Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 57. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Die Namen der Entschuldigten liegen noch nicht vor; sie werden später bekanntgegeben.
Ich darf sie im Hinblick auf die nächtliche Stunde, in der wir tagen, vielleicht erst nach der Unterbrechung der Sitzung bekanntgeben lassen.
Ich habe Geburtstagsglückwünsche auszusprechen dem Abgeordneten Kinat, der heute seinen 66. Geburtstag feiert.
Die für den 2. Dezember vorgesehene Fragestunde ist durch eine Vereinbarung im Ältestenrat verlegt worden. Der neue Termin wird noch bekanntgegeben.
Zur heutigen Tagesordnung darf ich bemerken, daß um 9 Uhr eine Unterbrechung der Sitzung für eine Stunde zu Beratungen der Fraktion der CDU/ CSU stattfinden wird. Um 10 Uhr wird mit der dritten Beratung der Steuer- und Finanzreform begonnen. Nach Beendigung der dritten Beratung wird vor der Schlußabstimmung noch einmal für eine Fraktionssitzung der SPD unterbrochen werden.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den obersten Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (Drucksache 995, Umdruck 239).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schröter . Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze einiges zur Begründung des Ihnen vorgelegten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Altersgrenze von Richtern an den obersten Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes. Der Beamtenrechtsausschuß hat sich in zwei Sitzungen mit diesem Gesetz beschäftigt, und auch der Rechtsausschuß hat dazu in zwei Sitzungen Stellung genommen. Als Ergebnis liegt Ihnen die Drucksache 995 mit den Änderungen vor. Die Änderungen sind in Übereinstimmung mit den Vertretern der Bundesregierung vorgenommen worden. Sie betreffen zunächst den § 3, der sich mit den Richtern des ehemaligen Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet beschäftigt. Um einen Härteausgleich für die Richter des ehemaligen Deutschen Obergerichts, die in den Ruhestand treten, zu schaffen, ist hier das Jahr 1954 durch das Jahr 1955 ersetzt worden. Ferner ist die Berlin-Klausel zweckmäßigerweise in die entsprechende Formel geändert.
Ich mache darauf aufmerksam, daß dieses Gesetz keinen Anlaß zu besonderen Auseinandersetzungen bietet, weil es sich um ein Provisorium handelt. Es ist bis zum Jahre 1956 befristet. Der Notstand, um den es geht, und die Dringlichkeit dieses Gesetzes werden von allen, die es beraten haben, anerkannt. Der Bundesrat hat deshalb auch keine Bedenken gegen das Gesetz erhoben. Der Beamtenrechtsausschuß hat einstimmig zunächst dem Regierungsentwurf zugestimmt und in der zweiten Lesung die Änderungen vorgenommen, die sich aus der Sachlage ergeben haben. Der Rechtsausschuß hat vorgeschlagen, das 68. Lebensjahr durch das 70. Lebensjahr zu ersetzen. Der Beamtenrechtsausschuß war jedoch der Meinung, daß es beim 68. Lebensjahr bleiben soll. Der federführende Ausschuß, der Beamtenrechtsausschuß, schlägt Ihnen deshalb
einstimmig vor, dem Gesetzentwurf in der Ihnen jetzt vorliegenden Fassung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Beratung § 1 mit Umdruck 239 Ziffer 1. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Arndt, Dr. Schneider , Dr. Czermak, Dr. von Merkatz und Genossen, Umdruck 239*) Ziffer 1, zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir stimmen ab über § 1 in der veränderten Fassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 2 mit Umdruck 239 Ziffer 2. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Ziffer 2 des Antrags Umdruck 239 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir stimmen ab über §2 mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 3, — § 4, — § 5, — § 6, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hoogen, Dr. Kihn , Naegel und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 860);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksache 988).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Pohle .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Schriftlicher Bericht**) vor, den ich dem Herrn Präsidenten überreichen darf. Ich darf mich darauf beschränken, mitzuteilen, daß der federführende Wirtschaftspolitische Ausschuß die Fassung der Drucksache 988, die Ihnen vorliegt und mit der die Drucksache 860 entsprechend abgeändert wird, einstimmig, der mitberatende Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen mit großer Mehrheit beschlossen
*) Siehe Anlage 1
**) Siehe Anlage 32
hat. Namens beider Ausschüsse bitte ich idas Hohe Haus, dem Gesetzentwurf Drucksache 860 in der aus Drucksache 988 ersichtlichen Form zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — Art. 1 a, Art. 2, — Einleitung und Überschrift. —Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
— Gegen einige Stimmen angenommen.
— Meine Damen rund Herren, ich darf Sie trotz der morgendlichen Stunde um etwas Ruhe bitten. Es wird unsere Verhandlungen wesentlich beschleunigen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (Drucksache 948).
Ich komme zur ersten Beratung. Das Wort wird weder zur Begründung noch zur Aussprache gewünscht. Ich schließe die erste Beratung.
Ich komme zur
zweiten Beratung
und rufe auf Art. I, — Art. II, — Art. III, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist wirklich einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Überleitungsgesetzes .
Wir kommen zur ersten Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die erste Beratung und eröffne die
zweite Beratung.
Ich rufe auf Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem gesamten Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
— Meine Damen und Herren, wenn Ihnen auch die schnelle Folge der Abstimmungen als angenehmer Frühsport erscheinen mag, so darf ich Sie doch um etwas Ruhe bitten.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu § 4 Abs. 4 des Altsparergesetzes .
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 941).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
— Der Herr Berichterstatter schlägt Ihnen vor, auf mündliche Berichterstattung zu verzichten. Ich nehme an, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist.
Dann rufe ich auf zur zweiten Beratung §§ 1, —2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Gesetzes zu § 4 Abs. 4 des Altsparergesetzes zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über das Abkommen vom
*) Siehe Anlage 33 22. Juli 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 953, zu 953).
Wird auch hier auf die Berichterstattung verzichtet?
— Gut, dann kann ich hierauf verzichten.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf an dieser Stelle folgendes einfügen. Es ist am gestrigen Tag ein Mißverständnis entstanden, das im Einvernehmen zwischen allen Fraktionen bereinigt werden soll, indem das sogenannte Mitbestimmungsgesetz heute und hier verabschiedet wird. — Ich stelle ausdrücklich fest, daß kein Widerspruch gegen die Einschiebung dieses Tagesordnungspunktes erfolgt.
— Jawohl, aber ich muß es doch erst aufrufen. —Herr Dr. Atzenroth, wollen Sie zu dem Gesetz sprechen? — Nein. Dann muß ich es erst einmal aufrufen. Ich rufe auf Punkt 19 der gestrigen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabel, Even, Scheppmann, Schneider , Voß und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Drucksache 842)**);
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Auf-
*) Siehe Anlage 34
**) Schriftliche Begründung siehe Anlage 35
sichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie .
Wird das Wort dazu gewünscht? — Es wird auf
das Wort verzichtet.
Ich schlage Ihnen vor, die beiden Gesetzentwürfe zu überweisen an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und Rechtswesen zur Mitberatung. — Bitte, Herr Dr. Atzenroth!
Ich mache den Gegenvorschlag, daß diese Gesetzentwürfe federführend der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und mitberatend die Ausschüsse für Arbeit und Rechtswesen behandeln. Es handelt sich hier nicht um ein sozialpolitisches, sondern um ein wirtschaftspolitisches Gesetz, und deswegen ist der Wirtschaftspolitische Ausschuß zuständig.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, es bei dem Vorschlag des Herrn Präsidenten zu belassen. Federführend für die Bearbeitung dieses Gesetzes war das Bundesministerium für Arbeit. Bisher sind alle diese Mitbestimmungsgesetze in der gleichen Form behandelt worden. Das gilt sowohl für das Gesetz über die Mitbestimmung in der Montanindustrie als auch für das Betriebsverfassungsgesetz. Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe sind praktisch eine Parallele zu dem Montan-Mitbestimmungsgesetz. Ich sehe keinen Anlaß, hier von dem bisherigen Verfahren abzuweichen.
Meine Damen und Herren, das Haus ist sich jedenfalls darüber einig, daß die drei Ausschüsse für Arbeit, für Wirtschaftspolitik und für Rechtswesen damit befaßt werden sollen? — Insoweit stelle ich Einverständnis fest. Ich muß dann darüber abstimmen lassen, welcher Ausschuß federführend ist. Nach den Vorschlägen des Ältestenrates soll es der Ausschuß für Arbeit sein. Ich darf deshalb diesen Antrag zuerst zur Abstimmung stellen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist auf alle Fälle die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die am 11. Dezember 1953 unterzeichnete Europäische Übereinkunft über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Drucksache 947).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Furler.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht hat diese Konvention über Formerfordernisse bei Patentanmeldungen beraten und einstimmig beschlossen, Ihnen in Drucksache 947 zu empfehlen, den Gesetzentwurf, Drucksache 759, in der Fassung des Ausschusses Drucksache 947 anzunehmen.
Es handelt sich hier um eine Übereinkunft, die von den Staaten des Europarates am 11. Dezember 1953 getroffen worden ist. Die Übereinkunft schließt Bemühungen ab, die im Jahre 1926 begonnen wurden. Schon 1926 hat in Bern eine „Réunion Technique", eine „Technische Konferenz" mit dem Ziele stattgefunden, die Formerfordernisse des Patentwesens zu vereinheitlichen. Wir haben ja den Rechtszustand, daß wir so viele Staaten in der Welt, so viele Patentgesetze, so viele Patentämter und so viele verschiedene Patentrechte haben. Daß das zu einer außerordentlichen Komplikation für die Erfinder und diejenigen führt, die Patente erwerben wollen, bedarf wohl keiner Darlegung. Besonders schlimm war, daß fast alle Staaten voneinander abweichende Bestimmungen über die Anmeldung von Patenten hatten, so daß jeder Erfinder gezwungen war, sich nach den nationalen Vorschriften zu richten. Wenn ein Erfinder also die Absicht hatte, in zwanzig Staaten anzumelden, mußte er zwanzig in sich verschiedene Patentanmeldungen ausarbeiten, was der einfache Erfinder ohne Zuhilfenahme von Beratern überhaupt nicht tun konnte.
Die Staaten des Europarates haben sich des Problems angenommen. Sie haben Konferenzen durchgeführt und diese Konvention zustande gebracht.
Die Konvention vereinfacht zunächst einmal die Bestimmungen über die Patentanmeldung. Sie führt aber dann zu einer starken Vereinheitlichung. Das heißt: wenn die Konvention in Kraft getreten ist, kann sich ein Erfinder darauf verlassen, daß er in allen Staaten des Europarates nach den gleichen Formvorschriften anmelden kann. Es kann ihm nicht gesagt werden, daß wegen national abweichender Bestimmungen der Patentanmeldung irgendwelche Mängel anhafteten, daß er deshalb seine Anmeldung zurückbekommt oder diese vielleicht mit einer anderen Priorität in Arbeit genommen wird. Diese Vereinheitlichung stellt aber nur einen ersten Schritt dar. Gegenwärtig tagen Sachverständige des Europarates, um die Klassifizierung der Patente, die auch eine sehr wichtige Angelegenheit ist, ebenfalls einer Vereinheitlichung zuzuführen.
Aber das große Ziel der Bemühungen der Staaten des Europarates ist es, überhaupt die nationale Zersplitterung auf dem Gebiet des Patentrechts zu überwinden und dahin zu kommen, daß wenigstens im Rahmen unseres ja sehr klein gewordenen Europas einheitliche, d. h. gleiche materielle Patentgesetze sich entwickeln, daß wir zu einem einheitlichen Patentamt für die Staaten des Europarates und als Krönung dieser Bemühungen zu einem einheitlichen Patentrecht kommen, also zu einem Patentrecht, das nicht nur in einem nationalen Staate gilt, sondern in allen Staaten, die dem Europarat angehören. Dies ist ein Ziel, das gerade auch der Ausschuß, der dieses erste Gesetz beraten hat, als besonders erstrebenswert ansieht. Der Ausschuß freut sich, daß wenigstens ein erster Schritt zu diesem Ziele getan worden ist. Denn es wäre in der Tat erwünscht und notwendig, wenn auf dem Gebiete des Patentrechts, das ja so stark international eingestellt ist, in einem Staatenverband einmal ein einheitliches Schutzrecht entstünde, so daß wir hier die auf nationalstaatlichen Erwägungen beruhende Zersplitterung des Rechts überwinden würden. Aus diesem Grunde hat sich der Ausschuß besonders dafür eingesetzt, daß der
Europarat seine Bemühungen fortsetzt und möglichst bald zu einer Vereinheitlichung des materiellen Patentrechtes, der Patentformalitäten und der Patentämter gelangt.
Ich möchte nur noch bemerken, ,daß diese Konvention, sobald sie durch Ratifizierung in Kraft getreten ist, auch weiteren Staaten offensteht. Es können alle Staaten, die der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums angehören, der Europaratskonvention beitreten und damit erreichen, daß sich die dargelegte Vereinfachung und Vereinheitlichung auf fast die ganze westliche Welt einschließlich der Vereinigten Staaten von Amerika ausdehnt.
Der Ausschuß bittet Sie daher, dem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Lesung auf: Art. 1, — 2, —3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe ,die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 22. März 1954 über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und über den Schutz von Herkunftsbezeichnungen ;
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Drucksache 951).
Das Wort als Berichterstatterin hat Frau Abgeordnete Dr. Jochmus.
Frau Dr. Jochmus , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der vorliegende Gesetzentwurf befaßt sich mit einem Abkommen zwischen Deutschland und Kuba über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und den Schutz von Herkunftsbezeichnungen. Bei Kriegseintritt hat Kuba die gewerblichen Schutzrechte deutscher Staatsangehöriger der Verwaltung des Treuhänders für Feindvermögen unterstellt. Diese Maßnahme ist im Januar 1953 aufgehoben worden. In der Zeit dieser Treuhänderschaft sind keine Schutzrechte veräußert worden, und die Benutzungsrechte, die eingeräumt worden waren, sind mit dem Dekret von 1953 wieder erloschen. Aber es war in der Zeit der Treuhänderschaft nicht möglich, die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der deutschen Schutzrechte zu treffen, so daß ein
*) Siehe Anlage 36 großer Teil erloschen ist. Um sie nun wieder aufleben zu lassen, hat man ein Abkommen getroffen, nach dem eine Frist von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Abkommens gegeben wird, um alle Maßnahmen zu ergreifen, alle Zahlungen zu leisten, um die alten Patente und Schutzrechte wieder zur Gültigkeit zu bringen. Es war in der Kriegszeit ferner nicht möglich, die im Pariser Abkommen vorgesehenen Fristen für die Anmeldung der Prioritäten einzuhalten. Jetzt wird auch dafür eine Frist von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gegeben, um das Erforderliche nachzuholen.
Im allgemeinen entspricht dieses Abkommen einem solchen, welches die Alliierten unter sich abgeschlossen haben. Wir von deutscher Seite können uns durchaus damit einverstanden erklären, da es keine Diskriminierung für uns enthält. Es ist allerdings eine Bestimmung darin, die von der üblichen Norm abweicht. Bei einigen Schutzrechten, die von Dritten benutzt worden sind, ist eine besondere Regelung getroffen worden. Im allgemeinen geht die bessere Priorität vor. Aber hier würden, wenn jetzt deutsche Prioritäten wieder zur Geltung kommen, kubanische Rechte in einer Weise betroffen, die unter Umständen mit einer Enteignung nach dem kubanischen Recht gleichzusetzen wäre, wofür eine Entschädigung zu zahlen wäre. Hier soll ausnahmsweise nicht ohne weiteres die bessere Priorität zuerkannt werden, sondern es sollen die kubanischen Gerichte entscheiden, bei denen die deutschen Antragsteller ihre Rechte geltend machen können. Da es sich hierbei um Besonderheiten des innerkubanischen Rechtes handelt, war dem von unserer Seite nicht entgegenzutreten.
Das Abkommen behandelt aber noch eine zweite
Angelegenheit, nämlich Abmachungen über Herkunftsbezeichnungen. Im Handel hat sich bezüglich der Tabaksorten eingebürgert, daß Zigarren oder sonstige Rauchwaren mit Bezeichnungen wie „Havanna", „Kuba" oder „kubanisch- havannisch" gehandelt werden,
ohne daß diese Sorten wirklich den kubanischen oder havannischen Tabak enthalten. Infolgedessen hat Kuba verlangt, auf diesem Gebiet eine Bereinigung dahingehend zu schaffen, daß nur noch die Sorten so bezeichnet werden dürfen, die aus Tabaken hergestellt sind, die wirklich aus Kuba oder Havanna kommen. Für die Aufbrauchung der alten Marken ist eine lange Übergangsfrist eingeführt worden, so daß auch unserer deutschen Wirtschaft dadurch kein Schaden entstehen wird.
Im übrigen trifft sich diese Regelung mit den Bestrebungen deutscherseits, zu einer stärkeren Sicherung der Herkunftsbezeichnungen zu kommen. Der Ausschuß war daher der Meinung, daß diesem Abkommen zugestimmt werden kann. Es ist ein Abkommen auf internationaler Basis, dem wir nur im ganzen zustimmen oder das wir nur im ganzen ablehnen können. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1, — Art. 2,
— Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift.
— Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksache 966).
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Maier .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Bundesgesetz über Personalausweise vom 19. Dezember 1950 wird in einer Übergangsvorschrift in § 4 bestimmt, daß bis zum 31. Dezember dieses Jahres als Personalausweis im Sinne des § 1 dieses Gesetzes jeder mit einem Lichtbild versehene Ausweis gilt, der genau festgelegte Angaben enthält und von einer Behörde im Bundesgebiet oder in West-Berlin nach dem 8. Mai 1945 ausgestellt ist. Das bedeutet, daß ab 1. Januar 1955 die in § 1 bestimmten Personalausweise nicht mehr gültig sind. Für Berlin aber gilt auch heute noch eine Anordnung der Alliierten Kommandantur vom 24. Januar 1946, nach der die Berliner Bevölkerung einen sogenannten behelfsmäßigen Personalausweis bekommt. Alle Versuche des Senats, die Alliierten durch Verhandlungen zu bewegen, ihre Verordnung aufzuheben und alliiertes Recht durch Bundesrecht oder Berliner Landesrecht abzulösen, sind erfolglos geblieben. Dadurch entfällt die Möglichkeit, das Bundesgesetz über Personalausweise vom 19. Dezember 1950 auf Berlin zu übernehmen. Bei der Schaffung neuer Personalausweise hätten sich für Berlin Schwierigkeiten ergeben, weil dazu die Zustimmung aller vier Besatzungsmächte erforderlich geworden wäre. Infolgedessen werden vorläufig die sogenannten behelfsmäßigen Personalausweise weiter ausgegeben.
Unter diesen Umständen ist eine Änderung des § 4 des Bundesgesetzes über Personalausweise nötig geworden. Mit Rücksicht auf den bevorstehenden Fristablauf —den 31. Dezember 1954 — haben sich alle Fraktionen des Hauses auf den Initiativantrag Drucksache 918 geeinigt, der zur Behandlung dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zugewiesen wurde.
Der Ausschuß hat sich mit diesem Antrag beschäftigt und hat einmütig dem Ersuchen der Antragsteller entsprochen. Er glaubte aber, der vorgeschlagenen Ergänzung des § 4 gegenüber eine bessere Lösung dadurch vorschlagen zu sollen, daß er eine Neufassung des genannten Paragraphen empfiehlt, die Ihnen im Bericht auf Drucksache 966 vorliegt.
Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, seinem Vorschlag beizutreten und die Berichtsvorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Beratung §§ 1 und 2, —
Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich höre, daß inzwischen die Liste der entschuldigten Abgeordneten hergestellt ist, und bitte um ihre Bekanntgabe.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Onnen für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordnete Frau Dr. Schwarzhaupt für drei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Ich nehme an, daß das Hohe Haus mit der Erteilung dieses über acht Tage hinausgehenden Urlaubs einverstanden ist.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Fürst von Bismarck, Dr. Kopf, Dr. Preiß, Birkelbach, Rasch, Dr. Gille, Gräfin Finckenstein, Metzger und Leibfried.
Das Haus hat hiervon Kenntnis genommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über die Beschwerdesache vor dem Bundesverfassungsgericht des Dr. Bernhard Gericke in Wolfsburg gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 25. Mai 1954 betreffend die Gültigkeit der Wahl zum 2. Deutschen Bundestag am 6. September 1953 des im Wahlkreis 54 (PeineGifhorn) gewählten Abgeordneten Dr. Schöne (SPD) (Drucksache 977).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz. — Der Herr Berichterstatter ist im Augenblick nicht im Saale. Wird auf Berichterstattung verzichtet?
— Das ist der Fall. Dann darf ich diejenigen Damen und Herren bitten, die dem Mündlichen Bericht des Ausschusses auf Drucksache 977 zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ).
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen für Kinder in der gesetzlichen Unfallversicherung, in den gesetzlichen Rentenversicherungen, in der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge sowie in der Kriegsopferversorgung an das Kindergeldgesetz (Drucksache 876);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 978, Umdrucke 228, 230 [neu], 231, 234) (Erste Beratung: 48. Sitzung);
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld ;
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Drucksache 974).
Ich schlage vor, daß zuerst die Berichterstattung zu Punkt a entgegengenommen wird, und erteile das Wort der Frau Abgeordneten Finselberger als Berichterstatterin.
Frau Finselberger , Berichterstatterin: Herr Präsident, ich möchte im Hinblick auf die Zeitnot vorschlagen, daß auf die mündliche Berichterstattung verzichtet wird.
Die Frau Berichterstatterin schlägt vor, auf den mündlichen Bericht zu verzichten. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
— Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich schlage dem Hohen Hause vor, bei der Beratung die Reihenfolge einzuhalten, daß wir zunächst den Punkt b und dann die Punkte a und c behandeln. Bei b handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der zwischen der zweiten und dritten Lesung des Kindergeldgesetzes vorgelegt worden
*) Siehe Anlage 2. ist. Bei den beiden anderen handelt es sich um Ergänzungsgesetze. Es wäre also zweckmäßig, wenn wir zunächst einmal über die grundsätzliche Frage Beschluß faßten, wie wir den Gesetzesvorschlag unter b behandeln.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth hat den Vorschlag gemacht, zuerst den Gesetzentwurf unter b, den Antrag der FDP, zu behandeln und danach erst in die Beratung der übrigen Entwürfe einzutreten. Wird dazu das Wort gewünscht? — Ist das Haus mit dieser Methode einverstanden?
— Dann darf ich doch bitten, zur Begründung hier einen Redner heraufzuschicken, der den gegnerischen Standpunkt darlegt. —Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Dr. Atzenroth abzulehnen. Wir sind uns über die Problematik und die Zusammenhänge durchaus im klaren. Das Kindergeldanpassungsgesetz, das unter dem Buchstaben a zur Beratung steht, ist die notwendige Anpassung an das verabschiedete und inzwischen verkündete Kindergeldgesetz. Ich möchte beantragen, daß es bei der Reihenfolge, wie sie auf der Tagesordnung festgelegt ist, verbleibt, und wiederhole meine Bitte, den Antrag Atzenroth abzulehnen.
Das Wort hat Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unbestritten ist der FDP-Gesetzentwurf der umfassendste. Wenn über diesen Gesetzentwurf abgestimmt ist, ist eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Entweder entfällt dann die Beratung der Punkte a und c, oder es ist eine grundsätzliche Linie für die Weiterberatung gegeben. Deshalb, glaube ich, liegt es wirklich im Interesse der Sache, den umfassendsten Gesetzentwurf zuerst zu beraten.
Meine Damen und Herren! Das Wort zur Geschäftsordnung wird nicht mehr gewünscht.
Ich lasse über den Antrag des Abgeordneten Dr. Atzenroth, Punkt b vorzuziehen und nachher erst die anderen Punkte zu behandeln, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir also in der Reihenfolge zur Beratung, in der die Punkte hier stehen, nämlich zuerst zur zweiten und dritten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegten Gesetzentwurfs, zu dem auf die Berichterstattung verzichtet wurde.
Ich darf in zweiter Beratung § 1 mit Umdruck 234*) Ziffer 1 aufrufen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
*) Siehe Anlage 3.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, darf ich gleich den gesamten Änderungsantrag der Fraktion der SPD begründen.
Bitte, das dient nur der Vereinfachung der Sache.
Es liegt im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens.
Meine Damen und Herren! Als wir das Kindergeldgesetz beraten haben, waren wir uns trotz vieler Gegensätze und trotz vieler Meinungsverschiedenheiten doch in dem Grundsatz einig, daß den kinderreichen Familien zusätzlich zu dem, was sie aus Lohn oder Gehalt oder sonstigem Einkommen haben, für mindestens das dritte und jedes weitere Kind 25 DM gegeben werden sollen. Wir wollten damit der höheren Belastung Rechnung tragen, der diese Familien durch die größere Kinderzahl ausgesetzt sind.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD bedauert außerordentlich, daß im Kindergeldanpassungsgesetz dieser Grundsatz verlassen worden ist, daß das, was für die sonstigen Einkommen- und Kindergeldbezieher an Rechten nun geschaffen worden ist, für die ärmsten Gruppen innerhalb unseres Volkes nicht gelten soll. Die Fraktion der SPD hat Ihnen deswegen auf Umdruck 234 Änderungsanträge vorgelegt, die bezwecken, daß den Beziehern von Renten der gesetzlichen Unfallversicherung, den Sozialrentnern und den Beziehern von Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorge ebenfalls mindestens 25 DM vom dritten Kind ab gewährt werden, wie sie nach dem Kindergeldgesetz gewährt werden, das nun am 14. November verkündet worden ist.
Wir beantragen weiter, daß diese Regelung auch dann gelten soll, wenn die Eltern des Kindes verstorben sind, für das Kindergeld gewährt wird. Wir haben deswegen in den Änderungsanträgen zu den §§ 1 und 2 formuliert: Dies gilt entsprechend für Waisen eines Getöteten bzw. für Waisen eines Rentenberechtigten. Wir bitten Sie dringend, diesem Antrag zuzustimmen und auf diese Weise diesen Schichten unseres Volkes soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Der Anpassungsgesetzentwurf weist noch eine Reihe anderer Lücken auf, auf die ich hier nicht im einzelnen eingehen will, um die Beratung nicht zu sehr in die Länge zu ziehen. Ich darf nur darauf aufmerksam machen, daß z. B. Unfallrentner, die ja, wenn sie schwerbeschädigt sind, eine Kinderzulage aus der Unfallversicherung erhalten, dann, wenn sie — wie es vielfach der Fall ist, beispielsweise gerade in der Landwirtschaft — noch erwerbstätig sind, kein Kindergeld oder nur einen Teil des Kindergelds erhalten, das ihre Kollegen gerade in der Landwirtschaft bekommen, wenn sie nicht unfallgeschädigt sind.
Lassen Sie mich, weil ich gerade von der Landwirtschaft spreche, noch eine andere Bemerkung machen. Nach der Ausschußvorlage soll das Kindergeld aus der Unfallversicherung direkt von der Berufsgenossenschaft gezahlt werden. Wir beantragen, daß es von der Familienausgleichskasse gezahlt wird, die bei eben dieser Berufsgenossenschaft errichtet ist, weil wir meinen, damit einen zweckmäßigeren und einfacheren Weg einzuschlagen. Dabei haben wir auch im Auge, daß das Kindergeld in den verschiedenen Wirtschaftszweigen ausgeglichen werden soll. Sie werden sich alle daran erinnern, daß der Landwirtschaft von der übrigen Wirtschaft ein Ausgleich gegeben werden soll. Wenn Sie es bei der Regelung belassen, die die Ausschußfassung vorsieht, dann belasten Sie allein die Landwirtschaft mit dem Kindergeld, das für ihre Unfallrentner gezahlt werden soll. Das ist aber eine relativ sehr viel stärkere Belastung als in der übrigen Wirtschaft, weil die Unfallrenten in der Landwirtschaft sehr niedrig sind und entsprechend auch die Kinderzulage für Schwerbeschädigte sehr niedrig ist, so daß also die Differenz zwischen dem, was in der Landwirtschaft schon gezahlt wird, und den 25 DM dort besonders groß ist. Diese Beträge sollen ausschließlich von der Landwirtschaft aufgebracht werden, wenn Sie der Ausschußvorlage folgen. Sie sollen von den Familienausgleichskassen aufgebracht werden und damit dem Ausgleich unterliegen, den wir für das Kindergeld geschaffen haben, wenn Sie dem Antrag der Fraktion der SPD zustimmen. Aus diesen Gründen bitten wir Sie um Zustimmung zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 234.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Ergänzungsgesetz zeigt sich deutlich, daß schlechte Gesetze fortzeugend schlechte Novellen gebären müssen.
Das ist praktisch die erste Novelle zum Kindergeldgesetz, das vor einigen Tagen verkündet worden ist.
Es ist insofern eine schlechte Novelle, als es eine ganz andere Konzeption beinhaltet. Hier wird vermischt die Gewährung von Kindergeld aus der Versicherung heraus — aus der Unfallversicherung, aus der Rentenversicherung — und die Gewährung von Kindergeld nach einem Prinzip — na, wir sind uns ja nicht ganz einig, nach welchem Prinzip das Kindergeld im Kindergeldgesetz gegeben wird! Diese beiden Prinzipien werden hier miteinander vermischt. Mein Vorredner hat schon klar und deutlich herausgestellt, daß es dadurch zu Unzuträglichkeiten kommt, die besonders kraß bei der Landwirtschaft liegen, weil dort de Berufsgenossenschaft einen anderen Charakter hat als bei gewerblichen Betrieben. Wenn es also bei der Ausschußfassung bliebe, hätten die Versicherungsträger das Kindergeld, das sie aus anderen Gründen zahlen, aus dem Versicherungsfonds heraus zu erhöhen. Wir dagegen wollen grundsätzlich Kindergeld nicht aus dem Versicherungsgedanken heraus gewähren, sondern wollen auch den hier betroffenen Kreisen das Kindergeld mit derselben Begründung geben wie den Beschäftigten und den Selbständigen, die im Kindergeldgesetz erfaßt sind.
Infolgedessen können auch wir der Ausschußfassung, also dem abgeänderten Ergänzungsgesetz, nicht zustimmen. Wir würden dem Vorschlag der SPD, obwohl er uns nicht in vollem Maße befriedigt, unsere Zustimmung geben. Als beste
Lösung aber sehen wir immer noch unseren eigenen Gesetzentwurf an, den wir erst zu Punkt b behandeln werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist hier schon ein sehr richtiges Wort gesprochen worden, dem ich nur in jeder Beziehung beitreten kann: einem schlechten Kindergeldgesetz kann nur ein schlechtes Kindergeldanpassungsgesetz folgen. Ich möchte im Namen meiner politischen Freunde sagen, daß dieses Kindergeldanpassungsgesetz noch enttäuschender und noch ungerechter ist als das Kindergeldgesetz.
Ich muß das deshalb besonders betonen, weil man doch wirklich denjenigen Gruppen, die wir im Kindergeldanpassungsgesetz erfassen und die zu den sozial schwachen Gruppen gehören, nicht zumuten kann, daß sie ihre Kinderzuschläge aus ihren eigenen Mitteln ergänzen, nämlich aus den Mitteln ihrer Versicherungen, daß sie also ihr Kindergeld zu einem Teil sozusagen selbst finanzieren müssen.
Deshalb sage ich hier mit aller Betonung, daß dieses Gesetz noch unsozialer und noch schlechter ist als das Kindergeldgesetz. Es wird die Unterstützung meiner Fraktion nicht finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl es viele nicht hören wollen, möchte ich doch noch einmal das Bild der Urlösung vor Augen führen.
Worum geht es? Im öffentlichen Dienst haben wir seit Jahren ein Kindergeld gekannt. In den Zweigen der Sozialversicherung, der Fürsorgeunterstützung und in den andern sozialen Zweigen wurde immer der Lebensunterhalt auf Grund der Familiengröße berechnet. Dazwischen lag der Raum der Erwerbswirtschaft. Für diesen Raum haben wir vor einigen Wochen in diesem Hause das Kindergeldgesetz verabschiedet, das vor einigen Tagen im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Damals haben wir erklärt, daß wir die anderen Gruppen, die ihren Lebensunterhalt aus Rente, Fürsorgeunterstützung, Kriegsopferversorgung, Unfallversicherung oder Arbeitslosenversicherung bestreiten, nachziehen, d. h. daß wir das Kindergeld, das nicht dem Richtsatz unseres Kindergeldgesetzes entspricht, anheben wollen. Und das beinhaltet unser Kindergeldanpassungsgesetz.
Das Kindergeldanpassungsgesetz, das dem Hohen Hause heute vorliegt, ist keine Novelle zum Kindergeldgesetz, weil unser Kindergeldgesetz etwa schlecht ist. Das Kindergeldgesetz ist überhaupt gar nicht so schlecht, wie sein Ruf draußen ist.
Ich darf Ihnen hier sagen, meine Damen und Herren, daß die Arbeiten sehr wohl und sehr gut anlaufen, und Sie werden in einiger Zeit überrascht sein,
wie gut die Dinge sich vollziehen.
In dem Kindergeldgesetz, das hier verabschiedet worden ist, steht in § 3, daß jeder nur einmal einen Anspruch auf Kindergeld hat. Dieses Einmalige wollen wir auch hier betonen, und darum haben wir das in dieser Fassung verabschiedet, daß wir das, was bereits an Kinderzulagen in den einzelnen Kategorien gezahlt wird — in der Unfallversicherung, der Rentenversicherung etc. —, anheben auf 25 DM vom dritten Kind ab. Diese 25 DM vom dritten Kind ab sollen auch steuerfrei gemacht und so als Kindergeld gewertet werden.
Wenn man nun sagt, das sei unsozial, dann liegt das nicht im System. Wenn der Rentner mit seiner Rente nicht auskommt, liegt das nicht beim Kindergeld, sondern dann liegt das an anderen Dingen, an der anderen Konstruktion.
Und da haben wir bereits das Mehrbetragsgesetz beschlossen.
Einen dritten Gesichtspunkt möchte ich noch herausstellen. Die Mittel aus dem Kindergeldgesetz werden von der gewerblichen Wirtschaft im Umlageverfahren aufgebracht. Die Mittel für dieses Anpassungsgesetz sollen aus jenen Fonds und den Versicherungszweigen kommen, die dafür zuständig sind. Und wenn wir das Anpassungsgesetz zum Kindergeldgesetz nehmen und die Regelung, die im öffentlichen Dienst besteht, dann ist das eine ausgelastete Sache in allen drei Zweigen.
