Protokoll:
18117

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 117

  • date_rangeDatum: 17. Juli 2015

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:58 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/117 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 117. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 I n h a l t : Begrüßung der neuen Abgeordneten Sarah Ryglewski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11351 B Nachruf auf den Abgeordneten Philipp Mißfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11351 B Tagesordnungspunkt 1: a) Antrag des Bundesministeriums der Fi- nanzen: Stabilitätshilfe zugunsten Grie- chenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 des ESM- Finanzierungsgesetzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätz- lich Stabilitätshilfe in Form eines ESM- Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung Drucksache 18/5590 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11352 A b) Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beschluss des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Num- mer 1 des ESM-Finanzierungsgesetzes (ESMFinG); Verwendung der SMP- Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung Drucksache 18/5595 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11352 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 11352 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11355 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11357 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11362 C Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11365 A Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 11368 A Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11369 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 11372 A Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11372 C Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11372 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11374 A Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 11376 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . 11377 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11378 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11379 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11381 A Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 11381 C Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11382 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11383 D Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11385 A Stefan Liebich (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11387 A Namentliche Abstimmungen 11388 A, 11388 A, 11388 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 11388 D, 11391 A, 11393 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11396 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11397 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Matthias Gastel, Katrin Göring- Eckardt, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Dieter Janecek, Tom Koenigs, Oliver Krischer, Renate Künast, Dr. Tobias Lindner, Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Cem Özdemir, Brigitte Pothmer, Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag des Bun- desministeriums der Finanzen – Stabilitäts- hilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11397 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg), Dr. Karl-Heinz Brunner, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Dr. Ute Finckh-Krämer, Ulrich Hampel, Rita Hagl-Kehl, Gabriele Hiller-Ohm, Ralf Kapschack, Oliver Kaczmarek, Daniela Kolbe, Sönke Rix, Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff, Dr. Dorothee Schlegel (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabili- tätshilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11398 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Barthel, Wolfgang Gunkel, Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zur Abstim- mung über den Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen – Stabilitätshilfe zuguns- ten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11400 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz, Nicole Gohlke, Hubertus Zdebel (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Grie- chenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11401 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Albsteiger und Dr. Georg Nüßlein (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen – Stabilitätshilfe zugunsten Griechen- lands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11402 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 III Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Dr. Christoph Bergner (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11402 B Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Grie- chenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 11403 A Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11403 A Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11404 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11405 C Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11406 A Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11406 C Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 11406 D Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11407 C Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11409 B Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11409 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11410 B Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11410 D Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . 11411 B Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . 11412 A Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11412 D Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11413 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11413 C Alexander Funk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11414 A Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11414 D Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . 11415 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11416 A Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11416 C Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . 11416 D Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) . . . . . . . . 11418 B Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11418 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 11419 C Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11420 D Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . 11422 D Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11423 B Xaver Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11424 B Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11424 C Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11424 D Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . 11425 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11425 D Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . 11426 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11427 A Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11427 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11428 B Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . 11428 D Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11429 A Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11429 C Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11430 A Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 11431 D Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11432 B Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11433 A Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11433 D Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11434 D Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11435 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11435 C Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11436 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11436 D Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11437 B Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11438 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11439 D Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11440 B Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11442 A Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11443 A IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11443 C Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11443 D Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11444 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . 11445 A Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11445 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 11446 B Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11447 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11447 D Peer Steinbrück (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11448 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11449 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11450 B Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11451 A Sven Volmering (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11451 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . 11452 A Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . 11452 A Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11452 C Kai Whittaker (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . 11453 A Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11453 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11351 (A) (C) (D)(B) 117. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11397 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich van Aken, Jan DIE LINKE 17.07.2015 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Bas, Bärbel SPD 17.07.2015 Becker, Dirk SPD 17.07.2015 Blienert, Burkhard SPD 17.07.2015 Brehmer, Heike CDU/CSU 17.07.2015 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Caesar, Cajus CDU/CSU 17.07.2015 Claus, Roland DIE LINKE 17.07.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Evers-Meyer, Karin SPD 17.07.2015 Dr. Feist, Thomas CDU/CSU 17.07.2015 Fograscher, Gabriele SPD 17.07.2015 Groneberg, Gabriele SPD 17.07.2015 Hartmann (Wackern- heim), Michael SPD 17.07.2015 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 17.07.2015 Hupach, Sigrid DIE LINKE 17.07.2015 Ilgen, Matthias SPD 17.07.2015 Kampeter, Steffen CDU/CSU 17.07.2015 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 17.07.2015 Kiziltepe, Cansel SPD 17.07.2015 Leutert, Michael DIE LINKE 17.07.2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.07.2015 Weber, Gabi SPD 17.07.2015 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 17.07.2015 Werner, Katrin DIE LINKE 17.07.2015 Wichtel, Peter CDU/CSU 17.07.2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Matthias Gastel, Katrin Göring-Eckardt, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Dieter Janecek, Tom Koenigs, Oliver Krischer, Renate Künast, Dr. Tobias Lindner, Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Cem Özdemir, Brigitte Pothmer, Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitäts- hilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Wir stimmen heute mit Ja, weil wir als Europäerinnen und Europäer davon überzeugt sind, dass die Europäi- sche Union und die Euro-Zone zusammenhalten müssen. Wir stimmen mit Ja, weil Griechenland im Euro bleiben muss. Wir stimmen mit Ja, weil sich die griechische Be- völkerung auch weiterhin auf die Unterstützung seiner europäischen Partner verlassen können muss. Wir stim- men mit Ja, damit die Verhandlungen zwischen der grie- chischen Regierung und den Euro-Staaten über ein wei- teres Kredit- und Reformprogramm aufgenommen werden können. Denn Griechenland braucht europäische Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 11398 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Solidarität. Und Europa braucht das Vertrauen in die griechische Regierung, den ambitionierten Reformkurs jetzt umzusetzen. Das Ziel muss sein, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen steht. Dabei darf es keine Il- lusion geben: Der Weg dorthin ist kein leichter. Der Re- formprozess und die wirtschaftliche Erholung in Grie- chenland kann nur dann gelingen, wenn das Land die Sicherheit hat, im Euro zu bleiben, und die erforderliche Zeit erhält, um verlässliche Rahmenbedingungen, effek- tive Strukturreformen und notwendige Investitionen zu tätigen. Das ist aus unserer Sicht die wichtigste Bedin- gung für eine Chance auf Erfolg des Landes, und dabei wollen wir Griechenland unterstützen. Ohne ein neues Kreditpaket sehen wir nicht, dass das Land überhaupt diese Chance hat. Deswegen stimmen wir heute dem Antrag der Bundesregierung zu, der im Wesentlichen die Aufnahme von Verhandlungen über neue Kredite für Griechenland und die Bereitstellung einer Brückenfinan- zierung beinhaltet. Seit mehr als fünf Jahren begleiten wir als Abgeord- nete des Deutschen Bundestages Griechenland durch un- sere parlamentarischen Debatten und Abstimmungen über Kredithilfen, aber auch durch viele Reisen in das Land und unseren Einsatz für mehr gegenseitiges Ver- ständnis zwischen Deutschland und Griechenland. Wir haben immer wieder deutliche Kritik an den Fehlern ge- übt, die bis heute bei der Krisenpolitik für Griechenland gemacht wurden. Gerade der Vorschlag eines temporä- ren Austritts Griechenlands aus dem Euro war ein Fehler historischen Ausmaßes, mit dem die Bundesregierung den Zusammenhalt in Europa und in der Euro-Zone ge- fährdet hat. Nach einem Prozess, der auf allen Seiten von Fehlern, nationaler Engstirnigkeit und Verletzungen geprägt war, haben sich am vergangenen Wochenende alle Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone auf einen gemeinsamen Weg geeinigt. Wir sind politisch ausdrücklich nicht mit allen einzelnen auf dem Euro-Gipfel am 12. Juli 2015 vereinbarten Inhalten einverstanden. Das neue Pro- gramm setzt viele Fehler der bisherigen Vereinbarungen fort, auch wenn es an anderen Stellen wichtigen Forde- rungen der griechischen Regierung entgegengekommen ist. Wir wollen trotzdem dieser Einigung – erst recht nach den Schwierigkeiten, überhaupt zu einer Einigung zu finden – unsere Zustimmung nicht versagen. Nach- dem die 19 Staats- und Regierungschefs und unter ande- rem die Parlamente von Frankreich, Finnland, Luxemburg, Österreich und vor allem Griechenland sel- ber diesem Paket zugestimmt haben, wird es realistisch jetzt keine grundsätzlich anders gestaltete Lösung für Griechenland geben. In seiner inzwischen Schuman-Erklärung benannten Rede vom 9. Mai 1950, in der der französische Außen- minister Robert Schuman die Schaffung einer Europäi- schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS, vor- schlug, heißt es: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaf- fen.“ Vor dem Hintergrund der kritischen Lage in Grie- chenland und der dringend benötigten Klarheit über den Weg schon in den kommenden Tagen heißt Solidarität mit Griechenland für uns, dass wir dem Antrag der Bun- desregierung genauso wie den Anträgen unserer Frak- tion zustimmen müssen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidel- berg), Dr. Karl-Heinz Brunner, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Dr. Ute Finckh- Krämer, Ulrich Hampel, Rita Hagl-Kehl, Gabriele Hiller-Ohm, Ralf Kapschack, Oliver Kaczmarek, Daniela Kolbe, Sönke Rix, Bernd Rützel, Sarah Ryglewski, Johann Saathoff, Dr. Dorothee Schlegel (alle SPD) zur Abstim- mung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Grie- chenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsgeset- zes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Ab- satz 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 1 ESM-Finanzierungsge- setz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Ab- satz 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungs- verfahren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Under- standing und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“ Was fehlt? Die soziale Komponente. Soziale Gerech- tigkeit. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Deriva- ten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Menschen aus dem Blick geraten. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizi- nische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mit- telpunkt zu rücken. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11399 (A) (C) (D)(B) In seiner Begründung geht der Bundesfinanzminister auf die „Reformbereitschaft Griechenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungs- gebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentragfähigkeit Griechen- lands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechenlands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein – die formalen Voraussetzungen. Wir sprechen nach dem ersten Programm und dem zweiten Programm nun vom dritten Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Sisyphos lässt grü- ßen. Deshalb sei zunächst aus Sicht der Geldgeber (selbst-)kritisch anzumerken, dass die Austeritätspolitik – Renten kürzen, Löhne senken, Beamte entlassen, Pri- vatisierung usw. – der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an waren die Hilfspro- gramme an Griechenland einseitig darauf ausgerichtet, dass man von Gläubigerseite Hilfszahlungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Haircut, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt – herausgekauft – wurden. Deshalb hat die SPD- Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Inves- titionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Proble- men gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet Griechenland die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der Euro-Zone ist sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Ju- gendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro; das sind 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lag dies noch bei 148 Prozent. Die Inflationsrate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Prozent in 2014. Mehr als die griechische Bevölke- rung haben die Banken und Spekulanten von der Krise profitiert. Drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Peer Steinbrück hat in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2012 erklärt, warum das damals ebenfalls von Kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble verhandelte zweite Griechen- land-Paket „erhebliche Verunsicherung und Zweifel“ auslöse. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er mit vielen seiner damaligen Befürchtungen, abgesehen von seiner Schätzung des Primärüberschusses in 2014 in Griechenland, richtig prognostiziert hat. Und gleichwohl hat er dem Bundestag empfohlen, zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politi- schen Interesse Deutschlands ist (Lachen bei Abgeord- neten der FDP) und drittens weil es um das Ganze geht. (Zurufe von der FDP: Oh!) Es geht nicht nur um Grie- chenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres ge- meinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frie- den mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir – und sei es nur fahrlässig – eine Renati- onalisierung unserer Währungen zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte – mit dem Auftauchen von ziemlich unseligen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen wür- den“. So weit Peer Steinbrück zum zweiten Griechen- land-Paket. Müssen wir uns wundern, dass die Programme nicht so funktioniert haben wie gedacht? Als Deutschland aufgrund der Finanz- in eine Wirt- schaftskrise geriet, beschlossen wir – richtigerweise – keine Sparpakete, keine Lohnkürzungen, keine Renten- kürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Suppenküchen, keine Privatisierungen – wir beschlossen für Deutschland Konjunkturprogramme: Im November 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Ar- beitsplätze“ das erste Konjunkturpaket beschlossen: 15 Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft gestärkt, Ar- beitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Auf- träge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Ja- nuar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Milliar- den Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Sicherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzar- beiterprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Dabei entspricht der Exportüberschuss Deutschlands, auch in- folge jahrelanger Reallohneinbußen, in anderen Ländern Importüberschüssen, verschärft also die Verschuldung. Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum, Binnennachfrage braucht. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Bundesfinanzministerium verteidigt das zweite Griechenland-Paket ohne Konjunkturprogramm, ohne Modelle wie Kurzarbeit damit, dass mit den in Deutsch- land erfolgreichen Maßnahmen in Griechenland ledig- lich die „schlechten Strukturen“ gefestigt worden wären. Gut, dass nach dieser Logik niemand fragt, um wie viel besser unsere Strukturen heute sein könnten, wenn wir statt Konjunkturprogrammen und Schutz der Arbeits- plätze die Arbeitnehmer entlassen und den noch Arbei- tenden die Löhne und den Rentnern die Rente gekürzt hätten. Jedenfalls können wir aus unseren Erfahrungen ablei- ten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktio- nieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die Konsequenzen, 11400 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) die daraus zu ziehen sind, sind aber äußerst kompliziert und komplex. Statt sich nun dieser komplexen Aufgabe zuzuwen- den, schlägt der deutsche Bundesfinanzminister eigen- mächtig mit gütiger Billigung der Kanzlerin den Austritt Griechenlands aus dem Euro vor – am deutschen Parla- ment vorbei –, den Grexit, Grexit auf Zeit – und das nicht an irgendeinem Tag, sondern an dem Tag, an dem er gleichzeitig den Antrag der Regierung auf die Stabili- tätshilfe und Absicherung der Brückenfinanzierung für Griechenland beim Deutschen Bundestag stellt. Die Kanzlerin verhandelt etwas und lässt gleichzeitig das Gegenteil vorschlagen. Weder waren alle Minister infor- miert noch die Ausschüsse des Bundestages. Das wirft ein Blitzlicht auf die Selbstwahrnehmung der Regierung und ihr Verhältnis zum deutschen Parlament und Europa. Die Folgen der Realisierung eines solchen Vorschlags für die Menschen in Griechenland ohne dickes Aus- landskonto, aber auch die Folgen für die Europäische Gemeinschaft, „weil es um das Ganze geht“, werden verschwiegen, „verschwurbelt“. Kein Gläubiger bekäme einen Euro mehr zurück, die Altschulden stünden wei- terhin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Betriebs- und Investitionsmittel importieren, kein Kran- kenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medika- mente leisten, kein Arbeitsplatz würde geschaffen. Aus- ländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Fol- gen und des Vertrauensverlustes in den Euro wäre insbe- sondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass sich radikale und extreme Kräfte Euro- pas bemächtigen. Auch die Griechen müssen etwas (mehr) tun, auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung, an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Eine Mammutaufgabe, denn die großen historisch erklärbaren kulturellen Unterschiede stehen einfachen Lösungen entgegen. Dimosthenis Kourtovik formulierte: „Griechenland ist zu orientalisch, um ein europäisches Land zu sein, und zu westlich, um zum Orient zu gehören.“ Die Zugehörigkeit Griechen- lands zum Osmanischen Reich in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert und, wie Heinz Richter beschreibt, das Muchtar-System, das Millet-System, das Verhältnis der Griechen zum Staat und das System von Gefälligkeiten (Rousfetia) machen es nicht leicht, sich europäischen Standards anzunähern. Jedenfalls funktioniert das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern nur mit Hilfe und Unterstützung, Verständnis und Verständigung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten frei hat (ein Analogon zu den Bad Banks, die sich in Deutschland bewährt haben). Darum müssen sich die Griechen wieder kümmern, wenn es deutlich auf- wärts geht. Wir stimmen dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu, denn: „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um die- ses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grund- festen unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen.“ Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus Barthel, Wolfgang Gunkel, Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitäts- hilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsgeset- zes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Unsere Zustimmung zu einem neuerlichen Verhand- lungsauftrag für eine „Stabilitätshilfe“ zugunsten Grie- chenlands ist ausschließlich ein Votum für den Zu- sammenhalt Europas und gegen eine unkontrollierte Insolvenz Griechenlands. Die unverantwortliche Andro- hung einer Ausgrenzung Griechenlands aus dem Euro- Raum oder der EU muss damit vom Tisch sein – nicht zuletzt weil dies aufgrund der sofort entstehenden Zah- lungsausfälle der absehbar teuerste Weg für die deut- schen und europäischen Steuerzahlenden wäre. Unser Votum ist gleichzeitig eine klare Absage an das Agieren der Mehrheit der europäischen Regierungen in den letzten Wochen. Die Verantwortung Griechenlands wurde dabei ausführlich erörtert, ebenso die Fehler, die die aktuell seit fünfeinhalb Monaten im Amt befindliche Regierung gemacht hat. Wir rechtfertigen dabei nichts, was nicht zu rechtfertigen ist. Dazu stellen wir allerdings fest: Erstens. Wir lehnen es ab, jahrzehntelange Fehlent- wicklungen der aktuellen griechischen Regierung anzu- lasten und so zu tun, als seien diese innerhalb weniger Wochen zu korrigieren. Wir fordern für die Entscheidun- gen der griechischen Wählerinnen und Wähler densel- ben Respekt wie vor allen anderen Wählerinnen und Wählern in der EU. Die Versuche, die griechische Regie- rung aus dem Amt zu vertreiben, sind zu verurteilen und sofort einzustellen. Das Vorgehen der Gläubigerregie- rungen widerspricht fundamental demokratischen Grundsätzen und europäischen Grundwerten. Wir for- dern die sofortige Wiederherstellung der staatlichen Souveränität Griechenlands, auch über das eigene Staatsvermögen. Zweitens. Wir halten den Gesamtansatz der Bedin- gungen für Griechenland für völlig verfehlt. Selbstver- ständlich muss Griechenland einen modernen funktio- nierenden Staat aufbauen. Im Mittelpunkt der jetzt vereinbarten Konditionen stehen stattdessen weiterhin der Abbau grundlegender Arbeitnehmerrechte, ein rück- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11401 (A) (C) (D)(B) sichtsloser Sozialabbau und die damit verbundene Ver- elendung weiter Bevölkerungsteile und eine völlig kon- traproduktive Privatisierungspolitik. Die Umsetzung dieser Konzepte wird die Krise weiter verschärfen. Die jetzt in der EU vorgesehenen neuen Kreditlinien sollen einmal mehr fast ausschließlich der Schuldenfinanzie- rung dienen. Sie werden – ähnlich wie bisher – kaum den Menschen zugutekommen und/oder die Wirtschaft ankurbeln. Drittens. Anstatt den Zusammenbruch der bisherigen „Rettungspolitik“ in Griechenland und den Regierungs- wechsel dort für eine Korrektur der gesamten europäi- schen Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik zu nutzen und die Austerität – Spar- und Umverteilungs- politik – zu beenden, gefährden die europäischen Regie- rungen Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa. Weder sind die anderen „Programmländer“ ökonomisch über den Berg, noch ist es die EU als Ganzes. Eine wirk- same Besteuerung der Finanzmärkte – beispielsweise durch die längst versprochene Finanztransaktionsteuer –, von Spitzeneinkommen und großen Vermögen, die Fi- nanzierung der überfälligen öffentlichen Investitionen ohne Abhängigkeit von privatem Kapital, eine europa- weite Ordnung auf den Arbeitsmärkten anstelle des Lohndumpings, die Schaffung sozialer Mindestsiche- rungssysteme sowie eine wirksame Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen, müssen die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit von Politik und Staaten wiederherstellen. Wir fordern die Bundesregierung auf, in den nächsten Wochen und Monaten alles zu unternehmen, um gegen- seitige Verletzungen aufzuarbeiten und die Spaltungsten- denzen in Europa zu bekämpfen. Außerdem ist sicherzu- stellen, dass die Geldkreisläufe unverzüglich wieder in Gang gesetzt und die Grundlagen für eine Stabilisierung und Wachstum der griechischen Wirtschaft geschaffen werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz, Nicole Gohlke, Hubertus Zdebel (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zu- gunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Wir stimmen heute gegen den Antrag der Bundesre- gierung und gegen die Auflagen, die an die ESM-Kre- dite gebunden sind. Statt das eindrucksvolle und demokratische Votum des griechischen Referendums von über 61 Prozent vom 5. Juli zu akzeptieren, haben die europäischen Institutio- nen, angeführt von der deutschen Bundesregierung unter Merkel, Gabriel und Schäuble, unter Androhung des fortgesetzten Aussetzens der Liquidität der griechischen Banken die griechische Regierung unter Ministerpräsi- dent Tsipras gnadenlos erpresst. Stattdessen liegt nun ein „Verhandlungs“-Ergebnis auf dem Tisch, das weder als „Verhandlung“ oder „Eini- gung“, sondern als pure Nötigung und Erpressung zu be- zeichnen ist. Ein Paket, das nochmals in verschärfter Form all das beinhaltet, was bereits in den letzten fünf Jahren die griechische Wirtschaft in die Rezession und die griechi- sche Gesellschaft in Erwerbslosigkeit, massenhafte Ver- armung und in eine humanitäre Krise gestürzt hat. Ein Paket, zu dem die griechische Bevölkerung mit der Wahl von Syriza im Januar dieses Jahres und abermals im Re- ferendum am 5. Juli Nein gesagt hat, darunter: eine Er- höhung der Mehrwertsteuer, weitere Rentenkürzungen, eine massive Deregulierung des Arbeitsmarktes, weitere Privatisierungen, Ausverkauf des Staatseigentums durch die Schaffung eines unabhängigen Privatisierungsfonds, um Schuldendienst und Bankenrettung zu bedienen, un- ter Aufsicht europäischer Organe, die Verweigerung ei- nes Schuldenschnitts und die Rückkehr der alten Troika – Institutionen – in die griechische Politik, die bei jedem Gesetzentwurf in relevanten Bereichen konsultiert wer- den müssen, ohne dass die Öffentlichkeit informiert oder das griechische Parlament befasst wird. Anhebung der Unternehmensteuern, wie von den Institutionen verlangt, nur auf 28 anstatt auf 29 Prozent, keine Sonderabgabe für Unternehmen mit über 500 000 Euro Jahresgewinn, kein Investitionsprogramm in Höhe von 35 Milliarden Euro, stattdessen einen unverbindlichen Hinweis auf be- stehende EU-Investitionstöpfe. Nicht nur, dass diese Maßnahmen die soziale und wirtschaftliche Krise in Griechenland weiter verschär- fen; jede Maßnahme, jedes Gesetz steht nun unter dem Vorbehalt der Institutionen. Das rund 85 Milliarden Euro schwere Griechenland- 3-Kreditpaket wird im Wesentlichen nur dazu dienen, alte Schulden mit neuen Schulden zu bezahlen. „Geret- tet“ wird wieder einmal nicht die Bevölkerung, sondern vor allem Banken. Statt neuer Verschuldungs- und Austeritätspro- gramme braucht Griechenland die Klärung der Schul- denfrage, zum Beispiel durch einen Schuldenschnitt, wie ihn Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hat. Statt einer weiteren Verschleuderung öffentlichen Vermögens durch Privatisierungen braucht es eine Um- verteilung des Reichtums und eine Vermögensabgabe zulasten der Oligarchen. Die harten und erpresserischen Verhandlungen der letzten Wochen haben eines deutlich werden lassen: Ein Europa der „gemeinsamen Werte“, der Solidarität und der Demokratie, das sich die Menschen wünschen, gibt es nicht. Die „Werte“ des gegenwärtigen EU-Europa hei- 11402 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) ßen Aushöhlung der Demokratie, Neoliberalismus und Wettbewerbsfähigkeit unter deutscher Vorherrschaft. Wir nehmen zur Kenntnis, dass in Griechenland in- nerhalb von Syriza, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen darüber diskutiert wird, dass es einen Bruch mit dem Prinzip der von der EU exekutierten Poli- tik der Alternativlosigkeit geben muss. Mit unserem Nein zur Erpressung durch die EU-Insti- tutionen sagen wir Nein zu einem Europa der Mächtigen und der Eliten und stehen an der Seite des Widerstands gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katrin Albsteiger und Dr. Georg Nüßlein (beide CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen – Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsgeset- zes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Unserer festen Überzeugung nach wären das Aus- scheiden Griechenlands aus dem Euro und die Einfüh- rung einer eigenen Währung die einzige Chance, dass Griechenland aus eigener Kraft ökonomisch auf die Beine kommt. Das sieht offenkundig auch der Bundes- finanzminister so, der zu Recht für seine Verhandlungs- leistung gelobt wird. Der sogenannte Grexit muss auf der Tagesordnung bleiben, um irgendwann den histori- schen Fehler der rot-grünen Bundesregierung zu korri- gieren, die Griechenland seinerzeit wider besseres Wis- sen die Aufnahme in den Euro-Raum ermöglicht hat. Jetzt droht uns die Transferunion, die unseres Erach- tens politisch von linken Regierungen in Europa tatsäch- lich intendiert wird. Wer das verhindern will, muss, so paradox das klingen mag, jetzt zustimmen, um nicht die letzte Bastion gegen die Transferunion zu schleifen: die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel. Kön- nen Angela Merkel und Wolfgang Schäuble den Marsch in die Transferunion nicht stoppen, wird der Euro Eu- ropa am Ende nicht einen, sondern trennen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Dr. Christoph Bergner (beide CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen – Stabilitäts- hilfe zugunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Ab- satz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsgeset- zes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Die Euro-Zone bildet eine Stabilitäts- und Verantwor- tungsgemeinschaft. Der Euro als unsere gemeinsame Währung beruht auf klaren Werten und Regeln. Diese sind von allen Mitgliedern einzuhalten. Denn wenn Re- gelverstöße und Regelumgehungen hingenommen wer- den, droht das Fundament dieser Gemeinschaft verloren zu gehen. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone und die Rückkehr zu einer eigenen Währung würden eine Schuldenrestrukturierung ermöglichen und einen Neuanfang für das Land bedeuten. Dass sich die Helleni- sche Republik dazu nicht entschließen kann und dabei von Frankreich, Italien und der EU-Kommission unter- stützt wird, ist bedauerlich. Um eine Spaltung der Euro-Zone zu vermeiden, ha- ben die Euro-Länder einen weitreichenden Reformkurs verabredet. Diese Reformen müssen jetzt nicht nur kon- kret ausgehandelt werden, sondern es muss auch die Frage beantwortet werden, wie die Schuldentragfähig- keit Griechenlands wiederhergestellt werden kann. Ein drittes Hilfsprogramm ist nur sinnvoll, wenn die Rückschläge der vergangenen Monate vermieden wer- den und die griechische Regierung eine völlig neue Ent- schlossenheit zeigt, künftige Programmauflagen auch wirklich umzusetzen. Dies war bisher nicht der Fall. Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt vereinbarte Reformen rückabgewickelt, ohne sie durch neue Refor- men zu ersetzen. Gleichwohl wurden über viele Monate hinweg intensive Gespräche über eine Verständigung ge- führt. Der Euro-Gipfel am 12. Juli 2015 hat dann die Grund- lage für ein mögliches neues Programm gelegt. Der Gip- fel hat gleichzeitig aber völlig zu Recht betont, dass ein Start der Verhandlungen über ein mögliches neues ESM- Programm dem endgültigen Ergebnis nicht vorgreifen kann. Deshalb sollte die Bundesregierung auch für den negativen Ausgang der Verhandlungen ausreichende Vorsorge treffen. Wir stimmen dem Vorschlag der Bundesregierung zur Aufnahme von Verhandlungen über die Gewährung einer Stabilitätshilfe im Rahmen des ESM in der Erwartung zu, dass der von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble eingeschlagene konsequente Kurs weiter umgesetzt wird und gegebenenfalls eine Schuldenrestrukturierung Grie- chenlands außerhalb der Euro-Zone stattfinden kann. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11403 (A) (C) (D)(B) Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen – Stabilitätshilfe zu- gunsten Griechenlands hier: Einholung eines zustimmenden Beschlus- ses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsge- setzes (ESMFinG), der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Vertrages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü- ckenfinanzierung (Tagesordnungspunkt 1 a) Heike Baehrens (SPD): Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Ab- satz 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 1 ESM Finanzierungsge- setz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Ab- satz 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungs- verfahren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Under- standing und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“ Was fehlt? Die soziale Komponente. Soziale Gerech- tigkeit. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Deriva- ten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Menschen aus dem Blick geraten. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizi- nische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mit- telpunkt zu rücken. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. In seiner Begründung geht der Bundesfinanzminister auf die „Reformbereitschaft Griechenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungs- gebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentragfähigkeit Griechen- lands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechenlands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein – die formalen Voraussetzungen. Wir sprechen nach dem ersten Programm und dem zweiten Programm nun vom dritten Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Sisyphos lässt grü- ßen. Deshalb sei zunächst aus Sicht der Geldgeber (selbst-)kritisch angemerkt, dass die Austeritätspolitik – Renten kürzen, Löhne senken, Beamte entlassen, Pri- vatisierung usw. – der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Im ersten Paket fehlte ein Haircut, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt wurden. Deshalb hat die SPD-Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu we- nig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit in Griechenland mit 25 Prozent die höchste Arbeitslosenquote der Euro- päischen Union erreicht hat. In der Euro-Zone ist sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Jugendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro, das sind 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lagen diese noch bei 148 Prozent. Die Inflations- rate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Prozent in 2014. Mehr als die griechische Bevölke- rung haben die Banken und Spekulanten von der Krise profitiert: Drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Peer Steinbrück hat in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2012 erklärt, warum das damals ebenfalls von Kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble verhandelte zweite Griechen- land-Paket „erhebliche Verunsicherung und Zweifel“ auslöse. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er mit vielen seiner damaligen Befürchtungen – abgesehen von seiner Schätzung des Primärüberschusses in 2014 in Griechenland – richtig prognostiziert hat. Und gleich- wohl hat er dem Bundestag empfohlen, zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politischen Interesse Deutschlands ist (La- chen bei Abgeordneten der FDP) und drittens weil es um das Ganze geht. (Zurufe von der FDP: Oh!“ Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfes- ten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Men- schen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir – und sei es nur fahrlässig – eine Renationalisierung unserer Währungen zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte – mit dem Auftauchen von ziemlich unseli- gen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen würden.“ So weit Peer Steinbrück zum zweiten Griechenland- Paket. Müssen wir uns wundern, dass die Programme nicht so funktioniert haben wie gedacht? 11404 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Als Deutschland aufgrund der Finanz- in eine Wirt- schaftskrise geriet, beschloss der Deutsche Bundestag richtigerweise keine Sparpakete, keine Lohnkürzungen, keine Rentenkürzung, keine Ausgabenkürzung des Staa- tes, keine Suppenküchen, keine Privatisierungen. Er be- schloss für Deutschland Konjunkturprogramme: Im No- vember 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Arbeitsplätze“ das erste Konjunkturpaket beschlos- sen: 15 Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Auf- träge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Ja- nuar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Milliar- den Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Si- cherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzar- beitsprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum, Binnennachfrage braucht. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Bundesfinanzministerium verteidigt das zweite Griechenland-Paket ohne Konjunkturprogramm, ohne Modelle wie Kurzarbeit damit, dass mit den in Deutsch- land erfolgreichen Maßnahmen in Griechenland ledig- lich die „schlechten Strukturen“ gefestigt worden wären. Eine echte Hilfe für Griechenland wird nur funktio- nieren, wenn neben der finanzpolitischen Lage die so- ziale Situation der Menschen und die Strukturen der öf- fentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach. Die Konsequen- zen, die daraus zu ziehen sind, bleiben aber äußerst kom- pliziert und komplex. Einen Grexit in dieser Situation zu fördern, verkennt die Komplexität der Lage. Die Folgen eines solchen Vor- schlags für die Menschen in Griechenland, die kein di- ckes Auslandskonto haben, aber auch die Folgen für die Europäische Gemeinschaft, „weil es um das Ganze geht“, werden verschwiegen und „verharmlost“. Kein Gläubiger bekäme einen Euro mehr zurück. Die Alt- schulden stünden weiterhin in Euro an. Kein griechi- sches Unternehmen könnte Betriebs- und Investitions- mittel importieren. Kein Krankenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medikamente leisten. Kein Ar- beitsplatz würde geschaffen. Ausländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Folgen und des Vertrauensver- lustes in den Euro wäre insbesondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass radikale und extreme Kräfte in Europa erstarken. Auch die Griechen müssen etwas – mehr – tun, auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung, an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Eine Mammutaufgabe, denn die großen historisch erklärbaren kulturellen Unterschiede stehen einfachen Lösungen entgegen. Dimosthenis Kourtovik formulierte: „Griechenland ist zu orienta- lisch, um ein europäisches Land zu sein, und zu west- lich, um zum Orient zu gehören.“ Die Zugehörigkeit Griechenlands zum Osmanischen Reich in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert und, wie Heinz Richter be- schreibt, das Muchtar-System, das Millet-System, das Verhältnis der Griechen zum Staat und das System von Gefälligkeiten – Rousfetia – machen es nicht leicht, sich europäischen Standards anzunähern. Jedenfalls funktio- niert das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern nur mit Hilfe und Unterstützung, Verständnis und Verständi- gung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten wieder frei bekommt. Darum müs- sen sich die Griechen wieder kümmern, damit es deut- lich aufwärts gehen kann. Ich stimme dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu, denn: „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sol- len.“ Maik Beermann (CDU/CSU): Im Rahmen der heuti- gen namentlichen Abstimmung werde ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, Drucksache 18/5590, zustimmen. Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getrof- fen. Nach reichlicher Überlegung und Abwägung der Fakten bin ich zu dem Entschluss gekommen, weiteren Verhandlungen eine Chance zu geben. Die Euro-Zone bildet nicht nur einen Wirtschaftsraum, sie ist auch eine Verantwortungsgemeinschaft. Der Euro beruht auf kla- ren, gemeinsamen Werten und Regeln, die von allen Mitgliedern einzuhalten sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanz- minister Schäuble haben nach harten Verhandlungen ein achtbares Verhandlungsergebnis nach diesen Maximen erzielen können. Beide genießen in Europa den höchsten Respekt, weil sie verbindlich und vertrauensvoll arbei- ten. Diese Währung, das Vertrauen, dürfen wir nun durch ein Nein nicht einseitig aufkündigen. Die Erteilung eines Verhandlungsmandates ist dabei kein Blankoscheck für ein drittes Hilfspaket. Weitere Hilfsmaßnahmen für Griechenland sind für mich nur unter folgenden Bedingungen denkbar: Erstens. Vertrauen: Griechenland hat einen immensen Schuldenberg angehäuft und Reformversprechen nicht eingehalten. Ministerpräsident Tsipras, der von sich be- hauptet, ein Papier unterzeichnet zu haben, an das er nicht glaubt, zeigt, dass es ihm an Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein mangelt. Andere europäi- sche Länder wie Spanien, Portugal und Irland haben da- gegen mit erfolgreichen Strukturreformen bewiesen, wie es gehen kann. Dadurch konnten sie den europäischen Rettungsschirm verlassen. Bei Griechenland kann es Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11405 (A) (C) (D)(B) keine Ausnahme geben, sonst würde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Dennoch habe ich die Hoffnung, dass in Griechenland weiterhin Reformen möglich sind. Gerade die letzten zwei, drei Wochen waren ein einschneidendes Erlebnis für Griechenland. Die griechische Bevölkerung hat er- lebt, was es bedeutet, mit einer Kapitalverkehrskontrolle leben zu müssen. Die jetzt im griechischen Parlament verabschiedeten Maßnahmen enthalten zudem halbautomatische Ausga- benkürzungen für den Fall einer drohenden Abweichung von den vereinbarten Haushaltszielen. Damit soll sicher- gestellt werden, dass die Umsetzungsrisiken vereinbarter Haushaltsziele im Verantwortungsbereich Griechenlands bleiben und nicht auf die europäischen Steuerzahler übergewälzt werden. Ich erwarte nun von der griechischen Regierung und Bevölkerung ein klares Bekenntnis zu dem jetzigen Pa- pier und die Vorlage eines Zeitplanes, wann und wie die Reformen umgesetzt werden. Nur so kann verlorenes Vertrauen wiederhergestellt werden. Das Reformpaket muss dafür schrittweise und verbindlich umgesetzt wer- den. Zweitens. Schuldentragfähigkeit: Bereits 2012 erfolgte ein Schuldenschnitt der privaten Gläubiger in Höhe von 100 Milliarden Euro. Stundungen der Schulden und Edi- tierung der fälligen Zinsen folgten. Unter der Führung der linksgerichteten Regierung un- ter Ministerpräsident Tsipras erfolgte eine teilweise Rücknahme früherer Reformen, welche die wirt- schaftliche und finanzielle Lage in Griechenland mas- siv verschärfte. In der Folge kam es zu einer erhebli- chen Verschlechterung der Schuldentragfähigkeit. Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Schulden- stands von fast 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist es zwingend erforderlich, dass im Rahmen der Ver- handlung Maßnahmen und Angebote ausgestaltet wer- den, die zeitnah zu einem signifikanten Anstieg der Wirtschaftsleistung Griechenlands führen. Auch wenn der Treuhandfonds eine sinnvolle Maß- nahme zur Absicherung der neuen Hilfsgelder ist, gibt es heute keine Garantien, die das Volumen von 50 Milliar- den Euro stützen. Bereits 2010 erklärte die damalige griechische Regierung, mit dem Verkauf von Staatsei- gentum 50 Milliarden Euro einnehmen zu wollen. Dies wurde in den folgenden Jahren abermals nicht umge- setzt. Für eine weitere Zustimmung zu neuen Hilfen sind daher Privatisierungsmaßnahmen zwingend erforderlich. Im Vordergrund sollte daher nicht der schnelle Abver- kauf stehen, sondern die langfristige Wertentwicklung. Ein gutes Zeichen ist, dass dieser Fonds zwar unter grie- chischer Verwaltung, aber unter europäischer Kontrolle steht. Drittens. Strukturreformen: Griechenland muss um- gehend und nachhaltig tiefgreifende Strukturreformen einleiten, die das Land wieder auf einen Wachstumspfad führen. Das griechische Parlament hat die geforderten Reformen fristgerecht umgesetzt – das gibt Hoffnung. Nun muss Griechenland eine zweite Serie von Reformen umsetzen, für die der Euro-Gipfel eine Frist bis zum 22. Juli festgelegt hat. Es bleibt zu hoffen, dass Minister- präsident Tsipras diese ebenfalls umsetzt. Denn nach der Ankündigung von Neuwahlen ist zu befürchten, dass die Regierung Tsipras eine Kehrtwende vollzieht, um ihren Wahlerfolg zu sichern. Denn die jetzt vorliegenden Be- schlüsse der Euro-Gruppe sind mit den Wahlverspre- chen, die Tsipras und Syriza zur Übernahme der Regie- rung verholfen haben, nicht in Einklang zu bringen. Dieser Einklang ist für mich jedoch erforderlich, um ein zielführendes sowie erfolgreiches Hilfspaket im Deut- schen Bundestag auf den Weg zu bringen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich unterstütze die auf Drucksache 18/5590 unter Buch- stabe a benannte „Stabilitätshilfe“ in Form eines ESM- Darlehens und das Mandat für die Aushandlung eines MoU, ferner die unter Buchstabe b benannte „Absiche- rung einer Brückenfinanzierung“ aus dem EFSM/EU- Haushalt. Diese beiden Punkte sind auch identisch im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5595 enthalten. Ich enthalte mich beim Antrag der Bundesregierung, Drucksache 18/5590, und stimme für den Antrag der Grünen, Drucksache 18/5595, da ich für die Hilfen an Griechenland und ein sinnvolles Investitions- und Re- formprogramm für Griechenland bin. Aber die konkrete Verhandlungsstrategie der Bundesregierung, insbeson- dere des Bundesministers der Finanzen, hat mein Ver- trauen in die Sinnhaftigkeit des Handelns der Bundesre- gierung verspielt. Wer die Schuldentragfähigkeit Griechenlands errei- chen will, darf nicht durch das fortgesetzte Reden vom Grexit jeden Investor von Griechenland abschrecken. Griechenland braucht Reformen, aber prozyklische Ausgabenkürzungen, fehlende Investitionen im Sinne ei- nes Green New Deal, Privatisierung von Staatsvermögen bis hin zu Bereichen der Daseinsvorsorge sind keine Maßnahmen, die Griechenland aus der Überschuldung befreien. Dieser Bundesregierung traue ich nicht zu, dass sie für Europa, für eine sinnvolle Unterstützung Griechen- lands und für einen solidarischen und wirtschaftlichen Erfolg des Euro-Raumes sorgt. Sie ist Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Daher kann ich ihrem Antrag nicht zustimmen, obwohl ich die Hilfe für Griechenland ausdrücklich befürworte. Im Antrag der Regierung heißt es: „Die Bundesregie- rung sieht nur auf der Grundlage der in diesem Antrag genannten Bedingungen die Voraussetzung als erfüllt an, der Gewährung einer Stabilitätshilfe für Griechenland im Grundsatz zuzustimmen.“ Damit werden alle, auch die kritikwürdigen Teile des Dokumentenkonvolutes Teil des Beschlusses. Diese Konditionierung lehne ich ab als Verhandlungs- grundlage des MoU. 11406 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann dem An- trag für Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands und zur Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung ei- ner Brückenfinanzierung nicht zustimmen. Gegenstand der Verhandlungen ist der Antrag, der Hellenischen Republik nach dem ESM-Vertrag grund- sätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren. Die Maßgaben des ESM-Vertrages werden aber nicht erfüllt. Zum einen ist im Antrag die Summe des Finanzbedarfs – 85 bis 100 Milliarden Euro – nicht genau bestimmt. Des Weiteren ist selbst aus der Begrün- dung zum Antrag erkennbar, dass die wesentlichen Be- dingungen, nach denen Mittel aus dem ESM-Vertrag ge- währt werden können, wie Schuldentragfähigkeit und Systemrelevanz, nicht erfüllt werden. Eine weitere Be- dingung war bisher immer, dass sich der IWF direkt an den Hilfspaketen beteiligt. Dies ist für ein mögliches drittes Hilfspaket nicht gewährleistet. Hier werden also früher verbindlich getroffene Regeln und Vereinbarun- gen nicht eingehalten bzw. „kreativ uminterpretiert“. Das schafft ebenso wenig Vertrauen wie der Zickzack- kurs der griechischen Regierung, ihre verbale Entglei- sungen und die grundsätzliche Abneigung gegen die Re- formforderungen. Der hauptsächlichste Grund meiner Ablehnung aber ist die sogenannte Brückenfinanzierung, die Griechen- land gewährt werden soll, bis das nächste Hilfspaket greifen kann. Diese beziffert sich exakt auf die Summe, die Griechenland durch den vorzeitigen Abbruch des vorherigen Hilfsprogramms verfallen ließ. Statt bilate- rale Kredite zu gewähren, was am Veto Frankreichs scheiterte, werden wiederum über kreative Finanztricks Fonds angezapft, die eigentlich für Hilfen bei Naturkata- strophen für die gesamte EU vorgesehen sind und wozu es aus 2010 einen Beschluss gibt, diese Mittel nie wieder für finanzielle Hilfen einzusetzen. Auch dieser Be- schluss gilt nicht mehr. Im Gegenteil, die EU-Mitglied- staaten, die nicht Euro-Staaten sind, werden nun für mögliche Ausfälle teilweise durch Gegenrechnung von Haushaltsmitteln, was verfassungswidrig sein dürfte, noch zusätzlich abgesichert. Am abenteuerlichsten aber ist in diesem Zusammen- hang die Verflechtung mit der EZB, die erstmals im Vor- griff politischer Entscheidungen die Gewährung von Notkrediten an Griechenland aufstockt, die aus den Ret- tungsschirmen gespeist werden. Das ist der Beweis, dass die EZB nunmehr verbotene Staatsfinanzierung leistet. Damit hat auch dort ein Tabubruch stattgefunden. Europa entfernt sich damit immer mehr von einer Wertegemeinschaft im Sinne einer Rechtsgemeinschaft, ein Paradigmenwechsel von dem Primat des Rechts hin zum Primat der Politik hat stattgefunden – alles ist im- mer und jederzeit verhandel- und austauschbar. Wir sind nicht nur auf dem Weg zu einer Haftungs-, Transfer- und Schuldenunion, wir sind mittendrin in der Spirale. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Radialkräfte das ganze Konstrukt der Währungsunion zersprengen. Peter Beyer (CDU/CSU): Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, Bundestagsdrucksa- che 18/5590, nicht zustimmen. Aus Verantwortung gegenüber den deutschen Staats- bürgern muss ich feststellen, dass die griechische Re- gierung das ihr entgegengebrachte Vertrauen endgültig verspielt hat. Nur durch das ausdrücklich positiv zu be- wertende Verhandlungsgeschick der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, MdB, und des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, MdB, konnte Schlim- meres verhindert werden. Dennoch: Das Geld, für das der deutsche Steuerzahler haftet, wird niemals wieder zurückgezahlt werden. Bereits bei der Entscheidung über die Einräumung ei- ner Verlängerung der Bereitstellungsfrist für Gelder des seinerzeit noch laufenden Hilfsprogramms hatte ich am 27. Februar 2015 gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, GOBT, eine persönliche Erklä- rung abgegeben, in der ich mein damaliges Ja zur Frist- verlängerung, die keine neuen Finanzhilfen bedeuteten, von ernsthaften Reformbemühungen der griechischen Regierung abhängig gemacht hatte. In der Zeit danach hat die griechische Regierung gezeigt, dass sie kein ver- trauenswürdiges Mitglied der Euro-Gruppe ist, ja viel- leicht gar nicht sein will. Jetzt aber darf im europäischen Gemeinschaftsinte- resse die Finanzhilfe nicht fortgesetzt werden. Meine konkrete Befürchtung ist – und das sage ich als Außen- politiker und Vertreter des europäischen Gedankens –, dass ein Ende mit Schrecken vergleichsweise besser ist als ein Schrecken ohne Ende, der sehr sicher mit einem vierten, fünften, sechsten usw. Hilfspaket kommen würde. Jetzt muss Schluss damit sein. Die Europäische Union im Allgemeinen und die euro- päische Währungsunion im Besonderen werden sich dauerhaft nur dann erfolgreich behaupten können, wenn feste Regeln gelten, die die Stabilität sicherstellen. Soll- ten Griechenland Sonderrechte eingeräumt werden, wür- den Forderungen weiterer Euro-Gruppen-Mitglieder nach Sonderregelungen folgen. Wenn die bestehenden Regelungen für Griechenland nicht mehr gelten, werden EU-Mitgliedstaaten auch bei der Frage der Einhaltung der Maastricht-Kriterien und den länderspezifischen Empfehlungen Sonderrechte ein- fordern: Ein Fass ohne Boden. Eine derartige Entwick- lung, die mit dem Interesse der europäischen und deut- schen Steuerzahler nicht zu vereinbaren wäre, muss verhindert werden. Karin Binder (DIE LINKE): Als Linke-Politikerin muss ich dieses sogenannte Hilfspaket für Griechenland ablehnen. Eine Enthaltung würde bedeuten: „Macht ru- hig weiter wie bisher“. Aber genau das darf nicht ge- schehen. Eine Zustimmung zu diesem Kurs der EU hätte zur Folge, dass die sogenannten Institutionen und die neo- liberalen wirtschaftsstarken Industrieländer ihren Kurs – sogar noch bestärkt – weiterfahren. Ein Zitat aus dem Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11407 (A) (C) (D)(B) „Euro Summit“, der Erklärung des Euro-Gipfels in Brüs- sel vom 12. Juli, erklärt einen Teil meiner Befürchtungen und Kritik: „Die [griechische] Regierung muss die Insti- tutionen zu sämtlichen Gesetzentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsul- tation durchgeführt oder das Parlament befasst wird.“ Damit wird die Souveränität des griechischen Staates aufgehoben, ein demokratischer Meinungsbildungspro- zess in der Bevölkerung verhindert und die Rechte des Parlamentes beschnitten. Die Demokratie wird unter die Kontrolle der Institutionen gebracht. Dann hat Frau Merkel ihr Ziel einer „wirtschaftskonformen Demokra- tie“ erreicht. Das würde der Demokratie in allen EU- Ländern den Garaus machen. Das müssen wir verhin- dern. Mit diesem Kurs findet eine Kolonialisierung der schwächeren EU-Länder statt. Griechenland ist erst der Anfang. Mit diesen sogenannten Hilfspaketen und einer neuen „Treuhand“ wird den internationalen Konzernen und Banken zugearbeitet. Die Verpflichtung zur Privatisierung hat für Griechenland denselben Kahlschlag zur Folge, den die ostdeutschen Bundesländer nach der Wende erlebten. Kein Volk kann von blühenden Landschaften leben. Mit Tourismus allein kann auch in Griechenland kein Wirt- schaftssystem aufgebaut werden. Griechenland braucht endlich den Schuldenschnitt (einen Verzicht der Gläubigerbanken auf einen Teil der Schuldenrückzahlung, die über die hohen Zinsen meist schon bezahlt wurden). Griechenland braucht ein Investi- tionsprogramm, um zum Beispiel den Bereich alternativer Energien und andere Wirtschaftszweige auszubauen und damit Einnahmequellen erschließen zu können. Ohne ein solches Programm wäre Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so schnell auf die Beine gekom- men. Griechenland hat damals trotz großer Kriegsschä- den den Schuldenschnitt für Deutschland mitgetragen. Nun soll stattdessen die griechische Regierung die Mehrwertsteuer erhöhen, die Renten weiter kürzen und Massenentlassungen vornehmen, und gleichzeitig soll in kürzester Zeit die gesamte Verwaltung umgebaut werden. Das kann nicht funktionieren. Das ist ein Verarmungspro- gramm. Die Verelendung der Bevölkerung wird damit weiter vorangetrieben. Griechenland wird damit zum Armenhaus Europas. Selbst ein Kapitalist müsste begreifen, dass das kein Ziel sein kann. Wer, bitte schön, soll denn künftig seine Produkte kaufen, wenn die Menschen in Griechenland und vielen anderen Ländern der EU kein Geld mehr in der Tasche haben? Als Linke kann ich nur sagen: Ich bin empört über diese EU-Politik und die Politik, die die Troika Merkel, Schäuble, Gabriel dort betreiben. Wir brauchen ein ver- eintes Europa und die Solidarität mit den Ländern, die noch nicht die wirtschaftliche Stärke und Finanzkraft ha- ben wie Deutschland und andere. Nur ein soziales Eu- ropa hat eine Chance auf Gemeinschaft und eine gute Entwicklung. Deshalb müssen wir als Die Linke im Deutschen Bundestag gegenhalten und mit Nein stimmen. Marco Bülow (SPD): Seit Monaten verhandelt die EU mit der griechischen Regierung über finanzielle Hil- fen für Griechenland. Die jetzt gefundene Lösung halte ich für sehr problematisch. Im Laufe der Verhandlungen ist von beiden Seiten viel Porzellan zerschlagen worden. Es ist enttäuschend, dass die neue griechische Regierung, die von ihren Vor- gängern ein schweres Erbe übernommen hat, weder in der Lage war, die Steuerflucht einzudämmen, noch wirk- lich umfassende Vorschläge zur Haushaltssanierung ein- zubringen. Gleichwohl ist dies alles kein Grund für eine Hetz- kampagne, wie sie in Deutschland von einer Reihe von Medien und Politikern vom Zaun gebrochen wurde. Wurden die Vorgängerregierungen in Griechenland mit Samthandschuhen angefasst, leisteten sich vor allem Unionspolitiker jetzt einen Wettbewerb der Verunglimp- fungen. Aussagen wie: „Der Grieche hat jetzt lange ge- nug genervt“ oder die Grexit-Pläne von Finanzminister Schäuble haben Deutschlands Ansehen geschadet. Das erzielte Ergebnis ist für die Menschen in Grie- chenland – aber auch für ganz Europa – meines Erach- tens die Wahl zwischen Pest und Cholera. Natürlich gibt es wohl keine Lösung, die ohne Risiken und unproble- matisch wäre; es hätte jedoch Alternativen gegeben, über die wir aber nun leider nicht abstimmen werden. So wird das Problem nur verschoben, drohen neue Hilfspa- kete und wird die Volkswirtschaft in Griechenland wei- ter abgewürgt. Wieder mal ist von Alternativlosigkeit die Rede. Auf die wichtigsten Kritikpunkte und Alternativen möchte ich nachfolgend eingehen: Die Austeritätspolitik ist gescheitert. Die Sparpolitik in Griechenland hat zu massiven Wachstumseinbrüchen und zu Elend in der Bevölkerung geführt. Die Schulden- stände wurden dadurch außerdem nach oben getrieben. Viele neoliberale Ökonomen und Politiker haben das lei- der immer noch nicht verstanden. Die Maßnahmen, zu denen etwa Mehrwertsteuererhö- hungen, Rentenkürzungen und eine Arbeitsmarktreform gehören, schaden der griechischen Bevölkerung und ver- größern die Armut. Die Binnennachfrage wird ge- schwächt. Der Sozialstaat in Griechenland wird abge- baut. Zudem bergen die Verhandlungsergebnisse Risiken in Milliardenhöhe für die deutschen Steuerzahler. Der geplante Privatisierungsfonds ist ein Problem. Ei- nen solchen Fonds hat das Land schon seit 2010 einge- richtet, damals bereits als Bedingung und unter Aufsicht der Troika. Bisher wurden nur 4 Milliarden Euro erwirt- schaftet. Experten beziffern das Gesamtpotenzial mögli- cher Privatisierung auf maximal 20 Milliarden Euro, also weit weniger als die anvisierten 50 Milliarden Euro. Die Konsequenzen der Fehleinschätzung mussten in den vergangenen Jahren die griechischen Bürger tragen, da in den Verträgen festgelegt war, dass ausbleibende Priva- 11408 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) tisierungsgewinne von anderen Kürzungsmaßnahmen ausgeglichen werden müssen. Viele Griechen befürch- ten, dass dies wieder passiert und es dann auf Kosten von Arbeitsplätzen oder der Daseinsvorsorge geht. Die angestrebte Treuhandlösung war schon bei der deut- schen Wiedervereinigung keine gute Idee. Die nun beschlossenen Maßnahmen sind insgesamt zweifelhaft. Auch die OECD hat eingeräumt, dass in Griechenland ein Hilfsprogramm angewandt wurde, das falsch war. Das Land hat in den letzten Jahren 25 Pro- zent der Wirtschaftsleistung verloren. Ohne einen Schul- denschnitt kommt Griechenland nicht weiter. Selbst der IWF hat mittlerweile deutlich gemacht, dass die Wirt- schaft mit diesen Programmen stark belastet wird, und schlägt drei Möglichkeiten vor: die Verlängerung der Zeit, in der das Land keine Schulden an die europäischen Partner zurückzahlen muss, von 10 auf 30 Jahre, außer- dem jährliche Transferleistungen an Griechenland und schlicht und einfach einen Schuldenerlass. Nicht nur der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman nimmt an, dass die EU die nationale Souveränität Grie- chenlands zerstört und die Pläne wenig Entlastung brin- gen werden. Es geht hier nicht nur um Geld, sondern um die Demonstration von Macht. Niemand schert aus der neoliberalen Logik aus, die mittlerweile ganz Europa er- griffen hat und zum Hauptelement der EU zu werden droht. Banken werden gerettet, egal was es den Steuer- zahler kostet, egal wer da versagt oder sich bereichert hat. Die zunehmende Ungleichheit gerade auch in Eu- ropa wird nicht nur hingenommen, sondern befördert. Es passt dabei ins Bild, dass andere Grundideale der EU, wie Humanität und Solidarität, auf der Strecke bleiben. Die Flüchtlingspolitik der EU ist so blamabel, dass ich als überzeugter Europäer mich schäme und dies mein Bild von Europa stark belastet. Deutschland ist im Ausland beschädigt worden. Die Erklärung des Euro-Gipfels ist ein brachial durchgesetz- tes Dokument der Bundesregierung: Vom Privatisie- rungsfonds über die Weiterbeteiligung des Internationalen Währungsfonds am Kreditprogramm für Griechenland bis zum antidemokratisch-autoritären Geflecht von Be- dingungen und Auflagen, die Athen erst erfüllen muss, bevor überhaupt über ESM-Gelder verhandelt wird – die Position der Bundesregierung hat sich in den zentralen Punkten durchgesetzt. Die Grexit-Pläne von Minister Schäuble haben Deutschland im Ausland weitestgehend isoliert. Europa ist beschädigt worden. Es scheint so, dass man in Europa nur zu den Bedingungen mitmachen darf, die vor allem von Deutschland diktiert werden, oder man fliegt raus. Das stellt die Grundidee Europas infrage. Es ist immer weniger ein Europa der Demokratie oder der Integration. Das hat übrigens auch die Debatte um die Aufnahme der Flüchtlinge gezeigt. Es ist problematisch, dass die deutsche Regierung in den letzten Tagen vor al- lem mit sehr europaskeptischen, konservativen und rech- ten Regierungen wie der in Dänemark zusammengear- beitet hat und dabei Länder wie Frankreich und Italien, die eine moderateren Weg gewählt hätten, vor den Kopf stößt. Europa wird immer nationaler. Es geht nicht mehr um die Ausweitung der europäischen Demokratie. Nationale Interessen untergraben grundlegende verfassungspoliti- sche Freiheiten. Im Abschlussdokument wird an zahlrei- chen Stellen verlangt, dass gesetzgeberische Entschei- dungen in Athen nur noch nach Absprache mit oder Erlaubnis durch EU-Kommission, Europäische Zentral- bank und Internationalen Währungsfonds getroffen wer- den dürfen. Das Abschlussdokument vom Montagmor- gen verlangt ausdrücklich, dass die Vertreter der Institutionen in Athen wieder ihre Arbeit machen sollen – als eine Art Nebenregierung der Gläubiger. Die Syriza- geführte Koalition hat „alle Gesetzesvorlagen“ in den re- levanten Politikbereichen den Institutionen rechtzeitig vorzulegen, und zwar noch vor der öffentlichen Bera- tung oder bevor sie ins Parlament eingebracht werden. Damit ist die Demokratie tot – am Ende entscheiden Technokraten und nicht mehr die gewählten Volksvertre- ter. Das Argument, dass Deutschland zu viel zahlt, ist nicht stichhaltig. Der Eindruck, der deutsche Steuerzah- ler würde Milliarden in ein marodes System stecken, verdreht die Tatsachen. Deutschland hat Griechenland Geld geliehen – zu höheren Zinssätzen, als es sich selbst Geld leiht. Solange dies so weitergeht und die Schulden bezahlt werden, würde es – so abstrus es klingt – sogar zu einem Geschäft für Deutschland werden. Zudem muss man sich genau ansehen, wo das Geld landet. Der große Teil geht an die Banken und Gläubiger. Von den bis Mitte 2013 nach Griechenland geflossenen knapp 207 Milliarden Euro sind gut 77 Prozent direkt – 58,2 Milliarden für Bankenrekapitalisierung – oder in- direkt – 101,3 Milliarden für Gläubiger des griechischen Staates – an den Finanzsektor geflossen. Für den Staats- haushalt blieb aus den Rettungsprogrammen weniger als ein Viertel. Es gibt wenig frisches Geld, um die griechi- sche Wirtschaft aufzubauen, auch kein Sofortprogramm gegen die humanitäre Katastrophe. Es geht mir weder darum, die desaströse Politik der letzten griechischen Regierungen in Schutz zu nehmen, noch die Verfehlungen zu rechtfertigen, die man leider auch der neuen Regierung vorwerfen muss. Aber die jet- zigen Pläne bleiben dennoch ein Irrweg, und es darf hier nicht um einzelne Parteien oder Personen gehen. Ich habe den Eindruck, dass man ganz gezielt Front gegen Syriza und seine Führung gemacht hat, damit sie von Anfang an schlecht dastehen und solche Bewegungen in anderen Ländern, wie Spanien, dann möglichst keine Chance mehr haben. Dabei drücken sich doch alle um die Frage, wer und welches System den Karren in den Mist gefahren hat, warum Parteien wie Syriza überhaupt so schnell in die Regierungsverantwortung gelangen konnten. Die nächste Debatte wird kommen. Anstatt zukunfts- fähige Lösungen, wie einen Schuldenschnitt oder eine Umschuldung, durchzuführen, wird weiter gewurschtelt mit Krediten und ein paar Reformen. Die griechische Wirtschaft wird nicht aufgebaut, das soziale Gefüge nicht gestärkt, sondern kaputtgemacht. Mit diesen Maß- nahmen wird es schwer, dass Griechenland seine Schul- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11409 (A) (C) (D)(B) den zurückzahlen kann. Dies schwächt im Übrigen mit- telfristig auch die deutsche Wirtschaft, die sehr exportlastig ist. Helmut Schmidt hat schon vor Jahren ein Investi- tionsprogramm für Griechenland gefordert, ein Pro- gramm, „das in seiner Größenordnung, auf die heutige Zeit übertragen, dem damaligen Marshallplan ent- spricht“. Gerade im Energiebereich könnte dies eine Win-win-Situation für beide Seiten werden. Nichts da- von ist geschehen oder steht wenigstens jetzt zur De- batte. Wir müssen uns daran erinnern, dass auch Deutschlands Schulden in den 50er-Jahren gestrichen wurden. Wir hatten ganz andere Schuld auf uns geladen, und uns wurde dennoch geholfen. Gerade wir sollten et- was demütiger und solidarischer sein. Die letzte Rate un- serer Schulden haben wir erst Anfang des Jahres abbe- zahlt. Das griechische Parlament hat sich in einer sehr kon- troversen Debatte mehrheitlich für das dritte Hilfspaket ausgesprochen. Dies wäre ein Grund, auch dafür zu stimmen. Aber welche Wahl hatten sie? Bei aller Abwägung verbietet mir mein Gewissen, der noch mal verschärften Austeritätspolitik zuzustimmen und einen weiteren Spaltpilz für Europa zu pflanzen. Ich würde damit für eine Politik stimmen, die zutiefst mei- nen sozialdemokratischen Grundwerten widerspricht, für die viele europäische Sozialdemokraten jahrzehnte- lang gestritten haben. Am Ende stimme ich nicht gegen ein weiteres Hilfs- paket für Griechenland, sondern gegen ein neoliberales Politikmodell, das das soziale Gefüge in Europa massiv untergräbt. Hier geht es nicht nur um Griechenland, son- dern um die Frage, ob wir ein solidarisches Europa wol- len, in dem man füreinander einsteht und in dem es hauptsächlich um die Menschen, die hier leben, geht. Michael Donth (CDU/CSU): Ich anerkenne die he- rausragende Leistung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Marathonsitzung um weitere Griechenland-Hilfen voll- bracht haben. Beide sind überzeugte Europäer. Es war und ist der richtige Weg, weitere Hilfen nur gegen tief- greifende Reformen zu bewilligen. Die Hilfsprogramme sind nicht zur Dauersubventionierung, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht. Dafür wurden beide von griechi- scher Seite aus aufs Übelste beschimpft, beleidigt und brüskiert. Ich vertraue Angela Merkel und Wolfgang Schäuble und weiß, dass beide für Deutschland, Grie- chenland und Europa das Beste erreichen wollen. Aber ich habe mein Vertrauen in die griechische Re- gierung und ihre Institutionen verloren. Die vergangenen Jahre und insbesondere die letzten fünf Monate, die letz- ten Wochen und Tage haben dies jedem mehr und mehr vor Augen geführt. Angekündigte Reformen und Verspre- chen wurden gar nicht oder kaum erfüllt, ja zum Teil sogar wieder zurückgekommen. Bis zum vergangenen Wochen- ende reihte sich Krisengipfel an Krisengipfel, ohne je- mals auch nur einen konkreten Lösungsansatz zu zeiti- gen. Wieder und wieder wurde Vertrauen gebrochen. Ich habe große Zweifel, ob dies dieses Mal anders sein wird. Die Lösung der griechischen Staatsschulden- krise kann nur aus Griechenland selbst erfolgen. Dazu gehört „Ownership“, dass die griechische Regierung die Reformen zu ihren eigenen macht und aus Überzeugung vertritt und umsetzt. Weitere finanzielle Hilfsprogramme bei beständiger Reformverweigerung helfen weder Grie- chenland noch der Euro-Gruppe und erst recht nicht Eu- ropa. Wir müssen auch an das Ansehen Europas bei den Menschen in Deutschland, im Baltikum oder in anderen Staaten der EU denken. Wir stimmen darüber ab, ein Reformpaket mit Grie- chenland auszuhandeln. Weil ich Angela Merkel und Wolfgang Schäuble vertraue, dass sie für Deutschland, Griechenland und die EU den besten Weg verhandeln werden, will ich ihnen dafür den Rücken stärken und stimme mit Ja. Die letztendliche Entscheidung wird fallen, wenn das Verhandlungsergebnis auf dem Tisch liegt und zur Ab- stimmung steht. Zu diesem Zeitpunkt werde ich noch- mals und sehr sorgfältig abwägen, wie ich abstimmen werde. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Nach reiflicher Überlegung werde ich heute dem Antrag der Bundesre- gierung meine Zustimmung nicht geben können. Für diese Entscheidung sind folgende Gründe ausschlag- gebend: Erstens. Ob die Reformbereitschaft der griechischen Regierung wirklich gegeben ist, halte ich für sehr zwei- felhaft. Zwar hat die Regierung in Athen in dieser Wo- che einige Beschlüsse gefasst, aber die Erfahrung aus der jüngsten Vergangenheit lehrt, dass derlei Beschlüsse im Anschluss wieder außer Kraft gesetzt oder durch das griechische Verfassungsgericht aufgehoben worden sind. Zudem ließ sich bis dato nicht klären, ob es sich bei den in Athen gefassten Beschlüssen tatsächlich um Gesetzes- änderungen oder nur um politische Absichtserklärungen handelte. Die Erfahrung aus den vergangenen fünf Jah- ren zeigt zudem, dass verabschiedeten Gesetzen an- schließend keine Implementierung folgte. Zweitens. Die Voraussetzungen für Hilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, sind nicht gegeben. Artikel 13 des ESM-Vertrages sieht vor, dass die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt und eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten gefährdet sein muss, damit diese Hilfen ausgereicht werden können. Es gibt aus den vergangenen Wochen zahlreiche Erklärungen des Internationalen Währungsfonds, IWF, der Europäi- schen Kommission und auch der Bundesregierung, dass die Euro-Zone in ihrer Gänze nicht gefährdet sei, wenn Griechenland die Euro-Zone verließe. Da sich an den ökonomischen Fakten in Griechenland seither nichts ge- ändert hat, ist nicht einsehbar, weshalb man nun zu einer anderen Beurteilung der Lage kommt. Drittens. Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands ist nicht gegeben. Sie wäre aber Voraussetzung für Hilfen aus dem ESM. Der Antrag der Bundesregierung stellt sogar ausdrücklich fest, dass die Schuldentragfähigkeit 11410 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Griechenlands nicht gegeben sei, markiert aber die Op- tion, dass diese durch Erlöse aus möglichen Privatisie- rungen erreicht werden könne. Die Privatisierungserfolge in Griechenland aus den letzten Jahren sind sehr über- schaubar. Ob die avisierte Summe von 50 Milliarden Euro tatsächlich erreicht werden kann, ist mehr als frag- lich. Wer in einer wirtschaftlich prekären Lage an Ver- käufe denken muss, erzielt in aller Regel Erlöse, die weit unter dem Buchwert liegen. Viertens. Die Beteiligung des IWF an weiteren Ret- tungsmaßnahmen für Griechenland ist bisher immer zu Recht als conditio sine qua non betrachtet worden. Das neue, dritte Rettungspaket sieht die Beteiligung des IWF nur für den Fall vor, dass Griechenland diese beantragt und sie anschließend durch den IWF auch bewilligt wird. Dies aber wiederum steht unter der Kondition, dass Griechenland seine bisherigen Hilfen an den IWF zu- rückerstattet. Fünftens. Auch die Voraussetzungen für Hilfen aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, ESFM, zur sogenannten Brückenfinanzierung sind nicht gegeben. Artikel 122 Absatz 2 AEUV gibt vor: „Ist ein Mitgliedstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder an- deren Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernsthaft bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffen- den Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union gewähren.“ Zwar ist die Lage in Griechenland zweifellos ernst, aber dies hat we- der eine Naturkatastrophe noch andere externe Ereig- nisse zur Ursache. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNNEN): Die Menschen in Griechenland brauchen unsere Unterstüt- zung und die Solidarität aller Europäer. Dazu gehören ein weiteres Kreditpaket und eine Brückenfinanzierung, um das Land vor dem Kollaps zu bewahren. Die von der Euro-Gruppe und maßgeblich durch die Bundesregie- rung gesetzten Rahmenbedingungen sind jedoch der falsche Weg, denn sie schreiben den Misserfolg der weit- gehend ausschließlichen Austeritätspolitik der vergange- nen Jahre in verschärfter Ausgestaltung fort. Ich kann daher heute nicht mit Ja stimmen, sondern werde mich der Stimme enthalten, obwohl ich die Aufnahme von Verhandlungen für weitere Hilfen für Griechenland grundsätzlich für richtig heiße und ausdrücklich unter- stütze. Auch unterstütze ich ein Mandat zur Aufnahme solcher Verhandlungen, was in meiner vorbehaltlosen Zustimmung zu unserem Grünen-Antrag für ein solches Mandat zum Ausdruck kommt. Diese Enthaltung bedeu- tet demnach, dass ich Griechenland unsere Solidarität und Hilfe zusagen und dem Land gleichzeitig Luft zum Atmen lassen möchte. Die Luft und einen möglichen gangbaren Weg haben wir in unserem grünen Antrag do- kumentiert. Griechenland braucht unserer Auffassung nach ein drittes Hilfspaket, eine Brückenfinanzierung und eine Strategie zur Wiederherstellung der Schuldentragfähig- keit. Nach Auffassung des IWF und vieler Ökonomen aus aller Welt ist dazu ein Schuldenschnitt unabdingbar. Diese ehrliche Antwort und eine zielgerechte Lösung verweigern Bundesregierung und Euro-Gruppe jedoch bis zum heutigen Tag. Ein Grexit ist damit nicht gebannt und schafft unnötige Unsicherheit für wirksame, lang- fristige und nachhaltige Investitionen, um Griechenland auf Erholungskurs zu bringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die von der Bundesregierung gesetzten Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen nicht geeignet sind, das Land aus der Krise zu führen. Im Gegenteil: Die um- fangreichen Vorbedingungen zur vollständigen Privati- sierung von Staatsbesitz – insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge –, die Einrichtung eines Treuhandfonds und die Auflage der Abstimmung jeglicher griechischer Gesetzesvorhaben mit der Troika vor jedweder parla- mentarischer Befassung nehmen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union staatliche und demokratische Sou- veränität in einem weit größeren Ausmaß, als bisher ge- kannt, und in einem weit größeren Ausmaß, als wir es derzeit von den Verhandlungen zu TTIP für alle Mit- gliedstaaten der EU befürchten und zu Recht kritisieren. Deshalb kann ich dem Grünen-Antrag für ein Maß- nahmenpaket zustimmen, und deshalb kann der kondi- tionierte Antrag der Bundesregierung meine Zustim- mung nicht erhalten. Den Wunsch zur Aufnahme von Verhandlungen, aber nicht unter diesen vorgelegten Vor- zeichen, drücke ich durch meine Enthaltung zur Vorlage der Bundesregierung aus. Jutta Eckenbach (CDU/CSU): Am 16. Juli 2015 wurde ich im Rahmen der Fraktionssitzung der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion über den Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen „Einholung eines zustimmen- den Beschlusses des Deutschen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG, der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 ESM-Vertrag grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren“ (Bundestagsdrucksache 18/5590) informiert. Diesem Antrag habe ich zuge- stimmt. Nach den mir vorliegenden Informationen waren fol- gende Aspekte für meine Entscheidung ausschlagge- bend: Mit meinem Ja zum Antrag des Bundesministeriums der Finanzen unterstütze ich die intensiven Bemühungen und Verhandlungen des Bundesfinanzministers zu weite- ren Hilfsmaßnahmen für die griechische Finanzwirt- schaft. Die Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Aufnahme von weiteren Verhandlungen bedeutet nicht die gleichzeitige Zustimmung zur Vereinbarung eines er- neuten ESM-Programms. In den vergangenen Monaten ist viel Porzellan zer- schlagen worden. Beginnende Wirtschaftssteigerungen in den letzten Jahren waren erste gute Zeichen für das Greifen von Reformmaßnahmen. Mit der Rücknahme dieser Maßnahmen nach dem Regierungswechsel in Griechenland und den Gesprächsabbrüchen mit den euro- päischen Institutionen wurden diese ersten Erfolge zer- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11411 (A) (C) (D)(B) stört. Mit der Neuaufnahme der Verhandlungen ist nun Griechenland in der Bringschuld, neues Vertrauen in die Verlässlichkeit seiner Vereinbarungen zu schaffen. Das Misstrauen gegenüber der griechischen Regie- rung erachte ich für gerechtfertigt. Nicht nur dass sich 2003/2004 herausstellte, dass die Zahlen für den Euro- Beitritt im Jahr 2001 unrichtig waren, die Tsipras-Regie- rung agierte seit Regierungsbeginn aktiv gegen die EU-Hilfsmaßnahmen, wodurch das Vertrauen erneut sehr stark beschädigt wurde und Vertreter europäischer Institutionen an der Ernsthaftigkeit der griechischen Re- gierung zweifelten. Im Gegensatz zur Abstimmung über die Verlängerung der Stabilitätshilfen im Februar dieses Jahres konnte bislang von den europäischen Verhand- lungsführern glaubhaft dargelegt werden, dass sich die griechische Regierung des Reformbedarfes in Koopera- tion mit der Europäischen Union nun bewusst ist. Während es im Februar 2015 unter anderem um ein Aufweichen der Primärüberschussziele ging, sollen in der jetzigen Ver- handlungsführung wieder konkrete Zielsetzungen erfol- gen. Aus dem Reformvorschlag der griechischen Regie- rung lassen sich dringend erforderliche Maßnahmen entnehmen, die zu begrüßen sind. Meines Erachtens – und damit folge ich der Stellungnahme der europäi- schen Institutionen zu diesen Reformverpflichtungen – sind verbindliche zeitliche und finanzielle Zielgrößen bis zur endgültigen Verabschiedung und Bewilligung des Antrages der hellenischen Regierung festzuschreiben. Bei Nichteinhaltung der oben genannten Ziele sind Sanktionen dringend erforderlich. Darüber hinaus erwarte ich, dass keine Erklärung zu weiteren Hilfsmaß- nahmen abgegeben wird, wenn weiterhin „ernste Beden- ken“ hinsichtlich der Tragfähigkeit der Staatsverschul- dung bestehen. Es hilft den griechischen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort nicht, wenn persönliche Divergenzen dringend notwendige Reformmaßnahmen scheitern lassen und 11 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger wirtschaft- lich sich selbst überlassen werden. Auf Grundlage der mir zur Verfügung gestellten Unterlagen erteile ich der Bundesregierung das Mandat zur Verhandlungsführung mit der Maßgabe, dass die vereinbarten Maßnahmen sei- tens der griechischen Regierung umgesetzt werden. Da- bei ist mir wichtig, dass es sich bei den Maßnahmen nicht nur um parlamentarische Verabschiedungen han- delt, sondern diese Maßnahmen – gebunden an einen fi- nanziellen und zeitlichen Ablaufplan – auch tatsächlich umgesetzt werden. Meine Zustimmung zu einem dritten Hilfspaket werde ich von den genannten konkreten Zielen abhängig machen. Mit den Maßnahmen der europäischen Institutionen soll Griechenland im Euro-Raum gehalten werden. Auf- grund der wirtschaftlichen Verzweigungen und verschie- densten Abhängigkeiten erachte ich dies, zum gegen- wärtigen Zeitpunkt, für notwendig. Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Ich habe bei dem An- trag der Bundesregierung zwei schwerwiegende Beden- ken. Das erste bezieht sich auf die mangelhafte Berück- sichtigung sozialer Belange bei dem Brüsseler Maßnahmenpaket. Viele der bisherigen Reformen waren zu einseitig auf Kürzungen im Sozialbereich und zu we- nig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat mit dazu ge- führt, dass die hohe Arbeitslosigkeit zu den größten grie- chischen Problemen gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet Griechenland die höchste Arbeitslosenquote der Euro- päischen Union. Besonders betroffen sind Jugendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeits- los gemeldet. Als Deutschland in den Jahren ab 2008 aufgrund der Finanzkrise in eine Wirtschaftskrise geriet, beschlossen wir – richtigerweise – keine Sparpakete, keine Lohnkür- zungen, keine Rentenkürzung, keine Ausgabenkürzun- gen des Staates. Wir beschlossen für Deutschland statt- dessen Konjunkturprogramme: Im November 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Arbeits- plätze“ das erste Konjunkturpaket beschlossen: 15 Maß- nahmen, mit denen die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Aufträge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Januar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weiteres umfassendes Maß- nahmenpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Sicherung der Ar- beitsplätze durch ein riesiges Kurzarbeiterprogramm. Deutschland kam gestärkt aus der Krise heraus. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, in den Verhandlungen über ein Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechen- land, die hohe Arbeitslosigkeit, die medizinische Versor- gung und die Altersarmut wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Griechenland braucht dringend Investitionen in die Zukunft. Der EU-Investitionsfonds muss – wie in der Mitteilung der Kommission vom 15. Juli 2015 „Ein Neustart für Arbeitsplätze und Wachstum in Griechen- land“ beschrieben – genutzt werden, um einen Neube- ginn für Wachstum und Arbeitsplätze in Griechenland einzuläuten. Es fällt mir außerdem schwer, dem Antrag der Bun- desregierung zuzustimmen, sofern er sich auf die Erklä- rung des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 stützt. Diese Brüsseler Erklärung erwähnt zwar schon im zweiten Satz die „Eigenverantwortung der griechischen Regie- rung“, stellt sich im Weiteren aber als ein Maßnahme- paket zur völligen politischen Entmündigung des EU- Landes Griechenland dar. Athen kann demnach keinen einzigen Schritt mehr tun ohne das „Einvernehmen“ oder die „Abstimmung“ mit den „Institutionen“. Den Höhepunkt dieser Entmündigung sehe ich in dem Satz: „Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit ange- messenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen ab- stimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird.“ Das ist das Gegenteil von der angeblich gewünschten „Ownership“ und wird dazu führen, dass das gesamte Gipfelpaket in Griechenland als Diktat wahrgenommen wird. Mir bleibt rätselhaft, wie auf dieser Basis der be- klagte tiefe Vertrauensverlust aufgearbeitet werden soll. 11412 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Die Wiederherstellung von Vertrauen bleibt also weiter- hin eine Herausforderung für beide Seiten. Die Gipfeler- klärung vom 12. Juli 2015 belegt, dass die Euro-Länder völlig einseitig auf Kontrolle und tiefe Eingriffe in die Souveränitätsrechte des Partnerlands Griechenland set- zen. Das ist eine belastende Hypothek für die Zukunft. Ich stimme trotz aller Bedenken dem Antrag der Bun- desregierung zu, allein deshalb, weil ich in jedem ande- ren Weg noch viel größere Probleme und Nachteile für die Zukunft Griechenlands und für das Projekt der Euro- päischen Union auf uns zukommen sehe. Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU): Ich stimme dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 1 ESM-Finanzierungsgesetz zu und gebe darüber hinaus folgende persönliche Erklärung ab: Zur Abstimmung steht mit diesem Antrag nicht ein drittes Hilfspaket, dessen Bedingungen, Höhe oder Lauf- zeit, sondern nur, ob die Bundesregierung im ESM- Gouverneursrat durch einen Grundsatzbeschluss gemäß Artikel 13 Absatz 2 ESM-Vertrag den Weg dafür eröff- net, dass die EU-Kommission Verhandlungen über Be- dingungen im Sinne einer wirtschaftlichen Konditionali- tät – Memorandum of Understanding – für eine spätere ESM-Finanzhilfefazilität führen kann. Zwingend not- wendige Strukturreformen in Griechenland sind dabei das Ziel, eine folgende ESM-Finanzhilfefazilität nur eine Konsequenz bei erfolgreicher Umsetzung zu ver- handelnder Reformen. Die bisher geführten Vorverhand- lungen des Bundesfinanzministers und der Bundeskanz- lerin, die zu der Ausgangslage dieser anstehenden Entscheidung geführt haben, sind nach meiner Überzeu- gung eine hinreichende Basis für solche nötigen Refor- men, die Griechenlands Wirtschaft erneut zu Leistungs- fähigkeit führen können. Verlorenes Vertrauen in die politische Klasse Grie- chenlands muss dabei durch eine enge Konditionalität, durch Umsetzungskontrollen und ein enges Monitoring sowie treuhänderische Absicherung kompensiert wer- den. Bei den Verhandlungen über ein diesen Bedingun- gen entsprechendes Memorandum of Understanding und die darin enthaltenen spezifischen wirtschaftspolitischen Konditionalitäten muss und wird der Deutsche Bundes- tag dann in einem zweiten Schritt gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 2 ESM-Vertrag erneut beteiligt werden und kann diesem – je nach Ergebnis der kommenden Ver- handlungen – zustimmen oder es ablehnen. Das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den Vorverhandlungen ins Gespräch gebrachte vorüber- gehende Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro- Raum – Grexit – bis zu einer Verbesserung der wirt- schaftlichen Sachlage wäre auch nach meiner Überzeu- gung die beste Lösung gewesen. Diese steht aufgrund der Ablehnung durch die Regierung Griechenlands bei bestehender Zustimmungsbedürftigkeit derzeit nicht zur Verfügung, bleibt aber als Alternative für den Fall eines Scheiterns der ESM-Verhandlungen offen. Ich stimme einer Aufnahme von Verhandlungen über ein wirtschaftliches Reformpaket als Grundlage einer möglichen konditionalisierten ESM-Finanzhilfefazilität aus der tiefen Überzeugung zu, dass die zur Verfügung stehende Alternative – Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands – zu einem Failing State und einer Ver- elendung der Gesellschaft in Griechenland führen würde und damit der falsche Weg wäre: Ein zahlungsunfähiges Griechenland innerhalb der Euro-Zone wäre für die Eu- ropäische Union und ihre Mitgliedstaaten ebenfalls mit erheblichen Kosten in mehrstelliger Milliardenhöhe ver- bunden. Diese hätten jedoch nur noch den Charakter ei- ner humanitären Hilfe ohne jegliche Expektanz einer Rückzahlung und vor allem ohne die Möglichkeit der notwendigen Konditionalisierung mit erforderlichen Strukturreformen. Alleine die aufgelaufenen ELA-Ver- bindlichkeiten in Höhe von rund 90 Milliarden Euro müssten sofort abgeschrieben werden. Die jetzt ausgehandelten Vorbedingungen zur Auf- nahme von Verhandlungen über ESM-Hilfen setzen zu- dem hinsichtlich der Reformvorgaben, deren tatsächli- che Umsetzung und der Überwachung der Umsetzung einen viel engeren Rahmen als zuvor. Dieser ist Konse- quenz des eingetretenen Vertrauensverlustes und der desaströsen Regierungs- und Verhandlungsführung der amtierenden Syriza-Regierung unter Leitung von Minis- terpräsident Tsipras und ist von dieser zu verantworten. Es ist keine Bevormundung des souveränen griechischen Volkes, weil die Maßnahmen nur mit Zustimmung des griechischen Parlamentes und nicht gegen dessen Willen erfolgen. Ich lasse bei meiner Entscheidung emotionale Ge- sichtspunkte – wie etwa mediale und politische Beglei- tung des Rettungsprozesses in Griechenland oder in Deutschland – außen vor und sehe mich ausschließlich einer pragmatischen Sachentscheidung verpflichtet. Die Verantwortung für künftige Generationen in ei- nem gemeinsamen und friedlichen Europa möchte ich in keinem Moment der kurzfristigen Popularität einer Ab- lehnung opfern. Denn der Frieden in Europa wäre in Ge- fahr, wenn durch eine Ablehnung des zur Entscheidung stehenden Verhandlungsmandates die Spaltung Europas riskiert würde und ein sozialistisches Griechenland mit neuen Partnern durch die bezweckte Veränderung beste- hender Stabilitätsprinzipien der EU nach sozialistischen Vorstellungen weiter europäischen Interessen zuwider- handeln könnte. Die Spaltung Europas zu verhindern und die Europäi- sche Union als Friedensprojekt für künftige Generatio- nen zu sichern, ist unbezahlbar. Deshalb stimme ich dem Antrag zu. Thorsten Frei (CDU/CSU): Die Euro-Zone bildet eine Stabilitäts- und Verantwortungsgemeinschaft. Der Euro als unsere gemeinsame Währung beruht auf klaren Werten und Regeln. Diese sind von allen Mitgliedern einzuhalten. Denn wenn Regelverstöße und Regelumge- hungen hingenommen werden, droht das Fundament dieser Gemeinschaft verloren zu gehen. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone und die Rückkehr zu einer eigenen Währung würden Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11413 (A) (C) (D)(B) eine Schuldenrestrukturierung ermöglichen und einen Neuanfang für das Land bedeuten. Dass sich die Helleni- sche Republik dazu nicht entschließen kann und dabei von Frankreich, Italien und der EU-Kommission unter- stützt wird, ist bedauerlich. Um eine Spaltung der Euro-Zone zu vermeiden, ha- ben die Euro-Länder einen weitreichenden Reformkurs verabredet. Diese Reformen müssen jetzt nicht nur kon- kret ausgehandelt werden, sondern es muss auch die Frage beantwortet werden, wie die Schuldentragfähig- keit Griechenlands wiederhergestellt werden kann. Auch bei diesen Verhandlungen, deren Ergebnis offen ist, müssen alle Optionen in Betracht gezogen werden. Ein drittes Hilfsprogramm ist nur sinnvoll, wenn die Rückschläge der vergangenen Monate vermieden wer- den und die griechische Regierung eine völlig neue Ent- schlossenheit zeigt, künftige Programmauflagen auch wirklich umzusetzen. Dies war bisher nicht der Fall. Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt vereinbarte Reformen rückabgewickelt, ohne sie durch neue Refor- men zu ersetzen. Der Euro-Gipfel am 12. Juli 2015 hat dann die Grund- lage für ein mögliches neues Programm gelegt. Der Gip- fel hat gleichzeitig aber völlig zu Recht betont, dass ein Start der Verhandlungen über ein mögliches neues ESM- Programm dem endgültigen Ergebnis nicht vorgreifen kann. Deshalb sollte die Bundesregierung auch für den negativen Ausgang der Verhandlungen ausreichende Vorsorge treffen. Ich stimme dem Vorschlag der Bundesregierung zur Aufnahme von Verhandlungen über die Gewährung ei- ner Stabilitätshilfe im Rahmen des ESM in der Erwar- tung zu, dass der von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble eingeschlagene konsequente Kurs weiter um- gesetzt wird und gegebenenfalls eine Schuldenrestruktu- rierung Griechenlands außerhalb der Euro-Zone stattfin- den kann. Michael Frieser (CDU/CSU): Die Voraussetzungen für die heute zur Abstimmung gestellte Aufnahme weite- rer Verhandlungen mit der griechischen Regierung über ein drittes Hilfsprogramm nach Artikel 13 ESM-Vertrag sind nicht erfüllt. Die zwei wichtigsten Kriterien – Sys- temrelevanz und Schuldentragfähigkeit des Landes – sind nicht gegeben. Ein weiteres Hilfsprogramm kann nicht im Sinne des griechischen Volkes sein, das bei dem nationalen Refe- rendum Anfang dieses Monats eindeutig mit Nein ge- stimmt hat. Wir können ihnen kein weiteres Hilfspro- gramm und damit verbundene Reformen aufzwingen. Darüber hinaus zeigt sich, dass die griechische Regie- rung zu schwach ist, um die nötigen Reformvorhaben umzusetzen. Die vergangenen sieben Jahre haben keine befriedigenden Reformen gebracht. Ich habe wenig Grund zur Annahme, dass dies nun ausgerechnet dieser Regierung gelingen sollte. Ein auf Dauer stabiler Euro setzt voraus, dass seine Mitgliedsländer die festgelegten Regeln einhalten. Mit der Bewilligung eines dritten Hilfspakets droht das Ge- genteil, die Verträge werden aufgeweicht. Ein weiteres Hilfsprogramm zu gewähren, würde be- deuten, der Insolvenzverschleppung weiteren Vorschub zu leisten. Leider wurde in der Vergangenheit die Gele- genheit verpasst, über eine neue Insolvenzordnung für die Abwicklung von Währungen in Mitgliedsländern zu sprechen. Die sinnvolle Alternative zu einem dritten Hilfspaket besteht nur in einem direkten Engagement der Europäi- schen Union zur Förderung der griechischen Wirtschaft, begleitet von humanitärer Hilfe zur Abwendung der Not- lage des griechischen Volkes. Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich deshalb der Aufnahme von Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik (Drucksache 18/5590) nicht zustimmen. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Die Euro-Zone bil- det eine Stabilitäts- und Verantwortungsgemeinschaft. Der Euro beruht auf klaren gemeinsamen Werten und Regeln. Vereinbarte Regeln sind von allen Mitgliedern unmissverständlich einzuhalten. Denn wenn Regelver- stöße und -umgehungen hingenommen werden, droht diese Werte- und Rechtsgemeinschaft verloren zu gehen. Für die Akzeptanz der europäischen Idee wäre das eine große Gefahr. Das Fundament eines nach außen und innen stabilen Euro muss bewahrt sowie gestärkt werden und darf nicht erschüttert werden. Weitere Hilfsmaßnahmen für Griechenland sind für mich nur noch unter engen Voraussetzungen und strikten Bedingungen denkbar. Ich werde den Hilfen bzw. einem Memorandum of Understanding am Ende nur dann zu- stimmen, wenn alle Bedingungen erfüllt sind. Die Stabilitätshilfen dürfen nur gewährt werden, „wenn dies unabdingbar ist, um die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt und seiner Mitgliedstaaten zu wahren“ (§ 2 ESM-Finanzierungsgesetz auf Basis von Artikel 13 ESM-Vertrag). Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands muss ohne einen Haircut bzw. Schuldenschnitt gewährleistet sein und von allen drei Institutionen, speziell auch dem IWF – der diese bisher klar anzweifelt – bestätigt werden. An- derenfalls muss eine Restrukturierung der Schulden Griechenlands außerhalb des Euro verfolgt werden. Griechenland muss die vereinbarten Strukturreformen umgehend, entschlossen und vor allem auch mit eigener Überzeugung („full ownership“) angehen, nicht nur ins Gesetzblatt schreiben, sondern dann auch über die ge- samte Programmlaufzeit konsequent umsetzen. Denn nur so ist das Land auch im eigenen Interesse wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Die Hilfen dürfen nur Hilfen zur Selbsthilfe sein und müssen auf das Notwendige beschränkt sein. Denn nur 11414 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) wer bereit ist, selbst Verantwortung zu übernehmen, kann mit der Solidarität der Partner rechnen. Der Weg von Reformen ist notwendig und richtig. Portugal, Spanien und Irland haben nach erfolgreichen Strukturreformen den Europäischen Rettungsschirm ver- lassen und überzeugen mit Wirtschafts- und Beschäfti- gungswachstum. Die mittel- und osteuropäischen Län- der, aber auch etwa Italien und Frankreich haben ihre Volkswirtschaften durch Reformen gestärkt. Griechen- land muss hieran konsequent anknüpfen und durch Re- formen im eigenen Land wettbewerbsfähig werden. Hierbei werden wir Griechenland unterstützen. Wenn die vorgenannten Bedingungen nicht klar er- füllt sind, werde ich einer Hilfe zugunsten der Helleni- schen Republik aus dem ESM bei der endgültigen Be- schlussfassung nicht zustimmen. Alexander Funk (CDU/CSU): Der vorliegende An- trag, mit dem die Bundesregierung ermächtigt werden soll, Verhandlungen zur Umsetzung eines dritten Grie- chenland-Paketes zu führen, ist Nachweis des vollständi- gen Scheiterns des seit Mai 2010 eingeschlagenen We- ges. Dieses Scheitern ist sowohl ökonomisch, rechtlich als auch europapolitisch offensichtlich und wird selbst von den handelnden und verantwortlichen Akteuren in Griechenland, aber auch in den beteiligten Ländern der Euro-Zone selbst nicht mehr geleugnet. Ökonomisch hat sich weder die Schuldentragfähig- keit Griechenlands – eigentlich Conditio sine qua non – der sogenannten Rettungspakete verbessert, noch zeigen sich deutliche Zeichen einer nachhaltigen Konsolidie- rung der griechischen Volkswirtschaft. Wie schon im Mai 2010 ist festzustellen: Griechenland ist nicht vo- rübergehend illiquide, sondern insolvent. Trotz verbes- serter Kreditkonditionen, den Entlastungswirkungen des PSI-Schuldenschnitts und den Stützungsmaßnahmen übertrifft die griechische Staatsverschuldung mit 320 Mil- liarden Euro das Bruttoinlandsprodukt um über 175 Pro- zent. Fünf Jahre nach Beginn der Bürgschaftspolitik sind die Hälfte aller jungen Griechen arbeitslos, die klein- und mittelständisch geprägte griechische Wirtschaft ist nach wie vor nicht wettbewerbsfähig und der griechische Bankensektor nur durch die zum dauerhaften Transferin- strument gewordenen „Not“-Kredite, ELA, der EZB zu stabilisieren. Schon 2011 vor der Beschlussfassung zu neuerlichen Griechenland-Bürgschaften stellte die Troika aus EZB, Kommission und IWF „deutliche politische Risiken so- wie Probleme hinsichtlich der Verwaltungskapazität“ fest und konstatierte, dass die „Umsetzung der Reformen in den letzten Quartalen zum Stillstand“ gekommen ist. Ich stelle – auch vor dem Hintergrund der vom grie- chischen Parlament gegen die erklärte Überzeugung der Regierung Tsipras und gegen eine klare Mehrheit des griechischen Volkes beschlossenen Vorableistungen – fest: Aus den 2011 genannten Quartalen sind Jahre ge- worden, in denen unter Zustimmung und Billigung der Kontrollinstanzen immer weitere Kredittranchen bewil- ligt worden sind, ohne dass substanzielle Konsolidie- rungs- und Reformfortschritte vorliegen. Um nichts an- deres als um ein Mandat zur Verlängerung dieses für Griechenland und für Europa grundfalschen Weges er- sucht die Bundesregierung. Die Strategie der „strikten Konditionalität“ war in ih- rem Anfang zu optimistisch, in ihrer wirklichkeitsblin- den bedingungslosen Fortsetzung naiv. Sie wird nun an ihrem Ende zur Farce, bei der die eine Seite vorgibt, jetzt zu reformieren, und die andere Seite vorgibt, dies auch zu glauben. Rechtlich hat die bisherige Politik eine Kaskade von höchst bedenklichen Umgehungen der Vereinbarungen ausgelöst, die unser gemeinsames Handeln als Euro-Mit- glieder fundamental prägen: Der Aushebelung des Bail- out-Verbotes nach AEUV, Artikel 125, das die Schulden- haftung für andere Mitgliedsländer verbot, folgte die Überdehnung des EZB-Mandats, die durch den Ankauf von Staatspapieren zum Financier der Krisenländer ge- worden ist. Ich stelle weiterhin fest, dass selbst die im Zuge die- ser verfehlten Politik vertraglich kodifizierten Verfahren bei Bedarf umgangen oder schlichtweg ignoriert werden: Von einer Gefährdung der Finanzstabilität des Euro- Währungsgebietes und seiner Mitgliedstaaten insgesamt, die Bedingung für Anträge beim ESM ist, kann ebenso wenig gesprochen werden wie von der Tragfähigkeit der griechischen Schuldenlast. Unser gemeinsames europäisches Projekt droht im Zuge des eingeschlagenen Weges nachhaltige und irre- parable Schäden zu nehmen. Aus Partnern und Freunden mit gemeinsamen Zielen und Werten drohen Konkurren- ten und Antagonisten zu werden. Unserem Land und sei- nen Akteuren wird dabei die Rolle des Zuchtmeisters, Besserwissers oder gar Erpressers inzwischen sogar von offizieller Seite aus zugewiesen. Dies sagt nicht nur viel über die handelnden Akteure und die Ernsthaftigkeit ih- rer Zusagen aus, sondern wirft ein erschreckendes Schlaglicht auf den Zustand unseres heutigen Europas. Diese Entwicklung ist direkte Folge des eingeschlagenen Weges und wird sich nach meiner festen Überzeugung immer weiter verschärfen. Die Schmähung Deutsch- lands und seiner Entscheidungsträger wird künftig zum Grundtenor der Europapolitik, die sich auf verbindliche Zusagen beruft. Nur eine Rückkehr zu geltendem Recht und zu den geltenden EU-Verträgen kann mittel- und langfristig für eine Rückkehr des Vertrauens untereinander, aber auch für eine Rückkehr des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa in die Sinnhaftigkeit und Zu- kunftsfähigkeit der europäischen Zusammenarbeit füh- ren. Ich lehne es daher ab, die Bundesregierung zu er- mächtigen, Verhandlungen über die Aufnahme Grie- chenlands in das ESM-Programm zu führen. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Europäische Union und ihre Vorgängerorga- nisationen haben in den letzten Jahrzehnten zu einem dauerhaften Frieden und einem deutlichen Anwachsen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11415 (A) (C) (D)(B) des Wohlstandes in allen Ländern der EU geführt. Es muss das Ziel der Politik im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger sein, diese positive Entwicklung in Europa zu sichern und weiter auszubauen. Dazu gehört auch eine nachhaltige Lösung der aktuellen Schuldenkrise in der EU und insbesondere in Griechenland. Griechenland hat seit 2010 die finanzielle Unterstüt- zung der EU, um bei einem schon seit Aufnahme in die Euro-Gruppe 2003 stark defizitären Haushalt und einem damit verbundenen starken Anstieg der Staatsschulden eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Ziel war es, Griechenland in der EU und in der Euro-Zone zu halten und dabei eine langfristig tragfähige Lösung zu finden. Mit zwei Rettungspaketen wurden die Zahlungsfähigkeit Griechenlands wiederhergestellt und durch umfangrei- che Auflagen die Ausgaben des Staates vermindert. In 2014 konnte so ein Primärüberschuss im Haushalt in Griechenland erreicht werden. Gleichzeitig verminderte sich aber die Wirtschaftsleistung um rund 25 Prozent mit dramatischen negativen Effekten auf Beschäftigung, Ge- sundheitsversorgung und soziale Leistungen. Wichtige strukturelle Änderungen wurden nicht ausreichend oder gar nicht umgesetzt – so zum Beispiel im sozialen Be- reich oder in der staatlichen Verwaltung, etwa bei den Themen Steuererhebung oder Katasterwesen. Damit wa- ren die bisherigen Rettungspakete nicht nachhaltig und langfristig wirkend. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in der Vergangenheit müssen die Anstrengungen der griechi- schen Politik auf strukturelle Veränderungen gestärkt und Investitionen für eine bessere wirtschaftliche Ent- wicklung im Land ermöglicht werden. Der Deutsche Bundestag soll mit der heutigen Ab- stimmung ein Verhandlungsmandat zu einem dritten Rettungspaket der Bundesregierung erteilen. Es ist wich- tig, dass weiter verhandelt wird. Es wird aber entschei- dend für einen Erfolg des dritten Rettungspaketes sein, die Schwächen der bisherigen Vereinbarungen zu ver- meiden. Einen solchen Auftrag an die Bundesregierung hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag auf Drucksache 18/5595 formuliert. Nur mit strukturel- len Veränderungen in Griechenland und einer begleiten- den Stärkung verbindlicher Regelungen zu einer euro- päischen Haushalts- und Wirtschaftspolitik kann und wird das dritte Rettungspaket für Griechenland Erfolg haben. Das vorgeschlagene Verhandlungsmandat führt aber die bisherige Rettungspolitik fort, die bisher nicht zu ei- ner nachhaltigen Gesundung Griechenlands geführt hat. Außerdem werden die Verhandlungen von Äußerungen des Finanzministers, der Kanzlerin und des Vizekanzlers begleitet, die einen Austritts Griechenlands aus dem Euro explizit nicht ausschließen, sondern sogar präferie- ren. Diese Verhandlungsführung der Bundesregierung lehne ich ab, denn sie schafft erneut Gräben in Europa. Deshalb enthalte ich mich heute bei der Abstimmung über das vorgelegte Verhandlungsmandat. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unseren europäischen Partnern über eine langfristig tragfähige, also nachhaltige Lösung für Griechenland verhandeln müssen. Das kann aber nur mit einem klaren Verhandlungsmandat zu strukturellen Veränderungen und zur Minderung der sozialen Schief- lage in Griechenland und gleichzeitigen Initiativen zu ei- ner verstärkten europäischen Zusammenarbeit erfolgen. Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Die heutige Ent- scheidung ist außerordentlich schwierig. Es gibt mehr als nur eine nachvollziehbare Antwort auf die Frage, ob Griechenland ein weiteres Hilfsprogramm erhalten soll oder nicht. Ich bin mir bewusst, dass beide denkbaren Wege mit erheblichen Risiken verbunden sind. Ausdrücklich möchte ich meinen Respekt vor der gu- ten Verhandlungsführung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und des Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble zum Ausdruck bringen. Die Entscheidung über ein Ja oder ein Nein zu Ver- handlungen über ein weiteres Hilfsprogramm für Grie- chenland ist für mich die schwierigste Entscheidung in meinem bisherigen politischen Leben. Nach Abwägung der unterschiedlichen Argumente stimme ich dennoch mit Nein. Warum? Im Kern gibt es drei Gründe: Erstens. Es entspricht nicht meiner Vorstellung, dass wir für die Staatsschulden anderer Länder dauerhaft ein- stehen. Finanzielle Hilfen müssen die zeitlich begrenzte Ausnahme bleiben, um Gefahren für die Euro-Zone ab- zuwehren. Dabei muss das Prinzip der bisherigen Hilfe – dass es nur eine konditionierte Finanzhilfe geben kann – weiterbestehen. Wer also für eine begrenzte Zeit finanzielle Hilfe erhält, muss Maßnahmen ergreifen, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Wer zu hohe Schulden macht, kommt um Anpassungen nicht umhin. Vor diesem Hintergrund hatte ich daher im Zusam- menhang mit der Abstimmung im Februar dieses Jahres folgendes erklärt: „In den kommenden Wochen hat es Griechenland – bzw. die dort gewählten Volksvertreter – in der Hand, den künftigen Weg des Landes zu bestim- men. Entweder Griechenland betreibt eine Politik, die ernsthaft darauf abzielt, den Haushalt in Ordnung zu bringen, oder das Land muss auf weitere deutsche Fi- nanzhilfen verzichten.“ Heute ist festzustellen, dass Griechenland den Haus- halt nicht in Ordnung gebracht hat. Im Gegenteil: Es bleibt die Frage, ob wir darauf vertrauen können, dass die griechische Regierung in Zukunft einen nachhaltigen Weg der Konsolidierung einschlagen wird. Meine Ant- wort fällt skeptisch aus. Die griechischen Regierenden konnten mit ihrem bisherigen Verhalten kein neues Ver- trauen aufbauen. Ein ehrlicher Wille der griechischen Regierenden zu strukturellen Reformen, die das Land modernisieren und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltskonsolidierung führen, ist nicht zu erkennen. Ohne diesen Willen wird sich das Land jedoch kaum entscheidend verändern lassen. Zweitens. Wesentliche Voraussetzung für Finanzhil- fen ist die Schuldentragfähigkeit eines Landes. Nach heu- tigem Kenntnisstand ist jedoch anzunehmen, dass Grie- chenland nicht in der Lage sein wird, seine Schulden 11416 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) zurückzuzahlen. Vor diesem Hintergrund ist es kaum zu rechtfertigen, weitere zusätzliche Kredite zu geben. Drittens. Welche Auswirkungen hat ein Nein oder ein Ja zu einem weiteren Hilfsprogramm auf die Zukunft der Währungsunion und den weiteren europäischen Integra- tionsprozess? Erneute Finanzhilfen für Griechenland werden das Vertrauen in die Regeln zur Währungsunion eher schwächen. Das Fundament für einen stabilen Euro wird untergraben. Die Anreize, die von weiteren Finanz- hilfen für Griechenland auf andere Staaten ausgehen, zielen nicht auf solide Haushaltsführung. Weitere Finanzhilfen werden auch nicht die Zustim- mung der Bürger zur europäischen Integration erhöhen. Und auch deswegen sage ich als überzeugter Europäer Nein zu einem dritten Hilfsprogramm. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Nicht in meinem Namen und nicht mit meiner Stimme. Erstens. Ich habe mit Nein gestimmt, weil die Ge- setze, die dem griechischen Parlament aufgezwungen wurden, keinerlei Züge eines Kompromisses tragen, son- dern Erpressung und Wirtschaftskrieg sind. Das Ergeb- nis ist nicht Selbstbestimmung der Menschen in Grie- chenland, sondern Fremdbestimmung. Dem kann und will ich nicht zustimmen und erkläre deshalb: Nicht mit meiner Stimme, nicht in meinem Namen. Zweitens. Ich habe mit Nein gestimmt, weil die von der Euro-Gruppe diktatorisch verlangten Maßnahmen die Notlagen der Menschen in Griechenland nicht behe- ben, sondern verstärken und die Wirtschaft strangulie- ren. Nicht mit meiner Stimme, nicht in meinem Namen. Drittens. Ich habe mit Nein gestimmt aus Respekt vor dem griechischen Referendum und seinem Ergebnis. Der herabwürdigende Umgang der europäischen Regierun- gen, namentlich der deutschen, mit der Volksabstim- mung, zeigt: Sie wollen weiterhin ihre Entscheidungen in den Hinterzimmern der Macht treffen. Nicht mit mei- ner Stimme und nicht in meinem Namen. Viertens. Ich habe mit Nein gestimmt, um mich deut- lich von der Verhandlungsführung der Euro-Gruppe und besonders des deutschen Finanzministers abzugrenzen. Die Methode „Friss oder stirb“ hat mit Respekt und De- mokratie nichts, rein gar nichts zu tun. Deshalb: Nicht mit meiner Stimme, nicht in meinem Namen. Fünftens. Ich habe mit Nein gestimmt, weil ich den Putsch der Troika gegen die Tsipras-Regierung nicht bil- ligen kann und will. Jetzt wird die EU zum Mittel des Regime Change und zur Warnung an alle Wählerinnen und Wähler in Ländern der Europäischen Union: Wer links wählt, wer aufmuckt, wird bestraft. Nicht mit mei- ner Stimme und nicht in meinem Namen. Sechstens. Ich habe mit Nein gestimmt, um in Deutschland und Europa Alternativen zur neoliberalen Zerstörung des Sozialen und Demokratischen wachzu- halten. Es wird viel über Vertrauen gesprochen. Wer die Agenda 2010 verantwortet, verdient kein Vertrauen. Die Bundesregierung will mit dem Diktat von Brüssel die Agenda 2010 und die Herrschaft der Banken über die Politik zum Maß für Europa machen. Nicht mit meiner Stimme, nicht in meinem Namen. Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde der „Erteilung eines Mandats für Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik“ auf Drucksache 18/5590 nicht zustimmen. Begründung: Nach zwei gescheiterten Rettungsversu- chen für Griechenland, die im Wesentlichen alte Schul- den mit neuen Krediten tilgten, wird ein drittes Pro- gramm nach der gleichen Methode nicht erfolgreicher sein können. Hier zeigt sich sehr klar das Grundproblem des Euro. Eine gemeinsame Währung erfordert eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das bedeutet einen Fi- nanzausgleich ohne Rückzahlungspflicht, wie er zwi- schen deutschen Bundesländern besteht. Das müssen wir unserer Bevölkerung dann aber offen sagen! Solange der Euro ein Währungsverbund wirtschafts- autonomer Mitgliedstaaten bleibt, muss die Möglichkeit bestehen, große ökonomische Unterschiede auch mit- hilfe des zeitweisen Umstiegs auf eine Regionalwährung zu überbrücken. Mit dem traditionellen Mittel der Wäh- rungskorrektur kann Griechenland seine Überschuldung abbauen und anschließend mit einem neuen Ausgangs- wert wieder in den Euro einsteigen. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag für eine begleitete Unterbrechung der Euro-Zugehörigkeit. Während dieser Zeit stehen Grie- chenland alle Investitionsprogramme und sozialen Ge- meinschaftshilfen der EU offen. Sie kommen der grie- chischen Bevölkerung und ihrer Volkswirtschaft im Gegensatz zu den bisherigen Umschuldungsprogram- men tatsächlich und unmittelbar zugute. Der Kompromiss der Staats- und Regierungschefs vom 13. Juli 2015 ist auch deswegen auf Sand gebaut, weil die erwarteten Privatisierungserlöse dieser Notver- käufe nicht zu erzielen sind. Schon beim zweiten Hilfs- programm wurden 50 Milliarden Euro aus Privatisierun- gen angesetzt, eingegangen sind aber nur 2,6 Milliarden Euro. Ich kann auch nicht akzeptieren, dass jetzt die Pri- vatisierung des Trinkwassers verlangt wird, die wir in Deutschland strikt ablehnen. Ich hoffe sehr, dass die Diskussion um Griechenland nun endlich die notwendige Richtungsentscheidung über den Charakter der Europäischen Union und eine wirk- same Regulierung der Finanzmärkte mit der Einführung der Finanztransaktionsteuer voranbringt. Letztlich haben die aufgeblähten Schuldenstände ihre Ursache im über- bordenden Finanzsektor, der inzwischen das 90-fache Volumen der weltweiten Realwirtschaft erreicht hat. Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU): An meiner grundsätzlichen Einschätzung der Politik des griechi- schen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und seiner Re- gierung hat sich seit meiner persönlichen Erklärung vom 27. Februar 2015 nichts geändert. Über Monate wurde zwischen Europäischer Zentralbank, EZB, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds, IWF, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11417 (A) (C) (D)(B) auf der einen Seite und der griechischen Regierung auf der anderen Seite verhandelt. Erklärtes Ziel der europäi- schen Partner war und ist es, Griechenland dabei zu hel- fen, in der Euro-Zone und in der Europäischen Union zu bleiben. Die Anstrengungen hierzu können und müssen jedoch von der griechischen Regierung ausgehen. Diese zeigte sich allerdings in höchstem Maße unkooperativ. Sitzung um Sitzung traten die Euro-Finanzminister in Brüssel zusammen, der damalige griechische Finanz- minister Yanis Varoufakis sah sich jedoch außerstande, die zur Fortführung der Verhandlungen so dringend be- nötigten Reformvorschläge seiner Regierung vorzule- gen. Schließlich erarbeiteten Europäische Kommission, EZB und IWF ein gemeinsames Papier, in dem die aus ihrer Sicht notwendigen Strukturreformen nicht nur be- schrieben, sondern auch mit einem Zeitplan zur Umset- zung versehen wurden. Dieses sogenannte Aide- Mémoire wurde flankiert von einem 35-Milliarden- Euro-Investitionspaket, das vonseiten der Europäischen Kommission zur Unterstützung der griechischen Wirt- schaft bereitgestellt werden sollte. Mit seiner Ankündigung, zu dem eben beschriebenen Vorschlag der drei Institutionen ein Referendum abhal- ten zu wollen, überraschte Ministerpräsident Alexis Tsipras nicht nur seine Landsleute, sondern auch seine europäischen Partner. Dies ist umso bemerkenswerter, als er noch wenige Stunden vor Verkündung seiner Ent- scheidung an der Sitzung der EU-Staats- und Regie- rungschefs teilnahm. Nun mag man zu der Einschätzung gelangen, ein solches Referendum sei ein Akt direkter Demokratie. Meiner Ansicht nach hat sich Alexis Tsipras mit seiner Regierung jedoch nur aus der Verant- wortung für alle künftigen Entwicklungen gestohlen. Zudem wurde der griechischen Bevölkerung eine Frage vorgelegt, die sich zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht mehr stellte. Das Aide-Mémoire bezog sich auf die Möglichkeit einer Verlängerung des Griechenland-II-Pa- kets aus dem Jahr 2010. Dieses Hilfsprogramm lief je- doch am 30. Juni 2015 um 24 Uhr aus – dies war allen politischen Entscheidungsträgern bekannt. Auch das strikte Eintreten von Alexis Tsipras und seiner Regie- rung für eine Ablehnung der Reformvorschläge hat die Vertrauensbasis weiter stark erodieren lassen. Das Er- gebnis des Referendums ist bekannt. Mit rund 61 Pro- zent der abgegebenen Stimmen lehnte die griechische Bevölkerung das Angebot der drei Institutionen ab. Als Demokratin nehme ich dieses Ergebnis zur Kenntnis und respektiere es. Ein nicht hinzunehmender Akt war jedoch die Be- hauptung des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis im Vorfeld der Abstimmung, die Ar- beit von EZB, Europäischer Kommission und IWF sei „Terrorismus“. Dieser Behauptung hat sein Ministerprä- sident Alexis Tsipras nie öffentlich widersprochen. Im Gegenteil: Im Zuge einer Regierungserklärung vor dem griechischen Parlament schrieb er dem Internationalen Währungsfonds eine „kriminelle Verantwortung für (die) heutige Lage“ zu. Dies ist in meinen Augen kein Um- gang zwischen Demokraten, und es ist erst recht kein Umgang zwischen internationalen Partnern. Dieser Um- stand wirft jedoch ein bezeichnendes Licht auf die Ge- dankengänge innerhalb einer Regierung, die von Ultra- rechten und Ultralinken gemeinsam getragen wird. Die griechische Regierung hat zwischenzeitlich ein Darlehen in Höhe von 53,5 Milliarden Euro über drei Jahre beim Europäischen Stabilisierungsmechanismus, ESM, beantragt. Der tatsächliche Finanzbedarf liegt je- doch deutlich höher. Dem Antrag beigefügt war unter anderem eine Liste von Sofortmaßnahmen, die im Falle einer Darlehensgewährung durch das griechische Parla- ment umzusetzen wären. Diese Liste ist nahezu identisch mit dem von den drei Institutionen vorgelegten Aide- Mémoire – also dem Vorschlag, der im Rahmen des Re- ferendums abgelehnt wurde. Ich weise jedoch ausdrück- lich darauf hin, dass die darin von den Institutionen vor- geschlagenen Maßnahmen ausschließlich auf einer mehrmonatigen Verlängerung des Griechenland-II-Pa- kets beruhten. Mit einem neuen Hilfsprogramm, das über mehrere Jahre angelegt ist, stehen wir jedoch vor einer völlig neuen Situation, die wesentlich umfassen- dere und tiefer gehende Strukturreformen verlangt. Zu- dem fehlt beispielsweise das klare Bekenntnis, sich von Staatsbetrieben wie dem nationalen Energieversorger trennen zu wollen oder aber die Fährbetriebe in den freien Wettbewerb zu entlassen. Selbst jetzt bleibt die griechische Regierung nach wie vor hinter den Erwar- tungen von Ende Juni 2015 zurück. Ich halte die Vor- schläge daher nicht für tragbar und ausreichend. Auch die Äußerung von Ministerpräsident Alexis Tsipras in seinem Fernsehinterview vom 14. Juli 2015, wonach er nicht an den Text glaube, den er unterschrieben habe, trägt nicht zu einem Aufwuchs des Vertrauens in die griechische Regierung bei. Es ist nur folgerichtig, wenn die europäischen Partner vom griechischen Parlament und der Regierung erwar- ten, dass die im Aide-Mémoire vorgeschlagenen Maß- nahmen vor der Verhandlung über ein weiteres Hilfspa- ket umgesetzt werden müssen. Denn diese Reformen waren ohnehin zum Abschluss des zweiten Griechen- land-Pakets notwendig und vorgesehen. Auch aus formalen Gründen habe ich Bedenken be- züglich der Gewährung von Hilfen aus dem ESM. Im ESM-Vertrag ist klar festgelegt, dass Hilfen aus dem Fonds nur erhalten kann, wer den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion – „Fiskalvertrag“ – unterzeichnet und umgesetzt hat. Darin haben sich die Vertragstaaten ver- pflichtet, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haus- haltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen, vor- zugsweise auf Verfassungsebene, aufzunehmen. Dazu zählen zum Beispiel die Schuldenbremse, aber auch die neuen Verfahren zur engeren Koordinierung und Ab- stimmung der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten. Griechenland hat den Fiskalvertrag zwar mit unterzeichnet; bis heute fehlt jedoch die Bestä- tigung durch die Europäische Kommission, dass die im Vertrag verlangten Gesetzesänderungen in Griechenland auch vollständig erfolgten. Mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM, der Bankenunion, dem Fiskalvertrag und weiteren Reformmaßnahmen haben wir uns in Europa vor künfti- 11418 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) gen schwerwiegenden wirtschaftlichen Verwerfungen gut abgesichert. Europa ging aus der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise der letzten Jahre in Summe gestärkt hervor. Wir haben klare Regeln und Mechanismen ent- wickelt, um nicht nur unsere Werte, sondern auch unsere gemeinsame Währung zu schützen. Ich begrüße dies ausdrücklich und trage diese Maßnahmen in vollem Um- fang mit. Daher ist mein Abstimmungsverhalten auch in keiner Weise eine Kritik an der Politik der Bundeskanz- lerin oder des Bundesfinanzministers. Im Gegenteil: Vor beiden Persönlichkeiten habe ich höchsten Respekt und bewundere die Beharrlichkeit und Disziplin beider bei den Verhandlungen. Meine Kritik richtet sich gegen die Politik der Regierung von Alexis Tsipras in den zurück- liegenden Wochen und Monaten. Eine Vertrauensbasis ist derzeit nicht vorhanden. Zudem fehlt meiner Ansicht nach eine grundsätzliche Voraussetzung vor weiteren europäischen Hilfen. Wer die Solidarität seiner europäischen Partner einfordert, muss zunächst eine faire Lastenverteilung im eigenen Land herstellen. Diese Bedingung sehe ich in Griechen- land als nicht erfüllt an. Nach wie vor sind die Eliten des Landes nicht in angemessenem Umfang in die Rettung ihres Heimatlandes integriert. Auslandsvermögen in nicht unerheblicher Höhe werden, trotz bestehender Steuerschulden der Besitzer, nicht eingetrieben. Große Vermögen werden bewusst geschont. Im Falle Zyperns wurde hier anderes verfahren. Anleger von unterkapitali- sierten Banken, die Geldanlagen über 100 000 Euro und damit entsprechende Forderungen gegenüber den Geld- instituten hatten, wurden an der Restrukturierung der Banken beteiligt, indem ihre Forderungen um bis zu 50 Prozent gekürzt wurden. Eine ähnliche nationale Pri- vatsektorbeteiligung würde ich mir im Falle Griechen- lands wünschen. Gerade sozial Schwache mussten über Steuererhöhungen und Kürzungen im Sozialbereich ei- nen notwendigen Beitrag zur Restrukturierung der Staatsfinanzen leisten. Solche Einschnitte fehlen bei den griechischen Eliten nach wie vor. Auch aus diesem Grund stehe ich humanitären Hilfen aufgeschlossen gegenüber. Hier würde jedoch ebenso gelten, dass genau kontrolliert und nachvollzogen wer- den muss, dass die gewährten Gelder auch bei denjeni- gen ankommen, die wirklich bedürftig sind. Aufgrund des fehlenden Vertrauens in den Willen und die Fähigkeit der Regierung von Alexis Tsipras und auch wegen rechtlicher Bedenken bezüglich der Umsetzung des Fiskalvertrags in Griechenland kann ich dem Antrag des Bundesministers der Finanzen nicht zustimmen. Astrid Grotelüschen (CDU/CSU): Hiermit erkläre ich, dem heutigen Antrag (Drucksache 18/5590) des Bundesministeriums der Finanzen, der nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG, not- wendig geworden ist, zuzustimmen. Dies beinhaltet die Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung ei- ner Brückenfinanzierung. Ich erteile dieses Verhandlungsmandat aufgrund der heutigen Ausgangssituation aus zwei Gründen: Erstens. Der Bundesregierung soll die Möglichkeit er- öffnet werden, nach der erfolgten Zustimmung der grie- chischen Regierung mit Griechenland in Verhandlungen zu treten, um den Verbleib des Staates in der EU zu er- möglichen. Zweitens. Es soll ein Vorschlag für ein neues Ver- tragswerk erarbeitet werden. Hierbei müssen die berech- tigten Forderungen deutscher Bürger nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung, grundlegende Struktur- reformen in Griechenland sowie die vollständige Umset- zung des europäischen Fiskalvertrages mehr als bisher berücksichtigt werden. Ich verweise an dieser Stelle auch auf meine Erklä- rung nach § 31 GO, Plenarprotokoll 18/89 der Sitzung vom 27. Februar 2015. Dieses Verhandlungsmandat muss aus meiner Sicht als letzte Chance verstanden werden, Griechenland bei den eigenen Anstrengungen zu unterstützen, damit seine Handlungsfähigkeit wieder erreicht werden kann. Daher schließe ich ausdrücklich die Option eines sogenannten Grexit auf Zeit bei Nichterreichen der oben genannten Ziele nicht aus. Eine grundsätzliche Zustimmung zu einem dritten Hilfspaket erteile ich daher ausdrücklich nicht. Nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, Absatz 2 ESMFinG ist hier- für eine erneute Befassung des Deutschen Bundestages notwendig. Christian Haase (CDU/CSU): Heute soll der Deut- sche Bundestag über die Erteilung eines Mandats für Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewäh- rung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik ab- stimmen. Ich werde der Bundesregierung dieses Mandat mit meiner Jastimme erteilen. Damit möchte ich die deutliche Mehrheit für den Kurs von Frau Bundeskanz- lerin Dr. Angela Merkel und Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble unter den europäischen Partnern und in der deutschen Bevölkerung stützen und das bisher von diesen Geleistete würdigen. Anknüpfend an die zur Abstimmung vom 27. Februar diesen Jahres abgegebene Erklärung möchte ich beto- nen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. In jener Erklärung haben wir betont, dass wir Griechenland eine Chance geben möchten, und dazu aufgefordert, diese Chance vertrauenswürdig zu nutzen. Dies ist leider in keiner Weise geschehen. Die griechische Regierung un- ter Alexis Tsipras hat durch ihr Verhalten viel Vertrauen verspielt und sich durch die Abhaltung eines Referen- dums unglaubwürdig gemacht. Trotzdem wäre ein zum Zeitpunkt des Gipfels einsei- tig durch Deutschland herbeigeführter „Greccident“ – also eine Staatspleite ohne Ausstieg aus dem Euro – nicht die richtige Antwort gewesen. Im Gegenteil, er hätte das eu- ropäische Gerüst zerstört und zu unkalkulierbaren Fol- gen geführt. Man muss sich den Scherbenhaufen vor Augen füh- ren, vor dem die Staats- und Regierungschefs am Ver- handlungstisch saßen. Drei Möglichkeiten gab es: ers- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11419 (A) (C) (D)(B) tens den direkten Weg in eine Transferunion, die wir seit Jahren zu verhindern versuchen, mit dem Ergebnis des Endes der Rechtsgemeinschaft Europas. Dies stellt keine Option dar. Zweitens: aufgeben, nicht zu handeln und Griechenland ausbluten zu lassen. Auch dies ist keine Option und hätte das Ende der Verantwortungsgemein- schaft Europa bedeutet. Drittens: einen letzten Versuch zu starten, die Voraussetzungen für weitere Hilfen zu schaffen, als einziger Weg aus der Sackgasse. Ein unbe- quemer Weg, dies war allen bewusst. Frau Dr. Merkel und Herr Dr. Schäuble haben in dieser Situation das Beste erreicht, für Deutschland und Europa. Nun gilt es, verloren gegangenes Vertrauen wieder- herzustellen. Dazu gehörte im ersten Schritt die Umset- zung der „Prior Actions“ im griechischen Parlament. Diese sind am Mittwoch verabschiedet worden. Bis zum 22. Juli müssen noch zwei weitere Forderungen imple- mentiert werden. Ist dies geschehen, so kann man nach der Prüfung durch die Institutionen abwägen, ob man die Verhandlungen aufnimmt. Weiterhin möchte ich betonen, dass der „Grexit auf Zeit“ die von mir favorisierte Option bleibt. Dies geht aber nur in Einstimmigkeit mit den 19 Euro-Ländern. Dies konnte bisher nicht erreicht werden. Zudem müssen für eine abschließende Entscheidung die rechtlichen Voraussetzungen für weitere Finanzhil- fen unter dem ESM-Mechanismus gegeben sein. Dazu gehört auch die Schuldentragfähigkeit. Ein nominaler Schuldenschnitt muss ausgeschlossen bleiben. Wichtig ist, dass Eigenverantwortung, also Handlun- gen aus eigenem Antrieb der Griechen heraus, und Soli- darität im Gleichgewicht sind. Zumindest ist bereits aus der Erklärung zum EU-Gipfel vom 12. Juli 2015 zu erken- nen, dass die Auflagen höher und schärfer sein müssen als gegenüber anderen Euro-Ländern in der Vergangenheit. Sie stellen für mich auch nur Mindestanforderungen dar. Ich möchte klarstellen, dass mein Ja zur Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland definitiv nicht meine vorgezogene Zustimmung zu einem dritten Hilfs- paket impliziert. Eine schwere Aufgabe mit weitreichenden Entschei- dungen liegt vor uns. Trotzdem muss man sich dabei immer wieder deutlich machen, dass Griechenland nun liefern muss. Die Einflussnahme von Politik in der Ver- waltung und in der Gesellschaft sowie die Korruption müssen eingedämmt werden. Dies sind nur zwei Stich- worte, an denen deutlich wird, woran Griechenland wirklich erkrankt ist. Klar ist, dass ich solidarisch und empathisch an der Seite des griechischen Volkes stehe, welches unter dieser Situation am meisten zu leiden hat. Es bleibt die Hoffnung auf eine breite, nationale Ko- alition für dringend notwendige Veränderungen. Dafür ist eine stabile Regierungsmehrheit wichtig, die hinter den Vereinbarungen steht. So eine Konstellation hat es in Griechenland noch nicht gegeben, es wurde aber wohl durch die gravierenden Einschnitte der letzten Wochen erkennbar, dass man zum Wohle des Landes auch partei- politische Interessen beiseitelassen muss, wenn man am Abgrund steht. Dies hat sich auch an der Stimmvertei- lung zur Umsetzung der „Prior Actions“ am Mittwoch im Parlament gezeigt. Historische Erfahrungen zeigen, dass überraschende Kehrtwenden häufig von jenen Politikern eingeleitet wer- den, von denen man es am wenigsten erwartet. Tsipras hat in einem Interview erklärt, weshalb die Maßnahmen not- wendig sind, um eine größere humanitäre Katastrophe in Griechenland abzuwenden. Ich hoffe, dass dies der Denkanstoß in die richtige Richtung ist. Sebastian Hartmann (SPD): Ich stimme dem An- trag der Regierung auf Verhandlungen der Bundesregie- rung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Helle- nische Republik zu. Es geht aber nicht nur um Griechenland. Es geht auch um die geeinte Wertege- meinschaft Europa von Freiheit, Frieden und Demokra- tie. Meine Erwägungen für diese Entscheidung sind die folgenden: Es gibt viele Details auf dem Weg zum dritten Ret- tungspaket, die nicht meine Zustimmung finden. Jedoch war von Anfang an klar: Am Ende des Gipfels würde – wenn überhaupt – ein Kompromiss stehen, ein Kom- promiss zwischen den Regierungen der Euro-Zone und natürlich auch ein Kompromiss innerhalb der Bundesre- gierung und der Koalition. Die einzig ersichtliche Alternative zu einer Zustim- mung ist ein Staatsbankrott Griechenlands, der einen Ausstieg des Landes aus unserer Währungsunion nach sich ziehen würde. Dies aber hätte Folgen, die unkalku- lierbar sind. Zu befürchten wäre ein völliger Zusammen- bruch der griechischen Volkswirtschaft, aber auch ein er- heblicher Anstieg der Zinsen für andere südeuropäische Partner. Hinzu kommt die Symbolkraft: Europa hätte sich als handlungs- und kompromissunfähig erwiesen. Es muss festgehalten werden, dass es in den letzten fünf Jahren nicht gelungen ist, Griechenland auf die Beine zu helfen. Deutschland ist durch investitionsför- dernde Maßnahmen aus der Krise 2008 gekommen, welche die SPD seinerzeit in der Großen Koalition durchgesetzt hatte. Als Deutschland aufgrund der Fi- nanz- in eine Wirtschaftskrise geriet, beschlossen wir – richtigerweise – keine Sparpakete, keine Lohnkürzun- gen, keine Rentenkürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Suppenküchen, keine Privatisierungen – wir beschlossen für Deutschland Konjunkturprogramme. Im November 2008 wurde unter dem Namen ,,Schutz- schirm für Arbeitsplätze“ das erste Konjunkturpaket be- schlossen: 15 Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft ge- stärkt, Arbeitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Aufträge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Januar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weite- res umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Mil- liarden Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Sicherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzar- beiterprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Dabei entspricht der Exportüberschuss Deutschlands, auch in- folge jahrelanger Reallohneinbußen, in anderen Ländern Importüberschüssen, verschärft also die Verschuldung. 