Protokoll:
2055

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 55

  • date_rangeDatum: 16. November 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 20:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:23 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 55. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. November 1954 2663 55. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. November 1954. Geschäftliche Mitteilungen 2664 C, 2665 A, 2698 A Eintritt der Abg. Lotze und Blöcker in den Bundestag 2664 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Dr. Dresbach 2664 D Begrüßung der Abg. Frau Schroeder (Berlin) nach längerer Krankheit . . . 2669 D Änderung der Tagesordnung 2665 A Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 2665 A Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 88, 116, 120 und 121 (Drucksachen 645, 955; 873, 956; 912, 984; 923, 983) 2665 A Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung Z Nr. 1/53 betr. Preise für Zucker 2665 B Mitteilung über Vorlage des Berichts des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen über die Schritte der Bundesregierung betr. Beschlagnahme in Bremerhaven (Drucksache 970) 2665 B Mitteilung über Stellungnahme des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts über das Disziplinarverfahren gegen Dr. Werner von Bargen (Drucksache 985) 2665 B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) in Verbindung mit der Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und mit der Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 960, Umdruck 200) 2665 B, 2700 A Dr. Gülich (SPD): als Berichterstatter . . . . 2665 C, 2667 D Schriftlicher Bericht 2707 als Abgeordneter 2668 C Dr. Starke (FDP) 2668 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) . . 2668 C, 2669 B Abstimmungen 2667 D, 2669 C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 961, Umdrucke 199, 202, 207 bis 226) 2670 A, 2700 bis 2706, 2714 Dr. Lindrath (CDU/CSU): als Berichterstatter 2670 A Schriftlicher Bericht 2714 Dr. Wellhausen (FDP). . . 2672 C, 2677 B, 2679 D, 2680 D, 268.8 C, 2691 C, 2694 A Frenzel (SPD) 2672 D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 2673 C, 2675 A, D, 2677 A, 2678 D, 2679 C, 2680 D, 2681 B, 2686 A, 2688 A, 2690 A, 2692 D Seuffert (SPD): zur Sache 2674 B, 2675 C, 2676 B, 2681 C, 2682 D, 2684 B, C, 2688 D, 2690D, 2694 B zur Abstimmung 2684 B zur Geschäftsordnung 2686 C Neuburger (CDU/CSU) .. 2674 C, 2676 D, 2677 C, D, 2680 A, 2682 C, 2686 B, 2690 D Hauffe (SPD) 2674 D, 2675 A Eickhoff (DP) 2676 C, 2691 D Struve (CDU/CSU) 2678 B, 2679 A Dr. Miessner (FDP) . 2681 A, 2682 B, 2692 A Dr. Eckhardt (GB/BHE) 2682 A, 26.85 A, 2693 B Erler (SPD) 2683 B Dr. Dresbach (CDU/CSU) (zur Abstimmung) 2684 B Dr. Königswarter (SPD) 2684 D Gibbert (CDU/CSU) 2685 B Regling (SPD) 2687 A Dr. Schild (Düsseldorf) (DP) . . . 2687 D Günther (CDU/CSU) 2688 B Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . 2689 D, 2692 A Abstimmungen 2672 C, 2674 C, D, 2675 B, 2677 C, 2678 A, 2681 A, 2682 C, 2686 D, 2689 A, 2694 C Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 4 (Anlage 2) 2684 B, C, 2686 C, 2700 D, 2728 Unterbrechung der Beratung und der Sitzung 2694 C Weiterberatung vertagt 2698 A Wahl des Präsidenten: Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2665 A, 2694 D, 2695 B, 2697 B, C, D, 2698 A, B Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 2695 A Dr. Menzel (SPD) . . . . 2695 C, 2696 A, C Unterbrechung der Sitzung . . 2695 C, 2697 D, 2698 A Dr. Wellhausen (FDP) 2695 C Dr. Krone (CDU/CSU) 2695 D, 2696 C, 2697 B Dr. Reif (FDP) 2697 B D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) 2698 A Amtsübernahme und Ansprache des Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier 2698 C Nächste Sitzung 2698 A, 2700 C Anlage 1: Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, des GB/BHE u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Umdruck 200) 2700 A Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 202) 2700 B Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion der DP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 207) 2703 A Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der DP zum Entwurf eines Gesetzes zur' Neuordnung von Steuern (Umdruck 209) 2703 A Anlage 5: Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 210) 2703 B Anlage 6: Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 214) 2704 A Anlage 7: Änderungsantrag der Abg. Dr. Eckhardt u. Gen. zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Umdruck 210) zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 216) 2704 D Anlage 8: Änderungsantrag der Abg. Gibbert, Lahr u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 217) 2705 A Anlage 9: Änderungsantrag der Abg. Frau Dr. Ilk u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 218) 2705 B Anlage 10: Änderungsantrag der Abg. Gräfin Finckenstein u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 220) 2705 D Anlage 11: Änderungsantrag der Fraktion der DP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 221) 2706 A Anlage 12: Änderungsantrag der Abg. Dr. Miessner u. Gen. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 222) 2706 C Anlage 13: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über die Entwürfe von Gesetzen zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung, zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung und über den Finanzausgleich unter den Ländern (Drucksache 960) 2707 Anlage 14: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 961) 2714 Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über ,den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Streichung der Nummer 13 a des Art. 1 in Abschnitt I — Einkommensteuer — des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 202 Ziffer 4) 2728 Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 200 (Vgl. S. 2668 A) Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, GB/BHE und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz). (Drucksachen 960 Anlage III, 480 Anlage III) Der Bundestag wolle beschließen: 1. Im § 5 Abs. 5 werden zwischen den Worten „Absatz 1 bis 4" und „errechneten" die Worte „und nach § 6 Abs. 1 a" eingefügt. 2. Hinter § 6 Abs. 1 wird folgender neuer Absatz 1 a eingefügt: (1 a) Zur Abgeltung der Sonderbelastungen, die den Ländern Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Ostrandgebiet erwachsen, werden die nach § 5 Abs. 2 ermittelten Grundbeträge der Gewerbesteuer der Gemeinden im Ostrandgebiet um 20 vom Hundert gekürzt. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, welche Gemeinden zum Ostrandgebiet im Sinne dieser Vorschrift gehören. Bonn, den 12. November 1954 Dr. Dehler und Fraktion Strauß Höcherl Wacher (Hof) Bauer (Wasserburg) Demmelmeier Dr. Dittrich Dr. Franz Fuchs Funk Geiger (München) Dr. Gleissner (Munch.) Dr. Graf Dr. Horlacher Seiboth Haasler und Fraktion Kemmer (Bamberg) Frau Dr. Kuchtner Lang (München) Lermer Leukert Schütz Spies (Emmenhausen) Stiller Stücklen Wiedeck Wieninger Wittmann Anlage 2 Umdruck 202 (Vgl. S. 2672 D ff.) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: 1. In Nr. 3 wird folgender Buchstabe d angefügt: d) In Ziffer 7 sind die Worte „Für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit oder durch Freiheitsentzug" zu streichen und anzufügen: „Unberührt bleibt die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen, die aus Wiedergutmachungsgründen neu gegründet oder wieder begründet wurden." 2. In Nr. 8 b sind in § 7 c Abs. 3 nach dem Wort „Bauherrn" in Ziffer 2 die Worte „oder an ein Organ der staatlichen Wohnungspolitik" und in Ziffer 3 die Worte „oder dem Organ der staatlichen Wohnungspolitik" einzufügen. 3. In Nr. 12 Buchstabe b erhält § 10 Abs. 2 Ziffer 2 erster Halbsatz folgende Fassung: Bei Bausparverträgen (Absatz 1 Ziffer 3), bei denen das vertragliche Mindestsparguthaben durch eine Grundspareinlage oder durch freiwillige Mehrleistungen in den ersten zwei Jahren nach Vertragsbeschluß aufgebracht wird, wenn vor Ablauf von fünf Jahren seit Einzahlung des Mindestsparguthabens, außer im Falle des Todes des Bausparers, die Bausparsumme ganz oder zum Teil ausgezahlt wurde, geleistete Beiträge ganz oder zum Teil zurückgezahlt oder Ansprüche aus den Bausparverträgen beliehen werden; 4. Nr. 13 a wird gestrichen. 5. In Nr. 15 werden in § 10 d statt der Worte „Verluste der fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume" die Worte „Verluste der drei vorangegangenen Veranlagungszeiträume" eingesetzt. 6. Nach Nr. 17 wird folgende Nr. 17 a eingefügt: 17 a. Im § 19 Abs. 1 wird folgende Ziffer 3 angefügt: 3. Trinkgelder, die dem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, ohne daß ein Rechtsanspruch hierauf besteht. 7. Nach Nr. 19 ist folgende Nr. 19 a einzufügen: 19 a. Im § 26 ist folgender Absatz 3 anzufügen: (3) Einkünfte der Ehefrau aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit in einem dem Ehemann fremden Betrieb scheiden bei der Zusammenveranlagung aus. Auf Antrag sind entweder statt dessen die entsprechenden Einkünfte des Ehe- mannes bei der Veranlagung auszuscheiden oder es ist Zusammenveranlagung aller Einkünfte vorzunehmen. 8. In Nr. 22 wird der bisherige Wortlaut Buchstabe a und folgender Buchstabe b angefügt: b) § 32 erhält folgenden Absatz 5: (5) Auf Einkünfte, die nach § 26 Abs. 3 bei der Zusammenveranlagung ausgeschieden werden, ist Steuerklasse I anzuwenden. 9. Nach Nr. 24 ist folgende Nr. 24 a einzufügen: 24 a. Es wird folgender § 33 b eingefügt: § 33 b Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit ist von diesen Einkünften ein Freibetrag in Höhe von 5 vom Hundert dieser Einkünfte, mindestens jedoch 240 Deutsche Mark, höchstens 600 Deutsche Mark jährlich abzuziehen. 10. Nach Nr. 25 wird folgende Nr. 25 a eingefügt: 25 a. § 34 a erhält folgende Fassung: § 34,a Die gesetzlichen und tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-. und Nachtarbeit sind steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 7200 Deutsche Mark im Kalenderjahr nicht übersteigt. 11. In Nr. 26 erhalten Eingangssätze und Überschrift folgende Fassung: Es wird der folgende § 34 b eingefügt: § 34 b 12. In Nr. 27 wird der bisherige Wortlaut Buchstabe a und folgender Buchstabe b angefügt: b) In § 39 wird folgender Absatz 4 a angefügt: (4) Auf Einkünfte, die nach § 26 Abs. 3 bei der Zusammenveranlagung ausgeschieden werden, ist Steuerklasse I anzuwenden. 13. Nr. 28 wird gestrichen. 14. In Nr. 30 sind in § 46 Abs. 1 Ziffern 4 und 5 sowie Abs. 2 zu streichen. Abs. 1 Ziffer 6 Buchstabe a erhält folgende Fassung: a) zur Durchführung eines Antrages auf Zusammenveranlagung gemäß § 26 Abs. 3; 15. In Nr. 32 Buchstabe b wird zu § 51 Abs. 1 Ziffer 2 folgender Buchstabe h angefügt: h) nach denen Steuerpflichtige, die eine im besonderen Maße der minderbemittelten Bevölkerung dienende private Krankenanstalt betreiben, der Abnutzung unterliegende Wirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen dieser Anstalten gehören, in Höhe eines vom Hundertsatzes der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abschreiben können. 16. Zu Nr. 33: Die lfd. Nrn. 1 bis 97 der Anlage 1 (zu § 32) — Einkommensteuertabelle — werden durch die lfd. Nrn. 1 bis 86 laut Anlage ersetzt. Die lfd. Nrn. 1 bis 97 der Anlage 2 (zu § 39) — Jahreslohnsteuertabelle — werden durch die lfd. Nrn. 1 bis 86 laut Anlage ersetzt, nachdem die Einkommensbeträge durch die um 936,— DM bzw. 936,99 DM höheren Jahreslöhne ersetzt worden sind. Die Anlage 1 (zu § 32) und die Anlage 2 (zu § 39) erhalten von der lfd. Nr. 98 ab die Fassung der Drucksache 961. Zu Abschnitt V - Erbschaftsteuer: 17. In Art. 10 werden die Nrn. 1 und 1 a gestrichen. Bonn, den 15. November 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage zu Umdruck 202 Lfd. Nr. Einkommen Die Einkommensteuer beträgt in Steuerklasse DM I II III DM bei Kinderermäßigung für 1 Kind 2 Kinder DM DM DM 1 2 3 4 5 6 1 901-1500 2 1501--1550 2 3 1551-1600 10 4 1601-1650 18 5 1651-1700 26 6 1701-1750 34 7 1751-1800 42 8 1801-1850 50 9 1851-1900 58 10 1901--1950 67 11 1951-2000 76 12 2001-2050 85 13 2051-2100 94 14 2101-2150 103 15 2151-2200 112 16 2201-2250 121 17 2251-2300 130 18 2301-2350 139 19 2351-2400 148 Lfd. Nr. Einkommen 4451-4500 Die Einkommensteuer beträgt in Steuerklasse für 1 DM I II III 2 Kinder 20 2 DM DM bei Kinderermäßigung DM 21 2401-2450 2451-2500 2501-2550 2551-2600 2601-2650 2651-2700 2701-2750 2751-2800 2801-2850 2851--2900 2901-2950 2951-3000 3001-3050 3051-3100 3101-3150 3151-3200 3201-3250 3251-3300 3301-3350 3351-3400 3401-3450 3451-3500 3501-3550 3551-3600 3601-3650 3651--3700 3701-3750 3751-3800 3801--3850 3851-3900 3901-3950 3951-4000 4001-4050 4051-4100 4101-4150 4151-4200 4201-4250 4251-4300 4301-4350 4351--4400 4401-4450 3 4 1 Kind 6 22 4501-4550 4551-4600 4601-4650 4651-4700 4701-4750 4751-4800 4801-4850 4851-4900 4901-4950 4951-5000 5001-5050 5051-5100 5101-5150 5151-5200 5201-5250 5251-5300 5301-5350 5351-5400 5401-5450 5451-5500 5501-5550 5551-5600 5601-5e650 5651-5700 5701-5750 157 166 175 184 193 202 211 220 229 238 247 256 265 274 283 292 301 310 319 328 337 346 355 364 373 382 391 401 410 419 428 438 447 456 466 476 484 494 503 513 523 533 543 553 563 573 582 592 602 612 622 633 643 653 664 674 684 694 705 716 726 737 748 758 768 779 790 2 10 18 26 34 42 50 DM 5 8 16 24 32 40 48 56 65 74 4 12 20 28 36 44 52 61 70 79 88 97 106 115 124 133 142 151 160 169 188 187 196 205 214 223 232 241 250 259 268 277 286 295 304 313 322 331 23 58 67 76 85 94 103 112 121 130 139 148 157 166 175 184 193 202 211 220 229 238 247 256 265 274 283 292 301 310 319 328 337 346 355 364 373 382 391 401 410 419 428 438 447 456 466 476 484 494 503 513 523 533 543 553 563 573 582 592 602 83 24 92 25 101 110 119 128 137 146 155 164 173 182 191 200 209 218 227 236 245 254 263 272 281 290 299 308 317 326 335 344 353 362 370 379 388 398 406 415 424 434 443 452 462 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 Anlage zu Umdruck 202 Für jedes weitere Kind, für das dem Steuerpflichtigen Kinderermäßigung zusteht oder gewährt wird, sind vom Einkommen 1440 DM abzuziehen. Der Steuerbetrag ist dann in Spalte 6 abzulesen. Anlage 3 Umdruck 207 (Vgl. S. 2689 B.) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Im Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1 wird nach Nr. 19 folgende Nr. 19 a eingefügt: 19 a. § 26 erhält folgende Fassung: § 26 Ehegatten werden, sofern sie nicht getrennte Veranlagung beantragen, zusammen veranlagt, solange beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht getrennt leben. Bonn, den 15. November 1954 Dr. Elbrächter Matthes Dr. Schild (Düsseldorf) Dr. von Merkatz und Fraktion Anlage 4 Umdruck 209 (Vgl. S. 2676 C.) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1 In Nr. 12 Buchstabe d erhält § 10 Abs. 3 Ziffer 3 Buchstabe b folgende Fassung: b) bei Steuerpflichtigen, die mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums das 50. Lebensjahr vollendet haben, erhöhen sich die im Buchstaben a bezeichneten Beträge von je 800 Deutsche Mark auf je 1600 Deutsche Mark und von je 500 Deutsche Mark auf je 1000 Deutsche Mark, wenn in dem Einkommen überwiegend Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus nichtselbständiger Arbeit enthalten sind oder wenn das steuerpflichtige Einkommen, das sich zu Beginn des Veranlagungszeitraums auf Grund der letzten Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen ergibt, 50 000 Deutsche Mark nicht übersteigt. Das gilt nicht bei Steuerpflichtigen, die nach dem 31. Dezember 1957 das 50. Lebensjahr vollenden; Bonn, den 15. November 1954 Eickhoff Dr. von Merkatz und Fraktion Anlage 5 Umdruck 210 (Vgl. S. 2682 C.) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1. 1. In Nr. 11 wird im § 9 a der Abs. 2 gestrichen. 2. In Nr. 14 wird im § 10c der Abs. 2 gestrichen. 3. Es wird die folgende Nr. 19 a eingefügt: 19 a. In § 26 wird folgender Absatz 3 angefügt: (3) Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Ziff. 3) und aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Ziff. 4) der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb scheiden bei der Zusammenveranlagung aus. Die Ehegatten können innerhalb einer durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Frist die Einbeziehung dieser Einkünfte in die Zusammenveranlagung beantragen. 4. Es wird folgende Nr. 22a eingefügt: 22 a. Es wird der folgende § 32 a eingefügt: § 32a Besteuerung von Ehefrauen (1) Ehefrauen, die nach § 26 Abs. 3 Satz 1 veranlagt werden, fallen, abweichend von § 32, in die Steuerklasse I. (2) Durch Rechtsverordnung kann zugelassen werden, daß auf Antrag der Ehegatten der Ehemann nach Steuerklasse I und die Ehefrau nach der Steuerklasse, die nach § 32 Abs. 3 und 4 maßgebend ist, besteuert werden. Dabei kann die Nachforderung der beim Ehemann sich ergebenden Mehrsteuer geregelt werden. 5. Die bisherige Nr. 22 a wird Nr. 22 b; die durch die nunmehrige Nr. 22 b eingefügte Vorschrift erhält die Bezeichnung „§ 32 b". 6. In Nr. 28 werden im § 39 a Abs. 2 Ziffer 1 die Worte „wenn beide Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen" gestrichen. 7. In Nr. 30 wird § 46 wie folgt geändert: a) Im Abs. 1 aa) erhält der Eingangssatz folgende Fassung: Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstänständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird, unbeschadet der Vorschriften des § 26, eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt, bb) wird die Nr. 4 gestrichen, cc) erhält die Nr. 6 die folgende Fassung: 6. wenn die Veranlagung beantragt wird a) zur Anwendung der Vorschriften des § 34; b) Zur Berücksichtigung von Verlusten aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit; c) Zur Anrechnung von anderen Steuerabzügen als dem Steuerabzug vom Arbeitslohn auf die Steuerschuld. b) Abs. 2 erhält die folgende Fassung: (2) Im Fall des Absatzes 1 Ziffer 3 gilt das folgende: 1. Bei der Veranlagung bleiben Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, außer Betracht, wenn sie 600 Deutsche Mark nicht übersteigen. 2. Die Veranlagung unterbleibt, wenn die Einkünfte aus dem zweiten und weiteren Dienstverhältnis 600 Deutsche Mark nicht übersteigen. c) In Abs. 4 werden die Worte „Absatzes 1 Ziffern 2 bis 4" ersetzt durch die Worte „Absatzes 1 Ziffern 2 und 3". Bonn, den 16. November 1954 Neuburger Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Wellhausen und Fraktion Eickhoff Dr. von Merkatz und Fraktion Anlage 6 Umdruck 214 (Vgl. S. 2674 C.) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: In Nr. 8 wird nach Buchstabe a der folgende neue Buchstabe a' eingefügt: a1) Dem Absatz 1 wird folgender Satz 3 angefügt: Sie kann in gleichen Jahresbeträgen oder auch nach dem jeweiligen letzten Buchwert unter Zugrundelegung eines unveränderlichen Hundertsatzes nach Wahl des Steuerpflichtigen bemessen werden. Bonn, den 16. November 1954 Dr. v. Brentano und Fraktion Frau ,Ackermann Bauereisen Bausch Dr. Bergmeyer von Bodelschwingh Brese brookmann (Kiel) Dr. Brönner Dr. von Buchka Dr. Conring Demmelmeier Diedrichsen Dr. Dittrich Dollinger Engelbrecht-Greve Gengler Dr. Glasmeyer Goldhagen Günther Dr. Hellwig Höcherl Holla Dr. Horlacher Frau Dr. Jochmus Karpf Dr. Kleindinst Knobloch Kortmann Dr. Leiske Lenze (Attendorn) Lermer Leonhard Dr. Lindrath Lulay Mensing Meyer (Oppertshofen) Meyer-Ronnenberg Morgenthaler Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Dr. Pferdmenges Pohle (Düsseldorf) Frau Dr. Praetorius Frau Dr. Probst Raestrup Rasner Richarts Frau Rösch Scharnberg Schrader Dr.-Ing. E. h. Schuberth Schuler Schulze-Pellengahr Schütz Schwarz Dr. Serres Siebel Schlick Struve Stücklen Unertl Wacher (Hof) Wacker (Buchen) Dr. Weber (Koblenz) Wiedeck Wieninger Dr. Willeke Wittmann Dr. Wellhausen und Fraktion Dr. Eckhardt Haasler und Fraktion Eickhoff Dr. v. Merkatz und Fraktion Anlage 7 Umdruck 216 (Vgl. S. 2689 B.) Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt und Genossen zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Umdruck 210) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: Nr. 3 des Änderungsantrags — Umdruck 210 — erhält folgende Fassung: 3. Es wird die folgende Nr. 19 a eingefügt: 19 a. In § 26 wird folgender Absatz 3 angefügt: (3) Einkünfte ,aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Ziffer 3) und aus nicht selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Ziffer 4) der Ehegatten in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb scheiden bei der Zusammenveranlagung aus. Die Ehegatten können innerhalb einer durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Frist die Einbeziehung dieser Einkünfte in die Zusammenveranlagung beantragen. Bonn, den 16. November 1954 Dr. Eckhardt Raestrup Dr. Miessner Dr. Schneider (Lollar) Samwer Ruf Frau Finselberger Dr. Wellhausen Eickhoff Eberhard Dr. Lindrath Körner Kraft Dr. Gille Dr. Sornick Dr. Klötzer Gemein Kutschera Anlage 8 Umdruck 217 (Vgl. S. 2685 B.) Änderungsantrag der Abgeordneten Gibbert, Lahr und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: In Nr. 15 erhält § 10 d folgenden Zusatz: Das gleiche gilt für die nicht buchführenden Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Weinbau nach § 4 Abs. 1 auf Grund eines beschränkten Vermögensvergleichs ermitteln. Bonn, den 16. November 1954 Gibbert Frau Ackermann Becker (Pirmasens) Frau Dr. Bleyler (Freiburg) Dr. Czaja Frau Dietz Franzen Häussler Frau Dr. Jochmus Josten Knobloch Dr. Lenz (Godesberg) Leonhard Mayer (Birkenfeld) Menke Morgenthaler Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Richarts Schlick Dr. Serres Stauch Struve Dr. Weber (Koblenz) Lahr Dannemann Eberhard Anlage 9 Umdruck 218 (Vgl. S. 2689 B.) Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: 1. Es wird folgende Ziffer 19 a eingefügt: 19a. In § 26 werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt: (3) Bei der Zusammenveranlagung scheiden auf Antrag eines Ehegatten aus 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb, die dieser Ehegatte in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb bezieht, 2. Einkünfte dieses Ehegatten aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb. Von diesem Antragsrecht kann nur e i n Ehegatte Gebrauch machen. (4) Bezieht ein Ehegatte Einkünfte der in Absatz 3 erwähnten Art und ist der andere Ehegatte bei ihm mithelfend tätig, so können für den Mithelfenden 20 vom Hundert der Einkünfte gemäß Absatz 3, höchstens aber 2000 DM, abgezogen werden. Der abgesetzte Betrag ist von dem mithelfenden Ehegatten zu versteuern. 2. Es wird folgende Ziffer 22 a eingefügt: 22a. Es wird der folgende § 32 a eingefügt: § 32 a Steuerklassen bei getrennter Besteuerung von Ehegatten In den Fällen des § 26 Abs. 3 und 4 fallen abweichend von § 32 bei Ehegatten, denen Kinderermäßigung zusteht oder auf Antrag gewährt wird, nach Wahl der Ehegatten der eine in die Steuerklasse I, der andere in die nach § 32 Abs. 3 und 4 maßgebende Steuerklasse. In den übrigen Fällen gehören beide Ehegatten in Steuerklasse I. Bonn, den 16. November 1954 Frau Dr. Ilk Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Eberhard Dr. Bucher Held Anlage 10 Umdruck 220 (Vgl. S. 2689 C.) Änderungsantrag der Abgeordneten Gräfin Finckenstein und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: Die folgende Nr. 22 b wird eingefügt: 22b. Hinter § 32 a wird folgender § 32 b eingefügt: § 32 b Bei zusammenveranlagten Ehegatten werden in dem Neuordnungszeitraum der Eheschließung und in den vier folgenden Veranlagungszeiträumen 20 vom Hundert des Einkommens vor Anwen- dung der Einkommensteuertabelle abgezogen, höchstens jedoch ein Betrag von 2000 Deutsche Mark. Bonn, den 16. November 1954 Gräfin Finckenstein Frau Finselberger Dr. Strosche Frau Beyer (Frankfurt) Frau Bennemann Frau Albrecht Frau Korspeter Frau Dr. Hubert Frau Meyer (Dortmund) Dr. Eckhardt Frau Schroeder (Berlin) Körner Dr. Sornik Frau Dr. Ilk Bender Anlage 11 Umdruck 221 (Vgl. S. 2687 D.) Änderungsantrag der Fraktion der DP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: Hinter Nr. 17 wird folgende Nr. 17 a eingefügt: 17a. Dem § 19 Abs. 1 Ziffer 1 ist folgender Satz anzufügen: Trinkgelder, soweit sie nicht auf tarif- vertraglichen Ansprüchen beruhen, gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Bonn, den 16. November 1954 Dr. Schild (Düsseldorf) Dr. von Merkatz und Fraktion Anlage 12 Umdruck 222 (Vgl. S. 2681 A.) Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Miessner, Pelster, Krammig, Dr. Eckhardt, Eickhoff und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksachen 961, 481). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1: In Nr. 10 Buchstabe b erhält § 9 Ziffer 4 letzter Halbsatz folgende Fassung: Absetzungen für Abnutzung sind dabei zu berücksichtigen. Bonn, den 16. November 1954 Dr. Miessner Pelster Krammig Dr. Eckhardt Eickhoff Kühn (Bonn) Hübner Anlage 13 Drucksache 960 (Vgl. S. 2665 C.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über I. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) II. den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) III. den Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gülich Die in der Drucksache 480 zusammengefaßten Vorlagen der Bundesregierung zur Finanzreform wurden nach der 1. Beratung in der 29. Sitzung des Bundestages am 20. Mai 1954 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zur Mitberatung der ihre Arbeit berührenden Teile überwiesen. Angesichts der umfassenden Materie hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einen Unterausschuß (Vorsitzender: Abg. Dr. Gülich) und in Verbindung mit dem Ausschuß für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen einen gemeinsamen Unterausschuß für die Beratung von § 4 des Finanzanpassungsgesetzentwurfes (Vorsitzender: Abg. Pohle [Eckernförde]) eingesetzt. FINANZVERFASSUNGSGESETZ Das Kernstück der Finanzreformvorlage der Bundesregierung ist der Entwurf zum Finanzverfassungsgesetz. Er enthält die verfassungsrechtliche Neuregelung der Ertragshoheit über die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern, die nach Artikel 107 GG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. April 1953 (BGBl. I S. 130) bis zum 31. Dezember 1954 vorgenommen werden soll. Der Gesetzentwurf enthält über die Steuerverteilung hinaus Grundsätze über die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern, die als Voraussetzung für die durch Artikel 107 GG geforderte Steuerverteilung entsprechend den beiderseitigen Aufgaben in die Verfassung übernommen werden müssen, sowie eine durch die Neuverteilung erforderlich werdende Neufassung der verfassungsrechtlichen Grundlagen über den Finanzausgleich unter den Ländern. Der Ausschuß hat zunächst die Frage geprüft, ob eine Neuordnung der Finanzverfassung überhaupt notwendig ist. Formal betrachtet enthält Art. 107 GG nur eine Sollvorschrift, aber materiell betrachtet ist es nicht zweifelhaft, daß ,der Grundgesetzgeber von der Unzulänglichkeit der Finanzverfassung selbst überzeugt war und deshalb die Bestimmung 'des Art. 1.07 GG geschaffen hat. Auch die Bestimmung des Art. 107 GG, daß die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 erfolgen sollte, beweist, daß dem Grundgesetzgeber die alsbaldige endgültige Neuverteilung dringlich erschien. Für den Ausschuß war entscheidend, daß die bisherige Labilität der Finanzverfassung auf den Gebieten der Steuer- und Lastenverteilung und des Finanzausgleichs eine vorausschauende und wirtschaftliche Finanzplanung sowohl des Bundes als auch der Länder in der Vergangenheit erschwert hat. Von Jahr zu Jahr wurden die Schwierigkeiten deutlicher, und zwar so deutlich, daß die ständigen Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Ländern und der Länder untereinander die föderative Struktur der Bundesrepublik in einem auf die Dauer unerwünschten Ausmaß belastet haben. Zwar wurden auch Stimmen laut, die wegen der Unübersichtlichkeit der künftigen finanzwirtschaftlichen Entwicklung den Zeitpunkt für eine Reform der Finanzverfassung noch nicht gegeben sahen. Nachdem die gesetzgebenden Körperschaften 1952 den Termin im Art. 107 GG vom 31. Dezember 1952 auf den 31. Dezember 1954 geändert haben, kam der Ausschuß bei eingehender Würdigung aller Gründe zu dem Ergebnis, eine nochmalige Verschiebung des in Art. 107 GG vorgesehenen Termins abzulehnen. Abgesehen davon, daß die politische Entwicklung eines Staates dauernd im Fluß bleibt, kann beim gegenwärtigen Zustand unserer Finanzverfassung die Stabilität, die eine endgültige und dauernde Lasten- und Einnahmeverteilung zwischen den verschiedenen Trägern der öffentlichen Aufgaben ermöglicht, auch in absehbarer Zeit nicht erwartet werden. Die offenbaren volkswirtschaftlichen Nachteile und die politischen Gefahren der gegenwärtigen Finanzverfassung haben den Ausschuß bewogen, sich für die Durchführung der Finanzreform im gegenwärtigen Zeitpunkt einzusetzen und den Unsicherheitsfaktoren, die einer Dauerregelung des vertikalen Finanzausgleichs entgegenstehen, durch eine hinreichend elastische Lösung des Finanzverfassungsproblems Rechnung zu tragen. (Dr. Gülich) Das von der Bundesregierung für eine sofortige Verabschiedung der Finanzreform geltend gemachte zusätzliche Argument, die Steuerreform stehe in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit der Finanzreform, hat der Ausschuß nicht anerkannt; er sieht zwischen den beiden Gesetzgebungswerken zwar einen sachlichen Zusammenhang, aber kein zwangsläufiges Junktim. Verfassungsrechtlich hatte der Ausschuß die Vorfrage zu klären, ob das Gesetz nach Art. 107 GG Verfassungskraft erhält oder nicht. Der Ausschuß schließt sich in dieser Frage der Auffassung der Bundesregierung und des Bundesrates an. Danach wird die Neuordnung Bestandteil des Grundgesetzes, weil Art. 107 GG als ein Auftrag des Grundgesetzgebers angesehen werden muß, nachträglich eine Lücke in der Verfassung zu schließen, nachdem eine bessere Übersicht über die finanzwirtschaftliche Gesamtlage möglich geworden ist. Das Finanzverfassungsgesetz soll die Grundlage für die Anpassung der Einnahmen von Bund und Ländern an den beiderseitigen Finanzbedarf schaffen. Im Gegensatz zu der Bundesregierung vertritt der Ausschuß die Auffassung, daß über die Zuweisung der einzelnen Steuern ausschließlich nach finanzwirtschaftlichen und steuersystematischen Gesichtspunkten entschieden werden muß. Während die Bundesregierung darauf verzichtet, gewisse zur Zeit den Ländern zustehende Steuern mit überregionalem Charakter dem Bunde als dem gegebenen Hoheitsträger zuzuweisen, empfiehlt der Finanzausschuß, die Bereinigung im Rahmen der Finanzreform vorzunehmen, soweit dies jetzt möglich erscheint. Dabei geht er davon aus, daß durch die Steuerverlagerung die angemessene Finanzausstattung der Länder nicht in Frage gestellt werden darf, sondern bei der Festsetzung ihrer Anteile an der Einkommen- und Körperschaftsteuer berücksichtigt werden muß. Dementsprechend schlägt der Ausschuß vor, daß mit dem 1. April 1955 folgende Steuern auf den Bund übergehen: Die Vermögensteuer (deren Aufkommen bereits jetzt überwiegend dem Bunde für Zwecke des Lastenausgleichsfonds zur Verfügung steht), die Erbschaftsteuer, die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer, die Wechselsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer. Diese Steuern sind vor Jahrzehnten zu Reichssteuern erklärt worden, weil ihr Aufkommen — und dieses Argument gilt heute unvermindert — sich nicht ausschließlich auf die Wirtschaftskraft eines Landes zurückführen läßt, sondern überwiegend ein Ergebnis gesamtstaatlicher wirtschaftlicher Aktivität ist. Für die Übertragung der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund war für den Ausschuß die Erwägung maßgebend, daß die g es a m t e Besteuerung des Kraftverkehrs — also die Kraftfahrzeugsteuer und die Mineralölsteuer — bei einem Hoheitsträger konzentriert werden sollte. Damit wird dem Gesetzgeber bei der künftigen Besteuerung des gesamten Kraftverkehrs die Möglichkeit gegeben, ausschließlich unter sachlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, ohne zur Rücksichtnahme auf die dadurch verursachten Einnahmeverschiebungen zwischen Bund und Ländern gezwungen zu sein. Durch die vom Ausschuß empfohlene Verlagerung von bisherigen Landessteuern auf den Bund vermindert sich das Finanzvolumen der Ländergesamtheit ohne Berlin um etwa 1100 Millionen DM. Ihr wird eine Verminderung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer um rd. 10,5 v. H. entsprechen müssen. Als wichtige Ergänzung des Bundessteuersystems hat der Ausschuß die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer grundsätzlich bejaht, ohne damit zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und gegebenenfalls wann der Bund von diesem selbständigen Besteuerungsrecht Gebrauch machen soll. Hingegen lehnt der Ausschuß — trotz Würdigung der Gründe, die für eine Verstärkung der Finanzverantwortung der Länder sprechen — das vom Bundesrat geforderte selbständige Zuschlagsrecht der Länder zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ab. Ein Zuschlagsrecht der Länder müßte je nach ihrer Finanzkraft von den Ländern verschieden gehandhabt werden und würde mithin die ohnehin krassen Unterschiede in der Finanzkraft der Länder verstärken. Zudem verbietet die Funktion der Einkommen- und Körperschaftsteuer in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet regional verschieden wirkende Steuerbelastungen. Nach den Vorschlägen des Ausschusses bleiben den Ländern von den Verkehrsteuern die Rennwettsteuer, die Lotteriesteuer, die Sportwettsteuer und die Abgabe von Spielbanken; ferner die bisher ihnen bereits zustehende Biersteuer, die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. Da durch die Spielbankenabgabe gegenwärtig zugleich die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer abgegolten werden, steht dem Bund ein Anspruch auf Beteiligung an dem Aufkommen zu. Dem Entwurf zum Finanzverfassungsgesetz ist ein entsprechender Vorbehalt zugunsten des Bundes eingefügt worden. Die Höhe der Bundesbeteiligung soll einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern überlassen werden. Für künftig einzuführende Steuern hält der Ausschuß abweichend vom Bundesrat eine grundsätzliche Verteilungsvorschrift für erforderlich, da andernfalls das Steuerverteilungsgesetz unvollständig wäre. Der Ausschuß schlägt vor, die be- treffende Bestimmung neu zu fassen, was jedoch gegenüber der Regierungsvorlage keine materielle Änderung bedeutet. Die bisher aufgeführten Steuern werden verfassungskräftig nach dem Trennsystem auf Bund und Länder aufgeteilt. In der Festlegung gemeinschaftlicher Steuern ist der Finanzausschuß der Konzeption der Regierungsvorlage gefolgt, nach der die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch in Zukunft das einzige bewegliche Element in der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern bleiben soll. Er hat die Erwägung der Bundesregierung, auch die Umsatzsteuer zu einer gemeinschaftlichen Steuer zu erklären, gründlich erörtert, jedoch nicht bejaht, weil er überzeugt ist, daß diese Steuer als wichtiges Instrument der allgemeinen Finanz- und Wirtschaftspolitik ungeteilt dem Bund zur Verfügung stehen sollte. Auch den Vorschlag des Bundesrates, die Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Landessteuer zu erklären und dem Bund nur einen Beteiligungsanspruch gegen die Länder einzuräumen, hat der Ausschuß verworfen; er begründet seine Entscheidung mit der finanzwirtschaftlichen Funktion (Dr. Gülich) dieser großen Steuern. Er hat aber, um den Wünschen der Länder entgegenzukommen, davon abgesehen, die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Gesetz ausdrücklich als „gemeinschaftliche Steuer" zu kennzeichnen. Die Einkommen- und Körperschaftsteuer erfüllt die Funktion, die Einnahmen von Bund und Ländern ihrem Finanzbedarf anzupassen. Die Regierungsvorlage sieht 40 v. H. des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugunsten des Bundes und 60 v. H. zugunsten der Länder vor. Der Ausschuß hält eine verfassungskräftige starre Festlegung der Beteiligungsquoten bei gleichzeitiger Revisionsmöglichkeit für widerspruchsvoll. Er schlägt vor, in der Verfassung verbindliche Grundsätze für die künftige Bemessung des Beteiligungsverhältnisses zu normieren, die quantitative Verteilung von Einkommen- und Körperschaftsteuer jedoch der e i n f a c h e n Bundesgesetzgebung zu überlassen. Dabei ist sich der Ausschuß darüber klar, daß diese Grundsätze schwer zu fassen sind und nicht zu einem mathematisch exakten Steuerverteilungsergebnis führen können. Das Grundgesetz — letzter Satz von Art. 107 — ist offensichtlich unklar formuliert: „Hierbei ist jedem Teil ein gesetzlicher Anspruch auf bestimmte Steuern und Steueranteile entsprechend seinen Aufgaben einzuräumen". Dieser Satz spricht von „bestimmten" Anteilen und setzt das Wort „bestimmt" in Beziehung zu einem veränderlichen Tatbestand, nämlich dem finanziellen Gewicht der jeweiligen Aufgaben. Da das Wort „bestimmt" dem nicht gerecht wird, kann es sinnvoll nur als b e s t i m m b a r interpretiert werden. Der erste dieser Grundsätze ermöglicht es, die Steuerverteilung der Aufgabenverteilung anzupassen, indem die Aufgaben zu den damit verbundenen Ausgaben in feste Beziehung gesetzt werden. Der zweite Grundsatz bezieht sich auf das Prinzip der finanziellen Gleichberechtigung von Bund und Ländern; beide haben den gleichen Anspruch auf Deckung ihres Steuerbedarfs. Dieser Grundsatz soll den Bund gegen finanzielle Überforderungen der Länder und die Länder gegen finanzielle Überforderungen des Bundes schützen. Der dritte Grundsatz soll gewährleisten, daß der Finanzausgleichspartner, zu dessen Lasten eine Bedarfsverlagerung eingetreten ist, nicht ausschließlich oder vorwiegend auf die Möglichkeit verwiesen werden kann, zum Ausgleich seines Mehrbedarfs zusätzliche Steuereinnahmen zu erschließen. Es soll in jedem Fall geprüft werden, ob der Mehrbedarf durch Einnahmeverlagerungen innerhalb der öffentlichen Gesamtverwaltung ausgeglichen werden kann. Dahinter steht das Bestreben, die beteiligten Gebietskörperschaften nur im Ausmaß ihres Bedarfs und nach dem Maßstab der relativen Dringlichkeit des Bedarfs mit Steuermitteln auszustatten und sie damit zu wirtschaftlicher Haushaltsführung anzuhalten. Der Ausschuß schlägt eine Sperrklausel vor, damit eine Neufestsetzung der Anteile nicht jedes Jahr vorgenommen werden kann; er hatte zunächst beschlossen, diese Frist auf zwei Jahre zu begrenzen. Er hat sich jedoch in seinen weiteren Beratungen — aus dem Bestreben heraus, den Ländern die Annahme seiner Vorschläge so leicht wie möglich zu machen — einem Vorschlag der Finanzminister der Länder angeschlossen, die Frist auf drei Jahre zu verlängern in der Erwartung, daß damit der vertikale Finanzausgleich eher stabilisiert werden kann. Diese Sperrklausel soll nicht gelten, wenn den Ländern durch ein Bundesgesetz in erheblichem Umfang Mehrausgaben aufgebürdet oder Einnahmen entzogen werden. Diese Schutzvorschrift erhebt den Grundsatz des § 54 des Reichsfinanzausgleichsgesetzes erstmals zur Verfassungsnorm. Der Ausschuß hat in diesem Zusammenhang die Heranziehung neutraler Sachverständiger zur Klärung der finanzwirtschaftlichen Tatbestände, die für die Bemessung der Beteiligungsquoten an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von Bedeutung sind, erörtert und es für notwendig erachtet, dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung die Möglichkeit zu eröffnen, bei Bedarf Finanzgutachten von einem besonderen Gremium, das sich aus Vertretern der obersten Rechnungsprüfungsbehörden des Bundes und der Länder zusammensetzt, anzufordern. Für die hierzu erforderliche gesetzliche Regelung eignet sich jedoch das Finanzverfassungsgesetz nicht. Der Ausschuß erwartet, daß die Bundesregierung zu gegebener Zeit die Voraussetzungen für die Anforderung solcher Gutachten schafft. Den Vorschlag des Bundesrates, auf die Revisionsklausel zu verzichten und allein zugunsten der Länder eine Änderung des Beteiligungsverhältnisses zuzulassen, hat der Finanzausschuß abgelehnt. Da die Ansprüche des Bundes und der Länder einander gleichberechtigt gegenüber stehen, muß das System grundsätzlich auch nach beiden Seiten beweglich sein. Die Erstarrung der Betelligungsquoten bei Verzicht auf eine Revisionsklausel zugunsten des Bundes würde eine künftig notwendig werdende Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von einer Änderung der Verfassung abhängig machen und den Bund zwingen können, zur Deckung seines zusätzlichen Finanzbedarfs die Steuerlast auch in solchen Fällen zu erhöhen, in denen die Gesamtentwicklung des öffentlichen Finanzbedarfs eine Erhöhung der Steuern nicht erforderlich macht. Die Vorlage der Bundesregierung enthält Vorschriften für die Gestaltung des Finanzausgleichs zugunsten der leistungsschwachen Länder durch unmittelbare Finanzzuweisungen des Bundes oder durch eine Verbindung dieses Systems mit dem des horizontalen Finanzausgleichs. Der Ausschuß hält auch den Vorbehalt unmittelbarer Bundeszuweisungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs für notwendig. Er empfiehlt, die verfassungsrechtliche Regelung der Grundlagen des Finanzausgleichs im wesentlichen nach der Regierungsvorlage zu beschließen, d. h. nicht, wie vom Bundesrat befürwortet, die Finanzausgleichsmethode verfassungsrechtlich festzulegen, sondern die Einzelregelung einem Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, vorzubehalten. Die Regierungsvorlage sah auch die Möglichkeit vor, daß zur Erzielung des Finanzausgleichs unter den Ländern die den Ländern zustehenden Steuern nach einem anderen Maßstab als dem des örtlichen Aufkommens verteilt werden. Der Ausschuß schlägt die Streichung dieser Vorschrift vor, weil es zweifelhaft sein kann, ob eine solche Regelung mit der Steuerertragshoheit der Länder ver- (Dr. Gülich) einbar und ob sie für die Durchführung eines wirk- samen Finanzausgleichs notwendig ist; er hat damit einem dringenden Wunsch der Länder entsprochen. Redaktionell schlägt der Ausschuß — nach Prüfung durch ein Redaktionskomitee (Dr. Dresbach, Dr. Gülich)— vor, den Text des Finanzverfassungsgesetzes in den bisherigen Rahmen der Grundgesetzartikel dergestalt einzufügen, daß die Bestimmungen über den vertikalen Finanzausgleich in einem, und zwar dem wegfallenden Artikel 106 zusammengefaßt und die Bestimmungen über den Länderfinanzausgleich in den gleichfalls freiwerdenden Artikel 107 verwiesen werden. Die vorgeschlagene Verlagerung bisheriger Landessteuern auf den Bund und der durch den Verzicht auf eine verfassungskräftige Festlegung der Beteiligungsquoten an der Einkommen- und Körperschaftsteuer notwendig werdende Erlaß eines besonderen Beteiligungsgesetzes machen es zweckmäßig, die Neuregelung erst mit Beginn des neuen Rechnungsjahres, also am 1. April 1955, in Kraft treten zu lassen. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig, da Artikel 107 GG nur vorschreibt, daß das Gesetz bis zum 31. Dezember 1954 zu verabschieden ist, den Zeitpunkt für sein Inkrafttreten jedoch nicht bestimmt. Der Ausschuß ist überzeugt, daß mit der vorgeschlagenen Fassung dem Auftrag des Art. 107 GG Genüge getan wird und daß damit die einmalige Ermächtigung des Grundgesetzes, durch ein mit einfacher Mehrheit zu verabschiedendes Gesetz die Finanzverfassung zu ändern, ausgeschöpft ist. Der Ausschuß hat sich davon überzeugt, daß der naheliegende Gedanke, auch die Vorschriften über die Finanzverwaltung (Artikel 108 GG) der geänderten Steuerverteilung anzupassen, im Rahmen der Sonderermächtigung des Artikels 107 GG verfassungsrechtlich nicht verwirklicht werden kann. Die Aufnahme entsprechender Bestimmungen hätte das Gesetz den erschwerenden Vorschriften des Artikels 79 GG unterworfen. Im Falle des Scheiterns dieses Vorschlages wäre damit auch die fristgemäße Verabschiedung des Gesetzes nach Artikel 107 GG wahrscheinlich verhindert worden. Das gleiche gilt für die (sachlich auch vom Ausschuß befürwortete) stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gemeinden in der Finanzverfassung des Bundes, namentlich für die Anerkennung der gemeindlichen Selbstverwaltung als Partner im Finanzsystem des Bundes. Artikel 107 GG sieht nur eine Neuverteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern vor und unterstellt, daß die Gemeinden ausschließlich von den Ländern finanziell zu betreuen sind. Den Belangen der Gemeinden konnte im Finanzverfassungsgesetz daher nur insoweit Rechnung getragen werden, als dies verfassungsrechtlich möglich ist. Mehrfach kommt im Gesetzentwurf der Grundsatz zum Ausdruck, daß bei der finanziellen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern auch die Finanzbedürfnisse der Gemeinden und Gemeindeverbände gebührend zu berücksichtigen sind. FINANZANPASSUNGSGESETZ Der Grundsatz des Finanzverfassungsgesetzes, daß der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, findet im Finanzanpassungsgesetz seinen Niederschlag. Dieses Gesetz soll auf allen Gebieten der Verwaltung eine möglichst klare Lastenabgrenzung zwischen Bund und Ländern sichern, den Aufgabenträgern die volle Finanzverantwortung für die von ihnen zu leistenden A u s g a b en zuweisen und damit die Voraussetzungen für eine sparsame und wirtschaftliche Ausgabengebarung schaffen. Dieses Gesetz soll somit ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Verwaltungsreform sein. Auf dem Gebiet der sozialen Kriegsfolgelasten kann die unmittelbare Verknüpfung von Aufgabenverantwortung und Ausgabenverantwortung nicht voll verwirklicht werden, weil das Grundgesetz die Aufgabenkompetenz den Ländern, die Finanzverantwortung aber dem Bund zugewiesen hat. Der Gesetzentwurf sieht eine Lösung vor, welche die finanzwirtschaftlichen Nachteile des gegenwärtigen Zustandes mildert und die Länder an der Verantwortung für die von ihnen zu leistenden und vom Bund zu finanzierenden Ausgaben beteiligt. Der Ausschuß hat im Einvernehmen mit dem Bundesrat die Grundgedanken der Regierungsvorlage zum Finanzanpassungsgesetz gebilligt. Das Problem der Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern ist besonders für das Gebiet der Vollzugsverwaltung bedeutsam. Bundeszuschüsse zu den Verwaltungskosten der Länder und Gemeinden sollen künftig nur innerhalb der weisungsgebundenen Verwaltung und überdies nur dann zulässig sein, wenn die Kosten, die den Ländern oder Gemeinden durch den Vollzug der Bundesweisungen entstehen, finanziell ins Gewicht fallen. Akzeptiert man diese Grundsätze, so muß die Kostenregelung auf dem Gebiet der Steuerverwaltung und der Kriegsopferversorgung folgerichtig an die neue Lastenverteilungsnorm angepaßt werden. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß die wechselseitige Beteiligung des Bundes und der Länder an den Steuerverwaltungskosten des anderen Teils wegfällt. Das gleiche gilt für die Erstattung von Verwaltungskosten durch den Bund auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung, deren Vollzug Sache der Lärder ist. Andererseits sollen die öffentlichen Zuschüsse an den Lastenausgleichsfonds, soweit sie gegenwärtig von den Ländern getragen werden, als Kriegsfolgelasten auf den Bundeshaushalt übergehen. Der Ausschuß hat diese Vorschläge gebilligt. Er hält die Beteiligung des Bundes an den Steuerverwaltungskosten der Länder mit der grundgesetzlichen Verteilung der Steuerverwaltungshoheit für unvereinbar; sie führt überdies zu einer sachlich ungerechtfertigten Begünstigung der steuerstarken Länder. Auf Vorschlag des Ausschusses für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen hat der Ausschuß beschlossen, die überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung, die zur Zeit von einzelnen Ländern zugleich für andere Länder wahrgenommen werden, sowie die Kriegsopferversorgung im Ausland und die Betreuung der im Ausland belegenen Heilanstalten einer neu einzurichtenden Bundesoberbehörde zu übertragen. Daraus folgt, daß mit diesen Kosten der Bundeshaushalt belastet bleibt. Die Einrichtung einer Bundesoberbehörde für diese Aufgaben ist nach Art. 87 Abs. 3 GG zulässig. Bedenken des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, daß auf dem Gebiet der Heilanstalten durch die Übertragung der Verwaltungskosten auf die Länder der Kurenausgleich erschwert (Dr. Gülich) werden könnte, sollen dadurch ausgeräumt werden, daß der Bund künftig die Heilbehandlungskosten in landeseigenen Heilanstalten der Kriegsopferversorgung nach dem Selbstkostensatz erstatten wird. Die Beteiligung des Bundes an den persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten der Länder und Gemeinden für die Lastenausgleichsleistungen bleibt bestehen; sie ist gerechtfertigt durch die Beteiligung des Bundes an der Verwaltung auf Grund des ihm eingeräumten Weisungsrechts. Ebenso bleibt die Beteiligung an den Verwaltungsausgaben des Landes Berlin für die dem Bund zustehenden Zölle und Verbrauchsteuern bestehen, deren Höhe durch eine Verwaltungsvereinbarung festzulegen ist. Diese Ausnahmeregelung stellt das Land Berlin, das gegenüber den übrigen Ländern zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen hat, finanziell den anderen Ländern gleich; sie hält sich im Rahmen der allgemeinen Lastenverteilungsnorm, da das Land Berlin bei der Verwaltung dieser Abgaben dem Weisungsrecht des Bundes unterliegt. Die in diesem Gesetzentwurf vorgesehene Bereinigung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern und die Neuabgrenzung der beiderseitigen Anteile am Gesamtsteueraufkommen boten eine Gelegenheit, um auf dem Gebiet der Finanzierung des Lastenausgleichs eine Berichtigung vorzunehmen. Bund und Länder haben nach § 6 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes gemeinsam einen jährlichen Zuschuß an den Ausgleichsfonds in Höhe von 410 Mio DM zu leisten. Die Beteiligung der Länder an diesem Zuschuß erscheint nicht mehr gerechtfertigt, da es sich um eine Kriegsfolge-last handelt, die vom Bund zu tragen ist. Die vom Ausschuß vorgeschlagene Überführung der Vermöderung der uVorschriften über die Abführung des Vermögensteueraufkommens an den Lastenausgleichsfonds (§ 6 Abs. 1 LAG) erforderlich. Die Regierungsvorlage zum Finanzanpassungsgesetz sieht auf dem Gebiet der sozialen Kriegsfolgelasten im übrigen drei Wege vor, um die Verantwortung der Länder und Gemeinden für die sachgemäße Bewirtschaftung von Bundesmitteln zu stärken: a) die Pauschalierung der Bundesleistungen; b) die Erhöhung der Interessenquoten von 15 v. H. auf 25 v. H.; c) die Anwendung ides Bundeshaushaltsrechts auf die für Rechnung des Bundes zu leistenden Aufgaben und die Einräumung eines Weisungsrechts für die obersten Bundesbehörden gegenüber den Ländern hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwaltung der Bundesmittel. Die Gewährung einer festen Pauschale nimmt dem Träger der Aufgabe die finanzielle Last im wesentlichen ab, ohne seine Finanzverantwortung zu beeinträchtigen. Die Vorteile einer sparsamen und zweckmäßigen Ausgabenwirtschaft kommen allein dem Träger der Aufgabe zugute; ein Mehraufwand durch unzureichende Kontrolle der Ausgaben oder durch unangemessenen Aufwand fällt ihm allein zur Last. Den weiteren wesentlichen Vorteil der Pauschalierung sieht der Ausschuß in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Kommunalpolitik in der dadurch zu erzielenden erheblichen Verwaltungsvereinfachung. Der Zahlungsverkehr zwischen dem Bund und den Ländern beschränkt sich auf die Überweisung feststehender Pauschalbeträge, Die außerordentlich komplizierte Einzelverrechnung der geleisteten Aufwendungen entfällt. Der Ausschuß hält die Vorteile der Pauschalierung für so groß, daß sie nach seiner Überzeugung überall eingeführt werden sollte, wo die Voraussetzungen gegeben sind; das gilt insbesondere, wenn der voraussichtliche Gesamtaufwand in den kommenden Jahren einigermaßen zu übersehen ist. Die Voraussetzungen für eine Pauschalierung scheinen gegenwärtig nur bei den Fürsorgeaufwendungen für die Kriegsfolgehilfeempfänger gegeben zu sein. Bei der Festsetzung der Pauschale war zu beachten, daß die kriegsbedingten Fürsorgeaufwendungen von Jahr zu Jahr abnehmen werden. Die Regierungsvorlage sah dementsprechend eine Degression der Pauschalleistungen und ihren völligen Wegfall nach zehn Jahren vor. Der Ausschuß für Kommunalpolitik hält diesen Zeitraum für zu kurz und hat empfohlen, den Pauschalierungszeitraum um vier Jahre zu verlängern. