht zunächst vervielfältigt, abgezogen zugestellt warden. Aber auch in dem gedruckten Bericht kommt zum Ausdruck, für wie gewichtig man gerade den § 3 ansieht. In diesem Bericht heißt es:
Von besonderer Bedeutung ist die durch § 3 geschaffene Möglichkeit, Mieten frei zu vereinbaren, solange sich der Mieter nicht auf die zulässige Miete beruft.
Es heißt dann dort weiter:
Diese Vorschrift schafft im Rahmen des zur Zeit Vertretbaren den Übergang zu einer allmählichen Auflockerung, ohne die Rechte der Mieter in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen.
- Ich kenne Ihre Marke nicht genau; aber ich
kann mir vorstellen, daß es nicht eine von 1894 ist. Die Wohnungen aus dem Jahre 1894 jedoch werden ungehemmt immer wieder als die Normalwohnungen bezeichnet, obwohl sie weder in ihrem Zuschnitt noch in ihrer Wohnlichkeit der heutigen Wohnsituation und den Wohnanforderungen entsprechen, die wir stellen müssen.
Sie haben dann noch gesagt, daß Sie erstaunt waren, daß in Berlin hunderttausend Mieter Einzelmieter sind, also allein wohnen, oder vielmehr einzeln — wie nannten Sie es?
— Ja, Sie nannten es „Hauptmieter" —, die in einer Wohnung wohnen, in der drei und mehr Räume vorhanden sind. Nun gut, wir bemühen uns in Berlin seit langem, diese Hauptmieter herauszubekommen und in Wohnungen, die sie bezahlen können, umzusiedeln. Aber, Herr Dr. Will, es geht uns leider -noch immer so, daß wir uns vergebens bemühen, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau freizubekommen, der mit gesenkten Mieten gerade für diesen Mieterkreis gedacht ist. Ich glaube, es ist richtig, wenn Sie uns in Zukunft in Berlin darin unterstützen werden.
Ich möchte noch eines sagen, Herr Minister — ich habe es schon in der ersten Lesung hier gesagt —: Wir haben 365 000 alleinstehende Frauen in Berlin. Das sind diese Hauptmieter. Das sind die Frauen, die nach dem Kriege allein übriggeblieben sind, die heute von einer Rente leben — Sie nennen im Bulletin im Durchschnitt 65,50 DM; der Bundesdurchschnitt der Renten gilt ja auch für Berlin —, die von dieser Rente leben — ich möchte sagen: vegetieren! —und nun versuchen, durch Abvermieten sich am Leben zu erhalten. Das ist kein begrüßenswerter Zustand; aber ob wir das Problem damit lösen, daß wir diese Frauen auch noch unter Druck setzen, nämlich unter Druck des Hauswirts, der natürlich lieber einen Neuabschluß mit einem zahlungskräftigeren Mieter machen möchte, das möchte ich doch sehr bezweifeln.
Das Wort hat Herr Bundesminister Preusker.
Gestatten Sie mir nur ein paar Worte noch. Ich habe mir inzwischen einmal die Zahlen geben lassen, die sich ausschließlich auf die Wohnungsvergaben im Altwohnraum beziehen; und die sind doch immerhin ganz bemerkenswert für die Beurteilung der Entwicklung, in der wir uns befinden.
Im Jahre 1952 sind insgesamt 412 000 Wohnungsvergaben ausschließlich von Altwohnraum — dazu kommen jeweils die neuen Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues — erfolgt, im Jahre 1953 stieg diese Zahl bereits auf 504 000, im Jahre 1954 auf 540 000; in den letzten drei Jahren zusammen im Altraum allein 1 456 000 Vergaben.
— Nein, es sind doch Altbauvergaben,
Leute, die in Altbauwohnungen hineingekommen sind. Ob daneben dann andere in Neubauwohnungen hineingekommen sind,
das steht auf einem andern Blatt. Das Entscheidende ist nur, daß die Zahl der Menschen, um die es hier geht, von Jahr zu Jahr im Wachsen begriffen ist und weit über die Zahl hinausgeht, die also im Bereich — wie Sie es nennen — der Allerärmsten liegen. Und in den kommenden Jahren wird sich das auch noch weiterentwickeln.
Ich glaube, daß diese Zahlen für die Beurteilung nicht ganz uninteressant sind.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 3.
Es liegen zwei Anträge auf namentliche Abstimmung vor: ein Antrag der Fraktion der SPD und ein Antrag der Fraktion des GB/BHE. Ich nehme an, daß es 50 anwesende Mitglieder des Hauses sind, die diesen Antrag unterstützen.
Wir treten in die namentliche Abstimmung ein. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, die Stimmkarten einzusammeln.
— Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 3 und 410 Ziffer 1, den § 3 zu streichen.
Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied des Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Stimmkarte noch nicht abgegeben?
— Dann bitte ich ergebenst, sich zu beeilen.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, mit der I Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, solange ausgezählt wird, können wir in der Beratung des Antrags zu § 6 auf Umdruck 396 Ziffer 4 fortfahren. Das wird aber nur möglich sein, wenn die Damen und Herren ihre Plätze einnehmen. — Meine Damen und Herren, ich bitte, die Plätze einzunehmen und die unumgänglich notwendigen Unterhaltungen in den Vorraum zu verlegen.
Ich rufe auf § 6. Zu § 6 ist ein Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 4 angekündigt. Wer begründet ihn?
— Da liegen keine Änderungsanträge vor.
— Ich lasse abstimmen, wenn wir zu § 3 ausgezählt haben; dann stimmen wir das in einem ab. Wir können jetzt den Änderungsantrag zu § 6 beraten. Wer begründet ihn? — Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 396 Ziffer 4 hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 5 ist für Wohnraum, der bis zum 20. Juni 1948 bezugsfertig geworden ist, eine zehnprozentige Mieterhöhung vorgesehen. Dies gilt für alle Wohnungen. Die Erhöhung ist allenfalls unter Anwendung der §§ 12 und 13 ausgeschlossen, wobei § 12 der sogenannte Bruchbudenparagraph ist
und in § 13 eine Obergrenze geschaffen werden soll. Wir haben also in § 5 zunächst 10 %. In § 6 Abs. 1 sind dann weitere 5 % vorgesehen, wenn die Wohnung, um die es geht, erstens abgeschlossen ist und zweitens Anschlußmöglichkeiten für einen Gas- oder Elektroherd sowie drittens neuzeitliche sanitäre Anlagen innerhalb der Wohnung enthält, also ein Wasserklosett, ein Spülbecken, eine Wasserzapfstelle und eine Badeeinrichtung mit zentralem oder besonderem Warmwasserbereiter, und viertens genügend großen Kellerraum oder entsprechenden Ersatzraum aufweist. Diese 5 % weitere Zuschlagsmöglichkeit gelten auch, wenn keine Badeeinrichtung in der Wohnung ist, aber außer den Merkmalen, die ich eben aufgezählt habe, eine Sammelheizung vorhanden ist, entweder Zentral- oder Etagenheizung. In diesem § 6 Abs. 1 haben wir also weitere 5 %, so daß in Verbindung mit dem § 5 15% Zuschlagsmöglichkeiten gegeben sind. Im Abs. 2 des § 6 ist festgelegt: Wenn die abgeschlossene Wohnung ausgestattet ist, wie in Abs. 1 aufgezählt, also mit Anschlußmöglichkeit für Gas und elektrisch Licht, mit neuzeitlichen sanitären Anlagen, Badeeinrichtung, Keller oder entsprechendem Ersatzraum, und eine Sammelheizung vorhanden ist, können weitere 10 % zugeschlagen werden, so daß im § 6 die Möglichkeit eines 5%igen Oder eines weiteren 10%igen Zuschlages gegeben ist.
Ich darf kurz darauf hinweisen, daß wir hier sozusagen die geläuterte, die gekürzte Fassung des § 6 vorliegen haben. Ursprünglich sah der Regierungsentwurf noch weitergehende Erhöhungsmöglichkeiten vor. Dafür waren dann auch einige wertsteigernde Merkmale mehr aufgeführt, z. B. vorhandene Kachelurig oder Parkett. Das hat man fallengelassen. Es waren sicherlich sehr ergiebige Streitumstände, etwa wie groß die gekachelte Fläche sein sollte oder welche Kachelart verwandt wurde oder was unter Parkett zu verstehen ist, wie groß die Fläche sein soll oder welche Holzart verwandt wurde und dergleichen mehr. Trotzdem sind wir der Meinung, daß der § 6 gestrichen werden sollte. Sie finden einen entsprechenden Antrag unter Ziffer 4 des Umdrucks 396.
Wir haben in den Ausschußberatungen den Versuch gemacht, der Vorlage, die wir heute hier behandeln, eine, wie wir glauben, bessere gegenüberzustellen. Sie enthält auch die 10%ige Erhöhung wie im § 5 der heutigen Vorlage. Darüber hinaus sollte aber nach unserer Absicht bei der Mietpreispreisbildung der Wohnwert viel stärker berücksichtigt werden. Wir haben uns gewundert, daß wir damit keinerlei Verständnis bei den anderen Fraktionen gefunden haben. In der Drucksache zu Drucksache 1421 wird bezüglich des Wohnwertes festgestellt, daß noch keine ausgeglichene Wohnmarktlage vorhanden sei. Darum sei es auch nicht möglich, schon jetzt eine Miete etwa nach dem Wohnwert zu verwirklichen. Es heißt dort etwa: jetzt den objektiven Nutzungswert zu verankern, bedeutet „die Erfüllung einer unmäglich zu lösenden Aufgabe, nämlich die Vorwegnahme einer künftig sich bei ausgeglichener Wohnungsmarktlage ergebenden Miete".
Nun, das hat auch gar niemand von uns beabsichtigt oder etwa verlangt. Aber ich meine: hätte unser Gedanke einer stärkeren Berücksichtigung des Wohnwertes nicht viel eher Ihren Vorstellungen von der Sozialen Marktwirtschaft entsprochen, die Wohnung in gewissem Sinne auch als eine
Ware anzusehen und ihren Wert zu ermitteln und danach dann auch den Mietpreis festzulegen? Man hat gegen uns argumentiert, das sei eine viel zu schwere Aufgabe. Man kann es, so heißt es in dem Bericht, auch nicht mit Surrogaten versuchen, der Verwirklichung dieses Gedankens nahezukommen. Darum hat der Ausschuß auch überwiegend verworfen, „die einfache Richtsatzmiete des Sozialen Wohnungsbaues als Ersatz für den objektiven Nutzungswert zugrunde zu legen". Warum hat man das abgelehnt? Weil — so lautet es in dem Bericht — „die Richtsatzmieten erfahrungsgemäß selbst keine unabänderlichen Größen sind", weil sie je nach der Entwicklung der Finanzierungsbedingungen oder auch nach der Entwicklung der Einkommensverhältnisse und der Änderung der wohnungspolitischen Vorstellungen selbst Schwankungen unterliegen können. Die Mehrheit, so besagt der Bericht, war der Auffassung, „daß die Verwirklichung dieser Vorschläge" — also den Wohnwert stärker zur Geltung zu bringen — „eine Umbewertung großer Teile des Wohnungsbestandes und damit ein Übermaß von Verwaltungsaufwand zur Folge haben würde". Zum Schluß dieses Absatzes heißt es dann: „Damit würde aber der Sinn dies Gesetzes, das auf eine Auflockerung der Mietpreisbindung gerichtet ist, in sein Gegenteil verkehrt werden."
Die Meinung der Minderheit des Ausschusses wurde abgelehnt, nach der die Richtsatzmieten als Anhaltspunkte für den Wohnwert dienen sollten, wobei Abweichungen in der Ausstattung durch Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden konnten. Ich meine, eine Liste für Zu- oder Abschläge aufzustellen, je nach dem Alter, der Größe, dem Zustand oder der Ausstattung der Wohnung, ist keine zu schwere oder unüberwindliche Aufgabe. Die Taxierung und Eingruppierung der Wohnung konnte zunächst eine Aufgabe des Vermieters und des Mieters auf ihrer Ebene sein. Beiden standen ja genügend Hilfsorganisationen zur Verfügung, dem Vermieter der Haus- und Grundbesitzerverein, dem Mieter der Mieterbund oder die Mietervereine. Konnten sie sich gütlich nicht einigen, waren sie irgendwie in einen Streit verwickelt, der sich nicht gütlich lösen ließ, dann hatten sie ja ohne weiteres den Weg zum Wohnungsamt oder zu dem Preisamt für Mieten und Pachten; und konnte man sich auch dort nicht einigen, blieb immer noch der Weg zum Gericht. Dazwischen hätten sich, wenn man sich nur einige Mühe gegeben hätte, mühelos noch Schiedsstellen einbauen lassen, und so hätte die Arbeit begonnen werden können. Ob das ein Übermaß von Verwaltungsaufwand geworden wäre, ist ernsthaft zu bezweifeln.
Der größte Teil der Arbeit hätte sich auf der untersten Ebene zwischen Vermieter und Mieter und zwischen ihren Organisationen abgewickelt.
Was an ernsteren Streitfällen in die oberen Instanzen gekommen wäre, wäre sicherlich zu bewältigen gewesen.
Die Vorlage enthält nur drei Gruppen von Wohnungen mit ensprechenden Zuschlägen, je nach der Ausstattung von 10 %, 15 % oder 20 %. Der Streit darüber ist in der Öffentlichkeit bei den Beteiligten lebhaft hin- und hergegangen. Der Bundesrat hat diese Lösungsmöglichkeit auch abgelehnt. Er 'wollte es bei den 10 % belassen. Ich will nur einige
Stellungnahmen erwähnen. Der Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen war der Auffassung, diese drei Gruppen, die in der Vorlage geschaffen sind, seien zuwenig. Er wollte in konsequenter Fortsetzung des Gedankens, den Wohnwert stärker zur Geltung zu bringen, eine viel umfangreichere Skala. Er wollte nicht drei Gruppen, sondern schlug mindestens vier, fünf oder gar sechs vor mit möglichst genauer Charakterisierung der Merkmale und den Zuschlagsmöglichkeiten.
Meine Damen und Herren, Sie schlagen in dieser Vorlage auf Grund einer zu primitiven Skala von Merkmalen auf die Mietpreise, die am 31. Dezember 1954 gefordert oder gezahlt wurden und wobei Sie sogar noch die getätigte preisrechtlich unzulässige Mietvereinbarung für wirksam akzeptieren, 10, 15 oder 20 % auf. Im Bericht, der uns vorliegt, wird das als eine Reihe von aufeinander abgestimmten Maßnahmen bezeichnet, durch die man besser als durch eine einzige allgemeine beträchtliche Mieterhöhung einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Wohnungsbestandes näherkommen könne. Nun, wer wollte denn eigentlich „eine einzige allgemeine und beträchtliche Mieterhöhung"? Das stimmt ja gar nicht! Soweit ich im Bilde bin, wollten etwa die Gewerkschaften 10 % akzeptieren, der Bundesrat wollte 10 % akzeptieren, der Mieterbund wollte 10 % akzeptieren und die SPD war auch bereit, diese 10 % zu akzeptieren. Die „Reihe von aufeinander abgestimmten Maßnahmen", angefangen von der freien Mietvereinbarung in § 3, über die wir uns eben erst gestritten haben, über die 10 % in § 5 und die weiteren möglichen 5 % bzw. 10 % in § 6, scheinen mir zu beträchtlicheren Erhöhungen zu führen als etwa jetzt von mir an Hand der Beispiele dargelegt.
Am härtesten hat mich während der Ausschußberatungen eine sicherlich nicht bös gemeinte, aber vielleicht auf einer bitteren Selbstkritik gewachsene Bemerkung eines Ausschußmitgliedes von der Koalition getroffen. Wir haben unseren Vorschlag, den Wohnwert stärker zur Geltung zu bringen, verteidigt: die damit verbundene Arbeit sei unserer Meinung nach nicht unüberwindlich; mit der schnellen Durchführung der Wiederbewaffnung habe man sich ja bei der Ausmusterung von 100 000 jungen Menschen eine viel schwerere Aufgabe vorgenommen, als es etwa die Abschätzung der Wohnungen sei. Darauf kam dann die Bemerkung des Kollegen, die er sicherlich nur ironisierend meinte, die mich aber wirklich ernsthaft getroffen hat. Er meinte: In der Ausmusterung haben wir ja auch mehr Erfahrung!
Meine Damen und Herren, wenn man feststellt: In der Ausmusterung von 100 000 jungen Menschen, die wir in verhältnismäßig kurzer Zeit zur vollen Zufriedenheit durchführen wollen, haben wir mehr Erfahrungen und kommen wir schneller zurecht als in der Abschätzung von Wohnungen auf ihren Wert, dann werden Sie verstehen, mit welchen Gefühlen ich aus dieser Verhandlung herausgegangen bin.
Wir beantragen die Streichung des § 6. Ich will aber vorsorglich gleich noch hinzufügen: Wird dieser Antrag abgelehnt, dann stellen wir gemäß Umdruck 396 Ziffer 4 den Eventualantrag:
Im § 6 werden in Abs. 1 Satz 1 hinter dem
Wort „neuzeitlichen" die Worte „und betriebsfähigen" und in Abs. 1 Satz 2 und in Abs. 2 vor dem Wort „Sammelheizung" das Wort „betriebsfähige" eingefügt.
Sie sind wohl mit uns der Meinung, daß es nicht genügt, daß eine entsprechende Anlage oder Einrichtung da ist, sondern daß es entscheidend ist, daß diese Anlage auch betriebsfähig, verwendungsfähig ist. Lehnen Sie also unseren Antrag ab, den § 6 zu streichen, dann bitten wir Sie, zumindest diesem Ergänzungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem von der Opposition gestellten Antrag geht es im Thema um die Frage der Wohnwerte. Es ist eine sehr umfassende Sache, und ich darf auch hier auf den ausgezeichneten Ausschußbericht verweisen, weil wir tatsächlich unter Zeitdruck stehen und die Frage nicht in diesem Umfang diskutieren können. Ich erlaube mir deshalb nur einige kurze Bemerkungen dazu.
Um welche Größenordnungen geht es hier im § 6? Etwa 15 bis 18 % der in Frage kommenden Wohnungen sollen — so sagen uns die Statistiker — besser ausgestattet sein, also die Merkmale haben: Abgeschlosenheit der Wohnung, Zentral-, Etagenheizung, Badeeinrichtung, Anschlüsse für Kochherd usw. Sie finden die Merkmale im § 6. Das zum Thema der Größenordnung.
Bei der globalen Mieterhöhung — im Gegensatz zur individuellen Wohnwertermittlung, um die es sich im § 6 handelt —, die wir vorhin beschlossen haben, handelt es sich um 80 % der insgesamt etwa 5 Millionen Wohnungen, die von diesem Gesetz betroffen werden. Wir haben hier eine echte Meinungsverschiedenheit im Ausschuß, die nur politisch entschieden werden kann. Die Beratungen haben nämlich gezeigt, daß die wünschenswerte individuelle Wohnwertermittlung auf unüberwindliche verwaltungsmäßige Schwierigkeiten stoßen wird. Kollege Stierle hat gerade ausgeführt, daß seine Freunde und er diese Sorge in dem Umfange nicht teilen. Wir hatten die Sorge, und ich kann Ihnen auf Grund der Ausschußberatung nur sagen, daß dieses wünschenswerte Ziel der stärkeren Heranziehung der Wohnwerte nicht zu erreichen war.
So finden Sie schon in der Regierungsvorlage, die im Ausschuß erheblich verbessert wurde — entschuldigen Sie, Herr Minister —, in § 6 einen Teil der Wohnwertfeststellung gegenüber der globalen Mieterhöhung. Ich sagte, 80 % der in Frage kommenden Wohnungen sind durch eine 10%ige Mieterhöhung bedient. Nun sind allerdings meine Freunde — und ich glaube, auch die überwiegende Mehrheit des Hauses — der Meinung gewesen: wenn es verwaltungsmäßig nicht möglich sei, die individuelle Wohnwertermittlung durchzuführen, sollte man doch den Anreiz schaffen, die Wohnungen besser auszustatten, also diejenigen belohnen, die einen höheren Aufwand geleistet haben. Das ist hier im § 6 mit ganz prägnanten Merkmalen festgelegt.
Wir möchten mit diesem Paragraphen auch einer Nivellierung im Wohnungsmietenrecht begegnen. Das Will die Opposition nicht; das hat sie ausgeführt. Ich hoffe, daß so die Meinungsverschieden-
heiten etwas geklärt worden sind. In den Ausschußberatungen hat man sich auf diesen Kompromiß geeinigt, den Sie im § 6 vorfinden. Ich muß daher bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen und dem Streichungsantrag nicht zuzustimmen.
Zum Eventualantrag ist noch folgendes zu sagen. Auch diese Punkte sind behandelt worden. In der Ausschußberatung wurde von Experten erklärt, daß selbstverständlich die Heizungen intakt sein und die Gas- und Elektroanschlüsse funktionieren müssen usw., so daß sich auch dieser Eventualantrag erübrigt. Ich bitte daher, beiden Anträgen nicht Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Stierle hat vorhin in seinen Ausführungen erwähnt, daß im wesentlichen der Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund und u. a. auch der Bundesrat nur für eine lineare Mietpreiserhöhung von 10 % eingetreten seien. Ich darf demgegenüber sachlich folgendes feststellen.
Es ist uns bekannt, daß der Bundesrat zum § 5 de Bundesmietengesetzes folgenden Vorschlag vorliegen hatte: Die Miete für preisgebundenen Wohnraum, der bis zum 1. April 1924 bezugsfertig geworden ist, darf um einen Zuschlag von 10 % erhöht werden; das deckt sich also für die sogenannten Altwohnungen mit dem Vorschlag der Regierungs- bzw. der Ausschußvorlage. Nun geht aber der Bundesrat weiter und sagt: Die Miete für preisgebundenen Wohnraum, der zwischen dem 1. April 1924 und dem 20. Juni 1948 bezugsfertig geworden ist, darf um einen Zuschlag von 15 % erhöht werden. Hier sieht der Bundesrat aber gar keine Unterscheidung zwischen den sogenannten besser ausgestatteten Wohnungen vor, sondern er verlangt eine generelle, lineare 15%ige Mieterhöhung, die alle Mieter erfaßt hätte, die nach dem 1. April 1924 in diese Altwohnbauten eingezogen sind. Demgegenüber müssen nach dem § 6 der Ausschußfassung die konkreten Merkmale vorhanden sein, wie sie der Kollege Lücke dargestellt hat, damit man überhaupt über die 10%ige lineare Mietpreiserhöhung hinausgehen kann. Das konkreteste Merkmal ist die abgeschlossene Wohnung, vor allen Dingen aber das Vorhandensein bestimmter neuzeitlicher sanitärer Anlagen innerhalb der Wohnung oder — die andere Möglichkeit — das Vorhandensein einer Sammelheizung.
Der Bundesrat spricht von keiner abgeschlossenen Wohnung, er spricht nicht davon, daß Badeeinrichtungen usw. vorhanden sein müssen. Er geht in seiner Formulierung des § 6 sogar noch weiter und sagt: Die Miete für den in § 5 bezeichneten Wohnraum darf neben den dort genannten Zuschlägen - also neben den linearen 10 und 15 % — um einen weiteren Zuschlag von 5 % erhöht werden, wenn es sich um eine abgeschlossene Wohnung handelt, in der seit dem 1. April 1924 eine Sammelheizung eingebaut oder in wesentlichen Teilen der Anlagen erneuert worden ist.
Damit, glaube ich, hat der Ausschuß folgerichtig auch unter wesentlicher Berücksichtigung des tatsächlichen und erkennbaren Wohnwerts entschieden, daß eben nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der sogenannten besser ausgestatteten Wohnungen nach dem § 6 erfaßt wird. Wir bitten deshalb, weil diese Ausschußfassung weitaus eher den sozialen Belangen der Altwohnungsmieter entspricht, der Ausschußfassung des § 6 zuzustimmen und den Antrag der Opposition abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann schließe ich die Aussprache.
Wir stimmen zunächst über den Hauptantrag in Ziffer 4 des Umdrucks 396 ab, der auf Streichung geht. Je nach dem Ergebnis dieser Abstimmung wird anschließend über den Eventualantrag abgestimmt. Wer für die Annahme des Hauptantrags unter Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des Eventualvertrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kann ich das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. An der namentlichen Abstimmung haben sich 390 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 16 Berliner Abgeordnete beteiligt. Es haben mit Ja gestimmt 155 Mitglieder des Hauses, mit Nein 228; 7 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten haben 9 mit Ja, 6 mit Nein gestimmt; 1 Berliner Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ,ab über die §§ 3, 4, 5, 6, 7 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Darf ich bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es bestehen im Präsidium Zweifel. Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen, und bitte die Damen und Herren Schriftführer, sich an die Türen zu begeben.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Meine Damen und Herren, ich werde in einer Minute die Türen schließen lassen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich 350 Mitglieder ides Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 207, mit Nein 141, 2 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Damit sind die aufgerufenen Paragraphen angenommen.
Zu § 8 ist ein Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 5 angekündigt, der auch den § 9 betreffen soll.
Zur Begründung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Hauffe.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 4809.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 396 hat meine Fraktion den Antrag gestellt, die §§ 8 und 9, die die Kostenvergleichsmiete betreffen, zu streichen. Sie ist eine der vielen Mieten, die durch dieses Gesetz geschaffen werden, und ihre Ermittlung läßt an Umständlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Es wird zwar immer gesagt, daß die Anträge auf Feststellung der Kostenvergleichsmiete sehr gering sein werden, und man hatte ja ursprünglich im Gesetzentwurf der Regierung eine 5 %-Bagatellgrenze. Das heißt, daß bei Mieten, die um 5 % von der Kostenvergleichsmiete abweichen, der Vermieter nicht berechtigt war, die Feststellung der Kostenvergleichsmiete zu beantragen. Damit wäre vielleicht ein gewisser Teil herausgefallen. Jetzt ist diese Grenze auf 2 % herabgesetzt worden, d. h. die Möglichkeit, die Feststellung der Kostenvergleichsmiete zu beantragen, ist vergrößert worden. Aber unabhängig davon, ob die Bagatellgrenze bei 2 oder 5 % liegt, wird derjenige, der den Antrag stellt, nicht sagen, daß er unter der Bagatellgrenze liegt, sondern behaupten, er liege drüber und habe deswegen das Recht auf Antragstellung. Selbst dann muß die ganze Arbeit in der Behörde gemacht werden, gleichgültig, ob der Antrag wegen Erreichung oder Überschreitung der Bagatellgrenze genehmigt wird oder nicht. Dieses Argument zieht also einfach nicht.
Außerdem ist zu sagen, daß die vier Fakten, die bei der Feststellung der Kostenvergleichsmiete miteinander verglichen werden können, ebensogut prozentual festgestellt werden können; denn das Mietausfallwagnis beispielsweise ist am früheren Stichtag gleich null, jetzt 2 %, und es bleibt auf 2 %. Wirklich variabel sind hierbei lediglich die Betriebskosten, und diese Betriebskosten können zum großen Teil auf Grund der bestehenden Preisvorschriften, die ja noch nicht außer Kraft gesetzt sind, umgelegt werden. Wir können die Dinge also betrachten, wie wir wollen, es erfordert eine umständliche Bürokratie, ganz im Gegenteil zu dem, was man immer behauptet. Wer die Formulare von vier Seiten, die uns als Muster vorgelegt waren, und dann noch die, wie man erklärte, dazu notwendigen Hilfsformulare sich ,angesehen hat, der war von der Umständlichkeit überzeugt.
Dies schlägt auch gleichzeitig das Argument aus dem Feld, das man immer anführt, daß die Wohnwertermittlung zu umständlich sei. Nur bei den umstrittenen Mieten muß die zulässige Miethöhe behördlich festgestellt werden. Für andere kommt ja eine Ermittlung durch die Preisbehörden nicht in Frage. Egal, ob man nach Wohnwert oder Kostenvergleichsmiete ermittelt, wenn ein Antrag auf Ermittlung der preisrechtlich zulässigen Miete gestellt wird, muß die Bürokratie in Bewegung gesetzt werden.
Wir sind nun einmal der Meinung, daß man etwas Umständlicheres als die Kostenvergleichsmiete nicht hätte erfinden können. Deshalb bitten wir, die §§ 8 und 9 abzulehnen. Die nähere Begründung zur Wohnwertmiete werden wir noch beim § 13 geben, wenn der Plafond besprochen wird. Hier möchte ich dazu nichts sagen. Ich glaube, wenn die Regierungskoalition ihren eigenen Grundsätzen treu bleiben und nicht unnötig Bürokratie in Bewegung setzen will, dann kann sie unmöglich auf der Kostenvergleichsmiete bestehenbleiben. Ich bitte deshalb nochmals, die §§ 8 und 9 zu streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde stelle ich den Antrag, den Antrag der Opposition abzulehnen und der Ausschußvorlage zuzustimmen.
Die Kostenvergleichsmiete entspricht nach umfangreichen Beratungen im Ausschuß der grundsätzlichen Einstellung der Mehrheit des Ausschusses wie auch der Einstellung der Bundesregierung. Sie bedeutet einerseits, daß die Eigenwirtschaftlichkeit des Wohnungsbestandes so weit als möglich wiederhergestellt wird. Zum andern bedeuten diese §§ 8 und 9 einen weiteren Schritt zur Auflockerung der Mietpreisbindung und zur vereinbarten Miete. Denn im Gegensatz zu der Unterstellung des Abgeordneten Hauffe — das darf an dieser Stelle sogleich festgestellt werden — bedarf es nicht in jedem Falle bei der Kostenvergleichsmiete der Tätigkeit der Preisbehörde.
Die §§ 8 und 9, wie sie der Ausschuß formuliert hat, tragen der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses Rechnung, daß dem Vermieter in vertretbarem Umfange der Ausgleich des Mehraufwandes gegenüber 1936 gewährleistet werden muß und daß den Vertragspartnern entsprechend ermöglicht werden soll, Vereinbarungen zu treffen. In der Vorlage der Regierung war generell ein Antrag bei der Preisbehörde vorgesehen. Jetzt ist die Möglichkeit der Vereinbarung gegeben. Die Preisbehörde braucht nur dann in Tätigkeit zu treten, wenn der Mieter eine derartige Vereinbarung auf Grund der nachgewiesenen Mehrkosten nicht eingehen will.
Der Kostenvergleich ist den Vertragspartnern seit 1949 geläufig durch die Anordnung PR 72/49. Wir haben es da bekanntlich mit dem Ausgleich der Grundsteuer und der Gebührenmehrbelastung zu tun. In der Anordnung 72/49 wurde der Kostenvergleich gegenüber dem Jahre 1945 stabilisert. Hier handelt es sich nunmehr um die Gegenüberstellung der Kosten am Preisstoppstichtag, dem 17. Oktober 1936 bzw. — bei späterer Bezugsfertigkeit — der Kosten im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit und der Kosten im Zeitpunkt der Antragstellung. Wir erleben hinsichtlich der schon in der AO 72/49 vorgesehenen Kostenvergleichsmiete eine Ausdehnung des Kostenausgleichs auf die Betriebskosten, auf die Instandhaltungskosten, auf die Verwaltungskosten und auf das Mietausfallwagnis. Ausgenommen vom Kostenausgleich sind lediglich der Kapitaldienst und die Gebäudeabschreibung, obwohl gerade auch beim Kapitaldienst durch Steigerung der Zinsen für umgestellte Rechte eine derartige Position berechtigt gewesen wäre.
Nun, meine Damen und Herren, es ist richtig, daß der Kostenvergleich zum Teil mit Pauschalen arbeitet, wie Herr Kollege Hauffe sagte. Zum Teil ist er aber durchaus individuell, und individuell ist er auch insofern, als immer die Ausgangsmiete maßgebend ist. Durch den Kostenvergleich soll nur der Ausgleich des Mehraufwands gewährleistet werden. Nur auf diese Weise ist zu erreichen, daß die Instandsetzungen durchgeführt werden und der Wohnungsbestand erhalten bzw. der Wohnungsstandard verbessert wird. Durch allgemeine Mietzuschläge ist dies nicht erreichbar wegen des un-
terschiedlichen Verhältnisses der Miethöhe und der Bewirtschaftungskosten. Wollte man alles durch allgemeine Zuschläge erfassen, dann müßten diese viel höher sein. Der Ausgleich des Mehraufwands ist — das sei hier hervorgehoben — auch dem Mieter viel einleuchtender 'als ein pauschaler Zuschlag.
Wir sind daher der Überzeugung, daß, weil dieser Kostenvergleich einleuchtend und geläufig ist, hier eine Vereinbarung im weitesten Umfange eintreten wird. Wir teilen nicht die Auffassung, daß eine Überflutung der Preisbehörden die Folge sein wird, zumal ja auch die Bagatellgrenze gewisse Anträge ausscheiden wird. Im übrigen wird die freie Vereinbarung durch die formularmäßige Behandlung erleichtert, für die wir auf Grund einer Rechtsverordnung der Bundesregierung entsprechende Vordrucke bekommen werden. Wir sind der Meinung, daß die Preisbehörden bei weitem nicht so häufig in Anspruch genommen werden, wie angenommen; im übrigen haben sie die Möglichkeit, den Anträgen gerecht zu werden, da wir ihnen anderweitige Entlastungen in beträchtlichem Umfange gegeben haben.
Lassen Sie mich abschließend noch folgendes sagen. Bei allen Änderungen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts erleben wir immer eine Überschätzung der Auseinandersetzungen zwischen Vermieter und Mieter. Wir haben wiederholt, namentlich im Zusammenhang mit dem Geschäftsraummietengesetz, die Erfahrung gemacht, daß sich die Bestimmungen in denkbar harmonischer Weise abgewickelt und daß sich die Einsprüche auf eine Minderzahl beschränkt haben. Das gleiche erwarten wir von der Kostenvergleichsmiete. Daher werden nach unserer Auffassung die Bestimmungen in der vorliegenden Fassung den Erwartungen gerecht werden, die die Ausschußmehrheit bei den Beratungen in sie gesetzt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte noch um eine Aufklärung. Nach dem hier vorliegenden Text des § 8 kann, wenn ich richtig verstehe, die Kostenvergleichsmiete für jede einzelne Wohnung in einem Haus oder für ein Haus oder vielleicht auch für mehrere Häuser beantragt werden, wobei es keine Rolle spielt, ob der Vermieter Eigentümer nur dieses einen Hauses oder vielleicht von Dutzenden von Häusern ist. Es könnte ja der Fall sein, daß die Gesamtlage des Unternehmens des Vermieters durchaus gut ist, daß er aber bezüglich eines Hauses oder einer kleinen Siedlung genötigt ist, Kostenvergleichsmiete zu beantragen. Ich bitte um Aufklärung, ob jede einzelne Wohnung bzw. jedes einzelne Wohnobjekt anspruchsberechtigt ist
oder ob der Eigentümer als eine Wirtschaftseinheit angesehen wird und nach seiner Gesamtlage darüber entschieden wird.
Wollen Sie darauf die Antwort geben, Herr Abgeordneter Lücke?
— Bitte, Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage ist ja im Ausschuß auch schon diskutiert worden. Ich darf die Antwort noch einmal wiederholen. Der Begriff der „Wirtschaftseinheit" ist bereits ein feststehender Begriff. Er umfaßt die zusammenhängend jeweils in einem Bauvorhaben nach einheitlichen Finanzierungsgrundsätzen in einheitlichen Baujahren erstellten Wohnungen. Das ist auch das, worauf sich gerechterweise eine solche Bestimmung erstrecken kann: entweder auf das einzelne Haus oder auf die in einem Zusammenhang von einem Unternehmen erstellten Häuser. Aber Sie können doch beim besten Willen nicht Häuser, die 1890, 1910, 1954 unter völlig unterschiedlichen Verhältnissen gebaut worden sind, durcheinanderrechnen. Wir haben in dem ganzen Gesetz uns darum bemüht, die Selbsterhaltungstätigkeit für das Haus wiederherzustellen — das ist der entscheidende Punkt —, dagegen nicht eine Lohnerhöhung für den Hausbesitzer vorzunehmen; darum ist es uns absolut nicht gegangen. Seine Einkommensverhältnisse bleiben hierbei völlig außer Betracht. Es geht nicht darum, wie es dem Hausbesitzer im ganzen — sei es ein Unternehmen oder ein einzelner — geht. Sie wissen, wir haben über eine Million Renten-, Pensions- und Unterstützungsempfänger allein unter den Hausbesitzern. Da müßte man unter Umständen noch nach der anderen Seite hin irgendwelche Berücksichtigungen vornehmen. Die Ratio des Gesetzes ist von vornherein gewesen: Wiederherstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit für das Haus selbst, unabhängig davon, wem es gehört. Der Begriff der „Wirtschaftseinheit" ist eben der Begriff der mehreren Häuser, die einheitlich zu einem Zeitpunkt in einer Finanzierungsmaßnahme erstellt worden sind.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Umdruck 396 Ziffer 5, in der verlangt wird, die §§ 8 und 9 zu streichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 8, 9, 10 und 11 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 12 ist ein Änderungsantrag — Umdruck 396 Ziffer 6 — angekündigt. Das Wort hat der Abgeordnete Reitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Änderung des in der Ausschußvorlage vorgesehenen § 12. Wir sind der Auffassung, daß der Paragraph in dieser vorgelegten Fassung keine genügende Sicherheit für den Personenkreis, der in den darin. angezogenen Räumen — oder dem Namen nach Wohnungen — wohnt oder wohnen muß, vor eventuell durch den Vermieter geforderten Mieterhöhungen bietet. Wir wünschen deshalb eine konkretere Fassung des Abs. 1 des § 12 und schlagen an dessen Stelle die Fassung vor, die Ihnen in unserem Änderungsantrag zu § 12 unter Nr. 2 vorliegt.
Wir denken hier — um nur einige Beispiele zu nennen — an die Miterfassung der Hinterhofwohnungen und mancher über hundert Jahre alten Wohnungen usw., die heutigen Wohnverhältnissen nicht mehr gerecht werden und die durch die dehnbare Auslegungsmöglichkeit dès Abs. 1 in der Ausschußfassung nicht genügend geschützt sind. — Der Abs. 2 der Ausschußvorlage deckt sich inhaltlich mit unserer Vorlage auf Umdruck 396 — unter Nr. 1 des Änderungsantrags zu § 12 —; ich brauche dazu deshalb nichts hinzuzufügen.
Zur Vermeidung von Härten und zur Sicherheit des Mieters haben wir unserem Änderungsantrag noch einen dritten Abschnitt angefügt, der sicherstellen soll, daß auch für den Fall einer auf Grund dieses Gesetzes preisrechtlich zulässigen Miete derjenige Mieter ausgenommen bleiben soll, der eine vertragliche Vereinbarung mit dem Vermieter abgeschlossen hat.
— Ich denke, Herr Kollege Leukert, hier insbesondere an die Fälle, in denen der Mieter Aufwendungen in seiner Wohnung gemacht hat und die Miete daraufhin entsprechend festgesetzt worden ist, aber von dem Vermieter die Leistung durch den Mieter um soviel niedriger auf Zeit vertraglich geregelt worden ist. Aus diesen Erwägungen und um mögliche Härten und Verwaltungsarbeiten zu vermeiden, bitte ich, unserm Änderungsantrag zu § 12 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Opposition führt in Ziffer 1 Kellerwohnungen, Bunkerwohnungen usw. auf. Sie finden in dem Antrag des Ausschusses unter § 12 Ziffer 2 ganz genau dieselben Formulierungen. Nur in einem Wort unterscheidet sich der Antrag des Ausschusses von dem Änderungsantrag der Opposition. Statt des Wörtchens „für" in dem Antrag des Ausschusses steht in dem Antrag der Opposition das Wörtchen „in". Das ist der Hauptunterschied. Ziffer 1 ist also tatsächlich in dem Ausschußantrag wörtlich enthalten.
Ziffer 2 soll lauten:
für sonstigen Wohnraum, wenn und soweit Mängel vorliegen, die seine Benutzbarkeit erheblich beeinträchtigen.
Auch diese Ziffer ist in dem Ausschußantrag unter Ziffer 1 enthalten. Hier heißt es:
wenn und solange Mängel vorliegen, welche die Benutzbarkeit des Wohnraumes unter Berücksichtigung der örtlichen Wohnverhältnisse oder Wohngewohnheiten offensichtlich erheblich beeinträchtigen.
Es kommt der Opposition darauf an, daß vorliegende Mängel tatsächlich nicht dazu führen dürfen, daß eine Mieterhöhung verlangt oder vereinbart wird. Auch diese Ziffer ist also in dem Ausschußantrag enthalten.
Dann kommt die Ziffer 3 des Antrags Umdruck 396. Für den darin zum Ausdruck gebrachten Gedanken ist in § 19 Abs. 1 gesorgt. Da heißt es:
Dem Vermieter stehen die Rechte aus § 18 insoweit nicht zu, als eine Erhöhung der Miete auch für den Fall ihrer preisrechtlichen Zulässigkeit durch ausdrückliche Vertragsbestimmung ausgeschlossen ist oder der Ausschluß sich aus den Umständen ergibt.
Also auch diesen Vorschlag ist Rechnung getragen.
Endlich darf noch § 3 angeführt werden, wonach Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter möglich sind. Wir haben den § 3 für richtig gehalten; es ist darüber abgestimmt worden. Auch aus diesem Grunde liegt kein Anlaß vor, die Ziffer 3 vorzusehen.
Wir können also sagen: das, was die Opposition wünscht, ist tatsächlich im Gesetz enthalten. Ich beantrage daher im Namen meiner Freunde, den Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 6 abzulehnen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 396 Ziffer 6. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für § 12 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die, Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Zu § 13 ist ein Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 7 angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei § 13 kommen wir zu dem Kernpunkt, wo Sich die Meinungen der Mehrheit und der Minderheit des Hauses hinsichtlich der Festsetzung der Auffanggrenze trennen. Hier haben wir den sogenannten Plafond, d. h. die Grenze, über die Mieterhöhungen nicht hinausgehen sollen. Es dürfte interessant sein, zu sehen, für welche Wohnungen —das habe ich vorhin schon gesagt — die Auffanggrenze gelten soll, und zwar bloß für die Wohnungen, die nach dem § 5 des Gesetzentwurfs eine Mieterhöhung von 10 % erhalten. Für die anderen Wohnungen, die nach § 6, z. B. nach § 6 Abs. 1 in ihren Ausstattungsmerkmalen den Merkmalen des Sozialen Wohnungsbaus entsprechen, gilt merkwürdigerweise die Bestimmung über diesen Plafond nicht. Es ist also so, daß die Wohnungen im Althausbesitz, die den Ausstattungsmerkmalen des Sozialen Wohnungsbaus entsprechen, im Mietpreis über die Mietpreise des Sozialen Wohnungsbaus hinausgehen dürfen. Wir haben uns nach der allgemeinen Diskussion, die darauf hinauslief, daß die Mieten in den Neubauten davongelaufen und die Mieten im Althausbesitz zurückgeblieben seien, dazu durchgerungen, die Mieten für die Neubauwohnungen als Richtschnur zu nehmen, nach der sich unser Mietgefüge praktisch ,ausrichten soll. Wir haben dann gleichzeitig zu dem Zeitpunkt, wo ein wirklicher Markt in der Wohnungswirtschaft da ist, lediglich noch die Dinge durch den Markt auszugleichen, die von dem einzelnen Mieter nach seiner persönlichen Situation usw. vielleicht verschieden beurteilt werden.
Ich glaube, daß diese Konzeption im Grund ernstlich auch nicht bestritten wird; denn sonst würde ja nicht immer wieder dort, wo wir versuchen, die anderen Bedingungen des Gesetzes anzugreifen, auf Formulierungen des Wohnwerts zurückgegriffen. Diese Bezeichnung versucht man auch dann, wenn sie unseren Vorstellungen vom Wohnwert nicht entspricht. Wir haben Ihnen in unserem Antrag auf Umdruck 396 noch einmal dieselbe Formulierung wie im Ausschuß vorgelegt, obwohl Sie gerade dort an der Aufführung der Wohnwertmerkmale Kritik übten, die man in der Gesetzgebung und vor allen Dingen in den Ausführungsbestimmungen erfassen will. Darüber läßt sich streiten. Es läßt sich auch darüber streiten, ob man das eine ioder andere Merkmal mit hineinnimmt und ob das eine oder andere Merkmal sich wirklich konkret erfassen läßt. Das sind Dinge, über die man sich auseinandersetzen kann. Das sind Dinge, die auch vielleicht in dem einen oder anderen Gebiet der Bundesrepublik verschieden beurteilt werden. Aber das sollte nicht veranlassen, insgesamt zur Wohnwertbeurteilung nein zu sagen.
Ich glaube, daß Sie sich deshalb nicht daran stoßen werden, ob man zuerst mit den ganz genau erfaßbaren Dingen in der Aufzählung anfängt, nämlich mit der Ausstattung, die wir ja heute begrifflich so festgelegt halben, daß von keinem mehr angezweifelt wird, daß sie ein erfaßbares Merkmal ist, beispielsweise Wohnungsabschluß, Bad, sanitäre Installation und dergleichen. Auch die Stockwerklage ist heute bereits in der Berechnung der Mieten enthalten. Uns ist das so in Fleisch und Blut übergegangen, daß man es wohl kaum noch anzweifeln dürfte.
Damit es besser verständlich ist und damit die Diskussion sich nicht auf neuen Gebieten bewegen muß, haben wir es für angebracht gehalten, Ihnen unseren Antrag, so wie er Ihnen in der Ausschußsitzung bereits vorgelegen hat, hier noch einmal zu unterbreiten, obwohl man vielleicht das eine oder andere in der Fassung hätte umstellen können. Wir glauben, daß unser Wohnwertkatalog durchaus realisierbar ist. Wir glauben vor allem, daß, wenn man versucht, ihn formularmäßig zu erfassen, dieses Formular längst nicht so umfangreich wird wie das Formular der Kostenvergleichsmiete, das uns präsentiert wurde. Vor allen Dingen wird dieses Formular dann auch für den primitivsten Menschen verständlich; er weiß, was ein Wohnungsabschluß, was ein Bald, was ein WC und dergleichen ist. Er weiß auch, ob seine Wohnung im Erdgeschoß oder im Dachgeschoß liegt, und alles das, was unter Wohnwertmerkmalen sonst zu sagen ist.