11420 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Ich verbinde meine Zustimmung zu dem Paket mit der Erwartung, dass neben Einsparvorgaben auch Inves- titionen ermöglicht werden, die Griechenland erlauben, aus der Krise heraus zu wachsen. Es stehen 35 Milliar- den Euro aus EU-Strukturfonds bereit, die bisher nicht abgerufen wurden, weil Griechenland die Ko- finanzierung nicht aufbringen konnte. Bestandteil des Pakets ist nun, dass Europa einen Großteil der Mittel für die Kofinanzierung bereitstellt und die Verfahren zur Nutzung der Strukturhilfen beschleunigt werden. Diese Absichtserklärung muss nach Abschluss des Abkom- mens mit Leben gefüllt werden. Wenn dies nicht gelingt, sehe ich keine Aussicht auf eine nachhaltige Verbesse- rung. Auch aus den Privatisierungen, denen ich nicht zu- letzt wegen der Erfahrungen und Ergebnisse der vergan- genen fünf Jahre kritisch gegenüberstehe, sollen Mittel für Investitionen bereitgestellt werden. Nur mit Maßnah- men dieser Art kann ein echter Ausgleich zu einseitig schädlichen, überzogenen Sparvorgaben erreicht wer- den. Wie riskant der Einsatz deutscher Steuergelder ist, muss sehr differenziert betrachtet werden. Deutschland hat erstens durch die geringen Zinsen auf eigene Staats- anleihen, zweitens durch seine erhebliche Exportquote in die Staaten der Europäischen Gemeinschaft in den letzten Jahren profitiert, während dort die ökonomischen Schwierigkeiten entstanden sind. Drittens sollte man sich vor Augen halten, dass bei einem Zusammenbruch der griechischen Volkswirtschaft unsere Forderungen komplett abzuschreiben wären. Am Ende denke ich, es ist auch eine Frage der Moral. Deutschland wurde nach 1945 von vielen Staaten die Hand gereicht und der Weg zurück in die Gemeinschaft der europäischen Staaten geebnet. Uns wurden Schulden in erheblicher Höhe erlassen. Mir persönlich erscheint es vor diesem Hintergrund als recht und billig, das Jahrtau- sendprojekt Europa mit seiner Einigung in Frieden und Freiheit vor dem Scheitern zu bewahren. Die nun gewonnene Zeit muss für ernsthafte Verhand- lungen zu einer dauerhaften und tragfähigen Lösung ge- nutzt werden. Im Rahmen dieser Einigung muss mit Ver- handlung des Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, die Ar- beitslosigkeit, die medizinische Versorgung, die Alters- armut wieder in den Mittelpunkt rücken. Das Augen- merk muss auf die soziale Gerechtigkeit gerichtet werden. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Deriva- ten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Menschen aus dem Blick geraten. Nach dem ersten und dem zweiten steht nun das dritte Hilfsprogramm für Griechenland an. Aus Sicht der Geldgeber ist selbstkritisch anzumerken, dass die Auste- ritätspolitik der letzten fünf Jahre in Griechenland ge- scheitert ist, die daraus bestand, Renten zu kürzen, Löhne zu senken, Beamte zu entlassen und Privatisie- rungen vorzunehmen. Dabei waren die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an wa- ren die Hilfsprogramme an Griechenland einseitig da- rauf ausgerichtet, dass man von Gläubigerseite Hilfszah- lungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Haircut, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt – herausgekauft – wurden. Des- halb hat die SPD-Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größ- ten griechischen Problemen gehört. Mit 25 Prozent ver- zeichnet es die höchste Arbeitslosenquote der Europäi- schen Union. In der Euro-Zone liegt sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Jugendliche: Jeder zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zu- dem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro, das sind 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lagen diese noch bei 148 Prozent. Die Inflations- rate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Prozent in 2014. Mehr als die griechische Bevölke- rung haben die Banken und Spekulanten von der Krise profitiert – drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Peer Steinbrück hat in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2012 erklärt, warum das damals ebenfalls von Kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble verhandelte zweite Griechen- land-Paket „erhebliche Verunsicherung und Zweifel“ auslöse. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er mit vielen seiner damaligen Befürchtungen richtig prognos- tiziert hat. Und gleichwohl hat er dem Bundestag emp- fohlen, zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politi- schen Interesse Deutschlands ist, und drittens weil es um das Ganze geht.“ Wir Deutschen können aus unseren Erfahrungen ab- leiten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funk- tionieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage, die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbes- sert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die Konse- quenzen, die daraus zu ziehen sind, sind äußerst kompli- ziert und komplex. Die griechische Regierung muss mehr tun. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwal- tung an, zum Beispiel der Steuerverwaltung, und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Mit er- hobenem Zeigefinger funktioniert das nicht, sondern nur mit Hilfe und Unterstützung, Verständnis und Verständi- gung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten frei hat. Um diese müssen sich die Griechen wieder kümmern, wenn es deutlich aufwärts- geht. Mark Hauptmann (CDU/CSU): Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung stimme ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, Bundes- tagsdrucksache 18/5590, nicht zu. Ich lehne weitere Sta- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11421 (A) (C) (D)(B) bilitätshilfen für Griechenland aus folgenden Gründen ab: Erstens. Die geplanten Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket mit Griechenland werfen Fragen nach der Vereinbarkeit mit den europäischen Verträgen auf. Die neuen Finanzhilfen sollen über Mittel aus dem dauerhaf- ten Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, finan- ziert werden. Im völkerrechtlichen ESM-Vertrag heißt es allerdings wörtlich, dass Finanzhilfen nur dann gewährt werden können, „wenn dies zur Wahrung der Finanzsta- bilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist“. Berechnungen, unter anderem des ifo-Instituts, über einen Austritt Griechen- lands aus der Euro-Zone – Grexit – lassen starke Zweifel an der Gefährdung der Finanzstabilität der Euro-Zone aufkommen, die für weitere ESM-Hilfen Grundvoraus- setzung wäre. Zweitens. Fünf Jahre nach dem ersten Hilfspaket greift die Argumentation einer kurz- oder mittelfristigen Hilfe zur Selbsthilfe nicht mehr. Kommt es zu einem dritten Hilfspaket für Griechenland, hätte die Euro-Zone die Grundlage für eine langfristig angelegte Transfer- union geschaffen, obwohl die Vergemeinschaftung von Schulden im Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, in Artikel 125, im Vertrag von Maastricht sowie im Vertrag von Lissabon ausgeschlossen ist. Zwar ist bislang nur von der Verlängerung der Rückzahlungs- fristen die Rede, aber um Griechenland dauerhaft in der Euro-Zone halten zu können, führt kein Weg an einem Schuldenschnitt und der Errichtung eines dauerhaften Transfermechanismus vorbei. Ein drittes Hilfspaket in- stitutionalisiert und verstetigt diesen Prozess. Drittens. Eine starke gemeinsame Währung auf Basis klarer und verbindlicher Verträge – so lautete das Ver- sprechen bei der Einführung des Euro. Ganz konkret wurden die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Euro-Zone in den EU-Konvergenzkriterien im Vertrag von Maastricht festgelegt. Sie umfassen stabile Preise, begrenzte Staatsverschuldung, eine Haushaltsdefizit- grenze sowie langfristig beständige Zinssätze auf Staats- anleihen. Seit 2010 hat Griechenland fast durchgängig gegen alle festgelegten Kriterien verstoßen. Auch aktuell liegt die griechische Staatsverschuldung mit 175 Prozent des Bruttoinlandsproduktes weit jenseits der vertraglich festgesetzten Höchstgrenze von 60 Prozent, reißt das Land mit einem Haushaltsminus von 3,5 Prozent die EU-Defizitgrenze von 3 Prozent und übersteigen die Zinsen auf griechische Staatsanleihen mit knapp 12 Pro- zent die aller anderen Euro-Länder um mehr als 9 Prozentpunkte; bei vertraglich erlaubten maximal 2 Prozentpunkten. Der Glaube, ein drittes Hilfspaket könnte die desolate Wirtschafts- und Finanzlage Grie- chenlands verbessern, offenbart, wie wenig die Euro- Länder aus der Vergangenheit gelernt haben. Weitere Fi- nanzhilfen verschlimmern die Situation eher noch, da sie das immer weiter aufgeblähte Ausfallrisiko lediglich in die Zukunft verlagern. Die Auswirkungen dieser „Insol- venzverschleppung“ lassen sich unter anderem am Wert- verlust des Euro gegenüber dem US-Dollar – minus 20 Prozent –, dem Yuan – minus 20 Prozent – und dem Pfund Sterling – minus 10 Prozent – im vergangenen Jahr ablesen. Die Euro-Zone muss sich wieder auf die Einhaltung der Konvergenzkriterien rückbesinnen, um die Stabilität der gemeinsamen Währung zu gewährleis- ten. Viertens. Bei einer Staatsverschuldung von 316 Mil- liarden Euro im Jahr 2013 – das entsprach mehr als 175 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – erscheint eine Rückzahlung der Schulden heute und in Zukunft unmög- lich. Dies zeigt sich vor allem vor dem Hintergrund, dass der griechische Staat seit 2010 rund 216 Milliarden an Hilfszahlungen aus verschiedenen Rettungspaketen er- halten hat; eine Summe, die fast dem Bruttoinlandspro- duktes Griechenlands von 2014 – circa 224 Milliarden Euro – entspricht. Bezeichnend ist die Analyse des IWF, dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nicht mehr vorhanden ist, sodass der IWF sich, auch durch den zweifachen Zahlungsausfall, momentan an keinen weite- ren Hilfen beteiligen kann. Allein gegenüber dem deut- schen Staat – ohne Einbeziehung von EZB-Verbindlich- keiten – haben die Hellenen rund 56 Milliarden Euro an Schulden aufgebaut, jeder Deutsche haftet also mit rund 700 Euro. Mit einem dritten Hilfspaket über rund 86 Milliarden würde sich die deutsche Pro-Kopf-Ver- bindlichkeit um bis zu 240 Euro erhöhen. Es ist nicht zu erwarten, dass der geplante Finanzierungsfonds über 50 Milliarden Euro die Schuldenlast nachhaltig mindern wird. Fünftens. Griechenland kann innerhalb des Euro keine Wettbewerbsfähigkeit erlangen. Die griechische Wirtschaft leidet unter einer Vielzahl von bürokratischen Hemmnissen, fehlender Innovation und Qualität, man- gelnder Unternehmens- und Gründungskultur, ausblei- benden Investitionen sowie einem nicht wettbewerbsfä- higen Preis-Leistungs-System für Produkte und Dienstleistungen. Viele politische Maßnahmen wären notwendig, um die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu ma- chen. Eine entscheidende Maßnahme, über die Abwer- tung einer eigenen Währung wieder Wettbewerbsfähig- keit zu erlangen, bleibt Griechenland innerhalb des Euro verwehrt. Nur durch einen zeitnahen Grexit kann eine ei- gene Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden und damit die Volkswirtschaft auf eigenen Füßen stehen, ohne dauerhaft auf finanzielle Hilfen von außen ange- wiesen zu sein. Sechstens. Die Regierung unter Premier Tsipras hat seit Beginn ihrer Amtszeit Ende Januar 2015 nichts dazu beigetragen, vertrauensvolle Beziehungen zu den ande- ren Euro-Zonen-Mitgliedern aufzubauen. Bereits begon- nene Reformvorhaben wurden gestoppt und die Formu- lierungen für neue Maßnahmen bewusst verschleiert. Dabei ließ die vermeintlich „linke“ Regierung die Steu- erprivilegien der Oberschicht unberührt und senkte sogar Steuern auf Immobilienbesitz, wovon Vermögende be- sonders profitieren. Ebenso stagnieren die Gespräche über ein Steuerabkommen mit der Schweiz, wo 15 Mil- liarden Euro griechisches Schwarzgeld vermutet wer- den. Stattdessen kündigte Tsipras während laufender Verhandlungen mit der Euro-Gruppe überraschend ein Referendum an, das erst für einen Zeitpunkt nach Aus- laufen des zweiten Hilfsprogrammes angesetzt wurde und zu dem er die Griechen aufrief, gegen die Vor- 11422 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) schläge der anderen Euro-Zonen-Mitglieder zu stimmen. Mit dem eindeutigen Nein der Griechen beim Referen- dum hat sich die Regierung Tsipras sämtliche Glaubwür- digkeit für einen Reformwillen abgesprochen. Tsipras ist ein populistischer Traumtänzer und Demagoge, der die eigene Bevölkerung im Wahlkampf belogen und an- schließend in Geiselhaft genommen hat, EU-Partner er- presst und einen Keil in die europäische Partnerschaft treibt. Siebtens. Die griechische Schuldenkrise dauert be- reits fünf Jahre an. Über diesen Zeitraum wurden von verschiedenen griechischen Regierungen umfängliche Reformen angekündigt, deren Umsetzung bestenfalls dürftig verlief. Besonders die von der Regierung Tsipras anfänglich vorgelegten Maßnahmen waren zum Teil de- ckungsgleich mit geforderten Reformen der EU-Kom- mission – Task Force for Greece – von März 2012 oder blieben sogar noch hinter diesen zurück. Vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst fragwürdig, dass die Regierung Tsipras die im nun ausgehandelten Kompro- miss festgelegten Schritte zur Verringerung der griechi- schen Schulden auch tatsächlich umsetzen wird. Inner- halb der letzten fünf Jahre ist es weder gelungen, ein funktionierendes Steuer- und Finanzwesen oder ein Ka- tasterwesen aufzubauen, noch illegale Steuerflucht ins Ausland, Korruption und Vetternwirtschaft zu bekämp- fen. Genauso wenig wurden Reeder und privilegierte Gruppen angemessen an den Kosten beteiligt noch euro- päische Mindeststandards bei Renten und Löhnen umge- setzt. Schon 2012 wurde ein Privatisierungsziel von 50 Milliarden Euro ausgegeben, das Ende 2014 bereits auf 4,1 Milliarden zusammengeschmolzen und unter Tsipras bei nur 2,5 Milliarden Euro Gesamterlös ganz auf Eis gelegt wurde. Konsequenterweise haben sich die griechischen Bürger in einem Referendum entschieden gegen weitere Reformen ausgesprochen. Achtens. In den aktuellen Verhandlungen zählte nicht Deutschland zu den größten Kritikern der griechischen Regierung. Länder wie Spanien, Portugal und die balti- schen Staaten, die in den vergangenen Jahren große Sparanstrengungen unternommen und erfolgreich Refor- men durchgeführt haben, wehren sich massiv gegen das Verhalten Griechenlands. Zudem ist das Lebensniveau der Bürger in Lettland, Slowenien, Estland, Litauen und der Slowakei niedriger als das der Hellenen. Eine letti- sche Durchschnittsrente liegt bei ähnlichem Preisniveau bei rund 300 Euro, während die griechische Min- destrente 800 Euro beträgt. Der Mindestlohn liegt heute in fünf EU-Staaten unter dem griechischen Niveau. Während andere Euro-Länder drastische Einschnitte vornahmen und mittlerweile den Erfolg der entschiede- nen Reformen erleben können, verlangt Athen auch von wirtschaftlich schwächeren Euro-Ländern finanzielle Solidarität. Es ist den europäischen Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, dass die griechische Regie- rung ihre horrenden Staatsausgaben im Umlagesystem durch die europäischen Partner finanzieren lassen möchte, anstatt endlich dringend notwendige Reformen vorzunehmen. Neuntens. Die griechische Staatsschuldenkrise be- herrscht die europäische Debatte seit gut fünf Jahren. Anders als kriselnde Euro-Zonen-Mitglieder wie Irland, Spanien oder Portugal, die nach intensiver innen- wie europapolitischer Debatte finanzielle Unterstützung aus dem ESM erhalten und Reformen eingeleitet haben, scheint sich die Debatte um Griechenland im Kreis zu drehen. Eine Begründung, warum der hellenische Staat innerhalb der Euro-Zone eine Sonderrolle einnehmen sollte, ist nicht erkennbar und vor allem niemandem ver- mittelbar. Griechenland trägt nur knapp 1,5 Prozent zur Wirtschaftskraft der EU bei, beansprucht jedoch den Großteil der politischen und wirtschaftlichen Aufmerk- samkeit Europas – eine politische Unterstützung und Aufmerksamkeit, die keinem anderen EU-Staat bisher zuteilwurde. Dies zeigt sich in der enormen Summe der Solidarität von mehr als 300 Milliarden Euro, die Grie- chenland bisher als direkte Kredite vom IWF, vom EFSF und ESM oder als indirekte Finanzhilfen von der Euro- päischen Zentralbank bekommen hat. Völlig zu Recht lehnt die britische Regierung eine Beteiligung an den Kosten für Griechenland ab, während sich Finnland Ga- rantien als Sicherheiten für einen Zahlungsausfall zuge- steht. Zehntens. Ein drittes Hilfspaket für Griechenland würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der die europäische Solidarität überstrapaziert. Die Tür für populistische Nachahmer in anderen Euro-Staaten wird weit aufgestoßen. Ob die spanische Podemos, der fran- zösische Front National oder die britische Ukip – Europa müsste sich noch stärker als bisher mit der gefährlichen Problematik der Extremisten von links und rechts aus- einandersetzen. Darunter leidet das europäische Integra- tionsprojekt. Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Bereits zweimal habe ich einem Hilfspaket für Griechenland zu- gestimmt. Zweimal habe ich eine Erklärung dazu abge- ben. Dieses Mal werde ich die Vorlage zu neuen Ver- handlungen ablehnen. Auch heute möchte ich mein Abstimmungsverhalten erklären. Unverändert bleibt mein Vertrauen in Bundeskanzle- rin Merkel und Finanzminister Schäubles Mandat und Verhandlungsgeschick. Bei einer Zustimmung zu neuen Verhandlungen werde ich als Demokrat selbstverständ- lich diese Mehrheitsentscheidung mittragen und unter- stützen. Dennoch komme ich nach einer Abwägung der Argu- mente zu einem anderen Resultat. Folgende Gründe be- wegen mich zu einer Ablehnung: Die Stringenz der Argumentation nach dem zweiten Hilfspaket. Wir haben damals entschieden, dass es das letzte Hilfspaket sein soll. Für mich ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit – auch der persönlichen Glaubwürdig- keit –, dieses Versprechen nicht zu brechen. Die rechtliche Unsicherheit. Selbst der IWF meldet Bedenken an, dass ein weiteres Hilfspaket rechtlich tat- sächlich legitim sei. Im vorliegenden Antrag wird von „möglichen Gefahren“ für den Euro gesprochen, die Sta- tuten des ESM sehen aber „tatsächliche Gefahren“ als notwendige Begründung für ein Hilfspaket vor. Zudem Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11423 (A) (C) (D)(B) halte ich die Brückenfinanzierung und die Haftungsüber- nahme aus dem EFSM für mehr als bedenklich. Die unklare Perspektive für Griechenland. Da ist zum einen der politische Unsicherheitsfaktor, ob die Regie- rung Tsipras wirklich die angekündigten Reformen umsetzt bzw. umsetzen kann, und zum anderen die struk- turelle Ungewissheit, ob diese Reformen auch tatsäch- lich zu einem Erfolg führen. Mir ist allerdings bewusst, dass diese Unsicherheit auch in dem Fall besteht, dass wir keine weiteren Verhandlungen führen. Aber inzwi- schen hat sich das Ergebnis der Risiko- und Chancenab- wägung für mich gedreht. Auf diesem Wege scheint mir eine Rettung nicht möglich, weder für Griechenland noch für die Gesamtsituation in Europa. Die Auswirkungen auf den Euro-Raum. Die Gefahr einer „Ansteckung“ anderer Staaten ist heute deutlich geringer als zur Zeit des zweiten Hilfspaketes. Viele an- dere gefährdete Staaten haben sich erholt. Ein Grexit würde den Euro nach meiner Einschätzung nicht gefähr- den; eine immer höhere Verschuldung dagegen hat das Potenzial, dies zu tun. Weil ich leidenschaftlicher Befürworter Europas bin, kann es für mich jetzt kein Weiter-so geben. Ich be- fürchte die Erosion der europäischen Werte. Eine euro- päische Identität darf nicht alleine über den Euro defi- niert werden. Sollte sich allerdings in diesem Sommer herausstellen, dass dieses Paket a) sinnvoll, b) rechts- sicher, c) verständlich und kommunizierbar ist, bin ich auch bereit, dazuzulernen und meine Meinung zu än- dern. Unter den momentanen Bedingungen kann ich weder uns noch den nachfolgenden Generationen eine solche finanzielle Belastung zumuten. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Die Entscheidung, dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen auf Erteilung eines Verhandlungsmandats, verbunden mit ei- ner Brückenfinanzierung, nicht zuzustimmen, ist mir schwergefallen. Denn sicher ist, dass die Bundesregie- rung bei ihren Verhandlungen in Brüssel einen großen Verhandlungserfolg erzielen konnte, bei dem insbeson- dere Griechenland die Verpflichtung abgerungen werden konnte, zahlreiche schon lange als überfällig angesehene Reformen ins Werk zu setzen. Die Gründe für meine Entscheidung lassen sich vor diesem Hintergrund wie folgt zusammenfassen: Erstens. Ich begrüße zunächst ausdrücklich, dass die Bundesregierung nach ihren eigenen Erklärungen auch andere Alternativen als Hilfen nach dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, ins Gespräch gebracht hat. Das gilt insbesondere für die vom Herrn Bundes- minister der Finanzen Schäuble vorgebrachte Möglich- keit eines „Grexits auf Zeit“. Allerdings teile ich nicht die den Verhandlungen zugrundegelegte Einschätzung, dass ein solcher Schritt nur im Einverständnis mit Grie- chenland möglich gewesen wäre. Vielmehr hätte sich aufgrund der Finanzlage Griechenlands die Notwendig- keit zur Ausgabe einer Parallelwährung auch ohne ver- tragliche Vereinbarungen ergeben können – oder gar müssen –, verbunden mit der Option, diese später wieder in Euro zurückzutauschen. Ein solcher, dann von der griechischen Regierung ausgehender Schritt hätte auch schon aus psychologischen Gründen schneller und bes- ser zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leis- tungsfähigkeit Griechenlands beigetragen als die Durch- führung von im Wesentlichen von externen Akteuren empfohlenen einschneidenden Reformen. Zweitens. Als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen hat sich Griechenland zur Durchführung verschiedener „Prior Actions“ verpflichtet, was unter an- derem die Verabschiedung diverser Gesetzesvorhaben beinhaltet. Jedoch haben die vergangenen Wochen ge- zeigt, dass vergleichbare Reformen im Zusammenhang mit früheren Stabilisierungsmaßnahmen vom Griechi- schen Staatsrat als dem griechischen Verfassungsgericht für unvereinbar mit griechischem Verfassungsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärt wurden. Dieses Risiko besteht auch hier wieder, nicht zuletzt deshalb, weil auch die jetzt vom griechischen Parlament beschlossenen Maßnahmen überstürzt ins Werk gesetzt werden mussten. Vor diesem Hintergrund besteht aus meiner Sicht das erhebliche Risiko, dass sich Griechenland zu einem spä- teren Zeitpunkt einseitig den eingegangenen Verpflich- tungen entziehen kann. Die heute zu treffende Entschei- dung hätte dann zu rein einseitigen Zahlungspflichten Deutschlands und der anderen Mitgliedstaaten der Euro- päischen Union geführt. Drittens. Vor allen Dingen ist aber zu fragen, ob die Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 2 ESM-Vertrag wirklich vorliegen. Danach muss zunächst eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ins- gesamt oder seiner Mitglieder vorliegen. Eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insge- samt kann meiner Ansicht nach aufgrund der faktischen Nichtreaktion der Kapitalmärkte auf einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Währungsgebiet nicht angenommen werden. Soweit man auf mögliche fernliegende Folgen für das Euro-Währungsgebiet insgesamt in Form von Vertrau- ensverlust mit Blick auf den Bankensektor und die Inte- grität des Euro-Währungsgebietes in seiner Gesamtheit abstellt, so ordnet die Europäische Kommission in ihrer Einschätzung vom 10. Juli 2015 diese im Fazit als „likely to be significant“ – in der Arbeitsübersetzung wohl ungenau als „mit einiger Wahrscheinlichkeit be- trächtlich“ bezeichnet – ein. Damit steht sie jedoch in Widerspruch zu ihrer dem Fazit vorangehenden ausführ- lichen Bewertung, in der sie lediglich davon ausgeht, dass sich die Fähigkeit von nicht griechischen Banken zur Beschaffung ungesicherter Finanzmittel verschlech- tern und die Finanzierungsperspektiven weiterer staatli- cher Akteure eintrüben könnten. Dies liegt nach meiner Ansicht klar unter der für Artikel 13 Absatz 2 ESM-Ver- trag nötigen Schwelle. Zudem würden solche Auswir- kungen bei rationalen Kapitalmärkten ebenfalls antizi- piert und auf den heutigen Wert diskontiert eingepreist. Dies ist bislang ersichtlich nicht der Fall. 11424 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Als zweite Voraussetzung kommt es auf die Schul- dentragfähigkeit Griechenlands an. Unabhängig davon, ob diese schon zum jetzigen Zeitpunkt abschließend be- urteilt werden muss, dürfte aber schon jetzt aufgrund der Stellungnahme des IWF feststehen, dass diese nur ent- weder durch einen Schuldenschnitt oder durch noch wei- tere Reformen Griechenlands erreicht werden kann. Da solche weiteren Reformen als ausgeschlossen gelten müssen, bliebe zur notwendigen Erreichung der Schul- dentragfähigkeit Griechenlands nur ein Schuldenschnitt – und damit der Einstieg in eine Fiskal- und Transfer- union. Einen solchen weitreichenden Schritt „versteckt“ hin- ter der Maßnahme einer Euro-Rettung durchzuführen, halte ich für nicht vertretbar. Vielmehr bedarf es für ei- nen solchen Kultur- und Politikwandel einer breiten Dis- kussion sowohl auf europäischer Ebene wie auch in den einzelnen Mitgliedstaaten. Auch wenn ich persönlich ei- ner solchen Entwicklung, die maßgeblich zur weiteren Integration beitragen dürfte, positiv gegenüberstehe, be- darf dieser Schritt doch weiterer Rahmenbedingungen, die hier gerade nicht gesetzt werden. Bei meiner Entscheidung ist mir in jedem Fall be- wusst, dass eine Ablehnung des Antrags des Bundes- ministeriums der Finanzen zur Aufnahme von weiteren Verhandlungen über ein weiteres ESM-Rettungspaket und einer damit verbundenen Zwischenfinanzierung nicht zu einer Einstellung von Zahlungen an den griechi- schen Staat vonseiten der Europäischen Union führen würde und dürfte. Die aktuelle wirtschaftliche und hu- manitäre Lage, gerade auch für Arbeitslose, Rentner und Flüchtlinge, zeigt vielmehr, dass das Land – genauso wie allerdings auch viele andere EU-Staaten, allen voran die baltischen Staaten, Rumänien und Bulgarien – noch über lange Zeit finanzielle Hilfen benötigt, um allen Bewoh- nern einen Lebensstandard und eine medizinische Ver- sorgung zu bieten, die auch nach unserem Verständnis der Menschenwürde gerecht werden. Xaver Jung (CDU/CSU): Griechenland braucht Hilfe. Hierbei sind auch wir Deutschen als wichtiges Mitgliedsland in Europa gefordert. Ich habe hohen Respekt vor der Leistung unserer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und unseres Bun- desfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble in den Ver- handlungen mit der griechischen Regierung. Hilfe muss gewollt sein, damit sie zum Erfolg wie in Irland, Portugal und Spanien führt: Hilfe zur Selbsthilfe. Griechenland war auf einem guten Weg in eine bes- sere wirtschaftliche Lage, bis die Regierung um den Mi- nisterpräsidenten Tsipras diesen hoffnungsvollen Auf- schwung zunichtegemacht hat. Nun liegt zwar ein erfolgversprechendes Sanierungsprogramm vor; aller- dings ist mein Vertrauen in die Syriza-Regierung zutiefst erschüttert, sodass ich nicht glaube, dass die Regierung sich an die Abmachungen halten wird. Zu einem Vertrag gehören immer zwei Seiten, in die- sem Fall Europa und Syriza. Ich habe kein Vertrauen in diese andere Seite und kann daher zurzeit keinen weite- ren Vertrauensvorschuss gewähren. Aus diesem Grund muss ich heute im Bundestag mit Nein stimmen. Thomas Jurk (SPD): Ich unterstütze die Bemühun- gen der Bundesregierung, im europäischen Interesse eine Lösung der Staatsschuldenkrise Griechenlands her- beizuführen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die fi- nanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Griechen- lands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen kann. Die mir bekannten Inhalte eines Reformprogram- mes, welches Teil des Verhandlungsmandates ist, wer- den dem jedoch nicht entsprechend gerecht. Heute wird über ein um Maßnahmen vorfestgelegtes Mandat ent- schieden. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Fortführung der seit 2010 geltenden Bedingungen, die sich zuvorderst an der Konsolidierung der Staatsausga- ben ausrichten. Diese Orientierung hat die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in eine mehrjährige Rezession getrieben. Die Produktion ist ein- gebrochen, die Arbeitslosigkeit insbesondere bei Ju- gendlichen ist angestiegen, ja die Armut ist insgesamt gestiegen. Ich vermisse Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, aber vor allem auch zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. Mit den bisherigen Fi- nanzhilfen sind vor allem Gläubigerforderungen bedient worden, es fehlt an Investitionen in Wirtschaft und Infra- struktur. Heute gilt, was auch damals galt, dass damit kaum Wachstumsimpulse generiert werden. Vielmehr hat sich für die Euro-Gruppe der Finanzierungsbedarf erhöht, während in Griechenland die sozialen Spannungen zuge- nommen haben. Die vermögende Schicht Griechenlands soll nach den mir vorliegenden Vorschlägen keinen oder bestenfalls einen geringen Beitrag zu Konsolidierung des Haushaltes leisten, während die Maßnahmen alle an- deren, insbesondere die immer größer werdende ärmere Bevölkerungsschicht und den Mittelstand, belasten. Ge- rade Letzterer wird zum Wiederbeleben der griechischen Wirtschaft benötigt. Maßnahmen wie Rentenkürzungen und Mehrwertsteuererhöhung sind kontraproduktiv für die konjunkturelle Gesundung Griechenlands. Ein großes Problem stellt die Schuldentragfähigkeit dar. Es besteht die Befürchtung, dass sich die Staats- schuldenkrise weiter verschärft. Damit werden künftige Generationen dauerhaft belastet. Die Erwartungen auf Einnahmeerlöse von 50 Milliarden Euro aus einem Pri- vatisierungsfonds halte ich für unrealistisch. Zudem wird damit der Eindruck eines „Ausverkaufs“ Griechen- lands bestärkt. Obwohl die Vorlage durchaus anerkennenswerte Ver- änderungen zu den bisherigen Forderungen an den grie- chischen Staat enthält, habe ich mich in Abwägung aller Konditionen des Verhandlungsmandates für eine Ableh- nung des Antrages entschieden. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja zu einem solidarischen und demokratischen Europa, keine Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11425 (A) (C) (D)(B) Zustimmung zum Austeritätsdiktat und zur Grexit-Op- tion. Ich bin für ein solidarisches und nachhaltiges Hilfspa- ket für Griechenland, das den griechischen Staat und die griechische Volkswirtschaft stabilisiert und ihr zu einem nachhaltigen Aufschwung verhilft. Ziel ist es, die wirt- schaftliche Situation der griechischen Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und ein temporäres oder perma- nentes Ausscheiden Griechenlands aus der Wirtschafts- und Währungsunion – Grexit – auszuschließen. Griechenland und seine Bürgerinnen und Bürger brauchen eine Chance, nachhaltige und solidarische Re- formen in Angriff zu nehmen. Ein verheerendes wirt- schaftliches Desaster, das im Fall eines Verlusts des Euro zu erwarten ist, gilt es auszuschließen. Das Land braucht langfristig stabile Entwicklungs- möglichkeiten, um bereits begonnene strukturelle Refor- men mit Unterstützung seiner europäischen Partner an- zugehen und auszubauen. Deshalb stimme ich für neue Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket. Der Deutsche Bundestag beauftragt den Bundes- minister der Finanzen mit einem Mandat, diese Verhand- lungen zu führen. Ich halte es für dringend geboten, die- ses Mandat mit klaren solidarischen und nachhaltigen Leitlinien zu versehen, die ein Ausscheiden Griechen- lands aus der europäischen Wirtschafts- und Währungs- union – Grexit – ausschließen. Außerdem müssen geeignete Maßnahmen das Ziel haben, das griechische Staatswesen, die griechische Demokratie zu stabilisieren. Es gilt auch, die griechische Volkswirtschaft zu stabilisieren und ihr zum Auf- schwung zu verhelfen. Letztlich muss damit die wirt- schaftliche Situation der griechischen Bürgerinnen und Bürger verbessert werden, die Bedrohung der europäi- schen Idee muss gestoppt und die nationale Souveränität Griechenlands wiederhergestellt werden. In eine allzu freie Verhandlungsführung des Bundes- ministers der Finanzen habe ich kein Vertrauen. Denn in ihren öffentlichen Erklärungen macht die Bundesregie- rung überdeutlich, dass sie Griechenland aus der Wirt- schafts- und Währungsunion drängen will. Ein solcher Grexit würde mit Sicherheit kurz- und mittelfristig ver- heerende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger in Griechenland und im Rest der Europäischen Union ha- ben. Die dringenden Reformen wären damit aber ausge- schlossen. Griechenland kann und wird sich nur innerhalb der Euro-Zone reformieren. Die beiden zur Abstimmung vorliegenden Mandate sind Globalalternativen. Nach meiner Auffassung kann man den Bundesminister der Finanzen nur mit dem einen oder dem anderen in die Verhandlungen mit der Euro-Gruppe und Griechenland schicken. Deshalb kann ich dem Mandat der Bundesregierung meine Zustimmung nicht geben. Vielmehr beauftrage ich den Bundesminister der Finanzen mit der Zustim- mung zum Mandat, das die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hat, in diesem Sinn die Verhandlungen zu führen. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Meine eindeu- tige Zustimmung bei der morgigen Abstimmung über die Erteilung eines Mandats für Verhandlungen der Bun- desregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik ist nicht per se mit einer Zu- stimmung zu einem möglichen Verhandlungsergebnis – zum Beispiel Reformpaket oder drittes Hilfspaket – verbunden. Hier mache ich meine Entscheidung vom tatsächli- chen Inhalt des Verhandlungsergebnisses abhängig. In der jetzigen Situation sehe ich das Vertrauen in die griechische Regierung als zu stark beschädigt an, als dass ich auf Einhaltung und Durchsetzung der im Ge- genzug zu einem Hilfsprogramm erforderlichen Refor- men vertrauen und diese Entscheidung vor meinen Wäh- lern gewissenhaft vertreten könnte. Zudem sehe ich die Gefahr, dass weitere wohl de jure, nicht aber de facto konditionierbare Hilfen nach den Vorgängen der vergangenen Tage einen negativen An- reiz auf andere EU-Staaten in ähnlichen Situationen hät- ten, zum Beispiel auf Irland, Portugal und Spanien. Allerdings bin ich der festen Auffassung, dass unsere Bundesregierung ein starkes und eindeutiges Verhand- lungsmandat benötigt. Ohne ein starkes Mandat unseres Parlaments wäre die Verhandlungsposition unserer Bun- desregierung für weitere Reformen und Hilfen nicht so stark, wie es für die kluge Durchsetzung unserer Interes- sen zwingend notwendig ist. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Antrag des Bundesfinanzministers auf ein Mandat zur Aushandlung eines dritten Hilfspakets für Griechen- land lehne ich ab. Die Vorgeschichte zu diesem dritten Hilfspaket ist vor der Frage, was für ein Europa wir eigentlich wollen, kaum erträglich. Die griechische Seite hat schwere di- plomatische Fehler gemacht. Vor allem der inzwischen entlassene Finanzminister Varoufakis hat sich des Öfte- ren in nicht hinnehmbarer Weise geäußert. Aber das kann kein Grund sein für die beispiellose Kälte und Härte, mit der Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble agiert haben. Die EU ist kein Erziehungsraum, in dem schlechtes Benehmen mit Strafen vergolten wird. Die EU war gedacht als Raum, von dem Frieden und Entspannung ausgehen sollten und in dem Solidarität herrscht. Die existenzgefährdende Situation großer Teile der griechischen Bevölkerung scheint die Befürworter der harten Haltung nicht zu interessieren. „Auf Dauer geht es Deutschland nur gut, wenn es Europa gut geht, und zwar allen in Europa.“ Diese Worte Frau Merkels in der heutigen Debatte sind für die verarmende Bevölke- rung Griechenlands purer Hohn. Wenn Ministerpräsident Tsipras sich gezwungen sieht, ein „Reformpaket“ durchzusetzen, an das er nach eigener Aussage nicht glaubt, zeigt das, in welch absolut aussichtsloser Lage sich Griechenland befindet. Die Ab- 11426 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) erkennung der Souveränität über die eigene Gesetzge- bung nimmt dem Land bewusst die Würde. Auch wenn vor allem die Vorgängerregierungen Griechenlands, aber auch die derzeitige, noch so viele Fehler gemacht haben – so weit darf es eine „Wertegemeinschaft“ EU nicht kommen lassen. Im 21. Jahrhundert die Demüti- gung eines Landes zu zelebrieren, die absolute Unter- werfung unter ein Politikmodell zu verlangen, das die Bevölkerung mit der letzten Regierung abgewählt hatte, das ist vordemokratisch und voreuropäisch. Dass gerade Deutschland mit seiner eigenen Geschichte Treiber die- ses Prozesses war, ist für mich beschämend. Ob Griechenland mit immer neuen Krediten und da- mit wachsender Verschuldung überhaupt eine Chance hat, sich wieder zu erholen, kann man zu Recht bezwei- feln. Trotzdem wollte ich zu dem neuen Verhandlungs- auftrag nicht Nein sagen, wenn die Griechen selbst in ih- rem Parlament mit Ja stimmen. Zu einem klaren Nein bringt mich nun die Äußerung von Finanzminister Schäuble gestern im Deutschlandfunk, das vom griechi- schen Parlament entsprechend den Forderungen der Euro-Gruppe beschlossene Reformpaket reiche nicht, Griechenland solle den freiwilligen Euro-Austritt auf Zeit ins Auge fassen. Das zeigt: Die angebliche Alterna- tive, Zustimmung zu den Forderungen der Euro-Gruppe oder Grexit, existiert nicht. Am Austritt Griechenlands gibt es weiterhin ein maßgebliches deutsches Interesse. Zu diesem Verhandlungsführer habe ich nicht das Zu- trauen, dass er auch das Wohl Griechenlands, das Wohl der griechischen Bevölkerung im Auge hat. Deshalb kann ich ihm meine Stimme für ein Verhandlungsmandat nicht geben! Katharina Landgraf (CDU/CSU): Dem vorliegen- den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen stimme ich nach reiflicher Abwägung des Für und Wider unter Vorbehalt zu. Ich unterstütze mit meiner Zustim- mung ausdrücklich das Mandat der Bundesregierung zur Aufnahme von weiteren Verhandlungen über ein Hilfs- paket für Griechenland. Das Verhandlungsmandat ent- spricht den Grundsätzen der Europäischen Union als Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft, die für alle Mitgliedsländer verpflichtend sind und die nicht durch wechselndes parteipolitisches Verhalten von Regierun- gen außer Kraft gesetzt werden können. Von der Bundesregierung erwarte ich, dass die weite- ren Verhandlungen ausschließlich auf der Basis der Er- klärung des Euro-Gipfels vom 12./13. Juli in Brüssel ge- führt werden. Meine Bedenken zum dritten Hilfspaket für Grie- chenland: Ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland – das zweite war übrigens noch gar nicht abgeschlossen – ist durchaus umstritten. Sehr viele Meinungsäußerungen besorgter Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland erreichen mich in diesen Tagen. Die Formulierung „Fass ohne Boden“ kann ich eigentlich schon nicht mehr hö- ren! Aber ich habe für die Ängste volles Verständnis. Ich teile sie. Dennoch: Ja, ich will, dass die Europäische Union und Deutschland mit Griechenland weiter verhandeln. Solange man miteinander spricht und verhandelt, sind Konfliktlösungen ohne Katastrophen noch möglich. Die Hellenische Republik und ihre Politikerinnen und Politi- ker sollten daraus aber nicht die falschen Schlüsse zie- hen. Ein Weiter-so wie bisher kann es nicht geben. Wir befinden uns in der Europäischen Union in einer Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft. Diese ist ver- pflichtend für alle. Das zeigten die jüngsten Marathon- verhandlungen in Brüssel und deren Ergebnisse so deut- lich wie noch nie zuvor. Verhandeln ja. Aber mit wem eigentlich? Wie verlässlich sind denn Herr Tsipras und seine Regierungsleute aus Athen überhaupt noch? Sind sie nach dem kreuzgefährlichen Zickzackkurs der letzten Wochen überhaupt noch ernst zu nehmen? Da stimmte doch der griechische Premier einem hart errungenen Papier zu, distanziert sich im selben Atem- zug vom Inhalt und von den doch sehr grundlegenden und bitternötigen Reformen. All das schafft auch bei mir absolut kein neues Vertrauen. Das weitere Verhandeln wird somit außerordentlich schwierig. Unseren griechischen EU-Partnern muss klar sein, dass es um sie selbst und um ihr Land geht. Fürwahr, sie alle brauchen Solidarität und Hilfe. Die haben sie in den vergangenen fünf Jahren umfangreich von den europäi- schen Steuerzahlern erfahren können. Umso bemerkens- werter ist allerdings ein ganz offensichtlicher gegenläu- figer Prozess: Je mehr Geld nach Hellas geflossen ist, umso kritischer und gar europafeindlicher reagierten die Nehmenden. Das entbehrt doch jeder Logik! Hat man die Europäische Union und ihre Träger irrtümlicher- weise als eine eierlegende Wollmilchsau ausgemacht, die freimütig alle aushält? Mittlerweile ist es uns allen wohl sehr bewusst ge- worden, dass ein fortwährender Geldfluss von außen keine Hilfe zur Selbsthilfe ist. Defizite in der Wirtschaft und in der gesamten Gesellschaft können nicht mit un- endlich vielen Milliarden Euro ausgeglichen werden. Neue, handlungsfähige Strukturen in Staat und Wirt- schaft entstehen nicht mit fortwährendem Geld aus Brüs- sel. Ich erinnere an die Situation in der DDR vor 25 Jah- ren: Wir bekamen am 1. Juli 1990 die Deutsche Mark als offizielles Zahlungsmittel und zugleich im Rahmen des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der DDR nicht nur eine Währungs-, sondern auch eine Wirtschafts- und Sozialunion. Doch nicht ge- nug: Nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober halfen die sogenannten alten Bundeslän- der und der Bund, dass in der ehemaligen DDR ein funk- tionierendes Staatssystem nach den Prinzipien der bürgerlich-demokratischen Grundordnung aufgebaut werden konnte. Konkret hieß das beispielsweise, dass viele Beamte aus dem Westen ihr persönliches Know- how in den jungen deutschen Bundesländern vor Ort ein- brachten. Das wäre doch ein Hinweis für Griechenland. Der EU-Partner hat in Brüssel, in ganz Europa und in al- ler Welt unendlich viele kreative und erfolgreiche Landsleute, die helfen könnten, ein effizientes helleni- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11427 (A) (C) (D)(B) sches Staatssystem und eine florierende Wirtschaft im Mutterland aufzubauen. Da könnten wir mit unseren ein- schlägigen Erfahrungen helfen. Der Aufwand wäre eine vertretbare und nachhaltige Investition. Der Mangel an Wissen über Griechenland erscheint in der Beurteilung der gegenwärtigen Entwicklungen für uns alle das Hauptproblem zu sein. Deshalb bin ich per- sönlich für einen Buchtipp der Bundeszentrale für politi- sche Bildung dankbar, den ich sofort an meine Internet- leser vor wenigen Tagen weitergegeben habe: Mit dem Sonderband „Die Krise in Griechenland – Ursprünge, Verlauf, Folgen“ wird jedem Interessierten die Gesamt- problematik erschlossen und nachvollziehbar gemacht. Die über 500 Seiten prägnanter Analyse und tiefgreifen- der Erläuterungen wünschte ich mir als Pflichtlektüre für alle Beteiligten – auf deutscher und griechischer Seite, in Politik und Medien. Dieser Wunsch lässt sich leider bei dem herrschenden Zeit- und Handlungsdruck in der ak- tuellen Politik nicht so leicht erfüllen. Ich sage grundsätzlich Ja zu weiteren Verhandlungen und gebe dazu der Bundesregierung meine Zustimmung. Die Gespräche sollten aber ergebnisoffen geführt wer- den und nicht von vornherein ein drittes Hilfspaket als alternativlos erklären. Die vereinbarten Reformen kön- nen nur von den Griechen selbst eingeleitet und umge- setzt werden. Klappt das nicht, so gibt es auch kein Geld mehr! Die Regeln sind aufgestellt. Das weitere Gesche- hen in Griechenland wird entscheidend sein. Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Politische Einschät- zung: Zunächst einmal gilt es die Verhandlungen durch die Bundesregierung in Brüssel anzuerkennen. Die Ge- mengelage war mehr als schwierig. Einen direkten Bruch mit den europäischen Partnern, insbesondere Frankreich und Italien, galt es in letzter Konsequenz zu verhindern. Die Folgen für das europäische Projekt, die europäische Idee, wären unabsehbar. Gerade die Achse Frankreich-Deutschland ist für die Existenz der Europäi- schen Union seit ihrer Gründung von maßgebender Be- deutung. Die Verhandlungen in Brüssel waren nun ein- mal so, dass Frankreich, Italien und auch Zypern gegen einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion waren. Die deutsche Verhandlungsführung konnte sich hingegen bei allen Forderungen mit einer starken Kondi- tionalität für weitere Hilfen durchsetzen. Ich stimme daher aus politischer Sicht für die Auf- nahme von Gesprächen für ein etwaiges drittes Hilfspa- ket. In den Verhandlungen gilt es jedoch die richtigen An- reize für strukturelle Reformen in Griechenland zu setzen. Vor allem müssen Sanktionsmöglichkeiten, aber auch eine Gewährleistung der Umsetzung beschlossener oder zu beschließender Maßnahmen gegeben sein. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass derjenige, der am lautesten schreit, dafür belohnt wird. Die griechische Regierung hat die europäische Idee von Verantwortung füreinander, Solidarität und Vertrauen mit Füßen getreten. Dies gipfelte in einem Referendum, bei dem sie der eigenen Bevölkerung die Ablehnung der Reformvorhaben der Kommission empfahl. Die neuen Konditionen beinhalten jedoch wesentlich härtere Maß- nahmen, die in einer ersten Stufe vom griechischen Par- lament auch so beschlossen wurden. Es geht erstmals wirklich um Reformen. Jedoch ist das Vertrauen in diese griechische Regierung meiner Meinung nach irreparabel beschädigt. Auch deshalb ist die Überprüfung, die Schaffung einer verpflichtenden Umsetzung sämtlicher Maßnahmen notwendig. So muss es eine Option auf die sofortige Kündigung der Hilfen geben, wenn Reformen nicht umgesetzt werden. Auch unter den Vorgängerregierungen der letzten fünf Jahre ist hier zu wenig passiert. Sonst besteht die große Gefahr, dass nach Ablauf der nächsten drei Jahre nichts passiert ist, aber das Geld der anderen Euro-Länder un- wiederbringlich versandet. Ökonomische Einschätzung: Aus ökonomischer Sicht bin ich fest davon überzeugt, dass es für Griechenland und den Euro-Raum die bessere Lösung wäre, wenn Griechenland, zumindest auf Zeit, aus dem Euro austre- ten würde. Die Abwertung durch die Einführung einer anderen Währung wäre eine Chance für die heimische Produktion in Griechenland. So oder so muss der griechischen Bevölkerung ver- mittelt werden, dass es harte Einschnitte in Griechenland geben muss, damit das Land wettbewerbsfähiger wird und damit aus eigener Kraft Wohlstand und Wachstum generieren kann. Fazit: Unter Abwägung aller Optionen stimme ich für die Aufnahme von Verhandlungen. Die Erteilung des Mandats sagt jedoch nicht, dass ich unter allen Umstän- den einem neuen Programm zustimmen werde. Ziel muss es sein, langfristig keine Alimentierung an- derer Länder zum Standard werden zu lassen. Eine Trans- ferunion muss verhindert werden. Dies würde nicht dazu führen, dass sich Länder anstrengen und somit entwi- ckeln können. Damit wäre Europa insgesamt nicht ge- holfen, wir würden Europa damit schaden. Antje Lezius (CDU/CSU): Die griechische Regie- rung hat durch ihr Verhalten, nicht zuletzt durch ihr un- durchsichtiges Manöver eines Referendums gegen den politischen Kurs, den sie nun doch einschlägt, die Eini- gung über Finanzhilfen massiv erschwert. Das Ver- trauen in die griechische Regierung, in Alexis Tsipras und den inzwischen zurückgetretenen Finanzminister Yanis Varoufakis, war auf den Nullpunkt gesunken. Dennoch haben sich die Bedingungen nun geändert. Die von unserer Bundeskanzlerin nach den nächtlichen Verhandlungen in Brüssel vorgestellten Ergebnisse las- sen neu hoffen. Die Auflagen für weitere Hilfen, die die Institutionen von EU, EZB und IWF für Griechenland auferlegen, sind zweifelsfrei hart. Die Menschen in Grie- chenland spüren die Krise härter denn je. Angesichts der Dramatik der Finanzsituation sind die Forderungen aber unausweichlich; denn dem europäischen Steuerzahler ist es nicht länger zuzumuten, in ein Fass ohne Boden zu in- vestieren. Ein solcher Boden kann nur durch Einschnitte und Reformen geschaffen werden. Die ersten Reformge- 11428 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) setze, die das griechische Parlament diese Woche verab- schiedet hat, zeigen, dass ein Großteil der Abgeordneten und der Regierung den Ernst der Lage realistisch erkannt hat und die Verantwortung für das Land wahrnimmt. Andere europäische Länder mussten angesichts der Weltwirtschaftskrise solche Einschnitte vornehmen und haben sich damit, mit Unterstützung der europäischen Gemeinschaft, mit Erfolg gefangen. Die Strukturrefor- men, die der Hellenischen Republik auferlegt werden sollen, sind so fundamental, dass ich darin eine echte Ba- sis für weitere Verhandlungen sehe. Um nicht mehr und nicht weniger geht es in der heutigen Abstimmung im Bundestag: Neue Verhandlungen sollen aufgenommen und die griechische Regierung bei den Reformvorhaben begleitet werden. Es geht noch nicht um die Zustim- mung zu einem dritten Hilfspaket. Die Signale aus Athen, dass die Regierung Tsipras bald den Weg für Neuwahlen freimachen könnte, er- weckt zudem Hoffnung auf eine konstruktivere Zusam- menarbeit. Der Zusammenhalt Europas ist ein hohes Gut. Terror- gefahr, kriegerische Auseinandersetzungen in der direk- ten Nachbarschaft, Hilfe für viele Flüchtlinge, die zu uns kommen – das sind Aufgaben, die wir als Europäer ge- meinsam bewältigen müssen. Europa ist mehr als der Euro. Davon bin ich als Euro- päerin überzeugt. Europa ist eine Wertegemeinschaft, nicht nur eine Gemeinschaft des Geldwertes. Europa steht für Frieden und Freiheit, für Menschenrechte, Ge- rechtigkeit, Meinungs- und Religionsfreiheit. Diese Werte basieren auf dem christlichen Menschenbild und der europäischen Kultur, an deren Entstehung Griechen- land schon immer einen Anteil hatte. Zur Regierung Tsipras fehlt mir Vertrauen. Aber zur deutschen Bundesregierung habe ich sehr großes Ver- trauen. Deshalb werde ich für ein Verhandlungsmandat der Bundesregierung stimmen. Es gilt alle Chancen zu nutzen, um zusammenzuhalten, was zusammengehört: unser Europa, unsere gemeinsame Heimat. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Die heutige Ent- scheidung habe ich mir nicht leicht gemacht. Nach sorg- fältiger Abwägung stimme ich dem Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen zu, Verhandlungen über ein drittes Anpassungsprogramm für die Hellenische Repu- blik aufzunehmen. Der Ausgang der Verhandlungen ist ungewiss. Meine Zustimmung hat keine Aussagekraft für mein Abstimmungsverhalten über ein möglicher- weise zustandekommendes drittes Hilfsprogramm für Griechenland. Ich bin sehr skeptisch, ob mit der amtie- renden griechischen Regierung ein vernünftiges Ergeb- nis erzielt werden kann. Die diffamierenden Angriffe auf Mitglieder der Bun- desregierung durch griechische Politiker und Medien sind unerträglich. Die Verantwortlichen zerstören damit die Arbeits- und Vertrauensgrundlage, ohne die unser gemeinsames Europa nicht funktionieren kann. Trotz- dem haben der Bundesfinanzminister und die Bundes- kanzlerin mit Geduld, Nachdruck und hohem persönli- chen Einsatz verhandelt. Dabei haben sie unsere Überzeugungen von einer stabilen und regelbasierten Währungsunion konsequent vertreten und die Prinzipien der Verantwortungsgemeinschaft in vielerlei Hinsicht durchgesetzt. Ein wesentlicher Nachweis dafür sind die weitreichenden Reformbeschlüsse, die das griechische Parlament in dieser Woche mit beeindruckend großer Mehrheit angenommen hat. Damit hat Griechenland Re- formwillen gezeigt und Voraussetzungen geschaffen, um über ein drittes Anpassungsprogramm zu verhandeln. Zudem dürfen die geopolitischen und sozialen Risiken eines sogenannten Grexits für ganz Europa nicht unter- schätzt werden. Auch kann ein Ausscheiden Griechen- lands eine ernsthafte Bedrohung für den inneren Frieden in der EU darstellen. Vor diesem Hintergrund halte ich es für richtig, diese Chance auf weitergehende Verhandlun- gen zu nutzen. Ich verknüpfe meine Zustimmung mit den folgenden Forderungen: Oberstes Ziel der Verhandlungen muss die Sicherstel- lung der Stabilität der Euro-Zone als Ganzes sein. Rechte und Pflichten in der Währungsunion müssen konsequent durchgesetzt werden. Die Zukunft Europas darf sich nicht am Willen eines einzelnen Staates ent- scheiden. Entscheidend für die Zukunft der EU ist der Wille der Staatengemeinschaft, die gemeinsamen Regeln einzuhalten und ihren Wert anzuerkennen. In den Verhandlungen muss sichergestellt werden, dass die notwendigen Reformen nicht nur schriftlich fi- xiert und formell beschlossen, sondern auch effektiv im- plementiert und kontrolliert werden. Ohne engmaschige Kontrollen und ernsthafte Sanktionen werden sich die weitreichenden und grundlegenden Reformen nicht durchsetzen lassen. Die Mitwirkung des Internationalen Währungsfonds, IWF, als außenstehende Kraft sollte sichergestellt wer- den, so wie es im ESM-Vertrag vorgesehen ist. Der Deutsche Bundestag muss seine Haushaltsverant- wortung dauerhaft, umfassend und selbstbestimmt wahr- nehmen können. Eine Transferunion oder unkonditio- nierte Hilfe lehne ich strikt ab. Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): An meiner Haltung hat sich nichts geändert: Die Rettungsstrategie der Euro-Zone kann und wird die Probleme Griechen- lands nicht lösen. Es ist zudem der erklärte Wille der griechischen Regierung, den Reformpfad nicht zu unter- stützen. Wir brauchen deshalb mehr denn je einen Fahr- plan, der die Frage beantwortet, wie wir mit Staaten um- gehen, die den Auflagen nicht nachkommen können oder wollen. Von solch einem Fahrplan in Form einer In- solvenzordnung für überschuldete Staaten ist aber weit und breit nichts zu sehen. Daher werde ich auch dieses Mal einer Gewährung von Finanzhilfen für Griechen- land nicht zustimmen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11429 (A) (C) (D)(B) Hilde Mattheis (SPD): Meine Zustimmung zu einem neuerlichen sogenannten Rettungspaket für Griechen- land ist ausschließlich ein Votum für den Zusammenhalt Europas und gegen eine unkontrollierte Insolvenz Grie- chenlands. Sie ist gleichzeitig gerichtet gegen jeden Ver- such, Griechenland aus dem Euro-Raum – oder der EU – zu drängen. Derartige Vorschläge halte ich für politisch und wirtschaftlich schädlich für die EU und unser Land. Dazu stelle ich allerdings fest: Erstens. Die weiterhin verfolgte Sparpolitik halte ich für verfehlt. Sie hat in den vergangenen fünf Jahren er- kennbar nicht funktioniert. Selbstverständlich muss Griechenland einen modernen funktionierenden Staat aufbauen. Im Mittelpunkt der jetzt vereinbarten Kondi- tionen stehen jedoch weiterhin der Abbau grundlegender Arbeitnehmerrechte, ein rücksichtsloser Sozialabbau und die damit verbundene Verelendung weiter Bevölke- rungsteile und eine völlig kontraproduktive Privatisie- rungspolitik. Die jetzt in der EU vorgesehenen neuen Kreditlinien sollen einmal mehr fast ausschließlich der Schuldenfinanzierung dienen. Sie werden – ähnlich wie bisher – kaum den Menschen zugutekommen. Erfolg kann dieses Maßnahmenpaket nur haben, wenn die bis- her nur vage beschriebenen Investitionen in die griechi- sche Wirtschaft anlaufen. Zweitens. Anstatt den Zusammenbruch der bisherigen „Rettungspolitik“ in Griechenland und den Regierungs- wechsel dort für eine Korrektur der gesamten europäi- schen Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik zu nutzen und die Austerität – Spar- und Umverteilungs- politik – zu beenden, gefährden die europäischen Regie- rungen Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa – und darüber hinaus – in höchstem Maß. Weder die an- deren „Programmländer“ noch die EU als Ganzes haben die Krise überwunden. Eine wirksame Besteuerung der Finanzmärkte, Spitzeneinkommen und großer Vermö- gen, die Finanzierung der überfälligen öffentlichen In- vestitionen ohne Abhängigkeit von privatem Kapital, eine europaweite Ordnung auf den Arbeitsmärkten an- stelle des Lohndumpings, die Schaffung sozialer Mindestsicherungssysteme sowie eine wirksame Be- kämpfung der Massenarbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen, müssen die Glaubwürdigkeit und Hand- lungsfähigkeit von Politik und Staaten wiederherstellen. Drittens. Ich lehne es ab, jahrzehntelange Fehlent- wicklungen der aktuellen griechischen Regierung anzu- lasten und so zu tun, als seien diese innerhalb weniger Wochen zu korrigieren. Das Verhalten vieler politischer Akteure auf europäischer Ebene hat dazu geführt, Misstrauen und Zwist in Europa zu verschärfen und ge- fährlichen nationalen Egoismen Vorschub zu leisten. Ich verurteile Äußerungen, die ein ganzes Land, seine Be- völkerung oder dessen demokratisch gewählte Regie- rung kollektiv diffamieren oder herabwürdigen. Ich fordere die Bundesregierung auf, in den nächsten Wochen und Monaten alles zu unternehmen, um gegen- seitige Verletzungen aufzuarbeiten und die Spaltungsten- denzen in Europa zu bekämpfen. Außerdem ist sicherzu- stellen, dass die Geldkreisläufe unverzüglich wieder in Gang gesetzt und die Grundlagen für Stabilisierung und Wachstum der griechischen Wirtschaft geschaffen wer- den. Jan Metzler (CDU/CSU): Ich stimme dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen nicht zu. Bereits in der letzten Abstimmung zur Verlängerung der Stabili- tätshilfe habe ich einen finalen Versuch gesehen, Grie- chenland bei der Bewältigung seiner strukturellen Pro- bleme zu unterstützen, einen Vertrauensvorschuss an eine neu gewählte Regierung, geknüpft an die Vorausset- zung, ihre zugesagte Reformpolitik ernsthaft, seriös und verlässlich umzusetzen. Rückblickend muss ich leider feststellen, dass ich meine damaligen Bedenken und meine Zurückhaltung ge- genüber der griechischen Regierung heute bestätigt sehe: das in erster Linie ausgebliebene politische Handeln, aber auch das Verhandlungsgebaren gegenüber den Institutio- nen sowie das Taktieren und die Verantwortungslosig- keit der griechischen Regierung gegenüber dem eigenen Volk als auch gegenüber der europäischen Union als Wertegemeinschaft insgesamt. Denn gerade in Hinblick auf einen globalen Kontext erachte ich unsere europäi- sche Wertegemeinschaft als ein unschätzbar hohes Gut. Wir teilen gemeinsame Werte wie Demokratie, Religions- und Meinungsfreiheit. Ich finde es richtig und wichtig, dass in einer solchen Gemeinschaft Solidarität und ge- genseitige Unterstützung nicht allein Lippenbekennt- nisse, sondern auch politische und gesellschaftliche Rea- lität sind. Deshalb kann ich in der Rückbetrachtung nach wie vor festhalten, dass die im Zusammenhang mit der Stabi- lisierung der Euro-Zone seit 2010 eingeleiteten Maßnah- men – insbesondere die Einrichtung des EFSF und des ESM sowie die Schaffung der europäischen Bankenauf- sicht – in einer Gesamtabwägung unter Berücksichti- gung aller Argumente für mich richtig und notwendig gewesen sind. Dass dies erfolgreich war und ist, sieht man an den er- freulichen Entwicklungen etwa in Irland, in Portugal, in Spanien und bis Anfang dieses Jahres in Teilen auch in Griechenland. Diese sichtbaren Erfolge zeigen, dass der eingeschlagene Weg der europäischen Partner gemein- sam mit der Bundesregierung, allen voran der Bundes- kanzlerin Angela Merkel und des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, richtig war. Allerdings habe ich zum heutigen Zeitpunkt, mehr noch als zu Beginn des Jahres, Zweifel an den Zusagen und an der Ernsthaftigkeit, Seriosität und Verlässlichkeit der griechischen Regierung. Sie hatte in den vergange- nen Monaten die Gelegenheit, durch aktives und richti- ges Regierungshandeln den notwendigen Reformprozess in Gang zu setzen, Vertrauen aufzubauen und somit über den weiteren Verbleib in der Euro-Zone selbst zu bestim- men. Für mich ist allerdings jetzt eine rote Linie erreicht, und Verhandlungen über ein weiteres Hilfspaket sind nicht mehr tragbar. Nach eingehender persönlicher Ab- wägung kann ich darum einem Verhandlungsmandat nicht zustimmen. 11430 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Klaus Mindrup (SPD): Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Ab- satz 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 1 ESM Finanzierungsge- setz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Ab- satz 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungs- verfahren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Under- standing und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“ Was fehlt? Die soziale Komponente. Soziale Gerech- tigkeit. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Deriva- ten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Menschen aus dem Blick geraten. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizi- nische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mit- telpunkt zu rücken. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. In seiner Begründung geht der Bundesfinanzminister auf die „Reformbereitschaft Griechenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungs- gebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentragfähigkeit Griechen- lands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechenlands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein – die formalen Voraussetzungen. Wir sprechen nach dem ersten Programm und dem zweiten Programm nun vom dritten Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Sisyphos lässt grü- ßen. Deshalb sei zunächst aus Sicht der Geldgeber (selbst-)kritisch anzumerken, dass die Austeritätspolitik – Renten kürzen, Löhne senken, Beamte entlassen, Pri- vatisierung usw. – der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an waren die Hilfs- programme an Griechenland einseitig darauf ausgerich- tet, dass man von Gläubigerseite Hilfszahlungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Haircut, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt – herausgekauft – wurden. Deshalb hat die SPD- Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Inves- titionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Proble- men gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet es die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der Euro- Zone ist sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Jugendliche: Je- der zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro; das sind 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lag dies noch bei 148 Prozent. Die Inflationsrate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Prozent in 2014. Mehr als die grie- chische Bevölkerung haben die Banken und Spekulanten von der Krise profitiert: Drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Peer Steinbrück hat in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2012 erklärt, warum das damals ebenfalls von Kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble verhandelte zweite Griechen- land-Paket „erhebliche Verunsicherung und Zweifel“ auslöse. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er mit vielen seiner damaligen Befürchtungen, abgesehen von seiner Schätzung des Primärüberschusses in 2014 in Griechenland, richtig prognostiziert hat. Und gleichwohl hat er dem Bundestag empfohlen, zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politischen Interesse Deutschlands ist (La- chen bei Abgeordneten der FDP) und drittens weil es um das Ganze geht. (Zurufe von der FDP: Oh!) Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frie- den mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir – und sei es nur fahrlässig – eine Renati- onalisierung unserer Währungen zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte – mit dem Auftauchen von ziemlich unseligen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen wür- den.“ So weit Peer Steinbrück zum zweiten Griechenland- Paket. Müssen wir uns wundern, dass die Programme nicht so funktioniert haben wie gedacht? Als Deutschland aufgrund der Finanz- in eine Wirt- schaftskrise geriet, beschlossen wir – richtigerweise – keine Sparpakete, keine Lohnkürzungen, keine Renten- kürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Sup- penküchen, keine Privatisierungen –, wir beschlossen für Deutschland Konjunkturprogramme: Im November 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Ar- beitsplätze“ das erste Konjunkturpaket beschlossen: 15 Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft gestärkt, Ar- beitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Auf- träge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Ja- nuar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Milliar- den Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Si- cherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzarbei- terprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Dabei entspricht der Exportüberschuss Deutschlands, auch in- folge jahrelanger Reallohneinbußen, in anderen Ländern Importüberschüssen, verschärft also die Verschuldung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11431 (A) (C) (D)(B) Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum, Binnennachfrage braucht. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Bundesfinanzministerium verteidigt das zweite Griechenland-Paket ohne Konjunkturprogramm, ohne Modelle wie Kurzarbeit damit, dass mit den in Deutsch- land erfolgreichen Maßnahmen in Griechenland ledig- lich die „schlechten Strukturen“ gefestigt worden wären. Gut, dass nach dieser Logik niemand fragt, um wie viel besser unsere Strukturen heute sein könnten, wenn wir statt Konjunkturprogrammen und Schutz der Arbeits- plätze die Arbeitnehmer entlassen und den noch Arbei- tenden die Löhne und den Rentnern die Rente gekürzt hätten. Jedenfalls können wir aus unseren Erfahrungen ablei- ten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktio- nieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, sind äußerst kompliziert und komplex. Statt sich nun dieser komplexen Aufgabe zuzuwen- den, schlägt der deutsche Bundesfinanzminister eigen- mächtig mit gütiger Billigung der Kanzlerin den Austritt Griechenlands aus dem Euro vor – am deutschen Parla- ment vorbei – den Grexit, Grexit auf Zeit – und das nicht an irgendeinem Tag, sondern an dem Tag, an dem er gleichzeitig den Antrag der Regierung auf die Stabili- tätshilfe und Absicherung der Brückenfinanzierung für Griechenland beim Deutschen Bundestag stellt. Die Kanzlerin verhandelt etwas und lässt gleichzeitig das Gegenteil vorschlagen. Weder waren alle Minister infor- miert noch die Ausschüsse des Bundestages. Das wirft ein Blitzlicht auf die Selbstwahrnehmung der Regierung und ihr Verhältnis zum deutschen Parlament und Europa. Die Folgen der Realisierung eines solchen Vorschlags für die Menschen in Griechenland ohne dickes Aus- landskonto, aber auch die Folgen für die Europäische Gemeinschaft, „weil es um das Ganze geht“, werden verschwiegen, „verschwurbelt“. Kein Gläubiger bekäme einen Euro mehr zurück, die Altschulden stünden wei- terhin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Betriebs- und Investitionsmittel importieren, kein Kran- kenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medika- mente leisten, kein Arbeitsplatz würde geschaffen. Aus- ländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Fol- gen und des Vertrauensverlustes in den Euro wäre insbe- sondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass sich radikale und extreme Kräfte Euro- pas bemächtigen. Auch die Griechen müssen etwas (mehr) tun, auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung an, und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Eine Mammutaufgabe, denn die großen historisch erklärbaren kulturellen Unterschiede stehen einfachen Lösungen entgegen. Dimosthenis Kourtovik formulierte: „Griechenland ist zu orientalisch, um ein europäisches Land zu sein, und zu westlich, um zum Orient zu gehören.