Darum bitte ich, meine Damen und Herren, den Änderungsantrag der SPD, Umdruck 234, abzulehnen und den Bericht des Ausschusses anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.
Meine Damen und Herren! Ich muß doch, trotz der Kürze der Zeit, ein paar Worte sagen, und zwar zum Kindergeldanpassungsgesetz hinsichtlich der Schwerbeschädigten und der Kriegerwitwen. Ich muß hier eindeutig feststellen, daß gerade die Schwerbeschädigten und die Kriegerwitwen im Kindergeldgesetz und im Kindergeldanpassungsgesetz am schlechtesten weggekommen sind. Es ist eine Tatsache, daß gerade die Million Kriegerwitwen auch in diesem Anpassungsgesetz nicht berücksichtigt werden. Ich habe hier ein Schreiben des Arbeitsministeriums vom 2. November dieses Jahres, in dem es zu dieser Frage der Kriegerwitwen heißt:
Bei der Regelung nach dem Gesetzentwurf wie auch nach dem Vorschlag in Anlage 1 sind die Kriegerwitwen bisher nicht in Betracht gezogen worden. Soweit eine Kriegerwitwe die Voraussetzungen des Kindergeldgesetzes nach § 1 erfüllt, erhält sie ein Kindergeld für ihre Waisen, wenn sie berufstätig ist.
Und der Arbeitsminister sagt in seinem Schreiben selbst:
Dieses hier gegebene Kindergeld wird ihr bei
der Bemessung der Ausgleichsrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz wieder angerechnet.
Ich meine, meine Damen und Herren, dieser Vorgang sollte doch unmöglich sein!
Wir sind -der Meinung, daß diese Frage nicht mit dem Bundesversorgungsgesetz gekoppelt werden sollte.
Wir sind der Auffassung, daß dieses Kindergeld insbesondere für die Witwen zusätzlich gegeben werden müßte.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir nicht bereit sein sollten, für den gefallenen Vater von Staats wegen einzutreten.
Wie soll man denn die Dinge gestalten? Ich will hier gar nicht auf die vielen Äußerungen Bezug nehmen, die der Herr Familienminister zu dieser Frage getan hat.
Der ist für uns ja gar nicht mehr kompetent; er steht auch gar nicht mehr zur Debatte. Aber, wenn der Vater im Kriege gefallen ist und die Mutter für die Waisen sorgen muß, dann hat sie für diese Kriegerwaisen auch einen Anspruch auf Kindergeld. Man soll doch nicht der Frau zumuten, arbeiten zu gehen und damit das Kindergeld zu erhalten, ihr aber in der Berechnungsschematik nach dem Bundesversorgungsgesetz den gleichen Betrag wieder entziehen. So kann man die Dinge meines Erachtens nicht gestalten.
Meine Damen und Herren, dann noch eines! Nach dem Gesetzesvorschlag der CDU soll der Schwerbeschädigte ein Kindergeld in der Anpassungshöhe von 5 DM erhalten, wenn er Ausgleichsrente bezieht. Wir haben eine Unzahl von Schwerbeschädigten, die nicht in einem unselbständigen Arbeitsverhältnis stehen, und wir erleben es nun, daß diese Schwerbeschädigten, die z. B. einen Fahrradstand haben oder kleine Einkünfte aus Verpachtungen und dergleichen beziehen, kein Kindergeld erhalten werden, wenn ihr sonstiges Einkommen auch nur in Höhe von ungefähr 100 DM liegt. Wir wissen doch, daß diese Schwerbeschädigten nach dem Bundesversorgungsgesetz keine Ausgleichsrenten beziehen. Ich glaube, das ist doch unfein und unschön, das muß mit aller Deutlichkeit herausgestellt werden. Wenn man von der deutschen Bevölkerung und auch von der deutschen Kriegerwitwe verlangt, daß ihre Kinder eines Tages wieder in den Krieg ziehen, dann soll man auch so gerecht sein und so verantwortungsbewußt handeln, daß man in der Bundesrepublik die Kriegerwaisen nicht schlechter stellt als die übrigen Kinder. Ich bitte Sie also, unserem Antrag Umdruck 234 Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst festhalten, daß 9 Uhr bereits vorbei ist. Als ich dem Herrn Abgeordneten Rasch das Wort gab, war ich der Meinung, er sei der letzte Redner und wir könnten die Beratung dieses Paragraphen noch abschließen. Inzwischen haben sich gleich drei weitere Redner gemeldet. Ich nehme an, daß Sie an unseren Vereinbarungen festhalten wollen, um 9 Uhr zu unterbrechen, um den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Gelegenheit zu Fraktionssitzungen zu geben, und die Beratungen zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
Bevor ich die Sitzung unterbreche, darf ich noch darauf hinweisen, daß die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu einer Besprechung um 9 Uhr 30 Minuten nach Zimmer 02 Süd eingeladen werden.
Ich unterbreche die Sitzung bis 10 Uhr.
Die Sitzung wird um 10 Uhr 10 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Gemäß den getroffenen Vereinbarungen treten wir nunmehr zuerst in die Beratung des Punktes 14 ein. Ich darf mir jedoch erlauben, darauf hinzuweisen, daß nicht nur dieser Gegenstand sehr umfangreich ist, sondern auch eine Reihe anderer Punkte — wie die soeben begonnene Lesung des Kindergeldanpassungsgesetzes — heute zur Beratung stehen. Ich darf also an alle Mitglieder des Hohen Hauses die Bitte richten, sich möglichst kurz und knapp zu fassen, damit wir mit unserem Beratungspensum möglichst zu Rande kommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 14 auf: Dritte Beratung des
a) Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung ;
b) Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung ;
c) Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Drucksachen 960, 480). Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Drucksache 990, Umdrucke 240, 242, 247, 250).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Gülich hat neulich, als er seinen trefflichen Bericht erstattete, mit einer gewissen Resignation festge-
stellt, daß das Hohe Haus an dem Stoff wenig Interesse zeige, und so ist es wohl auch. Aber in diesem Falle ist das Hohe Haus die wirkliche Repräsentation des deutschen Steuerzahlers. Vom deutschen Steuerzahler kann man wohl insgesamt sagen — wenn ich mal etwas den Scheffelschen Perkeo aus dem Heidelberger Schloß bemühen darf —: „Wer's Geld kriegt, ist mir wurst und egal; mich interessiert nur, was ich oder meine Berufsgruppe zu zahlen haben." Das ist zudem großen Thema „Finanzverfassung — Finanzausgleich" ein bißchen vulgär gesprochen. Ich darf aber dann auf folgendes aufmerksam machen. Wenn man gegenüber dieser Frage: Wer kriegt diese Steuern, wer wird an den Steuern beteiligt?, eine solche Gleichgültigkeit zeigt, dann verliert man eigentlich — ja, wie soll ich sagen — den moralischen Hosenboden, um noch Krokodilstränen über den rückgängigen Föderalismus oder das Verlorengehen der kommunalen Selbstverwaltung zu weinen. Ich mache die Herren Kollegen auf diese Gefahren aufmerksam.
Als der Herr Kollege Gülich seinen Bericht beendet hatte, habe ich mich mit meinem Freunde Krammig zusammengefunden, und wir sind zu der Meinung gekommen: man könnte eigentlich sämtliche Steuern zentral erheben und dann auf die — wie man so schön im Nationalsozialismus sagte — Bedarfsträger nach Gesichtspunkten des Bedarfs verteilen, so wie es Hitler ja im Jahre 1944 in der Perfektion bei der damaligen Gestaltung des Reichsfinanzausgleichs gemacht hat.
Nun aber zum Thema einige Worte. Ich darf feststellen, daß im Steuerausschuß ein einheitlicher Wille vorhanden war, das Ausführungsgesetz zu Art. 107 des Grundgesetzes nicht wieder zu verschieben, und ich darf feststellen, daß auch meine bayerischen Freunde, deren Meinung etwas von der meinigen und der meiner engeren Freunde differiert, gegen eine Verschiebung der sogenannten Finanzreform waren. Ja, sie waren es noch viel stärker als vielleicht einige Kartell- und Koalitionsbrüder von der FDP usw. Wir haben in den Beratungen wirklich gezeigt, daß wir das Auge nicht ausschließlich auf den Bund gerichtet haben. Wir haben bestimmt Verständnis für die Lage der Länder aufgebracht und sind ihnen in manchen Dingen entgegengekommen. Der Kollege Gülich hat in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß wir den Begriff der gemeinschaftlichen Steuern, worunter hauptsächlich Einkommen- und Körperschaftsteuer zu verstehen ist, im Interesse der Länder haben fallenlassen. Er war so im Regierungsentwurf vorgesehen.
Wir haben auch darauf verzichtet, im Finanzverfassungsgesetz schon die prozentuale Beteiligung an diesen sogenannten Gemeinschaftssteuern festzulegen, und haben uns darauf geeinigt, diese Dinge in einem Spezialgesetz zu regeln, haben allerdings zur Abwehr der im Regierungsentwurf vorgesehenen Revisionsklausel eine dreijährige Sperre eingeführt, innerhalb derer die Beteiligungsquoten nicht geändert werden dürfen.
Und nun, meine Damen und Herren — das darf ich vor allen Dingen auch an die Freunde und Kartellfreunde auf der Rechten richten —: ein Bestandteil des Finanzverfassungsgesetzes ist die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Und Sie haben in zweiter Lesung diese Dinge als Besteuerungsart angenommen
— horchen Sie mal bitte zu, ich wollte das insbesondere an Ihre werten Ohren, Herr Wellhausen, gerichtet haben —, haben in der zweiten Lesung dafür gestimmt, daß die Ergänzungsabgabe ein Bestandteil des Finanzverfassungsgesetzes wird. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Ergänzungsabgabe schon in der vom Herrn Bundesfinanzminister für das Rechnungsjahr 1955/56 vorgesehenen Höhe von 1,5 % beschlossen sei.
Nun komme ich aber zu einem Punkt, wo ich mit meinen bayerischen Freunden doch erheblich auseinandergehe. Wir haben es für richtig gehalten, eine Reihe von Ländersteuern zu Bundessteuern zu machen, und zwar in einem Umfang, der etwa eine Milliarde DM Aufkommen betrifft. Ich darf hier vor allen Dingen darauf hinweisen, daß wir die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Kraftfahrzeugsteuer zu Bundessteuern machen wollen. So ist es beschlossen.
Meine Damen und Herren, dabei waren auch gewisse historische Reminiszenzen maßgeblich. Die Erbschaftsteuer ist in der Bülowschen Steuerreform im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts die erste direkte Reichssteuer geworden. Wir haben in dem Wehrbeitrag von 1913 zum erstenmal eine Vermögensteuer des Reiches gehabt. Wir wollen den Ländern bestimmt das lassen, was ihnen als den gewaltigen Verwaltungsträgern gehört, was ihnen auch gehört als ausgleichende Kraft zwischen den Gemeinden und Gemeindeverbänden im sogenannten innerstaatlichen Finanzausgleich. Aber wir sind der Meinung, daß optische Mittel nicht so hervorragende Mittel sind, sondern daß es vor allen Dingen darauf ankommt, den Ländern die genügende Finanzmasse zuzuweisen, gleichgültig, aus welcher Steuerart sie kommt.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich aber doch in diesem Zusammenhang etwas über die Dynamik sagen, die in den Ausgaben des Bundes liegt. Da habe ich manchmal 'den Eindruck, daß auch meine politischen Freunde in den Ländern diese Dynamik nicht erkennen, die sich für mich, aber ich glaube, noch für manche in diesem Hause, vor allen Dingen dadurch ergibt, daß auf den Bund die Rüstung als gewaltiger Finanzbedarf in der Zukunft zurückt. Meine persönliche Meinung — ich würde mich freuen, wenn ich darin noch Anhänger fände — ist die, daß das Finanz-ausgleichsgefüge des Grundgesetzes, das ja in einer absolut pazifistischen Zeit beschlossen worden ist, den Anforderungen einer Rüstung, die natürlich auf dem oberen Verband, d. h. auf dem Bund, lasten muß, nicht genügt. Ich würde mich freuen, wenn die Herren Länderfinanzminister in der Zukunft diesem Gesichtspunkt bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern Rechnung trügen.
Meine Damen und Herren, ich muß hier noch einige Punkte im negativen Sinne berühren, die in der Öffentlichkeit sehr diskutiert worden sind. Das Thema des Art. 108, d. h. der Finanzverwaltung, stand nicht zur Diskussion. Dazu gab der Art. 107 keine Maßgabe. Bei einer Reihe von meinen politischen Freunden und Gegnern und was sonst noch hier vorhanden ist,
ist aber gerade bei der Diskussion in den letzten Tagen die Meinung aufgekommen, es wäre möglich, mancherlei Dinge aus den Gesetzen herauszulassen, wenn wir über das Instrument einer einheitlichen
Finanzverwaltung verfügten. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Frage der Gemeinden als dritter Kraft neben Bund und Ländern, wie ich sie selber einmal bezeichnet habe, nicht in unserem Auftrage lag. Wir wissen — ich darf das hier bekanntgeben —, es ist ein Gesetzentwurf interfraktioneller Art in Vorbereitung, nach dem die Gemeinden eine verfassungsrechtliche Garantie der ihnen jetzt schon faktisch zustehenden Realsteuern erhalten sollen. Aber auch dahin lautete der Auftrag des Art. 107 nicht. Das kann nur in einem besonderen, und zwar verfassungsändernden Gesetz geschehen, während wir ja allseitig zu der Auffassung gekommen sind, daß das Ausführungsgesetz zum Art. 107 nicht verfassungsändernd ist, aber ein Bestandteil des Verfassungsrechts wird.
Ich darf ganz kurz noch zum Finanzanpassungsgesetz einige Worte sagen. Es handelt sich um die Frage: wer trägt gewisse Kosten, der Bund oder die Länder? Zunächst gilt der Satz, den die Regierungsvorlage so prächtig herausgearbeitet hat: Wer echte Sachkompetenzen für sich in Anspruch nimmt, hat auch primär dafür die Kosten zu tragen. Nun haben wir eben den Zustand, daß mancherlei Kosten, vor allen Dingen die, die aus Art. 120, dem Kriegsfolgelasten-Artikel des Grundgesetzes, resultieren, vom Bund getragen werden, aber in der Verwaltung der Länder stehen, und daß damit doch manchmal die Dinge passieren, wie sie ja häufig passieren, wenn man mit anderer Leute Geld umzugehen hat.
Nun sind drei Möglichkeiten vorgesehen, die Länder zu diesen Kosten heranzuziehen, sie zu interessieren oder aber sie, sagen wir mal, in Ordnung zu halten. Das ist einmal die Pauschalierung der Bundesleistungen an die Länder; das ist zum andern die Erhöhung der Interessenquote der Länder, also eine Art Beteiligung an den Kosten, und das sind drittens die von meinen bayerischen Freunden besonders beanstandeten Weisumsrechte des Bundes an die obersten Länderbehörden. Es liegt ein Antrag meiner bayerischen Freunde vor, der dieses Weisungsrecht nur der Bundesregierung, also dem Kabinett, übertragen wissen will. Ich möchte meine bayerischen Freunde doch darauf aufmerksam machen, daß das sehr schwierig sein wird. Das muß man schon den Ressortministern überlassen, also insonderheit dem Bundesarbeitsminister.
Ich habe mich persönlich darüber gefreut — und würde mich wiederum freuen, wenn ich mit meiner Freude Widerhall fände —, daß im Finanzanpassungsgesetz doch eine Verwaltungskompetenz des Bundes, nämlich in der Kriegsopfer- und Kriegshinterbliebenenversorgung, geschaffen wird. Es ist eine obere Bundesbehörde vorgesehen. Ich äußere hier eine persönliche Meinung: mir ist es lieber, wenn neue Verwaltungsaufgaben durch Anbauten an alte Verwaltungsbehörden erledigt werden und wenn keine Sonderbehörden geschaffen werden. Aber wenn schon die Länder in diesem Fall nur mit Sonderbehörden auszukommen angeben, d. h. mit Landesversorgungsämtern und Versorgungsämtern, und diese Aufgaben nicht ihrer inneren Verwaltung oder im Wege der Auftragsverwaltung den Kommunalbehörden zutrauen, dann scheint mir doch der weitere Weg zu einer Bundesversorgungsverwaltung nicht so ganz abseitig zu sein.
Persönlich bin ich der Meinung, daß man auch diese obere Bundesverwaltungstätigkeit nach dem früheren Muster in das Bundesarbeitsministerium hineinlegen kann und daß man dazu eine besondere Bundesoberbehörde nicht braucht. Denn schließlich sind die Ministerien auch des Bundes nicht nur Vorbereitungsanstalten für die Legislative, sondern auch in gewissem Sinne oberste Bundesbehörden.
Nun noch ein Wort zum Länderfinanzausgleich, d. h. der Tätigkeit der reichen Länder im Abgeben an die armen Länder, um einigermaßen die Unterschiede auszugleichen, um einigermaßen gleiche oder angenähert gleiche öffentliche Verwaltungsleistungen herzustellen.
Sie haben neulich — das gehört vielleicht nicht nicht ganz zur Generaldebatte — gegen meinen Widerspruch den Antrag Starke auf Einbezug der Gemeinden an der Ostzone zur Verstärkung und Intensivierung des zwischenstaatlichen Finanzausgleichs angenommen. Ich habe Ihnen damals gesagt: Ich fürchte, daß nun Weiterungen nach Westen kommen werden. Meine Herren, diese Erweiterung liegt Ihnen in Umdruck 247 vor. Ich darf aber ruhig sagen: Ich habe ihn bei Herrn Kemper, meinem lieben Fraktionsfreund, nicht bestellt, sondern er ist seiner impulsiven Art entsprungen.
Wir haben uns darüber unterhalten, ob der Kräfteausgleich bei den schwachen Ländern nur vom Bund aus bewerkstelligt werden könnte. Es gibt ja sehr schwache Körper darunter. Na ja, ich habe schon einmal gesagt: sie sind nicht von Gottes Hand geschaffen; deshalb können wir sie mit der Zeit ja vielleicht noch einmal umwandeln — selbstverständlich mit Ausnahme Bayerns.
Wir haben also erörtert, ob man diesen Kräfteausgleich nur vom Bund und aus Bundesmitteln bewerkstelligen könnte. Wir sind aber davon abgekommen; denn wir sind von der echten Bruderliebe der deutschen Länder untereinander zutiefst überzeugt, und wir sind dessen gewärtig, daß der Reiche dem Armen in guter christlicher Art abgeben wird.
Ich erwarte idas selbstverständlich auch von meinem engeren — reichen — Vaterland Nordrhein-Westfalen, beispielsweise im Verhältnis zu so armen Brüdern wie denen, die früher mit ihm zusammen zum preußischen Staat gehört haben.
Meine Damen und Herren, ich will hier nicht auf die einzelnen Klauseln eingehen wie die HanseatenKlausel oder die Klausel für Schleswig-Holstein, die ja noch verstärkt werden soll. Ich darf nur noch mit Freuden feststellen, daß das Steuerzerlegunugsgesetz, dieses Kind meines Freundes Gülich, begraben werden konnte. Entschuldigen Sie, hoffentlich nehmen meine politischen Freunde nicht Anstoß daran, daß ich einen Feind unserer gerechten Sache als Freund bezeichne.
Aber ich bin nun einmal ein wahrer Christ und habe Freunde auch außerhalb meiner Partei. Allerdings, so weit wie einer der Großen aus unserem Christentum gehe ich noch nicht, wie der Großvater unseres Kollegen Bodelschwingh, der jeden Menschen mit du anredete. Soweit ist es mit mir noch nicht gekommen.
Nun aber zum Schluß! Wir lesen in den Gazetten: Ach, das mit der Finanzreform, das wird ja doch gar nicht ernst; die wird ja auf Antrag des Bundesrates verschoben. — Das wäre ein schlechtes Spiel, kein gutes Spiel des Bundesrates. Erinnern Sie sich, im 1. Bundestag haben wir beantragt, daß der Termin des Art. 107 bis zum 31. Dezember 1955 verschoben werden sollte, und der Bundesrat hat damals darauf bestanden: Nein, bis 1954. Wenn er jetzt bis 1956 gehen will, müßte ich den Hohen Bundesrat, den ich so ungemein als sachkennerisches Parlament verehre, doch der Unfolgerichtigkeit zeihen.
Nun möchte ich aber noch eines erwähnen. Herr Minister Hellwege hat sich ungemein bemüht, einen Ausgleich zwischen den Meinungen des Bundestages und des Bundesrates herbeizuführen; aber sein Versöhnungsversuch ist gescheitert. Ich könnte mir vorstellen, daß er jetzt — ich bitte mich nun nicht zu schelten, wenn ich in eine alte Sprechweise zurückfalle — sagt: Nachdem mein Versöhnungsversuch gescheitert ist, steht der Austragung der Partie nichts mehr im Wege. Mensurlokal: der Vermittlungsausschuß. — Ich wünsche viel Glück!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Hermann Lüdemann— ein alter Sozialdemokrat —, hat einmal, als er Gast auf dem Landesparteitag der CDU war, gesagt, es sei wohl eines der guten und erfreulichen Ergebnisse unserer Zeit, nachdem wir die Nacht und den Donner des Nationalsozialismus überwunden hätten, daß politische Gegner persönliche Freunde sein könnten. Das war ein gutes Wort! Und so, lieber Freund Dresbach, brauchen Sie sich auch nicht zu entschuldigen, wenn Sie mich als Freund bezeichnen. Lassen Sie uns doch immer die Achtung voreinander haben, daß wir auch bei gegenteiliger Auffassung in der Sache niemals zu persönlichen Schärfen oder gar Schlimmerem kommen.
Lieber Freund Dresbach, es ist heute nicht einmal Ihnen gelungen, für Ihre Ausführungen von vorn bis hinten das Ohr des Hauses zu finden, das Ihnen sonst ja immer ohne weiteres gehört. Warum? Weil sich für die Finanzreform tatsächlich kaum ein Mensch interessiert. Wenn man die Gazetten liest, die über den Dienstag berichtet haben, so kann man da sehen: Vorher wurde die Finanzreform verabschiedet. Welche Bedeutung sie für den Steuerzahler hat, wird gar nicht beachtet. Nach unserer ersten Beratung am 20. Mai schrieben ebenfalls zahlreiche Zeitungen, indem sie gegen mich polemisierten: Wie kann dieser — natürlich weltfremde — Professor verlangen, daß sich der Steuerzahler dafür interessiert, wie die Steuern anteilig auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt werden! „Geht es dem Steuerzahler nicht" — schreibt eine Zeitung — „wie dem armen Reisenden, der unter die Räuber gefallen ist? Soll er auch der Debatte über die zweckmäßige und sachgerechte Verteilung der Beute noch mit gebührender Anteilnahme folgen?"
Nun, wenn es der Steuerzahler noch nicht begriffen hat, der Bundestag sollte es begreifen.
Machen wir uns ganz kurz folgende Überlegung. Die öffentliche Finanzmasse, Bund, Länder und Gemeinden, nehmen wir einmal ganz grob mit 40 Milliarden DM pro Jahr an. Das ist beim heutigen Stand noch zu niedrig gegriffen. Es ist ganz klar, daß diese gewaltige Summe, welche dem Steuerzahler abgenommen wird, nur dann sinnvoll verausgabt wird, wenn die Ordnung im öffentlichen Leben in allen seinen Gliederungen, in Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden, eine Ordnung ist, die den Aufgaben, die jeder einzelnen Körperschaft gestellt sind, gerecht wird. Wird sie gerecht? Die rationelle Verteilung der Einnahmen muß doch sicherstellen, daß alle Körperschaften zwar knapp, aber ausreichend ausgestattet werden. Falsche Verteilung der Mittel führt zum Leerlauf, zu Doppelarbeit, zu Komplizierung der Verwaltung, sie führt zur Verschwendung und zum Schuldenmachen. Man soll sich doch ja nicht einbilden, daß, wenn eine Körperschaft, sagen wir, der Bund, zu schlecht ausgestattet ist und andere Körperschaften, sagen wir, die finanzstarken Länder, gemessen am allgemeinen Finanzbedarf, zu gut ausgestattet sind, dann etwa der Bund nicht genötigt wäre, mehr Steuern zu erheben, daß er dann etwa einfach auf das, was woanders zuviel liegt, zurückgreifen könnte. Das kann er nicht, und deswegen ist die richtige Verteilung der Mittel, d. h. die Herstellung einer guten Ordnung, so wichtig. Der Bundestag sollte sich einmal überlegen, durch Rationalisierung in der Finansordnung Einsparungen zu machen, die er anders einsetzen könnte. Bei 40 Milliarden DM öffentlicher Finanzmasse wären 2 1/2% 1000 Millionen EM, eine Milliarde DM! Kann jemand bezweifeln, daß es möglich wäre, einen solchen Prozentsatz einzusparen? Ich möchte mal ganz grob sagen: warum denn nicht 10 %? Wenn wir die 10 % gleich 4 Milliarden DM durch eine sinnvolle Gestaltung unserer Finanzordnung durch eine sinnvolle Reform unserer gesamten Finanzverfassung richtigen Zwecken zuführten, dann hätten wir den ganzen tagelangen Streit um den gespaltenen Körperschaftsteuersatz, um die Ehegattenbesteuerung, um den Altersfreibetrag und alle diese Dinge nicht zu führen brauchen. Deswegen müssen wir uns für eine Reform der Finanzverfassung interessieren.
Natürlich zeigt sich hier das Ergebnis nicht von heute auf morgen. Man kann das etwa vergleichen mit Investitionen in der Wirtschaft. Wenn in der Wirtschaft investiert wird, dann zeigt sich der Erfolg der guten Investition ja auch nicht nach vier Wochen. Aber er fängt vielleicht in vier Monaten an. Ebenso ist es mit der Rationalisierung; wenn die Wirtschaft ihre Betriebe rationalisiert, dann spart sie Kosten ein und erhöht den Gewinn und die Produktivität. Das gleiche können wir auf die öffentliche Finanzwirtschaft übertragen.
Dazu nun noch eine letzte Überlegung. Die Finanzordnung von 1949, wie sie in den Art. 105 bis 108 des Grundgesetzes Verfassung geworden ist, war auch eine Investition. Sie war aber, wie sich herausgestellt hat, eine falsche, eine kostspielige Investition, die uns die Vergeudung von Milliarden eingebracht hat. Das ist wahr, das ist zu beweisen; ach, ich brauche es nicht mehr zu beweisen; das weiß jeder, der sich mit den Dingen beschäftigt.
Deswegen fragen wir uns: Warum kommen wir denn nicht weiter? Mit der Finanzverfassungsreform machen wir einen ersten Schritt auf die-
sem Wege, allerdings gehemmt durch die Vorschrift des Art. 107, der uns nur die Ermächtigung gibt, die Steuerquellen neu zu verteilen. Ich habe im Ausschuß von Anfang an die Meinung vertreten, wir sollten einmal ohne Rücksicht auf den Auftrag aus Art. 107 eine Finanzreform im großen anpakken, weil ich sicher bin, daß wir dafür sogar mehr als eine Zweidrittelmehrheit bekommen. Wir wären dann nicht an den Auftrag aus Art. 107 gebunden, sondern könnten diesen Teil der Verfassung mit verfassungändernder Mehrheit ändern. Das haben wir nicht geschafft. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt: Wir wollen jetzt im Rahmen des Art. 107 bleiben. Ich möchte aber heute an dieser Stelle sagen: Wir können uns in Zukunft nicht damit begnügen! Wenn uns nichts anderes zu Hilfe kommt — ich berufe ungern die Jugend, aber ich kann es in diesem Falle tun —, dann wächst sich die Geschichte in zehn Jahren von selbst aus. Denn, meine Damen und Herren, die heranwachsende Generation wird, wenn sie in das politische Leben eintritt, keine Achtung mehr haben vor diesem Bürokraten-Föderalismus, unter dem wir heute leiden.
Ich möchte aber gern, daß w i r es noch schaffen, und ich möchte gern, daß wir es in diesem Bundestag schaffen.
Das Grundgesetz stand im Jahre 1949 unter dem Gedanken des Föderalismus. Dieses Westdeutschland, dieser Teilstaat, sollte nach föderalistischen Grundsätzen geordnet werden. Aber es war dem Grundgesetzgeber klar, daß zu dieser föderalistischen Ordnung eine zentrale, eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung gehört. Wir wissen ja, daß die vom Grundgesetzgeber gewollte föderalistische Ordnung mit einheitlicher Finanzverwaltung nur am Widerstand der Besatzungsmächte gescheitert ist. Die Besatzungsmächte standen damals noch ganz und gar unter dem Eindruck, unter allen Umständen dieses Deutschland schwach zu halten. Da war von Wiederbewaffnung, von Partnerschaft und Freundschaft und all diesen Dingen, die ihnen heute so schön über die Lippen gehen, noch gar keine Rede.
Der Grundgesetzgeber wollte also ein anständig geordnetes Finanzwesen. Darf ich Sie an den großen Föderalisten des vorigen Jahrhunderts erinnern, an Konstantin Frantz, den großen Gegenspieler Bismarcks, für den es selbstverständlich war, daß die Finanzverfassung die Klammer zum föderalen System ist und daß ohne eine gesunde und einheitliche Finanzverfassung, eine gleichmäßige und gerecht arbeitende Finanzverwaltung, die Steuergerechtigkeit und Einheitlichkeit in der Erfassung, in der Veranlagung, in der Stundung und im Erlaßwesen mit sich bringt, gar nicht möglich ist.
Wir aber sträuben uns, diese einheitliche Finanzverwaltung, die uns die Alliierten damals verweigert haben, einzuführen, weil einige Länder sich so wohlfühlen in dem Bestand, der ihnen zufällig durch das Diktat der Besatzungsmächte geworden ist. Hier, diese finanzstarken Länder machen die Schwierigkeiten, durch sie kommen wir nicht zur Gesundung unseres öffentlichen Lebens! Diese Pseudoföderalisten!
— Kollege Höcherl, vor Ihnen, vor Bayern, vor einem so historisch gewachsenen Staat mit solcher Tradition, solcher Kultur und solchem Heimatgefühl habe ich alle Hochachtung, und ich habe sie immer bezeugt. Aber vor den arrivierten Föderalisten, vor der „Staatlichkeit nordrhein-westfälischer Tradition" kann man keine Hochachtung haben.
Denn diese Länder leben und verteidigen sich ja
nur aus krassem Egoismus, und die armen und
finanzschwachen Länder haben darunter zu leiden.
Ich glaube, wenn wir uns im Haushaltsausschuß einmal überlegten, ob wir nicht zweckmäßigerweise für die arrivierten Bürokraten aus den Länderfinanzverwaltungen nette Beförderungsstellen im Bundeshaushalt schaffen sollten: ob wir dann einen nicht unwesentlichen Teil dieses Bürokratenföderalismus beseitigen könnten?
Wohin ist es denn bei uns gekommen? — Unser Freund Dresbach sagte einmal, diese Länder seien keine Gottesgeschöpfe. Wahrhaftig nicht! Eher sind sie vom Teufel gemacht in Gemeinschaft mit den Besatzungsmächten!
Diese Länder mit ihrem Egoismus, die ihren zufälligen Besitzstand verteidigen, sind überhaupt keine Föderalisten. Was gehört zum Föderalismus? Zum Föderalismus gehört der Begriff der Gemeinsamkeit, der Brüderlichkeit, der Solidarität.
Nur wenn im Föderalismus dieses zentripetale Element der Solidarität steckt, kann er überhaupt funktionieren. Das zentrifugale Element der Subsidiarität gehört dann auch dazu. Aber nur, wenn beide Elemente miteinander in das richtige Gleichgewicht gebracht werden, nur dann kann ein föderativ organisierter Staat überhaupt leben.
Infolgedessen müssen wir zu einer Neuordnung unserer gesamten Finanzverfassung kommen.
Eines muß man allerdings auch begreifen. Wenn man sich überlegt, daß — nach dem Grundgesetz — der Bund Jahr für Jahr mit größeren Forderungen an die Länder herantritt, dann kann man natürlich verstehen, daß ihnen das nicht ganz gefällt. Aber es liegt nun einmal im Wesen des modernen Staates und insbesondere eines Staates, der nach zwei gewaltigen Kriegen so große äußere und innere Kriegsfolgelasten zu tragen hat, daß solche Lasten nicht von den Gliedern der Föderation, sondern nur vom Bunde als solchem getragen werden können, und auch das Grundgesetz schreibt das ja in Art. 120 und Art. 131 zwingend vor.
Vielleicht sollten wir uns bei unseren späteren Überlegungen doch einmal fragen, ob man nicht auf die Popitzschen Gedanken — Popitz war ja ein großer Meister des Finanzausgleichs — zurückkommen sollte: Popitz sagte, die Zäsur im Finanzausgleich sei falsch. Er wünschte eine staatliche Finanzmasse auf der einen Seite — sie würde hier aus Bund und Ländern bestehen — und eine lokale Finanzmasse auf der anderen Seite; die würde aus den Gemeinden und Gemeindeverbänden bestehen. Wenn wir dem folgen und uns einmal in dieser
Richtung späterhin über eine weitere Reform der Finanzverfassung Gedanken machen, dann würden wir, glaube ich, sogar noch die wenigen Stimmen unserer bayerischen Freunde, die sich jetzt noch gegen die Finanzverfassungsreform ausgesprochen haben, gewinnen und könnten dann wahrscheinlich einmütig unser Gesetz verabschieden.
Jetzt noch ein kurzes Wort zu der Frage — Kollege Dresbach hat sie auch angeschnitten — einer etwaigen Verlängerung der . Ermächtigung nach Art. 107 des Grundgesetzes. Ich bringe das deswegen vor, weil alle Zeitungen davon voll sind: „Steuerreform muß verabschiedet werden, Finanzreform wird vertagt." Ich weiß auch, daß der Herr Bundeskanzler vor wenigen Tagen das als eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen hat: „Nun ja, die Finanzreform wird vertagt." In der gestrigen „Zeit" steht ebenfalls in einem Artikel „Ausschuß hat Ruh' " — ach, hätte er doch mal Ruh', hätte er doch mal ein paar Tage Ruh', dieser arme Ausschuß für Finanzen und Steuern; er hat aber keine Ruh'! — klar und deutlich: Finanzreform wird vertagt. Und, meine Damen und Herren, ein sehr ernstes Wort: Die finanzstarken Länder wünschen, daß die Finanzreform vertagt wird.