Ich glaube also, daß wir uns hier die lange Diskussion ersparen können. Die Wohnwertbegriffe, die in der Diskussion wiederholt erörtert worden sind, sind bereits hinreichend bekannt. Ich möchte nur noch wiederholen, was ich im Ausschußbericht über die Wohnwertangelegenheit kurz und bescheiden gesagt habe. Dort heißt es — wenn ich das einmal zitieren darf —:
Demgegenüber hat eine Minderheit dies Ausschusses eine gegenteilige Meinung vertreten. Wenn auch zur Zeit der Wohnwert im Sinne des objektiven Nutzungswertes nicht zu erreichen sei, so könne doch die Richtsatzmiete als Anhaltspunkt für den Wohnwert dienen. Dabei müßten allerdings erfaßbare Abweichungen in der Ausstattung durch Zu- und Abschläge
berücksichtigt werden. Würden diese Wohnwertermittlungen auf Fälle einer umstrittenen Miethöhe beschränkt werden, so dürfte der Verwaltungsaufwand nicht größer sein als der infolge der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen.
Niemand bestreitet, daß die Mietermittlung, ganz egal in welcher Form sie von der Preisbehörde verlangt wird, bloß dann verlangt wird, wenn von irgendeiner Seite ein Einspruch kommt. Deswegen kann es sich niemals, wie man es gern hinstellen möchte, um eine globale Festsetzung der Wohnwerte aller Wohnungen handeln, sondern immer bloß um die Fälle, in denen die Miethöhe umstritten ist. Denn dort, wo die Miethöhe nicht umstritten ist, hat die Preisbehörde ja absolut keine Kenntnis.
Nun ist die Frage dabei aufzuwerfen: Ist es besser, für den Streitfall ein einziges Prinzip zu haben und das klar und deutlich auszuarbeiten oder freie Vereinbarungen mit Einspruchsmöglichkeit und Legalisierung von Preisüberschreitungen, Kostenvergleichsmiete, globale Erhöhungen mit verschiedenen Differenzierungen und derartige Dinge zu haben, oder aber zu sagen: „Schön, eine einfache kleine entsprechende Mieterhöhung, und im Einspruchsfall eine klar umrissene Festsetzung der Miete auf Grund der Wohnwertmerkmale"? Ich glaube, daß unser Antrag auf die Dauer gesehen bedeutend mehr Klarheit und Zufriedenheit schafft. Wir bitten deshalb, den § 13 in seiner jetzigen Fassung abzulehnen und durch unsere Fassung zu ersetzen. Für dien Fall, daß Sie sich dazu nicht entscheiden können, behalte ich mir vor, nachher noch einen Änderungsantrag zu stellen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, mich auch zu diesem Thema kurz zu fassen. Es wäre ideal, wenn man alle Wohnungen nach dem Wohnwert tatsächlich bewerten könnte. Diesem Ziel in einer praktischen Form so nahe wie möglich zu kommen, haben sich ja sowohl die Bundesregierung in ihrem Entwurf als auch der Bundestagsausschuß bemüht, ohne daß auf diese Weise eine erhebliche zusätzliche Verwaltungsbelastung und gar etwa die Herausbildung eines neuen Berufsstandes von Wohnungsschätzern erforderlich wäre.
Ich darf Ihren Antrag noch einmal in das Gedächtnis zurückrufen. Es sollen berücksichtigt werden: das Alter, der Erhaltungsgrad, die Ausführung, die Wohnlage, die Stockwerkslage, die lichte Stockwerkshöhe, der Wohnungsabschluß, die Belichtung, die Besonnung, das Vorhandensein von Wasser-, Energieanschlüssen, Aborten mit Wasserspülung usw. Darunter befinden sich eine Reihe von Faktoren, die kann man messen, aber eine Reihe von Faktoren, die kann man eben nicht messen, sondern die bleiben der individuellen Beurteilung überlassen, etwa ob ein großes Fenster ein Vorteil ist, weil mehr Sonne hereinkommt, oder ein Nachteil, weil man dafür mehr Heizung braucht. Darüber werden sich unter Umständen der Wohnwertschätzer, der Vermieter und der Mieter nie einig werden. Hier liegt auch einer der entscheidenden Unterschiede zur Kostenvergleichsmiete, die Sie eben beschlossen haben. Da wird eine
nüchterne Rechnung aufgemacht. Darin sind die gleichen Zahlen enthalten und nicht mehr, als ein Hausbesitzer ohnehin in jeder Einkommensteuererklärung angeben muß. Da kann einzig und allein darüber Streit entstehen, ob richtig oder falsch gerechnet worden ist. Dazu braucht man im allgemeinen keine neue Bürokratie. Dagegen wird in diesen individuellen Bewertungsfragen der Streit nicht aufhören.
Ich darf noch eins sagen: 5 Millionen Wohnungen stehen zur Debatte. In welcher Zeit soll denn diese individuelle Wohnwertermittlung durchgeführt sein? Ich fürchte, es findet sich gar niemand, der diese Aufgabe erfüllen würde, wenn er nicht gleichzeitig ein Pensionsangebot bekommt. Denn wir hoffen doch, bereits in einigen Jahren durch den Markt die ausschließlich nach Angebot und Nachfrage ausgerichtete objektive Wohnwertgestaltung erreicht zu haben.
Aber jetzt kommt noch ein rein sachliches Bedenken gegenüber dem Antrag der Opposition. Nach dessen Formulierung soll es in § 13 Abs. 2 heißen:
... Wohnungen, die nach ihrem baulichen und wohnlichen Zustand und nach ihrer Ausstattung Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaues entsprechen, . . .
Auch hier haben wir leider gar keine übereinstimmende Ausstattung. Es müßte also auch erst konkretisiert werden, welchen Ausstattungsmerkmalen tatsächlich Rechnung getragen werden soll. Bei den eben genannten Wohnungen sollen nach dem Antrag der SPD die Richtsatzmieten des Sozialen Wohnungsbaues nicht überschritten werden. Für die anderen Wohnungen, deren Wohnwert nach den individuellen Faktoren zu ermitteln wäre, sollen Abschläge erfolgen. Meine Damen und Herren, dabei kann sich etwas ganz Außergewöhnliches vollziehen. Nehmen Sie an, eine Wohnung, die im Augenblick 30 Pfennig pro Quadratmeter kostet
— sicher gibt es solche Wohnungen noch, auf dem Lande, werksgeförderte und ähnliche Wohnungen —,
bekommt nachher, weil ihre Besonnung und Belichtung usw. für gut befunden werden, nur einen Abschlag von 5 Punkten! Die Miete dieser Wohnung wird dann möglicherweise auf eine Mark pro Quadratmeter erhöht. Das würde also eine Verdreifachung ihres Mietwertes bedeuten. Sie haben hier praktisch eine unübersehbare und zusätzlich in den Streit geratende Skala von Mieterhöhungen, die sich aus Ihrer Beurteilung nach dem Wohnwert ergeben.
Nun einmal eine ganz praktische Geschichte! Sie haben doch die Formulare gegenübergestellt. Der Finanzminister von Baden-Württemberg hat sich bemüht, einmal eine solche Wohnwerteinschätzung für die Berechnung und den Ansatz von Mieten für landeseigene Wohnungen durchzuführen. Dabei sind auch alle diese Punkte berücksichtigt. Da heißt es: Wenn Wasserleitungsanschluß vorhanden ist, kommen 0,5 Punkte dazu, wenn Kraftstrom- oder Gasanschluß vorhanden ist, ebenfalls 0,5 Punkte. Ferner kommt hinzu eine Zahl, die die Sonnenbestrahlung der Wohnung berücksichtigt. Sie beträgt, wenn die Wohn- und Schlafräume von
der Ost- und Südsonne und Westsonne erreicht werden, 2 Punkte, wenn sie nur von der Ost- oder Westsonne erreicht werden, 1 Punkt, wenn die Räume ganz nach Norden liegen, 0 Punkte. So geht das für jedes einzelne Zimmer weiter. Das Endergebnis — das darf ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten — ist folgende Formel für die Berechnung der Miethöhe W:
W = F • m1 [+ 2+b+h+e+a+d+w +1+st+v+ü+g]+m2 (t+n).
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Entscheidung zu treffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fassung des § 13, wie sie von der Opposition in dem ersten Antrag, nicht in dem Eventualantrag, gewünscht wird, bildet, wie auch Herr Kollege Hauffe in der Begründung gesagt hat, tatsächlich den Angelpunkt der Anträge der Opposition. § 3 betrifft ja nur eine geringe Zahl von Mietanhebungen, nämlich nur die Fälle, in denen es zu neuen Vermietungen kommt. Hier in § 13 ist das, was die Opposition entscheidend möchte, von ihr niedergelegt worden. In den Beschlüssen der Mehrheit des Ausschusses bildet der § 13 nur ein „rotes Licht". Das heißt, wenn sich durch die Kombination von § 1, § 2 eventuell mit § 5 oder mit der Kostenvergleichsmiete oder mit § 3, insbesondere in Ballungszentren der Wohnungsnot, irgendwelche Überhöhungen über die erhöhte Richtsatzmiete hinaus ergeben, bedeutet dieser Paragraph bei uns eine Abkappung. Bei Ihnen bedeutet er etwas wesentlich anderes. Bei Ihnen bedeutet er das Regulativ für die Mehrzahl der Mieten.
Was ist dazu von uns zu sagen? Schon der Herr Kollege Stierle hat in seinen Ausführungen unterstrichen — was übrigens auch im Bericht steht -, daß ein objektiver Nutzungswert, d. h. ein echter Wohnwert, derzeit nicht ermittelt werden kann, da die Voraussetzung hierfür fehlt, nämlich eine allgemein ausgeglichene Wohnungsmarktlage. Sollte sich diese aber in der Zukunft einmal ergeben, was wir alle wünschen, dann wird dieser objektive oder annähernd objektive Nutzungswert sich nicht durch Vorschriften und Bestimmungen ermitteln lassen, sondern dann wird er sich ergeben als ein Mittelwert zwischen Marktmiete, Wirtschaftlichkeit des betreffenden Objektes und Qualität der Wohnung. Alles andere ist reine Theorie. Erfahrene Wohnungswirtschaftler — auch der Opposition —, nämlich der Gesamtverband der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen — wobei ich vermute, daß Herr Dr. Brecht das Schreiben verfaßt hat —, erkennen an, daß die Wucht der Einwände gegen eine ins einzelne gehende Berücksichtigung der Wohnwerte so stark ist, daß die Durchführung einer solchen Wohnwertfeststellung gar nicht erörtert zu werden braucht. So steht es in den Unterlagen, die uns von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen überreicht worden sind. Aber, wie gesagt, die Opposition strebt ja auch nur einen' Ersatz für diesen echten Wohnwert an, allerdings
einen Ersatz, der nach unserer Meinung für eine praktische Durchführung nicht geeignet ist.
Als Ausgangspunkt sollen nach den Vorschlägen der Opposition die Richtsatzmieten für alle Wohnungen genommen werden — schon das ist ein Gummiparagraph —, die nach ihrer Ausstattung Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus entsprechen. Meine Damen und Herren, wer im Sozialen Wohnungsbau einigermaßen daheim ist, der weiß, daß nicht nur zwischen Hamburg und Konstanz die Differenzierung hinsichtlich der Ausstattung im Sozialen Wohnungsbau sehr groß ist, sondern daß diese Differenzierung auch örtlich sehr stark ist. So gehen ja leider auch einige Großstädte dazu über, in verstärktem Maße — und wir möchten das hier noch einmal bedauernd unterstreichen — aus eigenen Mitteln, die aber auch unter das Wohnungsbaugesetz fallen, Einfachstwohnungen zu bauen. Auch solche Wohnungen werden dann zum Richtsatz und zum Ausgangspunkt für das, was hier gemeint ist.
Sie führen dann weiter nicht weniger und nicht mehr als 13 Merkmale an, die zu Abschlägen von dieser Richtsatzmiete führen sollen. Dabei sagen Sie mit Recht, daß das noch nicht alle sind und daß manche ergänzt werden müssen. Vergessen Sie aber nicht, meine Damen und Herren, daß diese 13 Merkmale in verschiedenen Kombinationen auftreten. Daß wir da mindestens — mindestens, sage ich — solche Formeln, wie sie der Herr Minister vorgelesen hat, herausbekommen, ist völlig klar. Nicht nur 13 Abschläge, sondern viele Dutzend, über 100 Abschläge würden wir bekommen. Bei der Anwendung dieses Prinzips, das die Opposition vorschlägt, würden sich also drei Möglichkeiten ergeben. Es könnte dann erstens — obwohl es die Opposition nicht in den Vordergrund stellt; die Opposition sagt das dann aber in der Begründung zum Ausschußantrag — in den meisten Fällen zu einer freien Vereinbarung der Abschläge kommen; das ist reine Theorie. Meine Damen und Herren von der Opposition, der Herr Kollege Stierle hat unterstrichen, daß diese freie Vereinbarung mit Unterstützung der Verbände erzielt werden könnte. Wenn Sie eine so weitgehende freie Vereinbarung unterstellen, warum haben Sie dann in dem ganz beschränkten Sektor der freien Vereinbarungen bei Neumieten, wo der Mieter tatsächlich von sich aus mit eigenem Willen zustimmt, diese freie Vereinbarung abgelehnt? Wir sind nicht so illusionär, eine so weitgehende freie Vereinbarung bei 80 oder 90 % aller Wohnungsmieten anzunehmen, wie Sie sie mit den Abschlägen hier unterstellen, ganz abgesehen davon — und deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, habe ich auch die Frage des Rechtsnachfolgers unterstrichen —, daß diese freie Vereinbarung nach Ihrer Fassung auch den Rechtsnachfolger binden würde.
Die zweite Möglichkeit hat der Herr Bundeswohnungsbauminister schon sehr deutlich erörtert — auch eine reine Theorie —, daß man sich in der Mehrzahl der Fälle an die Richtsatzmiete hielte. Das würde zu untragbaren, auch von Ihnen als untragbar anzusehenden Erhöhungen in einer großen Zahl der Mietfälle führen.
Es bliebe also der dritte, praktisch sich daraus ergebende Weg wahrscheinlich übrig: eine ungeheure Überschwemmung der entscheidenden Behörden. Wir haben gefragt: Wer soll das sein? Im Ausschuß wurde uns gesagt: die Justiz. Wir möchten hier noch einmal erklären: Wir wollen mit diesem Gesetz kein Arbeitsbeschaffungsprogramm für neue Behörden und für das Personal der Wohnungsämter. Das wollen wir mit diesem Gesetz nicht! Für die Justiz wäre es fast untragbar, alle diese Merkmale zu ermitteln, ganz abgesehen davon, daß das, wenn es an die Justiz ginge, einen sehr komplizierten Schutz des Mieters ergeben würde. Denn er wäre ja auf das lange Verfahren bei den Gerichten angewiesen.
Es ist also nicht das Ei des Kolumbus, diese ideale, theoretische Gerechtigkeit bis ins letzte in der Welt durchzuführen. Das endet praktisch immer in einem Debakel. Der übertriebene Perfektionismus ist zwar theoretisch abgelehnt, aber er scheint in der Praxis noch manchmal fröhliche Urständ zu feiern.
Aber das Eigenartigste kommt noch. In Ziffer 7 ihres Antrags schlägt die Opposition zu § 13 Abs. 4 nicht mehr und nicht weniger vor, als daß über die Abschläge, d. h. praktisch über die Höhe von 80 % der Mieten, der Bundesminister durch Rechtsverordnung in Zusammenarbeit mit den Ländern zu bestimmen hat. Meine Damen und Herren, ein Ermächtigungsgesetz für eine unlösbare Aufgabe, womit man die Quadratur des Zirkels lösen möchte, das scheint mir doch wirklich zu viel zu sein, was man hier der Exekutive zumutet. Ich freue mich, daß die Exekutive diesen Schwarzen Peter nicht in ihre Karten nehmen will. Wir hoffen nur, daß gelegentlich, wenn es sich um einen wirklich dringenden Fall in irgendeiner Materie handelt, die verehrliche Opposition der Exekutive die Ermächtigung für eine lösbare Aufgabe nicht versagt. Es wäre falsch, um ideologischer Schlagworte willen einer theoretischen Gerechtigkeit nachzulaufen.
Demgegenüber will die Mehrheit dieses Hauses den Weg gehen, in wenigen klaren und einfachen, differenzierten Gruppen dem Wohnwert Rechnung zu tragen, einen Weg, den — das möchte ich ganz besonders der Opposition sagen — erfahrene Kollegen von Ihnen in Dänemark bereits gegangen sind und noch weiter gehen, nicht zuletzt Ihr sehr verehrter Herr Gesinnungskollege, der dänische Ministerpräsident Hansen. Wir gehen also den klaren Weg: Bruchbuden keine Erhöhung, Wohnungen ohne Komfort 10 %, Wohnungen mit Bad 15 %, Wohnungen mit Bad und Zentralheizung 20 % Erhöhung, als Zwischengruppen freie Vereinbarung und Kostenvergleichsmiete. Das sind die Differenzierungen, zu denen wir ja sagten; es handelt sich um Wohnwertgruppen, die man überschauen kann, Wertgruppen, wie sie dieses Hohe Haus auch für die Schadensfeststellung beim Lastenausgleich beschlossen hat.
Meine Damen und Herren! Angeichts dieser Situation beantrage ich, den ersten Antrag der Opposition zu § 13 als undurchführbar abzulehnen, und zwar deshalb, weil sie selbst daran verzweifelt, den Weg genauer abzustecken, und dieses Abstekken dem Minister zuschiebt. Ich bitte Sie, sich der Meinung der Mehrheit des Ausschusses anzuschließen und eine differenzierte Mietanhebung mit Obergrenze zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Feststellungen, die durch die Ausführungen des Herrn
Bundeswohnungsbauministers und durch Bemerkungen des Kollegen Dr. Czaja ausgelöst worden sind. Ich möchte mit aller Deutlichkeit hier festhalten, daß wir uns bei der Einbringung dieser Bestimmung, die ja dem Ausschuß vorgelegen hat, sehr redlich darum bemüht haben, eine Lösung zu präsentieren, die wir :mindestens für diskutabel hielten. Ich muß aber feststellen, daß uns im Ausschuß jede Anerkennung dieser Bemühungen versagt worden ist und daß es eine wirklich in die Materie einsteigende Debatte nicht gegeben hat. So ist es mit fast allen unseren Anträgen der Fall gewesen. ,Sie haben uns mit dem allgemeinen Argument: eine Wohnwertmiete festzustellen, ist unmöglich und zu schwierig, abgeschmiert.
Mir schien in den heutigen Bemerkungen von Herrn Minister Dr. Preusker auch wieder dieser ironische Unterton und die Unterstellung zu liegen, daß uns solche Gedanken und Anregungen kämen, weil wir eben Freude daran hätten, irgendeine Bürokratie zu züchten. Mitnichten ist das der Fall, meine Damen und Herren. Ich muß darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Bestimmungen dieses Gesetzes auch nicht gerade dazu angetan sind, die Arbeit der Bürokratie abzubauen. Wir haben keinesfalls daran gedacht, eine komplizierte Regelung vorzuschlagen. Wir haben auf Ihre Vorschläge gewartet. Wir haben gehofft, daß Sie mindestens anerkennen würden, daß wir uns hier sachlich bemüht haben, eine sehr schwierige Aufgabe anzupacken.
Herr Minister Preusker, wenn Ihnen selbst nicht bekannt sein sollte, dann hätten Ihnen Ihre Mitarbeiter mitteilen dürfen, daß unser Wohnwertkatalog nicht aus dem Ärmel herausgeholt worden ist, sondern daß er auf einer ganzen Reihe von sehr methodischen Feststellungen wissenschaftlicher Institute basiert, die diese Merkmale herausgearbeitet haben und im übrigen .mit der Aufstellung dieser Merkmale auch eine relativ einfache schematische Aufstellung von Wohnwertkatalogmerkmalen und ihren Bewertungen verbunden haben.
Wir haben hier in Abs. 4 — worauf Herr Kollege Dr. Czaja zu sprechen kam — den Bundesminister für Wohnungsbau und den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigen wollen, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung 'des Bundesrates :die Vomhundertsätze der in unserem Abs. 3 genannten Abschläge festzustellen. Das wäre keinesfalls ein unmögliches Beginnen. Letzte Gerechtigkeit kann man dort auch nicht erreichen. Man kann sich aber auf Grund der jahrelangen wissenschaftlichen methodischen Vorarbeiten durchaus ein Bild darüber verschaffen, ob ein nicht vorhandener Wohnungsabschluß mit 5 oder 3 v. H. zu bewerten ist, ob und in welcher Weise dem Fehlen sanitärer Anlagen durch einen Abschlagsfaktor Rechnung zu tragen ist. Was damit an Verwaltungsarbeit verbunden ist, muß nicht sehr umfangreich sein, wenn man sich auf grobe und allgemeine Feststellungen beruft und lediglich in einzelnen Streitfällen eine Entscheidung suchen muß. Wir hatten uns das jedenfalls so vorgestellt, rechneten mit Ihrer Mitarbeit und glaubten, vor allem mit Unterstützung des Wohnungsbauministeriums eine allgemein anerkannte Lösung zu finden. Im Grunde genommen konnte sie auf einem gemeinsamen Weg gefunden werden. Der Herr Kollege Dr. Czaja hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß ja auch der Regierungsentwurf den Versuch macht, eine Reihe von Kategorien aufzustellen und wohnwertähnliche Merkmale zugrunde zu legen.
— Ja, Herr Kollege Dr. Czaja, Sie sind begeistert von diesem Weg, aber wir keinesfalls, einmal, weil wir ihn für zu grob halten, zum andern, weil wir in dieser Vorlage auch zu viele Varianten, zu viele Differenzierungen nach der andern Seite sehen. Wenn Sie sich darauf beschränkt hätten, wenige Möglichkeiten der Mieterhöhung festzulegen, wenn Sie nicht so viele Ausweich- und Zusatzmöglichkeiten geschaffen hätten, sähe die Vorlage anders aus.
Eine letzte Bemerkung. Herr Dr. Czaja, ich weiß nicht, woher Sie Ihr Wissen von einer grundsätzlichen Ablehnung einer Wohnwertmiete durch den Gesamtverb and gemeinnütziger Wohnungsunternehmen beziehen. Wenn Sie die große Eingabe des Verbandes anschauen, finden Sie auf Seite 7 abgewogene Bemerkungen zur Wohnwertmiete, die lediglich insofern skeptisch gehalten sind, als mit unüberwindlichen Widerständen gerechnet wird: damit ist die Regierung gemeint, das sind Sie in der Vorstellung dies Verbandes.
— Aber, verzeihen Sie, es ist hier darauf hingewiesen worden, daß es an sich grundsätzlich zweckmäßig wäre, Wohnwerte festzustellen und nach einer Skala von Wohnwerteigenschaften auch zu Mietberechnungen zu kommen.
Der Herr Minister hat in seinen einleitenden Bemerkungen soeben mit aller Deutlichkeit herausgestellt, daß es eine ideale Lösung wäre, wenn man, was er für unmöglich hält, Wohnwertmieten nach einem Katalog feststellen könnte. Nun, wir haben den Versuch gemacht, wenigstens Hinweise nach dieser Richtung zu geben, und wir waren der völlig naiven Auffassung, wie ich jetzt feststellen muß, daß gerade Ihnen als Marktwirtschaftler ein solcher Vorschlag durchaus annehmbar erscheinen müßte. Für eine Ware ist doch der Wert das wichtigste, und es ist normal, daß ,der Preis entsprechend dem Wert verlangt wird. Hier ist es der Wohnwert.
Angesichts der hier auftretenden Bedenken können wir aber nicht die Hoffnung hegen, daß Sie unserem Antrag zustimmen. Wir bitten Sie, wenigstens dem Eventualantrag ihre Zustimmung zu geben, über den im Verlauf der Diskussion schon einiges andeutungsweise gesagt worden ist.
Das Wort zur Begründung des Eventualantrags hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will :die Diskussion nicht wieder aufgreifen, sondern lediglich wiederholen, was ich vorhin andeutete. Wenn der Plafond mit 130 % einen Sinn haben soll, wenn überhaupt der Anschein einer Berücksichtigung des Wohnwertes gegeben werden soll, dann muß doch die Wohnung für die Miete, für die eine Auffanggrenze von 130 % des Richtsatzes im Plafond verankert wird, auch wirklich einer solchen Wohnung entsprechen, wie sie im Sozialen Wohnungsbau für 130 % der Richtsatzmiete geboten wird. Demzufolge darf die
Formulierung des § 13 Abs. 1 nicht lauten: „Mieterhöhungen auf Grund der §§ 3, 5 und 8 sind insoweit unzulässig . . .", sondern es muß, damit die Wohnungen denjenigen im Sozialen Wohnungsbau entsprechen, § 6 Abs. 1 eingefügt werden. Es muß daher heißen: „ ... auf Grund der §§ 3, 5, 6 Abs. 1 und 8 . .". Und weiter unten, wo auf den § 6 Bezug genommen wird und wo die Wohnungen festgelegt werden, deren Mieten über den Plafond hinausgehen dürfen, darf es nicht heißen „nach § 6 Abs. 1 bis 3", sondern nur „nach § 6 Abs. 2 und 3". Ich glaube, das ist das Minimum dessen, was man verlangen kann, und ich bitte, wenn Sie sich nicht dazu durchringen sollten, unserem generellen Änderungsantrag zuzustimmen, doch mindestens diesem Eventualantrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den im Umdruck 396 Ziffer 7*) enthaltenen Hauptantrag ab. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Eventualantrag abstimmen, den Sie unter derselben Ziffer finden. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über die §§ 13, 14 und 15 in der Ausschußfassung ab. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. — Die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 16 ist ein Änderungsantrag angekündigt: Umdruck 410 Ziffer 2**). Wer begründet diesen Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das uns vorliegende Gesetz hat sicherlich eine Vorgeschichte, die in die Zeit des 1. Bundestages zurückreicht. Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn seitens des Hausbesitzes damals Wünche laut geworden sind, auch der Lage des Hausbesitzes Rechnung zu tragen. Sicherlich sind aus dieser Zeit auch Absprachen zu verzeichnen, daß man derartigen grundsätzlich berechtigten Forderungen nun hier im 2. Bundestage entsprechen würde. Ich sage das zum Tatsächlichen, gar nicht polemisch, meine Damen und Herren. Als wir erstmalig mit dieser Frage beschäftigt wurden, haben wir erklärt, daß wir für diese Forderung durchaus Verständnis hätten, daß wir aber Bedenken in sozialer Hinsicht hätten, daß wir also einem solchen Gesetz nur dann zustimmen könnten, wenn ein gewisser Personenkreis, dem eine Mieterhöhung nicht zumutbar sei, durch Mietbeihilfen in die Lage versetzt werde, diese Erhöhungen von sich aus abzuwenden. Sie kennen ja alle die Behandlung dieser Frage. Sie ist dauernd offengeblieben, sie wurde meist ausgeklammert, und noch Ende vorigen Monats ist dann wieder verhandelt und darüber korrespondiert worden.
Nach unseren Feststellungen ist aber mit einem Fürsorgerichtsatz von 110 % nur ein ganz kleiner Personenkreis betroffen, der in den Genuß der
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
Mietbeihilfen käme; sämtliche Unterhaltsempfänger, Kriegswaisen, Witwen und sonstige Sozialrentner bekommen keine Mietbeihilfen. Ich habe einmal bei mir im Landkreis Hildesheim, wo die Fürsorgerichtsätze sicherlich nicht die niedrigsten in der Bundesrepublik sind, eine Feststellung gemacht. Hier betragen für eine Einzelperson 110 % des Fürsorgerichtsatzes 83,50 DM. Ein Unterhaltsempfänger erhält 100 DM, Kriegerwitwen nach dem BVG 118 DM. Bei einem Ehepaar sieht es so aus: 110 % des Fürsorgerichtsatzes sind 113 DM, Unterhaltsempfänger erhalten nach dem LAG 150 DM und Kriegerwitwen mit einem Kind nach dem BVG 166 DM. Für Ehepaare mit zwei Kindern sind 110 % des Fürsorgerichtsatzes 169,40 DM. Unterhaltshilfeempfänger nach dem LAG erhalten 220 DM, Kriegerwitwen mit drei Kindern 262 DM. Also Unterhaltshilfeempfänger nach dem LAG würden erst bei 160 %, Kriegerwitwen bei 170 % und ein anderer Teil erst bei 200 % des Fürsorgerichtsatzes hiernach noch in den Genuß einer Mietbeihilfe kommen. Da die Richtsätze aber unterschiedlich sind und in einigen Teilen der Bundesrepublik noch niedriger liegen, kann man sagen, daß hier ein Richtsatz etwa zwischen 150 und 200 % genommen werden müßte, um alle zu erfassen. Bei 200 % hätte man die Gewähr dafür, daß dieser Personenkreis wirklich in den Genuß der Mietbeihilfe käme.
Aus diesem Grunde hat sich meine Fraktion veranlaßt gesehen, diesen Antrag zu stellen, und wir bitten, ihm Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, was Herr Kollege Engell sagte, daß von Anbeginn an bei den Vorverhandlungen über dieses Gesetz bereits darauf Wert gelegt wurde, daß Mietbeihilfen für einkommenschwache Bevölkerungskreise gezahlt werden. So erscheint denn auch dieser Abschnitt über Mietbeihilfen in diesem Ersten Bundesmietengesetz, in das er normalerweise nicht hineingehören würde.
Herr Kollege Engell, Sie wissen aus den Vorverhandlungen bestens, wie schwer es war, den Bundesfinanzminister zu bewegen, einen gewissen Zuschuß aufzubringen. In der Vorlage standen deshalb zunächst einmalig 15 Millionen DM gewissermaßen als Initialzündung. Es war daran gedacht, daß auch die Länder sich in einer angemessenen Weise beteiligten. In den weiteren Beratungen ist es dann gelungen, den Herrn Finanzminister zu bewegen, diese Mietbeihilfen auf 3 Jahre auszudehnen und sie auf jährlich 13 Millionen zu bemessen, wie Sie in § 17 lesen können.
Es bestand im Ausschuß Einmütigkeit darüber, Mietbeihilfen einzuführen. Alle Parteien haben im Ausschuß erklärt, daß es sich bei diesen Sätzen nur um Mindestsätze handeln könne, daß sie zu gering seien und daß diese Dinge weiterentwickelt werden müßten. Die Grenzen fanden wir an den Möglichkeiten des Finanzministers. Aber ich glaube, wir dürfen alle feststellen, daß der Finanzminister doch großzügig einen Schritt nach vorwärts getan hat. Das ganze Haus würde den Antrag der BHE-
Fraktion sicherlich begrüßen, wenn es möglich wäre, die für ihn notwendigen Mittel aufzubringen. Ich glaube, daß in den Verhandlungen und in den weiteren Beratungen über die Auswirkungen der Mietbeihilfen in den Ländern sich weitere Entwicklungen in Richtung dieses Antrags abzeichnen werden.
Wenn ich gegen die Annahme des Antrages sprechen muß, dann deshalb, weil seine Annahme die Frage der Mittelbeschaffung aufwerfen würde und zur Folge hätte, daß der Finanzminister uns dann sagen würde, daß er über das bisherige Maß hinaus nicht in der Lage sei, mehr zu geben. Darum also, weil diese Frage auf Bundesebene im Augenblick nicht in dem wünschenswerten Umfang geregelt werden kann, bitte ich, den Antrag des BHE abzulehnen und es bei der Ausschußfassung des § 16 zu belassen, die — das betone ich noch einmal — einstimmig angenommen worden ist, wobei alle Parteien betont haben, es könne sich nur um einen bescheidenen Anfang handeln; das Ziel sei, im Sinne des BHE-Antrages höhere Mietbeihilfen zu schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Bloß ein Wort, weil der Herr Kollege Lücke sich auf die Einstimmigkeit des Ausschußbeschlusses berufen hat. Wir haben diesem Ausschußbeschluß zugestimmt, weil das als Mindestgrenze festgelegt war und nicht mehr zu erreichen war. Das heißt nicht, daß wir nicht gewillt waren, eine höhere Grenze zu ziehen.
Aber wir konnten eine Mindestgrenze ja nicht ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lücke, man könnte mit Ihren Ausführungen sehr einverstanden sein, wenn auch nur die Spur einer Hoffnung vorhanden wäre, daß das ein erster Schritt ist, dem in einer mehr zwangsläufigen Entwicklung weitere Schritte folgen könnten. Aber diese Hoffnung ist doch nach der gegenwärtigen Konstruktion der Mietbeihilfen wirklich nicht recht zu fassen. Was die Länder einmal machen werden, das steht doch völlig dahin; sie haben als gesetzliche Pflicht lediglich die Berücksichtigung eines Personenkreises, dessen Einnahmen nicht mehr als 110 % des Fürsorgerichtsatzes ausmachen.
— Ja, so weit geht also die gesetzliche Pflicht. Wenn das, was darüber hinaus geschehen soll, etwa nach fürsorgerechtlichen Individualprüfungen erfolgt, dann wird nach der Praxis der Bezirksfürsorgeverbände kaum etwas Nennenswertes zu erwarten sein.
Ich habe mich gefreut, Herr Kollege Lücke, daß Sie im Grundsatz für unsere Besorgnisse Verständnis haben. Vielleicht ist es möglich, doch noch eine Regelung zu finden. Ich sage ganz offen, daß auch dieser aus der Zeitnot des Augenblicks geborene Vorschlag von 200 % uns weiß Gott nicht befriedigt. Aber wir stehen vor folgender Frage, die uns ernste politische Sorgen auferlegt. Wir haben für einen Personenkreis, der aus verständlichen Gründen von unserer Sorge in besonderem Maße umfaßt wird, für die Unterhaltshilfeempfänger des Lastenausgleichs, vor einigen Monaten in diesem Hause gemeinsam eine Erhöhung vorgenommen. Die Notwendigkeit dieser Erhöhung ist durch den einmütigen Beschluß des Hauses so unterstrichen, daß eine Begründung dafür nicht gegeben zu werden braucht.
Nun bitte ich einmal, sich zu überlegen: Die Unterhaltshilfeempfänger fallen alle aus dem zwingend zu berücksichtigenden Personenkreis heraus.
— Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Unterhaltshilfe beträgt 100 DM für eine Einzelperson und 150 DM für zwei Personen. Wo soll denn ein Richtsatz — vielleicht ist das in Frankfurt am Main der Fall oder sonst in einem Ort, der für diesen Kreis völlig uninteressant ist —
so hoch sein? — Bitte, ich bin auch einverstanden, wenn wir sagen: Der überwiegende Teil der Unterhaltshilfeempfänger fällt bei der gegenwärtigen Formulierung aus diesem Personenkreis heraus, und das, Herr Kollege Lücke, ist etwas, was uns untragbar erscheint.
Sie richteten uns eine Hoffnung auf, indem Sie sagten: „Die Länder werden schon!" — Herr Lücke, ich fürchte, die Länder werden nicht! Zumindest werden sie nicht so schnell zu handeln bereit sein, daß nicht jetzt durch die Annahme und Auswirkung des Gesetzes im Lande zunächst ein Zustand entstehen wird, den wir auch als Regierungsparteien in diesem Augenblick wirklich nicht für wünschenswert halten können.
— Doch, doch! Darf ich einmal etwas zu den finanziellen Auswirkungen sagen. Dieses Gesetz bezweckt ja nicht allein eine Sanierung des Althausbesitzes, soweit das notwendig ist, sondern dieses Gesetz bezweckt ja, wie der Herr Bundeswohnungsbauminister uns angedeutet und ausgeführt hat, auch eine Auflockerung mit dem Ziel, langsam zu einem völligen Freilassen der Mieten zu kommen. Das geht eben nur, wenn der Bundestag bereit ist, den sozial Schwachen, die bei Beschreiten eines solchen Weges allein aus eigener Kraft nicht weiterkommen, zu helfen und die Last auf breitere Schultern zu legen. Sonst ist es eben nicht zu machen, Herr Euler. Ich weiß nicht, ob Sie nicht auch das Empfinden haben, daß es doch für die Bundesregierung, für die Parteien, ja für das ganze Haus hier höchst unerfreulich ist, daß wir vor wenigen Monaten oder Wochen — das Gesetz ist ja erst vor wenigen Wochen rechtsgültig geworden — eine zwingende Notwendigkeit zur Erhöhung sahen und jetzt, wenige Wochen später diesen Menschen Beträge von 3, 4 oder 5 DM, was immerhin einen beträchtlichen Prozentsatz der von uns vorgenommenen Erhöhungen bedeutet, wieder wegnehmen. Ich bin der Meinung, daß wir Gefahr laufen, gegenüber den sozial Schwachen unglaubwürdig zu werden bei der Durchsetzung dessen, was wir alle ehrlich wollen.
Ich meine, dieses Problem ist auch finanziell so furchtbar schwierig nicht. Die Schätzungen beruhen da auf sehr schwacher Grundlage. Meine Freunde sind etwa zu der Meinung gekommen; daß, wenn man diesen auch uns nicht ganz befriedigenden Schnitt etwa bei 200 % machen würde, der Jahresaufwand sich wahrscheinlich statt auf 13 Millionen vielleicht auf das Dreifache und etwas darüber belaufen würde. Wenn Sie uns eine Regelung hier im Gesetz konzedieren, in der wir gleich eine Verteilung der Last vornehmen — meinetwegen eine
Regelung: beim Bund soll es bei den 13 Millionen bleiben, die Länder leisten ihre üblichen 25 % zu den Fürsorgelasten —, dann sind vielleicht diese Dinge auf genügend starke Schultern verteilt, und die unerfreulichen sozialpolitischen Auswirkungen können vermieden werden. Wir versteifen uns nicht unbedingt auf 200 %, aber wir bitten um Verständnis dafür, daß die gegenwärtige Regelung unsere ernstesten politischen Besorgnisse hervorrufen muß. Vielleicht könnten wir uns — das würde vielleicht zwischen zweiter und dritter Lesung möglich sein — kurz zusammensetzen und gemeinsam wenigstens erreichen, daß wir den Mindestsatz erhöhen und die Verpflichtung der Bezirksfürsorgeverbände — mit der üblichen Beteiligung der Länder — etwas deutlicher formulieren. Denn bei den vorgesehenen 110 % fällt der Kreis, der tins besonders am Herzen liegt, völlig aus.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gille! Diese Sache ist ein Anfang. und dieses Gesetz ist ein Zustimmungsgesetz. Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz. Hier geschieht etwas, das im Hohen Hause bisher nicht üblich war: daß wir den Finanzminister — eben aus diesen sozialpolitischen Erwägungen — veranlaßt haben, daß er aus den 15 Millionen drei mal 13 Millionen gemacht hat. Ich kann nur wiedergeben aus den Ausschußberatungen, daß wir alle — auch der Kollege Engell, der doch teilgenommen hat — wissen: von Bundes wegen ist das wirklich das Äußerste, was geschehen kann.
Ich sagte schon, es ist ein Zustimmungsgesetz. Ich bin der festen Überzeugung, daß in den Ländern ähnlich verfahren wird. Denn wir machen doch in dieser Frage, zu den Mietbeihilfen, ein Gesetz für den Altbau, und wir erwägen und diskutieren doch bereits, auch für den Neubau ähnliche Hilfen vorzusehen. Nun ist es den Ländern unbenommen, das Ziel Ihres Antrags — und das werden sicherlich alle Parteien tun — in den Länderparlamenten durchzusetzen. Im Lande NordrheinWestfalen haben wir doch einen ausgezeichneten Modellfall; dort hat man für kinderreiche Familien bereits ein wirksames Mietbeihilfesystem eingeführt, mit überraschendem Erfolg und relativ geringem Aufwand. Wir sind der festen Überzeugung, daß das hier festgelegte System, das einen Rechtsanspruch auf Bundesebene sichert, ein so brauchbarer Anfang ist, daß die Länder, in denen ja auch Ihre Kollegen in den Landtagen und vielfach noch mit in den Regierungen sitzen, die Sache so ausbauen, wie das Hohe Haus es aus sozialpolitischen Erwägungen wünscht. Wenn wir es jetzt nicht können, dann deshalb, weil ich, Sie wissen es, erklären kann, daß der Finanzminister wirklich keinen Schritt weiter tun kann. Die Annahme Ihres Antrags würde unübersehbare Folgen haben, würde bedeuten, daß damit das Gesetz gefährdet würde.
Darum darf ich bitten, die Sache in den Ländern weiterzudiskutieren. Meine Freunde werden dafür sorgen, daß das geschieht.
— Ja.
Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Änderungsantrag Umdruck 410 Ziffer 2 annehmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über § 16 in der Ausschußfassung ab: Wer diese Bestimmung annehmen will, der erhebe die Hand. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; § 16 ist in. der Ausschußfassung angenommen.
Zu § 17 ist ein Änderungsantrag — Umdruck 396 Ziffer 8 — angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In §§ 15 ist nunmehr festgelegt, daß den einkommenschwachen Mietern Beihilfen gewährt werden. Ursprünglich war in der Vorlage nur davon die Rede, daß Beihilfen gewährt werden können. In § 16 wird nun geregelt, wer als einkommenschwach zu bezeichnen ist. Wir haben darüber ja jetzt debattiert. Auch uns wäre es lieber gewesen, wenn der Satz von 110 % erhöht worden wäre; aber es ist nun einmal so beschlossen worden. Wir sind auch für den § 17, da nunmehr feststeht, daß der Bund für Mietbeihilfen jährlich je 13 Millionen DM an die Länder gibt. Wir sind aber der Meinung, daß eine Begrenzung auf einen Zeitraum von drei Jahren für diese Bundesmittel falsch ist. Halten Sie uns nicht für unverschämt. Wir erkennen gern an, daß der Herr Finanzminister bereit ist, statt nur einmal 15 Millionen jetzt für drei Jahre je 13 Millionen DM zu geben. Da jedoch feststeht, daß noch Millionen von Wohnungen fehlen, daß wir noch mindestens fünf Jahre lang intensiv Wohnungen bauen müssen, werden wir leider auch noch länger als drei Jahre Mietbeihilfen zahlen müssen.
Wir beantragen daher gemäß Ziffer 8 unserer Vorlage, in § 17 Abs. 1 Satz 1 hinter dem Wort „Länder" das Wort „vorläufig" einzufügen. Kollege Lücke hat ja eben gesagt, er betrachte das nur als einen Anfang und hoffe, daß der Weg, der hiermit notwendigerweise beschritten worden sei, in der gleichen Weise fortgesetzt werde. Wir könnten das, was der Kollege Lücke im Sinne hat, heute schon festlegen, indem wir „vorläufig" einfügen. Dann bringen wir zum Ausdruck: solange es notwendig ist, muß diese Beihilfe gewährt werden, weil anders dem Schlechtgestellten praktisch nicht geholfen werden kann. Wir bitten Sie deswegen, unserm Antrag zuzustimmen, also „vorläufig" einzufügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn wir das Wörtchen „vorläufig" einfügen, bedeutet es für einen künftigen Bundestag keine Verpflichtung, ob und wann und wie und in welcher Höhe er eines schönen Tages Mietbeihilfen festsetzen soll.
— Es ist eine Anregung, daß die künftige Entwicklung in dem Sinne laufen soll, nämlich daß die Bewohner von alten Häusern weiter durch Beihilfen unterstützt werden, wenn die in Zukunft fälligen Mieten nicht tragbar sind.
Ich muß aber noch etwas anfügen, um ein Mißverständnis zu vermeiden. Die Beihilfen kommen für Bewohner von Häusern, die seit 1948 gebaut worden sind, nicht in Frage. Es hat sich vorhin, als Herr Kollege Gille gesprochen hat, so angehört, als ob gerade die Vertriebenen und Flüchtlinge durch dieses Gesetz belastet würden. Das ist gar nicht der Fall; :denn die Vertriebenen und die Flüchtlinge, überhaupt die Lastenausgleichsberechtigten, hatten ja keine Wohnung mehr. Sie wohnen heute schon in den neuen Wohnungen ,des Sozialen Wohnungsbaus
und haben ihre festen Mieten, und es ist nur ein Bruchteil — man kann es :abschätzen —, der tatsächlich in alte, billige Wohnungen hineingekommen ist, für die Mietbeihilfen in Frage kommen. Es ist also immer festzuhalten, daß Mietbeihilfen nur für Wohnungen gezahlt werden können, die bis zur Währungsreform erbaut worden sind. Die Bewohner solcher Wohnungen sollen aber eine Mietbeihilfe nicht bloß für ein Jahr, sondern für drei Jahre bekommen. Durch die „drei Jahre" kommt zum Ausdruck, daß dies dann auch für weitere drei Jahre beschlossen werden soll und beschlossen werden wird. Wir haben gerade ,die Absicht, die Unterstützung ides Wohnungsbaus durch öffentliche Mittel auf Mietibeihilfen hinüberzulenken, wie das in den meisten Ländern Europas tatsächlich der Fall ist. Also durch das Wörtchen „vorläufig" wird .nichts Wesentliches hinzugefügt, sondern durch die Tatsache der dreijährigen Unterstützung ist schon zum Ausdruck gebracht: Es muß auf Jahre gehen. Niemand wird durch das Wörtchen „vorläufig" verpflichtet. Wir haben mit dem Bundesfinanzminister die Mietbeihilfen besprochen und vereinbart.
Ich beantrage daher im Namen meiner Freunde, den Antrag bezüglich des Wörtchens „vorläufig" abzulehnen.
Wird das Wort noch gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch darauf bestehen, daß das Wörtchen „vorläufig" eingefügt wird; denn ich habe kein so großes Zutrauen zu dem, was die Bundesregierung gelegentlich einmal erklärt. Ich möchte bloß ein Zitat ,aus der umfangreichen Drucksache 1110 wiederholen, das eigentlich bei der Diskussion dieses Paragraphen hätte angesprochen werden müssen. Es hat sich zwar inzwischen alles von diesem Zitat distanziert, sowohl die Koalitionsparteien als auch die Bundesregierung in der Person des Herrn Bundeswohnungsbauministers. Auf der Seite 144 steht nämlich als Entgegnung auf die Ausführungen des Bundesrats, daß .die Bundesregierung der Meinung sei, daß ein Teil der Bevölkerung infolge Lohnerhöhungen usw. den Ausgleich für die zu erwartenden Mieterhöhungen bereits bekommen habe. Weiter heißt es dort — und jetzt kommt das Primäre —:
. . . idas gleiche gilt für die Sozialrentner im Hinblick auf das vor kurzem verabschiedete Rentenmehrbetragsgesetz.