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich diesem Vorschlag angeschlossen, um den Wünschen der Länder und Gemeinden auch hier entgegenzukommen. Die Pauschale soll im Rechnungsjahr 1955 im allgemeinen 100 v. H. der im Rechnungsjahr 1953 entstandenen Aufwendungen betragen. Sie ermäßigt sich im folgenden Rechnungsjahr erstmalig auf 95 v. H. Für bestimmte Aufwendungen werden 110 v. H. der entsprechenden Ausgaben des Rechnungsjahres 1953 zugrunde gelegt, um dem Absinken der bisherigen Leistungen vorzubeugen. Es handelt sich insbesondere um die Fürsorgeaufwendungen für Erziehungsbeihilfen. Erholungsfürsorge und Tuberkulosehilfe. Die individuellen Fürsorgeleistungen an Sowjetzonenflüchtlinge können noch nicht in die Pauschalierung einbezogen werden, weil die Höhe dieser Aufwendungen in den kommenden Jahren nicht abgeschätzt werden kann. Auch die Sonderaufwendungen nach den §§ 25 bis 27 des Bundesversorgungsgesetzes werden von der Pauschalierung ausgenommen. Auf Anregung des Ausschusses für Kommunalpolitik schlägt der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vor, die Pauschalen abweichend von der Regierungsvorlage nach den Aufwendung en in der Zeit vom 1. Juli 1953 bis 30. Juni 1954 zu bemessen, um damit eine möglichst gegenwartsnahe Grundlage für die Festsetzung der Pauschalleistungen zu gewinnen. Für den übrigen Bereich der sozialen Kriegsfolgelasten, die sich ihrer Natur nach nicht oder noch nicht für eine Pauschalierung eignen, soll — abgesehen von den Leistungen der Kriegsopferversorgung und den Leistungen nach dem Gesetz nach Artikel 131 GG— die finanzielle Verantwortung der Länder durch die Erhöhung der Interessenquote von 15 auf 25 v. H. gestärkt werden. Der Ausschuß hält diese Maßnahme nach den bisherigen Erfahrungen für notwendig und teilt die vom Bundesrat geäußerten rechtlichen Bedenken nicht. Er hat daher auch der Anregung des Ausschusses für Kommunalpolitik, von einer Erhöhung der Interessenquoten abzusehen, nicht folgen können. Eine Interessenquote ist das notwendige Korrelat für die Verwaltungshoheit der Länder in den Bereichen, in denen sie Bundesmittel selbständig verwalten. Um die notwendige Kontrolle der Verwaltung der Bundesmittel, soweit sie weiterhin bei den (Dr. Gülich) Ländern liegt, sicherzustellen, sieht die Regierungsvorlage vor, daß auch in diesen Fällen die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes anzuwenden und daß die Länder in der wirtschaftlichen Verwaltung dieser Mittel an die Weisungen der obersten Bundesbehörden gebunden sind. Der Ausschuß für Kommunalpolitik hat darauf hingewiesen, daß die Gemeinden hierdurch gezwungen werden könnten, ihre Kassen- und Buchführung hinsichtlich der Bundesmittel nach bundesrechtlichen Vorschriften einzurichten, die zum Teil von den üblichen Vorschriften für die Gemeinden abweichen. Der Ausschuß hat diesen Bedenken dadurch Rechnung getragen, daß mit Zustimmung der zuständigen Bundesbehörden die landesrechtlichen Vorschriften über die Kassen- und Buchführung angewendet werden können, soweit dadurch die Interessen des Bundes nicht beeinträchtigt werden. Die Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der Länder für die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus soll nach der Regierungsvorlage mit der Einschränkung beibehalten werden, daß auch in diesem Fall die Interessenquote auf 25 v. H. erhöht wird. Die Lastenverteilungsnorm (§ 77 Abs. 1 des Gesetzes vom 18. September 1953) sah nach der Regierungsvorlage die Leistungspflicht der Länder „bis auf weiteres" vor. Der Ausschuß hält den in diesen Worten zum Ausdruck kommenden Hinweis auf eine spätere Revisionsmöglichkeit in einem Gesetz für überflüssig und unangebracht; die Streichung der Worte „bis auf weiteres" bedeutet nicht, daß die Länder mit den Ausgaben dauernd belastet bleiben sollen. Der Bund erstattet den Ländern bisher die Entschädigungsleistungen für heimatlose Ausländer nur so weit, als sie am Stichtag in Lagern untergebracht waren. Es hat sich herausgestellt, daß besonders in Bayern auch eine unerwartet große Anzahl heimatloser Ausländer sich außerhalb der Lager aufgehalten hat. Es besteht kein Anlaß, für diesen Personenkreis eine andere Regelung zu treffen als für die in Lagern untergebrachten heimatlosen Ausländer. Der Ausschuß schlägt daher vor, die Erstattung der Aufwendungen durch den Bund auf alle heimatlosen Ausländer auszudehnen. Die Entwürfe zum Finanzverfassungsgesetz und zum Finanzanpassungsgesetz sehen den Übergang bestimmter Einnahmen und Ausgaben vom Bund auf die Länder und umgekehrt vor. Es muß klargestellt werden, nach welchen Grundsätzen in der Übergangszeit die Zahlungspflicht und die Einnahmeberechtigung zwischen dem neuen und dem alten Träger abgegrenzt werden sollen. Der Ausschuß schlägt eine allgemeine Übergangsregelung vor, nach der für die Abgrenzung das Kassenprinzip maßgebend ist: Die nach dem 31. März 1955 zu leistenden Ausgaben sollen dem neuen Träger zur Last fallen und die nach dem 31. März 1955 eingehenden Einnahmen dem neuen Einnahmeträger zustehen. Nur für die Beiträge an den Lastenausgleichsfonds ist die wirtschaftliche Zugehörigkeit zum neuen oder alten Rechnungsjahr maßgebend. Diese Sonderregelung ergibt sich aus der Natur der Beiträge, die zum Teil regelmäßig erst nach Ablauf des Rechnungsjahres ermittelt und gezahlt werden können. LÄNDERFINANZAUSGLEICHSGESETZ Die Regierungsvorlage sieht eine Intensivierung des Finanzausgleichs unter den Ländern durch Erhöhung der Ausgleichsmasse um etwa 80 v. H. des gegenwärtigen Volumens vor. Der Ausschuß ist gleichfalls der Auffassung, daß das Ausmaß der bestehenden Finanzkraftunterschiede unter den Ländern die Intensivierung erforderlich macht, und hat sich der Regierungsvorlage zum Länderfinanzausgleichsgesetz in diesem Punkte einstimmig angeschlossen. Durch die vorgesehenen Finanzausgleichsmaßnahmen wird die weite Spanne der Steuerkraftunterschiede, die in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet nicht gerechtfertigt sind, erheblich gemindert. Die Steuerkraft der Länder liegt — abgesehen von den Hansestädten — zwischen 167 DM und 318 DM je Einwohner, nach Durchführung des vorgesehenen Finanzausgleichs zwischen 222 DM und 301 DM je Einwohner. Dennoch bleiben erhebliche regionale Unterschiede in der Finanzkraft bestehen. Der Finanzausschuß hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob ein unmittelbarer vertikaler Finanzausgleich durch Bundeszuweisungen an die finanzschwachen Länder zweckmäßiger wäre als die bisherige horizontale Gestaltung. Nach dieser haben die finanzstärkeren Länder Beiträge abzuführen, die ihrem Finanzbedarf entsprechend an die finanzschwachen Länder verteilt werden. Der Ausschuß ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß bis auf weiteres von einer Änderung abgesehen werden soll, die am sicheren Widerstand der Länder scheitern würde. Lediglich in der praktischen Durchführung ist im Interesse der Verwaltungsvereinfachung eine Verbindung mit dem vertikalen Finanzausgleich vorgesehen, derart, daß die vorläufigen Ausgleichsbeiträge und Ausgleichszuweisungen, die im Laufe des Ausgleichsjahres zu leisten sind, nach einem Hundertsatz des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer festgesetzt werden. Die ausgleichspflichtigen Länder sollen diesen Prozentsatz gleichzeitig mit dem Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund abführen, während die ausgleichsberechtigten Länder bei der Abführung des Bundesanteils die ihnen zustehende Ausgleichszuweisung absetzen können. Auf diese Weise wird erreicht, daß der horizontale Finanzausgleich laufend vollzogen wird und daß unnötige Überweisungen zwischen Bund und Ländern vermieden werden. Die bisherige Methode des horizontalen Finanzausgleichs legte für die Ermittlung der Finanzkraft der einzelnen Länder sowohl die Steuerkraftunterschiede der Länder als auch die regional unterschiedliche Lastenverteilung zugrunde. Da nach den Ergebnissen der Finanzstatistik die Finanzkraftunterschiede unter den Ländern ganz überwiegend auf die Steuerkraftunterschiede zurückzuführen sind, der Einfluß der unterschiedlichen Lastenverteilung auf die Leistungsfähigkeit der Länder jedoch laufend zurückgegangen ist, soll der Finanzausgleich künftig überwiegend in der Form eines Steuerkraftausgleichs durchgeführt werden. Die natürliche Mehrbelastung der dichter besiedelten Gebiete, die besonderen Hafenlasten der Hansestädte und die Sonderbelastung Schleswig-Holsteins werden allerdings weiterhin durch besondere Zuschläge zur Einwohnerzahl bei der Ermittlung der durchschnittlichen Steuerkraft oder durch eine fiktive Kürzung der Steuereinnahmen berücksichtigt. Eine Schutzvorschrift zugunsten der Hansestädte soll sicherstellen, daß sie nicht stärker (Dr. Gülich) herangezogen werden können, als vergleichbare Großstädte anderer ausgleichspflichtiger Länder herangezogen werden könnten, wenn sie Stadtstaaten wären (Hanseatenklausel). Der Ausgleich wird in der Weise durchgeführt, daß die errechnete Steuerkraft der finanzschwachen Länder nach einem gestaffelten Hundertsatz bis auf höchstens 90 v. H. der bundesdurchschnittlichen Steuerkraftmeßzahl aufgefüllt wird. Die hierfür erforderlichen Mittel werden von den steuerstarken Ländern nach einem einheitlichen Hundertsatz von der den Bundesdurchschnitt übersteigenden Steuerkraft erhoben. Für die Auffüllung der Steuerkraft der finanzschwachen Länder sind nach der Regierungsvorlage folgende Hundertsätze vorgesehen: Bis zu 80 v. H. des Bundesdurchschnitts wird zu 100 v. H., von 80 bis 90 v. H. des Bundesdurchschnitts wird zu 75 v. H. und von 90 bis 95 v. H. des Bundesdurchschnitts wird zu 50 v. H. aufgefüllt. Nach den vorgelegten Probeberechnungen würde bei dieser Regelung das Land Schleswig-Holstein von der Intensivierung des Länderfinanzausgleichs relativ den geringsten Nutzen haben. Der Ausschuß war der Überzeugung, daß dieses Ergebnis der besonderen Lage des Landes Schleswig-Holstein nicht genügend Rechnung trägt. Er schlägt deshalb vor, den Ansatz für die Sonderbelastung des Landes Schleswig-Holstein von 10 v. H. auf 17,5 v. H. zu erhöhen. Da eine Erhöhung der vorgesehenen Ausgleichsmasse im ganzen nicht beabsichtigt ist, muß gleichzeitig die allgemeine Auffüllungsquote im Bereich von 80 bis 90 v. H. des Bundesdurchschnitts, die nach der Regierungsvorlage 75 v. H. beträgt, auf 70 v. H. ermäßigt werden. Durch diesen Änderungsvorschlag wird sich die Ausgleichszuweisung für Schleswig-Holstein gegenüber dem Regierungsvorschlag um annähernd 20 Mio DM erhöhen. Im Verlaufe der Beratungen wurde erörtert, ob auch die besonderen Belange der Zonenrandgebiete im horizontalen Finanzausgleich zusätzlich berücksichtigt werden sollten. Der Ausschuß hat diese Frage nicht bejaht; er ist der Auffassung, daß derartige Notstände wirksamer und zweckmäßiger durch unmittelbare Bundeshilfen behoben werden können; eine weitere Intensivierung des Finanzausgleichs würde zudem voraussichtlich am Widerstand der finanzstarken Länder scheitern. Die Intensivierung des Länderfinanzausgleichs hat zur Folge, daß die Netto-Auswirkungen der Zerlegung der Einkommen- und Körperschaftsteuer weitgehend aufgehoben werden. Mit Rücksicht auf den Verwaltungsaufwand, den der Vollzug des Zerlegungsgesetzes verursacht, sieht die Regierungsvorlage deshalb vor, die Zerlegung vom 1.April 1955 ab wegfallen zu lassen. Nachdem sich der Ausschuß überzeugt hat, daß die finanzschwachen Länder durch den Wegfall der Zerlegung nur geringfügige Einbußen erleiden, hat er seine anfangs bestehenden Bedenken gegen die Aufhebung des Zerlegungsgesetzes fallen gelassen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ermächtigung für die Bundesregierung, das Zerlegungsverfahren für die Kalenderjahre 1952 bis 1954 zu vereinfachen, hält der Ausschuß nicht für zweckmäßig, da die Umstellung für die Auslaufzeit nur zu Mehrarbeit führen und sich nicht mehr lohnen würde. An den Beratungen des Ausschusses und des Unterausschusses Finanzreform haben jeweils auch Vertreter ides Bundesrates und einzelner Länder aktiv teilgenommen. Die von diesen Vertretern vorgetragenen Argumente sind sorgfältig geprüft worden. Der Ausschuß hat — wie mehrfach dargelegt — eine Reihe von Zugeständnissen an die Länder gemacht, um die Annahme seiner Vorschläge auch im Bundesrat zu erreichen. Nach zweimaliger Zusammenkunft zwischen den Finanzministern der Länder und Mitgliedern des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ist der Ausschuß nach Abschluß seiner Beratungen am 4. November noch einmal zusammengetreten, um neue Vorschläge der Finanzminister der Länder entgegenzunehmen. Da diese Vorschläge jedoch keine Möglichkeit einer Annäherung der Auffassungen boten, hat er die vorher gefaßten Beschlüsse bestätigt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt dem Bundestag hiernach, das Finanzverfassungsgesetz, das Finanzanpassungsgesetz und das Länderfinanzausgleichsgesetz in der aus den Anlagen I, II, III der Drucksache 960 ersichtlichen Fassung zu beschließen. Bonn, den 9. November 1954 Dr. Gülich Berichterstatter Anlage 14 Drucksache 961 (Vgl. S. 2670 A.) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lindrath Die Bundesregierung hat in der 18. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 11. März 1954 eine Erklärung abgegeben, nach der die Gesetzentwürfe über eine Steuerreform nach Art. 76 GG am 11. März 1954 dem Bundesrat zugeleitet worden waren. Der Bundesrat hat in seiner 121. Sitzung am 9. April 1954 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern gemäß Art. 76 Abs. 2 GG beschlossen, zu dem Gesetzentwurf Änderungen und Empfehlungen vorzuschlagen, die im einzelnen aus der Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 9. April 1954 — Drucksache 481, Anlage B — an den Bundeskanzler hervorgehen. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vorn 29. April 1954 — Drucksache 481 — den Entwurf dieses Gesetzes dem Präsidenten des Deutschen Bundestages mit der Bitte, die Beschlußfassung des Bundestages herbeizuführen, übersandt. Gleichzeitig wurden die Änderungsvorschläge und Empfehlungen des Bundesrates dem Bundestag mit diesem Schreiben zugeleitet. Der Deutsche Bundestag hat in seiner 29. Plenarsitzung am 20. Mai 1954 die erste Beratung dieses Gesetzentwurfes durchgeführt. Der Gesetzentwurf nach Drucksache 481 wurde dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Kommunalpolitik und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung überwiesen. I. ALLGEMEINE BEMERKUNGEN Die Bundesregierung hat in den Drucksachen 480, 481, 482, 483 und 484 Gesetzentwürfe vorgelegt, die als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden müssen und als die Finanz- und Steuerreform zusammenfassend bezeichnet werden. Die Drucksache 480 enthält die drei Gesetzentwürfe zur Finanzreform, nämlich das Finanzverfassungsgesetz, das Finanzanpassungsgesetz und das Länderfinanzausgleichsgesetz. Der in Drucksache 484 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bildet gewissermaßen das Bindeglied zwischen der Finanzreform einerseits und der in den Drucksachen 481, 482 und 483 vorgelegten Steuerreform. In der Drucksache 482 ist der Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" und in der Drucksache 483 der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vorgelegt worden. Der wesentlichste Teil der Steuerreform ist in der Drucksache 481 — Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern — enthalten. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat das gesamte Reformwerk in 25 Ausschußsitzungen durchgearbeitet, von denen eine große Anzahl von Sitzungen ganztägig abgehalten wurden. Außerdem hatte der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen in seiner Sitzung vom 29. Juni 1954 beschlossen, zum Zwecke der Verkürzung und zugleich Vertiefung der Beratungen im Gesamtausschuß und zum eingehenderen Studium einiger besonders bedeutsamer Fragen fünf Unterausschüsse einzusetzen, und zwar 1. Unterausschuß für Fragen der Umsatzsteuer 2. Unterausschuß für Pensionsrückstellungen und Rentenbesteuerung 3. Unterausschuß für Fragen der Gewinnermittlung 4. Unterausschuß für Fragen der Forstwirtschaft 5. Unterausschuß für Sonderausgaben. Weiterhin wurde in der Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vom 12. Juli 1954 beschlossen, einen Unterausschuß für Fragen der Haushaltsbesteuerung einzusetzen. Der Unterausschuß für Fragen der Umsatzsteuer hat drei Sitzungen, der Unterausschuß für Pensionsrückstellungen und Rentenbesteuerung zwei Sitzungen, der Unterausschuß für Fragen der Gewinnermittlung acht Sitzungen, der Unterausschuß für Fragen der Forstwirtschaft eine Sitzung, der Unterausschuß für Sonderausgaben nach § 10 EStG zwei Sitzungen und der Unterausschuß für Fragen der Haushaltsbesteuerung fünf Sitzungen abgehalten. (Dr. Lindrath) Neben den Ausschüssen für Kommunalpolitik und für Wirtschaftspolitik, denen diese Vorlage zur Mitberatung überwiesen worden ist, sind der Haushaltsausschuß, der Ausschuß für Geld und Kredit sowie der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen in einzelnen Fällen zu den Beratungen hinzugezogen worden. Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern behandelt in sieben Abschnitten Neuordnungsvorschriften auf verschiedensten Gebieten des Steuerrechts. Im einzelnen werden folgende Steuern behandelt: Abschnitt I Einkommensteuer Abschnitt II Körperschaftsteuer Abschnitt III Wohnungsbauprämiengesetz Abschnitt IV Gewerbesteuer Abschnitt V Erbschaftsteuer Abschnitt VI Reichsabgabenordnung Abschnitt VII Schlußvorschriften. Für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und für die Erbschaft- und Schenkungsteuer werden Änderungen der Tarife vorgeschlagen, die sich eine erhöhte Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die Zumutbarkeit der Steuerbelastung, eine günstige Auswirkung auf das wirtschaftliche Verhalten des Einzelnen, eine günstige Auswirkung auf die Volkswirtschaft und eine Vereinfachung der Steuerverwaltung zum Ziele gesetzt haben. Die Tarifreformvorschläge bilden den Kernpunkt dieses Gesetzentwurfs. II. EINKOMMENSTEUER 1. Einkommensteuertarif Im Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1 Ziffer 33 der Regierungsvorlage werden die zu § 32 EStG erlassene und bisher noch gültige Einkommensteuertabelle und die zu § 39 EStG erlassene und jetzt noch gültige Jahreslohnsteuertabelle durch neue Tabellen gleicher Art ersetzt. Der Ausschuß hat der Tariffrage seine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat sich eingehend über die gebräuchlichsten Tarifformen unterrichtet. Ein Proportionaltarif kam nach der einhelligen Ansicht des Ausschusses nicht in Frage. Bei der Prüfung der sogenannten Progressions-tarife wurden die Tarifformen eines Stufentarifs, Anstoßtarifs oder Formeltarifs sorgfältig geprüft. Beim Stufentarif sinkt die prozentuale Steuerbelastung vom Anfang jeder Tarifstufe bis zum Ende der gleichen Tarifstufe ab. Außerdem sind die Übergänge von einer Tarifstufe zur nächsthöheren sprunghaft. Diese Eigenschaften bringen steuerliche Ungerechtigkeiten mit sich, so daß der Ausschuß auch diese Tarifform für nicht geeignet ansah. Der vom Abg. Seuffert vorgelegte Tarif ist ein Anstoßtarif oder Teilmengen-Staffeltarif. Ein solcher Tarif schafft zwar allmähliche Übergänge, jedoch unterliegt der Progressionsablauf einer mehr oder minder willkürlichen Beschleunigung oder Verlangsamung. Hinsichtlich der Tarifform hat sich der Ausschuß in seiner Mehrheit für den von der Regierung vorgeschlagenen Formeltarif entschieden. Seinem Wesen nach ist ein solcher Formeltarif nichts anderes als ein verfeinerter Anstoßtarif, in dem Stufenbreite und Wachstumsgeschwindigkeit des Steuersatzes durch mathematische Regeln bestimmt werden und in dem gleich- zeitig die Stufenbreite zur Sicherung des gleichmäßigen Progessionsverlaufs auf das denkbare Minimum zurückgeführt wird. Damit gewährleistet ein Formeltarif einen willkürfreien Aufbau des Tarifs im einzelnen. Bezüglich des Inhalts des Tarifs der Regierungsvorlage konnte sich der Ausschuß jedoch nicht für die Regierungsvorlage entscheiden. Der Einkommensteuertarif des Einkommensteuergesetzes 1951 zeigte in seinem ansteigenden Verlauf bei den Jahreseinkommen zwischen 3 000,— DM und 15 000,— DM eine gewisse Ausbuchtung zugunsten dieser Einkommensbezieher. Der Einkommensteuertarif der Kleinen Steuerreform nach dem Einkommensteuergesetz 1953 machte diese Ausbuchtungen im wesentlichen mit. Der Tarif der Regierungsvorlage war nach einem logarithmischen Maßstab berechnet und verläuft geradlinig nach oben. Die Folge hiervon ist, daß die steuerlichen Entlastungen der Einkommensbezieher zwischen 3 000,— DM und 15 000,— DM, zum Teil auch noch darüber hinaus, prozentual geringer waren als die Entlastungen bei kleineren oder größeren Einkommen. Diese Gestaltung des Tarifs lehnte der Ausschuß ab. Für die Koalitionsparteien haben alsdann die Sprecher der Fraktionen übereinstimmend eine grundsätzliche Erklärung abgegeben, wonach sie dem Tarifvorschlag der Bundesregierung in der Grundkonzeption folgen wollten, es müßten jedoch einige Spezialfragen vorher geklärt werden, so die Frage der allgemeinen Freibeträge, die Schaffung eines besonderen Freibetratrages für Arbeitnehmer und freie Berufe, die Senkung des Plafonds auf 52,5 v. H. und die Tarifsenkung zugunsten des Mittelstandes. Die weiteren Verhandlungen führten alsdann zu dem vom Abg. Neuburger eingebrachten Tarifänderungsantrag, nach dem der Tarifvorschlag der Bundesregierung dahin abgewandelt werden sollte, daß in den untersten Stufen eine zusätzliche Senkung um 12 v. H. und diese abfallend bis zu einem Einkommen von etwa 40 000,— DM durchgeführt werden sollte. Dieser Tarif wurde alsdann vom Ausschuß gebilligt und mit Mehrheit angenommen. Die Vertreter der Opposition haben im Ausschuß grundsätzlich erklärt, daß sie sich mit einem Formeltarif nicht einverstanden erklären könnten, da ein Formeltarif sozial ungerecht sei. Die Vertreter der Koalitionsparteien erblickten demgegenüber in der Ausbuchtung des Tarifs der Regierungsvorlage in den Einkommensgrößen bis zu 40 000,— DM vornehmlich eine politische Maßnahme zugunsten des Mittelstandes, die weiterhin den Wegfall einer Reihe von Vergünstigungen im Interesse einer Vereinheitlichung des Steuerrechts ermöglicht. Die Annahme der jetzt vorliegenden Einkommensteuer- und Jahreslohnsteuertabellen wurde im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen am 4. November 1954 beschlossen. Der mitberatende Ausschuß für Kommunalpolitik hat sich zur Tariffrage nicht geäußert. Der mitberatende Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist übereinstimmend der Ansicht, daß die Ausgestaltung des Tarifs sich nicht nachteilig auf die Entwicklung der Kaufkraft aus. wirken soll. Der Bundesrat hat davon abgesehen, einen eigenen Tarifvorschlag zu machen. Der von der Regierung vorgeschlagene Tarif würde nach der von der Regierung veröffentlichten Begründung einen Ausfall von mindestens 1 600 Millionen DM an Einkommen- und Lohnsteuer im Jahr verursachen. Der Ausfall durch den vom (Dr. Lindrath) Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen angenommenen Tarif beträgt nach Schätzungen 2 100 Millionen DM im Jahr. 2. Haushaltsbesteuerung Die Frage der Zusammenveranlagung der Ehegatten war Gegenstand eingehender Beratungen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen und des Unterausschusses für Fragen der Haushaltsbesteuerung. Übereinstimmung bestand im Ausschuß darüber, daß die gegenwärtige Regelung der Ehegattenbesteuerung nicht aufrechterhalten werden könne. Im Unterausschuß „Haushaltsbesteuerung" hat die Mehrheit der Mitglieder den Grundsatz des amerikanischen Splitting für die ideale Lösung des Problems der Haushaltsbesteuerung gehalten. Man war in diesem Unterausschuß jedoch andererseits der Auffassung, daß wegen des Haushaltsausfalls-1 Milliarde DM gegenüber der Regierungsvorlage—diese Lösung vorläufig nicht verwirklicht werden könne. Von den übrigen dem Unterausschuß vorliegenden Anträgen zur Haushaltsbesteuerung wurde schließlich der Antrag, Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus unselbständiger Arbeit, aus Landwirtschaft und aus Gewerbebetrieb (wenn der Betrieb vor der Eheschließung bestanden hat) bei Einreihung eines Ehegatten in die Steuerklasse I getrennt zu besteuern, als sogenannte Mindestforderung des Unterausschusses angenommen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat die Möglichkeit der Einführung eines vollen oder Teilsplitting geprüft. Ein Vollsplitting wurde von der Mehrheit aus haushaltswirtschaftlichen Bedenken abgelehnt. Ein Teilsplitting wurde als ungerecht bezeichnet. Außerdem sah man bei der Überleitung aus dem Teilsplitting in ein anderes Verfahren, sobald die Höchstgrenze des Teilsplitting erreicht ist, verwaltungsmäßig unüberwindliche Schwierigkeiten. Im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen fand sich auch keine Mehrheit für eine getrennte Veranlagung bei Einkünften aus selbständiger und aus unselbständiger Arbeit. Insbesondere wurde hiergegen geltend gemacht, daß den steuerlichen Umgehungsbestrebungen von Steuerpflichtigen nicht erfolgreich würde entgegengetreten werden können und daß weiterhin eine solche Regelung eine Benachteiligung gegenüber den mithelfenden Ehegatten in gewerblichen Betrieben, in der buchführenden Landwirtschaft sowie gegenüber der Hausfrau darstellt. Mit Rücksicht auf eine degressiv abfallende Senkung der Steuerlast in den Einkommensgruppen bis zu 40 000,— DM nach dem vom Ausschuß erarbeiteten neuen Einkommensteuertarif entschied sich die Mehrheit des Ausschusses für die Annahme der Regierungsvorlage. Die Regierungsvorlage zur Haushaltsbesteuerung wurde vom Ausschuß mit Mehrheit angenommen, nachdem alle Zwischenlösungsversuche gezeigt hatten, daß Ungerechtigkeiten bei jeder Zwischenlösung zwischen Haushaltsbesteuerung und Splitting unvermeidbar sind. Nach dem Beschluß des Ausschusses ist vorgesehen, daß bei getrennter Veranlagung beider Ehegatten, falls sie zusammen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bis zu 9 000,— DM im Jahre haben, einer der beiden Ehegatten nach Steuerklasse I zur Lohnsteuer herangezogen wird. Der mitberatende Ausschuß für Wirtschaftspolitik forderte einstimmig einen Sonderfreibetrag für die mithelfende Ehefrau. 3. Freibeträge a) Freibeträge für den Steuerpflichtigen und den Ehegatten Die Freibeträge für den Steuerpflichtigen und den Ehegatten betrugen auf Grund der in der Kleinen Steuerreform angenommenen Einkommensteuertabelle für den Steuerpflichtigen und für den Ehegatten je 800,— DM. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat eine Erhöhung dieses Betrages auf 960,— DM und der Troeger-Ausschuß in seinen „Diskussionsbeiträgen" eine Erhöhung auf 1 000,— DM vorgeschlagen. Die Regierungsvorlage sieht eine Erhöhung auf 900,—DM. vor. Der Ausschuß hat die Möglichkeit einer Erhöhung dieser Freibeträge eingehend geprüft. Eine Erhöhung auf je 1 000,— DM für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau würde eine Mindereinnahme des Bundes in Höhe von etwa 350 Millionen DM bedeuten. Eine Erhöhung der Freibeträge auf je 960,— DM würde gegenüber der Regierungsvorlage eine Mindereinnahme in Höhe von 225 Millionen DM mit sich bringen. Die Mehrheit des Ausschusses war infolge dieser finanziellen Ergebnisse der Auffassung, es bei der von der Regierung vorgeschlagenen Freigrenze in Höhe von je 900,— DM für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau zu belassen. b) Kinderfreibeträge Die Kinderfreibeträge waren bereits durch die Kleine Steuerreform etwas erhöht worden. Nach diesen Vorschriften betrugen die Kinderfreibeträge für das 1. und 2. Kind je 600,— DM, für das 3. und jedes weitere Kind je 840,— DM. Die Regierungsvorlage sieht für das 1. und 2. Kind eine Erhöhung der geltenden Freibeträge von je 600,— DM auf je 720,— DM vor. Vom 3. Kind ab soll der Kinderfreibetrag je Kind 1 440,— DM betragen. Der Ausschuß hat mit Mehrheit die Regierungsvorlage angenommen. c) Altersfreibetrag Mit Rücksicht darauf, daß die gegenwärtige Generation zwei Geldentwertungen hat über sich ergehen lassen müssen, und mit Rücksicht auf den dadurch eingetretenen Vermögensverlust hat es der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen für erforderlich gehalten, die Vorsorge für das Alter steuerlich nach Möglichkeit zu begünstigen und den alten Bürgern einen besonderen Freibetrag zu gewähren. Der Ausschuß schlägt daher vor, hinter dem § 32 EStG einen neuen § 32a einzufügen, nach dem Personen, die der Steuerklasse II oder III angehören, ein sogenannter Altersfreibetrag in Höhe von 720,— DM gewährt wird, wenn diese Personen mindestens 4 Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums das 70. Lebensjahr vollendet haben. Bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, wird nur ein Altersfreibetrag gewährt. Es genügt auch, wenn einer der beiden Ehegatten das 70. Lebensjahr vollendet hat. Die hieraus zu erwartenden Mindereinnahmen gegenüber der Regierungsvorlage werden auf etwa 30 Millionen DM geschätzt. Der Ausschuß hat es nicht für vertretbar gehalten, den Altersfreibetrag bereits für Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, zu gewähren, weil die Mindereinnahmen gegenüber der Regierungsvorlage in diesem Falle 150 Millionen DM betragen würden. (Dr. Lindrath) 4. Werbungskosten a) Leibrenten Zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 EStG gehören auch die Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu anderen Einkunftsarten gehören. Insbesondere gehören hierzu die vererblichen Renten, Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten und andere unvererbliche Renten sowie Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden. Die Regierungsvorlage hat die verschiedenartigen Renten unter dem Begriff der Leibrenten nunmehr zusammengefaßt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die seit 1920 übliche Aufzählung der verschiedenen Rentenarten sich erübrigt. Nach der Regierungsvorlage sollen die Leibrenten nur insoweit steuerpflichtige Einkünfte darstellen, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Stammrechts enthalten sind. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt jedoch, von Einkünften aus „Erträgen des Rentenrechts" zu sprechen. Als Ertrag des Rentenrechts gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwertes der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt. Um die praktische Handhabung dieser Vorschrift zu erleichtern, schlägt der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vor, im § 22 Ziffer 1 EStG eine Tabelle aufzunehmen, aus der der Ertrag des Rentenrechts, also der Ertragsanteil, leicht abgelesen werden kann. Der steuerpflichtige Ertragsanteil richtet sich in seiner Höhe nach dem Lebensalter des Rentenberechtigten beim Beginn der Laufzeit der Rente. Der Ertragsanteil fällt mit steigendem Alter des Rentenberechtigten zum Zeitpunkt des Eintritts in die Rentenberechtigung; er beginnt mit 65 v. H., endet mit 1 v. H. Ein Rentenberechtigter, der in den Genuß einer Rente im Alter von 50 Jahren kommt, hat einen Ertragsanteil von 34 v. H. seiner Rente der Einkommensteuer zu unterwerfen. Ein Rentenberechtigter im Alter von 70 Jahren hat einen Ertragsanteil von 15 v. H. zu versteuern. Für Leibrenten, die vor dem 1. Januar 1955 zu laufen begonnen haben, und für Renten, deren Dauer von der Lebenszeit mehrerer Personen oder einer anderen Person als den Rentenberechtigten abhängen, sowie für Leibrenten, die auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind, sollen in einer Rechtsverordnung besondere Vorschriften erlassen werden. § 22 EStG regelt die steuerlichen Pflichten der Leibrenten-berechtigten. Es war daher erforderlich, daß bei der Regelung der Werbungskosten im § 9 entsprechende Bestimmungen bezüglich der zur Leibrentenzahlung Verpflichteten getroffen werden. Das ist dadurch geschehen, daß die Leibrenten insoweit als Werbungskosten bei den zur Zahlung der Leibrenten Verpflichteten angesehen werden, als der Ertragsanteil der Rentenberechtigten der Tabelle zu § 22 Ziff. 1 Buchstabe a EStG entspricht. Der Ausschuß hat daher bezüglich der Werbungskosten für den § 9 eine entsprechende Ergänzung vorgeschlagen. Diese Regelung gilt auch für die Sozialrentenempfänger; die besondere Befreiungsvorschrift im § 3 Ziffer 4 EStG konnte wegen dieser Neuregelung und der Festsetzung eines Sonderausgabenpauschbetrages in Höhe von 624,— DM für Rentenbezieher gestrichen werden. b) Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Nach den gegenwärtig geltenden Vorschriften im § 9 Ziff. 4 EStG sind not w endige Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten abzugsfähig. Der Bundesrat hat hierzu vorgeschlagen, daß durch Rechtsverordnung bestimmt werden könnte, ob und inwieweit die Kosten für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als notwendig anzuerkennen sind. Die Regierungsvorlage enthielt bezüglich dieses Punktes keine Änderungsvorschläge. Die fortschreitende Motorisierung des Verkehrs hat viele Arbeitnehmer veranlaßt, ein Kraftfahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu verwenden. Die Finanzbehörden haben jedoch derartige Aufwendungen in der Regel als nicht für notwendig erachtet und sie demzufolge für die Benutzung von Kraftfahrzeugen als Werbungskosten nicht anerkannt. Der Ausschuß hat es daher für zweckmäßig gehalten, das Wort „notwendig" zu streichen und lediglich zu erklären, daß die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten seien. Zur Abgeltung des Abzuges dieser Aufwendungen bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges soll durch Rechtsverordnung je ein Pauschbetrag für die Benutzung eines Kraftwagens, Motorrades oder Fahrrades mit Motor festgesetzt werden. Dabei können die Absetzungen für Abnutzung außer Betracht bleiben. Der Ausschuß schlägt im Hinblick auf die Erfordernisse des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für Ermächtigungen zum Erlaß einer Rechtsverordnung diese Fassung vor. c) Pauschbeträge für Werbungskosten Die Regierungsvorlage schlägt vor, die bisher in § 14 EStDV enthaltenen Bestimmungen über Pauschbeträge für Werbungskosten in das Gesetz selbst zu übernehmen. Der Ausschuß schließt sich der Vorlage mit der Maßgabe an, daß der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von 200,— DM von den Einnahmen aus Kapitalvermögen in Abzug gebracht werden kann, wenn diese Einnahmen 1500,— DM nicht übersteigen und das Einkommen nach Abzug des Pauschbetrages in Höhe von 200,— DM den Betrag von 6000,— DM statt 3000,— DM, wie in der Regierungsvorlage vorgeschlagen wird, nicht übersteigt. Die Regelung des Pauschbetrages für Werbungskosten bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten, von denen jeder Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb bezogen hat, ist in Abs. 2 des § 9a EStG der Regierungsvorlage. geregelt worden. Es hat hiernach jeder der beiden Ehegatten einen Werbungskostenpauschbetrag von 312,— DM zu beanspruchen. Übersteigen die tatsächlich nachgewiesenen Werbungskosten eines Ehegatten diesen Pauschbetrag, dann können neben dem Pauschbetrag des anderen Ehegatten von 312,— DM auch die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zum Abzug geltend gemacht werden. Der Bundesrat hatte eine kürzere Fassung dieser Vorschriften vorgeschlagen. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt der Regierungsvorlage gestellt und diese angenommen. (Dr. Lindrath) 5. Sonderausgaben a) Höchstbeträge Versicherungsprämien, Bausparkassenbeiträge, Leistungen aus Kapitalansammlungsverträgen können nicht in beliebiger Höhe als Sonderausgaben abgesetzt werden. Im Gesetz sind vielmehr Höchstbeträge vorgesehen. Nach dem geltenden Recht können derartige Aufwendungen insgesamt bis zu einem Jahresbetrag von 800,— DM für den Steuerpflichtigen in voller Höhe abgezogen werden. Dieser Betrag erhöht sich um je 400,— DM für die Ehefrau und jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind. Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen dieser Art den sich hiernach ergebenden Betrag, dann dürfen von dem darüber hinausgehenden Betrag 50 v. H. als abzugsfähig zugelassen werden, sofern sich dieser Betrag im Rahmen von 15 v. H. des Gesamtbetrages der Einkünfte hält. Steuerpflichtige, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und deren Einkommen überwiegend Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder unselbständiger Arbeit enthält, haben doppelt hohe Höchstbeträge, d. h. für den Steuerpflichtigen 1 600,— DM, für die Ehefrau 800,— DM und für jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind ebenfalls 800,— DM. Nach den Vorschriften der Kleinen Steuerreform war beabsichtigt, vom 1. Januar 1955 ab den Höchstbetrag für den Steuerpflichtigen auf 1000,— DM und für die Ehefrau und jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind auf je 500,— DM festzusetzen. Bei Steuerpflichtigen über 50 Jahre mit überwiegenden Einkünften aus selbständiger 'Arbeit oder aus nichtselbständiger Arbeit sollen diese Beträge verdoppelt werden können. Übersteigen die Sonderausgaben in diesem Sinne die Höchstbeträge, so kann der darüber hinausgehende Betrag zur Hälfte, höchstens jedoch bis zu 50 v. H. der pauschalierten Höchstbeträge abgezogen werden. Die Regierungsvorlage hat die abzugsfähigen Höchstbeträge wie folgt abgeändert: Der Höchstbetrag für den Steuerpflichtigen beträgt 800,— DM, für die Ehefrau 800,— DM und für jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind sollten 400,— DM festgesetzt werden. Im übrigen aber verbleibt es bei der durch die Kleine Steuerreform festgelegten Regelung, nach der die über die festen Höchstbeträge hinausgehenden Sonderausgaben zur Hälfte, höchstens jedoch bis zu 50 v. H. der festen Höchstbeträge abgezogen werden dürfen. Der Ausschuß ist der Regierungsvorlage mit der Maßgabe beigetreten, daß der Höchstbetrag für jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind auf 500,— DM festgesetzt werden soll. Während bisher Steuerpflichtige, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, diese Normalbeträge nur dann verdoppeln konnten, wenn sie überwiegend Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus nichtselbständiger Arbeit hatten, so können jetzt nach einem vom Ausschuß gefaßten Beschluß auch andere Steuerpflichtige, insbesondere auch Gewerbetreibende und Landwirte, die Verdoppelungsbeträge für sich in Anspruch nehmen, wenn ihr steuerpflichtiges Vermögen, das sich zu Beginn des Veranlagungszeitraumes auf Grund der letzten Vermögensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen ergibt, 20 000,— DM nicht übersteigt. Eine Einschränkung ist insofern eingetreten, als die Verdoppelung der Höchstbeträge nur noch von denjenigen Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden darf, die spätestens am 31. Dezember 1957 das 50. Lebensjahr vollendet haben. Diese Beschlüsse sind im Ausschuß mit Mehrheit gefaßt. Der Bundesrat hat die Vorschläge der Regierungsvorlage dem Grunde nach gutgeheißen, er hat lediglich für eine Erhöhung der Beträge von 800,— auf 1 000,— DM für den Steuerpflichtigen und für seine Frau plädiert. Für das Kind hat er ebenfalls 500,— DM vorgeschlagen. b) Pauschbeträge Die Bestimmungen über Pauschbeträge für Sonderausgaben befanden sich bisher in der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (§ 15 EStDV). Sie sind jetzt in ,das Gesetz selbst übernommen und dort als § 10 c festgelegt. Sachliche Änderungen sind hierbei nicht vorgenommen. Der bisherige § 10 c, der die steuerliche Behandlung festverzinslicher Wertpapiere bei weiterer Festlegung nach Ablauf der Sperrfrist kodifizierte, ist gestrichen worden. Diese Vorschrift sollte die Steuerpflichtigen im Interesse des Wertpapiermarktes dazu veranlassen, die schon einmal vorgenommene Festschreibung oder Sperre von Wertpapieren unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen steuerlichen Begünstigungen, aber ohne neue tatsächliche Aufwendungen zu verwirklichen. Der Ausschuß hat sich der in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Streichung angeschlossen. c) Zuwendungen für staatspolitische Zwecke Nach § 10b EStG sind Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 5 v. H. des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 2 v. T. der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewandten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat diese Vorschrift erweitert. Nach seinen Vorschlägen sollen auch Aufwendungen für staatspolitische Zwecke genau so behandelt werden wie die Aufwendungen für wissenschaftliche Zwecke. Dadurch sollen vor allem auch bestimmte Beiträge und sonstige Zuwendungen an politische Parteien begünstigt werden. d) Kapitalansammlungsverträge Entgegen den Vorschlägen der Regierungsvorlage hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen wieder Vorschläge zur Begünstigung von Kapitalansammlungsverträgen in das Gesetz eingefügt, nachdem durch die Kleine Steuerreform diese Vergünstigung mit Wirkung ab Ende 1954 gestrichen war. Die Vorschrift, die jetzt eingefügt worden ist, hat aber manche Veränderungen gegenüber dem jetzt geltenden Recht aufzuweisen. Begünstigt sind zwar nach wie vor allgemeine Sparverträge, Sparverträge mit festgelegten Sparraten und der Ersterwerb von Wertpapieren. Die angesammelten Beträge müssen aber jetzt auf 7 Jahre statt bisher auf 3 Jahre festgelegt werden. Wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verlängert sich dieser Zeitraum sogar auf 10 Jahre. Außerdem ist die Vergünstigung befristet; nur Beiträge, die vor dem 1. Januar 1958 geleistet werden, sollen dieser steuerlichen Begünstigung teilhaftig werden. (Dr. Lindrath) Handelt es sich jedoch um Sparverträge mit festgelegten Sparraten, dann sind auch die späteren Beiträge Sonderausgaben, wenn mindestens die erste Einzahlung vor dem 1. Januar 1957 geleistet worden ist. Eine Schutzvorschrift ist insofern eingefügt worden, als eine Nachversteuerung stattfinden soll, wenn vor Ablauf der Frist von 7 bzw. 10 Jahren außer im Falle ides Todes oder der völligen Erwerbsunfähigkeit des Sparers die angesammelten Beträge ganz oder zum Teil zurückgezahlt oder Ansprüche aus dem Kapitalansammlungsvertrag abgetreten oder beliehen werden. Diese Vorschriften sind im § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG enthalten. e) Mißbrauchsbestimmungen bei Versicherungs-und Bausparverträgen Die Schutzbestimmungen im Abs. 2 des § 10 EStG gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme der Sonderausgaben-Bestimmungen bezüglich Versicherungsprämien, Beiträgen für Bausparkassen und Leistungen aus Kapitalansammlungsverträgen sind wesentlich gemildert worden. Der Ausschuß hat sich im großen und ganzen den Vorschlägen der Regierungsvorlage angeschlossen. Versicherungen mit Einmalbeitrag dürfen in der Regel nicht vor Ablauf von 10 Jahren seit Vertragsabschluß zur Auszahlung gelangen, es sei denn, daß es sich um den Schadensfall oder um die Erbringung der vertragsmäßigen Rentenleistung in der Rentenversicherung handelt. Andernfalls erfolgt eine Nachversteuerung. Bei Bausparverträgen ist die Sperrfrist von 3 Jahren auf 5 Jahre ausgedehnt worden. Vorzeitige Auszahlungen sind nachzuversteuern, es sei denn, daß die Beträge unverzüglich und unmittelbar zum 1 Wohnungsbau verwendet werden. f) Verlustabzug Die Vorschriften über den Verlustabzug sind jetzt in einem besonderen" § 10 d geregelt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich dem Vorschlag der Regierungsvorlage angeschlossen. In Zukunft können nicht nur die Verluste der drei, sondern der fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Es dürfte deshalb künftig kaum mehr vorkommen, daß ein etwa entstandener Verlust nicht ausgeglichen wird. Der AUsschuß hat auch die Frage der rückwirkenden Verrechnung eines Verlustes auf vorangegangene Gewinnjahre geprüft. Er ist zu einer Ablehnung in dieser Hinsicht gekommen. Nach Abschnitt I Art. 2 dieses Entwurfs hat die Ausdehnung des Zeitraums, in dem die Verluste ausgeglichen werden können, rückwirkende Kraft. Der Steuerpflichtige kann Verluste aus dem Veranlagungszeitraum 1950 aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit auch im Veranlagungszeitraum 1954 wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen, soweit im übrigen die Voraussetzungen der Vorschriften über den Verlustabzug vorliegen. Diese Bestimmung ist vom Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen in die Regierungsvorlage eingefügt worden. 6. Wohnungsbauförderung a) Erhöhte Absetzungen für Wohngebäude Die Regierungsvorlage hatte für § 7 b EStG — erhöhte Absetzung für Wohngebäude — keine Änderungen vorgeschlagen. Der Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen schlägt eine Änderung des Abs. 3 diese Paragraphen vor. Nach diesen Vorschriften können bei Gebäuden, die im Rahmen der Kleinsiedlung oder als Kaufeigenheime mit dier Verpflichtung errichtet worden sind, sie an natürliche Personen zu Eigentum zu übertragen, die erhöhten Absetzungen nach Maßgabe der Vorschriften dieses Paragraphen vom Ersterwerber vorgenommen werden, soweit der Bauherr nicht selbst für die veräußerten Gebäude erhöhte Absetzungen geltend gemacht hat. In diesen Fällen sollen an die Stelle der Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten. Hat der Bauherr für die veräußerten Gebäude keine erhöhten Absetzungen vorgenommen, so tritt für den Ersterwerber an die Stelle des Jahres der Herstellung das Jahr des Ersterwerbs. Hat der Bauherr für die veräußerten Gebäude erhöhte Absetzungen vorgenommen, so kann der Ersterwerber sie nur mit den Hundertsätzen für den Zeitpunkt geltend machen, die für den Bauherrn ohne die Veräußerung maßgebend gewesen wären. Der Ausschuß schlägt diese Neuregelung vor. b) Förderung des Wohnungsbaus Der § 7 c EStG, nach dem Darlehen und Zuschüsse unter bestimmten Voraussetzungen vom Gewinn abgesetzt werden konnten und erst, soweit es sich um Darlehen handelt, bei ihrem Rückfluß zu versteuern waren, läuft nach den gegenwärtigen Vorschriften der Kleinen Steuerreform Ende 1954 aus. Die Regierungsvorlage sieht demzufolge eine Änderung an diesem Rechtszustand nicht vor. Im Interesse der Förderung des Wohnungsbaus wurde aus Kreisen des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen angeregt, eine ähnliche Bestimmung wie die bisherige Bestimmung des § 7 c EStG im Einkommensteuerrecht wieder einzuführen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat diesem Wunsche entsprochen. Der neue § 7 c EStG begünstigt Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus (nicht Zuschüsse) unter folgenden Voraussetzungen: 1. Die Darlehen müssen unverzinslich gegeben werden und eine Laufzeit von mindestens 10 Jahren haben. 2. Sie müssen nach dem 31. Dezember 1954 und vor dem 1. Januar 1959 an einen Bauherrn gegeben werden. 3. Das Darlehen muß von dem Bauherrn unverzüglich und unmittelbar zur nachstelligen Finanzierung oder Restfinanzierung ides Baus von Wohnungen im Sinne des § 7 Abs. 2 des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung vom 25. August 1953 (BGBl. I S. 1047) zur Benützung durch Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen oder in Eigenheimen, Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen oder als Wohnungen (Eigentumswohnungen) im Sinne des ersten Teils des Wohnungseigentumsgesetzes oder durch Wiederaufbau von durch Kriegseinwirkung ganz oder teilweise zerstörten Gebäuden verwendet werden. 4. Der Darlehensbetrag darf für jede geförderte Wohnung 7 000,— DM nicht übersteigen. Bei Eigenheimen, Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen erhöht sich dieser Betrag auf 10 000,— DM. Sind in einem Eigenheim oder in einer Kleinsiedlung zwei Wohnungen enthalten, so kann der Betrag von 10 000,— DM nur (Dr. Lindrath). für eine der beiden Wohnungen in Anspruch genommen werden. Die Darlehen dürfen in einem Jahr außerdem bei Steuerpflichtigen mit ordnungsmäßiger Buchführung 30 v. H. des Gewinns nicht übersteigen. Nur Darlehen für den Bau von Wohnungen zur Benützung durch eigene Arbeitnehmer sind ihrer Höhe nach unbeschränkt. 5. Der Nachweis dieser Voraussetzungen muß durch eine Bescheinigung der zuständigen Wohnungsbaubehörde geführt werden. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung kann diese Vergünstigung nicht nur von Gewerbetreibenden mit ordnungsmäßiger Buchführung, sondern auch von jedem anderen Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden. Die steuerliche Begünstigung besteht darin, daß 25 v. H. des Darlehensbetrages, soweit er sich im zulässigen Rahmen hält, vom Gewinn außerhalb der Bilanz oder von anderen Einkünften wie Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Die Darlehen sind in der Bilanz mit dem Wert anzusetzen, der sich nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen vom Nennbetrag der Darlehen ergibt. Dabei ist von einem Zinssatz von höchstens 5,5 v. H. auszugehen. Bemerkenswert ist, daß die Darlehen von dem bezeichneten Steuerpflichtigen auch dann abgezinst werden dürfen, wenn sie nicht aus betrieblichen Gründen hingegeben worden sind. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Darlehen unmittelbar an den Bauherrn selbst gegeben werden müssen. Die Entgegennahme und Weitergabe von 7 c-Darlehen durch Banken und Versicherungsinstitute und ähnliche Geldinstitute ist in Zukunft nicht mehr möglich. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den neuen § 7 c EStG mit Mehrheit angenommen. 7. Kapitalmarktförderung Durch das Erste Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes vom 15. Dezember 1952 (BGBl. I S. 793) ist ein § 3 a in das Einkommensteuergesetz aufgenommen worden. In diesem Paragraphen ist die Steuerbefreiung bestimmter Zinsen geregelt. Die Regierungsvorlage hatte zu diesem Paragraphen keine Änderungsvorschläge gemacht, wohl aber hatte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Vorschriften zur Förderung des Kapitalmarkts (Bundestagsdrucksache 565) vorgelegt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den materiellen Inhalt dieses Gesetzentwurfes in das Einkommensteuerrecht mit übernommen. Im wesentlichen ist § 3 a in der jetzigen Fassung bestehen geblieben, es ist lediglich in Ziffer 3 der Satz gestrichen: „Die Steuerfreiheit gilt für alle Wertpapiere einer Ausgabe auch dann, wenn bis zu dem bezeichneten Stichtage nur ein Teil der Wertpapiere veräußert worden ist." Der ganze Paragraph gilt nun als Absatz 1. Dem Paragraphen sind dann noch drei weitere Absätze angefügt. Die Absätze 2 und 3 entsprechen der Regierungsvorlage eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Vorschriften zur Förderung des Kapitalmarkts. Im Absatz 4 ist bestimmt, daß ab 1. Januar 1955 keine festverzinslichen Wertpapiere mehr ausgegeben werden können, deren Zinsen steuerfrei sind oder bei denen die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer durch den Steuerabzug (Couponsteuer) abgegolten ist. Soweit jedoch bei den bis Ende 1954 ausgegebenen festverzinslichen Wertpapieren nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften die Zinsen von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer befreit waren oder der Couponsteuer unterlagen, soll es dabei bis auf weiteres sein Bewenden haben. Weiterhin ist bemerkenswert, daß eine Anleihe als ausgegeben gilt, wenn mindestens ein Wertpapier der Anleihe veräußert worden ist. Fernerhin schlägt der Ausschuß eine Änderung des § 3 b — Steuerbefreiung bestimmter Gewinnanteile — vor. Nach diesem Vorschlag sind Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen von als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen nur noch bis zum 1. Januar 1959 von der Einkommensteuer befreit. Diese Steuerbefreiung gilt, sofern die Gewinnanteile vor dem 1. Januar 1959 fällig geworden sind. 8. Einkünfte aus Gewerbe a) Vereinfachte Gewinnermittlung Die Regierungsvorlage schlägt vor, daß gemäß § 4 Abs. 3 EStG bei Steuerpflichtigen, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, die Gewinnermittlung in vereinfachter Form vorgenommen werden kann. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat zur weiteren Voraussetzung gemacht, daß auch tatsächlich keine Abschlüsse von diesem Steuerpflichtigen gemacht werden. Nach den bisherigen Vorschriften konnten bei der vereinfachten Gewinnermittlung wirtschaftlich ins Gewicht fallende Schwankungen im Betriebsvermögen, die in einem Wirtschaftsjahr ausnahmsweise auftraten, durch Zuschläge oder Abschläge berücksichtigt werden. Diese Bestimmung hat in der Praxis zu großen Schwierigkeiten geführt. Entsprechend der Regierungsvorlage hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen deshalb beschlossen, daß Zuschläge oder Abschläge bei der vereinfachten Gewinnermittlung vom Inkrafttreten des Gesetzes ab nicht mehr vorgenommen werden können. b) Gewinn bei buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden Bei Gewerbetreibenden, deren Firma in das Handelsregister eingetragen ist, also bei Vollkaufleuten, gilt der Gewinn, der sich aus den Büchern ergibt, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung geführt werden, als Einkommen. Damit unterschied sich die Gewinnermittlung für Vollkaufleute von der Gewinnermittlung für andere Gewerbetreibende dadurch, daß bei Vollkaufleuten der Wert des Grund und Bodens bei der Gewinnermittlung nicht ausschied, daß die Vollkaufleute ein gewillkürtes Betriebsvermögen haben durften und daß sie nicht nur an die einkommensteuerrechtlichen, sondern in erster Linie an die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften gebunden waren. Ein wirtschaftlicher Grund für diese Unterschiede zwischen Vollkaufleuten und den meisten anderen Gewerbetreibenden besteht nicht mehr, weil die anderen Gewerbetreibenden eine gleich genaue und umfangreiche Buchführung haben wie die Vollkaufleute. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat der Regierungsvorlage zugestimmt. In Zukunft müssen demzufolge Gewerbetreibende, die zwar nicht im Handelsregister eingetragen sind, die aber auf (Dr. Lindrath) Grund der Reichsabgabenordnung zur Buchführung verpflichtet sind, und solche Gewerbetreibenden, die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ihren Gewinn nach § 5 EStG in der neuen Fassung nach denselben Grundsätzen wie Vollkaufleute ermitteln. c) Gewinn bei abweichendem Wirtschaftsjahr Land- und Forstwirte haben in der Regel ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr. Bei Gewerbetreibenden bestimmter Branchen trifft ähnliches, wenn auch in beschränkterem Umfang, zu. Nach dem geltenden Recht ist bei Land- und Forstwirten der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß bei Land- und Forstwirten der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni regelmäßig das Wirtschaftsjahr darstellt. Nur durch Rechtsverordnung kann ein anderer Zeitraum bestimmt werden, wenn das aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist. Diesem Vorschlag der Regierungsvorlage ist der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen gefolgt. Bei Gewerbetreibenden ist nach dem bisherigen Rechtszustand der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, indem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem Verhältnis der gesamten im Wirtschaftsjahr erzielten und auf das jeweilige Wirtschaftsjahr entfallenden Umsätze aufzuteilen. Diese Regelung besteht seit 1948. Sie wurde mit Rücksicht auf die Notwendigkeiten aus der Währungsumstellung erforderlich. Die von der Regierung vorgeschlagene Neuregelung, die z. B. zur Folge gehabt hätte, daß der Gewinn beim abweichenden Wirtschaftsjahr 1954/1955 teilweise sowohl bei der Veranlagung für 1954 als auch bei der Veranlagung für 1955 als Bemessungsgrundlage anzuwenden gewesen wäre, hat der Finanzausschuß abgelehnt, indem er sich dem Vorschlag der Regierung, Abs. 6 des § 2 EStG zu streichen, nicht anschloß. Es bleibt also grundsätzlich beim geltenden Recht. Durch den Ausschuß sind aber einige kleine Änderungen beschlossen worden. Gewerbetreibende durften bisher nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr dann abschließen, wenn ihre Firma im Handelsregister eingetragen war und sie Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches führten. In der Praxis entstanden hieraus bisweilen Schwierigkeiten, wenn die Bücher vorübergehend nicht ordnungsgemäß geführt wurden. In Zukunft soll daher ein abweichendes Wirtschaftsjahr schon ,dann zulässig sein, wenn die Firma des Gewerbetreibenden im Handelsregister eingetragen ist, ohne daß es auf eine ordnungsmäßige Führung der Bücher ankommt. Selbstverständlich müssen auch in Zukunft regelmäßig Abschlüsse auf den vom Kalenderjahr abweichenden Zeitpunkt gemacht werden. Außerdem ist jetzt die Möglichkeit geschaffen, buchführenden Land- und Forstwirten, die gleichzeitig einen nicht im Handelsregister eingetragenen Gewerbebetrieb unterhalten, für diesen Gewerbebetrieb ein Wirtschaftsjahr zuzubilligen, das mit dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr übereinstimmt. Damit will man vermeiden, daß vom gleichen Unternehmer die Buchabschlüsse für die Landwirtschaft und, den Gewerbebetrieb auf zwei verschiedene Zeitpunkte vorgenommen werden müssen. d) Scheingewinne Die Besteuerung der Scheingewinne ist seit jeher ein schwer lösbares steuerrechtliches Problem gewesen. Infolge der durch die Korea-Krise ausgelösten Preissteigerungen hat der Gewerbetreibende bei der Veräußerung seiner Waren, die er billiger eingekauft hatte, Gewinne erzielt, deren Besteuerung es ihm unmöglich machten, mengenmäßig die gleichen Warenmengen zu höheren Preisen wieder einzukaufen, so daß das Warenlager unvermeidbar zusammenschrumpfen mußte. Wie man diesen unerwünschten steuerlichen Wirkungen im Steuerrecht entgegentreten könnte, ist Gegenstand langer und eingehender Beratungen im Ausschuß gewesen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat beschlossen, entsprechend der Regierungsvorlage, aber unter Abänderung im einzelnen, der Regierung die Ermächtigung zu geben, eine Rechtsverordnung zu erlassen, nach der künftig in Fällen von erheblichen Preissteigerungen eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage in Höhe eines Vomhundertsatzes des Wertes des Vorratsvermögens gebildet werden kann. Dieser Vomhundertsatz ist seiner Höhe nach unbeschränkt und soll sich nach dem Umfang der Preissteigerungen richten. Die Steuerpflichtigen sollen einen angemessenen Teil der Preissteigerungen aber stets selber tragen. Zwischen den Mitgliedern des Ausschusses und den Vertretern des Bundesfinanzministeriums bestand bei den Beratungen im Ausschuß eine Übereinstimmung dahin, daß .der vom Steuerpflichtigen selbst zu tragende Teil der Preissteigerungen in der Regel nicht höher sein sollte als 10 v. H. der in Frage kommenden Preissteigerung. Nur bei ganz besonders großen Preissteigerungen soll dieser Vomhundertsatz bis auf 20 v. H. erhöht werden können. Die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, für die eine solche Rücklage gebildet werden kann, werden in der voraussichtlich jährlich neu zu erlassenden Rechtsverordnung jeweils bestimmt. Die Rücklage soll spätestens innerhalb von vier Wirtschaftsjahren wieder aufgelöst werden. Bei wesentlichen Preissenkungen soll auch eine frühere Auflösung möglich sein. Der Ausschuß hat das ursprüngliche Verfahren zur technischen Lösung dieser Frage im Wege der Absetzungen auf der Aktivseite der Bilanz abgelehnt und der Regelung der Bildung einer steuerfreien Rücklage auf der Passivseite der Bilanz den Vorzug gegeben. Auch die Bewertungsmethoden des sogenannten Lifo-Verfahrens (last in—first out) und die Bewertung nach den Grundsätzen des eisernen Bestandes wurden vom Ausschuß eingehend geprüft, jedoch abgelehnt. Die entsprechende Ermächtigung zum Erlaß einer solchen Rechtsverordnung ist im § 51 EStG Ziff. 2 b in der Fassung der Regierungsvorlage enthalten. e) Rückstellungen für Pensionsanwartschaften Die steuerrechtliche Regelung der Rückstellungen für Pensionsanwartschaften war bisher im Einkommensteuerrecht noch nicht ausdrücklich geregelt worden. Die Rückstellungen wurden nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung gebildet. Nach der Praxis und ständigen Rechtsprechung der obersten Finanzgerichte waren Rückstellungen für Pensionsanwartschaften vom Zeitpunkt der Zusage ab bis zum voraussicht- (Dr. Lindrath) lichen Eintritt des Pensionsfalles nach versicherungsmathematischen Grundsätzen gleichmäßig zu verteilen. Durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Februar 1953 wurde jedoch der Rechtssatz aufgestellt, es sei zu prüfen, ob die Pensionszulage teilweise zusätzliches Entgelt für die abgelaufene Dienstzeit darstelle. Soweit das der Fall sei, könne die Pensionslast im Jahr der Zusage in voller Höhe passiviert werden. Hieraus entstand eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Behandlung derartiger Rückstellungen. Zur Beseitigung dieser Unsicherheit, die insbesondere aus sozialen Gründen sehr unerwünscht war, sieht die Regierungsvorlage die Einfügung eines besonderen § 6 a EStG vor, der auf dem Wege der Gesetzgebung eine Regelung über die Bildung von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften schafft. Danach sind Rückstellungen für Pensionsanwartschaften entsprechend der älteren Rechtsprechung zu bilden. Als Rechnungszinsfuß ist dabei ein Zinsfuß von mindestens 3,5 v. H. festgelegt worden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich dem Vorschlag der Regierungsvorlage angeschlossen, jedoch mit [der Maßgabe, daß in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Versorgungsfall eintritt oder die aus der Pensionszusage berechtigte Person ihre Tätigkeit für den Steuerpflichtigen unter Beibehaltung des Versorgungsanspruchs beendet, die Rückstellung den Gewinn bis zu dem Betrag mindern darf, der sich als Unterschied zwischen dem versicherungsmathematischen Barwert der künftigen Pensionsleistungen und einer nach den allgemein geltenden Grundsätzen für den Bilanzstichtag des vorangegangenen Wirtschaftsjahres berechneten Rückstellung ergibt. f) Einlagen Nach den bisherigen Bewertungsvorschriften im § 6 Abs. 1 Ziffer 5 EStG sind Einlagen mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung, höchstens jedoch mit den tatsächlichen Anschaffungs oder Herstellungskosten, anzusetzen. Die Vorschrift über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Höchstwert hat zur Folge, daß bei der Einlage von Wirtschaftsgütern, die vorher zum Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, eine Werterhöhung während der Dauer des Privatbesitzes bei einer späteren Veräußerung zu einem Betriebs- gewinn führt. Das erschien unbefriedigend. Deshalb sieht die Regierungsvorlage als Bewertungsmaßstab grundsätzlich den Teilwert vor. Eine Ausnahme in der Bewertung zu den Anschaffungsoder Herstellungskosten ist nur zugelassen, wenn das angeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten 3 Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich der Regierungsvorlage in seiner Entscheidung angeschlossen. g) Nachversteuerung Nach den Vorschriften der §§ 10 a und 32 a EStG 1950 unterliegen Mehrentnahmen einer Nachversteuerungspflicht. Die Nachversteuerung ist an sich auf unbestimmte Zeit vorzunehmen. Durch die Kleine Steuerreform hatte man für die Steuerpflichtigen bereits die Möglichkeit geschaffen, die zeitlich unbegrenzte Nachversteuerung im Veranlagungszeitraum 1953 durch Zahlung eines Pauschbetrages von 10 v. H. des noch nicht nachversteuerten Betrages abzulösen. Von dieser Möglichkeit ist vielfach Gebrauch gemacht worden. Die Regierungsvorlage sieht daher vor, die Frage der Nachversteuerungspflicht nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1950 nunmehr endgültig abzuschließen. In Art. 2 Abs. 12 der Regierungsvorlage ist daher der Ablösungszwang mit 10 v. H. des am Ende des Veranlagungszeitraums 1954 noch vorhandenen, besonders festgestellten Betrags vorzusehen. Die Ablösung soll bei der Veranlagung des Veranlagungszeitraums 1955 vorgenommen werden. Die Regierungsvertreter haben im Ausschuß zugesagt, in den Richtlinien vorzusehen, daß Steuerpflichtige mit Rücksicht auf ihre Liquidität beantragen können, die Nachversteuerung auf einen läng e r en Zeitraum zu verteilen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich der Regierungsvorlage angeschlossen. h) Steuerabzug von Aufsichtsratvergütungen Nach § 45 a EStG hat das Unternehmen die Aufsichtsratsteuer mit 50 v. H. der Aufsichtsratvergütung für das Aufsichtsratmitglied einzubehalten. Die Regierungsvorlage hatte hierzu keine Änderungsvorschriften enthalten. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat mit Mehrheit beschlossen, die Aufsichtsratsteuer entsprechend der Tarifsenkung von 50 auf 40 v. H. der Vergütung herabzusetzen. 9. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft a) Änderung des landwirtschaftlichen Freibetrages Für bestimmte Land- und Forstwirte ist im § 13 Abs. 4 EStG ein Freibetrag von 2 000,— DM vorgesehen, wenn das Einkommen im Veranlagungszeitraum 6 000,— DM nicht übersteigt. Das Recht, diesen Freibetrag in Anspruch zu nehmen, ist nach der Regierungsvorlage auf Steuerpflichtige eingeschränkt worden, die auf Grund des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 (BGBl. I S. 201) zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen berechtigt sind und sich nach dem 8. Mai 1945 im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) als Landwirte niedergelassen haben. Dieser Freibetrag wird für fünf auf das Jahr der Niederlassung folgende Veranlagungszeiträume gewährt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich dem Vorschlag der Regierung angeschlossen. b) Außerordentliche Holznutzungen Die Besteuerung der Einkünfte aus Forstwirtschaft war bisher zum Teil zweifelhaft und strittig. Die Regierungsvorlage hat zur Klarstellung verschiedener Zweifelsfragen einen neuen § 34 a EStG eingefügt. An Stelle des Begriffes der „Waldnutzung" ist der Begriff „Holznutzung" getreten. Eine außerordentliche Holznutzung soll in Zukunft nur anerkannt werden, wenn sie außerhalb des festgesetzten Nutzungssatzes anfällt und wenn es sich dabei nicht um eine nachgeholte ordentliche Nutzung handelt. Die Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen sollen mit den niedrigeren Steuersätzen des § 34 Abs. 1 EStG, d. h. mit Steuersätzen zwischen 10 bis 30 v. H., zur Einkommensteuer herangezogen werden. Der Begriff der Holznutzungen infolge höherer Gewalt, sogenannte Kalamitätsnutzungen, ist in Ziffer 2 des Abs. 1 des neuen § 34 a EStG genauer gefaßt. Für derartige Holznutzungen sind beacht- (Dr. Lindrath) liche Vergünstigungen vorgesehen. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus den einzelnen Holznutzungsarten sind die persönlichen und sachlichen Verwaltungskosten, Grundsteuer und Zwangsbeiträge, soweit sie zu den festen Betriebsausgaben gehören, bei den Einnahmen aus ordentlichen Holznutzungen und Holznutzungen infolge höherer Gewalt, die innerhalb des Nutzungssatzes anfallen, zu berücksichtigen. Die anderen Betriebsausgaben sind entsprechend der Höhe der Einnahmen aus allen Holznutzungsarten auf diese zu verteilen. Die Vorlage der Regierung wurde vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen mit einigen klarstellenden Abänderungen nach sorgfältiger Prüfung durch den hierfür eingesetzten Unterausschuß angenommen. 10. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit a) Veranlagungsgrenze für Lohnsteuerpflichtige Lohnsteuerpflichtige, die in mehreren Arbeitsverhältnissen stehen, wurden bisher veranlagt, wenn das Einkommen aus diesen Arbeitsverhältnissen 3 600,— DM überstieg. Dieser Betrag ist durch die Regierungsvorlage auf 4 800,— DM in § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG erhöht worden: Die Heraufsetzung ist durch die Neugestaltung des Tarifs und die damit gemilderte Progression begründet. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich der Regierungsvorlage angeschlossen. In Ziffer 6 des Abs. 1 des § 46 EStG ist das Recht der Lohnsteuerpflichtigen auf Veranlagung eingeengt worden. Bisher konnte jeder Lohnsteuerpflichtige bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Veranlagung beantragen. Nach der Rechtsprechung wurde ein berechtigtes Interesse an der Veranlagung anerkannt, wenn einem Arbeitnehmer, der die ihm im Lohnsteuerverfahren und im Lohnsteuerjahresausgleichsverfahren zustehenden Möglichkeiten rechtzeitig geltend gemacht hat, eine höhere Steuer einbehalten wurde, als sich bei einer Veranlagung ergeben würde. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird in der Regierungsvorlage eine Einschränkung vorgeschlagen. Es kann jetzt nur noch eine Veranlagung beantragt werden in Fällen, in denen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beider Ehegatten 9 000,— DM nicht übersteigen, außerdem, wenn eine Anwendung der Vorschriften des § 34 EStG über die Begünstigung außerordentlicher Einkünfte erstrebt und wenn zur Berücksichtigung von Verlusten aus einer anderen Einkunftsart als derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit eine Veranlagung sich als notwendig erweist. Diese Einschränkungen schienen auch dem Ausschuß gerechtfertigt. b) Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Nach dem bisherigen § 34 a sind die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 7 200,—DM im Kalenderjahr nicht übersteigt. Die Regierungsvorlage sieht eine Streichung dieses Paragraphen vor, weil die arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkte, die seinerzeit für die Einfügung dieses Paragraphen maßgebend waren, inzwischen weggefallen sind. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich der Regierungsvorlage, d. h. der Streichung dieser steuerlichen Vergünstigung, angeschlossen. c) Zusätzlicher Freibetrag für Arbeitnehmer und Angehörige der freien Berufe Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat bei seinen Beratungen wiederholt die Frage eines zusätzlichen Freibetrages für Arbeitnehmer und Angehörige der freien Berufe geprüft. Im Interesse einer stärkeren allgemeinen Tarifsenkung glaubte der Ausschuß jedoch, derartigen Wünschen auf Einführung eines solchen Freibetrages nicht entsprechen zu können. 11. Außergewöhnliche Belastungen a) Allgemeine Regelung Die Anerkennung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Belastung war nach dem bisherigen Recht auf das Überschreiten der Eigenbelastungsgrenze und den Mangel der steuerlichen Leistungsfähigkeit abgestellt, sofern es sich um zwangsläufige Aufwendungen handelte. An dem Grundsatz, daß eine außergewöhnliche Belastung bei der Bemessung der Einkommensteuer berücksichtigt wird, wenn es sich um zwangsläufige Aufwendungen handelt und die zumutbare Eigenbelastung durch die Aufwendungen überstiegen wird, ist durch die Neuregelung des § 33 EStG in der Regierungsvorlage nichts geändert worden, wohl aber will man in Zukunft die Zubilligung der steuerlichen Begünstigungen für außergewöhnliche Belastung nicht mehr auf die steuerliche Leistungsfähigkeit abstellen. Auch Steuerpflichtige mit größerem Einkommen oder Vermögen werden in Zukunft dieser steuerlichen Vergünstigung teilhaftig, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Der Ausschuß hat sich der Vorlage angeschlossen. b) Freibeträge für Vertriebene und Flüchtlinge Der bisherige § 33 a EStG sah für Vertriebene, Heimatvertriebene, Sowjetzonen-Flüchtlinge und diesen gleichgestellte Personen sowie bei politisch Verfolgten, Personen, die nach dem 30. September 1948 aus Kriegsgefangenschaft aus heimgekehrt sind (Spätheimkehrer, und bei Personen, die den Hausrat und die Kleidung infolge Kriegseinwirkung verloren haben (Totalschaden) und dafür höchstens eine Entschädigung von 50 v. H. dieses Kriegsschadens erhalten haben, besondere gestaffelte Freibeträge vor. Nach der Regierungsvorlage ist diese Vorschrift gestrichen worden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat jedoch in Art. 2 Abs. 9 des Gesetzes bestimmt, daß diese Vorschriften sowie die Vorschriften des § 41 Abs. 1 Ziffer 5 des Einkommensteuergesetzes 1953 auch weiterhin mit der Maßgabe gelten sollen, daß sie bei einem Steuerpflichtigen jeweils nur für das Kalenderjahr, in dem bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrages nach diesen Vorschriften eingetreten sind, und für die beiden folgenden Kalenderjahre anzuwenden sind. c) Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen Der durch die Regierungsvorlage neu eingefügte § 33 a EStG regelt die steuerliche Behandlung außergewöhnlicher Belastungen in besonderen Fällen. Durch diese Vorschriften sollen in der Praxis aufgetauchte besondere Schwierigkeiten beseitigt werden. Es handelt sich dabei um die Fälle, in denen einem Steuerpflichtigen für den Unterhalt (Dr. Lindrath) und eine etwaige Berufsausbildung von Kindern, für die er Kinderermäßigung nicht erhält, oder von anderen Angehörigen Aufwendungen entstehen. Außerdem sind die Fälle geregelt worden, in denen durch die auswärtige Unterbringung von in der Berufsausbildung befindlichen, unterhaltenen Personen Aufwendungen erwachsen, ferner die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger eine Hausgehilfin beschäftigt. Die Regierungsvorlage sah unter anderem eine Hausgehilfinnenermäßigung auch dann vor, wenn zum Haushalt des erwerbstätigen Steuerpflichtigen, der unverheiratet ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt, mindestens ein Kind gehört, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Ausschuß hat diesen Tatbestand nicht als begünstigungsfähig anerkannt und diese Bestimmung in der Regierungsvorlage gestrichen. Wegen der außerordentlichen Belastungen von körperbeschädigten Personen, denen auf Grund gesetzlicher Vorschriften Beschädigtenversorgung zusteht, sind nach den Vorschriften der Regierungsvorlage durch Rechtsverordnung Pauschbeträge festzusetzen, die nach dem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu staffeln sind. Der Ausschuß hat diesem Vorschlag zugestimmt. d) Außerordentliche Einkünfte Die Steuersätze für außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 EStG sind nach der Regierungsvorlage der allgemeinen Senkung des Einkommensteuertarifs angepaßt worden. Sie werden künftig zwischen 10 bis höchstens 30 v. H. (bisher 40 v. H.) liegen. Der Ausschuß hat der Regierungsvorlage in diesem Punkte zugestimmt. 12. Verschiedenes a) Einkünfte aus Leistungen Nach § 22 Ziffer 3 EStG waren bisher Einkünfte aus Leistungen nur steuerpflichtig, wenn sie 300,— DM oder mehr betragen haben. Dieser Betrag ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf 500,— DM erhöht worden. Der Ausschuß hat der Regierungsvorlage in diesem Punkte zugestimmt. b) Spekulationsgewinne Nach § 23 Abs. 1 Ziffer 1 Buchstabe b EStG sind Spekulationsgewinne aus der Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern als Grundstücken, insbesondere also von Wertpapieren, dann steuerpflichtig, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt. Die Regierungsvorlage sieht vor, daß dieser Zeitraum auf 3 Monate verkürzt wird. Der Ausschuß hat der Regierungsvorlage zugestimmt. c) Veräußerungsgewinne Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat in den Entwurf der Regierungsvorlage einen neuen § 17 a — Veräußerung von Bodenschätzen — eingefügt. Danach gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Bodenschätzen, die nicht zu einem land- und forstwirtschaftlichen oder einem gewerblichen Betriebsvermögen gehören. Als Veräußerungsgewinn ist hiernach der Betrag anzusehen, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Die Steuerpflicht soll nur eintreten, wenn der Veräußerungsgewinn 10 000,— DM übersteigt. Ein Verlust aus der Veräußerung von Bodenschätzen darf bei der Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden. Im § 18 Abs. 3 EStG hat der Entwurf der Regierungsvorlage eine Begünstigung der Veräußerungsgewinne gebracht, die bei der Veräußerung des der selbständigen Arbeit dienenden Vermögens erzielt werden. Gewinne, die bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder einer wesentlichen Beteiligung erzielt werden, sind nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht steuerpflichtig, wenn sie den Betrag von 10 000,— DM nicht übersteigen. Eine entsprechende Vorschrift fehlte bisher für die Gewinne bei der Veräußerung des Vermögens von Angehörigen der freien Berufe. Zur Gleichstellung dieser Personen mit den Land- und Forstwirten und den Gewerbetreibenden ist jetzt bestimmt, daß auch bei der Veräußerung des Vermögens Angehöriger der freien Berufe eine Steuerpflicht nur eintritt, wenn der Veräußerungsgewinn den Betrag von 10 000,— DM übersteigt. Der Ausschuß ist diesem Vorschlag der Regierungsvorlage beigetreten. d) Unverheiratete und verwitwete Arbeitnehmer im Steuertarif Nach § 39 Abs. 2 Buchstabe b und Abs. 3 Ziffer 2 fallen unverheiratete Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr, oder wenn sie verwitwet sind, das 50. Lebensjahr vollendet haben, nicht in die Steuerklasse I, sondern, soweit sie nicht zur Steuerklasse III gehören, in die Steuerklasse II. Die unterschiedliche Behandlung der unverheirateten Arbeitnehmer und der verwitweten Arbeitnehmer ist nicht gerechtfertigt. Die Regierungsvorlage empfiehlt daher eine Gleichstellung beider Personenkategorien und schlägt vor, die Altersbegrenzung mit dem 60. bzw. 50. Lebensjahr in beiden Fällen durch das 55. Lebensjahr zu ersetzen. Dadurch werden beide Gruppen von Steuerpflichtigen gleichgestellt. Verwitwete Personen, die noch nicht 55 Jahre alt sind und nach den bisherigen Vorschriften schon in der Steuerklasse II eingestuft wurden, sollen in dieser Steuerklasse bleiben. Mit dieser Maßgabe, die im Art. 2 Abs. 8 auf Veranlassung des Ausschusses eingefügt worden ist, hat der Ausschuß der Regierungsvorlage zugestimmt. e) Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinnes Im § 10 a EStG wird der nicht entnommene Gewinn für Vertriebene, Flüchtlinge und politisch Verfolgte steuerbegünstigt. Diese Vorschriften sind zeitlich bis zum Jahre 1956 begrenzt. Die Regierungsvorlage sah vor, diese Vorschriften schon vorzeitig im Jahre 1955 auslaufen zu lassen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat beschlossen, der Regierungsvorlage in diesem Punkte nicht zu folgen, sondern den § 10a EStG in der jetzt geltenden Fassung bestehen zu lassen, d. h. die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinnes bei den genannten Personengruppen bis zum Jahre 1956 aufrechtzuerhalten. f) Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige und Sonstiges Im § 50 EStG sind die Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige enthalten. Im letzten Satz des Abs. 1 dieses Paragraphen war bisher (Dr. Lindrath) vorgeschrieben, daß die Vorschriften des § 10 b, der die Abzugsfähigkeit von Spenden für steuerbegünstigte Zwecke regelt, für beschränkt Steuerpflichtige nicht anzuwenden sind. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat an dieser Stelle die Bezugnahme auf § 10 b gestrichen. Obwohl beschränkt Steuerpflichtige die üblichen Sonderausgaben grundsätzlich nicht geltend machen können, weil diese ihrer Natur nach nur für Inländer in Betracht kommen, bedeutet dieser Beschluß des Ausschusses, daß auch beschränkt Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Spendenabzugs für die Zukunft eröffnet wird. Die Haushaltsbesteuerung mit Bezug auf die Ehegatten ist jetzt im § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung 1953 geregelt. Danach scheiden Einkünffe aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammenveranlagung aus. Gemäß Art. 3 der Regierungsvorlage soll diese Vorschrift mit Rücksicht auf die in der Regierungsvorlage vorgesehene Haushaltsbesteuerung gestrichen werden. Der Ausschuß ist der Regierungsvorlage beigetreten. III. KÖRPERSCHAFTSTEUER 1. Körperschaftsteuertarif Bei der Körperschaftsteuer war vornehmlich ihre Höhe dem gesenkten Einkommensteuertarif anzupassen. Die Regierungsvorlage hatte daher vorgesehen, die allgemeine Körperschaftsteuer von 60 v. H. auf 45 v. H. zu senken und für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf 30 v. H., wie bisher, zu belassen. Dieser sogenannte gespaltene Körperschaftsteuersatz wurde vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen nicht gebilligt. Der Ausschuß hat die Begünstigung für ausgeschüttete Gewinne abgelehnt und den Körperschaftsteuersatz einheitlich auf 45 v. H. festgesetzt. Zu diesem Beschluß war der Ausschuß dadurch gekommen, daß für die zusätzliche Senkung des Einkommensteuertarifes Mittel freigemacht werden sollten. Die Regierung schätzt das Mehraufkommen bei Wegfall des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes und bei einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 45 v. H. auf rund 120 Millionen DM. Der Körperschaftsteuersatz für Kreditanstalten des öffentlichen Rechts, Bausparkassen, Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken ist auf 22,5 v. H. in der Regierungsvorlage festgesetzt. Der Ausschuß schloß sich dieser Vorlage an. 2. Mindestbesteuerung In § 17 KStG ist die Mindestbesteuerung der Körperschaften geregelt. Die Regierungsvorlage hatte keine Änderung dieser Vorschriften ins Auge gefaßt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat jedoch die Auffassung vertreten, daß die Mindestbesteuerung zwecklos ist und einen erheblichen Arbeitsaufwand mit sich bringt. Der Ausschuß hat daher beschlossen, § 17 KStG zu streichen. 3. Verschiedenes a) Persönliche Befreiung von der Körperschaftsteuer Die Vorschriften über die persönlichen Befreiungen von der Körperschaftsteuer in § 4 KStG sind nach der Regierungsvorlage den heutigen Verhältnissen angepaßt worden. Auf Beschluß des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ist neben den öffentlichen Bank- und Kreditanstalten jetzt auch die Deutsche Genossenschaftskasse von der Körperschaftsteuer befreit. b) Versicherungsunternehmen Die Regierungsvorlage schlägt vor, bei Ermittlung des Einkommens von Versicherungsunternehmen wirtschaftliche Besonderheiten derartiger Unternehmen steuerlich zu berücksichtigen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich diesem Wunsche angeschlossen, jedoch die gesetzliche Fassung dieser Vorschriften abweichend von der Regierungsvorlage festgestellt. c) Kapitalverwaltungsgesellschaften Nach § 10 KStG können für Kapitalverwaltungsgesellschaften durch Rechtsverordnung besondere Vorschriften erlassen werden. In Abs. 2 dieses Paragraphen wird eine Begriffsbestimmung für Kapitalverwaltungsgesellschaften gegeben. Im Gegensatz zur Regierungsvorlage hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen diesen Paragraphen gestrichen. Eine entsprechende Streichung wurde in dem Ermächtigungsparagraphen 23 a Abs. 1 Ziff. 1 c dadurch vorgenommen, daß an dieser Stelle die Worte „und bei Kapitalverwaltungsgesellschaften" ebenfalls gestrichen wurden. d) Förderung staatspolitischer Zwecke Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke sind gemäß § 11 Ziff. 5 KStG bei Ermittlung des Einkommens abzuziehen. Der Ausschuß hat beschlossen, in Angleichung an den entsprechenden Beschluß zur Einkommensteuer auch Ausgaben von Körperschaften für staatspolitische Zwecke zu begünstigen. Ausgaben dieser Art sind bis zur Höhe von insgesamt 5 v. H. des Einkommens abzugsfähig. Für wissenschaftliche Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 v.H. um weitere 5 v. H. Der Ausschuß hat beschlossen, diese Verdoppelung des Begünstigungsgesetzes für Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke nicht zuzulassen. e) Genossenschaften Der Ausschuß hat der Regierungsvorlage zu § 23 mit der Maßgabe zugestimmt, daß in Ziffer 2 die Worte „ob und" gestrichen werden; außerdem wurde der zweite Satz dieser Ziffer mit Rücksicht auf die inzwischen verkündete Änderung des Rabattgesetzes (vom 21. Juli 1954) gestrichen. f) Kleine Versicherungsvereine § 23 a KStG enthält die Vorschriften über die Ermächtigungen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat der Regierungsvorlage mit der Maßgabe zugestimmt, daß die Bundesregierung auch ermächtigt wird, mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen, durch die bestimmte kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Sinne des § 53 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen, bei denen entweder die Beitragseinnahmen eine bestimmte Höhe nicht übersteigen oder der Betrieb nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe (Dr. Lindrath) der Leistungen eine soziale Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 7 *Buchstabe b darstellt, von der Körperschaftsteuer befreit werden. IV. WOHNUNGSBAUPRÄMIENGESETZ Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat die Regierungsvorlage zur Änderung des Wohnungsbauprämiengesetzes im wesentlichen unverändert angenommen. Der Entwurf hält daran fest, daß im Rahmen des Wohnungsbauprämiengesetzes das Wohnungsbausparen in größerem Umfange begünstigt werden soll als durch Sonderausgaben bei der Einkommensteuer. Es sollen deshalb nicht nur Zahlungen an Bausparkassen, sondern auch Aufwendungen auf Grund von Wohnungsbausparverträgen und von Kapitalansammlungsverträgen mit Wohnungs- und Siedlungsunternehmen und Organen der staatlichen Wohnungspolitik weiterhin prämienbegünstigt bleiben, soweit sie auf die Bildung von Eigentum im Wohnungsbau gerichtet sind. Dadurch soll der Eigentumsgedanke beim Wohnungsbau gerade auch bei den kleineren Steuerpflichtigen gefördert werden. Der Entwurf zur Änderung des Wohnungsbauprämiengesetzes enthält im übrigen eine Reihe von Bestimmungen, die in 'der Hauptsache redaktioneller Natur sind oder eine Angleichung an die Bestimmungen der Kleinen Steuerreform herbeiführen sollen. Die Mißbrauchsbestimmungen des § 10 EStG in der Fassung der Kleinen Steuerreform sind jetzt für bestimmte Sondertatbestände neu eingeführt worden, um bei den Wohnungsbauprämien Mißbräuche zu verhindern, die bei den Sondertatbeständen leicht eintreten könnten. Es handelt sich dabei insbesondere um das Verbot des Kreditzusammenhangs. Im Ausschuß wurde insbesondere auch klargestellt, daß durch die Bezugnahme im § 5 Abs. 1 des Wohnungsbauprämiengesetzes auf die im § 2 Abs. 2 festgelegten Voraussetzungen eine Gleichstellung mit den Vorschriften des § 10 EStG erreicht wird. Die Voraussetzungen des § 2 Wohnungsbauprämiengesetz sind nicht enger als die des § 10 EStG. V. GEWERBESTEUER Verschiedene Änderungen auf dem Gebiete des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts durch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern haben es notwendig gemacht, verschiedene Vorschriften des Gewerbesteuerrechts den geänderten Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes anzupassen. Die Regierungsvorlage strebt dies in ihren Vorschlägen zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes an. So waren insbesondere auch die Vorschriften des Einkommensteuerrechts über den Verlustabzug in das Gewerbesteuerrecht zu übernehmen. Eine Änderung des Gewerbesteuermeßbescheides von Amts wegen soll nach dem jetzt vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen angenommenen Entwurf auch dann erfolgen, wenn durch die Änderung eines Feststellungsbescheides der Einheitswert des gewerblichen Betriebs berührt und dadurch die Höhe des Gewerbekapitals beeinflußt wird. Der Ausschuß hat auch die Fragen geprüft, ob die Angehörigen der freien Berufe bei einer Vervielfältigung der Arbeitsleistung von der Gewerbesteuer in Zukunft freigestellt werden sollen. Gegen einen derartigen Beschluß sprach der Umstand, daß das von diesen Berufskreisen angestrebte Berufsrecht noch nicht kodifiziert ist, so daß eine gesetzliche Regelung auf dem Gebiete der Gewerbesteuer jetzt für verfrüht gehalten wurde. VI. ERBSCHAFTSTEUER 1. Erbschaftsteuertarif Die wesentlichste Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Regierungsvorlage betrifft den Erbschaftsteuertarif und damit im Zusammenhang die Erhöhung der Freibeträge und Freigrenzen. Nach der Regierungsvorlage sollen die Freibeträge und Freigrenzen künftig wie folgt erhöht werden: In der Steuerklasse I von 20 000 DM auf 30 000 DM, in der Steuerklasse II von 10 000 DM auf 20 000 DM, in den Steuerklassen III und IV von 2 000 DM auf 3 000 DM und in der Steuerklasse V von 500 DM auf 1 000 DM. Insoweit hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen der Regierungsvorlage zugestimmt. Die Regierung hat außerdem eine Senkung der Vomhundertsätze des Tarifs vorgeschlagen. Der Ausschuß hat sich diesem Vorschlag nicht angeschlossen. Der Beschluß des Ausschusses, der mit Mehrheit gefaßt wurde, sieht eine Herabsetzung der Vomhundertsätze in den einzelnen Steuerklassen auf die Sätze vor, die im Jahre 1934 in Kraft waren. Den hierdurch eintretenden Steuerausfall schätzt das Bundesfinanzministerium auf etwa 30 Millionen DM. 2. Verschiedenes In Abweichung von der Regierungsvorlage hat der Ausschuß beschlossen, daß Zuwendungen nicht nur innerhalb des Bundesgebietes oder an Deutsche außerhalb des Bundesgebietes befreit oder steuerlich begünstigt werden sollen, sondern daß alle Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist, die steuerliche Begünstigung erfahren sollen. Ein dementsprechender Beschluß wurde im Ausschuß angenommen. Ein im Ausschuß gestellter Antrag, beim Übergang geschlossener landwirtschaftlicher Höfe einen besonderen Freibetrag zu gewähren, wurde abgelehnt. VII. REICHSABGABENORDNUNG § 100 Abs. 2 AO ist nach der Regierungsvorlage neu gefaßt worden. Durch ihn wird bestimmt, daß das Finanzamt den Inhalt einer abgegebenen Steuererklärung einer vorläufigen Festsetzung zu Grunde legen kann. Durch diese Änderung soll erreicht werden, daß gleich nach der Abgabe der Steuererklärung eine vorläufige Veranlagung, die sonst in diesen Fällen nicht zulässig war, durchgeführt werden kann. Daran kann sowohl der Steuerpflichtige, als auch der Fiskus ein Interesse haben, weil üblicherweise zwischen dem Eingang (Dr. Lindrath) einer Steuererklärung und der Veranlagung ein gewisser Zeitraum lag. Bisher konnte eine vorläufige Steuerfestsetzung nur vorgenommen werden, wenn ungewiß war, ob oder inwieweit die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuerschuld eingetreten sind. Diese Voraussetzung besteht nun nicht mehr. Diese Bestimmung soll erstmals für die Veranlagung des Kalenderjahres 1955 angewendet werden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat der Regierungsvorlage zugestimmt. VIII. AUSFUHRFÖRDERUNG Als Ausfuhrförderungsmaßnahme im Rahmen der Ertragsteuern können die Steuerpflichtigen zur Zeit unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerfreie Rücklage bilden und einen bestimmten Betrag vom Gewinn steuerfrei absetzen. Beide Vergünstigungen laufen gemäß den Vorschriften im Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr in ' der Fassung vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1378) mit Ablauf des Jahres 1955 aus. An eine Verlängerung war wegen der außenpolitischen Situation nicht gedacht. Um eine Deckung für die stärkere Senkung des Einkommensteuertarifs zu beschaffen, hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beschlossen, die Möglichkeit zur Bildung. von steuerfreien Rücklagen schon mit Ausgang des Jahres 1954 abzuschaffen, also das Auslaufen dieser Vergünstigung um ein Jahr vorzuverlegen. IX. SCHLUSSVORSCHRIFTEN UND INKRAFTTRETEN Nach den Schlußvorschriften des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern gilt dieses Gesetz nach den Vorschriften des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 auch im Land Berlin. Das Gesetz soll nach der Regierungsvorlage am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten. Darüber hinaus sollten nach der Regierungsvorlage die Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bereits mit Wirkung vom 1. Oktober 1954 in Kraft treten, die übrigen gesetzlichen Vorschriften dagegen zum 1. Januar 1955. Weil das Gesetz frühestens im Dezember 1954 verkündet werden kann, hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beschlossen, auch die neuen Tarife erst am 1. Januar 1955 in Kraft treten zu lassen. Die dadurch für 1954 eingesparten Beträge sind nach Ansicht des Ausschusses als weitere Kompensation für den Ausfall gedacht, der durch die stärkere Senkung des Einkommensteuertarifs entsteht. Bonn, den 10. November 1954 Dr. Lindrath Berichterstatter Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Streichung der Nr. 13 a des Art. 1 in Abschnitt I - Einkommensteuer - des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Umdruck 202 Ziffer 4) (vergl. S. 2684 C, 2686 C, 2700 D.) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Frau Ackermann . . . . Nein Fuchs Nein Dr. Adenauer — Funk Nein Albers Ja Dr. Furler Nein Arndgen Ja Gedat — Barlage Nein Geiger (München) . . . Nein Dr. Bartram entschuld. Frau Geisendörfer . . . enthalten Bauer (Wasserburg) . . krank Gengler Nein Bauereisen Nein Gerns entschuld. Bauknecht D. Dr. Gerstenmaier . . Nein Bausch enthalten Gibbert Nein Becker (Pirmasens) . . . Nein Giencke . Nein Berendsen entschuld. Dr. Glasmeyer Nein Dr. Bergmeyer Nein Dr. Gleissner (München) Nein Fürst von Bismarck . . . Ja Glüsing Nein Blank (Dortmund) . . . — Gockeln . — Frau Dr. Bleyler Dr. Götz Nein (Freiburg) Nein Goldhagen Nein Blöcker Nein Gontrum Nein Bock Nein Dr. Graf Nein von Bodelschwingh . . . Nein Griem entschuld. Dr. Böhm (Frankfurt) . Ja Günther Nein Brand (Remscheid) . . Nein Gumrum Nein Frau Brauksiepe . . . . Nein Häussler entschuld. Dr. von Brentano . . . . Nein Hahn krank Brese Nein Harnischfeger Ja Frau Dr. Brökelschen . Ja Heix Nein Dr. Brönner Ja Dr. Hellwig Nein Brookmann (Kiel) . • Ja Dr. Graf Henckel • • • entschuld. Brück Nein Dr. Hesberg entschuld. g Dr. Bucerius Nein Heye entschuld. Dr. von Buchka . . . . Nein Hilbert Nein Dr. Bürkel Nein Höcherl Nein Burgemeister Nein Dr. Höck Nein Caspers Ja Höfler Nein Cillien Nein Holla Nein Dr. Conring Nein Hoogen Nein Dr. Czaja Nein Dr. Horlacher entschuld. Demmelmeier Nein Horn . . . . . . . . . enthalten Diedrichsen — Huth Nein Frau Dietz Nein Illerhaus entschuld. Dr. Dittrich Nein Dr. Jaeger — Dr. Dollinger Nein Jahn (Stuttgart) . . . . entschuld. Donhauser — Frau Dr. Jochmus . . . enthalten Dr. Dresbach Ja Josten Nein Eckstein Nein Kahn Nein Ehren entschuld. Kaiser -- Engelbrecht-Greve . . . Nein Karpf Nein Dr. Dr. h. c. Erhard . . . — Kemmer (Bamberg) . . Nein Etzenbach . Nein Kemper (Trier) — Even Nein Kiesinger krank Feldmann . krank Dr. Kihn (Würzburg) . . — Finckh Nein Kirchhoff Nein Dr. Franz Nein Klausner Nein • Franzen enthalten Dr. Kleindinst Nein Friese Nein Dr. Kliesing Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Knapp Nein Richarts Nein Knobloch Nein Frhr. Riederer von Paar Nein Dr. Köhler Nein Dr. Rinke Nein Koops Nein Frau Rösch Nein Dr. Kopf Nein Rösing enthalten Kortmann . Nein Rümmele enthalten Kramel Nein Ruf Nein Krammig Ja Sabaß Nein Kroll Nein Sabel enthalten Frau Dr. Kuchtner . . . Nein Schäffer — Kühlthau entschuld. Scharnberg Nein Kuntscher Nein Scheppmann Ja Kunze (Bethel) Nein Schill (Freiburg) . . . . Nein Lang (München) . . . . — Schlick enthalten Leibfried Nein Schmücker Nein Dr. Leiske Nein Schneider (Hamburg) . . Nein Lenz (Brühl) Nein Schrader Nein Dr. Lenz (Godesberg) . . — Dr. Schröder (Düsseldorf) Nein Lenze (Attendorn) . . . Nein Dr.-Ing. E. h. Schuberth Nein Leonhard Nein Schüttler enthalten Lermer Nein Schütz Nein Leukert Nein Schuler Nein Dr. Leverkuehn . . . . krank Schulze-Pellengahr . Nein Dr. Lindenberg Nein Schwarz Nein Dr. Lindrath Nein Frau Dr. Schwarzhaupt entschuld. Dr. Löhr Nein Dr. Seffrin Nein Lotze Nein Seidl (Dorfen) entschuld. Dr. h. c. Lübke • • • • Lücke entschuld. Dr. Serres Nein Lücker (München) . . • Nein Siebel Nein Dr. Siemer krank Lulay Ja Solke Nein Maier (Mannheim) . . . Ja Spies (Brücken) . Nein . . . Majonica krank Spies (Emmenhausen) Nein 1 Dr. Baron Manteuffel- Szoege _ Nein Spörl Nein Massoth Nein Graf von Spreti . . . . enthalten Maucher enthalten Stauch Nein Mayer (Birkenfeld) . . Nein Frau Dr. Steinbiß . . . Nein Menke Nein Stiller entschuld. Mensing Nein Storch Nein Meyer (Oppertshofen) . Nein Dr. Storm Nein Meyer-Ronnenberg . . . Nein Strauß Nein Miller Nein Struve Nein Dr. Moerchel Nein Stücklen Nein Morgenthaler Nein Teriete Ja Muckermann Nein Unertl Nein Mühlenberg Ja Varelmann Ja Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Nein Frau Vietje Nein Müller-Hermann . . . . Nein Dr. Vogel Nein Müser Ja Voß krank Naegel — Wacher (Hof) Nein Nellen — Wacker (Buchen) . . . . Nein Neuburger Nein Dr. Wahl entschuld. Niederalt Nein Walz entschuld. Frau Niggemeyer . . . Nein Frau Dr. Weber (Aachen) entschuld. Dr. Oesterle entschuld. Dr. Weber (Koblenz) . . Nein Oetzel enthalten Wehking entschuld. Dr. Orth Nein Dr. Welskop entschuld. Pelster Ja Frau Welter (Aachen) . Ja Dr. Pferdmenges . . . . Nein Dr. Werber Nein Frau Pitz Nein Wiedeck Nein Platner enthalten Wieninger Nein Dr. Pohle (Düsseldorf) . Nein Dr. Willeke Nein Frau Praetorius . . . . Ja Winkelheide Nein Frau Dr. Probst . . . . Nein Wittmann . Nein Dr. Dr. h. c. Pünder . . Nein Wolf (Stuttgart) . . . . Ja Raestrup Nein Dr. Wuermeling . . . . Nein Rasner Nein Wullenhaupt Nein Frau Dr. Rehling . . . . Nein Name Abstimmung Name Abstimmung SPD Frau Albertz Ja Keuning entschuld. Frau Albrecht Ja Kinat Ja Altmaier Ja Frau Kipp-Kaule . . . Ja Dr. Arndt Ja Könen (Düsseldorf) . . . — Arnholz Ja Koenen (Lippstadt) . . krank Dr. Baade entschuld. Frau Korspeter . . . . Ja Dr. Bärsch Ja Dr. Kreyssig Ja Bals 3a Kriedemann Ja Banse Ja Kühn (Köln) Ja Bauer (Würzburg) . . . Ja Kurlbaum Ja Baur (Augsburg) • • Ja Ladebeck Ja Bazille krank Lange (Essen) Ja Behrisch Ja Frau Lockmann . . . krank Frau Bennemann Ja Ludwig Ja Bergmann Ja Dr. Lütkens Ja Berlin Ja Maier (Freiburg) . . . Ja Bettgenhäuser Ja Marx Ja Frau Beyer (Frankfurt) Ja Matzner Ja Birkelbach Ja Meitmann Ja Blachstein Ja Mellies . . . . . . . Ja Dr. Bleiß — Dr. Menzel Ja Böhm (Düsseldorf) . . . Ja Merten Ja Bruse Ja Metzger Ja Corterier Ja Frau Meyer (Dortmund) J a Dannebom Ja Meyer (Wanne-Eickel) . Ja Daum Ja Frau Meyer-Laule . . . Ja Dr. Deist entschuld. Mißmahl krank Dewald Ja Moll krank Diekmann Ja Dr. Mommer Ja Diel Ja Müller (Erbendorf) . . . Ja Frau Döhring Ja Müller (Worms) . . . . Ja Erler Ja Frau Nadig Ja Eschmann Ja Odenthal Ja Faller Ja Ohlig Ja Franke Ja Ollenhauer Ja Frehsee Ja Op den Orth Ja Freidhof Ja Paul Ja Frenzel Ja Peters Ja Gefeller Ja Pöhler Ja Geiger (Aalen) Ja Pohle (Eckernförde) . . Ja Geritzmann Ja Dr. Preller Ja Gleisner (Unna) . . . . Ja Priebe Ja Dr. Greve krank Pusch Ja Dr. Gülich Ja Putzig Ja Hansen (Köln) Ja Rasch — Hansing (Bremen) . . . Ja Regling Ja Hauffe Ja Rehs — Heide Ja Reitz Ja Heiland Ja Reitzner Ja Heinrich Ja Frau Renger Ja Hellenbrock Ja Richter entschuld. Hermsdorf . . . . . . Ja Ritzel V Ja Herold Ja Frau Rudoll Ja Höcker . entschuld. Ruhnke Ja Höhne Ja Runge Ja Hörauf Ja Sassnick Ja Frau Dr. Hubert . . . . Ja Frau Schanzenbach . . Ja Hufnagel Ja Scheuren Ja Jacobi Ja Dr. Schmid (Frankfurt) . Ja Jacobs Ja Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja Jahn (Frankfurt) . • • Ja Schmidt (Hamburg) . . entschuld. Jaksch V entschuld. Schmitt (Vockenhausen) . Ja Kahn-Ackermann . . . Ja Dr. Schöne Ja Kalbitzer Ja Schoettle Ja Frau Keilhack Ja Seidel (Fürth) Ja Frau Kettig Ja Seither Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Seuffert . . . . . . • Ja Stahl — Stierle Ja Dr. Stammberger . . . Ja Sträter . . . . . . . Ja Dr. Starke Nein Frau Strobel Ja Dr. Wellhausen . . . . Nein Stümer Ja Wirths . . . • . — Thieme Ja Traub Ja Trittelvitz Ja Wagner (Deggenau) . Ja Wagner (Ludwigshafen) Ja GB/BHE Wehner — Wehr Ja Bender Nein Welke Ja Weltner (Rinteln) . . . Ja Dr. Czermak Nein Dr. Dr. Wenzel . . . . Ja Dr. Eckhardt Nein Nein Wienand Ja Elsner Ja Wittrock Ja Engell Ja Ziegler entschuld. Feller enthalten Gräfin Finckenstein . Zühlke Ja Frau Finselberger . . enthalten Gemein entschuld. Dr. Gille Ja Haasler krank FDP Dr. Kather enthalten Dr. Keller - Ja Dr. Atzenroth . . . . . entschuld. Dr. Klötzer Nein Dr. Becker (Hersfeld) . . krank Körner Ja Dr. Blank (Oberhausen) . Nein Kraft Dr h. c Blücher . . . . Nein Kunz (Schwalbach) . . Ja Dr. Bucher Ja Kutschera Ja Dannemann . . . Nein Dr. Mocker enthalten . . Dr. Dehler Ja Dr. Dr. Oberländer . . . Nein 1 Dr.-Ing. Drechsel . . . . entschuld. Petersen Nein Eberhard Nein Dr. Reichstein entschuld. Euler — Samwer Nein Fassbender enthalten Seiboth Nein Frau Friese-Korn . . krank Dr. Sornik Nein . Frühwald Nein Srock krank Gaul Ja Dr. Strosche Ja Dr. Hammer Nein Held Nein Hepp Nein Dr. Hoffmann Ja ' Frau Dr. Ilk -Ja DP Dr. Jentzsch entschuld. Kühn (Bonn) Ja Becker (Hamburg) Nein Lahr Ja Dr. Brühler (Trossingen) . . Ja Eickhoff Nein ( g ) Eickhoff N Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö- Dr. Elbrächter entschuld. wenstein Nein Hellwege Nein Dr. Luchtenberg . . . . entschuld. Matthes Nein Dr. Maier (Stuttgart) . . — Dr. von Merkatz . . . . Nein von Manteuffel (Neuß) . Ja Müller (Wehdel) . . . . Nein Margulies krank Dr. Schild (Düsseldorf) . Ja Mauk Ja Schneider (Bremerhaven) Nein Dr. Mende Ja Dr. Schranz Ja Dr. Miessner Nein Dr. Seebohm Neumayer Nein Walter . . Nein Onnen entschuld. Wittenburg Nein Dr. Pfleiderer Nein Dr. Zimmermann Nein Dr. Preiß — Dr. Preusker entschuld. Rademacher entschuld. Dr. Schäfer — Scheel entschuld. Fraktionslos Schloß . . 0 . . . . . Ja Dr. Schneider (Lollar) . entschuld. Brockmann (Rinkerode) entschuld. Schwann Nein Stegner Ja Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung Abgegebene Stimmen . 392 Davon: Ja . . 180 Nein 193 Stimmenthaltung . 19 Zusammen wie oben . . 392 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung I CDU/CSU Mattick Ja Neubauer Ja Dr. Friedensburg . . . . entschuld. Neumann Ja Dr. Krone Nein Dr. Schellenberg . . . . Ja Lemmer entschuld. Frau Schroeder (Berlin) . Ja Frau Dr. Maxsein . . . entschuld. Schröter (Wilmersdorf) Ja .. Stingl Ja Frau Wolff (Berlin) . . Ja Dr. Tillmanns — FDP SPD Dr. Henn Nein Brandt (Berlin) • • • • Ja Hübner Ja Frau Heise krank Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Ja Klingelhöfer Ja Dr. Reif entschuld. Dr. Königswarter . . . Ja Dr. Will entschuld. Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen 15 Davon : Ja 13 Nein . . . . . . 2 Stimmenthaltung . — Zusammen wie oben . . 15
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205500000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte vor Eintritt in die Tagesordnung den Herrn Schriftführer, die Namen der kranken und entschuldigten Abgeordneten zu verlesen.