Wie lange wollen wir sie vertagen? Im Jahre 1957 können wir keine Finanzreform machen, da sind Wahlen. 1958 können wir keine machen nach den Wahlen. Sollte man die Finanzreform, wie manche sagen, um zwei Jahre vertagen? Was wäre gewonnen? Hätten wir eine größere staatswirtschaftliche Stabilität? Nein! Hätten wir größere Erfahrungen? Hätten wir größere Einsichten und Erkenntnisse? Nein! Nichts können wir in zwei Jahren mehr haben, als was wir heute haben. Warum soll sie denn vertagt werden? Weil die Leute wieder einmal in der Verfolgung ihrer eigensüchtigen Interessen sagen: Zwei Jahre Zeit gewonnen, bedeutet zwei Jahre mehr Wurstelei im PseudoFöderalismus, bedeutet zwei Jahre mehr Konferenzen. Konferenzen der Finanzreferenten der Länder, der Finanzminister der Länder, dazu Spezialkonferenzen aller Art! Was für ein Leerlauf! Was für eine Verschleuderung öffentlicher Mittel! Das wollen sie gern weitermachen, aber einen sachlichen Grund gibt es dafür nicht, und politisch gesehen wäre es doch einfach eine Bankrotterklärung der Bundesrepublik. Es wäre eine Bankrotterklärung des föderativen Systems, wenn es nicht einmal in der Lage wäre, nach fünf Jahren das Finanzwesen einigermaßen zu ordnen. Der Grundgesetzgeber wollte die Änderung bis zum 31. Dezember 1952. Wir haben 1952 resigniert und der Verlängerung bis zum 31. Dezember 1954 zugestimmt. Jetzt sollen wir dasselbe noch einmal tun? Kann man ernstlich glauben, daß verantwortliche Männer, Ministerpräsidenten und Finanzminister der Länder, einer nochmaligen Verlängerung das Wort reden? Das ist doch schlechterdings unmöglich!
In dem Aufsatz von Erwin Topf in der „Zeit" steht auch, daß der Finanzausschuß in einem Punkte, nämlich in der Ergänzungsabgabe, völlig versagt habe. Das ist unrichtig. Ich will hier nur sagen, daß sich der Ausschuß einig darin war, daß wir zur Stärkung der Bundesgewalt und zum Ausfüllen einer verfassungsrechtlichen Lücke dem Bund die Möglichkeit geben müssen, einen Zugriff auf eine direkte Steuer zu haben.
— Dann waren wir nicht ganz einig, Herr Wellhausen, aber beinahe einig. Ich dachte, in dem Punkt seien wir einig gewesen. Also, wir waren nicht ganz einig. Meine Fraktion ist sich über diesen Punkt auch nicht ganz einig. Hier gehen eben die Meinungen auseinander, und bei der Abstimmung muß dann jeder bekunden, was er dazu meint. Ich meine — und das habe ich im Ausschuß vertreten —, daß wir gar nicht anders können, als jetzt in der Verfassung diese Lücke zu schließen.
Ich habe in der ersten Beratung ziemlich harte Worte über die Vorlage 480 gefunden und habe sie als eine finanzpolitische Bastelei bezeichnet. Wir haben durch intensive Ausschußarbeit manches an der Regierungsvorlage verbessert; aber die Finanzreform, die uns vorschwebt, haben wir noch nicht erreicht. Allerdings haben wir das erreicht, was wir jetzt erreichen konnten. Ich würde auch heute und an dieser Stelle gern mit dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer in den Fragen der Finanzreform die Klingen kreuzen. Da er krank ist, kann ich auf die strittigen Punkte nicht eingehen. Wir haben in diesem Hause gegnerische Meinungen oft hart ausgetauscht; aber ich habe in keiner Stunde meine Hochachtung vor Herrn Minister Schäffer geleugnet.
Wenn er heute, da sein liebstes Kind aus der Taufe gehoben werden soll, nicht anwesend sein kann, dann geziemt es sich — und vielleicht steht es besonders dem Vertreter der Opposition zu —, dem Bedauern über seine Krankheit Ausdruck zu geben und dem Wunsche, daß er bald wieder gesunden möge. Ich glaube, wir alle möchten ihn bald wieder in unserer Mitte sehn.
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mit einem Wort meines Freundes Dresbach beginnen, daß es wirklich ein schlechtes Spiel wäre, wenn die Finanzreform im Bundesrat nicht angenommen und wenn es zu einer Vertagung kommen würde. Auch der Kollege Professor Gülich, der so warme Worte für den bayerischen Föderalismus gefunden hat — seinen geringschätzigen Bemerkungen über den künstlichen Föderalismus der neugeschaffenen Länder kann ich nicht folgen; ich muß im Gegenteil sagen, daß sich gerade auch in diesen Ländern ein sehr erfreuliches föderalistisches Gefühl entwickelt hat —, ist der Meinung, daß die Finanzreform unter allen Umständen über die Bühne gebracht werden sollte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man das will, dann muß man auch den richtigen Weg beschreiten. Sie wissen, daß wir in der ersten Lesung der Finanzreform eine ganze Reihe von Einwänden gegen die Regierungsvorlage hatten, vor allem in bezug auf das Finanzanpassungsgesetz und auf manche Bestimmungen des Länderfinanzausgleichsgesetzes. Auch in der Frage der Finanzverfassung mußten wir gegen einige Bestimmungen schwere Bedenken erheben. Trotzdem waren wir der Auffassung, daß sich die Regierungsvorlage in der Finanzverfassung an den Rahmen des Art. 107 gehalten hat. Herr Professor Gülich hat davon gesprochen, daß man — zwar nach seiner Meinung leider vergeblich — im Ausschuß versucht hätte, eine große mit Zweidrittel-
mehrheit zu beschließende Finanzverfassung vielleicht nach Popitzschem Muster einzuführen. Ich bin der Auffassung, daß man den Art. 107 auch in der Ausschußfassung bereits verletzt und seine Grundtendenz verlassen hat.
Ich wiederhole: Wenn wir eine Finanzreform haben wollen, wenn wir eine weitere Vertagung vermeiden wollen, gibt es keinen anderen Weg, als sich streng an Art. 107 zu halten. Wir haben Ihnen deswegen in den Umdrucken 240 und 242 einen Abänderungs- und gleichzeitig, wie ich sagen möchte, einen sehr maßvollen Vermittlungsvorschlag gemacht, um dieses Ziel zu erreichen. Es steht nämlich fest, daß die gegenwärtige Ausschußfassung vom Bundesrat unter gar keinen Umständen angenommen wird. Es gibt Länder, die bereits einen Vertagungsantrag angekündigt haben und ihn wahrscheinlich auch durchsetzen werden. Das wäre ein Ergebnis, das bereits von den beiden Vorrednern bedauert worden ist.
In der Regierungsvorlage wurde der Art. 107 seinem inneren Wesen nach mit Recht so ausgelegt, daß die Länder in ihrem Steuerbesitz und Steuerbestand erhalten bleiben sollten. Nur bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat man eine gemeinschaftliche Steuer postuliert, aber im übrigen hat man am Besitzstand der Länder nichts geändert. Nun hat diese Vorlage im Ausschuß ein besonderes Schicksal erfahren. Gestern z. B. war im Rahmen der gespaltenen Tarife der Körperschaftsteuer des langen und breiten die Rede davon, daß man doch die Regierungsvorlage wiederherstellen sollte. Man sollte die Regierung nicht desavouieren. Das wäre ein Weg und ein Vorschlag, der sich bei der Finanzreform sehr gut eignen würde, um zu einem praktischen Ergebnis zu kommen. Der Ausschuß hat aber eine vollständige Neuregelung gefunden. Es war nicht mehr oder — ich möchte sagen — ausnahmsweise nicht der Übermut der Ämter, sondern ein gewisser Übermut im Ausschuß, der diese neue Lösung gefunden hat, durch die die Länder finanzpolitisch völlig ausgehöhlt und entmachtet wurden. Die Länder haben bisher im wesentlichen drei größere Steuern in ihrem eigenen Bereich: die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer. Dazu kommen noch drei kleinere Steuern. Das war der Bestand der Länderfinanzen, und alle diese Steuern hat man durch den Ausschußbeschluß auf den Bund übergeführt und die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einer gemeinsamen Steuer erklärt.
Mit diesem Beschluß werden wir beim Bundesrat keinen Erfolg haben. Ein Land, ich glaube, es war Baden-Württemberg, hat bereits angekündigt, daß dieser Beschluß einen Antrag auslösen wird, die Finanzreform erneut zu vertagen, Das wäre nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch für unser finanzpolitisches Dasein in Bund und Ländern außerordentlich bedauerlich. Deswegen haben wir Ihnen im Umdruck 242 den — ich sage es noch einmal — sehr maßvollen Vermittlungsvorschlag gemacht, daß die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer weiterhin bei den Ländern bleiben. Die drei kleineren Steuern, die Urkundensteuer, Wechselsteuer und Kapital-verkehrsteuer, können auf den Bund übergehen.
Auch gegen die übrigen Formulierungen des Art. 106 nach der Ausschußfassung haben wir nichts einzuwenden, weil uns dringend daran gelegen ist, in dieser schwierigen und leidigen Frage endlich zu einem praktischen Ergebnis zu kommen. Ich würde Sie sehr bitten, gerade im Hinblick auf die Äußerungen und Bemerkungen, die gestern zur Körperschaftsteuer gefallen sind, doch die Regierungsvorschläge in dieser verkleinerten und sehr maßvollen Form wiederherzustellen.
Und nun noch etwas anderes. Dieser ganze Vorgang hat noch eine außerordentlich bedeutende verfassungsrechtliche Seite. Ich war, muß ich schon sagen, erschüttert deswegen, weil man so großzügig — um mich einmal ganz zurückhaltend auszudrücken — einfach über den Sinn und den Wortlaut des Art. 107 des Grundgesetzes hinweggegangen ist. Der Art. 107, der im Zusammenhang mit allen übrigen Vorschriften und vor allen Dingen mit dem Artikel 109 des Grundgesetzes gesehen werden muß, hat ganz eindeutig einen föderalistischen Zug. Bund und Länder haben eine getrennte, selbständige Haushaltswirtschaft, und sie sollen bei dieser Finanzreform mit selbständigen Steuern - es steht zwar auch drin „Steueranteilen" —, mit selbständigen Steuern oder Steueranteilen ausgestattet werden. Aber die sinngemäße Auslegung kann nur das einzige Ergebnis haben, daß man den Ländern auch wirklich eigene Steuern gibt, über die sie eine eigene Verfügungsgewalt und mit denen sie auch eigene Entwicklungsmöglichkeiten haben. Meiner Ansicht nach ist Verfassungsrecht, ich möchte fast sagen, heiliges Recht. Die extensive Auslegung, die diesem Art. 107 im Ausschuß gegeben worden ist, ist vielleicht bezeichnend für unser ganzes politisches Leben. Ich glaube, es gibt nicht viele Länder, in denen über Verfassungsbestimmungen in einer so großzügigen und extensiven Weise hinausgegangen wird, wie sich das im Ausschuß gezeigt hat. Wir könnten unserem politischen Leben einen guten Dienst dadurch erweisen, daß wir in dieser Frage sehr engherzig sind und sehr nach dem Sinn und dem föderalistischen Aufbau unseres Grundgesetzes gehen. Was heißt das :,,künstliche Länder", was heißt das: „Länder, die durch Alliierte geschaffen worden sind"? Es ist richtig, einige Länder haben nicht die Tradition aufzuweisen, wie sie vielleicht Bayern und Baden-Württemberg aufzuweisen haben. Immerhin haben wir einen Art. 29 im Grundgesetz, der den Weg angibt, wie wir die Dinge wieder in Ordnung bringen sollen. Aber es ist doch nicht der richtige Weg, jetzt eine finanzpolitische Aushöhlung vorzunehmen, um auf diese Weise den Art. 29 überflüssig zu machen. Wir müssen in dieser Frage noch einen Schritt weiter denken. Wir denken doch jeden Tag an die Wiedervereinigung. Wie würden sich unsere Brüder in der Ostzone, die doch auch in Länder zusammengefaßt sind, die Wiedervereinigung vorstellen müssen, wenn die finanzpolitische Ausstattung der Länder bei uns so großzügig, ich möchte fast sagen: fahrlässig gehandhabt wird?!
Lassen Sie mich schließen. Sie sehen, daß unser Vermittlungsvorschlag außerordentlich maßvoll ist. Wir übertreiben nicht. Wir wissen, daß es Grenzen gibt. Aber geben Sie den Ländern, was den Ländern gehört, und wir geben dem Bund, was des Bundes ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gülich hat in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als stellvertreten-
der Vorsitzender des Finanz- und Steuerausschusses dem Herrn Schäffer seine herzlichen Wünsche übermittelt. Es hätte dessen nicht bedurft, um mich als den Vorsitzenden zu veranlassen, mich diesen Wünschen von Herzen anzuschließen. Darüber besteht ja wohl kein Zweifel in diesen Kreisen. Aber man soll auch die Dinge, die bekannt sind, noch einmal sagen, — selbstverständlich mit dem Männerstolz vor Königsthronen, auf den ich Wert lege.
Ich habe vor einigen Tagen — das amüsiert Sie vielleicht — die Stimme des Volkes gehört, und zwar wurde sie mir übermittelt durch unseren hochverehrten Herrn Bundeskanzler. Er führte mir ein Mitglied der CSU vor und sagte zu diesem: „Sagen Sie mal dem Herrn Wellhausen die Stimme des Volkes!" Darauf hub dieser freundliche Herr an und sagte: „Wenn ihr hier noch lange wählt" — es war die Wahl des Bundestagspräsidenten —, „dann wird der Herr Schäffer noch wieder gesund, ehe ihr mit eurer Steuerreform fertig seid."
Ich habe das nicht als Drohung empfunden, zumal ein so sympathischer Mann wie der Herr Staatssekretär den Herrn Schäffer vollwertig vertreten hat. Weiter möchte ich dazu nichts sagen.
Nun lassen Sie mich ein Wort zur Finanzreform sagen. Wenn Herr Höcherl, mit dem ich mich ja in sehr erfreulicher Weise angefreundet habe, sagt, wir unglücklichen Menschen im Finanz- und Steuerausschuß seien übermütig, dann wird er den Dingen doch wohl nicht ganz gerecht. Wenn er weiter sagt, wir würden die Länder aushöhlen und entmachten, dann sind das Ausdrücke, wie ich sie nördlich des Mains eigentlich gewöhnlich zu meiner Freude nicht höre, vor allen Dingen nicht so furchtbar schnell und unbegrenzt. Ich glaube also, das ist keineswegs der Fall. Ich glaube vielmehr, daß wir uns auf das Urteil des Herrn Bundesfinanzministers verlassen sollten, der in einer denkwürdigen Besprechung, als wir noch ein bißchen besser standen, als wir im Augenblick stehen, zu mir gesagt hat — lebhaft applaudiert von seinem nicht unbedeutenden Ministerialdirektor Oeftering —: „Was Sie in Ihrem Finanz- und Steuerausschuß vorhaben, Herr Wellhausen, ist eine staatspolitische Tat." Das zeigt wohl, wie sich unter Landsleuten die Ansichten, sagen wir mal vorsichtig: abwandeln; einerseits „ausgehöhlt" und „entmachtet", lieber Herr Höcherl, andererseits „staatspolitische Tat". Wir sollten die Schnelligkeit und die fast völlige Einmütigkeit, mit der wir der Finanzreform vor einigen Tagen zugestimmt haben, auch heute wieder bekräftigen.
Erlauben Sie mir nur eine einzige Bemerkung; sie bezieht sich auf die Ergänzungsabgabe. Ich habe im Ausschuß angekündigt, ich würde hinsichtlich der Aufnahme der Ergänzungsabgabe in den Art. 106 in der dritten Lesung Anträge stellen. Ich stelle für meine Freunde diese Anträge aus zwei Gründen nicht: erstens weil das, was wir durch die Aufzählung der Ergänzungsabgabe im Art. 106 gemacht haben, ein stumpfes Schwert ist — das wird jedem, der ein wenig von Gesetzgebung versteht, klar sein —, und zweitens, weil ich der Überzeugung bin, unter dem Tannenbaum werden wir uns wieder treffen bei einer Verlängerung der Frist von Art. 106.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe in dritter Lesung zur Abstimmung auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung, und zwar den § 1 mit dem Antrag Umdruck 242*). Der Antrag Umdruck 242 ist ja im Rahmen der allgemeinen Aussprache mitbegründet worden. Wird noch das Wort dazu gewünscht? — Herr Dr. Dresbach!
Ich fürchte, bei der Gespaltenheit meiner Fraktion geht es nicht mehr mit dem Fingeraufzeigen. Ich habe mich deshalb hier gemeldet. - Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird weiterhin hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 242 der Abgeordneten Höcherl, Niederalt, Dr. Gleissner und Genossen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimmen der Christlich-Sozialen Union abgelehnt.
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
— Ich verstehe die Unruhe nicht.
— Offenbar ein Mißverständnis im Rahmen des Hohen Hauses.
Wir stimmen nunmehr ab über § 1 in der vorliegenden Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
— Meine Damen und Herren, es ist nicht üblich, wenn es nicht besonders gefordert wird, daß bei jedem einzelnen Paragraphen die Gegenprobe gemacht und die Enthaltungen festgestellt werden. Nachdem der Änderungsantrag mit einer bestimmten Mehrheit abgelehnt worden war, habe ich das Entsprechende als selbstverständlich unterstellt. Es genügt, festzustellen, daß die überwiegende Mehrheit für den Paragraphen ist.
Meine Damen und Herren! Änderungsanträge liegen hier nicht mehr vor, so daß Einzelberatung des weiteren entfällt. Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Finanzverfassungsgesetz. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen die Stimmen der Christlich-Sozialen Union angenommen.
Ich rufe zur Einzelberatung in dritter Beratung auf den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung. Es liegen hier Änderungsanträge auf den Umdrucken 240 und 250 vor.
Ich rufe also zur Einzelberatung § 3 mit Umdruck 240 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Abgeordneten Höcherl, Niederalt, Dr. Gleissner und Genossen zu-
*) Siehe Anlage 5.
zustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Im gleichen Verhältnis wie vorhin abgelehnt.
Wir stimmen demnach dann über § 3 in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Im gleichen Verhältnis angenommen.
Ich rufe § 4 mit dem Umdruck 250*) auf. Wird hierzu das Wort gewünscht?
Herr Abgeordneter Niederalt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht des Umfangs des heutigen Tagespensums will ich mich bemühen, den Antrag auf Umdruck 250 so kurz wie möglich zu begründen. Ich kann es mir leider aber nicht ersparen, ein paar Bemerkungen zu diesem Antrag zu machen, weil es sich wirklich um eine außerordentlich wichtige Sache handelt, wie übrigens auch der Herr Berichterstatter in seinem Bericht vor der zweiten Lesung hervorgehoben hat. Nur, Herr Professor Gülich, ist das nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder eine außerordentlich wichtige Sache.
Unser Antrag auf Umdruck 250 hat den Zweck der Zurückführung des Weisungsrechts des Bundes bei Bundesgesetzen, die die Länder :in eigener Zuständigkeit durchführen, auf den Stand, den das Grundgesetz vorschreibt. Wenn Sie das Grundgesetz zur Hand nehmen, so lesen Sie in Art. 84 Abs. 5, daß der Bund bei Durchführung von Bundesgesetzen durch die Länder ein Weisungsrecht hat, aber nicht ein generelles Weisungsrecht, sondern nur ein Recht, in besonderen Fällen Einzelweisungen zu erteilen. Dagegen sieht die in der zweiten Lesung vorgeschlagene Fassung des Finanzanpassungsgesetzes — übrigens ebenso wie auch schon die Vorlage der Bundesregierung — dieses generelle Weisungsrecht vor. Wir sind der Meinung, daß dies dem Grundgesetz widerspricht.
Man begründet nun dieses generelle Weisungsrecht damit, daß man sagt: Hier wollen wir ja nicht ein Weisungsrecht zum Gesetzes inhalt als solchem, sondern nur ein Weisungsrecht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwaltung der Bundesmittel festlegen. Wenn Sie wissen, daß es sich hier im wesentlichen um Gesetze mit dem Zweck der Gestaltung von Ausgaben handelt, so werden Sie mit mir in der Feststellung einiggehen, daß ein Weisungsrecht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwaltung praktisch gleichbedeutend ist mit dem Weisungsrecht zum Gesetzesinhalt. Das ist nach unserer Auffassung eine Aushöhlung des Sinnes und des Inhaltes von Art. 84 Abs. 5. Es ist ein alter Erfahrungssatz — das hat immer gegolten —, daß die Bewirtschaftungsverantwortung ein untrennbarer Teil der gesamten Verwaltungsverantwortung ist. Jeder Versuch, hier eine künstliche Trennung hereinzubringen, ist, nein, ich will mich vorsichtig ausdrücken: erinnert mich an einen Taschenspielertrick.
Ich möchte nicht mehr im einzelnen auf diese verfassungsrechtlichen Dinge eingehen und nur sagen, daß wir der festen Überzeugung sind, daß die jetzt beschlossene Fassung einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde.
*) Siehe Anlage 7.
Nun wird ein weiterer Grund für dieses generelle l Weisungsrecht geltend gemacht, nämlich der der Etatsverantwortung der Bundesregierung. Das ist wirklich ein sehr ernster Grund, an dem auch wir nicht leichtfertig vorbeigehen. Es handelt sich in der Tat hier um erhebliche Bundesmittel, für die der Bundestag die Bewilligung ausspricht und für die die Bundesregierung dem Bundestag gegenüber irgendwie geradestehen muß. Das ist auch unsere Auffassung. Wir brauchen gar nicht lange nach irgendwelchen Bestimmungen des Grundgesetzes für diese Etatsverantwortung zu suchen. Wir halten uns ganz einfach an den immer noch gültigen Satz: Wer zahlt, der schafft auch an. Also an dieser Auffassung wollen auch wir nicht rütteln. Es ist auch gar nicht notwendig, an dieser Meinung zu rütteln, weil, wenen Sie unserem Antrag folgen, eine Einwirkungsmöglichkeit des Bundes gegeben ist. Sie brauchen, wie wir hier beantragt haben, nur den Nachsatz anzufügen: „Soweit es sich um besondere Fälle von grundsätzlicher Bedeutung oder von erheblicher finanzieller Auswirkung handelt". Wenn Sie diesen Nachsatz billigen, haben Sie auf der einen Seite einen Zustand, der dem Inhalt und Wortlaut des Grundgesetzes entspricht, und auf der anderen Seite gleichzeitig eine weitgehende Einwirkungsmöglichkeit der Bundesregierung, des Bundesfinanzministeriums auf die Ausgabengestaltung. Ich gebe gerne zu, daß dieser Weg vielleicht etwas unbequem ist, weil da und dort Meinungsverschiedenheiten darüber auftreten können, was nun ein besonderer Fall von grundsätzlicher Bedeutung ist. Aber diese Unbequemlichkeiten müssen wohl in Kauf genommen werden. Bekanntlich ist nicht immer alles richtig und gut, was bequem ist.
Was darüber hinaus noch an Einwirkungsmöglichkeit des Bundes fehlt, gibt der Verwendungsnachweis. Es liegt hier ein klarer Fall des § 64 a der Reichshaushaltsordnung vor, der bestimmt, daß der Bundesfinanzminister über die Verwendung von Bundesmitteln, die einer außerhalb der Bundesverwaltung stehenden Stelle für bestimmte Zwecke zur Verfügung gestellt werden, Bestimmungen treffen kann. Diese können sehr eingehend sein und kommen in der Praxis Weisungen gleich, weil ja der Bundesrechnungshof die Kontrolle über die Einhaltung der Bestimmungen hat.
Sollten nun etwa ganz ängstliche und ganz gewissenhafte Kollegen immer noch nicht mit dieser Art Etatsverantwortung zufrieden sein, müßten wir allerdings auf die Möglichkeit von Verwaltungsvereinbarungen verweisen, Verwaltungsvereinbarungen sowohl über den Verwendungsnachweis wie auch über die Weisungsbefugnis. Dias allein scheint uns der richtige, nach dem Grundgesetz aufgezeigte Weg zu sein, wenn wir das Grundgesetz nicht verletzen wollen.
Keinesfalls aber kann die hier vorgeschlagene Lösung von uns anerkannt werden, weil sie dem Sinn und Wortlaut des Grundgesetzes widerspricht. Wir sollten uns alle, schon aus der Achtung vor dem Grundgesetz, in jedem Fall bemühen, das Grundgesetz so anzuwenden, wie es seinerzeit geschaffen wurde, auch dann, wenn der aufgezeigte Weg nicht so bequem ist, auch dann, wenn es sich sich um eine Bestimmung handelt, die den föderativen Charakter des Grundgesetzes herausstellt. Lippenbekenntnisse zum föderativen System hören wir ja sehr häufig, damit ist es aber nicht getan. Herr Professor Gülich, Sie haben vorhin eine so
schöne Hymne auf das gewachsene Land Bayern gesungen. Auch damit ist es nicht getan. Wir müssen die rechtliche Voraussetzung für diese Länder belassen. Wenn Sie von „Zufallsländern" sprechen, so haben Sie weitgehend recht; dann müssen wir eben den Weg des Art. 29 gehen, um hier Abhilfe zu schaffen.
— Aber von Fall zu Fall, Herr Professor Gülich, da werden Sie mir recht geben, müssen wir die Bestimmungen des Grundgesetzes achten, die die rechtliche Basis für dieses föderative System überhaupt beinhalten. Die vorliegende ist eine solche Bestimmung. Deshalb muß sich jeder, der sich zu diesem föderativen System bekennt, auch zu dieser Bestimmung bekennen. Hic Rhodus, hic salta!
Zusammenfassend ganz kurz: Wir haben das gleiche Ziel wie Sie, d. h. wie die hier beschlossene Fassung. Auch wir halten an der Etatsverantwortung fest. Nur glauben wir, daß der von uns aufgezeigte Weg derjenige ist, der nach der Verfassung vorgeschrieben ist. Deswegen wären wir Ihnen dankbar — und wir bitten Sie darum sehr herzlich —, wenn Sie uns auf diesem Wege folgten und unserem Antrag zustimmten.
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Niederalt hat zunächst beantragt, die Worte „der obersten Bundesbehörden" zu ersetzen durch die Worte „der Bundesregierung". Herr Abgeordneter Dr. Dresbach hat sich schon dagegen gewendet. Es wäre wirklich eine Überforderung des Bundeskabinetts als einer politischen Instanz, die schon durch die Beratung von Gesetzentwürfen mehr technischen Inhalts und von Rechtsverordnungen in ungewöhnlichem Maße belastet ist, zu verlangen, daß auch in diesen Fällen das Bundeskabinett an Stelle des Ressortministers, hier in erster Linie des Arbeitsministers, eingeschaltet wird.
Das soll hier eben geändert werden, auch um eine schnelle Entscheidung zu verbürgen. Das Bundeskabinett ist ja häufig so überlastet, daß dadurch die Entscheidung um Wochen hinausgezögert würde.
Außerdem ist vorgeschlagen worden, einen Hinweis auf Fälle von grundsätzlicher Bedeutung oder erheblicher finanzieller Auswirkung einzufügen. Ich glaube, Herr Abgeordneter Niederalt, wir sind darin einig, daß es hier nicht in erster Linie um ein rechtliches Problem geht. Es handelt sich nicht um eine Anwendung des Art. 84, sondern um ein haushaltswirtschaftliches Weisungsrecht, worauf der Herr Berichterstatter schon in dem Bericht zur zweiten Lesung hingewiesen hatte. Man könnte auch an eine Lösung über die Methode der Interessenquote denken, aber das ist vor einiger Zeit gerade auf Antrag der Länder gestrichen worden.
Wenn Sie vorschlagen, nach § 64 a der Haushaltsordnung zu verfahren, so ist zu sagen: das ist ja nur ein nachträglicher Verwendungsnachweis,
der uns hier nicht sehr viel weiterhilft. Und schließlich: der Weg der Verwaltungsvereinbarung ist versucht, aber von den Ländern abgelehnt worden. Ich glaube daher, daß gar nichts anderes übrigbleibt, als hier an der Regierungsvorlage festzuhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Pfeile aus dem bayerischen Köcherl stammen nicht von guten Schützen; denn sie treffen überhaupt nicht. Ich habe als Berichterstatter am Dienstag eingehend die verfassungsrechtlichen Gründe dargelegt, die den Ausschuß genötigt haben, zu diesen Fassungen zu kommen bzw. die Regierungsvorlage zu übernehmen. Diese verfassungsrechtlichen Gründe müßten im einzelnen widerlegt werden. Es genügt aber nicht, verfassungsrechtliche Bedenken zu erheben und mit dem Bundesverfassungsgericht zu drohen. Ich glaube, dessen Spruch hätten wir nicht zu fürchten.
Ich bitte Sie dringend, im Interesse des gesamten Reformwerkes den Antrag Höcherl abzulehnen.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. — Wir kommen zur Abstimmung über den Umdruck 250*), Antrag der Abgeordneten Niederalt, Höcherl und Genossen. Wer dem Umdruck 250 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen und bei Gegenstimmen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 4 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Weitere Einzelanträge liegen zu diesem Gesetz nicht mehr vor. Ich komme damit zur Schlußabstimmung über das Finanzanpassungsgesetz.
— Bitte, Herr Dr. Gülich. — Wollen Sie eine Erklärung zur Schlußabstimmung abgeben?
— Als Berichterstatter spricht Herr Dr. Gülich, um eine Berichtigung vorzunehmen.
Bei § 11 muß die Berlin-Klausel in Form der jetzt gültigen, allerneuesten Fassung der Berlin-Klausel eingefügt werden. Ich brauche sie Ihnen nicht vorzulesen. Ich darf sie dem Herrn Präsidenten überreichen.
Ich würde vorschlagen, sie vorzulesen.
§ 11 soll also folgende Fassung erhalten:
Geltung in Berlin
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 auch im Lande Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Lande Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes.
*) Siehe Anlage 7.
Meine Damen und Herren, ich darf also den einmütigen Willen des Hauses unterstellen, daß der Fall § 11 in dieser Fassung zum Beschluß erhoben wird.
Damit kommen wir zur Schlußabstimmung über das Finanzanpassungsgesetz. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen und bei Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Einzelberatung ,des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern. Zu § 6 dieses Gesetzes liegt der Umdruck 247*) vor, den ich hiermit zur Abstimmung aufrufe. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Dresbach!
Ich möchte eine recht große Anzahl meiner Freunde auffordern — allen kann ich es ja nicht zumuten —, diesen Antrag abzulehnen. Er bedeutet eine Weiterung gegenüber dem Antrag, vor dessen Annahme ich in der zweiten Lesung gewarnt habe. Meine Bitte geht also dahin, den Antrag Kemper und Freunde abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Schlick.
Meine Damen und Herren, ich bin einigermaßen überrascht über den Wunsch meines Kollegen Dresbach, den Antrag auf Umdruck 247 abzulehnen. Ich darf zurückgreifen auf die Debatte, die wir hier vor drei Wochen in einer ähnlichen Angelegenheit hatten, als es sich darum handelte, dem Saargrenzgürtel die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu geben, wie wir sie im Ostrandgebiet geschaffen haben. Das Hohe Haus hat damals einmütig diesen Antrag angenommen. Wir würden nach meiner Ansicht der Gerechtigkeit einen sehr schlechten Dienst erweisen,
wenn wir nunmehr bei dieser Angelegenheit in umgekehrter Weise verführen. Ich kann es mir ersparen, noch einmal eingehend auf die Situation, wie sie durch die willkürliche Grenzziehung im Westen entstanden ist, hinzuweisen. Ich darf Sie an die Ausführungen erinnern, die mein Kollege Spies und der Herr Kollege Jacobs vor drei Wochen hier gemacht haben, und erwähne nur kurz erstens die aus der willkürlichen Grenzziehung entstandenen Verkehrsschwierigkeiten, die die Geschäftsleute und die Bevölkerung zwingen, heute drei- oder viermal so lange Wege wie früher zurückzulegen. Was man früher mit 80 km schaffen konnte, muß man heute mit 280 km machen. Ich erinnere weiter daran, daß ein 'erheblicher Teil der dort arbeitenden gewerbetreibenden Bevölkerung sowohl seine Bezugsquellen wie auch seine Absatzgebiete verloren hat und sehr schwer um seine Existenz ringt.
Ich möchte dringend bitten, meine Damen und Herren, daß Sie diesem Antrag Umdruck 247, der von Kollegen aus den drei großen Fraktionen unterschrieben und befürwortet ist, schon allein aus dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit auch gegenüber der Bevölkerung an der westlichen Grenze — es wird ja immer so sehr auf die Not-
*) Siehe Anlage 6.
wendigkeit der Verbindung mit dem Saargebiet hingewiesen — stattgeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich eben nicht um eine Frage der Gerechtigkeit,
sondern es handelt sich darum, daß Sie das gesamte System des Finanzausgleichs unter den Ländern, wie es bisher erarbeitet worden ist, über den Haufen werfen. Im Ausschuß habe ich damals gesagt, das ist eine reine Bundeshilfe. Ich habe dann meine Meinung etwas modifiziert und habe am Dienstag vorgetragen: jawohl, wir wollen dem Antrag Dr. Starke zustimmen, weil die finanzstarken Länder auch einen Beitrag leisten sollen. Aber es kann sich hierbei nur darum handeln, das unglückliche West-Ost-Gefälle etwas zu mildern. Es kann sich jetzt nicht darum handeln, ein strukturell bedingtes Notstandsgebiet im Westen, das natürlich da ist, durch diesen Antrag, der die Zonenrandgebiete an der künstlich geschaffenen Ostgrenze wirtschaftlich etwas verbessern sollte, zu unterstützen. Es kann sich nicht darum handeln, das System des Finanzausgleichs so weitgehend zu verändern. Ich halte es deswegen für notwendig, wenn wir nicht den ganzen Finanzausgleich gefährden wollen, den Antrag Kemper und Genossen abzulehnen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Jacobs!
Meine Damen und Herren! Nachdem von seiten der Koalition ein so repräsentativer und sachverständiger Vertreter wie Herr Kollege Dresbach und andererseits von meiner Fraktion ein Experte auf dem Gebiete der Finanzpolitik die Empfehlung gegeben haben, gegen diesen Antrag zu stimmen, sehe ich mich doch veranlaßt, eben mit Rücksicht auf die hier gemachten Ausführungen der beiden Herren darauf hinzuweisen, daß es sich im Prinzip um das gleiche handelt, was für die Zonenrandgebiete zugestanden wurde, ohne daß man, wie eben behauptet, damit den ganzen Finanzausgleich an der Basis trifft und in Unordnung bringt.