Wenn sich auch heute zu dieser Äußerung niemand
mehr bekennen will und der Vater dieser Außerung
für uns auch in der Ausschußdebatte nicht feststellbar war, so glaube ich doch, daß das, was hier schwarz auf weiß in der Begründung der Regierung zu Papier kommen konnte, zeigt, wie notwendig es ist, daß wir keine Möglichkeit außer acht lassen, die Bundesregierung irgendwie zu binden. Ich bitte deswegen darum, durch das Wörtchen „vorläufig" zum Ausdruck zu bringen, daß es für uns nicht bei den drei Jahren sein Bewenden haben darf, sondern daß :die drei Jahre die erste Etappe sind und nachher, vor Ablauf der drei Jahre, entschieden werden soll, in welcher Form es weitergehen soll.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 396 Ziffer 8 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 17 und 18 in der Ausschußfassung. Wer diese Bestimmungen annehmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 19 ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 9 angekündigt. Wird der Antrag begründet? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 19 behandelt, mit einem Wort kurz gesagt, die Abschreibung der Mieterleistungen. Für diese Abschreibung ist eine Zeit von vier Jahren vorgesehen. Wir sind aber der Meinung, daß für den Mieter, der eigenes Kapital, Arbeitskraft usw. in ein Mietobjekt gesteckt hat, eine Abschreibung von 25 % im Jahre zu hoch ist. Deswegen bitten wir, die Frist von 4 auf 6 Jahre zu erweitern. Ich glaube, man kann nicht sagen, daß dieser Antrag unsachlich oder unberechtigt wäre.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die §§ 19, — 20, — 21, — 22, — 23, — 24, — 25, —26, — 27, — 28 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 29 ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 10 angekündigt. Wer begründet? — Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Heise.
Meine Herren und Damen! Wir bitten Sie, in Abs. 2 die Nummern 2 und 3 zu streichen. Hier soll der Verkauf einer Wohnung möglich gemacht werden. Es soll ein Anreiz gegeben werden. Nur finanzstarke Nachfolgermieter können dem vorhergehenden Mieter Ersatzraum schaffen — das wird in der Nr. 2 gefordert —, seine Aufwendungen für die nächste Wohnung ausgleichen und ihm, wie in Nr. 3 gefordert wird, die Umzugskosten erstatten. Finanziell leistungsschwache Mieter werden auch durch diesen Paragraphen an der Übernahme einer Altbauwohnung gehindert werden. Wir haben immer wieder ge-
hört, daß bereits jetzt bei einem Wohnungswechsel Umzugskosten vergütet werden. Das mag stimmen. Für Berlin trifft das weitgehend nicht zu. Aber man braucht ja nun nicht eine Vereinbarung, wie sie jetzt getroffen wird und sicherlich nicht immer auch kontrollierbar ist, noch gesetzlich zu verankern und sie damit 'zur Norm zu machen. Wir bitten also, diesem Antrag stattzugeben und die beiden Nummern 2 und 3 zu streichen. Wir glauben, daß hier ein Anreiz zum Verkauf von Wohnungen gegeben wird und daß man dem nicht stattgeben sollte.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsantrag annehmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 29, —30, — 31, — 32, — 33, — 34 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 35 ist ein weiterer Änderungsantrag angekündigt, Umdruck 396 Ziffer 11. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihr Einverständnis, daß ich die Ablehnung der §§ 35, 36 und 38 der Einfachheit halber gemeinsam begründe. In diesen Paragraphen werden praktisch Änderungen anderer Gesetze verlangt. Wenn man mir auch mal gelegentlich zur Antwort gab: „Ja, man macht uns den Vorwurf, daß wir so viele Novellen zu den bestehenden Gesetzen einbringen", dann wird die Geschichte, glaube ich, nicht dadurch besser, daß man die Novellen zu bestehenden Gesetzen in anderen Gesetzen versteckt, damit sie überhaupt niemand mehr findet. Man dient auch nicht der Klarheit eines Gesetzes, wenn man hier Änderungen anderer Gesetze mit hineinbringt. Selbst wenn man hier einen Bogen Papier mehr beschreiben müßte, wäre es angemessener und klarer, zu einem Gesetz, das man ändern will, einen eigenen Änderungsantrag zu bringen.
Der § 36 erscheint uns wegen seines Inhalts sehr gefährlich, weil er die Herausnahme von Wohnraum aus der Preisbindung dann vornimmt, wenn der Wohnraum gemeinsam mit Geschäftsraum vermietet wird, ohne daß irgendwie ein Zusammenhang mit diesem Geschäftsraum zu bestehen braucht. Ja, es braucht nicht einmal dasselbe Grundstück zu sein. Es braucht bloß derselbe Besitzer zu sein und ein gemeinsamer Mietvertrag abgeschlossen zu werden. Dann ist die Folge, daß, wenn später einmal beide Objekte wieder getrennt vermietet werden, der an und für sich noch gebundene Wohnraum für eh und je frei bleibt. Damit durchbrechen wir praktisch die Gültigkeit der Preisbestimmungen in einer Art, wie sie nicht zu vertreten ist. Wenn der Hauswirt dem Mieter eines Geschäftsraumes in einem seiner Grundstücke oder im selben Grundstück auch eine Wohnung zur Verfügung stellen kann, so wird dadurch für den Mieter der Geschäftsraum praktisch wertvoller. Dann soll der Mieter die Werterhöhung des Geschäftsraums durch eine höhere Miete für diesen Geschäftsraum bezahlen. Das ist möglich, da der Geschäftsraum ja von der Preisbindung frei ist. Es sollte aber keine Erhöhung auf die Miete für die Wohnung geschlagen werden.
Wir bitten also, die hier angezogenen Paragraphen, die einmal die Koppelung von Änderungen anderer Gesetze mit diesem Gesetz und zum anderen, bei § 36, die Koppelung von preisgebundenem Wohnraum mit freigewordenem Geschäftsraum vorsehen, zu streichen.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die beiden Ziffern des Antrags. Ich kann über die beiden Ziffern 11 und 12 des Antrags Umdruck 396 zusammen abstimmen lassen. Wer für die Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über die §§ 35, —36, — 37, — 38, — 39 in der Ausschußfassung. — Wer diese Bestimmungen annehmen will, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Nun der Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 13! Es soll nach § 39 ein neuer Abschnitt eingefügt werden, dessen Wortlaut sich auf Seite 3 des Antrags Umdruck 396 befindet. Wer begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag, in dem wir die Einfügung eines Neunten Abschnitts mit einem neuen § 39 a verlangen, ist für uns besonders wichtig. Sowohl in Hausbesitzer- wie in Mieterkreisen gibt es Menschen mit einer durchaus unterschiedlichen wirtschaftlichen Grundlage. Alle Maßnahmen, die bisher auf dem Gebiet der Instandsetzungen usw. getroffen wurden - ich denke hier besonders an die Rückstellung von 30 % der Mieten auf 3 Jahre für Reparaturzwecke —, nutzen jenen Personen nichts, deren Einkommen so gering ist, daß sie auf die paar Pfennige Miete, die sie bekommen, nicht verzichten können. Ich denke hier besonders an die immer wieder erwähnten Rentner als Hausbesitzer, die die paar Pfennige Miete verbrauchen müssen, um einfach das nackte Leben zu erhalten. Aber auch diese Menschen möchten ihren Besitz erhalten. Sie werden es nur dann können, wenn sie die vielgepriesenen Instandsetzungsdarlehen zu Bedingungen bekommen, die sie nicht unnötig belasten — ich habe es schon damals in der ersten Lesung gesagt—, zu Bedingungen, die ungefähr den Bedingungen des Sozialen Wohnungsbaues entsprechen.
Je weiter wir von einer derartigen Mangellage auf dem Wohnungsmarkt hinwegkommen, je mehr wir an die echte Marktlage, die uns ja von der Koalition so verheißungsvoll versprochen wird, herankommen, desto notwendiger ist es, daß wir an die Wohnungen des Altbestandes denken, die sich heute in der Qualität zu einem großen Teil sehr weit von den Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaues unterscheiden. Ich möchte hier als Parallele nicht die Wohnungen angezogen haben, die gleich nach der Währungsreform erstellt sind, sondern ich denke an den Sozialen Wohnungsbau. Bei der Begründung für den § 6 Abs. 1 ist beispielsweise angeführt worden, daß es nur wenige Wohnungen im Althausbesitz gebe, für die Mieterhöhungen von 15 % verlangt werden könnten, weil bloß ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz diese Ausstattungsmerkmale aufweise. Wenn
das aber so ist, dann muß mit dem Nachlassen der Wohnungsnot der Althausbesitz in die Lage versetzt werden, den Zustand seiner Wohnungen zu verbessern und den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Denn vielleicht hat vor 50 Jahren noch ein großer Teil der Menschen ein Bad oder eine Duscheinrichtung in der Wohnung als Luxus angesehen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das heute zur Normalwohnung gehört, und Gott sei Dank haben die Menschen mit dem Fortschritt der Technik auch gelernt, Ansprüche ans Leben zu stellen. Unsere Aufgabe ist es, diese Ansprüche so weit als irgend möglich zu befriedigen.
Deswegen unser Antrag, die Möglichkeit zu schaffen, Darlehen zu verbilligtem Zinssatz oder Zinszuschüsse, eventuell auch Bürgschaften, zu geben. Wir haben es hier einmal roh umrissen, weil es sich hier, wie Sie bei der Mietbeihilfe behaupten, um einen Versuch handelt. Es kann heute kein Mensch sagen, ob ein Hausbesitzer in der Lage ist, das bereits mit den augenblicklichen Möglichkeiten, wie mit der Rückstellung und der Abschreibung, durchzuführen, oder ob ihm vielleicht noch ein paar Mark fehlen, die er zinsfrei oder zu einem niedrigen Zinssatz haben muß, wie er ihn heute nicht bekommt, um das durchführen zu können. Dieses Experiment, den Althausbesitz zu sanieren, das Niveau des Althausbesitzes anzuheben und dem kleinen Mann und dem Rentner die Möglichkeit zu schaffen, seinen Besitz in Ordnung zu halten, würde sich, glaube ich, wahrhaftig als Schrittmacher bewähren. Man kann eventuell über die Höhe der eingesetzten Summen handeln. Ob man dieses Experiment mit 50 Millionen oder mit 60 Millionen, mit 40, mit 30 oder mit 70 Millionen machen will, das ist eine Frage, die durchaus diskutabel ist. Bedauerlich ist, daß darüber in den Ausschußberatungen, obwohl dieser Antrag bereits vorgelegen hat, nicht eingehend diskutiert worden ist, weil der Antrag keine Parallele im Gesetz selbst hat. Deswegen auch hier der ausdrückliche Antrag, einen Neunten Abschnitt einzufügen. Ich glaube, dieses Experiment, den Standard unserer Altwohnungen zu heben und dem Teil des Hausbesitzes, der notleidend ist, wirklich zu helfen, würde sich lohnen.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Minister für den Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Hauffe hatte gerade bei den vorhergehenden Anträgen moniert, daß man in ein Gesetz doch nicht zuviel Novellen aus anderen gesetzlichen Bereichen hineinschreiben sollte. Immerhin standen die Maßnahmen der §§ 35, 36 und 38 noch unmittelbar mit den Mieten in Kontakt. Hier bei den Maßnahmen, die nach dem Antrag in dem neuen Neunten Abschnitt vorgesehen werden sollen, geht es aber tatsächlich nur um eine mittelbar damit zusammenhängende Materie, nämlich um die Bereitstellung von Mitteln für die Gewährung von verbilligten Darlehen und Zinszuschüssen sowie Bürgschaften für die Instandsetzung von Altwohnungen. Daß das notwendig ist, darüber herrscht, glaube ich, völlige Einmütigkeit. Daß es obendrein im Rahmen des Möglichen bereits geschieht, das weiß das Hohe Haus genau so und wird es in den kommenden Stunden, wie ich hoffe, bei den Haushaltsberatungen dann auch positiv bewerten und akzeptieren. Denn in dem Haushalt des Bundeswohnungsbauministers sind immerhin 27 Millionen DM für solche zinsverbilligte Darlehen und Zuschüsse enthalten. Bürgschaften darf ich obendrein auch schon jetzt für diesen Zweck übernehmen. Also die in den Ziffern 1 bis 3 des vorgeschlagenen § 39 a Abs. 1 verlangten Maßnahmen sind materiell schon so nicht nur möglich, sondern werden auch von mir praktiziert. Bei der im Dritten Abschnitt genannten Zahl würde ich natürlich auch für den Bund allein gern noch etwas höher kommen. Aber hier sind gewisse Grenzen gezogen. Für dieses Jahr ist es, wie gesagt, gelungen, die Darlehen von 17 Millionen DM im vergangenen Jahr auf 27 Millionen DM im Haushaltsansatz zu steigern. Dort gehört dieser Ansatz auch hin.
Dazu ist es gelungen, vor einigen Wochen die Zustimmung der Länder zu den Einkommensteuerrichtlinien 1955 zu erhalten, nach denen bis zu 30 % der Mieteinnahmen auf die Dauer von drei Jahren einem besonderen Rückstellungskonto zur Durchführung von Reparaturen gutgebracht werden können, die für den einzelnen Hauseigentümer steuerlich absetzbar sind, wenn er sie tatsächlich für diesen Zweck verwendet. Das ist der volkswirtschaftlichen Höhe nach völlig unbegrenzt. Diese Chance haben nämlich alle Hausbesitzer. Sie werden sie aber nur nutzen können, wenn auf Grund dieses Gesetzes tatsächlich die Möglichkeit zur Wiederherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit geschaffen ist. Ich darf Sie aus diesen Gründen bitten, diesen Antrag, der nach unserer Überzeugung hier gar nicht weit genug geht, weil er nicht einmal alles das erfaßt, was zugunsten der Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit notwendig ist — es gehört auch noch der ganze Komplex der Ertragsschwächeverfahren des Lastenausgleichsgesetzes mit hinein —, abzulehnen und davon überzeugt zu sein, daß wir uns gemeinsam Mühe geben werden, die Möglichkeiten zur schnellen Wiederherstellung des gesamten Althausbestandes in dem geeigneten Rahmen mit den geeigneten Mitteln voranzutreiben.
Wird das Wort noch gewünscht? Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Ich muß der Begründung des Herrn Ministers doch widersprechen. Es handelt sich bei dem von uns vorgeschlagenen neuen Abschnitt nicht um eine Novelle zum bestehenden Gesetz, und deswegen ist der Vergleich, mit dem er begonnen hat, ein bißchen schief.
Wenn man aber mit der Begründung kommen will, daß hier ein Fremdkörper in das Gesetz hineinkäme, der nicht hineingehört, dann können wir schon einige Fremdkörper in diesem Gesetz suchen, auf die wir sonst auch nicht verzichten zu können glauben. Wir haben nämlich mit Absicht darauf bestanden, daß die sozialpolitischen Maßnahmen bei den Mietbeihilfen im Gesetz bleiben, weil sonst kein Mensch weiß, wann die Dinge überhaupt kommen.
— Jawohl, Herr Minister; Sie wissen ja selbst, daß
wir manches nicht nötig hätten, wenn uns Ihr Kabinettskollege Storch die seit langem versprochene
Sozialreform endlich einmal brächte. Das ist auch der Punkt, mit dem ich Ihren Hinweis auf die rückstellbaren 30 % zurückweisen muß. Denn zurückstellen kann bloß derjenige, dessen soziale Lage so ist, daß er es sich erlauben kann. Die von Ihnen vorhin wieder erwähnten Rentner-Hausbesitzer sind einfach nicht in der Lage zurückzustellen, weil sie die paar Pfennige Miete, die sie einnehmen, ohne Rücksicht darauf, was mit dem Haus wird, verzehren müssen, auch wenn sie 10 % mehr kriegen. Auch die 4 oder 5 DM pro Monat, die sie nach Ihren Worten nachher mehr kriegen, werden sie — entschuldigen Sie diesen drastischen Ausdruck — verfrühstücken müssen, um das nackte Leben zu erhalten, weil nämlich ihre Renten dazu einfach nicht ausreichen.
— Wir wollen ihnen die geben, und Sie werden niemals beweisen können, daß wir gegen die 10 % Mieterhöhung sind. Aber wir verlangen auf diesem Gebiet Gesamtmaßnahmen, die nicht den einen wieder mehr in den Abgrund stoßen. Schauen Sie sich den Rentner als Mieter an und daneben den Rentner-Hausbesitzer! Dann werden Sie weder von dem Rentner-Mieter verlangen können, daß er Herrn Storch die Sozialreform vorwegfinanziert, die nicht kommt, noch im umgekehrten Verhältnis vom Rentner-Hausbesitzer verlangen können, daß er es für seinen Kollegen Rentner-Mieter tut. Dort liegen nämlich die Dinge im argen und stoßen sich im Raum. Deswegen ist die Begründung, die der Herr Bundeswohnungsbauminister gegeben hat, nicht zutreffend. Es ist auch nicht klar, ob er wirklich in der Lage ist, seine Instandsetzungsbeihilfen und Zinszuschüsse, die er im Etat hat, im Bedarfsfall zinslos zu geben, damit die Lücke, die dann da ist, echt geschlossen wird.
Ich glaube also, daß es gar nichts schadet, wenn hier der Bundestag eine echte Willensdemonstration gibt, damit endlich einmal das Argument verschwindet, daß man Mietfreigaben machen muß, durch die derjenige, der in der Lage ist, robust zu sein, sich irgendwie zusätzliche Einnahmen schafft und das mit dem armen Teufel Hausbesitzer begründet, der Rentner ist und sich nicht helfen kann. Diese beiden Begründungen passen einfach nicht zusammen. Deshalb möchte ich auf unserem Antrag bestehenbleiben.
Das Wort wird nicht weiter verlangt.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 396 Ziffer 13 ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über die §§ 40, — 41, —42, — 43, — 44 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit.
Zu § 45 ist ein Änderungsantrag und ein Eventualantrag gestellt. Sie finden sie in Umdruck 396 Ziffer 14.
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Heise.
Meine Herren und Damen! Bereits während der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs wurden von der sozialdemokratischen Fraktion Bedenken' gegen die jetzige Übernahme auf Berlin geltend gemacht. Die damalige Antwort des Herrn Ministers, daß der zuständige Ausschuß die Berlin-Klausel nochmals überprüfen solle und daß Berlin selbst immer noch den Riegel vorschieben könne, wenn sich das Abgeordnetenhaus außerstande sehe, das Gesetz jetzt zu übernehmen, ließ doch immerhin auf einiges Verständnis für die Berliner Lage schließen. Im Ausschuß war das dann leider nicht immer der Fall. Der Senat von Berlin hatte einen Beamten in den Ausschuß entsandt, dessen sachkundiger Bericht über die Lage des Berliner Hausbesitzes bei der Mehrheit des Ausschusses leider nicht ankam. Die zuständige Senatsstelle in Berlin hat nämlich eine Repräsentativerhebung über die Rentabilität von 20 000 Berliner Wohnungen angestellt. Das amtliche Resultat hat keine Unwirtschaftlichkeit ergeben.
Den Vertretern des Hausbesitzes wurde das Ergebnis mitgeteilt, als sie einmal wegen einer anderen Angelegenheit im Abgeordnetenhaus als Sachverständige gehört wurden. Die Vertreter des Hausbesitzes waren nicht imstande, das Ergebnis der Prüfungen zu widerlegen. Sie wurden aufgefordert, dem Senat Ertragsberechnungen vorzulegen, aus denen sich eine Unwirtschaftlichkeit ersehen ließe. Bis heute haben sie von diesem Angebot noch keinen Gebrauch gemacht.
Es handelt sich in Berlin immerhin um 80 000 Grundstücke, die mit Mehrfamilienhäusern bebaut sind, und noch kein einziges dieser Grundstücke wurde dem Senat als unwirtschaftlich nachgewiesen. Wie ist das zu erklären?
— Herr Dr. Will, es steht Ihnen frei, dazu den Beweis zu liefern. — Berlin hatte immer die höchsten Mieten; die hat es durch den Preisstopp behalten, obwohl es inzwischen seine Funktionen als Hauptstadt und damit auch als Dienstleistungsstadt verlor. Außerdem waren die Mieten in Berlin von Anfang an anders aufgebaut als im Bund. Im Bundesgebiet betrug die Friedensmiete im Reichsdurchschnitt 6 % des Grundsteuerwertes von 1914 — die Hauszinssteuer nimmt darauf Bezug —, in Berlin dagegen 7,15 %; zudem ist sie im Westen der Stadt noch höher. Die billigen Grundstücke liegen zumeist im Osten unserer gespaltenen Stadt. Daraus folgert der Senat, daß ein mittleres Berliner Miethaus mit monatlich etwa 1000 DM Mieteinnahmen ungefähr 200 DM monatlich mehr Überschuß hat als ein gleiches Haus im Bundesgebiet.
Nach den Zerstörungen, von denen Berlin besonders betroffen wurde, mußte jeder Berliner Regierung daran gelegen sein, den noch vorhandenen Hausbesitz so schnell wie möglich zu renovieren. Hausbesitzer des Bundesgebietes bestätigten immer wieder, daß in Berlin ungewöhnliche Vergünstigungen gewährt wurden. Das war erstens das in Berlin schon im Juli 1945 erlassene Zinsmoratorium für die Grundpfandrechte. Der dadurch freigewordene Anteil für die Verzinsung der Grundschulden brauchte als Gebäudeinstandsetzungsabgabe nicht abgeführt zu werden, wenn er für Instandsetzungsarbeiten verwendet wurde. Dieser Anteil betrug bei Altbauten 50 % der Miete und bei Zwischenkriegsbauten 55 %. Der Berliner Hausbesitz hat von dieser Vergünstigung Gebrauch gemacht; er
hat sie voll ausgenutzt. Bis zum Januar 1947 wurde tatsächlich so gut wie nichts an die Stadtkasse abgeführt.
Als nächste Hilfe für den Hausbesitz führte die Stadt Berlin die Baunotabgabe ein. Sie betrug je nach dem Grad der Belastung 2 bis 5 % des Einheitswertes oder 10 bis 25 % der Miete. Der Vermieter hatte übrigens das Auswahlrecht. Zwanzig Monate lang wurde ihm diese Baunotabgabe als öffentlicher Zuschuß erlassen, wenn er sie verbaute. Auch davon ist fast restlos Gebrauch gemacht worden. Schätzungsweise 250 Millionen DM sind dem Berliner Hausbesitz durch diese Maßnahme zugeflossen. Im anschließenden zweiten Erhebungszeitraum der Baunotabgabe, also bis zum Januar 1952, ist sie dem Vermieter als zinsloses Darlehen überlassen worden, wenn er nachweisen konnte, daß er dafür Instandsetzungsarbeiten ausführte. Das zinslose Darlehen ist übrigens in zwanzig gleichen Jahresraten zu tilgen.
Als dritte Entlastung ist anzusehen, daß die Vermögensabgabe nach § 88 des Lastenausgleichsgesetzes für die Zeit von 1952 bis zum Jahre 1957 — das haben Sie hier selbst beschlossen — nur in Höhe von einem Drittel erhoben wird.
Als vierte Vergünstigung haben Sie hier vor ein paar Wochen beschlossen, die Hypothekengewinnabgabe rückwirkend vom 1. April 1952 an für unbestimmte Zeit auf ein Drittel zu ermäßigen.
Für diese Vergünstigungen hatten sich übrigens alle Berliner Abgeordneten ohne Unterschied der Fraktion eingesetzt. Dadurch war es dem Berliner Hausbesitz möglich, den Nachholbedarf zu befriedigen und den größten Teil der Kriegsschäden, soweit sie sich überhaupt beheben lassen, zu beseitigen. Was jetzt noch zu tun bleibt, ist aber nicht mit einer 10%igen Mieterhöhung, wie es das Gesetz für Berlin jetzt vorsieht, aufzubauen. Große Modernisierungen, wegen des Umfangs der Kriegsschäden zurückgestellte Bauarbeiten lassen sich nicht mit Mieterhöhungen bewerkstelligen, auch wenn Sie 100 % nähmen; dazu gehören eben, wie auch schon mein Kollege sagte, Zinsverbilligungen oder, wenn sich der Einsatz für den Wohnungsmarkt lohnt, sogar zinslose Kredite. Der Senat ist übrigens dabei, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.
Wenn Sie aber in Berlin bei gelegentlichen Besuchen doch Häuser finden, die trotz aller gegebenen Möglichkeiten noch verwahrlost aussehen, so bedenken Sie bitte, daß die Struktur des Berliner Hausbesitzes wesentlich von der des Bundes abweicht. Es gibt den Teil der Hausbesitzer, der gar nicht willens ist, große Aufwendungen zur Beseitigung von Kriegsschäden zu machen. Dieser Hausbesitz befindet sich sehr oft in den Händen von Erbengemeinschaften im Ausland, überhaupt im Besitz von Ausländern, die ihn in der Inflationszeit in Berlin aufgekauft haben. Grundstücksgesellschaften verwalten ihn. Oder er steht unter Treuhänderschaft. Diese Häuser — es sind leider sehr viele — sind der Schrecken der Mieter, weil ihre Besitzer nur das Bestreben haben, möglichst hohe Überschüsse herauszuholen. Auch eine 100%ige Mieterhöhung würde daran nichts ändern. Auf der anderen Seite bedeuten aber schon die 10 %, die dieses Gesetz jetzt für Berlin vorsieht, bei der sozialen Struktur der Berliner Bevölkerung, wie sie uns der Krieg nun einmal hinterlassen hat und wie sie durch die Abschnürung gefördert wurde, für viel zu viele eine untragbare Belastung.
Es ist wirklich nicht angenehm, hier immer wieder vom Elend der Berliner Bevölkerung reden zu müssen. Wenn es uns heute oft nicht mehr so abgenommen wird, wie es nötig wäre, liegt das wahrscheinlich daran, daß wir schon allzuviel darüber geredet haben. Trotzdem müssen wir immer wieder darauf hinweisen. Diese 150 000 Arbeitslosen, die wir noch haben, wohnen ja schließlich ebenso wie die 450 000 Rentner vornehmlich in Altbauwohnungen. Auch hier ist wieder ein Unterschied. In Berlin ist es so, daß von dieser 10%igen Mieterhöhung 93 % aller Wohnungen erfaßt werden, während im Bundesgebiet, wie der Herr Minister vorhin sagte, 5 Millionen, das sind 47 %, erfaßt werden. Natürlich ist der Kreis bei 93 % beinahe geschlossen, denn wir haben eben noch sehr wenig Nachkriegsbauten, wir haben auch keine großen Komplexe mit Einfamilienhäusern; das alles ist ja in dieser gedrängten Großstadt nicht möglich. Es handelt sich also wirklich darum, daß 650 000 von 700 000 vorhandenen Wohnungen unter diese Mieterhöhung fallen.
Erfaßt werden davon nun auch unsere elenden Mietskasernen, diese typischen Berliner Hinterhäuser, von einer hemmungslosen Spekulationssucht um die Jahrhundertwende zeugen, und es ist eigentlich nicht zu verstehen, daß wir diese Häuser, die eigentlich abbruchreif sind, nun durch eine 10%ige Mieterhöhung auch noch sanieren sollen. Heute können wir bei über 100 000 Wohnungsuchenden noch nicht darangehen, diese Häuser abzureißen. Aber ich kann Ihnen sagen: Was hier in den Jahrzehnten an Rendite eingenommen wurde, das wurde von der Gesundheitsfürsorge sicherlich bei den Bewohnern aufgewandt.
Zum Trost für die untersten Einkommensempfänger — darüber haben wir soeben gesprochen — sieht nun das Gesetz die Mietbeihilfen vor. Sie betragen, nachdem der Bundesminister für Finanzen 13 Millionen DM jährlich für drei Jahre zur Verfügung stellen will, für Berlin 1,9 Millionen DM. Ich darf Ihnen kurz die Rechnung aufmachen. Diese Bundesmittel reichen nicht weit. Sie sollen nach dem Gesetz, wie es soeben hier beschlossen worden Ist, also denjenigein Mietern zugute kommen, die 110 % des Fürsorgerichtsatzes mit ihrem Einkommen nicht erreichen. Allein von diesen Fürsorgeempfängiern aber haben wir zur Zeit 114 000 inBerlin. An sie zahlt Berlin schon jetzt 24 Millionen DM im Jahr Mietbeihilfen, das sind 17,50 DM im Durchschnitt. Bei einer 10%igen Erhöhung der Miete würde Berlin also jetzt außerdem mit diesen 10 % zusätzlich belastet werden. Das reicht aber noch nicht aus. Das Hauptsozialamt rechnete mir aus, daß nach seiner Schätzung rund 69 000 weitere Mieter aller Kreise — das sind die Kreise, die vorhin von Ihnen angesprochen wurden, der BHE hat das ja ,ausführlich getan — der Arbeitslosen, der Rentner und der sonstigen in Betracht kommenden Personen, deren Einkommen die 110 % des Fürsorgerichtsatzes nicht überschreitet, dazukommen. Das sind 31/3 Millionen DM im Jahr .an neuer, zusätzlicher Belastung für Berlin.
Senat, Abgeordnetenhaus und Mieter wehren sich jetzt schon gegen diese neuen Lasten. Daß sich ein Teil des Berliner Hausbesitzes für Mieterhöhungen einsetzt, ist verständlich; daß er aber nicht
darauf angewiesen ist, habe ich Ihnen durch 'den Hinweis auf :die seit 1945 geschaffenen gesetzlichen Maßnahmen für die Erhaltung des Hausbesitzes zu erläutern versucht. Ich möchte Ihnen noch sagen: Wir haben leider in Berlin einschließlich :der AluEmpfänger, also der Arbeitslosenunterstützungsempfänger, der Alfu-Empfänger und Rentner sowie der unselbständigen Erwerbstätigen zur Zeit 80 % Einwohner, die ein Einkommen von weniger als 300 DM haben. Das sind immer noch Zahlen, die sich nicht wegdiskutieren lassen.
Aus diesen sachlichen Erwägungen und aus dieser sachlichen Not unserer Stadt bitte ich Sie also im Namen meiner Fraktion, dem Antrag stattzugeben, die Berlin-Klausel aus diesem Gesetz zu streichen.
Sie haben die Begründung dieses Änderungsantrags gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren! Während der Ausführungen der Frau Kollegin Heise hörte ich von einer Feststellung, die der Herr Bundesminister Preusker getroffen haben soll: das Abgeordnetenhaus von Berlin solle einen Riegel vorschieben, solle die Schwierigkeiten beseitigen, von denen wir soeben gehört haben.
Ich möchte :den Herrn Bundesminister fragen: Erstens: Ist es richtig, daß er diese Äußerung getan hat? Zweitens: Kann er mir einen Rat geben, wie das Abgeordnetenhaus von Berlin die Schwierigkeiten beseitigen soll, die jetzt durch einen Beschluß des Bundestages geschaffen werden?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Frau Kollegin Heise hier angeführt hat, Herr Kollege Neumann, :war eine Wiedergabe des Verlaufs der ersten Lesung im Bundestag, an der Sie ja selbst als Fragesteller zu diesem Punkt beteiligt waren; ich darf das in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Da war die Debatte doch zu dem Punkt gekommen, daß zwar der bisherige Senat von Berlin es für tragbar gehalten hatte, daß auch Berlin eine 10%ige Mieterhöhung, die erste, mitmachen sollte und daß nun der neue Senat dies nicht mehr für zweckmäßig oder tragbar hielt. Es hatte sich also innerhalb von wenigen Wochen die Auffassung darüber, ob das für Berlin tragbar sei oder nicht, um 180 Grad gewandelt,
und da habe ich hier ausgeführt: Wenn das so ist, bleibt ja dem Abgeordnetenhaus von Berlin noch immer die Möglichkeit, die Übernahme dieses Gesetzes abzulehnen.
Inzwischen sind die Dinge aber in den Verhandlungen so gelaufen, daß der Senat von Berlin nicht mit dem Wunsch nach einer vollen Ablehnung auf uns zukam, sondern einen Kompromiß erbat, den er nach der Geschäftsführung ja nur noch vom Bundestag erbitten konnte — dem Ausschuß lag ja bereits das Mietengesetz vor —, einen Kompromiß in der Richtung, daß das Inkrafttreten für Berlin
nicht automatisch in der üblichen Weise, d. h. innerhalb eines Monats erfolgen sollte, sondern daß ein späterer Termin gesucht werden sollte.
Um diese Frage geht es letztlich auch in dem Eventualantrag, den die Kollegin Heise hier begründet hat. Ich habe jedenfalls — um Ihre letzte Frage zu beantworten — im Ausschuß als Sprecher der Bundesregierung einen solchen Kompromiß hinsichtlich einer zeitlichen Hinausschiebung als den geeignetsten Weg bezeichnet, und irgendwie ist das ja auch in der Fassung des Ausschusses zum Ausdruck gekommen. Man kann sich nur über die notwendige Dauer der Hinausschiebung streiten, nachdem im vergangenen Jahr die 10%ige Mieterhöhung von diem damals amtierenden Senat für durchaus tragbar gehalten wurde, während sie jetzt, bei einer weiteren Verbesserung dier Gesamtsituation, plötzlich anders beurteilt wird. Das letzte Urteil hat nun, in diesem Augenblick — die Anträge liegen vor —, der Bundestag, das Plenum hier.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Dier Abgeordnete Dr. Will hat sich zunächst gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Kollegin Heise hat als Sprecherin ihrer Fraktion im wesentlichen das vorgetragen, worüber wir uns schon im Ausschuß eingehend unterhalten haben. Der Inhalt ihrer Ausführungen entspricht ungefähr dem, was der Beamte, den der Senat von Berlin damals in diesen Ausschuß geschickt hat, dargelegt hat. Er hat ebenfalls die Meinung vertreten, daß es dem Berliner Hausbesitz wesentlich besser gehe als dem Hausbesitz im Bundesgebiet und daß :es daher völlig überflüssig sei, überhaupt etwas für den Berliner Hausbesitz zu tun, denn irgendeine Benachteiligung sei von ihm ja im einzelnen gar nicht nachzuweisen.
Man hat lediglich gesagt, es müsse dann allerdings durch zinslose Darlehen dafür gesorgt werden, daß das, was etwa noch fehle, nachgeholt werden könne.
— Das bemerkte ich auch schon, Herr Kollege! —Man hat allerdings nicht gesagt, woher die Mittel für diese zinslosen Darlehen kommen sollen. Darüber haben wir uns ja vorhin schon einmal unterhalten.
Wer nun Berlin einigermaßen kennt — das tun ja einige von uns —, wird nicht bestreiten können, daß der Zerstörungsgrad in Berlin immer noch einen Umfang hat, wie man ihn in nicht sehr vielen Städten 'des Bundesgebietes kennt. Ich brauche nur an den alten Westen, an das Lützow-Viertel, an die Gegend um den Nürnberger Platz zu erinnern, und jeder von Ihnen, der einmal nach Berlin kommt, weiß, wie es dort aussieht.
Es 'ist richtig, daß die Mieterhöhung in Berlin für einen relativ größeren Prozentsatz der Althäuser in Frage kommt, als es im Bundesgebiet der Fall ist. Das liegt aber eben daran, daß wir in Berlin sehr viel später angefangen haben, soziale Neubauten zu errichten, weil 'eben überhaupt erst seit einigen Jahren 'die Möglichkeit dazu gegeben war.
Nun wird man nicht verkennen dürfen — das hat damals auch der Sprecher des Senats zugegeben —, daß auch in Berlin noch im großen Umfange Erneuerungs-, Wiederherstellungs- und Instandsetzungsarbeiten erforderlich sind. Er selbst hat ja, wie Sie sich erinnern, darauf hingewiesen, daß es dort an den Fassaden, an den Dächern, an den Wohnungsausbauten und an den internen Einrichtungen der Häuser noch in weitem Umfange fehlt. Er hat nicht bestreiten können, daß auch dort noch ein erheblicher Nachholbedarf an diesen Arbeiten gegeben ist.
Ich glaube nicht, daß man im Ernst wird sagen können, daß der Berliner Hausbesitz nicht notleidend sei, im Gegensatz zu allen übrigen Bevölkerungsteilen, von denen wir ja fortgesetzt vortragen, wie schlecht es ihnen geht. Ich möchte hier nicht die zahllosen Briefe und Eingaben des Berliner Haus- und Grundbesitzervereins, dessen Vertreter ich ja nicht bin, vorbringen; aber sie lassen doch erkennen — diese Dinge sind wahrscheinlich auch Ihnen bekannt —, daß eine solche Darstellung unserer wirtschaftlichen Situation, wie sie hier der Senat von Berlin erstaunlicherweise, möchte ich sagen, neuerdings beliebt, in keiner Weise gerechtfertigt ist.
Ich gebe Ihnen zu, daß die Frage der Mietbeihilfen, Frau Kollegin Heise, gerade bei uns in Berlin Schwierigkeiten macht, und auch ich würde es außerordentlich begrüßt haben, wenn wir einen größeren Anteil des Kuchens, der hier zur Verteilung kommt, für uns hätten beanspruchen können. An sich ist er nicht gerade schlecht, wenn man ihn mit anderen Ländern, etwa Bayern, vergleicht; aber er ist unzureichend. Wir werden wahrscheinlich von Berlin aus einen erheblichen Zuschußbedarf decken müssen. Aber wir können immerhin darauf hinweisen, daß das Defizit, das im Berliner Haushalt entstehen wird, letzten Endes auch wieder vom Bund getragen werden muß und auch getragen werden wird.
Wir haben darüber hinaus — das wollen wir doch nicht verkennen — durch das Entgegenkommen dieses Hauses und durch die Steuerpräferenzen, die wir nach langen Bemühungen erreicht haben, in Berlin doch wieder eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erzielen können. Wir können auch nicht bestreiten, daß wir in Berlin in der letzten Zeit sehr vorangekommen sind. Es würde auch, glaube ich, nicht gut sein, wenn wir hier im Plenum des Bundestags den Eindruck erwecken wollten, als ob alle diese Milliarden, die nach Berlin gehen, eigentlich immer nur in ein Faß ohne Boden geworfen werden. Das werden ja auch Sie nicht wollen.
Es liegt also schon in unserem Interesse, festzustellen, daß wir in Berlin auch wirtschaftlich durchaus vorangekommen sind. Das entspricht nicht nur der Minderung unserer Arbeitslosigkeit; das entspricht nicht nur der Erhöhung der Durchschnittseinkommen, die wir auch in Berlin zu verzeichnen haben, wenn ich natürlich auch zugebe, daß wir gegenüber dem Bund immer noch im Rückstand sind. Aber wir sind nicht so weit im Rückstand, daß wir nicht etwa sagen könnten: Wir sind heute in Berlin so weit, wie man hier im Bundesgebiet vor zweieinhalb Jahren war, als man hier, im Jahre 1952, bereits die erste 10%ige Erhöhung der Mieten durchgeführt hat. Selbst das ist in Berlin ja bisher noch nicht geschehen! Wir haben gewisse Erleichterungen durch die Baunotabgabe gehabt. Aber ich sagte schon, daß das besonders erforderlich war, gerade infolge des erhöhten. Zerstörungsgrades, den wir gehabt haben.
Ich meine also, man kann die Dinge nicht so sehen, daß man etwa sagt, die Mieterhöhung, die wir hier vorsehen, sei in Berlin unnötig. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß sie nicht leicht woanders so nötig ist wie gerade in Berlin.
Aus diesem Grunde schlage ich vor, den Antrag der SPD abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren! Es wird für uns in Berlin sehr interessant sein, wenn wir die Ausführungen des Herrn Kollegen Will hören, daß gerade in Berlin die Mieterhöhungen notwendig seien, um wirtschaftlich voranzukommen. Es ist von einem besonderen Interesse, Herr Kollege Will, wenn Sie erklären, wir in Berlin könnten uns doch nicht darauf berufen, die Höhe unserer Einkommen entspreche noch nicht der Einkommenshöhe im Bundesgebiet. Es ist doch leider so, daß wir auch heute, trotz allen Fortschritts, der gar nicht geleugnet wird - wir selbst haben ja Hand angelegt und haben den Aufbau mit vorangetrieben — eine viermal so hohe Zahl von Arbeitslosen haben, als das in der Bundesrepublik der Fall ist. Ich brauche nicht auf die Ursachen hinzuweisen. Ich glaube, die Damen und Herren dieses Hauses haben es durchaus nicht nötig, daß wir darüber etwas sagen. Aber es ist absolut falsch, Herr Kollege Will, wenn Sie erklären, die Einkommenshöhe sei jetzt so weit, daß auch wir diese Erhöhung der Mieten tragen könnten. Jeder weiß aus der Statistik, daß die Löhne der Arbeiter noch um 8 bis 10 % niedriger liegen, während wir früher in Berlin durchaus an der Spitze aller Löhne im Reich lagen, und daß von der Höhe der Gehälter der Angestellten überhaupt nicht geredet werden kann.
— Herr Kollege Will, diese Tatsachen bestehen, und wir werden uns in Berlin über Ihre Angaben hier auseinanderzusetzen haben. Ich glaube, Sie haben durch den Wahlausgang am 5. Dezember 1954 wohl schon ein deutliches Zeichen bekommen, wie die Berliner zu Ihren Plänen, auch zu Ihren Mietplänen, stehen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Es liegen in Berlin besondere Verhältnisse vor. Es sind nicht nur die 145 000 Arbeitslosen, die wir haben, sondern wir haben unsere besonderen Schwierigkeiten durch die Tatsache, daß von 2,2 Millionen Einwohnern, die wir in Westberlin haben, 375 000 Menschen sind, die über 50 Jahre alt sind, und 291 000 Menschen, die über 60 Jahre ait sind. Unsere ungünstig zusammengesetzte Alterspyramide hat ganz besondere Schwierigkeiten zur Folge, die ja auch in diesem Hause bekannt sind. Herr Kollege Will, wir haben neben den 145 000 Arbeitslosen auch noch 460 000 Sozialrentner und .100 000 Sozialunterstützte. Hier liegen doch die Schwierigkeiten unserer Stadt Berlin. Ich kann es nicht begreifen und muß es sehr
bedauern, daß ein Berliner Abgeordneter, Herr Kollege Dr. Will, diese Äußerung getan hat.
Um einmal zu zeigen, wie die sozialen Verhältnisse unserer Stadt sind, die neueste Statistik: Die Bezirksämter waren angewiesen, einmal die wirtschaftliche Lage der Wohnungsuchenden zu überprüfen. Wir haben zur Zeit die Zahlen aus 10 von den 12 Westberliner Bezirken vorliegen. Es sind 115 000 Wohnungsuchende befragt worden, und von diesen haben 60 °/o ein Familieneinkommen unter 300 Mark. Hier sind die wirklichen Zahlen, Herr Kollege Will, und hier liegt also auch der Standpunkt des neuen Berliner Senats begründet, daß eben Berlin diese Mieterhöhung nicht tragen kann. Wir haben uns bei den beiden Regierungsparteien, CDU und SPD, auf den Standpunkt schon in der Großen Koalition geeinigt — und jetzt trägt die Koalition ja den Namen „Soziale Koalition" —, daß wir den Bewohnern Berlins nicht erneut Belastungen auferlegen wollen, die eben nicht tragbar sind.
Herr Bundesminister, Sie sagten, Berlin könne ja die Übernahme des Gesetzes verweigern. Ich glaube, man sollte diesen Umweg nicht gehen, sollte nicht dem Berliner Abgeordnetenhaus den Ball zuspielen, sondern man sollte den sozialdemokratischen Antrag hier annehmen, Berlin aus dem Gesetz auszuklammern. Es ist uns nicht möglich, diese Mieterhöhung zu tragen. Das ist so lange nicht möglich, als die wirtschaftlichen und sozialen Zustände in Berlin weit unter dem Lebensstandard der Bundesrepublik liegen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Nur zu einer kurzen Berichtigung, möchte ich fast sagen. Herr Kollege Neumann, ich habe ja nicht gesagt, die Situation sei jetzt so, daß das Berliner Abgeordnetenhaus unter Umständen ablehnen könne und solle, sondern habe nur eine Antwort auf die damalige Erörterung in der ersten Lesung gegeben. Ich habe mich im Gegenteil jetzt dafür ausgesprochen, daß sich der Bundestag für die Kompromißlösung entscheidet, die im letzten auch vom derzeitigen Berliner Senat gekommen ist, wenn auch mit einer etwas anderen Frist, als sie der Ausschuß festgelegt hat; da liegt die Differenz.
Dabei kann ich nur sagen: Angesichts der gesamten Entwicklung und so, wie die Bundesregierung die Entwicklung für Berlin im Laufe dieses Jahres weiter beurteilt, halte ich auch den Termin, den die Mehrheit des Bundestagsausschusses beschlossen hat, für durchaus tragbar.
Es kommt noch ein Weiteres hinzu — nur eine kurze Bemerkung —: Sicher sind in Berlin gegenüber der Entwicklung im Westen Deutschlands noch einige Rückstände aufzuholen. Aber Gott sei Dank — und das ist doch für uns alle eine Freude - ist im Laufe der letzten zwölf Monate der Produktionsindex, der Anstieg aller Zahlen in Berlin prozentual sogar über den Anstieg im westlichen Teil Deutschlands hinausgegangen. Endlich holt Berlin wirklich und sichtbar auf, und da wir hier bereits die Vollbeschäftigung erreicht haben, bin ich der Meinung, daß alles dafür spricht, daß sich dieser Prozeß in diesem Jahre fortsetzen wird. Man kann letzten Endes auch in Berlin dringende soziale Probleme nur mit den dazu geeigneten sozialen Mitteln lösen und kann nicht im letzten alles auf eine einzige Gruppe, nämlich auf den Hausbesitz, zuschieben, dessen Erhaltung auch im Interesse Berlins dringend notwendig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich im Anschluß an das, was Herr Kollege Neumann gesagt hat, auf eine kurze Bemerkung beschränken. Es hat, glaube ich, keinen Zweck, Herr Kollege Neumann, wenn wir hier in einen Kampf darüber eintreten, wer das weitere Herz für die soziale Not Berlins hat. Das ist ein Spiel mit Worten. Worauf es ankommt, ist, zu erkennen, ob diese Not von einer bestimmten Schicht getragen werden soll, nämlich von den Berliner Hausbesitzern, soweit sie Wohnunggeber sind, oder ob dazu nicht andere Wege gesucht werden müssen, für die der Berliner Senat in der Zusammensetzung, die er zur Zeit hat, verantwortlich ist. Ich habe an keiner Stelle bestritten, wie die wirtschaftliche Situation in Berlin immer noch ist; das wissen Sie selbst. Es ist aber meiner Meinung nach jetzt die Zeit gekommen, daß wir in Berlin das nachholen, was schon vor beinahe drei Jahren im Bundesgebiet möglich war.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Heise.