Theodor Siebel (CDU):
Rede ID: ID0205500100
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Moll für fünf Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Seidl (Dorfen) für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordnete Frau Lockmann für weitere drei Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Dr. Siemer für weitere drei Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Dr. Will für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205500200
Ich danke Ihnen. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden ist.

Theodor Siebel (CDU):
Rede ID: ID0205500300
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Feldmann, Dr. Greve, Margulies, Dr. Oesterle, Lemmer, Richter, Dr. Schild (Düsseldorf), Bauer (Wasserburg), Dr. Schneider (Lollar), Kiesinger, Frau Heise.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld), Frau Dr. Schwarzhaupt, Heye und Frau Dr. h. c. Weber (Aachen).
Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Dr. Atzenroth, Dr. Baade, Dr. Bartram, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Hesberg, Höcker, Jaksch, Dr. Luchtenberg, Dr. Reichstein, Walz, Ziegler, Ehren, Stiller, Brookmann (Kiel), Wehking, Jahn (Stuttgart), Dr. Graf Henckel, Majonica, Dr. Preiß, Rademacher, Dr. Jentzsch, Dr. Leverkuehn, Häussler, Keuning, Schmidt (Hamburg), Dr. Orth und Srock.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205500400
Ich danke Ihnen.
Als Nachfolger des verstorbenen Abgeordneten Dr. Ehlers ist der Abgeordnete Lotze in den Bundestag eingetreten. Als Nachfolger für den als Abgeordneten ausgeschiedenen Herrn von Hassel ist der Abgeordnete Blöcker in den Bundestag eingetreten. Ich heiße beide Herren in unserem Kreise herzlich willkommen.
Am 13. November hat unser Kollege Dr. Dresbach seinen 60. Geburtstag gefeiert.

(Lebhafter Beifall.)

Das ganze Haus wünscht ihm von Herzen Glück und ruft ihm zu: Ad multos annos!


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Der Ausschuß für Kommunalpolitik hat gebeten, am 18. November während der Plenarsitzung um 9 Uhr 30 eine Sitzung abhalten zu können. Die Fraktionen sind befragt worden und haben ihr Einverständnis erklärt. Ich nehme an, daß auch das Haus damit einverstanden ist.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, die heutige Tagesordnung um den Punkt „Wahl des Bundestagspräsidenten" zu erweitern. Der Wahlakt soll unmittelbar nach der Mittagspause, also um 15 Uhr, vorgenommen werden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 12. November 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund;
Drittes Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirt-schaf t.
Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen.
Er hat in seiner gleichen Sitzung zum Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt; sein Antrag wird als Drucksache 982 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 2. November 1954 die Kleine Anfrage 88 der Fraktion der DP betreffend Kariesforschungsinstitut — Drucksache 645 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 955 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 5. November 1954 die Kleine Anfrage 116 der Abgeordneten Wehr, Hansing (Bremen), Schmidt (Hamburg) und Genossen betreffend Fahrpreisermäßigung für Familienangehörige deutschen seefahrenden Personals — Drucksache 873 — beantwortet. Sein
Schreiben wird als Drucksache 956 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem
13. November 1954 die Kleine Anfrage 120 der Fraktion der
SPD betreffend Wiedergutmachung — Drucksache 912 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 984 vervielfältigt.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 11. November 1954 die Kleine Anfrage 121 der Fraktion der DP betreffend Truppenübungsplatz Munster-Nord — Drucksache 923 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 983 vervielfältigt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 11. November 1954 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes den Entwurf einer Verordnung Z Nr. 2/54 zur Änderung und Ergänzung der Verordnung Z Nr. 1/53 über Preise für Zucker vom 13. November 1953 zur Bekanntgabe im Bundestag übersandt. Der Entwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 25. Oktober 1954 über die Schritte der Bundesregierung zu Ziffer 2 des Beschlusses des Bundestages in seiner 40. Sitzung betreffend Beschlagnahme in Bremerhaven berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 970 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 23. Oktober 1954 in Verfolg des Beschlusses des 1. Deutschen Bundestages in seiner 246. Sitzung unter Bezugnahme auf Bundestagsdrucksache Nr. 4154 weitere Ausführungen über das Disziplinarverfahren gegen Dr. Werner von Bargen gemacht. Sein Schreiben wird als Drucksache 985 vervielfältigt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung
a) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) ;
b) des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz);
c) des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksache 960, Umdruck 200).

(Erste Beratung: 29. Sitzung.)

Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0205500500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Drucksache 960 finden Sie meinen Schriftlichen Bericht*) über die drei Finanzgesetze, die der Herr Präsident soeben genannt hat. Ich habe in diesem Bericht versucht, auf acht Druckseiten die ganze Fülle der Probleme darzustellen. Ich will Sie heute mengen nicht auch nur mit einer auszugsweisen Wiederholung dieser Darlegungen befassen, möchte aber die wesentlichen Punkte des gesamten Reformwerks herausstellen.
Wenn man die Vorlage Drucksache 480 als Ganzes betrachtet, so wird man ihr nicht das Prädikat einer durchgreifenden Finanzreform geben können. Man wird aber wohl alles in allem feststellen können, daß wir auf dem Wege zu einer Finanzreform ein gutes Stück vorangekommen sind, falls diese Vorlage in der nunmehr vom Ausschuß beschlossenen Form Gesetz wird.
Die Hemmungen, die sich in der politischen Wirklichkeit einer idealen Lösung des Problems der bundesstaatlichen Finanzverfassung entgegenstellen, sind Ihnen allen so bekannt, daß ich sie hier nicht zu wiederholen brauche. Es soll aber kurz dargestellt werden, was in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens erreicht worden ist.
Erstens. Eine verfassungsrechtliche Klärung des
schwierigen Problems der Lastenverteilung oder,
genauer gesagt, der Abgrenzung der Ausgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern. Die klare Zuordnung der finanziellen Verantwortungsbereiche ist eine der ersten Voraussetzungen für eine wirksame und wirtschaftliche Verwaltung öffentlicher Mittel und zugleich ein wesentlicher Beitrag zur Verwaltungsreform überhaupt.
Zweitens. Eine vernünftige und reinliche Aufteilung der Steuerquellen auf Bund und Länder, ausschließlich nach finanzwirtschaftlichen und steuersystematischen Gesichtspunkten. Diese klare Steuerquellenentscheidung ermöglicht eine echte Dauerregelung.
Drittens. In diese Dauerregelung, die eine stetige Finanzpolitik ermöglichen soll, ist als elastisches und anpassungsfähiges Element die Einkommen-und Körperschaftsteuer eingefügt, die entsprechend dem jeweiligen Bedarf nach bestimmten verfassungsrechtlich normierten Grundsätzen auf Bund und Länder zu verteilen ist. Auch hier wird die notwendige Stetigkeit, die allerdings zunächst auch einer gewissen Relativität nicht entbehrt, dadurch erreicht, daß die einmal getroffene Verteilungsentscheidung jeweils mindestens drei Jahre gelten soll. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hatte sich zunächst auf zwei Jahre beschränkt, hat diese Frist dann aber auf dringenden Wunsch der Länder um ein Jahr verlängert.
Viertens. Schutz der Länder und Gemeinden gegen die finanziellen Überbelastungen durch den Bundesgesetzgeber. Erstmalig in der deutschen Finanzgeschichte erhält diese Schutzvorschrift Verfassungsqualität.
*) Siehe Anlage 13.


(Dr. Gülich)

Fünftens. Das in allen modernen Bundesstaaten zu beobachtende Streben des Zentralstaates nach einem autonomen Besteuerungsrecht auf dem Gebiete ,der direkten Steuern findet hier seinen Ausdruck in der Institution der Ergänzungsabgabe, deren tatsächliche Erhebung noch nicht beschlossen wird, sondern künftiger Entscheidung durch den Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Mit dieser wichtigen Ergänzung des Bundessteuersystems wird die Eingleisigkeit der Bundesfinanzpolitik beseitigt, die zur Deckung des Bundesbedarfs bisher ein eigenständiges Besteuerungsrecht nur auf dem sozial bedenklichen Gebiet der indirekten Steuern hatte.
Sechstens. Stärkung der Finanzkraft der leistungsschwachen Länder durch einen wesentlich intensivierten Länderfinanzausgleich, ein wichtiger Beitrag zur gesamtstaatlichen Strukturpolitik, zur Milderung des Ost-West-Gefälles, zur Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen im Bundesgebiet, zur finanziellen Verselbständigung und damit zur Stärkung der Finanzverantwortung auch der leistungsschwachen Länder, ein entscheidender Beitrag zur Herstellung einer vernünftigen föderativen Ordnung.
Siebentens. Das Endziel: Bedarfsgerechte Finanzausstattung der einzelnen Gebietskörperschaften. Diese Finanzausstattung muß knapp, aber n o c h ausreichend sein, um die Gebietskörperschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu befähigen. Dies liegt im Interesse des Steuerzahlers, der sich für Fragen der Finanzreform sonst kaum zu interessieren pflegt.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen fast alle Beschlösse einstimmig, einige gegen eine oder ganz wenige Stimmen gefaßt worden sind.
Aber ich muß noch auf zwei Probleme hinweisen, die im Schriftlichen Bericht nicht so gründlich behandelt worden sind, wie sich das nachträglich als wünschenswert erwiesen hat. Das Finanzanpassungsgesetz war dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Der Haushaltsausschuß hat aber erst nach Abschluß der Beratungen im federführenden Ausschuß, nämlich am letzten Freitag, zum Finanzanpassungsgesetz Stellung genommen. Hierbei haben sich eine wichtige Differenz und eine wichtige Übereinstimmung ergeben:
Zunächst die Differenz. Während der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen empfiehlt, die überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung organisatorisch von einer dem Bundesarbeitsministerium unterstellten Bundesoberbehörde wahrnehmen zu lassen, hat der Haushaltsausschuß — der sich, wie ich eben schon sagte, erst nach Abschluß der Beratungen im Finanzausschuß damit befassen konnte — beschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, von der Errichtung einer besonderen Bundesoberbehörde abzusehen und das Bundesarbeitsministerium selbst mit der Wahrnehmung der überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung zu betrauen. Für den Beschluß des Haushaltsausschusses war die Überlegung maßgebend, daß Sonderbehörden erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit einen administrativen Ausdehnungsdrang entfalten, der regelmäßig die Gefahr in sich trägt, daß die Verwaltung aufgebläht und der Kostenaufwand gesteigert wird. Um solchen Tendenzen von vornherein zu begegnen, erscheint es dem Haushaltsausschuß richtiger,
die überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung, soweit sie in der Zentrale wahrgenommen werden müssen, organisatorisch

(Abg. Pohle [Eckernförde]: Ein kleiner Irrtum des Haushaltsausschusses, Herr Professor!)

in die Zentralbehörde selbst einzubauen. — Herr Kollege Pohle, ich trage hier keine persönliche Meinung vor, sondern die Auffassung des Haushaltsausschusses, der ich selber nicht zustimme, wie ich im Ausschuß dargelegt habe. Ich bin aber verpflichtet, in meinem Bericht die Auffassung des Haushaltsausschusses objektiv vorzutragen.

(Sehr richtig!)

Der Haushaltsausschuß ist der Meinung, diese zentralen Funktionen, die er der obersten Bundesbehörde, dem Bundesarbeitsministerium, übertragen will, seien nicht so erheblich, daß sie die Errichtung einer besonderen, dem Bundesarbeitsministerium unterstellten Bundesoberbehörde rechtfertigten. Die eigentlichen Verwaltungsaufgaben selbst wie ausländische Heilanstalten, Beschaffung der Heil- und Hilfsmittel, Krankenbuchlager usw., werden ohnehin wie bisher, wenn auch in konzentrierterer Form, von Außenstellen ausgeübt werden müssen. Der Haushaltsausschuß hielt es nicht für erwünscht, daß diese Verwaltungsstellen — da sie keine ministeriellen Funktionen erfüllen — etwa den Charakter von Außenstellen des Bundesarbeitsministeriums erhalten, zumal im Haushaltsausschuß auch befürchtet wurde, daß die Mitglieder solcher Außenstellen ja dann die Ministerialzulage erhalten müßten.
Der Haushaltsausschuß schlägt aus diesen Gründen vor, § 4 a des Finanzanpassungsgesetzes, den der Finanz- und Steuerausschuß in die Regierungsvorlage eingefügt hat, anders zu fassen. Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, wenn ich, zumal bei ,dieser Unruhe, die Formulierung des § 4 a, wie sie der Haushaltsausschuß vorschlägt, hier vortrage. Der Haushaltsausschuß wünscht, daß die Behörden der Kriegsopferversorgung nicht in einer Bundesoberbehörde zusammengefaßt, sondern unmittelbar dem Bundesarbeitsministerium unterstellt werden sollen. Ein besonderer Antrag konnte hier nicht gestellt werden, da der Finanz- und Steuerausschuß noch nicht in der Lage gewesen ist, zu diesem Vorschlag des mitberatenden Haushaltsausschusses Stellung zu nehmen. Falls dieser Punkt heute im Plenum verfolgt werden soll, müßte also die Formulierung des § 4 a, wie sie der Haushaltsausschuß vorgenommen hat, aus der Mitte des Hauses durch einen entsprechenden Antrag übernommen werden.
Der zweite Punkt, auf den ich ausdrücklich hinweisen möchte, weil auch er am Freitagvormittag im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags zu einer tiefgehenden Erörterung geführt hat, betrifft das Weisungsrecht gegenüber Landesbehörden in bezug auf die wirtschaftliche Verwaltung von Bundesmitteln (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 des Finanzanpassungsgesetzes). Diese Frage ist für den Bund von außerordentlicher Bedeutung, und deshalb erbitte ich mir für diesen Gegenstand noch wenige Minuten Ihrer Aufmerksamkeit.
Da die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des hier vorgesehenen Weisungsrechts des Bundes nicht nur vom Bundesrat, sondern kürzlich in anderem Zusammenhang auch von einigen Mitgliedern des Bundestages angezweifelt worden ist, er-


(Dr. Gülich)

scheint es ratsam, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Verfassungsmäßigkeit dieses Weisungsrechts sowohl vom Finanzausschuß wie vom Haushaltsausschuß eingehend geprüft und aus den von der Bundesregierung überzeugend dargelegten Gründen bejaht worden ist.
Die Bedeutung dieser Frage reicht weit über den hier unmittelbar interessierenden Tatbestand hinaus; sie rührt an das Prinzip des parlamentarischen Bewilligungsrechts überhaupt. Dem Etatbewilligungsrecht des Parlaments entspricht als notwendiges Gegenstück die Etatverantwortung der Regierung. Der Regierungsverantwortung entspricht das Recht des Parlaments, die Regierung zu entlasten oder wegen ihrer Etatgebarung zur Verantwortung zu ziehen. Die Wirksamkeit des parlamentarischen Bewilligungsrechts, der Regierungsverantwortung und des parlamentarischen Entlastungsrechts hängt entscheidend davon ab, daß die Regierung befähigt ist, auf die rechtmäßige und wirtschaftliche Verwaltung der ihr vom Parlament bewilligten Mittel Einfluß zu nehmen. Da die Prinzipien des parlamentarischen Etatbewilligungsrechts und der entsprechenden Regierungsverantwortung im Grundgesetz normiert sind, und zwar in den Artikeln 110, 65 Satz 2, 112 und 114, ergibt sich der zwingende Schluß, daß das Grundgesetz die Regierung mit dem „Instrumentarium" ausgestattet haben muß, das sie befähigt, ihrer Etatverantwortung gerecht zu werden. Dies muß auch dann gelten, wenn es sich, wie in den hier gedachten Fällen, um Bundesmittel handelt, die nicht von der Bundesregierung selbst, sondern von Landes- oder Gemeindebehörden verwaltet werden. Wollte man den zuständigen Bundesbehörden hier das haushaltswirtschaftliche Einwirkungsrecht vorenthalten, so wären sie praktisch jeder Etatverantwortung enthoben, und dies würde zu der unhaltbaren Konsequenz führen, daß sich in allen Fällen, in denen der Bund die Finanzverantwortung trägt, die Länder aber für den Gesetzesvollzug zuständig sind, ein Vakuum in der parlamentarischen Etatkontrolle ergäbe. Die Länderbehörden hätten die volle Verfügungsmacht über Milliardenbeträge des Bundeshaushalts — wir wissen, es sind über 5 Milliarden DM —, ohne für die Verwaltung dieser Mittel gegenüber dem bewilligenden Parlament, nämlich dem Bundestag, verantwortlich zu sein, während die obersten Bundesbehörden zwar die volle parlamentarische Etatverantwortung trügen, ohne aber eine Handhabe zu besitzen, dieser Etatverantwortung gerecht zu werden.
Dieser Hinweis, meine Damen und Herren, mag genügen, um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit, ja ich glaube sagen zu müssen, die verfassungsrechtliche Notwendigkeit dieser Bestimmung deutlich zu machen.
Dieses haushaltsrechtliche Weisungsrecht hat nichts zu tun mit den in den Artikeln 84 und 85 des Grundgesetzes geregelten verwaltungsmäßigen Weisungsbefugnissen, die sich auf den Gesetzesvollzug als solchen beschränken.
Da sich die Zulässigkeit des haushaltsrechtlichen Weisungsrechts bereits aus dem Grundgesetz schlüssig ableiten läßt, wäre es an sich nicht notwendig, dies in einem einfachen Bundesgesetz besonders auszusprechen. Das Erfordernis, dies aber doch zu tun, ergibt sich daraus, daß einzelne Länder dem Bund das Weisungsrecht streitig machen.
Verfassungsrechtlich hat also die Bestimmung keine konstitutive Bedeutung, sondern nur die Bedeutung einer Klarstellung.
Die finanzwirtschaftliche Notwendigkeit, das Weisungsrecht des Bundes außer Zweifel zu stellen, mag daraus erhellen, daß es sich immerhin, wie ich vorhin schon erwähnte, um Bundesmittel im Gesamtbetrag von über 5 Milliarden DM handelt, -die von den Länden selbständig verwaltet werden.
Meine Damen und Herren! Diese beiden Punkte mußte ich als Ergänzung zu meinem schriftlichen Bericht noch darlegen, zum mindesten' deshalb, damit sie gedruckt im Bundestagsbericht stehen und somit über die Motive des Gesetzgebers Aufschluß geben. Da ich es im schriftlichen Bericht nicht erwähnen konnte, mußte ich hier versuchen, Ihre Aufmerksamkeit dafür ein wenig in Anspruch zu nehmen.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205500600
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung. Wir treten in die Einzelberatung ein. § 1. — Wird das Wort gewünscht? Es handelt sich um die Änderung des Art. 106 und des Art. 107 des Grundgesetzes. — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Da es sich um eine Änderung des Grundgesetzes handelt, ist eine Mehrheit von zwei Dritteln — —

(Abg. Dr. Gülich: Herr Präsident!)

— Der Herr Berichterstatter!

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0205500700
Herr Präsident, es handelt sich um ein Ausführungsgesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes, für das nur eine einfache Mehrheit erforderlich ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205500800
— Es ist richtig; ich bitte um Entschuldigung. Der Text war mißverständlich.
Wer für die Annahme von § 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
§ 2, Inkrafttreten. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfs abgeschlossen.
Wir treten ein in die Einzelberatung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz). § 1. — Keine Wortmeldungen. §§ 2, — 3, — 4, — 4 a, — 5, —6,-7,-8,-8a,-9,-10,-11 und 12. —Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung dieser Vorlage abgeschlossen.
Ich rufe auf zur Einzelberatung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz). §§ 1, —2, — 3, — 4. — Wer für die Annahme dieser ersten vier Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Zu § 5 ist ein Änderungsantrag der FDP und des GB/BHE angekündigt. Wer begründet diesen Antrag Umdruck 200*)? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.

Dr. Heinz Starke (CSU):
Rede ID: ID0205500900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf über den Finanzausgleich zwischen den Ländern haben die Fraktionen der FDP und des GB/BHE sowie eine große Anzahl von Abgeordneten der CDU/CSU einen Änderungsantrag eingebracht, den ich hier ganz kurz begründen möchte. In § 6 dieses Gesetzentwurfs sind gewisse Sonderbelastungen aufgezählt, die zu einer Änderung in der Berechnung des Ausgleichsbetrages führen. Es geht dabei um die Hafenlasten von Hamburg und um die Sonderbelastungen Schleswig-Holsteins. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgetaucht, die wir neulich hier schon erörtert haben. Wir müssen in diesem Gesetz auch die Finanzlage der Länder und der Gemeinden im Osten der Bundesrepublik in Betracht ziehen. Aus diesem Grunde ist der Antrag gestellt worden. Er beinhaltet ganz kurz, daß bei der Berechnung der Finanzausgleichsbeträge die besonders schwierige Lage der Gemeinden im Ostrandgebiet der Bundesrepublik berücksichtigt und daß zu diesem Zweck das Aufkommen an Gewerbesteuer in diesen Gemeinden um 20 v. H. gekürzt wird. Dadurch ergibt sich ein höherer Ausgleichsbetrag zugunsten der Länder im Ostrandgebiet. Diese Beträge, die insgesamt etwa 18 Millionen DM umfassen dürften, sollten ursprünglich den Gemeinden unmittelbar zugeleitet werden. Das ist aus verfassungsrechtlichen Gründen beanstandet und abgelehnt worden. Deshalb ist der Antrag dahin umformuliert worden, daß der Betrag den
Ländern zufließen soll, und es muß in den Ländern geregelt werden, daß er diesen Gemeinden zugute kommt. Der Änderungsantrag stellt also den Versuch dar, die Lösung einer Aufgabe, die von diesem Hohen Haus wiederholt als eine nationalpolitische Aufgabe anerkannt worden ist, in den Finanzausgleich einzubeziehen. Ich möchte Sie deshalb bitten, in Zusammenhang mit der Abstimmung über dieses Gesetz unserem Änderungsantrag zuzustimmen, weil er geeignet ist, die Schwierigkeiten, die sich aus unserer Finanzverfassung ergeben, zu mildern, wenn wir sie auch nicht beseitigen können.
In dem Bericht des Ausschusses ist auf Seite 8 der Drucksache 960 zu diesem Antrag vermerkt worden, die Frage sei im Finanzausschuß erörtert worden; der Finanzausschuß habe sich auf den Standpunkt gestellt, diese Schwierigkeiten müßten durch unmittelbare Bundeshilfen behoben werden. Es wird weiter gesagt, daß eine Intensivierung des Finanzausgleichs am Widerstand der finanzstarken Länder scheitern werde. Ich darf darauf hinweisen, daß der Versuch, diese Fragen über unmittelbare Bundeshilfen zu regeln, daran scheitern würde — wie wir es schon aus den vergangenen Haushaltsberatungen kennen —, daß der Bund über diese Mittel nicht verfügt und daß keine geeigneten Deckungsvorschläge gemacht werden können. Wollte man zu einer Deckung dieser erhöhten Ausgaben im Bundeshaushalt kommen, so wäre man praktisch wieder auf den Weg angewiesen, auf dem allein, insbesondere nach der Steuersenkung, der Bund seine Einnahmen verstärken kann: das ist die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-und Körperschaftsteuer. Dann stünden wir bei den
*) Siehe Anlage 1.
Beratungen über diese Verstärkung der Einnahmen des Bundeshaushalts wieder vor derselben Frage, die in dem Bericht, den ich soeben zitiert habe, erwähnt ist, nämlich vor der Schwierigkeit, daß die finanzstarken Länder dem nicht zustimmen. Ich möchte Sie also gerade unter diesem Gesichtspunkt im Namen derer, die den Antrag gestellt haben, bitten, der vorgeschlagenen Lösung zuzustimmen, weil wir allein über den Bundeshaushalt zu einer Lösung dieser so überaus wichtigen Frage, die durchaus im Rahmen des Beschlusses des Bundestags vom 2. Juli 1953 liegt, nicht kommen werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205501000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0205501100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat im Steuerausschuß zur Beratung gestanden. Er ist seinerzeit mit folgender Begründung abgelehnt worden: Die Berücksichtigung der Grenzlandgemeinden ist vornehmlich eine Angelegenheit des innerstaatlichen Finanzausgleichs. Es besteht aber auch die Gefahr, daß sich Weiterungen für die westlichen Grenzgebiete ergeben. Wir werden mit Sicherheit damit rechnen können, daß aus diesen Gebieten Anträge kommen. Das führt zu einer Komplikation des Finanzausgleichs, die meines Erachtens und auch nach der Meinung der Mehrzahl meiner Freunde nicht angebracht ist. Namens eines großen Teils meiner politischen Freunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205501200
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0205501300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Starke hat zutreffend ausgeführt, daß in meinem Schriftlichen Bericht, und zwar auf Seite 8, dargelegt worden ist, aus welchen Gründen der Finanz- und Steuerausschuß sich nicht zu seinem Antrag bekannt hat. Der Hauptgrund war — wie Herr Kollege Dresbach soeben auch erwähnt hat —, daß es eine eigentliche Bundesaufgabe ist, den finanzschwachen Ländern zu helfen, die ja — mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz — zugleich auch die Länder sind, die östliche Zonenrandgebiete haben. Der Ausschuß hat deshalb empfohlen, dem Antrag Starke nicht zuzustimmen.
Nun, lieber Kollege Dresbach, ich habe mir die Sache inzwischen noch einmal überlegt. Ich habe meine Meinung im Prinzip zwar nicht geändert — schade, daß wir uns darüber nicht vorher besprochen haben —, aber ich bin jetzt doch zur Überzeugung gekommen, dem Antrag Starke zustimmen zu sollen. Wenn man dem Antrag Starke zustimmt,

(Abg. Dr. Dresbach: Wie wollen Sie abgrenzen?)

dann ist zwar die Gefahr nach wie vor da, daß die finanzstarken Länder im Bundesrat zu der Sache nein sagen, weil sich die Finanzausgleichsmasse — wie wir ja auch überlegt und errechnet hatten — um ungefähr 18 Millionen DM erhöht, die zu Lasten der finanzstarken Länder aufgebracht werden müssen. Aber für die finanzschwachen Länder mit Zonenrandgebieten ergibt sich doch eine bereits fühlbare Entlastung.
Ich bin inzwischen zu dem Schlusse gekommen, daß man es den finanzstarken Ländern doch zumuten könnte, diesen Beitrag aus eigener Finanzkraft zur Lösung der Schwierigkeiten in den


(Dr. Gülich)

Zonenrandgebieten zu leisten. Der Bund soll dadurch aus seiner Verantwortung für die Zonenrandgebiete nicht entlassen werden. Wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, daß die Bundesregierung etwa, wenn der Antrag Starke angenommen wird, sagt: Dann ist ja den Zonenrandgebieten geholfen, dann brauchen wir in der Sache nichts mehr zu tun! Einer solchen Absicht der Bundesregierung — die Annahme des Antrags Starke als Blitzableiter zu benutzen und nichts zu tun — müßten wir in aller Bestimmtheit entgegentreten. Wenn wir diesen Beitrag heute leisten, indem wir dem Antrag Starke zustimmen, fordern wir die finanzstarken Länder damit auf, dem Bund ein Stück voranzugehen und ihm zu zeigen, daß auch sie etwas für die Zonenrandgebiete der finanzschwachen Länder, die ja an ihrer Notlage nicht schuldig sind, tun wollen. Ich halte es deshalb für richtig, dem Antrag Starke zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205501400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0205501500
Ich möchte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen: ich habe eben nicht als Emissär meines finanzstarken engeren Vaterlandes Nordrhein-Westfalen gesprochen, — damit darüber Klarheit besteht!