“ Die Zugehörigkeit Griechen- lands zum Osmanischen Reich in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert und, wie Heinz Richter beschreibt, das Muchtar-System, das Millet-System, das Verhältnis der Griechen zum Staat und das System von Gefälligkeiten – Rousfetia – machen es nicht leicht, sich den europäi- schen Standards anzunähern. Jedenfalls funktioniert das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern nur mit Hilfe und Unterstützung, Verständnis und Verständigung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten frei hat; ein Analogon zu den Bad Banks, die sich in Deutschland bewährt haben. Darum müssen sich die Griechen wieder kümmern, wenn es deutlich aufwärts geht. Wir können beispielsweise bei der Energieversorgung Griechenlands mit unseren Erfahrungen aus der Energie- wende helfend zur Seite stehen. Griechenland importiert jährlich fossile Energieträger zur Energiegewinnung in einem mittleren dreistelligen Millionenbereich, obwohl es über hervorragende Bedingungen verfügt, Energie im eigenen Land klimaverträglich und nachhaltig zu erzeu- gen. Durch die Lage am windreichen und sonnenreichen Mittelmeer herrschen optimale Voraussetzungen, um die Wind- und Solarenergie auszubauen. So könnte man auf teure Energieimporte verzichten und gleichzeitig die re- gionale Wertschöpfung erhöhen. Ich stimme dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu, denn: „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sol- len.“ Niema Movassat (DIE LINKE): Ich werde in der heutigen Abstimmung mit Nein stimmen. Dies geschieht im Wesentlichen aus folgenden Gründen; Erstens. Die griechische Regierung wurde unter größ- tem Druck faktisch gezwungen, der vorliegenden Ver- einbarung zuzustimmen. Dieses „Hilfspaket“, das anti- sozial und antidemokratisch ist, wurde erpresst. Griechenland hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder die Regierung stimmt zu und muss massive Kürzungen vornehmen und sich entmündigen lassen. Oder sie stimmt dagegen, und es kommt zum unkontrol- lierten Grexit – mit gravierenden humanitären Folgen. Dieses „Hilfspaket“ hat faktisch dieselbe Wirkung, als ob man jemanden in einen Raum sperrt, ihm eine Pistole in die Hand drückt und sagt: Du weißt, was zu tun ist. Zweitens. Die Vereinbarung ist antidemokratisch. Die Souveränität Griechenlands wird ausgehebelt. Nahezu jede Maßnahme der Regierung muss in Zukunft mit der EU, der EZB und dem IWF abgesprochen werden. Per- sonen, die dazu nicht demokratisch legitimiert sind, wer- 11432 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) den in Zukunft entscheiden, welche Gesetze Griechen- land verabschieden darf und welche nicht. Dies spottet jeder demokratischen Gepflogenheit. Drittens. Die Vereinbarung ist antisozial, Renten wer- den gekürzt, Löhne gesenkt, Menschen werden ihre Ar- beitsplätze verlieren. Die soziale Lage ist bereits jetzt dramatisch: Die Hälfte aller Jugendlichen hat keine Ar- beit. Die Armutsrate hat sich seit 2010 fast verdoppelt. 3 Millionen Griechinnen und Griechen haben keine Krankenversicherung. Menschen können sich lebensnot- wendige Medikamente nicht leisten. Diese Situation wird sich durch die Bedingungen, an die die neuen Kre- dite für Griechenland gebunden sind, weiter verschärfen. Viertens. Die Vereinbarung ist ökonomisch fatal. Viele namenhafte Ökonomen – Wirtschaftsnobelpreisträ- ger Paul Krugman, Joseph E. Stiglitz, Heiner Flassbeck, Thomas Piketty, Jeffrey Sachs – haben die Austeritäts- politik und die Diktate in Richtung griechischer Regie- rung immer wieder scharf kritisiert; denn sie zerstört die Chance auf Wachstum, zerstört Arbeitsplätze, zerstört die Chance, dass Griechenland irgendwann wieder auf die Beine kommt. Aber genau diese Politik wird nun fortgesetzt. Fünftens. Ich halte das Agieren der Bundesregierung für unerträglich. Ohne den Bundestag zu informieren, legte der Bundesfinanzminister einen Vorschlag für ei- nen Grexit vor. Die Bundesregierung war in der gesam- ten Debatte bezüglich Griechenland Scharfmacher und hat alles getan, die griechische Regierung und die grie- chische Bevölkerung zu demütigen und zu entwürdigen. Besonders Deutschland, das durch zwei Weltkriege Eu- ropa zweimal zerstört hat, stünde es gut zu Gesicht, ei- nen Beitrag zu leisten, Europa zu einen und so Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Diese Bundesregierung macht das Gegenteil. Sie bedient nationalistische Stereo- type. Sie spaltet Europa. Ja, Griechenland braucht Hilfe. Aber dieses Paket, über das der Bundestag heute abstimmt, ist keine Hilfe. Es ist ein Knechtungspaket, ein Entdemokratisierungpa- ket, ein Sammelsurium der Entwürdigung eines ganzen Volkes. Ich will der Bundesregierung nicht das Verhand- lungsmandat geben, ihre fatale Politik fortzusetzen. Des- halb stimme ich mit Nein. Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Erstens. Das zen- trale Ziel der seit 2010 für einzelne Mitgliedstaaten der Euro-Zone aufgelegten Hilfsprogramme war es, die Schuldentragfähigkeit und den langfristigen Kapital- marktzugang des jeweils betroffenen Landes dauerhaft wiederherzustellen. Diese Politik hat auch in den soge- nannten Programmländern, insbesondere in Irland, Por- tugal und Spanien, aber bis Anfang 2015 auch in Grie- chenland, entsprechende Erfolge gezeigt. Es kann also immer nur um ein klar befristetes Zeit- fenster gehen, damit das betroffene Land selbst durch geeignete Reformpolitik die notwendigen Voraussetzun- gen für die eigenständige Finanzierungsfähigkeit inner- halb der Euro-Zone schaffen kann. Dies war und ist auch eine Grundbedingung für die Beteiligung des IWF, die gerade deshalb auch in Zukunft unverzichtbar ist. Bereits bei der Verlängerung des zweiten Rettungs- pakets im Februar 2015 fiel es mehr als schwer, noch Vertrauen in die Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit der griechischen Regierung aufzubringen, die von ihr ge- machten Zusagen und eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich einzuhalten. Die Entwicklung der ver- gangenen vier Monate hat die schlimmsten Befürchtun- gen in dieser Hinsicht leider mehr als bestätigt. Zweitens. Ohne den nachhaltigen und ernsthaften Willen von Regierung, Parlament und Gesellschaft in Griechenland, die zur Rückerlangung eines Kapital- marktzugangs und damit der eigenständigen Finanzie- rungsfähigkeit des Landes notwendigen grundlegenden Veränderungen tatsächlich anzugehen und verlässlich umzusetzen, wird es nicht möglich sein, die Vorausset- zungen für einen grundsätzlich wünschenswerten Ver- bleib des Landes in der Euro-Zone zu schaffen. Die von der Regierung Tsipras zu verantwortende de- saströse wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung Griechenlands in diesem Jahr hat ganz vorrangig dazu geführt, dass das Ziel der eigenständigen Schuldentrag- fähigkeit Griechenlands heute als kaum noch erreichbar gilt. Ein daher möglicherweise notwendiger weiterer Schuldenschnitt ist aus meiner Sicht mit dem Verbleib eines Landes innerhalb der Euro-Zone jedoch nicht ver- einbar. Im Falle des endgültigen Versagens des griechischen Staates würde sich allerdings unmittelbar die Frage nach humanitärer Hilfe für die Menschen in Griechenland ebenso stellen wie etwa nach der Übernahme der voll- ständigen Kontrolle über das griechische Bankensystem durch europäische Institutionen, um so den Geldverkehr in Griechenland aufrechtzuerhalten und den totalen wirt- schaftlichen und sozialen Zusammenbruch zu verhin- dern. Drittens. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ – die- ser Satz der Bundeskanzlerin bleibt unverändert richtig. Aber der Euro scheitert nicht deshalb, weil möglicher- weise ein einzelnes Land nicht mehr bereit oder in der Lage ist, die Voraussetzungen für seinen Verbleib in der Euro-Zone zu gewährleisten. Der Euro wird aber mit ei- niger Sicherheit scheitern, wenn in die grundlegenden Regeln der Währungsunion und die sie tragenden Insti- tutionen kein Vertrauen mehr besteht. Für mich ist die Gesamtbeurteilung der Situation nach wie vor sehr zwiespältig: Einerseits haben Angela Merkel und Wolfgang Schäuble unter schwierigsten Umständen ein sehr gutes Verhandlungsergebnis erzielt, das nach meiner vorläufigen Beurteilung durchaus Grundlage für eine langfristig tragfähige Lösung sein könnte – ja, wenn sich denn alle Beteiligten tatsächlich daran halten würden. Andererseits gibt es aber genau da- ran weiterhin erhebliche Zweifel: Das Vertrauen in die griechische Regierung ist weiterhin nachhaltig beschä- digt, und in dieser Woche ist bisher wenig geschehen, um tatsächlich neues Vertrauen zu schaffen. Und ohne nachhaltige Reformbereitschaft Griechenlands wäre ein Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11433 (A) (C) (D)(B) geordneter Ausstieg aus der Euro-Zone die bessere Lö- sung. Ich werde mich daher in der heutigen Abstimmung der Stimme enthalten, da ich einerseits die Verhand- lungsführung der Bundeskanzlerin und insbesondere des Bundesfinanzministers weiterhin unterstütze, anderer- seits aber zum heutigen Zeitpunkt und auf Basis des jet- zigen Kenntnisstands der politischen Situation in Grie- chenland nach einer schwierigen Abwägung meine Zustimmung nicht erteilen kann, „grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Arti- kel 16 ESM-Vertrag zu gewähren“. Florian Oßner (CDU/CSU): Dem Antrag des Bun- desministeriums der Finanzen: Einholung eines zustim- menden Beschlusses des Deutschen Bundestags nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG, der Hellenischen Republik nach Artikel 13 Absatz 2 ESM-Vertrag grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfi- nanzierung am 17. Juli 2015 stimme ich unter sieben Vo- raussetzungen zu: Erstens, dass der Internationale Währungsfonds, IWF, weiterhin an den Finanzhilfen an die Hellenische Repu- blik Griechenland in überwachender und finanzieller Form eingebunden wird sowie aktiv mitwirkt. Zweitens, dass die bereits eingeleiteten Reformmaß- nahmen weiter umgesetzt werden: Zusätzlich zur bereits beschlossenen Mehrwertsteuerreform durch das griechi- sche Parlament muss die Unabhängigkeit der griechi- schen Statistikbehörde vollständig sichergestellt werden. Bis zum 22. Juli muss außerdem eine Reform der Zivil- prozessordnung zur Beschleunigung von Verfahren und zur Reduktion von Kosten verabschiedet werden sowie die Umsetzung der EU-Bankenabwicklungsrichtlinie in nationales Recht gewährleistet sein. Drittens, dass ein Privatisierungsfonds eingerichtet wird: Griechisches Staatsvermögen muss in einen unab- hängigen Fonds transferiert werden, der die Vermögens- werte durch Privatisierung monetarisiert. Damit sollen rund 50 Milliarden Euro erzielt werden. Rund 50 Pro- zent davon sollen für die Rückzahlung der Mittel aus dem neuen ESM-Programm, 25 Prozent für die Verrin- gerung der Schuldenquote und 25 Prozent für Investitio- nen genutzt werden. Dieser Fonds soll in Griechenland eingerichtet werden und von den griechischen Behörden unter Aufsicht der maßgeblichen europäischen Organe verwaltet werden. Viertens, dass Griechenland bei der Vereinbarung ei- nes neuen ESM-Programms sich zu Reformmaßnahmen verpflichten muss, die über das hinausgehen, was als letzter Vorschlag der Gläubiger vor Abbruch der Ver- handlungen durch Griechenland am 25. Juni beraten worden ist. Die griechische Regierung muss die Libera- lisierung in zahlreichen Branchen vorantreiben, den Ar- beitsmarkt flexibler gestalten und mehr Wettbewerb im Energiesektor etablieren. Zusätzlich sind weitere Reformen des Rentensystems bis Oktober 2015 vorzunehmen, um die Auswirkungen des griechischen Verfassungsgerichtsurteils über die Rentengesetzgebung auf den griechischen Haushalt aus- zugleichen. Ein weiterer Reformschritt ist die Modernisierung der Verwaltung. Hierzu muss unter Federführung der Euro- päischen Kommission eine Entpolitisierung der Verwal- tung erreicht werden. Ein erster Vorschlag hierzu soll bis zum 20. Juli vorgelegt werden. Fünftens, dass ein nominaler Schuldenschnitt nicht realisiert wird. Sechstens, dass beschlossene Rückschritte rückgän- gig gemacht werden: Die griechische Regierung wird die im Widerspruch zu der Vereinbarung mit der Euro-Zone vom 20. Februar eingeführten gesetzlichen Regelungen, die Rückschritte gegenüber früheren Programmauflagen darstellen, überprüfen und rückgängig machen. Ist dies nicht möglich, wird die griechische Regierung Maßnah- men ergreifen, die die negativen Wirkungen dieser Re- gelungen auf den Staatshaushalt ausgleichen. Siebtens, dass die sogenannte Troika nach Athen zu- rückkehrt und den Reformprozess wieder vor Ort über- wacht, womit ein transparentes Monitoring implemen- tiert wird. Gesetzesvorhaben der griechischen Regierung müssen zukünftig wieder der Troika vorgelegt werden, bevor sie öffentlich beraten werden. Sollte in letzter Konsequenz keine Einigung unter den genannten strengen Bedingungen zustande kommen, dann wird weiterhin ein Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone – Grexit – angeboten. Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Im Rahmen der heutigen Abstimmung kann ich dem Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen nicht zustimmen. Die Bundeskanzlerin und der Bundesminister der Fi- nanzen haben beim Euro-Gipfel mit einer durchdachten Strategie und Standhaftigkeit ein ordentliches Verhand- lungsergebnis erzielen können. Dies erkenne ich aus- drücklich an. Allerdings fußt dieses Ergebnis auf der aus meiner Sicht falschen Grundsatzentscheidung, Grie- chenland Mittel aus dem ESM in Aussicht zu stellen. Ich bin der Auffassung, dass Verhandlungen zu Hilfen aus dem ESM für Griechenland derzeit per se nicht an- gebracht sind. Hierfür gibt es für mich drei wesentliche Gründe: Erstens. In der Abschlusserklärung des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 war man sich einig, dass „als Voraus- setzung für eine mögliche künftige Vereinbarung über ein neues ESM-Programm das Vertrauen in die griechi- sche Regierung unbedingt wiederhergestellt werden muss“. Dieser Auffassung bin ich ebenfalls. Ich komme allerdings zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen in die Regierung Tsipras nicht mehr wiederherzustellen ist. Noch am vorletzten Sonntag hat sich das griechische Volk in einem Referendum unmissverständlich gegen 11434 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) die zuletzt von der Euro-Gruppe verlangten Reformen ausgesprochen. Ich stelle mir die Frage, weshalb die griechische Regierung angesichts dessen nun Reformen umsetzen sollte, die härter sind als diejenigen, die am vorletzten Sonntag zur Abstimmung gestellt worden sind. Auch die Reformen, die am 12. Juli 2015 verabredet worden sind, werden von der griechischen Regierung und vom griechischen Volk als von außen aufgezwungen angesehen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Reformpro- gramme, von denen weder die Regierung noch die Be- völkerung überzeugt sind, nicht funktionieren können. In der Abschlusserklärung des Euro-Gipfels vom 12. Juli wurde zudem festgehalten, dass die „Eigenver- antwortung der griechischen Regierung von ausschlag- gebender Bedeutung“ sei. Diese Eigenverantwortung er- kennt die Regierung allerdings offensichtlich immer noch nicht an. Ministerpräsident Tsipras rückte hiervon nach noch nicht einmal zwei Tagen ab, als er in einem Interview im griechischen Fernsehen sagte: „Ich über- nehme Verantwortung für ein Papier, das ich unterzeich- net habe, aber an das ich nicht glaube. Ich werde zur Umsetzung gezwungen.“ Damit macht Tsipras einmal mehr deutlich, dass er kein geeigneter Verhandlungspart- ner ist. Er lässt jegliche Verlässlichkeit und jegliches Verantwortungsbewusstsein vermissen. Seine Aussagen erwecken den Eindruck, dass er die Reformzusagen vom 12. Juli 2015 nicht aus Überzeugung gemacht hat, son- dern allein zur Abwendung eines kurzfristigen Kollap- ses. Für mich spricht nichts dafür, dass die nun zugesagten Reformen auch umgesetzt werden. Zwar hat das griechi- sche Parlament die verlangten „Prior Actions“ durch die Beschlüsse von gestern Morgen auf den Weg gebracht. Ich bin mir allerdings sicher, dass die Beschlüsse bei nächster sich bietender Gelegenheit konterkariert wer- den. Dafür spricht nicht zuletzt, dass die Regierung Tsipras noch in diesem Jahr Neuwahlen anzustreben scheint und ein erneuter Wahlerfolg ausgeschlossen wäre, falls die Reformen nicht zurückgedreht werden. Diese Beschlüsse sind mit den Wahlversprechungen, die Tsipras und Syriza zur Übernahme der Regierung ver- holfen haben, nicht in Einklang zu bringen. Im Ergebnis werden den europäischen Steuerzahlern – insbesondere den deutschen – erneut große Risiken aufgebürdet, denen auf der anderen Seite allein eine nur vage Hoffnung auf die Durchführung von nachhaltigen Reformen und die Rückzahlung der gewährten Kredite gegenübersteht. Die Sicherheiten für die Euro-Länder sind nach meiner Einschätzung zu unbestimmt und zu gering, um auf ein erneutes Ausbleiben der Reformen re- agieren zu können. Zweitens. Die Voraussetzungen für Hilfen aus dem ESM sind nicht erfüllt. Die Situation in Griechenland müsste die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes gefähr- den, um Hilfen aus dem ESM gewähren zu können. Dies sehe ich nicht. Der Beitrag Griechenlands zur Wirt- schaftsleistung der gesamten Euro-Zone liegt bei ledig- lich 1,77 Prozent. In den letzten Jahren sind hinrei- chende Vorkehrungen getroffen worden, um eine Ansteckungsgefahr für andere Euro-Länder zu verhin- dern. Dies wurde zuletzt in dem Schreiben von Bundes- minister Schäuble an alle Mitglieder des Bundestages vom 29. Juni 2015 klargestellt. Schäuble verweist darin auf grundlegende Reformen in vielen europäischen Staa- ten, auf die Ausgestaltung des ESM als „berechenbare und jederzeit handlungsfähige Institution“ und auf das wesentlich robustere Bankensystem. Daher seien nach Auslaufen des Hilfsprogramms die „Effekte auf andere Länder ... begrenzt“. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Das Auslaufen des Hilfsprogramms wirkt sich daher in erster Linie auf Griechenland selbst aus.“ Drittens. In meiner persönlichen Erklärung zu meiner Zustimmung zur Verlängerung des zweiten Hilfspakets habe ich am 27. Februar 2015 unter anderem erklärt: „Die Auszahlungen der restlichen Beträge aus dem laufenden Programm oder Verhandlungen über eine mögliche Folgevereinbarung kommen nur dann in Be- tracht, wenn es sich bei den Erklärungen der griechi- schen Regierung nicht nur um Lippenbekenntnisse han- delt, sondern Griechenland den eingeschlagenen Anpassungsprozess fortführt. Luftbuchungen können nicht akzeptiert werden. … Wenn die griechische Regie- rung seriös und ernsthaft den bisherigen Reformprozess fortsetzt, kann Griechenland auch weiterhin auf die soli- darische Unterstützung Europas zählen. Sollte die grie- chische Regierung durch die Vorlage der konkretisierten Reformagenda, ihr weiteres Verhalten oder gegenläufige Erklärungen aber deutlich machen, dass kein ernsthaftes Interesse an der Fortführung des Anpassungsprozesses besteht, wäre im europäischen Gemeinschaftsinteresse die Finanzhilfe unverzüglich zu beenden. ... Wenn die bestehenden Regelungen für Griechenland nicht mehr gelten, werden EU-Mitgliedstaaten auch bei der Frage der Einhaltung der Maastricht-Kriterien und den länder- spezifischen Empfehlungen Sonderrechte einfordern: ein Fass ohne Boden.“ Meine Befürchtungen sind – leider – eingetreten. In- sofern halte ich mich für an meine Ankündigung aus dem Monat Februar gebunden, wenn ich nun die Auf- nahme von weiteren Verhandlungen mit Griechenland ablehne. Markus Paschke (SPD): Meine Zustimmung zu den Verhandlungen zu einem neuerlichen sogenannten Ret- tungspaket für Griechenland ist ausschließlich ein Votum für den Zusammenhalt Europas und gegen eine unkon- trollierte Insolvenz Griechenlands. Die unverantwortli- che Androhung einer Ausgrenzung Griechenlands aus dem Euro-Raum oder der EU, in welcher Form auch im- mer, muss damit vom Tisch sein. Ich halte den Gesamtansatz der Bedingungen für Grie- chenland für verfehlt. Selbstverständlich muss Griechen- land einen modernen funktionierenden Staat aufbauen, insbesondere in der Finanz-, Steuer- und Rechtspolitik. Korruption und Vetternwirtschaft müssen wirksam be- kämpft werden. Hier muss der Schwerpunkt der Unter- stützung liegen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11435 (A) (C) (D)(B) Wachstum wird nicht durch Sparen erzielt, sondern durch Investitionen. Das war auch das Erfolgsrezept für Deutschland in der Finanzkrise. Wachstumsimpulse feh- len bisher fast völlig. Das gilt es, in den folgenden Ver- handlungen wesentlich stärker zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt der jetzigen Vereinbarung stehen je- doch weiterhin der Abbau grundlegender Arbeitnehmer- rechte, ein Sozialabbau und die damit verbundene Ver- elendung weiter Bevölkerungsteile. Die vorgeschlagene Privatisierungspolitik halte ich für falsch und unrealis- tisch. Die Umsetzung dieser Konzepte wird die Krise weiter verschärfen. Die jetzt in der EU vorgesehenen neuen Kreditlinien sollen einmal mehr fast ausschließlich der Schuldenfi- nanzierung dienen. Sie werden kaum den Menschen zu- gutekommen und vor allem nicht die dringend notwendi- gen Investitionen stärken. Die bisherige „Rettungspolitik“ ist gescheitert. Des- halb sollte man die Austeritätspolitik beenden und eine Korrektur der gesamten europäischen Wirtschafts-, Fi- nanz-, Steuer- und Sozialpolitik anstreben. Die Verhand- lungsführungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel haben der europäischen Idee geschadet. Europas Zukunft liegt nicht nur in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, sondern auch in einer sozialen und solidarischen Gemeinschaft. Ich werde trotz schwerer Bedenken den Verhandlun- gen zustimmen, weil die Folgen eines Grexits für die Menschen in Griechenland und in vielen anderen euro- päischen Ländern deutlich schwerwiegender sind. Auch Deutschland käme der Vertrauensverlust in den Euro und in die Europäische Union teuer zu stehen. Ulrich Petzold (CDU/CSU): Die deutsche Bundesre- gierung unter Leitung der Bundeskanzlerin hat in den vergangenen Wochen und Monaten alles getan, um ge- meinsam mit den anderen europäischen Partnern Voraus- setzungen zu schaffen, unter denen die Hellenische Republik ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wieder- erlangen kann. Diese Bemühungen wurden von der amtierenden Re- gierung Griechenlands in nahezu allen Phasen konterka- riert, sodass meine Befürchtungen gegenüber der kom- munistisch-nationalistischen Führung vollauf bestätigt wurden. Statt den, wenn auch schwachen, wirtschaftli- chen Erholungsprozess Griechenlands zu unterstützen, wurde alles getan, um ihre wirtschaftsfeindlichen Wahl- versprechen umzusetzen und stattdessen die konsum- tiven Staatsausgaben wieder nach oben zu treiben. Gleichzeitig wurde jeder Ansatz, mit Unterstützung Eu- ropas leistungsfähige staatliche Behörden in der Sozial-, Steuer- und Kommunalverwaltung zu schaffen, aus na- tionalistischen Gründen unterbunden. Damit wurden die Erfolge vorhergehender Regierungen, einen positiven Primärhaushalt abzurechnen, zunichtegemacht und wurde die Schuldentragfähigkeit Griechenlands aber- mals dramatisch verschlechtert. Die dadurch entstandene Wirtschaftssituation und der fehlende politische Wille der griechischen Regierung lassen in mir jeden Glauben daran, dass Griechenland in einer auch nur entfernt lie- genden Zeit seine aufgelaufenen Schulden und die durch ein neues Paket dazukommende Verschuldung abtragen könnte, vollends schwinden. Die einzige Alternative, die ich dazu sehe, wäre ein zumindest teilweiser Erlass der aufgelaufenen Schulden, der aber nach den Regeln der Europäischen Währungs- union zwischen den Mitgliedstaaten nicht zulässig ist, weil er eine indirekte Staatsfinanzierung darstellen würde. Da ein Schuldenerlass als Mitgliedstaat nicht möglich ist, empfand ich den Vorschlag unseres Bundes- finanzministers, Griechenland zeitweilig aus der Wäh- rungsunion bis zur Wiedererfüllung der Beitrittskriterien ausscheiden zu lassen, als einen durchaus gangbaren Weg. Über diesen Schritt sollten zumindest weiter Ver- handlungen geführt werden. Solange diese Option nicht offiziell Teil des Verhandlungspaketes ist, ist mir die Zu- stimmung zur Aufnahme von Verhandlungen über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Repu- blik nicht möglich. Da ich auf der anderen Seite akzeptiere, dass die Bun- deskanzlerin alles in ihrer Kraft Stehende getan hat, um eine Eskalation der europäischen Krise zu verhindern, werde ich mich der Stimme enthalten. Richard Pitterle (DIE LINKE): Bei der Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung, ihr ein Mandat zur Aufnahme der Verhandlungen mit der Republik Griechenland auf der Grundlage der Brüsseler Verhand- lungen vom letzten Wochenende zu erteilen, werde ich mich enthalten. Erstens. Für den Antrag der Bundesregierung zu stim- men ist mir nicht möglich, weil dies als Vertrauen zur Regierung gewertet werden könnte. Wegen ihres Verhal- tens in Brüssel kann ich Frau Merkel und Herrn Schäuble jedoch nur mein Misstrauen aussprechen. Die in Brüssel erzielten Verhandlungsergebnisse sind geeig- net, die parlamentarische Demokratie und Souveränität des griechischen Staates in unerträglicher Weise zu be- schränken. Wenn künftig die Gesetze, bevor sie in das griechi- sche Parlament oder in die Öffentlichkeit eingebracht werden, vorher von den Institutionen geprüft werden müssen, die selbst keiner demokratischen Legitimation unterliegen, dann ist Griechenland zu einem Protektorat degradiert. 70 Jahre nachdem das deutsche Protektorat in mei- nem Herkunftsland Tschechien beendet wurde, wird in Griechenland auf Betreiben des deutschen Finanzminis- ters ein neues Protektorat errichtet. Das macht mich fas- sungslos und wütend. Der Plan von Finanzminister Schäuble eines Grexits auf Zeit, der mit Wissen und Zustimmung des SPD-Vor- sitzenden Gabriel in die Verhandlungen eingebracht wurde, war ein Plan zur Spaltung Europas und hat dem Gedanken der europäischen Solidarität einen großen Schaden zugefügt. 11436 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Als Rechtsanwalt habe ich in meinem Leben viele Vergleiche geschlossen, auch in vielen verfahrenen Si- tuationen. Immer ging es dabei darum, dass beide Par- teien auch unter Gesichtswahrung in einer Win-Win-Si- tuation mit dem Ergebnis leben konnten. Die deutsche Verhandlungsstrategie in Brüssel war nicht auf einen solchen Ausgleich der Interessen, son- dern auf Unterwerfung und Demütigung der griechi- schen Vertragspartner ausgerichtet. Es ging nie um einen fairen Ausgleich unter Berücksichtigung auch des im Referendum offenbarten Willens der griechischen Be- völkerung, sondern um die Kapitulation einer ungelieb- ten linken griechischen Regierung. Hierbei wurden Verpflichtungen diktiert, die nach- weisbar in der Vergangenheit zum Absturz der griechi- schen Wirtschaft und zu einer humanitären Katastrophe geführt hatten. Sie werden die Rezession in Griechen- land noch mehr vertiefen. Keine Festlegungen wurden in Brüssel darüber getroffen, wie das teilweise ins Ausland gebrachte Vermögen der vermögenden Griechen zur so- lidarischen Mithaftung für die Krisenlasten unter Mit- wirkung aller beteiligten Länder herangezogen werden könnte. Die Millionäre aus Griechenland haben in unse- rer Regierung eine gute Schutzmacht, denn nur die Schwächsten der Gesellschaft sollen wie bisher einseitig die Lasten der Krise tragen. Der Inhalt und die Art der Verhandlungen durch Frau Merkel und Herrn Schäuble haben dem Ansehen Deutschlands in Europa einen Bärendienst erwiesen. Wenn ein CDU-Politiker im Herrenmenschen-Ton ohne Konsequenzen oder Distanzierung durch seine Partei- führung anschließend verkünden darf „Der Grieche hat genug genervt“, dann werden bei Völkern, die in der Ge- schichte schon einmal Objekte des deutschen Hegemo- niestrebens waren, ungute Erinnerungen an frühere Zei- ten wach. Ich schäme mich als Mitglied des Deutschen Bundes- tags für dieses Verhalten. Zweitens. Wenn ich heute nicht mit Nein stimme, dann deswegen, weil ein Antrag der griechischen Regie- rung auf Kredithilfen und Überbrückungskredit vorliegt. Die Verhandlung darüber will und kann ich nicht ableh- nen. Auch will ich der griechischen Regierung nicht bes- serwisserisch in den Rücken fallen, die in dem von ihr gestellten Antrag beim gegebenen Kräfte- und Macht- verhältnis auf europäischer Ebene die einzige Mög- lichkeit sieht, einen Grexit und dadurch einen Schaden von den ärmsten Schichten ihrer Bevölkerung abzuwen- den. Ein Nein könnte interpretiert werden, als sei ich ge- gen Solidarität und Hilfe für Griechenland. Ich bin je- doch für eine Hilfe, aber eine, die das Wachstum fördert, die das Land aufbaut und dem Land hilft, eine effiziente Steuerverwaltung aufzubauen, um dort Steuergerechtig- keit herzustellen. Sabine Poschmann (SPD): Das Bundesministe- rium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deut- schen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Ab- satz 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 1 ESM-Finanzierungsge- setz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Ab- satz 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungs- verfahren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Under- standing und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“ Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, in den Verhand- lungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeits- losigkeit, medizinische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Die Austeritätspolitik – Renten kürzen, Löhne sen- ken, Beamte entlassen, Privatisierung usw. – der letzten fünf Jahre in Griechenland ist gescheitert. Die bisherigen Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Ar- beits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Investi- tionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Problemen gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet Griechenland die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Sparen im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Aus unseren Erfahrungen können wir ableiten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktionieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentli- chen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Auch die Griechen müssen etwas (mehr) tun, auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung, an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Das funktioniert nicht mit erho- benem Zeigefinger, sondern nur mit Hilfe und Unterstüt- zung, Verständnis und Verständigung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten frei hat. Ich stimme dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu; denn ich möchte, dass Griechenland Teil der EU bleibt, aber auch eine reelle Chance erhält, langfristig ein gutes wirt- schaftspolitisches und sozial ausgeglichenes Niveau zu erreichen. Alois Rainer (CDU/CSU): Die Entwicklungen in Griechenland haben uns in den vergangenen Jahren wie- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11437 (A) (C) (D)(B) derholt vor schwierige Entscheidungen gestellt. Die Situa- tion in Griechenland ist eine schwere Belastungsprobe für die gesamte Euro-Zone. Nach langen Verhandlungen wurde ein Kompromiss gefunden, der getragen ist vom Prinzip der Hilfe gegen konkrete, harte Reformen. Die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen in Wirtschaft und Staatswesen Griechenlands ergibt sich aus der Situa- tion in Griechenland selbst. Hilfsprogramme sind nur dann sinnvoll, wenn es um Hilfe zur Selbsthilfe geht. Am heutigen Freitag, dem 17. Juli, kam der Bundes- tag zusammen, um über die Aufnahme konkreter Ver- handlungen zur Ausgestaltung eines dritten Hilfs- und Anpassungsprogramms für Griechenland zu entscheiden. Die Verärgerung über das Verhalten der griechischen Re- gierung in den letzten Wochen ist sehr groß. In dieser Zeit wurde unglaublich viel Vertrauen zerstört. Daher teile ich auch den Unmut einiger Bürger vor dem Hinter- grund der mangelnden Reformbereitschaft, die die grie- chische Regierung in den letzten Wochen an den Tag ge- legt hatte. Deshalb ist es mir auch nicht leichtgefallen, nach Abwägung aller Argumente heute für die Auf- nahme konkreter Verhandlungen zu stimmen. Mit der Zustimmung der griechischen Regierung, Re- formen umzusetzen, ist das Bekenntnis verbunden, im Euro bleiben zu wollen. Es ist daher richtig, Verhandlun- gen aufzunehmen und dem Land und den Menschen Hilfe anzubieten. Diese Verantwortung tragen nicht nur die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, sondern auch die der anderen europäischen Mitgliedsländer ge- meinsam. Für mich galt immer das Prinzip: Solidarität nur gegen Solidität. Wenn die griechische Regierung be- reit ist, die harten Reformen umzusetzen, dann ist dies der richtige Weg, um neue Unterstützungen zu erhalten. Bei allem verständlichen Ärger über Griechenland: Es geht nicht nur um die ökonomischen und finanziellen Fragen, sondern auch um die Einheit Europas. Das heu- tige Europa entstand aus einer Wirtschaftsunion, wuchs auf zu einer Währungsunion und ist jetzt zu einer Frie- densunion emporgestiegen. Ohne dieses vereinte Europa hätten wir heute wahrscheinlich nicht die Stabilität und den Frieden, den wir für selbstverständlich halten. Mechthild Rawert (SPD): Ich stimme der Aufnahme von Verhandlungen über ein ESM-Programm für die Hellenische Republik zu. Ich sehe darin – auf Grundlage der von den Regierungschefs der Euro-Gruppen-Mitglie- der am 12./13. Juli 2015 erzielten Einigung (Euro Sum- mit Statement vom 12. Juli 2015 – SN 4070/15) die ein- zig verbliebene Möglichkeit, die Mitgliedschaft Griechenlands im gemeinsamen Währungsraum zu wah- ren. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Europäische Union einen unverzichtbaren Beitrag zu Frieden, Völ- kerverständigung und gegenseitiger Solidarität leistet. Die Gemeinschaftswährung ist Ausdruck dieser europäi- schen Integration und von großer ökonomischer Bedeu- tung für sämtliche Mitgliedstaaten des Währungsraums und der Europäischen Union insgesamt. Die Menschen in Europa stehen zum Euro – auch die Griechinnen und Griechen. Ich verbinde mit der Erklärung der Euro-Gruppe die Hoffnung, dass es durch eine Umstrukturierung der er- drückenden Staatsverschuldung Griechenlands gelingt, eine langfristige Tragfähigkeit der Schuldenlast zu errei- chen und der Hellenischen Republik einen Abbau der Verschuldung in sozial und ökonomisch verträglicher Weise und einen Aufbau von Wachstum zu ermöglichen. Ob dies gelingt, werden die Verhandlungen um das ESM-Programm zeigen. Mittels einer Brückenfinanzie- rung und des zu verhandelnden ESM-Programms müs- sen die Liquidität des griechischen Finanzsektors wie- derhergestellt und die Liquiditätsengpässe, unter denen die Menschen bitterlich leiden, beseitigt werden. Ich bin mir der sozialen Situation – der hohen Ar- beitslosigkeit, der Armut und der unzureichenden medi- zinischen Versorgung der Menschen – in Griechenland sehr bewusst. Die Europäische Union und ihre Mitglied- staaten sind aufgerufen, mit geeigneten Maßnahmen das Leid der griechischen Bevölkerung zu beenden. Ich stelle fest, dass die Krise und die bisher dominierende Austeritätspolitik zu einer Verschärfung der sozialen Si- tuation insbesondere zulasten der Menschen mit gerin- gem Einkommen geführt haben: Lohnsenkungen um fast 40 Prozent, durchschnittliche Rentensenkungen um 48 Prozent, drastische Einkommensverluste der ärmsten Haushalte, eine Steigerung der Arbeitslosigkeit auf 27 Prozent, bei Jugendlichen auf über 50 Prozent und die steigende Zahl der Suizide um rund 35 Prozent sind Aus- druck dieser dramatischen Entwicklung. Angesichts dieser sozialen Verwerfungen muss das ESM-Programm durch dreierlei Maßnahmen flankiert sein: eine Umschuldung zur Erreichung nachhaltiger und verträglicher Schuldentragfähigkeit, ein Wachstumspro- gramm mit Impulsen zur Stabilisierung der griechischen Volkswirtschaft und sozial ausgleichende Reformen durch die Hellenische Republik im Bereich der Besteue- rung und der Korruptionsbekämpfung. Mit den Refor- men müssen auch die Strukturen der Verwaltung verän- dert werden. Gleichwohl lehne ich einzelne durch die Einigung der Euro-Gruppe verlangte Maßnahmen ab. Die Privatisie- rung bestimmten Staatsvermögens, wie etwa der Strom- versorgungsinfrastruktur, ist nicht geeignet, die Stabili- sierung Griechenlands zu gewährleisten, sondern droht stattdessen im Interesse privater Investoren eine Veräu- ßerung unter Wert zu erzwingen. Ich erkenne an, dass die Staatseinnahmen Griechen- lands erhöht werden müssen, insbesondere um Kürzun- gen sozialer Leistungen und der Infrastruktur zu verhin- dern. Dafür sind die Schaffung eines gerechten Steuersystems und die Bekämpfung von Korruption ge- eignete Mittel. Bereits im ersten Programm von Euro-Gruppe und IWF im Jahr 2010 fehlte ein Schuldenschnitt. Die SPD- Fraktion hatte deshalb diesem einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Investitionen ausgerichteten Programm nicht zuge- stimmt. Heute zeigen sich die Konstruktionsfehler der Griechenland-Programme umso deutlicher. Drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt an Banken und andere 11438 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Gläubiger, die Privaten wurden mit Steuergeld herausge- kauft. In Deutschland haben wir auf die Finanz- und Wirt- schaftskrise eine vernünftige, von der SPD geprägte Politik gemacht: keine Sparpakete, keine Lohnkürzun- gen, keine Rentenkürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Suppenküchen, keine Privatisierungen, sondern Konjunkturprogramme. Deutschland kam so aus der Krise. Griechenland soll diese Möglichkeiten ebenfalls bekommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass in der Europäischen Union und der Euro-Gruppe gegenseitiges Vertrauen verloren geht und nationale Interessen Konflikte nicht abzusehenden Ausmaßes auslösen. Zunehmendem Na- tionalismus trete ich entschieden entgegen. Es ist das Verdienst der sozialdemokratisch und sozia- listisch regierten Mitgliedstaaten, den drohenden Zerfall der Euro-Zone und der Europäischen Union verhindert zu haben. Während einige konservative Politikerinnen und Politiker den Kurs der Austeritätspolitik auf Kosten eines Austritts Griechenlands durchsetzen wollten, ha- ben die sozialdemokratischen Regierungen Frankreichs und Italiens sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dafür gesorgt, die verantwortungs- lose Inkaufnahme des Ausscheidens Griechenlands zu verhindern. Die Europäische Union muss durch eine gemeinsame Sozial- und Wirtschaftspolitik und die Stärkung europäi- scher Kompetenzen enger zusammenwachsen. Ich habe die Erwartung, dass parallel zum ESM-Programm ein gemeinsames Umdenken im Sinne einer europaweiten Sozial- und Wirtschaftspolitik erfolgt, die insbesondere die Beseitigung der makroökonomisch schädlichen Leis- tungsbilanzungleichgewichte in den Blick nimmt und zu einer verbesserten Regulierung der Kapitalmärkte bei- trägt. Das zunehmende soziale Gefälle und die Ausei- nanderentwicklung von Einkommen und Vermögen be- treffen die gesamte Europäische Union jenseits national- staatlicher Grenzen. Um das Ziel, die Gemeinschaft Europas zusammen- zuhalten, zu realisieren, darf der verhandelnde Vertreter der Bundesregierung im ESM-Gouverneursrat den Ge- danken eines Grexits auf keinen Fall verfolgen. Bei meiner Entscheidung geht es nicht nur um Grie- chenland – es geht auch um Deutschland. Vor allem aber geht es um ein Europa, welches basiert auf Freiheit und Demokratie, auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrech- ten. In diesem Europa, in dem jeder Mensch die gleiche Würde hat, wollen wir gemeinsam in Frieden mit unse- ren Nachbarn leben. Andreas Rimkus (SPD): Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungsverfah- ren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitäts- hilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Understanding und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“. Was fehlt aus meiner Sicht? Zum einen die soziale Komponente und soziale Gerechtigkeit. Zum anderen aber auch eine kritische Betrachtung der Rettungspolitik der vergangenen Jahre, die einseitig auf das Sparen – Austerität – in Griechenland gesetzt hat und dabei nicht nur massive soziale Verwerfungen hervorgebracht hat, sondern auch die Schuldentragfähigkeit und damit die ökonomische Entwicklung Griechenlands verschlech- tert hat. Rettungspakete, die insbesondere nur untere und mittlere soziale Schichten hart treffen und die darüber hinaus kontraproduktiv für die wirtschaftliche Entwick- lung sind, müssen nun der Vergangenheit angehören. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Derivaten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Men- schen aus dem Blick geraten. Wir fordern die Bundes- kanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanz- marktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Men- schen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizinische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. Das ist so- zial geboten und auch ökonomisch klug. In seiner Begründung geht der Bundesfinanzminister auf die „Reformbereitschaft Griechenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungs- gebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentragfähigkeit Griechen- lands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechenlands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein – die formalen Voraussetzungen. Wir sprechen, nach dem ersten Programm und dem zweiten Programm nun vom dritten Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Deshalb ist aus Sicht der Geldgeber kritisch anzumerken, dass die Austeritäts- politik – Rentenkürzungen, Lohnsenkungen, Beamten- entlassungen, Privatisierungen – der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an wa- ren die Hilfsprogramme an Griechenland einseitig da- rauf ausgerichtet, dass man von Gläubigerseite Hilfszah- lungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Schuldenschnitt, sodass private Gläubi- ger mit Steuergeldern gestützt wurden. Deshalb hat die SPD-Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zuge- stimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11439 (A) (C) (D)(B) dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Problemen gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet Griechen- land die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der Euro-Zone ist sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betrof- fen sind Jugendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jähri- gen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Grie- chenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro; das sind 185 Prozent des Bruttoin- landsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lagen diese noch bei 148 Prozent. Die Inflationsrate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Pro- zent in 2014. Mehr als die griechische Bevölkerung ha- ben die Banken und Spekulanten von der Krise profitiert – drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen, Wachstum und Binnennachfrage benötigt. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Jedenfalls können wir aus unseren Erfahrungen ablei- ten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktio- nieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die daraus zu zie- henden Konsequenzen sind jedoch äußerst kompliziert und komplex. Die Folgen der Realisierung eines Grexits wären ins- besondere für die Menschen in Griechenland verhee- rend. Dazu bekäme kein Gläubiger einen Euro mehr zu- rück, die Altschulden stünden weiterhin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Betriebs- und Investi- tionsmittel importieren, kein Krankenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medikamente leisten, kein Ar- beitsplatz würde geschaffen. Ausländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Folgen und des Vertrauensver- lusts in den Euro wäre insbesondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass sich ra- dikale und extreme Kräfte Europas bemächtigen. Daher müssen auch die Griechen mehr tun, auch die griechi- sche Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktio- nierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuer- verwaltung, an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. In Griechenland müssen end- lich auch die starken Schultern zur Finanzierung des Ge- meinwesens herangezogen werden. Deutschland ist ein Land, das Strukturen besitzt, in denen Sozialreformen sowie Wachstums- und Konjunk- turprogramme auch tatsächlich funktionieren können. Das ist in Griechenland nicht der Fall. Griechenland ist für Investitionsprogramme derzeit nicht ausreichend auf- nahmefähig. Denn das weitgehende Fehlen von funktio- nierenden staatlichen Strukturen zerstört nicht nur die fi- nanzielle Handlungsfähigkeit eines Staates, sondern es macht den Staat auch völlig unfähig, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Das ist die Misere in Griechenland. Deshalb hilft es auch nicht, Griechenland nur Geld zur Verfügung zu stellen oder Schulden zu streichen. Ein Hilfspro- gramm für Griechenland, das an klare Bedingungen ge- knüpft sein muss, ist der richtige Weg. Denn es geht im Kern um die Veränderung der politischen Strukturen des gesamten Landes. Die Durchführung von ehrgeizigen Reformen des Rentensystems muss als sozialpolitische Maßnahme er- griffen werden. Überprüfungen und Modernisierungen im Arbeitsrecht dürfen jedoch nicht zu Massenentlassun- gen, Arbeitskämpfen oder zur Verhinderung von Tarif- verhandlungen führen. Doch das wichtigste Argument für die Bereitschaft, ein drittes Hilfspaket zu schnüren, ist unsere Mitmenschlichkeit. Das griechische Volk und seine Regierung bitten um Hilfe, weil Hilfe nötig ist. Diese Hilfe können wir aus sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht verweigern. Denn auch wenn wir jetzt wieder Kredite und Bürgschaften verge- ben: In Deutschland wird dadurch kein Kindergarten we- niger gebaut, keine Straße weniger saniert und keine so- ziale oder kulturelle Einrichtung weniger gefördert. Aber wenn Europa nicht zusammenhält, wenn die Wäh- rungsunion instabil würde, dann allerdings wären auch der Wohlstand und die soziale Sicherheit Deutschlands in Gefahr. Selbst Deutschland wird in der Welt des 21. Jahrhunderts nur noch eine Stimme haben, wenn es eine europäische Stimme wird. Ich stimme dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu, denn: „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sol- len.“ Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wir derzeit erleben, ist die dramatische Auseinanderset- zung um den künftigen Weg der Europäischen Union – und an Griechenland soll dabei ein Exempel statuiert werden. Ich aber möchte ein soziales, solidarisches und demokratisches Europa für die Menschen und kein neo- liberales Europa der Märkte. Das griechische Parlament hatte am Mittwoch keine andere Wahl, als sich dem Diktat zu beugen. Ich aber kann das Brüsseler Verhandlungsergebnis inhaltlich nur ablehnen, denn sozialer und demokratischer Kahlschlag sind die Folge. Die scharfe Austeritätspolitik ist wesent- lich verantwortlich dafür, dass sich die Situation in Grie- chenland in den letzten Jahren weiter zugespitzt hat. Das Land steht inzwischen kurz vor dem Abgrund, Sozial- und Gesundheitssystem funktionieren nur noch sehr ein- geschränkt. Jetzt immer mehr vom gleichen Gift zu verabreichen, kann nicht dazu beitragen, dass das Land wieder auf die Füße kommt. Bereits in den vergangenen Jahren ist der allergrößte Teil der sogenannten europäischen Hilfsgel- der für Griechenland im Bankensystem verschwunden 11440 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) – insbesondere zugunsten deutscher und französischer Banken – und kam eben nicht der griechischen Bevölke- rung zugute. Auch diesmal wird Griechenland die Mil- liarden im Wesentlichen dazu verwenden müssen, Schul- den zu bedienen. Den Menschen in Griechenland wird damit erneut nicht geholfen. Griechenland wurde beim Euro-Gipfel erpresst und gedemütigt. Große Teile Europas sind entsetzt über die hässliche Fratze, die Deutschland gezeigt hat. Bundes- finanzminister Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber auch Vizekanzler Sigmar Gabriel haben die europäische Idee und das Ansehen Deutsch- lands enorm beschädigt – mit unabsehbaren Folgen. Dennoch arbeitet der Bundesfinanzminister unverhohlen weiter am Grexit und tritt damit die Rechte des Deut- schen Bundestages mit Füßen. Zudem hebeln die Brüsseler Beschlüsse die Demo- kratie in Griechenland faktisch aus. Dass die Troika jetzt wieder die griechische Gesetzgebung im Sinne der Gläu- biger beaufsichtigen soll, kann ich als Parlamentarierin nicht akzeptieren. Meine Fraktion stellt eine Alternative zur Abstim- mung, die für Griechenland eine echte Chance auf eine nachhaltige soziale und ökonomische Entwicklung bie- ten und Europa endlich auf einen solidarischen Pfad zu- rückführen würde. Dem gefährlichen Austeritätskurs, den die Bundesre- gierung Griechenland aufzwingt, kann ich nicht zustim- men. Ich werde mich deshalb bei der Abstimmung ent- halten. Annette Sawade (SPD): Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Abs. 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungsverfah- ren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitäts- hilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Understanding und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“. Was fehlt? Die soziale Komponente. Soziale Gerech- tigkeit. Bei all den Banken, Konten, Anleihen, Deriva- ten, Fazilitäten und heimlichen Vermögen im Ausland sind die Menschen aus dem Blick geraten. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizi- nische Versorgung und Altersarmut wieder in den Mit- telpunkt zu rücken. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. In seiner Begründung geht der Bundesfinanzminister auf die „Reformbereitschaft Griechenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungs- gebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentagfähigkeit Griechen- lands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechenlands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein – die formalen Voraussetzungen. Wir sprechen nach dem ersten Programm und dem zweiten Programm nun vom dritten Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Sisyphos lässt grü- ßen … Deshalb sei zunächst aus Sicht der Geldgeber (selbst-)kritisch angemerkt, dass die Austeritätspolitik – Renten kürzen, Löhne senken, Beamte entlassen, Pri- vatisierung usw. – der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an waren die Hilfs- programme an Griechenland einseitig darauf ausgerich- tet, dass man von Gläubigerseite Hilfszahlungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Haircut, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt – herausgekauft – wurden. Deshalb hat die SPD- Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Inves- titionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Proble- men gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet Griechenland die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der EuroZone liegt sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Ju- gendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insge- samt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro, das sind 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zu Be- ginn der Hilfsprogramme in 2010 lagen diese noch bei 148 Prozent. Die Inflationsrate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Prozent in 2014. Mehr als die griechische Bevölkerung haben die Banken und Spe- kulanten von der Krise profitiert – drei Viertel aller Hilfskredite flossen direkt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Peer Steinbrück hat in einer bemerkenswerten Rede im Deutschen Bundestag am 27. Februar 2012 erklärt, warum das damals ebenfalls von Kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble verhandelte zweite Griechen- land-Paket „erhebliche Verunsicherung und Zweifel“ auslöse. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er mit vielen seiner damaligen Befürchtungen – abgesehen von seiner Schätzung des Primärüberschusses in 2014 in Griechenland – richtig prognostiziert hat. Und gleich- wohl hat er dem Bundestag empfohlen, zuzustimmen. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll: „Wir stimmen aus drei Gründen zu: erstens weil es im wirtschaftlichen Interesse Deutschlands ist, zweitens weil es im politischen Interesse Deutschlands ist (La- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11441 (A) (C) (D)(B) chen bei Abgeordneten der FDP) und drittens weil es um das Ganze geht. (Zurufe von der FDP: Oh!) Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frie- den mit ihren Nachbarn leben sollen. Ich bin überzeugt, dass, wenn wir – und sei es nur fahrlässig – eine Renati- onalisierung unserer Währungen zuließen, dies eine politische Renationalisierung von Europa zur Folge hätte – mit dem Auftauchen von ziemlich unseligen Geistern, die diese Renationalisierung befördern und nutzen wür- den.“ So weit Peer Steinbrück zum zweiten Griechenland- Paket. Müssen wir uns wundern, dass die Programme nicht so funktioniert haben wie gedacht? Als Deutschland aufgrund der Finanz- in eine Wirt- schaftskrise geriet, beschlossen wir – richtigerweise – keine Sparpakete, keine Lohnkürzungen, keine Renten- kürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Suppenküchen, keine Privatisierungen – wir beschlossen für Deutschland Konjunkturprogramme: Im November 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Ar- beitsplätze“ das erste Konjunkturpaket beschlossen: 15 Maßnahmen, mit denen die Wirtschaft gestärkt, Ar- beitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wurden Investitionen und Auf- träge in Höhe von 50 Milliarden Euro gefördert. Im Ja- nuar 2009 folgte das Konjunkturpaket II, ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Milliar- den Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Si- cherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzarbei- terprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Dabei entspricht der Exportüberschuss Deutschlands, auch in- folge jahrelanger Reallohneinbußen, in anderen Ländern Importüberschüssen, verschärft also die Verschuldung. Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum, Binnennachfrage braucht. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Bundesfinanzministerium verteidigt das zweite Griechenland-Paket ohne Konjunkturprogramm, ohne Modelle wie Kurzarbeit damit, dass mit den in Deutsch- land erfolgreichen Maßnahmen in Griechenland ledig- lich die „schlechten Strukturen“ gefestigt worden wären. Gut, dass nach dieser Logik niemand fragt, um wie viel besser unsere Strukturen heute sein könnten, wenn wir statt Konjunkturprogrammen und Schutz der Arbeits- plätze die Arbeitnehmer entlassen und den noch Arbei- tenden die Löhne und den Rentnern die Rente gekürzt hätten. Jedenfalls können wir aus unseren Erfahrungen ablei- ten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktio- nieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, sind äußerst kompliziert und komplex. Statt sich nun dieser komplexen Aufgabe zuzuwen- den, schlägt der deutsche Bundesfinanzminister eigen- mächtig mit gütiger Billigung der Kanzlerin den Austritt Griechenlands aus dem Euro vor – am deutschen Parla- ment vorbei, den Grexit, Grexit auf Zeit. Und das nicht an irgendeinem Tag. An dem Tag, an dem er gleichzeitig den Antrag der Regierung auf die Stabilitätshilfe und Absicherung der Brückenfinanzierung für Griechenland beim Deutschen Bundestag beantragt. Die Kanzlerin verhandelt etwas und lässt gleichzeitig das Gegenteil vorschlagen. Weder waren alle Minister informiert noch die Ausschüsse des Bundestages. Das wirft ein Blitzlicht auf die Selbstwahrnehmung der Regierung und ihr Ver- hältnis zum deutschen Parlament und Europa. Die Folgen der Realisierung eines solchen Vorschlags für die Menschen in Griechenland ohne dickes Aus- landskonto, aber auch die Folgen für die Europäische Gemeinschaft, „weil es um das Ganze geht“, werden verschwiegen, „verschwurbelt“. Kein Gläubiger bekäme einen Euro mehr zurück, die Altschulden ständen weiter- hin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Betriebs- und Investitionsmittel importieren, kein Kran- kenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medika- mente leisten, kein Arbeitsplatz würde geschaffen. Aus- ländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Fol- gen und des Vertrauensverlustes in den Euro wäre insbe- sondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass sich radikale und extreme Kräfte Euro- pas bemächtigen. Auch die Griechen müssen etwas (mehr) tun, auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung, an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Eine Mammutaufgabe; denn die großen, historisch erklärbaren kulturellen Unterschiede stehen einfachen Lösungen entgegen. Dimosthenis Kourtovik formulierte: „Griechenland ist zu orientalisch, um ein europäisches Land zu sein, und zu westlich, um zum Orient zu gehören.“ Die Zugehörigkeit Griechen- lands zum Osmanischen Reich in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert und – wie Heinz Richter beschreibt – das Muchtar-System, das Millet-System, das Verhältnis der Griechen zum Staat und das System von Gefälligkei- ten – Rousfetia – machen es nicht leicht, sich europäi- schen Standards anzunähern. Jedenfalls funktioniert das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern nur mit Hilfe und Unterstützung, Verständnis und Verständigung auf einer Basis, auf der man auf absehbare Zeit den Rücken von Altlasten frei hat – ein Analogon zu den Bad Banks, die sich in Deutschland bewährt haben. Darum müssen sich die Griechen wieder kümmern, wenn es deutlich aufwärts geht. Wir stimmen dem Antrag der Regierung auf Verhand- lungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik zu, denn: „Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um die- 11442 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) ses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grund- festen unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen.“ Dr. Nina Scheer (SPD): Von Beginn an waren die Hilfsprogramme an Griechenland einseitig darauf ausge- richtet, dass man von Gläubigerseite Hilfszahlungen ge- gen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Schuldenschnitt, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt – herausgekauft – wurden. Des- halb hat die SPD-Fraktion dem ersten Hilfspaket nicht zugestimmt. Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu we- nig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechi- schen Problemen gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet es die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der Euro-Zone liegt sie mit durchschnittlich 11 Pro- zent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Jugendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Grie- chinnen und Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro. Das sind 185 Prozent des Bruttoin- landsprodukts. Zu Beginn der Hilfsprogramme in 2010 lagen diese noch bei 148 Prozent. Die Inflationsrate sank zudem von plus 4,7 Prozent in 2010 auf minus 1,4 Pro- zent in 2014. Drei Viertel aller Hilfskredite flossen di- rekt zu den Banken bzw. den Gläubigern. Als Deutschland 2007/2008 aufgrund der Finanz- in eine Wirtschaftskrise geriet, beschlossen wir – richtiger- weise – keine Sparpakete, keine Lohnkürzungen, keine Rentenkürzung, keine Ausgabenkürzung des Staates, keine Privatisierungen. Wir beschlossen für Deutschland Konjunkturprogramme. Im November 2008 wurde unter dem Namen „Schutzschirm für Arbeitsplätze“ das erste Konjunkturpaket beschlossen: 15 Maßnahmen, mit de- nen die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze gesichert und private Haushalte entlastet wurden. Mit dem Paket wur- den Investitionen und Aufträge in Höhe von 50 Milliar- den Euro gefördert. Im Januar 2009 folgte das Konjunk- turpaket II, ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Jahre 2009 und 2010. Dazu kam die Sicherung der Arbeitsplätze durch ein riesiges Kurzarbeiterprogramm. Deutschland kam aus der Krise. Dabei entspricht der Exportüberschuss Deutschlands, der auch Folge jahrelanger Reallohnein- bußen ist, in anderen Ländern Importüberschüssen. Un- ser Exportüberschuss verschärft also die Verschuldung in Importländern. Diese Gegenüberstellung der völlig unterschiedlichen Reaktionen auf die Krisen in Deutschland und Griechen- land weist deutlich auf die Notwendigkeit hin, dass Grie- chenland dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen, Wachstum und Binnennachfrage braucht. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Spa- ren im Sinn hat und auf Privatisierung ausgerichtet ist, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Das Bundesministerium der Finanzen beantragt „die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer a) Stabilitätshilfe: Es wird beantragt, gemäß § 4 Ab- satz 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 1 ESM Finanzierungsge- setz (ESMFinG) Griechenland gemäß Art. 13 Ab- satz 2 ESM-Vertrag im zweistufigen Entscheidungs- verfahren auf der ersten Stufe grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Art. 16 ESM-Vertrag zu gewähren, um das Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Under- standing und einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zu erteilen. b) Absicherung Brückenfinanzierung: Der Bundestag stimmt zu, dass bis zum Abschluss eines ESM-Pro- gramms eine Brückenfinanzierung aus dem EU- Haushalt (EFSM) gewährt wird …“ In seiner Begründung geht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf die „Reformbereitschaft Grie- chenlands“, auf die „Gefahren für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets“, ausführlich auf die mittels „Konditionalität“ noch zu erringende „Schuldentragfä- higkeit Griechenlands“, auf die „weitere Beteiligung des IWF“ und auf den „dringenden Kapitalbedarf Griechen- lands“ bis zum Abschluss eines ESM-Programms ein. Der deutsche Bundesfinanzminister schlägt mit Billi- gung der Kanzlerin zugleich den Austritt Griechenlands aus dem Euro – am deutschen Parlament vorbei – vor: den Grexit auf Zeit. Dieser Vorgang ist unverantwortlich und untragbar. Bei einem Grexit bekäme kein Gläubiger einen Euro zurück, die Altschulden stünden weiterhin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Be- triebs- und Investitionsmittel importieren, kein Kranken- haus könnte sich die teuren ausländischen Medikamente leisten, kein Arbeitsplatz würde geschaffen. Ausländi- sche Konzerne könnten billig in Griechenland einkau- fen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Folgen und des Vertrauensverlusts in den Euro wäre insbeson- dere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr, dass sich radikale und extreme Kräfte Europas bemächtigen. Auch die Griechen müssen mehr tun, beginnend beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, zum Beispiel der Steuerverwaltung, bis hin zur Neuordnung des Bankenplatzes. Aus unseren Erfahrungen können wir aber ableiten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktionieren kann, wenn neben der finanzpoliti- schen Lage die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach; die daraus zu ziehenden Konsequenzen sind komplex. Bei den Vereinbarungen der Staats- und Regierungs- chefs vom 12. und 13. Juli 2015 fehlt die soziale Verant- wortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Grie- chenlands. Ich fordere die Bundeskanzlerin auf, in den Verhandlungen eines Memorandum of Understanding jenseits rein fiskalischer und finanzmarktgetriebener Ziele auch die soziale Lage der Menschen in Griechen- land, Arbeitslosigkeit, medizinische Versorgung und Al- tersarmut in den Mittelpunkt zu rücken. Im Interesse der Einheit von Europa stimme ich dem Antrag der Regierung auf Aufnahme von Verhandlungen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11443 (A) (C) (D)(B) der Bundesregierung über die Gewährung von Finanz- hilfen an die Hellenische Republik zu. Udo Schiefner (SPD): Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung zu, weitere Verhandlungen über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Repu- blik führen zu können. Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es nicht gelungen, Griechenland nachhaltig auf die Beine zu helfen. Doch die Alternative eines griechischen Staatsbankrotts ist keine hinnehmbare Option. Der Aus- stieg des Landes aus unserer Währungsunion hätte die- sen jedoch zur Folge. Der völlige Zusammenbruch der griechischen Volkswirtschaft und erhebliche Zinsan- stiege für weitere südeuropäische Staaten wären die Folge. Die Folgen für die gesamte europäische Finanz- und Wirtschaftsstruktur wären unberechenbar. Zu weite- ren Finanzhilfen für Griechenland sehe ich keine Alter- native. Alternativen sehe ich allerdings hinsichtlich der mit den Hilfen verknüpften Forderungen und hinsichtlich der über Finanzmittel hinausgehenden Hilfen. In der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland haben wir für unser Land keine Sparpakete beschlossen. Es gab keine Lohnkürzungen, keine Rentenkürzung, keine Suppenküchen und keine Privatisierungen. Wir be- schlossen Konjunkturprogramme und Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen. In Griechenland ist die Austeritätspolitik der letzten fünf Jahre gescheitert. Ren- ten zu kürzen, Löhne zu senken, Beamte zu entlassen und Privatisierungen vorzunehmen, war und ist offen- sichtlich kein Konjunkturprogramm. In Verhandlungen, denen ich jetzt zustimme, darf es deshalb nicht nur um Einsparvorgaben gehen. Es muss darum gehen, Investitionen zu ermöglichen, damit Grie- chenland in der Krise wachsen kann. Mittel aus Privati- sierungen zum Beispiel müssen für Investitionen in Griechenland genutzt werden können. Die gewonnene Zeit muss für ernsthafte Verhandlungen zu einer dauer- haften und tragfähigen Lösung genutzt werden. Dabei muss die soziale Lage der Menschen in Griechenland, müssen die Arbeitslosigkeit, medizinische Versorgung und Altersarmut im Fokus stehen. Zweifellos muss zuvorderst die griechische Regie- rung dazu mehr tun. Das fängt beim Aufbau einer funk- tionierenden Vollzugsverwaltung an, zum Beispiel der Steuerverwaltung, und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. Deutschland und unsere euro- päischen Partner sind gefordert und können dabei direkt helfen und unterstützen. Wenn nun weiterverhandelt wird, geht es um mehr als um Hilfe für Griechenland. Es geht um Europa, um un- sere gemeinsame wirtschaftliche, politische und gesell- schaftliche Zukunft. Dabei können wir in Deutschland von der Hilfe für unsere Nachbarn nur profitieren. Durch niedrige Zinsen auf eigene Staatsanleihen und unseren Export in die Staaten der Europäischen Gemeinschaft sind wir bisher ohnehin ökonomischer Gewinner der Krise. Bei einem Zusammenbruch der griechischen Volkswirtschaft und den gesamteuropäischen Folgen würden wir alle verlieren – massiv. Jana Schimke (CDU/CSU): Die Bemühungen von in Not geratenen Mitgliedstaaten wurden stets von der Europäischen Währungsunion sowohl politisch als auch finanziell unterstützt. Dies zeigt sich auch in den mehr- fach positiven Abstimmungen des Deutschen Bundesta- ges zu weiteren finanziellen Hilfen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms. Sie funktionieren aber nur, wenn die bedürftigen Länder die Hilfen als Unterstützung für einen konsequenten Reformkurs verstehen. Mehrere Länder der Euro-Zone haben dieses Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe erfolgreich umgesetzt. Bei Griechenland ist dies bis heute bedauerlicherweise nicht der Fall. Gleich- wohl birgt ein Ausscheiden Griechenlands aus der Wäh- rungsunion ein unkalkulierbares wirtschaftliches und politisches Risiko für ganz Europa. Bei der Abstimmung des griechischen Parlaments am 15. Juli 2015 wurden einige längst überfällige Reformen, wie zum Beispiel die des Rentensystems oder die Erhö- hung der Mehrwertsteuer, beschlossen. Die Umsetzung dieser Reformen ist zwingend notwendig, damit Grie- chenland weitere Hilfen erhält. Auch können diese Re- formschritte nur ein erster Teil von weiteren tiefgreifen- den Reformen in Griechenland sein. Nun ist die griechische Regierung am Zug, die beschlossenen Re- formen in die Realität umzusetzen und damit auch verlo- rengegangenes Vertrauen wiederaufzubauen. Darüber hinaus werden sich künftige Hilfen für Grie- chenland an noch strengeren Vorgaben für die Umset- zung dieser Reformen orientieren. Den Grundpfeilern der Europäischen Gemeinschaft von Solidarität und Ei- genverantwortung wird damit Rechnung getragen. Eine Rettungspolitik muss aber auch ökonomische Kriterien berücksichtigen und mit Augenmaß erfolgen, um der Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler gerecht zu werden. Grundsätzlich ist es deshalb auch an der Zeit, die Konstruktionsfehler der Währungsunion und die bis- herige Rettungsschirmstrategie einer kritischen Überprü- fung zu unterziehen und klare Regeln für den Umgang mit Schuldenländern zu entwickeln. Nach gründlicher Abwägung bin ich zu dem Ent- schluss gekommen, einem Verhandlungsmandat der Bundesregierung über die Gewährung von weiteren Fi- nanzhilfen unter strengen Kriterien zuzustimmen. Die Zustimmung für ein drittes Hilfspaket für Griechenland mache ich aber von der konsequenten Umsetzung der Reformen in Griechenland abhängig. Norbert Schindler (CDU/CSU): Die Euro-Zone bil- det eine Stabilitäts- und Verantwortungsgemeinschaft. Der Euro beruht auf klaren, gemeinsamen Werten und Regeln. Vereinbarte Regeln sind von allen Mitgliedern unmissverständlich einzuhalten. Denn wenn Regelver- stöße und -umgehungen hingenommen werden, droht diese Werte- und Rechtsgemeinschaft verloren zu gehen. Für die Akzeptanz der großartigen europäischen Idee wäre das eine große Gefahr. 11444 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Das Fundament eines nach außen und innen stabilen Euro muss bewahrt sowie gestärkt und darf nicht er- schüttert werden. Dies wurde auch als Ergebnis des Euro-Gipfels am 12. Juli 2015 von allen Teilnehmern betont. Weitere Hilfsmaßnahmen für Griechenland dürfen nur noch unter engen Voraussetzungen und strikten Be- dingungen geleistet werden. Ansonsten sind sie für mich nicht mehr mitzutragen. Meine heutige Zustimmung für die Aufnahme von Verhandlungen mit der griechischen Regierung verknüpfe ich deshalb mit der Verpflichtung Griechenlands, diese Voraussetzungen und Bedingungen vorab zu erfüllen. Ich werde schließlich den Hilfen bzw. einem Memorandum of Understanding am Ende nur dann zustimmen, wenn tatsächlich alle Bedingungen er- füllt sind. Die Stabilitätshilfen dürfen nur gewährt werden, „wenn dies unabdingbar ist, um die Finanzstabilität der Währungsunion insgesamt und seiner Mitgliedstaaten zu wahren“ (§ 2 ESM-Finanzierungsgesetz auf Basis von Artikel 13 ESM-Vertrag). Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands muss ohne einen Schuldenschnitt gewährleistet sein und von allen drei Institutionen, speziell auch dem IWF, der von der griechischen Regierung auch um Finanzhilfen ersucht werden muss, bestätigt werden. Das ist Voraussetzung für ein neues Programm, anderenfalls muss eine Re- strukturierung der Schulden Griechenlands außerhalb des Euro verfolgt werden. Griechenland muss die vereinbarten Strukturreformen umgehend, entschlossen und vor allem auch mit eigener Überzeugung –„full ownership“– angehen, nicht nur ins Gesetzblatt schreiben, sondern dann auch über die ge- samte Programmlaufzeit konsequent umsetzen. Und diese Strukturreformen müssen von den Institutionen, insbesondere vom IWF, begleitet und kontrolliert wer- den. Denn nur so ist das Land auch im eigenen Interesse wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Die Hilfen dürfen nur Hilfen zur Selbsthilfe und müs- sen auf das Notwendige beschränkt sein. Denn nur wer bereit ist, selbst Verantwortung zu übernehmen, kann mit der Solidarität der Partner rechnen. Aber Modernisierun- gen, Privatisierungen, Stärkung der Verwaltung und Re- formen in allen Politikbereichen sind hierfür zwingend notwendig. Dieser Weg von Reformen ist notwendig und richtig. Portugal, Spanien und Irland haben nach erfolgreichen Strukturreformen den europäischen Rettungsschirm ver- lassen und überzeugen mit Wirtschafts- und Beschäfti- gungswachstum. Die mittel- und osteuropäischen Län- der, aber auch etwa Italien und Frankreich haben ihre Volkswirtschaften durch Reformen gestärkt. Griechenland muss hieran konsequent anknüpfen und durch Reformen im eigenen Land wettbewerbsfähig werden. Hierbei werden wir Griechenland unterstützen. Wenn die vorgenannten Bedingungen nicht in Gänze erfüllt sind, werde ich einer Hilfe zugunsten Griechen- lands aus dem ESM bei der endgültigen Beschlussfas- sung nicht zustimmen. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Mit der Zustim- mung zum Antrag erteile ich der Bundesregierung das Mandat, ein Programm innerhalb des Europäischen Sta- bilitätsmechanismus, ESM, zu verhandeln. Dies ist aus- drücklich keine Zustimmung zu einem sogenannten drit- ten Hilfspaket für Griechenland. Über etwaige Maßnahmen soll nunmehr ergebnis- offen verhandelt werden. Die Option eines sogenannten Grexits, gegebenenfalls auch auf Zeit, bleibt somit aus- drücklich bestehen. Ich erkenne an, dass die Länder der Euro-Gruppe die Fähigkeit zu Kompromissen besitzen und gemeinsam unsere Währung sichern möchten. Die Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, BMF, soll daher die Verhandlungsposition der Bundesregierung stärken. Grundvoraussetzung für Ver- handlungen ist die, durch entsprechende Beschlüsse des griechischen Parlaments untermauerte Bereitschaft des griechischen Gesetzgebers, strukturelle Reformen anzu- gehen und damit die Konditionen der Finanzhilfe anzu- erkennen. Das Verhandlungsmandat, welches der Bundestag der Bundesregierung mit Zustimmung zu diesem Antrag er- teilt, ist inhaltlich klar umrissen. Wir Parlamentarier ha- ben unsere Vorstellungen in der Fraktionssitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 16. Juli 2015 sowie in der heutigen Debatte im Deutschen Bundestag klar kommuniziert. Selbstverständlich ist dabei, dass der In- ternationale Währungsfond, IWF, auch weiterhin in die Griechenlandhilfen eingebunden bleibt. Ich halte fest, dass der Euro neben der ökonomischen Dimension eine politische Dimension besitzt, die es insbesondere abzu- wägen gilt. Um die Grundgedanken der Europäischen Union, EU, zu sichern, müssen wir die Bindekräfte in- nerhalb der EU stärken. Das bedeutet auch, dass die EU an dieser Frage nicht zerbrechen darf bzw. sich nicht auseinanderentwickeln sollte. Ausdrücklich rüge ich das Verhalten der Europäi- schen Kommission, die ihrer Rolle als Hüter der Euro- päischen Verträge sowie Mittler unterschiedlicher Inte- ressen der Mitgliedstaaten nicht hinreichend gerecht wird. Zudem bleibt festzuhalten, dass die Ausführungen der Europäischen Kommission zur „Gefahr für die Finanz- stabilität der Eurozone insgesamt oder seiner Mitglied- staaten“, als eine Voraussetzungen für Maßnahmen im Sinne des ESM, nicht vollumfänglich überzeugen. Glei- ches gilt für das Tatbestandsmerkmal der „Tragfähigkeit der Staatsverschuldung“. Ich hoffe, dass die griechische Regierung begreift und klar gegenüber der griechischen Bevölkerung kommuni- ziert, dass Reformen in ihrem Land notwendig sind und dass diese nur gemeinsam mit den Griechen gelingen können. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11445 (A) (C) (D)(B) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Als Voraussetzung für Finanzhilfen aus dem ESM wurde ein Reformpaket für Griechenland verhandelt, welches neue Sparmaßnah- men, Privatisierungen und andere Strukturmaßnahmen für das Land beinhaltet. Von diesen begrüße ich solche Reformen, die darauf abzielen, den Staatsapparat dyna- mischer und Strukturen nachhaltiger zu gestalten. In der vorliegenden Form des Programms besteht al- lerdings die Gefahr, dass sich die Wirtschafts- und Haus- haltslage Griechenlands mittelfristig nicht verbessert. Es ist zu befürchten, dass die geplanten Sparmaßnahmen das Land wie auch die bisherigen Programme nicht aus der Rezession bringen und die Währungsunion in weni- gen Jahren erneut vor einem Konflikt steht, der die Grundidee der europäischen Integration herausfordert. Damit einhergehend drohen eine weitere massive Ver- schärfung der sozialen Probleme und eine Zuspitzung der humanitären Krise in Griechenland. Eine wesentliche Frage ist daher, wie in Griechenland nachhaltige Wachstumsimpulse geschaffen werden kön- nen. Nur Wachstum und Beschäftigung ermöglichen es dem Land, ohne weitere Hilfen auszukommen, soziale und humanitäre Probleme zu lösen und letztlich auch Schulden abzutragen. Hierfür ist der schnelle und erfolg- reiche Einsatz der geplanten Mittel aus verschiedenen Programmen der Europäischen Union von hoher Bedeu- tung. Die Förderungen müssen das Wachstum in dem Land schnellstmöglich beschleunigen. Es bedarf auch der Beseitigung von Unsicherheiten. Private Investoren werden das Land meiden, wenn nach Auslaufen des ESM-Programms in drei Jahren erneut die Gefahr eines Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone besteht. Die vorliegende Einigung ist somit nur eine oberflächli- che und zeitlich befristete Lösung des Problems. Auf eine Auflistung weiterer wesentlicher Kritik- punkte an dieser Einigung, sei es in sozialer Hinsicht, mit Blick auf die gerechte Verteilung der Lasten oder die Frage der Privatisierung, verzichte ich in dieser Erklä- rung. Viele der Maßnahmen würden, auf Deutschland übertragen, im Deutschen Bundestag unter keinen denk- baren Umständen eine Mehrheit erhalten. Eine Ablehnung weiterer Verhandlungen auf dieser Grundlage jedoch würde zu einer vollkommen unhaltba- ren Situation für Griechenland, die Euro-Zone, Europa und somit auch für Deutschland führen. Zudem sehe ich, dass es sich hier um einen Kompromiss unter äußerst schwierigen Bedingungen mit vielen Akteuren und sehr unterschiedlichen Interessen handelt. Darum stimme ich dem Antrag der Bundesregierung zwar zu, Verhandlungen für ein detailliertes Programm aufzunehmen. Ich verbinde diese Zustimmung allerdings mit der Erwartung, dass in der Ausgestaltung der vorlie- genden grundsätzlichen Einigung der Staats- und Regie- rungschefs wachstumsfördernde Maßnahmen und so- ziale Aspekte stärker zur Geltung gebracht werden. So wichtig die wirtschaftliche Erholung Griechen- lands als Grundlage für eine gute gesellschaftliche Ent- wicklung ist und so sehr die verschiedenen griechischen Regierungen Verantwortung für die heutige Situation ha- ben: Wir dürfen Europa nicht bloß als eine Art Wirt- schaftsunternehmung betrachten und Griechenland nicht als einen untauglichen Geschäftspartner. Die europäi- sche Integration ist mehr. Europa ist ein gemeinsames Dach, unter dem Frieden, Freiheit und Demokratie ge- währt werden sollen. Deutschland hat Europa in vielerlei Hinsicht unendlich viel zu verdanken und wird weiter darauf angewiesen sein. Diesen europäischen Geist vermisse ich in den Ver- handlungen auf allen Seiten immer mehr – in Deutsch- land wie in den anderen europäischen Staaten, auch in Griechenland. Letztlich wird weder die Stabilisierung Griechenlands noch die europäische Integration gelin- gen, wenn nicht wieder stärker zusammengearbeitet wird. Ewald Schurer (SPD): Meine Zustimmung zu ei- nem neuerlichen sogenannten Rettungspaket für Grie- chenland ist ausschließlich ein Votum für den Zusam- menhalt Europas und gegen eine unkontrollierte Insolvenz Griechenlands. Die unverantwortliche Andro- hung einer Ausgrenzung Griechenlands aus dem Euro- Raum oder der EU, in welcher Form auch immer, muss damit vom Tisch sein. Mein Votum ist gleichzeitig eine klare Absage an das Agieren der Mehrheit der europäischen Regierungen in den letzten Wochen. Die Verantwortung Griechenlands wurde dabei ausführlich erörtert, ebenso die Fehler, die die aktuell seit fünfeinhalb Monaten im Amt befindliche Regierung gemacht hat. Ich rechtfertige dabei nichts, was nicht zu rechtfertigen ist. Dazu stelle ich allerdings fest: Erstens. Ich lehne es ab, jahrzehntelange Fehlent- wicklungen ausschließlich der aktuellen griechischen Regierung anzulasten und so zu tun, als seien diese in- nerhalb weniger Wochen zu korrigieren. Ich fordere für die Entscheidungen der griechischen Wählerinnen und Wähler denselben Respekt wie vor allen anderen Wähle- rinnen und Wählern in der EU. Das Vorgehen der Gläu- bigerregierungen widerspricht fundamental demokrati- schen Grundsätzen und europäischen Grundwerten. Ich fordere eine Wiederherstellung der staatlichen Souverä- nität Griechenlands, auch über das eigene Staatsvermö- gen. Zweitens. Ich halte den Gesamtansatz der Bedingun- gen für Griechenland für verfehlt. Selbstverständlich muss Griechenland einen modernen funktionierenden Staat aufbauen. Im Mittelpunkt der jetzt vereinbarten Konditionen steht jedoch weiterhin der Abbau grundle- gender Arbeitnehmerrechte, ein rücksichtsloser Sozial- abbau und die damit verbundene Verelendung weiter Bevölkerungsteile und eine völlig kontraproduktive Pri- vatisierungspolitik. Die Umsetzung dieser Konzepte wird die Krise weiter verschärfen. Die jetzt in der EU vorgesehenen neuen Kreditlinien sollen einmal mehr fast ausschließlich der Schuldenfinanzierung dienen. Sie werden – ähnlich wie bisher – kaum den Menschen zu- gutekommen. Ich folge der Einschätzung, dass der Schuldenberg Griechenlands nur dann Wirtschafts- 11446 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) wachstum erlauben wird, wenn es neben dem avisierten Hilfsprogramm auch signifikante Schuldenerleichterun- gen geben wird. Drittens. Anstatt den Zusammenbruch der bisherigen „Rettungspolitik“ in Griechenland und den Regierungs- wechsel dort für eine Korrektur der gesamten europäi- schen Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik zu nutzen und die Austerität – Spar- und Umverteilungspo- litik – zu beenden, gefährden die europäischen Regie- rungen Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa. Weder die anderen „Programmländer“ sind ökonomisch über den Berg noch die EU als Ganzes. Eine wirksame Besteuerung der Finanzmärkte, Spitzeneinkommen und großer Vermögen, die Finanzierung der überfälligen öf- fentlichen Investitionen ohne Abhängigkeit von priva- tem Kapital, eine europaweite Ordnung auf den Arbeits- märkten anstelle des Lohndumpings, die Schaffung sozialer Mindestsicherungssysteme sowie eine wirksame Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen, müssen die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit von Politik und Staaten wieder her- stellen. Ich fordere die Bundesregierung auf, in den nächsten Wochen und Monaten alles zu unternehmen, um gegen- seitige Verletzungen aufzuarbeiten und die Spaltungsten- denzen in Europa zu bekämpfen. Außerdem ist sicherzu- stellen, dass die Geldkreisläufe unverzüglich wieder in Gang gesetzt und die Grundlagen für eine Stabilisierung und Wachstum der griechischen Wirtschaft geschaffen werden. Detlef Seif (CDU/CSU): Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen, Bundestagsdrucksa- che 18/5590, nicht zustimmen. Bereits in meiner persönlichen Erklärung vom 27. Fe- bruar 2015 habe ich darauf hingewiesen, dass die wei- tere Gewährung von Finanzhilfen gegenüber Griechen- land davon abhängt, dass die griechische Regierung „liefert“. Griechenland hat aber nicht geliefert. Durch die von Alexis Tsipras geführte Regierung hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Ausgangslage des Landes nochmals deutlich verschlechtert. Während der bisheri- gen sechsmonatigen Regierungszeit hat die Regierung Tsipras, trotz vollmundiger Ankündigungen im Wahl- kampf, keine Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Korruption und Steuerhinterziehung wirksam zu be- kämpfen. Nichts wurde unternommen, um Vetternwirt- schaft und Patronage zu bekämpfen. Keine Maßnahmen wurden auf den Weg gebracht, um eine ordnungsgemäße Verwaltung aufzubauen und rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen – einschließlich Register- und Katasterwe- sen. Das Gegenteil ist der Fall. Die reichsten 6 500 Steuer- schuldner – Gesamtsteuerschulden: über 60 Milliarden Euro – wurden durch großzügige Stundungsmaßnahmen entlastet. Die technische Hilfe, die die EU-Kommission leistete, wurde nicht mehr angenommen. Die Prüfer der Troika konnten ihre Prüftätigkeit im Lande nicht mehr fortsetzen. Zusätzliche Staatsbedienstete wurden einge- stellt. Anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und tatsächlich durchgreifende Reformmaßnahmen auf den Weg zu bringen, hat sich die griechische Regierung da- rauf beschränkt, einen „Kampf“ gegen die Euro-Grup- pen-Länder zu führen und sich gegen die bisherige Kre- ditpolitik zur Wehr zu setzen. Erklärtes Ziel war es, sich endgültig von der „Austeritätspolitk“ und den Reform- bedingungen, die im Memorandum of Understanding hinterlegt sind, zu lösen. Die Regierung hat das mühsam aufgebaute Vertrauen zerstört. Es setzten Kapitalflucht ein, Zurückhaltung an Konsum und Investitionen. Das Bankenwesen funktio- niert nur noch durch die Bereitstellung von ELA-Nothil- fen. Aufgrund der laschen Art der jetzigen Regierung hat auch die Zurückhaltung der Bürger, ihre Steuerschulden zu begleichen, nochmals deutlich zugenommen. Man kann der jetzigen griechischen Regierung nicht trauen. Bereits durch die Missachtung der Euro-Grup- pen-Erklärung aus dem Februar 2015 und des nachfol- genden siebenseitigen Reformpapiers hat die Regierung Tsipras gezeigt, dass sie nicht vertrauenswürdig ist und sich nicht an Zusagen hält. Auch die jetzigen Erklärun- gen von Tsipras zeigen, dass er nicht hinter den Verein- barungen steht, sondern diese der Form halber vereinbart hat. Es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, warum Tsipras und seine Regierung ab nun zuverlässig werden und mit Nachdruck Reformmaßnahmen auf den Weg bringen sollten. Aufgrund dieses fehlenden Vertrauens in die aktuelle griechische Regierung sehe ich keine Grundlage, verant- wortungsvoll Finanzhilfen zu gewähren. Hinzu kommt hier insbesondere, dass die für die Be- willigung einer Finanzhilfe nach dem ESM-Vertrag er- forderlichen Voraussetzungen sehr zweifelhaft sind. Un- terstellt man, dass die jetzige Situation in Griechenland die Stabilität des Euro-Raums insgesamt beeinträchtigen kann, was als solches schon zweifelhaft ist, liegt jeden- falls kein Nachweis für die zweite Voraussetzung vor. Erforderlich ist nämlich die Schuldentragfähigkeit. Diese Voraussetzung kann derzeit mit der erforderlichen Sorgfalt nicht ermittelt werden. Soweit eine Einschät- zung der Institutionen zu den Bedingungen nach Arti- kel 13 des ESM-Vertrages vorgelegt wurde, des Weiteren eine Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF, beruhen die dortigen Ausführungen auf veralteten Zahlen. Fakt ist, dass die Prüfer des IWF seit über drei Mona- ten überhaupt keinen Kontakt mehr zu Griechenland und seinen Einrichtungen haben. Die Erstellung einer Schul- dentragfähigkeitsanalyse, wie sie der ESM-Vertrag vor- sieht, erfordert mindestens eine Woche. Vorausgesetzt ist aber, dass der IWF ständigen Kontakt zum Programm- land hat und auch die Möglichkeit besteht, auf alle zur Bewertung der Schuldentragfähigkeit bedeutsamen Zah- len zurückzugreifen. Die vorgelegten Bewertungen beruhen auf Prognosen und Schätzungen, ohne dass auch nur im Ansatz eine ge- sicherte Kenntnis darüber besteht, wie sich die Situation Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11447 (A) (C) (D)(B) in Griechenland tatsächlich darstellt. Insbesondere ist nicht bekannt, in welchem Umfang Steuerausfälle ent- standen sind. Nicht bekannt ist die Höhe der Verbind- lichkeiten des griechischen Staates gegenüber Handwer- kern, Dienstleistern und Lieferanten. Ebenso unbekannt ist die Höhe der internen Verbindlichkeiten, die zwi- schenzeitlich durch den Zugriff auf Rücklagen der Städte und Gemeinden bzw. Sozialversicherer entstan- den sind. Bereits einen Tag nachdem Griechenland seinen An- trag, nebst Übersicht über den Finanzbedarf, eingereicht hatte, tönte es aus der EU-Kommission, dass der vorge- legte Antrag eine gute Grundlage für ein weiteres Pro- gramm sei – dies ohne ausreichendes Datenmaterial und ohne eine auch nur im Ansatz feststellbare Schuldentrag- fähigkeit. Auch der Gesamtbedarf, den Griechenland hat, um seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen, ist völlig unbekannt. Ausdrücklich positiv zu bewerten ist das Verhand- lungsgeschick der Bundesregierung, insbesondere des Bundesfinanzministers, Wolfgang Schäuble, und der Bundeskanzlerin, Angela Merkel. Durch ihren Einsatz wurde Schlimmeres verhindert. Es ist genau der richtige Ansatz, von der griechischen Regierung zunächst Maß- nahmen zu verlangen, die in Gesetzesform zu gießen sind, bevor ein Programm beschlossen wird, sogenannte Prior Actions. Allerdings greifen die auf dem Euro-Gipfel beschlos- senen Maßnahmen zu kurz. Ein Programm müsste de- tailliert – in Form von Gesetzesentwürfen – effektive Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, Bekämpfung der Vetternwirtschaft, Einrichtung einer effizienten Verwaltung, Einrichtung einer effizienten Justiz, nebst Katasterwesen und Registerwesen, zur effektiven Steuer- erhebung und zum Steuereinzug, einschließlich Perso- nalgewinnung auf der Grundlage der Eignung, Befähi- gung und Leistung, vorsehen. Die griechischen Regierungen im Allgemeinen und die aktuelle griechische Regierung im Besonderen haben gezeigt, dass sie sich an Absprachen und Verabredungen nicht halten und geschuldete Maßnahmen nicht umset- zen. Man kann sich nicht auf die bloße Zusicherung der griechischen Regierung verlassen. Zusammenfassung: Die Voraussetzungen für die Be- willigung von Finanzhilfen nach dem ESM-Vertrag sind zweifelhaft. Die zur Ermittlung der Schuldentragfähig- keit und des Finanzierungsbedarfs erforderlichen Daten liegen nicht vor. Das vorliegende Programmpaket setzt fälschlicherweise in weiten Teilen noch darauf, dass Griechenland die Reformmaßnahmen freiwillig umset- zen wird. Verbindliche Maßnahmen, die Griechenland vor einer Finanzhilfe durchführen muss, sind nur teil- weise in der Erklärung der Euro-Gruppe vom 12. Juli 2015 berücksichtigt. Effektive Maßnahmen zu Rechts- staat, Verwaltungseffizienz und Korruptionsbekämpfung wurden nicht als zwingende „Prior Actions“ vereinbart, was nach meiner Ansicht zwingend erforderlich wäre. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Das zweite Hilfs- programm der Europäischen Finanzstabilisierungsfazili- tät für Griechenland, dem ich 2012 nicht zugestimmt hatte, konnte nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Trotz zweimaliger Verlängerung der Bereitstel- lungsfrist für diese Finanzhilfen bis zum 30. Juni 2015 wurde deshalb die letzte Tranche nicht ausgezahlt. Es bestehen weiterhin erhebliche Zweifel daran, ob die griechische Regierung bereit und in der Lage ist, die notwendigen Reformen durchzuführen, um die Wettbe- werbsfähigkeit ihres Landes innerhalb der Euro-Zone wiederherzustellen. Die Vertreter von 15 Mitgliedstaaten der Euro-Zone haben deshalb folgerichtig der griechi- schen Regierung Verhandlungen über ein vorübergehen- des Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone bei gleichzeitiger Umschuldung angeboten. Die Beratungen beim Euro-Gipfel am 12. Juli 2015 haben ergeben, dass die Option eines Ausscheidens Grie- chenlands aus der Euro-Zone derzeit nicht realisierbar ist. Die 18 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone ha- ben deshalb einstimmig vereinbart, die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm für Grie- chenland aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus anzustreben. Dabei hat der Euro-Gipfel in seiner Erklä- rung „unmissverständlich klargestellt, dass die Auf- nahme von Verhandlungen einer etwaigen endgültigen Vereinbarung über ein neues ESM-Programm … keines- falls vorgreift“. Er hat zugleich Mindestanforderungen festgelegt, die von Griechenland vor der Aufnahme von Verhandlungen erfüllt werden müssen. Unter den gegebenen Umständen stimme ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zu, Ver- handlungen über ein ESM-Programm aufzunehmen, sofern Griechenland die Mindestanforderungen dafür erfüllt. Eine auf dieser Grundlage auszuhandelnde Fi- nanzhilfevereinbarung muss dem Deutschen Bundestag erneut zur Entscheidung vorgelegt werden. Erika Steinbach (CDU/CSU): Den beiden ersten Rettungspaketen für Griechenland und andere Länder habe ich zugestimmt, um den damals drohenden Zusam- menbruch des gesamten Euro-Raumes zu verhindern. Das ist gelungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanz- minister Wolfgang Schäuble haben im Rahmen des Möglichen sehr gut, sehr stringent und sehr erfolgreich verhandelt, um zu erreichen, dass Griechenland im Euro verbleibt. Dies ist eine ungeheure Leistung. Dennoch ist für mich nicht erkennbar, dass die neue griechische Regierung willens und in der Lage ist, die jetzt vorgesehenen Strukturmaßnahmen zu realisieren. Das Verhalten dieser Regierung in den letzten Monaten und die jüngste Äußerung des griechischen Ministerprä- sidenten Tsipras, wonach er die Verantwortung für einen Text, an den er „nicht glaube“, übernimmt, sprechen eine beunruhigende, ja verräterische Sprache. Griechenland hat seine Chancen in den verflossenen Jahren leider nicht genutzt, anders als Irland, Portugal oder Spanien. Die vereinbarten, dringend erforderlichen Umstrukturie- 11448 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) rungsmaßnahmen wurden überwiegend nicht umge- setzt. Die jetzige Regierung lässt nicht ansatzweise er- kennen, dass sie entschlossen einen neuen Kurs aus der Misere setzen will. Darüber hinaus verletzt das jetzt vorgesehene Hilfspa- ket durch Nutzung des ESM die bisherigen europäischen Vereinbarungen. Die Einhaltung der grundlegenden Ver- einbarungen ist die Geschäftsgrundlage für die Zustim- mung zu darauf aufbauenden Maßnahmen. Dies ist auch in der EU friedenstiftend und unverzichtbar im Zusam- menwirken unserer europäischen Staaten. Rettungsmaßnahmen unter Überdehnung vereinbarter Verträge der Europäischen Union untergraben das Ver- trauen in die Solidität unserer Union und sind damit zer- störerisch. Das sage ich auch mit Blick auf die Staaten in der EU, die einen niedrigeren Lebensstandard haben als Griechenland und diese Maßnahmen mit finanzieren müssten. Das schadet dem Miteinander der Länder Euro- pas mehr als ein temporäres Ausscheiden Griechenlands. Peer Steinbrück (SPD): Zu meinem ablehnenden Votum zum Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen „Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen über Finanzhilfen für Griechenland“ gebe ich folgende persönliche Erklärung ab: Erstens. Die Pläne für eine Unterstützung Griechen- lands über ein drittes Hilfsprogramm auf der Basis des ESM sind ehrenwert und entsprechen einem guten euro- päischen Geist. Der sollte allerdings auch denjenigen nicht abgesprochen werden, die sich unter dem Eindruck von Fakten und nüchternen Einschätzungen ein anderes Urteil bilden. Das bisherige Krisenmanagement hat lediglich Zeit gekauft. Seit dem Frühjahr 2010 hat sich an grundlegen- den strukturellen Defiziten des Landes nichts geändert. Das Kreditvolumen an Griechenland ist schwindelerre- gend mit geringen Chancen auf eine Rückzahlung – al- lenfalls zu Lebzeiten meiner Urenkel – gestiegen. Wech- selseitige Ressentiments in Europa haben erschreckend zugenommen. Ein drittes Hilfspaket würde diese Ent- wicklung lediglich fortsetzen und ließe ein viertes Pro- gramm noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 wahrscheinlich erscheinen. Es ist richtig, dass ein Grexit zu schwer kalkulierba- ren Risiken für die Euro-Zone und den Zusammenhalt Europas führen und nicht zuletzt die soziale und wirt- schaftliche Lage in Griechenland massiv erschüttern würde. Es ist nicht weniger richtig, dass die andauernde Dehnung von europäischen Verträgen und Regeln bis hin zu ihrer nicht beim Namen genannten Verletzung eben- falls den Zusammenhalt Europas massiv beschädigt. Sie schaffen ein Präjudiz für Sonderwege, exklusive Klau- seln und Geringschätzung gemeinsamer Verabredungen. Anhaltende Regelverletzungen führen die Euro-Zone und die EU in eine Beliebigkeit, die für gefährlicher ge- halten werden darf als ein Grexit. Bezogen auf Grie- chenland erschließt sich keineswegs zwingend, dass eine soziale und wirtschaftliche Stabilisierung nur in der Euro-Zone gelingen kann. Eine solche Erholung ist auch außerhalb der Euro-Zone unter solidarischer Unterstüt- zung der EU und ihrer Mitgliedstaaten möglich. Zweitens. Dem Glauben, dass das dritte Griechen- land-Hilfspaket angesichts eines keineswegs allseits ge- sicherten guten Willens – Ministerpräsident Tsipras: „Ich übernehme die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterschrieben habe, um ein Desaster für das Land zu vermeiden, den Kollaps der Banken“ – funktioniert, stehen einige nüchterne Fakten gegenüber: Angesichts eines in Rede stehenden weiteren Kapital- bedarfs von bis zu 100 Milliarden Euro dürften die grie- chischen Staatsschulden in den nächsten drei Jahren auf über 400 Milliarden Euro und über 200 Prozent Anteil an seinem BIP steigen. Der wirtschaftliche Einbruch im laufenden Jahr (nicht zuletzt durch das Taktieren der griechischen Regierung) wird über die nächsten Jahre nachwirken. Eine Schuldentragfähigkeit des Landes ist mittelfris- tig nicht erkennbar. In diesem Fall dürfte der IWF von seinem Statut her Griechenland nicht mehr kreditieren und müsste aus dem Kreis der drei Institutionen ausscheiden. Seine weitere Beteiligung und Mitwirkung ist aber mindestens aus deutscher Sicht eine zentrale Bedingung. Die Erwartungen an Privatisierungserlöse von 50 Mil- liarden Euro über den Transfer griechischer Vermögens- werte auf einen Fonds sind ebenso irreal, wie sich dies schon einmal 2011 aufgrund illusorischer Annahmen er- wiesen hat; attraktive Werte wurden bereits privatisiert und schmälern das Potenzial weiterer Erlöse. Artikel 12 des ESM-Vertrags hält fest, das nur „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsge- bietes insgesamt (!) und seiner Mitgliedstaaten“ einem ESM-Mitglied Stabilisierungshilfe gegeben werden kann. Ausweislich diverser politischer und fachlicher Stellungnahmen steht die Finanzstabilität der Währungs- union aber im Fall eines Grexit nicht infrage. Das hieße aber, dass der ESM keine rechtliche Grund- lage für ein Griechenland-Hilfspaket sein könnte – es sei denn, seine Vertragskonstruktion würde mit dem Risiko von Klageführungen „gedehnt“. Griechenland hat unbenommen weiterer Entlastungen seines Kapitaldienstes – weiterer Tilgungsaufschub, län- gere Rückzahlungsfristen, günstigere Zinsstruktur – jährliche Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem IWF und der EZB, die seinen Bruttofinanzierungsbedarf an- haltend belasten. Nicht weniger „dehnt“ die EZB schon seit längerer Zeit ihr Mandat. Die ELA-Kredite sollen solventen (!) Banken über Liquiditätsengpässe hinweg helfen. Tat- sächlich gewährt die EZB ELA-Kredite an marode grie- chische Banken, die damit allenfalls drittklassig besi- cherte griechische Staatsanleihen aufkaufen. Das ist faktisch eine Staatsfinanzierung. Im deutschen Wirt- schaftsrecht wird das Insolvenzverschleppung genannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11449 (A) (C) (D)(B) Drittens. Der Glaube daran, dass ein drittes Hilfspaket im Rahmen der auszuhandelnden Eckpunkte des Euro- Gipfels vom 12. Juli 2015 funktioniert, kollidiert ferner mit einigen Eindrücken, die sich aus dem Krisenverlauf seit 2010 und insbesondere jüngsten politischen Einlas- sungen aus Griechenland ergeben: Die bemerkenswerte Rhetorik und die Winkelzüge griechischer Politiker, die aber gleichzeitig Partner und Kreditgeber suchen, die über die bereits bisher gewähr- ten europäischen Hilfen von 300 Milliarden Euro hinaus – was relativ einem Mehrfachen des seinerzeit auf Deutschland entfallenden Marshall-Programms ent- spricht – weitere Finanzhilfen mit entsprechenden Haf- tungsverpflichtungen ihrer Steuerzahler bereitstellen sol- len, haben eine Prägung hinterlassen. Gravierend sind die offenbar kaum zu überbrückenden Verständnisunter- schiede über das Wesen und das Funktionieren einer Währungsunion auf der Basis von Regeln und verläss- lichen Vereinbarungen. Darüber ist so viel Vertrauen verloren gegangen, dass sich die Erwartungen, die grie- chische Regierung würde nun alle beschlossenen Maß- nahmen zügig durchsetzen – die sie vorher unter Bestäti- gung durch ein Referendum abgelehnt hat –, in sehr engen Grenzen hält. Es drängt sich das ernüchternde Eingeständnis auf: Wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg. Neben der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft, mit der Folge eines hohen Staats- und Leistungsbilanzdefizits, steht die Qualität der griechischen „Governance“ massiv in Zweifel. Sie ließe sich wohl nur unter einem erheblichen Bruch mit den bisherigen Strukturen und Mentalitäten verbessern. Dazu hatte die amtierende Regierungskonstellation, weil unbelastet von der Vetternwirtschaft und Korruption der Altparteien, einmalige Chancen. Sie hat sie auf der Woge eines deutlichen Wahlsieges nicht genutzt. Was spricht dafür, dass sie es nachholend unter nun politisch angespannteren Verhältnissen tut? Viertens. Die Definition der griechischen (Theater-)- Tragödie lautet, dass die Protagonisten tun oder auch un- terlassen können, was ihnen in den Sinn kommt, es sei immer falsch. Es gibt gute Gründe, dem Verhandlungsmandat zuzu- stimmen. Ich kann dem nicht zustimmen. Ein Verhand- lungsmandat für ein drittes Griechenland-Hilfspaket läuft auf die Fortsetzung des bisherigen Krisenmanage- ments hinaus, das lediglich Zeit unter wachsenden finan- ziellen Belastungen und politischen Dissonanzen in Eu- ropa gekauft hat. Griechenland wird auf absehbare Zeit in der Euro-Zone weder wirtschaftlich Anschluss gewin- nen noch finanziell eine ausreichende Schuldentragfä- higkeit erreichen können. Ich spreche mich deshalb dafür aus, Griechenland kein weiteres Hilfsprogramm zu eröffnen, das über den begrüßenswerten investiven Impuls hinaus weiterhin und maßgeblich der Refinanzierung seiner Schulden dient. Griechenland sollte stattdessen für einen Austritt aus der Euro-Zone ein Schuldenerlass gewährt werden – was innerhalb der Euro-Zone rechtlich für unzulässig gehalten wird – plus Überbrückungshilfen auf dem Weg zu einer neuen nationalen Währung plus einem Aufbau- programm für Wirtschaft, Infrastruktur und Verwaltung. Ein griechischer Primärüberschuss wäre damit von ei- nem Kapitaldienst entlastet und identisch mit einem Net- toüberschuss, der in die Modernisierung des Landes investiert werden könnte. Und die solidarischen Leistun- gen aus Quellen der EU und ihrer Mitgliedstaaten wür- den nicht mehr länger und wachsend in die Refinanzie- rung griechischer Schulden fließen, was eine spätere Abwicklung nur umso schwieriger und schmerzhafter machen würde. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Den Antrag auf Zustimmung lehne ich ab. Auch ich will Griechenland in der gegenwärtigen fi- nanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Notlage helfen. Ich stimme deshalb grundsätzlich einem Mandat für die Aushandlung eines Memorandum of Understanding für ein ESM-Darlehen und einen Vorschlag für die Verein- barung über eine Finanzhilfe und eine Brückenfinanzie- rung aus dem EU-Haushalt zu. Ich lehne aber die in der Erklärung des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 formulierten Bedingungen ab. Des- halb stimme ich dem von der Bundesregierung vorgeleg- ten Verhandlungsauftrag nicht zu. Schon im ersten und zweiten sogenannten Ret- tungsschirm für Griechenland wurden den Rentnern, den Arbeitslosen und dem sozial schwachen Teil der Bevölkerung unverantwortliche soziale Härten aufer- legt. Deshalb habe ich gegen beide Programme ge- stimmt. Die Politik der Bundesregierung mittels Hilfen von Milliardenkrediten unter unzumutbaren Sparaufla- gen für die sozial Schwachen ist gescheitert. Mehr als 25 Prozent der Bevölkerung ist arbeitslos, bei den Ju- gendlichen sind es fast 60 Prozent. Millionen sind ohne jedes Einkommen und ohne Krankenversicherung. Und die Schulden aus gewährten Hilfskrediten liegen bei weit über 300 Milliarden Euro. Die Tilgung dieser Schulden ist Griechenland nicht möglich. Schon die Schulden- dienste kann das Land nicht mehr aufbringen. Ein Schul- denschnitt oder eine vergleichbare Entlastung von den Schulden ist deshalb unverzichtbar. Deshalb haben die griechischen Wählerinnen und Wähler im Referendum mit 61 Prozent gegen die Fortsetzung dieser Politik ge- stimmt. In dieser Situation dem Land entsprechend der Erklä- rung der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone vom letzten Montagmorgen weitere „Reform“ genannte Sparzwänge aufzuerlegen, halte ich für politisch, ökono- misch und sozial falsch und unverantwortbar. Die „Ver- besserung“ des Rentensystems und insbesondere die Ab- schaffung der staatlichen Zuschüsse für Renten bedeuten für viele Menschen weitere Kürzungen ihrer Rente. Die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer führt zu mehr Belastungen der Gesamtbevölkerung. Die Eingriffe ins kollektive Arbeitsrecht begünstigen Massenentlassun- gen. All diese Maßnahmen fördern nicht das wirtschaft- liche Wachstum, sondern schaden diesem. 11450 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) Dem Parlament in Griechenland wurde auferlegt und zugemutet, all diese sozialen Grausamkeiten innerhalb von zwei Tagen zu verabschieden. Nicht genug damit, nach der Erklärung der Staats- und Regierungschefs soll das griechische Parlament gezwungen werden, ausgaben- wirksame Gesetze der letzten Monate rückgängig zu ma- chen. Und ein schwerer Eingriff in die Parlamentsrechte ist die Auflage der Staats- und Regierungschefs der 18 Euro-Länder, dass sich die griechischen Abgeordne- ten zukünftige Gesetze von den europäischen Institu- tionen genehmigen lassen und mit diesen abstimmen müssen. Es geht offenbar um die Demütigung des Parla- ments. Das hat es im modernen Europa noch nicht gegeben, droht aber Schule zu machen, wenn es im Fall Griechen- land durchgesetzt ist. Zur Unterwerfung unter diese Zumutungen wurden Ministerpräsident Tsipras, die griechische Regierung und das Parlament schamlos gezwungen. Tsipras hat erklärt, er wurde erpresst. Was aus den 17-stündigen Gesprächen der 18 gegen einen bekannt wurde, spricht dafür, dass das stimmt. Ihm wurde mit Grexit und Zusammenbruch der Banken, von Wirtschaft und Finanzsystem gedroht. Tsipras hat sich im Parlament geweigert, all die Grau- samkeiten aufzuzählen. Den Abgeordneten ging es wohl ebenso. Einen Grexit lehne auch ich ab. Griechenland muss gleichberechtigt in EU und Euro-Zone bleiben. Da kann ich doch nicht einfach zustimmen, dass dies Grundlage und Bestandteil der Verhandlungen für die Aufnahme neuer Kredite durch Griechenland wird, Kre- dite, die zu einem Großteil zur Bedienung der bisherigen Kreditschulden eingesetzt werden sollen. Dazu sage ich Nein. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung braucht ein Mandat des Bundestages, um im ESM-Gouverneursrat eine Vereinbarung mit Griechenland über weitere Kredite zu treffen. Ohne ein solches Mandat könnte der Bundesfinanzminister gemäß dem ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG, und entspre- chenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts diese Verhandlungen nicht führen. Wer keinen Staatsbankrott Griechenlands will – mit all seinen sozialen Folgen für die Bevölkerung Grie- chenlands und Milliardenkosten für die Gläubiger –, muss ein solches Mandat erteilen, Deshalb darf man nicht gegen Verhandlungen stimmen. Es liegen nun zwei Anträge vor: der der Bundesregie- rung und der von Bündnis 90/Die Grünen. Beide wollen die Bundesregierung zu solchen Verhandlungen ermäch- tigen. Beide Anträge stimmen der sofortigen Gewährung einer Brückenfinanzierung für Griechenland in Höhe von 532 Millionen Euro – Deutschlands Beitrag – bis zum Abschluss der Verhandlungen zu. Damit enden aber die Gemeinsamkeiten bereits. Während der Antrag der Bundesregierung ein Mandat mit Freifahrtschein für die bisherige Verhandlungsstrate- gie gewährt, legt das grüne Mandat konkrete Maßnah- men vor, in deren Rahmen die Bundesregierung zu ver- handeln hat, um Griechenland wirklich aus der Krise zu bringen. Unser Antrag fordert: gerechte und sinnvolle Strukturreformen, Zukunftsinvestitionen im Sinne eines Green New Deal, eine sozial und ökologisch gerechte Haushaltskonsolidierung mit einer Stärkung der Einnah- meseite durch ein gerechtes Steuersystem, eine klare Absage an einen Grexit – ein Ausscheiden aus der Euro- Zone darf keine Option mehr sein –, die Verbesserung der griechischen Schuldentragfähigkeit, das heißt min- destens eine verbindliche Vereinbarung über die erfor- derliche Verlängerung der Stundungs- und Rückzah- lungszeiträume für bestehende und neue Kredite, dass der Primärüberschuss im griechischen Haushalt als dy- namische Dividende einer erfolgreichen Reformpolitik während der Programmlaufzeit zur Stabilisierung der Wirtschaft und für die Schaffung stabiler Rahmenbedin- gungen für nachhaltige Investitionen genutzt werden kann, eine Fortführung der ELA-Notkredite zu ermögli- chen, und die schnelle Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie, BRRD, durch Griechenland, da- mit abgeflossenes Kapital nach Griechenland zurück- kehrt. Wir Grüne haben diesen Antrag eingebracht, weil wir nicht mehr bereit sind, dieser Bundesregierung ein unbe- schränktes Verhandlungsmandat zu erteilen. Am letzten Wochenende hat Europa massiven Scha- den genommen. Ein Europa, das Frieden und Sicherheit gebracht hat, das Grenzen abgebaut hat, und ein Europa, das vielen Menschen Wohlstand gebracht hat. An diesem Europa arbeiten wir seit vielen Jahren in der festen Über- zeugung, dass es nur eine Richtung geben kann: eine im- mer tiefer und fester werdende Europäische Union. Die- ses Ziel war Konsens aller im Bundestag vertretenen Parteien – und ist Grundlage der Verträge von Rom. Dieser Konsens aber wurde von dieser Bundesregie- rung unter Verantwortung der Bundeskanzlern Angela Merkel und ihres Vizekanzlers Sigmar Gabriel aufge- kündigt. Die Bundesregierung hat zum ersten Mal – und vorbei am Bundestag – den Plan verfolgt, die Europäi- sche Union zu desintegrieren, kleiner zu machen, zu schwächen. Das ist ein Tiefpunkt deutscher Europapoli- tik. Die Große Koalition hat den überparteilichen Kon- sens eines europäischen Deutschlands verlassen. Sie hat auf ein deutsches Europa hin verhandelt. Es ist François Hollande, Matteo Renzi, Werner Faymann, aber auch Jean-Claude Juncker zu verdanken, dass das Erbe Helmut Kohls gegen eine deutsche Bundesregierung mit Müh und Not verteidigt werden konnte. Jüngste Äußerungen des Bundesfinanzministers bele- gen, dass die Bundesregierung den Plan, einen Grexit herbeizuverhandeln, immer noch nicht aufgegeben hat, Genau dafür wurde er nun von der Bundeskanzlerin ge- lobt. Deshalb kann man – gerade wenn man für ein Ver- handlungsmandat ist – dieser Regierung keinen Frei- fahrtschein geben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11451 (A) (C) (D)(B) Heute stehen zwei Verhandlungsmandate zur Abstim- mung. Das grüne Mandat will die Krise um Griechen- land in der Euro-Zone – durch eine Umschuldung und einen Green New Deal – lösen. Das Mandat der Bundes- regierung will weiterhin die Möglichkeit nicht ausschlie- ßen, Griechenland aus dem Euro zu mobben. Deshalb kann ich nur dem grünen Antrag zustimmen. Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Die griechische Regierung setzt derzeit Vorgaben um, an die sie nach ei- genen Worten „nicht glaubt“. Der spätere Vollzug der angestrebten Vereinbarungen erscheint deshalb mehr als fraglich. Die griechische Wirtschaftskraft reicht nicht aus, um den Schuldenberg allein abzutragen. Griechen- land benötigt unsere Hilfe, damit das Land früher oder später selbst zu der Erkenntnis kommen kann, dass es in seiner Situation Aufschwung, Stabilität und Souveränität nur mit einer eigenen maßgeschneiderten Währung und befreit vom Korsett des Euro erreichen wird. Dieses Angebot hat Wolfgang Schäuble den Griechen bereits unterbreitet, es wurde aber noch als Bedrohung empfun- den. Ich setze auf eine neue Sichtweise in der griechi- schen Bevölkerung und Regierung, und zwar in baldiger Zeit, angesichts sich immer weiter verschärfender Pro- bleme. Nach der aufgeschobenen, aber unvermeidbaren Wie- dereinführung der Drachme werden die EU-Partner Griechenlands sofort große finanzielle Solidarität zeigen müssen, damit soziale und gesellschaftliche Verwerfun- gen in der Geburtsphase der neuen Währung verhindert werden. Wenn einmal die „Fass-ohne-Boden-Gefahr“ beseitigt ist, kann unter ganz anderen Bedingungen ge- holfen werden. Nach der jetzigen Krise ist uns klarer denn je: Wir wollen nicht jedes Europa zu jedwedem Preis. Kern der heutigen Problematik ist: Wir stehen vor einer histori- schen Weichenstellung. Wir wollen ein Europa der Rechtmäßigkeit und der Vertragstreue. Unser klares Be- kenntnis zu einem europäischen Staatenverbund schließt ständige Versuche aus, sich über eine Schulden- und Transferunion schrittweise an einen europäischen Ein- heitsstaat heranzuschwindeln. Mit dem Aufruf „Vorwärts immer, rückwärts nim- mer“ wollen wir unsere Europapolitik nicht betreiben. Den Euro wollen wir nicht untergehen sehen und dabei in Honecker’scher Weise ausrufen: „Den Euro in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“ Ein funktionieren- des Europa braucht neben der Verpflichtung zum Einhal- ten von gemeinsamen Regeln die Kraft des Innehaltens und der Korrektur. Rückblickend war es falsch, Griechenland in den Euro-Raum aufzunehmen. Jetzt gilt es, diesen Fehler zu korrigieren. Wenn wir diese Kraft nicht aufbringen, treibt der Euro einen Keil zwischen die Europäer, mit der Gefahr, dass Europa scheitert. Mit meinem Ja zu den nötigen schwierigen Verhand- lungen stütze ich das Verhandlungsmandat für Bundes- kanzlerin Merkel und Bundesminister Schäuble. Ich hoffe, dass wir so einen Schritt weiterkommen, stabilere Verhältnisse für das Friedensprojekt Europa zu schaffen. Sven Volmering (CDU/CSU): Nach reiflicher Über- legung werde ich dem Vorschlag des Bundesfinanz- ministers, Verhandlungen mit Griechenland über weitere finanzielle Hilfen zu führen, zustimmen. Damit verbun- den ist keine automatische Zustimmung zu einem soge- nannten dritten Hilfspaket. Ich unterstütze eindeutig den Verhandlungskurs der Bundesregierung vom vergange- nen Wochenende. Es ist absolut richtig, dass die Bundes- regierung die Option des sogenannten Grexits in die Dis- kussion eingebracht hat und als Möglichkeit weiterhin offen hält. Von daher danke ich insbesondere Bundes- finanzminister Wolfgang Schäuble für die ehrliche Ein- schätzung der Lage und für seine Verhandlungsführung, die notwendig gewesen ist, damit sich die griechische Regierung endlich bewegt. Es ist unzumutbar, wie diese zum Schaden der griechischen und europäischen Be- völkerung agiert. Es bedarf großer Anstrengungen der griechischen Regierung, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Die Annahme zwingend notwendiger Reformen durch das griechische Parlament in dieser Woche ist ein überfälliger Schritt, der längst hätte geschehen müssen. Die aktuelle Verschlechterung der wirtschaftlichen Si- tuation in Griechenland liegt allein in der Verantwortung der griechischen Regierung und ihrer Verzögerungstak- tik. Die Tatsache, dass Herr Tsipras nur mit Stimmen der Opposition eine Mehrheit für die Reformen bekommen hat und viele Abgeordnete seiner Partei bis hin zu Regie- rungsmitgliedern diesen Kurs ablehnen, bestätigt meine Zweifel, ich erwarte, dass – wie bereits in meiner per- sönlichen Stellungnahme vom Februar 2015 dargelegt – Griechenland unabhängig von politischen Neuwahlen seine rechtlichen Verpflichtungen einhält. Auch andere europäische Staaten, deren wirtschaftliches Niveau un- terhalb Griechenlands liegt, haben harte Reformmaßnah- men hinter sich gebracht und sind zu einem Wachstums- kurs zurückgekehrt. Ich habe sehr großes Verständnis dafür, dass eine Reihe von Abgeordneten mit Nein stimmt. Auch in mei- nem Wahlkreis, der aus den Städten Bottrop, Dorsten und Gladbeck besteht, gibt es innerhalb und außerhalb meiner Partei viele Bürgerinnen und Bürger, die ein sol- ches Votum von mir erbitten, erwarten, einfordern oder sogar schlichtweg verlangen. Grundsätzlich ist festzu- halten, dass es neben den langjährigen Verfehlungen al- ler griechischen Regierungen, Reformen einzuleiten, ein historischer Fehler der Regierung Schröder war, Grie- chenland in die Euro-Zone aufzunehmen. Die Tatsache, dass die rot-grüne Bundesregierung die Maastricht-Kri- terien verletzt und blaue Briefe schlichtweg ignoriert hat, war eine Fehlleistung, die andere Nationen ebenfalls dazu einlud, europäisches Recht zu brechen. Nichtsdes- toweniger gilt es nun, die seit Jahren angespannte Situa- tion bei allen Schwierigkeiten zu gestalten. Die Bundesregierung hat gegen den Widerstand der griechischen Regierung zahlreiche konkrete Maßnah- men durchgesetzt, deren Umsetzung durch Griechenland 11452 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) nun von der Kommission, der EZB und dem IWF härter als bisher kontrolliert werden. Zu nennen sind die Re- form der Mehrwertsteuer, des Rentensystems, des Statis- tikamts, der Zivilprozessordnung oder der Bankenre- strukturierungsrichtlinie. Erst nach Umsetzung dieser Beschlüsse wird über weitere Vereinbarungen verhandelt werden können. Hier erwarte ich von der Bundesregie- rung die gleiche Sorgfalt und gegebenenfalls auch „Härte“ gegenüber Versuchen, die europäische Stabili- täts- und Reformpolitik der vergangenen Jahre aufzu- lockern. Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Im Rah- men der heutigen namentlichen Abstimmung werde ich dem Antrag des Bundesministers der Finanzen, Bundes- tagsdrucksache 18/5590, zustimmen. Bei den Reformvorhaben der griechischen Regierung müssen nicht nur fiskalische Änderungen vorgenommen, sondern auch strukturelle und nachhaltige Reformen auf den Weg gebracht werden. Mir ist es wichtig, dass bei den anstehenden Verhand- lungen klare Instrumente verhandelt werden, mit denen die Reformen in Griechenland überprüft werden können. Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Bei der heutigen namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundes- ministeriums der Finanzen „Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands“ werde ich zustimmen. Wie schon bei der Abstimmung im Februar, bei der ich bereits eine Stimmerklärung abgegeben habe, war es auch dieses Mal eine schwierige politische Entscheidung für mich. Wir stimmen heute über die Aufnahme konkre- ter Verhandlungen für ein weiteres Hilfspaket ab – nicht über den Start eines solchen Programms und die Auszah- lung von Mitteln selbst. Bei allen Entscheidungen, die wir im Bundestag tref- fen, müssen wir an die Folgen denken. Bei einer Staats- pleite Griechenlands müsste die EU weiterzahlen, und zwar in Form von humanitären Hilfsgeldern. Allerdings hätte die EU dann nicht die Möglichkeit, die Auszahlung an die Verabschiedung der notwendigen Reformen zu knüpfen. Hilfeleistungen der EU darf es nur gegen Re- formen geben. Dank der harten Verhandlungen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble sind die Reformzusagen Griechenlands sogar noch deutlich weitgehender als bislang angedacht. Dabei hatten die Bundeskanzlerin und der Finanzminister stets das Wohl Europas im Blick, und sie haben sich zu kei- nem Zeitpunkt von Griechenlands Tricks und Spiele- reien in die Irre führen lassen. Es ist positiv, dass das griechische Parlament die ers- ten notwendigen Reformen verabschiedet und damit eine Grundlage für die anstehenden Verhandlungen geschaf- fen hat. Dies entspricht unserem Grundsatz: Hilfe nur gegen konkrete, harte Reformen, also Solidarität gegen Solidität. Auch weil Finanzminister Schäuble den „Grexit auf Zeit“ ins Spiel brachte, hat Ministerpräsident Tsipras eine 180-Grad-Drehung vollzogen und harten Reformen zugestimmt – Reformen, zu deren Ablehnung er das Volk zuvor im Referendum aufgefordert hat. Die grie- chische Regierung hat in den vergangenen Wochen viel Vertrauen zerstört und ist nun in der Pflicht, dieses wie- der aufzubauen: Dazu muss sie die weiteren konkreten Reformmaßnahmen konsequent vollziehen. Von dem Land wird nichts verlangt, was andere Länder nicht schon mit Erfolg vorgemacht hätten, zum Beispiel Ir- land, Portugal und das Baltikum. Meine heutige Entscheidung bedeutet keineswegs eine bedingungslose Zustimmung zu einem möglichen dritten Hilfsprogramm. Unsere Solidarität darf es auch in Zukunft nur gegen Gegenleistung geben: Deshalb muss in den Verhandlungen durchgesetzt werden, dass Hilfen auch künftig nur in Tranchen gezahlt werden und nur dann, wenn Griechenland weitere Reformen um- setzt. Marian Wendt (CDU/CSU): Dem Antrag des Bun- desministeriums der Finanzen kann ich nach reiflicher Überlegung und Abwägung nicht zustimmen. Für meine Ablehnung des besagten Antrags habe ich folgende Beweggründe: a) Weitere Finanzhilfen für Griechenland werden meiner Ansicht nach die fiskalische Disziplin in Europa insgesamt herabsetzen. Dies ist dazu geeignet, die Fi- nanzstabilität des Euro-Währungsgebietes nachhaltig in- frage zu stellen, und widerspricht dem Ziel eines ge- meinsamen stabilen Europas. In Hinblick auf die enormen Anstrengungen der osteuropäischen Staaten – insbesondere seien hier die baltischen Staaten als Euro-Staaten genannt –, nachhaltig tragbare Finanzpoli- tik durchzuführen, werden weitere Finanzhilfen die An- reize für verantwortungsvolle Politik herabsetzen. b) Weitere Finanzhilfen für die Hellenische Republik lasten der jungen Generation in mittlerer und langer Frist zusätzliche Schulden auf und nehmen den Staaten künf- tige Handlungsmöglichkeiten. Der Verantwortung für die jungen Generationen widerspricht dies. c) Die grundsätzliche Vorbedingung für die Auf- nahme von Verhandlungen, die in dem Vertrauen be- steht, dass die Hellenische Republik vereinbarte Refor- men zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und zum Abbau von Schulden auch wirklich durchführen wird, sehe ich insbesondere im Hinblick auf die Politik der griechischen Regierung nicht als erfüllt an. Insbe- sondere sehe ich die Zeit seit der Verlängerung des zwei- ten Hilfspakets vom 27. Februar 2015 hier als entschei- dend an. Die griechische Regierung hat hier gezeigt, dass sie grundsätzliche Reformen ablehnt. d) Die ausgehandelten Reformvereinbarungen, die Griechenland begleitend und als Teil des Programms einzuhalten hat, scheinen mir langfristig nicht dazu ge- eignet eine nachhaltige Schuldentragfähigkeit herbeizu- führen und die wirtschaftliche Situation in Griechenland zu verbessern. Sie sind insgesamt nicht weitgehend ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 11453 (A) (C) (D)(B) nug, um einerseits die Primärüberschussziele zu errei- chen, die eine Tilgung der Schulden ermöglichen wür- den. Andererseits werden die Reformen das benötigte Wachstum für eine Erholung der griechischen Wirtschaft nicht ermöglichen, da strukturelle Probleme, zum Bei- spiel der überbordende Regulierungs- und Staatsapparat, nicht angegangen werden. e) Die Einrichtung eines unter treuhänderischer Ver- waltung stehenden Fonds aus griechischem Staatsver- mögen stellt für mich keine ausreichende Garantie dar. Der Forderung aus dem Jahr 2010, Staatsvermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro zu privatisieren und die freiwerdenden Mittel für den Schuldenabbau zu nutzen, ist die griechische Regierung nicht nachgekommen. Die Hindernisse bestehen fort und sind meiner Ansicht nach nicht bereinigbar. Heute diesem Antrag zuzustimmen, wäre meiner An- sicht nach ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Die griechische Regierung hat, vor allem durch ihr Ver- halten in der jetzt vergangenen und durch Aufschub ver- längerten Frist, keinen ernsthaften Willen zu Reformen gezeigt. Die Schuldenlast gefährdet den Zusammenhalt in Europa. Insbesondere der jüngeren Generation gegen- über ist das Hinterlassen der sich auftürmenden Schul- denberge unverantwortlich. Daher lehne ich den Antrag ab. Kai Whittaker (CDU/CSU): Der Deutsche Bundes- tag soll bei seiner heutigen Abstimmung über die Auf- nahme von Verhandlungen über ein ESM-Programm entscheiden. Im Vorfeld dieses Antrags hat die griechische Regie- rung am 8. Juli 2015 einen Antrag auf die Gewährung von Kredithilfen des Europäischen Stabilitätsmechanis- mus, ESM, gestellt. Einen Tag darauf wurde außerdem eine Liste von Reformen an die Institutionen – Europäi- sche Zentralbank, Europäische Kommission, IWF – übersandt. Infolgedessen fand am 12. Juli 2015 ein Gipfel der Euro-Gruppe statt, auf dem sich die Staats- und Re- gierungschefs auf die Vorbereitung eines ESM-Pro- gramms einigten. Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen über ein ESM-Programm ist die unver- zügliche Umsetzung von Rechtsvorschriften für ein ers- tes Maßnahmenpaket seitens der griechischen Regierung. Folgende Punkte sind anzumerken: Erstens. Bei dem vorliegenden Antrag stimmt der Deutsche Bundestag lediglich darüber ab, ob die deut- sche Bundesregierung über ein ESM-Programm verhan- deln darf. Mit Ausnahme der Brückenfinanzierung geht es nicht darum, finanzielle Hilfsmittel zu gewähren. Meine Zustimmung zu dem heutigen Antrag bedeutet nicht, dass ich einem dritten Hilfspaket zustimmen werde. Zweitens. Mit der Erklärung des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ist es gelungen, die Konditionalität von Kredithilfen gegen Reformen einstimmig in der Euro- Gruppe durchzusetzen. Dabei sind zwei Punkte hervor- zuheben: Zum einen gehen die Reformvorschläge über das hinaus, was bisher gefordert wurde. Zum anderen ist gewährleistet, dass Griechenland in Vorleistung gehen muss. Ich unterstütze ausdrücklich, dass sich die Bun- desregierung in diesen beiden Punkten durchsetzen konnte. Drittens. Am 15. Juli 2015 hat das griechische Parla- ment mit großer Mehrheit die ersten vereinbarten Maß- nahmenpakete verabschiedet. Mit der erfolgreichen Ab- stimmung im Parlament hat die griechische Regierung das innenpolitische Mandat für den anstehenden Re- formkurs erteilt bekommen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich eine überparteiliche Mehrheit für die Maßnah- men ausgesprochen hat. Dies muss ich anerkennen. Bei der letzten namentlichen Abstimmung zur Verlän- gerung der Griechenland-Hilfen im Rahmen des EFSF habe ich darauf hingewiesen, dass viel Vertrauen seitens der griechischen Regierung zerstört wurde. Dies hat sich insbesondere in den letzten Wochen auf dramatische Weise bestätigt. Meine Annahme, dass die griechische Regierung Reformen nicht durchsetzen kann und will, bleibt bestehen. Durch die nun anstehenden Verhandlun- gen wird sich zeigen, ob es die griechische Regierung mit ihren Ankündigungen ernst meint. Mit meiner Zu- stimmung zur Aufnahme von Verhandlungen über ESM- Hilfen möchte ich der griechischen Regierung die Mög- lichkeit geben, diesen Beweis anzutreten. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme heute mit Ja, weil ich als Europäerin davon überzeugt bin, dass die Europäische Union und die Euro- Zone zusammenhalten und zusammenwachsen müssen. Ich stimme mit Ja, weil Griechenland dabeibleiben muss. Ich stimme mit Ja, weil sich die griechische Be- völkerung auch weiterhin auf die Unterstützung seiner europäischen Partner verlassen können muss. Ich stimme mit Ja, damit die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Euro-Staaten über ein weiteres Kredit- und Reformprogramm aufgenommen werden können. Denn die Menschen in Griechenland brauchen europäische Solidarität. Und Europa braucht das Vertrauen in die griechische Regierung, dass sie den ambitionierten Reformkurs jetzt wirklich umsetzt. Das Ziel muss sein, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen steht. Dabei darf es keine Illusion geben: Der Weg dorthin ist kein leichter. Der Reformprozess und die wirtschaftliche Erholung in Griechenland können nur dann gelingen, wenn das Land die erforderliche Zeit er- hält, um verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, dringend erforderliche effektive Strukturreformen durch- zuführen und notwendige Investitionen zu tätigen. Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Bedingungen für eine Chance auf Erfolg des Landes und dabei möchte ich Griechenland unterstützen. Ohne ein neues Kreditpaket ist überhaupt nicht zu erkennen, wie das Land diese Chance haben könnte. Seit nun mehr als fünf Jahren begleite ich als Abge- ordnete des Bundestages Griechenland durch parlamen- tarische Abstimmungen über Kredithilfen. Dabei habe ich durchaus deutliche Kritik an politischen Fehlern geübt, die dabei gemacht wurden. So war es mir nicht nachvollziehbar, dass die Berliner Politik die Chance 11454 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Juli 2015 (A) (C) (D)(B) beim ersten Rettungspaket für Griechenland nicht ge- nutzt hat, durch einen interfraktionellen Antrag der Fi- nanzwirtschaft deutlich ihre Grenzen aufzuzeigen. Dort wurden lieber Einzelanträge der Koalition und der Op- positionsfraktionen gestellt, obwohl bei den wesentli- chen Punkten einer besseren Finanzmarktregulierung eine inhaltliche Übereinstimmung bestand. Bei den jetzigen Verhandlungen haben sich nach ei- nem Prozess, der auf allen Seiten von Fehlern, nationaler Engstirnigkeit und Verletzungen geprägt war, am ver- gangenen Wochenende alle Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone auf einen gemeinsamen Weg geeinigt. Si- cherlich sind nicht alle einzelnen auf dem Euro-Gipfel am 12. Juli vereinbarten Inhalte in gleichem Maße sinn- voll und handhabbar. Das neue Programm schreibt durchaus Schwachstellen der bisherigen Vereinbarungen fort, auch wenn es an anderen Stellen Forderungen der griechischen Regierung entgegengekommen ist. Dieser Einigung will ich nicht meine Zustimmung versagen, erst recht nicht nach den Schwierigkeiten, überhaupt zu einem gemeinsamen Weg zu finden und nicht in die na- tionalen Ecken zurückzufallen. Nachdem die 19 Staats- und Regierungschefs und unter anderem die Parlamente von Frankreich, Finnland, Luxemburg, Österreich, den Niederlanden und vor allem Griechenland selber diesem Paket zugestimmt haben, wird es realistischerweise jetzt keine grundsätzlich anders gestaltete Lösung für Grie- chenland geben. In der Rede des französischen Außenministers Robert Schumann vom 9. Mai 1950, in der er die Schaffung ei- ner Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS, vorschlug, heißt es: „Europa lässt sich nicht mit Offsetdruc Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Te einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine ein- fache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsa- chen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Vor dem Hintergrund der kritischen Lage in Griechenland und der dringend benötigten Klarheit über den Weg schon in den kommenden Tagen, heißt Solida- rität mit Griechenland, dass ich dem Antrag der Bundes- regierung auf Einleitung eines Verhandlungsverfahrens nach den Regeln des Europäischen Stabilitätsmechanis- mus, ESM, und der dringend notwendigen Brückenfi- nanzierung zustimme. Verhandlungen funktionieren nur, wenn tatsächlich alle Optionen, also auch der sogenannte Plan B mit dem Grexit, auf dem Tisch liegen und die Verhandlungspart- ner deutlich erkennen können, welche Folgen ihre jewei- ligen Entscheidungen haben können. Dazu gehört für mich auch, dass sich Verhandlungspartner an die Ab- sprachen halten und geeignete Möglichkeiten zur Kon- trolle schaffen. Für mich steht dabei immer eindeutig im Vorder- grund, das Zusammenwachsen in Europa hin zu einem föderalen Europa als Gemeinschaft von Bundesstaaten zu fördern. Dabei darf die Politik nicht bei dem Teil- schritt der Währungsunion stehen bleiben. Dazu bin ich auch bereit, nationale Souveränitätsrechte an eine demo- kratisch legitimierte europäische Regierung abzugeben und gemeinschaftlich füreinander einzustehen, wie wir das auch in der föderal strukturierten Bundesrepublik Deutschland machen. Diesen Weg müssen wir jetzt ge- hen. Europa darf nicht zurückfallen in die nationale Kleinstaaterei. Dafür werde ich mich immer wieder ein- setzen. kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 lefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 117. Sitzung Inhaltsverzeichnis Tagesordnungspunkte 1 Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zu unserer 117. Plenarsitzung. Die heutige Sit-
zung habe ich gemäß Artikel 39 Absatz 3 des Grundge-
setzes einberufen, und ich gehe davon aus, dass Sie mit
der vorgesehenen Tagesordnung für die heutige Sitzung
einverstanden sind.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
Ihnen mitteilen, dass der Kollege Dr. Carsten Sieling mit
Ablauf des 16. Juli 2015 auf die Mitgliedschaft im
Deutschen Bundestag verzichtet hat. Für ihn ist die
Kollegin Sarah Ryglewski nachgerückt, die ich im Na-
men des Hauses begrüßen möchte und der ich eine gute
Zusammenarbeit wünsche.