Meine Herren und Damen, besonders Herr Will, gerade zu Ihren letzten Ausführungen! Schon bei der ersten Beratung des Bundesmietengesetzes im Plenum haben wir ausgeführt, daß der Produktionsindex Berlins dem des Bundes immer noch nachhinkt. Der Produktionsmengenindex hat in Berlin, bezogen auf 1936 gleich 100, im März 1955 erst 91 % erreicht, während er im Bundesgebiet im Zeitpunkt der ersten Mietenerhöhung, also 1952, 149 % betragen hat. Die Berliner Produktion hat also noch nicht einmal zwei Drittel des damaligen Standes im Bundesgebiet erreicht. Wir sollten uns doch einmal Zahlen ansehen, wenn wir nun immer wieder Behauptungen aufstellen. Meine Fraktion glaubt darum, daß dem Berliner Mieter nicht die gleiche Mieterhöhung zugemutet werden kann, wie sie im Oktober 1952 dem Mieter des Bundesgebietes zugemutet wurde. Ich bitte Sie also noch einmal: Herr Dr. Will, bringen Sie Gegenbeweise!
Das gleiche gilt für den Hausbesitz. Zwei Jahre lang hat er Zeit gehabt und ist immer wieder vom Senat aufgefordert worden, seine Unrentabilität zu beweisen. Bis heute haben wir nichts als Phrasen gehört, die im Grunde genommen gar nichts bewiesen. Es wäre wirklich Sache des Hausbesitzes, Zahlen vorzulegen. Dann könnten wir auch sachlich darüber entscheiden.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 396 Ziffer 14. Ich lasse zunächst abstimmen über den ersten Antrag: „§ 45 wird gestrichen". Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein
Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag unter Ziffer 14 „§ 45 wird gestrichen" ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Eventualantrag auf Umdruck 396. Wer diesem Eventualantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer dem Eventualantrag unter Ziffer 14 des Umdrucks 396 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist der Auffassung, daß das letzte die Mehrheit ist; der Eventualantrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den § 45 in der Fassung des Ausschusses. Wer dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der § 45 ist angenommen.
Ich rufe auf § 46. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 396 ,Ziffer 15 vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrags das Wort gewünscht? — Der Herr Abgeordnete Jacobi hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedarf keiner großen Worte und langen Ausführungen, um diesen Änderungsantrag meiner Fraktion zu begründen. Die Diskussion und die Beratungen heute haben gezeigt, daß Sie sich nicht in der Lage gesehen haben, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. Ich hege die Hoffnung, daß der eine oder andere Antrag vielleicht in der dritten Lesung bei Ihnen doch noch eine geneigtere Haltung antrifft. Wir haben in diesem Hause schon zu oft erlebt, daß Anträge, selbst wenn man ihnen im Grundsatz zustimmte, in der zweiten Lesung abgelehnt wurden, weil man Einwände in bezug auf den Anschluß der dritten Lesung befürchtete. So hoffe ich z. B. auch, daß der Berlin-Antrag von vorhin nachher bessere Aussichten hat, als er sie soeben zu haben schien.
Die Änderung, die wir zu § 46 beantragen, hat ihren Grund auch darin, daß diese Diskussion ergeben hat, wie schwierig dieses Gesetz ist, wie kompliziert es ist, und wie unmöglich es ist, es zum 1. Juli in Kraft treten zu lassen gegenüber einer Öffentlichkeit, die mit diesem Gesetz nichts anzufangen weiß, weil jeder, der es anwendet, zunächst einmal einige Zeit in die Schule gehen muß. Wir glauben also, daß es seinen Sinn hat, ein Inkrafttreten erst drei Monate nach der Verkündung zu beschließen, zumal die Bemerkungen, die heute zu Beginn der Sitzung gemacht wurden, es handele sich um die Notwendigkeit, das Gesetz zum 1. Juli in Kraft treten zu lassen, eigentlich nicht recht ergründbar sind. Wer hat eigentlich wem diese Frist gesetzt? Glauben Sie wirklich, daß Sie in der Lage sind, alle bisherigen Einwände des Bundesrats durch diese Debatte aus dem Feld zu räumen? Wir glauben es nicht!
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Meine Damen und Herren, ich darf bitten, den Antrag abzulehnen. Herr Kollege Jacobi, Sie haben wieder das Wort von der Kompliziertheit des Gesetzes gebraucht. Ich darf dem Hohen Hause versichern, daß die Bundesregierung, die beteiligten Ministerien und die Ausschüsse sowohl im Bundesrat wie im Bundestag — Wirtschaft und Wiederaufbau — alles getan haben, um Ihnen ein möglichst einfaches Gesetz vorzulegen.
Zum zweiten, Herr Kollege Jacobi, haben Sie gefragt: wer ist der Auftraggeber für den Termin 1. Juli? Der Auftraggeber für den Termin 1. Juli ist die Mehrheit des Hohen Hauses. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das Wort zu diesem Änderungsantrag wird weiter nicht gewünscht. Ich lasse darüber abstimmen, Umdruck 396 Ziffer 15. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 46, dazu Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschusses. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 46, Einleitung und Überschrift sind angenommen. Damit ist die zweite Lesung ,des Gesetzentwurfs beendet.
Wir kommen, nachdem Änderungsanträge in der zweiten Lesung nicht angenommen worden sind, zur
dritten Beratung.
Ich frage, ob in der dritten Beratung das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht wird? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige in diesem Augenblick nicht, eine Generaldebatte einzuleiten und lange Ausführungen über das Für und Wider dieses Gesetzes zu machen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir uns in der dritten Beratung darauf beschränken wollen, nur eine Reihe unserer Änderungsanträge zu wiederholen, die wir nicht im einzelnen mehr begründen werden. Wir können weitgehend auf die Aussprache in der zweiten Beratung Bezug nehmen.
Wir werden folgende Anträge aus dem Umdruck 396 wiederholen: Ziffer 3, der die Streichung des § 3 begehrt, dann Ziffer 4, und zwar den Eventualantrag, wobei ich die Hoffnung hege, daß er angenommen wird; denn wenn er das ausdrückt, was Sie sowieso meinen, nämlich daß es sich um betriebsfähige Anlagen handeln muß, dann wäre eine deutliche Aussage des Gesetzgebers wohl auch im allgemeinen Interesse. Wir werden ferner wiederholen den Antrag Ziffer 6 des Umdrucks 396, weil wir der Meinung sind, daß der Paragraph, der die Bestimmungen über die sogenannten Bruchbuden und den Ausschluß der Mieterhöhungen für diese enthält, nicht ausreicht, sondern daß es unseres zusätzlichen Antrags bedarf. Wir werden wiederholen den Antrag Ziffer 8, den § 17 betreffend, und werden erneut beantragen, das Wort „vorläufig" nach dem Wort „Länder" einzusetzen. Schließlich bestehen wir auf unserem Antrag Ziffer 9 unseres Umdrucks, der die Änderung der vier Jahre in §§ 19 in sechs Jahre vorsieht. Wir werden weiterhin, und zwar aus allgemeinen verfassungspolitischen Gründen, die Streichung des § 38 fordern, die mit der Ziffer 12 unseres Umdrucks beantragt wird. Zu dieser Ziffer behalten wir uns noch die Wortmeldung eines unserer Kollegen vor. Schließlich werden wir
erneut die Anträge der Ziffern 13 und 14 — mit dem Eventualantrag, die Berlin-Klausel betreffend — sowie 15 stellen. Wir behalten uns je nach dem Verlauf der Diskussion vor, zu den einzelnen Anträgen noch Stellung zu nehmen. Ansonsten werden wir uns mit einer Schlußbemerkung vor der Abstimmung begnügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Freunde sind der Anregung des Ältestenrats gefolgt, in der Aussprache der zweiten Lesung nur zu den wichtigsten Dingen Stellung zu nehmen, damit wir die dringend notwendigen Haushaltsberatungen fortsetzen können. Ich darf daher für meine Freunde auch zum Schluß der dritten Lesung erklären, daß wir im einzelnen auf den Bericht verweisen und die Damen und Herren des Hohen Hauses und auch die Öffentlichkeit bitten, das dort Niedergelegte nachzulesen, um unsere Meinung zu den Einzelheiten zu erkennen.
Nur diese wenigen Feststellungen seien erlaubt: Es ist eine Grundforderung der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union, die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes schrittweise sicherzustellen. Dieser Gesetzentwurf ist in sehr mühsamen Vorberatungen zustande gekommen und stellt einen Schritt auf dem Wege zu diesem Ziel dar. Nachdem zur sozialpolitischen Seite des Gesetzes sichergestellt wurde, daß Mietbeihilfen wenigstens als Anfang verankert werden konnten, ist meine Fraktion in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen.
Dieses Erste Bundesmietengesetz ist längst überfällig. Wir müssen hier einmal deutlich aussprechen, daß auch der Hausbesitz einen berechtigten Anspruch darauf hat, Mietkorrekturen vorzunehmen. Ich darf hier wohl im Einverständnis des ganzen Hauses erklären, daß keine der hier vertretenen Parteien heute gegen eine Mieterhöhung gesprochen hat. Es ist lediglich über das Verfahren diskutiert worden. Gut, da gibt es Meinungsverschiedenheiten. Wenn ich also sage, daß dieses Gesetz überfällig ist, dann tue ich das deshalb, weil wir der Meinung sind, daß wir dem Hausbesitz das zu geben haben, was er billigerweise fordern kann.
Zur Frage des Termins des Inkrafttretens: Es ist nicht so gewesen — die Frage spielte in der Einzelberatung eine Rolle —, daß wir einen Befehl bekommen hätten. O nein! Sie kennen aus der Vorgeschichte des Entwurfs die Meinung, der 1. Januar 1955 sei der Termin. Dann wurde der 1. April als Termin genannt, und nun soll es der 1. Juli werden. Mit unserer Zustimmung bekennen sich meine Freunde und ich erneut zu dem Grundsatz: neben der Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes berechtigte sozialpolitische Belange zu wahren. Diese Grundsätze sind nun im Gesetz in einer brauchbaren Form verankert.
Der Bundesrat hat an unseren Beratungen naturgemäß engen Anteil. Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz. Ich begrüße es dankbar, daß der Bundesrat unseren Anregungen gefolgt ist, bald das Gesetz — wie mir gesagt wurde, am 24. dieses Monats — im Plenum zu verabschieden. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, das Gesetz am 1. Juli in Kraft zu setzen.
Zur dritten Lesung sind noch einzelne Anträge gestellt worden; über die wird noch etwas zu sagen sein.
Ich möchte meine Bitte in dem Wort zusammenfassen: Sie wissen, daß kein Parlament gerne die Frage einer Mieterhöhung diskutiert. Es sind echte Sorgen laut geworden. Im Nachbarland Holland führte diese Frage zu einer Regierungskrise. Es ist ein heißes Eisen. Das auszusprechen, sollten wir den Mut haben. Alle Parteien bejahen im Grundsatz die Mieterhöhung. Darum vermag ich nicht einzusehen, warum wir uns nicht auf dieses Gesetz einigen können, das vielleicht die Hausbesitzer ebensowenig befriedigen wird wie diejenigen, die die Mieterhöhungen zu tragen haben. Ich empfehle daher namens der CDU/CSU-Fraktion dem Hohen Hause, dem Gesetz in der dritten Lesung zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich gerne dem Verfahren meiner Herren Vorredner anschließen und mich auf einige wenige Worte beschränken. Ich kann das um so mehr, als Herr Kollege Lücke bereits zum Ausdruck gebracht hat, was ich dazu sagen wollte.
Wir sind der Auffassung, daß dieses Bundesmietengesetz, das „Erstes Bundesmietengesetz" heißt, eine wesentliche Lücke füllt. Vielleicht muß es in absehbarer Zeit durch ein zweites Gesetz geändert werden; aber für den Augenblick bedeutet es einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Situation. Es ist ein Politikum ersten Ranges. Wir alle wissen, daß es mehr Mieter als Hausbesitzer gibt. An dieser einfachen Tatsache ist das Zustandekommen dieses Gesetzes jahrelang gescheitert. Es gibt aber auch niemanden in diesem Hause einschließlich der Opposition, der nicht einsichtig genug wäre, zu erkennen, daß hier endlich eine Änderung nötig ist. Ich freue mich, daß diese nun erreicht werden konnte.
Ich darf Ihnen meinerseits empfehlen, das Gesetz
in dritter Lesung anzunehmen, und kann für meine
Fraktion erklären, daß wir ihm zustimmen werden.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Beratung in dritter Lesung liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Beratung.
Wir kommen zur Einzelberatung der Änderungsanträge. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dafür zunächst noch einmal den Umdruck 396 zur Hand zu nehmen.
Ich rufe auf den für die dritte Lesung gestellten Änderungsantrag der Fraktion der SPD, § 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs zu streichen. Auf weitere Begründung wird verzichtet. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 396 Ziffer 3*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, bei der Besetzung des Hauses ist es so nicht zu entscheiden. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 2.
Ich komme zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 4, und zwar dem Eventualantrag. Auf Begründung wird verzichtet?
— Wer dem Eventualantrag unter Ziffer 4 des Umdrucks 396 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Eventualantrag auf Umdruck 396 Ziffer 4 zu § 6 ist angenommen.
Ich komme zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 6 zu § 12 des Gesetzentwurfs. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE zu § 16 auf Umdruck 420*). Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß er inzwischen verteilt und in Ihrer Hand ist. Frage: Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Engell!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haus hatte in zweiter Lesung unseren Antrag abgelehnt. Ich wiederhole ihn hier und beschränke ihn zur Zeit auf den Personenkreis der Unterhaltsempfänger. Es ist von dem Kollegen Gille schon ausgeführt worden, daß wir erst vor wenigen Wochen eine Erhöhung für notwendig erachtet haben. Weiter ist gesagt worden, daß man bei der Errechnung dieser Erhöhung von der Überlegung ausgegangen ist, 20 % der Unterhaltshilfe sei das Maximum, das ein Unterhaltsempfänger für Miete aufbringen könne. Wir möchten durch diesen Antrag 'erreichen, daß ein darüber hinausgehender Mietbetrag durch Mietbeihilfen abgegolten wird. Ich bitte das Haus, diesem Antrag zuzustimmen, und beantrage namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Das Haus hat gehört, daß namentliche Abstimmung beantragt ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß dazu die Unterstützung von 50 Mitgliedern des Hauses nötig ist.
— Die Fraktion der SPD stimmt zu; der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 420 zu § 16. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch jemand im Saal ist, der seine Karte nicht abgegeben hat. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Ich bitte, die Saaltüren zu schließen und bitte die Damen und Herren, Platz zu nehmen, damit wir in der dritten Lesung fortfahren können.
Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß wir bis zur Auszählung der Abstimmungskarten mit den Abstimmungen über die weiteren Änderungsanträge fortfahren.
Herr Abgeordneter Jacobi!
*) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, dem Vorschlag des Herrn Präsidenten nicht zustimmen zu können, weil wir bei Prüfung des Änderungsantrags der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE festgestellt haben, daß sich dieser Antrag nur auf die Unterhaltshilfeberechtigten bezieht. Für den Fall seiner Annahme würden also die Sozialleistungsempfänger wesentlich schlechter gestellt sein. Wir möchten uns deshalb vorbehalten, für den Fall der Annahme dieses Antrags noch einen Ergänzungsantrag einbringen zu dürfen, der auch die Sozialleistungsempfänger in diese Regelung einbezieht.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter. Sind Sie nicht der Meinung, daß wir inzwischen während der Auszählung mit den diesen Gegenstand nicht berührenden Änderungsanträgen fortfahren können?
Herr Präsident, einverstanden, wenn die Möglichkeit dann noch besteht, geschäftsordnungsmäßig so zu verfahren, daß der Punkt noch einmal angesprochen wird.
Herr Abgeordneter, ich habe den Eindruck, daß das Haus volles Verständnis für Ihren Wunsch hat. Wir werden dann so verfahren. Lassen Sie uns die Zeit 'ausnutzen und fortfahren. Es wird so verfahren, wie der Herr Abgeordnete Jacobi gewünscht hat.
Wir kommen zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 396*) Ziffer 8. Er betrifft den § 17 des vorliegenden Gesetzentwurfs. Wer diesem Änderungsantrag unter Ziffer 8 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 396 Ziffer 9. Er betrifft den § 19. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe jetzt einen Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf, der Ihnen inzwischen auf Umdruck 419**) vorgelegt wurde. Er betrifft den § 30 Abs. 1. Hier soll in Satz 1 der zweite Halbsatz gestrichen werden. Dazu hat das Wort der 'Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Der § 30 steht im Zusammenhang mit dem § 3, mindestens mit dessen Absatz 5. Die Formulierung des § 3 stellt eine Kompromißlösung dar. Nun wird dieser Kompromiß hier in ,dem § 30 noch erweitert, und zwar in der Weise, daß man - fast ein einmaliger Vorgang - einen Paragraphen des BGB, das über 50 Jahre in Deutschland in Geltung ist, für ein Gesetz außer Kraft setzen will.
Der Grund hierzu ist nicht einzusehen. Man kann auch in diesem Gesetz nicht von den bewährten Grundsätzen abgehen, die wir im BGB gefunden haben. Wenn sich bei Abschluß eines Vertrags die Parteien bewußt sind, daß sie gegen Gesetze verstoßen haben, kann man nicht ,dem einen Partner die Möglichkeit geben, nachträglich wegen ungerechtfertigter Bereicherung Rückforderungen zu stellen. Das ist unmoralisch. Die Unwirksamkeit der Mietpreisvereinbarung nach § 3 Abs. 5 soll
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 4.
hierdurch keineswegs berührt werden, aber sie soll erst von dem Zeitpunkt an Wirkung haben, in dem sie geltend gemacht wird, nicht für die zurückliegende Zeit. Das scheint mir gerecht zu sein. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird dazu das Wort weiter .gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag auf Umdruck 419*). Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag zu § 38 auf. Das ist Ziffer 12 des Umdrucks 396**). Dazu ist vorhin schon die Wortmeldung angekündigt worden. Herr Abgeordneter Reitz hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den § 38 zu streichen. Es ist doch nicht angängig, ein vom Gesetzgeber beschlossenes Gesetz einfach durch Rechtsverordnung wieder aufzuheben. Aber dies sieht der § 38 der Vorlage vor; das wäre jedenfalls die praktische Auswirkung. Es kann nicht die Aufgabe der Legislative sein, eine Handhabe dazu zu geben, daß ein von ihr verabschiedetes Gesetz oder Teile desselben von der Exekutive durch einfache Verordnung außer Kraft gesetzt werden. Ich bin der Auffassung, daß das Parlament nicht selbst seine Rechte preisgeben kann und darf. Deshalb bitte ich, diesen § 38 zu streichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich erinnere daran: es handelt sich um Umdruck 396 Ziffer 12. Wer diesem Antrag zu § 38 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Ziffer 13 zu § 39 a auf. — Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bitte, noch einmal die Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag, und zwar den Eventualantrag auf Umdruck 396 Ziffer 14 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wiederholt nicht den Streichungsantrag — sie hat die Mehrheitsverhältnisse zur Kenntnis genommen —, aber sie möchte Ihnen den Eventualantrag in einer neu formulierten Fassung vorlegen, in der Hoffnung, damit auf größeres Verständnis zu stoßen. Wir schlagen Ihnen vor, den § 45 Abs. 1 wie folgt zu fassen:
Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Vorschriften des Zweiten, Fünften, Sechsten, Siebenten, Achten und Neunten Abschnitts dieses Gesetzes durch Rechtsverordnung im Lande Berlin zu dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins dies zuläßt, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1956, mit folgender Maßgabe in Kraft zu setzen.
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 2. und dann mit Abs. 2 fortzufahren, wie es in der Ihnen gedruckt vorliegenden Vorlage nachzulesen ist.
Nach der ausführlichen Erörterung in der zweiten Lesung kann ich mir weitere Ausführungen zur Sache wohl ersparen, bis auf zwei Bemerkungen. Bei vollem Verständnis für die Interessen, die hier auf verschiedenen Seiten vorliegen, geht es uns darum, zu einer sachlichen Prüfung zu kommen und dem Grundsatz zu entsprechen, den die Fraktionen der Christlichen Demokraten und der Sozialdemokraten in Berlin zu Beginn dieses Jahres bei der Formulierung der Regierungserklärung gemeinsam festgelegt haben: daß die Einschätzung der ökonomischen und sozialen Lage die Grundlage für eine eventuelle Neuregelung auf diesem Gebiet bilden soll. Darum der Vorschlag, die Rechtsverordnung zu einem dann noch auszuhandelnden Zeitpunkt durch die Regierung gegebenenfalls zu erlassen, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1956. Ich bitte Sie herzlich, zu überprüfen, ob das nicht unter Berücksichtigung der uns bekannten Interessen ein vernünftiger Weg wäre. Ich habe den Auftrag, namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung zu beantragen.
Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl nicht erforderlich, auf den Sachverhalt im einzelnen noch einmal zurückzukommen. Der Antrag, den jetzt der Abgeordnete Brandt namens seiner Fraktion eingebracht hat und der sich wesentlich von dem Eventualantrag unterscheidet, der auf Seite 4 unter Ziffer 14 des Antrags Umdruck 396 enthalten ist, geht auf Verhandlungen und auf Anträge zurück, die schon vor Monaten im Ausschuß gestellt worden sind. Seine Annahme würde bedeuten, daß die Übernahme des Gesetzes für Berlin praktisch illusorisch Ist, denn es soll in das Belieben des Senats gestellt werden, von sich aus zu bestimmen, wann er die Voraussetzungen dafür als gegeben ansieht. Es soll dann nicht einmal so sein, daß der 31. Dezember etwa der späteste Termin ist, sondern das soll sogar noch der früheste Termin sein. Das würde bedeuten, daß diese ganze Klausel für uns in Berlin, jedenfalls für den dortigen Hausbesitz, praktisch wertlos wäre. Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag der SPD abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag liegt dem Hause leider noch nicht schriftlich vor. Ich muß ihn deshalb aus dem Gedächtnis zitieren.
— Danke sehr, Herr Präsident! Das Petitum geht also dahin, die Bundesregierung zu ermächtigen, durch Rechtsverordnung dieses Gesetz im Lande Berlin zu dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins dies zuläßt, in Kraft zu setzen mit den Ausnahmen, die hier vorgesehen sind.
Wir haben diese selbe Frage bereits im Ausschuß hin- und herdiskutiert. Ich möchte jetzt nicht die Frage aufwerfen, warum in diesem Falle auf einmal auch nach Ihrer Meinung die Bundesregierung ermächtigt werden kann, während sie bei § 38 nicht ermächtigt werden durfte,
sondern nur die Frage als solche erörtern: Wann ist denn die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins so, daß die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch machen kann? Das ist dann doch nach wie vor eine Ermessensfrage! Diese Ermächtigung ist wirklich nicht in einem solchen Maße konkretisiert, daß es darüber keinen Zweifel geben könnte.
Wenn überhaupt der Termin des 31. Dezember 1956 wieder in die Debatte geworfen wird, wie das schon im Ausschuß geschehen ist, dann könnte das nur in der üblichen Weise, in der Formulierung, wie sie an und für sich dem Kompromißvorschlag zugrunde lag, erfolgen, nämlich so, daß dann in der vorgesehenen verfassungsmäßigen Weise das Abgeordnetenhaus des Landes Berlin selbst die Entscheidung trifft. Ich möchte deshalb der Opposition, wenn sie eine klare Regelung im Sinne ihres Wunsches durch eine Abstimmung hier herbeiführen möchte, nahelegen, den Eventualantrag mit dem anderen Termin wieder aufzunehmen, nicht aber die verfassungsrechtlich sehr zweifelhafte Ermächtigung an die Bundesregierung, die überhaupt nicht klar umschrieben ist, zum Gegenstand eines Antrags zu machen. Denn dagegen müßte ich namens der Bundesregierung die allerschärfsten Bedenken erheben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Neumann.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Frage des Herrn Ministers, wann die Lage in Berlin so ist, daß das Gesetz in Berlin voll und ganz wirksam werden kann, klar und deutlich beantworten. Schon zu einer Zeit, als Ihre Partei, Herr Minister, in Berlin noch in verantwortlicher Stellung in der Regierung war, haben wir in der Frage des Mietpreises und in der Frage des Brotpreises Klarheit gewonnen. Die Lage in Berlin soll so sein: es soll wirtschaftlich und sozial der Anschluß an den Lebensstandard in der Bundesrepublik gefunden sein. Dann soll auch die Gesetzgebung in Berlin in bezug auf diese Gebiete voll und ganz wirksam werden. Nachdem die Freie Demokratische Partei nicht mehr in der Regierung ist, haben sich in Berlin CDU und SPD wiederum in dieser Auffassung gefunden; Sie können in der Regierungserklärung — ich glaube, vom 4. Februar dieses Jahres — wieder gleichartige Formulierungen finden. Das ist der Wille der beiden in Berlin die Regierung tragenden Parteien. Hier gibt es gar kein Deuteln, hier ist eine sehr klare und, ich glaube, auch eine sehr verantwortliche Formulierung gefunden.
Weitere Wortmeldungen? — Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau!
Herr Präsident! Ich muß doch noch ein Wort anschließen, Herr Kollege Neumann. Wenn Berlin seine wirtschaftliche und soziale Lage so verbessert
hat, daß der Anschluß an den Lebensstandard in der Bundesrepublik hergestellt ist, dann müßte logischerweise auch das ganze Gesetz in allen seinen Einzelheiten von Berlin übernommen werden. In der Berliner Kompromißklausel ist ja nur die einmalige 10%ige Mieterhöhung vom Oktober 1952 vorgesehen. Und nun muß doch die Bundesregierung nach der Ermächigung, die Sie ihr geben wollen, überlegen: Wann ist denn in Berlin wirtschaftlich und sozial ein Zustand gegeben, der dem entspricht, wie er in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Mieterhöhung von 1952 war? Ich glaube also nach wie vor, Herr Kollege Neumann, Sie haben mit der Formulierung Ihres Antrags die Chancen, Ihr Anliegen zu verwirklichen, eher gemindert statt verbessert.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag Ist ausreichend unterstützt.
Ehe ich die Damen und Herren Schriftführer bitte, die Stimmkarten einzusammeln, gebe ich das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 420 bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 383. Mit Ja haben gestimmt 160, mit Nein haben gestimmt 222 Mitglieder des Hauses; Enthaltungen: eine. Von den 18 Berliner Abgeordneten haben 12 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt.
Ich frage den Herrn Abgeordneten Jacobi, ob er weitere Anträge dazu stellen will. — Das ist nicht der Fall.
Nun, meine Damen und Herren Schriftführer, sammeln Sie bitte die Stimmkarten ein zu dem Antrag, den Sie Mer gehört haben. — Ich nehme an, daß der Antrag dem Hause gegenwärtig ist und ich ihn nicht noch einmal zu verlesen brauche.
— Das ist der Fall.
Ich frage, ob noch jemand im Saal ist, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat. — Die letzte Stimmkarte ist abgegeben. Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der Abstimmung über den Änderungsantrag zu § 45 bekannt. Abgegebene Stimmen: 388. Mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein 234 Mitglieder des Hauses; eine Enthaltung. Berliner Abgeordnete: 18. Mit Ja 10, mit Nein 6 bei zwei Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag zu § 45 abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag zu § 46 auf; er hat den gleichen Wortlaut wie der Änderungsantrag zur zweiten Lesung auf Umdruck 396 Ziffer 15. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Meine Damen und Herren, ich bitte doch Platz zu nehmen. Es ist 'unmöglich, hier Abstimmungen durchzuführen, wenn die Damen und Herren dabei stehen. Ich bitte nochmals, Platz zu nehmen, damit wir die Abstimmung durchführen können. Wer dem
*) Endgültiges Ergebnis Seite 4809. **) Endgültiges Ergebnis Seite 4809.
Änderungsantrag zu § 46 zustimmen will, den bitte
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist
die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit sind die Einzelabstimmungen beendet. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Schlußabstimmung.
— Bitte sehr, Herr Abgeordneter Jacobi, 'Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner Fraktion eine Erklärung abzugeben. Zunächst muß ich unser Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß es nicht gelungen ist, Ihnen ein größeres Verständnis für die Berechtigung wenigstens einiger unserer Änderungsanträge beizubringen.
Wir bedauern das,
weil wir der Auffassung sind — —Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Der Herr Abgeordnete hat gemeint, er bedauert, daß er dem Haus nicht einen von ihm empfohlenen Änderungsantrag zur Annahme hat nahebringen können. Das ist ein einfacher Lapsus linguae.
Fahren Sie fort, Herr Abgeordneter!
Ich danke dem Herrn Präsidenten für die Interpretation.
Ich wollte zum Ausdruck bringen, daß wir uns bemüht haben, Ihnen einige Anträge nahezubringen, daß wir aber Ihr Verständnis nicht haben wecken können. Das spricht ja eventuell gegen mich und nicht gegen Sie, wenn es mir nicht gelungen ist, Sie zu überzeugen. Ich überlasse das Ihnen: Wir haben aber während ,der Debatte in der zweiten Lesung feststellen dürfen, daß das Bemühen des Hauses vorhanden war, Meinungsverschiedenheiten wenigstens sachlich zu diskutieren. Es hat gelegentlich ein wenig Leidenschaft ,gegeben, aber nirgendwo und nirgendwann ist etwa eine Bemerkung meinen Freunden gegenüber gemacht worden, wie wir sie gelegentlich in der Presse lesen, nämlich, daß wir uns hausbesitzerfeindlich aufgeführt hätten. Wir haben hinsichtlich des Hausbesitzes wiederholt in diesem Hause Feststellungen getroffen, die irgendwelchen Kritikern nicht das Recht geben, uns Hausbesitzerfeindlichkeit zu unterstellen. Wir werden zwar hier und da und auch jetzt wieder in bestimmten Zeitungen und Zeitschriften Unterstellungen erleben.
Wir werden Anwürfe zur Kenntnis nehmen müssen. Wir müssen uns damit abfinden. Auf die
Dauer wird man dennoch begreifen, daß wir nicht
der Auffassung sind, daß jeder Hausbesitzer
schlechthin ein Kapitalist ist. Auf die Dauer wird
man begreifen, daß auch wir die Tatsachen kennen,
Tatsachen, die nicht leugnen lassen, daß ein großer
Teil des Hausbesitzes verschuldet und in Not ist,
daß man ihm helfen muß und daß man zu einer
gerechten Abwägung der Interessen kommen muß.
— Ich weiß nicht, warum Sie ein solches Erstaunen über diese Bemerkung zum Ausdruck bringen. Es läßt sich aus den Protokollen dieses Hauses nachweisen, daß wir in dieser Richtung seit langer Zeit unsere Meinung äußern und daß wir uns auch wiederholt bemüht haben, dem durch unser Verhalten in diesem Hause Ausdruck zu geben. Wir haben auch bei der Beratung dieses Gesetzes deutlich gemacht, daß wir konkrete Hilfe für den notleidenden Hausbesitz für erforderlich halten. Das Bedauern, das wir hinsichtlich dieses Gesetzes zum Ausdruck bringen, geht vor allem dahin, daß Versuche gemacht werden, die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes auf einem Wege wieder herzustellen, der problematisch ist. Angesichts der nach wie vor bestehenden Wohnraumnot geht diese Regelung im wesentlichen auf Kosten der Mieter. Hier hätte man eine bessere Lösung finden können.
Nun, die Praxis, die sich aus diesem Gesetz ergibt, wird zeigen, wer recht hat: Sie mit Ihren optimistischen Erwartungen, daß es sich um ein sozial zuträgliches Gesetz handelt, oder wir mit unserer Befürchtung, daß insonderheit die Beibehaltung des § 3 zu unübersehbaren Schwierigkeiten führt. Es ist eine entscheidende wohnungspolitische Aufgabe, nicht nur — das lassen Sie mich hinzufügen — der Wohnungsnot, sondern auch dem Rechtswirrwarr zu begegnen, der sich im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt hat. Hierzu gehört, das Wohnungswesen aus den Verklammerungen eines zu einer Geheimwissenschaft entarteten, völlig unübersichtlichen Mietpreisrechts zu lösen.
Dieser Aufgabe wird der Gesetzentwurf, vor dessen Verabschiedung wir stehen, in keiner Weise gerecht. Er enthält komplizierte, widerspruchsvolle Lösungen und ist ein Buch mit sieben Siegeln, das selbst dem rechtskundigen Spezialisten unübersehbare Schwierigkeiten bereitet.
— Nun, sie schütteln verneinend den Kopf; dann sind Sie fähiger und klüger als die Experten des Deutschen Anwaltsvereins, der in ähnlicher Weise an Ihrem Entwurf Kritik geübt hat.
— Ich glaube doch, Herr Kollege Kunze! — Für den von diesem Gesetz betroffenen Bürger, sei er Hausbesitzer oder Mieter, ist dieses Gesetz eine absolut verwirrende Rechtsquelle, die dunkel bleibt und vielfältigen Anlaß zum Streit gibt. Das Gesetz entwirrt die bisherige Verzerrung des Mietgefüges nicht, sondern bringt weitere Komplikationen. Es hätte nahegelegen, von der am Stichtag der Preisstoppverordnung geltenden ortsüblichen Miete auszugehen, das damalige Mietenniveau an die veränderten Preisverhältnisse und den gegenwärtigen Währungsstand heranzuführen, vor allem aber das Mietrecht wieder aus dem Bereich des öffentlichen Rechts in den des privaten Rechts zurückzuführen.
Daß dies ohne Schwierigkeiten möglich ist, hat der vom Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung vorgelegte sogenannte Bettermann-Entwurf gezeigt. Es muß bedauert werden, daß ihm weder die Bundesregierung noch die Mehrheit dieses Hauses entsprechende Beachtung geschenkt haben. Dasselbe gilt leider auch für alle Verbesserungsvorschläge, die von den verschiedensten Stellen zu dem Regierungsentwurf vorgebracht worden sind, ob es die Vor-
schläge des Bundesrats, ob es die Anregungen des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen oder ob es die messerscharfe Kritik des Anwaltsvereins sind. Alle diese und andere kritischen, aber sachdienlichen Äußerungen sind im Ausschuß von der Mehrheit ebensowenig ernsthaft diskutiert worden
wie die detaillierten Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion, die sich redlich bemüht hat, einen konstruktiven Beitrag zur Lösung der anstehenden Probleme anzubieten.
Statt dessen hat man an einer Vorlage festgehalten, auf die selbst ihre Verfasser keineswegs stolz sein dürften und die alles andere als einen Schritt zur Vereinfachung der komplizierten Materie darstellt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie der Meinung sind — im übrigen bin ich gleich am Schluß
—, daß ich mit dieser Erklärung die Grenzen der Geschäftsordnung überschreite, wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich dem Herrn Präsidenten zu Beginn der dritten Beratung gesagt habe, daß wir auf eine Erörterung der Materie in der Einzelberatung der dritten Lesung verzichten, weil wir uns auf eine Erklärung am Schlusse der Beratungen beschränken möchten. Die gebe ich jetzt ab.
— Sie ist gleich am Ende! Sie mag Ihnen unangenehm in den Ohren klingen, Herr Kollege Lücke;
ich werde fortfahren und dann zum Ende kommen.
Wenn in § 39 des Gesetzes der Bundesregierung der Auftrag erteilt wird, die Vorschriften des Mietpreisrechts mit dem Ziel einer Vereinfachung zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben, so zeigt sich schon hierin, wie wenig geglückt dieses Gesetz selber ist. Der erste Entwurf einer solchen Bereinigungsverordnung — darauf hat mein Kollege Hauffe vorhin schon hingewiesen — hat allein 56 Paragraphen, und er dürfte nicht der letzte sein. Dabei wäre es möglich gewesen_— Anregungen und Vorschläge hierzu lagen in Hülle und Fülle vor —, die Bereinigung durch das Gesetz selbst vorzunehmen, wie es beispielsweise die SPD-Anträge vorsahen, in deren Schlußbestimmungen der ganze Wust von preisrechtlichen Runderlassen und Preisverordnungen aufgehoben und den Archiven anvertraut werden sollte.
Nun, Sie scheinen trotz aller Mahnungen und Warnungen unvoreingenommener, von keinem Interessentenstandpunkt, sondern lediglich von der Sorge um eine bedrohliche Rechtsentwicklung geleiteter Kreise entschlossen zu sein, dieses Gesetz, ein gesetzestechnisches Scheusal sondergleichen,
zu verabschieden.
Wir können Ihnen dabei nicht folgen. Wir lehnen diesen absolut mißglückten Versuch einer Reform, dieses unklare, an überholten gesetzlichen Bestimmungen festhaltende und neue Verwirrungen schaffende Gesetz ab.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE hat sich der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung des Mietpreisrechts nie verschlossen und erkennt auch die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Besserstellung des Althausbesitzes durchaus an. Wir hätten aber erwartet, daß man bei der Bearbeitung dieses Gesetzes mit größerem Vorbedacht zu Werke gegangen wäre, um alle sozialen Härten von vornherein zu vermeiden und ihre Beseitigung nicht etwa erst der weiteren Entwicklung in der Durchführung des Gesetzes zu überlassen. Nachdem dies nicht der Fall war, haben wir versucht, durch unsere Änderungsanträge dem Gesetz eine für uns annehmbare Form zu geben. Dem galt zunächst unser Antrag auf Streichung des § 3, dessen Auswirkungen wir nicht annehmen zu können glauben. Diesem Ziel galt auch unser Änderungsantrag zu § 16 des Gesetzentwurfs. Wir haben erwartet, daß das Haus bereit gewesen wäre, den Kreis derer, die eine Mietbeihilfe aus diesem Gesetz zu beanspruchen haben, erheblich weiter zu ziehen, als es in der Vorlage vorgesehen ist. Nachdem die Mehrheit auch unseren Vorschlag, wenigstens die Unterhaltshilfeempfänger in den Kreis derer einzubeziehen, die einen Rechtsanspruch auf Mietbeihilfe haben, abgelehnt hat, glauben wir für die sozialen Auswirkungen, die dieses Gesetz nach sich ziehen wird, die Mitverantwortung nicht tragen zu können. Wir sehen uns daher zu unserem Bedauern gezwungen, das Gesetz im ganzen abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der durch die Annahme des Eventualantrags auf Umdruck 396 zu § 6 geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksache 1100); Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) (Drucksachen 1500, zu 1500).
Der Ältestenrat hat darüber beraten, wie wir bei der zweiten und dritten Beratung des Haushalts vorgehen sollen. Er schlägt vor, daß die Berichterstattung zum Haushaltsgesetz und dessen Beratung am Schluß der zweiten Lesung vorgenommen werden und daß zunächst die Einzelpläne beraten werden. Ich setze voraus, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zunächst darf ich dem Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum des Bundestages hat neben der Vorlage Drucksache 1100, dem Haushaltsgesetz nämlich und den dazu gehörenden Einzelplänen, dem Haushaltsausschuß
während der Beratungen des Haushaltsplans auch die Ergänzungsvorlage zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 zur Beratung überwiesen. Ich möchte dazu folgendes sagen. Diese Ergänzungsvorlage, die im Hause selbstverständlich nicht sehr umfassend beraten worden ist, ehe sie an den Haushaltsausschuß ging, enthielt ausschließlich Personalwünsche einzelner Ressorts. Sie wurde im Haushaltsausschuß behandelt und ist — und deshalb sage ich das vorweg — in die einzelnen Pläne eingearbeitet worden. Die Berichterstatter zu den Einzelplänen haben entweder in ihren dem Hause schriftlich unterbreiteten Berichten bereits darauf Bezug genommen, oder sie werden es, soweit sie hier mündlich berichten, noch tun. Damit die Drucksache aber geschäftsordnungsmäßig miterledigt ist, wollte ich diese wenigen Bemerkungen am Anfang machen. Die Drucksache 1260 steht also mit zur Beratung und wird im einzelnen bei den Plänen verabschiedet werden, auf die sie sich bezieht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich darf noch auf folgendes aufmerksam machen, bevor ich den Einzelplan 01 aufrufe. Die Beratungsunterlagen zum Haushaltsplan 1955 liegen Ihnen in drei Mappen vor, die die Beschlüsse des Ausschusses, die Schriftlichen Berichte der Berichterstatter und die bisher eingegangenen Änderungsanträge enthalten. Ich darf Sie bitten, diese Unterlagen während der gesamten Haushaltsberatungen, also auch noch für die nächste Woche, aufzubewahren. Wir können Sie nicht erneut verteilen.
Damit kommen wir zum
Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt .
Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Rösch. Bitte, Frau Abgeordnete!
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 01 umfaßt den Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes. Gegenüber dem Vorjahr sind im Stellenplan bei den Beamtenstellen keine Änderungen und bei den Angestelltenstellen nur ganz geringfügige Änderungen zu verzeichnen. Diese Änderungen ergeben sich aus den wachsenden Aufgaben des Amtes. Im Zusammenhang damit stehen auch die geringfügigen Erhöhungen bei den Sach- und Allgemeinen Ausgaben. Bei den Einmaligen Ausgaben finden Sie noch den Restbetrag für die Herrichtung des Gebäudes in der Kaiser-Friedrich-Straße. Der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen, die bereits in die Vorlage eingebauten Ergänzungen anzunehmen und dem Einzelplan Drucksache 1501 auf Grund der Vorlage Drucksache 1100 zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die Beratung in der zweiten Lesung. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Meine Damen und Herren, ehe wir zur Abstimmung kommen, lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Änderungsantrag auf Umdruck 389*). Die-
*) Siehe Anlage 6.
ser Änderungsantrag bezieht sich auf sämtliche Einzelpläne. Ich lasse über ihn deshalb jetzt für alle Einzelpläne abstimmen. Ich frage, ob das Wort zur Begründung des Antrags des Herrn Abgeordneten Brese von ihm gewünscht wird.
— Herr Abgeordneter Brese hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag wird ein Problem angeschnitten, das uns im Haushaltsausschuß schon sehr lange beschäftigt hat, nämlich die Gemeinschaftsverpflegung der Bundesbediensteten. Der Haushaltsausschuß stand einmütig auf dem Standpunkt, daß an einen allmählichen Abbau der Gemeinschaftsverpflegung gedacht werden müsse. Die Gemeinschaftsverpflegung ist eine Einrichtung, die in der Kriegs- und in der Notzeit geschaffen worden ist. Nach der bisherigen Regelung wurden für das Mittagessen und für das Abendbrot jedesmal 30 Pf als Zuschuß vom Bund gegeben. Die Beschlösse, die wir in dieser Angelegenheit gefaßt haben, sind aber nicht zum Zuge gekommen, sondern das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollten, ist erreicht worden. Die Behörden sind, nachdem die Abendmahlzeiten nicht mehr in Anspruch genommen wurden, dazu übergegangen, diesen Zuschuß zusammenzufassen. Die Ministerien und die Ämter geben jetzt 60 Pf für die Mittagsmahlzeit. Aus dem Abbau ist folgendes geworden - wenn wir uns den Kostenaufwand einmal ansehen —: Im Jahre 1953 haben wir für die Gemeinschaftsverpflegung der Bediensteten etwa
2 500 000 DM aufgewandt, im Jahre 1954 waren es
3 400 000 DM. Als wir uns nun einschalteten — es ist ein Schriftwechsel hin- und hergegangen —, sind aus den 3 400 000 DM im Voranschlag dieses Haushalts 5 Millionen DM geworden.
Meine Damen und Herren, wir sind doch als Abgeordnete dazu da, nicht nur die Verantwortung für alles das zu tragen, was hier getan wird, sondern uns auch rechtzeitig einzuschalten. Wir müßten doch eigentlich erwarten, daß man einem einstimmigen Wunsche eines Ausschusses bei unserer Bürokratie Folge leistet. Ich muß Ihnen erklären, es ist nicht geschehen. Deshalb habe ich diesen Antrag gestellt.
Dem Hohen Hause liegt noch ein anderer Antrag vor, in dem auch das Mißfallen über diese Tatsache ausgesprochen wird. Mir ging er nicht weit genug. Ich möchte von Ihnen die Entscheidung haben, daß wir an einen allmählichen Abbau dieser Gemeinschaftsverpflegung herangehen, und habe deshalb den Antrag gestellt, den Satz in diesem Jahre zu halbieren. Meinen Freunden und mir schwebt vor, den Ansatz im nächsten Jahr völlig zu streichen, auch aus einem anderen Grunde. Man soll unsere Beamten weitestgehend von geschäftlichen Dingen fernhalten. Man soll, wenn ich es einmal so sagen darf, die Regiebetriebe aus unseren Ämtern entfernen. Überall ist die Gelegenheit gegeben, in den Lokalen ein Mittagessen einzunehmen. Wir wissen alle, daß gerade die Gaststätten durch hohe Lasten und durch hohe Steuern sehr belastet sind. Ich glaube, eine Konkurrenz auf diesem Gebiete von Amts wegen ist nicht zu begrüßen. Deshalb möchte ich Sie bitten, meinem Antrag zu folgen und ihm zuzustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, dem Antrage meines Freundes Brese nicht zu folgen. Wir haben uns im Haushaltsausschuß interfraktionell sehr eingehend mit diesen Fragen befaßt. Sicherlich sind die Zahlen, die Kollege Brese hier aufgeführt hat, auch für uns sehr eindrucksvoll gewesen, und wir glauben nicht, daß man die Aufwendungen für die Zuschüsse zu den Mahlzeiten in dem bisherigen Maßstabe weiter erhöhen dürfte. Hier muß Einhalt geboten werden, denn die Entwicklung in den letzten zwei Jahren war nicht sehr schön und entsprach auch weder den Absichten der Behörden selbst noch unseren Absichten. Aber es hieße, glaube ich, zu weit gehen, wollte man mit einem Antrag, wie ihn Kollege Brese formuliert hat, sofort auf die Hälfte heruntergehen. Außerdem, fürchte ich, würde ein solcher Antrag auch noch rechtliche Wirkungen haben, die wir hier nicht heraufbeschwören wollen.