(Heiterkeit.)

Wenn man böswillig war, konnte man der Meinung sein, daß Sie mir das unterstellen wollten, lieber Freund!

(Abg. Dr. Gülich: Nein!)

Ich halte meine Bedenken aufrecht und bitte meine Freunde, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205501600
Das Wort hat der. Abgeordnete Dr. Starke.

Dr. Heinz Starke (CSU):
Rede ID: ID0205501700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach den Ausführungen von Herrn Professor Gülich und von Herrn Dr. Dresbach doch noch ein paar Worte sagen. Ich darf wiederholen: es handelt sich hier um ein ganz grundlegendes Problem, das gar nichts damit zu tun hat, was Herr Dr. Dresbach eben anrührte: daß er etwa für Nordrhein-Westfalen gesprochen habe. Ich möchte noch einmal an die Worte erinnern, die vor vierzehn Tagen oder drei Wochen in diesem Hause gefallen sind. Wir haben den guten Willen des Hauses, für das Ostproblem der Bundesrepublik etwas zu tun, wiederholt dokumentiert. Diejenigen, die sich um diese Fragen kümmern und sich um ihre Lösung bemühen, haben sich, wie ich damals an dieser Stelle ausgeführt habe, ebensosehr bemüht, Finanzquellen zu finden, die zur Finanzierung und Lösung dieses Problems herangezogen werden können. Das ist besser, als wenn wir — ich darf das wegen der Worte von Herrn Professor Gülich betonen — ausschließlich den Bundeshaushalt in Anspruch nehmen. Wir wollen ja nichts anderes, als für die Lösung dieses Problems zusätzliche Finanzquellen
in Anspruch zu nehmen und nicht nur den Bundeshaushalt zu belasten. Auch Herr Dr. Dresbach wird, glaube ich, nicht bestreiten können, daß wir, wenn dieses Problem jetzt auf den Bundeshaushalt verschoben wird, bei der Beratung des Bundeshaushalts erneut vor den gleichen Schwierigkeiten wie im vergangenen Jahr stehen werden. Das bitte ich Sie dabei zu bedenken.
Lassen Sie mich zum Abschluß nur noch folgendes sagen. Der Finanzausgleich ist durch dieses Reformwerk verbessert worden. Wir müssen uns aber, wie ich seinerzeit schon ausgeführt habe, auch darüber klar sein, daß dieser Finanzausgleich in gar keinem Verhältnis zu dem Finanzausgleich steht, der unter den früheren staatsrechtlichen Voraussetzungen des Deutschen Reiches stattfand, zu einer Zeit also, als sich der preußische Staat von den West- bis zu den Ostgebieten erstreckte, als also all diese Ostprobleme innerhalb des preußischen Raumes lagen. Im Rahmen dieses preußischen Staates fand über den preußischen Haushalt ein großer Finanzausgleich von West nach Ost statt. Dieser große Finanzausgleich fehlt heute. Er soll wenigstens zum Teil durch dieses Gesetz über den Finanzausgleich zwischen den Ländern ersetzt werden. Durch diesen Antrag wollen wir erreichen, daß man dabei eines der ganz drängenden Probleme, nämlich die besonders schlechte Situation der Gemeinden in den östlichen Gebieten der Bundesrepublik, auch mit berücksichtigt. Wenn wir das hier jetzt nicht tun, werden wir sehen, daß sich dieses Problem über den Bundeshaushalt nicht lösen läßt.
Ich wollte Ihnen noch einmal ausdrücklich vor Augen geführt haben, daß es bei diesem unscheinbar aussehenden Antrag tatsächlich um ein Grundsatzproblem geht, was wir bei der Abstimmung doch gebührend bewerten müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205501800
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann lasse ich abstimmen, und zwar stimmen wir ab — ich sage das, damit sich niemand im Irrtum befindet — über Umdruck 200*) Ziffer 1. Die Änderung in Ziffer 1 setzt voraus, daß zunächst über Ziffer 2 des Umdrucks 200 abgestimmt wird, obwohl die Ziffer 2 erst den § 6 betrifft. Besteht überall Einverständnis?

(Zustimmung.)

Wir stimmen zunächst ab über Umdruck 200 Ziffer 2. Wenn Ziffer 2 angenommen wird, stimmen wir ab über Ziffer 1. Wenn Ziffer 2 abgelehnt wird, wird Ziffer 1 gegenstandslos.
Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 200 Ziffer 2 ist,. den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Nunmehr stimmen wir ab über Umdruck 200 Ziffer 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Dieselbe Mehrheit; das erste war die Mehrheit; die Änderungsanträge sind angenommen.
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter aufrufe, eine Bemerkung: Ich sehe, daß Frau Louise Schroeder wieder in diesem Saale weilt. Sie ist nach langer Krankheit zu uns zurückgekehrt. Liebe Frau Schroeder, das Haus freut sich, daß Sie wieder an seinen Arbeiten teilnehmen können, und wünscht Ihnen einen guten Fortgang Ihrer Genesung.

(Beifall.)

Ich lasse nunmehr über die §§ 5 und 6 in der neuen Fassung abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
*) Siehe Anlage 1.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

§§7,-8,-9,-10,-11,-12,-13,-14,15, — 16, — 17. — Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit ist die zweite Beratung der in Punkt 1 zusammengefaßten Vorlagen abgeschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksache 961; Umdrucke 199, 202, 207 bis 216, 220, 222).

(Erste Beratung: 29. Sitzung.)

Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Dr. Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0205501900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern nach Drucksache 481 ist von mir im Auftrage des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ein ausführlicher Schriftlicher Bericht *) mit der Drucksache 961 vorgelegt worden. In diesem Bericht sind die einzelnen Beschlüsse des Ausschusses zu den vielen Fragen, die bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs zu erörtern waren und über die Beschluß gefaßt werden mußte, festgehalten. Ich kann es mir daher wohl ersparen, bei diesem mündlichen Bericht auf alle Einzelheiten einzugehen. Mit Ihrem Einverständnis beabsichtige ich, lediglich einige Ergänzungen vorzutragen und dabei insbesondere die
Punkte herauszustellen, bei denen der Ausschuß von der Regierungsvorlage abgewichen ist.
Dieser Gesetzentwurf ist das Kernstück der mit dem gesamten Gesetzgebungswerk vorgelegten Steuerreform. Die Neuregelung des Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifs hat den Ausschuß naturgemäß sehr lange und eingehend beschäftigt. In den Ausschußberatungen zu dem Tarif ist eineingehend die Frage der besten Methode der Gestaltung eines Tarifs besprochen worden und zu dem Formeltarif, wie ihn die Regierungsvorlage enthielt, endgültig Stellung genommen worden. Der Ausschuß hat sich der Form nach für den Tarif der Regierungsvorlage entschieden. Er hat jedoch auf Vorschlag des Abgeordneten Neuburger für die unteren Einkommensklassen eine weitere Senkung gegenüber den Vorschlägen der Regierungsvorlage vorgesehen. Hierbei hat er sich davon leiten lassen, daß durch eine weitere Senkung in den unteren Einkommensstufen die prozentuale Senkung gegenüber dem bisherigen Tarif nach der Kleinen Steuerreform diesen Einkommensgruppen in gleicher Weise zugute kommt wie anderen Einkommensgruppen. Er hat sich weiterhin davon leiten lassen, Anträgen, die in großer Zahl an den Ausschuß herangetragen worden waren, durch eine weitere Senkung der Steuer bei den kleineren Einkommensgruppen entgegenzukommen und sie dadurch aufzufangen. Der Tarif wurde vom Ausschuß mit sehr großer Mehrheit ohne Gegenstimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Neben dem Tarif ist besonders bedeutsam die Frage der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten. Das Problem der Haushaltsbesteuerung ist im
*) Siehe Anlage 14.
Ausschuß ebenfalls sehr eingehend erörtert worden. Sehr viele Mitglieder des Ausschusses waren der Auffassung, man möge doch von der Zusammenveranlagung der Ehegatten in der Haushaltsbesteuerung abkommen und zu einem Splitting übergehen. Die haushaltsrechtliche Lage indessen gestattet dies nicht, weil ein solches Splitting nach den Berechnungen 'des Bundesrates und des Bundesfinanzministeriums nochmals etwa 1 bis 1,3 Milliarden DM an Mitteln erfordern würde. Da diese Mittel nicht zur Verfügung standen, wurden auch alle Möglichkeiten, möchte ich sagen, die zwischen der Haushaltsbesteuerung auf der einen Seite und dem Splitting auf der anderen Seite liegen, geprüft. Der .Ausschuß ist dabei zu der Überzeugung gekommen, daß jede Lösung, die zwischen diesen beiden Polen liegt, in irgendeiner Weise zu Ungerechtigkeiten führt. Er hat sich daher nach langen Beratungen und Bemühungen schließlich dazu entschlossen, der Regierungsvorlage zuzustimmen, die die Haushaltsbesteuerung enthält mit der einen Ausnahme, daß Ehegatten, die sich in unselbständiger Arbeit befinden und insgesamt nicht mehr als 9000 DM Einkommen im Jahr haben, getrennt veranlagt werden sollen; dies vornehmlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung.
Auf dem Gebiete der Freibeträge ist der Ausschuß von der Regierungsvorlage insoweit abgewichen, als er zur Vorsorge für das Alter einen besonderen Altersfreibetrag in Höhe von 720 DM eingeführt hat, der den alten Menschen von über 70 Jahren zugute kommen soll. Er hat hierbei auch die Frage geprüft, ob man unter 70 Jahre heruntergehen könne. Dies verboten jedoch haushaltsrechtliche Gründe.
Auf dem Gebiete der Werbungskosten ist vielleicht die Tatsache bemerkenswert, daß sich der Ausschuß entschlossen hat, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch zu begünstigen, wenn sie mit einem motorisierten Fahrzeug vorgenommen werden. Bisher war in den Bestimmungen davon die Rede, daß nur notwendige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich begünstigt werden sollten. Der Begriff des Notwendigen hat in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt. Der Ausschuß hat daher dieses Wort „notwendig" gestrichen und ausdrücklich vorgeschlagen, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch dann steuerlich zu begünstigen, wenn sie mit einem Kraftfahrzeug oder Motorrad durchgeführt werden.
Die Kleine Steuerreform hatte auf dem Gebiet der Sonderausgaben vorgesehen, daß der Höchstbetrag der Sonderausgaben für den Steuerpflichtigen 1000 DM, für die Ehefrau 500 DM und für jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind ebenfalls 500 DM betragen sollte. Diese Sätze sollten mit Wirkung vom 1. Januar 1955 in Kraft treten. Der Ausschuß hat sich dafür entschieden, statt 1000 DM für den Steuerpflichtigen einen Höchstbetrag von 800 DM vorzusehen, ihn also um 200 DM zu senken, dafür aber den Sonderausgabenhöchstbetrag für die Ehefrau von 500 DM auf 800 DM zu erhöhen. Die Regierungsvorlage sah vor, daß der Sonderausgabenhöchstbetrag für die Kinder 400 DM , betragen solle. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, statt dessen 500 DM anzusetzen, so daß die Höchstbeträge jetzt vom Ausschuß mit 800 DM für den Pflichtigen, 800 DM für die Ehefrau und 500 DM für jedes Kind vorgeschlagen werden.
Bemerkenswerter aber auf diesem Gebiet ist ein anderer Vorschlag, den Ihnen der Ausschuß macht,


(Dr. Lindrath)

I nämlich den der Verdoppelung der Höchstbeträge der Sonderausgaben für Gewerbetreibende und Landwirte. Bislang hatten die Gewerbetreibenden und Landwirte nicht die Möglichkeit, den Sonderausgabenhöchstbetrag bei Erreichung einer Lebensaltersgrenze von 50 Jahren zu verdoppeln. Das soll in Zukunft möglich sein, jedoch mit der Einschränkung, daß diese Verdoppelung nur von den Gewerbetreibenden und Landwirten in Anspruch genommen werden kann, deren vermögensteuerpflichtiges Vermögen den Betrag von 20 000 DM nicht übersteigt. Hier ist die Vermögensgrenze von 20 000 DM jedoch so zu verstehen, daß es sich um den vermögensteuerpflichtigen Betrag handelt. Das tatsächliche Vermögen wird also höher sein um die Freibeträge nach dem Vermögensteuergesetz: für den Steuerpflichtigen 10 000 DM, für die Ehefrau 10 000 DM und für die Kinder je 5000 DM. Ein Gewerbetreibender mit zwei Kindern würde demzufolge hier eine Grenze von 50 000 DM haben.
Eine weitere erwähnenswerte Änderung hat der Ausschuß bezüglich der Zuwendungen für staatspolitische Zwecke beschlossen. Diese staatspolitischen Zwecke sollen in der gleichen Weise wie wissenschaftliche Zwecke begünstigt werden. Sie sollen also steuerbegünstigt werden bis zu 5% des Einkommens bzw. 2 vom Tausend des Umsatzes. Diese Bestimmung zielt darauf ab, daß auch Zuwendungen und Spenden an politische Parteien begünstigt sein sollen. Der Ausschuß macht Ihnen den Vorschlag, dieser Änderung zuzustimmen.
Auf dem Gebiete der Förderung des Wohnungsbaus war der § 7 c durch die Kleine Steuerreform mit Wirkung vom 1. Januar 1955 beseitigt worden. Auf Wunsch des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen ist jedoch entgegen der Regierungsvorlage ein neuer § 7 c eingefügt worden. Dieser neue § 7 c unterscheidet sich aber von dem alten § 7 c sehr stark dadurch, daß nicht mehr Zuschüsse, sondern nur noch Darlehen begünstigt werden und daß lediglich außerhalb der Bilanz 25 % des Darlehens steuerbegünstigt vom Einkommen abgesetzt werden können. Bemerkenswert ist, daß auch in Zukunft die Vergünstigung nach dem neuen § 7 c von den Lohnempfängern, also von denjenigen Steuerpflichtigen, die keine Bücher führen oder nicht zum Führen von Büchern verpflichtet sind, in Anspruch genommen werden kann. Es ist also festzustellen, daß diese neue Vergünstigung allen Steuerpflichtigen zusteht.
Eine weitere Änderung auf dem Gebiete des Wohnungswesens, die der Ausschuß vorgenommen hat, sind die erhöhten Absetzungen für Wohngebäude, und zwar dergestalt, daß der Bauherr, wenn er die Abschreibungsmöglichkeiten nicht voll ausgenutzt hat, diese Absetzungsmöglichkeiten auf den Ersterwerber übertragen kann.
In den Ermächtigungsbestimmungen macht der Ausschuß den Versuch, in das Steuerrecht bestimmte Vorgänge neu einzuführen, die die Scheingewinnbesteuerung betreffen. Bei starken Preissteigerungen können nach der Ermächtigung, ,die die Regierung erhalten soll, steuerfreie Rücklagen gebildet werden, in denen diese Preissteigerungen aufgefangen werden können und nicht der Besteuerung zugeführt werden müssen. Auf diese Weise soll die Besteuerung von Scheingewinnen vermieden werden.
Was den § 33 a angeht, der sich mit den Freibeträgen für Vertriebene und Flüchtlinge befaßt, so hat hier der Ausschuß beschlossen, daß diese Vergünstigungen jetzt noch nicht auslaufen sollen, wie es die Regierungsvorlage vorgesehen hat. Die begünstigten Vertriebenen und Flüchtlinge sollen neben der Möglichkeit, die allgemeinen Bestimmungen des § 33 in Anspruch zu nehmen, soweit sie nicht Pauschbeträge absetzen können, von den Vergünstigungen noch im laufenden Kalenderjahr und den zwei folgenden Jahren Gebrauch machen können.
Im Zusammenhang damit muß noch darauf hingewiesen werden, daß hinsichtlich der Vergünstigungen für die heimatvertriebene Wirtschaft die Änderung des § 10 a durch die Regierungsvorlage vom Ausschuß gestrichen worden ist. Die Regierungsvorlage sah vor, daß die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns für Kriegsgeschädigte, für Vertriebene und Flüchtlinge nur bis Ende des Jahres 1955 gelten soll. Diese Begünstigung soll aber bis zum 31. Dezember 1956 bestehenbleiben. Der Ausschuß hat beschlossen, diese Frage später noch einmal aufzugreifen und dies im Plenum auch jetzt schon zum Ausdruck zu bringen. Da bisher nicht genügendes Material vorlag, um die Frage endgültig zu prüfen, soll sie außerhalb dieses Gesetzes später noch einmal angefaßt werden. — Soviel zur Einkommensteuer.
Zur Körperschaftsteuer ist lediglich zu bemerken, daß der gespaltene Körperschaftsteuersatz, wie er von der Regierung mit 45 % für die nichtausgeschütteten Gewinne und mit 30 % für die ausgeschütteten Gewinne vorgeschlagen worden war, vom Ausschuß abgelehnt worden ist, weil man nach Annahme des Neuburger-Tarifs für die Senkung in den unteren Einkommensgruppen eine Deckung suchte und das Mehraufkommen bei Wegfall des gespaltenen Steuersatzes in Höhe von 120 Millionen DM hier in Anspruch nehmen wollte.
Beim Wohnungsbauprämiengesetz sind keine wesentlichen Änderungen vorgenommen worden. Hier ist nur zu bemerken, daß die Sperrfrist von drei Jahren auf fünf Jahre erweitert worden ist.
Eine Bemerkung noch zur Erbschaftsteuer! Die Regierungsvorlage sah bei der Erbschaftsteuer eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Freibeträge vor. Bei diesen Erhöhungen ist es geblieben. Außerdem sah die Regierungsvorlage auch eine Senkung des Tarifs in allen Klassen vor. Der Ausschuß hat jedoch beschlossen, auf ,dem Gebiet der Erbschaftsteuer die Steuersätze wieder einzuführen, die im Jahre 1934 galten. Das bedeutet einen Ausfall an Erbschaftsteuer in Höhe von etwa 30 Millionen DM bei einem Gesamtaufkommen für Erbschaftsteuer im Bund in Höhe von etwa 62 Millionen DM.
Schließlich gestatte ich mir, noch auf einige technische Dinge hinzuweisen. In dem Schriftlichen Bericht*) sind einige kleine Schreibfehler und Druckfehler enthalten, die geändert werden, wenn der Schriftliche Bericht dem Protokoll über diese Sitzung beigegeben wird. Ein materieller Fehler befindet sich aber auf Seite 58 der Drucksache 961. Im Entwurf heißt es dort unter c: „Ziffer 3 erhält die folgende Fassung". Als Beschluß des 19. Ausschusses ist dem gegenübergestellt: „c) entfällt". Das muß gestrichen werden, und 'dafür muß als Beschluß des 19. Ausschusses eingesetzt werden: „Ziffer 3 wird gestrichen".
*) Siehe Anlage 14.


(Dr. Lindrath)

Abschließend möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Der Ausschuß hat sich naturgemäß auch mit den finanziellen Auswirkungen dieser Steuerreform befaßt. Es erscheint mir zweckmäßig, auch einmal von dieser Stelle aus das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen dieser Steuerreform, wie sie im Ausschuß festgestellt worden sind, bekanntzugeben. Die Kleine Steuerreform, die vor anderthalb Jahren durchgeführt worden ist, brachte eine Senkung in Höhe von 1600 Millionen DM mit sich, die durch den Wegfall der Vergünstigungen im Einkommensteuerrecht mit 1000 Millionen DM aufgewogen wurden, so daß der tatsächlich durch die Senkung verursachte Ausfall damals 600 Millionen DM betrug. Die gegenwärtige Steuerreform wird nach den Beschlüssen im Ausschuß folgende Ausfälle mit sich bringen: nach der Regierungsvorlage zunächst für die Einkommensteuer 1600 Millionen DM und für die Körperschaftsteuer 800 Millionen DM. Das sind insgesamt 2400 Millionen DM. Auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses treten weitere Mehrausfälle ein. Die Herabsetzung des Tarifs auf Grund des Vorschlags des Abgeordneten Neuburger bringt Mehrausfälle von rund 500 Millionen DM, der von mir erwähnte Altersfreibetrag wird Mehrausfälle von 40 Millionen DM bringen. Die Sonderausgabenpauschale der Gewerbetreibenden und Landwirte über 50 Jahre und die Erhöhung des Höchstbetrages für Kinder von 400 auf 500 DM wird einen Ausfall von 50 Millionen DM zur Folge haben. Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen bei Eigenheimen durch Ersterwerber wird voraussichtlich eine Mindereinnahme von 10 Millionen DM und die Ausdehnung des § 7 c zur Wohnungsbauförderung auf die Lohnempfänger wird ebenfalls eine Mindereinnahme von 10 Millionen DM verursachen. Die
Erhöhung der Sonderausgabenpauschale bei Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird einen Ausfall von 50 Millionen DM mit sich bringen, die Übergangsregelung für Vertriebene und Flüchtlinge nach § 33 a einen Ausfall von 25 Millionen DM und die Bestimmungen über die Begünstigung staatspolitischer Zwecke einen Ausfall in Höhe von 20 Millionen DM. Insgesamt bringen die Beschlüsse des Ausschusses Mehrausfälle in Höhe von rund 705 Millionen DM. Mit den Ausfällen, die die Regierungsvorlage enthielt, zusammen — 2,4 Milliarden DM plus 0,7 Milliarden DM — ergibt sich somit ein Gesamtausfall von 3,1 Milliarden DM.
Diesem Gesamtausfall stehen einige Mehreinnahmen nach dem Antrag des Ausschusses gegenüber: aus dem Wegfall des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes 120 Millionen DM und wegen des Wegfalls der steuerbegünstigten Rücklage nach dem Ausfuhrförderungsgesetz 170 Millionen DM. Das sind 290 Millionen DM, die von den 3100 Millionen DM in Abzug gebracht ,werden müssen.
Die Nettosteuersenkung nach der Regierungsvorlage und den Beschlüssen des Ausschusses beträgt somit insgesamt 2810 Millionen DM. Hinzu kommt noch der Ausfall aus der Erbschaftsteuersenkung in Höhe von 30 Millionen DM, so daß sich die finanziellen Auswirkungen dieser Vorlage in der Form, wie sie Ihnen der Ausschuß zur Annahme empfiehlt, auf 2840 Millionen DM belaufen.
Ich möchte das Haus bitten, dem Antrag des Ausschusses, wie er auf Seite 16 der Drucksache 961 niedergelegt ist, die Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205502000
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat zunächst der Ausschußvorsitzende Dr. Wellhausen zur Ergänzung des Berichts.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205502100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keine Berichtigung des Berichts vorzunehmen. Im Gegenteil, ich bin mit dem Bericht sehr einverstanden. Aber in der kurzen Zusammenfassung, die der Kollege Lindrath soeben gegeben hat, hat er nicht erwähnt, daß bei der die breite Öffentlichkeit in einem besonderen Maße interessierenden Angelegenheit „Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" die Einzelheiten, vielleicht sogar etwas mehr als die Einzelheiten, erst durch eine Rechtsverordnung geregelt werden sollen. Diese Rechtsverordnung wird einen Pauschbetrag vorsehen. Ich erwähne das, um vielleicht allzu weitgehenden Entschlüssen — sagen wir einmal: Kauf eines Motorrades oder eines Autos morgen früh — ein gewisses hemmendes Moment entgegenzusetzen. Man sollte dazu erst noch die Rechtsverordnung abwarten. Auf Seite 5 des Schriftlichen Berichts steht es richtig. Aber in seinem mündlichen Bericht hat Herr Kollege Lindrath aus Vereinfachungs- und Kürzungsgründen — was ich gut verstehe — diesen Punkt weggelassen. Deswegen habe ich mir erlaubt, ihn hier noch extra zu erwähnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205502200
Wir treten nunmehr in die Einzelberatung ein. Ich werde die einzelnen Artikel aufrufen und innerhalb der Artikel die arabischen Ziffern.
Zunächst Art. 1 Ziffer 1. — Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffer der Ausschußvorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2. Ein Änderungsantrag dazu liegt nicht vor. Wer für die Annahme von Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ziffer 3. Hierzu ist ein Änderungsantrag angekündigt. Sie finden ihn auf Umdruck 202*) Ziffer 1. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Frenzel.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205502300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion habe ich den Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 1 zu begründen. In § 3 Ziffer 7 des Einkommensteuergesetzes heißt es:
Geldrenten, Kapitalentschädigungen und Leistungen im Heilverfahren, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug gewährt werden.
In unserem Antrag bitten wir, die Worte „für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug" zu streichen und folgenden Satz anzufügen:
Unberührt bleibt die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen, die aus Wiedergutmachungsgründen
neu gegründet oder wieder. begründet wurden.
Wie oft, meine Damen und Herren, wurde in diesem Hohen Hause bittere Klage darüber geführt,
*) Siehe Anlage 2.


(Frenzel)

daß die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Bundesrepublik mehr als schleppend vor sich geht. Erst vor kurzem befaßte sich dieses Hohe Haus mit den unhaltbaren Zuständen, die dem vom Nationalsozialismus geschädigten Personenkreis zugemutet werden. Obwohl der zweite Weltkrieg nun schon fast 10 Jahre vorüber ist, wartet noch immer ein großer Teil der Geschädigten auf die Erfüllung ihres berechtigten Anspruchs auf Wiedergutmachung. Wenn nach vielerlei Urgenzen und nach Überwindung von Schwierigkeiten dem einzelnen doch einmal ein Betrag ausgezahlt wurde, mußte der Betreffende hiervon — das ist in vielen Ländern geschehen — 10 % in Form von Steuern an den Staat zurückzahlen. Nun handelt es sich dabei doch um Nachzahlungen für entgangenes Gehalt und Verdienst, von denen diese 10 % in Gestalt von Steuern abgefordert wurden. Die Nachzahlungen werden aber bereits so gekürzt, daß sie in der Praxis keinerlei Äquivalent für das Entgangene darstellen. Man kann schon deshalb nicht mehr von einer echten Nachzahlung sprechen. weil die Auszahlungen schon der Kürzung nach den bestehenden Richtlinien unterliegen. Aus diesen Gründen betrachten wir die Abzüge als nicht gerechtfertigt. Bedenkt man darüber hinaus, was die Wiedergutmachungsberechtigten durch die schleppende Erledigung ihrer Fälle all die Jahre hindurch an Zinsen verloren haben, die auch dem Staat zugute gekommen sind, dann wird man die Berechtigung unseres Antrags anerkennen müssen. Man muß es als eine asoziale Maßnahme bezeichnen, wenn der Geschädigte, der nach langen Jahren zu seinem Recht kommt und dem seine rechtmäßige Wiedergutmachung ausgezahlt worden ist, noch einmal geschädigt wird, indem diese Beträge besteuert werden, obwohl er schon durch die Zinsverluste schwer getroffen wurde. Wir wollen deshalb mit diesem Antrag erreichen, daß Bezüge, die aus ehemaligen Dienst- und Arbeitsverhältnissen stammen oder die für entgangenen Verdienst gezahlt wurden, schon aus Gerechtigkeitsgründen steuerfrei bleiben. Dasselbe gilt für die Wiedergutmachung nach bestandenen Pensionsverhältnissen, wobei es keine Rolle spielen darf, ob diese aus Wiedergutmachungsgründen neu begründet oder wieder begründet wurden.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß derjenige, der durch die Wiedergutmachung wieder im Staat oder einem anderen entsprechenden Dienst eingestellt wurde, seine erhaltenen Beträge nun versteuert. Ebenso werden diejenigen Personen, die sich mit den erhaltenen Beträgen eine neue Existenz in der Form eines Geschäfts oder dergleichen aufbauen, laufend die im Gesetz vorgeschriebenen Steuern entrichten. Meine Fraktion steht aber auf dem Standpunkt, daß alle jene Beträge, die die Geschädigten aus der Wiedergutmachung erhalten, steuerfrei auszuzahlen sind. Wir betrachten es als eine Selbstverständlichkeit, daß die durch den Nationalsozialismus Geschädigten, die, wie wir das an Hunderten von Fällen feststellen können, oftmals schlechter behandelt werden als die Nutznießer jenes Systems, die Steuerfreiheit der geleisteten Wiedergutmachungsbeträge des Staates genießen. Das sollte nicht nur ein Akt des guten Willens dieses Hohen Hauses, sondern auch ein Akt der Gerechtigkeit sein.
Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag Umdruck 202 Ziffer 1 zuzustimmen. Der Antrag sieht vor, in Abschnitt I — Einkommensteuer — Art. 1 unter Nr. 3 einen neuen Buchstaben b anzufügen, nach dem in Ziffer 7 des § 3 des Einkommensteuergesetzes die Worte „für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug" zu streichen sind, so daß die Ziffer 7 lauten würde:
Geldrenten, Kapitalentschädigungen und Leistungen im Heilverfahren, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden;
Wir beantragen ferner, in dieser Ziffer 7 dann anzufügen:
Unberührt bleibt die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen, die aus Wiedergutmachungsgründen neu begründet oder wieder begründet wurden.
Meine Damen und Herren, aus den kurzen Worten der Begründung werden Sie ersehen haben, daß die Wiedergutmachungsberechtigten ein Recht darauf haben, bei der Steuerermäßigung ebenfalls berücksichtigt zu werden. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der SPD Umdruck 202 Ziffer 1 Ihre Zustimmung nicht zu versagen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205502400
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205502500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Antrag dieses Inhalts ist bereits im Finanz- und Steuerausschuß gestellt worden und hat dort nicht die Mehrheit gefunden. Ich darf zu dem Antrag folgendes sagen.
Nach § 3 Ziffer 7 des Einkommensteuergesetzes waren bisher frei Wiedergutmachungsleistungen für Schäden an Leben. Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug. Wenn der Antrag der SPD jetzt diese Worte streichen will, so will er grundsätzlich alle Wiedergutmachungsleistungen von der Einkommensteuer befreien mit einer Ausnahme, auf die ich gleich zurückkomme, nämlich die laufenden Bezüge aus Dienst- und Pensionsverhältnissen. Das heißt also, es sollen nunmehr insbesondere die Entschädigungen für Existenzschäden steuerfrei sein. das sind Entschädigungen für entgangene Einnahmen.
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß die bisherigen Entschädigungen sämtlich versteuert worden sind. Es würde also, wenn wir schon vom Prinzip der Gerechtigkeit sprechen, eine neue Zäsur geschaffen werden zwischen den bisher rechtskräftig versteuerten Bezügen dieser Art und dem, was am 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten würde.
Außerdem würde noch eine weitere neue Zäsur geschaffen. Der Antrag der SPD sagt selbst, daß die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen unberührt bleiben soll. Das ist meines Erachtens auch ganz klar. 1 Im öffentlichen Dienst z. B. ist die Wiedergutmachung in sehr vielen Fällen überhaupt nicht durch Geldauszahlung erfolgt, sondern dadurch, daß ein Beamter, der in der nationalsozialistischen Zeit aus dem Dienst entlassen war, jetzt, und zwar allgemein in einer höheren Stufe, wiedereingestellt worden ist. Dieser Beamte kann ja nicht von der Lohnsteuer auf seine laufenden Gehaltsbezüge befreit werden.


(Staatssekretär Hartmann)

Wenn man nun nach dem Antrag der SPD die
Gehaltsbezüge, die aus der Wiedergutmachung kommen, und auch die laufenden Pensionsbezüge besteuern will, dann kann man also nur die Kapitalsumme steuerfrei lassen. Es ist zum Teil aber der reine Zufall, ob insbesondere ein älterer Beamter — das gilt aber auch für Privatpersonen, denn die Wiedergutmachung ist ja in diesen Fällen nach dem Gesetz den Beamtenbezügen, der Beamtenversorgung angeglichen — eine Kapitalabfindung wählt, die hiernach steuerfrei sein soll, oder ob er eine laufende Rente wählt. Also auch wenn der Antrag der SPD angenommen würde, bliebe in der Versteuerung ein Unterschied zwischen laufenden Gehaltsbezügen oder Rentenbezügen einerseits und Kapitalbezügen andererseits.
Weiter darf ich darauf hinweisen, daß die Besteuerung von den Ländern im Einvernehmen mit dem Bund sehr maßvoll gehandhabt worden ist. Man ist übereingekommen, daß nur eine Einkommensteuer von höchstens 10 Vo erhoben wird. Auf die Erhebung des Notopfers Berlin wird verzichtet.
Wenn ich also zusammenfassend darauf hin- weisen darf, daß auch durch den Antrag der SPD das Problem nicht endgültig gelöst wird, sondern notwendigerweise immer eine teilweise Steuerpflicht bleibt, nämlich bei laufenden Bezügen und Renten, und daß andererseits die Besteuerung höchstens 10 Vo beträgt und daß in der Vergangen- heit diese Steuer erhoben worden ist, dann wird es, glaube ich, nicht dem Prinzip der Gerechtigkeit widersprechen, wenn ich hier bitte, an der Entscheidung des Ausschusses festzuhalten, d. h. den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205502600
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205502700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Herrn Staatssekretär kurz erwidern. Der Herr Staatssekretär hat zu erwähnen vergessen, daß dieser Antrag nicht nur bereits im Finanz- und Steuerausschuß gestellt worden ist, sondern daß auch der Bundesrat in seinem seinerzeitigen Entwurf zum Entschädigungsgesetz dasselbe Prinzip verlangt hat,

(Hört! Hört! bei der SPD)

einstimmig verlangt hat natürlich, und daß gar kein Zweifel sein kann, daß bei der Initiative zum Bundesentschädigungsgesetz, die wir vom Bundesrat und von anderen Seiten erwarten, die Bestimmung in diesem Sinne durchgeführt werden wird.
Es ist auch nicht richtig, daß alle Fälle bisher versteuert worden sind. In einigen Fällen und in einigen Ländern ist von der Versteuerung abgesehen worden. Wie dem aber auch sei, ich glaube, es ist nie zu früh und nie zu spät, mit einem Un- recht Schluß zu machen.

(Beifall bei der SPD.)

Die Unterscheidung, die der Herr Staatssekretär zwischen wiederbegründeten Dienst- und Pensionsverhältnissen und Kapitalabfindungen gemacht hat, machen wir auch, und ich glaube, in klarer und logischer Weise. Wenn die .Wiedergutmachung in der Wiederbegründung eines Dienst- oder eines Pensionsverhältnisses besteht, so ist sie damit abgeschlossen, und dieses Verhältnis unterliegt den normalen Bestimmungen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es ist Sache des Betreffenden, wenn er nach den Entschädigungsgesetzen ein Recht der Wahl hat, zwischen einer solchen Art der Wiedergutmachung und einer anderen, einer Kapitalabfindung oder etwas Derartigem, zu wählen. Dieses Wahlrecht soll ihm nicht beeinträchtigt werden. Die steuerliche Behandlung soll in beiden Fällen klar sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205502800
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 202 Ziffer 1. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über Ziffer 3 im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme der Ziffer 3 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffern 3 a, — 3 b, — 4, — 5, — 6, — 7. (Abg. Neuburger: Bis 7!)

— Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffern bis einschließlich 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 8 liegt ein Änderungsantrag vor. Herr Abgeordneter Neuburger, wollen Sie das Wort ergreifen?

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205502900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Ziffer 8 wird ein Änderungsantrag gestellt. Er liegt Ihnen leider noch nicht vor. Ich bitte daher, die Abstimmung zu Ziffer 8 zurückzustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205503000
Das Haus ist einverstanden.
Ziffer 8 a. Wer für die Annahme von Ziffer 8 a ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 8 b ist ein Änderungsantrag, Umdruck 202 Ziffer 2, gestellt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0205503100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, in Ziffer 8 b hinter dem Wort „Bauherrn" in § 7 c des Einkommensteuergesetzes einzufügen: „oder an ein Organ der staatlichen Wohnungspolitik". Nach der neuen Fassung ist der Art. 7 c des Einkommensteuergesetzes hauptsächlich dazu gedacht, die nachstellige Finanzierung bei Bauvorhaben sicherzustellen oder bei dieser nachstelligen Finanzierung zu helfen. Wenn wir die Annahme der Mittel auf die Bauherren begrenzen, ist es oftmals nicht möglich, eine Hilfe in den Gebieten zu leisten, wo sie dringend notwendig ist, nämlich dort, wo wenig 7 c-Mittel fließen; denn sie sind immer von der wirtschaftlichen Stärke abhängig. Dadurch, daß wir die Organe der staatlichen Wohnungspolitik als Dachorganisationen einschalten, möchten wir einen ausgleichenden Faktor erhalten. Diese Organe können dann ihrer Funktion nach die Mittel dorthin leiten, wo sie oftmals sehr dringend zur Restfinanzierung gebraucht werden. Das ist Sinn und Zweck unseres Antrags. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205503200
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205503300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Es ist bekannt, daß der § 7 c in der Regierungsvorlage überhaupt nicht mehr enthalten war. Unter Zurückstellung erheblicher Bedenken ist eine sehr eingeschränkte Neufassung des § 7 c im Ausschuß angenommen worden, um das unbedingt notwendige Maß an Wohnungsbauförderung auf dem Wege des § 7 c zu erreichen. Wenn nun aber nach dem Antrag der SPD die Vorschrift noch auf die Einschaltung der Organe der staatlichen Wohnungspolitik erweitert wird, dann kommen wir nach und nach wieder zu dem ganzen Umfang früherer Begünstigungen, der gerade durch die weitgehende Tarifsenkung ausgeschaltet werden soll. Der § 7 c in der jetzigen Form soll insbesondere den Bau von Wohnungen von Arbeitgebern unmittelbar für die Arbeitnehmer sichern. Eine Einschaltung von Organen der staatlichen Wohnungsbaupolitik ist in diesem Rahmen keineswegs notwendig. Es ist auch bekannt, daß es in der Vergangenheit nicht unbeträchtliche Mißbräuche im Zusammenhang mit dem § 7 c gegeben hat. Wir wollen auch keinen Anlaß dazu geben, daß in diesem Punkte wieder eine stärkere Überwachung notwendig wird. Ich darf daher bitten, es bei den Beschlüssen des Ausschusses zu belassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205503400
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0205503500
Ich möchte bloß dem Herrn Staatssekretär erwidern, daß solche Mißbräuche, wie sie in der Vergangenheit zu verzeichnen waren, einfach nicht mehr möglich sind, schon auf Grund der langen Laufzeit von zehn Jahren. Zum zweiten:
da die 7-c-Mittel jetzt lediglich auf Eigentumsmaßnahmen beschränkt sind. werden die Mittel, die fließen, so gering sein, daß eine Ausweitung in der alten Form menschenunmöglich ist. Warum soll man dort, wo die Organe ihre Aufgaben erfüllen und wirklich einmal ausgleichend wirken können, Beschränkungen auferlegen?! Bedeutung wird die ganze Geschichte gegenüber früher kaum noch haben, sondern man wird nur in Einzelfällen wirksame Hilfe geben können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205503600
Keine weiteren Wortmeldungen?
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 202 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ziffern 8 b, — 9 und 10. —

(Abg. Dr. Miessner: Zu Ziffer 10 kommt gerade ein Antrag; ich bitte Ziffer 10 zurückzustellen!)

— Zu Ziffer 10 kommt noch ein Antrag. Also Ziffern 8 b und 9. — Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr zurück zu Ziffer 8! Der Umdruck 214 ist jetzt verteilt.

(Widerspruch.)

— Nein? Ist er noch nicht verteilt? Umdruck 214 muß verteilt sein.

(Abg. Schoettle: Wenn der Herr Präsident ihn hat, müssen wir ihn noch lange nicht haben!)

— Herr Abgeordneter Schoettle, ich glaube, daß die Verteilung vor etwa einer Viertelstunde begonnen hat und jetzt durchgeführt sein dürfte.

(Zurufe: Nein!)

— Noch nicht? Dann bitte ich Sie um Entschuldigung. Dann lassen wir Ziffer 8 wieder auf sich beruhen. Wir lassen auch Ziffer 10 auf sich beruhen und gehen zu Ziffer 11. Hierzu ist ein Änderungsantrag angekündigt, Umdruck 210 Ziffer 1, ein Antrag der CDU/CSU, FDP und DP. Wer begründet?

(Abg. Neuburger: Der liegt hier auch nicht vor!)

— Der liegt auch noch nicht vor? Unter diesen Umständen ist es sehr schwer, das Gesetz durchzuberaten.

(Abg. Neuburger: Das Tempo Ihrer Verhandlungsführung ist zu schnell!)

— Das ist nur eine Anpassung an die Hurtigkeit, in der das Haus dieses Gesetz berät. — Der Abs. 2 in § 9 a soll gestrichen werden. Das 'Stichwort heißt Haushaltsbesteuerung.

(Abg. Neuburger: Herr Präsident, das können wir erst beraten, wenn der Umdruck 210 vorliegt!)

— Das geht also auch nicht. Gut, dann stellen wir auch das zurück.
Gehen wir zu Ziffer 12! Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 202 unter Ziffer 3 vor. Wer begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205503700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Antrag Umdruck 202 Ziffer 3 liegt die Tatsache zugrunde, daß die Sperr- und Mißbrauchsbestimmungen, welche für Versicherungs- und für Bausparverträge innerhalb der Sparbegünstigungen des § 10 vorgesehen sind, insofern eine Ungleichmäßigkeit aufweisen, als sie, was Versicherungsverträge anlangt, nur für solche gelten, die gegen Einmalprämien oder erhöhte Einzahlungen beim Vertragsabschluß abgeschlossen worden sind, bei den Bausparverträgen dagegen auch für die normalen Bausparverträge mit lauf enden Beiträgen. Da die Bausparverträge durch die Verlängerung der Sperrfrist, die bisher drei Jahre betrug, auf mindestens fünf Jahre ohnehin schon in ihrer Werbekraft beeinträchtigt sind, hat der Bundesrat die Fassung für diese Mißbrauchsbestimmung bei den Bausparverträgen vorgeschlagen, die wir Ihnen hier nochmals zur Annahme empfehlen. Die Bundesregierung hat diese Fassung, ich darf wohl sagen, ohne Angabe von Gründen, abgelehnt. Auch die Ausschußberatungen haben uns nicht überzeugen können, daß es nicht richtiger wäre, hier der Auffassung des Bundesrats zu folgen. Wir bitten Sie deswegen, diesen Antrag anzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205503800
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205503900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Seuffert hat beanstandet, daß die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrats ohne eingehendere Begründung abgelehnt hat. Ich bitte, mir daher zu erlauben, jetzt etwas eingehender über diesen Punkt zu sprechen.
In der Antragsbegründung ist darauf hingewiesen worden, daß bei den Lebensversicherungen


(Staatssekretär Hartmann)

Beschränkungen nur hinsichtlich der Einmalprämie bestehen und daß im übrigen die bisher bestehenden Beschränkungen gegen Mißbräuche bei Lebensversicherungen nicht wieder aufgenommen worden sind. Es liegt nun aber sachlich ein erheblicher Unterschied vor, denn die Versicherungsgesellschaften haben sich bereit erklärt, geschäftsplanmäßig festzulegen, daß normale Versicherungsverträge, d. h. solche, die nicht gegen einen Einmalbeitrag, sondern gegen laufende Beiträge abgeschlossen werden, eine Versicherungsdauer von mindestens fünf Jahren haben müssen. Die Regelung, die also im Gesetz vermißt wird, ist durch die Vereinbarungen mit den Lebensversicherungsgesellschaften getroffen worden, die — ich darf das wiederholen — bereit sind, eine geschäftsplanmäßige Festlegung vorzunehmen.
Hinzu kommt, daß bei einer solchen Festlegung auf fünf Jahre eine Spekulation der Versicherten auf vorzeitige Rückzahlung faktisch wohl gar nicht in Betracht kommen kann, denn der Rückkaufswert einer Versicherung ist in den ersten Jahren der Laufzeit verhältnismäßig gering, weil in diesen ersten Jahren die eingezahlten Beiträge in erster Linie zum Ausgleich des Versicherungsrisikos verrechnet werden. Hier liegt also ein erheblicher Unterschied gegenüber den Bausparkassen vor, mit denen wir über die gleiche Regelung gesprochen hatten. Die Bausparkassen haben es aber abgelehnt, geschäftsplanmäßig eine solche Zusicherung zu geben. Vielleicht sind sie auch nach der Eigenart ihres Geschäftes dazu schwerer in der Lage; ich glaube, das ist zuzugeben. Aber eben daraus ergibt sich dann, daß es bei den Bausparkassen sehr viel leichter ist — und vielleicht auch in der Berechnung mancher, die einen Bausparvertrag abschließen, liegt —, vor dem Ablauf von fünf Jahren aus den vertraglichen Verpflichtungen wieder auszusteigen. Aus diesen Gründen darf ich bitten, den Antrag abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205504000
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205504100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache sieht vielleicht unbedeutend aus, aber die große Bedeutung, die die Bausparkassen der Angelegenheit beilegen, ersehen Sie aus den vielen Zuschriften, mit denen sie sich Mühe gegeben haben, die Aufmerksamkeit des Hauses in dieser Frage zu finden.
Ich muß dem Herrn Staatssekretär ganz kurz folgendes erwidern. Der Herr Staatssekretär hat selber schon seine Zweifel angedeutet, ob der Natur des Bausparvertrags nach eine derartige geschäftsplanmäßige Festlegung, wie sie bei den Versicherungsverträgen ohne weiteres möglich sein mag, überhaupt durchführbar ist. Worauf die Bausparkassen aber hinweisen, ist, daß in ihren allgemeinen Bausparbedingungen ohnehin die Klausel enthalten sei, daß im Falle eines vorzeitigen Endes eines solchen Bausparvertrags die Auszahlung nur in Rentenform innerhalb von Jahren erfolgen kann. Sie haben also hier eine wirksame Sperrbestimmung gegen Mißbrauch, wie man sie sich nicht schöner wünschen könnte. Ich glaube, daß diese Klausel der Allgemeinen Bausparbedingungen durchaus das ersetzt, was die Versicherungsgesellschaften geschäftsplanmäßig angeboten haben. Deswegen sollte man der Bundesratsfassung, die auf einer eingehenden sachlichen Prüfung beruht, den Vorzug geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205504200
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt der Änderungsantrag auf Umdruck 209*). Wer begründet ihn? — Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.