Die Veränderungen und das Gefälle, von denen gesprochen wurde und die infolge der Grenzziehung in den Zonenrandgebieten geschaffen wurden, treffen, wenn auch in einem geringeren Maßstabe, was die materiellen und finanziellen Auswirkungen anlangt, genau so für den Westen zu. Ich bin schon aus politischen Erwägungen der Meinung, daß man nicht einseitig von einer niemals zu billigenden politischen Grenzziehung im Osten reden kann, wenn man nicht geneigt ist, zuzugeben, daß nach denselben Grundsätzen, die wir nicht billigen können, wenn auch in einem kleineren Maßstabe, im Westen verfahren wurde.
Dann ist auch folgendes entscheidend. Während es sich bei den Zonenrandgebieten infolge der Größe der Grenzziehung und der unnatürlichen
Situation, die da entstanden ist, um viele Millionen D-Mark handelt, wird es sich nach meiner Kenntnis in diesem speziellen Falle um ganze 2 Millionen DM handeln.
Noch einmal: Sosehr ich einsehe, daß den ten auf bestimmten Gebieten daran gelegen ist, kein Steinehen aus dem mühsam aufgetragenen Bau herausbrechen zu lassen möchten wir darüber das echte Politikum, das in dieser Sache enthalten ist, mit gewürdigt wissen nach dem Grundsatz: Mit der Größe der Pfarre dürfen sich die Grundsätze nicht verändern.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 247*) der Abgeordneten Kemper , Schlick, Eberhard, Wagner (Ludwigshafen), Ludwig und Genossen. Wer dem Umdruck 247 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer dem § 6 mit der nunmehr beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Weitere Einzelanträge liegen nicht mehr vor. Ich komme zur Schlußabstimmung.
— Bitte, Herr Dr. Gülich!
Darf ich auch hier als Berichterstatter kurz das Wort nehmen. Es handelt sich nur um einige redaktionelle Änderungen, die jetzt notwendig geworden sind. Ich bitte in § 1 Abs. 1 hinter den Worten „Art. 107" einzufügen „Abs. 2". In § 5 Abs. 3 fallen die Buchstaben a bis h vor den Gemeindegruppen weg; die einzelnen Gemeindegruppen werden durch Kommata abgetrennt. In § 14 werden die Worte „die Länder" ersetzt durch die Worte „die zuständigen Landesbehörden".
Ich bitte, die aufgerufenen Paragraphen mit diesen rein redaktionellen Änderungen, die vom Bundesfinanzminister gewünscht werden, anzunehmen.
Sie haben die Ausführungen des Herrn Berichterstatters gehört, gegen die Widerspruch nicht erhoben wird. Die Beschlußfassung über die einzelnen Paragraphen erfolgt also unter Berücksichtigung der vorgetragenen Änderungen.
Damit kommen wir endgültig zur Schlußabstimmung über das Länderfinanzausgleichsgesetz. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir haben jetzt noch abzustimmen über die Entschließung auf Seite 9 der Drucksache 960. Der Ausschuß schlägt eine Entschließung zur Annahme vor. Wird zu der Entschließung das Wort gewünscht?
*) Siehe Anlage 6 Herr Staatssekretär, wünschen Sie das Wort zu ergreifen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entschließung ist nach meiner Ansicht durch die Annahme des Antrags Starke entbehrlich geworden.
Der Herr Berichterstatter ist einverstanden?
Es erhebt sich kein Widerspruch im Hause. Damit entfällt die Entschließung.
Wir sind also am Ende der Beratung über die Finanzreform angelangt und kommen nunmehr zur Steuerreform. Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, Drucksachen 961, 481; Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung Drucksache 991.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir alle wissen, werden noch eine Reihe von Fraktionsanträgen und interfraktionellen Anträgen gerade geschrieben, liegen also noch nicht vor. Wir könnten zum Gesetz zur Neuordnung von Steuern also höchstens so verfahren, daß wir die bereits verteilten Anträge beraten, aber jeweils auf einzelne Ziffern zurückkommen. Zweckmäßiger wäre es vielleicht, mit dem Umsatzsteuergesetz anzufangen, zu dem meines Wissens keine anderen Anträge als der bereits verteilte vorliegen; vielleicht auch mit dem Notopfergesetz, zu dem meines Wissens keine neuen Anträge gestellt werden.
Ich übrigen würde ich zur Vereinfachung des Verfahrens vorschlagen, falls Erklärungen zur Abstimmung abgegeben werden sollten, die Schlußabstimmungen der drei Gesetze zusammenzufassen.
Meine Damen und Herren, hierzu wird das Wort nicht gewünscht. Es wird also vorgeschlagen, daß wir die Punkte 16 und 17, „Notopfer Berlin" und Umsatzsteuergesetz, vorziehen. Wie Sie allerdings die Schlußabstimmung zusammenziehen wollen, weiß ich nicht, da über jedes Gesetz einzeln abgestimmt werden muß. Wenn bei den letztgenannten Gesetzen Änderungsanträge nicht vorliegen, wie ich sehe — doch, in einem Fall liegen sie vor —, wird eine Diskussion kaum stattfinden. Aber wir können ja in die Beratung des Punktes 17 eintreten. — Inzwischen ist doch ein Änderungsantrag eingegangen; die Dinge gehen eben bei der kurzen Frist mit einer solchen Schnelligkeit, daß das Bild sich dauernd ändert.
Ich rufe also nunmehr auf Punkt 17 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ;
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung .
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht.
— Die Drucksache ist verteilt; sie wird sich in Ihren Unterlagen befinden.
Ich komme zur Einzelberatung des Art. 1 mit dem Umdruck 259*), Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Willeke, der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Stahl, Dr. Keller, Dr. Schranz und Genossen. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Heiland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich in den wesentlichsten Dingen auf meine Ausführungen von gestern berufen, möchte Ihnen aber der Dringlichkeit der Sache wegen nochmals besonders ans Herz legen, die Sonderbesteuerung der kommunalen Energieversorgungsunternehmen nicht durchzuführen.
- Die besondere Umsatzbesteuerung! Ich hatte Ihnen gestern schon gesagt, daß es keine Gleichstellung ist. Wenn ich einer andern Meinung bin als Sie, habe ich doch das Recht, das hier zu sagen. Ich bin der Meinung, daß es keine Gleichstellung ist, sondern eine Sonderbelastung, die z. B. bei den Ortsgaswerken, wie ich gestern schon gesagt habe, eine fünffache Belastung gegenüber den privaten Gaswerken in sich schließt und die immer noch höher wird, je weiter die Gaswerke von der Kohle entfernt liegen, weil noch eine Zusatzbelastung des Kokses hinzukommt und der Preis nicht auf den Koks umgeschlagen werden kann. Sie wissen ebensogut wie ich, daß der Koks und die Kohlen einem politischem Preis unterliegen und daß dieser Preis noch nicht einmal, wie sonst bei der Umsatzsteuer, abgewälzt werden kann.
Ich möchte Ihnen einen Wunsch noch besonders vortragen. Der Kommunalpolitische Ausschuß, der sich in seiner Sitzung vom 6. Juli eingehend mit dieser Frage befaßt hat, hat einstimmig beschlossen, von dieser Besteuerung der kommunalen Werke abzusehen.
Zum Herrn Finanzminister gesprochen, möchte ich meine Ausführungen von gestern noch ergänzen. Herr Finanzminister, ich habe gestern nur Bundespost und Bundesbahn herausgegriffen und nur von der Gewerbesteuer gesprochen. Es handelt sich aber bei beiden auch noch um die Grundsteuer. Sie wissen, daß bei bebauten Grundstücken die Grundsteuer in kommunalen Haushalten ein erheblicher Posten ist. Bei diesen Unternehmen handelt es sich ferner nicht nur um Bundesbahn und Bundespost, sondern um Reichsautobahnen, Branntweinmonopolverwaltung, staatliche Lotterieeinnahmen, Landeszentralbanken, Staatsbanken und vielleicht noch einige andere, die zur Zeit hier nicht bis in die Einzelheiten bekannt sind.
Ich bin der Meinung, daß wir diese Sonderbelastung der Kommunen und damit der kommunalen Haushalte zugunsten des Bundeshaushalts auf keinen Fall vornehmen sollten. Ich bitte Sie, dem Antrag, der von Mitgliedern aller Fraktionen un-
*) Siehe Anlage 8. terstützt ist, zuzustimmen und damit eine Sonderbelastung von den Kommunen abzuwälzen.
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesfinanzministerium ist gern bereit, im Sinne der Anregungen des Herrn Abgeordneten Heiland die Frage der Heranziehung von öffentlichen Unternehmen — natürlich nicht nur von solchen des Bundes, sondern von allen öffentlichen Unternehmen — zu den kommunalen Abgaben zu prüfen. Wir können vielleicht einmal, auch wenn keine Regierungsvorlage vorliegt, im Ausschuß für Finanzen und Steuern eine Sondersitzung darüber abhalten. Wenn die bisherigen Verwaltungskostenzuschüsse, die Bahn und Post zahlen, nicht ausreichen, das, was den Gemeinden an Grundsteuern und an Gewerbesteuer entgeht, auszugleichen, müssen wir die Dinge neu erörtern. Ich möchte sie dann gern in ganz weitem Rahmen, also über Bahn und Post hinaus, aber auch über die Bundesunternehmen hinaus — das soll dann eben alle öffentlichen Unternehmen betreffen — zu einer Erörterung im Finanz- und Steuerausschuß bringen.
Das zweite — ich darf nur kurz wiederholen, was ich gestern sagte —: Es ist nach Ansicht auch der Mehrheit des Finanzausschusses eine grundsätzliche wirtschaftspolitische Forderung, daß öffentliche Unternehmen nicht weniger Steuern zahlen als private Unternehmen.
Was die Gaswerke betrifft, so ist hier — im Rahmen der Umsatzsteuer ist das an sich unsystematisch — ein Sondersteuersatz von 2 % geschaffen. Er gilt aber für die öffentlichen und für die privaten Gaswerke; im Rahmen der Sonderregelung ist also wieder eine Gleichstellung erreicht.
Ich muß daher bitten, aus wirtschaftspolitischen Erwägungen an den Beschlüssen der zweiten Lesung festzuhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Willeke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich der Auffassung des Herrn Staatssekretärs nicht anschließen und möchte geradezu sagen: Umgekehrt! Man sollte zunächst einmal vermeiden, hier eine neue Besteuerung für die kommunalen Gaswerke und die kommunalen Elektrizitätswerke durchzuführen. Man sollte also vermeiden, hier auf einem besonderen Sektor Härten zu schaffen, die sich wahrscheinlich in Tariferhöhungen auswirken würden, um dann später die Gegenseitigkeitsbesteuerung zu beraten. Man sollte also das, was der Herr Staatssekretär in bezug auf Verwaltungskostenzuschüsse der Post und der Bahn an die Gemeinden und überhaupt den gesamten Komplex der Gegenseitigkeitsbesteuerung der öffentlichen Gebietskörperschaften, also des Bundes, der Länder und der Gemeinden, vorschlägt, wie ich gestern schon andeutete, ruhig demnächst einmal beraten,
bis dahin aber zum mindesten doch die neue Besteuerung, die man jetzt einführen will, weglassen.
Nach meiner Auffassung stimmt es eben nicht, daß wirtschaftspolitische Gesichtspunkte — also die der Schaffung gleicher Startbedingungen für die private und die kommunale Wirtschaft — hier den Ausschlag geben. Es ist ja doch so, daß man auch, wenn man von Obst spricht, nicht ohne weiteres Äpfel gleich Birnen setzt. Bei den privaten Energieversorgungsunternehmungen wird im allgemeinen, weil sie an Wiederverkäufer absetzen, nur ein Preis von etwa 5,6 Pfennig erzielt, wogegen die kommunalen Betriebe, die gleichzeitig Verteiler- und Erzeugerbetriebe sind — darum handelt es sich nur —, durchschnittlich 12,3 Pfennig erzielen. Bei einem gleichen Umsatz von, sagen wir, 10 000 Kilowattstunden würde also die Belastung eines kommunalen Betriebs zwei- bis dreimal so stark wie bei einem privaten Betrieb in Erscheinung treten. Es werden also nicht gleiche Startbedingungen geschaffen.
Im übrigen darf ich das Hohe Haus herzlich bitten, noch auf folgendes zu achten. Gegenüber der gestrigen Debatte ist der jetzige Änderungsantrag, der Ihnen von einer großen Fraktion dieses Hauses, aber auch von einer ganzen Reihe von Abgeordneten anderer Fraktionen vorgelegt wird, insofern eine Änderung, als es sich um eine Anpassung an die Regierungsvorlage handelt. Wasser bleibt in jedem Falle steuerfrei, wie es die Regierungsvorlage will, während Gas, Elektrizität und Wärme für Bund, Länder und Gemeinden usw. steuerfrei bleiben und für die private Wirtschaft eine Besteuerung nur für die Stufe der ersten Lieferung im Inland vorgesehen wird. Ich möchte noch einmal wie gestern an das Hohe Haus appellieren, I sich der Gebietskörperschaften zu erinnern, die auf der kleinsten, aber so wichtigen Ebene stehen, von der wir alle kommen: der Gemeinden und der Gemeindeverbände.
Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, um das es sich hier handelt, hat die verschiedenen Ausschüsse ja des längeren beschäftigt. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es sich gar nicht allein um eine Gleichstellung etwa von privaten und öffentlichen Erzeugungsbetrieben handelt, sondern auch um eine Gleichstellung innerhalb der kommunalen Erzeugungsunternehmungen. Diejenigen kommunalen Erzeugungsbetriebe, die in selbständiger Rechtsform geführt werden, unterliegen ja bereits der Umsatzsteuerpflicht, und nur diejenigen, die bisher als unselbständige Regiebetriebe geführt werden, unterliegen ihr nicht. Ich glaube also, daß hier nicht etwa ein Gegensatz: privates oder öffentliches Interesse, konstruiert werden kann, sondern daß hier eine Gleichstellung im kommunalwirtschaftlichen Bereich herbeigeführt wird.
Was das Sonderproblem angeht, daß in den kommunalen Gaserzeugungsbetrieben Erzeugung und Verteilung zusammengefaßt sind und aus diesem Grunde dort Härtefälle vorkommen können, so glaube ich, daß es Angelegenheit der Kommunen ist, ihren Erzeugungs- und Verteilungsbetrieben die zweckentsprechende, dieser Steuerpflicht entsprechende Rechtsform zu geben.
Ich möchte hier aber noch etwas Grundsätzliches sagen. Wohin kämen wir, wenn wir die ungleichmäßige Belastung, die die kumulativ wirkende Umsatzsteuer im Preis des Enderzeugnisses darstellt, als Sonderbelastung bezeichnen wollten! Hier ist doch immerhin die steuerliche Gleichbehandlung das Primäre, und wenn sie durch die verschiedenen Stufen, in dienen sich die Umsatzsteuer kumuliert, im Enderzeugnis zu völlig verschiedenen Lastsätzen führt, dann ist das ein Problem der Struktur unserer Umsatzsteuer; dann müssen wir dieses Problem bei der Umsatzsteuerreform grundsätzlich anpacken. Wir sollten aber davon Abstand nehmen, es jetzt an irgendeiner einzelnen Stelle, wo diese Kumulation besonders nachteilig wirkt, etwa mit Ausnahmeregelungen und Befreiungen zu kurieren. Ich darf daher bitten, es bei den Beschlüssen der zweiten Lesung zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Herr Kollege Hellwig, ich muß Sie doch in einer Frage korrigieren; denn ich glaube, Sie sind von einem Irrtum ausgegangen. Es handelt sich hier nicht um eine kumulierende Umsatzsteuer; denn es wird auch nach dem neuen Gesetzentwurf, den die Regierung vorgeschlagen hat, nur eine Phase, nämlich die erste Phase, mit der Umsatzsteuer belegt. Sie wissen ganz genau, daß z. B. da, wo die Kohlenzechen selber Gas oder Elektrizität erzeugen, die Kohle, die sie in diese Elektrizitätserzeugung bringen, nicht mit der Umsatzsteuer belastet ist, daß aber die kommunalen Gaswerke, die möglicherweise in der hintersten Ecke Bayerns liegen, erstens die Umsatzsteuer auf Kohle, zweitens die Frachtrate zu zahlen haben, die vielleicht ein Drittel des Preises ausmacht, und drittens auf den Endpreis, der sich daraus ergibt, Umsatzsteuer für Gas zu zahlen haben. Damit kann man zu der ungeheuren Spanne der Umsatzsteuer von 0,24 auf 1,34 pro Einheit kommen. Wie Sie da noch zu einer Gleichheit gelangen, weiß ich nicht. Also hier ist zumindest in der Darstellung einiges falsch.
Aber Sie haben noch ein zweites Moment vergessen. Bisher ist es üblich gewesen, daß die einzelnen Gebiete, die Steuerhoheit haben, Bund, Länder und Gemeinden, sich gegenseitig nicht besteuern. Wenn der Bund das Nichtbesteuertwerden in den Gemeinden und in den Ländern für sich in Anspruch nimmt, dann kann er jetzt nicht den umgekehrten Weg einschlagen und einseitig die Gemeinden da, wo sie bisher den Vorteil haben, nicht besteuert zu werden, besteuern. Sie durchbrechen hier also zwei Prinzipien.
Sie kommen erstens gar nicht zur Gleichheit der Umsatzsteuer, und Sie wollen zweitens durch dieses Gesetz die Gegenseitigkeitsbesteuerung, die bisher im Steuersystem zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ausgehandelt war, jetzt einseitig zum Nachteil der Gemeinden aufheben.
Das Wort hat der Abgeordnete Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch zwei, drei Sätze zur Erwiderung sagen auf das, was Herr Dr.
Hellwig ausführte. Ich habe an sich Verständnis für seine Auffassung, muß aber auf folgendes hinweisen: Es läßt sich auch bei den anderen Beratungsgegenständen, die wir vor oder hinter uns haben, nicht immer alles auf einen völlig passenden Leisten bringen. Ich darf daran erinnern, daß die Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände in diesem Hause bei den gespaltenen Körperschaftsteuersätzen nicht zum Vortrag gekommen sind. Ich könnte auch darauf hinweisen, daß die kommunalen Betriebe auch jetzt nicht in den Genuß des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes kommen sollen. Aber wir wollen die Debatte nicht vertiefen.
Die zwei Sätze, die ich sagen wollte, sind folgende: Es haben erfreulicherweise lange Diskussionen interner Art stattgefunden, auch im Kommunalpolitischen Ausschuß. Es handelt sich bei diesem Antrag um einen einstimmig gefaßten Beschluß des Kommunalpolitischen Ausschusses, und ich darf darauf hinweisen, daß sich erfreulicherweise Abgeordnete aus allen Fraktionen dieses Hauses gefunden haben, um diesen Antrag mit zu unterstützen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann kurz gemacht werden. Es ist bezweifelt worden, daß die Umsatzsteuerbelastung, die nunmehr auf gewisse kommunale Betriebe zukäme, nicht mit der Kumulierung zusammenhängt. Das Gegenstück der Kumulierung ist ja die Steuerersparung, wenn mehrstufige Betriebe in einem Unternehmen vereinigt werden, und das ist der Nachteil, den Sie gegenüber der Gaserzeugung etwa von Zechen empfinden. Insofern ist es doch eine Seite des gleichen Problems.
Aber was den hier aufgestellten Grundsatz angeht, daß der Bund nicht besteuernd gegenüber den Gemeinden auftreten könnte oder sollte, so möchte ich hier nur die Konsequenz daraus feststellen: dann sollten sich die Gemeinden jeder wirtschaftlichen Betätigung enthalten,
soweit sie im Wettbewerb zu privaten Unternehmungen steht.
Das Wort hat der Abgeordnete Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, in dieser Angelegenheit zu sprechen und Sie aufzuhalten, muß aber nun doch noch einige ergänzende und klärende Worte sagen. Es ist dem Ausschuß nicht eingefallen, etwa irgend jemanden besonders benachteiligen zu wollen, sondern wir haben eingehend die Unterlagen der Bundesregierung, insbesondere des Bundeswirtschaftsministeriums geprüft, und wir haben gesehen, daß gerade bei den Ortsgaswerken gewisse Härten vorliegen. Aus diesem Grunde habe ich selbst den Antrag gestellt, für die Ortsgaswerke einen besonderen, niedrigeren Steuersatz einzuführen.
Im übrigen aber sind wir der Meinung gewesen, daß all diese Probleme so vielfältig und kompliziert sind, daß wir sie mit unserer Entschließung, die Sie gestern angenommen haben, decken wollten. Es ist notwendig, das Umsatzsteuergesetz im nächsten Jahre durchzusehen und zu bereinigen. Das kann aber nur im ganzen geschehen, und hier kann nicht immer nur eine Rosine aus dem Kuchen herausgepickt werden.
Ich muß Ihnen noch etwas sagen. Ihr Antrag geht insofern zu weit, als Sie ohne weiteres auch den Bund und die Länder weiter befreien wollen, nicht nur die Gemeinden, von denen hier die Rede ist. Aber, meine Herren, wollen Sie beispielsweise die Preag oder irgendeinen anderen Konzern von der Umsatzsteuer freistellen, bloß weil die Anteile daran dem Land oder dem Bund gehören? Das geht nicht.
— Sie wissen, es handelt sich hier nicht um die Politik der Gemeinden. Ich sprach soeben davon, daß nach Ihrem Antrag ja doch die Steuerfreiheit nicht nur auf die Gemeinden ausgedehnt werden soll, sondern daß Sie weit 'darüber hinausgehen. Dazu muß ich Ihnen folgendes sagen. Nach geltendem Umsatzsteuerrecht wird auch bei gemischtwirtschaftlichen Betrieben Umsatzsteuer erhoben, auch wenn sich nur 1 % des Kapitals in privater Hand befindet. Sie können sich nun in dieser Sache die verschiedensten Kombinationen denken. Sie werden mit der Steuerbefreiung 'auf jeden Fall Anlaß dazu geben, daß die Gebietskörperschaften unbillig und ungleichmäßig behandelt werden. Warum wollen Sie nicht so verfahren wie bei anderen wichtigen Fragen und sich wirklich entsprechend der Entschließung verhalten, so daß im kommenden Jahr gründliche Arbeit auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts geleistet werden kann?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag auf Umdruck 259*) Ziffer 1 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen durch Erheben. Wer für den Antrag ist, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 3 b und Ziffer 3 c. Wer begründet den Antrag?
— Ich lasse abstimmen, ohne daß dieser Antrag begründet wird. Wer für den Antrag auf Umdruck 259 Ziffer 2 ist, nach dem die Ziffern 3 b und 3 c gestrichen werden sollen, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! —
— Zur Abstimmung der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es herrschen offenbar irrtümliche Vorstellungen bei der Abstimmung. Die Ziffer 2 des Antrags auf Umdruck 259 ist nur eine redaktionelle Folge des Antrags, der eben angenommen
*) Siehe Anlage 8.
worden ist. Diese redaktionelle Folge muß also mit derselben Mehrheit gebilligt werden.
Vorausgesetzt, daß das Haus Wert darauf legt, daß ein Gesetz in sich widerspruchslos ist.
Ich lasse noch einmal abstimmen, nachdem diese Erläuterung gegeben worden ist. Wer für die Annahme der Ziffer 2 des Antrags Umdruck 259 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Es liegen keine weiteren Anträge vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
— Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion freut sich, diesem Gesetz in der Form, die es jetzt erhalten hat, zustimmen zu können. Wir können allerdings bei dieser Zustimmung nicht den Ausdruck des Bedauerns unterdrücken, daß bei der dringenden Reformbedürftigkeit der Umsatzsteuer in diesem Jahre nicht noch mehr geleistet werden konnte. Die Entschließung, die vorgeschlagen wird, ist ein recht magerer Ersatz für das, was hätte geschehen können. Wir werden trotzdem auch dieser Entschließung zustimmen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben.
— Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir haben noch abzustimmen über die Entschließung, die der Ausschuß vorschlägt, sowie über die zwei weiteren Anträge des Ausschusses. Sie finden die Entschließung und diese Anträge auf Drucksache 963 Ziffern 2, 3 und 4. Wer für die Annahme der Entschließung und dieser Anträge ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Punkt 16 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (Drucksachen 692, 482, Umdruck 203*)).
Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Dagegen ist ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD eingebracht.
— Gut.
Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache.
— Ja. — Auf die allgemeine Aussprache scheint verzichtet zu werden.
*) Siehe Anlage 9.
Ich rufe auf zur Einzelberatung §§ 1 bis 19, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung.
— Zur Abstimmung hat das Wort der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat viele Jahre hindurch versucht, das Notopfer Berlin in eine bessere Form zu bringen, als es sie heute hat. Es sind auch diesmal wieder Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Zustand erzielt worden. Aber sie reichen noch lange nicht aus, die Erhebungsweise des Notopfers Berlin wirklich annehmbar zu machen. Wir haben Ihnen gestern die grundsätzlichen Anträge zur Änderung der Erhebungsweise vorgetragen. Sie haben sie abgelehnt. Wir bedauern das. Wir sind aber wegen der Bedeutung und wegen des Zwecks des Notopfers gewillt, dem Gesetz trotzdem zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen zur Abstimmung liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" in der Fassung der Drucksache 962 ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zum Hauptstück unserer heutigen Beratungen, Punkt 15:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern ;
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung .
Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache. — Es wird darauf verzichtet.
Wir kommen zur Einzelberatung. Es liegt zunächst vor ein Änderungsantrag zu Nr. 3 des Abschnitts I, Seite 19 der Drucksache 961, auf Umdruck 264, der noch nicht verteilt ist.
— Es ist ein Antrag auf redaktionelle Änderung, der die Unterschrift der Herren Dr. Eckhardt, Haasler und Fraktion trägt. Ich lese vor:
In Nr. 3 erhält Buchstabe d folgende Fassung:
d) In Ziffer 7 sind die Worte „für Schäden an Leben, Körper, Gesundheit oder durch Freiheitsentzug" zu streichen und die folgenden Worte anzufügen:
Die Steuerpflicht von Bezügen aus einem aus Wiedergutmachungsgründen neu begründeten oder wieder begründeten Dienstverhältnis sowie von Bezügen aus einem früheren Dienstverhältnis, die aus Wiedergutmachungsgründen neu gewährt oder wieder gewährt werden, bleibt unberührt.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um nichts anderes als um eine redaktionelle Änderung. Die Worte „laufende Bezüge" sind in „Bezüge" geändert, damit auch die Steuerpflicht für Tantiemen und dergleichen nicht ausgeschlossen wird.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Nicht. Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Nächster Änderungsantrag: zu Seite 25 der Drucksache 961, Umdruck 235*), auf Einfügung einer Nr. 8 c. Der Antrag ist von den Abgeordneten Scharnberg und Genossen gestellt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darf ich kurz den Antrag, den wir im Hinblick auf den Wiederaufbau der Handelsflotte gestellt haben, begründen. Von den drei Finanzierungshilfen, die die öffentliche Hand bisher für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte, werden zwei jetzt gänzlich wegfallen, und zwar einmal die Steuerbegünstigung für Erträgnisse von Schiffspfandbriefen und zum zweiten der § 7 ,d. Für die dritte Möglichkeit, die Wiederaufbaudarlehen, sind im Haushalt 1955/56 einstweilen nur 50 Millionen DM eingesetzt.
Um einen Ersatz für diese wegfallenden Hilfen zu bieten, verweist man die deutsche Schiffahrt auf den Kapitalmarkt; zugleich werden ihr Erleichterungen bei der Inanspruchnahme dieses Marktes angeboten. Welche Prognose man auch immer der Entwicklung des Kapitalmarktes nach dem 31. Dezember 1954 stellen mag, es ist sicher, daß die durch die Steuerreform vorgenommenen Tarifsenkungen eine Wirkung auf den Kapitalmarkt erst nach geraumer Zeit auszuüben vermögen. Wenn man daher die Schiffahrt mit dem 31. Dezember 1954 von den alten Finanzierungsmöglichkeiten abschaltet und wenn die neue Finanzierungsquelle, der Kapitalmarkt, erst sehr viel später zur Verfügung stehen wird, dann besagt dies nichts anderes, als daß die Schiffsbaufinanzierung für den größeren Teil des Jahres 1955 dem Nichts gegenübersteht. Im Wiederaufbau der deutschen Schiffahrt darf aber nicht abrupt ein solcher, wenn auch nur vorübergehender Stillstand eintreten. Die Zwischenzeit bedarf der Überbrückung, und als Mittel einer solchen Überbrückung bietet sich der Antrag an, den wir gestellt haben und dessen Ziel es ist, das Aufkommen aus dem Jahre 1954 zu einem Höchstmaß auszuschöpfen.
Die Vergünstigung des jetzt auslaufenden § 7 d Abs. 2 setzt unter anderem voraus, daß die Darlehensvaluta bis zum 31. Dezember des in Frage stehenden Jahres aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden war. Zu diesem Zeitpunkt hat aber naturgemäß noch kein Geldgeber seine Bilanz für dieses Jahr fertiggestellt. Er kann daher in diesem Augenblick noch nicht genau übersehen, ob und in welchem Umfange er 7-dDarlehen geben kann.
Die von uns vorgeschlagene Übergangsregelung soll es möglich machen, die Valuta eines zu Lasten des Einkommens vom Jahre 1954 zu gebenden 7-d-Darlehens auch kurze Zeit noch nach dem
*) Siehe Anlage 11.
31. Dezember 1954 aus dem Vermögen des Geldgebers auszuscheiden, damit für eine solche kurze Übergangszeit noch alles aus dieser Quelle geschöpft wird, was an sich aus ihr geschöpft werden kann. Das läßt sich dadurch erreichen, daß in der Bilanz 1954 eine steuerfreie Rücklage in Höhe des 7-d-Darlehens gebildet wird, die bei der Hergabe des Darlehens aufzulösen ist.
Ich sage ausdrücklich, daß es sich nicht etwa um eine Verlängerung des § 7 d Abs. 2 handelt. Es verbleibt vielmehr dabei, daß diese Bestimmung zum 31. Dezember 1954 unanwendbar wird. Unser Vorschlag verstößt daher nicht gegen das Prinzip der Steuerreform, daß die Steuervergünstigungen im Interesse einer kräftigen Tarifsenkung entfallen sollen. Er verhindert lediglich eine Unterbrechung in der Kontinuität der Schiffsbaufinanzierung.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe es als ein Zeichen für die Güte unserer Arbeit in der zweiten Lesung an, daß ich es nicht nötig gehabt habe — ich will außerdem nicht den Präzeptor spielen, dazu eigne ich mich sehr wenig —, auf meine Eingangsausführungen von vorgestern über den Grundsatz der Steuerreform zurückzukommen. Da das Herr Scharnberg weiß, hat er eben am Schluß gesagt, es sei keine Durchbrechung des Grundsatzes des Aufhebens der Begünstigungen. Meine Damen und Herren, jeder Antrag, der zu § 7 d gestellt wird — und sei er von noch so vielen Hamburgern oder Bremern, die mir höchst sympathisch sind, unterschrieben —, ist ein Versuch, diesen Grundsatz der Begünstigungsaufhebung zu durchbrechen.
Deswegen bin ich mit aller Entschiedenheit gegen diesen Antrag.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 235 ist, der möge die Hand erheben. — Das ist ohne Frage die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu Ziffer 12 auf Seite 26.
Es handelt sich hier um zwei Anträge, die ich auseinanderzuhalten bitte: zunächst ein Antrag auf Umdruck 260, der soeben verteilt wurde, und zwar Ziffer 1; dann ein Antrag auf Umdruck 246, der sich auf eine aridere Stelle in Ziffer 12 bezieht.
— Zur Geschäftsordnung hat das Wort Abgeordneter Seuffert.
Darf ich den Herrn Präsidenten darauf aufmerksam machen, daß zu Ziffer 8 a noch ein Antrag auf Umdruck 244*) vorliegt.
*) Siehe Anlage 14.
Der Antrag sei zurückgezogen, wird mir gesagt.
Ihr Antrag zu Ziffer 8 a ist zurückgezogen?
Wir kehren also zu der aufgerufenen Ziffer 12 zurück. Herr Abgeordneter Seuffert, begründen Sie den Antrag Umdruck 2601) Ziffer 1? — Dann erteile ich Ihnen das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, dieser Antrag lag Ihnen bereits gestern vor. Es handelt sich darum, ob bei der Mißbrauchsbestimmung für Bausparverträge die Bundesratsfassung oder das, was von der Bundesregierung für richtig gehalten wird, Gesetz werden soll. Sie haben den Antrag gestern abgelehnt. Wir haben ihn aber heute wiederholt, nachdem eine Reihe von Kollegen, insbesondere solche, die dem Wohnungsbau nahestehen, erklärt haben, daß sie dem Antrag gerne zustimmen würden, wenn er noch einmal eingebracht würde.
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Umdruck 260 Ziffer 1 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Darf ich bitten, die Abstimmung — das Bild ist nicht sehr deutlich — durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer dafür ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenstimmen? — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun Antrag Umdruck 246**) der Abgeordneten Ruf, Eberhard, Dr. Elbrächter, Dr. Eckhardt und Genossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich zu den Kollegen zählen, die bisher bewiesen haben, daß es ihnen nicht schwerfällt, den Mund zu halten. Ich kann auch heute der Versuchung widerstehen, bei der Begründung des vorliegenden Umdrucks eine große Rede zugunsten der freien Berufe zu halten, obwohl es wirklich einmal notwendig wäre, daß wir uns über die Lage der freien Berufe in diesem Hause und nicht nur draußen in unseren Versammlungen unterhielten.
Sie können sich entsinnen, daß der Herr Bundeskanzler im Frühjahr dieses Jahres in Düsseldorf zu Angehörigen der freien Berufe gesprochen hat. Er hat seinerzeit gesagt: „Wendet euch an eure Abgeordneten!" Nun kommen die freien Berufe zu uns und fragen: Was wollt ihr für uns tun? Sie laufen uns das Haus ein und schicken uns recht viele Briefe. Sie werden wahrscheinlich alle diese Klagen auch gehört haben. Der Rat war ein guter Rat, muß ich sagen. Aber was sollen wir — ich hätte bald gesagt: wir armen Kerle — jetzt tun? Ich meine, wir haben gar keine andere Wahl, als uns jetzt bei dieser Gelegenheit anläßlich der Beratung der Steuerreform Gedanken darüber zu machen, was wir zugunsten der freien Berufe noch tun können.