In diesen interfraktionellen Verhandlungen haben wir uns zwischen Regierungskoalition und Opposition auf eine Reihe von Punkten geeinigt, deren Ziel es ist, diese Ausgaben auf ein bestimmtes Maß herunterzudrücken und dafür zu sorgen, daß auch derartige unerwünschte Begleiterscheinungen wie z. B. der Verkauf von allen möglichen Gegenständen und Getränken über den Ladentisch der Kantinen hinweg fortfallen. Aber solange es gerade hier in der Regierungshauptstadt für eine ganze Reihe von Behörden nicht möglich ist, dafür zu sorgen, daß ihre Angestellten, die Bundesbediensteten, die Mahlzeit außerhalb des Hauses, daheim — was unser erstes Ziel wäre — einnehmen können, und solange auch gar nicht hinreichend Gaststätten vorhanden sind, um diesem Wunsche nachzukommen, halten wir es für ausgeschlossen, daß der Satz sofort von 60 auf 30 Pf heruntergesetzt wird.
Welche Folgen allerdings das Vorgehen der Bundesregierung auf bestimmte Landesregierungen in der Vergangenheit hatte, ist eine ganz andere Frage. In den Richtlinien, die wir gemeinschaftlich ausgearbeitet haben, war auch vorgesehen, daß in der Zukunft zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen, in denen der Bund womöglich neue Dienststellen errichtet, gemeinschaftlich vorgegangen wird, um zu verhindern, daß die Länder und Kommunen dem, wie wir glauben, nicht gutem Beispiel des Bundes folgen. Insgesamt gesehen möchten wir Sie bitten, darauf zu vertrauen, daß diese neu zu schaffenden Richtlinien vom Bundesfinanzministerium und vom Bundesinnenministerium gemeinschaftlich durchgesetzt werden und daß hier auf dem Verhandlungswege dasselbe Ergebnis erzielt wird, wenn auch nicht auf so radikale Art und Weise, wie unser Freund Brese das hier durchsetzen wollte. Ich möchte Sie also bitten, diesem Antrag nicht zu folgen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, gegen diese Einrichtung als Ganzes zu sprechen. Aber es ist für mein Gefühl doch nicht ganz zulässig, daß an diesen verbilligten Mahlzeiten die hohen Beamten zu denselben Sätzen teilnehmen wie der letzte Fahrer im Bund oder der letzte Angestellte unten an der Eingangsstelle des Hauses usw.
Wenn man eine solche Einrichtung trifft, die ja im Grunde genommen nur eine indirekte Gehaltserhöhung darstellt, so bin ich der Meinung, daß die hohen Beamten es nicht notwendig haben, an dieser Form der Gehaltserhöhung teilzunehmen. Ich hielte es für selbstverständlich, daß man den Antrag in dieser Richtung ergänzt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich frage, ob weiter das Wort zu dem Einzelplan 01 gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Ich schließe damit die Beratung in der zweiten Lesung.
Meine Damen und Herren, zu meinem Bedauern kann ich nicht abstimmen lassen. Wir haben verabredet — ich erinnere daran —, daß wir die Abstimmungen vormittags 12 Uhr 30 Minuten und abends um 8 Uhr beginnen lassen. Ich kann dem Hause nur den Wunsch aussprechen, daß wir heute abend mit allen unseren Änderungsanträgen bei der Abstimmung fließend und schnell durchkommen.
Ich rufe auf
b) Einzelplan 02 Deutscher Bundestag .
Das Wort als Berichterstatterin hat die Abgeordnete Frau Rösch.
Frau Rösch , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 02 ist der Haushalt des Deutschen Bundestages.
Entschuldigen Sie einen Augenblick, Frau Abgeordnete. Meine Damen und Herren, verzeihen Sie, ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik im Zimmer 200 Süd zusammengetreten ist. Ich bedaure das. Wir können es leider bei der Besetzung des Hauses und der Fülle der Arbeit nicht ändern.
Fahren Sie bitte fort, Frau Abgeordnete!
Frau Rösch , Berichterstatterin: Der Entwurf des Einzelplans 02 unterscheidet sich von den anderen Einzelplänen dadurch, daß es hier keinen Regierungsentwurf gibt. Ich sage das mit Nachdruck, weil ich auf einem Antrag gelesen habe, daß eine Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll. Es gibt hier keinen Regierungsentwurf, sondern der Haushalt des Deutschen Bundestages wird im Einvernehmen mit der Verwaltung vom Vorstand des Deutschen Bundestages festgestellt und dann im Haushaltsausschuß beraten.
Der Einzelplan 02 weist gegenüber dem letzten Jahr verschiedene Änderungen auf. Allerdings möchte ich auch hier gleich zu Beginn betonen, daß wir bei den gesamten Personalstellen keine einzige Veränderung vorgenommen haben. Entsprechende Wünsche konnten leider nicht berücksichtigt werden. Die Sachausgaben haben sich geringfügig verringert, die allgemeinen Ausgaben sind etwas angestiegen. Eine Erhöhung auf Grund ides Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Deutschen Bundestages hat sich hier ausgewirkt.
Der Haushaltsausschuß hat beschlossen, bei Tit. 301 auf Vorschlag des Vorstandes eine Erhöhung eintreten zu lassen. Diese Erhöhung beträgt 225 000 DM. Es sind dies die Zuschüsse an die Fraktionen des Deutschen Bundestages. Diese Zuschüsse sollen dazu dienen, daß die Fraktionen bewährte Mitarbeiter einstellen können, die den Abgeordneten bei der Bewältigung ihrer Arbeit behilflich sind. Diese Hilfe ist notwendig. Ein Abgeordneter ist in einem Maße überlastet, daß ihm in vielen Dingen eine gründliche Arbeit nicht zuzumuten ist; es fehlt ihm auch die Zeit dazu. Est keineswegs so, daß hier irgendwie eine unnötige Ausgabe gemacht werden soll, sondern diese Dinge wurden interfraktionell geprüft und von allen Fraktionen des Hauses für absolut notwendig erachtet.
Eine weitere Erhöhung ist bei Tit. 308 festzustellen, wo der Ansatz für die Einführung von Jugendgruppen in die Arbeit der Volksvertretung um 50 000 DM erhöht wurde. Ich glaube, auch darüber dürfte im Hause Einigkeit bestehen.
Tit. 309 hat ebenfalls eine wesentliche Erhöhung erfahren. Ich darf dazu auf folgendes hinweisen. Diese Erhöhung beruht in erster Linie darauf, daß es sich als notwendig erwiesen hat, in der Ziffer 4 — politische Kongresse und Förderung der internationalen politischen Zusammenarbeit — die Position von 60 000 DM auf 300 000 DM zu erhöhen. Wir sind in den vergangenen Jahren in großem Maße Gäste ausländischer Regierungen und Parlamente gewesen. Wir können diese Einladungen nicht dauernd annehmen, ohne unsererseits Gäste einzuladen und zu empfangen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, diesen Posten von 60 000 DM auf 300 000 DM zu erhöhen.
Sonst haben wir keine besonders ins Gewicht fallende Änderungen zu verzeichnen. Ich darf Sie daher bitten, dem Ihnen vorliegenden Antrag des Ausschusses zu entsprechen, d. h. ihn so, wie er auf Drucksache 1502 niedergelegt ist, anzunehmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich eröffne die Aussprache. Zunächst lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Änderungsanträge, hier zuerst Umdruck 390*), Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Brese.
Herr Abgeordneter, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 390 habe ich den Antrag eingereicht, in Kap. 02 01 Tit. 301 — Zuschüsse an die Fraktionen des Deutschen Bundestages — den Ansatz in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich möchte dazu folgendes ausführen.
Wir haben uns schon im vorigen Jahr mit demselben Problem beschäftigt; nur war es damals unter „Parlamentsdienst" ausgewiesen. Es handelt sich, wie schon die Frau Berichterstatterin ausgeführt hat, darum, weitere Kräfte einzustellen, die uns bei unserer politischen Arbeit unterstützen sollen. Ich muß Ihnen hier erklären, daß ich ein grundsätzlicher Gegner jeder weiteren Aufblähung unserer Verwaltung bin, und zwar in diesem Fall noch aus einem ganz besonderen Grund.
Ich weiß, daß der Antrag auf Erhöhung vor allen Dingen von Damen und Herren vertreten wird, die den Parlamentsdienst in Amerika kennengelernt haben und nun auf dem Standpunkt stehen, wir
*) Siehe Anlage 8. müßten diese Dinge unter allen Umständen nachmachen. Ich bin demgegenüber der Ansicht, daß wir als Abgeordnete hier sind, um unsere Meinung zu vertreten, und daß wir uns nicht durch irgendwelche Beamte, die neu zu uns hereingebracht werden sollen, beraten lassen sollten. Wir haben in diesem Haus vorzügliche Assistenten, die uns jederzeit zur Verfügung stehen.
— Bei mir reichen sie völlig aus.
Ich werde in Zukunft häufig Gelegenheit geben, die Stimme eines Abgeordneten kennenzulernen. Wir können uns ferner in unseren Ministerien Auskunft holen. Ich muß hier mal zur Ehre unserer Beamten in den Ministerien sagen, daß sie — jedenfalls mir — immer zur Hand gewesen sind.
— Man kann Sie so schlecht verstehen. — Ich befürchte: wenn wir jetzt weitere Beamte anstellen, wird dadurch wieder ein großer Teil unserer Beamten in den Ministerien in dem ewigen Tauziehen hin und her festgelegt. Ich stehe auf dem Standpunkt, wir dienen der Demokratie viel mehr, wenn wir hier unsere persönliche Meinung unkompliziert zum Ausdruck bringen, auch wenn es einmal etwas danebengeht. Was bei dem bisherigen Verfahren herausgekommen ist, haben wir gesehen. Unklare Gesetze auf allen Gebieten machen uns doch draußen die allergrößten Schwierigkeiten. Wir müssen nur den Mut zur Entscheidung haben und solche Paragraphen beseitigen, die unklar dastehen und bei denen unsere Beamten nicht den Mut haben, über die Hürde zu springen. Beispielsweise bei der Finanzgesetzgebung ließe sich sicher vieles mit dem einfachen Menschenverstand und mit dem einfachen Verstand des Abgeordneten besser regeln, als wenn wir uns auf kompliziertem Wege vorher festlegen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen — der Herr Arbeitsminister ist leider nicht zugegen —: Uns draußen macht ein Paragraph in der Sozialversicherung ungeheure Sorge. Das ist der § 168 der Reichsversicherungsordnung. Ich weiß nicht, ob Sie damit zu tun haben, aber wir haben als Arbeitgeber täglich damit zu tun. Darin heißt es: Ein Arbeiter ist sozialversicherungsfrei, wenn er bis zu 65 DM im Monat verdient. Und dann kommt der Nachsatz: soweit er nicht berufstätig ist. Meine Damen und Herren, ich bin im Ministerium gewesen, ich habe mich überall zu informieren versucht, kein Mensch konnte mir eine richtige Auslegung geben. Ich bin der Meinung, wenn wir nur den Mut haben, uns einmal hinzusetzen und einen solchen Paragraphen völlig klar und einfach zu formulieren, dann sind alle Meinungsverschiedenheiten draußen beseitigt. Ich könnte Ihnen noch viele solcher Fälle in unserer ganzen Gesetzgebung nennen. Wir müssen nur den Mut haben, auch einmal selbst zu entscheiden und selbst aufzutreten, dann sind viele Dinge auch einfacher zu gestalten.
Wir müssen uns auch von dem Wahn frei machen, daß wir nun jeden Bezirk des menschlichen Lebens durch Gesetze regeln müßten. Um eine Vereinfachung, die ja von allen Seiten gewünscht wird, durchzuführen, brauchen wir, glaube ich, weiter keine Hilfe. Wir spüren alle am eigenen Leibe, was überflüssig ist. Haben wir nur den Mut, die Demokratie hier zum Zuge zu bringen, indem wir uns
selbst unkompliziert entscheiden! Dann, glaube ich, können wir die 225 000 DM, die hier gefordert sind, sparen. Ich bitte also, meinen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil ich der Meinung bin, daß den Ausführungen meines Herrn Vorredners widersprochen werden muß.
Dieses Haus hat schon in der ersten Legislaturperiode, vom ersten Tage seines Bestehens an, viel zuwenig dafür gesorgt, daß es als Gesetzgeber wirklich arbeitsfähig ist.
Das fängt an bei der Art und Weise, wie nach dem Abschluß der Arbeiten des Parlamentarischen Rates die Vorbereitungen für die Einrichtung dieses Hauses getroffen wurden. Einige Mitglieder des Parlamentarischen Rates waren der Meinung, daß es zweckmäßig sei, die technische und institutionelle Vorbereitung des neuen Parlaments in die Hände einer Kommission erfahrener Parlamentarier zu legen. Das ist leider nicht gelungen, sondern das Büro der Herren Ministerpräsidenten, das damals eine Art Regierung für die Bundesrepublik im vorläufigen Stadium darstellte, hat auch diese Aufgabe übernommen. Damit will ich nun nicht die Befürchtung zum Ausdruck bringen, daß die Ministerialbürokratie es darauf angelegt habe, uns in der Einrichtung dieses Hauses zu kurz kommen zu lassen. Man vergleiche sie mit der anderer Parlamente und man wird sofort finden, daß an die Arbeitsmöglichkeit und Arbeitsfähigkeit — und vielleicht darf man in Parenthese auch einmal sagen, an den Nervenhaushalt — der Abgeordneten, die arbeiten wollen, hier überhaupt nicht gedacht worden ist. Ich möchte also nicht unterstellen, daß das Absicht war, möchte aber doch sagen, daß hier Persönlichkeiten für die Einrichtung eines Parlaments in Aktion getreten sind, denen die parlamentarische Erfahrung ebenso fehlt wie dem Rechnungshof.
Ich darf vielleicht wieder einmal an jenes merkwürdige Gutachten erinnern, das der Rechnungshof vor einer Reihe von Jahren über die Bibliothek des Bundestages erstattet hat, das nach der Schablone der Behördenbibliotheken ausgerichtet war. Das Haus hat — und das ist ein gewisser Vorwurf, den man ihm nicht ersparen kann — nicht den Mut gehabt, sich durchzusetzen, wenn es Geld kostet. Ich bin wirklich der Meinung, daß 200 000 Mark oder 250 000 Mark oder auch noch etwas mehr, wenn es sich darum handelt, die Arbeit des deutschen Gesetzgebers wirksamer zu gestalten, keine Rolle spielen dürfen. Ich glaube, der deutsche Steuerzahler wird uns dafür eines Tages dankbar sein, wenn wir den Mut haben, uns mit den Arbeitsmitteln und mit den Arbeitshilfen zu versehen, die fast in jedem Parlament der Welt als selbstverständlich angesehen werden.
Wir denken dabei gar nicht an die Gesetzgebungsabteilung des amerikanischen Kongresses, selbstverständlich nicht, sondern wir denken daran, daß junge, wissenschaftlich ausgebildete Assistenten hier Gelegenheit finden, einmal in der Gesetzgebungsarbeit, vor allen Dingen aber auch in der kritischen Durchleuchtung des Sachmaterials, das bei der Gesetzgebungsarbeit berücksichtigt werden muß, den Abgeordneten des Hauses zur Hand zu gehen. Dabei haben wir vielleicht auch noch den weiteren Gedanken, daß sich daraus allmählich eine ähnliche Entwicklung herbeiführen läßt, wie wir sie in England haben, daß junge Menschen, die etwas gelernt haben, hier im Hause die Gelegenheit bekommen, sich kritisch und sachlich gewissenhaft mit der Gesetzgebungsarbeit zu befassen, und daß wir auf diese Weise eine Art Schule für den politischen Nachwuchs schaffen.
'
Ich weiß, daß in den Parteien durchaus die Neigung vorhanden ist, bei den Wahlen junge Menschen auf die Listen zu bringen. Aber ich glaube, es ist für uns sehr wichtig, darauf zu achten, daß wir dem deutschen Wähler und einem künftigen Parlament in solchen Fällen auch Menschen präsentieren, die der Arbeit eines solchen Hauses sachlich gewachsen sind, und eine bessere Vorbereitung als diese Assistententätigkeit hier im Hause kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Man kann die Sache nicht damit abtun, daß man sagt: Wir haben ja die Ministerialbürokratie, jeder von uns kann doch in ein Ministerium gehen und sich über gewisse sachliche Dinge Auskunft holen! — Gewiß können wir das. Niemand von uns unterstellt, daß die Auskünfte falsch sind oder daß sie widerwillig gegeben werden. Aber vielleicht gibt mir der eine oder der andere Kollege darin recht, wenn ich sage: Wir haben in der Arbeit der Ausschüsse auch schon manchmal Auskünfte von Regierungsvertretern bekommen, bei denen wir durchaus den Eindruck hatten, daß die mehr oder minder große Zurückhaltung in gewissen Punkten mehr der Politik des Ministers oder der Regierung als dem Wunsch oder der Verpflichtung entsprach, dem Gesetzgeber die notwendigen Aufschlüsse zu geben.
Hier eine Hilfe zu schaffen, hier uns einen Stab von geschulten jungen Leuten zu bilden, der dann im Auftrage eines Abgeordneten oder einer Fraktion oder eines Ausschusses gewissen sachlichen Dingen nachgeht, das ist doch eigentlich etwas beinahe Selbstverständliches.
Man darf sich doch nicht hier hinstellen und sagen: Das kann der Abgeordnete auch ganz allein; dazu sind wir da! — Natürlich sind wir dazu da. Aber schließlich ist es doch in sehr vielen Fällen nicht immer so ganz einfach. Ich darf als akademischer Volkswirt sagen: wenn ich die Fälle betrachte, in denen das Haus verpflichtet ist, mit gutem volkswirtschaftlichem Gewissen Entscheidungen zu fällen, wenn ich mich dann manchmal frage, welche Vorfragen geklärt sein müssen, ehe ich überhaupt zu dieser Entscheidung kommen kann, und wenn ich sehe, daß wir auf der einen Seite von Interessenteneingaben eingedeckt werden, die bestimmt gar nicht die Absicht der Aufklärung, sondern die Absicht haben, uns in einer bestimmten Tendenz zu unterrichten, dann bin ich der Meinung, daß geschulte junge Assistenten, die
diese Dinge in unser aller Interesse auf den wirklichen Gehalt und auf ihre Brauchbarkeit überprüfen, schon eine sehr nützliche Sache sein könnten.
Das Haus würde, glaube ich, einen sehr schweren Fehler begehen, wenn es jetzt aus der Sorge, man könnte in der Bevölkerung diese Ausgabe mißverstehen, zurückhaltend sein wollte. Ich freue mich, daß wir endlich einmal Gelegenheit haben, der deutschen Bevölkerung zu zeigen, daß wir arbeiten wollen und daß wir auch bereit sind, die Verantwortung für die Ausgaben zu übernehmen, die im Interesse der Wirksamkeit unserer Arbeit gemacht werden müssen.
Deshalb möchte ich Sie bitten, diese Position zu bewilligen.
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antragsteller Kollege Brese hat in drei Punkten geirrt. Erstens entspringt der Gedanke nicht einem Vorbild des amerikanischen Parlaments. Zweitens handelt es sich nicht darum, nun in diesem Hause Beamte anzustellen. Und drittens irrt er, wenn er des Glaubens ist, der Abgeordnete sei unfehlbar und könne letztlich alles allein machen.
Wir haben uns mit dieser Materie sehr eingehend beschäftigt. Auch die Frage, ob nun Beamte oder Angestellte oder was weiß ich, eingestellt werden sollen, ist von uns eingehend geprüft worden. Wir sind letztlich zu der Überzeugung gekommen: Wir wollen unabhängig von der Beamtenschaft sein, auch unabhängig von den Beamten des Ministeriums. Aus diesem Grund ist kein anderer Weg möglich, als daß wir uns in dieser Hinsicht verselbständigen und den Fraktionen dieses Hauses die entsprechenden Leute zur Verfügung stellen.
Wenn der Abgeordnete Brese soeben einen Paragraphen eines Gesetzes als untragbar bezeichnet hat, dann geht es uns gerade darum, nun auch die letzte Lücke zu schließen, die uns draußen im Volke schaden könnte. Wir haben die Absicht, in diesem Hause Gesetze zu schaffen, die bis ins letzte klar sind; und dieses Ziel können wir nur erreichen, wenn wir auch die entsprechende Unterweisung haben. Was mein Herr Vorredner schon gesagt hat, ist richtig: Wir müssen uns einen Stab von Leuten heranziehen, die in der Lage sind, uns in dieser Beziehung zu helfen. Dieser Gedanke ist — unabhängig von dem, was man im Ausland macht — dem eigenen Hause entsprungen. Es geht uns nicht darum, Beamte anzustellen und den Beamtenstab noch zu vermehren, sondern wir wollen eine Hilfe haben, die uns in den Stand setzt, Gesetze zu machen, die volksnah sind, die aber auch die geringste Unklarheit in der Gesetzestechnik vermeiden.
Was den Betrag angeht, so haben wir uns bemüht, so sparsam wie möglich zu sein, und haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine unnötige Belastung des Etats zu vermeiden.
Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, den Antrag des Abgeordneten Brese abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Ich verzichte; die beiden Vorredner haben alles gesagt!
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schätze den Herrn Kollegen Brese aus der Arbeit des Haushaltsausschusses als einen Mami, der gelegentlich offen seine Meinung sagt. Aber ich habe den Eindruck, der Herr Kollege Brese ist in der Durchführung seiner Auffassungen nicht konsequent. Man kann sich nur dann in den Mantel des katonischen Kritikers hüllen und altrömische Sparsamkeit empfehlen, wenn man das überall und auf jedem Felde tut, auch dann, wenn etwa die Interessen des eigenen Berufsstandes berührt werden könnten.
Herr Kollege Brese weiß, was ich meine; (Abg. Brese: Nein!)
ich will nicht mehr sagen.
Aber ich möchte zur Sache selber etwas sagen. Natürlich kann man über diese oder jene Maßnahme zur Verstärkung des parlamentarischen Dienstes verschiedener Meinung sein, das ist klar, und bei der Vorbereitung dieses Beschlusses — der ja von den Fraktionen vorbereitet worden ist — haben sich die Meinungen auch innerhalb der Fraktionen gegenübergestanden. Man ist schließlich zu einem, wie ich glaube, vernünftigen Kompromiß gekommen. Aber, Herr Kollege Brese, wenn Sie sagen, das Parlament und die Parlamentarier müßten — so haben Sie sinngemäß gesagt - selbst Manns genug sein — ich bitte die Damen, zu entschuldigen, daß ich mich dieses etwas maskulinen und zweifellos einseitigen Wortes bediene —, die Aufgraben, die ihnen kraft ihres Mandats gestellt seien, hier zu erledigen, dann darf ich Ihnen sagen, Herr Kollege Brese, daß Sie sich einfach blind stellen gegenüber einer Tendenz, die doch offenkundig ist. Die Parlamentarier sind angesichts der Fülle der Probleme, die auf sie einstürmen, doch entweder gezwungen, sich in Spezialistenkonventikel aufzulösen - und das sind die Ausschüsse weitgehend —, so daß der Parlamentarier im Schnitt gar nicht mehr in der Lage ist, die Problematik der Gesetzgebung im ganzen zu übersehen, und sich den Spezialisten im eigenen Hause ausgeliefert sieht,
oder aber sie stehen vor der Diktatur der Bürokratie.
Ich meine das jetzt nicht in einem ideologischen Sinne. Aber es ist eine zwangsläufige Entwicklung, daß das Parlament als die Summe der Menschen, die, mit gesundem Menschenverstand und einigem Fachwissen ausgestattet, auf der Bühne der Politik auftreten, doch nicht in alle Details eingeweiht sein kann. Und wenn es vor allem noch um die Gesetzesinitiative aus dem Parlament selber gut, muß doch diese Initiative genau so systematisch untermauert sein wie etwa die Gesetzesinitiative, die von der Regierung her kommt.
Die Regierung hat ihren ganzen großen Verwaltungsapparat auf ihrer Seite; das Parlament steht
im wesentlichen doch ohne einen guten Gesetzesdienst, einen guten juristischen Rat den Ratschlägen der Bürokratie gegenüber, ohne im letzten immer durchzuschauen, was damit gemeint ist. Wir haben Fälle erlebt — Herr Kollege Reif hat darauf angespielt —, wo man geradezu einer Verschwörung gegenüberstand, wenn es darum ging, bei bestimmten Gesetzen, die aus der Mitte des Hauses entstanden sind, sich den Rat der Ministerialbürokratie zu verschaffen. Dann ist gesagt worden: „Wir dürfen darüber nichts sagen; wir haben nicht das Recht, Auskunft zu geben; wir sind nicht ermächtigt, mitzuarbeiten." Das ist doch ein unmöglicher Zustand.
— Ich wollte auf dieses Kapitel zu sprechen kommen. Es ist in der Tat so. Wir haben als Parlament einen Partner, der uns durch das Grundgesetz beigesellt worden ist. Ich will nicht auf Faust und seinen Partner zurückgehen — Sie wissen, was ich meine —; Sie wissen, daß der Herrgott ihm einen Partner zugesellt hatte. Der Bundesrat spielt eine ganz andere Rolle .als .Mephisto im „Faust".
Aber jedenfalls ist er ein Partner, ein sehr ungleicher Partner nicht nur seiner Konstruktion nach, sondern auch idem ;Gewicht nach, das hinter ihm steht. Sehen Sie sich mal unsere Assistenz an. Ich will gar nicht dafür plädieren, daß jeder Assistent hier bei uns im Hause genau dieselbe Rangstufe hat, wie die Referenten des Bundesrats. Ich bin sowieso gegen diesen Aberglauben, daß man nur miteinander verhandeln könne, wenn man den gleichen Titel trage. Aber drüben wird praktisch das, was hier unsere Assistenz zu leisten hat und was die Fraktionen zu leisten haben, von Herren in sehr hohen Rangstufen und mit sehr umfassenden Kenntnissen in Gesetzgebung und Verwaltung getan, und die Minister, die Mitglieder des Bundesrates, haben hinter sich einen Apparat, der sich gewaschen hat. Wir haben — das muß man zugeben — ein gutes Archiv, ,eine gute Bibliothek, die funktioniert, wenn man Sich ihrer bedient, aber sonst nichts. Ich glaube, wir sollten uns doch darüber klar sein, daß die Aufgabe ides Parlaments in dieser Geschichtsperiode wirklich nur erfüllt werden kann, auch was die Kontrolle der Verwaltung betrifft, wenn das Parlament selber als eine eigenständige Verfassungsfigur ausreichend fundiert ist, auch nach der Seite dier wissenschaftlichen Bedienung seiner Mitglieder.
Ich meine also, das Haus wäre schlecht beraten, wenn es Herrn Kollegen Brese auf diesem Wege folgen wollte. Ich kann ihm aber versichern, daß er noch Gelegenheit haben wird, während dieser Haushaltsberatungen Sparsamkeit praktisch zu betätigen, indem er unseren Anträgen in einigen Punkten folgt.
Das Wort hat die Abgeordnet Frau Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zu einem
Kapitel sprechen, über das wir untereinander — Mitglieder aller Fraktionen — soundso oft gesprochen haben, bei dem wir aber niemals dazu gekommen sind, unsere Meinung einmal ganz deutlich in der Öffentlichkeit zu sagen, und zwar ist das der Betrieb des Bundeshauses selber.
Ich darf da bei dem Restaurationsbetrieb anfangen. Wir sind zwar ungeheuer geistreiche Menschen — wir haben es eben vom Kollege Brese gehört —, die „hier oben" alles in Ordnung haben;
aber wir sind ja auch darauf angewiesen, etwas Materielles zu uns zu nehmen in einer Umgebung, die dem entspricht, was an Arbeit und an Nervenaufwand von einem Abgeordneten, so wie die Verhältnisse nun einmal liegen, verlangt wird. Meine Damen und Herren, wenn ich hier im Bundeshausrestaurant bin, so ,weiß ich niemals, ob ich mich in einem Aquarium befinde
oder vielleicht im Wartesaal eines Zentralbahnhofs;
vielleicht auch in einer Kreuzung von beiden. Der Zustand ist doch völlig unmöglich. Es ist uns Gott sei Dank mit einiger Energie nach und nach gelungen, daß wir wenigstens an den Tagen dier Plenarsitzungen in einem Raum beinahe unter uns sein können. In den übrigen Räumen aber wälzt sich das Publikum, das ich sonst an sich sehr gern habe, das jedoch, finde ich, an Plenartagen in dem Aquarium des Bundesrestaurants nichts zu suchen hat.
In diesem Aquarium wird nun eine Nahrung gereicht, die keineswegs den Preisen entspricht, die gefordert werden.
— Was soll ich mit Kartoffeln?
Ich esse furchtbar wenig, wie Sie an meiner Figur merken.
— Nein, sehr gut!
— Ich bin Hausfrau. Das werden Sie zwar gar nicht so ohne weiteres glauben, es ist aber eine Tatsache. Was man hier im Verhältnis zu Preis und Qualität an Ernährung bekommt,
ist weit von dem entfernt, was man ehrlicher- und natürlicherweise verlangen kann.
Ich glaube, es ist auch kein erfreulicher Zustand, daß einem bereits bei der Annäherung an das Bundeshaus morgens durch höchst zweifelhafte, aber nicht gerade orientalische ,Wohlgerüche" der Appetit für die nächste Mahlzeit vergeht.
Meine Damen und Herren, es sind auch sonst ganz komische Sitten eingerissen. Ich habe neulich
folgendes erlebt, obgleich ich, glaube ich, nicht zu dien Leuten gehöre, die unendlich viel Zeit mit Essen zubringen. Wir hatten vor kurzem eine Plenarsitzung, die bis 3 Uhr mittags dauerte. Gut! Wir sind dazu da, unsere Pflicht bis zum Schluß zu erfüllen. Um 3 Uhr 20 kam ich ins Restaurant —alle Fraktionen waren vorher durch die fortlaufenden namentlichen Abstimmungen hier im Saal angenagelt; ich hatte infolgedessen noch nicht Mittag essen können. Ich erfuhr nun zu meinem lebhaften Erstaunen, daß ich kein warmes Essen mehr bekommen könne: nach 3 gebe es nichts mehr. Ich fragte: „Gilt das auch für Abgeordnete oder nur für die zahllosen Besucher?" — „Nein, das gilt auch für Abgeordnete." Nun, verehrte Kollegen, es scheint mir ein völlig unmöglicher Zustand zu sein, daß Abgeordnete hier viele Stunden festgehalten werden, aber zu einer Zeit, die sich die Ökonomie ausdenkt, nicht zum Essen kommen können und dann vor nichts oder vor Kaffee und Kuchen stehen. Kaffee trinke ich nicht gern, und Kuchen esse ich auch nicht gern.
Aber es ist keine Art und Weise, daß man einfach vor die Tatsache gestellt wird: Zu essen kriegst du nichts mehr! Sieh, wo du es herbekommst!
Aber es gibt noch andere höchst merkwürdige Dinge. Vor einigen Tagen bestellte ich mir zur Fahrt nach Königswinter, was bekanntlich nicht weit ist — Stunden, ehe ich abfahren mußte —, einen Wagen. Ich mußte zu einer Sitzung; zum Vergnügen fahren wir nämlich nicht aus. Der Wagen wird bestellt. Ich komme hin und sage: „Ich bitte, daß der Wagen gerufen wird." — „Ja, Sie möchten noch einmal ans Telefon kommen." — Gehorsam, wie ich bin, komme ich ans Telefon. Ich sage: „Was ist denn?" — „Ja, den Wagen können Sie nicht bekommen." — „So," sage ich, „wie denn das?" — „Ja, es hat der Herr X" — ich kenne ihn nicht — „bestimmt, daß an Sonnabenden nachmittags und am Sonntag Wagen für Fahrten nach außerhalb Bonns nicht mehr zur Verfügung gestellt werden dürfen."
Es würde mich ungeheuer interessieren, wenn Sie, Herr Präsident, in Ihrem Gremium einmal fragen würden, wer wem welche Genehmigung gegeben hat, uns die Wagen zu sperren.
Ich habe den Herrn gefragt, ob er denke, ich solle bellend nebenherlaufen, um nach Königswinter zu kommen, oder wie er es sich eigentlich denke, daß man dahinkommen solle. Schlimmer trifft es noch die Kollegen, die noch abends zum Flugzeug müssen, weil sie vorher nicht wegkommen konnten. Das 6-Uhr-Flugzeug kriegen sie nicht, weil sie um 4 Uhr keinen Wagen haben. Was soll nun eigentlich werden? Wer nimmt es sich hier im Hause heraus, eine solche Bestimmung abzufassen und uns kurzerhand die Beförderungsmöglichkeit zu sperren?
Aber ich spreche nicht nur für uns. Soviel ich weiß, sind die Fahrer in einer ebenfalls recht unangenehmen Lage, da sie vom Freitagnachmittag an
kein Essen mehr bekommen können, weil es sich angeblich für den Ökonomen nicht rentiert, die Kantine offenzuhalten.
Was soll denn ein Fahrer machen, wenn er einen von uns etwa nach Düsseldorf oder nach Köln zum Flugzeug gefahren hat und hier am späten Nachmittag ankommt? Schluß von der Aufführung: rentiert sich nicht; also wird zugemacht! Meines Erachtens müssen wir für die Fahrer genau so sorgen wie für uns.
Vielleicht ist das eine veraltete Vorstellung, die ich habe.
Noch etwas anderes, was mir sehr unangenehm aufgefallen ist. Sie wissen, ich habe so einen Dollpunkt, der heißt Rechtsgleichheit und Gleichberechtigung.
— Ja, ja, ganz recht. Der hat sich schon so festgesetzt, daß ich ihn selbst jetzt wieder vorbringen werde.
— Doch!
— Immer sachte mit den jungen Pferden!
Also hier im Bundeshausrestaurant sind bekanntlich sehr fleißige und sehr angestrengte Kellner, Essensträger. Es sind dort auch drei oder vier jüngere Frauen, die uns ebenfalls die Mahlzeiten bringen. Nun, nach meinen Beobachtungen arbeiten diese keineswegs langsamer als ihre männlichen Kollegen.
Die männlichen Kollegen gehen meistens so los —, und diese jungen Frauen bewegen sich ungefähr im Düsenjägertempo durch die Landschaft.
Nun sagen Sie, wie ist denn das eigentlich? Ein Grundgehalt oder ein Generalgehalt wird vertragsmäßig zugesagt, den weiblichen Bediensteten von 250 Mark, den männlichen von 350 Mark!
Ich möchte bloß wissen, woher hier der Unterschied kommt. Kann uns einer hier im Hause oder von der Bundestagsverwaltung nachweisen, daß diese Frauen nicht die gleiche Arbeit leisten wie die Männer? Ja, sie leisten mehr!
Ich möchte dringend bitten, dafür zu sorgen, daß die selbstverständliche Gerechtigkeit diesen Frauen gegenüber von uns, die wir uns immer sozial und gerecht tun, exerziert wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 184 Abgeordnete des Hohen Hauses haben den Antrag Umdruck 386 *) eingereicht. Der Antrag bezweckt, daß der Zuschuß des Bundes an die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft, der 240 Abgeordnete und Regierungsmitglieder des Bundes und der Länder angehören, von 10 000 DM auf 23 000 DM erhöht wird. Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft hat sich zur Aufgabe gesetzt die Erhaltung und Nutzung der natürlichen Hilfsquellen, der sich erneuernden Hilfsquellen des Bodens, des Wassers, der Vegetation, der Luft einerseits und der Bodenschätze andererseits. Sie setzt sich zusammen aus Mitgliedern der Parlamente, des Bundestags und der Länderparlamente.
Bei der Beratung des vorigen Antrags ist die Frage angesprochen worden, in welcher Weise der überbeschäftigte und überlastete Abgeordnete bei seiner gesetzgeberischen Arbeit und insbesondere bei der Entfaltung der Gesetzesinitiative unterstützt und gefördert werden kann. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft auf einem zwar sachlich beschränkten, aber wichtigen Gebiete es verstanden hat, den Parlamentariern sämtlicher Fraktionen des Bundestags und der Länderparlamente wertvolle Hilfe zu leisten. Im Schoße dieser Arbeitsgemeinschaft und unter ihrer Mitwirkung sind zahlreiche Anträge, Vorlagen und Gesetzentwürfe ausgearbeitet worden. Es hat sich gezigt, daß es auf einem Gebiete, das zwar von stärkeren politischen Akzenten, Bewertungen frei ist, das aber einen wirtschaftlich wichtigen Sektor umfaßt, möglich ist, interfraktionell und interparlamentarisch zusammenzuarbeiten. Mit besonderer Dankbarkeit möchte ich als Abgeordneter aus dem Südwesten unseres Vaterlandes der Initiative gedenken, die die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft bei der Behandlung der Frage des Rhein-Seiten-Kanals und bei der Ausarbeitung einer Denkschrift entfaltet hat, die den Parlamentariern Frankreichs inzwischen zugeleitet worden ist.
Ich darf an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bitte richten, die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft bei der Fortführung ihrer für uns alle so bedeutsamen Tätigkeit dadurch zu unterstützen, daß der Zuschuß, der in Höhe von 10 000 DM vorgeschlagen worden ist, auf 23 000 DM erhöht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Ausführungen der Frau Kollegin Dr. Lüders zwingen mich doch, etwas dazu zu sagen. Es könnte der Eindruck erweckt werden, als ob der Deutsche Bundestag lediglich durch seine Gesetzgebung versuchte, die Gleichberechtigung herbeizuführen, aber ansonsten ein unsozialer Arbeitgeber sei. Ich möchte klar und deutlich herausstellen, daß der Deutsche Bundestag mit dem Restaurant überhaupt nichts zu tun hat. Das Restaurant ist verpachtet, und die Lohngestaltung wird von dem Pächter ohne irgendeine Mitwirkung des Deutschen Bundestags geregelt.
*) Siehe Anlage 7. — Bitte? Das ist etwas anderes! Ich möchte nur
klarstellen, daß wir nicht die Schuld daran tragen.
Soweit Beschwerden gegen die Fahrbereitschaft vorgebracht worden sind, möchte ich bitten, sie bei dem Kollegen Matthes anzubringen, der vom Vorstand des Deutschen Bundestages beauftragt ist, diese Dinge zu überwachen. Wenn wir da irgendwelche Beschwerden vorbringen, werden etwaige Mängel weitestgehend abgestellt.
Die Änderungsanträge zum Einzelplan 02 sind begründet. Die allgemeine Aussprache ist erfolgt. Wird weiter noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Die Abstimmungen finden erst um 20 Uhr statt.
Ich rufe auf:
c) Einzelplan 03 Bundesrat .
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schild .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat den Einzelplan 03 so verabschiedet, wie er von der Regierung vorgelegt worden ist, mit der Einschränkung und der Änderung, die Sie auf Drucksache 1503 vorfinden. Die Gesamtausgaben des Bundesrats haben sich auch in diesem Jahr wie im Vorjahr reduziert, und zwar um 44 000 DM. Der Zuschußbedarf ist um 48 000 DM geringer. Im Stellenplan der Beamtenschaft und der Angestelltenschaft haben sich keine Veränderungen ergeben. Neu aufgenommen sind lediglich die Beihilfen im Tit. 107 aus dem Etat des Bundesfinanzministeriums. Diese Neuaufnahme vollzieht sich in all den Einzelplänen, in denen bisher die Beihilfen für Beamte und Angestellte nicht etatisiert waren. Bei der Unterhaltung der Gebäude ist eine Erhöhung um 15 000 DM eingetreten. Dagegen sind auch wesentliche Senkungen von Ausgaben erfolgt, darunter die der Fahrtkosten für die Mitglieder des Bundesrates und die Ausschüsse um 10 000 DM und die Senkung der Tagegelder um 50 000 DM pro Jahr.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen, den Einzelplan 03 in der vorliegenden Form anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zu diesem Einzelplan liegt kein Änderungsantrag vor, wohl aber ein Entschließungsantrag, Umdruck 391. Wenn über diesen auch erst in der dritten Beratung abgestimmt werden kann, so steht doch nichts entgegen, daß er jetzt begründet wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Antrag Umdruck 391:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Präsident des Bundesrates wird aufgefordert, von dem Umbau dies Bundesratssaales abzusehen und die in den Haushaltsplänen der zurückliegenden Jahre für diesen Umbau bewilligten Mittel endgültig einzusparen.
Wir haben im Haushalt 1953 einen Ansatz von 300 000 DM zum Umbau des Bundesratssaales ausgebracht. Der Betrag ist bisher gesperrt geblieben,
weil man sich über die bautechnischen Fragen nicht ganz klar war. Jetzt ist der Betrag vom Haushaltsausschuß entsperrt worden. Ich halte den gegenwärtigen Zeitpunkt für völlig ungeeignet zu dem Umbau, wo sich doch anscheinend die Dinge jetzt politisch . weiter zuspitzen, wo wir zu gesamtdeutschen Verhandlungen kommen, wo wir außenpolitisch vielleicht die Möglichkeit haben, die Wiedervereinigung Deutschlands zu erreichen. In diesem Moment an unserem Bundeshaus, an unserem. Parlamentsgebäude einen weiteren Umbau vorzunehmen, halte ich für politisch unangebracht. Auch von der optischen Seite her erscheint es nicht vertretbar, daß wir an dieser Stelle wieder ein Bauvorhaben beginnen, nachdem wir doch in den letzten Jahren gerade im Raum Bonn und in Bonn sehr viel gebaut haben.
Deshalb bin ich der Meinung, man sollte in diesem
Augenblick von einem Umbau absehen. Es handelt
sich, wie gesagt, um einen Betrag von 300 000 DM.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich leider zum zweitenmal genötigt, von einem Antrag abzurücken, der hier gestellt worden ist. Wir sind uns im Haushaltsausschuß völlig darüber im klaren gewesen und haben seit sechs Jahren, solange der Haushaltsausschuß seine Arbeit durchgeführt hat, eine Maxime strikt und, ich glaube, mit gutem Erfolg durchgehalten. Diese Maxime lautete: uns nicht in die Angelegenheiten des Bundesrats und seine eigene Haushaltsgebarung einzumischen und vom Bundesrat umgekehrt zu erwarten, daß er sich nicht in die Haushaltsgebarung im Rahmen des Einzelplans 02 einmischt. Ich glaube, daß wir gut daran getan haben, diese beiden Dinge auseinanderzuhalten und es unter keinen Umständen zu gegenseitigen Einmischungen der beiden Hauptfaktoren der Legislative kommen zu lassen.
Aus diesem Grunde haben wir uns auch entschlossen, dem ausdrücklichen Wunsche des Bundesrats nachzukommen, diesen Umbau drüben durch die Aufhebung des angebrachten Sperrvermerks zu ermöglichen. Die Summe war längst vorher bewilligt worden. Es handelte sich nur um die Aufhebung des Sperrvermerks. Auch das wäre noch nachzutragen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit ausdrücklich feststellen, daß der Bundestag als solcher mit dieser Angelegenheit eigentlich gar nichts mehr zu tun hat. Es ist eine reine Angelegenheit des Präsidiums des Bundesrats. Wenn der Bundesrat —wie wir annehmen müssen, aus zwingenden Gründen — diesen Wunsch hatte, ist es nicht Sache dieses Hohen Hauses, sich einem solchen Wunsche zu versagen. Aus diesem Grunde möchte ich bitten, dem Antrag unseres Kollegen Brese nicht zu folgen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Beratung über diesen Punkt schließen.
Auf besonderen Wunsch des Herrn Bundesjustizministers wird nunmehr der Einzelplan unter dem Buchstaben g vorgezogen:
Einzelplan 07 für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz .
Das Wort als Berichterstatterin hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
— Die Frau Berichterstatterin verweist auf den Schriftlichen Bericht.*) Er wird vom Hause entgegengenommen.
Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Greve?
— Ich war eigentlich der Annahme, er sei anwesend, nachdem mir dieser Wunsch vorgetragen wurde. Ist der Herr Staatssekretär anwesend?
— Dann werden wir zweckmäßigerweise die Beratung zurückstellen.
— Nach Beendigung der Beratung des nächsten Haushalts würde ich, falls das Hohe Haus damit einverstanden ist, diesen Haushaltsplan wieder aufrufen. — Das Haus ist einverstanden.
Dann rufe ich nunmehr auf
Einzelplan 05 für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
— Nein, ich habe Einzelplan 05 aufgerufen. Es ist eine Vereinbarung, daß Einzelplan 04 heute nicht aufgerufen wird.
— Ich bin von dem Herrn Präsidenten bei der Amtsübernahme dahin unterrichtet worden, daß Einverständnis bestehe, Einzelplan 04 heute überhaupt nicht aufzurufen, weil der Herr Verteidigungsminister nicht anwesend sein kann. — Also ich darf Ihnen das Wort als Berichterstatter erteilen.
*) Siehe Anlage 20.
Herr Präsident, ich darf gleichfalls auf meinen Bericht*) verzichten. Er liegt schriftlich vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache.
— Diese Frage kann sich, glaube ich, jeder selbst beantworten, wenn er Zeitung liest.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pfleiderer.
— Einen Augenblick, ich darf feststellen, ich hatte die Frage mißverstanden und gemeint, sie ginge nach dem alten Außenminister.
Der Herr Außenminister ist auf dem Wege in dieses Haus.
— Der Irrtum ist, glaube ich, verzeihlich. Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen sind von jeher ein Kernstück der parlamentarischen Arbeit gewesen, und Haushaltspläne sind schon eine Art erratischer Blöcke geworden, die zu vier Fünfteln von vornherein festliegen und denen gesetzliche Verbindlichkeiten zugrunde liegen, die nicht mehr geändert werden können. Aber die Pläne geben doch Veranlassung, sich über die nackten Zahlen hinaus mit der Politik des Staatswesens zu befassen im allgemeinen und in den Besonderheiten. Ich möchte heute davon absehen, von der sogenannten großen Politik zu sprechen, und möchte mich darauf beschränken, zur auswärtigen Verwaltung und zur Behandlung der auswärtigen Geschäfte Stellung zu nehmen, so wie sie sich zwischen den gesetzgebenden und den ausführenden Gewalten herausgebildet hat.
Zunächst einige Bemerkungen über die Organisation des Auswärtigen Amts. Bereits vor Jahresfrist fühlte ich mich veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß das Auswärtige Amt an der Spitze zu schwach besetzt sei. Ich meinte dabei natürlich nicht, daß der bisherige Außenminister persönlich zu schwach gewesen sei. Das ist nicht der Fall; dazu haben wir seine „Politik der Stärke" alle zu gut kennengelernt. Wohl aber meinte ich, daß die Zahl der verantwortlichen und zu Entscheidungen ermächtigten Personen zu gering sei und daß an dem, einen Staatssekretär im Auswärtigen Amt viel zu viele Aufgaben und Termine hingen, als daß sie noch bewältigt werden könnten. Das ist nicht eine Frage der Arbeitskraft oder der Fähigkeiten oder auch nur des guten Willens. Ich glaube im Gegenteil, die Hingabe des Staatssekretärs und seine Aufopferung sind so, wie sie nur bei Männern zu
*) Siehe Anlage 18. finden sind, die außer der Arbeit keine anderen Götter und Göttinnen neben sich haben.