Rudolf Eickhoff (DP):
Rede ID: ID0205504300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Lindrath hat vorhin in seiner Begründung schon darauf hingewiesen, daß bisher nur diejenigen Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus selbständiger oder aus nichtselbständiger Arbeit gehabt haben, wenn sie 50 Jahre alt waren, berechtigt waren, die Sonderausgaben zu verdoppeln. Wir haben uns im Finanzausschuß sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt und eine Änderung in der Weise vorgenommen, daß jetzt auch Gewerbetreibende und Landwirte von dieser Vergünstigung Gebrauch machen können, allerdings mit der Maßgabe, daß das steuerpflichtige Vermögen 20 000 DM nicht übersteigen darf.
Bei richtiger Überlegung muß man aber sagen, daß dieser Vorschlag nicht weit genug geht. Denn viele Gewerbetreibende und Landwirte, die ein steuerpflichtiges Vermögen von unter 20 000 DM haben, sind gar nicht in der Lage, für ihre Altersversorgung die großen Beträge von 3200 oder 4200 DM aufzuwenden. Deswegen bitten wir, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, der diese Vergünstigung den Steuerpflichtigen geben will, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 50 000 DM haben. Sie werden zugeben müssen, daß dieser Antrag berechtigt ist; ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.

(Beifall rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205504400
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205504500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Antrag in dieser Form nicht anzunehmen. Es ist richtig, daß wir hier im Interesse der Altersversorgung in der gewerblichen Wirtschaft erstmalig die Erhöhung der Sonderausgaben auch auf Einkünfte aus gewerblicher Wirtschaft ausgedehnt haben, soweit die Steuerpflichtigen das 50. Lebensjahr überschritten haben. Wir haben dann nach längeren Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß für diese zusätzliche Erweiterung als obere Grenze ein steuerpflichtiges Vermögen von 20 000 DM festgesetzt.
Eine erneute Erörterung dieses Problems hat uns Veranlassung gegeben, zu erkennen, daß wir mit diesen 20 000 DM eine zu niedrige Grenze gesetzt haben.

(Sehr richtig! in der Mitte Insoweit ist das, was Herr Eickhoff hier vorgetragen hat, richtig. Wir möchten dem Hohen Hause vorschlagen, etwas über diese durch den Finanz-und Steuerausschuß erfolgte Begrenzung hinauszugehen, aber das Problem nicht, wie es nunmehr Herr Eickhoff vorschlägt, dadurch zu lösen, daß man auf das Einkommen abstellt, sondern dadurch, daß man die Gewährung dieser zusätzlichen Sonderausgaben zwar weiterhin von dem Vermögen abhängig macht, die Vermögensgrenze aber erhöht. Namens meiner Parteifreunde möchte ich dem *)



(Neuburger)

Hohen Hause vorschlagen, den in der Ausschußvorlage genannten Betrag von 20 000 DM nunmehr auf 40 000 DM zu erhöhen. Meine Bitte an das Hohe Haus geht also dahin, den von Ihnen, Herr Eickhoff, gestellten Antrag abzulehnen, dafür aber den nun von mir gestellten Änderungsantrag — Erhöhung von 20 000 auf 40 000 DM anzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205504600
Herr Abgeordneter Neuburger, Sie wollen also einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag stellen?

(Abg. Neuburger: Ja!)

Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205504700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Neuburger anschließen. Der Ausschuß schlägt vor, in Abweichung von der bisherigen Übung nicht nur den Unselbständigen und den Selbständigen die Verdoppelung ihrer Versorgung zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Gewerbetreibenden einzubeziehen. Man muß doch aber auf das Vermögen als die Fundierung ihrer Arbeit abstellen und nicht auf das Einkommen. Ich darf auch darauf hinweisen, daß eine Grenze von 20 000 DM steuerpflichtigen Vermögens mit Rücksicht auf die hohen Freibeträge bei der Vermögensteuer für ein Ehepaar mit zwei Kindern eine wirkliche Vermögensgrenze von 50 000 DM bedeutet. Der Vorschlag des Herrn Abgeordneten Neuburger einer Erhöhung von 20 000 DM auf 40 000 DM bedeutet in Wirklichkeit ein steuerbares Vermögen — Sie wissen, wie gering die Einheitswerte sind — von 70 000 DM; das ist ein echtes gewerbliches Vermögen von wahrscheinlich über 100 000 DM. Ich glaube, daß mit dem Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger — Erhöhung des steuerpflichtigen Vermögens von 20 000 auf 40 000 DM — wirklich alles erreicht wird, was der gewerbliche Mittelstand aus einer solchen Regelung erwarten kann. Ich würde bitten, den Antrag Eickhoff abzulehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205504800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205504900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch für meine Freunde stimme ich dem Antrag Neuburger zu. Aber in Vorahnung des noch Kommenden möchte ich die Gelegenheit benützen — die ich schon beim §7 c hätte ergreifen sollen —, Sie davor zu warnen, in der Erweiterung von Steuerbegünstigungen fortzufahren.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Wenn ich mich recht entsinne, hat der Herr Bundesfinanzminister mit der Zustimmung des ganzen Hauses, also, wie ich betone, auch mit meiner Zustimmung, hier ausgeführt, er halte es für das Gebot der Stunde, von der organisch und auch in anderer Beziehung durchaus nicht richtigen Begünstigung von Einzeltatbeständen abzusehen und damit Schluß zu machen.

(Vereinzelter Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, das ist ein Grundsatz, an dem wir so einschränkungslos wie möglich festhalten sollten. Sonst verlassen wir die ganze Linie, auf der die Steuerreform beruht.

(Zuruf von der FDP: Die ist schon längst verlassen!)

Es ist mehr ein Zufall, daß ich diese Ausführungen in einem Zusammenhang mache, in dem ich
mich für den Antrag Neuburger ausspreche. Ich habe mich bereits an die eigene Nase gefaßt und gedacht, wir hätten diesen Geistesblitz, den Sie, Herr Neuburger, jetzt geboren haben, vielleicht auch schon im Finanzausschuß haben können. Aber ich bin doch der Meinung, meine Damen und Herren: wir sollten vorsichtig sein mit einer Ausweitung der Begünstigungen. Ich hoffe sehr — das soll keine Drohung sein; zu der bin ich nicht berechtigt, auch nicht als Vorsitzender eines Ausschusses; das liegt mir auch gänzlich fern —, daß ich im Verlauf der Beratungen nicht Gelegenheit nehmen muß, diesen Grundsatz hier noch einmal sehr deutlich auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205505000
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir ab über den Änderungsantrag Neuburger zum Änderungsantrag Eickhoff, d. h. wir stimmen darüber ab, ob auf Umdruck 209 in der dritten Zeile von unten die Zahl 50 000 — —

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205505100
Das ist ein anderer Antrag! Der Antrag Eickhoff stellt auf das Einkommen ab und nicht auf das steuerpflichtige Vermögen. Das ist ein wesentlicher Unterschied!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205505200
Dann müssen wir zunächst abstimmen über den Antrag Eickhoff, weil es der weitergehende Antrag ist.

(Abg. Neuburger: Ja!)

Es tut mir leid, daß ich Sie falsch verstanden hatte. Wir stimmen also zunächst ab über den Antrag Umdruck 209. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Minderheit. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag Neuburger ab, in der Ausschußfassung statt der Zahl 20 000 die Zahl 40 000 einzusetzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit.
Dann stimmen wir ab über Ziffer 12 in der nunmehr abgeänderten Fassung.

(Abg. Neuburger: Ich muß hierzu noch einen Antrag auf redaktionelle Berichtigung stellen!)

— Bitte schön, tun Sie das.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205505300
Wir haben in der Ausschußfassung — Drucksache 961 Seite 28 — stehen:
7. Beiträge nach Maßgabe des § 1 Ziff. 3 des Gesetzes über die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Kindergeld vom 12. August 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 257).
Sie wissen, daß in der Zwischenzeit das neue Kindergeldgesetz vom 13. November 1954, das dieses Hohe Haus beschlossen hat, in Kraft getreten ist. Wir müssen also diese Bestimmung auswechseln und durch folgende ersetzen:
7. Beiträge auf Grund der Vorschriften des Kindergeldgesetzes vom 13. November 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 333).
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205505400
Ich danke schön.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205505500
Dann möchte ich gleichfalls im Interesse einer redaktionellen Richtigstellung bitten, hinter der Ziffer 12 eine Ziffer 12 a einzufügen, die lautet:
In § 10 Abs. 2
— nunmehr Abs. 3 —
Ziffer 3 werden in Buchstabe c die Worte „im Sinn des Absatzes 1 Ziffer 2" ersetzt durch die Worte: „im Sinn des Absatzes 1 Ziffern 2 bis 4".
Die Änderung hat, wie ich bereits betonte, nur redaktionelle Bedeutung. Die bisher in Abs. 1 Ziffer 2 des § 10 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Sonderausgaben sind im Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern aufgeteilt worden und jetzt in den Ziffern 2 bis 4 enthalten. Deswegen ist diese redaktionelle Änderung nötig. Ich übergebe auch diesen Antrag.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205505600
Wird dazu das Wort gewünscht? — Dann lasse ich zunächst über Ziffer 12 und dann über den Antrag, eine Ziffer 12 a einzufügen, abstimmen. Wer für Ziffer 12 in der nunmehrigen Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Wer für die Einfügung der soeben beantragten Ziffer 12 a ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Nun, meine Damen und Herren, wollen wir zu Ziffer 8 zurückblättern. Ich erlaube mir, zunächst bekanntzugeben, welche Umdrucke verteilt sind: 199, 200, 203, 204, 207, 209, 205, 202, 208, 211, 213,
3) 214, 215.
Zu Ziffer 8 liegt der Antrag Umdruck 214*) vor. Wird er begründet, Herr Abgeordneter Neuburger?

(Abg. Neuburger: Durch den Abgeordneten Struve!)

— Durch den Abgeordneten Struve. Ich erteile ihm das Wort.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0205505700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion und auch der Koalitionsparteien darf ich kurz darauf verweisen, daß wir eine Ergänzung in dem Abschnitt I zu Art. 1 wünschen, und war finden Sie unseren Antrag auf Umdruck 214. Zur Begründung darf ich kurz folgendes sagen.
Nach dem 'augenblicklichen Stand und den Einkommensteuerrichtlinien, so wie sie in Abschnitt 35 gegeben sind, gilt die degressive Abschreibung nur für unbewegliche Wirtschaftsgüter und Betriebseinrichtungen, die eine Nutzungsdauer von mehr als zehn Jahren haben. Durch diese Vorschriften ist der Rationalisierungsprozeß und die Verwirklichung der vor allen Dingen auch an die deutsche Landwirtschaft gestellten Forderung, in der Technik möglichst schnell voranzuschreiten, ungemein gehemmt, um nicht zu sagen: gehindert. Wir haben auf diese Art und Weise und durch die seitherige lineare Abschreibung nur die Möglichkeit, die ungewöhnlich teuren Maschinen mit gleichen Beträgen in zehn Jahren und länger abzuschreiben. Dagegen stellen wir bei allen modernen Bestellungs- und vor allen Dingen bei den modernen Erntemaschinen im Augenblick fest — Sie finden das immer wieder begründet; das geht auch
*) Siehe Anlage 6.
aus den Berichten der DLG-Ausstellung hervor —, daß die Einrichtungen, die in diesem Jahre zeitgemäß und modern sind, in zwei Jahren schon wieder überholt sind. Sie stehen dann aber bei den buchführenden Landwirten noch mit sechs, sieben und acht Zehnteln des Wertes zu Buch. Auf diese Weise löst die verstärkte Technisierung zwangsläufig eine verstärkte Verschuldung und Illiquidität aus. Das ist also ein wirtschaftlicher Widerspruch in sich.
Ich glaube, aus diesen kurzen Darlegungen wird ersichtlich, daß es im Interesse einmal der notwendigen Technisierung, zum andern aber auch der Verbilligung, die bei der Produktion erreicht werden soll, dringend notwendig erscheint, diesem besonderen Anliegen bei dieser Gelegenheit Rechnung zu tragen. Ich darf darauf verweisen, daß sich die deutsche Landwirtschaft seit Jahren bemüht, die degressive Abschreibung auch auf Wirtschaftsgüter auszudehnen, die eine Nutzungsdauer von weniger als zehn Jahren haben. Es ist auch so, daß in einzelnen Oberfinanzdirektionen unserer Länder durchaus Wohlwollen gezeigt wird. Aber wir haben auf diese Art und Weise in unseren Bundesländern eine völlig verschiedene Rechtslage und vor allen Dingen, weil der Bereich des Ermessens eine große Rolle spielt, eine ungemein schwierige Handhabe für diejenigen Oberfinanzverwaltungen, die an sich diesen Dingen aus rein wirtschaftlichen Überlegungen durchaus wohlwollend gegenüberstehen.
Ich darf deshalb das Hohe Haus bitten, dem von der Regierungskoalition eingebrachten Antrag, aufgezeichnet auf Umdruck 214, die Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205505800
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205505900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesfinanzministerium ist über diesen Antrag überrascht, wegen dessen Inhalts mit ihm überhaupt keine Fühlung genommen worden ist. Ich darf auf das Bezug nehmen, was eben der Vorsitzende des Finanz- und Steuerausschusses, Herr Dr. Wellhausen, dankenswerterweise gesagt hat, als er bat, sich in der jetzigen Beratung auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken, was zu zusätzlichen Steuerausfällen führt, und auch wünschenswerte Dinge im Interesse des Zustandekommens der Steuerreform zurückzustellen.
Nach diesem Antrag soll eine degressive Abschreibung für Gebäude zulässig sein. Für Gebäude ist sie bisher noch nie zugelassen worden. Wenn wir sie zulassen würden, könnten wir uns den ganzen § 7 b überhaupt ersparen. Ich weiß nicht, ob die Herren Antragsteller das im Auge gehabt haben. Der Ausfall allein bei den Gebäuden würde auf über 600 Millionen DM kommen. Was die beweglichen Güter mit einer Lebensdauer unter zehn Jahren betrifft, so würde der Ausfall weitere 500 Millionen DM betragen.
Im übrigen ist es finanzpolitisch ganz unmöglich, hier einen Hundertsatz nach Wahl des Steuerpflichtigen zuzulassen. Die Höhe der Abschreibungen kann nicht dem diskretionären Ermessen der Steuerpflichtigen überlassen bleiben, wenn wir überhaupt einigermaßen Ordnung in dem Finanzgebaren, in der Besteuerung beibehalten wollen. Es war im Finanzausschuß vereinbart worden, daß


(Staatssekretär Hartmann)

die Frage der degressiven Abschreibung durch Richtlinien der Verwaltung geregelt werden sollte. Außerdem sollte die Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden. Die degressive Abschreibung ist in den letzten Jahren bereits in weitem Umfang eingeführt worden. Sie hat zu erheblichen Verbesserungen für die Steuerpflichtigen geführt, und sie hat auch bereits zu entsprechenden erheblichen Ausfällen geführt, die ja durch die Tarifsenkung gar nicht berührt werden. Das geht alles im Verwaltungswege nebenbei.
Ich muß sagen, daß das Zustandekommen der Steuerreform auf das ernsteste gefährdet sein würde, wenn dieser Antrag angenommen würde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205506000
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Struve.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0205506100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat davon gesprochen, daß dieser Antrag überraschend kommt. Ich möchte dazu feststellen, daß die deutsche Landwirtschaft seit drei Jahren mit dem Herrn Bundesfinanzminister sich über diese Dinge unterhält und Vorschläge macht. Seit drei Jahren wird uns aber auch erzählt, daß ein Prozeß schwebt, und man möge den Ausgang dieses Prozesses abwarten.
Es heißt dann weiter, die degressive Abschreibung sei heute ja schon weitestgehend möglich. Wenn dem so wäre, woher sollten dann die Millionen-Ausfälle kommen?
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die deutsche Landwirtschaft z. B. im Jahr Maschinen im Gesamtwerte von rund 1 Milliarde DM an- schafft. Wie sollen sich nun Abschreibungen die sich nicht der Masse nach, sondern nur im Tempo etwas schneller vollziehen lassen, Hunderte von Millionen ausmachen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205506200
Wenn man in der Vergangenheit vom Bundesfinanzministerium aus bemüht gewesen wäre — zusammen mit den uns manchmal sehr wohlgesonnenen Oberfinanzdirektionen —, die von Ihnen angedeuteten Richtlinien zu erlassen, dann wäre wahrscheinlich das Hohe Haus nicht gezwungen gewesen, jetzt endlich in das Gesetz etwas hineinzubringen, was auch unserem Herrn Bundesfinanzminister Veranlassung gibt, den notwendigen Erfordernissen der Praxis folgend zu handeln. Denn darüber kann es keinen Zweifel geben: Die Ansprüche, die gerade in Richtung Technisierung an die Wirtschaft draußen gestellt werden, wachsen ständig, und der Trend zur Technisierung und damit zur Rationalisierung ist unaufhaltbar.
Ich darf doch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es uns schlechterdings gerade auch wegen der ungeheuren Entwicklungsmöglichkeit in der gewerblichen Wirtschaft überhaupt nicht mehr möglich ist, Menschen auf dem Lande zu halten. Wenn wir jetzt aber, Herr Staatssekretär — was nicht schwer zu beweisen ist —, die Technisierung hinterher auch noch mit einer um etwa 30 bis 40% erhöhten Einkommensteuer bezahlen sollen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die durch die Technisierung entstehenden Schulden in der Landwirtschaft allein im Bundesgebiet jährlich um 500, 600 oder 700 Millionen DM zunehmen und jetzt schon die Grenze von 1939 überschritten haben. Das sind eben die Folgen einer falschen
Steuerpolitik, und ich bin der Meinung, daß wir hier wirtschaftliche Notwendigkeiten und steuerliche Vernunft einander anpassen müssen. Deshalb darf ich das Hohe Haus bitten, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205506300
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205506400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Angelegenheit eine so große Bedeutung hat, wie Herr Abgeordneter Struve eben dargelegt hat, dann muß ich mich doch sehr darüber wundern, daß sie in dem zuständigen Ausschuß überhaupt nicht in dieser Weise erörtert worden ist, sondern hier unversehens mit einem solchen Nachdruck in die zweite Lesung hereinkommt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Was die Sache selbst betrifft, so weiß ich nicht, ob nicht die Landwirtschaft bei dem Ausmaß ihres Steuerbeitrags einen relativ nur geringen Vorteil von dieser Sache haben würde. Der große Ausfall wird ja wohl bei der Industrie entstehen.
Im übrigen ist es nach den jetzigen Richtlinien schon so, daß bei beweglichen Gütern, die eine Lebensdauer von über zehn Jahren haben, in drei Jahren die Hälfte abgeschrieben werden kann. Ich glaube, daß das eine außerordentlich weitgehende Abschreibungsmöglichkeit ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205506500
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205506600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verwunderung des Herrn Staatssekretärs, daß diese Dinge nicht im Ausschuß beraten worden sind, teile ich vollständig. Seine Vorstellung ist aber nicht ganz richtig. Über den Grundsatz der degressiven Abschreibung, Herr Staatssekretär, ist vielmehr im Ausschuß mehrfach und durchaus zustimmend gesprochen worden. Wir haben uns im Ausschuß auch darüber unterhalten, ob es nötig oder zweckmäßig sei, den Grundsatz der degressiven Abschreibung, der jetzt schon in einem sehr großen Umfange verwirklicht ist, im Gesetz zu verankern. Wir waren, wenn ich mich recht entsinne, einstimmig der Meinung, daß das nicht nötig oder zweckmäßig sei.
Dabei spielte auch eine Rolle — entschuldigen Sie, Herr Präsident, wenn ich ein wenig auf die Berichterstattung zurückkomme —, daß zur Zeit ein Prozeß bei dem Bundesfinanzhof schwebt, in dem diese grundsätzliche Frage geklärt wird. Sollte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs anders als erwartet ausfallen — das ist bei Gerichtsentscheidungen natürlich durchaus möglich, um nicht zu sagen üblich —, dann stehen wir unter Umständen vor der Notwendigkeit, die Dinge gesetzlich zu verankern.
Daß die Sache aber jetzt mit der besonderen Frontstellung der Landwirtschaft hier vorgebracht wird, ist in der Tat eine Überraschung. Eine noch größere Überraschung war es für mich, meinen eigenen Namen unter diesem Änderungsantrag zu finden.

(Heiterkeit. — Hört! Hört! bei der SPD.)

— Ja, meine verehrten Damen und Herren, bei dem Tempo, das wir seit Mitternacht vorgelegt haben, kann so etwas einmal passieren.


(Dr. Wellhausen)

Ich möchte Ihnen also empfehlen, die Ausnahme nicht zuzugestehen, sondern der Entwicklung zuzuschauen und dann eventuell den Grundsatz der degressiven Abschreibung zu verwirklichen und im Gesetz zu verankern. Ich würde es an sich natürlich für besser halten, wenn das auf dem kalten Wege — um mich sehr deutlich auszudrücken —, über die Richtlinien usw. geschehen könnte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205506700
Ich hätte nicht gedacht, daß ich so schnell einen Anwendungsfall des von Ihnen vorhin gebilligten Grundsatzes, den ich hier vorgetragen habe, vorbringen müßte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205506800
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205506900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fühle mich verpflichtet, zu § 7 ebenfalls einige Rechtsausführungen zu machen. Es ist so, wie Herr Dr. Wellhausen erklärt hat, daß wir uns im Ausschuß sehr eingehend und sehr lange über den Inhalt und damit auch über unser Vorgehen in bezug auf den § 7 ausgesprochen haben. Nach unserer Auffassung beinhaltet die heutige Fassung des § 7 bereits die degressive Abschreibung.

(Zuruf von der Mitte: Warum wird sie dann nicht angewandt?)

— Augenblick! — Diesem Standpunkte hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen; denn sie hat, beginnend vor anderthalb bzw. zwei Jahren, in ihre Richtlinien die Bestimmung aufgenommen, daß die Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens, soweit sie eine normale Lebensdauer von 10 Jahren und länger haben, degressiv abgeschrieben werden können. So in den Einkommensteuer-Richtlinien für 1952, 1953 und 1954. Diese Verwaltungsanordnung kann rechtlich nur dann Gültigkeit haben, wenn schon das Gesetz selbst in der jetzigen Fassung die Möglichkeit der degressiven Abschreibung vorsieht. Käme der Bundesfinanzhof in seinem Urteil zu dem Ergebnis, daß § 7 in seiner jetzigen Fassung nur die lineare Abschreibung kennt, dann würde die Rechtsgrundlage für diese Verwaltungsrichtlinien wegfallen. Damit würde praktisch den Veranlagungen der letzten zwei, drei Jahre und der degressiven Abschreibung in der gewerblichen Wirtschaft der Rechtsboden entzogen werden, und wir müßten dann das Gesetz so machen, wie es jetzt in diesem Antrag verlangt wird, nämlich — und insoweit möchte ich die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs etwas berichtigen — sagen: nach Wahl des Steuerpflichtigen. Die Worte „nach Wahl des Steuerpflichtigen" beziehen sich natürlich nicht auf den Hundertsatz, sondern diese Worte können sich nur auf den Abschreibungsmodus beziehen, also darauf, ob lineare oder degressive Abschreibung. Wenn wir also bei der Rechtsauffassung bleiben, daß der § 7 heute schon die degressive Abschreibung beinhaltet — eine Auffassung, die im Finanz- und Steuerausschuß einheitlich vertreten wurde und die auch von mir seit Jahr und Tag vertreten wird —, dann erweitern wir eigentlich mit dem Antrag nichts, wir schaffen kein neues Recht, sondern deklarieren nur nochmals ein bereits bestehendes Recht. Würde der Bundesfinanzhof zu einem anderen Urteil kommen, dann müßten wir, wie gesagt, für die Zukunft einen entsprechenden Passus einfügen, allerdings vielleicht nicht so weitgehend, wie es dieser Antrag jetzt vorsieht.
Ich habe gestern in der Fraktion darauf hingewiesen, daß der Antrag mit Rücksicht auf diese generelle Ausdehnung natürlich eine sehr, sehr große Bedeutung hat. Ich habe jetzt mit Herrn Struve gesprochen, der den Antrag eingebracht und begründet hat. Er ist damit einverstanden, daß der Antrag dahingehend geändert wird, daß von der degressiven Abschreibung das unbewegliche Anlagevermögen ausgenommen wird.

(Zustimmung in der Mitte und beim GB/BHE.)

Nun möchte ich bitten, eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Wenn wir den Standpunkt vertreten, § 7 beinhaltet bereits die degressive Abschreibung — und die Richtlinien des Bundesfinanzministers haben diese degressive Abschreibung für Güter des beweglichen Anlagevermögens für 10 Jahre und länger bereits anerkannt —, dann, glaube ich, können wir es verantworten, den Antrag in der Form anzunehmen, daß wir für das unbewegliche Anlagevermögen die degressive Abschreibung ausnehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205507000
Herr Abgeordneter Neuburger, würden Sie den Antrag dann formulieren?!

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205507100
„Ausgenommen hiervon bleibt das unbewegliche Anlagevermögen".

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205507200
„Hiervon bleibt ausgenommen das unbewegliche Anlagevermögen".

(Abg. Neuburger: Ja!)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205507300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht erleichtert es die Beurteilung der Lage, wenn ich darauf hinweise, daß der Bundesfinanzhof die Zulässigkeit der degressiven Abschreibung auf Grund des § 7 bereits anerkannt hat. Aus diesem Grunde ist also eine Klarstellung nicht erforderlich. Ich würde doch empfehlen, diesen Antrag zurückzustellen und die demnächst ergehenden Richtlinien abzuwarten. In der nächsten Woche, Herr Abgeordneter Struve, soll eine Besprechung mit den Sachverständigen der Landwirtschaft und mit den Länderfinanzministern stattfinden, eine Besprechung, die wir nur wegen der Arbeiten an der Steuerreform verschieben mußten. Ich glaube, Sie werden mit dem, was in den Richtlinien stehen wird, zufrieden sein.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205507400
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205507500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um nicht in einem so frühen Zeitpunkt — wir stehen nämlich erst am Anfang und haben noch viel vor uns — bereits die Streitaxt auszugraben, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, Herr Präsident, daß wir — was nach der Geschäftsordnung, glaube ich, zulässig ist — diesen Antrag bis zu dritten Beratung an den Ausschuß zurückverweisen. Dann können wir uns am Donnerstag im Finanz- und Steuerausschuß mit etwas mehr Zeit, als uns heute nur zur Verfügung steht, nochmals über die Dinge unterhalten. Ich stelle diesen formellen Antrag.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205507600
Es ist wohl das beste, wir stimmen zunächst über diesen Antrag ab; bevor ich das Wort zur Sache weitergebe. Das Haus ist einverstanden mit dieser Reihenfolge der Abstimmung? — Das ist der Fall. Wer für die Zurückverweisung an den Ausschuß bis zur dritten Lesung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die übergroße Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 8 ist zur Weiterberatung an den Ausschuß zurückverwiesen.
Nunmehr Ziffer 10. Hierzu ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 222*) eingereicht. Herr Dr. Miessner, wollen Sie ihn begründen?

(Abg. Dr. Miessner: Ja!)

— Das Wort hat Abgeordneter Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0205507700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist jetzt in der Ausschußfassung vorgesehen, daß durch Rechtsverordnung ein Pauschbetrag für die Benutzung eines Kraftwagens, eines Motorrads oder eines Fahrrads mit Motor festzusetzen ist. Es ist zweifellos sehr erfreulich, daß damit hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung des Berufsweges zu der Arbeitsstätte der Gleichklang zwischen den unselbständigen mid den selbständigen Steuerpflichtigen hergestellt worden ist. Das war ja bei den Beratungen über die Steuerreform überhaupt ein wesentliches allgemeines Anliegen.
Leider ist nun der Ausschuß in der Anerkennung der Aufwendungen für den Weg zur Arbeitsstätte gewissermaßen auf halbem Wege stehengeblieben; denn im letzten Halbsatz zu § 9 Ziffer 4 heißt es auf Seite 25 der Drucksache 961:
Absetzungen für Abnutzung können außer Betracht bleiben.
Das ist natürlich bei der Berechnung der Unkosten, die hierfür anzusetzen sind, eine wesentliche Inkonsequenz. Daher haben sich eine Reihe von Abgeordneten entschlossen, diese Inkonsequenz zu beseitigen, und schlagen Ihnen vor, die Absetzung für Abnutzung auch bei den Lohnsteuerzahlern einzubeziehen und •dementsprechend folgende Fassung an die Stelle der genannten zu setzen:
Absetzungen für Abnutzung sind dabei zu berücksichtigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie diesen Antrag annehmen, der von Vertretern sämtlicher Parteien hier im Hause unterzeichnet ist, dann hätten wir die Genugtuung, daß in diesem Punkte wirklich Gerechtigkeit zwischen Lohnsteuerpflichtigen und Einkommensteuerzahlern hergestellt ist. Ich bitte daher um Annahme.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205507800
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205507900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag abzulehnen. Die Angelegenheit ist im Finanz- und Steuerausschuß ausführlich besprochen worden. Es handelt sich hier, wie Herr Abgeordneter Dr. Miessner schon erwähnt hat, hauptsächlich um die Unselbständigen. Aber diese Unselbständigen, die sich aus privatem
*) Siehe Anlage 12.
Einkommen ein Kraftfahrzeug kaufen, insbesondere also Motorräder und Motorroller, machen doch praktisch überhaupt keine Absetzungen für Abnutzung und sind gar nicht gewohnt, in diesem kaufmännischen Rahmen zu denken. Im übrigen sollen die Pauschsätze, die im Ausschuß schon erörtert worden sind, durch die Rechtsverordnung so gestaltet werden, daß eine zweimalige Fahrt am Tage, also morgens von der Wohnung zur Arbeitsstätte und nachmittags oder abends von der Arbeitsstätte zur Wohnung, dadurch abgegolten wird.
Der Wagen oder das Motorrad werden natürlich auch sonst benutzt, insbesondere abends, sonnabends und sonntags. Dafür können wir doch nicht noch aus Steuermitteln die Absetzung für Abnutzung geben. Es ist ein kleiner Schönheitsfehler, daß in dem Betrag, der durch den Pauschbetrag gedeckt werden soll, nämlich für die reine Fahrt zur Arbeitsstätte, eine Absetzung für Abnutzung nicht enthalten ist. Aber ich glaube, das ist ein unwesentlicher Betrag angesichts der Tatsache, daß diese Fahrzeuge wohl überwiegend für nichtberufliche Zwecke verwendet werden.
Im übrigen ist der Ausfall nicht so unbedeutend. Es fragt sich, ob man sich nicht, wenn schon über die Anträge des Finanzausschusses hinaus weitere Anträge in Richtung eines Steuerausfalls angenommen werden sollen, dann auf die wirklich großen streitigen Fragen konzentrieren sollte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205508000
Das Wort hat der Ab- geordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205508100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch namens meiner Fraktion bitten, den Antrag anzunehmen. Was mit diesem Antrag endlich erreicht werden soll, ist doch die Gleichstellung

(Sehr richtig! beim GB/BHE)

der unselbständigen Arbeitnehmer mit den Selbständigen in diesem Betracht.

(Sehr richtig!)

Es ist gar kein Zweifel, ,daß die selbständigen Gewerbetreibenden usw. ihre Absetzungen auch in diesem Zusammenhang, auch für die Fahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstätte, geltend machen. Es gibt gar keinen Grund, warum für die Arbeitnehmer etwas anderes gelten sollte. Wieweit sich das in der Höhe der festzusetzenden Pauschbeträge auswirkt, ist hier wirklich nicht die Frage; es geht hier um das einfache und klare Prinzip der Gleichberechtigung, der Gleichbehandlung.

(Zustimmung.)

Schon die bisherige Fassung sagte zwar Gott sei Dank schon, daß die Absetzung berücksichtigt werden könne. Nunmehr soll durch diesen begrüßenswerten Antrag klargestellt werden, daß sie berücksichtigt werden müsse. Es kann im Verhältnis zu der Handhabung bei den selbständigen Gewerbetreibenden gar nicht anders sein! Was das fiskalisch ausmacht, wie sich das in der Höhe der festzusetzenden Pauschbeträge auswirkt, das ist hier, wie gesagt, gar nicht die Frage.
Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205508200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.


Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0205508300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Ausschußfassung des § 9 Ziffer 4, nämlich die Anerkennung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Fahrten von Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte, auch unter Benutzung von Motorfahrzeugen, ist unseres Erachtens ein echter Fortschritt erzielt worden. Das ist eben von den Herren Kollegen Miessner und Seuffert betont worden, und wir schließen uns dem Antrag an. Wir sind der Meinung, daß die Neufassung der Vorschrift in größerem Maße jene Gleichstellung von Arbeitnehmern, d. h. Lohnsteuerpflichtigen, und veranlagten Steuerpflichtigen zu bewirken vermag, die begrüßenswert wäre und leider noch nicht in dem Umfang durchgeführt worden ist, in dem es notwendig wäre. Der § 9, die Bestimmung über die Werbungskosten, im Einkommensteuergesetz hat den Arbeitnehmer insofern ungünstiger gestellt, als bisher für ihn nur „notwendige" Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte abzugsfähig waren. Durch die Streichung des Wortes „notwendig" ist erreicht, daß nun nicht nur die Kosten für die S-Bahn oder Hochbahn oder Straßenbahn oder Eisenbahn abgezogen werden können, sondern auch die für die Benutzung eines eigenen Motorfahrzeugs.
Es liegt hier übrigens noch ein anderes Moment vor, nämlich ein gewisser Anreiz, eine Begünstigung auch der Produktion der betreffenden Industrien. Auch das ist begrüßenswert.
Herr Staatssekretär Hartmann hat bemerkt, daß Absetzungen für Abnutzung hier grundsätzlich nicht in Betracht kämen. Ich glaube ihn aber darauf hinweisen zu müssen: in der Bestimmung des § 9 Ziffer 6, die gerade für den Arbeitnehmer und nur für ihn gilt, ist ausdrücklich gesagt, daß Absetzungen für Abnutzung auch vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden können, wenn er nämlich Gegenstände für seinen Beruf benötigt, die der normalen Absetzung für Abnutzung unterliegen. Das ist nicht etwa nur bei einer Schreibmaschine oder ähnlichen Gegenständen der Fall, bei denen er sie jetzt schon bei seinen Anträgen an die Lohnsteuerstelle des Finanzamts geltend macht, sondern das gilt auch für Motorfahrzeuge.
Im übrigen handelt es sich, wie Herr Kollege Seuffert mit Recht bemerkt hat, lediglich um eine kleine Erhöhung des Pauschsatzes. Es geht jedoch nicht um eine unbedeutende, sondern um eine wirklich wesentliche und grundsätzliche Frage, weil wir hier in unserem Steuerrecht mit der Förderung des Prinzips der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit, d. h. der gleichmäßigen Heranziehung aller Steuerpflichtigen zur Steuer, einen Schritt weiterkommen.

(Beifall beim GB/BHE und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205508400
Keine weiteren Wortmeldungen.

(Zuruf des Abg. Dr. Miessner.)

— Herr Dr. Miessner, wollen Sie noch sprechen?
— Dann erteile ich Ihnen das Wort.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0205508500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Hartmann hat meine Ausführungen gewissermaßen dadurch unterstrichen, daß er selbst auch von einem „Schönheitsfehler" sprach. Es ist in der Tat nicht einzusehen, wieso die auf die Fahrt zur Arbeitsstätte entfallende Abschreibung auf die Fahrzeuge bei den Lohnsteuerpflichtigen nicht genau so eingerechnet wird wie bei den entsprechenden Abschreibungskosten für die Kraftwagen der übrigen Steuerpflichtigen. Zur Klarstellung und um nicht in den Verdacht zu kommen, daß ich hier etwa einer Begünstigung das Wort rede, möchte ich aber ausdrücklich betonen, daß es sich hier nur um die Gleichziehung handelt. Es ist nicht beabsichtigt und auch nicht etwa aus dem Text herauszulesen, daß damit die private Benutzung des Kraftwagens mit eingerechnet werden soll, sondern natürlich nur die Abschreibung, die auf den Teil der Benutzung entfällt, der eben für die Fahrt zur Arbeitsstätte anzusetzen ist. Das soll und muß dann allerdings in dem Pauschbetrag bei der Rechtsverordnung mit berücksichtigt werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, damit ist die Frage nun wirklich klargestellt, und wir können diesem Erfordernis der Gerechtigkeit sicherlich mit breiter Mehrheit zustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205508600
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 222 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die große Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nunmehr Ziffer 11. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 210*) Ziffer 1 vor. Es heißt: „In Nr. 11 wird im § 9 a der Abs. 2 gestrichen."
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205508700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Umdruck 210 enthält, wie Sie sehen, insgesamt sieben Ziffern mit entsprechenden Unterabteilungen. Wir beginnen hier zwar mit „In Nr. 11 wird im § 9 a der Abs. 2 gestrichen". Ich muß dazu aber folgendes sagen. Wir können das Problem der Haushaltsbesteuerung oder Getrenntbesteuerung oder Ehegattenbesteuerung, oder wie Sie es nennen wollen, das hier zur Debatte steht, nur einheitlich entscheiden. Wenn Sie den Antrag der SPD Umdruck 202 zur Hand nehmen, finden Sie auf der zweiten Seite ebenfalls mehrere Anträge, die sich mit dieser Materie befassen. Ich hatte vorhin eine kurze Besprechung mit Herrn Kollegen Seuffert. Materiellrechtlich gesehen unterscheiden sich die im Umdruck 202 aufgenommenen Bestimmungen nicht wesentlich von denen in dem Umdruck 210. Es wäre sehr zweckmäßig, zu einer einheitlichen Fassung zu kommen. Herr Kollege Seuffert hatte vorgeschlagen, daß wir uns für eine viertel oder halbe Stunde zusammensetzen, um uns über die Fassung zu einigen und die beiden Änderungsanträge auch materiellrechtlich zur Übereinstimmung zu bringen. Wenn das Hohe Haus damit einverstanden ist, würde ich vorschlagen, daß wir alle diese mit der Ehegattenbesteuerung zusammenhängenden Bestimmungen etwa eine halbe Stunde zurückstellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205508800
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205508900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir schon jetzt auf das Gebiet der Haushaltsbesteuerung zu sprechen kommen, so möchte ich folgendes bemerken. Wir müssen nachher in der Debatte erst feststellen, welche Anträge die breite Mehrheit finden. Zwar stimmen die Fraktionsanträge der Koalition, Herr Kollege Neuburger, und unsere Anträge sachlich überein; wir
*) Siehe Anlage 5.


(Seuffert)

müssen nur eine gemeinsame Form für sie finden. Es liegen aber auch gewisse Anträge vor — von Frau Dr. Ilk und anderen Kollegen —, die erst noch debattiert werden müssen, bevor wir sehen, wo die Entscheidung fällt.
Was den jetzt vorliegenden Antrag zu Ziffer 11 auf Umdruck 210 anlangt, so haben wir, Herr Kollege Neuburger, einen solchen Antrag nicht gestellt; denn es würde sowohl nach Ihren wie nach unseren Anträgen auch den Fall geben, daß auf Antrag eine Zusammenveranlagung stattfindet. Daher wird eine Bestimmung, wie sie in § 9 a Abs. 2 getroffen ist, auch künftighin notwendig sein, wenn unsere sachlich übereinstimmenden Anträge Annahme finden sollten. Nur würden einige Worte zu ändern sein; es würde nämlich die Voraussetzung, daß beide Ehegatten nichtselbständige Arbeit haben, fallen müssen. Auch das werden wir bei der Besprechung nachher berücksichtigen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205509000
Meine Damen und Herren, ich mache den Vorschlag, daß wir die weitere Behandlung von Ziffer 11 zurückstellen, daß die beiden Fraktionen miteinander verhandeln und man sich womöglich auf einen Text einigt. Ist das Haus damit einverstanden?

(Zustimmung.)

— Dann gehen wir weiter.
Ziffer 12 ist erledigt. Ziffer 13 entfällt. Statt dessen ist Ziffer 13 a eingefügt. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 202 Ziffer 4 vor. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0205509100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beantragen, die im Ausschuß hineingekommene Ziffer 13 a der Vorlage wieder zu streichen. Ich möchte den Kollegen Wellhausen daran erinnern, daß wir damit eigentlich einen Gedanken von ihm aufgreifen. Er hat vorhin mit sehr beredten Worten plädiert, daß man Schluß machen müsse mit bestimmten speziellen Vergünstigungen. Hier hat der Ausschuß eine sehr bestimmte spezielle Vergünstigung geschaffen. Ich bin der Meinung, der Kollege Wellhausen hat ganz recht: mit dieser Art von Sondervergünstigungen sollten wir aufhören. Ich bin dem Herrn Berichterstatter sehr dankbar für ein offenherziges Wort. In der Ausschußvorlage wird schamhaft von der „Begünstigung staatspolitischer Zwecke" gesprochen. Der Herr Berichterstatter hat das in sehr leicht verständliches Deutsch übersetzt und von der „Begünstigung politischer Parteien" gesprochen. Darauf kommt es ja wohl in Wahrheit bei dieser Vorschrift an.
Was hier in eine Vorlage zur Steuergesetzgebung hineingebracht worden ist, das rührt in Wirklichkeit — ich möchte auch hier ein Wort eines Freien Demokraten aufgreifen, nämlich des Abgeordneten Dr. Dehler — an den Stil unseres politischen Lebens.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind der Meinung, daß die politischen Parteien ihre Auffassungen in der Öffentlichkeit mit Argumenten und nicht mit der Überfülle materieller Hilfsmittel zu vertreten haben; das ist ihre Aufgabe.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Wir sind weiter der Meinung, daß es durchaus begreiflich ist, wenn auch politische Parteien für die
Durchführung ihrer Aufgaben Mittel benötigen. Der normale Weg, sie zu beschaffen, ist die Zahlung von Beiträgen durch ihre Mitglieder.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wer sich an der Meinungsbildung im politischen Leben beteiligt, wer sich mit einer politischen Partei verbunden fühlt, der bringt auch die notwendigen Opfer für diese seine Überzeugung.

(Beifall bei der SPD.)

Er soll aber nicht auf die Idee kommen, daß er diese Opfer durch einen Umweg über die Steuergesetze abwälzen kann auf andere, die eine andere politische Überzeugung haben als er selbst.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Es ist seit langem in Deutschland ein Problem geworden, ob man nicht die politischen Parteien angesichts der besonderen Bedeutung, die ihnen im politischen Leben und in unserer Verfassungswirklichkeit zukommt, durch eine Art Parteiengesetz dazu zwingen sollte — wie es das Grundgesetz auch vorgesehen hat —, ähnlich wie andere öffentliche Körperschaften öffentlich Rechenschaft über ihre Finanzgebarung abzulegen.

(Zurufe von der Mitte.)

Ich will Ihnen ganz offen sagen: ich bin dafür; und zwar bin ich deshalb dafür, weil gerade wir Sozialdemokraten als eine der ältesten Traditionen jene kennen, daß wir jedem unserer Parteitage schwarz auf weiß einen gedruckten Bericht über den gesamten Finanzaufwand der Partei — wo die Mittel herkommen und wofür sie verwendet werden — vorlegen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn dieser Grundsatz von allen Parteien akzeptiert würde, würde sich der Wählerschaft in Deutschland sehr leicht zeigen, welche mitunter sehr massiven Interessen sich hinter ganz bestimmten politischen Kräften in der Bundesrepublik in Wahrheit verschanzt haben.

(Beifall und Zurufe von der SPD.) Das kann nur dienlich sein.

Meine Damen und Herren, sprechen wir doch ganz offen miteinander! Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in einem Offenen Brief, der im Bulletin der Bundesregierung veröffentlicht worden ist, den Steuertarif der Regierungsvorlage noch einmal begründet. In diesem Brief hat er unter anderem mit Stolz darauf aufmerksam gemacht, daß z. B. ein Steuerpflichtiger mit einem Jahreseinkommen von 1 Million DM nach dem Tarif von 1951 im Vergleich zu heute — nach dem neuen Tarif — eine Steuerlast von etwa einer Viertelmillion DM mehr zu tragen gehabt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, überlegen wir uns, ob ein solcher Steuerpflichtiger nicht in eine gewisse Versuchung geraten sein kann, bei der Wahl im vergangenen Jahre einen Betrag von, sagen wir einmal, 50 000 DM für diejenigen politischen Kräfte zur Verfügung zu stellen, die dann auch bei der Steuergesetzgebung seinen Interessen besonders nackdrücklich zu dienen bereit sind.

(Sehr gut! bei ,der SPD.)

Wenn man für 50 000 Mark Zuwendung an eine bestimmte politische Partei nachher eine Steuer-


(Erler)

ersparnis von 250 000 Mark jährlich kassiert, dann ist das eine Verzinsung dieser Einlage von 500 %, — das zahlt Ihnen doch keine Bank, das ist eine außerordentlich rentable Kapitalanlage!

(Beifall bei der SPD.)

Wenn aber dieser Steuerpflichtige derartige Zuwendungen macht und wenn schon der Bevölkerung nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit
gezeigt wird, woher die Summen zur Bestreitung
der Propaganda so innerlich verwandter Parteien
fließen, dann soll doch der Mann mindestens den
Anstand haben, diese seine Zuwendungen an politische Parteien aus der eigenen Tasche und nicht
aus der Tasche anderer Steuerzahler zu machen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Ich habe in einer Zeitung, die der Sozialdemokratischen Partei bekanntlich nicht nahesteht, in der „Deutschen Zeitung und Wirtschafts-Zeitung", zu dem Thema der Parteifinanzierung einen Artikel gelesen, dessen Überschrift uns alle miteinander nachdenklich stimmen sollte. Das Volk draußen im Lande ist sehr feinfühlig in diesen Dingen. Es wünscht, daß auch und gerade die Demokratie beweist, daß es in ihr mit der politischen Meinungsbildung und Meinungsbeeinflussung sauber, anständig und offen zugehe.
Daher bitte ich Sie, durch die Zustimmung zu
unserem Antrag jeden Anschein zu vermeiden, als befänden wir uns auf einem Wege, der in Wahrheit die Korrumpierung in das politische Leben der Bundesrepublik hineinbringen muß; davor möchte ich dringend warnen. Daher bitte ich Sie: Schaffen Sie diesen Verdacht aus der Welt, stimmen Sie unserem Antrage zu!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205509200
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — • Das ist nicht der Fall.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das Schweigen im Walde!)