*) Siehe Anlage 24 **) Siehe Anlage 15
Sie wissen, daß im Sommer dieses Jahres der Bundestag einstimmig die Regierung beauftragt hat, von der Ermächtigung in § 51 des Einkommensteuergesetzes Gebrauch zu machen und für die freien Berufe eine Unkostenpauschale zu gewähren. Diese ist nun auch für die Jahre 1953 und 1954 gewährt worden. In der Regierungsvorlage und auch in den Beschlüssen des Ausschusses ist eine Weitergewährung dieser Pauschale nicht vorgesehen.. Ich habe zwar einen entsprechenden Antrag mit einer ganzen Reihe von Unterschriften in der Tasche, ich will jedoch diesen Antrag auf eine Unkostenpauschale oder auf einen Freibetrag nicht einbringen. Denn ich glaube, wir haben gestern und heute durch unsere vielen Beschlüsse wirklich das Äußerste getan, was man verantworten kann, und man sollte einem Manne, der krank im Bette liegt, nicht den letzten Pfennig aus dem Beutel nehmen.
Der vorliegende Änderungsantrag auf Umdruck 246 zu § 10 dient der Altersversorgung der freien Berufe. Sie wissen alle, daß gerade die älteren Freiberufler durch die Währungsreform in eine ganz besondere Notlage gekommen sind und daß sie im Gegensatz zu den Arbeitnehmern und auch zu den Gewerbetreibenden, die ein Sachkapital hinter sich haben, nicht über eine ausreichende Altersversorgung verfügen. Unsere Kollegen und Kolleginnen im Rechtsausschuß und auch im Sozialpolitischen Ausschuß wissen von dem Problem der Altersversorgung der freien Berufe. Bitte, berücksichtigen Sie die besondere wirtschaftliche Situation dieser Berufe und versagen Sie diesem wirklich ganz bescheidenen Antrag nicht Ihre Zustimmung.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich gegen diesen Antrag wenden. Erstens einmal technisch: man kann ja nicht in Buchstabe b die Selbständigen erwähnen, das, was in Buchstabe b aber festgesetzt wird, dann in Buchstabe c sogleich wieder aufheben und noch erhöhen. Ich glaube also, man müßte die Regelung technisch wohl etwas anders aufziehen.
Zweitens aber zur Sache: Historisch ist es doch so, daß die ursprünglichen Beträge, die in Buchstabe a genannt sind, bei den Steuerpflichtigen, die 50 Jahre alt geworden sind, verdoppelt werden können. Das ist seinerzeit schon vom Wirtschaftsrat in Frankfurt beschlossen worden, weil die älteren Steuerpflichtigen zum Teil ihre Altersversorgung durch die Währungsreform verloren hatten, nämlich diejenigen, die kein fundiertes Einkommen haben. Das sind die Selbständigen und die Unselbständigen. Diese Regelung ist dann vom Ausschuß auch auf jene erweitert worden, die ein steuerpflichtiges Vermögen von 20 000 DM haben. Gestern ist diese Bestimmung dann noch auf solche ausgedehnt worden, die ein steuerpflichtiges Vermögen von 40 000 DM haben. Sozusagen in Erwiderung darauf wird nun für die Selbständigen eine Verdreifachung dieser Beträge verlangt. Man fragt sich doch, wie es dann mit den Unselbständigen steht,
die ja bisher, weil sie auch kein fundiertes Vermögen haben, mit den Selbständigen immer gleich behandelt worden sind.
Wenn nun Herr Ruf darauf hingewiesen hat, daß es sich hier um kranke Männer handle, so glaube ich, die Krankheit kann in diesen Fällen nicht ganz so schwer sein; denn wenn einer Beträge in der Höhe des Dreifachen der Normalbeträge für sich und seine Familie in Anspruch nehmen kann, so muß schon ein recht erhebliches Einkommen da sein, sonst hat er von der Höhe dieser Freibeträge überhaupt nichts.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir — die sozialdemokratische Fraktion — haben bewiesen, daß wir sehr gerne bereit sind, etwas für die freien Berufe zu tun. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, für sie etwas zu tun. Verschiedene dieser Möglichkeiten, von uns durch Anträge angedeutet, haben Sie gestern abgelehnt. Sie haben die Anträge zur Umsatzsteuer abgelehnt, Sie haben auch den Antrag auf einen Arbeitsfreibetrag — der ja auch hier gegolten hätte - abgelehnt. Das wären bessere Wege gewesen. Der Antrag, der jetzt vorliegt, ist nicht nur recht bescheiden, sondern er ist auch sicherlich nicht der beste Weg.
Es ist richtig, was der Herr Staatssekretär Hartmann gesagt hat. Man muß als Angehöriger eines freien Berufs schon ein recht erhebliches Einkommen haben, um diese nochmals verdoppelten Freibeträge ausnutzen zu können. Es ist mehr eine Angelegenheit für gutsituierte Angehörige der freien Berufe. Anders wäre es gewesen, wenn Sie wenigstens hier z. B. den Arbeitsfreibetrag oder die Umsatzsteuerermäßigung gebilligt hätten. Man muß — und auch da hat Herr Staatssekretär Hartmann recht gehabt — berücksichtigen, daß wir soeben erst in Buchstabe b dieses Absatzes in § 10 des Einkommensteuergesetzes eine Gleichstellung der selbständigen Gewerbetreibenden, insbesondere handwerklicher Prägung und von Kleingewerbetreibenden, mit den freien Berufen nachgeholt haben. Ich glaube nicht, daß man im gleichen Augenblick die freien Berufe in Buchstabe c in einer Form, die ihnen da, wo Not ist, wirklich nicht so viel nützt, wieder nach vorwärts distanzieren kann.
Ich weiß nicht, wie meine Fraktionskollegen im ganzen stimmen werden. Meines Wissens sind auch von Kollegen meiner Fraktion einige Unterschriften unter diesen Antrag gegeben worden. Ich persönlich muß erklären, daß, obwohl Angehöriger dieser Berufe, ich mich für diesen Antrag nicht einsetzen kann. Ich würde den Herrn Kollegen Ruf sehr bitten, den Antrag, den er erwähnt hat und den er in der Tasche hat, einzubringen, falls unser Antrag auf Arbeitsfreibetrag heute wieder abgelehnt werden sollte. Diesem Antrag werden wir lieber zustimmen, Herr Kollege Ruf.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag auf Umdruck 246 ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Das Wort zur Begründung eines weiteren Änderungsantrag hat der Abgeordnete Eberhard.
Es liegt noch kein Umdruck vor; der Antrag ist aber von der notwendigen Zahl von Abgeordneten unterzeichnet. Ich habe mich vergewissert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich übergebe Ihnen hier einen neuen Antrag; er liegt im Sinne der Ausführungen, die eben der Kollege Seuffert gemacht hat. Wir haben seinerzeit dem sogenannten NeuburgerTarif deshalb zugestimmt, weil er gegenüber dem Regierungsentwurf doch eine wesentliche Senkung für die kleineren und mittleren Einkommen brachte. Die Zustimmung des Finanzministers konnten wir seinerzeit nur erwarten, nachdem ein gewisses Äquivalent dafür gegeben wurde, und zwar in Hinsicht auf die Streichung des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes, die Teilaufhebung der Exportförderungsabgabe, die Streichung der Steuervergünstigung für die Arbeitszuschläge bei Sonntags- und Nachtarbeit und durch den Verzicht auf eine Unkostenpauschale für die freien Berufe, die ja für 1953 und 1954 besteht.
Durch die Abstimmung in der zweiten Lesung in diesem Hohen Haus wurde der gespaltene Körperschaftsteuersatz — was ich durchaus für gut halte — beibehalten, ebenso die steuerliche Vergünstigung für die Nacht- und Sonntagszuschläge, nicht aber für die Exportförderungsabgabe. Darüber hinaus hat man der kleinsten Gruppe von Steuerzahlern, nämlich den Selbständigen, die Pauschale für die Zukunft gestrichen. Man hat also bei der kleinsten Gruppe der Steuerzahler zu sparen angefangen, eingedenk der Tatsache: wenn man schon mit Sparen beginnt, dann muß man beim Streichholz anfangen.
Meine Damen und Herren, Sie alle wissen — ich brauche darüber keine weiteren Ausführungen mehr zu machen —, wie notwendig es ist, gerade dem Stand der freien Berufe, d. h. den Selbständigen in ihrer Gesamtheit, in irgendeiner Form eine steuerliche Möglichkeit zu geben, daß sie Unkosten, die durchaus beruflicher Art sind, aber nicht einwandfrei als beruflich nachgewiesen werden können und auch nicht absetzbar sind — andererseits aber auch keine reinen Privatausgaben sind —, geltend machen können. Man muß dieser Berufsgruppe in irgendeiner Form helfen, zumal Sie ja — dieses Hohe Haus — die Genehmigung zur Absetzung eines Unkostenpauschalbetrags von 5 v. H., höchstens 600 DM, bis 31. 12. 54 gegeben haben.
Ich habe Ihnen namens meiner Freunde und namens der Fraktionen der Freien Demokratischen Partei und des GB/BHE folgenden Antrag zu unterbreiten:
Dem § 18 wird folgender neuer Absatz angefügt:
Bei der Ermittlung des Einkommens werden 5 % der Einnahmen aus freier Berufstätigkeit, höchstens jedoch DM 1200 jährlich, abgesetzt, wenn die Einkünfte aus der freien Berufstätigkeit die anderen Einkünfte überwiegen.
Ich darf Sie namens der beiden Fraktionen und namens meiner Freunde bitten, diesem Antrage Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es sich empfiehlt, hierüber jetzt abzustimmen. Der Änderungsantrag Umdruck 260 Ziffer 3 geht weiter. Er ist zu Zif-
fer 24 gestellt. Ich werde die beiden Anträge dann gemeinsam zur Abstimmung stellen, je nach dem Schicksal des Antrags Umdruck 260 Ziffer 3.
— Getrennt.
Nächster Antrag ist Umdruck 260 Ziffer 2 betreffend Ziffer 13 a auf Seite 30. Diese Ziffer soll gestrichen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich trete wieder mit der Bitte vor Sie hin, diese Bestimmung, die in der ursprünglichen Regierungsvorlage nicht enthalten war und die erst im Ausschuß hineingekommen ist, aus der Vorlage zu streichen. Es handelt sich eindeutig darum, daß mit der Bestimmung die Begünstigung politischer Parteien durch finanzielle Zuwendungen steuerliche Vergünstigungen erfahren soll. Darum geht es und um nichts anderes. Kollege Wellhausen hat darauf aufmerksam gemacht, daß er sich überhaupt dagegen wehre, angesichts dieser Steuerreform Vergünstigungen gleich welcher Art zu schaffen, die es bisher nicht gegeben habe. Alle diejenigen, die ihm sonst beipflichten, müßten dann auch unserem Antrag ihre Zustimmung geben.
Ich bin etwas erstaunt darüber, meine Damen und Herren, daß Sie Ihrerseits diese Frage mit einem schamhaften Stillschweigen übergehen. Warum findet sich hier eigentlich niemand, der es wagt, die Begünstigung dieser Zuwendungen durch steuerliche Mittel zu verteidigen?
— Hoffentlich. Dann werden wir die Klingen kreuzen. Aber es wäre doch gut gewesen, wenn auch in der zweiten Lesung einige Argumente dafür zu hören gewesen wären, wenn Sie wirklich ein so gutes Gewissen in dieser Frage haben.
Meine Damen und Herren, ich habe in einer Zeitung gelesen, daß in den Koalitionsparteien — das haben wir auch bei der Abstimmung gemerkt — die verschiedensten Erwägungen zu diesem Antrag angestellt wurden. Ein Teil Ihrer Abgeordneten hat ja erfreulicherweise in der Abstimmung in zweiter Lesung mit uns gestimmt, weil sie die im Ausschuß vorgesehene Regelung für sachlich unmöglich halten. Ich begrüße diese Haltung. Aber man soll in Kreisen der Koalition auch gehört haben, daß es immerhin den Deutschen Gewerkschaftsbund gebe, der auf der anderen Seite mit seinem finanziellen Gewicht etwa der Sozialdemokratischen Partei zur Verfügung stehe. Meine Damen und Herren, verschonen Sie doch dieses ernsthafte Haus mit derartigen Erzählungen einer Märchentante. Man weiß nun nachgerade zur Genüge, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund aus seinen Kassen politische Parteien finanziell nicht unterstützt. Dafür sorgen schon diejenigen Christlichen Demokraten, die im Gewerkschaftsbund mit in verantwortlichen Stellungen sitzen.
Das sei einmal eindeutig festgestellt!
Meine Damen und Herren, gerade wenn Sie wirklich der Meinung sind, daß es nützlich ist, zu erfahren, woher die Parteien ihr Geld haben — und ich bin der Meinung, das ist nützlich —, dann sorgen Sie auch dafür, daß wir allgemein zur Offenlegung — ich wiederhole diese Forderung — der Finanzquellen aller politischen Parteien kommen!
Ahmen Sie unseren schätzenswerten Brauch nach! Sie müssen es sich sonst eben gefallen lassen, daß der einfache Mann draußen im Lande sich seine Gedanken über die Abhängigkeiten macht, in die sich politische Parteien begeben, wenn sie sich unkontrollierbarer Gelder bedienen für die Durchführung ihrer eigenen Pläne und Aufgaben.
Derartige Abhängigkeiten tun dem politischen Leben in einem demokratischen Staate nicht gut. Damit geraten Sie in die Gefahr, daß der Wähler Ihre Entscheidungen nicht mehr als Entscheidungen des verantwortlichen Gewissens des Abgeordneten ansieht, sondern von der Überlegung ausgeht, daß derjenige, der einer Partei Geld gibt, auch erwartet, daß diese Partei sich ihm erkenntlich zeigt. Das ist genau das, was jenes Bild hat entstehen lassen — bitte, es liegt an Ihnen, es aus der Welt zu schaffen — von den Kräften, die mit ihrer goldenen Hand die Parteien wie Schachfiguren hin- und herschieben.
Meine Damen und Herren, ich würde mich außerordentlich darüber freuen, wenn es hier heute einer gemeinsamen Anstrengung gelingen würde, diese Ungeheuerlichkeit aus dem Steuergesetz wieder zu entfernen. Verschanzen Sie sich bitte nicht hinter allgemeinen staatspolitischen Zwecken! Die sind doch mit dem Antrag — nicht mit unserem Antrag, sondern mit dem, der im Ausschuß angenommen wurde — gar nicht gemeint! Wem es wirklich darauf ankommt, nicht seinen privaten Sonderinteressen zu dienen, sondern wer etwas tun will für die allgemein staatspolitisch aufklärende Arbeit in der Bevölkerung, der hat auch heute schon ,die Möglichkeit, durch Zuwendungen an gemeinnützige Institute wie Volkshochschulen und dergleichen das Seine zu dieser Aufgabe beizutragen. Dazu braucht er nicht bestimmte politische Parteien einseitig in seinem Interesse zu finanzieren. Außerdem gibt es noch ein ganz einfaches Mittel, wie jemand, der glaubt, er müsse für staatspolitisch wertvolle Zwecke Geld ausgeben, dieses Geld loswerden kann. Der Finanzminister wird ihm dankbar dafür sein, wenn er seine wichtigste staatspolitische Aufgabe darin erblickt, seine Steuern pünktlich zu zahlen und sie nicht durch derartige Anträge hier zu verkürzen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie mit allem Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß die Zustimmung oder die Ablehnung unserer Fraktion zu einem Gesetzgebungswerk wie dem der Neuordnung der Steuern u. a. auch davon abhängt, wie Sie sich zu unseren Anträgen stellen. Danach werden 'wir zu entscheiden haben, wie wir uns zu dem gesamten Gesetzgebungswerk stellen, das letzten Endes dabei herausgekommen sein wird. Ich bitte Sie noch einmal eindringlich: Sorgen Sie dafür, daß nicht in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, Parteien seien käuflich. Die Demokratie muß sich freihalten von dem Geruch der Korruption!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Kollege Erler hat vollkommen recht, wenn er uns aufgefordert hat, zu dieser Frage in aller Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Ich bedaure außerordentlich, daß es mir am vergangenen Dienstag nicht möglich war, rechtzeitig in diesem Hause zu sein; sonst hätte ich dazu Stellung genommen. Denn ich darf hier bekanntgeben, daß ich mit zu den Anregern der Bestimmung gehöre, wonach Gelder, die für politische Parteien gegeben werden — ich spreche das in aller Öffentlichkeit aus —, die gleiche Vergünstigung erhalten sollen, wie man sie bei der Hergabe von Geldern für andere, kulturelle, karitative oder sonstige Zwecke gewährt.
Ich bin der Auffassung, daß die Arbeit einer politischen Partei staatspolitisch notwendig ist.
Im Grundgesetz Art. 21 Abs. 1 ist ausdrücklich verankert, daß die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken haben. Damit haben die Väter des Grundgesetzes sich eindeutig dazu bekannt, daß eine politische Willensbildung und die Organisation der politischen Meinung ohne Parteien einfach nicht denkbar sind. Mir ist in der gesamten Welt kein Staat, wenigstens kein demokratischer Staat bekannt, in dem die politische Willensbildung ohne Parteien zum Tragen kommen kann.
— Das kann ich nicht nachprüfen.
— Das steht aber hier auch nicht zur Debatte.
— Entschuldigen Sie, Herr Seuffert, was im Ausland getan wird, das steht hier nicht zur Debatte!
Ich habe mich von Anfang an ganz klar dazu bekannt, daß wir diesen Grundsatz für vertretbar und richtig halten, und ich bin dankbar, daß ich das hier in aller Öffentlichkeit aussprechen kann. Es interessiert mich aber gar nicht, wie andere Staaten dieses Problem steuerlich behandeln. Ich bin der Auffassung, daß die politische Arbeit genau so gut Anspruch darauf hat, respektiert zu werden, wie jede andere Arbeit für die Allgemeinheit.
— Meine Herren von der Opposition, gerade Sie haben doch wiederholt in wirklich vorzüglichen Ausführungen — im Verlauf des Jahres, in dem ich die Ehre habe, diesem Hause anzugehören — auf die Notwendigkeit des parlamentarisch-demokratischen Systems hingewiesen. Wie wollen Sie denn dieses System fördern, wenn Sie den Parteien und Organisationen, die zur Durchführung dieses Systems notwendig sind, nicht das Lebensrecht geben? Ich spreche eine Binsenwahrheit aus, I wenn ich sage, daß zu der politischen Arbeit nun auch einmal Geld gehört.
— Meine Herren, ich sehe durchaus nicht ein, warum Sie sich bei diesem Punkt so aufregen.
- Die Argumente habe ich Ihnen in dem Wort gesagt, daß ich politische Arbeit für staatspolitisch notwendig halte. Darin liegt begründet, daß ich sie steuerlich genau so gut behandeln darf wie jede andere für die Allgemeinheit geleistete Arbeit.
Wenn Sie sich diesen Argumenten verschließen,
weiß ich nicht, wie man dann noch argumentieren
soll. Sie haben, Herr Erler, mit vollem Recht — —
Bitte, hier wird eine Zwischenfrage gestellt.
Sind Sie nicht der Auffassung, daß das Lebensrecht einer politischen Partei unlösbar verbunden ist mit der Opferbereitschaft der Mitglieder?
Ich sehe hierin durchaus keine Diskrepanz. Selbstverständlich soll das Mitglied einer politischen Partei opfern, aber der Staat, der doch den Nutzen von der politischen Arbeit hat, kann genau so gut auf ein Steuereinkommen verzichten, das, nebenbei gesagt, ja nicht erheblich ist.
Wir wollen uns doch gar nichts weismachen: die Vorstellungen, die davon in der Öffentlichkeit verbreitet sind, treffen doch bei weitem nicht die wirklichen Verhältnisse.
— Einen Augenblick, ich möchte speziell zu diesem Punkt Stellung nehmen. Gerade weil auch im Grundgesetz Art. 21 Abs. 1 gefordert wird, daß die Parteien über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben sollen, bin ich dafür, daß wir die Finanzierung der Parteien legalisieren.
Diese Forderung steht noch unerfüllt hier, und es bedarf nach Art. 21 Abs. 3 ausdrücklich eines Bundesgesetzes; d. h. es muß nun endlich ein Parteiengesetz geschaffen werden. Deshalb sehe ich in dem Weg, den wir jetzt gehen, eine Annäherung dahin, damit wir wenigstens jetzt erst einmal zu einem praktischen Ergebnis kommen.
— Meine Herren, seien Sie vorsichtig mit solchen Ausdrücken!
Sie haben nicht die Möglichkeit, diese Behauptung zu beweisen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns gestern in erregten Auseinandersetzungen bewegt, — —
— Wenn Sie eine solche Bemerkung machen, dann unterstellen Sie Ihren Kollegen, daß sie nicht die nötige sittliche und geistige Freiheit haben, genau zu unterscheiden, was notwendig ist für das Staatswohl und was nicht notwendig ist. Ich muß einmal zu dem dummen Gerede über Interessenten, das hier gehört wird, etwas sagen. Dieses Wort „Interessenten" ist ja leider nicht nur aus Ihren Kreisen gekommen, es kommt auch aus anderen Kreisen.
— Ja, ich will Ihnen gleich meine Meinung über die Vorschläge des Herrn Bundesfinanzministers sagen. — Jedenfalls kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß wir die politische Arbeit anerkennen müssen, und ich glaube, es ist nicht richtig, immer wieder zu sagen: es sind Interessentenwünsche. Natürlich sind es Interessentenwünsche!
Darin besteht doch im wesentlichen unsere Arbeit: abzuwägen, was wir im Interesse des Gesamten für notwendig halten oder nicht. Wir leben nun einmal in einer sehr komplexen Wirtschaftswelt. Jeder ist davon betroffen, jeder möchte natürlich den größten Vorteil haben aus diesem Leben. Das ist eine durchaus verständliche Grundhaltung. Es ist gerade die Aufgabe der Demokratie, daß in aller Öffentlichkeit bekannt wird, was wir für notwendig halten und was nicht.
Und, meine Herren von der Opposition, noch ein Wort. Sie behaupten — Herr Erler hat es eben wieder getan —, daß mit der Hergabe von Geldern durch irgendwelche Gruppen usw. hier bestimmte Wünsche einheitlich durchgesetzt werden. Sehen Sie sich doch das Bild in der Koalition an, wie Sie es gestern erlebt haben! In allen wesentlichen Punkten, das habe ich immer wieder erlebt, handelt ein Abgeordneter nicht nach dem Koalitionszwang, sondern — wir haben auch heute wieder den Beweis gehabt — bei allen unterschiedlichen materiellen Problemen, die wir hier behandelt haben, hat quer durch alle Fraktionen, quer innerhalb aller Fraktionen jeder einzelne Abgeordnete so gestimmt, wie er es glaubte verantworten zu können.
Ich glaube, meine Herren von der Opposition, es ist eine Diffamierung, dem einzelnen Kollegen hier, ganz gleich, wo er sitzt, zu unterstellen, er sei von vornherein geneigt, die Interessen bestimmter Gruppen zu unterstützen. Ich unterstelle Ihnen auch nicht, daß Sie unter allen Umständen die Arbeit des DGB als für Sie bindend anerkennen. Sie haben als politische Partei eine andere Aufgabe als etwa eine Gewerkschaft, und wir als politische Parteien haben auch andere Aufgaben als Unternehmerverbände oder Handwerkerorganisationen oder sonstige Verbände.
Das ist das Entscheidende und das nehme ich für mich persönlich und für alle meine Kollegen, die mit mir gleichen Sinnes sind, in Anspruch, ganz gleich, woher das Geld kommt, ob von einzelnen ' Mitgliedern oder aber von Gruppen: daß wir deshalb unsere Entscheidungsfreiheit nicht einbüßen.
Ich kann Ihnen doch ein einfaches Beispiel aus dem Leben erzählen. Jeder von uns Abgeordneten ist gewählt worden von 50 000, 60 000 oder 70 000 Wählern, aber ich weiß es nicht, meinetwegen noch mehr Wählern. Jeder dieser Wähler kommt einmal mit irgendwelchen Wünschen auf uns zu, und wir stehen doch tagtäglich vor Dutzenden von Entscheidungen, ob wir die der einzelnen Wähler für berechtigt erkennen oder nicht. Damit erzähle ich Ihnen doch weiß Gott nichts Neues. Genau so ist es, Sie wissen es, bei der Frage, die wir eben erörtert haben: der Frage der Umsatzsteuerbegünstigung der kommunalen Unternehmen. Der eine hat ein stärker kommunalpolitisches Herz, der andere ist mehr privatwirtschaftlich ausgerichtet: Aber diese Verbände treten doch an uns alle heran, und Sie sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Abgeordneten auf die von den Verbänden an sie herangetragenen Wünsche reagieren.
Es ist also weiter nichts als Demagogie und — nehmen Sie es mir nicht übel — ein Gerede, das draußen durch die Presse sehr beliebt ist. Ich habe gestern die Zeitungen zu diesem Punkt sehr aufmerksam verfolgt. Die Presse hat Herrn Schäffer zu seinen Vorschlägen ja eine sehr gute Kritik gegeben. Ich fühle mich aus diesem Grunde veranlaßt, noch einiges über die Vorschläge des Finanzministers zu diesem Punkt zu sagen. Der Herr Finanzminister glaubt dieses Problem dadurch lösen zu können, ,daß er — also auch aus Steuergeldern — den Parteien entsprechend ihrer Mitgliederzahl einen bestimmten Betrag gibt.
— Gerade die Opposition dürfte diesem Vorschlag des Herrn Finanzministers unter keinen Umständen zustimmen; denn das würde selbstverständlich dazu führen, daß die einmal gebildeten politischen Fronten mit Hilfe der Steuergelder verhärtet würden, daß es zu einer gewissen Zementierung der politischen Fronten kommen und die Entscheidungsfreiheit des Wählers zumindest eingeschränkt werden würde. Ich muß diesen Vorschlag also grundsätzlich ablehnen. Ich glaube nicht, daß Herr Schäffer dieses Problem richtig durchdacht hat, sonst würde er nicht zu solchen Vorschlägen kommen.
— Das ist möglich. Ich verehre Herrn Stresemann außerordentlich und habe immer zu seinen politischen Anhängern gezählt. Aber in diesem Punkte, Herr Kollege Dresbach, glaube ich, ist es nicht richtig durchdacht. In diesem Punkte glaube ich doch, daß es besser ist, allen unseren Wählern, ganz gleich, ob es sich um einzelne Personen oder um Verbände handelt, freizustellen,
das Geld zu geben, wem sie wollen. — Meine Herren von der Opposition, Sie haben ja auch Geld bekommen. Woher es stammt, das zu prüfen, steht uns nicht an, solange nicht die Forderung des Grundgesetzes verwirklicht ist, daß alle Parteien öffentlich Rechnung zu legen haben. Vorher ist es meiner Meinung nach demagogisch, zu sagen: Seht
einmal, wie weiß wir sind, und ihr seid die schwarzen Schafe! So einfach sollte man sich die Sache nicht machen.
Ich persönlich glaube auch im Namen aller meiner Freunde, ganz gleich in welchen Fraktionen, zu sprechen, wenn ich sage: Der hier gezeigte Weg ist zumindest eine Lösung in dem Sinne, daß wir die Forderung nach Publizität besser erfüllen können, als das bislang tatsächlich der Fall war. Wir sollten uns nicht schämen und uns ins Mauseloch verkriechen, nur weil gewisse Herren das nicht gern sehen, sondern wir sollten uns dazu bekennen, daß zu der politischen Arbeit Geld gehört und daß die politische Arbeit zum Wohle des Staates wie zum Wohle jedes einzelnen Bürgers notwendig ist. Es ist daher keine unzumutbare Forderung, wenn der Staat auf einen gewiß sehr minimalen Betrag an Steuern verzichtet.
Ich darf zum Schluß noch eine sachliche Bemerkung machen. Glauben Sie doch bloß nicht, daß deswegen, weil wir eine solche Bestimmung einführen, jetzt etwa Millionenbeträge an Steuern weniger einkommen! Sie dürfen überzeugt sein, daß per Saldo das gleiche wie bisher aufkommen wird. Aus diesem Grunde sollten wir uns in diesem Punkt auch nicht irgendwie von finanziellen Erwägungen leiten lassen, sondern von dem echten staatspolitischen Interesse, das wir den Parteien entgegenbringen müssen und das wir in aller Öffentlichkeit vor unseren Wählern zu vertreten haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden sich nicht darüber wundern, wenn ich Ihnen sage, daß mich die Ausführungen, die ich eben gehört habe, in keiner Weise zufriedenstellen konnten.
Es gibt nämlich einen sehr großen Unterschied zwischen Zuweisungen an politische Parteien und Ausgaben für kulturelle Zwecke. Der Unterschied ist der, daß Sie sich im ersten Falle darum bemühen, unter Umständen einfach Macht zu kaufen; im zweiten Fall können Sie das nicht tun.
Die politischen Parteien haben einen unmittelbaren Anteil an der Ausübung der politischen Macht.
Das ist das Wesentliche.
Nun will ich, da gerade Herr Dr. Bucerius dazwischenruft, der ja 'bekanntlich der „Zeit" nicht ganz fernsteht, ihm etwas aus seinem eigenen Blatt vorlesen. Darin steht am Donnerstag, dem 18. November, zum Thema, ob jetzt etwas für die Aktie geschehen muß, folgendes:
Wenn man beobachten kann, 'wie aus allen Röhren gegen diejenigen geschossen wird, die es gewagt haben, wider den gespaltenen Tarif zu löcken, dann wird man das unangenehme Gefühl nicht los, daß allzu handfeste geschäftliche Interessen für einen Fortbestand der Hausse engagiert sind.
Meine Damen und Herren, ich rate Ihnen ja nur zu, damit Sie jedem in unserem Volke umgehenden Verdacht schon die Spitze abbiegen: sorgen Sie dafür, daß jeder, der für seine politische Überzeugung Opfer bringt, das aus seiner eigenen Tasche tut
und nicht auf Kosten der allgemeinen Steuermittel! Das ist das Entscheidende.
Sicher, jeder einzelne Abgeordnete steht — wem ist das schon nicht geschehen? — vor der Frage, sich bei Konflikten verschiedener Interessen entscheiden zu müssen. Aber dann soll auch gar nicht der Schatten des Verdachts aufkommen können, daß er durch Zuwendungen an seine Partei in der inneren Entscheidungsfreiheit in einem solchen Gewissenskonflikt befangen gemacht worden ist.
Das ist die große Gefahr, die da eindeutig auf uns zukommt.
Sicher, die politischen Parteien sind zur Willensbildung unentbehrlich. Ich habe — das darf ich dem vorigen Sprecher entgegenhalten — bereits in meiner ersten Rede darauf hingewiesen, daß es für sie ein sehr einfaches Mittel gibt, sich die für ihre Arbeit unentbehrlichen finanziellen Mittel zu verschaffen. Das sind die Beiträge aus der Opferwilligkeit ihrer Mitglieder.
Darauf kommt es an. Eine Partei soll so viel Einfluß haben, wie sie Resonanz in der Bevölkerung und nicht, wie sie Resonanz bei wenigen wohlhabenden Leuten findet. Das ist der Unterschied.
Ich habe einmal einiges an Schätzungen gelesen, die selbstverständlich nur sehr unverbindlich sein können. Herr Dr. Hell w i g könnte uns wahrscheinlich etwas mehr darüber sagen, in welcher Weise die ihm nahestehenden Kreise in den Bundestagswahlkampf eingegriffen haben. Vielleicht könnte er dann diese Schätzungen korrigieren. Aber es wird immerhin davon gesprochen, daß diese Bestimmung möglicherweise zu einem Steuerausfall in der Größenordnung von etwa 20 Millionen DM führt.
— Es lohnt sich durchaus, darüber zu reden. Verkleinern Sie doch bitte jetzt nachträglich nicht Ihre eigene propagandistische Tätigkeit aus dem Jahre 1953!
Aber gegen ein weiteres Argument möchte ich Sie doch hier noch ausdrücklich wappnen. Es ist behauptet worden, daß die jetzt getroffene Lösung einen Beitrag dazu leiste, daß nun endlich die Parteien gewissermaßen gezwungen würden, ihre Finanzen offenzulegen. Das ist doch gar nicht der Fall. Ich habe diese Forderung erhoben, aber mit der jetzt geschaffenen steuerrechtlichen Bestimmung wird dieses Ziel überhaupt nicht erreicht. Das hat damit nicht das geringste zu tun. Ganz im Gegenteil: derartige Zuwendungen fallen nachher auf der einen Seite genau so unter die wohltuende Verschwiegenheit der Empfänger, wie sie auf der anderen Seite unter das Steuergeheimnis der Finanz-
behörden fallen. Da wird nach wie vor keinerlei Kontrolle und keinerlei Offenlegung erzielt. Dieses Argument sticht einfach nicht.
Zum Schluß lassen Sie mich noch eine Bemerkung dazu machen, ob wir uns etwa zu der Idee bekennen, daß sich die Parteien vom Staat aushalten lassen sollen. Die Parteien sind auf dem Wege über unsere parlamentarische Tätigkeit dazu berufen, den Staat, die staatliche Apparatur zu kontrollieren. Da dürfen sie sich nicht in eine unmittelbare Abhängigkeit von dem Gegenstand begeben, den sie zu kontrollieren haben.
Das ist nicht der richtige Weg. Ich glaube, darüber bin ich mir wahrscheinlich sogar mit dem Großteil derer einig, die im übrigen meinen Ausführungen die Zustimmung nicht gegeben haben. Aber ich bitte Sie noch einmal darum: vermeiden Sie den Anschein, ,daß der Spender hoher Spenden auf Gegenleistungen rechnen könne!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Herrn Kollegen Erler bin ich insofern einig, als auch ich die Finanzierung der Parteien über den Staat ablehne.
Es ist ein sehr dankbares Thema, das wir hier behandeln. Ich will mich so kurz fassen und auch so ruhig sprechen, daß es hoffentlich auch Kollege Erler nicht mehr nötig hat, mir zu widersprechen.
Dieses Thema hat zwei Seiten. Die eine Seite ist die: „Goldene Hand" — „Parteien sind käuflich" — „Macht zu erkaufen ist der Sinn dieser Spenden" — „Lieber die Steuern pünktlich zahlen". Solch eine Erörterung liegt, glaube ich, mehr auf der Ebene der Volksversammlung.
Die andere Seite ist die: Wenn ich die Diskussion recht verstanden habe, Herr Kollege Erler, hat sich Ihre Fraktion nicht gegen die Zuwendung von Spenden gewehrt.