(Beifall)


Ich möchte Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erhe-
ben.


(Die Anwesenden erheben sich)


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Die
Nachricht vom plötzlichen Tod Philipp Mißfelders hat
uns tief getroffen. Völlig unabsehbar wurde Philipp
Mißfelder aus einem kurzen Leben gerissen, das von frü-
her Jugend an ein Leben mit der Politik war. 1993 trat er
als damals 14-Jähriger in die Junge Union und 1995 in
die CDU ein. Er war von 1998 bis 2000 Bundesvorsit-
zender der Schüler Union. Seit dem Jahr 2000 gehörte er
auch dem Bundesvorstand der CDU an. Im Oktober
2002 wurde er zum Bundesvorsitzenden der Jungen
Union gewählt, der er bis 2014 blieb, länger als irgendei-
ner seiner Vorgänger. Von 2008 bis 2014 gehörte er als
bislang jüngstes Mitglied dem Präsidium der CDU
Deutschlands an.

Vor fast genau zehn Jahren zog Philipp Mißfelder
erstmals in den Deutschen Bundestag ein. Er arbeitete
zunächst im Umweltausschuss, dann im Wirtschaftsaus-
schuss, seit 2009 im Ausschuss für auswärtige Angele-
genheiten. Mitte Juni dieses Jahres, vor wenigen Wo-
chen, hielt er als außenpolitischer Sprecher der CDU/
CSU-Fraktion hier im Plenum des Bundestages seine
121. Rede – mit 35 Jahren. Unter den jungen Kollegen
war er längst der erfahrenste. Es gibt kaum jemanden in
der Geschichte des Bundestages, der in so jungen Jahren
ohne ein Amt in der Exekutive ein so dichtes Netz an
politischen Kontakten aufgebaut hat, im Westen wie im
Osten, in den Vereinigten Staaten wie in Russland.

Meine Arbeit in dieser Funktion als außenpoliti-
scher Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

– so hat er es selbst auf seiner Homepage geschrieben –

ist dem Ziel gewidmet, dass immer mehr Menschen
ihr Leben in Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und unter Wahrung der Men-
schenrechte leben können.

Sein besonderes Anliegen waren die deutsch-israeli-
schen Beziehungen; er zählte, das zeigen die Würdigun-
gen des israelischen Premiers wie die des Botschafters,
zu den engen Freunden Israels.

Der jungen Generation eine Stimme in der Politik zu
geben, war Philipp Mißfelder besonders wichtig. Dieser
Einsatz schuf freundschaftliche Verbindungen über Par-
teigrenzen hinweg. Und wenn ihn sein beachtlicher poli-
tischer Instinkt gelegentlich im Stich ließ, hatte er eine
erstaunliche Begabung, neue Brücken zu bauen, persön-
liches Vertrauen zu stiften oder wiederherzustellen.

„Die Scheu vor Verantwortung ist eine Krankheit un-
serer Zeit“, hat Otto von Bismarck für die damalige Zeit
vermutet. Philipp Mißfelder hatte diese Scheu nicht.
Weil er früh Verantwortung übernahm, gelang ihm frü-
her als anderen, in der Politik Einfluss zu nehmen. Nun
ist Philipp Mißfelder früh, viel zu früh gestorben. Der
Deutsche Bundestag verliert mit ihm einen engagierten
und respektierten Parlamentarier, viele von uns, auch ich
persönlich, einen guten Freund. Er wird uns fehlen, und
wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und seinen bei-
den kleinen Kindern. Ihnen und allen Angehörigen spre-
che ich im Namen des ganzen Hauses unsere Anteil-
nahme aus.

Ich danke Ihnen.


(Die Anwesenden nehmen wieder Platz)






Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:

a) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen

Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands

hier: Einholung eines zustimmenden Be-
schlusses des Deutschen Bundestages nach § 4
Absatz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungs-
gesetzes (ESMFinG), der Hellenischen Repu-
blik nach Artikel 13 Absatz 2 des ESM-Ver-
trages grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form
eines ESM-Darlehens zu gewähren; Verwen-
dung der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung
einer Brückenfinanzierung

Drucksache 18/5590

b) Beratung des Antrags der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Beschluss des Deutschen Bundestages nach
§ 4 Absatz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzie-
rungsgesetzes (ESMFinG); Verwendung der
SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brü-
ckenfinanzierung

Drucksache 18/5595

Zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen
liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke
sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor. Über den Antrag des Bundes-
ministeriums der Finanzen, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen sowie einen Entschließungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir spä-
ter namentlich abstimmen. Wir werden also drei namentli-
che Abstimmungen zum Abschluss dieser Debatte haben.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 185 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel,
der ich zugleich persönlich und auch im Namen des
Hauses herzlich zu ihrem heutigen Geburtstag gratulie-
ren möchte.


(Beifall)


Alle guten Wünsche für das neue Lebensjahr und
weiterhin eine gute, glückliche Hand bei der Bewälti-
gung der Herausforderungen unseres Landes und der be-
sonderen Verantwortung, die wir ganz offenkundig auch
in Europa haben. – Sie haben das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1811700100

Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es liegen
Tage hinter Europa, die an Dramatik kaum noch zu über-
bieten sind – nicht nur wegen der schier endlosen Bera-
tungen in der Euro-Gruppe der Finanzminister und beim
Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am letzten
Wochenende, wie ich sie in dieser Form auch noch nicht
erlebt habe. Aber diese Tage sind natürlich vor allem für
das Land, um das so viele unserer Gedanken und Bera-
tungen kreisen, an Dramatik nicht zu überbieten: für
Griechenland. Stellen wir uns nur für einen Moment vor,
was es bedeuten würde, wenn bei uns zu Hause in
Deutschland Rentnerinnen und Rentner verzweifelt vor
geschlossenen Banken Schlange stehen und darauf war-
ten würden, 120 Euro Rente pro Woche ausgezahlt zu
bekommen. Dann bekommen wir vielleicht eine Ahnung
davon, wie dramatisch die Situation in Griechenland ist,
wie viel für dieses Land wie auch für Europa auf dem
Spiel stand, als die Staats- und Regierungschefs der 19
Mitglieder der Euro-Zone am vergangenen Sonntag zu
einem Sondergipfel zusammenkamen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir das Er-
gebnis dieses Euro-Gipfels bewerten, müssen wir uns
die Ausgangslage noch einmal in Erinnerung rufen. Am
25. Januar dieses Jahres wählte das griechische Volk
eine neue Regierung unter Führung der mit Abstand
stärksten Partei Syriza mit Ministerpräsident Alexis
Tsipras an der Spitze. Er hatte die Wahl im Wesentlichen
mit zwei Wahlversprechen gewonnen: erstens mit dem
Versprechen, den bisherigen europäischen Ansatz von
Solidarität und Eigenverantwortung zur Überwindung
der europäischen Staatsschuldenkrise zu beenden,


(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Quatsch!)


zweitens mit dem Versprechen, dass sein Land Mitglied
der Euro-Zone bleiben solle und werde.

Es war offensichtlich, dass diese beiden Wahlverspre-
chen in einem gewissen Widerspruch zueinander stan-
den. Es war deshalb auch genau dieser Widerspruch, der
den Kern aller Diskussionen in den folgenden Monaten
bilden sollte – bis Montagmorgen. Die neue Regierung
traf Anfang des Jahres auf 18 weitere Regierungen in der
Euro-Gruppe, allesamt ebenfalls demokratisch gewählt,
mit zum Teil völlig gegensätzlichen Wahlversprechen
und politischen Grundüberzeugungen, aber mit einem
gemeinsamen Bemühen: Mögen die politischen Unter-
schiede auch noch so groß sein, wir setzen uns dafür ein,
dass Griechenland Mitglied der Euro-Zone bleiben kann;
denn der Euro ist weit mehr als eine Währung, er steht
wie keine zweite europäische Entscheidung für die Idee
der europäischen Einigung. Dafür, dass Europa eine
Schicksalsgemeinschaft ist und sich als Rechts- und Ver-
antwortungsgemeinschaft über Parteigrenzen hinweg
auszeichnet, dafür steht gerade auch der Euro.

Damit das aber gelingt, brauchen wir zweierlei. Zum
einen gilt: Pacta sunt servanda. Das heißt, wenn europäi-
sche Verträge ihre Gültigkeit verlieren sollen, geschieht
das durch einstimmig vorgenommene Vertragsänderun-
gen und Ratifizierungsverfahren. Es geschieht nicht, in-
dem Einzelne aufgrund nationaler Wahlen diese Verträge
einfach für null und nichtig erklären können; denn wir
sind eine Rechtsgemeinschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

Zum anderen braucht Europa die Fähigkeit zum
Kompromiss genauso wie der Mensch die Luft zum At-
men; denn wir sind eine Verantwortungsgemeinschaft.


(Zurufe von der LINKEN: Ja, ja!)


Im konkreten Fall heißt das: Enormen Eigenanstrengun-
gen Griechenlands steht eine enorme europäische Soli-
darität gegenüber.


(Zuruf von der LINKEN)


Die weitere Geschichte ist schnell erzählt: Am 20. Fe-
bruar entschied die Euro-Gruppe, die Laufzeit des zwei-
ten EFSF-Programms bis zum 30. Juni zu verlängern.
Die Zeit bis dahin sollte zum erfolgreichen Abschluss
des Programms genutzt werden. Das scheiterte. Stattdes-
sen haben wir erlebt, dass Griechenland die Verhandlun-
gen hierüber einseitig beendet hat, dass es seinen Ver-
pflichtungen nicht nachgekommen ist, die Zahlungen an
den IWF fristgerecht zu leisten, dass das zweite Hilfs-
programm am 30. Juni ausgelaufen ist, dass damit allen
Vorschlägen, die sich auf den erfolgreichen Abschluss
dieses Programms bezogen, die Grundlage entzogen
war, dass Griechenland für den 5. Juli ein Referendum
über diese nicht mehr vorhandenen Vorschläge angesetzt
hatte und die griechische Regierung dafür warb, dabei
mit Nein zu stimmen, und dass das griechische Volk die-
ser Empfehlung seiner Regierung mehr als deutlich mit
61 Prozent folgte.

Meine Damen und Herren, es ist offenkundig: Das Er-
gebnis war ein Scherbenhaufen. Mit ihm war zwischen
Griechenland und den anderen Mitgliedern in der Euro-
Gruppe die wichtigste Währung des Miteinanders, auch
des Miteinanders von Staaten, verloren gegangen: Ver-
lässlichkeit und in der Konsequenz Vertrauen. Jetzt
stellte sich nur noch die Frage: Ist das irreparabel? Wich-
tiger noch: Was können wir tun? Drei Möglichkeiten
standen zur Wahl:

Erstens. Wir biegen unsere Verträge und Regeln so
weit, bis sie nichts mehr wert sind. Das wäre der Fall ge-
wesen, wenn wir den Weg, den wir seit 2010 beharrlich
verfolgen, einfach freigemacht hätten, wenn wir ihn ver-
lassen hätten


(Zuruf von der LINKEN: Habt ihr doch!)


und an seine Stelle die Schulden- und Transferunion set-
zen würden – völlig egal, ob die europäischen Verträge
einen Schuldenschnitt, einen Haircut, verbieten oder
nicht, völlig egal auch, was uns die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts aufträgt. Ein solches Vorge-
hen wäre das Ende der Rechtsgemeinschaft Europa, und
es ist deshalb mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zweitens. Wir geben auf und unternehmen nicht noch
einen letzten Versuch, die Differenzen mit Griechenland
zu überwinden, sondern wir sehen zu, bis das Land
gleichsam ausblutet, die Menschen nicht mehr an ihr
Geld kommen. Chaos und Gewalt könnten die Folgen
sein. Ein solches Vorgehen wäre das Ende der Verant-
wortungsgemeinschaft Europa. Es ist mit uns nicht zu
machen. Es ist im Übrigen von der gesamten Bundesre-
gierung genau so gesehen worden: Das ist mit uns nicht
zu machen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der LINKEN: Ach nee!)


Dieser Weg ist im Übrigen klar zu unterscheiden von
dem Weg einer sogenannten Auszeit, die man überhaupt
nicht gegen Griechenland entscheiden kann, sondern nur
mit Griechenland und im Übrigen allen 18 anderen Mit-
gliedern. Beides war nicht der Fall: Weder waren alle 18
anderen dazu bereit, noch war Griechenland dazu bereit.
Deshalb war dieser Weg nicht gangbar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der LINKEN)


Drittens. Wir unternehmen einen letzten Versuch, in
harten, zähen Beratungen herauszufinden, ob nicht doch
noch gemeinsam in der Euro-Gruppe mit allen 19 Mit-
gliedern – trotz aller Rückschläge der letzten sechs Mo-
nate und trotz aller mehr als berechtigten Skepsis – die
Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dem
inzwischen gestellten Antrag des Landes für ein Hilfs-
programm unter dem Dach des ESM zu entsprechen,
und zwar nicht um jeden Preis, sondern auf der Grund-
lage und im Rahmen der europäischen Verträge wie auch
des damit untrennbar verbundenen Konzepts von natio-
naler Eigenverantwortung und europäischer Solidarität.
Für diesen Weg hat sich die Bundesregierung entschie-
den. Es war das Bemühen, das uns angetrieben hat, ge-
meinsam mit Griechenland einen Weg aus der Sackgasse
zu finden.

Meine Damen und Herren, es kann überhaupt kein
Zweifel bestehen: Das Ergebnis von Montagfrüh ist hart.
Zunächst einmal ist es hart für die Menschen in Grie-
chenland.


(Zurufe von der LINKEN: Aha!)


So richtig es ist, dass die neue griechische Regierung bis
zu ihrer Wahl vor sechs Monaten keine Verantwortung
für die Misere ihres Landes trägt, so richtig ist aber auch,
dass es jeder Beschreibung spottet, was seither kaputtge-
macht wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Konnte Griechenland nach übereinstimmender Pro-
gnose aller noch im vergangenen Herbst deutliches
Wachstum für dieses Jahr erwarten, so ist es jetzt das
Gegenteil, was wir lesen und was wohl auch eintreten
wird. Hatte sich nicht nur in Spanien, Portugal und Ir-
land durch harte Reformprogramme die Lage entschei-
dend verbessert, sondern in ersten hoffnungsvollen An-
sätzen auch in Griechenland


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ha, ha, ha!)


– im Übrigen ein Beleg gegen die immer wiederkeh-
rende Behauptung, es sei sowieso sinnlos gewesen, auch
in Griechenland auf den Erfolg unserer Hilfsprogramme
zu setzen –, so liegt dort jetzt leider wirklich vieles sehr
danieder.





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was für ein Hilfsprogramm?)


Das Ergebnis von Montag früh ist aber auch hart für
die anderen 18 Mitglieder der Euro-Zone. 86 Milliarden
Euro – das ist die Summe, die derzeit im Raum steht, zu-
sätzlich zu den schon gegebenen Krediten –, das ist eine
nie gekannte europäische Solidarität; davon bin ich zu-
tiefst überzeugt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ihr stehen aber auch nie gekannte Rahmenbedingungen,
nie gekannte Eigenleistungen, die an ein Programmland
gestellt werden, gegenüber: strukturelle Reformen in
sehr vielen Bereichen – bei der Rente, im Steuersystem,
bei den Produktmärkten, bei der Verwaltung; die feste
Aussage aller Teilnehmer der Euro-Zone, dass es einen
Haircut im System des Euro nicht geben kann; die Ein-
richtung eines Privatisierungsfonds, der zu großen Tei-
len auch zur Rückzahlung von Schulden verwendet wer-
den soll; und – auch das ist in dieser Form einmalig, aber
nach den Erfahrungen der vergangenen sechs Monate
unverzichtbar – sehr strenge Überprüfungsvereinbarun-
gen. Denn wir wissen: Zusagen sind das eine, Taten das
andere; deshalb sind Überprüfungen und Kontrollen nö-
tig. Es reichen bloße Absichtserklärungen nicht. Darauf
werden wir auch bei der Ausgestaltung der Verhandlun-
gen achten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Griechenland musste Vorleistungen erbringen, bevor
wir heute über die Aufnahme von Verhandlungen über
ein ESM-Programm beraten und entscheiden können,
und Griechenland hat diese Vorleistungen erbracht. Das
griechische Parlament hat vorgestern – im Übrigen mit
beeindruckender Mehrheit – vier Reformgesetze verab-
schiedet: zum Mehrwertsteuersystem, zum Rentensys-
tem, zur Statistikbehörde, zur Umsetzung des Fiskalver-
trages. Außerdem hat das griechische Parlament die
Gesamteinigung vom letzten Wochenende angenom-
men; dies haben die drei Institutionen und die Euro-
Gruppe bestätigt. Griechenland musste seine Bereit-
schaft erklären, wieder eng mit den drei Institutionen zu-
sammenzuarbeiten, und Griechenland hat auch seine Be-
reitschaft erklärt, nach Auslaufen des IWF-Programms
im Frühjahr 2016 den IWF wieder im Programm dabei-
zuhaben, sowohl bei der Überwachung als auch bei der
finanziellen Beteiligung.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zu mei-
ner Bewertung und Schlussfolgerung. Erst einmal
möchte ich dem, der Stunden und Aberstunden, Tage
und Nächte in der Euro-Gruppe verhandelt hat,
Wolfgang Schäuble, ein herzliches Dankeschön sagen.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In der Sache lautet die Frage: Kann ich auf der
Grundlage all dessen, was ich Ihnen vorgetragen habe,
den Deutschen Bundestag darum bitten, der Bundesre-
gierung ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen
über ein ESM-Programm für Griechenland zu geben,
sehe ich die Voraussetzungen dafür, überwiegen also die
Vorteile des Ergebnisses vom Montag die Nachteile?
Meine Antwort lautet aus voller Überzeugung: Ja.

Erstens. Das Prinzip „Leistung und Gegenleistung –
Eigenverantwortung und Solidarität“, das uns seit Be-
ginn der europäischen Staatsschuldenkrise leitet, kenn-
zeichnet das gesamte Ergebnis vom Montag.

Zweitens. Die Alternative zu dieser Einigung wäre
nicht eine geordnete, weil von Griechenland gewollte
und mit allen gemeinsam gestaltete Auszeit aus dem
Euro, sondern vorhersehbares Chaos. Damit überwiegen
nicht nur im Inhalt der Einigung selbst, sondern auch im
Vergleich zu einer möglichen Nichteinigung die Vorteile
ganz eindeutig die Nachteile. Ich weiß, dass viele Zwei-
fel und Sorgen haben, ob dieser Weg erfolgreich sein
wird, ob Griechenland die Kraft haben wird, diesen Weg
dauerhaft zu gehen, und diese Sorgen kann auch nie-
mand beiseitewischen. Eines aber ist meine feste Über-
zeugung: Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwort-
lich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens
versuchen würden,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


wenn die Euro-Gruppe Griechenland und dem griechi-
schen Volk die Chance, mit vereinten Kräften aus der
Krise zu kommen, nicht noch einmal geben würde. Die
Fähigkeit dazu hat Europa. Europa ist stark und robust,
Deutschland ist stark und robust. Aber wir sollten auch
immer wieder daran denken: Auf Dauer geht es auch
Deutschland nur gut, wenn es Europa gut geht, und zwar
allen in Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dazu gehört immer auch die enge deutsch-französi-
sche Zusammenarbeit. Es geht dabei nicht darum, in al-
len Fragen einer Meinung zu sein. Im Gegenteil:
Deutschland und Frankreich haben, und das nicht erst in
diesen Tagen, häufig sehr unterschiedliche Meinungen.
Es geht vielmehr darum, ob es möglich ist, diese Mei-
nungen, resultierend aus unterschiedlichen Perspektiven,
zusammenzuführen. Eine Einigung zwischen Deutsch-
land und Frankreich, gerade weil die Perspektiven unter-
schiedlich sind, zeichnet dann oft den Weg vor, den alle
anderen in Europa mitgehen können. Genauso ist es
auch hier gelungen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren, in Griechenland nahm die eu-
ropäische Staatsschuldenkrise vor über fünf Jahren ihren
Anfang, in Griechenland findet sie jetzt einen neuen Hö-
hepunkt oder Tiefpunkt, ganz wie Sie es formulieren
wollen. Doch unverändert gilt das Ziel der Bundesregie-
rung: Europa soll stärker aus dieser Krise hervorgehen,
als es in sie hineingekommen ist,


(Zuruf von der LINKEN: Deutscher!)


damit wir gemeinsam – das ist der eigentliche Grund –
unsere Werte und Interessen im überaus harten globalen
Wettbewerb auch in Zukunft behaupten können, und
zwar als das, was wir sind: eine Schicksalsgemeinschaft,
die sich als Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft
auszeichnet. Wenn wir an all die Herausforderungen





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

denken, die vor uns liegen, den Konflikt zwischen Russ-
land und der Ukraine, die Flüchtlinge, die Bedrohung
durch die terroristischen Organisationen, allen voran IS,
dann kann ich nur sagen: Wir haben hier nicht nur über
Griechenland entschieden, sondern dies ist eine Ent-
scheidung für ein starkes Europa und eine starke Euro-
Zone. Hier steht sehr viel mehr auf dem Spiel. Deshalb
sollten wir alles versuchen, damit mit der Aufnahme der
Verhandlungen auch ein erfolgreicher Abschluss verbun-
den ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir tun dies für die Menschen in Griechenland, aber wir
tun dies genauso für die Menschen in Deutschland.

Herzlichen Dank.


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700200

Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811700300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Frau Bundeskanzlerin, Sie haben recht: Heute geht
es nicht nur um Griechenland, es geht auch um Europa
und auch um Deutschland.

Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die
europäische Idee zu zerstören,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und Sie, Frau Merkel, und Sie, Herr Gabriel, ordnen sich
dem nur unter. Sie begehen meines Erachtens alle drei
den schwersten Fehler in Ihrer politischen Laufbahn.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In den letzten Wochen waren nicht Sie, Frau Merkel, die
Bundeskanzlerin; unser Bundeskanzler hieß, wenn auch
nicht gewählt, Wolfgang Schäuble. Sie, Frau Bundes-
kanzlerin, galten immer als starke Frau. Aber ich sage
Ihnen: Ihr Verhalten gegenüber Herrn Schäuble zeigte
Sie schwach, deutlich zu schwach.

Von Herrn Gabriel und der SPD war nun gar nichts zu
hören, kein einziger eigener Gedanke, kein einziger Wi-
derspruch zu Schäuble.


(Widerspruch bei der SPD)


Und dann konnte sich Herr Schäuble auch noch auf die
SPD und Herrn Gabriel bei der Erpressung Griechen-
lands mit dem Grexit verlassen. Das ist ein Skandal, sage
ich Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

1998 haben wir im Bundestag über die Einführung
des Euro diskutiert. Wir hatten damals ein Schild aufge-
stellt, auf dem stand: „Euro, so nicht!“. Darauf stand
nicht: „Euro, nein!“, sondern: „Euro, so nicht!“. Wir sag-
ten: Der Euro kann am Ende eines Angleichungsprozes-
ses in der Bildung, in der Kunst, in der Wissenschaft, in
der Wirtschaft und nach verabredeten Standards bei
Steuern, Löhnen, Renten und Sozialleistungen stehen.
Wenn man aber diese Arbeit nicht leistet und die euro-
päische Integration ausschließlich über eine Währung
versucht, wird es extreme negative Konsequenzen ha-
ben. – Sie verhöhnten mich und erklärten, dass Sie alles
im Griff hätten.

In meiner Rede sagte ich Ihnen: Wir werden ein Eu-
ropa der Banken erleben. – Und was haben wir bekom-
men? Ein Europa der Banken. Die Europäische Zentral-
bank ist der größte Machtfaktor in Europa geworden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD])


Ich prognostizierte wachsenden Rechtsextremismus und
Rassismus, auch wegen der wachsenden Angst vor Ar-
mut. – Genau so ist es gekommen: im Süden Europas, in
Frankreich, in Deutschland.

Wir sagten, dass Lohn- und Sozialdumping die Folge
sind, weil bei einer gemeinsamen Währung immer die
niedrigsten Standards gelten. Deutschland hat damit be-
gonnen, und zwar mit der Agenda 2010 und mit einem
Irrsinn an prekärer Beschäftigung.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)


Dadurch ist der deutsche Export gestiegen, und das
musste der Süden bezahlen. Diese Wahrheit verschwei-
gen Sie.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


Der Euro hat also mehr gespalten als vereint. Wir waren
diejenigen, die das damals prognostizierten. Vielleicht
sollten Sie uns gelegentlich doch zuhören.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber warum sind wir heute dafür, den Euro zu retten?
Diesen Widerspruch muss ich ja erklären. Wenn der
Euro jetzt zerfiele, hätten wir nicht die Situation wie vor
der Einführung des Euro. Vielmehr wären die anderen
Währungen nichts wert bzw. gingen alle tief in den Kel-
ler. Die anderen Regierungen würden sich verweigern,
mit uns feste Wechselkurse zu vereinbaren. Und die
Deutsche Mark bekäme einen sehr hohen Wert. Das Er-
gebnis wäre, dass unsere Produkte einfach zu teuer wä-
ren. Unsere Exporte in Europa brächen ein.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Eben waren Sie noch gegen die Exporte! Was denn nun?)


Bei einem Vizeweltmeister im Export ginge das gar
nicht, weil Sie es in den letzten Jahren immer wieder
versäumt haben, die Binnenwirtschaft zu stärken. Das





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)

ginge nur über höhere Löhne, höhere Gehälter, höhere
Renten und höhere Sozialleistungen; denn nur so kann
die Kaufkraft gestärkt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen: Deshalb braucht Deutschland den Euro
dringender als Griechenland. – Und das verschweigen
Sie, Herr Schäuble, obwohl Sie es sehr genau wissen.

Jetzt will ich Ihnen sagen, warum Ihre Politik unso-
zial, undemokratisch und antieuropäisch ist. Ich fange
mit „unsozial“ an.


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU)


Warum ist sie unsozial? Weil Sie nach den dramatischen
Kürzungen bei Löhnen und Renten in Griechenland um
30 bis 40 Prozent weitere Kürzungen der Renten verlan-
gen, außerdem noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer
zulasten aller Verbraucherinnen und Verbraucher for-
dern, aber eine Besteuerung der Vermögenden im We-
sentlichen strikt ablehnen. Das kann nicht gutgehen.
60 Prozent der Jugendlichen in Griechenland sind schon
arbeitslos.

Warum ist Ihre Politik undemokratisch? Weil Sie das
Ergebnis des Volksentscheids in Griechenland vollstän-
dig negieren. Der griechischen Bevölkerung sagen Sie,
sie könne entscheiden, was sie will, Herr Schäuble ent-
scheide anschließend, dass es woanders langgeht. Das ist
die Lehre, die sie ziehen sollen.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Und worüber müssen wir und andere Parlamente abstim-
men? Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Die griechische Re-
gierung braucht die Erlaubnis der EU-Kommission, des
Internationalen Währungsfonds und der Europäischen
Zentralbank schon allein für die öffentliche Diskussion
eines Gesetzentwurfes; denn nur nach Vorliegen dieser
Erlaubnis darf sie diskutieren. Dann braucht sie noch
einmal eine Erlaubnis, um diesen Gesetzentwurf ins Par-
lament einzubringen und über ihn abstimmen zu lassen.
Das ist die faktische Abschaffung der parlamentarischen
Demokratie, die Sie dort organisiert haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Und der Gipfel der Demütigung: Herr Schäuble, Sie
wollten Griechenland zum neuen früheren Ostdeutsch-
land machen. Sie haben nämlich gesagt, Sie wollten
die Enteignung des griechischen Staatseigentums und
Vermögens über eine Treuhandanstalt mit Sitz in
Luxemburg. Nur, lieber Herr Schäuble: Griechenland
wird im Unterschied zu Ostdeutschland nicht ein Teil
Deutschlands. Außerdem erzielte die Treuhand in der
DDR keine Erlöse und machte auch die Industrien, die
etwas taugten, platt. Wir verdanken es den Regierungen
Griechenlands, Frankreichs, Italiens und Österreichs,
dass wenigstens das verhindert wurde.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun komme ich zu der Frage, warum die Politik anti-
europäisch ist. Immer mehr Menschen in Europa verbin-
den Europa selbst mit Begriffen wie Zwang, Nötigung,
Erpressung, „Geld geht über alles“, „uneingeschränkte
Macht der Banken“.


(Joachim Poß [SPD]: Sie erzählen das!)


Die entscheidende Macht liegt bei drei demokratisch
nicht legitimierten Einrichtungen – der Europäischen
Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und
der Europäischen Kommission – und einer Regierung,
nämlich der Bundesregierung. Wenn Sie sagen, das liege
daran, dass wir das den Leuten erzählen, dann überschät-
zen Sie in gewisser Hinsicht unseren Einfluss in Europa.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Leider!)


Aber davon abgesehen: Was glauben Sie, was die Men-
schen, die das erleben, von Europa halten? Deshalb, sage
ich, wird die Idee kaputtgemacht.

Herr Schäuble, Sie geben sich nationalistisch und be-
haupten, im Interesse Deutschlands zu handeln. Ich sa-
gen Ihnen: Sie schaden unserem Land, und zwar nach-
haltig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die anderen europäischen Regierungen und alle wichti-
gen europäischen Medien diskutieren gar nicht über
Griechenland; sie diskutieren über Deutschland. Der ita-
lienische Ministerpräsident Renzi sagte Ihnen, Herr
Schäuble: Genug ist genug. – Der französische Präsident
zog die Notbremse.

Zwei Pressebeispiele: Der britische Telegraph erin-
nerte daran, dass auch Großbritannien in zwei Weltkrie-
gen gegen Deutschland gekämpft habe, um eine Domi-
nanz Deutschlands über Europa zu verhindern, und
schreibt: Jetzt hat Deutschland das ohne einen Schuss er-
reicht.


(Zurufe von der SPD)


– Ich habe nur den Telegraph zitiert. – Die italienische
Zeitung La Stampa schrieb, Griechenland habe die Zivi-
lisation, Deutschland die Barbarei geboren, man hätte
jetzt die Wahl. Wissen Sie, ich finde das tragisch. Denn
wir hatten international schon einen guten Ruf, Herr
Schäuble, und Sie haben begonnen, ihn zu zerstören. Wo
unsere Bürgerinnen und Bürger auch hinreisen werden:
Sie werden es spüren. Das ist sehr schade. Denn unsere
Bevölkerung muss für das bezahlen, was Sie gerade an
Rufschädigung angerichtet haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Stützen Sie sich bitte nicht auf die baltischen Regie-
rungen und die Regierungen Spaniens und Portugals, die
alles gemacht haben, was Sie wollten. Wenn sie jetzt
nämlich bei Griechenland einen anderen Kurs gefahren
hätten, hätten sie damit eingeräumt, dass sie Schwäch-
linge sind. Nur deshalb unterstützen sie jetzt Ihren Kurs.

Ich will noch etwas zu den Schulden sagen. Ich habe
mich nämlich einmal damit beschäftigt.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)






Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)

– Ja, warten Sie doch! Ich weiß nicht, ob Sie dann noch
so lachen. – Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Deutsch-
land verpflichtet, 132 Milliarden Goldmark an Repara-
tionen zu bezahlen. Umgerechnet sind das 700 Milliar-
den Euro. Interessant ist doch: Im Jahr 1953 fand die
Schuldenkonferenz in London statt, und dann gab es ei-
nen Schuldenschnitt. Uns wurden 50 Prozent der Repa-
rationen erlassen. Dann gab es eine Stundung hinsicht-
lich der Zinszahlungen, nämlich bis zur Herstellung der
deutschen Einheit. Ab 1990 mussten wir wieder bezah-
len. Die letzte Rate haben wir im Oktober 2010 gezahlt.


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Stimmt!)


Ich treffe drei Feststellungen: Erstens. Wir haben
92 Jahre zurückgezahlt. Zweitens. Wir haben einen
Schuldenschnitt von 50 Prozent erlebt. Drittens. Wir hat-
ten eine Stundung von 37 Jahren. Darüber sollten wir
vielleicht einmal nachdenken, statt so zu tun, als ob wir
in unserer Geschichte alles gemeistert hätten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sie sowieso nicht!)


Wir hatten im Februar einer Verschiebung zuge-
stimmt, aber niemals dem Paket selbst. Die Verschie-
bung war wichtig, damit die griechische Regierung Luft
holen konnte und Zeit für Verhandlungen bekam. Heute
geht es aber nicht nur um den Auftrag, neue Verhandlun-
gen um ein Hilfspaket zu führen – dagegen haben wir
nichts; dem würden wir zustimmen –, sondern auch da-
rum, dass die Bedingungen dafür unerträglich sind. Das
ist das Problem.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sagte hier schon im Februar, dass wir in dem Fall zu-
stimmten, wenn es um Investitionen und den Aufbau
Griechenlands ginge, aber ablehnten, wenn es um So-
zialabbau und weitere Zerstörung ginge. Sie haben sich
nun für den zweiten Teil entschieden.

Hätte ich als Abgeordneter am Mittwoch im griechi-
schen Parlament gesessen, hätte ich trotz schwerster Be-
denken mit Ja gestimmt


(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


– ja, warten Sie ab! –, um eine Verelendung der griechi-
schen Bevölkerung zu verhindern. Wir bleiben mit den
Griechinnen und Griechen und der griechischen Regie-
rung solidarisch.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber zu Ihrer Politik können wir nur Nein sagen. Wir
sind nicht bei den Erpressten, sondern bei den Erpres-
sern. Das ist der Unterschied.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe der Abg. Christine Lambrecht [SPD])


Zum Schluss: Viele Leserinnen und Leser einer sehr
bebilderten Zeitung glauben, dass Deutschland genug
für Griechenland bezahlt habe. Das ist ja auch in der
Union der Fall. Ich wurde schon gefragt, wie viele Mil-
liarden wir eigentlich bezahlt hätten. Da geht man von
einer völlig falschen Vorstellung aus. Deutschland hat
während der Krise nicht einen einzigen Euro an Grie-
chenland gezahlt. Ich möchte, Herr Schäuble, dass Sie
das wiederholt betonen in Interviews, im Fernsehen, im
Radio und in den Zeitungen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das gesamte Geld, das bislang nach Griechenland ge-
flossen ist, kommt vom Internationalen Währungsfonds
oder von der Europäischen Zentralbank; Letztere druckt
ihr Geld selbst. Deutschland muss erst bezahlen, wenn
Griechenland pleiteginge, weil Sie, diese Bundesregie-
rung, gegen unseren Willen unterschrieben haben, für
27 Prozent der Schulden zu haften. Dann arbeiten Sie
auch noch daran, dass Griechenland pleitegeht. Das ist
überhaupt nicht nachvollziehbar, was Sie dort betreiben.


(Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Deshalb ist das ja auch großer Unsinn, was Sie da erzählen!)


Herr Schäuble, Sie wollten die griechische Regierung
stürzen. Es ist Ihnen nicht gelungen. Gewisse Mittel für
Investitionen wird die griechische Regierung wahr-
scheinlich organisieren können. Vielleicht schafft die
griechische Regierung nach einigen Jahren wieder mehr
Wohlstand, wird mit der Bevölkerung unerwartet zum
Gewinner dieses Prozesses. Das ist nicht ausgeschlos-
sen. Sie, Herr Schäuble, haben in vielen Völkern den
Widerstand gegen die Zerstörung der europäischen Idee
und die dominante Rolle Deutschlands geweckt. Viel-
leicht gelingt auch hier das Gegenteil von dem, was ge-
rade angerichtet wird.

Sie von der Unionsfraktion sehen sich als Sieger. Sie
von der SPD wollen irgendwie mitsiegen. Aber ich sage
Ihnen: Wer nicht aufhören kann, zu siegen, wird später
umso deutlicher und klarer verlieren.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Darum geht es ja gar nicht! – Thomas Oppermann [SPD]: In welchem Gedankengebäude leben Sie eigentlich?)


Ich hoffe, dass die Niederlage nicht so groß wird, dass es
ein europäisches Deutschland nicht mehr geben kann;
denn dieses brauchen wir dringend.


(Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Was für eine schlechte Rede! Ohne Inhalt! Keine Linie! Kein Kurs! Mäßiger Beifall bei den Linken!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700400

Sigmar Gabriel ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Gregor Gysi, wenn es doch bloß so einfach wäre!


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Für Sie ist es doch immer einfach!)






Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

Wenn es doch so schön klar wäre, was gut und böse,
was richtig und falsch ist, und wenn man so schön die
Wahrheit wegdiskutieren könnte, wie Sie das gemacht
haben: Die EZB druckt das Geld; das Geld kommt nur
von der EZB. – Dass die Deutschen und alle anderen Eu-
ropäer dafür haften, könnte man als Erstes einmal dazu-
sagen, finde ich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das hat er doch gesagt! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Zuhören!)


Zweitens. Dass da kein Geld geflossen ist, sondern
dass da Bürgschaften und Kredite gegeben worden sind,
ist klar. Deswegen geht es aber darum, alles dafür zu tun,
dass niemals Geld fließen muss, sondern dass das zu-
rückgezahlt werden kann.


(Zuruf von der LINKEN: Dann tun Sie es doch!)


Das ist das Normalste der Welt, wenn man Kredite
vergibt.

Drittens. Wenn Sie öffentlich erklären, dass alles so
schlimm sei, insbesondere die Tatsache, dass über den
Grexit diskutiert wird: Haben Sie das eigentlich einmal
mit Herrn Lafontaine besprochen?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Er hat doch in der Öffentlichkeit dafür plädiert, dass
Griechenland aus dem Euro austritt. Ich finde, mit Ihrem
ideologischen Vordenker sollten Sie auch einmal ein Ge-
spräch führen, Herr Gysi.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir sind heute zusammen-
gekommen, um über ein Verhandlungsmandat zu einem
dritten Hilfsprogramm für Griechenland zu entscheiden.
Für die Sozialdemokratische Partei kann ich sagen: Wir
sagen Ja zur Aufnahme der Verhandlungen über dieses
dritte Hilfspaket. Denn Europa hat – da hat die Bundes-
kanzlerin völlig recht – am letzten Wochenende eine Be-
währungsprobe bestanden. Es ging am letzten Wochen-
ende nicht nur um Griechenland, sondern auch darum,
ob die Euro-Zone und damit ganz Europa sich spaltet, in
Nord und Ost einerseits und Süd und West andererseits,
sowie um unterschiedliche Auffassungen über den Um-
gang in Europa und in der Euro-Zone. Diese Spaltung
hätte Europa in eine viel tiefere Krise geführt als nur in
eine Finanzkrise. Das wäre womöglich der erste Schritt
hin zur Zerstörung all dessen gewesen, was unsere El-
tern und Großeltern nach zwei bitteren Weltkriegen in
Europa aufgebaut haben. Deshalb sind wir Sozialdemo-
kraten allen dankbar, die am letzten Wochenende mitge-
holfen haben, dass Europa diese Bewährungsprobe be-
steht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Und es ist gut, dass dabei Deutschland und Frankreich
gemeinsam und entschlossen die Führung übernommen
haben. Ja, es gäbe diese Einigung nicht ohne Deutsch-
land und Frankreich. Glauben Sie mir, ich weiß sehr ge-
nau, was da verabredet worden ist.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland wollte doch den Grexit gar nicht verhindern! So war es doch, Herr Gabriel!)


– Nein, das ist nicht so.

Es ist übrigens auch gut für Deutschland, dass Frank-
reich dabei wieder eine europäische Führungsrolle ein-
genommen hat. Denn der Eindruck – ob berechtigt oder
nicht –, dass allein Deutschland Europa führt, tut nicht
nur Europa, sondern auch uns Deutschen nicht gut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] und Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


Für uns Sozialdemokraten war das von Anfang an die
zentrale Bedingung für unsere Zustimmung zu jedwe-
dem Verhandlungsergebnis: Deutschland und Frankreich
müssen ihrer besonderen Verantwortung für Europa ge-
recht werden, zusammenstehen und trotz unterschiedli-
cher Ausgangspositionen gemeinsam Europa zusam-
menhalten. Dafür, dass das gelungen ist, danken wir
aufrichtig der deutschen Kanzlerin und dem französi-
schen Präsidenten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Klar ist aber auch: Sosehr wir diese europäische Be-
währungsprobe bestanden haben, so wenig sind damit
allerdings alle über den Berg. Denn das Verhandlungs-
mandat ist für alle Seiten eine große Herausforderung,
die durch die konkrete Umsetzung erst noch bestanden
werden muss. Die größte Herausforderung stellt es für
Griechenland und die Menschen dort dar. Denn das Land
steckt nicht nur in einer tiefen Krise, sondern es muss
sich dramatisch verändern, um aus dieser Krise heraus-
zukommen.

Die Bedingungen für das dritte Hilfspaket sind hart;
das sollten wir nicht verschweigen. Sie wären übrigens
weitaus leichter gewesen, wenn die griechische Regie-
rung vor wenigen Wochen nicht aus den Verhandlungen
ausgestiegen wäre.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Trotzdem haben sich der griechische Ministerpräsident
und das griechische Parlament entschieden, mitzuziehen.
Sie haben sich entschlossen, die für das Land ebenso
notwendigen wie schwierigen Reformen anzupacken.

Was immer man von der Politik der letzten Monate
halten mag: Griechenland kämpft um seine Selbstbe-
hauptung, es kämpft darum, in Europa geachtet zu wer-
den, und es kämpft darum, endlich aus dem Status eines
Almosenempfängers herauszukommen und selbst sein
Schicksal zu bestimmen – als ein vollwertiges Mitglied
des Euro-Raums.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

Dieser Kampf um seine Selbstbehauptung und wohl
auch um seine Selbstachtung hat, finde ich, durchaus
auch etwas Großartiges an sich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir alle sollten dafür Respekt empfinden und jetzt nicht
mehr zurückblicken, sondern sagen: Die griechische Re-
gierung hat sich jetzt klar für Hilfe zur Selbstbehauptung
entschieden, statt dauerhaft Almosenempfänger zu wer-
den. Dafür hat sie jetzt jede denkbare Hilfe und Unter-
stützung verdient. Wir sind Partner in der Umsetzung
des Verhandlungsergebnisses und nicht Gegner, meine
Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für uns in Deutschland heißt das: Jede Debatte um ei-
nen Grexit muss der Vergangenheit angehören;


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


es darf kein Jammern und Klagen mehr geben über die
Vergangenheit, keine Schuldzuweisungen, keine Vor-
würfe und auch kein wiederkehrendes Spiel mit dem
Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Am letzten Wochenende hat ein Neustart stattgefunden.
Jetzt geht es nur noch um eines: Was wir gemeinsam mit
Griechenland verabredet haben, das müssen wir jetzt
zum Erfolg führen.

Der Verbleib Griechenlands im Euro wird noch viel
Kraft, Konzentration und Kompromissbereitschaft von
allen Beteiligten fordern. Aber dieses Paket enthält end-
lich auch Maßnahmen, die nicht nur darin bestehen, dem
Land Sparauflagen zu diktieren. Seien wir ehrlich: Grie-
chenland ist nicht durch eine Austeritätspolitik oder die
Troika in seine katastrophale Finanzlage gekommen, wie
manche behaupten;


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein, gar nicht! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Durch die Banken!)


die Schulden in Griechenland waren nämlich vor den
Hilfsprogrammen genauso hoch wie heute –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


vorher, bevor es Austerität in Griechenland gegeben hat.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Austeritätspolitik
der letzten Jahre, der permanente Sparzwang, hat die
Schulden nicht verringert; vielmehr ist – im Gegenteil –
die Schuldentragfähigkeit des Landes dadurch immer
schlechter geworden, weil es fast völlig an Initiativen für
Wachstum und Beschäftigung gefehlt hat. Außerdem hat
die zum Teil ernüchternde Rettungspolitik in Griechen-
land zur Selbstblockade und zur demokratischen
Blockade geführt, wobei die Ursachen für die Blockaden
übrigens auf ein völlig unzureichendes politisch-admi-
nistratives System zurückzuführen sind. Aus einer wirt-
schaftlichen ist so eine politische Verunsicherung gewor-
den, die bis in den Kern Europas reicht.

Wir müssen uns ehrlich machen: Der Bundestag hat
zwei Rettungsprogramme für Griechenland beschlossen,
die beide nicht zum Erfolg geführt haben.


(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU] – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Wir haben unterschätzt, wie groß die institutionellen
Probleme Athens waren und wie hartnäckig ein blockier-
tes politisches System die wirtschaftliche Gesundung er-
schwert. Dabei hat der IWF bereits 2013 eine Analyse zu
Griechenland veröffentlicht, die bemerkenswert ist. Die
Experten haben darin zugegeben, die Tiefe und Dauer
der Rezession sowie die Höhe der Arbeitslosigkeit unter-
schätzt zu haben. Daraus hat sich eine Abwärtsspirale er-
geben: tiefe Rezession, hohe Verschuldung.

Der IWF hat übrigens auch geschrieben, dass die Las-
ten der Anpassung besser auf alle sozialen Schichten
verteilt werden müssen. Folgt man diesen Punkten, dann
braucht Griechenland, dann braucht auch Europa eine
investitions- und wachstumsfreundliche Politik, die
ebenso viel Wert auf soziale Fairness legt.


(Beifall bei der SPD)


Nur so – so der IWF – können wir erfolgreich sein.
Wir teilen diese Überzeugung. Gerade deshalb ist es
doch richtig, dass sich in Europa seit der Wahl von Jean-
Claude Juncker zum EU-Kommissionspräsidenten end-
lich etwas an dieser Politik ändert. Gemeinsam mit dem
Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin
Schulz, sind Wachstumsinitiativen in Europa entwickelt
worden; denn auch in Portugal und in Spanien ist die Ar-
beitslosigkeit noch viel zu hoch.

Nur: Sparen alleine hilft nichts. Das wissen übrigens
nicht nur Unternehmen; das wissen auch wir. Denn wir
wären ja auch nicht durch die Finanzkrise gekommen,
wenn wir nicht gleichzeitig investiert hätten, Konjunk-
turprogramme entwickelt hätten und vieles andere mehr.


(Beifall bei der SPD)


Aber Vorsicht! Es gibt einen großen Unterschied: nicht
nur, weil wir vorher in Deutschland bereits Sozialrefor-
men auf den Weg gebracht haben, sondern vor allen Din-
gen deshalb, weil wir ein Land sind, das Strukturen be-
sitzt, in denen Wachstums- und Konjunkturprogramme
auch tatsächlich funktionieren können. Und genau das,
meine Damen und Herren, ist in Griechenland nicht der
Fall.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Zur Wahrheit – das richtet sich insbesondere an all
diejenigen, die sagen, wir brauchen mehr Wachstum und
Investitionen in Wachstum – gehört eben auch: Das
Land ist für Investitionsprogramme heute nicht ausrei-
chend aufnahmefähig. Das weitgehende Fehlen von
funktionierenden staatlichen Strukturen, das Vorherr-
schen von Korruption, Steuerhinterziehung und Kliente-
lismus zerstört ja nicht nur die finanzielle Handlungsfä-





Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

higkeit eines Staates, sondern macht ihn auch völlig
unfähig, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und so-
ziale Sicherungssysteme aufzubauen. Das ist die Misere
in Griechenland, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es hilft deshalb nicht, Griechenland nur Geld zur Ver-
fügung zu stellen oder nur Schulden zu streichen. Viel-
mehr ist der Weg zur Hilfe für Griechenland über ein
Hilfsprogramm, das an klare Bedingungen geknüpft ist,
der richtige Weg. Denn im Kern geht es um die Verände-
rung der politischen Strukturen des gesamten Landes.
Das Land endlich aus den Händen seiner alten verant-
wortungslosen Eliten in Wirtschaft und Politik zu be-
freien, ist etwas, was uns übrigens mit der Mehrheit der
Menschen in Griechenland verbindet – und übrigens
auch mit der neuen griechischen Regierung.


(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])


Europa und auch Deutschland müssen sich den Vor-
wurf gefallen lassen, dem alten System viel zu lange ta-
tenlos zugeschaut zu haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dieses Wegschauen rächt sich bitter – für die Menschen
in Griechenland ebenso wie für den Rest der Euro-Zone.
Das ist, wie ich finde, überhaupt eine Lehre aus der
Krise: dass wir nicht so lange wegschauen dürfen, auch
nicht, wenn die Verantwortlichen den politischen Fami-
lien deutscher Parteien angehören.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Das gilt für Finanzfragen, aber – ich wiederhole, was ich
beim letzten Mal gesagt habe – das gilt auch für die de-
mokratischen Werte Europas. Denken wir nur einmal an
die Verletzung dieser Werte in Ungarn, an die Diskrimi-
nierung von Sinti und Roma oder an das Totalversagen
der europäischen Flüchtlingspolitik. Wegschauen dürfen
wir nicht, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt muss deshalb der Aufbau eines handlungsfähi-
gen Staates in Griechenland im Mittelpunkt stehen. Da-
für bedarf es noch mehr Hilfe, als im Verhandlungser-
gebnis des letzten Wochenendes festgeschrieben ist. Wir
Sozialdemokraten wollen deswegen, dass bei den jetzt
beginnenden Verhandlungen noch weitere Maßnahmen
in das Verhandlungspaket aufgenommen werden.

Es ist Wolfgang Schäuble gewesen, der vorgeschla-
gen hat, 2 000 griechischen Beamten der Europäischen
Kommission anzubieten, bei Weiterfinanzierung durch
die Europäische Kommission, nach Griechenland zu ge-
hen und dort beim Aufbau des Staates zu helfen. Dass
die Europäische Kommission das vom Tisch wischt, ist
nicht in Ordnung. Da sitzen Potenziale, die wir in Grie-
chenland dringend brauchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Uns fehlt im verhandelten Programm auch die ge-
meinsame Verpflichtung aller Euro-Staaten, auf Antrag
der griechischen Regierung die Vermögenswerte griechi-
scher Steuerflüchtlinge einzufrieren, die in den letzten
Monaten und Jahren aus dem Land abgezogen worden
sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die haben doch in Berlin, London, Paris und Amsterdam
Häuser gekauft, und wir in Europa und in Deutschland
dürfen nicht der Rückzugsraum für asoziale griechische
Superreiche werden, die sich zu Hause ihrer Verantwor-
tung entziehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Uns fehlen im Programm konkrete Aufträge zum
Aufbau sozialer Sicherungssysteme; denn es kann doch
nicht sein, dass in einem Land die Existenz eines Rent-
ners in der Familie am Ende das letzte soziale Siche-
rungssystem ist, weil in schwierigen Lebenslagen kein
anderer überhaupt eine Absicherung erfährt.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Und deswegen wollen Sie die Renten noch weiter kürzen, oder was?)


– Nein. Ich will, dass wir endlich ein soziales Siche-
rungssystem aufbauen. Das hat die letzte Regierung und
das hat auch diese Regierung nicht in Angriff genom-
men. Das will ich in Europa, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Bei den Kürzungsauflagen?)


Wir haben heute aber nicht nur die Aufgabe, ein Ver-
handlungsmandat zu erteilen; wir haben auch die Auf-
gabe, unseren Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern
in Deutschland, klarzumachen, warum wir das wollen.
Seien wir ehrlich: Es gibt eine riesige Skepsis in unserer
Bevölkerung, ob wir das richtig machen.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Verdrehung der Tatsachen! Dazu haben Sie ja viel beigetragen! Beim Griechenland-Bashing haben Sie fleißig mitgemacht!)


Wir alle wissen: Es fehlt vielfach Verständnis dafür, dass
wir erneut milliardenschwere Hilfspakete nach Grie-
chenland schicken. Worauf wir uns aber bei unserer Be-
völkerung, glaube ich, verlassen können, ist ihre große
Mitmenschlichkeit. Deutschland ist ein starkes, aber
eben auch ein mitfühlendes Land.

Ich glaube und finde, dass das wichtigste Argument
für unseren Weg nicht ist, dass wir Deutsche bei einem
Grexit noch viel mehr Geld verlieren würden – das ist
nicht das wichtigste Argument dafür, dass wir einen an-
deren Weg gehen –, sondern das wichtigste Argument
ist, dass Europa keine Idee ist, bei der man immer nur





Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

danach entscheidet, wo man am wenigsten zahlen muss
oder am leichtesten Beute machen kann.


(Beifall bei der SPD)


Europa ist im Kern eine Idee vom Zusammenleben der
Menschen, von Freiheit und Verantwortung und von
Mitmenschlichkeit.

Das wichtigste Argument für die Bereitschaft, ein
drittes Hilfspaket zu schnüren, ist unsere Mitmensch-
lichkeit. Die Menschen in Griechenland sind unsere
Nachbarn. Wir fahren nach Griechenland in Urlaub. Tau-
sende Griechen leben bei uns in Deutschland. Wir kön-
nen und dürfen die Menschen in Griechenland nicht im
Stich lassen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU] – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist ja zynisch!)


Wir wollen nicht hungernde Kinder, bettelnde Rentner
und Suppenküchen in Europa. Ich bin sicher, dass die al-
lermeisten Menschen in Deutschland das auch nicht wol-
len, wir deshalb auf ihre Mitmenschlichkeit bauen kön-
nen und damit das beste Argument für das dritte
Hilfspaket für Griechenland vor uns liegen haben, meine
Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])


Auch wenn wir jetzt wieder Kredite und Bürgschaften
vergeben: In Deutschland wird dadurch kein Kindergar-
ten weniger gebaut, keine Straße weniger saniert und
keine soziale oder kulturelle Einrichtung weniger geför-
dert. Aber wenn Europa nicht zusammenhielte, wenn
Europa auseinanderfiele, wenn wir die Ersten verstießen,
wenn die Währungsunion instabil würde, dann wären al-
lerdings auch der Wohlstand und die soziale Sicherheit
in Deutschland bedroht. Bei einem hat Gregor Gysi
nämlich recht: Deutschland ist nicht der Lastesel der Eu-
ropäischen Union, der immer alles zu tragen hat, sondern
wir sind die politischen, die kulturellen, die sozialen,
aber auch die wirtschaftlichen Gewinner der europäi-
schen Einigung. Wenn wir jetzt in Europa investieren,
zahlen wir einen Teil dessen zurück, was wir seit Jahr-
zehnten aus Europa bekommen, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Manchmal übrigens hilft ein Blick von außen. Ich bin
vorletzte Nacht aus China zurückgekehrt. Von dort aus
gesehen ist klar, dass Europa bei allen nationalen Unter-
schieden vor allen Dingen eines teilt: viele gemeinsame
Werte, die uns immer noch stark und anziehend machen.
Diese Stärke, diese Kraft der Erneuerung und seine
Attraktionen sind es übrigens, die Europa bis heute für
unzählige Menschen zu einem Sehnsuchtskontinent ma-
chen. Klarer sieht man aus dem großen China aber auch:
Europa wird sich im 21. Jahrhundert nur dann in der
Welt behaupten können, wenn wir zusammenhalten.
Sosehr wir uns gelegentlich über unsere wirtschaftli-
chen Erfolge in Deutschland freuen: Als 80-Millionen-
Einwohner-Land machen wir schon heute nur noch
1 Prozent der Weltbevölkerung aus – mit abnehmender
Tendenz. Wenn ein Land von Europa profitiert, dann war
und ist das unser Land. Aber vor allen Dingen müssen
wir wissen: Selbst Deutschland wird in der Welt des
21. Jahrhunderts nur noch eine Stimme haben, wenn es
eine europäische Stimme wird, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir mit unseren Bürgerinnen und Bürgern re-
den und um Verständnis werben, können wir auf diese
beiden Dinge bauen: auf die Mitmenschlichkeit in
Deutschland und auf ein sehr ausgeprägtes europäisches
Bewusstsein. Ich glaube, dass wir sogar noch denkbare
Hilfsinitiativen aus unserem eigenen Land hinzufügen
können. Dort, wo Städtepartnerschaften bestehen, bitten
wir die Kommunen, zu überlegen, was sie an Hilfe an-
bieten können. Wir bitten die Wohlfahrtsverbände, mit
ihren griechischen Partnern gemeinsame Projekte zu
starten. Und wir rufen die deutschen Unternehmen auf,
bei Ausbildung, Qualifizierung und auch bei Investitio-
nen in Griechenland mitzuhelfen. Ich finde, wir sollten
in diesem Haus auch prüfen, ob wir solche Hilfen von
Städten, von Wohlfahrtsverbänden und von Unterneh-
men nicht auch begleiten und sogar finanziell fördern
können.


(Beifall bei der SPD)


Wir sind ein starkes Land. Setzen wir diese Stärke jetzt
ein, nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Eu-
ropa! Es lohnt sich für uns alle.

Die Krise der letzten Jahre auf unserem Kontinent hat
wesentliche Schwachstellen der europäischen Architek-
tur aufgezeigt. Die Entwicklung in Europa droht sich
nach 60 Jahren zum ersten Mal umzukehren. Europa-
feindliche, rechtspopulistische Parteien sitzen nicht nur
in unseren Parlamenten, sondern sogar auch in den Re-
gierungen. Wir müssen in den nächsten Monaten und
Jahren viel dazu beitragen, diesen verhängnisvollen Ent-
wicklungen Einhalt zu gebieten. Griechenland ist hierbei
vielleicht sogar die kleinste Aufgabe gewesen. Größer
noch als die Bewährungsprobe in Griechenland ist die
humane Bewältigung der Flüchtlingsströme zu uns. Da
droht Europa etwas zu verlieren, was viel wichtiger ist
als Geld, nämlich seine eigene humane Orientierung.
Das ist von riesiger Bedeutung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Wir werden in der Ukraine helfen müssen. Immer
wieder wird es um Geld gehen. Es wird immer wieder
um die Frage gehen: Wo bekommen wir das Geld her?
Deswegen sage ich Ihnen: Wir müssen jetzt Ernst ma-
chen; denn es kann doch nicht sein, dass wir auf der ei-
nen Seite kein Geld für Hilfsprogramme haben, kein
Geld dafür haben, Flüchtlinge aufzunehmen, kein Geld,





Bundesminister Sigmar Gabriel


(A) (C)



(D)(B)

um in Ländern wie der Ukraine, Griechenland und ande-
ren zu investieren, und dass sich auf der anderen Seite
milliardenschwere Unternehmen dem Steuerzahlen in
Europa entziehen können,


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])


dass sie ihrer Verantwortung nicht nachkommen und das
Geld dem Steuerzahler nicht zur Verfügung stellen. Je-
der Bäckermeister in Berlin zahlt höhere Steuersätze als
Konzerne wie Google, Amazon, Starbucks und andere.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


– Nicht höhere Steuern, aber höhere Steuersätze.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland ist da einer der Hauptbremser!)


Die Europäische Kommission hat die Zahlen veröf-
fentlicht: Damit gehen Europa jährlich 1,5 Billionen
Euro verloren, 150 Milliarden Euro allein in unserem
Land. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn wir es ernst mei-
nen mit der Verantwortung für Europa, dann werden wir
dafür sorgen müssen, dass das ein Ende hat.


(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich weiß gar nicht, ob Sie, außer Zwischenrufe zu ma-
chen, gelegentlich verfolgen, was Wolfgang Schäuble so
versucht. Bei G 20 hat er das durchgesetzt, bei Europa
versucht er das: Es geht um eine gemeinsame Unterneh-
mensbesteuerung in Europa, um die Abschaffung von
Patentboxen und anderes.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie müssen versuchen, ein paar Ihrer Feindbilder abzu-
bauen. Die Gegner der Finanztransaktionsteuer sitzen
nicht in Deutschland, sondern in vielen anderen europäi-
schen Ländern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Reden Sie einmal mit den Mitgliedern Ihrer eigenen Par-
teifamilie darüber, anstatt andere hier im Deutschen
Bundestag dafür verantwortlich zu machen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich weiß nicht, ob es uns wirklich weiterhilft, im Bun-
destag so zu tun, als ob immer nur Deutschland alles
falsch macht.