Dann stimmen wir ab.

(Abg. Seuffert: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205509300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205509400
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0205509500
Meine Herren von der Opposition, Sie wollen doch nicht „religiöser und wissenschaftlicher" hier herauslassen,

(Zuruf von der SPD: Nein, nur „staatspolitischer"!)

sondern nur „staatspolitischer"? — Dann ist aber die Formulierung Ihres Antrages nicht korrekt, Herr Erler!

(Abg. Erler: Die waren doch bisher schon drin!) Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.


Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205509600
Der Antrag bedeutet, daß die Ziffer 13 a des Ausschußantrages, in welcher eine
Änderung des bisherigen Gesetzestextes vorgeschlagen wird, gestrichen wird, daß es also bei dem bisherigen Gesetzestext bleibt. Ich glaube, das ist klar.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205509700
Der Text würde, falls der Antrag angenommen werden sollte, also lauten: „religiöser und wissenschaftlicher Zwecke".

(Abg. Seuffert: Und mildtätiger und gemeinnütziger Zwecke!)

— Und mildtätiger und gemeinnütziger Zwecke.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht; wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag wird von der ganzen Fraktion der SPD unterstützt, also ist die nötige Anzahl der Unterschriften gegeben. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, die Karten einzusammeln.

(Einsammeln der Stimmkarten.)

Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied dieses Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Karte noch nicht abgegeben? — Dann bitte ich, das zu tun.
Meine Damen und Herren, die Stimmabgabe ist beendet. Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.

(Auszählen der Stimmkarten.)

Ich schlage vor, daß wir fortfahren, solange ausgezählt wird.
Ich rufe auf Ziffer 14. — Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Der Stehkonvent eignet sich schlecht für eine parlamentarische Debatte. Ich bitte, private und sachkundige Unterhaltungen doch in den Vorraum zu verlegen!
Ziffer 14! Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205509800
Für den Antrag, den Herr Kollege Neuburger zu Ziffer 14 gestellt hat, gilt dasselbe wie für den Antrag zu Ziffer 11. Er sollte mit ihm zusammen zurückgestellt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205509900
Das Haus ist einverstanden, daß Ziffer 14 zur Gesamtbehandlung mit Ziffer 11 zurückgestellt wird? —

(Zustimmung.)

Ziffer 15! Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 5 vor. Wer begründet ihn? — Das Wort hat der Abgeordnete Königswarter. Es wird nachher ein Antrag Umdruck 217 gestellt werden; ich kann nicht beide zusammen begründen lassen.

Dr. Wilhelm Königswarter (SPD):
Rede ID: ID0205510000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 5 zu Ziffer 15 der Drucksache 481 will es bei der bisherigen Regelung belassen, die es den buchführenden Betrieben gestattet, über drei Jahre hinweg ihre Verluste mit den Gewinnen zu kompensieren, während die Ausschußvorlage diese Frist auf fünf Jahre ausdehnen will. Der Gedanke, diese Verlustabzugsmöglichkeit auf einen größeren Zeitraum auszudehnen, ist wohl geboren aus Erwägungen, wie man Gebieten helfen könnte, die infolge politischer Umstände in der Konjunktur zurückblieben und zurückbleiben mußten. Ich denke da an Berlin oder an Teile der Zonenrandgebiete. Wir wären gerne bereit, einer Erstreckung für solche Zwecke zuzustimmen. Wir möchten Sie aber bitten, es als allgemeine Regelung bei dem bisherigen Zustand zu belassen. Denn die Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik rechtfertigt


(Dr. Königswarter)

diese Erstreckung nicht, besonders nicht bei Steueränderungen, die unter dem Motto der Beseitigung von Sondervergünstigungen zugunsten einer Tarifermäßigung vorgeschlagen worden sind. Schon die bisherige Erstreckung auf drei Jahre ist ja eine Art Sondervergünstigung, die nur ganz beschränkten Teilen der Bevölkerung zugute kommt, nämlich den buchführenden Gewerbebetrieben. Den Lohn-und Gehaltsempfängern steht ein Äquivalent auf diesem Gebiet nicht zur Verfügung. Sie mag aber, das wollen wir nicht verkennen, im Risiko der Unternehmen begründet sein und soll deshalb nicht beanstandet werden. Aber ein Gewerbebetrieb, der über fünf Jahre hinaus — und das dehnt sich ja in seiner Wirkung dann noch weiter aus in der Kompensation — nicht wirtschaftlich geführt werden kann, ist in einer Volkswirtschaft, besonders wenn sie sich die freie Marktwirtschaft aufs Panier geschrieben hat, nicht als gesund zu betrachten und daher auch nicht mehr förderungswürdig. Wir glauben, sozial dringendere Anträge zu haben, die dann ihre Deckung aus dem finden mögen, was hier gespart wird.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag stattzugeben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205510100
Wird das Wort gewünscht? — Abgeordneter Eckhardt hat das Wort.

Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0205510200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, es bei dem Vorschlag der Regierungsvorlage zu belassen, die einen Verlustabzug über fünf Jahre anerkennen will. Wenn hier ausgeführt wird, daß ein Betrieb, der fünf Jahre Verlust gehabt habe, Betriebs- oder volkswirtschaftlich nicht tauglich sei, so gilt das doch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Es ist sehr häufig der Fall, daß ein Betrieb — das gilt gerade für die Jahre nach 1945 — zu seinem Aufbau eine sehr lange Spanne Zeit braucht. Außerdem haben die Betriebe gewisse Abschreibungsvergünstigungen bekommen, die buchmäßig zu Verlusten geführt haben, während tatsächlich keine Verluste eingetreten sind. Diese Abschreibungsvergünstigungen müssen sich aber auswirken können, denn sie sind ja aus volkswirtschaftlichen Gründen und nicht etwa des einzelnen Steuerpflichtigen wegen festgesetzt worden.
Ich bin im übrigen der Meinung, daß die finanzielle Auswirkung der Erstreckung von drei auf fünf Jahre nicht so bedeutend ist, daß wir nun hier wiederum eine Änderung der Vorlage vornehmen sollten.
Ich bitte Sie deshalb, der Vorlage und damit auch dem Beschluß des Ausschusses zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205510300
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag? — Dann stimmen wir ab. Damit kein Mißverständnis entsteht: es handelt sich um Umdruck 202 Ziffer 5. Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag auf Umdruck 217*) vor. Das Wort hat der Abgeordnete Gibbert.

Paul Gibbert (CDU):
Rede ID: ID0205510400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen mit diesem Antrag auf Umdruck 217 nicht eine besondere Vergünstigung herbeiführen, sondern eine steuerliche Unge-
*) Siehe Anlage 8.
rechtigkeit beseitigen. Im deutschen Weinbau sind etwa 95 °/o der Winzerbetriebe sogenannte nichtbuchführungspflichtige Betriebe. Diese werden
aber nicht wie die nichtbuchführenden Landwirte nach Durchschnitts- oder nach Richtsätzen einkommensbesteuert, sondern auf Grund eines beschränkten Vermögensvergleiches nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Das Einkommen wird so errechnet, daß die Wirtschaftsaufwendungen den Wirtschaftsleistungen gegenübergestellt werden. Es werden also gegenübergestellt Weinbestand am Anfang des Steuerjahres plus Betriebsunkosten und Weinbestand am Ende des Steuerjahres plus Verkaufserlöse. So wird das Einkommen von den Finanzämtern rechnerisch genau ermittelt, und zwar, wie gesagt, nach einem Ermittlungsverfahren, das praktisch dem Verfahren bei buchführenden Betrieben entspricht. Es fehlt nur der Inventarvergleich, der aber, da das Inventar kaum schwankt, steuerlich uninteressant ist und der infolgedessen von den Steuerbehörden in den Unkostensätzen untergebracht ist.
Jeder, der die Verhältnisse im Weinbau auch nur oberflächlich kennt, weiß nun, daß die Schwankungen der Einkünfte hier ganz besonders groß sind. Die Größe dieser Schwankungen geht aus der amtlichen Weinerntestatistik hervor, die aussagt, daß z. B. im Moselweinbaugebiet in den letzten 50 Jahren die Mengenerträge zwischen 5 und 98 Hektoliter je Hektar geschwankt haben. Daß die Güte der Weinernten wegen der jährlich wechselnden Witterungsverhältnisse verschieden ist, dürfte auch allgemein bekannt sein. Trotz aller Fortschritte in der Technik des Weinbaus ist der Winzer nicht in der Lage, diese Schwankungen zu verhindern; denn gegen Naturereignisse wie Frost und Hagel und schlechtes Blütewetter ist nun einfach nichts zu machen. Infolgedessen schwanken auch die Winzerweinpreise außerordentlich, ohne daß sie von der Weinbauseite her wesentlich beeinflußt werden können. Ich kann Ihnen aus meinem eigenen Be- trieb nachweisen, daß die Preise seit 1909 bis heute um rund tausend Prozent geschwankt haben.
Diese sehr stark schwankenden Einkommen werden jährlich steuerlich individuell genau erfaßt, in ertragreichen Jahren mit hohen Weinpreisen mit den dann nachgewiesenen Gewinnen. In schlechten Ertrags- und Weinpreisjahren treten aber Verluste ein, die nach dem jetzigen Wortlaut des § 10 d nicht als Verluste auf spätere Gewinne aufgerechnet werden können, die nur dazu führen, daß in solchen Jahren die Einkommensteuer einfach entfällt. Das ist aber eine Durchbrechung des Grundsatzes der steuerlichen Gerechtigkeit und eine Schlechterstellung des nichtbuchführenden Winzers dem wirtschaftlich stärkeren, größeren, buchführenden gegenüber. Der Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit und gleichmäßigen Besteuerung erfordert, daß Betriebe, deren Gewinne faktisch nach denselben Grundsätzen errechnet werden, auch steuerlich gleichmäßig behandelt werden. Deshalb muß den nichtbuchführenden Winzern derselbe Verlustabzug gewährt werden, dessen prinzipielle Notwendigkeit und Bedeutung in § 10 d absolut anerkannt ist.
Wenn jemand der Auffassung sein sollte, daß die Winzer zur ordentlichen Buchführung übergehen könnten, so ist hierzu einmal zu sagen, daß man von der großen Masse der Winzer, die Tag für Tag körperlich schwer arbeiten müssen, eine ordnungsmäßige Führung von Büchern nicht verlangen kann,


(Gibbert)

weiter aber auch, daß dieses jetzt bestehende Verfahren der Gewinnermittlung faktisch dasselbe ist wie bei dem buchführenden Winzer. Der Unterschied besteht darin, daß nicht der Winzer selber, sondern das Finanzamt den jährlichen Verlust oder Gewinn aus Weinbau rechnerisch feststellt.
Es gibt auch andere Gründe, die unser Verlangen rechtfertigen, insbesondere die wirtschaftliche Situation des Weinbaus, auf die ich nicht weiter eingehen will. Jedenfalls müssen wir schon mit Rücksicht auf die kommende Entwicklung Investitionen machen. Diese können aber nicht gemacht werden, wenn in guten Jahren die Erträge weggesteuert und in Verlustjahren die Verluste nicht berücksichtigt werden. Seit Jahren erstrebt der deutsche Weinbau die Besteuerung des Einkommens nach einem mehrjährigen Durchschnittseinkommen. Das ist gesetzestechnisch nicht möglich. Die Lösung aber, wie sie dieser Antrag vorsieht, ist möglich. Ich bitte Sie daher, ihm zuzustimmen, insbesondere auch unter Berücksichtigung dessen, daß durch diesen Antrag Steuerausfälle in etatgefährdender Weise absolut nicht vorkommen können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205510500
Weitere Wortmeldundungen? — Herr Staatssekretär Hartmann hat das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205510600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den sachlichen Inhalt dieses Antrags in diesem Augenblick nicht eingehen; er kommt ja auch jetzt ganz neu. Es würde sicher die Behandlung erleichtert haben, wenn die Herren Antragsteller während der langandauernden Beratung im Finanz- und Steuerausschuß dort diese Darlegungen gemacht hätten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Jedenfalls kann man den Antrag in dieser Form aus technischen Gründen nicht annehmen. Ich möchte mir daher die Anregung erlauben, ob man hier nicht ähnlich verfahren kann wie vorhin in einem anderen Falle. Wenn doch am Donnerstag eine weitere Sitzung des Steuerausschusses in Aussicht genommen worden ist, könnte diese Frage dort auch mit erörtert werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205510700
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205510800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Antrag stellen, jetzt nicht abzustimmen, sondern diesen Antrag an den Finanz- und Steuerausschuß zu verweisen. Im Gegensatz zu dem Problem des
§7, das wir vorhin erörtert haben und das wirklich im Finanz- und Steuerausschuß in aller Breite besprochen worden ist, haben wir zu dieser Materie, Herr Gibbert, im Ausschuß noch keine Stellung genommen. Sie sind ja auch damit einverstanden, daß wir diesen Antrag zunächst, ehe wir darüber abstimmen, in den Finanz- und Steuerausschuß verweisen und erst in der dritten Lesung endgültig darüber entscheiden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205510900
Ich halte diesen Vorschlag für sehr zweckmäßig. Das Haus ist damit einverstanden, und auch die Antragsteller sind damit einverstanden.

(Zustimmung.)

— Dann wird die Behandlung ausgesetzt. Ziffer 15 wird dem Ausschuß bis zur dritten Lesung zurückverwiesen.

(Abg. Seuffert: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205511000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf doch zur Geschäftsordnung feststellen, daß dieses Verfahren, das wir jetzt zum zweiten Male anwenden, bedeutet, daß die Anträge in der zweiten Lesung zurückgezogen werden und es vorbehalten bleibt, sie in der dritten wieder zu stellen. Das heißt also, daß wir die zweite Lesung ungeachtet dieses Verfahrens und ungeachtet der Ausschußberatung, die wir inzwischen verabredet haben, abschließen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205511100
Es ist immer so verfahren worden. Ein Antrag, wie er eben gestellt wurde, bedeutet die Zurückziehung für die zweite Lesung, aber die Übergabe an den Ausschuß zur Behandlung.
Meine Damen und Herren, ich kann das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. An der Abstimmung haben sich 392 Abgeordnete, die stimmberechtigt sind, und 15 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 180 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 193, enthalten haben sich 19. Von den Berliner Abgeordneten haben 13 mit Ja gestimmt, mit Nein 2. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich lasse nunmehr über die Ziffer 13 a abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffer 13 a ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Gegenprobe!
— Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Bei Ziffer 16 sind keine Anträge gestellt. Nach Ziffer 16 a soll hinter § 17 ein § 17 a eingefügt werden. Zu 17 a liegen keine Anträge vor.

(Unruhe.)

— Zu § 17 a liegt nach der Ausschußvorlage kein Antrag vor. Dagegen liegen Anträge vor zu Ziffer 17.

(Abg. Seuffert: Auf Einfügung eines § 17 a!)

— Ja, es ist aber doch schon ein 17 a im Ausschußbericht!

(Abg. Neuburger: Nein, ein Paragraph, ein § 17 a!)

— Entschuldigen Sie, es ist sehr schwer, sich durch diese Vorlage durchzufinden, wenn sich Paragraphen und Ziffern auf derselben Seite kreuzen. Ich bitte um Nachsicht mit dem Präsidenten. Also dann Ziffer 16!
Wir stimmen ab über die Ziffern 16 und 16 a. Wer mit diesen beiden Bestimmungen einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Nun Ziffer 17! Hier liegen Änderungsanträge vor, zunächst Umdruck 202 Ziffer 6. Wer begründet?

(Abg. Seuffert: Über Ziffer 17 kann abgestimmt werden!)

*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2732.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

— Jetzt ist Ziffer 17 dran. Ich habe den Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 6 aufgerufen. — Das ist nach Ziffer 17.

(Abg. Seuffert: Eben! Über Ziffer 17 kann vorher abgestimmt werden!)

Wer für Ziffer 17 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Nun sind zwei Änderungsanträge angekündigt, zwischen die Ziffern 17 und 18 eine Ziffer 17 a einzuschieben, einer auf Umdruck 202 Ziffer 6 und einer auf Umdruck 221. Zunächst Antrag Umdruck 202 Ziffer 6.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.

Karl Regling (SPD):
Rede ID: ID0205511200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine Richtigstellung vornehmen. In der zweiten Zeile der Ziffer 6 unseres Änderungsantrages heißt es § 19 Abs. 1, es muß aber Abs. 2 heißen.
Hiernach sollen zu den nicht lohnsteuerpflichtigen Einkommen, unter Ziffer 3 also, gehören „Trinkgelder, die dem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, ohne daß ein Rechtsanspruch hierauf besteht".
Meine Damen und Herren, es dürfte vielleicht nicht allgemein bekannt sein, daß Trinkgelder, die jeder einzelne von uns, sei es dem Friseurgehilfen oder auch dem Kellner oder irgendeinem, der uns vielleicht die Kohlen ins Haus bringt und uns dabei gut bedient hat, freiwillig gibt, von diesen Leuten am Wochenende ihrem Arbeitgeber in ihrer gesamten Höhe angegeben werden müssen, damit dieser sie versteuern kann; nicht nur kann, er m u ß sie versteuern. Mit diesem Antrag sind nicht die tariflich zugesicherten Trinkgelder gemeint, die z. B. dem Kellner usw. zustehen. Wir wollen hier auch nicht untersuchen oder gar darüber rechten, ob nun Woche für Woche genau der Gesamtbetrag der Trinkgelder angegeben wird, oder wer den Betrag überhaupt angibt, der ihm freiwilligerweise für seine gute Bedienung gegeben worden ist. Der Arbeitgeber hat aber bei der Errechnung der Sozialleistungen auch diese Beträge zugrunde zu legen, sie ebenfalls mit zu veranlagen und seinerseits die 10%, die von ihm sonst nur für den normalen Lohn getragen werden müssen, draufzulegen. Es werden also nicht nur der Gehilfe, sondern auch der Betriebsinhaber durch die Großzügigkeit der Kunden und Gäste, die diese den Angestellten gegenüber beweisen, veranlaßt, dem Finanzamt und dem Sozialversicherungsträger Angaben zu machen. Der Arbeitgeber soll auch die Kontrolle ausüben, die er aber in keinem Falle hat.
Neuerdings ist weiter bekanntgeworden, daß einige Oberfinanzdirektionen dazu übergegangen sind, diese dem Arbeitgeber von seinem Gehilfen angegebenen Trinkgelder noch mit zu dem Gesamtumsatz des Betriebes zu rechnen und somit noch Umsatzsteuer darauf zu erheben. Das ist noch nicht allgemein so im Bundesgebiet, aber mir ist bekanntgeworden, daß es einzelne Oberfinanzdirektionen gibt, die mit diesem Ansinnen an die Arbeitgeber herangetreten sind.
Eine ähnliche Vorlage ist in dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bereits besprochen worden. Sie wurde dort allerdings abgelehnt, mit der Zusage seitens des Bundesfinanzministeriums, Anweisungen an die Landesfinanzminister und Finanzdirektionen herauszugeben, bei der Handhabung
und Erfassung dieser Trinkgelder loyal zu ver- I fahren und nach Möglichkeit gewisse Pauschalsätze festzusetzen, damit ein Gehilfe und auch der Meister nicht verpflichtet sind, Woche für Woche genau nach Heller und Pfennig abzurechnen.
Dieser Antrag ist vor einigen Monaten im Ausschuß behandelt worden. In der Praxis der letzten Wochen hat sich nun gezeigt, daß die Oberfinanzdirektionen an die Arbeitgeber mit Vorschlägen für die Pauschalierung herangetreten sind. Diese Pauschalierungsvorschläge bewegen sich aber in Sätzen zwischen 5 und 20 %. Das übertrifft bei weitem, jedenfalls in den meisten Fällen, das, was bisher von den Gehilfen freiwillig angegeben worden ist. Das kann also nicht die Basis sein. Wir sollten auf diesem Gebiet endlich Ordnung schaffen und nicht dazu beitragen, daß Tausende von Gehilfen Woche für Woche in die unangenehme Lage kommen, ihrem Arbeitgeber das empfangene Trinkgeld auf Heller und Pfennig melden zu müssen, damit dieser wiederum die Steuer davon berechnen muß. Der Gesamtbetrag, der hierbei für den Fiskus in Fortfall kommt, ist nicht nennenswert. Daher sollten wir bei der jetzigen Steuerreform wenigstens diese Ungerechtigkeit, die seit Jahren besteht und die Woche für Woche zu immer neuen Unannehmlichkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt, aus der Welt schaffen. Ich bitte deshalb, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205511300
Ich bitte, gleichzeitig den Antrag auf Umdruck 221*) zu begründen. — Das Wort hat der Abgeordnete Schild.

Dr. Heinrich Schild (CDU):
Rede ID: ID0205511400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben mich beauftragt, dem Hohen Hause die Frage der Trinkgeldbesteuerung noch einmal zur Entscheidung zu unterbreiten, nachdem ein diesbezüglicher Antrag meiner Fraktion, der bereits Ende des vorigen Jahres dem Finanz-und Steuerausschuß überwiesen worden war, dort nur mit einer sehr geringen Mehrheit abgelehnt worden ist.
Ich möchte mich den Ausführungen des Herrn Vorredners anschließen und betonen, daß in den meisten mittelständischen Betrieben, in denen den Trinkgeldern nachgegangen werden muß, auf die Dauer ein ungünstiges Klima geschaffen wird, wenn die Trinkgelderfassung immer wieder so erfolgt, wie es in den letzten drei bis vier Jahren geschehen ist. Es entspricht nicht dem erwünschten harmonischen sozialen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. im Handwerksbetrieb zwischen Meister und Gesellen, hinter diesen Trinkgeldern immer wieder herlaufen zu müssen, um am Wochenende oder am Monatsende feststellen zu können: Was hat du bekommen, was hast du nicht bekommen? Damit ist doch unwahren Angaben Tür und Tor geöffnet, unwahren Angaben, die man im Interesse der Steuerehrlichkeit und der Steuerwahrhaftigkeit vermeiden sollte. Da es sich hier um Bagatellbeträge im Verhältnis zu den Gesamtsteuereinnahmen handelt, bittet meine Fraktion darum, ihrem Antrag zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205511500
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
*) Siehe Anlage 11.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205511600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Besteuerung der sogenannten freiwilligen Trinkgelder handelt es sich nicht etwa um eine Erfindung der, wie man so sagt, Finanzbürokratie, sondern um eine feststehende Rechtsprechung nicht nur des Bundesfinanzhofes, sondern schon des Reichsfinanzhofes, und zwar schon seit Jahrzehnten. Diese Rechtsprechung beruht darauf, daß es in dem jetzigen Text des § 19 Abs. 1 letzter Satz heißt:
Es ist gleichgültig,
— bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit —
ob . . . . ein Rechtsanspruch auf sie besteht.
Also die Frage, ob ein Rechtsanspruch besteht, ist nicht erheblich für die Frage der Steuerpflicht der Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit. Es wird einfach so gesehen, daß, wenn in dem betreffenden Gewerbezweig Trinkgelder mit einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen, diese Trinkgelder faktisch zu den Einnahmen des Betreffenden gehören.
Nun sind hier soziale Gesichtspunkte geltend gemacht worden, und ich gebe zu, daß sie berücksichtigt werden müssen. Wenn aber die beiden Anträge oder einer von ihnen angenommen wird, besteht die Gefahr, daß hier eine Befreiung von Einkünften eintritt, die weit über das sozial Notwendige hinausgeht. Es gibt Fälle, in denen erhebliche Trinkgeldeinnahmen gegeben werden. Denken Sie an Weinrestaurants mit Abendessen größeren Umfangs, denken Sie an Trinkgelder, die an die Schiffsstewards gegeben werden. Das sind sehr
hohe Beträge, deren Freilassung im Vergleich zu manchen sozial schwachen Bevölkerungskreisen nicht berechtigt wäre.
Wir haben im Verwaltungswege mit den Finanzministerien der Länder inzwischen vereinbart, daß freiwillige Trinkgelder künftig nur besteuert werden sollen, wenn sie einen noch zu bestimmenden Freibetrag — etwa 600 DM jährlich — übersteigen. Außerdem sollen Angaben über die Höhe der freiwilligen Trinkgelder künftig nur in lohnenden Fällen verlangt werden. Nach Verabschiedung der Steuerreform werden wir die Verhandlungen mit den Länderfinanzministerien abschließen. Ich glaube, daß durch die hier genannte Grenze die Gehilfen im Friseurgewerbe, die Kellner in einfachen Gaststätten usw. überhaupt nicht mehr in die Besteuerung hineinkommen, Daß aber Kellner in Luxusgaststätten oder Schiffsstewards mit sehr hohen Trinkgeldern diese Beträge nicht versteuern, kann doch wohl offenbar nicht gemeint sein.
Ich glaube also, daß hier ohne eine rechtliche Festlegung den berechtigten sozialen Wünschen im Verwaltungswege Rechnung getragen werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205511700
Das Wort hat der Abgeordnete Günther.

Bernhard Günther (CDU):
Rede ID: ID0205511800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn auch die Regelung, die jetzt vom Bundesfinanzministerium durchgeführt worden ist, den Härten einigermaßen Rechnung trägt, bitte ich doch, den Anträgen, die soeben von den beiden Kollegen begründet worden sind, Ihre Zustimmung zu geben.
Bis jetzt wurden vor allem junge Leute weitgehend zur Unehrlichkeit erzogen, indem sie mehr angegeben haben oder weniger angegeben haben, je nachdem, ob es sich zu ihrem Vorteil oder Nachteil auswirkte.

(Zurufe: Mehr angegeben?)

— Wenn jemand glaubte, daß er längere Zeit krank feiern müsse oder daß er arbeitslos würde, hat er vielfach höhere Summen angegeben, um auch höhere Sätze in der Versicherung zu bekommen. Zum andern mußte der Arbeitgeber seinen Anteil ebenfalls zu dem höheren Satz zahlen. Das hat in den Betrieben immer wieder Unruhe hervorgerufen und große Unzufriedenheit mit sich gebracht. Deshalb möchte ich Sie bitten, den soeben von den beiden Abgeordneten gestellten Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205511900
Herr Abgeordneter Wellhausen!

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205512000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß Sie mit genau so großer Verwunderung wie ich eben den Worten des Herrn Günther entnommen haben, daß die Steuermoral in Deutschland in rasendem Aufstieg ist und daß es schon Leute gibt, die mehr zur Besteuerung angeben, als sie tatsächlich bekommen haben!

(Heiterkeit. — Abg. Seuffert: Wenn sie Vorteile davon haben, natürlich!)

Das sind insbesondere für den Herrn Bundesfinanzminister außerordentlich rosige Zukunftsaussichten und natürlich auch für die Steuerzahler. Aber dazu möchte ich nicht sprechen.
Ich möchte Sie bitten, die beiden Anträge abzulehnen. Ich .darf das, wie folgt, begründen. Wenn. das Bundesfinanzministerium — noch dazu mit der Zustimmung der Länderfinanzminister, die bei Gott nicht leicht zu erreichen ist — eine verständige Regelung getroffen hat, dann sollen wir es nun in Gottes Namen mit der Bewegung der Gesetzgebungsmaschine auch nicht übertreiben. Das würden wir tun, wenn wir diesen Anträgen zustimmten. Ich brauche gar nicht die Beispiele anzuführen, die mein Freund Strauß aus Bayern hier eben so hübsch gesagt hat und die Sie vielleicht ahnen können; denn ich möchte den guten Ton hier beibehalten.

(Heiterkeit.)

Aber, meine Damen und Herren, tun wir uns in bezug auf die Gesetzgebungsmaschine nicht „verhutzen", wie man in Bayern sagt!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205512100
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205512200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrn Staatssekretär Hartmann möchte ich zunächst entgegenhalten, daß die Rechtsprechung, auf die er Bezug genommen hat, sich nur auf den bisherigen Gesetzesinhalt stützt, den wir ändern wollen. Es ist für uns genau dasselbe, ein Gesetz oder eine Rechtsprechung, die ihre Grundlage in einem Gesetz hat, zu ändern, und man sollte uns, glaube ich, nicht zumuten, daß wir derartige Zusammenhänge hier nicht klar sehen.
Daß die Sache keine finanzielle Bedeutung hat, ist offenkundig. Daß sie eine außerordentliche Verärgerung und sehr große Unzuträglichkeiten bei den von dieser kleinlichen Besteuerung betroffenen Kreisen hervorruft, ist auch klar. Man sollte doch


(Seuffert)

die Herren Länder-Steuerreferenten der Notwendigkeit entheben, für diese Bagatellfälle, bei denen es sich insgesamt noch nicht einmal um eine halbe Million DM jährlich handelt, lange Richtlinien und sonstige Verordnungen zu erfinden. Dabei kann ich mir außerdem die Bemerkung nicht verkneifen, daß gewisse in höheren Kreisen sehr üblich werdende Zuwendungen zu Familienfesten, Geburtsgen und ähnlichem, die auch in sehr deutlichem Zusammenhang mit gewissen Arbeitsverhältnissen stehen, von der Steuer bisher weniger beachtet worden sind.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Nun muß ich noch sagen, daß es sich bei unserem Antrag und dem Antrag Umdruck 221 wieder um den Fall handelt, daß wir in der Sache mit der Fraktion der Deutschen Partei einig sind, nur eine andere Fassung gewählt haben. Nach Rücksprache mit dem Bundesfinanzministerium schlage ich vor, daß wir es bei unserer Fassung belassen, Herr Kolege Schild, und daß Sie Ihren Antrag unserem Antrag angleichen. Das ist kein Eigensinn. Wir werden Ihnen gern den Vorrang der Fixigkeit lassen; lassen Sie uns dann den Beitrag der Richtigkeit in der Sache. Dabei muß ich noch einmal darauf hinweisen, daß ein Schreibfehler unterlaufen ist. Die neue Ziffer soll in § 19 Abs. 2, nicht in Abs. 1 eingefügt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205512300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um zwei Anträge, die, wenn ch Sie recht verstehe, das gleiche bedeuten. Ich lasse aber über beide abstimmen.

(Abg. Seuffert: Herr Kollege Schild hat zugestimmt, daß wir über unsere Fassung abstimmen!)

— Herr Kollege Schild, Sie ziehen Ihren Antrag zurück?

(Abg. Dr. Schild: Ja!)

Sie sind damit einverstanden, daß nur über den
Antrag Umdruck 202 Ziffer 6 abgestimmt wird.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 18. — Ziffer 19. Zu beiden liegen keine Änderungsanträge vor. Wer für Ziffer 18 und 19 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Ilk.)

— Ziffer 19 a ist bis nach der Mittagspause zurückgestellt, damit wir vor der Mittagspause noch ein Stück vorwärtskommen. Denn die Haushaltsbesteuerung erledigen wir bestimmt nicht in 25 Minuten. Wir stellen also Ziffer 19 a zurück.
Ziffer 20! — Kein Antrag. Ziffer 21! — Kein Antrag. Wer diesen beiden Ziffern zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 22. Hierzu liegt ein Änderungsantrag in Umdruck 202 Ziffer 8 vor. Wer begründet ihn? — Herr Abgeordneter Seuffert, begründen Sie ihn? Oder soll man das mit zur Haushaltsbesteuerung nehmen? Es handelt sich ja um eine Besteuerung der Ehefrau.

(Abg. Neuburger: Ja, das ist Haushaltsbesteuerung!)

— Stellen wir auch das zurück und nehmen wir es auf den Nachmittag.
Die Ziffern 22 a und 22 b gehören ebenfalls zur Haushaltsbesteuerung. Aber nun, von 23 an, haben wir wieder offenes Meer vor uns.

(Abg. Neuburger: 22 a gehört an sich nicht dazu!)

— Aber es ist hier von Ehegatten die Rede. Nehmen wir es zusammen.
Jetzt Ziffer 23. Dazu ist kein Änderungsantrag gestellt. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 24. Hier ist ein Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 9 gestellt.

(Abg. Frau Beyer [Frankfurt]: Das ist zu 24 a! — Abg. Seuffert: Das ist nicht zu 24!)

— Entschuldigung; das ist nach Ziffer 24. Ich glaube, durch das Labyrinth des Minos war leichter durchzufinden als durch diese Vorlage.

(Heiterkeit.)

Also: Ziffer 24 ohne Antrag. Dann stimmen wir über Ziffer 24 ab. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nun soll zwischen Ziffer 24 und Ziffer 25 eine Ziffer 24 a eingeschoben werden. Dieser Antrag ist auf Umdruck 202 Ziffer 9 gestellt. Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0205512400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unser Antrag sieht vor, den Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit einen Freibetrag in Höhe von 5 %dieser Einkünfte, mindestens jedoch 240 DM, höchstens 600 DM jährlich, La bewilligen. Die Diskussion in der Öffentlichkeit um die Höhe der Werbungskosten ist auch heute noch nicht verstummt. Der einmal festgesetzte Betrag von 26 DM monatlich entspricht in keiner Weise mehr den heutigen Tarifen und vor allen Dingen den heutigen Kosten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seiner Stellungnahme vom 12. Juni dieses Jahres erklärt, daß man eine Annäherung an die Betriebsausgaben finden müsse. In ,der Begründung wird gesagt, daß die Unterscheidung zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben der steuerlichen Gleichbehandlung von Lohnsteuer- und Einkommensteuerzahlern widerspreche. Wenn man nur bedenkt, welche Fülle von Sonderanträgen im Laufe eines Jahres und vor allem am Schluß eines Jahres gestellt werden, weiß man, welche Verwaltungsarbeit mit diesen Sonderanträgen verbunden ist. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, welche Verärgerung vor allen Dingen bei den einzelnen Bevölkerungskreisen über die unterschiedliche Behandlung auch bei den einzelnen Finanzämtern auftritt.
Um aber die Kluft, die zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben vorhanden ist, deutlich sichtbar zu machen, möchte ich darauf hinweisen, daß z. B. das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften in einer Sonderbeilage — ich glaube, es ist die Nr. 6 — dazu sehr eingehend Stellung genommen hat. Wesentlich ist, zu wissen, daß
man über Betriebsausgaben z. B. private Reisen


(Frau Beyer [Frankfurt])

verbuchen kann, ja daß — und das ist nachgewiesen — sogar der private Wohnungsbau mitfinanziert wird, wenn Fabrikgebäude und dergleichen errichtet werden. Man braucht gar nicht darüber zu streiten, daß sogar Privatbesitz, d. h. privates Vermögen über Betriebsausgaben finanziert wird. Wir sollten auch nicht vergessen, daß z. B. die Finanzierung von Instituten, der Kauf von Zeitungen und Zeitschriften über Betriebsausgaben abgebucht werden kann. Der Arbeitnehmer dagegen, ganz gleich, in welcher Stellung er sich befindet, muß diese Ausgaben aus seinem eigenen Einkommen bezahlen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß z. B. auch die Nähmaschine der Hausfrau zur Sicherheit der Familie wesentlich beiträgt, ' aber die Hausfrau bzw. ihr Ehegatte keine Möglichkeit hat, sie irgendwo abzuschreiben.
Vergessen dürfen wir auch nicht, daß der Lohn-und Gehaltsempfänger der einzige ist, der unmittelbar, d. h. sofort bei Lohn- bzw. Gehaltsempfang, seine Steuer zahlt. Die Einkommensteuerpflichtigen dagegen zahlen sie vierteljährlich im letzten Monat eines Kalendervierteljahres. Bei steigendem Einkommen werden die Nachzahlungen sogar meist erst im nächsten Jahr fällig, oftmals sogar erst, wenn eine Betriebsprüfung durchgeführt worden ist. Von den Steuerrückständen wissen wir, daß sie im wesentlichen aus der Einkommensteuer resultieren. Man kann praktisch eine solche verspätete Zahlung einem staatlichen Kredit gleichsetzen.
Deshalb müssen wir uns im Parlament darüber klarwerden, daß hier eine Angleichung gefunden werden muß. Wir sind der Meinung, daß dasselbe auf die in selbständiger Arbeit Befindlichen zutrifft. Hier beruht der Gewinn letztlich oder fast ausschließlich nur auf der persönlichen Arbeitsleistung. Betriebskapital wie auch Betriebsvermögen sind kaum vorhanden.
Unter „Betriebsausgaben" werden also Absetzungen getätigt, die in keiner Weise vergleichbar sind mit den Werbungskosten, die die Arbeitnehmer absetzen können. Nach Berechnungen der letzten Jahre sind auf Betriebsausgaben Steuerausfälle von jährlich mehr als 20 vom Hundert zurückzuführen. Ich glaube — und hier spreche ich im Auftrag meiner Fraktion —, daß sich unser Antrag im Rahmen des Möglichen hält, vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, daß die Ausfallberechnungen des Bundesfinanzministeriums und der Institute, aber auch die Berechnungen des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums sehr stark differieren und uns ein großer Betrag noch für solche Fälle zur Verfügung steht. So glauben wir, daß es nur ein Akt der Gerechtigkeit ist, den Lohnsteuerpflichtigen einen Sonderfreibetrag wenigstens in der von uns beantragten Höhe zuzuerkennen. Wir bitten daher um Annahme dieses Antrags.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205512500
Das Wort hat Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205512600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausfall, der bei Annahme dieses Antrags entstehen würde, ist auf mindestens 600 Millionen DM zu bemessen. Ich verkenne keineswegs die Gesichtspunkte, die die antragstellende Dame hier dargelegt hat. Aber es käme dabei doch heraus, daß hier eine Art von Sondertarif für Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit geschaffen wird. Wenn darauf Bezug genommen wird, daß andere Steuerpflichtige, insbesondere die Gewerbetreibenden, die Vorteile der Steuervergünstigungen hätten, so ist dazu zu sagen, daß diese Steuervergünstigungen ja ab 1. Januar weitgehend, eigentlich sogar vollständig wegfallen sollen und daß nur ein ganz kleiner Rest davon übrigbleibt.
Was die sozialen Gesichtspunkte betrifft, so darf man doch wohl sagen, daß auch viele, die nicht zu den eben genannten Gruppen gehören, z. B. kleine und mittlere Handwerker, kleine und mittlere Einzelhändler, ebenso einen Anspruch auf steuerliche Schonung haben. Daher glaube ich, daß der Antrag, den der Herr Abgeordnete Neuburger im Finanzausschuß gestellt hat, den richtigeren Weg gegangen ist, nämlich bis zur Grenze von 35 000 oder 40 000 DM eine weitere allgemeine Tarifsenkung über die Regierungsvorlage hinaus zu gewähren, die bekanntlich an die 500 Millionen DM kostet. Was also an dem Antrag berechtigt ist, ist durch den Antrag Neuburger, der vom Ausschuß zum Beschluß erhoben worden ist, schon verwirklicht, und zwar über den Kreis hinaus, der hier gemeint ist.
Aus diesem Grunde darf ich bitten, dem Antrag nicht zuzustimmen. Ein Steuerausfall in der von mir genannten Höhe würde ja in dem Gesamtrahmen überhaupt nicht mehr unterzubringen sein.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Staatssekretär, Sie haben eben den Tarif Neuburger ganz allgemein gutgeheißen!)

— Ich bin mir dessen bewußt, Herr Dr. Dresbach. Ich darf mir vorbehalten, auf diese Dinge noch etwas ausführlicher zurückzukommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205512700
Herr Abgeordneter Neuburger, Sie haben das Wort!

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0205512800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Begründung, die Herr Staatssekretär Hartmann für die Ablehnung gegeben hat, kann ich mir weitere Ausführungen ersparen. Ich betone nochmals, daß der von mir seinerzeit gestellte Antrag, den Einkommensteuertarif in den unteren Einkommensgruppen und auslaufend bei 36 000 DM zusätzlich zu senken, im wesentlichen durch diesen Antrag veranlaßt war. Wir konnten aber nicht eine neue zusätzliche Steuervergünstigung für gewisse Gruppen geben. Deshalb haben wir uns gesagt: wenn schon, dann müssen diese Steuervergünstigungen alle in den Tarif einmünden. Deshalb die Tarifsenkung über diesen Betrag von rund 500 Millionen DM. Zweimal kann man unmöglich geben! Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205512900
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205513000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst handelt es sich bei diesem Antrag nicht um eine Frage der Tarifsenkung und des Steuerausfalls. Die Frage, die hier angesprochen ist, steht immer neben dem Tarif, wie hoch oder wie niedrig er auch sein möge. Herr Staatssekretär Hartmann hat davon gesprochen, das würde einen Sondertarif für die hier Betroffenen mit dem Arbeitseinkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit bedeuten. Ich halte ihm entgegen, daß wir ja auch ein Sondersteuersystem,


(Seuffert)

insbesondere für die Arbeitnehmer mit nicht selbständiger Arbeit haben,

(Sehr gut! bei der SPD)

ein Abzugssteuersystem, das wir sonst nicht haben, und daß wir andere Begriffe haben — es ist in der Begründung des Antrags vorgebracht worden —: Werbungskosten und nicht Betriebsausgaben, daß wir eine ganz andere Art der Zahlung und Erfassung der Steuer haben und daß wir vor allen Dingen alle die Möglichkeiten der Alterssicherung, der Versorgung, die anderen Leuten gegeben sind, nicht haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben gegen unsere Stimmen den Verlustvortrag der Gewerbetreibenden auf fünf Jahre ausgedehnt, d. h. für fünf Jahre nehmen Sie dem selbständigen Gewerbetreibenden das Risiko ab, daß er vielleicht auch einmal von Schulden oder aus seinem Vermögen leben muß. Ich frage Sie: wer gibt denn dem selbständig und dem unselbständig Arbeitenden etwas von Steuer wegen dafür, daß er vielleicht auch einmal jahrelang von seinen Ersparnissen oder von Schulden leben muß?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Der Sonderfreibetrag für Arbeitseinkommen ist im angelsächsischen Steuersystem selbstverständlich und steht neben dem Tarif.
Was nun die Ausführungen über Steuerausfälle anlangt, die hier gemacht worden sind, so muß ich dazu sagen: gut, der Steuerausfall mag ungefähr in der Höhe bestehen — daß das Geld kostet, wissen wir —, aber darüber, daß die Steuer etwas mehr gesenkt werden könnte, als von der Regierung vorgeschlagen worden ist, war man sich doch nicht nur auf allen Seiten dieses Hauses, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit immer einig.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die niedrigste Gegenschätzung gegenüber der des Bundesfinanzministeriums lautet ungefähr auf eine Milliarde, die mehr verfügbar ist. Das ist ungefähr die niedrigste Gegenschätzung, die da ist. Wenn aber nun Geld vorhanden ist, so fragt es sich doch eben: für wen hat man dieses Geld übrig? Die zusätzliche Steuersenkung durch den Ausschußtarif, den Neuburger-Tarif, kann man ja zumindest deswegen nicht voll rechnen, Herr Kollege Neuburger, weil das Minus ja durch zusätzliche Steuererhöhungen oder Verschlechterungen gegenüber der Regierungsvorlage kompensiert worden ist. Die Milliarde, die als Mindestmehraufkommen geschätzt worden ist, ist bestimmt noch nicht aufgebraucht. Und wie wir aus Ihren Anträgen ersehen, sind Sie gern bereit, 120 Millionen DM für die gespaltene Körperschaftsteuer oder 30 und einige Millionen DM für die Senkung der Erbschaftsteuer und ähnliche Dinge auszugeben. Warum sollten Sie nicht einen solchen Betrag endlich einmal für die Erfüllung dieser primitivsten Forderung der steuerlichen Gerechtigkeit ausgeben, nämlich der Forderung, diejenigen, die einem Sondersteuersystem unterliegen und die nicht so viele Möglichkeiten haben wie die gewerbliche Wirtschaft, neben dem Tarif mit einem solchen Freibetrag einigermaßen gleichzustellen. Allein zwei Drittel und mehr der Summe, die hier beansprucht wird, werden in der Steuersenkung den paar Einkommen über 50 000 DM zugeschanzt. Dadurch werden vielleicht 3 oder 4 % des Einkommens oder 1/100 % der Steuerpflichtigen betroffen. Warum sollten Sie nicht dieselbe Summe für diejenigen arbeitenden Steuerpflichtigen übrighaben, in denen der Kern unserer Wirtschaftskraft steckt, die nicht nur 90, sondern viel mehr Prozent des Einkommens der Wirtschaft und der Bevölkerung tragen? Ich glaube, da wäre es besser angewandt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205513100
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205513200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe wie der Kollege Neuburger den Worten des Herrn Staatssekretärs nur wenig hinzuzufügen. Ich möchte aber doch bitten, lieber Herr Kollege Seuffert, hier nicht solche Vergleiche zu ziehen, daß Sie diesen Antrag, der zugestandenermaßen etwa 600 Millionen DM kosten wird, in Beziehung setzen zu unserer vorhin beschlossenen Regelung über den Verlustvortrag. Das sind absolut inkommensurable Größen.

(Abg. Seuffert: Das unterliegt der • Beurteilung!)

Ich würde Sie bitten, die nicht so sachverständigen Mitglieder dieses Hauses nicht an der Nase herumzuführen. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck, aber S i e haben es ja getan, nicht ich, indem Sie solche Vergleiche gezogen haben.
Nachdem ich diesen Vergleich zurückgewiesen habe, möchte ich sagen, daß meine Freunde, die den Antrag der Sozialdemokratie ablehnen werden, davon ausgehen, daß das Rückgrat jeder Steuergesetzgebung der Tarif ist. Dem haben wir auch Rechnung getragen, indem wir seinerzeit im Finanz- und Steuerausschuß dem von Herrn Neuburger beantragten Tarif zugestimmt haben. Jetzt kann man vielleicht lateinisch sagen: res venit ad triarios. Jetzt geht's aufs Ganze! Es handelt sich darum: Wollen wir den Tarif so sehr wie möglich verändern — wobei ich persönlich, wie Sie wissen, der Meinung bin, es ist noch mehr möglich als vorgesehen —, oder wollen wir uns in immerhin wichtigen Randgebieten tummeln? Das letzte halte ich nicht für richtig.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205513300
Das paßt nicht in ,die Systematik. Es sieht zwar für manche Leute philosophisch oder bürokratisch aus, wenn man sich an solche Gesichtspunkte hält. Ich habe aber doch die Erfahrung: wenn man in der Steuer nicht einer gewissen Systematik huldigt, kommt man ins Gestrüpp, und ins Gestrüpp möchten meine Freunde und ich nicht kommen. Deswegen fordere ich Sie auf, sich auf den Tarif zu konzentrieren und die Anträge hinsichtlich der Freibeträge unter der sicheren Voraussetzung abzulehnen, daß in der zweiten und dritten Lesung auch sonst keine Anträge zum Tarif gestellt werden. Ich möchte bitten, doch bei diesem Gesichtspunkt zu bleiben.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205513400
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.