Ich glaube auch, mit der „Braut von Messina" ist es diesmal nichts geworden. Es ist einfach eine Frage der Zeit. Ich will nicht reden von den Abgeordneten, die Mühe haben, rechtzeitig eine Unterredung zu führen, um ihre Fraktionen unterrichten zu können; wohl aber denke ich an die Botschafter, denen es oft auch nur schwer gelingt, innerhalb der wünschenswerten Zeit empfangen zu werden. Meine Freunde und ich sind sehr unglücklich darüber, daß alles, was wir in den letzten Jahren hierüber vorgebracht haben, bis heute unberücksichtigt geblieben ist.
Ich habe vor kurzem ein ausgezeichnetes Werk eines ausgezeichneten englischen Staatsmannes gelesen, „Government and Parliament" von Herbert Morrison, der ja auch die Last eines Außenminister aus eigener Erfahrung sehr genau kennt. Aus diesem Werke ist mir immer wieder klargeworden, daß die Last der Geschäfte die Kraft eines einzelnen Mannes übersteigt und schon im Verhältnis zur Volksvertretung auf mehrere Schultern, Außenminister und Staatsminister und parlamentarische Staatssekretäre verteilt werden sollte.
Ich möchte diesem etwas schwierigen Abschnitt einen freundlicheren folgen lassen. Die Freien Demokraten sind glücklich, daß die Bundesrepublik nunmehr einen hauptamtlichen Außenminister ihr eigen nennt — ich bedaure, daß er im Augenblick nicht hier sein kann —; dies ist schon immer ein besonderer Wunsch von uns gewesen. Nur die außerordentlichen Verhältnisse und die außerordentliche Persönlichkeit des Regierungschefs ließen es uns vertretbar erscheinen, daß die gesunde Regel so lange durch die Ausnahme durchbrochen wurde. Herr von Brentano ist unter unseren Augen langsam und sicher in sein neues Amt hineingewachsen. Meine politischen Freunde und ich begrüßen ihn als Außenminister von ganzem Herzen. Wir bringen ihm alle guten Wünsche für die Erfüllung seiner hohen Aufgabe entgegen. Wir schätzen seine vorzüglichen Eigenschaften, nämlich ein überlegter Taktiker und zugleich ein ritterlicher Herr und gütiger Mensch zu sein. Europa freilich ist so, wie Herr von Brentano sich unablässig darum bemüht hat, nicht zustande gekommen. Gemessen an seiner Überzeugung und gemessen an der Arbeit, die er dafür aufgewendet hat, wird er dies sicher bedauern. Aber, meine Damen und Herren, vielleicht sollen wir unseren unglücklichen Lieben nicht zu sehr nachtrauern. Es könnte sonst sein, daß wir uns den Weg zu neuem Glück erschweren. Europa ist großartig, reich und ewig, einerlei, ob man es supranational oder intergouvernemental in Paragraphen bindet oder völlig unjuristisch als geistige Kraft und Einheit nimmt, die nie mehr aufhören wird, politisch zusammenzuwirken.
Viel wichtiger scheint mir ein anderes zu sein, nämlich zu erkennen, daß Europa nicht nur einen westlichen und südlichen, sondern auch einen östlichen und südöstlichen Teil besitzt und daß dorthin keine Politik gelingen kann, wenn sie nicht durch alle Stufen der Taktik und der Strategie hindurch und wenn sie nicht gegenüber allen Graden des Ringens und Kämpfens, aber auch der Gewalt und des Leidens, die uns dort begegnen,
von einem großen Herzen und einem großen Geist umspannt wird. Darin liegt für uns Deutsche alles beschlossen, die Beendigung des Krieges, die Heimkehr der Gefangenen und die Wiedervereinigung des Landes.
Wenn man einen neuen Außenminister begrüßt, soll man dem alten danken. Doch wenn wir nach seinem Sitz auf der Regierungsbank blicken, so finden wir ihn leer. Der bisherige Außenminister befindet sich in Amerika. Er wird dort nicht nur den Doktorhut der Harvard University in Empfang nehmen, sondern er wird auch über Deutschland sprechen. Der Bundeskanzler wird sicher auch nach Abgabe des Ministeriums als Regierungschef, der die Richtlinien der Politik bestimmt, den auswärtigen Geschäften verbunden bleiben. Es wird bei uns, glaube ich, eine Lage entstehen wie in England, wo der Regierungschef ebenfalls aus den Geschäften des Auswärtigen Amts hervorgegangen ist.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nun in rascher Folge einige Fragen vorbringen, die sich auf den auswärtigen Dienst beziehen und die meine Freunde und mich bewegen. Ich glaube, wir schulden der Stadt Speyer und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Dank, daß sie dem Auswärtigen Amt für die Ausbildung des Nachwuchses bisher Gastfreundschaft geboten haben. Der diplomatische Beruf ist niemals ein Beruf nur des Wissens, sondern des Sich-Verhaltens und Sich-Bewährens in den Verhältnissen der Welt. Wir haben den Wunsch, daß Bonn als liebenswürdige Herberge unseres öffentlichen Lebens genug formende Kraft beweisen möge, um die jungen Damen und Herren auf die Höhe ihrer Aufgabe zu führen und wohlvorbereitet in ihren Beruf zu entlassen.
Früher sind häufig Abgeordnete verschiedener Parteien gebeten worden, Vorlesungen vor den Attachés zu halten. Dies hat in letzter Zeit offenbar nachgelassen. Ich bitte die Vertreter des Auswärtigen Amts, uns zu sagen, ob hierin eine dauernde Änderung beabsichtigt ist.
Meine Freunde und ich begrüßen es lebhaft, daß der vor Jahresfrist von uns geäußerte Wunsch in Erfüllung gegangen ist, daß das Auswärtige Amt nun auch die Beamten des gehobenen Dienstes in eigener Zuständigkeit ausbildet. Ich äußerte bei der Beratung des letztjährigen Haushalts die Ansicht, daß die Frau im Aufgabenbereich des gehobenen Dienstes eine vorzügliche Rolle spielen könne und daß man den in langer Arbeit bewährten Mitarbeiterinnen den gehobenen Dienst eröffnen möge; insbesondere auch soll ihnen .ermöglicht werden, nach einer längeren Dienstzeit noch die Kurse zu besuchen und die Prüfungen abzulegen, die nötig sind, um in das Beamtenverhältnis übernommen werden zu können. Ich würde nachher gern erfahren, ob schon an den ersten Kursen Damen teilnehmen und ob ein Höchstalter für die Teilnahme vorgesehen ist.
Wir bitten auch, bei nächster sich bietender Gelegenheit dem Hause Mitteilung zu machen, wieviele Anwärter des höheren auswärtigen Dienstes über Kenntnisse in slawischen und fernöstlichen Sprachen verfügen, welche Einrichtungen zum Erlernen dieser Sprachen bestehen und in welchem Maße diese Einrichtungen benutzt werden. Es ist ja kaum nötig, viel zur Begründung anzuführen.
In der Beamtenschaft, des auswärtigen Dienstes hat es in letzter Zeit einige „Fälle" gegeben, die die deutsche und zum Teil auch die ausländische Öffentlichkeit lebhaft bewegt und beunruhigt haben. Insbesondere ist es mißbilligt worden, daß innere Vorkommnisse einer Botschaft an die Öffentlichkeit gelangt sind, und zwar ohne daß, soweit bekannt, die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden wären. Auch halten sich Nachrichten von einigen unguten Prozessen, in die das Auswärtige Amt in Personalsachen verwickelt worden sei. Meine Freunde haben mich beauftragt, hier zu sagen, daß sie sich vorbehalten, die Regierung zu ersuchen, in geeigneter Form Auskunft zu erteilen.
Auch in Wiedergutmachungsangelegenheiten hat es gelegentlich Grund zu Beschwerden und Mißhelligkeiten gegeben. Wenn ein Wiedergutmachungsfall gerichtlich anerkannt ist, sollte man einen Beamten nicht so lange von einer angemessenen Beschäftigung fernhalten, bis er zuletzt die Altersgrenze erreicht hat und sich dann für den Rest seines Lebens in Bitterkeit verzehrt. Das Auswärtige Amt war früher immer dafür bekannt, daß es schwierige Fälle, wie man es ausdrückte, nach der Methode des Herrn Dr. Unblutig löste, d. h. elegant, geräuschlos und schmerzlos. Diese Überlieferung vereinigte Geist und Herz in sich und sollte mit allem Nachdruck wieder gefördert werden. An Herren, die dies können, fehlt es ja glücklicherweise nicht.
In der Pflege der menschlichen und kulturellen Beziehungen zum Ausland hat die amtliche Politik wesentliche Hilfe von nichtamtlicher Seite erhalten; ich meine: von seiten der zwischenstaatlichen Gesellschaften und Institute. Ich möchte als Sohn der Stadt Stuttgart und als Abgeordneter des der Landeshauptstadt benachbarten Waiblingen besonders das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart lobend erwähnen. In seinem Verwaltungsrat sind alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte der Bundesrepublik einträchtig vereinigt. Das Institut verfügt heute schon über eine einzigartige Fachbücherei von über 100 000 Bänden, über eine Sammlung von beinahe 100 000 Lichtbildern. Es bezieht laufend über tausend Zeitungen und Zeitschriften. Vor allem aber verfügt das Institut unter Herrn Dr. Thierfelder über einen Stab von unermüdlichen und kenntnisreichen Mitarbeitern, und dies bietet uns die Gewähr für seine weitere segensreiche Entwicklung.
Unerläßlich und vorbildlich ist es, was das Institut zusammen mit dem Goethe-Institut in München tut, um die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland zu fördern. Die Kenntnis unserer Sprache ist ja die Grundlage für das Studium von Ausländern in Deutschland, für unsere menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland. Was wir hierfür ausgeben, ist, glaube ich, gut angelegt und trägt Zinsen nach allen Seiten. Vielleicht nimmt der Herr Außenminister einen Besuch beim Institut in Stuttgart in sein Programm auf. An einem ehrenvollen und herzlichen Empfang soll es ihm in Baden-Württemberg nicht fehlen.
Die Erlangung der Souveränität und die Umwandlung der Alliierten Hohen Kommissionen in Botschaften gibt uns Veranlassung, die Regierung zu fragen, ob sie nicht den Zeitpunkt für gekommen hält, nochmals Schritte wegen der beschlag-
nahmten ehemaligen Botschaftsgebäude zu unternehmen. Von den 92 bebauten Grundstücken, die uns früher gehört haben, sind Gebäude zurückgegeben worden in Argentinien, Brasilien, Chile, Äthiopien, in der Türkei, in Island und in der Schweiz. Geldliche Abfindungen sind in den Vereinigten Staaten und in Schweden gezahlt worden. Dies alles verdient unseren Dank. Es hat sich hierbei niemals nur um Fragen des Wertes, sondern um Fragen der Würde gehandelt, nicht um Geld, sondern um die Achtung, die man uns entgegenbringt.
Auch sind wir der Ansicht, daß die Archive des Auswärtigen Amts wieder in die Hand der Deutschen gehörten. Offenbar sind die Herren Geschichtsforscher, die in diesen Akten stöbern, so sehr mit der Vergangenheit beschäftigt, daß ihnen der Sinn für die Gegenwart abhanden gekommen ist. Wenn sie es selbst noch nicht gemerkt haben sollten, daß sich auch hier das Rad der Weltgeschichte weitergedreht hat, dann sollten sie von ihren Regierungen darauf aufmerksam gemacht werden, 'ehe größerer Schaden entsteht.
Viele Fragen gäbe es noch zu besprechen, aber ich möchte hier abbrechen und mich in gebotener Kürze nunmehr einem anderen Problem zuwenden, das unmittelbar den Stil der parlamentarischen Arbeit betrifft. Mir scheint es zunächst einmal, meine Damen und Herren, nötig zu sein, daß die auswärtige Politik hier im Hause bleibt und nicht, wenn man so sagen darf, auf den Markt getragen wird. Die Stellung dieses Hauses im öffentlichen Bewußtsein des deutschen Volkes und damit die Staatsform der parlamentarischen Demokratie leiden Not, wenn dieses Haus aufhört, für die Erörterung der auswärtigen Politik in erster Linie zuständig zu sein.
Ich meine folgendes: Wenn wesentliche außenpolitische Ereignisse eintreten, die eine Stellungnahme der Regierung erfordern, dann ist es bedenklich, wenn wir Abgeordneten uns verleiten lassen — und ich nehme mich selbst hier nicht aus —, in Presse und Rundfunk unsere Blitzgedanken und Gedankenblitze vorzutragen, noch ehe die Stellungnahme der Regierung vorliegt.
Wir sollten eigentlich nicht zu den Ereignissen selbst Stellung nehmen, sondern sollten zur Stellungnahme der Regierung Stellung nehmen.
— Ich komme gleich darauf.
Die parlamentarische Demokratie ist ein kontradiktorischer Prozeß, ist ein fortdauerndes Streitgespräch zwischen Regierung und Parlament — ich möchte sagen, Parlament: Plenum und Ausschuß
— zu dem Zweck und dem Ziel, das in der jeweiligen Lage Beste herauszufinden und dann zu verwirklichen. Hierzu gehört auch, daß die Regierung zu den politischen Ereignissen vor allem in diesem Hause Stellung nimmt.
und nicht die Presse und den Rundfunk den Volksvertretern vorzieht. Ich denke dabei nicht so sehr an die Vergangenheit und an all die Notbehelfe, die der Staatsaufbau im Gefolge gehabt hat, sondern ich denke an die Zukunft der parlamentarischen Demokratie in Deutschland und denke an den
Stil, von dem wir wünschen, daß er dem neuen Herrn Außenminister am Herzen läge.
Meine Damen und Herren, als wir vor etwas mehr als Jahresfrist den Haushalt des Auswärtigen Amts für 1954 berieten, da fühlte ich mich gedrängt, von dem weißen Fleck auf der Landkarte zu sprechen, von der terra incognita des Ostens, in der wir noch keine Vertretungen unterhielten. Ich drückte dabei den Wunsch aus, wir möchten bis zu den nächsten, d. h. bis zu den diesjährigen Haushaltsberatungen einen Schritt weiter sein in der Verbindung mit jenen Ländern und damit auch auf dem Wege zur Sicherheit, zur Einheit und zum Frieden für Deutschland und für die Welt. Nun stehen wir tatsächlich schon mitten in Ereignissen, die, wie wir alle hoffen, in dieser Richtung liegen. Ich möchte nicht versäumen, meine Genugtuung und meine besondere Befriedigung hierüber zum Ausdruck zu bringen.
In der Hinwendung der sowjetischen Politik zur verfassungsmäßigen deutschen Regierung liegt ein Fortschritt von wesentlicher Bedeutung. In diesem Lichte wollen wir die Grundsätze der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten verstehen, die nach den Verlautbarungen von Bandung und Belgrad unter maßgebender Mitwirkung von Ministerpräsident Nehru und Marschall Tito erneut zur Grundlage des zwischenstaatlichen Verkehrs geworden sind, 'Grundsätze auch, die durch die Note aus Moskau in die deutschsowjetischen Erörterungen geworfen worden sind. Sicher werden diese Grundsätze der Nichteinmischung, wenn richtig angewendet, die deutsche Frage, soweit sie eine innerdeutsche Frage ist, im Geist der Freiheit, der ersehnten und unverzichtbaren Freiheit lösen helfen. Soweit aber die deutsche Frage eine internationale Frage ist und sich auf Grenzen und Sicherheit bezieht, ist sich dieses Haus, glaube ich, einig in dem Grundsatz, den Frieden zum Leitstern zu nehmen. Mit Genugtuung haben wir auch alle bemerkt, mit welcher Mäßigung in letzter Zeit die internationalen Angelegenheiten von den beiden großen Blöcken in Angriff genommen worden sind.
Noch ein Wort zu unserer eigenen Arbeit hier. In den jüngst vergangenen Beratungen ist in diesen Hause häufig vom Osten gesprochen worden. Dabei sind auch Ausdrücke von ungewöhnlicher Schärfe gefallen. Es Ist nicht Sache eines Abgeordneten, sondern Sache des Herrn Präsidenten, festzustellen, ob sich dies mit der Ordnung des Hauses verträgt. Darüber habe ich nicht zu befinden. Ich wage jedoch zu sagen, daß solche Äußerungen für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik unangemessen sind. Der polemische Wortschatz des Ostens ist bekannt. Wir sollten ihn nicht zu dem unsrigen machen, sonst können wir auch nicht wünschen und hoffen, daß er. im. Osten selbst mehr und mehr — und je eher, desto besser — verschwindet. Man soll sich nach den entsetzlichen Ereignissen der letzten 16 Jahre mit Behutsamkeit und Achtung gegenübertreten und die Keime des Friedens nicht vergiften.
Meine Damen und Herren, daß es eine deutschsowjetische Abmachung über die Aufnahme diplomatischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen nicht geben kann, ohne daß nicht zugleich die Frage der Kriegsgefangenen gelöst wird, entspricht sicher der einhelligen Ansicht dieses Hauses. Da wir aber gerade den Haushalt des Auswärtigen Amts beraten, sei es mir erlaubt, noch besonders an die Mitglieder des alten Auswärtigen
Amts zu erinnern, die sich noch immer in der Sowjetunion befinden. Mancher von denen, die sich hier und heute die Neugestaltung der deutschsowjetischen Beziehungen überlegen, denkt oft und oft und immer wieder an seine alten Freunde in sowjetischem Gewahrsam. Ich glaube, es würde sicher den höchsten Augenblick in der diplomatischen Tätigkeit jener deutschen Beamten bilden, wenn sie in aller Kürze, gewissermaßen vorab, aus der Gefangenschaft entlassen würden und uns aus dem Osten berichten könnten, der Friede sei dort erstanden, oder, wie man russisch sagt: , er sei in Wirklichkeit erstanden.
Ich empfehle dem Hohen Hause, den Haushalt 05 anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leverkuehn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, genau wie ich es voriges Jahr getan habe, zu dem Etat des Auswärtigen Amtes ein paar Worte sagen vom Standpunkt derjenigen Deutschen, die in diesem Hause nicht vertreten sind, weil sie im Ausland wohnen, und vom Standpunkt derjenigen Deutschen, die mit dem Ausland durch ihren Beruf am intensivsten verbunden sind, meiner hanseatischen Landsleute.
Wir beraten heute einen Etat des Auswärtigen Amtes nach Rückgabe der Souveränität, einen Etat für ein Amt, das nunmehr sehr viel weitschichtigere Aufgaben hat als bisher, nachdem eigens für dieses Ressort nunmehr ein Außenminister eingesetzt worden ist, der diesen besonderen Aufgaben seine ganze Sorge widmet.
Mit Befriedigung muß es jeden erfüllen, der im Ausland viel zu tun hat und sich mit den Bedürfnissen unserer Freunde draußen — und zwar nicht nur unserer Freunde, soweit sie Deutsche sind, sondern auch unserer ausländischen Freunde — vertraut macht, daß die Ansätze für die kulturellen Ausgaben und für die Schulfonds ganz erheblich erhöht worden sind.
Auf der anderen Seite — dazu werden wir noch bei dem Etat des Ministeriums des Innern kommen — ist auch der Fonds für die Studien der Ausländer in Deutschland erhöht worden, eine begrüßenswerte Ergänzung zu den Erhöhungen im Etat des Auswärtigen Amts. Auf diesem Gebiet kann, glaube ich, noch vielerlei geschehen, vor allen Dingen — mit Unterstützung des Auswärtigen Amts — in der Zusammenfassung der Aufgaben. In einer sehr glücklichen Form hat man, wie Ihnen bekannt sein wird, in Tübingen das Studium der Medizin — für Verwendung im Auslande, vor allem in den Tropen — zusammengefaßt. Etwas Gleiches wäre sehr begrüßenswert auf dem Gebiete der Technik, indem die eine oder andere der Technischen Hochschulen sich entschließt oder ersucht wird, bei sich die Fürsorge für das Studium der Ausländer zu konzentrieren, so daß man einheitlich vorgehen kann. Diese Angelegenheit gehört wie alle kulturellen Angelegenheiten zum Ressort der Länder. Aber die Länder werden sich den berechtigten Wünschen des Auswärtigen Amts auf diesem Gebiete zweifellos nicht verschließen, den berechtigten Wünschen nicht nur des Auswärtigen Amts sondern auch der großen
Vereinigungen, wie des Ostasiatischen Vereins, die auf diesem Gebiet vorstellig geworden sind.
Mit der Frage der technischen Ausbildung sind wir bei einem Thema angekommen, dessen wir uns dringlich annehmen müssen, wie mir bei meinem Besuch in Ostasien besonders klar geworden ist. Ich meine die Unterstützung durch die technische Hilfe, die wir den Nationen geben können, die in ihrer zivilisatorischen Entwicklung noch nicht so weit sind wie die westlichen Länder. Man erwartet das von uns. Man erwartet, daß wir einer ganzen Reihe von Völkern, mit denen wir befreundet sind, in ihrer Entwicklung helfen. Das kann einerseits durch Beratung geschehen, andererseits auch durch Kapitalförderung, wozu wir heute zweifellos imstande sind, während wir es bis vor einigen Jahren noch nicht waren.
Ich glaube, wir stehen überhaupt vor einer Wendung in unserer Auslandswirtschaftspolitik. Im Auswärtigen Amt findet sich noch immer die Bezeichnung „Handelspolitische Abteilung". In der Wahl dieses Wortes ist schon der beschränkte Aufgabenkreis ausgedrückt, der denen vorschwebte, die das Auswärtige Amt im Laufe des vorigen Jahrhunderts eingerichtet haben und auf deren Ideen die heutige Einrichtung fußt. Wir stehen aber jetzt vor ganz anderen Aufgaben.
Ich habe schon im vorigen Jahr darauf hingewiesen, daß zwar die Förderung des Exports außerordentlich forciert worden und sehr glücklich verlaufen ist, daß aber die Importförderung noch sehr an großen Mängeln leidet. Wir führen noch sehr viel an Gütern über Zwischenländer ein, Güter, die wir früher unmittelbar eingeführt haben. Das gilt vor allem für eine große Reihe von Waren aus Ostasien und aus Afrika.
Die Handelshäuser, die im Ausland tätig gewesen sind und die der deutschen Volkswirtschaft durch ihre Arbeit sehr erhebliche Ersparnisse eingebracht haben, haben im letzten Krieg genau wie im ersten ihr Auslandsvermögen verloren. Dieses Hohe Haus wollte ihnen helfen, z. B. mit dem Gesetz über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegs-Remboursverbindlichkeiten. Das Gesetz ist im August 1953 erlassen worden; aber die Auszahlungen, die bisher gemacht worden sind, stellen einen ganz geringen Teil dessen dar, was zur Verfügung gestellt worden ist. Hier verlieren sich entweder die Dinge in den Dickichten der Bürokratie oder man hat nicht den nötigen guten Willen. Ich hoffe, daß uns bald einmal Aufklärung darüber gegeben wird, welche Beträge nun eigentlich ausgezahlt worden sind und was noch zur Verfügung steht. Man kommt hier nicht weiter.. Zwei Jahre sind eine lange Frist, und es sollte schnell geholfen werden; das war der Wille des Gesetzgebers.
Ein anderes Kapitel ist das der Förderung der Auslandsniederlassungen. Auch hier ist manches nicht so gelaufen, wie man es gewünscht hätte. Ich glaube, man sollte sich stärker auf diejenigen verlassen, die wirklich etwas davon verstehen. Man ist in den Seestädten sehr bereit, Rat zu geben; man muß sich dorthin wenden, wenn man nicht Enttäuschungen erleben will, wie sue tatsächlich vorgekommen sind. Hier bleiben noch viele Wünsche offen.
Meine Damen und Herren! Der englische Schatzkanzler Butler hat vor kurzem in einer Rede ge-
sagt, daß etwa die Hälfte des englischen Außenhandels sich im Gebiet des englischen Empire abspiele. Ich glaube, diese Feststellung ist für uns sehr interessant, weil sie uns eine gewisse Blickrichtung gibt für das, was wir anstreben sollten. Wir können natürlich nicht nachmachen, was England in Jahrzehnten aufgebaut hat; diese Märkte — die Hälfte der Märkte des englischen Handels und der englischen Industrie — sind England bis zu einem gewissen Grade bei aller Liberalisierung doch reserviert, jedenfalls wird England dort bevorzugt.
Wenn wir ein solches Handicap, wie wir es auf diesem Gebiete haben, einholen wollen, dann müssen wir uns entschließen, eine Marktpflege zu treiben, die anders aussieht, als das, was bisher geschehen ist. Die Exportförderung allein tut es nicht. Denn wenn einmal Krisenerscheinungen kommen — sie kommen unvermeidlich, sie kommen wahrscheinlich schon verhältnismäßig bald —, dann drückt auf die Märkte, die heute unsere Hauptabnehmer sind, eine Fülle von Angeboten aus anderen Ländern, Angebote, denen wir nicht gewachsen sein werden. Wenn wir Marktpflege treiben in den Ländern, ,die den besonderen Wunsch haben, mimt uns zusammenzuarbeiten, so wird sich darauf ein laufendes Geschäft aufbauen lassen, das die Krisenfestigkeit aufweisen wird oder mindestens zum Teil aufweisen kann, die die englischen Märkte im Empire aufweisen.
Wir sind in Asien wie in Afrika eine Macht, die der Vorwurf des „Kolonialismus" nicht trifft; und daß dieses Wort von großer Bedeutung ist, auch für die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, das, meine Damen und Herren, ist durch den Verlauf der Bandung-Konferenz sehr klargeworden.
Wir können außer der technischen Hilfe und Beratung auch ein gewisses Geldkapital beitragen. Ein gewisses Zögern auf diesem Gebiete von seiten der Privaten ist erklärlich, wenn man sich vor Augen führt, daß der Schutz des Privateigentums in der Welt leider noch nicht so ist, wie man ihn wünschen sollte, und zu unserem großen Bedauern gerade bei der Macht, die sich als Vormacht der westlichen Kulturauffassungen fühlt, bei den Vereinigten Staaten, noch nicht so durchgedrungen ist, wie wir es erwarteten. Die Verhandlungen, die im .Auftrage des Bundeskanzlers geführt worden sind, haben nicht den Erfolg gehabt, den man erhoffte. Neuerdings ist noch dazugekommen, daß —zum Mindesten unter amerikanischer Billigung — auch in Österreich sich Vorgänge abgespielt haben, welche mit dem Schutze des Privateigentums völlig unvereinbar sind.
Die einzelnen Vorgänge sind vielleicht noch nicht ausreichend bekannt, und wir wissen nicht, ob die österreichische Regierung, der an freundschaftlichen Beziehungen, wie sie sagt, zur Bundesrepublik durchaus liegt, ihrerseits das Maß an Widerstand aufgebracht hat, das wir in diesem Falle glauben erwarten zu können. Darüber wird vielleicht noch einmal besonders zu sprechen sein.
Wenn wir uns nun aber vor Augen führen, was auf dem Gebiete der Investierung draußen geleistet werden kann, so ist zu berücksichtigen, daß ein Teil des Kapitals durch die technische Beratung beigetragen werden kann, die Länder, die das angeht, sind bereit, uns da in weitem Umfange entgegenzukommen. Im übrigen aber ist die Finanzpolitik, die Erteilung von Krediten draußen völlig ungeordnet. Ich habe hier schon im vorigen Jahre den Wunsch ausgesprochen, das Auswärtige Amt möge sich dieser Seite annehmen. D:as wird jetzt wichtiger denn je; denn die Außenpolitik, die wir zu treiben haben werden, wird auf die Wirtschaftspolitik in höchstem Maße achten müssen. Wenn große Projekte in einzelnen Ländern bestimmter Räume ventiliert werden, dann werden die Nachbarländer, mit denen wir befreundet sind, mit Erstaunen sehen, daß wir Geld dorthin gehen lassen, wo weder die wirtschaftliche Festigkeit noch die politische Zuverlässigkeit außer Zweifel steht. In allen diesen Fragen wird das Auswärtige Amt in viel stärkerem Maße als bisher die Führung beanspruchen müssen. Es geht nicht, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbau, also eine Stelle, die dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit untersteht, die Bank deutscher Länder, das Wirtschaftsministerium und die Hermes-Kreditversicherung, daß alle diese Stellen ohne Führung und Konzentrierung beim Auswärtigen Amt tätig werden. Das muß aufhören. Das ist wichtig für unsere Politik und das ist wichtig für die Festigung der Märkte.
Herr Staatssekretär Hallstein hat bereits in einer Rede in Hamburg beim Liebesmahl des Ostasiatischen Vereins auf die finanziellen Aufgaben hingewiesen, die bewältigt werden müssen. Ebenso hat Herr Pferdmenges in Bremen über diese Dinge gesprochen. Ich bin überzeugt, daß meine hanseatischen Kollegen in allen Parteien dieses Hauses mit mir in dieser Sache gleicher Auffassung sind. Ich möchte dieses Anliegen der Konzentrierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik beim Auswärtigen Amt dem Herrn Außenminister besonders ans Herz legen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Vereinbarung über den Aufruf der einzelnen Pläne nicht ganz programmgemäß eingehalten worden ist — durch ein Mißverständnis, das aufzuklären vielleicht nicht wichtig genug ist —, möchte ich, damit nicht der Eindruck entsteht, daß die sozialdemokratische Opposition zum Einzelplan 05 Auswärtiges Amt nicht die Absicht habe, etwas zu sagen, folgende Bemerkung machen. Wir haben darum gebeten, daß die Position Gehalt des Außenministers, um es mit einem jetzt Mode gewordenen Wort zu bezeichnen, ausgeklammert und in der nächsten Woche in Anwesenheit des bisherigen Herrn Außenministers, des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer, noch einmal aufgerufen wird. Wir werden bei dieser Gelegenheit die Bemerkungen vorzubringen haben, die die Opposition nicht zur Außenpolitik allgemein — dafür wird sicher bei anderer Gelegenheit eine Möglichkeit bestehen — sondern zum Aufbau und zu einzelnen Tätigkeiten des Auswärtigen Amts zu machen hat.
Wir sind der Meinung — das ist nicht ein Werturteil über den jetzigen Herrn Außenminister, dem wir im jetzigen Augenblick weder Vorschußlorbeeren spenden möchten noch das Gegenteil —, daß für den Aufbau des Auswärtigen Amts und für die Tätigkeit, die dieses Amt im letzten Jahr entfaltet
hat, nicht der jetzige, sondern der verflossene Herr Außenminister verantwortlich ist und daß deshalb die Bemerkungen, die wir anzubringen haben, ihm gelten. Ich möchte das Haus von dieser Absicht in Kenntnis setzen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine der bedeutsamsten Aufgaben, die die Vereinten Nationen und verschiedene ihrer Organisationen durchführen, ist das technische Beistandsprogramm für die unterentwickelten Länder. Dieses Programm wird durch freiwillige Beiträge der einzelnen Länder finanziert, und die Bundesrepublik ist seit 1952 mit Beiträgen von zunächst 300 000 DM, dann 500 000 DM und in den letzten beiden Jahren von 625 000 DM daran beteiligt. Diese Beiträge brauchen nicht in fremde Währung konvertiert zu werden, sondern werden in D-Mark gezahlt, und die Verwaltung des Beistandsprogramms bei den Vereinten Nationen tätigt mit diesen Geldern Käufe in der Bundesrepublik. Es werden Maschinen und Ausrüstungsgegenstände angeschafft, und es werden auch Honorare etwa für die deutschen Experten gezahlt, die bei den Vereinten Nationen angestellt sind und deren Familien noch in Deutschland leben. Es werden ferner Stipendiaten nach Deutschland geschickt, die auf deutschen Hochschulen studieren oder in deutschen Betrieben ihre Ausbildung erhalten. Die Verwaltung dieses Beistandsprogramms hat nun schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Ausgaben, die sie hier bei uns in Deutschland tätigt, ein Vielfaches von dem ausmachen, was der Beitrag der Bundesrepublik beträgt. Sie muß aber bestrebt sein, diese Beiträge und die Ausgaben in einem Lande in einer gewissen Beziehung zu halten, weil naturgemäß jedes Land den Wunsch hat, daß sein Beitrag auch in irgendeiner Form wieder dem eigenen Land und der eigenen Wirtschaft zugute kommt, so daß jede höhere Ausgabe in einem Land zu Lasten eines anderen Landes geht.
Ich finde es peinlich, daß uns immer wieder vor Augen gehalten wird, daß unsere Beiträge in keiner Relation zu den Ausgaben in Deutschland stehen. Noch beschämender aber fast ist es, wenn wir einmal unseren Beitrag mit den Beiträgen anderer Länder vergleichen. Auch der Auswärtige Ausschuß 'des Bundestages hat aus diesem Grunde wiederholt — schon in der ersten Legislaturperiode — den Wunsch ausgesprochen, und zwar einstimmig, den deutschen Beitrag zu erhöhen.
Ich darf Ihnen vielleicht einmal einige Zahlen von den Beiträgen vorlesen. Sie sind hier in Dollar aufgeführt. Der heutige Beitrag der Bundesrepublik, in Dollar umgerechnet, würde 148 810 $ betragen. Nun haren Sie einmal die Beiträge einiger anderer Länder: Argentinien 300 000 $, Belgien 337 500 $, Dänemark — das kleine Dänemark! — 542 927 $. Indien 400 000 $, Pakistan 166 213 $, die Türkei 201 495 $, wobei man noch bemerken muß, daß Länder wie die Türkei, Indien, Pakistan zu den Empfängerländern dieses Beistandsprogramms gehören.
Aber nicht nur aus allgemeinpolitischen Gründen, sondern auch im Interesse unserer Handelspolitik, unserer Wirtschaft, ist es wesentlich, daß wir uns stärker an diesem Beistandsprogramm beteiligen und daß wir einen der Bundesrepublik angemessenen Beitrag leisten. Jeder deutsche Experte, der hinausgeht, bringt 'deutsche Methoden mit, er vermittelt die Kenntnis deutscher Maschinen, deutscher Apparate. Jeder deutsche Arzt, der hinausgeht, bringt deutsche Medikamente mit. Außerdem ist dieses Beistandsprogramm sicherlich auch ein wichtiger Bestandteil zur Förderung kultureller Beziehungen, ja sogar menschlicher Kontakte auf internationalem Gebiet.
Wir haben Ihnen darum den Vorschlag gemacht, den Titel 961 nämlich den Beitrag für die Beteiligung der Bundesrepublik an diesem Beistandsprogramm, auf 1 500 000 DM zu erhöhen, und bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen. Das würde bedeuten, daß die Bundesrepublik mit ihrem Beitrag wenigstens ungefähr gleichzieht mit Ländern wie Dänemark, Belgien, Norwegen und den Niederlanden. An letztere kommt es noch nicht einmal heran. Der Beitrag würde sich ja dann ungefähr auf 400 000 $ belaufen. Ich bitte Sie aus all diesen Gründen, unserem Antrag auf Erhöhung dieses Titels bei Kap. 0501 zuzustimmen.
— Ja, ich komme auch darauf noch zu sprechen. Sie erinnern mich daran. Herr Minister Lübke ist selbstverständlich auch sehr interessiert. Er sieht das Ganze ja wohl mehr mit der Zurückhaltung des bodenständigen Mannes an, der es gar nicht gerne hat, wenn andere ihre Erfolge so ein wenig auf seinem Buckel erringen und den verhältnismäßig schmalen Bewegungsbereich seines Ressorts für ihre Zwecke noch mehr beengen; das kann man ihm nicht übelnehmen, das ist wohl selbstverständlich.
Also, an außenpolitischen Gedanken und Vorschlägen mangelt es uns nicht. Dem Herrn Außenminister wird es obliegen, da nun mal eine einheitliche Linie zu finden. Dahin geht der Wunsch unserer Fraktion. Ich bin hoffentlich nicht unbescheiden, wenn ich sage, daß der Ausschuß für Außenhandelsfragen die Bitte hat, falls und sobald
diese Linie gefunden ist, etwas darüber zu erfahren.
Wir haben weiter den Wunsch, daß die wirtschaftlichen Dinge im Auswärtigen Amt ihrer Bedeutung entsprechend gewertet werden. Es ist ein uralter Streit über die Frage, wo der Außenhandel ressortieren soll. Aber schließlich gibt es ja Möglichkeiten, sich darüber zu verständigen. Wenn ausgesprochen wirtschaftliche Konferenzen stattfinden, z. B. eine GATT-Konferenz, wo also Politik völlig ausgeschaltet ist, wird es vielleicht zweckmäßig sein, entsprechende Beamte des Wirtschaftsministeriums hinzuschicken. Das ist eine Frage der Kompetenzregelung. Aber man hat in der Weimarer Republik doch auch recht gute Erfahrungen damit gemacht, daß man einige bedeutende Herren aus der Wirtschaft in das Auswärtige Amt einbaute, daß man einmal einen Versuch einer Blutauffrischung unternahm. Wenn man nun allerdings hört, daß ein Vertreter der Bundesrepublik in einem für uns wichtigen benachbarten Lande seit Jahren auf Dienstvertrag angestellt ist, weil der Personalausschuß sich nicht dazu entschließen kann, ihn in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, dann wird man natürlich etwas skeptisch. Aber es müßte doch möglich sein, angesichts der gestiegenen Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen im Leben der Völker auch die Handelspolitische Abteilung im Auswärtigen Amt, bei der wir manchmal das Gefühl haben, daß sie als dem diplomatischen Dienst nicht ganz gleichwertig gewertet wird, entsprechend zu betrachten. In einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Beziehungen sehr oft die einzigen sind, die wir mit anderen Staaten haben, während sie in anderen Fällen Vorläufer der außenpolitischen Beziehungen sind, in einem Fall sogar dazu benutzt werden, die uralte Rivalität zwischen zwei Nachbarländern durch sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zu überwinden, sollte es doch möglich sein, die wirtschaftlichen Fragen, die Handelspolitische Abteilung des Auswärtigen Amts etwas höher zu bewerten, als es zur Zeit der Fall zu sein scheint.
Diese geringere Bewertung strahlt ja auch aus auf die Wirtschaftsabteilungen der deutschen Vertretungen im Ausland, die, wenn ich recht unterrichtet bin, nur in den seltensten Fällen mit Beamten besetzt sind. Den Streit darüber, ob das richtig ist oder nicht richtig ist, will ich hier gar nicht anschneiden. Aus dieser Tatsache ergibt sich eben vielleicht ein Minderwertigkeitskomplex bei den betreffenden Herren; sie fühlen sich nicht ganz gleichwertig, sie klagen darüber, daß ihre Berichte kein Echo finden. Vielleicht wäre es sogar zweckmäßig, daß Kopien dieser Wirtschaftsberichte unmittelbar an die Länderreferate des Wirtschaftsministeriums gingen, damit der Kontakt lebendiger wird, schneller fluktuiert und wir alle einen Nutzen davon haben.
Ich darf mich auf diese beiden Bemerkungen beschränken und den Herrn Außenminister bitten, nicht zu denken: das läuft ja, das hat sich sehr schön entwickelt. Der Vorsprung und die Vorteile, die wir im Außenhandel zu bieten haben, gleichen sich allmählich aus. Wir kommen allmählich an eine Situation heran, in der wir wieder um jeden Export ringen müssen und in der es auch nötig wird, die Importseite etwas genauer zu betrachten, die bisher stark vernachlässigt worden ist, weil wir ja von unseren Kunden kaufen müssen, um uns bezahlt zu machen.
Die Bitte meiner Fraktion geht also dahin, die manchmal etwas auseinandergehenden Bestrebungen der einzelnen Herren Minister in Außenhandelsfragen nun in einer festen Hand zu vereinen, eine Linie zu finden und die wirtschaftlichen Dinge der Handelspolitischen Abteilung entsprechend den geänderten Verhältnissen als gleichwertig mit den außenpolitischen Fragen zu betrachten.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Frau Kollegin Hubert hat bereits ihren Antrag zu dem erweiterten technischen Beistandsprogramm eingereicht und begründet. Ich möchte vom Technischen, wenn Sie erlauben, zum Menschlischen übergehen, bei dem meines Erachtens, was den Beitrag der Bundesrepublik betrifft, ein erheblicher Mangel festzustellen ist. Wir reden immer so viel vom Wirtschaftswunder und sind so stolz darauf. Aber trotz dieses Wirtschaftswunders und unserer großen Reserven, die wir auf den verschiedensten Gebieten — wir brauchen gar nicht an die Bank deutscher Länder zu denken — besitzen, nehmen wir immer noch sehr gern Geschenke über Geschenke an. Es scheint mir eine Situation zu sein, die unserer nicht ganz würdig ist, daß wir selber doch mit Hilfe anderer dahin gekommen sind, wo wir sind - denn es ist nicht allein unser eigenes Werk des Fleißes und Könnens —, und daß wir trotzdem immer wieder noch Geschenke annehmen, ohne unsererseits das Selbstverständliche zu tun, nämlich uns bei den Stellen zu revanchieren, bei denen nun andere Leute von uns Hilfe brauchen.
Wenn ich mir aber den Tit. 956 ansehe, Beitrag des Bundes zum Fonds „Weltkinderhilfswerk", UNICEF benannt, dann stelle ich zu meinem peinlichen Erstaunen fest, daß im vorliegenden Etat dafür nur 500 000 DM angesetzt waren. Jetzt, nach einem freundlichen Wortwechsel mit dem Herrn Finanzminister, ist unser Beitrag auch nur wieder auf die ehemaligen 800 000 DM angestiegen. Meine Damen und Herren, wir haben 11 Millionen Geschenke von außen angenommen, um unseren Kindern, die in Not waren, zu helfen. Daran gemessen scheint mir ein Beitrag der Bundesregierung von 800 000 DM zum Fonds „Weltkinderhilfswerk" für die Kinder in den unterentwickelten Ländern eine unserer einfach nicht würdige Lappalie zu sein. Ich möchte deshalb bitten, diesen Betrag wenigstens um 200 000 DM auf 1 Million DM zu erhöhen, damit wir nicht mehr an drittletzter Stelle — was die Höhe des gewährten Beitrages angeht — aller auf der Liste verzeichneten Staaten stehen.
Ich habe die Ehre, Herr Präsident, Ihnen den Antrag zu überreichen, und ich hoffe, daß ich mich nicht allzu sehr in Widerspruch zu dem Herrn Bundesfinanzminister stelle, wenn ich ihm diese 200 000 DM noch für notleidende Kinder aus der Tasche zu ziehen versuche.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich darf festhalten, daß die Diskussion über die Amtsbezüge des Ministers zurückgestellt worden ist, und darf damit die heutige Aussprache schließen.
Ich rufe nunmehr gemäß der vorhin getroffenen Vereinbarung auf:
Einzelplan 07 für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz .
Die Frau Berichterstatterin hat auf ihren Schriftlichen Bericht *) verwiesen.
Zum Wort hat sich gemeldet der Abgeordnete Dr. Greve. Ich erteile ihm das Wort.
Meine, Damen und Herren! Über die rechtspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik wäre sehr viel zu sagen. Die Debatte über den Haushalt der Bundesrepublik und über den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz gestattet es aber nicht,. die Ausdehnung so vorzunehmen, wie es die rechtspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik erforderte. Meine Fraktion wird deswegen in der nächsten Zeit bei der Beratung einzelner Gesetze Gelegenheit nehmen, das zu sagen, was sie für erforderlich hält. Ich will heute nur auf einige Gesichtspunkte hinweisen.
Die Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt in der Bundesrepublik ist durch die Stellung, die sie nach unserem Grundgesetz erhalten hat, genügend unterstrichen. Es ist bei jeder Gelegenheit in diesem Hause darauf hingewiesen worden, daß wir weiterhin willens sind, der rechtsprechenden Gewalt als der dritten Säule unseres Staatswesens die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie haben muß, wenn sie ihre Aufgaben in einem Rechtsstaat richtig erfüllen will.
Nun sind wir aber durch eine ganze Reihe von Auslassungen der rechtsprechenden Gewalt, insbe-
*) Siehe Anlage 20. sondere der Gerichte und nicht nur der unteren und mittleren Gerichte, sondern auch höherer Gerichte, auf Umstände aufmerksam gemacht worden, die meine Freunde und ich als eine sehr bedenkliche Entwicklung mit restaurativen Tendenzen glauben feststellen zu müssen. Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, mit einem der deutschen Oberlandesgerichtspräsidenten zu sprechen, der glaubte mich aufmerksam machen zu müssen auf den, wie er sagte, gerade im letzten Jahr spürbar gewordenen Rechtsdrall in unserer Rechtsprechung und auf die Einstellung vieler Richter zur Bundesrepublik und zu den Aufgaben, die diese Bundesrepublik sich gestellt hat.
Ich will hier keineswegs in den Fehler einer Verallgemeinerung verfallen und etwa alle Richter restaurativer Tendenzen bezichtigen; aber eines läßt sich nicht von der Hand weisen: daß, nachdem nun 10 Jahre seit dem Zusammenbruch vergangen sind, auch auf dem Gebiete der rechtsprechenden Gewalt sich die Richter zum Teil wieder in einer Art und Weise hervorwagen, wie wir das bereits in der Zeit zwischen 1918 und 1933 in Deutschland einmal erlebt haben. Ich glaube, es wird richtig sein, Herr Bundesminister der Justiz, wenn auch Sie und Ihr Ministerium Ihr Augenmerk auf diese Dinge lenken und wir einmal im Rechtsausschuß zusammen Gelegenheit nehmen, hierüber zu sprechen. Ich weiß, daß diese Tendenzen auch in Ihrem Hause erkannt worden sind. Ich weiß mit Ihnen und mit den Herren Ihres Hauses, wie schwierig es ist, in die rechtsprechende Gewalt, die durch die Unabhängigkeit der Richter fundiert ist, einzugreifen. Aber dennoch scheint es mir notwendig zu sein, daß im deutschen Parlament beizeiten darüber gesprochen wird, daß wir nicht erst wieder in den Entwicklungsstadien warten, wie es in der Zeit der Weimarer Republik geschehen ist,
und nicht erst wieder Zustände abwarten, wie wir sie auch in jenen Jahren gehabt haben, ohne daß uns nachher noch die Möglichkeit gegeben ist, hier etwas zurückzudrehen.