— Also nicht gegen ,die Zuwendung von Spenden. In diesem Punkte wären wir uns also schon einig. Auch Ihre Fraktion lehnt also ,die Zuwendung von Spenden aus bestimmten Kreisen, die Ihnen nahestehen — oder woher sie kommen, das will ich gar nicht untersuchen — nicht ab. Wenn wir uns auf dieser Ebene einig sind, dann gilt also der Satz nicht mehr, daß es nur die Beiträge des kleinen Mannes sind.
Dann unterscheiden wir uns nur noch in der einen Frage, ob für solche Zuwendungen diese steuerliche Vergünstigung gelten soll.
Und da meine ich nun, daß den Parteien im Grundgesetz eine ganz bestimmte Funktion zugeteilt worden ist.
Wenn ich es richtig im Kopf habe, heißt es da, daß sie Mitträger der politischen Willensbildung sein sollen. Ich freue mich, daß den Parteien in einer Zeit, in der sie despektierlich betrachtet wurden, im Grundgesetz, ,das von Ihnen und uns bejaht worden ist und bejaht wird, eine staatsbildende und staatserhaltende Funktion zuerteilt worden ist.
Dann haben aber, Herr Erler, nicht nur Volkshochschulen, denen Sie also nach Ihren Ausführungen die Begünstigung zubilligen wollen, das Recht, auf allgemeiner Basis politisch zu bilden, sondern dann haben auch die Parteien, weil sie Körper, und zwar Weltanschauungskörper sind, das Recht, staatspolitisch zu bilden. Warum sollen sie denn dann nicht in den Genuß der gleichen Vergünstigung kommen wie die von Ihnen zitierten Volkshochschulen. Ich bin dafür, Ihren Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ganz kurze Bemerkung! Herr Kollege Krone, so kann man es wohl nicht abtun, daß man sagt, es sei ein Problem, das man in Volksversammlungen abhandeln sollte.
Das Problem ist von ganz durchgreifender Bedeutung. Mein Freund Erler hat die gestrige „Zeit" zitiert. Ich möchte das noch ein bißchen ergänzen. Er hat zitiert:
Wenn man beobachten kann, wie aus allen Röhren
gegen diejenigen geschossen wird, die es gewagt haben, wider den gespaltenen Tarif zu löcken, dann wird man das unangenehme Gefühl nicht los, daß allzu handfeste geschäftliche Interessen für einen Fortbestand der Hausse engagiert sind.
— Nein, lieber Freund aus meiner Fraktion, hier steht nicht „aus allen Rohren geschossen", sondern „aus allen Röhren geschossen", und ich habe den Eindruck, daß das kein Zufall ist. Denn die „Zeit" des Herrn Dr. Bucerius hat ja auch einen guten Korrektor.
Vielmehr scheint es sich offensichtlich um ein beabsichtigtes Wortspiel zu handeln. Darum spreche ich hier. Wir können es uns einfach nicht leisten, daß in unseren Reihen solche Gerüchte, und zwar so handfeste Gerüchte umlaufen, Gerüchte, die aus Quellen kommen, die ernst zu nehmen sind. Man kann infolgedessen nur mit Schaudern daran denken, welche Entwicklung sich anbahnt, wenn nun noch solche Zuwendungen an Parteien auch steuerlich begünstigt werden sollen. Vielleicht sollten sich die Männer und die Mannesmänner unter uns, die von Röhren und goldenen Kugeln mehr verstehen, dazu einmal gründlich äußern.
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es empfiehlt sich aus Vereinfachungsgründen, die Abstimmung über diesen Punkt zu verbinden mit der Abstimmung über Ziffer 6 des Antrags Umdruck 260*), die dieselbe Frage bei der Körperschaftsteuer betrifft. Wir ersparen uns dadurch eine Abstimmung.
Ich beantrage namens der sozialdemokratischen Fraktion namentliche Abstimmung.
Darf ich fragen, welches ist der zweite Antrag?
— Es besteht also Klarheit, worüber abgestimmt wird: zunächst Ziffer 2 des Antrags Umdruck 260 und dann Ziffer 6. Ich denke, wir müssen mit zwei verschiedenen Karten in zwei Abstimmungen abstimmen. - Ich bin belehrt worden, das sei doch dasselbe. Dann können wir mit einer Karte abstimmen.
Meine Damen und Herren, ich bitte sich zu beeilen.
Haben alle Mitglieder dieses Hauses ihre Stimmkarte abgegeben? Ist noch ein Mitglied des Hauses da, das seine Stimmkarte abgeben will?
— Dann bitte ich, nach vorne zu kommen.
Haben alle Mitglieder des Hauses, soweit sie sich an der Abstimmung beteiligen wollen, ihre Stimmkarten abgegeben? — Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich schlage vor, daß wir während der Dauer der Auszählung in der Beratung fortfahren, und zwar mit Umdruck 255, der die Ziffer 15 auf Seite 31 betrifft. Es handelt sich um den Änderungsantrag der Abgeordneten Gibbert, Dr. Orth und Genossen; er betrifft den Weinbau.
Herr Abgeordneter Gibbert!
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe für den Redner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen den Antrag auf Umdruck 255 erneut vorzulegen. Es ist nach Wortlaut und Inhalt derselbe, den ich für meine Freunde zur zweiten Lesung vorgelegt habe. Der Antrag ist gestern abend im Ausschuß für Finanzen und Steuern behandelt worden, ohne daß der Ausschuß dazu einen Beschluß gefaßt hätte. Der Ausschuß hat sich zu einer Beschlußfassung für inkompetent erklärt.
Zur Begründung des nun wieder vorgelegten Antrages darf ich auf meine Ausführungen bei der zweiten Lesung verweisen, damit ich mich nicht wiederholen muß. Erlauben Sie mir, nur folgendes hinzuzufügen.
*) Siehe Anlage 24,
Erstens. Die Annahme dieses Antrages wird sich auf den Bundeshaushalt nicht oder kaum spürbar auswirken. Das ist auch die Meinung des Bundesfinanzministeriums. Der deutsche Weinbau selbst hat das allergrößte Interesse, daß die in diesem Antrag geforderten Bestimmungen nicht wirksam zu werden brauchen. Er wird selber alles tun, um Verluste in seinen Betrieben zu vermeiden. Aber Sie wissen, es gibt eine höhere Gewalt. Wenn diese höhere Gewalt sich auswirkt, dann wird niemals der gesamte deutsche Weinbau betroffen. Es werden immer nur einzelne Teile betroffen. Weiterhin fallen dann nur die Verluste der nichtbuchführenden Winzer, also nur eines Teiles, und zwar des schwächsten Teiles des deutschen Weinbaus, unter die Auswirkung dieser Bestimmungen.
Zweitens. Es sind vom Finanzministerium formale Bedenken gegen den Antrag vorgetragen worden. Es sei nicht möglich, einen Verlustabzug da zuzugestehen, wo keine Buchführung vorhanden sei. Die Gewinnermittlungen geschähen nach Schätzungen. Dagegen ist festzustellen, daß die Gewinnermittlung genau vorgeschrieben ist und sehr exakt durchgeführt wird. Sie geschieht, wie schon dargestellt, durch einen beschränkten Vermögensvergleich, zu dem exakte Unterlagen und Verkaufsaufzeichnungen beigebracht werden müssen. Sie unterscheidet sich von der Gewinnermittlung durch exakte Buchführung in der Methode nur in geringem Maße und im Ergebnis überhaupt nicht. Die Besteuerung ist also eine wesentlich andere als bei den gewerblichen und insbesondere auch bei den landwirtschaftlichen nichtbuchführenden Betrieben. Während diese nach der VLO behandelt werden, bestimmt deren § 8 Abs. 3 ausdrücklich, daß die Bestimmungen dieser Verordnung nicht anzuwenden sind von Betrieben, die bei der Einheitsbewertung als Weinbaubetriebe zu behandeln sind; der Gewinn ist nach Anweisung der obersten Finanzbehörden zu ermitteln. Wenn aber für den Weinbau bei dem Ermittlungsmodus eine Sonderbehandlung gewählt wurde — und sie ist anerkanntermaßen notwendig —, dann muß es aber nicht nur möglich sein, sondern es ist sogar notwendig, auch eine Sonderbehandlung der hier eintretenden Verluste einzuführen. Es ist unmöglich, daß sich andere Berufsstände darauf berufen können, einmal, weil diese steuerliche Sonderbehandlung allein auf den Weinbau abgestellt ist, zum andern, weil dieselben Wirtschaftsvoraussetzungen, also die übergroßen Ertragsschwankungen und der große Investitionsbedarf, sonst nirgendwo vorliegen, weder bei den landwirtschaftlichen noch den gewerblichen Kleinbetrieben.
Dritter Gedanke: Wie berechtigt und notwendig dieser Antrag ist, hat sich in der gestrigen Ausschußsitzung ergeben. Ganz abgesehen davon, daß von den Ministerialbeamten die Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftssituation des deutschen Weinbaus erschütternd falsch beurteilt wurden, hat sich gezeigt, daß die Finanzbehörden in den Weinbau treibenden Ländern den Mangel, den dieser Antrag beseitigen will, erkannt und im Rahmen der bisher geltenden steuergesetzlichen Bestimmungen zu beseitigen versucht haben. So hat z. B. das Oberfinanzpräsidium in Koblenz seine Finanzämter angewiesen, in Katastrophenjahren die Bewertung des geringen Erntegutes in Höhe der gesamten Produktionskosten zuzulassen, um so bei der Errechnung eines Einkommens für das dem Katastrophenjahr folgende Steuerjahr zu einer Berücksichtigung
der Verluste zu kommen. Diese Anweisung, die also von den Finanzbehörden selbst als notwendig empfunden und erst kürzlich erlassen worden ist, ist sicherlich gut gemeint; aber sie genügt nicht zur Erreichung des gesteckten Zieles. Sie genügt z. B. nicht in den sehr vielen Fällen, in denen der Ernteertrag sofort nach der Ernte verkauft und nicht in das neue Steuerjahr übernommen wird; sie genügt insbesondere auch deshalb nicht, weil sie für den steuerlich und buchführungsmäßig nicht vorgebildeten Winzer in der Wirkung nicht erkennbar und zu kompliziert ist.
Aus allen diesen und den gestern vorgetragenen Gründen habe ich Sie, meine Damen und Herren, zu bitten, diesem Antrag zuzustimmen und über alle formalistischen Bedenken hinweg der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch im Weinbau zum Durchbruch zu verhelfen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich nicht um formalistische Bedenken, sondern um grundlegende Vorschriften der Buchführung und des materiellen Steuerrechts. Der Verlustabzug, um den es hier geht, wird nicht einmal Handwerkern und Kleingewerbetreibenden gewährt, die eine richtige Einnahmen- und Ausgabenaufzeichnung haben. Wenn der Antrag angenommen würde, hätte er also ganz weitreichende Konsequenzen.
Ich verstehe nicht ganz, wie der Herr Abgeordnete Gibbert das in Abrede stellen kann. Die Steuerpflichtigen, für die er sich einsetzt, haben nicht einmal eine einfache Buchführung. Es ist gestern abend im Finanzausschuß festgestellt worden, daß sie die Einnahmen nicht mal nach Preisen aufzeichnen, jedenfalls nicht vollständig, sondern nur nach Mengen. Wenn er hier die Verwaltungsregelung der Oberfinanzdirektion Koblenz erwähnt hat, ist dazu zu sagen, sie ist absolut in Ordnung. Wenn die zuständige Oberfinanzdirektion im Verwaltungswege den besonderen Verhältnissen des Weinbaus Rechnung trägt, wird das auch von uns gedeckt. Aber hier im Gesetzeswege eine Bestimmung zu bringen, daß jemand, der nicht einmal eine einfache Buchführung hat, seine Verluste soll abziehen können, das halten wir wirklich für ausgeschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der grundsätzlichen Bedenken, die der Herr Staatssekretär — wahrscheinlich erneut — geltend gemacht hat, darf ich auf einen für meine Begriffe vorhandenen Widerspruch insofern hinweisen, als er der Meinung Ausdruck gibt, daß dort, wo nicht einmal das Einfachste an Buchführung vorhanden sei, von einer Verlustermittlung nicht gesprochen werden könne. Die Leute führen zwar nicht Buch im Sinne der steuerlichen Vorschriften, aber das bringt ihnen ja nicht die Entlastung, daß sie keine Steuern zu zahlen hätten. Obwohl sie keine Bücher führen, werden sie entsprechend veranlagt. Wenn man also seitens des Finanzamts — und das Finanzamt versteht es sicherlich hervorragend — in der Lage ist, einen
Gewinn ermitteln zu können, wird man von der gleichen Stelle aus auch in der Lage sein, feststellen zu können, ob und in welchem Umfange Verluste eingetreten sind, — wobei dann für den nicht Buchführenden ein Nachteil eintritt: er muß es sich gefallen lassen, daß diese Verluste von der gleichen Stelle ermittelt und festgesetzt werden,
die für die Gewinnermittlung und damit für die Festlegung der Steuerbasis in Frage kommt. Das ist eben das Finanzamt.
Noch in einer weiteren Beziehung, Herr Staatssekretär, darf ich die Ausführungen des Kollegen Gibbert unterstützen. Wenn es einen Berufsstand gibt, dessen Gewinn, ja dessen Bruttoumsatz sich verhältnismäßig leicht ermitteln läßt, dann ist es der Weinbau, weil jeder, der damit auch nur im entferntesten zu tun hat, weiß, daß die Anzahl der Weinstöcke und das Gebiet, in dem sie sich befinden, fast ausreichen, um zumindest nach der Ernte festzustellen, welche Menge erzielt wurde, wie andererseits für ein ganzes Gebiet die Preise mehr oder weniger festliegen.
Berücksichtigen Sie doch über das formal Notwendige hinaus die Situation, in der sich die Menschen befinden. Warum werden denn dort keine Bücher geführt, warum gibt es dort die Buchführung nicht, wie sie vom Gesichtspunkt einer Behörde aus sicherlich immer als erstrebenswert angesehen werden muß? Doch weniger mit dem Ziel, dem Finanzamt nicht das zu geben, was ihm gebührt, sondern vielmehr einfach aus einer gewissen Scheu, die gegenüber allem besteht, was gewissermaßen als Rudiment noch vorhanden ist. Leute, die im praktischen Leben durchaus ihren Mann zu stehen vermögen, werden einfach perplex, wenn sie vor die Notwendigkeit gestellt werden, etwas zu Papier zu bringen, — was schon einmal zu dem hübschen Bonmot geführt hat, zu sagen: „Kinder, geht raus, euer Vater schreibt seinen Namen!"
Ich will damit sagen, die Leute haben eine unnötige Angst und eine unnötige Scheu, etwas zu Papier zu bringen. Es ist nicht immer die Absicht, das Finanzamt zu betrügen. Im Gegenteil, es hat sich herausgestellt — nicht nur bei Klein- und Mittelbetrieben, sondern auch bei Großbetrieben—, daß man, wenn man eine ordentliche Buchführung hat und dazu im Verkehr mit dem Finanzamt noch Leute in Anspruch nehmen kann, die etwas von den Dingen verstehen, gegenüber den Behörden viel besser abschneidet als diejenigen, die auf die Schätzung des Finanzamts angewiesen sind.
Aus diesen Gründen und mit Rücksicht darauf, daß es nicht genügt, dem Wein nur seine Hochachtung zu zollen, Wenn man genießerisch vor einem gefüllten Glase sitzt, daß man vielmehr auch an die schwierigen Produktionsbedingungen dieser Leute denken muß, bitte ich, diesen relativ bescheidenen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Parteifreund Jacobs hat für seine Person und nicht für die sozialdemokratische Fraktion gesprochen.
Es muß gesagt werden, daß eine solche Sonderregelung eine schwere Ungerechtigkeit gegenüber den nicht buchführenden Gewerbetreibenden, den Handwerkern und den sonstigen nicht buchführenden Berufen herbeiführen würde.
Der Sachverhalt ist aus den Ausführungen, die gemacht worden sind, glaube ich, hinreichend klargeworden, so daß wir es jedem Mitglied des Hauses überlassen können, wie es hier stimmen will.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 255*) ist, der möge ein Handzeichen geben. —Das Haus ist so locker besetzt, daß es sehr schwer ist, die Mehrheit festzustellen. Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit — die Mehrheit der Anwesenden, möchte ich sagen —; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich gebe jetzt das vorläufige**) Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. An der namentlichen Abstimmung über den Antrag zu Ziffer 13 a haben sich 424 Mitglieder ides Hauses beteiligt. Mit Ja haben 180 gestimmt, mit Nein 225, 19 haben sich der Stimme enthalten. Von den Berliner Abgeordneten — es waren 13 — haben 8 mit Ja gestimmt, 4 mit Nein, einer hat sich der Stimme enthalten. Der Antrag Umdruck 260 Ziffer 2 ist damit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 17 a, auf Seite 32 der Drucksache. Hierzu liegt der Antrag Umdruck 253 vor.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung. Es liegt mir fern, irgend jemandes Redeeifer eindämmen zu wollen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es 13 Uhr 30 ist und daß Sie sich vorgenommen hatten, um 14 Uhr aufzuhören.
Wir stehen vor der Wahl, entweder die Verhandlungen so zu führen, daß wir um 14 Uhr fertig werden, oder über 14 Uhr hinaus zu tagen; denn ich glaube kaum, daß irgend jemand daran denken könnte, die Beratung dieses Gesetzes ergebnislos abzubrechen.
Umdruck 253***). Wird der Antrag begründet? Das Thema ist ja ausgiebig diskutiert worden. — Herr Kollege Schmücker?
Es ist gestern beschlossen worden, den in Frage stehenden Betrag nicht zu begrenzen. Wir schlagen vor, doch eine Grenze von 600 DM einzuführen.
Keine Wortmeldungen? — Dann lasse ich abstimmen.
— Bitte! — Das Wort hat der Abgeordnete Schild.
Ich bitte namens meiner politischen Freunde, diesen Antrag abzulehnen und es bei dem Beschluß der zweiten Lesung zu belassen.
*) Siehe Anlage 20.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2903. ***) Siehe Anlage 18.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit — ich wiederhole — der anwesenden Mitglieder des Hauses.
— Das ist durchaus richtig; die Geschäftsordnung sieht vor, daß nach den anwesenden Mitgliedern des Hauses gezählt wird.
Der nächste Antrag betrifft Ziffer 19 — Seite 34 der Drucksache —; es ist der Antrag Umdruck 257*) Ziffer 1, Dr. Wellhausen, Dr. Dehler und Fraktion. Wird der Antrag begründet?
— Ich meine nicht die Entschließung, sondern den Änderungsantrag Umdruck 257.
— Ja, er ist offenbar jetzt von allen Fraktionen unterzeichnet. Das war auf dem Exemplar, das ich habe, nicht zu sehen. Dann können wir sicher auf Begründung verzichten und gleich abstimmen. — Wollen Sie dazu sprechen, Herr Kollege Schmücker?
Nur zwei Sätze! Die Fassung der zweiten Lesung sah vor, daß nur dann eine getrennte Veranlagung vorgenommen werden soll, wenn selbständige Arbeit vorliegt. Es wäre demnach so gewesen, daß bei einem Angestellten, dessen Frau Ärztin ist, eine getrennte Veranlagung möglich gewesen wäre. Wäre die Frau aber eine Schneiderin, wäre eine getrennte Veranlagung nicht möglich gewesen. Das hat niemand von uns gewollt. Deshalb ist dieser Änderungsantrag interfraktionell gestellt worden. Ich bitte, ihm zuzustimmen.
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Druck ist ein Antrag einer Reihe von Fraktionen, der über den Umdruck 257 hinausgeht. Ich beantrage daher, die Abstimmung so lange auszusetzen, bis dieser neue Umdruck vorliegt.
Wenn dieser Antrag gestellt ist und genügend unterstützt ist, dann kann ich nicht anders, als ihm stattzugeben.
Ziffer 2 des Antrags auf Umdruck 257 betrifft Ziffer 22 a.
— Herr Dr. Wellhausen?
Ich bitte um Entschuldigung, ich bin bei der Fülle der Umdrucke einem Irrtum zum Opfer gefallen. Dies ist bereits der Antrag, auf den wir uns verständigt haben.
*) Siehe Anlage 22.
Frau Dr. Ilk hat auch das Recht, noch einen Antrag zu stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, unser Antrag ist noch im Druck. Leider ist auch das Original mit den Unterschriften bei der Antragstelle, so daß ich nicht einmal in der Lage bin, an Hand des Umdruckes den Standpunkt meiner Freunde jetzt noch schnell im Gegensatz zu dem vorliegenden Umdruck 257 zu erklären. Es fragt sich nun, ob Sie mir glauben, daß wir 15 Unterschriften haben und ob ich den Antrag ohne Umdruck schnell begründen kann.
Ich stelle fest, daß das Haus Ihnen glaubt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können uns leider auch mit dem Umdruck 257 nicht einverstanden erklären. Abgesehen davon, daß die Formulierung nicht so sehr glücklich ist und unserer Ansicht nach im ganzen nicht ausreicht, ist hier z. B. besonders für die mittelständischen Betriebe wirklich sehr wenig getan worden. Die Formulierung, die Sie z. B. unter 1 b bringen:
Durch Rechtsverordnung wird bestimmt, in welchen .Fällen Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Tätigkeit der Ehefrau den Einkünften aus selbständiger Arbeit gleichgestellt werden,
können meine Freunde und ich gar nicht gutheißen. Wir können es nicht der Bürokratie überlassen, ob sie zur gegebenen Zeit einen Gewerbebetrieb darunter einreihen will oder nicht, daß sie bestimmt, wie groß der Betrieb sein muß, ob es ein Ein-MannBetrieb oder ein Eine-Frau-Betrieb sein muß, ob er auch einen Lehrling halten darf oder Ähnliches. Wir halten es nach wie vor für unrichtig — Sie kennen unseren Antrag Umdruck 218 und seine Begründung von der gestrigen Lesung —, daß man die Einkünfte aus Gewerbebetrieb insgesamt herausläßt. Im übrigen halten wir unseren gestern begründeten Antrag nach wie vor in allen Punkten auf recht; vor allem auch, weil in dem neuen Antrag aller Fraktionen der im Betriebe ,des Mannes mitarbeitenden Ehefrau in keiner Weise genügend Rechnung getragen ist.
Es ist ihr nicht nur nicht genügend, sondern überhaupt nicht Rechnung getragen.
Ich glaube, daß wir auf unsere Forderung doch noch einmal mit allem Nachdruck hinweisen und eine Lösung in unserem Sinne finden sollten.
Meine Damen und Herren, es ist nicht mehr als billig und es ist auch geschäftsordnungsmäßig, mit den Abstimmungen zu warten, bis dieser Antrag da ist. Da er der weitergehende Antrag ist, können wir über Umdruck 257 Ziffer 1 nicht abstimmen. Ich werde darauf zurückkommen. Jedoch wird es nicht möglich sein, die Abstimmung nachher etwa noch auszusetzen, wenn wir bei der letzten Bestimmung sind, wenn wir zur Schlußabstimmung gehen und dann über die Ziffer 19 a mit den vorliegenden Anträgen abstimmen. Es gibt auch eine Verpflichtung, mit der Zeit ökonomisch zu sein.
Bitte, Herr Schmücker!
Es wäre vielleicht doch richtiger gewesen, man hätte sogleich ein paar Worte mehr gesagt; denn es müssen hier einige Irrtümer ausgeräumt werden. Daß das Problem der mittätigen Ehefrau noch nicht gelöst ist, müssen wir zugeben. Wir haben deswegen die Entschließung eingebracht. Wir glauben aber, daß im Augenblick eine befriedigende Lösung noch nicht gefunden werden kann. Wir möchten zunächst die Bestimmung, die gestern beschlossen worden ist, wenigstens auf den Kreis erweitern, den ich vorhin geschildert habe. Außerdem darf ich noch darauf hinweisen, daß wir in etwa doch den Wünschen nach der Sonderberücksichtigung der mitarbeitenden Ehefrau schon entgegengekommen sind. Die Wünsche nach einem besonderen Freibetrag für die Arbeitnehmer und für die mitarbeitende Ehefrau heben sich irgendwie gegenseitig auf; darum haben wir diese Gelder, die frei wurden, in den Tarif gesteckt. Ich weiß, daß das Problem damit nicht gelöst ist. Wir hoffen, daß das sehr schnell gelingt. Aber, Frau Dr. Ilk, wenn wir heute eine allgemeinere Formulierung genommen hätten, wäre es sehr leicht möglich gewesen, wie wir uns vom Finanzministerium haben überzeugen lassen, die Bestimmungen zu umgehen. Da der Wunsch konkret bekanntgegeben ist und von allen Parteien mit dem Finanzministerium abgesprochen ist, können wir diesmal das Vertrauen haben, daß die Rechtsverordnung den Kreis trifft, den wir erfassen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
— Er verzichtet.
Bitte, Herr Abgeordneter Bucher!
Ich darf zu den Ausführungen meiner Kollegin Frau Dr. Ilk noch ergänzen — was sie aus Versehen weggelassen hat —, daß wir unseren Antrag für die mitarbeitende Ehefrau mit einer Einschränkung versehen haben. Der Freibetrag soll nur dann gewährt werden, wenn ,die Einkünfte beider Ehegatten zusammen, d. h. in diesem Falle die Einkünfte des Ehemannes aus Gewerbebetrieb, 12 000 DM im Jahr nicht überschreiten. Wir wollen damit erreichen, daß gerade der Masse der kleineren mittelständischen Betriebe diese Vergünstigung zugute kommt und daß sie nicht uferlos ausgeweitet wird.
— Ja, Herr Kollege Krammig, ich finde, auch diese Fassung ides interfraktionellen Antrags - entschuldigen Sie, wenn ich das sage, obwohl es ein interfraktioneller Antrag ist — ist nicht sehr übersichtlich, und ich fürchte, daß diese Fassung zu sehr vielen Mißverständnissen Anlaß gibt. Übersichtlicher ist es freilich nicht; aber wir machen hier ja dauernd Dinge — ich erinnere nur an den § 34 a —, die nichts mehr mit einer Steuervereinfachung zu tun haben.
Dieses Programm mußten wir längst abschreiben. Ich möchte nur betonen, daß wir hiermit einen Antrag einreichen wollten, der es ohne die Notwendigkeit einer großen Nachprüfung durch das Finanzamt ermöglicht, daß ein solcher Freibetrag für die mitarbeitende Ehefrau gewährt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Held.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der geänderte Antrag Umdruck 218 aus der gestrigen Sitzung wird heute von der gesamten Fraktion der FDP unterstützt. Deshalb sollten wir, glaube ich, noch einmal über ihn sprechen. Ich habe mir gestern einige Ausführungen gemerkt und möchte zu ihnen Stellung nehmen.
Der Herr Abgeordnete Krammig hat gestern gesagt: Wer die Hebung des Lebensstandards will, der muß der getrennten Besteuerung der Ehegatten zustimmen. Es geht um die im Betrieb mithelfende Ehefrau, und zwar möchte ich aus sozialer Einsicht heraus von den Kleinstbetrieben sprechen. Ich denke an die Anfänger, die sich bemühen, eine eigene Existenz zu gründen, die nicht wissen, wie sie weiterkommen sollen. Gerade diesen Anfängern muß eine Möglichkeit gegeben werden. Da wird ja die Frau nicht gefragt, ob sie will; sie muß mithelfen, wenn die Existenz sichergestellt sein soll, und zwar nicht allein für den Betrieb, sondern auch für die Familie selbst.
Herr Kollege Eckhardt und auch andere haben erklärt, für viele Anträge, die gestern angenommen worden sind, sei der Gesichtspunkt der Gleichheit des Rechts ausschlaggebend gewesen. Ich erinnere da nur an die Absetzungen für Unterhaltungskosten von Motorfahrzeugen durch die Arbeitnehmer. Ich erinnere an die getrennte Veranlagung der Eheleute, die nicht in einem gemeinsamen Betrieb arbeiten. Bei all diesen Anträgen ist eine Gleichheit des Rechts angestrebt worden. Ich weiß wohl, daß ein Entschließungsantrag aller Fraktionen vorliegt, mit dem das Finanzministerium aufgefordert werden soll, bis zum 31. März nächsten Jahres einen Vorschlag darüber zu machen, wie diesen Wünschen Rechnung getragen werden soll.
Die Abgeordnete Frau Gräfin Finckenstein hat vorgeschlagen - wir alle haben es gehört —, eine allgemeine Hausfrauenbesteuerung einzuführen, von der alle Hausfrauen erfaßt werden. Es besteht aber ein Unterschied zwischen Hausfrauen schlechthin und Hausfrauen, die zugleich mithelfend in den kleinsten Betrieben unserer berufsständischen Wirtschaft tätig sind, die also neben ihrer Arbeit im Hause und für die Kinder praktisch auch noch den ganzen Tag im Geschäft stehen.
Ich möchte hier nur erreichen, daß von einem sozialen Gesichtspunkt aus diesen Menschen, die es schwer haben, sich eine richtige Existenz aufzubauen, Hilfe gewährt wird, und möchte mich nicht auf den 31. März nächsten Jahres vertrösten lassen. Die Parteien, wahrscheinlich alle, haben in Versammlungen und bei anderen Gelegenheiten erklärt, sie würden dafür sorgen, daß den ärmsten Kreisen des Mittelstandes geholfen wird. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie dieses Versprechen wenigstens bis zu einem gewissen Grade einlösen können.
Mit unserem Antrag Umdruck 218 schlagen wir vor, für den mithelfenden Ehegatten 20% der Einkünfte — mit dem Höchstbetrag von 2000 DM — abzusetzen, die von dem mithelfenden Ehegatten zu versteuern sind. Dabei soll nach dem Antrag der Fraktion eine Beschränkung auf Einkommen bis zu 12 000 DM gelten. Ich möchte den Vorschlag machen, diese Begrenzung von 12 000 DM auf 20 000 DM zu erweitern.
— Gut, damit wäre ich auch einverstanden, sehr verehrter Herr Krammig! Wir sind dabei von dem sozialen Gesichtspunkt ausgegangen.
Weil diese Begrenzungen schon eingeführt sind, glaube ich, Herr Staatssekretär, daß es auch für das Finanzministerium keine besonderen Schwierigkeiten macht, sich mit diesem Antrag einverstanden zu erklären.
Ich bitte Sie also, diesem Antrage zuzustimmen im Interesse des Gesamtmittelstandes und vor allem im Interesse der Ärmsten des Mittelstandes, die Anfänger sind, die sich selbständig machen wollen und bei denen die Frau gezwungen ist, mitzuarbeiten, ohne daß das etwa von ihrem Willen abhängig wäre, die vielmehr mitarbeitet, weil sie einfach mitarbeiten muß.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, bitte ich Sie, auf Umdruck 257 eine kleine Korrektur anzubringen. In der zweiten Zeile ist das zweitletzte Wort „aus" zu streichen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wollte mich nicht zum Wort melden, aber ich muß die letzte Frage des Herrn Vorredners beantworten. Das Finanzministerium kann sich nicht dafür einsetzen. Wenn schon eine weitergehende Regelung als sie in dem Ausschußbericht vorgeschlagen ist, angenommen wird, dann wäre es doch wohl die des Antrags 257, dem sich, wie ich sehe, die Fraktionen überwiegend angeschlossen haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
— Eine Frage, bitte!
Herr Staatssekretär, Sie haben eben erklärt, daß Sie diesem weitergehenden Antrag nicht stattgeben können. Wenn Sie der interfraktionellen Vereinbarung Ihre Zustimmung gegeben haben, also damit einverstanden sind, diese Frage bis zum 31. März nächsten Jahres zu regeln, dann frage ich Sie, wie dann diese Regelung aussehen wird. Doch bestimmt nicht schlechter, als in diesem Antrag bereits zum Ausdruck gebracht ist!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe überhaupt keine Zustimmung zu irgendeiner Regelung gegeben — dazu bin ich gar nicht ermächtigt —, sondern ich habe nur gesagt: Wenn schon über die Regierungsvorlage hinausgegangen wird, dann wäre das, was auf Umdruck 257 steht, wohl das Äußerste. Das ist aber keine Zustimmung.
Das Wort hat nunmehr Frau Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben gestern in aller Ausführlichkeit die Frage der Haushaltsbesteuerung behandelt und haben — das müssen wir einmal feststellen S— mit unserer ziemlich einstimmigen Annahme des gestrigen Antrags einen wirklichen Fortschritt erzielt. Darüber hinaus hat sich am gestrigen Abend der Finanz- und Steuerausschuß ausführlich mit dem ganzen Fragenkomplex beschäftigt. Wir haben uns zu dem Standpunkt bekannt, daß vor allem die Fälle geregelt werden müssen, die aus Einkommen aus eigener Arbeit und Leistung entstehen. Wir wissen aber, daß das, was darüber hinausgeht, zu sehr großen Grenzstreitigkeiten führt und auch über das hinausgeht, was wir eigentlich wollen.
Ich würde Ihnen allen wirklich empfohlen haben, sich gestern abend bis in die Nacht in den Ausschuß zu setzen, um feststellen zu können, daß ein Standpunkt erarbeitet wurde, mit dem es möglich sein wird, das Ziel, das wir uns gesetzt haben, wirklich zu erreichen. Zu diesem Zweck vor allem ist noch einmal der Umdruck 237 *) idem Parlament vorgelegt worden, der vorsieht, daß dem Parlament bis zum 31. März 1955 Vorschläge zur Regelung der noch strittigen Grenzfälle zu unterbreiten sind. Ich glaube, wenn wir keine Verzögerung verursachen wollen, dann sollten wir uns jetzt mit diesem Antrag zufrieden geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wellhausen als Ausschußvorsitzender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit keine weiteren Mißverständnisse auftreten, die ja bei einer dritten Lesung nicht mehr in diesem Kreise bereinigt werden können, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie in Umdruck 257 den Antrag der Fraktion der FDP vor sich haben. Was noch kommt, ist kein Antrag der Fraktion.
Das, Herr Abgeordneter Wellhausen, entbindet mich nicht von der Verpflichtung, auch über den Antrag Ilk abstimmen zu lassen.
Wir haben zwar Parteibetrieb, aber noch keinen Parteienbetrieb bei den Abstimmungen dieses Hauses. Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir so weitermachen, sitzen wir heute abend um 10 Uhr noch hier.
— Ja, ich mache es sehr kurz.
Es wäre wirklich schön, wenn wir alles hätten erreichen können. Ich spreche jetzt als Mittelständler. Mein Kollege Held hat eben die mittel-
*) Siehe Anlage 12, ständischen Wünsche vorgetragen. Aber es hat keinen Zweck, daß wir nur das Negative sehen. Selbstverständlich bleiben viele Wünsche des Mittelstandes unerfüllt.