(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Gibt es nicht noch ein paar andere Möglichkeiten? Ih-
rer Reaktion – Beifall, Gelächter und höhnischen Be-
merkungen – entnehme ich, dass Sie anscheinend der
gleichen Meinung sind. Sie scheinen auch der Meinung
zu sein, dass man Finanzmärkte besteuern muss; Sie
scheinen auch der Meinung zu sein, dass man Patent-
boxen schließen muss. Das scheint so zu sein. Ich sage
Ihnen: Es ist nicht so, wie Sie behaupten, dass wir das
verhindern. Tatsache ist, dass wir diese Themen in Eu-
ropa nicht gemeinschaftlich angehen. Ich finde, auch
diesbezüglich müssen Deutschland und Frankreich wie-
der eine Führungsrolle übernehmen. Das ist das, was wir
brauchen, damit wir auch dieses Problem endlich in den
Griff bekommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700500

Katrin Göring-Eckardt hat nun das Wort für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-
gen! Herr Gabriel, nach Ihrer Rede muss man sich fra-
gen: Worüber wird hier diskutiert? Ich hatte den Ein-
druck, Sie mussten ein Ablenkungsmanöver fahren und
einmal ganz allgemein über Europa reden, statt über das,
was hier auf der Tagesordnung steht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn man sich die Volten vom letzten Wochenende
anschaut, muss man sagen: Meine Güte, was ist nur aus
der SPD geworden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein Vorsitzender ohne Kompass. Was glauben Sie ei-
gentlich, was die Leute, die in Griechenland vor der Sup-
penküche stehen, von der Sie gerade geredet haben, den-
ken, wenn Sie mit dazu beitragen, dass über eine Grexit-
Option diskutiert wird, wenn Sie dabei helfen, dass Grie-
chenland derartig in die Zange genommen wird? Mit So-
zialdemokratie hat das für meine Begriffe jedenfalls
nichts zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Worum geht es heute hier? Es geht um ein drittes
Hilfspaket, und das ist bitter nötig. Ich erinnere Sie da-
ran, dass wir darüber diskutiert haben, als das zweite
verlängert worden ist. Damals habe ich hier gehört: Ein
drittes wird es niemals geben. – Jetzt reden wir darüber,
und das ist gut so. Es ist notwendig, es ist wichtig.

Wir reden zweitens über Europa. Wir reden nie nur
über ein Land, dem geholfen werden muss. Wir reden
über unser gemeinsames Europa. Bedauerlicherweise
hatten wir in den letzten Tagen aber den Eindruck, dass
es nicht mehr um „gemeinsam“ geht. Es geht plötzlich
um ein Europa, bei dem „wir“ gegen „die“ steht, um ein
Europa, in dem die Stärkeren den Schwächeren diktie-
ren. Ich sage Ihnen: Ich will zurück zu diesem gemeinsa-
men Europa, in dem wir auf Augenhöhe und solidarisch
miteinander reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)






Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)

Drittens geht es um Vertrauen – Sie haben viel über
Vertrauen geredet, Frau Bundeskanzlerin und Herr
Schäuble –, um Vertrauen, das die griechische Regierung
erschüttert habe. Ich teile diese Auffassung. Das ist in
der Tat so gewesen. Jetzt erleben wir aber, dass es auch
weniger Vertrauen in Sie gibt. Auch wenn ich mit vie-
lem, was Sie europapolitisch gemacht haben, nicht ein-
verstanden war, habe ich immer gedacht: Wir haben eine
gemeinsame Grundlage, die dieses gemeinsame Europa
beschreibt, nämlich dass wir dieses Europa nicht aufge-
ben, dass wir es nicht kleinreden und dass wir es schon
gar nicht verkleinern. Das Vertrauen darauf, dass Sie das
wollen, haben Sie an diesem Wochenende erschüttert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Europa ist doch stark genug, sogar den rechtsnationa-
len Herrn Orban in Ungarn auszuhalten; und es ist min-
destens stark genug, selbstbewusst genug und hoffent-
lich auch fantasievoll genug, dafür zu sorgen, dass dieses
Europa zusammenbleibt – mit Griechenland natürlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie tragen zur Schwächung Europas bei in einer Zeit,
in der wir stark sein müssen, um uns mit den Krisen in
der Ukraine und in Syrien, mit der Ausweitung des IS
und dem Elend der Flüchtlinge zu befassen; Frau Bun-
deskanzlerin, Sie haben darauf hingewiesen. Aber dann
schwächt man doch nicht Europa, sondern dann stärkt
man es doch. Dann muss man eine Perspektive für Eu-
ropa haben, hinter der alle stehen können. Das heißt na-
türlich auch, dass man das hinterfragen muss, was man
in der Vergangenheit gemacht hat.

Die Abstimmung im griechischen Parlament hat un-
terstrichen, dass Griechenland Teil dieser Währungs-
union bleiben möchte und auch bereit ist, weiter einen
harten Weg dafür zu gehen, einen Weg, der jeden Tag
schwieriger wird. Man kann sich kaum vorstellen, was in
Deutschland los wäre, wenn hier zwei Wochen die Ban-
ken dicht wären. Man kann sich kaum vorstellen, was es
bedeuten würde, wenn Deutsche mit einer solchen Unsi-
cherheit leben müssten wie die Griechinnen und Grie-
chen heute, die sich fragen: Woher bekomme ich eigent-
lich meine Medikamente? Wie soll ich meine Familie
versorgen? Wo finde ich Arbeit?

Man möchte sich kaum vorstellen, was wäre, wenn
Flüchtlinge, die bei uns ankämen, noch nicht einmal die
erste Notversorgung bekommen könnten, weil das Geld
nicht mehr fließt. In dieser Situation reden wir über ein
drittes Hilfspaket. Es ist dringend notwendig. Es ist not-
wendig, dass es nicht einfach nur Druck macht, sondern
dass es wirklich Hilfe bedeutet, auch für die Menschen
in Griechenland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin heilfroh, dass der deutsche Weg in der Nacht
von Brüssel krachend gescheitert ist. Dass Sie am Ende
dieser Woche immer noch behaupten, Sie hätten eigent-
lich recht gehabt, Herr Schäuble, ist eine Situation, die
weiter zu weniger Vertrauen führt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin erleichtert, dass Herr Hollande und Herr Renzi
in Brüssel Verantwortung übernommen haben. Wenn
man über die Führungsrolle redet, Herr Gabriel, dann
muss man sich nur einmal die Statements von Frau
Merkel – wir werden diskutieren, aber nicht um jeden
Preis – und von Herrn Hollande anschauen. Er sagte:
Wir werden alles dafür tun, damit Europa zusammen-
bleibt. – Das ist der Unterschied in der Haltung. Deswe-
gen bin ich froh darüber, dass die Europäer den deut-
schen Weg gestoppt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin davon überzeugt, dass mit der Option des
Grexit, die leider auch Herr Gabriel unterstützt hat, ein
historischer Fehler begangen worden ist. Bis zum
Schluss ist versucht worden, einen Kompromiss mit
Herrn Tsipras zu sabotieren, in einem Moment, in dem er
ein Paket vorgelegt hatte, das ihm wahrlich schon heftig
wehgetan hat. Die Europäische Union basiert doch auf
Vertrauen, basiert doch auf Solidarität und basiert doch
auch auf fairen Verfahren. Das gilt natürlich für beide
Seiten. Das sage ich auch im Hinblick auf die griechi-
sche Kraftmeierei am falschen Ort und zur falschen Zeit.
Aber Sie haben sich auf genau dieses Niveau eingelas-
sen, quasi auf ein Armdrücken mit Tsipras nach dem
Motto: Wer ist der Stärkere? Dafür haben Sie die jahre-
lange proeuropäische Orientierung Deutschlands, auf die
wir eigentlich alle gemeinsam stolz waren, verlassen.
Darüber bin ich nicht nur traurig, sondern auch ver-
dammt enttäuscht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ja, Herr Tsipras hat seine europäischen Partner in den
letzten Tagen und Wochen oft genug vor den Kopf ge-
stoßen. Am letzten Wochenende haben Sie es dann ein-
mal nach dem Alten Testament versucht: Auge um
Auge, Zahn um Zahn. In einem Moment, an dem man
über den eigenen Schatten hätte springen müssen, ist
man über den langen Schatten griechischer Versäum-
nisse in der Vergangenheit, und zwar nicht nur in den
letzten fünf Monaten, gestolpert – und das alles, um
recht zu behalten.

Das Paket, das jetzt vorliegt, hat verdammt viele Här-
ten, und es hat einige Optionen, die helfen können. Sie
sehen uns hier mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen.
Wir sagen: Es muss anders gemacht werden. Sie sehen
uns aber auch mit der Hoffnung, dass ein Paket verhan-
delt wird, das tatsächlich hilft. Wenn diese ganzen An-
strengungen wirksam sein sollen, dann braucht es doch
jetzt eines: Stabilität und Sicherheit. Wer bitte soll in
Griechenland investieren, wenn man immer noch davon
ausgehen muss, dass Griechenland vielleicht doch aus
dem Euro fliegt? Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sor-
gen, dass Stabilität herrscht, dass Sicherheit herrscht,
dass man sich nicht nur auf Griechenland und auf Eu-
ropa, sondern auch auf uns verlassen kann. Denn wir
sind dieses starke Deutschland mit einer Führungsrolle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Katrin Göring-Eckardt


(C)



(D)(B)

Wenn ich mir das Paket anschaue, muss ich sagen:
Bei den Härten sind auch Dinge dabei, die ich ökono-
misch nicht für besonders sinnvoll halte. Wenn es auto-
matische Ausgabenkürzungen gibt, dann geht das zulas-
ten der Wirtschaft. Das ist eine Abwärtsspirale, die
automatisch zur Schrumpfung führt. Wie soll Griechen-
land da wieder auf die Beine kommen? Griechenland
wird durch einen weiteren Aderlass doch nicht gesun-
den. Die Voraussetzungen sind andere – ja, sie sind lei-
der schlechtere – als die in Irland, Spanien und Portugal;
wir alle wissen das. Deswegen hat der IWF recht: Grie-
chenland braucht dringend eine Reduzierung der Schul-
denlast.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das hat nicht nur der IWF klargemacht, sondern auch
alle Ökonomen sagen das ganz eindeutig.

Griechenland braucht auch Investitionen, die langfris-
tig sind. Vielleicht finden Sie es komisch, dass das aus-
gerechnet eine Grüne sagt – ich erspare es Ihnen aber
nicht –: Eines hat Griechenland ganz bestimmt genug,
nämlich Sonne und Wind. Ich kann nicht verstehen, dass
immer noch keine Investitionen in erneuerbare Energien
getätigt werden, obwohl Griechenland 60 Prozent seiner
Energie importieren muss und dafür verdammt viel Geld
ausgibt. Es geht um langfristige Reformen und auch um
langfristige Investitionen, für die Griechenland dringend
Sicherheit braucht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Merkel, spätestens seit den Erfahrungen mit der
Treuhand nach der Wiedervereinigung wissen wir beide,
wie es mit von außen gelenkten Privatisierungen von
Staatsbesitz ist. Dass sie zu Frustrationen führen, ist das
eine. Das andere ist, dass sie in Ostdeutschland im We-
sentlichen schiefgegangen sind und bei weitem nicht die
Einnahmen gebracht haben, die prognostiziert worden
sind. Auch dem muss man ins Auge schauen, wenn man
dieses Paket bewertet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage Ihnen als Parlamentarierin ganz offen, dass
es mich dauert, wie mit der parlamentarischen Demokra-
tie umgegangen wird.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Dabei geht es nicht nur darum, dass in Griechenland in-
nerhalb von zwei Tagen Entscheidungen getroffen wer-
den sollten – ich möchte mal sehen, was wir in so einer
Situation gemacht hätten –,


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Genau! Und was Herr Lammert dazu gesagt hätte!)


sondern auch darum, dass dafür gesorgt werden soll,
dass alles immer vorab vorgelegt wird. Ich glaube nicht,
dass wir als Parlament uns das gefallen lassen würden.

(Zuruf von der LINKEN: Das wäre unfassbar!)


Dass Herr Tsipras sagt, er macht das, verlangt mir höchs-
ten Respekt ab. Es zeigt, wie groß die Not ist und dass
nichts schlimmer wäre als das Ausscheiden aus der
Euro-Zone. Es zeigt auch, dass die Hoffnung, dass es
diesem Land wieder etwas besser gehen kann, mit einer
solch harten Auflage verbunden werden muss.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Ich will erwähnen – Herr Gysi hat das schon getan;
aber auch ich will das nicht weglassen –: Auch Deutsch-
land war einmal auf die Großzügigkeit und die unendli-
che Nachsicht anderer angewiesen. Ohne den Schulden-
schnitt nach dem Zweiten Weltkrieg wäre es nicht
gegangen. Dann wäre das Wirtschaftswunder West über-
haupt nicht passiert. Ich sage Ihnen: Wir hatten das ganz
bestimmt nicht verdient.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn jetzt, in dieser Situation, jemand wie Herr
Strobl aus Baden-Württemberg vor der Kamera erklärt:
„Der Grieche hat genug genervt“, ruft das Geister her-
vor, die Sie nicht wieder einfangen können, Herr Strobl.
Das ist weit unter dem Niveau von Herrn Varoufakis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Europa braucht in diesen Tagen ein heißes Herz und
einen kühlen Kopf. Es braucht Härte, aber keine Kälte.
Es gibt verdammt viel zu tun. Es gilt, dafür zu sorgen,
dass wir in Europa gemeinsame Standards haben, nicht
nur eine gemeinsame Währung, sondern auch eine ge-
meinsame Wirtschaftspolitik. Es gilt, dafür zu sorgen,
dass Steuerhinterziehung und Steuervermeidung endlich
europaweit angegangen werden. Wir dürfen die Jugend-
arbeitslosigkeit in Europa nicht mehr hinnehmen; sie
geht auch uns an.

Meine Damen und Herren, bei uns haben Sie in den
letzten Wochen verdammt viel Vertrauen verspielt. Noch
nie war es so schwierig, Ihnen Verhandlungen anzuver-
trauen. Deswegen sage ich an dieser Stelle mit aller
Klarheit: Jede grüne Stimme an diesem Tag ist eine
Stimme für ein drittes, ein echtes Hilfspaket. Jede grüne
Stimme an diesem Tag ist eine Stimme gegen den Grexit
und gegen das Drohen mit dem Grexit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jede grüne Stimme an diesem Tag ist eine Missbilligung
Ihrer Verhandlungsführung. Jede grüne Stimme an die-
sem Tag ist eine Stimme für ein gutes, gemeinsames, so-
lidarisches Europa, das an sich selbst, seine Zukunft und
seinen Zusammenhalt glaubt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(A)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700600

Das Wort erhält nun Wolfgang Schäuble für die CDU/

CSU-Fraktion.

Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kol-
lege Gysi hat mich wissen lassen, dass er aus persönli-
chen Gründen die Sitzung um 11 Uhr verlassen muss.
Ich bedaure gleichwohl, dass er solche Angriffe gegen
mich startet und mir nicht die Gelegenheit bietet, darauf
in seiner Anwesenheit zu antworten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Schäbig!)


Er hat daran erinnert, dass seine Partei 1998 gesagt
habe: „Euro – so nicht“. Wird so sein, wenn er das ge-
sagt hat. Ich kann mich erinnern, dass seine Vorgänger
1990 auch gesagt haben: Deutsche Wiedervereinigung?
Währungsunion? So nicht! – Da gibt es eine gewisse
Kontinuität; ich will daran erinnern.

Das bringt mich – bei all den Emotionen, die ich ver-
stehe –


(Zuruf von der LINKEN: Er hat zu viel Redezeit!)


zu der Abteilung „kühler Kopf“. Frau Kollegin Göring-
Eckardt, ich glaube, die allermeisten in diesem Hause
– in allen Fraktionen vermutlich, jedenfalls in der Regie-
rung ganz sicher alle, jedes einzelne Mitglied der Koali-
tionsfraktionen – sind in der Frage, dass man Griechen-
land helfen muss, dass man Europa zusammenhalten
muss, dass es um Mitmenschlichkeit usw. geht, doch
völlig einer Meinung. Da gibt es nicht den geringsten
Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was das „heiße Herz“ betrifft: Dieses Deutschland,
das sich selber so geschunden hat im letzten Jahrhundert,
hat nach dem Zweiten Weltkrieg nur auf dem Weg der
europäischen Einigung überhaupt wieder eine Chance
bekommen; das wissen wir.

Ich habe übrigens dieser Partei schon angehört, als
das alles hochumstritten war: die Westintegration, die
Politik der europäischen Einheit. In meinem ganzen
politischen Leben war es immer mein Credo, dass nur
dies der Weg ist, um Deutschland eine zweite Chance zu
verschaffen. So weit zur Abteilung „heißes Herz“. Das
ist doch heute inzwischen Gott sei Dank weitgehend un-
bestritten. Aber, meine verehrten Damen und Herren, es
geht auch um die Abteilung „kühler Kopf“, und die
heißt: Wie kann es denn gehen, dass das auch funktio-
niert?

Wir beraten heute über einen Antrag des Bundes-
ministeriums der Finanzen, ein Mandat zu erteilen für
Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm für Grie-
chenland. Das ist die Grundlage für die Beschlussfas-
sung. Ich bitte alle, diesem Mandat zuzustimmen, weil
wir in vielen mühsamen Verhandlungen – die Bundes-
kanzlerin hat sehr eindrucksvoll das schwere Ringen um
eine Einigung beschrieben und geschildert – in der Euro-
Gruppe mit vielen Enttäuschungen und Rückschlägen
diese Einigung erreicht haben. Die Rückschläge wurden
übrigens alle immer dadurch verursacht – ausschließlich –,
dass Griechenland nicht eingehalten hat, was jeweils ab-
gemacht war. Es gab keinerlei Zusagen, die von irgend-
jemandem außer von Griechenland nicht eingehalten
worden sind. Das ist die Wahrheit, einfach nur die Wahr-
heit. So ist es gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Trotzdem geht es um Mitmenschlichkeit und um
Hilfe, darum, Europa zusammenzuhalten. Das alles ist
unstreitig. Aber es muss ein Weg gefunden werden, der
gangbar ist, der funktioniert, und das ist sehr kompli-
ziert. Deswegen hat man sich über dieses lange Wochen-
ende auf diese Lösung am Montagmorgen geeinigt. Ich
will die Frage, wer da welchen Beitrag geleistet hat, jetzt
beiseitelassen, weil uns das nicht so furchtbar weiter-
hilft. Alles, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, ist zu-
treffend.

Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt – auch das ist
die Wahrheit; es geht aus dem Beschluss des Gipfels her-
vor –, dass es zunächst einmal darauf ankommt, dass die
griechischen Autoritäten Vertrauen, das verloren gegan-
gen ist, zurückgewinnen müssen, dass das die wesentli-
che Voraussetzung für alles ist. Das ist ein schwieriger
Prozess. Das ist nicht die Verantwortung einer Regie-
rung und übrigens auch nicht, Herr Gabriel, die Verant-
wortung einer politischen Familie. Wenn Sie von politi-
scher Familie sprechen, dann schauen Sie einmal nach
Rumänien! Jeder kehr’ vor seiner Tür, und sauber ist das
Stadtquartier, nicht?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das muss ich bei aller Freundschaft mal so sagen. Wir
sollten die gleichen Maßstäbe anlegen. Das sage ich als
Vertreter der CDU/CSU-Fraktion.

Die Bundeskanzlerin hat zu Recht davon gesprochen
– so ist die Gipfelerklärung –, es sei ein letzter Versuch,
um diese außergewöhnlich schwierige Aufgabe zu erfül-
len.


(Zuruf von der LINKEN)


In erster Linie geht es doch nicht um ein Hilfsprogramm
für Griechenland, sondern darum – eine solche Debatte
haben wir schon 1990 geführt; deswegen ist der Ver-
gleich mit 1990 nicht ohne jede Aussagekraft –, dass wir
Griechenland unter den Bedingungen der Mitgliedschaft
in der Währungsunion ermöglichen wollen, helfen wol-
len und helfen müssen, dass es überhaupt wieder Zugang
zu den Finanzmärkten bekommt. Allerdings kommt,
wenn wir das machen, sofort die Kritik von der Linken,
es ginge alles nur an die Banken. Wenn aber die Banken
geschlossen sind, funktioniert der Rest doch auch nicht.

Deswegen: Mitgliedschaft in einer Währungsunion
erfordert zwingend ein leistungsfähiges Finanzsystem.
Ein solches zu errichten, ist die große ökonomische He-
rausforderung, für die leider nicht nur mit heißem Her-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

zen, sondern auch mit kühlem Kopf eine Lösung gefun-
den werden muss, die tragfähig ist. Sonst wird all unser
Engagement, das wir alle in Europa teilen, am Ende
nicht zielführend sein, weil die Lösung, die wir zustande
bringen, nicht Bestand haben wird und wir wieder und
wieder Vertrauen enttäuschen.

Es geht also in der Tat nicht nur um Griechenland,
sondern auch um Europa. Es geht darum, dass wir in
Europa mit dieser Währungsunion Strukturen schaffen
müssen, die auf Dauer vertrauenswürdig und effizient
sind, die ermöglichen, dass wir in allen Teilen der Wäh-
rungsunion dauerhaftes Wachstum als Voraussetzung für
mehr soziale Gerechtigkeit haben.

Die zwei Programme für Griechenland sind übrigens
nicht gescheitert. Der IWF hat in seiner Analyse im
Herbst vergangenen Jahres festgestellt, dass Griechen-
land entgegen aller Skepsis auf einem guten Weg gewe-
sen ist, trotz all der Schwierigkeiten, die für die griechi-
sche Bevölkerung damit verbunden gewesen sind. Der
Stand Ende vergangenen Jahres war: Griechenland hatte
Wachstum, hatte sogar eine höhere Wachstumsrate als
die Länder der Euro-Zone im Durchschnitt, hatte einen
Handelsbilanzüberschuss, hatte einen Primärüberschuss,
die Arbeitslosigkeit begann, rückläufig zu sein.


(Lachen und Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)


– Das sind alles Analysen des IWF.

Griechenland war im Übrigen auf einem Weg, dass es
nach Auslaufen, nach erfolgreichem Abschluss dieses
Programms nur noch ein vorsorgliches Programm benö-
tigt hätte, so wie es in Irland und Portugal nach Auslau-
fen der Hilfsprogramme der Fall gewesen ist. Diese Per-
spektive ist innerhalb von sechs Monaten verloren
gegangen. Deswegen ist die Aufgabe, die sich allen Län-
dern der Euro-Zone stellt, eine sehr viel schwierigere.
Dafür müssen wir nun eine Lösung finden, Ich werbe da-
für, dass Sie den Auftrag erteilen, entsprechende Ver-
handlungen zu führen. Man darf aber nicht meinen, jetzt
sei das Thema, nachdem man einen zum Bösewicht er-
klärt hat, erledigt und es werde schon laufen. Nein, so ist
es nicht. Erst nach Abschluss der Verhandlungen werden
wir darüber diskutieren, ob die Verhandlungen einen
Weg aufzeigen, der funktionieren kann.

Die Bundeskanzlerin hat davon gesprochen, dass die
Auflagen hart sind; aber sie sind es nicht deswegen, weil
wir Griechenland irgendetwas Böses tun wollen. Wir
würden uns alle überbieten an Hilfsprogrammen für
Griechenland, wenn es nicht auch um die Frage gehen
würde, wie wir es erreichen, dass Griechenland unter der
Bedingung der Mitgliedschaft in der europäischen Wäh-
rungsunion – das ist der Wunsch Griechenlands; den
respektieren wir – wettbewerbsfähig werden kann. Es
besteht die Notwendigkeit, dass es so kommt. Das funk-
tioniert aber nicht, ohne dass Griechenland sehr grundle-
gende Reformen auf den Weg bringt, und zwar jetzt.
Auch dazu hat Herr Gabriel eindrucksvoll gesprochen.
Dann muss es aber auch gemacht werden. Das war schon
vor fünf Jahren, 2010, die Position und dann immer wie-
der. Bis jetzt hat man es ein Stück weit gemacht. Aber in
den letzten sechs Monaten ist alles, was auf den Weg ge-
bracht worden ist, zurückgenommen worden.

Natürlich ist wahr, dass man in einer Währungsunion
auf die Dauer Zugang zu den Finanzmärkten haben
muss, sonst ist eine Währungsunion nicht zusammenzu-
halten. Das nennt man Finanzstabilität oder Schulden-
tragfähigkeit. Die ist Voraussetzung.

Und dann gibt es europäische Regeln. Der europäi-
sche Gipfel hat einstimmig erklärt, dass ein Schulden-
schnitt nach dem europäischen Recht ausgeschlossen ist.
Also, Griechenland muss ohne Schuldenschnitt die Vo-
raussetzungen schaffen. Dazu muss dieses Programm ein
noch schwierigeres sein, als es die beiden ersten gewe-
sen sind.

Griechenland muss jetzt die Kraft und die Entschlos-
senheit dafür aufbringen. Es gibt im griechischen Parla-
ment über die Parteien hinweg einen breiten Konsensus.
Das ist eines der starken Argumente dafür: Lasst uns ei-
nen weiteren Versuch wagen – gegen alle Erfahrungen. –
Aber der muss jetzt geleistet werden. Der Versuch ist
nicht am Montagmorgen erfolgreich abgeschlossen wor-
den, sondern er beginnt jetzt. Liebe Kollegen, das ist die
entscheidende Frage. Wenn wir das nicht erreichen – –


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aber wir wollen es doch erreichen!)


– Klar, wir setzen alles daran, um das zu erreichen. Frau
Göring-Eckardt hat davon gesprochen, was wir Grie-
chenland alles zumuten und was in Griechenland alles
gemacht werden muss, etwa ein sozial gerechtes System. –
Griechenland ist nicht ein Protektorat. Die müssen es ein
Stück weit selber machen.


(Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


– Herr Kollege Schneider, es hilft nichts; es hilft alles
nichts: Die Realität ist so, dass wir einen Weg finden
müssen, um Griechenland über einen Zeitraum – den Sie
definieren können – Zugang zu den Finanzmärkten zu
verschaffen. Dazu muss Griechenland – jedes Mitglieds-
land der gemeinsamen europäischen Währungsunion
musste das; das war bei Irland, bei Portugal und bei
Zypern so – seine Finanz- und Wirtschaftspolitik und
seine Institutionen so anpassen, dass man die Vorausset-
zungen erfüllt.

Ich habe in der letzten Debatte, die wir dazu geführt
haben, daran erinnert, dass dieser Weg – unter völlig an-
deren Umständen – 1990 bei der Währungsunion – wir
haben gerade, am 1. Juli, darüber debattiert – auch au-
ßergewöhnlich schwierig war. Der Vergleich mit der
Treuhandanstalt ist falsch. Die Herausforderung 1990
war, nach 40 Jahren die Menschen, die bis dahin in ei-
nem linkstotalitären System mit der entsprechenden
wirtschaftlichen Ineffizienz gelebt hatten, in einem
Schritt an das Lebens- und Sozialniveau der sozialen
Marktwirtschaft anzunähern.


(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

– Entschuldigung, Frau Kollegin Göring-Eckardt. Wenn
Sie sich die wirklichen Zusammenhänge ein bisschen
anschauen, dann wird klar: Dass die Treuhandanstalt am
Ende gegen alle Erwartungen bei der Privatisierung
nicht große Gewinne erbracht hat, sondern das Gegen-
teil, lag nicht an dem Ansatz, dass eine leistungs- und
wettbewerbsfähige Wirtschaft dadurch entsteht, dass
man einen zu breiten öffentlichen Sektor privatisiert, um
stärkere Wettbewerbsdynamik in die Wirtschaft zu brin-
gen. Vielmehr ist der Grund, warum das entstanden ist,
dass der Versuch unternommen wurde – und das war
notwendig, sonst wäre die deutsche Einheit nicht gelun-
gen; daher auch die Treuhandanstalt –, möglichst schnell
die 100 Prozent Angleichung wenigstens annähernd zu
erreichen – noch immer sind wir nicht, Arnold Vaatz, bei
100 Prozent, lange nicht; das ist wahr; das macht jetzt
auch die Bund-Länder-Finanzverhandlungen für die
Jahre ab 2020 so kompliziert. Aber wir sind es schnell
angegangen. Und dadurch ist natürlich der hohe finan-
zielle Aufwand entstanden. Deswegen ist der Vergleich
mit der Treuhandanstalt insoweit überhaupt nicht be-
gründet.

Nein, der Punkt, um den es geht, ist: Wir müssen auch
nach der Erklärung des europäischen Gipfels, dass ein
Schuldenschnitt mit europäischem Recht nicht vereinbar
ist, für den Finanzbedarf einen Weg finden, der realis-
tisch erscheint. Deswegen habe ich in der Tat in die
Verhandlungen der Finanzminister den Vorschlag ein-
gebracht: Lasst uns doch versuchen, durch eine Neuor-
ganisation der griechischen Wirtschaft – das ist nicht
Privatisierung – über die Zeitachse hinweg ein finanziel-
les Volumen aufzubringen, das den Finanzbedarf in eine
realisierbare Größenordnung zurückbringt. Das kann
man diffamieren; dann eignet es sich ein bisschen für die
polemischen Auseinandersetzungen des Tages. Ich bin
so abgehärtet in einem langen politischen Leben, dass
mich das nicht aus der Bahn wirft.

Was mich wirklich quält und worum ich ringe, ist: In
meiner Verantwortung als Bundesfinanzminister als Teil
einer gemeinsamen Regierung – glauben Sie mir, da
muss mich niemand belehren – meiner Verantwortung
gerecht zu werden, an einer Lösung mitzuwirken, von
der ich Ihnen allen und den deutschen Staatsbürgerinnen
und Staatsbürgern sagen kann: Ich bin davon überzeugt,
dass diese Lösung funktionieren kann. – Das ist die Ver-
antwortung, die wir haben. Daran werden wir mit aller
Kraft in den nächsten Wochen zu arbeiten haben – auf
allen Ebenen.

Aber mit dieser Art einer völlig von der Sache losge-
lösten, verzerrenden Polemik erreichen Sie überhaupt
nichts.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Polemik, Herr Schäuble!)


– Ja sicher, weil Sie doch so tun, als wäre – –


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Es ist auch mit den einfachen Lösungen so. Wissen Sie,
die Debatte über die Bekämpfung von Steuerhinterzie-
hung zur Lösung von Haushaltsdefiziten kenne ich aus
jedem Wahlkampf. Das ziehen alle linken politischen
Kräfte immer hervor. Ich habe als Finanzminister mit
entsprechenden Initiativen effektiv mehr für die Be-
kämpfung von Steuerhinterziehung getan – Herr Gabriel
hat es liebenswürdigerweise angesprochen – als jeder
meiner Vorgänger. Das ist ganz sicher.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber ich bin eben jemand, der die alte Anforderung
„Respice finem“ im Blick hat. Das macht es manchmal
im Umgang mit mir schwerer, dass ich sage: In drei Wo-
chen oder in drei Monaten fragt Ihr mich, ob es funktio-
niert hat. Dann sage ich nicht: Was geht mich mein Ge-
schwätz von gestern an?

Ich kann Ihnen auch große Reden halten, wie alles
leicht geht.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gesagt, dass es leicht geht!)


Nein, ich sage Ihnen, und Sie werden es sehen: Der Weg,
unter den Bedingungen der Mitgliedschaft in der Wäh-
rungsunion die Probleme zu lösen, wird einer sein, den
viele in Deutschland und Europa weiterhin als eine zu
große Belastung für die Menschen ansehen.

Im Übrigen ist die Bemerkung erlaubt – sie muss sein –:
Griechenland hat, auch heute, im Verhältnis zu seinem
Bruttoinlandsprodukt mit die höchsten Verwaltungsauf-
wendungen aller europäischen Länder. Diese Regierung
hat in den letzten Monaten erste Schritte, das zu reduzie-
ren, wieder zurückgenommen – gegen alle Zusagen, die
sie gegeben hat.

Griechenland hat in Teilen ein Rentenniveau, das weit
über vergleichbaren Systemen liegt. Machen Sie es sich
doch nicht so einfach, über die anderen, kleineren Län-
der in Europa mit einer billigen Polemik herzufallen!
Das führt doch nicht weiter. Ein Ministerpräsident eines
kleineren Landes hat doch wohl gesagt: Wir haben für
Griechenland Haftung in einer Größenordnung von
3,5 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts übernom-
men.


(Zuruf von der LINKEN: Das war Estland!)


Wie soll ich meiner Bevölkerung erklären, dass wir wei-
tere Haftung übernehmen müssen, wenn gleichzeitig
viele in Griechenland und auch in Deutschland sagen:
„Eine weitere Absenkung der Renten in Griechenland ist
nicht möglich“? – Das geht, wenn Sie Europa ernst mei-
nen, irgendwo nicht zusammen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich bitte
Sie heute alle, dem Antrag zuzustimmen. Ich habe mir,
die Bundesregierung hat sich den Antrag nicht leicht ge-
macht. Wir glauben daran, dass die Chance besteht, dass
wir die Verhandlungen zum erfolgreichen Abschluss
bringen können. Aber alles, was mit einer verzerrenden
Polemik die Dinge einfacher darstellt, als sie sind, wird
in vier Wochen wieder vergessen sein. Sie können nur
darauf hoffen, dass dann wieder vergessen ist, was Sie
hier gesagt haben.





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen: Eine ernsthafte Debatte erfordert, dass wir
uns der Schwierigkeiten der Lage bewusst sind. Grie-
chenland hat sich so entschieden, wie es sich entschie-
den hat. Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Es erfordert
harte Anstrengungen, und zwar kurzfristig, schnell. –
Wenn das gelingt, dann werden wir alle Kraft darauf ver-
wenden, dass dieser letzte Versuch zum Erfolg geführt
wird. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu mei-
nem Antrag.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sahra

Wagenknecht für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Abgeordnete der CDU/CSU verlassen den Saal – Zuruf von der LINKEN: Angsthasen!)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811700800

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Bundeskanzlerin! Herr Schäuble! Ich glaube, nie-
mand in diesem Hause bestreitet, dass Griechenland Re-
formen braucht. Die Griechen brauchen Katasterämter,
eine funktionierende Steuerverwaltung und die Bekämp-
fung der Korruption. Sie brauchen eine drastische Ver-
mögensabgabe für ihre superreiche Oberschicht, die
selbst in der Krise und unter Aufsicht der Troika noch
immer reicher geworden ist. Aber das, was Sie hier unter
dem schönen Namen „Reformen“ verteidigen, hat, bitte
schön, mit all diesen sinnvollen Maßnahmen überhaupt
nichts zu tun. Das ist das Kernproblem.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Gabriel, falls Sie vielleicht mal zuhören mögen:
Es ist doch ein Hohn, dass Sie hier von investitions- und
wachstumsfreundlicher Politik geschwätzt haben. Gu-
cken Sie sich doch mal das Paket an, das Griechenland
nun diktiert wurde! Das ist doch exakt die Fortsetzung
der rabiaten Kürzungspolitik der letzten fünf Jahre, die
schon ein Viertel der griechischen Wirtschaftsleistung
zerstört hat, die das Land in Rekordarbeitslosigkeit, in
Armut und in wirkliches Elend getrieben hat und die vor
allem die griechischen Schulden immer weiter erhöht
hat, nämlich von 130 Prozent auf 180 Prozent der Wirt-
schaftsleistung. Und das wollen Sie jetzt fortsetzen! Sie
wollen das noch verschärfen durch den kompletten Aus-
verkauf des öffentlichen Vermögens und die vollständige
Entmündigung des gewählten griechischen Parlaments,
das in Zukunft gar nichts mehr zu entscheiden hat. Da
muss ich Ihnen sagen: Was Sie mit diesem Land ma-
chen, das immerhin nicht nur die Wiege der Demokratie,
sondern auch die Wiege der gesamten europäischen Kul-
tur ist, das ist einfach nur schändlich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Financial Times schätzt, dass die griechische
Wirtschaft bei Umsetzung Ihrer Giftliste nochmals um
mindestens 5 Prozent einbrechen wird. Der IWF, den Sie
ja selbst unbedingt im Boot haben möchten, Frau
Merkel, geht davon aus, dass die griechische Schulden-
quote bald bei 200 Prozent liegen und dass selbst das
neue 85-Milliarden-Euro-Paket wieder nur ein Durch-
laufposten sein wird. Frau Merkel, es ist Ihre Verantwor-
tung – nicht die der Linken und auch nicht die der
Syriza-Regierung –, dass die Bürgerinnen und Bürger
dieses Landes bereits mit etwa 80 Milliarden Euro für
die griechischen Schulden haften. Jetzt soll das mit ei-
nem Handstreich noch mal um 20 Milliarden Euro er-
höht werden, und das für ein Programm, an dessen Er-
folg Sie alle – geben Sie es doch zu! Herr Schäuble hat
es doch faktisch zugegeben – nicht einmal selbst glau-
ben. Spätestens in einem Jahr stehen wir wieder an ge-
nau dem gleichen Punkt, nur dass Griechenland dann
noch ärmer sein wird und seine Schulden noch höher
sein werden. Ich muss wirklich sagen: Wie Sie mit dem
Steuergeld, für das immerhin Millionen Menschen hart
gearbeitet haben, umgehen, ist einfach verantwortungs-
los.


(Beifall bei der LINKEN)


Griechenland ist seit 2010 überschuldet, und ein
Überschuldeter braucht nicht noch mehr Schulden. Ein
Überschuldeter braucht endlich einen richtigen Schul-
denschnitt.


(Beifall bei der LINKEN)


Da kommen sie mir jetzt bitte nicht mit den Regeln, Herr
Schäuble. Den größten Regelbruch verantworten doch
Sie, Frau Merkel, und Sie, Herr Schäuble. Oder war es
etwa kein Bruch der Regeln in Europa, dass Sie 2010
entschieden haben, die Haftung für die Schulden eines
überschuldeten Landes den europäischen Steuerzahlerin-
nen und Steuerzahlern auf die Schultern zu laden, denen
im Baltikum genauso wie den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern hier in der Bundesrepublik? Das haben
Sie entschieden, und zwar nur, um deutsche und franzö-
sische Banken vor Verlusten zu bewahren, vor Milliar-
denverlusten.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist der Kern, mit dem die ganze Tragödie begon-
nen hat. Seitdem betreiben Sie Konkursverschleppung,
um nicht zugeben zu müssen, dass Sie viele Milliarden
in den Sand gesetzt haben. Das nennen Sie dann auch
noch Solidarität. Also, ich muss sagen: Schlimmer kann
man diesen großen Begriff wirklich nicht missbrauchen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der große Ökonom Adam Smith hat einmal gesagt:

Es gibt zwei Wege, eine Nation zu erobern und zu
versklaven. Der eine ist durch das Schwert, der an-
dere durch Verschuldung.

Es gibt auch zwei Wege, einen Staatsstreich durchzu-
führen. Der klassische Weg geht über Panzer und Mili-
tärs. Der moderne Weg bedient sich der Banken und der
Macht über die Währung eines Landes. Mit diesen





Dr. Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)

Hebeln haben Sie es geschafft, den von über 60 Prozent
der griechischen Bevölkerung zum Ausdruck gebrachten
Wunsch nach einem Ende der ruinösen Kürzungspro-
gramme eiskalt wegzuputschen. Was für ein trauriger
Sieg!


(Beifall bei der LINKEN)


Ich muss auch sagen, Herr Gabriel – ich sehe Sie ge-
rade nicht –: Ihre Rolle in diesem ganzen Spiel, Ihre
Scharfmacherei beim Durchsetzen von Rentenkürzun-
gen und Mehrwertsteuererhöhungen und Ihre Skrupello-
sigkeit beim Bedienen dumpfer Ressentiments, bei dem
man das Gefühl hatte, Sie bereiteten schon eine neue
Karriere in den Ruinen der AfD vor,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihre Unehrlichkeit und Ihr Opportunismus,


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Schlimmer geht es nimmer!)


das war alles so erbärmlich, dass ich mich wirklich
frage, wie lange die SPD dieses Elend an ihrer Spitze
noch ertragen will.


(Beifall bei der LINKEN)


Nicht nur in Griechenland, auch in Deutschland und
in ganz Europa können heute immer mehr Menschen
von ihrer Arbeit nicht mehr ordentlich leben. Überall
werden Rentner ärmer. Die Mittelschichten schrumpfen
und werden um ihre Ersparnisse gebracht, und die Kapi-
talmärkte boomen. So sieht Ihr Europa aus, Frau Merkel,
Herr Schäuble und Herr Gabriel: eine Finanzmarktkolo-
nie, in der für Demokratie kein Raum mehr bleibt, weil
Technokraten, Banker und Wirtschaftslobbyisten die
Richtung diktieren. Und da wundern Sie sich, dass sich
immer mehr Menschen von diesem Europa abwenden.
Mit Ihrem arroganten Großmachtgehabe, Ihrer sozialen
Gleichgültigkeit und Ihrer wirtschaftspolitischen Unbe-
lehrbarkeit zertrampeln Sie das Erbe der großen Euro-
päer von de Gaulle über Willy Brandt bis hin zu Helmut
Kohl, die alle wussten, dass der gegenseitige Respekt
und soziale Ausgleich


(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


die Grundpfeiler einer erfolgreichen europäischen Ent-
wicklung sind.

„Das europäische Projekt … hat gerade einen furcht-
baren, vielleicht sogar tödlichen Schlag erlitten.“ So hat
der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman die
jüngsten Gipfelergebnisse kommentiert.


(Johannes Kahrs [SPD]: Was hat denn das jetzt mit Ihnen zu tun? Eine billige Populistenrede! Ohne Inhalt! Dumpfer Populismus! So kennt man die Linke! Dumpfer, peinlicher Populismus!)


– Ich merke, dass Ihnen das wehtut. Aber, bitte schön,
dann ändern Sie endlich mal Ihre Politik!


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde es ein Trauerspiel, dass Sie sich hier für sol-
che Ergebnisse auch noch gegenseitig feiern. Das ist
wirklich schlimm, was Sie machen, schlimm für Europa,
auch schlimm für Deutschland, und deswegen wird die
Linke gegen dieses Mandat mit diesen falschen Kondi-
tionen stimmen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811700900

Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Thomas

Oppermann das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1811701000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Frau Wagenknecht, Ihre Rede hat auf mich eine eigenar-
tige Wirkung.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Wenn ich Ihnen sechs Minuten zuhöre, dann finde ich
Alexis Tsipras – was sonst nicht der Fall ist – gar nicht
mehr so schlecht.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich muss Ihnen sagen: Ich bin von Herzen froh, dass Ihre
Partei als Schwesterpartei von Syriza auf diese Partei in
Griechenland im Augenblick verdammt wenig Einfluss
hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion war un-
glaublich erleichtert,


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Natürlich!)


als in der langen Verhandlungsnacht von Brüssel ein
Kompromiss gefunden wurde, ein Weg für Griechen-
land, aus der Krise herauszukommen.

Aber es ging ja um viel mehr: Es ging in dieser Ver-
handlungsnacht eigentlich ums Ganze; es ging um Eu-
ropa. Es ging um den Bestand und die Zukunft Europas.
Wenn an diesem Wochenende Frankreich und Deutsch-
land auseinandergebrochen wären, dann wäre das ein un-
ermesslicher Schaden für Europa und für Deutschland.
Deshalb, Frau Bundeskanzlerin, möchte ich Ihnen ganz
herzlich dafür danken, dass Sie gemeinsam mit Präsident
Hollande diese Verhandlungen zu einem guten Ende ge-
führt haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Aber dieses letzte Wochenende wird uns auch aus ei-
nem anderen Grund in guter Erinnerung bleiben: Fast im
gleichen Atemzug ist es in Wien gelungen, den Atom-
konflikt mit dem Iran zu beenden und endlich eine Eini-
gung zu erzielen, die, wenn der Iran sich daran hält, dazu
führt, dass dieses Land wieder in die Völkergemein-
schaft zurückkehren kann. Ich finde, das ist ein ganz gro-
ßer außenpolitischer Erfolg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Thomas Oppermann


(A) (C)



(D)(B)

Das zeigt doch, dass auch in schwierigen und in aus-
weglosen Situationen Lösungen gefunden werden kön-
nen, wenn man weiter verhandelt, und dass in einer
Welt, in der vieles aus den Fugen geraten ist, nicht alles
schlecht bleiben muss; manches kommt auch wieder in
Ordnung. Dafür möchte ich ganz besonders Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier danken, der einen gro-
ßen Anteil an diesem Ergebnis hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden als SPD-Fraktion – alle 193 Abgeord-
nete, die anwesend sind, mit nur zwei Ausnahmen – für
die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland
stimmen. Ich sehe mit Interesse, wie die anderen Frak-
tionen sich positionieren. Die Grünen können oder wol-
len – oder können und wollen – sich nicht zwischen Ja
und Nein entscheiden. Deshalb wollen sie sich enthalten.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weißt du, wie ich abstimme?)


Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich kann Ih-
nen sagen: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es
keine überzeugende Position ist, wenn Sie in einer so
historischen Situation keine klare Antwort haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist peinlich! Nach dem letzten Wochenende ist das sehr peinlich!)


Das weiß übrigens auch Gregor Gysi. Deshalb ist ihm
eine Enthaltung nicht in den Sinn gekommen. Er will
sich nicht zwischen Ja oder Nein entscheiden. Da hat er
ganz tief in die Kiste des politischen Schlaumeiers ge-
griffen und ist zu dem überraschenden Ergebnis gekom-
men: Wir stimmen mit Ja und Nein. Wir stimmen mit Ja
im griechischen Parlament, aber mit Nein im Deutschen
Bundestag.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann Ihnen sagen – das muss ich zur Ehrenrettung
des Marxismus tun –: Mit marxistischer Dialektik hat
das gar nichts zu tun, eher mit politischer Rabulistik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich möchte keine Zwischenfrage.

Sie finden, in Griechenland muss man mit Ja stim-
men, um eine Katastrophe, eine Verelendung des grie-
chischen Volkes, zu vermeiden. Haben Sie mal eine Se-
kunde darüber nachgedacht, was passiert, wenn alle so
abstimmen, wie Sie das hier machen? Sie können doch
nur deshalb mit Nein stimmen, weil gewährleistet ist,
dass wir anderen alle mit Ja stimmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: So! Jetzt kriegt ihr es aber richtig!)

Ich verstehe Ihre politischen Schwierigkeiten und
Ihre politischen Motive ja. Aber sagen Sie uns nicht,
dass es Ihnen um die Menschen in Griechenland geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: So ist das! – Widerspruch bei der LINKEN)


Ich möchte etwas zur aktuellen Kritik an der deut-
schen Verhandlungsführung sagen. Ich habe gelesen,
dass selbst bekannte amerikanische Ökonomen Deutsch-
land vorwerfen, Griechenland vorführen und unterdrü-
cken zu wollen. Paul Krugman schreibt in seinem Blog
für die New York Times: Die substanzielle Kapitulation
der Regierung Tsipras reicht Deutschland nicht aus;
Deutschland will den Regimewechsel und die vollstän-
dige Demütigung Griechenlands. – Ich muss Ihnen sa-
gen, meine Damen und Herren: Ich halte solche Äuße-
rungen für total abwegig, auch wenn sie von
Nobelpreisträgern kommen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie sind außerdem destruktiv. Sie treiben einen Spalt-
pilz in die Europäische Union, und sie verkennen das
Ausmaß der hausgemachten Probleme in Griechenland,
die nur in Griechenland gelöst werden können.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)


Ich finde, die amerikanischen Ökonomen verkennen ins-
besondere, wie sehr das totale Staatsversagen in Grie-
chenland sich auf die griechische Ökonomie auswirkt.
Ich frage mich, warum diese Ökonomen sich nicht mit
Berichten auseinandersetzen, nach denen in Griechen-
land die Preise für Arzneimittel und für Lebensmittel
weit überhöht sind, weitaus höher als in anderen Teilen
der Europäischen Union. Da muss man doch mal nach-
fragen, warum das so ist. Das liegt daran, dass es in die-
sem Land keinen funktionierenden Wettbewerb gibt, und
das muss sich ändern, meine Damen und Herren, wenn
es für die Menschen besser werden soll.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In Wirklichkeit haben sich die Länder der Euro-Zone
gegenüber Griechenland in den vergangenen Jahren
mehr als solidarisch verhalten. Die Rettungspakete für
Griechenland summieren sich auf knapp 216 Milliarden
Euro. Zusätzlich gab es den Schuldenschnitt bei priva-
ten Gläubigern in Höhe von 107 Milliarden Euro in
2012; das vergessen Sie immer zu erwähnen, Frau
Wagenknecht. Europa hat mehrfach die Zinsen gesenkt
und die Laufzeiten verlängert. Jetzt wollen wir ein drit-
tes Hilfsprogramm auf den Weg bringen, und ich sage
ganz klar: Das ist keine Demütigung Griechenlands,
sondern das ist der ernsthafte Versuch, das Land endlich
aus der Dauerkrise herauszubringen und auf den Wachs-
tumspfad zurückzuführen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Viele machen die Kritik an Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble fest. Trotz aller Differenzen, Herr
Schäuble, die meine Fraktion mit Ihnen in Bezug auf den
sogenannten Plan B, den Grexit, hat, möchte ich eines





Thomas Oppermann


(A) (C)



(D)(B)

vorab klarstellen: Die Art und Weise, wie Sie wegen Ih-
rer Verhandlungsführung in der griechischen Presse und
in den sozialen Medien verunglimpft und verächtlich ge-
macht werden, ist abstoßend und unerträglich,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und die weisen wir als Bundestag auch mit aller Ent-
schiedenheit zurück.

Aber das ändert nichts daran, dass wir in einem wich-
tigen Punkt unterschiedlicher Meinung sind. Bis zum
Gipfel war offen, ob Alexis Tsipras bereit ist, Reformen
zu akzeptieren und einen Kompromiss mitzutragen. So
lange mag es auch richtig gewesen sein, einen Plan B zu
haben. Jetzt aber ist die Entscheidung gefallen. Sie ist
vielleicht nicht in Ihrem Sinne gefallen, Herr Schäuble,
aber sie ist gefallen.


(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jetzt gilt Plan A. Alle in der Regierung müssen mitzie-
hen, damit das Hilfsprogramm für Griechenland jetzt
auch gelingt,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und das erwarte ich auch von Ihnen.

Meine Damen und Herren, viele von uns sind entsetzt
darüber, dass die griechische Regierung bei dem Refe-
rendum für ein Nein zu den Reformvorschlägen gewor-
ben hat. Aber ich sage auch: Alexis Tsipras verdient
Respekt für die Entscheidung, den drohenden Ausstieg
aus der Euro-Zone abzuwenden und dem Rettungspro-
gramm jetzt doch zuzustimmen – gegen Widerstände aus
der eigenen Partei. Er hat bei der Abstimmung im Parla-
ment seine Regierungsmehrheit verloren. Daran zeigt
sich auch, dass Alexis Tsipras tatsächlich aus einem an-
deren Holz geschnitzt ist als Sie, meine Damen und Her-
ren von den Linken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für Griechenland ist dies möglicherweise die letzte
Chance für einen Neuanfang. Zu oft wurden Vereinba-
rungen in der Vergangenheit nicht umgesetzt. Zu oft hat
sich die griechische Regierung vor Reformen in Staat
und Wirtschaft gedrückt. Zu oft hat auch die Troika
beide Augen verschlossen. Das muss jetzt vorbei sein.

Ziel der vereinbarten Reformen ist nicht, Griechen-
land auf Dauer zu alimentieren und zu einem Objekt eu-
ropäischer Fürsorge zu machen. Genau das wollen wir
nicht. Wir wollen, dass Griechenland wieder in die Lage
versetzt wird, aus eigener Kraft das zu erwirtschaften,
was notwendig ist, um den Bürgerinnen und Bürgern ei-
nen ordentlichen Lebensstandard ermöglichen zu kön-
nen.

„Solidarität“ heißt für uns übrigens immer: Hilfe für
die, die bereit sind, sich selber anzustrengen, im Rahmen
ihrer Möglichkeiten, im Rahmen dessen, was man zumu-
ten kann. „Solidarität“ heißt: Hilfe zur Selbsthilfe. Das
ist die Grundlinie sozialdemokratischer Politik bei die-
sen Rettungsprogrammen.

Da muss bei den Reformen jetzt Priorität haben: dass
die Steuerbasis langfristig konsolidiert und eine ange-
messene Besteuerung auch der Reichen und Wohlhaben-
den in Griechenland ermöglicht wird, dass unternehme-
risches Handeln gefördert wird, Wettbewerb ermöglicht
wird sowie Korruption, Klientelismus und Schattenwirt-
schaft bekämpft werden. Ich glaube, dass viele in Grie-
chenland auf diese Reformen warten.

Es gibt viele junge, gut ausgebildete Menschen in
Griechenland, die aus dem klientelistischen System raus
wollen. Sie wollen raus aus einem System, in dem gute
politische Beziehungen, aber nicht Leistung und An-
strengung für den beruflichen und wirtschaftlichen Er-
folg des Einzelnen maßgeblich sind. Ich finde, wir haben
die Pflicht, diese jungen Menschen zu unterstützen. Des-
halb müssen die Reformen jetzt umgesetzt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Euro-Zone braucht – das zeigt die derzeitige De-
batte in aller Schärfe – ein stabiles institutionelles Fun-
dament. Die Wirtschafts- und Währungsunion muss wet-
terfest gemacht werden. Dafür reicht der Stabilitäts- und
Wachstumspakt nicht aus, auch nicht das Europäische
Semester. Ich freue mich, dass der französische Präsi-
dent die Vorschläge von Sigmar Gabriel und seinem
französischen Amtskollegen Macron aufgegriffen hat
und wir jetzt offensiv darüber diskutieren, dass wir eine
parlamentarische Vertretung für die Euro-Zone brau-
chen, dass wir ein eigenes Budget brauchen, um Investi-
tionen zu finanzieren und Schwankungen in der Euro-
Zone stärker auszugleichen. Die Diskussion über diese
Themen müssen wir jetzt auch hier im Bundestag voran-
treiben. Natürlich hat jedes Land nationale Interessen,
auch in der Europäischen Union. Aber die Summe der
nationalen Interessen ist noch kein vereintes Europa.
Deshalb muss die Währungszone vertieft werden.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])


Wenn wir uns umschauen – ob in Holland, in Frank-
reich, in Spanien, in Ungarn oder in Finnland –, dann
müssen wir feststellen: In immer mehr auch wirtschaft-
lich starken Ländern werden die populistischen Parteien
stark. Sie versprechen einfache Lösungen und mobilisie-
ren nationale Ressentiments. Sie stellen sich gegen die
Kernidee eines vereinten Europas, nämlich die Überwin-
dung des Nationalismus, dessen Konsequenzen die Völ-
ker Europas so leidvoll erfahren mussten. Die Populisten
wollen Europa wieder in seine Einzelteile zerlegen. Ich
sage: Dagegen müssen wir uns mit aller Kraft stemmen.


(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Wir sind für ein solidarisches, für ein soziales und für ein
wirtschaftlich starkes Europa. Lassen Sie uns daran ge-
meinsam arbeiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811701100

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Klaus

Ernst das Wort.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811701200

Herr Kollege Oppermann, Sie haben gerade gesagt,

die Linken würden mit Ja und mit Nein stimmen. Abge-
sehen davon, dass das nicht geht, weil wir nur hier im
Bundestag abstimmen, möchte ich Ihnen etwas erklären,
was Sie offensichtlich noch nicht verstanden haben.

Glauben Sie ernsthaft, dass die griechische Regierung
lustvoll über das abstimmt, was Sie ihr diktiert haben?
Glauben Sie ernsthaft, dass die griechische Regierung
mit Freude die Renten kürzt und die Mehrwertsteuer er-
höht, obwohl sie weiß, dass das genau das Gegenteil von
dem bewirkt, was es bewirken soll, nämlich dass die
Wirtschaft weiter nach unten gedrückt wird? Die grie-
chische Regierung macht das einzig und allein aus dem
Grund, Herr Oppermann, weil ihr das Messer an den
Hals gehalten wird, und daran wirkt auch die deutsche
Regierung mit.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Das Problem ist, dass es sich hier um Erpressung handelt
und einer Regierung letztendlich die Souveränität entzo-
gen wird. Die griechische Regierung stimmt mit Ja, weil
ihr nichts anderes übrig bleibt.

Welche Rolle spielen wir hier? Wir haben eine Regie-
rung, die genau diese Erpressung vollzieht. Der Deut-
sche Bundestag – auch wir als Abgeordnete der Linken –
hat die Aufgabe, das zu kontrollieren und darauf hinzu-
weisen, dass das nicht in Ordnung ist. Deshalb stimmen
wir hier klar mit Nein. Wir stimmen nicht dagegen, den
Griechen zu helfen, sondern wir stimmen dagegen, dass
man den Griechen die Souveränität nimmt.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


– Das ist ja lustig. Zu Ihrem Gebrüll kann ich nur sagen:
Sie wirken daran mit, dass der griechischen Regierung
die Souveränität genommen wird, und das ist ein Skan-
dal, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte an dieser Stelle meine Ausführungen noch
etwas vertiefen; denn eine Minute habe ich ja noch. Herr
Oppermann, wenn Sie glauben, dass die Reformen eine
soziale Wohltat sind, wenn Sie glauben, dass das die
wirtschaftliche Situation Griechenlands verbessert, dann
sollten Sie sich vielleicht einmal zu Gemüte führen, was
das, was mit Ihrer Zustimmung hier im Bundestag be-
schlossen wurde, in den letzten drei Jahren bewirkt hat.
Ich kann Ihnen sagen, Herr Oppermann: Die Wirt-
schaftsleistung ist gedrückt worden, und die Arbeitslo-
sigkeit ist gestiegen; die Jugendarbeitslosigkeit liegt
sogar bei 50 Prozent. Die Maßnahmen, die wir hier be-
schlossen haben, haben dazu beigetragen. Deshalb stim-
men wir hier mit Nein, Herr Oppermann.


(Beifall bei der LINKEN)


Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1811701300

Lieber Herr Ernst, Sie stricken hier an einer Legende.

Diese Legende lautet: Die Euro-Länder haben Griechen-
land erpresst.


(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt!)


Ich finde, das ist eine ganz billige Propaganda.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn wir jetzt mit einem dritten Hilfsprogramm
80 Milliarden Euro oder mehr – das bleibt noch abzu-
warten – aufwenden wollen, dann ist das doch keine Er-
pressung oder Erniedrigung, sondern der Versuch, Grie-
chenland wirtschaftlich wieder auf die Beine zu bringen,
vor allen Dingen den Griechen die notwendige Zeit zu
geben, um die unbedingt erforderlichen Staatsreformen
auf den Weg zu bringen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben Sie das mal gelesen?)


Natürlich sind mit diesem Hilfsprogramm Reformen und
die Einhaltung von Regeln verbunden, und die sind nicht
beliebig. Das hat die Kanzlerin in ihrer Rede sehr deut-
lich gemacht. Europa ist auch eine Rechtsgemeinschaft,
und die Regeln sind nicht dispositiv für denjenigen, der
gerade die Mehrheit stellt, sondern sie gelten für alle,
ohne Unterschied. Daran müssen sich alle gewöhnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich setzen die Griechen diese Reformen jetzt
nicht lustvoll um; aber sie machen das, weil sie Verant-
wortung für ihr Land übernehmen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Weil sie nicht anders können!)


Herr Tsipras hat gesagt: Ich bin nicht überzeugt von die-
sen Reformen; aber ich fühle mich verpflichtet, die Ver-
einbarungen umzusetzen. Pacta sunt servanda. – Das ist
Übernahme von Verantwortung; aber das scheint Ihnen
völlig fremd zu sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811701400

Der Kollege Gerhard Schick ist der nächste Redner

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe dem Wortwechsel gerade genau gelauscht. Es ist
natürlich leicht, sich auf eine Seite zu stellen, alle Fehler
der griechischen Regierung zu negieren und sich die
Lage dort schönzureden. Was aber auch nicht geht, Herr
Oppermann, ist, so zu tun, als hätte das Papier, das mit
der Unterstützung Ihres Parteivorsitzenden, des Vize-
kanzlers, in der Euro-Gruppe vorgelegt worden ist, eine
freiwillige Entscheidung der griechischen Regierung er-
möglicht. Die Drohung: „Wir schmeißen euch aus dem





Dr. Gerhard Schick


(A) (C)



(D)(B)

Euro-Raum; ihr müsst gehen“, stand so deutlich im
Raum, dass das Land mit dem Rücken zur Wand stand.
Dazu müssen Sie stehen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich habe auch zugehört, wie Ihre Reaktion auf das
Ergebnis war. Sie waren erleichtert, dass Jean-Claude
Juncker wenigstens ein Minimum an Investitionen für
Griechenland rausverhandelt hat. Ich frage mich: Warum
war das eigentlich nicht Teil der Verhandlungsposition
dieser Bundesregierung, die Sie mittragen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie waren erleichtert, dass Präsident Hollande die Irr-
fahrt in Richtung Grexit gestoppt hat. Ich frage mich:
Wieso kam das überhaupt in die Verhandlungsposition
der Bundesregierung? Es scheint ja fast so, als hieße der
Vizekanzler immer noch Westerwelle. Wo sind hier die
Sozialdemokraten gewesen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Bundestag hat heute zwei Anträge vorliegen, die
beide aussagen: Es soll ein Verhandlungsmandat geben.
Die deutsche Vertretung im ESM-Gouverneursrat soll
zustimmen, damit Verhandlungen auf den Weg kommen. –
Wir haben uns als Fraktion entschieden, neben den An-
trag des Bundesministeriums der Finanzen einen eigenen
Antrag zu legen, weil wir meinen, dass mit dem, was der
Bundesfinanzminister hier vorlegt, kein Weg gefunden
wird, der funktioniert, obwohl er vorhin gesagt hat, es
müsse ein Weg gefunden werden, der funktioniere.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie schließen aus – ich erspare uns hier die genaue
Technik –, eine sinnvolle Restrukturierung der Schulden
vorzunehmen. Dabei stellt der Internationale Währungs-
fonds fest, dass das Ergebnis, das Sie verhandelt haben,
in Bezug auf die Schuldenlast „hochgradig untragbar“
ist. Deswegen müssen Sie, damit dem ersten, dem zwei-
ten und dem dritten Programm nicht ein viertes und ein
fünftes folgen, an dieser Stelle endlich eine Position ein-
nehmen, die langfristig funktionieren kann. Sie müssen
den Weg für eine Umstrukturierung der griechischen
Schulden freimachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])


Inzwischen sind sehr viele bereit, Fehler einzugeste-
hen. Der frühere Chef des Internationalen Währungs-
fonds, Dominique Strauss-Kahn, der damals das zweite
Hilfspaket verhandelt hat, hat gesagt: Wir haben da ei-
nen Fehler gemacht. – Mensch, wären wir weiter, wenn
auch Sie das könnten. Dann könnte man jetzt sagen: Es
wurde zu hart und zu kurzfristig gespart. Es braucht
mehr Investitionen. Ohne wirtschaftliche Kraft wird
Griechenland seine Schulden nicht bedienen können.


(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch an dieser Stelle schlagen wir von Bündnis 90/Die
Grünen einen anderen Weg vor, einen Green New Deal
mit Investitionen, damit das Land eine Perspektive, eine
Zukunft hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])


Uns ist wichtig, dass in dem Antrag heute auch etwas
zur sozialen Lage steht. Ich finde, es geht nicht, dass wir
zwar darüber reden, aber dass in der Verhandlungsposi-
tion Deutschlands nichts dazu steht, wie man die akute
Not der Menschen lindern will. Auch das ist unsere Ver-
antwortung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Fraktion hat diesmal anders als bei den frühe-
ren Entscheidungen diskutiert. Das liegt insbesondere an
zwei Punkten, die wichtig sind. Bei der Frage, wie wir in
Europa miteinander umgehen, hat es in den letzten Ta-
gen einen Bruch gegeben.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der LINKEN: Ja!)


Diesen Bruch können wir nicht mittragen. Es gibt eine
Grenze der Konditionalität an der Stelle, wo wir der de-
mokratischen Entscheidung unserer Kollegen Parlamen-
tarier in anderen Ländern keinen Raum mehr lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Bundeskanzlerin hat zu Beginn gefragt, was es be-
deuten würde, wenn in Deutschland die Rentnerinnen
und Rentner Schlange stehen müssten. Ich frage Sie:
Was wäre hier im Haus los, wenn wir jeden Gesetzent-
wurf, bevor wir auch nur darüber diskutieren, einer Kon-
trolle unterwerfen müssten? Wir fänden das inakzep-
tabel. Für alle Parlamentarier in Europa ist so etwas
inakzeptabel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es hat auch in einer zweiten Art und Weise eine Ver-
änderung gegeben, einen Bruch, den wir nicht bereit sind
mitzutragen. Wir fordern Sie auf, ihn zu korrigieren.
Diese Bundesregierung hat sich zum ersten Mal für we-
niger Europa eingesetzt, indem ein Grexit-Vorschlag auf
den Tisch gelegt wurde. Sie haben argumentiert, dass
viel Vertrauen verspielt worden ist. Ich will nichts
schönreden, was auf griechischer Seite passiert ist; aber
dass der Finanzminister der größten Volkswirtschaft die-
ses Währungsraums die Integrität, das Zusammenhalten
dieses Währungsraums zur Disposition stellt, ist unfass-
bar, und dass eine Regierungschefin das zulässt, ist abso-
lut unverantwortlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Man sieht es an den Zahlen. Dass die Schätzungen, wie
viel Geld Griechenland braucht, so stark angestiegen
sind, liegt im Wesentlichen an der Bankenrettung, und
der Bankensektor ist kaputtgegangen, weil das Vertrauen





Dr. Gerhard Schick


(A) (C)



(D)(B)

in den Euro-Raum zerstört worden ist. Deswegen kann
man die zusätzlichen Kosten in Höhe von 25 Milliarden
Euro eindeutig zuordnen. Das sind die Kosten der
Grexit-Fraktion in Deutschland und in Griechenland.
Dieser Finanzminister ist für uns extrem teuer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811701500

Herr Kollege Schick, denken Sie bitte an die Zeit.