Ich will in keiner Weise - und meinen Freunden liegt das genau so wenig wie mir — in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen. Ich möchte auch in keiner Weise irgendwie an den Grundfesten unserer rechtsstaatlichen Ordnung rücken. Aber ich möchte mir doch erlauben, darauf hinzuweisen, daß es im Rahmen der rechtsprechenden Gewalt — und das geht alle Länder der Bundesrepublik an — Richter gibt, denen das Richteramt auf Grund dessen, was sie an Äußerungen von sich. gegeben haben, nicht mehr zukommt.
Ich weiß selbst, wie schwierig es ist, Richteranklage zu erheben. Und wenn schon mal in Deutschland Richteranklage erhoben wird, dann verschwinden vor dem Tag der Verhandlung die Akten. Man hat sie dann für die Verhandlung nicht zur Verfügung, und die. Verhandlung muß abgesetzt werden. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß schon jetzt hier in diesem Hause auf diesen bedenklichen Zustand hingewiesen werden sollte. Wir bitten Sie, Herr Bundesminister der Justiz, mit uns Wege zu suchen, auf denen es nicht wieder möglich sein wird, von der rechtsprechenden Gewalt her diesen Staat, den wir aus der Not der Zeit mit aufbauen helfen wollen, zu gefährden.
Wir haben Ihnen oft gesagt, daß auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung in rechtspolitischer Hin-
sieht manches zu kritisieren ist, und wir haben uns erlaubt, das auch in diesem Hause zu sagen. Wir sind auch in den verschiedenen Ausschüssen auf die Dinge zu sprechen gekommen, die uns nicht gefallen.
Ich darf in diesem Zusammenhang Ihr Augenmerk auf einen Umstand richten, den meine Freunde und ich für außerordentlich mißlich halten. Das am 11. Juni 1955 ausgegebene Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 16 — ich glaube, es ist das letzte oder das vorletzte — enthält beispielsweise die Dritte Verordnung zur Durchführung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vom 3. Juni 1955, die von dem Herrn Stellvertreter des Bundeskanzlers und dem Herrn Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte unterzeichnet ist. Diese Verordnung ist mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Was steht nun aber in dieser Verordnung drin? In dieser Verordnung stehen in den verschiedensten Paragraphen begriffliche Gesetzesauslegungen, die nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner Freunde gar nicht anders als entweder durch das Gesetz selbst oder aber durch die Gerichte zu bestimmen sind. In § 1 z. B. ist in Abs. 1 gesagt:
Kriegsereignisse im Sinne des Gesetzes sind Ereignisse, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Kriegführung des zweiten Weltkrieges gestanden haben.
Und in Abs. 3:
Der ursächliche Zusammenhang mit den Kriegsereignissen ist auch bei solchen Deutschen gegeben, die nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Staatsangehörigkeit festgehalten oder verschleppt worden sind.
Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen. Ich habe gar nichts dagegen, daß die Dinge so gesehen werden, wie sie hier zum Ausdruck kommen. Aber es ist nach meiner Auffassung mit dem Wesen des Rechtsstaates nicht vereinbar, daß solche Begriffe in Verordnungen und nicht in Gesetzen festgelegt werden. Soweit sie nicht in Gesetzen festgelegt worden sind, müssen die entsprechenden Lücken durch die Gerichte ausgefüllt werden. Es geht meines Erachtens nicht an, daß sich hier weithin Verwaltungsdienststellen, und handle es sich auch um Ministerien — die ja in diesem Zusammenhang auch weiter nichts sind als Verwaltungsdienststellen —, in Aufgaben einschalten, die entweder zur Zuständigkeit der Legislative oder zur Zuständigkeit der rechtsprechenden Gewalt gehören. Meine Freunde und ich wären Ihnen außerordentlich dankbar, Herr Bundesminister der Justiz, wenn Sie gerade auf diese immer weiter um sich greifende unglückliche Handhabung Ihr besonderes Augenmerk richteten und gerade als der zuständige Minister in der Bundesregierung dafür Sorge trügen, daß von seiten der verschiedenen Ministerien und auch der Bundesregierung nur im Rahmen des Grundgesetzes und nur im Rahmen der Gesetze Verordnungen erlassen werden, deren Inhalt sich wiederum auch nur im Rahmen des Grundgesetzes und der Gesetze zu halten hat. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß dies in der letzten Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt beobachtet worden ist und wir auf diese Weise zu einem Zustand kommen, daß die Verwaltung ihrerseits Gesetze auslegt und versucht, den Gerichten damit die Möglichkeit zu nehmen, von sich aus die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Sie wissen, Herr
Bundesminister der Justiz, daß ich gerade gegenüber Ihrem Ministerium gelegentlich zum Ausdruck gebracht habe, daß ich eine Auffassung nicht schon deswegen für richtig halte, weil sie aus Ihrem Hause kommt. Dasselbe gilt natürlich auch für die anderen Ministerien, und ich bin der Auffassung, daß eine Verordnung und ihr Inhalt nicht schon deshalb richtig und gut sind, weil die Verordnung die Unterschrift des Herrn Stellvertreters des Bundeskanzlers und des Herrn Ministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte trägt. Wenn etwas auf diesem Gebiete zu beobachten notwendig ist, dann ist es die saubere Trennung der Aufgaben, die die Legislative, die rechtsprechende Gewalt und die Exekutive wahrzunehmen haben. Wir wären Ihnen jedenfalls sehr dankbar, wenn Sie sich mehr, als es vielleicht bisher bei Ihnen der Fall gewesen ist, um diese Angelegenheit kümmerten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf einen Punkt — ich greife sie gerade so heraus, wie sie meinen Freunden und mir auf Grund einiger Vorkommnisse in den letzten Tagen wichtig erscheinen — hinweisen. Es handelt sich hier beispielsweise darum, daß in letzter Zeit vielfach von seiten der Gerichte Beschlagnahmeverfügungen für Sendungen ausgesprochen werden, die aus der Ostzone kommen. Es ist zum Beispiel meinem Kollegen Wittrock vor einiger Zeit passiert, daß er einen Brief mit irgendeinem belanglosen Bericht über eine Tagung der Volkskammer der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik einige Monate oder jedenfalls viele Wochen später erhielt, nachdem dieser Brief auf Grund einer Beschlagnahmeanordnung des zuständigen Gerichts geöffnet worden war.
Es wird weithin in der Justiz und auch wohl bei den Zollbehörden, die dem Herrn Bundesfinanzminister unterstehen und ebenfalls mit diesen Dingen befaßt sind, die Meinung vertreten, daß jede aus dier Ostzone kommende Postsendung prima facie den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt. Das geht schlechthin zu weit. Meine Freunde und ich sind keineswegs der Auffassung, daß all Idas Material, idas in völlig unnötiger und überflüssiger Weise aus idem Osten zu uns in die Bundesrepublik hereinkommt, geeignet ist, von uns so hingenommen zu werden, wie es von drüben beabsichtigt wird. Wir sind auch der Auffassung, daß in manchen dieser Schriften und in vielem Material, das in die Bundesrepublik hereingeschleust wird, die Tatbestände von strafbaren Handlungen erfüllt sind. Aber es geht schlechterdings nicht an, daß man sich auf den Standpunkt stellt, jede Postsendung begründe prima facie den Verdacht einer strafbaren Handlung. Ich glaube, daß man hier ein anderes Verfahren üben sollte. Es wird einfach ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet, und man ist der Auffassung, .daß jeder Brief, der auch an einen Abgeordneten dieses Hauses von irgendeinem Angehörigen der sowjetisch besetzten Zone gesandt wird, den Tatbestand einer strafbaren Handlung zu erfüllen in der Lage ist, weil er ja von dem Unbekannten abgesandt sein könnte, gegen den das Ermittlungsverfahren bei irgendeiner Staatsanwaltschaft läuft. Wenn man sich diese Auffassung und diese Methoden zu eigen macht, dann müßte derjenige ein schlechter Staatsanwalt und derjenige ein schlechter Richter sein, der auf Grund dieser grundsätzlichen Auffassung nicht in der Lage wäre, jede Sendung, die aus der sowjetisch besetzten Zone an irgendeinen Bewohner der Bundesrepublik
geht, zu beschlagnahmen oder beschlagnahmen zu lassen. Ich bin der Auffassung, daß das bei weitem zu weit :geht, daß man das, was hier notwendig ist, auf idas erforderliche Maß zurückführen muß und daß man sich mit Beschlagnahmeverfügungen gegenüber Sendungen, die aus der sowjetisch besetzten Zone an Einwohner der Bundesrepublik kommen, das entsprechende Maß an Zurückhaltung auferlegen muß.
Das alles sind Dinge, die meine Freunde und mich veranlassen, sie Ihnen hier vorzutragen, weil es in gewissem Sinne der Ausdruck dessen ist, daß wir in der Bundesrepublik noch nicht zu dem Zustand der Übereinstimmung über Vorgänge gekommen sind, der erforderlich Ist, wenn die rechtsprechende Gewalt das Vertrauen aller Kreise des Parlaments haben soll. Es ist leider so, daß die rechtsprechende !Gewalt, die Legislative und die Exekutive zu einem großen Teil noch in einem Verhältnis zueinander stehen, das besserungsbedürftig ist. Besserungsbedürftig ist aber auch. — und das möchte ich insbesondere Ihnen, Herr Bundesminister der Justiz, sagen — das Verhältnis zwischen den Stellen der Regierung, die sich mit der rechtsprechenden Gewalt befasssen, und den entsprechenden Stellen der Opposition. Sie wissen, daß wir Ihre Personalpolitik Ihnen persönlich gegenüber und auch Ihrem Herrn Staatssekretär gegenüber oft kritisiert haben und daß wir der Auffassung sind, daß der notwendige Kontakt, wie wir ihn selbst im Interesse der Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt wünschen, nicht vorhanden ist. Es ist uns keinerlei Möglichkeit gegeben, auch nur gesprächsweise mit Ihnen Fragen der Besetzung dieser oder jener Stelle zu diskutieren. Die einzigen Möglichkeiten, die wir haben, uns über Besetzungsfragen zu unterhalten, sind diejenigen im Richterwahlausschuß für den Bundesgerichtshof; das ist alles. Das genügt unseres Erachtens aber nicht. Es genügt deswegen nicht, weil wir dann etwas erleben, was gerade in den letzten Tagen über uns gekommen ist, und zwar handelt es sich hier um das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. Sie werden vielleicht bereits Gelegenheit gehabt haben, die Auslassungen meines Freundes Arndt zu dem hier beliebiten Verfahren zu lesen. Es läßt sich aber nicht umgehen, daß heute an dieser Stelle einiges dazu gesagt wird. Ich betone ausdrücklich, daß wir nach wie vor der Auffassung sind, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Bundesregierung ressortiert und daß es aus diesem Grunde sachlich vielleicht richtiger gewesen wäre, das, was wir hier hinsichtlich des Inhalts des Gesetzes zur Änderung ides Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht zu sagen haben, bei dem Etat des Herrn Bundeskanzlers zu sagen. Wenn es dennoch geschieht, so aus dem Grunde, weil sich hier der Herr Bundesminister der Justiz eingeschaltet hat und well der Herr Bundesminister der Justiz der Opposition gegenüber im Rechtsausschuß Zusagen gemacht hat, die nicht eingehalten worden sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie, daß ich Sie einen Augenblick unterbreche.
Meine Damen und Herren, wir haben die hohe Ehre, in diesem Augenblick sechs Abgeordnete des Abgeordnetenhauses und des Senats des Staates
Peru auf der Diplomatentribüne begrüßen zu dürfen.
Es handelt sich um besonders gewichtige Persönlichkeiten, darunter die beiden Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Senats und des Abgeordnetenhauses. Ich begrüße diesen Besuch hier als einen Schritt zur weiteren Festigung und Vertiefung der alten Freundschaft, die Deutschland und Peru verbindet und die auch in einer engeren Berührung unserer Parlamente ihren Ausdruck linden soll. Ich darf den Herren Kollegen aus Peru wünschen, daß sie angenehme und fruchtbare Tage in Deutschland und besonders in diesem Hause verleben mögen.
Herr Abgeordneter, bitte fahren Sie fort!
Meine Damen und Herren, alle diejenigen, die sich mit den Fragen des Bundesverfassungsgerichts und seiner Entwicklung seit der Aufnahme seiner Tätigkeit im Jahre 1951 befaßt haben — und das werden die meisten Damen und Herren in diesem Hause sein —, wissen, daß auf allen Seiten eine ganze Reihe von Problemen, die mit der Zusammensetzung, der Tätigkeit und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Zusammenhang steht, diskutiert worden ist. Es handelt sich hier um Probleme, bei denen es weithin gar keine verschiedenartige Auffassung zwischen den Angehörigen der Regierungskoalitionsparteien und der Opposition gab. Es ist über diese verschiedenen Probleme seit mehreren Jahren mit den Vertretern ides Bundesverfassungsgerichts selbst gesprochen worden. Diskussionen sind eingeleitet worden von idem verstorbenen Präsidenten Professor Dr. Hoepker-Aschoff. Sie sind nach dessen Tode fortgesetzt worden von idem Stellvertreter des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Dr. Katz, und sie sind nach der Neubesetzung durch den gegenwärtigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Professor Dr. Wintrich, wiederum fortgesetzt worden.
Diese Aussprachen über :die Probleme, die mit idem Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang stehen, sind von allen Beteiligten mit aller notwendigen Offenheit und Klarheit geführt worden. Es hat verschiedene Vorstellungen schriftlicher und mündlicher Art seitens des Bundesverfassungsgerichts gegeben, und 'die letzte Denkschrift, die der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts über die Umorganisation des Bundesverfassungsgerichts eingereicht hat — mit einem entsprechenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht — stammt vom 23. Dezember 1954. Meine Damen und Herren, diese Denkschrift dies Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ist den Mitgliedern des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht am 27. Mai 1955
zugeleitet worden. Die Mitglieder des Rechtsausschusses durften vorher von den Vorschlägen dies Bundesverfassungsgerichts und von seinem Gesetzesänderungsentwurf offenbar keine Kenntnis erhalten.
Am 8. Februar 1955, also in der Zwischenzeit, hat die 45. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages stattgefunden, über die das Protokoll Nummer 45 angefertigt worden ist. An dieser Sitzung des Rechtsausschusses haben neben den meisten ordentlichen Mitgliedern des Ausschusses von seiten der Bundesregierung teilgenommen: Herr Bundesminister der Justiz Neumayer, Herr Staatssekretär Dr. Strauß, Herr Ministerialdirektor Roemer und weitere Herren des Bundesjustizministeriums, vier an der Zahl, vom Bundesverfassungsgericht dessen Präsident Dr. Wintrich. In dieser Sitzung des Rechtsausschusses ist über die Fragen der Änderung, der Umorganisation des Bundesverfassungsgerichts gesprochen worden, und zwar — wie auch sonst — mit aller notwendigen Klarheit und Deutlichkeit, ohne daß sich .auch nur ein einziger der Beteiligten und der Interessierten gescheut hätte, das zu sagen, was er für richtig hielt. Auch der Herr Bundesminister der Justiz hat das gesagt, was er für richtig hielt; denn ich nehme nicht an, daß er etwas sagt, was er nicht für richtig hält. Er hat ausgeführt, „das Bundesjustizministertium stehe schon seit längerer Zeit mit dem Bundesverfassungsgericht in direkten Verhandlungen und habe auch schon entsprechende Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts erhalten" — offenbar meinte der Herr Bundesminister der Justiz außer früheren auch idie Denkschrift vom 23. Dezember 1954 —, „die sich durchaus mit der Auffassung des Bundesjustizministeriums deckten".
Diese Vorschläge deckten sich also durchaus mit der Auffassung des Bundesjustizministeriums, d. h. daß Maßnahmen zur Änderung der Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht zur Diskussion standen, weil entsprechende Vorschläge von dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts nicht gemacht worden sind und auch der Herr Bundesjustizminister solche im damaligen Zeitpunkt, nämlich am 8. Februar 1955, offenbar für nicht gegeben hielt. „Diese Vorschläge müßten nur noch mit den übrigen Ressorts abgestimmt werden", und — nun bitte ich Sie, sehr gut zuzuhören, meine Damen und Herren — „die Bundesregierung beabsichtige, sobald eine Übereinstimmung unter den Ressorts erzielt worden sei, je einen Vertreter der fünf Fraktionen des Bundestages zu einer Besprechung dieser Angelegenheit in kleinem Rahmen zu bitten, bevor die Sache dann ans Kabinett und an den Bundestag gebracht werde."
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, demgegenüber das Verfahren zu betrachten, das die Bundesregierung geglaubt hat einschlagen zu müssen. Nämlich am 3. Juni 1955 ist dem Bundesrat von dem Herrn Bundeskanzler ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mit Begründung und idem Hinweis, daß federführend der Bundesminister der Justiz sei, zugeleitet worden. Am 3. Juni 1955, meine Damen und Herren! Es hat in der Zwischenzeit keine Besprechung mit „je einem Vertreter der fünf Fraktionen" stattgefunden. Vielleicht hat eine Besprechung mit je einem Vertreter von vier Fraktionen stattgefunden; das wissen wir allerdings nicht. Auch ist diese Angelegenheit nicht etwa in diesem Kreis besprochen worden, bevor die Sache ans Kabinett und an den Bundestag gebracht worden ist. Sie ist, ohne daß irgendeinem Vertreter der Opposition die Möglichkeit gegeben war, sich hierzu zu äußern, ganz still und heimlich und leise,
geräuschlos, bei Nacht und Nebel dem Bundesrat zugeleitet worden. Als sie dann schon 'beim Bundesrat war, hat — vielleicht in einem Zustand der Beschämung — der Herr Bundesminister der Justiz meinen Freund Arndt zu sich gebeten und ihm eröffnet, daß in der Zwischenzeit dieses Gesetz dem Bundesrat mit dem 'bekannten Inhalt zugeleitet worden sei.
Meine Damen und Herren, so baut man die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht auf, wenn man will, daß sie Ausdruck des gesamten Volkes, des gesamten Parlaments und aller Kreise unseres politischen Lebens ist.
So baut man 'allerdings ein Verfassungsgericht —auch in der Entstehung von Änderungen ides Gesetzes, das seine Grundlage bildet — auf, wenn man will, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit ein einseitiges Instrument zur Beherrschung des Staates einer einzigen politischen Richtung werde 'und sei.
Es gereicht nicht nur dem Hohen Haus, sondern es gereicht insbesondere allen, die sich um das Zustandekommen des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verdient gemacht haben, zur hohen Ehre, daß es möglich gewesen ist, das Gesetz — fast ausschließlich — in völligem Einvernehmen zu verabschieden. Selbstverständlich hat es verschiedene Auffassungen gegeben. Was heute beispielsweise für richtig gehalten wird, nämlich daß es kein Zwillingsgericht sein soll, sondern ein einheitliches Gericht, war die Auffassung meiner politischen Freunde und von mir. Sie ist damals nicht durchgedrungen.
Weithin ist es so, daß heute etwas beabsichtigt wird, was wir bereits damals für richtig gehalten haben.
In den Begründungen aber — ich möchte mich im einzelnen nicht verlieren, da wir dazu bei der Beratung dieses Änderungsgesetzes zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht kommen — ist eins allerdings bemerkenswert: daß nach Auf f as-sung der Bundesregierung nicht die qualifizierte Wahl von Richtern geeignet ist, die geforderte unpolitische Richterwahl sicherzustellen, sondern die nichtqualifizierte Richterwahl geeignet ist, die unpolitische Richterwahl sicherzustellen. Nein, meine Damen und Herren, sagen wir es dann doch ganz deutlich: das, was uns hier vorgeschlagen wird, ist geeignet, der einseitigen politischen Ausrichtung dieses Gerichts' und seiner Richter zu dienen, nicht aber der „unpolitischen" Einstellung der Richter in ihrer Gesamtheit. Wir wollten gar keine unpolitischen Richter in jeder einzelnen Richterperson, sondern unser Anliegen ging und geht dahin, daß dieses Gericht nicht einseitig politisch zusammengesetzt ist, weder nach der einen noch nach der anderen politischen Richtung hin. Wir wollen nicht, daß nur derjenige für rechtgläubig gehalten wird, der im Schoße der katholischen Kirche lebt, und alle anderen für nicht rechtgläubig gehalten werden. Wir wollen nicht, daß nur derjenige als guter Mensch angesehen wird, der liberal ist, und daß derjenige nicht als guter Mensch angesehen wird, der nicht liberal ist. Wir glauben, daß ein so wichtiges, ein so schwieriges und ein so empfindsames Instrument, wie es das Bundesverfassungsgericht seiner Natur nach ist, vom gesamten Volke, von
der Gesamtheit der in diesem Parlament vertretenen politischen Parteien getragen sein muß. Es ist keinem Richter zuzumuten, daß es, wie es geschehen kann, Richter zweier Güteklassen, oder besser: Richter zweier Vertrauensklassen gibt, nämlich diejenigen Richter, die mit der auch weiterhin möglichen qualifizierten Mehrheit oder gar einstimmig gewählt worden sind, und dann Richter, die nicht die qualifizierte Mehrheit erreicht haben, sondern die nur mit einfacher Mehrheit gewählt worden sind. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich doch bitte: in welche menschliche Situation bringen Sie die Richter, die unabhängig sein sollen und die wohl auch unabhängig sein wollen!? Wenn Sie hier hinsichtlich ihrer Wahl Differenzierungen vornehmen, dann gibt es am Bundesverfassungsgericht Richter, die von dem Vertrauen des gesamten Wahlmännergremiums oder des gesamten Bundesrates getragen sind, und es gibt Richter, die, solange sie am Gericht tätig sind — wenn sie sich überhaupt unter solchen Bedingungen dafür entscheiden sollten, an das Gericht zu gehen —, diesen Vertrauensbeweis nicht haben, da sie nur von der einfachen Mehrheit gewählt worden sind, und sich demgemäß doch nicht in demselben Zustand der richterlichen Unabhängigkeit und Freiheit befinden können.
Meine Damen und Herren, das ist das Ende der Verfassungsgerichtsbarkeit! Das wäre das Ende, das schon sehr, sehr schnell nach dem Beginn der Verfassungsgerichtsbarkeit bei uns in Deutschland kommen würde, wenn wir den Weg des uns vorgeschlagenen Änderungsgesetzes gingen. Alle Ereignisse, die mit der Richterwahl in Zusammenhang stehen, haben nicht den Beweis erbracht, daß die entsprechenden Bestimmungen zwangsläufig geändert werden müssen. Wenn es hin und wieder etwas länger gedauert hat — wir wollen in diesem Zusammenhang die Schuld dabei nicht untersuchen —, als es allen Beteiligten erwünscht war, dann deswegen, weil wir uns bemühten, Richter an dieses Gericht zu bringen, die das Vertrauen aller besaßen. Wer ist es denn gewesen, der versucht hat zu manipulieren - in der Gesetzesbegründung ist von Manipulationen die Rede —, und wer ist es denn gewesen, der nach dem Tode des verehrten ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts aktive Politiker aus diesem Hause und aus einem deutschen Landtage als Präsidenten des Gerichts vorgeschlagen hat? Nicht meine Freunde, und wir werden derartiges auch nicht tun. Wir haben nach wie vor den Willen, mit Ihnen den Weg zu gehen, den wir bisher im Interesse einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit beschritten haben, die das Rückgrat unseres Staates bildet.
Ich muß Ihnen zum Schluß noch eines sagen, damit Sie wissen, aus welchem Hause diese Dinge kommen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat gegenüber meinem Freunde Arndt verlauten lassen, daß diese Bestimmung, die ich hier insbesondere angegriffen habe, die Aufhebung der zwangsläufig qualifizierten Richterwahl, nicht aus seinem Hause stamme. Ja, wo kann sie denn herkommen? „Es sei der besondere Wunsch des Herrn Bundeskanzlers gewesen." — Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, daß es nicht der besondere Wunsch des Herrn Bundeskanzlers gewesen ist — dazu halte ich den Herrn Bundeskanzler in diesem Falle für viel zu klug —, sondern daß es vielleicht der Wunsch einiger Herren aus seiner Umgebung gewesen ist, die es sich in diesem Falle allerdings gefallen lassen müssen, als „finstere Gestalten" bezeichnet zu werden.
Wir haben nicht den Willen, uns deswegen die Bundesverfassungsgerichtsbarkeit zunichte machen zu lassen. Wir wissen, daß dies nicht der Wunsch der Politiker und der Parlamentarier, sondern daß es der Wunsch von Kräften ist, die wir hier im Hause eigentlich nicht ansprechen können.
Herr Bundesminister der Justiz, ich bin dann glücklich, wenn ich sagen kann, daß es wahrscheinlich auch nicht Ihr Wunsch, ist, daß das geschieht, was uns hier vorgeschlagen wird. Aber Sie haben es zu vertreten und Sie haben uns nach dem von mir zitierten Protokoll über die Sitzung des Rechtsausschusses versprochen, uns, bevor ein entsprechender Gesetzentwurf ans Kabinett und an den Bundestag gebracht wird, Gelegenheit zu geben, mit Ihnen in einem kleinen Gremium über diese Sachen zu sprechen. Herr Bundesminister der Justiz, Sie haben Ihr Wort nicht gehalten. Die Konsequenzen daraus zu ziehen überlasse ich Ihnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Greve nötigen mich, zu einigen Fragen Stellung zu nehmen. Herr Dr. Greve hat zunächst davon gesprochen, daß die Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt nicht genügend erkannt oder nicht genügend geschützt werde. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben jedenfalls weiter darauf hingewiesen, daß es Richter gebe, die nach den Äußerungen, die sie getan haben, eigentlich eliminiert werden müßten.
Ich habe dazu zu bemerken: Die Unabhängigkeit der Richter zu schützen betrachte ich als die erste Aufgabe eines Bundesministers der Justiz.
Die Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt darf nicht unterschätzt werden. Sie steht mir ebenso an erster Stelle wie Ihnen, Herr Kollege Greve, wie ich aus Ihren Worten herauszuhören glaubte. Sollten Sie aber irgendwelche Mutmaßungen haben, die zu Verdachtsmomenten Anlaß bieten, daß Richter ihre Stellung mißbraucht hätten, dann bitte ich, mich darüber zu informieren. Ich habe bisher nicht den geringsten Grund, etwas Derartiges anzunehmen. Sollten Ihre Äußerungen dahin zu verstehen sein, daß irgendwelches Mißtrauen in die Integrität des deutschen Richtertums gesetzt wird, dann müßte ich diese Äußerungen entschieden zurückweisen.
Ich sage nur: sollten die Äußerungen so zu verstehen sein!
— Man konnte unter Umständen etwas daraus entnehmen, — —
— Gut, dann bitte ich, mir das nähere Material zu geben. Sie wissen j a, daß an sich die Richter den Ländern unterstehen mit Ausnahme derer des Bundesgerichts; das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Was ich tun kann, werde ich tun.
Nun die Handhabung des Verordnungsrechts. Es sind hier Ausstellungen gemacht worden. Es ist selbstverständlich, daß das Bundesjustizministerium sein Augenmerk darauf richtet, daß jede Verordnung, ,die von der Bundesregierung erlassen wird, auch im Einklang mit den Bestimmungen des Grundgesetzes steht. Mir sind keine Fälle bekannt, in denen irgendeine Überschreitung dieser durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen festgestellt werden konnte.
Über die Verfügungen zur Beschlagnahme von Sendungen, die aus der Ostzone kommen, liegt Ihnen, meine Damen und Herren, vielleicht näheres Material vor. Ich bitte, mir das dann eventuell zur Verfügung zu stellen. Ich bin gern bereit, irgendwelchen Beschwerden nachzugehen, sofern Veranlassung dazu besteht.
Die Personalpolitik! Herr Kollege Greve, Sie haben sich darüber beklagt, daß in meinem Hause die Personalpolitik nicht auch mit Angehörigen der Opposition behandelt werde. Ja, meine Damen und Herren, ich glaube, das Justizministerium würde auf eine ganz falsche Ebene kommen, wenn es seine Personalpolitik mit irgendeinem Mitglied dieses Hauses vorher bespräche! Hier kann nur die Qualität entscheiden, und danach allein haben wir uns bisher gerichtet.
Irgendwelche Politisierung des Beamtentums, soweit es dem Justizministerium untersteht, lehne ich auf das entschiedenste ab.
— Ich habe Sie so verstanden, Herr Kollege Greve.
Sie haben ausdrücklich darüber Klage geführt, daß man es nicht für nötig halte, wichtige Personalbesetzungen auch mit den Mitgliedern der Opposition zu besprechen.
Das haben Sie gesagt, und das muß ich ablehnen.
— Dann stehen unsere Standpunkte eben einander strikt gegenüber.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Greve hat sich auch über den Entwurf zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verbreitet. Es ist an sich ungewöhnlich, daß über einen Entwurf hier im Plenum diskutiert wird, der dem Bundestag noch nicht zugeleitet worden ist. Dieser Entwurf ist im Kabinett allerdings besprochen und genehmigt worden.
— Selbstverständlich, es ist klar. Ich sage, es ist ungewöhnlich, daß darüber diskutiert wird. Ich hatte angenommen, die Debatte über das Bundesverfassungsgericht findet bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs statt, nämlich dann, wenn dieser Gesetzentwurf auch die Fassung erhalten hat, in der er dem Bundestag zugeleitet wird.
Ich möchte aber trotzdem heute, nachdem Herr Kollege Greve die Diskussion über diesen Gesetzentwurf begonnen hat, zu einigen Fragen Stellung nehmen.
— Ich werde schon darauf zu sprechen kommen, Herr Kollege Schröter. — Es wurde darauf Bezug genommen, daß ich seinerzeit im Rechtsausschuß
— ich kenne das — von der kleinen Lösung, die im Einvernehmen mit dem Bundesverfassungsgericht durchgeführt werden sollte, gesprochen und auch in Aussicht gestellt habe, vorher mit Vertretern der verschiedenen Parteien Rücksprache zu nehmen. Das ist richtig. Aber, meine Damen und Herren, wir haben auch diese kleine Lösung, die im Einvernehmen mit dem Bundesverfassungsgericht vorgenommen worden ist und die bezweckte, das Mißverhältnis zwischen der Beschäftigung des Ersten und Zweiten Senats zu beseitigen, zu einem Gesetzentwurf ausgearbeitet. Dabei war bei uns immer selbstverständlich, daß diese kleine Lösung nur eine vorläufige sein konnte und daß eine größere Lösung, die die erheblichen Unzulänglichkeiten, 'die sich im Laufe der Zeit aus dem alten Gesetz über den Verfassungsgerichtshof ergeben hatten, abstellte, ebenfalls Gestalt annehmen müßte.
Diese kleinere Lösung hat das Bundesjustizministerium auch dem Kabinett eingereicht. Das Kabinett hat aber beschlossen, im Rahmen der Verfassung eine größere Lösung durchzuführen.
Diese größere Lösung hat nun Gestalt gefunden
in dem Entwurf, der nunmehr dem Bundesrat zugeleitet worden ist.
Es ist gerügt worden, daß ich vorher nicht mehr einem Vertreter der Opposition Kenntnis von diesem Entwurf gegeben habe. Ich habe das so früh getan, wie es mir möglich war, und das war vor acht Tagen. Dort habe ich Herrn Kollegen Arndt zu mir gebeten und ihm Mitteilung über diesen Entwurf gemacht. Eine Aussprache, bevor die Sache an das Kabinett ging, war ursprünglich wohl ins Auge gefaßt. Es war aber auch mittlerweile ein Brief des Herrn Kollegen Ollenhauer wegen einer anderen Frage eingetroffen, worin darauf hingewiesen wurde, daß man vermeiden müsse, daß Exekutive und Legislative ineinander übergriffen und daß deshalb die Beschickung eines Ausschusses zur vorherigen Besprechung nicht für opportun gehalten werde. Das sind Bedenken, denen auch ich mich nicht verschließen kann. Ich habe es deshalb für richtig gehalten, den Entwurf
zunächst dem Kabinett zuzuleiten und dann sofort die Vertreter der Regierungsparteien und der Opposition zu unterrichten.
Ich habe es so schnell, wie es nur irgend möglich war, getan.
Maßgebend für die kleinere Lösung war für uns damals, daß wir das Mißverhältnis in der Beschäftigung zwischen dem Ersten und dem Zweiten Senat möglichst schnell beseitigen wollten. Diese Aufgabe mußte auch bei der größeren Lösung im Auge behalten werden. Deshalb haben wir Bedacht darauf genommen, dem Bundesrat möglichst schnell • den Entwurf zuzuleiten, damit er womöglich noch vor den Ferien dem Bundestag zugehen kann, um seine endgültige Gestalt zu erhalten.
Meine Damen und Herren, es ist Kritik daran geübt worden, daß der Wahlmodus geändert werde. Auch ist behauptet worden, daß der Gesetzentwurf nicht meine eigene Auffassung wiedergebe, sondern mir gewissermaßen oktroyiert worden sei. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Ich bin nicht der Mann, der seinen Kopf nicht hinhält. Ich bin gewöhnt, für das einzustehen, was ich zu vertreten habe. Wenn ich eine Sache vertrete, trage ich auch die ganze Verantwortung dafür.
Ich lehne es ab, mich hinter irgendeine andere Autorität zu verschanzen, um damit den Anteil meiner Verantwortung zu verkleinern. Wenn ich etwas nicht verantworten kann, wenn etwas nicht meinem Gewissen und meiner Rechtsauffassung entspricht, werde ich das im Bundestag auch nicht vertreten.
Nun, zur Änderung des Wahlmodus. Wie Sie alle wissen, hat der bisherige Wahlmodus mit einer Dreiviertelmehrheit im Wahlmännergremium dazu geführt, daß bei der Wahl eines Verfassungsrichters zwei Jahre vergingen, bis man sich über den zu wählenden Richter einig wurde. Das ist auf die Dauer ein unmöglicher Zustand. Er ist damals auch in der Presse überall kritisiert worden. Derartige Dinge dürfen sich nicht wiederholen. Deswegen haben wir nach einem Weg gesucht, wie man sie vermeiden kann.
— Das hängt mit dem Gesetz zusammen, wie es bisher bestand. Das hat man auf die Dauer für unerträglich angesehen. Sonst könnte die Gefahr eintreten, daß das Gericht infolge der Unmöglichkeit, sich über einen Richter zu einigen, überhaupt aktionsunfähig wird. Wir haben folgenden Weg gewählt. Im Prinzip haben wir daran festgehalten, daß eine Dreiviertelmajorität notwendig ist. Wir haben aber dann ähnlich wie bei der Wahl des Bundespräsidenten einen zweiten Wahlgang eingeschaltet, falls der erste nicht zum Ziele führt. In dem zweiten Wahlgang genügt für die Wahl die absolute Mehrheit der Mitglieder des Wahlgremiums. Das ist eine größere Mehrheit, als sie bei der Wahl des Bundespräsidenten notwendig ist; weil dort im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit genügt. Wir erblicken darin die beste Sicherung gegen die Gefahr des leider vorgekommenen
Mißstandes, daß während zweier Jahre die Stelle eines Bundesrichters nicht besetzt werden konnte.
Sie befürchten, Herr Kollege Greve, aus der Änderung des Wahlmodus, daß das Bundesverfassungsgericht ein einseitiges Instrument wird und eine einseitige politische Ausrichtung erhält. Ich als Bundesminister der Justiz wünschte, daß überhaupt keine politische Ausrichtung
der Bundesverfassungsrichter erfolgt.
Darauf haben wir unser Augenmerk gerichtet, daß jede politische Ausrichtung hier vermieden wird. Wenn selbst der Anschein einer politischen Ausrichtung vermieden werden sollte, dann, Herr Kollege Greve, würde ich allerdings empfehlen, weitergehende Maßregeln durchzuführen, nämlich dann sich zu überlegen, ob auf Grund einer Verfassungsänderung auch jeglicher Anschein einer Politisierung des Gerichts durch eine Änderung des Wahlmodus vermieden werden könnte. Aber jeder Weg — das möchte ich hier klipp und klar erklären —, der dazu führt, daß dieses Gericht vollständig entpolitisiert wird, daß keine politische Wahl erfolgt, ist mir willkommen; und Sie werden — das glaube ich bestimmt sagen zu können — dazu auch die Zustimmung des Bundeskabinetts finden.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute auf diese Ausführungen beschränken und nur noch eines bemerken. Herr Kollege Greve hat darauf hingewiesen, daß er sich seinerzeit für ein einheitliches Gericht ausgesprochen, daß er darum gekämpft habe, daß also ein Gericht mit nur einem Senat im Gesetz verankert werde. Dieses Ziel schwebt auch dem Bundesjustizministerium vor. Wenn es heute noch nicht erreicht werden kann, so liegt das an der Überbeschäftigung des Gerichts. Wir haben diese Fragen sehr eingehend mit dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts durchgesprochen. Ich hätte gern die Hand dazu geboten, jedenfalls mindestens vom Jahre 1959 an, wenn die nächste Wahl erfolgt, das Gericht auf nur einen einzigen Senat zu beschränken, aber man hat im Bundesverfassungsgericht geglaubt, bis dahin noch nicht so weit zu sein, daß man mit einem einzigen Senat auskommen könne.
Wir haben uns nun bemüht, den Charakter des Zwillingsgerichts dadurch zu beseitigen, daß die Richter nicht mehr in einen Senat, sondern in das Gericht als solches gewählt werden und daß es dann Sache des Gerichts sein soll, nicht nur die Geschäftsverteilung, sondern auch die Sitzverteilung vor Beginn eines jeden Jahres vorzunehmen. Wir glauben, daß dadurch der Charakter des Zwillingsgerichts, der diesem Gericht so oft vorgeworfen worden ist, beseitigt wird; denn das Gericht wird dann genau so wie jedes andere Gericht die Sitzverteilung und die Geschäftsverteilung bestimmen.
Soviel möchte ich heute zum Bundesverfassungsgericht sagen. Ich behalte mir vor, bei der Einbringung des Entwurfs, wenn der Entwurf seine endgültige Gestalt, wie sie dem Bundestag vorgelegt werden soll, erhalten hat, dazu nähere Ausführungen zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen zur Begründung des Antrages auf Umdruck 411.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, dem Hohen Hause den Antrag Umdruck 411 vorzulegen, nach welchem in Kap. 07 01 Titel 950 — Sammlung und Sichtung des als Bundesrecht fortgeltenden Rechts einschließlich Rechtsvergleichung mit den abgetrennten Gebieten des früheren Deutschen Reichs — der Ansatz von 40 000 DM auf 80 000 DM erhöht werden soll.
Diesem Antrag liegt folgender Vorgang zugrunde. Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 28. Januar 1955 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses — Gesetzgebungsenquéte — beschlossen, durch den. — ich darf das in der Presse gebrauchte Wort auch hier gebrauchen — die „Entrümpelung" unseres Gesetzes- und Rechtsbestandes vorgenommen werden soll. Der Untersuchungsausschuß hat seine Beratungen aufgenommen und hat bei der Gelegenheit, was die einzelnen Mitglieder auch ohnehin wußten, festgestellt, daß das Bundesjustizministerium in sehr anerkennens- und dankenswerter Weise schon sehr weitgehende Vorbereitungen getroffen hat. Er hat Herrn Staatssekretär Dr. Strauß und Iden zuständigen Referenten über den Stand der Vorarbeiten angehört und hat festgestellt, daß, wie gesagt, diese Vorbereitungen zur Sammlung und Sichtung des als Bundesrecht fortgeltenden Rechts schon sehr weit vorgeschritten sind. Er hat aber auch weiterhin festgestellt, daß diese Arbeiten nicht weiter vorangetrieben werden können, well dafür dem Bundesjustizministerium nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun kennen Sie, glaube ich, die Stimmung des Volkes genau so wie ich. Das Volk möchte nicht diese großen Verwaltungspaläste weiter sehen.
Wir möchten uns gern, Herr Dr. Dresbach, als freie Bürger fühlen und nicht als Untertanen. Wenn man in ein solches Amt hineinkommt, dann ist man schon Untertan. Deshalb möchte ich — —
*) Siehe Anlage 11.
- Sie sagen: „das Bundespresseamt". Auch daran können wir ruhig Kritik üben. Aber die Schuld, daß dieses Amt gebaut wurde, liegt ja bei uns; wir haben die Mittel bewilligt.
Jetzt ist derselbe Fall beim Patentamt. Wir sind nicht gefragt. Es wird draußen geplant. Das ist ja gerade das Fehlerhafte unserer ganzen Entwicklung bei all den Bauten. Draußen werden die Pläne entwickelt, und wir werden vor die vollendeten Tatsachen gestellt.
Gewöhnlich beträgt die erste Baurate so einige hunderttausend Mark für die Planung; und in den Erläuterungen steht dann: „Die Gesamtkosten werden soundso hoch sein." Sehen Sie, ich will diesmal ein Beispiel statuieren. Jetzt sind die Bemerkungen da, und keiner von Ihnen hat sich geregt. Sie alle wollen die großen Verwaltungsbauten, genau to wie ich, auch nicht. Und nun liegt es an Ihnen, meine Damen und Herren: wollen Sie diesen Bau in dieser Größe durchführen?
Es wird sicher gesagt werden: Beim Patentamt liegen andere Verhältnisse vor als bei den anderen Ämtern. Wir haben uns bei unserer Bereisung im Sommer das Statistische Bundesamt in Wiesbaden angesehen. Für etwas über 2000 Beamte ist ein Bau mit einem Kostenaufwand von 14,5 Millionen erstellt worden. Alle Mitglieder des Haushaltsausschusses sind auf den Rücken gefallen, als sie diesen Bau gesehen haben.
Das Patentamt in München hat etwas über 1800 Bedienstete, und ich kann es daher wirklich nicht einsehen, daß man hier zu einer solchen Lösung hat kommen müssen, obwohl von jeder Seite gesagt wird, daß man einfachere Verwaltungsbauten haben möchte.
Dazu kommt noch folgendes: Kommen wir zur Wiedervereinigung und Berlin ist die Hauptstadt des Deutschen Reiches, dann wird das Patentamt todsicher nach Berlin verlegt werden.
— Das wollen wir hoffen, und ich hoffe es besonders stark. Der bayerische Staat wird dieses Gebäude dann übernehmen wollen. Ich möchte die bayerische Regierung aber gerade davor bewahren, dann einen solchen Koloß zu übernehmen, und im übrigen möchte ich auch unser schönes München davor bewahren, daß solch ein Klotzbau an seiner Peripherie entsteht.
Also, meine Damen und Herren, es liegt an Ihnen.
Wollen Sie weiter solche Verwaltungsbauten, oder wollen Sie sie nicht?
— Dazu sind Sie doch da!
— Die Mehrheit? Ja, wir stimmen doch mit! Ich bin doch von der Opposition!
Ich bin doch in der Opposition gegen übertriebene Bauten, so wollte ich sagen.
Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie mich nun schon ansprechen, dann will ich auch darauf antworten. Herr Schoettle hat vorhin gesagt: Herr Brese, stimmen Sie auch in anderen Dingen für die sparsame Linie? Ich kann von mir behaupten, daß ich mich immer nach meinem Gewissen entschieden habe. Ich habe so häufig mit Ihnen zusammen gestimmt.
— Vorsicht? Herr Menzel, haben Sie andere Beweise? Ich habe sogar mit Ihnen zusammen gestimmt, obgleich Sie aus politischen Gründen solche Anträge wie die Streichung der Haushalte der Sonderminister und des Familienministers eingebracht haben. Mein Name ist auch in namentlicher Abstimmung auf Ihrer Seite gewesen, und deshalb war, glaube ich, Ihr Fingerzeig nicht ganz angebracht.
Ich möchte aber meine Ausführungen schließen. Ich bitte Sie sehr herzlich: nehmen Sie meine Anträge nicht so leicht, auch nicht die anderen, bei denen ich so abgekanzelt worden bin, sondern stimmen Sie meinen Anträgen zu, und wir kommen zu einer einfacheren, sparsamen Linie in unserer Verwaltung. Wir machen zuviel Staat, meine Damen und Herren,
und ich habe sogar immer die Angst, daß wir etwas über unsere Verhältnisse leben.
Also ich bitte um Ihre Zustimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erscheint mir notwendig, noch ein paar sachliche Bemerkungen zu dem Antrag des Herrn Kollegen Brese zu machen. Herr Kollege Brese, Sie wissen, daß ich nicht sehr häufig in die Verlegenheit komme, gegen Einsparungsmaßnahmen zu stimmen oder zu sprechen. Sie wissen, daß. ich besonders bei Personaltiteln einen sehr strengen Maßstab angelegt habe und anlege. Aber ich glaube, Herr Kollege Brese, bei Sachtiteln müssen wir mit unserem Urteil etwas vorsichtiger sein. Bei Sachtiteln müssen wir an den Zweck denken, der mit dem Titel verfolgt wird: Wird der Zweck mit den Mitteln erreicht? Und da ist nicht immer das Billigste gerade gut. Da halte ich es persönlich jedenfalls mit jenem Mann, der gesagt hat: Ich bin nicht reich genug, um mir einen billigen Anzug kaufen zu können.
Ich möchte nur sagen: wir müssen bei den Sachtiteln dien Zweck im Auge behalten, auch bei den Bauten, Herr Kollege Brese. Wenn wir ein Bundespatentamt bauen, bauen wir ja nicht für heute und nicht für morgen, sondern für etwas länger. Selbstverständlich wollen wir keine Prunkbauten, darüber sind wir ,uns doch alle einig, und keine Klotzbauten, wie Sie sagten. Ich muß ehrlich gestehen: als ich im Haushaltsausschuß von der Summe hörte,
die für das Patentamt in München vorgesehen ist, bin ich auch erschrocken, und ich habe mich genau erkundigt, wieso und warum. Ihr Vergleich mit dem Bundeskriminalamt, Herr Kollege Brese, hat mir auch zu denken gegeben, aber ich bin der Sache nachgegangen. Der Vergleich hinkt. Richtig, der Personalstand ist in beiden Ämtern ungefähr gleich hoch, aber die Arbeitsweise ist in beiden Ämtern völlig verschieden. Nur ein paar Beispiele. Bei dem Bundespatentamt haben wir unter anderem 480 Prüfer, die den sogenannten Prüfstoff alle in ihren Zimmern haben müssen, und zwar in feuersicheren Schränken aufbewahrt, mehr als 10 Schränke in einem Zimmer. Daß dadurch ein anderer Raumbedarf entsteht, ist doch selbstverständlich.