Sie müssen eben später nachgeholt werden. Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen: wir haben alles getan, um den mittelständischen Tarif zu senken;
und das ist die Hauptsache. Infolgedessen müssen auch die Mittelständler verstehen — und das werden sie draußen im Lande auch —, daß nun andere Wünsche noch nicht in Erfüllung gehen können. Wenn wir in § 10 b eine Vergünstigung für unsere Mittelständler eingeführt haben, wenn wir jetzt und gestern abend, wie meine verehrte Frau Kollegin eben schon mitteilte, bis spät in die Nacht hinein bemüht gewesen sind, für den Mittelstand etwa zu tun, dann haben wir durch die Regelung, die wir auf Umdruck 257 getroffen haben, sicherlich etwas erreicht, und wir sind einen Schritt weitergekommen. Lassen Sie uns auf diesem Wege Schritt um Schritt weitergehen. Allmählich kommen wir zu einer vernünftigen Steuergesetzgebung.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann können wir fortschreiten.
Über den Antrag Umdruck 257 Ziffer 1 können wir noch nicht abstimmen.
Aber wenn der Antrag Ilk vorliegt, werden wir ohne weitere Debatte darüber abstimmen; ich werde das Wort nicht mehr erteilen.
Über Umdruck 257 Ziffer 2 und 3 können wir abstimmen.
— Es gehört zusammen.
Dann Umdruck 243*), ein Antrag Raestrup, Kirchhoff, Eckhardt und Genossen auf Einfügung einer neuen Nr. 22 c. Wer will den Antrag begründen? — Das Wort hat der Abgeordnete Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze folgende Feststellung. Ich beziehe mich zunächst auf die Ausführungen, die die Herren Kollegen Raestrup und Kirchhoff gestern zu ihren Änderungsanträgen beim Tarif gemacht haben. Sie haben den sogenannten gespaltenen Körperschaftsteuertarif angenommen. Es ergibt sich daraus mit zwingender Notwendigkeit, daß die Lage der Personenfirmen, d. h. der Einzelunternehmen und der Personengesellschaften, nun wesentlich schlechter ist als die Lage der Kapitalgesellschaften.
Ich glaube auch, daß diese Feststellung vom Hause einmütig wird getroffen werden müssen, und ich nehme an, daß das Bundesfinanzministerium dieser Feststellung gegenüber kaum Einwendungen erheben wird. Auf diese Feststellung lege ich be-
*) Siehe Anlage 13.
sonderen Wert, und lediglich wenn ihr widersprochen werden sollte, werde ich mir erlauben, eingehende Ausführungen zum Beweise dieser Feststellung zu machen. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird im Interesse der Personenfirmen und der Personengesellschaften der vorliegende Antrag gestellt, die nicht entnommenen Gewinne der Personengesellschaften mit einem Satz von 40 % zu besteuern. Das entspricht dem Satz, den eine Kapitalgesellschaft bei Spaltung des Tarifs von 45 und 30 zu zahlen hat. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Ich bitte das Haus, sich durch die Drohung, daß im Falle des Widerspruchs noch weitere Ausführungen gemacht werden, in der Freiheit seiner Meinungsbildung nicht einschränken zu lassen.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag bedeutet einen ungewöhnlichen Rückschritt in der Steuergesetzgebung. Wir kämen dann wieder zurück nach Frankfurt, womit nichts gegen Frankfurt gesagt ist — das wird Herr Dr. Pünder mir bestätigen —, aber zu den Zuständen, bei denen wir unter den Kontrollratsgesetzen gezwungen waren, derartige Vorschriften zu machen. Ich denke, diese Zeit hätten wir hinter uns, und die Linie der Steuerpolitik ist doch wohl — das hat Herr Dr. Wellhausen vorhin nochmals betont —, endlich mit den Begünstigungen aufzuhören und dafür so weitgehend wie möglich eine Tarifsenkung zu machen.
Herr Dr. Eckhardt hat mich nach der volkswirtschaftlichen Richtigkeit, nach der wirtschaftspolitischen Begründung gefragt. Diese Frage werde ich nicht beantworten. Ich habe bei dem Gegenbild, dem gespaltenen Körperschaftsteuersatz, mit Absicht davon abgesehen, auf die volkswirtschaftlichen Fragen einzugehen. Diese Dinge sind uferlos. Dann würden wir heute überhaupt nicht fertig werden. Aber was ich zur finanzwirtschaftlichen Seite der Sache gesagt habe, das muß ich jetzt, allerdings in möglichster Kürze, wiederholen.
Meine Damen und Herren, es hat keine allgemeine Aussprache zur dritten Lesung gegeben; aber ich glaube, ich darf Ihnen nunmehr etwas über die „Verlustliste" sagen. Die „Verlustliste" für den Bundesfinanzminister und die Länderfinanzminister, die durch die gestrigen und heutigen Beschlüsse bisher eingetreten ist — um die Beratungen nicht aufzuhalten, werde ich nachher das Wort möglichst wenig ergreifen, und das, was ich jetzt zu diesem Antrag sage, gilt dann auch für alle anderen Anträge von ähnlich großer Bedeutung —, beträgt zur Zeit etwa 490 Millionen, nachdem vorhin bei der Umsatzsteuer die Besteuerung der Versorgungsunternehmungen abgelehnt worden ist. Die Verlängerung des § 36 des Investitionshilfegesetzes wird 100 Millionen kosten. Der Vermittlungsausschuß hat gestern hinsichtlich des Gesetzes über den Anteil an den Steuerverwaltungskosten beschlossen, daß der Bund nicht 33, sondern 50 % tragen soll und daß diese Regelung erst ab 1. Oktober in Kraft tritt. Das bedeutet 165 Millionen. Wir kommen damit also auf 755 Millionen. Das ist der Inhalt der „Verlustliste".
Nun noch ein Wort, das auch für die anderen Anträge gilt. Ich glaube, die Hoffnung, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß nicht anrufen wird, muß man nun wohl fahren lassen. Zum Schluß will ich nur andeuten, daß es sich um Zustimmungsgesetze handelt.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat den vorliegenden Antrag nicht unterschrieben und sich damit auf meine Linie eingestellt, daß wir nicht nur Vergünstigungen abbauen, sondern auch um Gottes willen natürlich erst recht keine neuen Vergünstigungen einführen wollen. Es ist ein Zeichen unserer recht labilen Haltung, wenn der Zustand, in dem wir uns befinden, uns tatsächlich ermuntert, neue Begünstigungen einzuführen.
Das ist beklagenswert.
Was aber die „Verlustliste" betrifft, Herr Staatssekretär, so hat dieser Ausdruck eine schlechte Bedeutung. Wir machen diese Steuerreform — und ich habe ja den meisten Dingen zugestimmt — nicht, um Ihnen Verluste zu bereiten, sondern um ,den Steuerzahler in seiner Zuversicht auf Gewinn und niedrigere Steuern zu bestärken.
Zur Sache eins. Ich ziehe aus der Grundeinstellung des Herrn Eckhardt, daß nämlich die Personengesellschaften nunmehr schlechter fahren als die Kapitalgesellschaften, andere Schlüsse — wie Sie später aus einer Entschließung, die ich Ihnen vorschlagen werde, sehen werden —, als sie im Umdruck 243 gezogen worden sind, der, wie ich noch einmal betone, eine neue Begünstigung einführen würde.
Das Wort hat der Abgeordnete :Raestrup.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Sätze! Dieser Antrag wäre bestimmt nicht erforderlich gewesen, wenn Sie gestern mehr Verständnis für meinen sehr ausführlich begründeten Antrag gehabt hätten. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man das gestern besser hätte lösen können als durch diesen Antrag. Wenn Sie aber meinen Vorschlag ablehnen, dann müssen wir letzten Endes versuchen, auf anderem Wege zu unserem Ziele zu kommen, dem Ziel nämlich, eine Gleichberechtigung zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften zu erreichen, und ich bin Herrn Dr. Wellhausen ganz außerordentlich dankbar dafür, daß er auch zugegeben hat, daß wir gestern schlecht behandelt worden sind.
An der „Verlustliste", Herr Staatssekretär Hartmann, ist keiner unschuldiger als die persönlich haftenden Gesellschafter. Wir haben keine Verluste beigebracht, wir haben Verluste erlitten und nichts anderes.
Nun § 36 a! Es gibt keinen Menschen, der an diesem § 36 a unschuldiger ist als ich. Ich möchte doch dagegen protestieren, daß Sie mir den Verlust von 180 bis 200 Millionen DM an die Rockschöße hängen
wollen. Dagegen muß ich mich ganz entschieden verwahren, und ich bitte Sie, in Zukunft mehr Verständnis zu haben, wenn wir in ruhiger und sachlicher Weise für die berechtigten Interessen der Personengesellschaften eintreten.
Nun liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir können abstimmen.
Wir stimmen ab über Umdruck 243 *) Ziffer 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr der Antrag Frau Dr. Ilk.
— Das ist erst bei Punkt 32. Wir wollen Ordnung halten, sonst wird es noch schwieriger werden.
Wir können jetzt abstimmen über die Anträge zu den Ziffern 19a und 22a. Der Umdruck 262**) ist verteilt. Es werden dazu keine Ausführungen gemacht. Wir stimmen ab.
— Doch, er ist verteilt. Frau Beyer hat ihn doch so ausgiebig begründet, daß wir fast ohne Umdruck auskommen können.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 262 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über Ziffer 2 desselben Umdrucks zu Nr. 22 a. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Mit derselben Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 257***) Ziffern 1, 2 und 3. Sie gehören wohl zusammen; wir können das in einer Abstimmung machen. Wer dafür ist, daß dieser Antrag Umdruck 257 angenommen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Nunmehr Seite 37 der Vorlage Drucksache 961, Änderungsantrag auf Umdruck 260 ****) Ziffer 3, nach dem nach Nr. 24 eine Nr. 24 a eingefügt werden soll. — Zur Begründung hat das Wort Frau Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit Umdruck 260 Ziffer 3 haben wir den bereits in zweiter Lesung gestellten Antrag wiederholt, Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit einen Freibetrag in Höhe von 5 v. H., mindestens 240 DM, höchstens 600 DM jährlich, zu gewähren. Ich habe bereits in der zweiten Lesung auf die großen Möglichkeiten der Einkommensteuerpflichtigen hingewiesen, über Betriebsausgaben eine Fülle von Abschreibungen vorzunehmen. Diese zusammen sind in keiner Weise mit den geringen Beträgen vergleichbar, die Lohnsteuerpflichtige
*) Siehe Anlage 13.
**) Siehe Anlage 26. ***) Siehe Anlage 22. ****) Siehe Anlage 24. haben. Das Gestaltungsprivileg dehnt sich so weit aus, daß man Badereisen auch als Geschäftsreisen deklarieren kann. Man kann einen Kraftwagen über Betriebsausgaben abbuchen, und es war kein Geringerer als ein Generaldirektor der Fordwerke, der einmal erklärt hat, daß 1952 über 90 v. H. der Personenwagen auf Geschäftskosten erworben worden sind. Professor Schmölders erwähnte, daß 99 v. H. der in Westdeutschland im Jahre 1951 neu zugelassenen Personenwagen auf Betriebsunkosten angeschafft wurden. Ich brauche darüber hinaus nur auf die „betrieblichen Investitionen" hinzuweisen, über die die Errichtung von Kasinos, Gästehäusern, Verwaltungsgebäuden usw. abgebucht wird. Gerade in diesen Tagen wurde mir ein Beispiel dargelegt, wonach es ein Unternehmer hier im Rheinland fertiggebracht hat, ein neues Verwaltungsgebäude im südlichen Teil unseres westdeutschen Gebietes zu errichten, um seine Ehefrau, nur weil er sich inzwischen von ihr hat scheiden lassen, dort unterzubringen. Sogar das Geld, das er ihr zahlen müßte, wird auf diese Weise abgebucht. Wir sollten erkennen, wie verschieden die Behandlung der Steuerpflichtigen ist. Man kann sogar die Kosten für den Steuerberater über Betriebsausgaben absetzen. Damit ist praktisch alles in das eigene Ermessen des Einkommensteuerpflichtigen gestellt, während der Lohnsteuerpflichtige einzig und allein dem Finanzamt unterstellt ist, d. h. das Finanzamt entscheidet darüber, ob ihm noch ein Mehrbetrag für Werbungskosten zugebilligt werden kann.
Nun wird oft die Frage erörtert: Ist das nicht durch eine stärkere Kontrolle zu beseitigen? Wir wissen, wie schwerfällig der Verwaltungsapparat ist. Wir wissen, wie kostspielig und kompliziert er ist. Wir wissen auf der anderen Seite auch, welche Gefahren diese Kontrollen in der Öffentlichkeit mit sich bringen, wenn man den Verwaltungsapparat noch verstärkt. Ich denke an Ausdrücke wie „Schnüffeldienst" usw. Auch trägt es nicht sehr zur besseren Durchsetzung des demokratischen Grundgedankens in der Öffentlichkeit bei.
Wenn man nun überlegt, was getan werden kann, dann stellt man fest, daß praktisch nur eine Angleichung durch Entlastung der Lohnsteuerpflichtigen verbleibt. Ziehen wir einen Vergleich mit dem Ausland, so stellt man fest, daß wir in der steuerlichen Belastung mit zwei Ländern an der Spitze stehen. Wir dürfen nicht vergessen, daß gerade die unteren Einkommen bis 20 000 DM mit einer viel stärkeren Progression belastet sind als die höheren Einkommen. Diese steile Progression wirkt sich selbstverständlich auch auf die stärkere steuerliche Belastung der Einkommen bis zu 20 000 DM stärker aus. Deshalb müssen wir hier im Parlament unser ganzes Augenmerk darauf richten, noch eine Steuersenkung für die unteren Einkommen zu erreichen.
In der zweiten Lesung wurde sowohl von Herrn Neuburger als auch von Herrn Staatssekretär Hartmann auf den Tarif hingewiesen. Ich möchte einmal klar herausstellen, daß die Tarife bei gleichem Einkommen gleich sind, daß aber die Steuerbemessungsgrundlagen verschieden sind. Aus diesen Gründen dürfen wir hier nicht nur den Tarif ansehen, sondern vor allem auch die von mir dargelegten Argumente.
Uns ist es von Anfang an darauf angekommen, die Kaufkraft zu stärken. Natürlich bestehen unterschiedliche Meinungen darüber, ob man die Kaufkraft
bei den höheren oder bei den unteren Einkommen stärken soll. Hier kommen wir an den strittigen Punkt, bei dem unsere Ansichten auseinandergehen. Wir sind nämlich der Auffassung, daß es viel besser ist, die Kaufkraft der unteren Einkommensgruppen bis zu einer bestimmten Höhe zu stärken, um damit eine Konsumsteigerung herbeizuführen, die sich letzten Endes wieder für die wirtschaftliche Lage der Betriebe und damit auch für den Steuersäckel günstig auswirkt.
Eine zweite Bemerkung: zur Steuerehrlichkeit! Bereits in der zweiten Lesung mußte ich die Steuerehrlichkeit der Einkommensteuerpflichtigen in Frage stellen. Hinzu kommt, daß 50 % des Aufkommens der Steuern von den Lohnsteuerpflichtigen aufgebracht werden. Aus allen Ausfallberechnungen ist ersichtlich, daß 20 % des Steuerausfalls aus mangelhafter Erfassung der Einkommensteuerpflichtigen resultieren. Wenn wir diesen Ausfall nur auf die restlichen 50 % des durch die Einkommensteuerpflichtigen aufgebrachten Aufkommens beziehen, ergibt sich der doppelte Prozentsatz, mithin 40%.
Nun hat Herr Staatssekretär Hartmann in der zweiten Lesung einzig und allein fiskalische Gründe für die Ablehnung des Antrags angeführt. Wir können aber die Beseitigung einer solchen Ungerechtigkeit, die auch vom Herrn Staatssekretär nicht bestritten werden konnte, nicht allein aus fiskalischen Überlegungen verwerfen.
Unser Antrag fordert nur einen bescheidenen Mindestsatz, der den Lohnsteuerpflichtigen als Äquivalent gegeben werden soll. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Mehrbelastungen hin, die eine große Gruppe von Einwohnern des westdeutschen Bundesgebiets, die zudem noch zu den sozial Schwächsten gehören, nunmehr treffen; ich denke hier an den Wegfall von § 33 a, den Wegfall der Vergünstigungen für Vertriebene, Flüchtlinge, Ausgebombte, Spätheimkehrer usw. Wir sind uns im Ausschuß darüber klar gewesen, daß der Nachholbedarf dieser Kreise heute noch in keiner Weise gedeckt ist. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, nachzurechnen, welche steuerliche Mehrbelastung dadurch entsteht. Für ein Ehepaar mit einem Kind beträgt sie bei einem Einkommen von monatlich 350 DM 5.50 DM, bei 400 DM 6 DM, bei 450 DM 7,50 DM. Wir sollten auch an die Mehrbelastungen denken, die durch den § 32 a in Form der Haushaltsbesteuerung mit der Veranlagung nach den Steuerklassen I und II entstehen. Auch der Vorsitzende des Finanz- und Steuerausschusses hat gestern in einem Diskussionsbeitrag erklärt, daß es um die Erhöhung der Kaufkraft gehen muß.
Nun haben wir soeben von dem Herrn Staatssekretär Hartmann gehört, daß die bisher gefaßten Beschlüsse einen Mehrausfall an Steuern von 490 Millionen DM ausmachen. Davon entfallen 150 Millionen DM auf den Beschluß, den gespaltenen Körperschaftsteuertarif wieder einzuführen. Wenn wir diesen Betrag abziehen, verbleiben 340 Millionen DM. Nach den Ausfallberechnungen des Ifo-Instituts, des WWI und des Instituts für Finanzen und Steuern schwankt das Mehraufkommen an Steuern zwischen etwa 1 Milliarde und 1,6 Milliarden DM. Ich glaube daher, es bleibt noch ein Betrag, der uns für unsere Zwecke zur Verfügung steht.
Wir bitten deshalb unserem Antrag nunmehr die Zustimmung zu geben, zumal ja bei der Umsatzsteuer und bei anderen indirekten Steuern, durch die die Familie in erster Linie belastet wird, wieder ein Mehraufkommen an Steuern eintritt. Ich stelle daher auch die von Herrn Staatssekretär Hartmann angeführten 600 Millionen DM Ausfall in Frage und glaube, daß sich das Hohe Haus unserem Antrag, der wirklich eine Berechtigung hat, die sowohl vom Finanzausschuß als vor allen Dingen auch von Herrn Staatssekretär Hartmann nicht verkannt wurde, anschließen kann.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht auch gleich den Antrag des Herrn Abgeordneten Eberhard bezüglich der freien Berufe mit erörtern, werde mich aber hier nur auf die finanzwirtschaftlichen Darlegungen beschränken; denn ich glaube, es gibt einen Augenblick, wo die finanzwirtschaftlichen Fragen entscheidend sind.
Der Antrag bezüglich der freien Berufe würde 30 Millionen DM kosten, der Antrag, wie er hier in Umdruck 260 für selbständige und nichtselbständige Arbeit gestellt wird, würde 600 Millionen DM kosten. Die anderen Zahlen habe ich eben schon genannt.
Wenn ich das Wort „Verlustliste" — gegen das hier Bedenken geäußert worden sind — gebraucht habe, so ist das nicht eine persönliche Verlustliste des Finanzministers oder der Finanzminister, sondern eine Verlustliste des Haushalts. Ich glaube, das wird sich in wenigen Monaten herausstellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für meine Person auch in der dritten Lesung zum Ausdruck bringen, daß ich diesen Antrag unterstütze. Ich glaube, das Haus sollte sich wirklich darüber im klaren sein, daß es auf die Dauer nicht möglich sein wird, diesen Antrag abzuwehren. Diejenigen Steuerpflichtigen, die manche Möglichkeiten der freien Gewinnregulierung nicht haben — das sind nämlich die freien Berufe und die Lohnsteuerpflichtigen — müssen dafür in irgendeiner Form ein steuerliches Äquivalent bekommen. Das ist der Grundgedanke des Antrags.
Daß diese Dinge nicht nur im Finanz- und Steuerausschuß auf fruchtbaren Boden gefallen sind, sondern daß diese Überlegungen nunmehr auch in breiten Teilen der CDU Raum gefunden haben, das sehen Sie — wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf — aus der Tatsache, daß der Umdruck 267, der in einer Entschließung dieselben Gedankengänge enthält, von etwa 20 Kollegen der CDU unterschrieben ist. Ich bin aber der Meinung, daß man jetzt schon den Mut haben sollte, durch Annahme dieses Antrags eine Gleichstellung der verschiedenen Gruppen der Steuerpflichtigen vorzunehmen, und möchte Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen scheinen nicht gewünscht zu sein.
2. Deutscher Bundestag — 57, Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. November 1954 2871
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 260 Ziffer 3 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Über Ziffer 30 haben wir schon abgestimmt.
— Ja! Wir stimmen nunmehr über Umdruck 266*) ab, den wir vorhin zurückgestellt haben. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ersteres war die Mehrheit, angenommen.
— Bestehen Zweifel an der Abstimmung?
— Das geschäftsführende Präsidium war einstimmig.
Nunmehr Seite 45! Umdruck 252,**) Antrag Struve und Genossen! Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß sich eine Aussprache über diesen Änderungsantrag erübrigt, nachdem wir gestern abend im Finanz- und Steuerausschuß gemeinschaftlich die vorliegende Formulierung gefunden haben. Es sind noch zwei redaktionelle Änderungen vorzunehmen. In der ersten Zeile muß es statt „die Abschreibungsfreiheit" heißen: „eine Abschreibungsfreiheit". Dann sollen in der zweiten Zeile die Worte „für die Land- und Forstwirtschaft", ferner weiter unten „Betrieben" gestrichen werden. Dafür muß es dann in der fünften Zeile heißen: „Vorrichtungen, bei buchführenden und nichtbuchführenden Land- und Forstwirten''.
An dem sachlichen Inhalt wird dadurch nichts geändert. Es ist nur eine bessere Formulierung.
Dann stellen Sie einen entsprechenden Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag?
Nein, das ist nur der berichtigte Antrag.
Das ist nun der richtiggestellte Antrag. Sind die Unterzeichner, unter denen sich ja Ihr Name nicht findet, einverstanden? — Herr Struve, sind Sie einverstanden?
Der Antrag ist ja Geist von Ihrem Geist. Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bestätige, was der Kollege Neuburger gesagt hat, daß wir uns gestern abend auf diesen Antrag geeinigt haben. Ich muß allerdings mein Erstaunen zum Ausdruck bringen. Es war verabredet, daß unter den Antrag die Unterschriften der Fraktionen, auch unserer Fraktion, gesetzt werden. Der Antrag ist uns leider zur Unterschrift nicht vorgelegt worden,
*) Siehe Anlage 30.
**) Siehe Anlage 17.
sonst würden Sie auch unsere Unterschrift darunter finden. Wir stimmen dem Antrag zu.
Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, dieselbe Erklärung abzugeben wie der Herr Kollege Seuffert. Ich bitte ausdrücklich, die Unterschrift Dr. Dehler und Fraktion nachzuholen.
Auch der GB/BHE legt Wert darauf, zu unterzeichnen.
— Das sind leider seltene Zeichen höchster Einmütigkeit!
Man sieht, daß es so etwas wie eine Sachgerechtigkeit gibt, die die Einmütigkeit eines sonst nicht immer einigen Hauses zu fördern vermag.
Umdruck 252! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Das ist der Antrag, den Sie mir soeben heraufgereicht haben, Herr Kollege Neuburger. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Einmütigkeit ist die Einstimmigkeit auf dem Fuße gefolgt; angenommen.
Nun zu Seite 47, Ziffer 33, Umdruck 260 Ziffer 4! Es heißt darin:
Die lfd. Nr. 1 bis 97 der Anlage 1 ... — Einkommensteuertabelle — werden durch die lfd. Nr. 1 bis 86 laut Anlage ersetzt.
Das ist also ein Antrag, Tarife durch andere zu ersetzen, kein Tarifsenkungsantrag.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche mich nur auf meine gestrigen Ausführungen zu dem Tarifvorschlag der SPD zu beziehen, der sich insbesondere zum Ziel gesetzt hat, die Steuersätze für die kleinen Einkommen herabzusetzen. Ich habe dazu konjunktur- und wirtschaftspolitische Gesichtspunkte sowie Gesichtspunkte der sozialen Gerechtigkeit, insbesondere Gesichtspunkte einer gerechten Verteilung der Steuerlasten auf Starke und Schwache angeführt. Leider hat weder der Vertreter der Bundesregierung noch irgendein Vertreter der Koalitionsparteien den Versuch gemacht, zu diesen sachlichen Gründen irgendwie Stellung zu nehmen. Ich verzichte daher ausdrücklich darauf, sie heute noch einmal vorzutragen.
Aber ich möchte abschließend — wir können ja nun das Gesamtergebnis der sogenannten Steuerreform übersehen — folgende Bemerkung machen. Eine überschlägliche Berechnung der Verteilung der Steuerentlastung ergibt folgendes Bild. Durch die Beschlüsse der Mehrheit des Bundestags wird ab 1. Januar 1955 gegenüber dem jetzigen Rechtszustand eine Entlastung aller Steuerpflichtigen um ungefähr 2,8 Milliarden DM eintreten. Von diesen
2,8 Milliarden DM Entlastung entfallen auf 12 Millionen Steuerpflichtige — das sind zwei Drittel aller Steuerpflichtigen, und zwar herauf bis zu Einkommen von etwa 5- bis 6000 DM — nur 250 Millionen DM.
Das ist weniger als ein Zehntel der Summe, die auf das andere Drittel mit höheren Einkommen entfällt. Auf die entfallen nämlich 2,5 Milliarden DM.
Wir haben deshalb diesen Antrag noch einmal gestellt, um Ihnen eine letzte Gelegenheit zu geben, wenigstens irgendein soziales Element in diese Neuregelung der Steuern hineinzubringen. Bitte, stimmen Sie daher unserem Antrag zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 260 Ziffer 4 ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag Umdruck 254 *) bezieht sich auf den Art. 2, Antrag der Herren Dr. Kather, Haasler und Fraktion.
Zur Begründung hat das Wort Herr Dr. Kather!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch dieser Antrag ist schon gestern gestellt und mit einer sehr knappen Mehrheit abgelehnt worden. Es war eine nochmalige Abstimmung erforderlich. Es geht — ich möchte das doch mit einigen wenigen Sätzen für die Damen und Herren, die gestern nicht da waren, nochmals begründen — um den Pauschalabzug für Vertriebene und gleichgestellte Gruppen bei der Hausratbeschaffung. Die Ausschußfassung sieht vor, daß die Vergünstigung des § 33 a für die Einzelperson drei Jahre fortbestehen soll. Unser Antrag hat das Anliegen, diese Frist von drei Jahren auf fünf Jahre auszudehnen.
Ich möchte zwei Hauptargumente hierfür vortragen. Bei einem Zeitraum von drei Jahren kommt man zu einem Durchschnittswert von etwa 2000 DM Abzügen insgesamt. Das reicht nicht aus, diesen Totalverlust auf Grund eines einmaligen Tatbestandes auszugleichen. Der zweite Grund ist der, .daß diese Bestimmung des § 33 a jetzt fünf Jahre in Kraft ist. Gerade diejenigen, die zuerst gekommen sind, die auch zuerst wieder in Arbeit gekommen sind, konnten fünf Jahre lang davon Gebrauch machen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß es Jahre gab, in denen der doppelte Abzug gemacht werden konnte.
Es geht also um die Frage, meine Damen und Herren, ob man die Spätheimkehrer, die Sowjetzonenflüchtlinge und vor allen Dingen auch die Arbeitslosen, die bisher kein Einkommen hatten, ob man alle diese Gruppen so viel schlechter stellen will als die anderen, die den Vorzug hatten, von Anfang an in Arbeit zu kommen. Darüber
*) Siehe Anlage 19. haben Sie zu entscheiden. Es handelt sich um eine Sache, die finanziell nicht sehr ins Gewicht fällt. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist gestern abgelehnt worden Ich möchte noch hinzufügen — vielleicht kann ich damit Herrn Abgeordneten Dr. Kather eine Brücke bauen —: wenn diese drei Jahre um sind, besteht außerdem noch die Möglichkeit, nach § 33 des Einkommensteuergesetzes die außergewöhnliche Belastung geltend zu machen.
Ferner: Herr Dr. Kather hat darauf hingewiesen, daß diejenigen, .die früher schon die Vergünstigungen in Anspruch nehmen konnten, dies mehrere Jahre lang tun und zum Teil höhere Beträge in Anspruch nehmen konnten. Ich glaube, man darf dabei nicht vergessen, daß damals auch die Steuersätze wesentlich höher waren. Es ist doch auch der Sinn dieser ganzen Gesetzgebung, durch die nachdrückliche Senkung der Steuertarife weitere Vergünstigungen, insbesondere den Einbau neuer Vergünstigungen zu ersparen. Das muß doch alles in einem gesehen werden.
Keine weiteren Wortmeldungen mehr? — Doch, Herr Kather. Sie heben das Wort, Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Ich muß zunächst feststellen, daß der Herr Staatssekretär seiner vorherigen Ankündigung, bei finanziell weniger ins Gewicht fallenden Sachen nicht mehr das Wort zu nehmen, zuwidergehandelt hat.
Daß die Steuersätze höher waren, ändert nichts daran, daß auch nach der Senkung der Steuersätze bei Fortfall der Vergünstigung für die unteren Einkommensstufen die künftige Steuer höher sein wird als bisher. Das Argument, das hier vorgebracht wurde, beseitigt nicht die Ungerechtigkeit, daß die Gruppen, die so viele Jahre schlechter gestellt waren, weil sie nicht hier waren oder weil sie kein Einkommen hatten, eben schlechter gestellt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß ihr Nachholbedarf noch viel größer und viel totaler ist als bei den anderen. Daß diese Personen nun nicht die gleiche Berücksichtigung erfahren sollen wie die zuerst Gekommenen, ist eine völlig ungerechte Regelung. Irgendein Wechsel auf die Zukunft kann uns nicht darüber hinwegtrösten.
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrags auf Umdruck 254 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Darf ich bitten, die Abstimmung durch Erheben zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Ich bin nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Ich muß Sie bitten, durch Hammelsprung zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung beschleunigt vorzunehmen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis des Hammelsprungs bekannt. An der Abstimmung haben sich 377 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 186, mit Nein 189, 2 haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Seite 54 der Vorlage und haben dort über einen Antrag, Umdruck 260 Ziffer 5, abzustimmen. Er geht dahin, die Ausschußfassung wiederherzustellen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 260 Ziffer 5 und Ziffer 7 — die beiden Ziffern gehören zusammen und können deswegen in der Abstimmung verbunden werden — beantragen wir, in der Anlegenheit des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes die Ausschußfassung wiederherzustellen. Die Angelegenheit hat eine große Bedeutung. Herr Kollege Neuburger hat sie nicht von ungefähr gestern in einer ungewöhnlich dramatischen Weise hier vorgetragen. Er hat sie geradezu als den Prüfstein derjenigen Gesinnung, die die Soziale Marktwirtschaft stützt, hier hingestellt. „Soziale Marktwirtschaft" ist ja die Bezeichnung, die Herr Kollege Neuburger ) und andere für Tatbestände oder Fragen zu gebrauchen belieben, bei denen wir bei einer nüchternen Betrachtung lieber von freier Wirtschaft sprechen würden. Insofern erschien es mir, Herr Kollege Neuburger, nicht gerade glücklich, daß Sie als einen Prüfstein für eine wirklich freie Wirtschaft einen Antrag von Ihrer Seite bezeichnet haben. der sich gerade dagegen richtet, nun die letzte der künstlichen und unglücklichen Regelungsmaßnahmen auf einem freien Kapitalmarkt und innerhalb einer freien Wirtschaft fallenzulassen.
Ich will nicht im einzelnen wiederholen, was ich gestern gesagt habe. Herr Kollege Neuburger hat sehr dramatische Worte gebraucht. Es wird von Pflege des Kapitalmarkts und vom Interesse der Unternehmen gesprochen. Nun, ich glaube, die Interessenfrage ist doch sehr eindeutig. Es handelt sich nicht etwa um die Frage, wie man mehr Aktien in neue Hände bringen könnte, sondern im Kern der Sache handelt es sich doch einfach um die Interessen der Altaktionäre, die jetzt Aktien in Händen haben. Wenn ein Unternehmen neue Aktien ausgeben will, so müssen die alten Aktionäre natürlich auch etwas dafür tun und auf einiges verzichten. Sie müssen ihre Dividenden-Erwartungen mit den neuen Aktionären teilen. Sie müssen auch bestimmte Majoritätsrechte aufgeben. Deswegen wird nunmehr von den Banken und den anderen Kreditgebern mit Recht der Wunsch geltend gemacht, die verschuldeten Unternehmen möchten doch nun einmal für mehr Eigenkapital sorgen. Offenbar wollen aber diejenigen, die nun dazu bereit sein müßten, ihre Stellung mit neuem Eigenkapital zu teilen, die entsprechenden Opfer nicht bringen, wenn sie nicht zum großen Teil zu Lasten des Steuersäckels abgewälzt werden können. So scheint mir die Frage, eine sehr nüchterne Interessenfrage, zu liegen.
Wir sind heute in einem anderen Zusammenhang am Rande bereits auf diese Angelegenheit zu sprechen gekommen. Die Sache hat Bedeutung: nämlich die, ob sich hier ein reiner Interessenstandpunkt gegen alle wirtschaftlichen Prinzipien und alle wirtschaftliche Vernunft durchsetzen kann. Weil diese Bedeutung gegeben ist, beantragen wir namentliche Abstimmung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, die Stimmkarten der Mitglieder des Hauses in den Urnen einzusammeln.
Hat ein Mitglieds des Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Karte noch nicht abgegeben? — Dann bitte ich doch, sich zum nächsten Urnenträger zu bemühen. —
Wünscht noch jemand seine Stimme abzugeben? —Das ist nicht der Fall. Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Wir fahren in der Behandlung der Tagesordnung fort. Ich stelle fest, daß die namentliche Abstimmung sich auf Umdruck 260 Ziffern 5 und 7 bezog. Wir kommen nunmehr zu Umdruck 260 Ziffer 6. Das ist ein Änderungsantrag zu Ziffer 6 auf Seite 54 der Drucksache 961. Wird der Antrag begründet?
Es handelt sich um Umdruck 260 Ziffer 6.