Rudolf Eickhoff (DP):
Rede ID: ID0205513500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der letzten Monate, während der Verhandlungen im Finanzausschuß sind uns gerade aus der mittelständischen Wirtschaft und aus mittelständischen Kreisen sehr viele Anträge und Sonderwünsche zugegangen, die sicherlich berechtigt waren. Vor einigen Wochen haben wir uns im Ausschuß im Einverständnis mit den mittelständi-


(Eickhoff)

sehen Abgeordneten auf die zusätzliche Tarifsenkung geeinigt, die immerhin wieder 550 Millionen DM kostet. Dafür sollten wir, glaube ich, andere Wünsche zurückstellen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir mit dieser Steuerreform nicht alles erreichen können. Wenn wir nun Schritt um Schritt_ etwas weiterkommen, dann sollten wir die anderen Wünsche für die kommende Steuerreform zurückstellen. Sie wissen, wie oft schon von einer laufenden Steuerreform gesprochen worden ist. Meine Fraktion wird den Antrag der SPD ablehnen, eben weil wir, Gott sei Dank, erreicht haben, daß der Hauptwunsch Wirklichkeit wird. Die Tarife werden in den Einkommensgruppen bis zu 36 000 DM nochmals um 550 Millionen gesenkt, und das kommt insbesondere dem gesamten Mittelstand zugute.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205513600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0205513700
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich halte es für notwendig, doch noch einmal darauf hinzuweisen, daß der vom Ausschuß gemachte Vorschlag der Tarifsenkung im wesentlichen auf die Absicht zurückzuführen ist, vor allen Dingen die mittleren Einkommensträger an der Tarifsenkung stärker partizipieren zu lassen. Wir haben den Antrag gestellt, zusätzlich einen Freibetrag für Selbständige und Unselbständige einzuführen, weil ein sehr großer Unterschied zwischen Werbungskosten und den Betriebsausgaben der Einkommensteuerpflichtigen besteht. Ich habe vorhin gesagt: das Steueraufkommen vermindert sich bei den Einkommensteuerpflichtigen in Anbetracht der Abschreibungen über Betriebsausgaben um 20 v. H. jährlich. — Der Betrag, der hier in Frage kommt, macht für den Lohnsteuerpflichtigen im Durchschnitt etwa 20 DM monatlich aus. Das ist, glaube ich, in keiner Weise den großen Beträgen gleichzusetzen, die über Betriebsausgaben abgebucht werden. Wir glauben, daß die Mehrheit dieses Hauses diesem an sich berechtigten Vorschlag zustimmen kann. Das ist nicht vergleichbar mit dem Tarif. Ich habe ja darauf hingewiesen, daß gerade die hohen Einkommensgruppen an der Tarifsenkung gemäß der Regierungsvorlage viel stärker beteiligt sind als die unteren Einkommensgruppen. Wir bitten daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205513800
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0205513900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche nur für mich allein. Die Erklärung für meine Fraktion hat soeben Herr Dr. Wellhausen abgegeben. Ich wollte nicht unerwähnt lassen, daß im großen und ganzen die Kollegen, die nach der Sprecherin der SPD das Wort ergriffen haben, die Dinge nicht ganz richtig gesehen haben. Die Tarifsenkung, die wir im Ausschuß beschlossen haben, bringt zwar steuerliche Erleichterungen; damit ist aber das Problem nicht bereinigt. Wir stehen nun einmal vor der Tatsache, daß bei den freien Berufen und bei den Lohnsteuerpflichtigen die steuerliche Last schwerer wiegt als bei den übrigen, eben weil sie eine Reihe von Milderungsmöglichkeiten — Abschreibungen, Betriebsausgaben und dergleichen — nicht oder nicht in gleichem Maße haben.
Ich darf aus einem immerhin unverdächtigen Buch, „Diskussionsbeiträge zur Großen Steuerreform", einige Sätze verlesen, wenn Sie gestatten, Herr Präsident. Ich lasse bewußt alle schärferen Formulierungen fort, die darin enthalten sind. Dort heißt es auf Seite 61:
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind die Arbeitnehmer trotz der materiellen Übereinstimmung des Lohnsteuertarifs mit dem Einkommensteuertarif und trotz der Möglichkeit der Erstattung von Lohnsteuer steuerlich stärker belastet als die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen mit dem gleichen Einkommen . . . Durch die elastische Gestaltung der Gewinnermittlungsvorschriften, besonders der Vorschriften über die Bewertung, die Absetzungen für Abnutzung und die Betriebsausgaben, gibt 'das Einkommensteuerrecht diesen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, das Einkommen und dadurch die Einkommensteuer weitgehend zu beeinflussen ... Demgegenüber werden die Lohnsteuereinkünfte durch den Steuerabzug an der Quelle schon bei der Vereinnahmung voll erfaßt und der Besteuerung nach den für sie geltenden wesentlich engeren Vorschriften unterworfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch alle Beratungen der Großen Steuerreform zog sich wie ein roter Faden der Unwille eines großen Teils des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen darüber, daß diese Dinge im deutschen Steuerrecht nicht endlich bereinigt werden. Ich darf darauf verweisen, daß eine Reihe von ausländischen Steuersystemen einen bestimmten Freibetrag für die Einkommen der Freiberuflichen und der Unselbständigen, also der Lohnsteuerzahler, haben, um eben hier den gerechten Ausgleich zu schaffen. Um mehr geht es gar nicht! Ich darf auch daran erinnern, daß wir im Steuerrecht jedenfalls der britischen Zone in den ersten Jahren nach 1945 für freie Berufe und für die Lohnsteuerpflichtigen einen vor Anwendung der Steuertabelle zu berücksichtigenden Jahresfreibetrag von 1000 DM hatten. Der Antrag der SPD bezweckt im Grunde weiter nichts, als diese Regelung, wie sie bei uns bereits gegolten hatte und auch in manchen anderen ausländischen Rechten gilt, bei uns einzuführen.
Ich werde aus diesen sachlichen Erwägungen dem Antrag der SPD — ich selber hatte ihn im Ausschuß ebenfalls gestellt — zustimmen. Ich darf bemerken: für den Fall, daß der Antrag abgelehnt werden sollte und damit für diese Steuerreform sozusagen verlorenginge, würde ich das Hohe Haus sehr bitten, in die Entschließung, die für die dritte Lesung noch vorbereitet wird, auf jeden Fall auch diesen Punkt einzubeziehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514000
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0205514100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Miessner hat auf die sogenannten Diskussionsbeiträge Bezug genommen. Diese Diskussionsbeiträge stellen den Bericht des sogenannten Troeger-Ausschusses dar, des von den Finanzministerien der Länder für die Vorbereitung der Steuerreform eingesetzten Ausschusses, dessen Vorsitz kein Geringerer als Herr Finanzminister Dr. Troeger hatte. Aber ich glaube, diese Bezugnahme führt zu etwas ganz anderem, als


(Staatssekretär Hartmann)

was Herr Dr. Miessner sagen wollte: der Bundesrat hat diese Vorschläge seines eigenen Ausschusses, des Ausschusses der Länderfinanzminister, in seiner Stellungnahme zur Regierungsvorlage nicht übernommen, hat also den Argumenten nicht das Gewicht beigemessen, das Herr Dr. Miessner ihnen beigelegt hat.
Nun möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Es gibt viele Dinge, die wünschbar sind. Man kann sie jedoch nur im Rahmen des Möglichen verwirklichen. Der Herr Berichterstatter zu diesem Gesetz hat heute morgen schon dargelegt, daß der Ausschuß das Minderaufkommen aus der Steuerreform von 2,4 Milliarden DM um über 700 Millionen DM erweitert hat. Im Ausschuß sind in einigen Punkten früher gefaßte Beschlüsse rückgängig gemacht worden. Davon ist aber ein Teil — das ist ja kein Geheimnis und wird sich aus der späteren Beratung ergeben — schon wieder in Frage gestellt. Nach den Beschlüssen des Hohen Hauses zur Finanzreform von heute morgen würde der Bund 30 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, die Länder aber 70 %. Das bedeutet, daß die Länder mehr als das Doppelte des Ausfalls zu tragen haben würden, der auf den Bund entfällt.
Es müßte doch wohl das gemeinsame Bestreben sein, daß der Bundesrat in seiner Sitzung vom 3. Dezember wegen der Steuerreform nicht den Vermittlungsausschuß anruft; wegen der Finanzreform wird er ihn ja leider voraussichtlich anrufen. Würde der Bundesrat wegen der Steuerreform den Vermittlungsausschuß anrufen, dann könnte er bestenfalls, wenn im Vermittlungsausschuß eine Einigung zustande kommt, am 17. Dezember darüber beraten. Dann würde vielleicht am Tage vor Weihnachten dieser komplizierte Gesetzestext im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Dadurch würden gerade für die Lohnsteuerpflichtigen bei der Auszahlung des Januargehalts, das üblicherweise ein paar Tage vor Weihnachten gezahlt wird, die Steuersenkungen überhaupt nicht mehr zur Anwendung kommen. Ich möchte doch bitten, eine möglichst reibungslose Verabschiedung gerade der Einkommensteuervorlage im Bundesrat auch dadurch zu ermöglichen, daß von weiteren Anträgen in diesem außerordentlichen Umfange, um den es sich hier handelt, abgesehen wird. Es ist sonst nicht abzusehen, wie allein schon durch die Stellungnahme des Bundesrates eine rechtzeitige Verabschiedung vor Weihnachten, ein Inkrafttreten zum 1. Januar 1955 überhaupt noch möglich sein soll.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514200
Das Wort hat der Abgeordnete Eckhardt.

Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0205514300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das wir hier diskutieren, scheint mir so bedeutsam, daß ich mir doch einige ergänzende Hinweise erlauben möchte. Es ist unzweifelhaft so, daß der Arbeitnehmer im deutschen Steuerrecht durch den Steuerabzug vom Arbeitslohn wesentlich schärfer erfaßt wird als der veranlagte Steuerpflichtige. Das ist jedem klar. Auch wir halten das für bedauerlich.
Auf der anderen Seite sollte hervorgehoben werden, daß die freien Berufe und manche andere Steuerpflichtige auch nicht immer unter sehr leichten Bedingungen Steuern zahlen müssen. Es handelt sich hier darum, in welchem Maße vielleicht Gewerbetreibende, Angehörige freier Berufe und dergleichen auch schlechtergestellt sein können als
der Lohnsteuerpflichtige. Einmal ist das Maß der Abschreibungen — das ist hier richtig hervorgehoben worden — wenigstens in einem gewissen Umfange in das Belieben des Unternehmers gestellt. Es ist aber durchaus nicht so, als ob das immer ein Vorteil für den Unternehmer wäre. Die Entscheidung des Unternehmers kann sich auch in erheblichem Maße zu seinem Nachteil auswirken. Das ist in früherer Zeit auch geschehen. Als man beispielsweise 1934 dem Unternehmer ermöglichte, kurzlebige Wirtschaftsgüter sofort abzuschreiben, haben sehr viele Gewerbetreibende davon Gebrauch gemacht, obwohl sich später zeigte — und dem Einsichtigen war das klar —, daß die Steuersätze erhöht wurden, als nichts mehr abzuschreiben war. Dadurch hat der Unternehmer damals zweifellos eine viel höhere Last getragen.
Es gibt aber noch andere Umstände, die hier ebenfalls um des Prinzips der Gerechtigkeit willen erwähnt werden müssen. Die Unternehmer unterliegen alle insofern auch einer schärferen Erfassung als der Lohnsteuerpflichtige, als sie grundsätzlich Betriebsprüfungen und Nachschauungen unterworfen sind, manchmal auch Steuerfahndungen, die durchaus nicht immer berechtigt sein müssen. Diese Betriebsprüfungen, Nachschauungen und Steuerfahndungen greifen oft so sehr nicht nur in die wirtschaftlichen, sondern auch in die persönlichen Verhältnisse des Unternehmers ein, daß man hier auch schon von einer besonderen Härte des steuerlichen Verfahrens sprechen muß, einer Härte, wie sie fast nur im deutschen Steuerverfahren und nicht im Ausland gegeben ist.

(Abg. Neuburger: Sehr richtig!)

Nur eben um der Gleichmäßigkeit willen möchte ich darauf hinweisen, daß man nicht ohne weiteres von einer absoluten Schlechterstellung des einen und des anderen reden kann.
Ich habe trotzdem sehr viel Verständnis für den Antrag, der hier gestellt worden ist. Aber leider ist das Steuerrecht ein zwiespältiges Gebilde, weil es nicht nur unter dem Gedanken des Rechts steht, sondern auch unter dem Gedanken des finanziellen Haushaltsausgleichs, also des Staatsbedarfs. Ich selbst bin der Meinung, daß man in der Steuerpolitik und im Steuerrecht zwar die Grundsätze der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit den fiskalischen Erwägungen überordnen sollte; aber das wird leider nur in einem längeren Zeitraum möglich sein, d. h. wir sind noch nicht so weit.
Die vorliegende Reform ist — wir werden uns in diesem Hause darüber einig sein — weder organisch noch groß, noch handelt es sich um eine historische Tat, wie damals im März gesagt wurde. Es ist nichts weiter als eine erneute Kleine Steuerreform. Dieser Kleinen Steuerreform werden andere folgen müssen, und wir müssen, wenn uns heute fiskalische Beweggründe mehr bestimmen, als uns im Herzen lieb ist, in den nächsten Monaten und Jahren daran gehen, eine weitere Neugestaltung in ,dem Sinne vorzubereiten, in dem der Vorsitzende des Finanzausschusses öfters davon gesprochen hat, nämlich .daß wir im Zeichen einer laufenden Steuerreform stehen.

(Beifall beim GB/BHE und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514400
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.


Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205514500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Eckhardt habe ich eigentlich nur noch einen einzigen Satz hinzuzufügen: Ich achte die abweichende Meinung meines Fraktionsfreundes Miessner. Das soll ja bei der FDP öfter vorkommen.

(Heiterkeit.)

— Ich meine nicht die abweichende, — (Erneute lebhafte Heiterkeit.)

— Nein, nein, meine Herren, Sie haben mich ganz falsch verstanden. Ich meine, die Achtung der abweichenden Meinung eines Fraktionsmitgliedes soll bei der FDP öfter vorkommen, und daran könnten sich vielleicht gewisse Leute in diesem Hause und auch der Abgeordnete Struve ein Beispiel nehmen!

(Zuruf des Abg. Struve.)

Aber mein abweichender Kollege Miessner hat ein sehr richtiges Wort gesprochen, und seien Sie mir nicht böse, wenn ich das aus seinen abweichenden Ausführungen besonders hervorhebe. Er hat nämlich gesagt: Die Tarifermäßigung ist eine Erleichterung für alle. — Was ist denn unsere Aufgabe als Volksvertreter? Ist unsere Aufgabe, diesem oder jenem Sondergewerbe Rechnung zu tragen? Nein, unsere Aufgabe besteht darin, Erleichterungen für alle zu schaffen. Das bitte ich Sie zu tun.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514600
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0205514700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur damit falsche Dinge nicht unwidersprochen im Raume stehenbleiben: Dem Herrn Kollegen Dr. Wellhausen darf ich zu seinen früheren Ausführungen immerhin noch einmal sagen, daß ich natürlich die Frage dieses Arbeitsfreibetrags mit der Frage des Verlustvortrags nicht zahlenmäßig verglichen habe. Ich habe vielmehr die zusätzliche Regelung des Verlustvortrags als ein Beispiel für die vielen Fälle angeführt, in denen eine Schlechterstellung des Arbeitenden gegenüber dem Gewerbetreibenden vorliegt.
Zu Ihren letzten Ausführungen, Herr Dr. Wellhausen: Wir sollten uns nach den guten Grundsätzen der Freien Demokratischen Partei eine solche Debatte angewöhnen, daß Sie sich, wenn ich darüber Ausführungen mache, daß das in der Tat ein Problem ist, das immer n e b en dem Tarif liegen muß, doch wohl nicht den Beifall des Hauses damit verdienen können, daß Sie sagen: Der Tarif ist für alle!

(Beifall bei der SPD.)

Das liegt immer neben dem Tarif und das muß immer neben dem Tarif liegen. Darauf sind Sie allerdings nicht eingegangen.
Die Dinge, die Herr Staatssekretär Hartmann hier gesagt hat, möchte ich nicht zu widerlegen versuchen. Ich glaube, daß es genügt, der Beachtung der Öffentlichkeit zu empfehlen, daß er diesem Problem gegenüber ausgerechnet darauf hinweist, daß die Länder an dieser Steuer interesssiert sind. Wir wissen sehr wohl, daß das Bundesfinanzministerium sein Steuersystem hauptsächlich nach dem Gesichtspunkt einteilt: Was geht in meine Kasse und was geht in andere Kassen? Aber

(' man hier ernsthaft ausgehen kann. Die Gefahr, daß der Bundesrat einem Beschluß des Bundestages in diesem Falle widerspricht, besteht nicht, Herr Staatssekretär Hartmann. Das wissen Sie, glaube ich, sehr wohl. Ihr Hinweis darauf, es bestehe die Gefahr, daß die Arbeitnehmer nicht schon mit dem Januar-Gehalt, sondern erst mit dem Februar-Gehalt in den Genuß dieser Dinge kämen, und die Tatsache, daß Sie damit die Beratung aufhalten wollen, können nur der Beachtung der Öffentlichkeit empfohlen werden, Herr Staatssekretär Hartmann. Das einzige, was ich gewissermaßen als Trost für die Ablehnung, die Sie unserem Antrag zuteil werden lassen, den Ausführungen einiger Redner wie denen des Kollegen Eckhardt entnommen habe, ist, daß man bei der nun offenbar allgemein beabsichtigten laufenden Steuerreform auf die Sache zurückkommen will. Sie können versichert sein, meine Damen und Herren: wir werden auf diesen Antrag immer wieder zurückkommen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 9. Wer für diesen Antrag ist, der möge ein Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, jetzt die Mittagspause eintreten zu lassen. Wir hatten verabredet: 2 Stunden. Ich schlage Ihnen vor, wir bleiben bei 2 Stunden und kommen wieder zusammen um 15 Uhr 15. (Unterbrechung der Sitzung: 13 Uhr 12 Minuten.)


(Beifall bei der SPD.)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514800
Die Sitzung wird um 15 Uhr 18 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205514900
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Tagesordnung fort. Gemäß der Absprache dieses Vormittags ist nunmehr die
Wahl des Präsidenten des Bundestages
vorzunehmen.
Art. 40 des Grundgesetzes bestimmt.
Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.
§ 2 der Geschäftsordnung besagt:
Der Bundestag wählt mit verdeckten Stimmzetteln in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages.
Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen der Mitglieder des Bundestages erhält. Ergibt sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, so können für einen zweiten Wahlgang neue Bewerber vorgeschlagen wer-


(Vizepräsident Dr. Schmid)

den. Ergibt sich auch dann keine Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, so kommen die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des amtierenden Präsidenten.
Es besteht Einverständnis darüber, daß § 2 der Geschäftsordnung so auszulegen ist, daß gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages bekommt.
Die Wahlhandlung hat mit verdeckten Stimmzetteln stattzufinden. Die Stimmen werden nach Aufruf des Namens abgegeben.
Ich bitte um Vorschläge. Herr Abgeordneter
von Brentano!

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0205515000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union schlage ich als Präsidenten des Deutschen Bundestages den Abgeordneten D r. Gerstenmaier vor.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515100
Werden weitere Vorschläge gemacht? — Das ist nicht der Fall. Wir schreiten zur Wahlhandlung. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Namen der Abgeordneten zu verlesen. Die Urne befindet sich in der Mitte des Saales.

(Namensaufruf und Abgabe der Stimmzettel.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515200
Meine Damen und Herren, die Namen sind verlesen. Ich frage: Ist der Name eines der Anwesenden nicht verlesen worden? — Das ist nicht der Fall. Hat ein Mitglied dieses Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? — Das ist nicht der Fall mit Ausnahme des Präsidiums, das nunmehr abstimmt. Darf ich bitten. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

(Auszählen der Stimmzettel.)

Ich unterbreche die Sitzung bis zum Abschluß der Auszählung. Das Haus wird durch das Glockenzeichen wieder zusammengerufen.

(Unterbrechung der Sitzung: 16 Uhr 3 Minuten.)

Die Sitzung wird um 16 Uhr 23 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515300
Meine Damen und Herren! Das vorläufige Ergebnis der Auszählung lautet: Es wurden abgegeben 426*) Stimmzettel. Davon entfielen auf den Vorschlag Dr. Gerstenmaier 208**) Stimmen, auf den Abgeordneten Lemmer 41, .auf die Abgeordneten Dr. Dresbach und Dr. Hellwig je eine, ,die Abgeordneten Kiesinger und Schmid je eine. Leere Stimmkarten wurden 172 abgegeben, ungültige Stimmkarten eine, macht zusammen 426. Damit hat der Vorschlag Dr. Gerstenmaier nicht die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages erzielt.
Die Geschäftsordnung sieht für diesen Fall vor: Ergibt sich im ersten Wahlgang keine Mehr-
*) Endgültiges Ergebnis: 424 abgegebene Stimmzettel. **) Endgültiges Ergebnis: 206 Stimmen.
heit, so können für einen zweiten Wahlgang neue Bewerber vorgeschlagen werden.
Ich frage das Haus — —

(Abg. Dr. Menzel: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung Herr Dr. Menzel!

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0205515400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Interesse des Hauses und im Interesse des neuzuwählenden Präsidenten bitten wir um Unterbrechung der Sitzung für eine Stunde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515500
Ist das Haus einverstanden?

(Zustimmung.)

— Dann wird die Sitzung unterbrochen. Der Bundestag tritt wieder zusammen um 17 Uhr 30.

(Unterbrechung der Sitzung von 16 Uhr 25 Minuten bis 17 Uhr 30 Minuten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515600
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0205515700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der Verantwortung, die ich als Vorsitzender des Finanz- und Steuerausschusses zu haben glaube, die ich jedenfalls in mir fühle, stelle ich den Antrag, den Wahlakt, den wir soeben unterbrochen haben, heute nicht fortzusetzen, sondern in der zweiten Beratung der Finanz- und Steuerreform fortzufahren.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205515800
Wenn ich recht verstanden habe, handelt es sich nicht darum, den Punkt abzusetzen — womit er ja erledigt wäre —, sondern darum, den zweiten und eventuell den dritten Wahlgang zu vertagen.

(Zuruf.)

— Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone!

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0205515900
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich glaube, es entspricht nicht der Würde dieses Hauses, wenn wir diesen Punkt in diesem Augenblick von der Tagesordnung absetzen. Ich bin der Meinung, daß wir entsprechend dem Brauch, der in den Parlamenten des Reiches und auch nach 1945 gang und gäbe war, auch hier verfahren. Ich bedaure, daß es zu dieser Spannung gekommen ist.

(Zurufe von der SPD. — Glocke des Präsidenten.)

Wir haben von uns aus alles versucht, — -

(Widerspruch und Zurufe von der SPD: Nichts getan! — Nein! — Unruhe)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205516000
Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen!

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0205516100
— alles versucht, und zwar auch entsprechend dem Brauch bei der Wahl des Präsidiums, des gesamten Präsidiums dieses Bundestags, wobei von jeder Fraktion unterstellt worden ist — von einer jeden! —, daß sie nur einen Vorschlag macht, der vom ganzen Hause auch gebilligt werden kann.

(Zurufe von der SPD: Richtig! — Unruhe.)



(Dr. Krone)

Wir haben in dieser Weise auch bei der Wahl des Präsidiums verfahren, und wir haben in keiner Weise einen Zweifel in die Vorschläge anderer Fraktionen gesetzt.

(Zurufe von der SPD.)

Ich habe hier namens meiner Fraktion die Meinung zu vertreten, daß wir entsprechend diesem Brauch und dieser Einstellung, die bisher im ganzen Hause üblich waren, verfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205516200
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Menzel, zur Geschäftsordnung!

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0205516300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Gepflogenheiten dieses Hauses stellt in der Tat die stärkste Fraktion den Präsidenten des Bundestags. Wir erkennen das auch für die heutige Wahl an. Die stärkste Fraktion stellt jedoch den Präsidenten nicht für sich allein, sie stellt ihn für das gesamte Parlament!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und rechts.)

Daher bedauern wir es lebhaft, daß der heutige Vorschlag allen übrigen Fraktionen — nicht nur der unseren — erst am Tage vor der Wahl kurzfristig mitgeteilt worden ist, ohne daß die CDU/ CSU-Fraktion die übrigen Fraktionen dieses Hauses vorher um ihre Meinung gefragt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Niemand von uns nimmt etwa das Recht in Anspruch, den Kandidaten zu benennen, den eine andere Fraktion vorzuschlagen hätte. Darum geht es aber hier auch gar nicht. Dieses Recht der stärksten Fraktion — und, Herr Kollege Krone, Sie haben eben mit Recht gesagt, daß Sie darauf Wert legen, einen Kandidaten zu benennen, der die Aussicht hat, vom ganzen Hause gebilligt zu werden — setzt aber voraus, daß die bisherigen Gepflogenheiten dieses Hauses anerkannt werden;

(Sehr gut! bei der SPD) und das ist leider nicht geschehen.


(Beifall bei der SPD.)

Nicht nur in den Länderparlamenten, auch im Bundestag war es bisher üblich, über den für den Posten des Präsidenten des Parlaments in Aussicht genommenen Anwärter vorher mit den übrigen Fraktionen Fühlung zu nehmen. Diese Praxis besteht seit dem ersten Tage dieses Bundestages und hat seit dem ersten Tage des 1. Bundestages bestanden. Es geschah auf Grund eines damals noch vorhandenen politischen Taktgefühls, wie man eine solche Sache anfaßt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Mit dem heutigen Vorgehen haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion — wieder einmal pochend auf Ihre absolute Mehrheit in diesem Hause —, entgegen dem Wunsch aller übrigen Fraktionen, d. h. auch der Regierungsparteien, ein sehr unerfreuliches Präjudiz geschaffen. Sie haben das auch vorher gewußt, Sie haben das ausdrücklich gewollt, und das bedauern wir.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205516400
Das Wort hat der Abgeordnete Krone zur Geschäftsordnung.

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0205516500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in keine Polemik einlassen. Ich will nur feststellen, daß wir in keiner Weise auf das Recht der Mehrheit dieses Hauses pochen. Ich stelle ferner zum Tatsächlichen fest, daß der stellvertretende Fraktionsvorsitzende mit allen Fraktionen dieses Hauses, auch mit der Opposition, gestern die Fühlung aufgenommen hat.

(Zurufe von der SPD: Gestern! — Abg. Erler: Nachdem es in der Zeitung gestanden hat! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Ich stelle fest, daß zwischen dem Geschäftsführer der sozialdemokratischen Fraktion und dem Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion am Sonnabend ein Gespräch stattgefunden hat, das sich mit diesen Fragen befaßt hat. Außerdem haben wir gestern im Ältestenrat gesagt, daß wir die Wahl nicht heute morgen durchführen möchten, sondern nachdem den Fraktionen über Mittag die Möglichkeit gegeben sein würde, dazu Stellung zu nehmen. Das ist gestern im Ältestenrat von allen Fraktionen angenommen worden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205516600
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0205516700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besprechung, die ich am letzten Sonnabend mit Herrn Kollegen Krone hatte, endete damit, daß ich lediglich die Mitteilung entgegennehmen durfte, die Fraktion der CDU/CSU werde am Montag um 14 Uhr zu Punkt 1 auf der Tagesordnung ihrer Fraktionssitzung den Bundestagspräsidenten wählen lassen. Mein Hinweis auf die Gepflogenheiten des Hauses und — ich muß wiederholen, was ich vorhin schon angedeutet habe — darauf, daß schließlich jeder von uns ein Interesse daran habe, einen Präsidenten zu wählen, der möglichst einstimmig von diesem Hause gekürt wird, war vergeblich.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion hat sich am Montag auf diese Feststellung, daß zwei Stunden später von seiner Fraktion gewählt werde und wir dann darüber formell noch unterrichtet werden würden, beschränkt. Auch der amtierende Präsident hat gestern in der Ältestenratssitzung, als Herr Kollege Krone den Wunsch seiner Fraktion anmeldete, heute den Präsidenten zu wählen, seinem, ich glaube sagen zu dürfen, Erstaunen Ausdruck gegeben, daß das zu schnell. komme, und er bedauerte, daß nicht vorher Besprechungen und eine Fühlungnahme mit den Fraktionen stattgefunden hätten. Und, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, wenn Sie wirklich gewillt gewesen wären, dem in etwa Rechnung zu tragen, was ich vorhin gesagt habe, nämlich hier eine Verständigung herbeizuführen, dann hätten Sie vorhin unseren Antragung auf Vertagung angenommen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205516800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Wellhausen. Ich wiederhole: es handelt sich nicht darum, den


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Punkt abzusetzen, also zu erledigen, sondern darum, den zweiten und eventuell dritten Wahlgang zu vertagen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es läßt sich hier im geschäftsführenden Präsidium keine Einigung erzielen. Wir müssen zum Hammelsprung schreiten. Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Meine Damen und Herren, eine betrübliche Mitteilung: der Hammelsprung muß wiederholt werden. An einer Tür bestanden Zweifel, ob die Berliner Abgeordneten mitstimmen dürfen.

(Hört! Hört!)

Sie dürfen natürlich mitstimmen. Es handelt sich um eine Angelegenheit des Hauses, in der es keine Unterschiede zwischen den Abgeordneten gibt. Es tut mir leid — um uns alle —, daß ich Sie um Wiederholung bitten muß.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. — Herr Abgeordneter Gerstenmaier beteiligt sich offenbar nicht an der Abstimmung. Er hat damit das Privileg, als einziger in diesem Saale zu bleiben.
Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren! Dies ist das Ergebnis der Auszählung: Es haben sich an der Abstimmung 407 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 185, mit Nein 221, enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir fahren in der Wahlhandlung fort. Ich bitte um Vorschläge. — Herr Abgeordneter Krone!

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0205516900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen für den zweiten Wahlgang Herrn Dr. Gerstenmaier vor.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517000
Das Wort hat Abgeordneter Reif.

Dr. Hans Reif (FDP):
Rede ID: ID0205517100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kleinste Fraktion dieses Hauses, die Vertreter Berlins haben den Wunsch, dem Haus die Entscheidung dadurch zu erleichtern, daß wir für den zweiten Wahlgang den Berliner Abgeordneten Ernst Lemmer vorschlagen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Unmöglich! — Geht doch nicht!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0205517300
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß es bisher nicht üblich war, daß eine andere Fraktion einen Vorschlag dieser Art macht.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Zurufe von der SPD: Keine Aussprache!)

Zum zweiten: Ich stelle ferner fest, daß der Abgeordnete Lemmer mir bereits Ende voriger Woche von sich aus telefonisch gesagt hat, daß er
jede Nominierung, die von einer anderen Seite käme, ablehne. Diese Tatsache hat er auch soeben in einem Gespräch bestätigt.

(Abg. Mellies: Wollen wir zunächst einmal abwarten!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517400
Meine Damen und Herren, dieser Fall ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.

(Heiterkeit.)

Ich bin als Präsident verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen. Es sind zwei Vorschläge gemacht worden. Über beide Vorschläge muß abgestimmt werden. Wenn einer der Kandidaten, auf den die Mehrheit der Stimmen entfallen sollte, die Wahl nicht annehmen will, so hat er diese Erklärung nach der Wahl abzugeben. Es kann niemand gehindert werden, jemanden zur Wahl vorzuschlagen, auch wenn der Vorgeschlagene erklärt haben sollte, er kandidiere nicht.
Wir schreiten zur Wahl. Ich bitte, die Namen der Abgeordneten zu verlesen.

(Namensaufruf und Abgabe der Stimmzettel.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517500
Meine Damen und Herren, die Namen sind verlesen. Ist der Name eines Mitgliedes dieses Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, nicht verlesen? — Das scheint nicht der Fall zu sein; dann stimmt das geschäftsführende Präsidium ab.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Ende der Auszählung wird diese Verhandlung ausgesetzt. Das Haus wird durch ein Glockenzeichen wieder zusammengerufen.

(Unterbrechung der Sitzung von 18 Uhr 45 Minuten bis 19 Uhr 2 Minuten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517600
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort. Das vorläufige Ergebnis der Auszählung ist: Es wurden abgegeben 413 *) Stimmzettel. Davon entfielen auf den Vorschlag D. Dr. Gerstenmaier 206**), auf den Vorschlag Lemmer 191, eine Stimme ist auf den Abgeordneten Schmid (Frankfurt) entfallen, 15 Stimmzettel blieben leer. Damit ist eine Entscheidung wiederum nicht erfolgt.
Wir müssen zu einem dritten Wahlgang schreiten. Die Geschäftsordnung sieht vor:
Ergibt sich auch dann
— beim zweiten Wahlgang —
keine Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, so kommen die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des amtierenden Präsidenten.
Wir werden im dritten Wahlgang nun lediglich zwischen den beiden Anwärtern D. Dr. Gerstenmaier und Lemmer zu entscheiden haben.
Ich bitte, die Namen aufzurufen.

(Namensaufruf und Abgabe der Stimmzettel.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517700
Meine Damen und Herren, es sind nunmehr alle Namen verlesen. Ist
ein Name nicht verlesen worden? — Dann stimmt das Präsidium ab. *) Endgültiges Ergebnis: 414 abgegebene Stimmzettel.
**) Endgültiges Ergebnis: 207 Stimmen.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Meine Damen und Herren, ehe wir mit der Auszählung beginnen, eine geschäftsordnungsmäßige Mitteilung. Die Fraktionen haben vereinbart, daß nach der Wahlhandlung nicht weiter verhandelt werden soll und daß mit der Beratung der Steuer-und Finanzgesetze Donnerstag vormittag um 9 Uhr wieder begonnen werden soll. Die dritte Lesung findet unabhängig von diesen Dingen am Freitag statt. Weiter soll auf die Tagesordnung von Donnerstag gesetzt werden der Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik Drucksache 860. Es handelt sich um eine Änderung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft. Ich bitte, das Material zum Finanzgesetz wieder mitzubringen; es kann nicht wieder verteilt werden.
Wir fahren in der Wahlhandlung fort. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung um 10 Minuten, bis die Auszählung beendet ist.

(Unterbrechung der Sitzung: 19 Uhr 49 Minuten.)

Die Sitzung wird um 20 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205517800
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort. Dies ist das Ergebnis der Auszählung: Es wurden 409 Stimmzettel abgegeben. Davon entfielen auf den Vorschlag D. Dr. Gerstenmaier 204, auf den Vorschlag Lemmer 190, leere Stimmzettel 15.
Herr Abgeordneter Gerstenmaier, nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0205517900
Ich nehme die Wahl an.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0205518000
Damit sind Sie gemäß Art. 40 des Grundgesetzes und § 2 der Geschäftsordnung der ordnungsgemäß bestellte Präsident des Bundestages mit den sich aus dem Grundgesetz sowie den Gesetzen und Ordnungen der Bundesrepublik ergebenden Rechten und Pflichten.
Herr Präsident, Sie übernehmen ein hohes Amt,

(die Abgeordneten erheben sich)

dessen Ehren und Bürden gleichermaßen schwer wiegen. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Wahl.
Dieses Amt ist das zweite in der Ämterfolge der Bundesrepublik. In Ihrer Hand wird künftig die Ordnung der Arbeiten dieses Hauses ruhen. Sie werden die schwierige Kunst üben müssen, auf einem Feld, dessen Gesetz der Wettbewerb und oft der Kampf ist, Gerechtigkeit allen widerfahren zu lassen und jedem das Seine zu geben. Ihnen wird künftig auferlegt sein, die Würde des Parlaments zu wahren und über seine Rechte und Prärogativen zu wachen und sie gegen Unzumutbares und Unziemliches zu verteidigen. Ein bedeutender Vorgänger hat einen geraden Weg zum rechten Ziel gewiesen. Schreiten Sie auf diesem Wege fort. Die guten Wünsche des Hauses begleiten Sie, und die Loyalität aller seiner Mitglieder wird Ihnen zur Seite stehen.
Ich bitte Sie, Ihren Platz einzunehmen.

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0205518100
Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zögernd und gewiß gegen schwere persönliche Bedenken trete ich nach dieser Wahl das Erbe des großen toten Präsidenten des Deutschen Bundestages an. Im Anblick des Vermächtnisses, das er hinterlassen hat, ehrt mich der an mich ergangene Ruf noch mehr, als er es ohnehin täte.
Das Gesetz dieses Hauses verlangt von seinem Präsidenten, daß er die Würde und die Rechte des Bundestages wahre und seine Verhandlungen gerecht und unparteiisch leite. Die Geschichte der deutschen Demokratie hat gezeigt, welche Bedeutung ihrem Parlament über das geschriebene Recht hinaus zukommt für das Leben und die Staatsgestaltung der Nation. Als Hermann Ehlers, zum zweiten Male gewählt, diesen Stuhl einnahm, sagte er, daß es uns gemeinsames Anliegen sein müsse, die besondere Stellung des Parlaments in der Ordnung unseres Volkes zu wahren, sie mit Leben zu erfüllen und sie notfalls auch zu verteidigen.
Ich denke, meine Damen und Herren, daß es auch hinfort Ihr gemeinsamer Wille ist, keinen, der sich ernst und entschieden an diese Aufgabe begibt, dabei allein zu lassen.
Dieses Parlament der Deutschen hat seinen Rang und seine Würde nicht nur von der Macht, die ihm nach dem Willen unseres Volkes gegeben ist. Dieses Parlament hat seinen Rang und seine Würde vor allem darin, daß es gesonnen ist, die Freiheit und das Recht nicht nur zu proklamieren, sondern unter allen Umständen auch zu praktizieren in der Gestaltung des Staates, in der Gesetzgebung und in der Kontrolle der Verwaltung. Die Würde dieses Hauses beruht deshalb nicht darin, eine Stätte weihevoller Harmonie zu sein. Dieses Haus ist weder der feierlichen Zeremonie noch dem repräsentativen Auftreten der politischen Prominenz gewidmet. Die Würde und der Rang dieses Hauses beruhen allein darin, daß hier frei gewählte Männer und Frauen in der heißen Mühsal des Alltags gegen oft gewaltige Widerstände nach bestem Wissen und Gewissen einen festen, klaren Weg für ihr Volk suchen, daß sie Entscheidungen treffen, die vor dem Urteil der gerecht Denkenden bestehen können.
Nicht das geglückte Wort und die gelungene Rede, sondern die vor Gott und der Geschichte bestehende Tat der Entscheidung gibt diesem Hause Rang und Würde. Daß darum gekämpft, daß darum gerungen wird, das ist nicht mehr als recht und billig. Es mindert nicht die Würde dieses Hauses, daß es die Stätte der freien, ungeschminkten Aussprache, der zuweilen harten, aber immer genau und sachlich zu führenden Auseinandersetzung ist. Dieses Parlament muß von dem deutschen Volk verlangen, daß es auch die hin und wieder scharfe, aber glücklicherweise meist unpathetische Auseinandersetzung in diesem Hause würdigt als einen redlichen Ausdruck des Bemühens um die rechte Entscheidung, um den rechten Weg für unser Volk in den Fährlichkeiten der Zeit. Das eilfertige Wort vom „Gezänke der Parteien" stammt aus einer bösen Zeit und ist weit seltener am Platze, als die, die es im Munde führen, meinen. Es ist wahr, die politischen Gegensätze in diesem Hause sind scharf und vielleicht vielfältiger, als sie auf den ersten und zweiten Blick hin erscheinen. Ich glaube nicht, daß das immer und unter allen Umständen so sein muß. Aber es ist auch


(Präsident D. Dr. Gerstenmaier)

wahr und es darf in einem solchen Augenblick auch ausgesprochen werden, daß dieses ganze Parlament mit allen seinen verschiedenartigen Fraktionen gemeinsam und entschieden auf den Fundamenten des freiheitlichen Rechtsstaates steht.
In der edlen, klassisch gefugten Rede, die der Erste Vizepräsident dieses Hauses vor kurzem hier auf den toten Präsidenten gehalten hat, ist unüberhörbar etwas in Erscheinung getreten, dessen sich das deutsche Volk im Blick auf sein Parlament noch mehr bewußt werden darf, und das ist dies: daß über alle notwendigen und auch nicht notwendigen Meinungsverschiedenheiten hinaus alle hier vertretenen Kräfte und Fraktionen der Freiheit, dem Recht und der Wohlfahrt des ganzen deutschen Volkes in West und Ost von Herzen zugetan sind.
Es gehören freilich Geduld und unverstopfte Ohren dazu, um hinter der Geräuschkulisse der täglichen parlamentarischen Arbeit diesen Grundton zu vernehmen. Dieses Parlament, gebunden an die Verfassung, gewährleistet die Freiheit des Einzelnen und das verbriefte Recht des Einzelnen und des Volkes. Aber dieses Parlament kann darum auch nicht darauf verzichten, daß für die Freiheit, für die freiheitliche Ordnung unseres Volkes Opfer gebracht werden. Denn noch immer ist diese Welt so beschaffen, daß das Wort gilt: Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst!
Darin, meine Damen und Herren, scheint mir weit über die ihm von der Verfassung zugestandene Macht hinaus und erst recht über die Eleganz der parlamentarischen Routine hinaus die Würde und das Recht des Parlaments begründet zu sein. Je klarer wir so unser parlamentarisches Tun und Lassen begreifen, desto mehr werden wir dazu beitragen, daß unser Volk und sein Parlament sich denkbar nahe kommen.
Das aber muß uns am Herzen liegen, weil ohne das wache Bewußtsein der Mitverantwortung aller für das Schicksal des ganzen Volkes ,die Demokratie nicht bestehen kann. Die meisten Völker der Erde, sicher aber wir Deutschen, sind tief hineingezogen in den Kampf der Massenwelt um ihre Form. Von den Fundamenten des freiheitlichen Rechtsstaates aus kann dieser Kampf nur geführt werden in der Verteidigung der Freiheit des Einzelnen und der gewachsenen Gemeinschaften, und er darf nur geführt werden mit dem Ziel, den Vorrang des Rechts vor der Macht zu sichern.
Sein Sinn ist nicht möglichst viel, sondern möglichst wenig Staat, das Notwendige aber klar, fest und gerecht.
Wenn uns dazu auch in unserer parlamentarischen Arbeit etwas nottut, dann ist es Toleranz. Damit ist nicht jene unbeteiligte Indifferenz gemeint, die sich gleichermaßen von der Wahrheitsfrage wie von der persönlichen Verantwortung dispensiert. Es ist damit gemeint eine Haltung, die über subjektive Gefühlslagen und persönliches Wohlwollen hinaus im Willen und im Bewußtsein verankert ist. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit der Anfälligkeit zu faulen Kompromissen, sondern mit der Bereitschaft zum sachgerechten vertretbaren Ausgleich. Toleranz heißt in unserm Bereich vor allem Verzicht auf Prestigepolitik und den Versuch, dem Gegner das Gesicht und die Chance der Wahrheit zu nehmen.
Ich darf das an einem Beispiel zur Darstellung bringen, das zugleich in Erinnerung ruft, daß alle
Toleranz auch Grenzen hat. Unser Volk hat schwer gelitten, nicht nur unter den äußeren Ereignissen und Folgen einer fluchwürdigen Tyrannei, sondern auch unter den inneren Folgen. Dazu gehört das verwundete Gewissen vieler ehemaliger Gefolgsleute des Nationalsozialismus. Wir haben in diesem Hause getan, was wir konnten, um nicht nur der äußeren Wiedervereinigung unseres Volkes zu dienen, sondern auch um die innere Wiedervereinigung aller Deutschen zu ermöglichen. Der Bundestag war der Überzeugung, daß jedem eine faire Chance gegeben werden müsse, in der Erkenntnis der Wahrheit sich von seiner Vergangenheit und ihrem Irrtum zu trennen und ein Freier unter Freien in der erneuerten Gemeinschaft unseres Volkes zu sein. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir dabei auch in Zukunft entschieden bleiben sollten. Aber ich glaube ebenso, daß es wichtig ist, daß diese Toleranz nicht mißverstanden wird. Wir tolerieren den Mann, der sich von der niedrigen Ideologie der Tyrannei getrennt hat. Aber wir sind nicht bereit, diese Ideologie zu tolerieren und ihre heimliche oder gar offene Rückkehr zuzulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In dem allen zählen wir auch weiterhin auf die faire Unterstützung der Presse und des Rundfunks. Nur mit ihnen ist es möglich, jenes Mitgehen des Volkes herbeizuführen, ohne das eine Demokratie nichts ist.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Ich glaube, jedes Volk und jede Zeit leben und verhalten sich auf ein oder zwei große Leitbilder ihres Denkens und Empfindens hin. Über alle politischen Kontroversen und die ihnen zugrunde liegenden Verschiedenheiten hinaus dürfen in diesem Zusammenhang vielleicht doch einige Elemente des Leitbildes angesprochen werden, dem wir auch in der Kontroverse noch gemeinsam verpflichtet sind, weil wir es gemeinsam anerkennen.
Ich nenne erstens die Festigung und den überzeugenden Durchbau einer großzügigen und großherzigen Ordnung der sozialen Gerechtigkeit im deutschen Volk.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich nenne zweitens die Wiederherstellung der nationalen und gebietsmäßigen Einheit des deutschen Volkes mit der Sicherung seines Bodens und seiner Freiheit.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich nenne drittens die Einigung Europas. Ich nenne sie mit den Worten unseres verehrten Reichstagspräsidenten Paul Löbe, dieses Symbols unantastbarer parlamentarisch-demokratischer Redlichkeit. Am 7. September 1949 hat er bei der Eröffnung des 1. Deutschen Bundestages als Alterspräsident gesagt:
Deutschland will ein aufrichtiges, friedliebendes, gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa werden. Wir haben im Staatsgrundgesetz von Bonn den Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte schon im voraus ausgesprochen, um dieses geschichtlich notwendige höhere Staatengebilde zu schaffen, und werden uns auch durch Anfangsschwierigkeiten von diesem Ziel nicht abschrecken lassen.

(Beifall bei ,der CDU/CSU und beim GB/BHE.)


Ich übernehme das Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestags im Gehorsam gegen seine Ordnung und im dankbaren Gedenken an eine Gemeinschaft von Männern, die fast ausnahmslos für die Ehre und Freiheit Deutschlands einen bitteren Tod gestorben sind. Viele von ihnen kamen aus den Traditionen der Parteien, die auch heute wieder die Arbeit in diesem Hause tragen. Sie waren verschieden und sie blieben verschieden, aber sie boten in der tiefsten Nacht des Vaterlandes ein leuchtendes Beispiel brüderlicher Verbundenheit. Möchte es uns im Blick auf ihr Vermächtnis gegeben sein, daß wir, meine Kolleginnen und Kollegen, uns mit Gottes Hilfe zum Segen unseres Volkes und zu seinem Frieden im Kampf und in der Zusammenarbeit mit Respekt begegnen und,
wo es nottut, uns über uns selbst erheben. Dessen bedarf das Vaterland.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der anderen Fraktionen.)

Meine Damen und Herren, die Tagesordnung ist nach der Übereinkunft der Fraktionen damit für heute erschöpft. Ich berufe die nächste, die 56. Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf Donnerstag, den 18. November 1954, 9 Uhr.
Ich schließe die 55. Sitzung.