— Das allein nicht, Herr Kollege, aber Sie sollten sich die Mühe machen, sich einmal an Ort und Stelle die Dinge anzusehen. Ich bin völlig Ihrer Meinung: so sparsam wie nur möglich. Aber die Sparsamkeit darf nicht den Zweck vereiteln. Und wenn Sie sich der Mühe unterziehen, einmal an Ort und Stelle nachzusehen, dann werden Sie darauf kommen, daß hier absolut kein Luxusbau vorgesehen ist.
Noch eine Bemerkung, Herr Kollege Brese. Ich weiß nicht, ob Sie sich die Abschlußzahlen des Kapitels Bundespatentamt angesehen haben. Wenn Sie sich die Abschlußzahlen angesehen hätten, hätten Sie feststellen können und massen, daß dort Einnahmen über 26 Millionen DM vorgetragen sind und daß der Zuschußbedarf zum Kapitel Bundespatentamt trotz der Bausumme von 5 Millionen DM, die in diesem Jahr enthalten ist, insgesamt nur 4,20 Millionen DM beträgt. Sie hätten feststellen müssen, daß die Erhöhung der Gebühren vorgenommen wurde und vom Jahre 1953, 1954 und 1955 eine steigende Tendenz bei den Gebühren festzustellen ist. Mit anderen Worten: es handelt sich hier um eine der wenigen Bundesanstalten, die sich praktisch selbst tragen und wo wir von der Wirtschaft durch die verhältnismäßig hohen Gebühren das Geld wieder herausholen. Da sind wir doch auch verpflichtet, einen entsprechenden Zweckbau hinzustellen. Ich will gar nicht auf die Einzelheiten eingehen, auf die Sonderräurne etwa, die zur Unterbringung der Bibliothek notwendig sind, die Gott sei Dank gerettet werden konnte. Ich habe mir eben, weil ich auch über die Höhe der Summe etwas erschrocken bin, die Dinge genau angesehen, und ich kann Sie versichern, daß es sich nicht irgendwie um einen Prunkbau handelt. Ich bin überzeugt, die kritischen Münchner wenden, wenn es sich um einen Bundesbau handelt, mit doppelt kritischen Augen zusehen, ob ida nicht etwas zuviel ist. Ich bin sicher, sie müssen feststellen, daß, wenn es nach den Plänen geht, die jetzt vorliegen, nichts zuviel ist. Ich bitte deshalb, den Antrag des Herrn Kollegen Brese nicht anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundesjustizminister!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Niederalt hat eigentlich alles ausgeführt, was ich vorbringen könnte. Ich möchte mich daher darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß wir auch bei der Errichtung des Patentamtes alle Sparsamkeit haben walten lassen, die uns notwendig erschien. Darüber durfte aber nicht der
Zweck des Ganzen verfehlt werden. Die Hauptaufgabe eines Patentamtes liegt nicht nur in der Rechtsprechung der einzelnen Senate, sondern sie besteht vor allen Dingen darin, daß die Prüfer den Prüfstoff entsprechend bewältigen. Ein Vergleich mit dem Statistischen Amt kann überhaupt nicht geführt werden, weil hier ganz andere Aufgaben zu behandeln sind. In dem Zimmer des Prüfers muß der gesamte Prüfstoff auch aufbewahrt werden können. Um dieses Material aufzubewahren, sind oft 8 bis 10 feuerfeste Schränke erforderlich. Daraus ergibt sich, daß die Zimmer eine ganz andere Größe haben müssen, als sie im Statistischen Amt notwendig ist.
Nun zu der Bemerkung, daß das Land Bayern davor bewahrt werden solle, später einmal diesen Bau zurückzukaufen! Meine Damen und Herren, wir haben natürlich mit dem Land Bayern vereinbart, daß, wenn einmal das Patentamt nicht mehr in München seinen Sitz haben sollte, das Land Bayern bereit ist, das Ganze zurückzukaufen, natürlich unter Abzug der Abnutzung. Ich glaube, das war eine Maßnahme, die jeder vorsichtige Geschäftsmann ergreifen würde.
Das Patentamt muß auch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Es ist gewissermaßen eine Behörde wirtschaftlichen Stiles; es trägt sich selbst, oder es soll sich selbst tragen. Deshalb auch die Gebührenerhöhung, die wir vor einigen Monaten beschlossen haben. Ich darf der Überzeugung Ausdruck geben, daß es nur wenige Jahre dauern wird, bis auch das Patentamt aus eigener Kraft die Kosten für diesen neuen Bau aufgebracht haben wird.
Herr Kollege Brese , ich möchte nur eines wünschen: daß Sie sich doch selber einmal an Ort und Stelle von der Tätigkeit dieser Prüfer, dieser Mitglieder des Patentamts überzeugen, von dem ungeheuren Material, das dort aufbewahrt ist und das den einzelnen Prüfern zur Verfügung stehen muß. Es würde mich noch mehr freuen, wenn Sie vielleicht einmal Gelegenheit hätten, Herr Kollege Brese, persönlich etwas anzumelden, um sich davon zu überzeugen, daß Sie dort nicht als Untertan — trotz des hohen Hauses — behandelt werden, sondern daß man seitens des Patentamts alles tun wird, Ihre Wünsche zu erfüllen.
Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, den Antrag des Herrn Kollegen Brese abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag, den Herr Brese gestellt hat, zustimmen. Gleichzeitig beantrage ich dazu namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Herr Brese, wir möchten einmal feststellen, ob es Ihnen auch gelingt, in Ihrer Fraktion nun etwas auf dem Wege zu erreichen, den Sie uns hier gezeigt haben. Sie sitzen immerhin sechs Jahre in diesem Hause, Sie sitzen die sechs Jahre in derselben Fraktion, die doch letzten Endes dafür verantwortlich ist, daß alle diese großen Bauten errichtet werden. Deshalb tragen Sie Ihren großen Teil an Verantwortung für diese Regierungspolitik mit. Aber wenn Sie glauben, daß das alles untragbar und unhaltbar ist, dann müssen Sie mindestens zunächst einmal in Ihrer Fraktion den Versuch machen, durchzudringen und etwas nach der Richtung der notwendigen Sparsamkeit zu erreichen.
Das Haus und draußen die Öffentlichkeit werden dann feststellen können, ob das nur mal so ein gelegentlicher Aufschrei von Ihnen gewesen ist, der hier laut geworden ist, oder ob wirklich eine entsprechende sachliche Fundierung vorhanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen das Kind hier nicht mit dem Bade ausschütten! Herr Kollege Mellies, ich kann mich erinnern, daß Ihre Fraktion bei einer ganzen Reihe von Bauten, die im Verhältnis genau so kostspielig oder genau so billig sind wie der Bau in München, ihre Zustimmung nicht versagt hat. Ich kann eine ganze Reihe von Beispielen anführen, z. B. den Bau in Offenbach. Herr Kollege Ritzel, ich kann mich nicht erinnern, daß aus Ihrer Fraktion ein Protest gegen den vergleichsweise mindestens genau so teuren Bau des Bundeswetterdienstes Offenbach gekommen ist, wo für 270 Bedienstete 4,5 Millionen DM angefordert worden sind.
Wenn also für ein so großes Amt, das jährlich an Gebühren 26 Millionen DM einnimmt und dessen technische Notwendigkeiten von Herrn Kollegen Niederalt soeben zutreffend geschildert worden sind, mehr gefordert wird, ist das nicht mehr als recht und billig. Ob dagegen eine so hohe Summe ausgeworfen werden muß, wie sie uns im Ausschuß genannt worden ist - 22,6 Millionen, glaube ich, in der Schätzung, nachher wurden 25 Millionen genannt, und man sprach sogar schon von 29 Millionen DM —, das ist eine ganz andere Frage. Um hier auf eine mittlere Basis zu kommen, möchte ich Ihnen vorschlagen, in der dritten Lesung einer Entschließung zuzustimmen, die unserem gemeinsamen Anliegen Rechnung trägt, des Inhalts: der Bau des Patentamts darf eine Summe von 20 Millionen DM nicht überschreiten. Gleichzeitig müßten wir darin der Erwartung Ausdruck geben, daß nachher auch aus überplanmäßigen Mitteln über diese 20 Millionen DM — etwa a conto Baukostenverteuerung, wir kennen alle diese Titel — nicht hinausgegangen wird. Ich glaube, das wäre ein Vorschlag, der den technischen Bedürfnissen Rechnung tragen würde. Herr Kollege Brese, der Antrag, den Sie gestellt haben, geht zu weit. Er würde dem Patentamt Schaden zufügen, und das ist auch Ihre Absicht nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Bevor ich die Beratung über diesen Einzelplan schließe, gebe ich das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage zur Geschäftsordnung, daß wir entgegen der Vereinbarung des Ältestenrates nicht jeweils mittags und abends en bloc abstimmen, sondern nach jedem Einzelplan. Ich halte es für untragbar, daß wir den Haushalt in dieser Weise beraten. Die Folge davon ist, daß, zum Teil durch Ausschußsitzungen und sonstiges abgehalten, viele Mitglieder des Hauses nicht anwesend sind. Wir haben z. B. heute nachmittag bei der Begrüßung der Gäste aus Peru keinen gerade erhebenden Anblick geboten. Wenn der Ältestenrat eine andere Möglichkeit ausfindig macht, würde ich selbstverständlich zustimmen. Deshalb erkläre ich mich damit einverstanden, daß über den Antrag erst morgen früh abgestimmt wird, wenn vielleicht ein anderer Vorschlag vorliegt. Aber grundsätzlich ist es doch falsch, daß wir auf dem Wege weitergehen, die Haushaltsberatungen zu einer Farce zu machen.
Es kann doch von einer wirklichen Abstimmung nicht die Rede sein, wenn man zu einer bestimmten Stunde hereinkommt und en bloc über 5 oder 6 Einzelpläne abstimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat kann sicher keine Beschlüsse fassen. Letzten Endes entscheidet das Haus. Aber nachdem diese Vereinbarung getroffen ist, sollte man es auf alle Fälle wenigstens heute dabei belassen, und man sollte dann überlegen, ob man morgen zu einer anderen Regelung kommen kann. Ich würde allerdings glauben, daß dann auch die Fraktionen innerhalb des Ältestenrates dazu Stellung nehmen sollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach seinen letzten Ausführungen besteht der Antragsteller, so habe ich verstanden, nicht darauf, daß ich jetzt über seinen Antrag zur Geschäftsordnung abstimmen lasse; er stellt ihn jedenfalls vorsorglich und will ihn morgen früh wieder aufgreifen, damit dann das Haus, wenn nicht inzwischen gemeinsam ein anderer Weg gefunden sein sollte, darüber abstimmt.
Ich schließe nunmehr die Beratung zu Einzelplan 07.
Ich rufe auf:
Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern .
Es sind zwei Berichterstatter vorgesehen, Abgeordneter Niederalt und Abgeordneter Dr. Willeke. Ich erteile das Wort als erstem dem Abgeordneten Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte auf den Schriftlichen Bericht*) Bezug nehmen zu dürfen. Ich glaube, der Einfachheit halber können wir dieses Verfahren praktizieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem leuchtenden Vorbild des Kollegen Niederalt
*) Siehe Anlage 19.
folgen. Auch ich darf auf meinen Ihnen gedruckt vorliegenden Schriftlichen Bericht*) verweisen und das Weitere der Debatte überlassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke auch diesem Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. — Abgeordneter Maier!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, ehe ich zu den einzelnen Kapiteln und Titeln komme, ein paar allgemeine Vorbemerkungen. Es soll anerkannt werden, daß das Bundesinnenministerium erstmals alles in einem ordentlichen Haushalt ausbringt und keinen außerordentlichen Haushalt vorlegt. Es wäre wünschenswert, daß diesem Beispiel auch andere Ressorts folgen.
Über die allgemeine Personalpolitik ist zu sagen, daß alljährlich immer wieder von dieser Stelle aus der Wunsch geäußert wird, vermehrt auch im Bereich der oberen Dienste Stellen für weibliche höhere Beamte zu schaffen. Ich glaube, dieser Wunsch ist im vergangenen Jahr wieder ungehört beim Ministerium verhallt. Denn aus den Statistiken, die nur noch in großen Zeitabständen gegeben werden, geht nicht hervor, daß die Zahl der weiblichen höheren Beamten stark angewachsen ist. Wenn wir aber schon von der Gleichberechtigung der Frau sprechen, wenn wir diese Gleichberechtigung demnächst endlich auch in Gesetzen zum Ausdruck bringen, dann sollten wir auch hier in der Praxis diese Gleichberechtigung nicht zur Farce werden lassen.
Nun lassen Sie mich der Reihe nach zu einzelnen Titeln sprechen. Zu anderen werden einige Freunde meiner Fraktion das Wort ergreifen.
Zunächst das Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Wir haben bei der Beratung des Organisationsgesetzes der Wahl des Dienstsitzes Berlin gern zugestimmt und haben erwartet, daß sich der Aufbau dieses Gerichtes in der gleichen Weise wie der der anderen oberen Bundesgerichte vollziehen würde. Wir haben aber bei den Beratungen des Einzelplans 06 im Fachausschuß und im Haushaltsausschuß feststellen müssen, daß unsere Erwartungen nicht erfüllt worden sind. Von zuständiger Seite wurde mitgeteilt, daß zu Beginn des Haushaltsjahres noch fünf Richterplanstellen unbesetzt waren, obwohl nach dem Geschäftsgang eine zusätzliche Zahl von Planstellen sowohl für Richter als auch für wissenschaftliche Hilfsarbeiter notwendig geworden ist.
Als wir bei Schaffung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat die Bestimmungen beschlossen, die dem rechtsuchenden Bürger die Möglichkeit eröffnen sollten, auch gegen Rechtsverletzungen durch behördliche Verwaltungsakte gerichtlich vorzugehen, konnten wir nicht voraussehen, daß es bei Anfechtung solcher behördlichen Verwaltungsakte bis zu 18 Monate dauern würde, bis eine höchstverwaltungsgerichtliche Entscheidung ergeht. Infolge der Vorbelastung des mit großer Verzögerung installierten Bundesverwaltungsgerichts mit über 1000 Revisionsfällen und einem laufenden monatlichen Anfall von 150 bis 200 Sachen bei gleichzeitiger Erledigung von etwa 100 bis 150 Sachen im Monat ergibt sich die bedauerliche Tatsache, daß die Rückstände sich nicht nur nicht vermindern, sondern sogar weiter ansteigen werden. Neh-
*) Siehe Anlage 19. men wir die große Anzahl von Fällen hinzu, die nach Verabschiedung der Folgengesetze der Pariser Verträge, des Bundesleistungsgesetzes, des Landbeschlagnahmegesetzes und anderer, anfallen werden, dann wird dieser Rechtsschutz für die betroffenen Bürger zur reinen Deklamation. Wir müssen an ein solches höchstes Bundesgericht doch die Forderung stellen können, daß es seine Entscheidungen in einer solchen Frist treffen kann, daß der Kläger sie noch vor seinem Ableben erfährt.
Deshalb richten wir an den Herrn Bundesinnenminister das Ersuchen, zu prüfen, ob bei Komplettierung des Gerichts und bei Berufung der vom Haushaltsausschuß zusätzlich bewilligten wissenschaftlichen Hilfsarbeiter dem derzeitigen Übelstand abgeholfen werden kann. Im anderen Fall sollte man trotz aller Sparmaßnahmen bei der Haushaltsgebarung durch die Schaffung zusätzlicher Senate oder durch eine entsprechende Verstärkung der bestehenden Senate durch zusätzliche Richterplanstellen das Bundesverwaltungsgericht funktionsfähig machen.
Beim Kapitel 06 08 unterstützen wir das Bestreben, die Aufgaben des Bundesamts für Statistik abzubauen und damit Stellenplan-Mehrforderungen dieses Amtes zu verhindern.
Zum Kapitel 06 09 erneuern wir unser bereits im Haushaltsausschuß vorgebrachtes Ersuchen auf Änderung des Zweckbestimmungsvermerks; ein entsprechender Antrag liegt Ihnen in Ziffer 2 des Umdrucks 401 vor. Danach sollte derjenige Betrag des Tit. 300, der unter der Bezeichnung „konstruktiver Verfassungsschutz" im Bundesinnenministerium verwaltet und verausgabt wird, der Kontrolle einer kleiner Parlamentskommission von drei Abgeordneten unterworfen werden. Die Zweckbestimmung wäre wie folgt zu ändern:
Die Jahresrechnungen über die Ausgaben dieses Betrages unterliegen der Prüfung einer nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bundestages aus drei Mitgliedern des Bundestages zu bildenden Kommission und der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.
Die Erklärungen der Kommission und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Die derzeit geübte Regelung, nach der für die Kontrolle nur der Bundesminister des Innern und der Präsident des Bundesrechnungshofes verantwortlich zeichnen, gibt immer wieder dem Verdacht Raum, daß die ausgebrachten Mittel bevorzugt an Organisationen vergeben werden könnten, die der Regierung nahestehen.
Zum Kapitel 06 10 — Bundeskriminalamt — ist
zu sagen: Wir begrüßen es, daß der Haushaltsausschuß bei allem Bestreben, im Haushalt Mittel einzusparen, für die Erweiterung des Stellenplans und
die Hebung einer Anzahl von Stellen im Bundeskriminalamt Verständnis gezeigt hat. Die Bemühungen des Bundeskriminalamts, die Behörde
nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ
wieder auf einen Stand zu bringen, der dieser
in der ganzen Welt wieder die Achtung einbringt, die das alte deutsche Kriminalwesen vor
1933 in allen zivilisierten Ländern der Welt beanspruchen durfte, scheiterten zum Teil daran, daß
die Kriminalpolizeibeamten der Länder besol-
dungsmäßig besser eingestuft waren und deshalb keine Neigung zeigten; in die Bundesbehörde hinüberzuwechseln. Mit Erschrecken haben wir im Haushaltsausschuß einen Bericht vom Ansteigen der Kriminalität, insbesondere bei Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren, zur Kenntnis nehmen müssen.
Desgleichen hören wir immer wieder von den großen Schwierigkeiten bei der Ermittlung von großen Kapitalverbrechen und der Festnahme der Täter. Man hat den Eindruck; daß das Zusammenwirken von Bund und Ländern auf dem kriminalistischen Gebiete noch mancherlei Wünsche off en-läßt. Es ist bekannt, daß die Polizeischule in Hiltrup eine ausgezeichnete Ausbildungsstätte auch für Kriminalbeamte ist, und die Eingeweihten wissen, daß das Bundeskriminalamt in Wiesbaden über hervorragende technische Einrichtungen und Spezialisten verfügt. Sollte da eine Koordinierung der Ausbildung nicht möglich sein?
Das gleiche gilt für das Gebiet der Verbrechensbekämpfung. Das Bundeskriminalamt hat aus dem Gesetz nur sehr beschränkte Exekutivbefugnisse, und zwar nur dann, wenn ein Land seine Hilfe erbittet oder wenn der Bundesminister des Innern in besonders schweren Fällen von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht. Hier muß von beiden Seiten die Bereitschaft zu echtem Zusammenwirken verlangt werden.
Die Tatsache, daß auch das weibliche Element an der aufsteigenden Kurve der Kriminalität in erheblichem Maße beteiligt ist, läßt uns erneut die Bitte aussprechen, der Ausbildung von Kriminalbeamtinnen, auch solcher im höheren Kriminaldienst, ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Wir sind sehr dafür, daß in den Staatsverwaltungen in zunehmendem Maße auf Angestellte zurückgegriffen wird. Aber dieses Prinzip beim Bundeskriminalamt anzuwenden, wie es bei den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß versucht wurde, halten wir bei dem besonders verantwortungsvollen Amte des Kriminalbeamten und seiner hoheitsträgerischen Funktion nicht für möglich.
Sosehr meine Freunde, wie Sie aus meinen Ausführungen zu den behandelten Kapiteln entnommen haben dürften, bereit sind, dem Bundeskriminalamt 'die zu einer erfolgreichen Arbeit notwendigen Voraussetzungen zu bieten, so wenig erfreut sind wir über eine Einrichtung dieses Amtes: die Sicherungsgruppe Bonn. Wir haben volles Verständnis dafür, daß für den Herrn Bundespräsidenten wie auch für die Mitglieder der Bundesregierung oder bei Auslandsbesuchen für die hohen Gäste der Bundesrepublik 'gewisse Sicherungsmaßnahmen getroffen werden müssen, insbesondere dann, wenn der Herr Präsident oder die Regierungsmitglieder sich auf Reisen begeben. Das ist zu allen Zeiten üblich gewesen. Aber daß dafür ein besonderes Organ geschaffen wurde und die Überwachung in einer Weise geschieht, daß wir zeitweise im Hause den Eindruck von Bespitzelung haben mußten, ja daß selbst ein eigenes Überwachungsorgan wie dais Bundesverfassungsschutzamt von Beamten der Sicherungsgruppe kontrolliert wurde, erscheint uns doch des Überwachens zuviel. Man weiß da bald nicht mehr, wer wen zu kontrollieren hat. Wir begrüßen es deshalb, daß der Herr Bundestagspräsident diesen unseren persönlichen Schutz wieder beseitigt hat, und möchten anregen, daß man im Bundesinnenministerium Überlegungen anstellt, auf welche Weise man auch beim Beschützen anderer wieder zu normalen Verhältnissen zurückfindet.
Die Kapitel 614 bis 617 gaben wie alle Jahre auch bei diesen Haushaltsberatungen wieder Anlaß zur Kritik. Die Institute für Raumforschung, für angewandte Geodäsie und Landeskunde sollten nach unserer Meinung in ihrer Aufgabenstellung straffer gefaßt und verwaltungsmäßig zusammengefaßt werden. Das Bundesinnenministerium würde sich dabei auch urn eine Aufgabe verdient machen, die man Verwaltungsvereinfachung nennt. Es besteht sonst die. Gefahr, daß diese Institutionen ein Eigenleben führen und die ausgebrachten Mittel nicht produktiv verwendet werden.
Bei dem Kapitel Bundesanstalt für zivilen Luftschutz muß ich etwas länger verweilen, weil es schon durch seine Bezeichnung die Gelegenheit gibt, zu einem so außerordentlichen Problem wie dein Schutz der Zivilbevölkerung grundlegende Ausführungen zu machen. Während meine Fraktion schon in früheren Jahren die Notwendigkeit des zivilen Bevölkerungsschutzes als eine unerläßliche Aufgabe der Bundesregierung herausgestellt hatte, während sich wie ein roter Faden durch alle Diskussionen über EVG bis zu den Beratungen der Pariser Verträge immer wieder die Forderung zog: „Denkt bei allen Anstrengungen um einen Wehrbeitrag auch an das Risiko, das im Konfliktsfall unserer Zivilbevölkerung erwächst!", ist es erst in iden letzten Monaten gelungen, den Kreis der Interessierten sowohl bei der Bundesregierung als auch in diesem Hohen Hause nicht unbeträchtlich zu erweitern.
Als ich bei den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres einen Antrag meiner Fraktion auf Schaffung eines Luftschutztitels von 1 Milliarde DM begründete, war es allein der Herr Bundesminister des Innern, der darauf einging und in seiner Erwiderungsrede ein Luftschutzprogramm in Aussicht stellte, das, wie er damals ausführte, nach der Rückkehr einer nach den USA entsandten Studienkommission auf Grund des neuesten Standes der Forschung ausgearbeitet und dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt werden sollte. Dem auf drei Jahre berechneten Programm sollte dann rasch ein Luftschutzgesetz folgen, das erst die rechtliche Voraussetzung für seine Durchführung schaffen würde.
Inzwischen ist wieder ein Jahr vergangen, ohne daß der uns vorliegende Haushalt einen Niederschlag dieser Absichten erkennen läßt. Es ist uns zwar nicht unbekannt geblieben, daß der verantwortliche Ressortminister Anstrengungen gemacht hat, seine letztjährige Ankündigung in die Tat umzusetzen. Aber wir wissen auch von der Abneigung des Herrn Bundesfinanzministers gegen die Projekte seines Kabinettskollegen. Daß sich der Herr Bundeskanzler nicht stark machte, seinem Innenminister helfend beizustehen, ist mit aus der Tatsache zu erklären, daß eine öffentliche Diskussion über den Schutz der Zivilbevölkerung im Kriege dazu geführt hätte, alle die Risiken und Gefahren aufzuzeigen, die in einem militärischen Engagement für das Volk liegen, und das wiederum wäre psychologisch für das Zustandekommen der Verträge kein geeignetes Thema gewesen.
Erörterungen in Fachkreisen haben zwar immer wieder erkennen lassen, daß man sich auch in der
für die Wehrfragen zuständigen Dienststelle Blank darüber klar gewesen ist, daß der Schutz der Zivilbevölkerung mindestens die gleiche Bedeutung hat wie die Aufstellung von Divisionen und daß die dazu erforderlichen Mittel sich auch in der gleichen Größenordnung bewegen müßten wie die. eigentlichen Wehrausgaben. Ja, in Unterhaltungen mit den für die Verteidigung Verantwortlichen wurde immer wieder betont, daß Maßnahmen für den Schutz der Zivilbevölkerung sowohl im Bereiche des passiven als auch des aktiven Luftschutzes Vorrang vor der Aufstellung des ersten Soldaten hätten. Von einem Soldaten an der Front, von einem Arbeiter im Rüstungsbetrieb, so wurde argumentiert, sei keine Kampfmoral zu erwarten, wenn er seine Angehörigen in der Heimat nicht geschützt wisse. Presse und Rundfunk haben im übrigen in dankenswerter Weise dafür gesorgt, daß manche, die in einem gewissen Dämmerschlafzustand ihr Gewissen mit dem :bekannten Wort „Luftschutz ist für die Katz" beruhigt hatten, aufgewacht sind und sich seither mit dem leidigen Problem in zunehmendem Maße beschäftigen.
So war es denn keine Überraschung mehr, als ein Vertreter des Bundesinnenministeriums den Haushaltsausschuß davon unterrichtete, daß dem Kabinett eine Vorlage zugegangen sei, die sich in etwa mit dem Antrag der Opposition decke und in einem Haushaltsnachtrag für das laufende Haushaltsjahr einen Teilbetrag fordere, um das Programm anlaufen zu lassen. Aus den Zeitungen konnte man später entnehmen, daß in einer Kabinettssitzung der Vorschlag des Bundesinnenministers auch beraten und verabschiedet worden sei mit der Maßgabe, daß sich in die Kosten Bund, Länder und Gemeinden teilen sollten.
Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß der Schutz ,der Zivilbevölkerung in mindestens gleichem Maße wie die Aufstellung von militärischen Einheiten eine Bundesangelegenheit ist und daß es deshalb auch Aufgabe der Bundesregierung ist, die entsprechenden Mittel in den Haushaltsplan einzusetzen. Von dieser Annahme geht der Ihnen vorliegende sozialdemokratische Antrag aus, wenn er fordert, in Einzelplan 06 hinter Kap. 18 ein Kap. 18 a mit der Überschrift „Schutz der Zivilbevölkerung" einzufügen und die Deckungsmittel dem Einzelplan 35 Kap. 01 dadurch zu entnehmen, daß man die dortige Summe um den Betrag von 1200 Millionen DM, der für den Luftschutz bereitgestellt werden soll, kürzt.
Entsprechend den dem Luftschutz gestellten Aufgaben ist der Antrag in neun Titel aufgegliedert, die Mittel für die einzelnen Teilaufgaben ausweisen. Die drei Hauptprobleme, um die es sich beim Luftschutz handelt, sind etwa wie folgt zu umreißen: Vorbereitung einer Evakuierung, Aufbau eines Warnsystems und Bau von Schutzräumen.
Eine völlige Evakuierung, wie sie eigentlich angesichts der grausamen Atomwaffen notwendig wäre, ist weder in den luftangriffempfindlichen Großstädten noch sonst irgendwo durchzuführen, weil es weder in unserem Lande noch in den Nachbarländern entsprechende Aufnahmeräume gibt und weil im Notfall wahrscheinlich auch gar nicht genügend Transportmittel zur Verfügung stünden; um eine solche Großevakuierung durchzuführen. Es isst also nur eine Verlagerung der Zivilbevölkerung auf engstem Raume möglich, und zwar so, daß an der Peripherie der Städte, 'etwa 10 bis 12 km vom Stadtkern entfernt, entsprechende Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden und man die Frauen, Kinder, Greise und alle diejenigen, die nicht an den Produktionsstätten verbleiben müssen, nach draußen bringt. Wie die wissenschaftliche Forschung .auf dem Gebiete der Anwendung der Atomwaffen erkennen läßt, ist es möglich, die Verluste der Zivilbevölkerung durch solche Evakuierungsmaßnahmen auf ein Mindestmaß herunterzudrücken.
Außerdem ist es notwendig, bei den Neubauten, sowohl den zivilen als auch den Industrie- oder Verwaltungsbauten, jetzt schon entsprechende Maßnahmen zu treffen, umgeeignete splitter- und trümmersichere Schutzräume in diesen Geländen zu schaffen. Auch dadurch ist die Möglichkeit gegeben, allerschwerste Verluste bei etwaigen Angriffen zu vermeiden.
Die Aufnahmeräume, die notwendig sind, um die Bevölkerung aus den Stadtzentren zu evakuieren, könnten heute schon vorbereitet werden, mindestens in ein großes Programm eingeplant werden, indem man Schulen, Jugendherbergen, Altersheime, Ferienheime und Krankenhäuser an die Peripherie der Stadt legt, damit sie im gegebenen Fall für den bestimmten Zweck verwendet werden könnten.
Der geplante Warndienst soll sich an den Flugmeldedienst anlehnen, ohne jedoch mit militärischen Einrichtungen gekoppelt zu werden. Er muß in zivilen Händen, in den Händen der inneren Verwaltung bleiben, damit uns der Schutz der Genfer Konvention erhalten bleibt. Nähere Regelungen werden in einem Luftschutzgesetz erforderlich sein.
Der Bau von Schutzräumen — auch eine Sicherungsmaßnahme — muß auf unsere geographische Lage abgestellt werden. Großbunker, wie sie noch im letzten Kriege der Stadtbevölkerung Schutz boten, werden neu wohl nur noch in Industrieanlagen errichtet werden müssen. Sie haben für die Zivilbevölkerung deshalb ihren Sinn verloren, weil es bei der Kürze der Warnungszeiten kaum möglich ist, sie noch aufzusuchen. Hingegen sollten die noch bestehenden Bunker, soweit sie noch wiederherstellungsfähig sind, wieder ausgebaut werden, insbesondere dort, wo sie in der Nähe von Bahn- oder Industrieanlagen liegen. Wir haben deshalb in unserem Antrag auch eine entsprechende Summe für die Wiederherstellung dieser Schutzräume vorgesehen. Großbunker sind, wie ich vorhin schon ausführte, von der Industrie zu errichten, nicht nur für die Arbeiter, für diese zwar in erster Linie, aber es gilt auch gewisse Objekte zu schützen, damit der Arbeiter, wenn ein Fliegerangriff vorüber ist, auch wieder eine Arbeitsstelle vorfindet.
Vom Bundesverband der Deutschen Industrie wurde ich vor wenigen Tagen dahin unterrichtet, daß der Verband einen Plan entwickelt habe, der für diesen Zweck eine Summe von etwa 5 Milliarden vorsehe. Die Vertreter haben dabei auch erwähnt, daß es unmöglich sei, diese 5 Milliarden von der Industrie allein aufzubringen. Es müßte danach neben den seitherigen Kostenträgern, Bund, Länder und Gemeinden, ein weiterer notwendig sein. Als vierte Säule im Bundesluftschutz müßte im Luftschutzgesetz die Industrie erscheinen, und in das Programm müßte der Industrie- und Werkschutz aufgenommen werden.
Was den Kostenanteil der Gemeinden betrifft, möchte ich heute schon davor warnen, ihnen, die
ohnehin schwerstens belastet sind und kaum mehr ihre Haushalte in Ordnung bringen können, noch Luftschutzlasten aufzubürden. Hier muß die Bundesregierung sehen, wie beim Wehrbeitrag die Mittel aus allgemeinen Haushaltsmitteln aufzubringen. Der Herr Bundesfinanzminister wird wohl Wege finden, wie er mit den Ländern auf diesem Gebiete zu Streich kommt.
Was die Schutzräume anlangt, so sieht man drei Kategorien vor, eine A-, B- und C-Klasse, die je nach, der Stärke der Decke — die A-Klasse mit 60 cm starker Decke, die B-Klasse mit 40 cm starker Decke und die C-Klasse mit 30 cm starker Decke — den Hausbewohner zu schützen imstande sind. Selbst die schwächsten Einbauten in Wohnhäusern mit einer 30 cm starken Decke sollen nach den Erfahrungen, wie man sie bei den Experimenten in Nevada und sonstwo gemacht hat, noch so sicher sein, daß sie gegen eine in der näheren Umgebung niedergegangene Bombe Schutz gewähren.
Wenn man erstens ein ausgezeichnetes Warnnetz hat, zweitens die hier vorgeschlagenen Evakuierungsmaßnahmen trifft und drittens auch noch für kleine Schutzbauten sorgt, dann soll — nach einem Beispiel, das sowohl in der Bundesluftschutzschule als auch in der Literatur genannt wird — es möglich sein, in einer Stadt von 1 Million Einwohnern, die bei Niedergehen einer Wasserstoffbombe im Stadtkern ohne irgendeine Schutz- und Warnmaßnahme etwa 467 000 Tote und 260 000 Verletzte zu verzeichnen hätte, diese Verluste bei Anwendung der vorgeschlagenen Schutz- und Warneinrichtungen auf etwa 19 000 Tote und 75 000 Verletzte herabzumindern.
Unser Antrag teilt Ihnen in neun Titeln die Aufgaben auf, die aus diesen 1,2 Milliarden DM dotiert werden sollen. Da sind 500 Millionen DM für den Bau von Luftschutzräumen aufgeführt in der Annahme, daß der Bund als Vorbild vorangeht und in seinen eigenen Bauten die entsprechenden Schutzräume schafft und für das laufende Wohnungsbauprogramm entsprechende Zuschüsse gibt.
Für die Wiederherstellung der noch brauchbaren Großbunker sind 145 Millionen DM vorgesehen.
Es folgt ein Betrag für die Ausbildung von Luftschutzkräften und die Beschaffung von Material. Luftschutzkräfte werden ja heute schon von einer Reihe von Organisationen ausgebildet, insbesondere vom Deutschen Roten Kreuz, das sich, im Zusammenhang mit dem Arbeiter-Samariterbund und einigen anderen Organisationen, auf allen Gebieten des Luft- und Katastrophenschutzes sehr verdient gemacht hat und das deshalb auch unsere Unterstützung findet, indem wir in unserem Antrag eine Zuweisung von 85 Millionen DM für entsprechende Maßnahmen zum weiteren Ausbau seiner Ersten Hilfe vorsehen.
— Die Deckung habe ich Ihnen bereits genannt; sie soll aus dem Einzelplan 35 Kap. 35 01 Tit. 300 entnommen werden. Aus dem dort enthaltenen Wehrbeitrag sollen die 1,2 Milliarden DM, die hierfür notwendig sind, zur Verfügung gestellt werden.
Für den Meldedienst sind 100 000 DM vorgesehen.
Dann ist im Antrag ein Posten für den Selbstschutz enthalten. Hier handelt es sich um den Bundesluftschutzverband, der auf gemeindlicher Grundlage aufgebaut ist und heute schon über etwa 25 000 Helfer verfügt. Als Luftschutzleiter ist heute nicht ein Polizeichef, sondern der höchste Gemeindebeamte oder sein Beauftragter vorgesehen. Auch der Deutsche Luftschutzverband hat schon dankenswerte Arbeit geleistet, bedarf aber dringend größerer Mittel, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Alles in allem sind in unserem Haushalt für Luftschutz- und Katastrophenzwecke einschließlich des Technischen Hilfswerks — bei dem wir erwarten, daß der Herr Bundesinnenminister die Differenzen, die noch zwischen dem DGB und dem Bundesinnenministerium bestehen, zur Lösung bringt, damit auch der Deutsche Gewerkschaftsbund bei dieser Einrichtung mittun kann — knappe 15 Millionen DM vorgesehen. Daß man dafür keine Luftschutzräume bauen, keinen Warndienst einrichten und keinen Selbstschutz entsprechend organisieren kann, wird wohl jedem klar sein.
In unserem Antrag ist ferner ein Posten von 70 Millionen DM für Bevorratung von Blutkonserven enthalten. Der Haushaltsausschuß hat im Einzelplan 06 ausgebrachte 2 Millionen DM auf 1 Million gekürzt, weil nach seiner Meinung die Voraussetzungen für die entsprechenden Einrichtungen zur Konservierung von Blut und die unerläßlichen Vorschriften noch nicht geschaffen seien. Die Übertragung von Blut ist, wie die Forschungsergebnisse sagen, das einzige Mittel gegen Atomschäden. Das Blut des Verletzten muß völlig erneuert werden. Bei der großen Zahl derer, die in einem solchen Fall als Geschädigte anfallen würden, ist der Betrag für den ausreichenden Vorrat von Blutkonserven, Medikamenten, Verbandszeug und anderen notwendigen Dingen nicht zu hoch gegriffen.
Endlich haben wir einen Betrag für Erkennungsmarken für Kinderaufgenommen. Im vergangenen Jahr haben sich die Haushaltsberatungen schon einmal mit diesem Titel zu beschäftigen gehabt. Damals ist wenig Verständnis für ihn vorhanden gewesen. Aber angesichts der Tatsache, daß zehn Jahre nach Beendigung der Kriegshandlungen immer noch Eltern ihre Kinder und Kinder ihre Eltern suchen, sollten wir aus der traurigen Erfahrung der vergangenen Jahre die entsprechende Nutzanwendung ziehen und eine Einrichtung schaffen, die eine wichtige Schutzmaßnahme für unsere Kinder darstellt.
Mit diesen Gedanken zum Luftschutz möchte ich den Wunsch verbinden, daß das Hohe Haus nicht, wie im vergangenen Jahr, nur von einer Erklärung Kenntnis nimmt, sondern seinen Luftschutzwillen beweist, indem es den Antrag meiner Fraktion unterstützt und damit ,die Voraussetzung schafft, daß auch der Herr Bundesinnenminister möglichst rasch ein Luftschutzgesetz vorlegen kann, das die Durchführung des Luftschutzprogramms ermöglicht.
Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist mir vorhin bei der Erteilung des Wortes an den Abgeordneten Maier ein kleiner technischer Fehler unterlaufen; ich hatte die allgemeine Anweisung bezüglich der Behandlung des
Haushalts hier noch nicht gelesen. Ich hätte, bevor ich Ecue allgemeine Beratung eröffnete, zunächst die Änderungsanträge aufrufen und sie begründen lassen müssen. Ich hole das nach.
Ich rufe auf die Änderungsanträge Umdrucke 380, 401, 421 und 422, erteile aber vorerst nicht mehr das Wort zur Begründung, sondern unterbreche jetzt die Beratung des Einzelplans 06, damit wir, wie verabredet, heute abend auch noch einige Abstimmungen vornehmen; andernfalls würden sich die Abstimmungen morgen häufen und unübersichtlich werden. Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses. — Das Haus ist einverstanden.
Wir kehren also zu Einzelplan 01 zurück. Dazu liegt ein einziger Änderungsantrag, und zwar des Abgeordneten Brese, auf Umdruck 389*) vor, den Zuschuß zur Gemeinschaftsverpflegung, und zwar in ;allen. Einzelplänen, wie er das heute begründet hat, auf die Hälfte zu kürzen. Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag Umdruck 389. Die Abstimmung ist eine grundsätzliche, weil sie nicht nur für den Einzelplan hier gilt, sondern automatisch auf alle Pläne da, wo diese Verpflegungstitel sich befinden, wirken würde. Wer dem Antrag Umdruck 389 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Das letzte war die überwiegende Mehrheit; der Antrag Umdruck 389 ist abgelehnt.
Der Antrag Umdruck 381 ist ein Entschließungsantrag; nach Eder Geschäftsordnung wird danach erst in der dritten Beratung zu den jeweiligen Einzelplänen abgestimmt.
Ich komme daher, da kein weiterer Änderungsantrag zum Einzelplan 01 vorliegt, zu dem Antrag des Ausschusses —Drucksache 1501 —, den Entwurf des Einzelplans 01 unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Wer diesem AusSchußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Einzelplan 02 Deutscher Bundestag. Da liegen zwei Änderungsanträge vor: Umdruck 386 und Umdruck 390. Ich nehme den Antrag Umdruck 386 **) vorweg. Ich brauche ihn nicht noch einmal vorzulesen, das würde zu weit führen; der Antrag liegt gedruckt vor. Wer dem Antrag Umdruck 386 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dias erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Zu dem Antrag auf Umdruck 390 ***) wird mir von einem der Herren Schriftführer gesagt, darin müsse das Wort „Regierungsvorlage" gestrichen werden. Dann sehe ich aber keinen Sinn mehr darin. Dann muß mir der Antragsteller schon sagen, was er will. Dann heißt das nämlich: „In Kap. 02 01 Tit. 301 — Zuschüsse an die Fraktionen des Deutschen Bundestages — wird der Ansatz in der Fassung wiederhergestellt." Wenn man die Worte „der Regierungsvorlage" streicht, weiß ich nicht mehr, in welcher Fassung der Antrag zur Abstimmung gestellt werden soll.
- Herr Abgeordneter Schoettle.
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 8.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist wirklich ein müßiges Beginnen, darüber zu streiten, ob das eine Regierungsvorlage ist oder nicht. Jedenfalls ist der Etat des Bundestages genau so Gegenstand von Besprechungen zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundestag gewesen — wenn auch die Situation für 'das Parlament etwas anders ist —, so daß man ¡darüber nicht streiten sollte. Selbstverständlich ist das Ganze eine Regierungsvorlage, und mit der haben wir es hier zu tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gut, dann wollen wir darüber abstimmen; ich glaube, dann erledigt es sich von selbst. Wer dem Antrag Umdruck 390 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere war die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr dem Einzelplan 02 in der Gestalt zustimmen will, die 'er durch die Annahme des Antrags Umdruck 386 erhalten hat, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Einstimmig angenommen.
Einzelplan 03! Hier liegt auch nur ein Entschließungsantrag vor, über den in der dritten Lesung abgestimmt wird. Deshalb kommen wir sofort zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1503.
— Ich habe gerade festgestellt, daß über Entschließungsanträge erst in der dritten Lesung abgestimmt wird.
Ich komme also zur Abstimmung über Drucksache 1503; das ist der Bericht und der Antrag des Ausschusses. Wer dem Einzelplan 03 in der Fassung, wie ihn der Ausschuß vorlegt, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Nun bin ich mir nicht ganz klar — ich war auch nicht die ganze Zeit im Plenum —, ob der Einzelplan 04 überhaupt schon aufgerufen worden ist. — Nach dem Protokoll nicht.
— Das ist also in Ordnung; dann können wir auch nicht abstimmen.
Einzelplan 05! Hier liegen zwei Änderungsanträge vor. Ich komme zur Abstimmung zuerst über den Antrag Umdruck 423 *), in Kapitel 05 01 Titel 956
— Beitrag des Bundes zum Fond Weltkinderhilfswerk UNICEF — den Ansatz von 800 000 DM um 200 000 DM auf 1 Million DM zu erhöhen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das Präsidium ist sich nicht einig; wir müssen auszählen! Ich bitte, den Saal zu verlassen. Ich bitte, sich etwas zu beeilen, damit wir noch bis 9 Uhr durchkommen; denn wir müssen auch noch eine namentliche Abstimmung durchführen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
*) Siehe Anlage 10.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, es tut mir außerordentlich leid: Wir müssen diesen Hammelsprung wiederholen, allerdings nicht deshalb, weil das Ergebnis nicht klar wäre; aber ich verkünde es deshalb nicht, weil eben wieder Berliner Abgeordnete, die nicht abstimmungsberechtigt sind, mit durchgegangen sind; dadurch ist an der einen Tür ein Irrtum beim Zählen unterlaufen. Es tut mir außerordentlich leid, meine Damen und Herren, wir müssen den Hammelsprung wiederholen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 156 Abgeordnete, mit Nein 180, 4 haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 423 abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 400 *). Ich darf kurz sagen, was in diesem Antrag steht; anscheinend ist es schwierig, das alles so schnell herauszufinden:
In Kap. 05 01 wird der Tit. 961 — Beteiligung der Bundesrepublik an dem erweiterten technischen Beistandsprogramm der Vereinten Nationen für die wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Länder — auf 1 500 000 DM erhöht.
Wer diesem Antrag auf Umdruck 400 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1505. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident, ich glaube nicht, daß es möglich ist, heute schon über den Einzelplan 05 abzustimmen. Solange das Gehalt des Ministers nicht bewilligt ist, muß das offenbleiben. Die Abstimmung müssen wir dann eben in der nächsten Woche nachholen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe mir das eben auch einen Augenblick überlegt und war mir
*) Siehe Anlage 9. — ich gestehe es ganz offen — im Zweifel. Ich habe geglaubt, so verfahren zu sollen, weil hier nur steht: Die Debatte über das Ministergehalt wird zurückgestellt. Man kann das ja dann auch in der dritten Lesung ablehnen. Aber ich glaube, es ist logischer, die Schlußabstimmung nicht vorzunehmen. Wir stellen sie also zurück bis zur nächsten Woche.
Einzelplan 07, Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Hier lasse ich zuerst abstimmen über den Antrag des Kollegen Hoogen auf Umdruck 411 *). Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Brese auf Umdruck 392 **). Hier hat die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist also genügend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, mit der Einsammlung der Abstimmungskarten zu beginnen.
Ich frage das Haus: sind Abgeordnete da, die noch nicht abgestimmt haben? — Ich bitte, sich zu beeilen. — Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis ***) der namentlichen Abstimmung bekannt. Stimmberechtigte Abgeordnete haben insgesamt 371 abgestimmt. Mit Ja haben 126, mit Nein 222 gestimmt; enthalten haben sich 23.
Berliner Abgeordnete: Es haben 17 abgestimmt, 11 mit Ja, 2 mit Nein; 4 haben sich enthalten. Damit ist der Antrag auf Umdruck 392 abgelehnt.
Ich komme nun zur Schlußabstimmung in der zweiten Beratung über Einzelplan 07. Wer ihm in der Fassung zuzustimmen wünscht, die er jetzt durch Annahme des Antrags Umdruck 411 gewonnen hat, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; er ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Es ist genau 21 Uhr. Ich darf wohl Ihr Einverständnis unterstellen, daß wir die Beratung jetzt abbrechen. Ich berufe die nächste, die 87. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Mittwoch, den 15. Juni 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.