— Meine Damen und Herren, stimmen wir darüber ab, damit kein Mißverständnis entsteht.
— Das Wort zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Neuburger.
Über Umdruck 260 Ziffer 6 haben wir bereits abgestimmt.
Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Kollege Neuburger, es ist richtig, daß ich diese Anregung vorhin gemacht habe. Aber wenn ich richtig verstanden habe, ist der Präsident dieser Anregung nicht gefolgt. Infolgedessen muß über Ziffer 6 noch abgestimmt werden.
Meine Damen und Herren, ich ersehe hier aus den Dokumenten, daß abgestimmt worden ist.
- Meine Damen und Herren, ich spreche, so laut ich kann. Ich habe mich fast heiser geredet. Vielleicht kann das Verstehen durch eine gewisse Mithilfe des Hauses gefördert werden.
Seite 56 der Drucksache 961, Umdruck 256*) —ein Antrag der Abgeordneten Stücklen, Schmücker, Friese und Genossen. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich bemühen, mich so auszudrücken, daß hier nicht etwa noch eine Genossenschaftsdebatte entsteht.
— Das glaube ich nicht.
Vor einem halben Jahr, meine Damen und Herren, haben wir so eine Art Burgfrieden geschlossen. Wir haben gesagt: wir wollen R batt und Rückvergütung auf 3 % beschränken und im übrigen die Genossenschaftsfrage durch vorbereitende Untersuchungen der Regierung weiter klären lassen.
Nun hat die Regierung vorgeschlagen, die Begrenzung auf 3 % auch in dieses Steuergesetz aufzunehmen.
— Ich komme dazu! — Der Bericht des Ausschusses sagt, das sei nicht nötig, mit Rücksicht auf das schon verkündete Gesetz, das ich vorhin anführte. Natürlich, wenn es so ist, daß die Bestimmungen eines Gesetzes automatisch für das andere gelten, dann ist alles in Ordnung. ,,Aber ein Herr aus dem Bundesfinanzministerium war so freundlich, in einer Zeitschrift einen Artikel zu veröffentlichen und da etwa folgendes zu sagen: Es ist zwar gesetzlich geregelt, daß ihr nicht über 3 % Rabatt geben oder rückvergüten dürft, und es ist auch eine Strafe vorgesehen; aber wenn ihr es dennoch tut, dann braucht ihr nur die Strafe zu bezahlen, könnt im übrigen aber den Betrag bei der Steuer absetzen.
Das ist in jenem Artikel gesagt worden, und deshalb haben wir natürlich gewisse Befürchtungen. Es scheint uns nicht angängig zu sein, Herr Kollege Seuffert, wenn wir einmal festlegen: „3 % werden rückvergütet", in dieses Steuergesetz die Sache aber nicht mit aufnehmen und dadurch gewissermaßen die Aufforderung geben, die andere Bestimmung zu umgehen und die Strafe zu bezahlen, den Betrag aber bei der Steuer abzusetzen. Ich weiß nicht, was es dann für einen Sinn haben soll, überhaupt Gesetze zu beschließen.
Ich möchte Sie dringend bitten, die Vereinbarung, die wir im letzten Sommer bei der Regelung des Genossenschafts- und Rabattgesetzes getroffen hahaben, so festzulegen, daß sie auch tatsächlich durchgeführt wird. Deswegen bitten wir, die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
*) Siehe Anlage 21.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich bedauerlich, daß wir mit diesem Antrag — verzeihen Sie mir den Ausdruck — noch einmal belästigt werden.
Ich darf den Tatbestand so kurz wie möglich darstellen. Bei der Neuregelung der Rückvergütungen bei den Genossenschaften war ursprünglich in der Regierungsvorlage beabsichtigt, diese Regelung steuerlich vorzunehmen. Genau dieselben Kreise, die hier den Antrag Umdruck 256 gestellt haben, haben damals verlangt und erreicht, daß das nicht auf steuerlichem Gebiet, sondern in Anhängung an das Rabattgesetz erfolgt ist, daß diese Rückvergütungen also unter ein Verbotsgesetz mit Strafbestimmungen gestellt worden sind. Um des lieben Friedens willen — ich kann es nicht anders sagen
— hat man sich mit dieser Regelung zufrieden gegeben. Aus der Zeit der Regierungsvorlage zum Genossenschaftsrecht stammte die ursprüngliche Regierungsvorlage zum Steuerneuordnungsgesetz; daher ihre ursprüngliche Fassung. Vom Finanzministerium, in ausführlichen wissenschaftlichen Gutachten und von der ganz überwiegenden Mehrheit ides Finanz- und Steuerausschusses ist voll anerkannt, daß diese Fassung durch die damalige andere Regelung überholt ist; sie ist von der Regierung fallengelassen worden.
Nachdem man das Verbotsgesetz, das Rabattgesetz, einmal erlassen hat, ist es unmöglich, eine neue Steuerbestimmung zu bringen, die eine einseitige Diskriminierung der Genossenschaften enthält, dabei aber keinerlei materielle Bedeutung hat; denn der Fall, daß eine Genossenschaft eine verbotene Rückvergütung vornimmt, ist kaum denkbar. Es ist lediglich eine Diskriminierung und eine Angelegenheit des, ich möchte schon sagen, Ressentiments. Denn, Herr Kollege Stücklen — Sie mögen darüber erstaunt sein oder nicht —, es gibt auch verbotene Rabatte, Rabatte, die zu hoch und deswegen strafbar sind. Auch die sind steuerlich abzugsfähig, ebenso wie Zollstrafen und Steuerstrafen, die man bezahlen muß, wenn man etwas Strafbares getan hat. Es ist gar kein Zweifel, daß sie unter den Betriebsausgaben verbucht werden können. Es ist ganz unmöglich, hier eine einseitige Bestimmung gegen die Genossenschaften zu machen, die zur Folge hat, daß ein Einzelkaufmann, der einen zu hohen und somit verbotenen Rabatt gegeben hat, ihn steuerlich geltend machen kann, während die Genossenschaft, deren Rückvergütung man fälschlicherweise unter den Begriff Rabatt gestellt hat, diese Rückvergütung nicht geltend machen könnte. Ich bitte Sie mit allem Nachdruck, diesen Antrag abzulehnen. Er ist bereits im Ausschuß mit einer großen Mehrheit abgelehnt worden.
Keine weitere Wortmeldung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 256 *) ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, möge sich erheben.
— Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich habe nunmehr das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vor mir; ich gebe es bekannt.
*) Siehe Anlage 21.
— Wir haben über den Antrag Umdruck 260 Ziffer 5 und '7 namentlich abgestimmt. Das vorläufige Ergebnis*) ist: Abgegeben wurden 406 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 142, mit Nein 249; 15 Mitglieder haben sich enthalten. Von Berliner Abgeordneten, 11 an der Zahl, haben 6 mit Ja und 5 mit Nein gestimmt. Die Anträge sind abgelehnt.
Der nächste Antrag, Umdruck 251, betrifft Seite 71, ebenso die Anträge Umdruck 265**) Ziffer 1 und Umdruck 263. Ich bin nicht in der Lage, ohne weiteres festzustellen, welcher Antrag weiter geht. Ich glaube, der Antrag auf Umdruck 265. Er geht, wie ich feststelle, auf Streichung.
— Ja, ich weiß. Ziffer 1 des Antrags Umdruck 265 betrifft die Streichung des Art. vor 13 a — er steht vor Abschnitt VI a —, die Ziffer 2 des Antrags Umdruck 265 betrifft die Streichung des Art. 13 a.
Zunächst zur Begründung des Antrags Umdruck 265***) Ziffer 1. Das Wort hat der Abgeordnete Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung ist in das Gesetz folgende Bestimmung eingefügt worden: „Prüfungen nach Abs. 9 dürfen nicht mehr für einen Veranlagungszeitraum erfolgen, der länger als drei Jahre zurückliegt."
Meine Damen und Herren, ich habe volles Verständnis für die Haltung, die hinter diesem Antrag steht, aber ich möchte doch einige, nach meiner Auffassung sehr ernste sachliche Bedenken erheben.
Erstens machen Sie es ja der Verwaltung bei ihrer Betriebsprüfung unmöglich, auf die D-MarkEröffnungsbilanz zurückzugreifen, die vielfach erst lange Jahre nach 1948 erstellt worden ist und die manchmal von einer sehr wesentlichen Bedeutung für die Prüfung ist.
Zweitens: Sie haben einen neuen Antrag gestellt, der die Großbetriebe von dieser Regelung ausnehmen soll. Die Grenzen zwischen Klein-, Mittel- und Großbetrieben sind durchaus flüssig. Es sind Verwaltungsgrenzen. Warum sollen jetzt die Großbetriebe anders behandelt werden als die Mitteloder Kleinbetriebe?
Drittens: Sie schaffen ein Verhältnis zur Nachprüfung der Lohnsteuer, das für die Verwaltung und auch für die Steuerpflichtigen kaum erträglich ist.
Viertens: Sie machen es der Verwaltung unmöglich, die Steuern in einem Zeitraum nachzuprüfen, der die Verjährung umfaßt, worauf gestern bereits hingewiesen worden ist. Die Verjährung von Steuern umfaßt im allgemeinen fünf Jahre.
Fünftens: Insbesondere aber ist der Verwaltung die Nachprüfung der Steuerverkürzungen durch die Neufassung der gestrigen Lesung unmöglich gemacht; die Verjährung von Steuerverkürzungen beträgt zehn Jahre.
Ich habe vorhin schon gesagt, daß ich volles Verständnis für die Haltung habe, die hinter diesem Antrag steht. Ich möchte aber meinen, daß der gestrige Beschluß und der Antrag, der gestern gestellt worden ist, das Ziel nicht richtig erreichen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2903. **) Siehe Anlage 16.
***) Siehe Anlage 29. Es ist Ihnen darum zu tun, daß die Betriebsprüfung in bestimmten Formen verläuft. Es kommt Ihnen sicherlich weniger darauf an, daß sie nur ein paar Jahre umfaßt. Schließlich werden Sie doch selbst auf dem Standpunkt stehen, daß die Gesetze ausgeführt werden müssen. Sie wollen erreichen, daß die Betriebsprüfung sich in einer Methode vollzieht, die Ihren Vorstellungen entspricht. Zweifellos vollzieht sich ein ganz großer Teil der Betriebsprüfungen der Verwaltung in völliger Ordnung, und ein großer Teil der Betriebsprüfer, ich möchte sagen: der weitaus größte Teil der Betriebsprüfer der Bundes- und Länderfinanzverwaltungen stellt ein ausgezeichnetes Menschenmaterial dar. Es sind Männer, die ein kompliziertes Gebiet in vielerlei Richtungen beherrschen müssen und deren Tätigkeit wirklich nicht einfach ist. Im allgemeinen wird man auch behaupten können — ich sage das aus praktischer Erfahrung —, daß diese Männer durchaus in den Formen vorgehen, in denen das notwendig ist. Aber gelegentlich kommt es selbstverständlich vor, daß der Steuerpflichtige das Gefühl haben muß, einer Untersuchung wegen eines kriminellen Tatbestandes ausgesetzt zu sein. Das kommt vor, und diese Fälle werden selbstverständlich verallgemeinert. Das ist mit solchen Fällen immer so. Aber man soll doch dann den Hebel woanders ansetzen. Man soll nämlich die Verwaltung veranlassen, auf ihre Beamten und Angestellten, auf ihre Betriebsprüfer in dem Sinne einzuwirken, daß sie ihr schweres und verantwortungsvolles Amt auch in der richtigen Weise ausüben, d. h., daß sie sich angemessener Umgangsformen bedienen. Das zu erreichen ist durchaus möglich, das ist eine Erziehungsfrage, und hier wird etwas auch von der Verwaltung getan werden müssen. Ich bin überzeugt, daß das Bundesfinanzministerium und auch die Länderfinanzministerien den gleichen Standpunkt vertreten.
Mit Ihrem gestrigen Beschluß nehmen Sie eine Vorschrift aus dem System der Reichsabgabenordnung heraus, ändern sie und geraten dadurch in Widerspruch zu einer Reihe von anderen Vorschriften, insbesondere den Vorschriften über die Verjährung innerhalb .des Steuerrechts, aber auch mit anderen Gesetzen. Das können wir uns nicht leisten.
Vor einigen Wochen hat ein hoher Verwaltungsbeamter auf einer Tagung der Steuerberater in Köln vom Bundestag gefordert, der Bundestag möge der Verwaltung einfache Gesetze geben, Gesetze, die die Verwaltung auszuführen in der Lage sei. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen offen sagen: Dieses Gesetz kann die Verwaltung nicht ausführen, oder vielmehr: Nicht nur erschweren Sie damit der Verwaltung ihre Tätigkeit, sondern Sie machen ihr tatsächlich in manchen Fällen die Erfüllung ihrer ersten Pflicht unmöglich, nämlich die Gesetze auszuführen, die Sie beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern hat die Mehrheit dieses Hauses eine Änderung der Reichsabgabenordnung angenommen, die zum Ziel hat, das Maß der Betriebsprüfungen herabzusetzen. Die Mehrheit erfüllte damit einen Wunsch, der hauptsächlich aus mittelständlerischen Kreisen kommt. Dieses Begehren aus den mittelständlerischen Kreisen ist in der Hauptsache in der Unübersichtlichkeit der Gesetz-
gebung begründet. Wer heute noch durch die Steuergesetzgebung hindurchfinden will, wer die vielfachen Steuerdurchführungsbestimmungen kennen soll, wer die Urteile der Finanzgerichte beherrschen will, wer mit anderen Worten auf dem weiten Gebiet des Steuerrechts einigermaßen das Richtige treffen will — was sich auf seine Buchführung und seine Steuererklärung auswirkt —, der muß sich schon mehr oder weniger hauptamtlich mit diesen Dingen beschäftigen, oder aber er muß sich einen Wirtschafts- und Steuerberater nehmen, der ihm diese Arbeit abnimmt. Das letztere geschieht ja weitestgehend in der sogenannten Großwirtschaft. Aber diejenigen im Mittelstand, die nicht die Möglichkeit haben, sich einen Wirtschafts- und Steuerberater zu nehmen, und die auch nicht die Zeit und Muße haben, um sich auf dem weiten Gebiet des Steuerrechts zurechtfinden zu können, sind mehr oder weniger hilflos dem ausgesetzt, was über sie kommt. Sie sollen die Bestimmungen kennen, kennen sie aber nicht; sie sollen ihre Buchführung danach einrichten, können es aber nicht; sie sollen die Steuererklärungen und sonstigen Steueraufzeichnungen richtig machen und können es einfach nicht tun, weil ihnen dazu die Kenntnis fehlt. Sicher leiden unter dieser Misere, unter der Unübersichtlichkeit unseres materiellen und formellen Steuerrechts nicht nur die Steuerzahler; darunter leidet natürlich auch die Finanzverwaltung selbst. Man hört ja hier und da, daß nicht alle Herren der Finanzverwaltung ihre eigene Steuererklärung selbst machen können. Man hört hier und da — wenn Sie auf die Finanzämter gehen, merken Sie es —, daß die Beamten selbst nicht mehr in der Lage sind, durch diese Dinge durchzufinden.
Sicher haben Sie recht, daß das zum Teil auch an der Gesetzgebung liegt. Es liegt aber auch an den Zeitverhältnissen, die seit 1945 etwas unnormal gewesen sind.
Nun haben Sie in der gestrigen Beschlußfassung eine Abhilfe für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten schaffen wollen, die sich aus diesem Tatbestand für den Mittelstand ergeben. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten liegen in der Unsicherheit begründet, daß der steuerzahlende Mittelstand überhaupt nicht weiß, mit welchen Steuerzahlungen er zu rechnen hat. Er weiß das aber nicht nur für das Jahr, für ,das er die Steuererklärung abgeben muß und in dem die Vorauszahlungen und ähnliches geleistet werden müssen, nicht, er weiß 'das leider auf Jahre hinaus nicht. Er ist in keiner Weise dagegen gesichert, daß die Betriebsprüfungen, die eines Tages stattfinden, für ihn auf Jahre hinaus eine andere Steuerberechnung ergeben, die er nun zu effektuieren hat. Davor kann ihn niemand schützen. Durch Ihren gestrigen Beschluß sollte eine Änderung dieses Zustands erreicht werden. Er richtet sich gegen die Unsicherheit, die damit dem Mittelstand in der Wirtschaft auferlegt wird. Er möchte nicht irgendwie die Hand über strafbare Handlungen halten, die wir nicht zu schützen begehren.
Sie haben behauptet, die Finanzverwaltung komme dann aus ihrem Steuersystem heraus, und das könne man nicht billigen. An einer Begründung dafür hat es gefehlt. Sie sagen, das stimme nicht ganz mit der Verjährung. Die Verjährung einer Steuer ist unabhängig von der Betriebsprüfung. Sie könnten doch höchstens sagen, die Feststellung der Steuerschuld lege denjenigen Zeitpunkt fest, von dem aus dann der neue Steuerbetrag errechnet werden müßte, wobei unter dem Gesichtspunkt der Verjährung etwas herauskommen könnte. Also für die Behauptung, daß durch diesen Antrag die Steuerverjährung irgendwie gehemmt oder gehindert würde, fehlt es an einer Begründung.
Die Gegner dieses Antrags sagen dann, man möge auf die Steuer- und Betriebsprüfer einwirken, daß sie sich korrekt verhalten. Sicher ist das in gewissem Umfang notwendig. Ich bin der letzte, der behaupten möchte, jeder Betriebsprüfer oder jeder Finanzbeamte erfülle die schwere Pflicht, die ihm auferlegt ist, ordnungsgemäß. Es gibt auch sehr, sehr erhebliche Ausnahmen. Wir wissen im Mitelstand, speziell in Niedersachsen, ein Lied davon zu singen. Auch Sie haben sicher den Zeitungen entnommen, daß da einiges passiert ist, was besser nicht passiert wäre. Aber es handelt sich gar nicht darum, ob die Betriebsprüfer gut erzogene, ruhige Leute sind oder ob sie weniger gut erzogen sind. Es handelt sich um die völlige Ungleichheit der Rechtsbasis. Daß der hauptamtliche Steuerprüfer alle Gesetze, alle Durchführungsbestimmungen, alle Gerichtsurteile, die auf dem einschlägigen Gebiet erlassen sind, kennt und kennen muß, ist eine Selbstverständlichkeit.
— Er sollte sie jedenfalls kennen. Es mag auch sein, daß er nicht alles kennt. Er ist aber in dieser Kenntnis, die sich auf die Betriebsprüfung und die Buchführung, die er zu prüfen hat, auswirkt, dem Steuerschuldner aus dem Mittelstand derart überlegen, daß dieser ihm mehr oder weniger hilflos gegenübersteht. Darum geht es. Das praktische Ergebnis ist dann, daß Steuernachzahlungen, meistens auf Jahre hinaus, geleistet werden müssen, nicht weil absichtlich Steuerhinterziehungen stattgefunden hätten, sondern weil diese oder jene Bestimmung des Steuerrechts nicht beachtet wurde, die eine andere Berechnung der Steuer nach sich zieht, was dann wieder den Fortfall der Vergünstigung zur Folge hat, so daß eine ungeahnte Summe an Steuernachzahlungen herauskommt.
Wir haben geglaubt, daß es im Interesse unseres Mittelstands ist, beim Abschluß einer Steuerreform auch dafür zu sorgen, daß diese Unsicherheit von unserem Mittelstand genommen wird. Gewiß wird dadurch die Möglichkeit der Finanzverwaltungen, mit dem vorhandenen Bestand an Betriebsprüfern ihre Aufgaben zu erfüllen, etwas eingeschränkt. Aber eine D-Mark-Eröffnungsbilanz, Herr Kollege Eckhardt, könnte man für den 'wirtschaftlichen Betrieb auch richtig aufstellen, ohne daß man sie von einem Betriebsprüfer überprüfen läßt. Der Wirtschaftler weiß sehr wohl, wie er eine D-Mark-Eröffnungsbilanz aufzustellen hat. Es ist mir aber zweifelhaft, ob es unbedingtes Essentialis ist, daß eine D-Mark-Eröffnungsbilanz im Mittelstand in jedem Falle von einem Betriebsprüfer nachgeprüft werden muß. Man kann sich schließlich bei der Betriebsprüfung darauf verlassen, daß das Gros der Steuerzahler auch im Mittelstand durchaus steuerehrlich ist. Es ist also nicht notwendig, zu sagen: Wir können unsere Steuerberechnungen nicht durchführen, weil wir die Bilanz nicht nachgeprüft haben. Das ist ein Argument, das jedenfalls den Mittelstand nicht so sehr treffen kann und das für ihn wirtschaftlich ohne Bedeutung ist.
Sie sagen weiter, man könne die Grenzen zwischen Großbetrieben und Mittelstandsbetrieben nicht ziehen. Ich verweise auf den Kommentar zur Reichsabgabenordnung von Kühn, in dem die Grenze sehr deutlich gezogen ist. Auch in den Durchführungsbestimmungen ist das ganz eindeutig festgelegt, so daß es hier gar keine Schwierigkeiten gibt. Sie haben die Frage aufgeworfen, warum wir denn diese Grenzen ziehen wollen. Ich glaube, ich habe das schon genügend aueinandergesetzt. Wir wollen sie deshalb ziehen, weil das Kräfteverhältnis zwischen Großwirtschaft und mittelständischer Wirtschaft so unterschiedlich ist, daß sich der eine zur Einrichtung seiner Buchhaltung und zur Abgabe seiner Steuererklärungen Wirtschafts- und Steuerberater leisten kann, während der andere idas nicht kann. Aus keinem anderen Grunde wollen wir die Grenze. Der Verwaltung wird dadurch die Steuernachprüfung nicht unmöglich gemacht, und die Verjährung wird nicht gehemmt. Die Verwaltung wird auch nicht daran gehindert, darauf einzuwirken, daß sich die Beamten bei den Steuernachprüfungen korrekt, nett und anständig benehmen, was jeder Mensch tun sollte. Sie beseitigen aber, wenn Sie unserem gestrigen Beschluß weiterhin Ihre Zustimmung geben wollen, eine große Unsicherheit, die sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Mittelstandes, des Handwerks, des Einzelkaufmanns und erst recht der Landwirtschaft über mehrere Jahre ausdehnt und von der sie immer noch nicht befreit sind. Zum allergrößten Teil handelt es sich um einen Zeitraum von beinahe sechs, sieben Jahren.
Wir bitten deshalb, bei der gestrigen Beschlußfassung zu verbleiben und die Anträge, die hier vom GB/BHE, von der DP und von der FDP vertreten worden sind, abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Meine Damen und Herren, nur ein paar Sätze! Bevor ich in dieses Haus einzog, habe ich der ehrenwerten Gilde der Großbetriebsprüfer angehört. Was Herr Dr. Conring hier ausgeführt hat, entspricht ja zum größten Teil nicht den wirklichen Verhältnissen.
Wenn die Finanzämter in der Lage wären, die Veranlagungen rechtzeitig durchzuführen und die Betriebsprüfungen, die notwendig sind, vorzunehmen, würde dem Anliegen des Kollegen Dr. Conring Rechnung getragen. Weil sie aber an chronischem Personalmangel und darunter leiden, daß wir in diesem Hause dauernd Gesetze verabschieden, die in sich so widerspruchsvoll sind wie das, was wir heute wieder vorhaben,
haben die Finanzverwaltungen gar nicht richtig arbeiten können.
Meine Damen und Herren, es ist doch so: wenn die Verjährungsfrist für Steuern auf dem Gebiete des Einkommens fünf Jahre ausmacht, können wir die Betriebsprüfung nicht auf drei Jahre beschränken, weil wir dann denjenigen, die auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen Steuer zahlen müssen, für zwei Jahre ein Steuergeschenk machen, wenn sie ihre Steuererklärungen nicht richtig gemacht haben. Darum muß dem Antrag des Kollegen Dr. Eckhardt entsprochen werden.
Keine weitere Wortmeldung mehr? — Dann können wir abstimmen, zunächst über den weitergehenden Antrag; das ist der Antrag Umdruck 265*) Ziffer 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es besteht keine Einigkeit über das Ergebnis. Vielleicht können wir uns, wenn wir die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen vornehmen, hier oben einigen. Ich bitte die, die für den Antrag sind, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Es besteht keine Einigkeit. Also, wir müssen durch Hammelsprung abstimmen.
Ich bitte die Türen zu schließen. — Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen. Dies ist das Ergebnis des Hammelsprungs: an der Abstimmung haben sich beteiligt noch 351 Mitglieder des Hauses;
davon haben mit Ja gestimmt 207, mit Nein 139, fünf haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag angenommen.
Dadurch entfällt die Abstimmung über Umdruck 251.
Wir kommen nunmehr zu Art. 13 a. Zur Begründung des Antrags 265 Ziffer 2 erteile ich das Wort dem Abgeordneten Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch ein Versehen — darüber besteht Einverständnis — ist dieser Antrag gestern nicht, wie es nötig gewesen wäre, als erster, sondern erst als zweiter zur Abstimmung gestellt worden. Ich erinnere Sie daran, daß es sich darum handelt, ein Gesetz, das Ende 1955 auslaufen soll, bereits Ende 1954 auslaufen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich bin in der Lage, hierzu die kürzeste Rede meines Lebens zu halten;
sie lautet nämlich: Treu und Glauben!
Ich glaube, daß es auf diese Rede wohl keine Replik geben wird.
Ich meine, wir können dann abstimmen. — Ach, der Herr Staatssekretär will zum Thema „Treu und Glauben" sprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, nur eine Zahl: 175 Millionen DM Ausfall! Es war Bestandteil des Kompromisses im Finanzausschuß.
*) Siehe Anlage 29.
Keine Wortmeldung mehr.
Damit kein Mißverständnis besteht: Wir stimmen ab über den Antrag Umdruck 265 Ziffer 2. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit ; der Antrag ist abgelehnt.
— Ja, Umdruck 263*) noch. Zur Begründung, Herr Abgeordneter Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben noch über Umdruck 263 abzustimmen. Er betrifft ebenfalls die ertragsteuerliche Regelung der Ausfuhrförderung. Der Wegfall der Gesamtrücklage beziffert sich auf rund 175 Millionen DM, wie der Herr Staatssekretär soeben ausgeführt hat. Der Antrag Umdruck 263 ist geboren, nein: nicht geboren, sondern entstand unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Er sieht zwar den Wegfall dieser Rücklage vor, aber gegen Gewährung eines Bonus. Der Bonus macht rund 15 Millionen DM aus. In den Ausgleich kommen also rund 150 Millionen DM. Ich bin überzeugt, daß die Annahme dieses Antrags bei Herrn Finanzminister Schäffer, dem nachher Herr Dr. Dresbach noch ein paar Worte widmen wird, zweifellos Freude und Genugtuung auslösen wird.
Ich bitte also, den Antrag Umdruck 263 anzunehmen.
Keine Wortmeldung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr sind, wenn ich mich nicht täusche, alle Anträge beschieden. Ich bitte die Damen und Herren, mir zu helfen und mir zu sagen, ob ich einen Ihrer Anträge nicht aufgerufen habe.
— Ich meine die Anträge; die Anträge sind alle aufgerufen.
Dann haben wir abzustimmen über das Gesetz im ganzen. Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Seuffert.
— Wozu wollen Sie das Wort?
— Die ist gegenstandslos geworden, ist erledigt. Bitte, Herr Seuffert!
*) Siehe Anlage 27.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Ihnen bereits angedeutet worden ist, haben Sie es der sozialdemokratischen Fraktion schon durch Ihren Beschluß über den Abzug von Parteispenden bei der Steuer unmöglich gemacht, diesem Gesetz zuzustimmen,
ein Beschluß, der unseres Erachtens weit über das Gebiet des Steuerrechts hinausgeht und in der Tat an die Grundlagen der Demokratie rührt.
Was den sachlichen Inhalt des Gesetzes sonst anlangt, so verkennen wir nicht die Verbesserungen, die die Regierungsvorlage auf dem langen Weg durch den Ausschuß und durch das Plenum erhalten hat. Wir glauben anerkennen zu müssen, daß wir diesmal in vielleicht höherem Maße als bei anderen Steuersenkungsdebatten auch die Mitarbeit und die Unterstützung von Kollegen anderer Fraktionen dieses Hauses für unsere Bestrebungen gefunden haben.
Leider ist nicht genug erreicht worden, um das Gesetz zu einem wirklich guten Gesetz zu machen. Es hat schwere Mängel. Der Hauptmangel ist die unseres Erachtens untragbar unsoziale, ungerechte und unwirtschaftliche Verteilung der Steuersenkungen, die beschlossen worden sind. Da wir auf eine Generaldebatte verzichtet haben, will ich keine Zeit dafür in Anspruch nehmen, das näher auszuführen. Einige Zahlen sind Ihnen ja bereits in der Debatte genannt worden. Ich verweise Sie im übrigen auf die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers in seinem offenen Brief im „Bulletin".
Ein weiterer entscheidender Mangel dieses Gesetzes ist, daß die steuerliche Behandlung der Arbeitnehmer und des Arbeitseinkommens überhaupt nach wie vor tief unbefriedigend bleiben, während sich in anderen Fragen Interessentenstandpunkte sehr massiv durchgesetzt haben.
— Das gilt auch für die Gruppe, die sich hier manchmal Mittelstand nennt.
Diese Mängel, meine Damen und Herren, hätten es uns auch nicht ermöglicht, dem Gesetz zuzustimmen, auch wenn Sie es durch Ihren abscheulichen Beschluß über die Parteispenden uns nicht ohnehin unmöglich gemacht hätten, diese Frage zu stellen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme dieses Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Wir haben noch über einige Entschließungen zu bestimmen, und zwar Entschließungen, über die wir abstimmen können, und Entschließungen, die wir verweisen müssen. Zunächst die Entschließungen, über die wir abstimmen können. Sie finden sie in der Ausschußvorlage unter Ziffern 2 und 3.
Wer für die Annahme dieser Entschließungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir haben nun Entschließungen, die im Laufe der zweiten und dritten Lesung vorgelegt worden sind. Ich will sie in Ziffern verlesen: Umdrucke 232*), 237**), 261***), 267****). Weitere Entschließungen liegen nicht vor.
— Sie wird mir eben gereicht. Noch 258*****). Es sind also fünf Entschließungen. In Umdruck 232 soll im zweiten Satz in der dritten Zeile das Wort „jedoch" gestrichen werden, wird mir eben gesagt. Diese Entschließungen sollen interfraktionellen Vereinbarungen gemäß dem Finanz- und Steuerausschuß überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Damit sind die Beratungen zu diesem Gesetz abgeschlossen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Dresbach zu einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Neuburger hat mich bereits angekündigt für ein Dankeswort an den abwesenden Bundesfinanzminister Schaffer. Ich habe es außerordentlich dankbar empfunden, daß gerade der Sprecher der Oppositionspartei, Herr Professor Dr. Gülich, heute so warme Worte für unseren kranken Kollegen Schäffer gefunden hat. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen, weil ich jetzt vom Kollegen Schäffer spreche. Ich darf auch Herrn Dr. Wellhausen herzlich für seine Worte danken.
Lieber Herr Wellhausen, darf ich aber an einiges anknüpfen. Sie sprachen vom „Männerstolz vor Königsthronen". Ich glaube, in den letzten Wochen gehörte mehr Mut dazu, sich für Schäffer einzusetzen, als dazu, Kritik an ihm zu üben.
Und manchmal hatte man in den letzten Wochen den Eindruck — nicht bei Ihnen, verehrter Herr Wellhausen, aber doch bei manchen Stimmen in der Öffentlichkeit —, als ob die Kenntnis der Arbeit Schäffers und auch die Kenntnis der Gesetzentwürfe recht gering sei.
Ich wurde manchmal an ein Wort Lessings erinnert: „Wer wird nicht einen Klopstock loben! Doch wird ihn jeder lesen? Nein!" Wer wird nicht über Schäffer schimpfen! Aber hat ihn jemand gelesen? Selten!
Meine Damen und Herren, dieser Schäffer ist ein Mann, der sich dem Parlament stellt, der nicht auf Festversammlungen und vor Kongregationen aller
*) Siehe Anlage 10.
**) Siehe Anlage 12.
***) Siehe Anlage 25. ****) Siehe Anlage 31. *****) Siehe Anlage 23.
Art deklamiert, sondern der in echter demokratischparlamentarischer Art diskutiert
und der seine Abmachungen nur mit dem Parlament treffen will.
Meine Damen und Herren, das Gekreisch mancher Verbände in den letzten Wochen gibt die wahre Stimmung nicht wieder, die im deutschen Volk über Schäffer herrscht.
Bei den kleinen Leuten — in meiner bergischen Heimat spricht man noch von den geringen Leuten —, die mich gewählt haben, gilt Schäffer als Wahrer der Währung.
Wenn man Leute aus der Wirtschaft spricht, die noch nicht in die Apparatur verstrickt sind, dann kann man die Stimme hören: Schäffer muß bleiben, er darf nicht gehen!
Wir haben in diesen Tagen vornehmlich Steuerpolitik getrieben. Vielleicht war es ein l'art pour l'art. Wir werden in den kommenden Tagen, besonders, wenn uns der Herr Staatssekretär die vollständige Verlustliste aufgemacht haben wird, den Blick wieder auf den Finanzbedarf und den Haushaltsausgleich richten müssen. Dann kommt Schäffers vornehmste, seine eigentliche Aufgabe. Dazu brauchen wir ihn wieder!
Meine Damen und Herren, dieser Schäffer wird niemals für sich in Anspruch nehmen, daß er eine Parsifal-Figur sei. Aber er ist ein wahrhafter Demokrat, er gehört zu uns, und deshalb möge er bald wieder gesund zu uns zurückkehren!
Meine Damen und Herren, wir müssen uns nun schlüssig werden, wie wir weiter verfahren. Wollen wir abbrechen
oder wollen wir noch erledigen, was zu erledigen wir uns vorgenommen hatten?
Ich glaube kaum, daß es möglich sein wird, bei unseren mutigen Entschlüssen von gestern und von heute vormittag zu bleiben. Ich schlage Ihnen vor, daß wir abbrechen und wieder zusammentreten am 8. Dezember. Das Haus ist einverstanden? —
Dann berufe ich die nächste, die 58. Sitzung des Bundestages ein auf den 8. Dezember, 9 Uhr vormittags. Tagesordnung: Die nicht erledigten Punkte und ,die vom Präsidenten nach Besprechung mit dem Ältestenrat weiter festzusetzenden Punkte. Ich schließe die 57. Sitzung des Bundestages.