Kommen Sie zum Schluss.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum letzten Satz. – Aufgabe wäre jetzt,
nicht für weniger Europa einzutreten, sondern für mehr.
Wir brauchen eine Stärkung der Euro-Zone. Das ist die
Position von Bündnis 90/Die Grünen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811701600

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält

jetzt Volker Kauder das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1811701700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich ihre
Entscheidung, wie sie heute abstimmen will, nicht leicht
gemacht.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na, wer hätte das gedacht!)


Ich habe wahrscheinlich noch nie in einer Bundestags-
fraktion der CDU/CSU eine solch intensive, aber auch
lange Diskussion erlebt, in der die Argumente ausge-
tauscht wurden. Man kann nur sagen: In der Situation, in
der wir jetzt sind, gibt es den einzig hundertprozentig
richtigen Weg wahrscheinlich nicht. Weder diejenigen,
die dem Antrag zustimmen, noch diejenigen, die dem
Antrag nicht zustimmen wollen, können für sich in An-
spruch nehmen, hundertprozentig sagen zu können, was
das eine und das andere bedeutet. Aber eines ist völlig
klar: Es geht heute nicht ausschließlich und vielleicht
nicht einmal in erster Linie darum, Griechenland ein An-
gebot zu machen, sondern es geht darum, dieses Europa
zusammenzuhalten, meine sehr verehrten Damen und
Herren. Das ist die entscheidende Frage, um die wir rin-
gen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass wir ein starkes Europa haben wollen, ist die
klare Position aller in unserer Fraktion. Wenn in dieser
konkreten Situation jetzt gesagt wird: „Wir brauchen
vielleicht eher mehr als weniger Europa“, dann muss ich
sagen: Wir brauchen zunächst einmal die Zusage, dass
sich das Europa, das wir haben, an das hält, was mit-
einander vereinbart worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen also ein rechtsstaatliches Europa. Wir erle-
ben, dass in der ganzen Welt, von China bis Afrika,
Rechtsstaatsdialoge geführt werden, dass als Teil guter
Regierungsführung nicht die Willkür der Politik, son-
dern die rechtliche Garantie zugrunde gelegt wird. Dies
ist in diesem Europa in den letzten Jahren an manchen
Stellen immer wieder zu kurz gekommen.

Wir alle haben gewusst, dass die Aufnahme Grie-
chenlands in die Euro-Zone auch eine politische Ent-
scheidung war. Wir haben gewusst, dass die Vorausset-
zungen wahrscheinlich nicht hundertprozentig erfüllt
sind. Deswegen hat die CDU/CSU-Fraktion im Deut-
schen Bundestag dagegen gestimmt. Nachdem die Ent-
scheidung gefallen war, dass Griechenland Teil der
Euro-Zone wird, hat man – lieber Thomas Oppermann,
das stimmt – nicht mehr hingeschaut. Das war ein ent-
scheidender Fehler. Ich kann nur sagen: Wir verlangen
bei den Verhandlungen, die jetzt mit Griechenland ge-
führt werden, dass dies radikal anders gemacht wird,
dass nämlich etwas vereinbart und nicht nur etwas ge-
glaubt wird und dass auch kontrolliert wird; denn sonst
funktioniert das System nicht mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir Europäer selbstkritisch auf uns selbst bli-
cken, müssen wir sagen: Wir alle wissen, wie wichtig
Haushaltsdisziplin für die Stabilität unserer Währung
und für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum ist. Da-
mals haben wir Stabilitätskriterien eingeführt, um unse-
rer Bevölkerung sagen zu können: Der Euro wird so
stark und stabil wie die D-Mark. – Es ist aber immer
wieder der Versuch unternommen worden, diese Stabili-
tätskriterien nicht einzuhalten bzw. darum herumzukom-
men. Das darf in Zukunft nicht mehr passieren, liebe
Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bevor ich den schönen Satz „Wir brauchen mehr Eu-
ropa“ unterstreiche und darunter verstanden wird „neue
Institutionen, neue Kompetenzen“, sage ich: Wir brau-
chen zunächst ein Mehr an Europa, ein stabiles Europa,
das sich an die Vereinbarungen hält. Wenn sich die Insti-
tutionen in Europa nicht daran halten, was sollen denn
dann die Menschen, die an Recht und Gesetz gebunden
sind, von diesen Einrichtungen halten, liebe Kolleginnen
und Kollegen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der LINKEN)


Ich sehe, dass dies jetzt auf den Weg gebracht wird. Des-
wegen werbe ich sehr dafür, dass wir nun auch die Ver-
handlungen mit Griechenland aufnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt natürlich un-
terschiedliche Auffassungen darüber, ob der Weg, Grie-
chenland im Euro zu halten, funktioniert. Ich kann nur





Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)

eines sagen: Wenn man eine Währungsgemeinschaft hat,
muss man alles versuchen, sei es auch noch so schwer,
um diese Währungsgemeinschaft zusammenzuhalten.
Der Euro ist schließlich unsere Währung, meine lieben
Kolleginnen und Kollegen. Deswegen darf nichts getan
werden, was die Einheit der Währungsgemeinschaft
nicht stabil hält.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Da können die Grünen ruhig klatschen. Aber ich kann
Ihnen eines sagen: Damit dies eintritt, sind zwei Voraus-
setzungen notwendig. Die eine Voraussetzung schaffen
wir heute, indem wir Wolfgang Schäuble beauftragen,
die Verhandlungen auf der Grundlage dessen, was am
letzten Wochenende geschehen ist, weiterzuführen. Die
andere Voraussetzung ist, dass Griechenland bereit ist,
seinen Teil beizutragen. Wenn ich manchen hier im
Deutschen Bundestag höre, bin ich einigermaßen über-
rascht. Als ob die Rettung Griechenlands nur hier im
Deutschen Bundestag geschähe! Da geschieht sie am
wenigsten. Sie muss in Griechenland begonnen werden,
meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will noch einen Hinweis geben zu dem, was von
der Linken gesagt worden ist, aber auch zu dem, Frau
Göring-Eckardt, was die Grünen gesagt haben. Ich finde,
die Frage ist nicht, ob Deutschland die Hilfe nach dem
Krieg verdient hat oder nicht. Ich finde, dass die Men-
schen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die
vielen Frauen, die an dem Unglück nicht schuld waren,
die sich als Trümmerfrauen aufgemacht haben,


(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Deutschland wieder aufzubauen, es verdient hatten, dass
man ihnen half. Aber den Unterschied, wie Hilfe laufen
kann, was übrigens ein klassisches Lehrstück für die jet-
zige Situation ist, haben wir in Deutschland selbst gese-
hen: Die Menschen im Osten, in der DDR, und die Men-
schen im Westen waren gleich fleißig, waren gleich
kreativ, hatten gleiche Anlagen und Chancen. Die einen
konnten sie nutzen, weil das System so war, dass man sie
nutzen konnte; deshalb ist Deutschland West gewachsen.
Die anderen hatten ein System, das dies nicht begünstigt
hat; da konnten die Menschen ihren Beitrag nicht leisten.


(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Deswegen ist die DDR verlottert und nicht gewachsen.
Das war der entscheidende Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es lag nicht an den Menschen, es lag am System.


(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Dieses Lehrstück aus unserer jüngsten Vergangenheit
zeigt es doch – und genau dies machen wir jetzt mitei-
nander –: Wir wollen den Griechen helfen, Bedingungen
zu schaffen, die sie auf genau den Weg führen, den wir
in Deutschland erfolgreich gegangen sind. Da war, Frau
Göring-Eckardt, auch nicht alles hundertprozentig un-
sere freie Meinung. Konrad Adenauer und andere haben
mit den Besatzungsmächten ringen müssen, ob dieses
oder jenes zulässig ist. Die segensreiche Einrichtung des
Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel ist nicht allein
uns, sondern in erster Linie den Amerikanern eingefal-
len, weil sie gedacht haben, wir seien nicht zuverlässig
genug.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Heute muss man sagen, dass die Entscheidung richtig
war. Wir wollen, dass die Griechen mit unserer Hilfe nun
endlich so weit kommen, einen Staat zu schaffen, der in
diese Euro-Zone passt und der wettbewerbsfähig ist. Das
ist der entscheidende Punkt. Das muss geschehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde, da hat Wolfgang Schäuble, hat die Bundes-
kanzlerin, unterstützt von unserem Koalitionspartner, hat
die Regierung den richtigen Weg eingeschlagen.

Ich habe mich wie der eine oder andere Kollege in
meiner Fraktion manchmal gefragt, ob es wirklich rich-
tig war, dass europäische Institutionen den Eindruck er-
weckt haben, es bleibe alles so, wie es ist, ohne dass grö-
ßere Anstrengungen notwendig seien. Da war der
Hinweis von Wolfgang Schäuble doch völlig richtig, der
da lautet: Leute, wir machen euch ein Angebot, weil wir
sehen, dass es nur so geht. Aber die letzte Entscheidung,
ob ihr das machen wollt, trefft ihr selber. – Das war nicht
Härte, wie immer gesagt worden ist, sondern schlicht
und ergreifend politische Vernunft, nämlich der Wunsch,
Europa als Rechtsgemeinschaft zusammenzuhalten. Da-
für herzlichen Dank, lieber Wolfgang Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die große Mehrheit meiner Fraktion wird heute zu-
stimmen und Wolfgang Schäuble den Auftrag zu Ver-
handlungen erteilen. Es gibt aber auch einige, die sagen,
sie könnten dem nicht folgen. Ich finde, die Botschaft
nach Europa und die Botschaft nach Griechenland muss
heißen: Wir haben den Kurs von Wolfgang Schäuble in
der letzten Verhandlungsrunde mitgetragen und unter-
stützt. Niemand soll sich in Europa täuschen. Auch heute
wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Kurs ihres
Finanzministers unterstützen und ihn damit stärken auf
dem Weg, Griechenland in Europa wettbewerbsfähig zu
machen und in eine Zukunft zu führen. Heute muss die
Botschaft sein: Unsere Fraktion unterstützt Wolfgang
Schäuble in seiner Verhandlungsstrategie, in seiner Ver-
handlungsarbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es geht heute nicht allein um die Frage: Griechen-
land, ja oder nein. Es geht vielmehr um die Zukunft Eu-
ropas und darum, dass wir allen zeigen, dass wir auf dem
Weg vorangehen, die Euro-Zone zusammenzuhalten und
Europa wettbewerbsfähig zu machen. Wir müssen der
Welt zeigen, dass wir Europäer zusammenhalten. Intern





Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)

aber müssen wir sagen: Jeder muss seinen Beitrag leis-
ten, um Europa wettbewerbsfähig zu machen. Es reicht
nicht aus, dass Deutschland wettbewerbsfähig ist. Auf
diesem Weg unterstützen wir diejenigen, die eine Haupt-
last der Verhandlungen getragen haben, nämlich
Wolfgang Schäuble und Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811701800

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811701900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Schäuble, Sie haben der Opposition vorgeworfen, sie
würde behaupten, dass alles leicht gehe. Ich glaube, nie-
mand sagt, dass es leicht geht. Aber eines müssen wir
doch konstatieren: Es gab schon zwei sogenannte Hilfs-
pakete. Diese Hilfspakete haben Ergebnisse gebracht.
Wir sehen, die griechische Wirtschaft ist zusammenge-
brochen, es gibt eine humanitäre Katastrophe. Aber das
Entscheidende ist: Europa wurde dadurch nicht zusam-
mengeführt. Das Gegenteil ist der Fall; Europa driftet
auseinander. Das hat auch darin seine Ursache. Wo ist
denn beim dritten Hilfspaket wirklich eine Korrektur? Es
gibt keine. Wo sind denn die notwendigen Investitionen?
Diese gibt es nicht. Wo ist eine Lösung für die Schul-
den? Auch diese gibt es nicht. Stattdessen: Der bisherige
Weg, der in diese Katastrophe geführt hat, wird fortge-
setzt. Deswegen werden wir mit Nein stimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Schäuble, Sie sprachen von einer ernsthaften
Debatte. Das heißt bei Ihnen im Kern: Entweder sieht
man das Ganze so wie Sie, oder das, was man sagt, ist
billige Polemik. – Nein, das ist nicht der Fall. Es gibt
wirklich Alternativen. Es gibt nicht nur den Weg, den
Sie beschreiben. Aber Sie haben – das will ich gerne auf-
nehmen – einen kühlen Kopf angemahnt. Die Kanzlerin,
der Vizekanzler, Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht,
alle haben darüber geredet, dass es nicht nur um Grie-
chenland, sondern dass es um Europa geht.

Ich will zitieren:

Europa … ist Vielfalt und Kultur, ist Freundschaft
und Miteinander, ist Nachhaltigkeit und Zukunft.
Es ist doch kleinmütig, wenn wir Europa, wenn wir
die europäische Idee nur auf Finanzfragen – so
wichtig die sind – reduzieren wollten. … Was hält
Europa zusammen? Ganz sicher seine weltweit ein-
malige Mischung aus Freiheit und sozialer Gerech-
tigkeit, aus demokratischer Teilhabe und Rechts-
staatlichkeit. Das hat etwas mit der jüdisch-
christlichen Prägung Europas in seinen Anfängen
zu tun, auch mit dem Erbe des klassischen Grie-
chenland.

Das sind die Worte eines für die Verdienste um die Ei-
nigung Europas Ausgezeichneten, eines Trägers des In-
ternationalen Karlspreises zu Aachen. Der eben zitierte
Preisträger heißt Wolfgang Schäuble.


(Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Daran ist nichts Falsches!)


Er hat in seiner Rede dann weiter ausgeführt, dass, wenn
eine junge Europäerin aus Griechenland den Preis erhält,
dies die richtige Antwort sei. Das Sehnen nach Freiheit,
nach Sicherheit, nach Stabilität, nach Rechtsstaatlich-
keit, nach Wohlstand und nach Solidarität sei wichtig.


(Johannes Kahrs [SPD]: Und Sie stimmen heute dagegen!)


Warum, Herr Schäuble, haben Sie denn mit dieser
Position des Jahres 2012 gebrochen?


(Beifall bei der LINKEN)


Sie vertreten jetzt die Position, die Volker Kauder im
November 2011 formuliert hat: „Auf einmal wird in Eu-
ropa Deutsch gesprochen.“ Das ist Ihre Position. Das ist
nicht akzeptabel. Wir wollen kein deutsches Europa,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es sind hier viele Zitate von Herrn Renzi und anderen
vorgetragen worden. Ich will nur auf eines verweisen.
Herr Gabriel hat hier gesagt, Deutschland und Frank-
reich haben Führung übernommen. Ich möchte dazu den
österreichischen Kanzler Werner Faymann zitieren. Er
sagte:

Besonders das zuletzt gute deutsch-französische
Verhältnis ist auf die Probe gestellt worden, das hat
man gemerkt.

Sie haben das deutsch-französische Verhältnis auf die
Probe gestellt. Das ist nicht in Ordnung. Dieses Verhält-
nis ist wichtig für Europa. So etwas dürfen auch Sie sich
nicht leisten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ohne orakeln zu wollen: Es ist nicht ausgeschlossen,
dass die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs
vom 13. Juli am Ende als der Anfang vom Ende der eu-
ropäischen Einigung charakterisiert werden. Sie, meine
Damen und Herren, verspielen das Erbe von Helmut
Kohl, das Erbe von Helmut Schmidt. Das ist die reale Si-
tuation.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch grober Unfug!)


Einen Beweis – für Sie, Herr Kahrs –, ich zitiere
Romano Prodi, auch kein Linker:

Die deutsche Regierung war unflexibel. Die grie-
chische Regierung hat tausend Fehler gemacht, das
ist klar, aber sie wurde zwangsverwaltet und ihrer
Entscheidungsgewalt beraubt. Und das wird in Zu-
kunft kräftige Spuren hinterlassen. Jetzt sorgt das
erst mal nur für viel Angst.

Herr Prodi spricht von Angst, von Angst vor Deutsch-
land. Wohin sind wir gekommen, meine Damen und





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

Herren? Das ist angesichts unserer Geschichte zumin-
dest einmal ein Anlass, nachzudenken.


(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich kurz etwas sagen, weil Herr

Oppermann uns vorgeworfen hat, uns ginge es nicht um
die Menschen. Schauen Sie sich das Gesundheitswesen
in Griechenland an! Eine Katastrophe, ein Drittel der
Bevölkerung ist nicht mehr krankenversichert. Auf
Deutschland umgerechnet wären das 27 Millionen Men-
schen, eine völlig inakzeptable Situation. Ich habe ges-
tern einen Bericht gelesen, in dem geschildert wurde,
wie ein schwer herzkranker Mann auf der Intensivstation
behandelt worden ist. Er war anschließend wegen nicht
bezahlter Rechnung viereinhalb Monate in Untersu-
chungshaft. Stellen Sie sich eine solche Situation einmal
vor, meine Damen und Herren!

Deswegen sind wir hier, unabhängig von allen ande-
ren Programmen, gefordert, zu handeln. Wir können
handeln. Wir sollten die Lieferung von Medikamenten
für chronisch Kranke initiieren. Wir müssen vor allen
Dingen die aktive Abwerbung von griechischen Ärzten
und Pflegekräften durch Deutschland stoppen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Sie stimmen doch heute dagegen!)


Das wäre eine richtige Maßnahme, mit der wir wirklich
unterstützen könnten.


(Beifall bei der LINKEN)

Ich könnte die gesamte humanitäre Katastrophe be-
schreiben.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Sie stimmen doch dagegen!)


Es widerspricht sogar der Grundrechtecharta der Euro-
päischen Union, was dort passiert.

Daher ist es eben nicht ausreichend, wie der Vize-
kanzler sagt, dass Unternehmen, Kommunen und Wohl-
fahrtsverbände agieren sollen. Das ist zwar sehr gut, und
wir sind auch damit einverstanden, aber die Bundesre-
gierung und wir sind hier gefordert.


(Johannes Kahrs [SPD]: Ja, aber Sie stimmen doch dagegen! Das ist doch unglaublich!)


Angesichts dieser Katastrophe sollten wir ein Hilfspro-
gramm auflegen, und zwar sehr schnell und sehr kon-
kret, damit wirklich geholfen wird.


(Beifall bei der LINKEN)

Es nutzt im Übrigen überhaupt nicht, Dankeshymnen

vorzutragen, wie es Herr Oppermann getan hat. Das
passt bei der Lola-Verleihung, aber nicht im Deutschen
Bundestag.


(Beifall bei der LINKEN)

Er sollte besser dort ansetzen, wo es notwendig ist.

Wenn ich dann noch „marxistische Dialektik“ höre,
so mache ich gerne einmal ein individuelles Seminar. Es
geht nämlich schief, wenn sich Sozialdemokraten daran
versuchen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702000

Herr Kollege.


Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811702100

Frau Präsidentin, ich kürze es ab. – Meine Damen und

Herren, stoppen Sie diese verhängnisvolle Entwicklung!
Denken Sie noch einmal darüber nach, was außerhalb
dessen, was Sie heute gegen unsere Stimmen beschlie-
ßen werden, möglich ist! Es wäre sinnvoll, damit Europa
zusammengehalten wird. Denn das sollte unser aller Ziel
sein.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702200

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Carsten

Schneider das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1811702300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es gibt mittlerweile eine intensive Debatte in der euro-
päischen Öffentlichkeit. Das zeigen nicht nur die vielfäl-
tige Berichterstattung in den Zeitungen und das Interesse
der Bevölkerung an diesem Thema und den vielen De-
batten, die wir im Deutschen Bundestag zu Griechenland
und anderen Ländern führen. Es ist ein Vorteil, dass es
keine Spaltung gibt, sondern ein gegenseitiges Interesse.

Wir müssen aber dazu kommen, dass eine solche
Spaltung, die durchaus möglich ist, nicht durch Politiker
betrieben wird, die ihre jeweilige nationale Öffentlich-
keit bespielen und dort Applaus suchen. Das war in
Griechenland lange Zeit der Fall, wo die Politiker die
Politik, die sie machen mussten, sehr stark auf die ande-
ren Länder, insbesondere auf Deutschland, bezogen ha-
ben. Mein Eindruck ist aber auch, dass der eine oder an-
dere im Bundestag die Debatte eher sucht, um die
nationale Öffentlichkeit zu bespielen und Vorurteile zu
bedienen. Diesen Weg dürfen wir nicht gehen.


(Beifall bei der SPD)


Zu Griechenland haben wir heute zwei Extremposi-
tionen zu dem Erfolg der letzten fünf Jahre erlebt. Auf
der einen Seite steht der Bundesfinanzminister, der
sagte: Alles war gut, aber dann kam der Regierungs-
wechsel, und damit ist es schlecht geworden. – Auf der
anderen Seite haben wir die Linkspartei, die sich nicht
zwischen Linkspopulismus – wie Herr Gysi heute, als er
vom Europa der Banken gesprochen hat – und Rechtspo-
pulismus – wir haften für Kredite, die wir gar nicht ge-
währen wollten – entscheiden kann. Sie vertritt eine Art
Zwischenposition und sagt dann auch noch: Es war alles
schlecht.

Ich glaube, beide Positionen sind nicht richtig. Der
Bundesfinanzminister hat vorhin den IWF zitiert, der
gesagt habe: Es ist alles gut. – Ich lese dessen Stellung-
nahmen anders. Schon im März 2012 hat der IWF eine
Analyse zur Schuldentragfähigkeit und zu den wirt-





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

schaftspolitischen Maßnahmen und deren Auswirkungen
erstellt. Sie haben eine selbstkritische Analyse gemacht,
und ich wünschte mir, das würde auch in Deutschland
stärker zur Kenntnis genommen. Denn sie haben die fis-
kalischen Multiplikatoren deutlich unterschätzt. Was
heißt das? Sie haben unterschätzt, wie stark sich Steuer-
erhöhungen und auch Ausgabenkürzungen auf die Wirt-
schaftsleistung Griechenlands auswirken. Deswegen ist
die Wirtschaftsleistung in Griechenland mit 25 Prozent
stärker eingebrochen als prognostiziert. Ich finde, es
steht uns gut an, zu sagen: Das war ein Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das war ein klarer Fehler. Wir haben zu schnell und zu
hart auf Einsparungen und finanzielle Anstrengungen
zum Abbau des Defizits gesetzt. Das Defizit lag in Grie-
chenland bei 15 Prozent. Wir haben viel zu wenig auf
das geachtet, was Thomas Oppermann heute hervorge-
hoben hat, nämlich das Institutionenversagen und Staats-
versagen in Griechenland.

Ich will aber keine rückwärtsgewandte Diskussion
führen, sondern nach vorne blicken. Wir Sozialdemokra-
ten stehen nicht für eine Drohung gegenüber Griechen-
land mit einem Grexit und einem Ausscheiden aus der
Währungsunion, wenn sie nicht spuren, zur Verfügung.
Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD)


Wir profitieren am meisten von allen europäischen
Ländern durch die Europäische Union und den Euro.
Das ist erstens der Fall, weil der Euro-Kurs niedriger ist,
als er es unter Bedingungen wie in der D-Mark-Zeit
wäre. Das heißt, unsere Exporte sind billiger, als sie es
normalerweise wären. Das gibt Raum für Lohnerhöhun-
gen, die die Gewerkschaften jetzt auch durchsetzen.

Der zweite Punkt ist: Den Haushaltsausgleich im
Bundeshaushalt, über den wir uns freuen, auch weil wir
dadurch Möglichkeiten haben, zusätzlich zu investieren,
haben wir vor allem dadurch erzielt, dass wir extrem
niedrige Zinsen auf alle unsere Staatsschulden zahlen
müssen. Das sind über 10 Milliarden bzw. 12 Milliarden
Euro pro Jahr, die wir einsparen. Ich finde, es steht uns
als reichstem und wirtschaftlich stärkstem Land in Eu-
ropa gut an, an dieser Stelle mit einem Land wie Grie-
chenland gemeinsam die Probleme zu lösen. Wer dort
war, hat gesehen, wie sehr die Wirtschaft am Boden
liegt. Ja, die griechische Vorgängerregierung und auch
die amtierende Regierung haben in den letzten Jahren
wenig dazu beigetragen, dass es besser wird. Aber nun
haben wir die Chance, mit einer Regierung, die das
Grundübel anpacken will, den korrupten, nicht effizien-
ten Staat zu bekämpfen. Ich finde, wir müssen diese
Chance ergreifen und den Griechen so gut wie möglich
helfen. So interpretiere ich den Antrag, den der Bundes-
finanzminister für heute gestellt hat.

Ich erwarte, dass in diesem Sinne verhandelt wird. Ich
will klar sagen: Mich haben die Diskussionen – zuletzt
gestern im Deutschlandfunk –, ob der Grexit nicht doch
die bessere Variante für Griechenland wäre, mehr als ir-
ritiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn ein Grexit wäre für Europa und insbesondere für
Deutschland nicht die bessere Variante, sondern die teu-
erste Variante. Schließlich würden in einem solchen Fall
die Kredite, die wir gegeben haben, sofort fällig. Es wäre
für Griechenland nicht die beste Variante, weil dort dann
die Banken geschlossen würden und Chaos herrschen
würde, genauso wie es die Bundeskanzlerin eben erklärt
hat. Aus diesem Grund bitte ich Sie, Herr Bundesfinanz-
minister: Seien Sie bei den Verhandlungen der Finanz-
minister Öl und nicht Sand im Getriebe!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702400

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Sven-Christian

Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist völlig klar: Wir haben in den letzten
Wochen und Monaten einen unsäglichen Verhandlungs-
poker erlebt. Dazu hat auch die griechische Regierung
viel beigetragen. Sie hat viel Vertrauen zerstört und ist
zu wenige notwendige Strukturreformen angegangen;
das kritisieren wir Grüne klar. Das muss hier gesagt wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich aber noch einmal mit der Rolle der Bun-
desregierung beschäftigen. Es wird Sie nicht überra-
schen, dass ich von dieser Bundesregierung wenig halte.
Trotzdem hat mich am letzten Wochenende ziemlich
überrascht, was diese Regierung vorgelegt hat. Ich hätte
nicht erwartet, dass man so weit geht. Wie die Bundesre-
gierung – mit welcher Dominanz, mit welcher Erpres-
sungsstrategie und mit dem Grexit-Vorschlag in einer
Situation, in der Europa am Abgrund steht – vorgegan-
gen ist, hat mich am Wochenende wirklich fassungslos
gemacht. So darf doch eine Bundesregierung in Europa
nicht verhandeln. Das geht doch nicht. Das muss man
hier klar kritisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was ist an diesem Wochenende passiert? Die Bundes-
regierung hat – der Schäuble-Vorschlag war ja mit Frau
Merkel und Herrn Gabriel abgestimmt – einen Vorschlag
für einen Grexit in die Verhandlungen eingebracht. Da-
mit hat sie für weniger statt für mehr Europa plädiert.
Das ist ein historischer Bruch mit der deutschen Europa-
politik seit den Römischen Verträgen von 1957.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Waren Sie dabei?)


Hier bahnt sich ein historischer Paradigmenwechsel an,
weil man zu sehr auf die nationalen Stammtische schaut
und zu wenig auf das gemeinsame europäische Interesse
achtet. Es macht mich sehr besorgt, was wir gerade in





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)

diesen Stunden in Deutschland und im Bundestag erle-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen dafür eintreten, dass es ein gemeinsames
Europa gibt, dass nicht nach dem Motto „Der Stärkere
gewinnt“ verhandelt wird, sondern dass man faire Kom-
promisse schließt. In Berlin darf kein Hegemoniezen-
trum aufgebaut werden. Die Bundesregierung darf kein
deutsches Europa vorantreiben. Notwendig ist doch ein
europäisches Deutschland, ein gemeinsames Europa.
Dafür müssen wir in Deutschland streiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Am Wochenende haben wir einen zweiten histori-
schen Bruch erlebt. Bisher war immer klar: Eine zentrale
Säule der deutschen Europapolitik ist die deutsch-fran-
zösische Zusammenarbeit. – Diese wurde an diesem
Wochenende schwer beschädigt. Trotz politischer Unter-
schiede haben Deutschland und Frankreich auf europäi-
scher Ebene immer versucht, zusammenzuhalten und zu
gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Aber diesmal
mussten Frankreich, Italien und andere europäische Län-
der den Grexit-Vorschlag Deutschlands verhindern. Ich
möchte hier ganz klar Danke sagen, Danke an François
Hollande, Danke an Matteo Renzi, Danke an Werner
Faymann in Österreich und Danke an Jean-Claude
Juncker. Vielen Dank, merci beaucoup, grazie mille!
Das, was Sie am Wochenende gemacht haben, war not-
wendig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne sagen klar: Wir sind für Verhandlungen.
Wir sind gegen den Grexit. Wir sind für ein drittes Hilfs-
programm. Wir sind aber für faire Verhandlungen. Wir
sind für ein faires Ergebnis. Wir wollen gerechte Struk-
turreformen in Griechenland, aber keine weitere Ka-
puttsparpolitik. Deswegen haben wir einen eigenen Ent-
schließungsantrag für ein ESM-Mandat vorgelegt. Wir
brauchen jetzt Verhandlungen – aber zu fairen Bedin-
gungen –, die Griechenland helfen, im Euro zu bleiben;
denn nur eine faire, eine nachhaltige Lösung wird dafür
sorgen, dass der Grexit dauerhaft verhindert ist, und das
ist notwendig.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702500

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1811702600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute eine schwierige Entscheidung zu tref-
fen. Niemand in diesem Haus macht sich diese Entschei-
dung leicht. Wir in der CDU/CSU-Fraktion und in mei-
ner Landesgruppe haben in den letzten Tagen intensiv
diskutiert. Wir haben alle Argumente nicht nur angehört,
sondern auch ausgetauscht.

Ich habe großes Verständnis für so manche Unsicher-
heit, auch für Unmut über das Verhalten der griechischen
Regierung in den vergangenen Tagen, Wochen und Mo-
naten. Diese Unsicherheit kommt natürlich auch daher,
dass man sich fragt: Wird die jetzige griechische Regie-
rung erstens die Kraft haben, zweitens den Mut haben,
drittens auch den Willen haben, die notwendigen Maß-
nahmen auch wirklich umzusetzen, durchzusetzen und
nicht nur theoretische Beschlüsse zu fassen? Diese Frage
stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Äuße-
rungen so mancher Regierungsmitglieder in Griechen-
land in den letzten Tagen und Wochen.

Tatsache ist, dass in diesen letzten Wochen und Mo-
naten die griechische Regierung viel Vertrauen der Part-
ner in Europa kaputtgemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt leider!)


Das ist das eine. Dazu kommt aber auch noch, dass in
den letzten Monaten wertvolle Zeit verstrichen ist, dass
die notwendigen Reformen nicht gemacht wurden, dass
sogar frühere Reformen, die erfolgreich waren, wieder
zurückgenommen wurden. Dazu gehört, dass Wahlver-
sprechen gemacht wurden, von denen von Anfang an
klar war, dass sie mit eigenen Mitteln nicht zu finanzie-
ren sind. Das alles hat dazu geführt, dass das Land mitt-
lerweile wieder am Abgrund ist, und die Menschen in
Griechenland sind die Leidtragenden.

Dabei hat alles eigentlich einen ganz guten Weg ge-
nommen. Ende letzten Jahres war die wirtschaftliche
Entwicklung wieder so, dass sogar Wachstum verzeich-
net werden konnte, das stärkste Wachstum in allen euro-
päischen Ländern. Die Arbeitslosigkeit ging in der Ten-
denz zurück. Ja, auch bei der Staatsschuldenquote wurde
eine Trendwende erreicht. Aber das alles ist ganz schnell
innerhalb weniger Monate durch diese Regierung ka-
puttgemacht worden. Das gehört zur Wahrheit, und des-
halb ist so manche Skepsis durchaus verständlich. Diese
Wahrheit ist letztlich das praktische Ergebnis der Politik
einer Regierung, die von Links- und Rechtsextremen ge-
führt wird. Bei einer Gelegenheit wie dieser fällt mir im-
mer ein, was Margaret Thatcher vor vielen Jahren, ja
Jahrzehnten gesagt hat – ich zitiere sinngemäß –:


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Anel war bis vor kurzem Ihre Schwesterpartei!)


Das Problem der Linken ist, dass ihnen irgendwann ein-
mal das Geld anderer Leute ausgeht. – Genau das ist es.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun ist die Frage: Was ist zu tun? Was ist die Zielset-
zung? Es wurde in der Debatte schon mehrfach ange-
sprochen: Es geht nicht nur um Griechenland. Es geht
bei dieser Debatte und bei dieser Entscheidung um die
Stabilität unserer gemeinsamen Währung und um die
Stabilität unseres gemeinsamen Europas. Die gemein-
same Währung ist es! Es ist nicht irgendeine Währung.
Es ist unsere Währung. Deshalb haben wir alle in Europa
das größte Interesse daran, dass diese unsere Währung

(B)






Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)

stabil bleibt und dass dieses Europa zusammenbleibt;
denn es ist die größte, die beste Errungenschaft dieses
Jahrhunderts.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist gut, dass wir über den richtigen Weg ausgiebig
diskutieren. Es sind mehrere Vorschläge gemacht wor-
den; die Kanzlerin ist darauf eingegangen, ich brauche
das nicht zu vertiefen. Der Vorschlag, der auf dem Tisch
liegt, ist einer, der an das anschließt, was wir bisher
gemacht haben, und zwar nicht nur in Griechenland,
sondern in ganz Europa, nämlich an den Grundsatz: So-
lidarität und Eigenverantwortung gehören zusammen.
Solidarität ja, aber für die notwendigen Reformen muss
das jeweilige Land sorgen. Nur dann, wenn die Hausauf-
gaben in den jeweiligen Nationalstaaten gemacht wer-
den, wird dieses Europa wettbewerbsfähig bleiben und
werden die einzelnen Nationalstaaten auch wettbewerbs-
fähig sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieser Grundsatz – Solidarität und Eigenverantwor-
tung – spiegelt sich in dem wider, was Grundlage der
Verhandlungen sein wird, nachdem wir heute die Ent-
scheidung dafür treffen. Er ist sogar in Richtung von
noch mehr Eigenverantwortung verstärkt, weil dies not-
wendig ist. Dazu gehört beispielsweise, dass das griechi-
sche Parlament schon vorgestern, vor unserer Entschei-
dung hier, Beschlüsse gefasst und Gesetze verabschiedet
hat. Dazu gehört auch, dass der IWF weiterhin dabei ist.
Dazu gehört der Treuhandfonds für die Privatisierungen
und vieles mehr.

Ja, es ist strenger. Die Konditionalität ist strenger. Wir
brauchen keine Ankündigungen, sondern wir brauchen
Beschlüsse.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir brauchen keine unverbindlichen Listen, sondern wir
brauchen konkrete Gesetze. Wir brauchen nicht Worte,
sondern wir brauchen Taten. Das ist die Grundlage.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte dem Bundesfinanzminister für die anste-
henden Verhandlungen Folgendes mit auf den Weg ge-
ben: Wir wollen Sie in Ihrem Bemühen stärken, die Kon-
ditionalität auch in den konkreten Verhandlungen
hochzuheben, und zwar nicht, weil wir einfach hart sein
wollen, sondern weil es die Situation in Griechenland
notwendig macht.

Manche fragen: Ist das nicht vielleicht zu hart? Ist es
nicht zu schnell, was wir da erwarten? Meine Damen
und Herren, wenn die griechische Regierung in den letz-
ten Monaten ihre Hausaufgaben gemacht hätte, wenn
nicht wertvolle Zeit verstrichen wäre und wenn nicht
Wahlversprechen gemacht worden wären, die nicht ein-
gehalten werden konnten – von Anfang an nicht einge-
halten werden konnten –, dann wäre Griechenland nicht
in der Situation, in der es jetzt ist, und dann bräuchten
wir diese harten, einschneidenden Maßnahmen auch
nicht. Das hat Griechenland selbst zu verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Maßnahmen sind kein Hilfspaket. Diese Maß-
nahmen sind vielmehr Maßnahmen, in deren Vorder-
grund die Reformen stehen. Dabei handelt es sich um
Strukturreformen, die nach einem doch relativ erkennba-
ren und schon länger erkennbaren Staatsversagen auch
den Staatsaufbau beinhalten, und zwar in der Steuerver-
waltung, in der Sozialverwaltung, in der Arbeitsverwal-
tung, im Katasterwesen und in allem, was dazugehört.
Das ist bei diesem Programm sogar ganz wesentlich, und
es ist gut, dass dies schon im Vorfeld unserer Entschei-
dung, vor dem Verhandlungsmandat, erkannt und als
Zielsetzung verankert wurde.

Es wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der De-
batte mehrfach angesprochen: Was wir mit dieser Ent-
scheidung heute machen, hat eine große europapoliti-
sche Bedeutung. Eines der wichtigsten Ergebnisse des
Gipfels vom vergangenen Wochenende war, dass Europa
zusammengeblieben ist, meine Damen und Herren, dass
es eben keinen Riss zwischen Deutschland und Frank-
reich gegeben hat und gibt, dass es keinen Riss in
Europa gibt. Trotz der ganz unterschiedlichen national-
staatlichen Interessen, trotz der unterschiedlichen Be-
findlichkeiten und Mentalitäten in den einzelnen Natio-
nalstaaten Europas, trotz der unterschiedlichen Parteien,
die dort an der Regierung sind: Europa hat einheitlich
gehandelt. Das war immer die große Stärke von Europa:
dass Kompromisse gefunden wurden, dass es weiter-
ging, dass man nationalstaatliche Interessen zwar immer
mit in die Waagschale geworfen hat, ausdiskutiert hat,
dass man dann aber um das Gemeinsame gerungen hat;
denn nur dann sind wir eine Wertegemeinschaft, eine
Währungsunion, eine Schicksalsunion, eine Friedens-
und Freiheitsunion, so wie wir dieses Europa verstehen.

Dazu gehört aber – ich möchte ausdrücklich das beto-
nen, was Volker Kauder vorhin gesagt hat –, dass Regeln
und Vereinbarungen auch eingehalten werden. Auch das
gehört zu diesem Europa! Europa kann nur das sein, was
wir wollen, wenn das, was nationalstaatlich oder in den
einzelnen europäischen Gremien vereinbart ist, nicht nur
auf dem Papier steht und nicht politisch aufgeweicht
wird. Vielmehr müssen alle sich bemühen, dieses auch
einzuhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute die
Entscheidung für ein Verhandlungsmandat für den Bun-
desfinanzminister treffen, sind wir am Anfang eines We-
ges, der in den nächsten Wochen noch viel Arbeit abver-
langt und uns auch darüber hinaus mit Sicherheit
mehrfach beschäftigen wird. Es ist nicht so, dass es ein-
mal eine Entscheidung gibt, und dann läuft das schon.
Nach dem, was wir im Plan vor uns haben, wird engma-
schig kontrolliert, und deshalb wird uns das immer wie-
der beschäftigen.

Dabei muss ich ehrlich gestehen: Das Vertrauen in die
griechische Regierung muss erst noch erwiesen und auf-
gebaut werden. Aber ich weiß: Die Bevölkerung in
Deutschland, die Menschen in Deutschland haben gro-
ßes Vertrauen in unsere Bundeskanzlerin und in den
Bundesfinanzminister, und dieses Vertrauen ist auch ge-
rechtfertigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)

Ich möchte Ihnen herzlich danken für die Arbeit in den
vergangenen Tagen und Wochen, Ihnen aber auch versi-
chern: Das Vertrauen, das Ihnen die deutsche Bevölke-
rung entgegenbringt, das bringen auch wir Ihnen entge-
gen. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702700

Vielen Dank. – Als Nächstes erhält der Kollege

Manuel Sarrazin für eine kurze Rede das Wort.


(Zuruf von der LINKEN: Rekordverdächtig kurz!)



Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1811702800

Frau Präsidentin! Ich glaube, dass hier die Koalition

versucht, etwas, was am letzten Wochenende passiert ist,
kleinzureden, und zwar hat die Bundeskanzlerin am
Samstag ihr Wort gebrochen. Die Bundeskanzlerin hat
im Jahr 2012 gesagt: Ich möchte Griechenland im Euro
halten. – Die Bundeskanzlerin hat hier verantwortet,
dass wir Euro-Rettungspakete beschließen, in denen wir
mit unserem deutschen Bundeshaushalt dafür ins Risiko
gehen, dass Griechenland im Euro bleibt und nicht de-
faultet. Dieses Versprechen, dieses Wort, das ist nicht
von Alexis Tsipras oder von irgendwem, von Herrn
Gysi, sondern das ist das Wort von Angela Merkel gewe-
sen, und das wurde an diesem Wochenende gebrochen.
Das versuchen Sie hier kleinzureden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das wichtigste Kapital der Euro-Rettung wie der eu-
ropäischen Einigung ist der politische Wille und viel-
leicht inzwischen auch der Ton. Frau Merkel hat gesagt:
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. – Ich habe im Aus-
land immer gesagt: Auf den Willen Deutschlands, dass
der Euro bestehen bleibt, kann man sich verlassen. –
Das, was Sie an diesem Wochenende geschafft haben,
ist, dass es nicht mehr so glaubwürdig ist, dass Deutsch-
land entschlossen dafür einsteht, dass der Euro so, wie er
ist, bestehen bleibt. Das ist die Zeitenwende, die Sie hier
kleinreden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt Argumente, die man anführen kann. Ich
glaube, dass Herr Schäuble nicht dumm ist. Ich glaube,
dass der Vorschlag von Herrn Schäuble, der von der
Koalition gebilligt wurde, klar war. Darum hören Sie
sich an, was wir zu sagen haben: Auch wenn Sie auf-
grund einer anderen europapolitischen Überzeugung den
parteipolitischen Konsens, der in Deutschland in den
letzten 60 Jahren bestand, nämlich dass Europa immer
enger zusammenrückt, verlassen: Wir, Bündnis 90/Die
Grünen, werden an Bord bleiben und weiterhin für das
gemeinsame Europa einstehen.

Danke sehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811702900

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Axel

Schäfer das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1811703000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es geht um drei Dinge: um das gemeinsame Europa, um
das Mitgliedsland Griechenland und um das Mitglieds-
land Deutschland.

Erstens. Das gemeinsame Europa, geschätzte Kolle-
ginnen und Kollegen von den Grünen, ist an diesem Wo-
chenende Gott sei Dank eben nicht zerbrochen; denn
diejenigen, die die zentrale Verantwortung haben, haben
für den Zusammenhalt gesorgt. Diese zentrale Verant-
wortung tragen auf der einen Seite die Repräsentanten
der Institutionen – der Präsident der Kommission,
Juncker, der Präsident des Rates, Tusk, der Präsident der
Euro-Zone, Dijsselbloem, und der Präsident des Euro-
päischen Parlaments, Schulz –, und auf der anderen Seite
die deutsch-französischen Beziehungen, also die deut-
sche Bundeskanzlerin und der französische Präsident.
Diese Konstellation hat einen Kompromiss und einen
einstimmigen Beschluss ermöglicht. Diese europäische
Konstellation, bestehend aus drei Sozialdemokraten und
drei Christdemokraten, trägt die Verantwortung. Auch
die Koalition in diesem Haus muss die gemeinsame Ver-
antwortung wahrnehmen.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Ich sage das bewusst, weil nicht alle in diesem Haus da-
für waren, dass Jeroen Dijsselbloem weiterhin Präsident
der Euro-Gruppe bleibt. Herzliche Gratulation zu seiner
Wiederwahl.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Zu Griechenland. Ja, die Probleme sind
vielschichtig und widersprüchlich. Es gibt nicht nur
schwarz und weiß, vieles ist leider auch schrecklich
grau. Aber eines ist klar: Die griechische Regierung trägt
eine besondere Verantwortung. Es hilft den Kolleginnen
und Kollegen der Linkspartei überhaupt nicht, dies in
Abrede zu stellen, dies zu leugnen. Vielmehr geht es da-
rum, dass eine linke Partei, die Verantwortung hat, auch
Verantwortung übernimmt. Heute geht es hier wie auch
in Athen um eine ganz simple Frage: Stimmen die Parla-
mente mit Ja – es kann also verhandelt werden – oder
sagt ein Parlament Nein? Wenn das alle tun, dann hätte
das zur Folge, dass Europa am Ende ist. Heute geht es
darum, dies zu verhindern.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, wir un-
terstützen Alexis Tsipras bei seinen Bemühungen, die er
in Brüssel zugesagt hat. Wir sagen auch: Hüte dich vor
falschen Freunden, es sind deine wahren Gegner. – Es ist
schon ein Problem, wenn bei der Rede des griechischen
Ministerpräsidenten im Europäischen Parlament nicht
nur Linke – das ist okay –, sondern auch diejenigen, die
Europa zerstören wollen, wie Le Pen und UKIP – und





Axel Schäfer (Bochum)



(A) (C)



(D)(B)

das sind auch Ihre Gegner –, frenetisch Beifall spenden.
Auch hier in diesem Haus müssen die Zerstörer Europas
zurückgewiesen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Drittens. Zur Situation hier in Deutschland. Ja, wir
führen eine schwierige Debatte, sowohl innerhalb der
Parteien als auch mit unseren Wählerinnen und Wählern.
Das ist bei den Grünen, der Linkspartei, der Union und
der SPD fast gleich. Aber es gibt einen Unterschied,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei: Unter
Ihren Wählerinnen und Wählern gibt es eine große
Mehrheit, die für ein Ja plädiert, aber Sie hier im Bun-
destag wollen mit Nein stimmen. Das ist eine hochinter-
essante Unterscheidung. So viel zu den Interessen der
Wählerinnen und Wähler.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Eines ist mittlerweile ein Problem geworden – ich
will das hier einmal hart aussprechen –: Wir haben in
Deutschland einen sich entwickelnden neuen Nationalis-
mus. Wenn ich das sage, hat das nichts mit Knobelbe-
chern, Krieg oder sonst etwas zu tun. Es geht um eine
Diskussion über ein „Europa unter Vorbehalt“, um ein
Europa unter Vorbehalt all dessen, was man dagegen
einwenden kann. Europa unter Vorbehalt: Darum geht es
auch in einer Begründung des Bundesverfassungsge-
richts, in der 56 Mal von nationaler Souveränität gespro-
chen wird, während in unserer Verfassung steht, dass wir
Deutsche gleichberechtigt in einem vereinten Europa
dem Frieden der Welt dienen wollen. Das ist der Impetus
unserer Verfassung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eines finde ich besonders problematisch – da sollten
wir alle in diesem Haus wirklich widersprechen –: Es
kann nicht sein, dass uns ganz bestimmte Medien, deren
Freiheit uns ganz wichtig ist – deshalb nehmen wir uns
auch die Freiheit, zu widersprechen –, der Bundeskanz-
lerin in großen Überschriften diktieren wollen, wie sie
sich zu verhalten hat. „Frau Merkel, Sie müssen …“,
stand in der Bild-Zeitung. „Frau Merkel, Grexit“, stand
in der Bild-Zeitung. An dieser Stelle möchte ich deutlich
widersprechen. Das liegt in der Verantwortung des Par-
laments, und es ist Aufgabe der Regierung, zu handeln.
Wir lassen uns von populistischen Kampagnen nicht zu
einer Form des neuen Nationalismus drängen. Wir wol-
len dieses gemeinsame Europa, und deshalb wollen wir
auch ein Ja bei der heutigen Abstimmung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1811703100

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Klaus-Peter

Willsch, CDU/CSU-Fraktion.


Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1811703200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Zuschauer auf den Tribünen und an den
Bildschirmen! Ich habe zuletzt zur Verlängerung von
Griechenland II hier gesprochen. Damals habe ich die
Vertrauenswürdigkeit von Varoufakis und Tsipras in
Zweifel gezogen. Davon habe ich eigentlich nichts zu-
rückzunehmen. In diesem Zusammenhang habe ich auch
gesagt, dass wir spätestens im Sommer oder Herbst über
ein neues Paket werden reden müssen. Ich habe gesagt:
Das werden 40 bis 50 Milliarden Euro sein. Diesbezüg-
lich muss ich mich korrigieren: Wir verhandeln schon im
frühen Sommer darüber, und es sind 85 Milliarden Euro.
Aber ansonsten war die Treffsicherheit ziemlich groß.

Ich glaube nicht, dass dadurch, dass nach dem be-
währten Hausrezept „Viel hilft viel“ immer nur Geld
nachgeschoben wird, sich in Griechenland irgendetwas
verändert. Wenn Sie ein Fass ohne Boden haben, können
Sie versuchen, es mit Wasser zu füllen; aber Sie können
so viel hineinschütten, wie Sie wollen, es wird nicht voll.

Blenden wir zurück auf Griechenland I, auf 2010, und
vergleichen wir die Lage von damals mit der von heute.
Ich erkenne dabei viele Parallelen. Auch damals ist uns
gesagt worden: Das ist ein einmaliges Angebot, das
letzte Angebot. Es sollte ja überhaupt nur eines sein.
Auch damals ist uns gesagt worden: Die Griechen ver-
sprechen viel; sie werden Gesetze ändern; sie werden
Strukturreformen durchführen; sie werden bei den Steu-
ern etwas ändern; sie werden am Pensionssystem etwas
ändern. Auch die Bilder gleichen sich: Wir haben damals
Bilder von Aufständen, von gewalttätigen Demonstratio-
nen gesehen. Häuser haben gebrannt, drei Menschen
sind sogar zu Tode gekommen. Dieses Mal, am Mitt-
woch, haben wir die gleichen Bilder gesehen, Bilder von
hitzigen Debatten im Parlament und brennenden Autos
auf den Straßen. Man hat so ein bisschen ein Déjà-vu-
Erlebnis.

Es gibt aber auch Unterschiede: Bei Griechenland I
war der IWF mit einem Drittel dabei, jetzt schleicht er
sich raus. Ende des ersten Quartals 2016 will er draußen
sein.


(Zuruf von der SPD: Abwarten!)


Die Griechen sind nur verpflichtet, einen Antrag zu stel-
len. Der IWF macht natürlich keine Zusage, dass er dem
nachgeben wird.

Es gibt einen weiteren Unterschied: Damals konnte
man nur vermuten, dass es schwierig sein würde, solche
Reformen in Griechenland umzusetzen, weil man nicht
genau wusste, ob der Wille dazu da ist. Jetzt wissen wir
es. Es gab zwischenzeitlich ein Referendum, bei dem
61 Prozent zum Ausdruck gebracht haben, dass sie diese
Strukturreformen nicht wollen. Und wir haben eine Re-
gierung, die im Parlament laut erklärt, sie sei erpresst
worden, nur so seien diese Ergebnisse zustande gekom-
men, sie habe das alles nicht gewollt. Mir ist völlig
schleierhaft, wie man glauben kann, dass jetzt, unter die-
sen Rahmenbedingungen, das funktionieren soll, was in
den letzten fünf Jahren nicht funktioniert hat.

Ein Weiteres, was sich gleicht: Privatisierungen und
Privatisierungserlöse. Im ersten Programm, das die da-
malige griechische Regierung mit der Troika ausgehan-
delt hat, stand sozusagen als Restabdeckung ein geplan-





Klaus-Peter Willsch


(A) (C)



(D)(B)

ter Privatisierungserlös von 50 Milliarden Euro.
Realisiert wurden bis heute 2,6 Milliarden Euro. Jetzt
soll wieder mit der gleichen Summe gearbeitet werden.
Der Privatisierungsfuror geht jetzt richtig durch mit den
Griechen, da sie wissen, dass das in einen Fonds geht,
der zum größeren Teil zur Schuldentilgung herangezo-
gen werden soll und den sie nicht einmal alleine verwal-
ten können. Das glaubt doch kein Mensch. Man kann
wirklich niemandem erklären, wie das realistisch sein
soll.

Wir haben darüber hinaus im Laufe dieser fünf Jahre
eines feststellen müssen: Diese Bail-out-Politik, das He-
rauspauken von Ländern, die Übernahme der Gläubiger-
position gegenüber diesen Ländern hat die Verhältnisse
zwischen den Völkern in Europa erheblich beschädigt.
Nie haben wir so hässlich übereinander reden hören wie
in diesen letzten fünf Jahren und ganz besonders wie in
den letzten fünf Monaten.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du beteiligst dich aber auch daran!)


Das ist eine verhängnisvolle Folge dieser Schuldenüber-
nahmepolitik; sie führt mit einer gewissen Zwangsläu-
figkeit dazu.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du musst das nicht tun!)


Wie muss sich denn das griechische Parlament vor-
kommen, dass wir hier im Deutschen Bundestag schon
wieder einen ganzen Morgen darüber reden, was es ei-
gentlich für Aufgaben zu erledigen hätte? Das ist doch
eine Aufgabe, die im griechischen Parlament erledigt
werden muss und nicht hier. Der Grundfehler dort ist
doch, dass auch jetzt wieder mit dieser Erpressungsstory
versucht wird, einen äußeren Feind zu identifizieren, der
schuld ist an allem Unbill in dem Lande. Nie ist die
Schuld im eigenen Lande. Die Probleme Griechenlands
liegen in Griechenland und können nur in Griechenland
gelöst werden. Wenn wir mit klugen Ratschlägen von
außen kommen, wird das nicht zum Erfolg führen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Harsche Kritik an Ihrer Fraktion!)


Ich fordere Sie deshalb auf: Stimmen Sie der Manda-
tierung nicht zu. Der ESM war auch gar nicht dafür ge-
dacht; er sollte, wenn die Euro-Zone als Ganzes in Ge-
fahr ist, aktiviert werden. Hierfür ist er nicht vorgesehen.
Der EFSM, der jetzt zur Brückenfinanzierung vorgese-
hen ist, war eigentlich einmal für die Bewältigung von
Naturkatastrophen vorgesehen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Lesen Sie den Vertrag: „Naturkatastrophen oder anderen Ereignissen …“!)


So wird hier eine Rechtsposition nach der anderen abge-
räumt, und es wird beliebig gestaltet, nur um wieder ret-
ten zu können.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811703300

Herr Kollege.

Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1811703400

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Herr Präsident.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811703500

Da können Sie einmal sehen, wie lange Sie schon re-

den.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1811703600

Ich meine natürlich: Herr Präsident.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mach jetzt Schluss, und dann ist gut!)


Wir müssen dazu zurückkehren, dass das Recht in Eu-
ropa gilt, dass die Herrschaft des Rechts Vorrang hat und
dass hier nicht Beliebigkeit Einzug hält. Wenn all die pa-
thetischen Worte, die heute gesagt worden sind, wirklich
sind, dann ist es doch völlig egal, wie es ausgeht. Das
wiegt doch dann so schwer, dass damit natürlich auch
Griechenland IV und Griechenland V begründet werden
kann. Ich gehe davon aus, dass das auf uns zukommt.
Denn es ist nicht zu erkennen, dass dieser Weg ein er-
folgreicher ist. Im Gegenteil: Durch Zeitablauf ist erwie-
sen, dass es ein erfolgloser Weg ist. Deshalb sollten wir
ihn heute beenden.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811703700

Johannes Kahrs erhält nun das Wort für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1811703800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wenn ich bei mir im Wahlkreis über das
Thema Griechenland diskutiere, ob bei Hausbesuchen,
an Infoständen oder selbst beim Stammtisch, dann sagen
ganz viele Menschen: Es ist doch nicht euer Ernst, dass
ihr jetzt noch einmal 50, 60, 70, 80 Milliarden Euro nach
Griechenland geben wollt. Wir bürgen mit unserem Geld
dafür. Seid ihr denn wahnsinnig? – Dann muss man im-
mer lange argumentieren, so wie man auch mit dem Kol-
legen Willsch argumentieren muss.

Es stellt sich dann aber die Frage: Wie geht man das
Problem an? Man muss sagen: Es ist ja nicht so, dass das
Geld einfach irgendwohin gepumpt wird und nichts pas-
siert – das ist heute schon einmal dargestellt worden –,
hier geht es nicht darum, Dinge zu subventionieren oder
zu bezahlen, die verbraucht werden und dann weg sind,
sondern hier geht es darum, eine Strukturveränderung
hinzubekommen.





Johannes Kahrs


(C)



(D)(B)

Sigmar Gabriel hat gesagt: Es geht darum, Strukturen
zu reformieren. Es geht darum, zu investieren, damit
Griechenland mit funktionierenden Strukturen eine
Chance hat, die Wirtschaft wieder aufgebaut werden
kann und die Griechen in die Lage versetzt werden, ih-
ren Lebensstandard selber zu erarbeiten. – Herr Kauder
hat hier zu Recht gesagt, dass in der DDR das System
nicht funktioniert hat. Wir müssen mit daran arbeiten,
dass das System, das in der DDR nicht funktioniert hat,
in Griechenland irgendwann zu funktionieren beginnt.
Deswegen hat Thomas Oppermann ja vom Staatsversa-
gen gesprochen. Wenn man sich das vor Augen hält und
sagt: „Jawohl, wir wollen helfen, dass die Griechen in
die Lage versetzt werden, sich irgendwann selbst zu hel-
fen“, dann ist das doch wirklich sinnvoll. Herr Kauder
hat gesagt: Die Rettung Griechenlands findet in Grie-
chenland statt. – Genau so ist es. Deswegen müssen wir
den Griechen helfen, sich selbst zu helfen.


(Beifall bei der SPD)


Das, was hier heute von vielen gesagt wurde, ist wirk-
lich grober Unfug.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Schick hat gesagt, Herr Schäuble verursache durch
die Grexit-Diskussion Mehrkosten von 25 Milliarden
Euro. Ehrlich gesagt, Herr Schick, war das nicht Herr
Schäuble, sondern Herr Tsipras hat durch sein Hin und
Her, durch das Referendum und dadurch, dass er selber
die Ablehnung empfohlen hat, dafür gesorgt, dass diese
Mehrkosten entstanden sind.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist doch Teil der Wahrheit. Das Hin und Her der
letzten sechs Monate hat dazu geführt, dass die griechi-
sche Wirtschaft eingebrochen ist, dass das Vertrauen ver-
loren gegangen ist, dass die Banken in eine noch instabi-
lere Lage geraten sind. Das ist das Problem. Wir wollen
dabei helfen, dass sich die Situation verbessert. Ich
glaube, dass man das sagen muss – auch das gehört näm-
lich zur Wahrheit dazu –, auch unter Freunden.

Wir haben hier heute Reden gehört, die teilweise et-
was grenzwertig waren. Die Linke hat alles bemüht und
gesagt, wir würden nötigen und die Griechen würden ge-
zwungen werden. Herr Gysi hat es wirklich geschafft, zu
sagen: Die Linke wird den Antrag ablehnen; aber sie hat
ja empfohlen, dass in Griechenland zugestimmt wird. –
Das ist wirklich grober Unfug.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn SPD und CDU/CSU nicht dafür sorgen würden,
dass Hilfspakete verabschiedet werden, dann würde es in
Griechenland deutlich schlimmer aussehen. Deswegen
versteht das, was Sie hier tun, niemand, nicht einmal die
Mehrheit Ihrer eigenen Wähler. Das ist doch alles ab-
surd.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben auch Frau Wagenknecht gehört, die ja nur
dumpfen Populismus betrieben hat,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


die sich kein einziges Mal bemüht hat, irgendwelche Ar-
gumente auf den Tisch zu legen und ein kohärentes Kon-
zept zu entwickeln. Sie hat nur alle möglichen Vorurteile
bedient und dumme Stammtischparolen wiederholt. Sie
hat es aber nicht geschafft, eine Alternative aufzuzeigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Den Kritikern fehlt ein Gegenkonzept zu dem, was
die Bundesregierung macht, also eine Alternative, wie es
stattdessen laufen soll. Das Peinliche ist doch, dass Sie
sich hierhinstellen, Plattitüden verkünden, dummerhaf-
tes Gewäsch von sich geben, den Menschen, die man auf
die Bäume gejagt hat, im Ergebnis aber überhaupt keine
Perspektive geben, wie man sie wieder herunterholen
möchte. Ich finde, das ist verantwortungslos.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wird hier immer über Rentenkürzungen geredet. Man
muss sich auch einmal die Mühe machen, sich das grie-
chische Rentensystem anzusehen. Was ist denn dort
passiert? Hier geht es nicht um Rentenkürzungen, son-
dern darum, dass Vorruhestandsregelungen, die es in
Deutschland und vielen anderen EU-Ländern gar nicht
gibt, zurückgeführt werden, dass ein Rentensystem, das
in sich nicht tragfähig ist, tragfähig gemacht wird. Das
ist doch der Sinn. Bisher waren ausgenommen: Medizi-
ner, Juristen, Ingenieure, Journalisten, die Angestellten
der Bank von Griechenland und Soldaten. Das kann
doch nicht angehen. Entweder gibt es ein Rentensystem
für alle, oder es geht nicht. Dass die Linke verhindern
will, dass das gemacht wird, ist doch schier absurd. Ein
Rentensystem muss funktionieren können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage Ihnen: Wenn Sie mit Ihren Fantasien durch-
kämen, wir alle den Antrag ablehnen und die Griechen
eine abgewertete Drachme bekommen würden, dann
wäre das für die griechischen Rentner eine Katastrophe.
Dann käme es nämlich zu einer realen Rentenkürzung;
denn die Kaufkraft würde um 30, 40 Prozent zurückge-
hen. Wenn es das ist, was die Linke will, dann ist das
weder sozial noch gerecht. Mit so etwas wie Ihnen wird
es Rot-Rot-Grün nie geben.


(Lachen bei der LINKEN)


Sie sorgen dafür, dass es unmöglich ist, mit Ihnen je auf
Bundesebene zu koalieren.


(Beifall der Abg. Christine Lambrecht [SPD] und Jens Spahn [CDU/CSU])


Also: Rot-Grün immer gern. Aber das, was Sie hier
abgeliefert haben, geht gar nicht. Sie schließen Rot-Rot-
Grün aus. Jedem in der Presse, der noch davon träumt,
dass Rot-Rot-Grün eine Idee wäre und eine Chance
hätte, –

(A)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811703900

Herr Kollege.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1811704000

– sage ich: Die gibt es nicht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das muss auch mal gesagt werden, damit es jeder mitbe-
kommt.

Vielen Dank, Herr Präsident.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811704100

Also, Herr Kollege Kahrs, dass diese Debatte auch

zur vorläufig abschließenden Klärung künftiger Koali-
tionsbildung beitragen würde, hätten zu Beginn dieser
Debatte die wenigsten für möglich gehalten.

Bevor ich nun dem Kollegen Ralph Brinkhaus als
letztem Debattenredner das Wort gebe, weise ich darauf
hin, dass anschließend der Kollege Liebich noch Gele-
genheit zu einer persönlichen Erklärung zur Abstim-
mung hat. Deswegen bitte ich die Kollegen, die sich da
oben schon in der Nähe der noch gar nicht vorhandenen
Abstimmungsurnen aufhalten, vielleicht noch ein paar
Minuten Platz zu nehmen; hinreichend Plätze sind vor-
handen.

Jetzt hat der Kollege Brinkhaus das Wort.


Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1811704200

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Viele von uns haben in den letzten Tagen und
Wochen sehr viele Mails und Briefe bekommen oder
sind, wenn sie im Wahlkreis unterwegs waren wie der
Kollege Kahrs, angesprochen worden. Viele Menschen
haben ihr Unverständnis darüber geäußert, dass wir
Griechenland noch mal helfen, dass wir weitermachen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, bei all den Reden,
die wir hier heute Morgen gehalten haben, sollten wir
das ernst nehmen und respektieren. Ich würde aber die
Leute, die uns da angemailt haben oder uns Briefe ge-
schrieben haben, bitten, auch uns ernst zu nehmen und
uns zu respektieren; denn da waren Sprüche dabei wie
„Na ja, da schmeißt ihr das Geld raus“ und „Über was
denkt ihr eigentlich nach?“. Ich möchte eines an dieser
Stelle klarstellen: Alle bei uns aus der Fraktion – und ich
glaube, das gilt auch für die anderen Fraktionen – haben
sehr mit sich gerungen, diese Entscheidung zu treffen.
Ich habe großen Respekt vor den Kolleginnen und Kol-
legen, die heute die schwierige Entscheidung treffen, zu
sagen: Ich stimme gegen meine Fraktion und sage
Nein. – Ich sage aber auch: Ich habe noch viel mehr Re-
spekt vor denjenigen, die heute Ja sagen und sich dafür
im Wahlkreis gegebenenfalls verprügeln lassen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, manchmal ist es gut, sich
einfach einmal anzuschauen, über was man überhaupt
redet. Wenn man sich das Paket, das die Bundesregie-
rung jetzt zusammen mit den europäischen Partnern in
die Verhandlungen einbringen möchte, anschaut, dann
muss man feststellen: Das ist ein gutes Paket. Wenn ir-
gendwo einmal ein Lehrbuch geschrieben würde, wie
man ein Land saniert, dann müsste man sagen: Dort wird
alles richtig gemacht.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ohne Demokratie!)


Die Gläubiger werden erst einmal auf Abstand gehalten.
Man versucht, die Banken zu stabilisieren. Übrigens
noch eine nette kleine Nebenbemerkung: Die vereinigte
Linke hat uns ja immer vorgeworfen, dass wir die Ban-
ken stabilisieren, dass wir das Geld in die Banken rein-
geben. Jetzt sehen wir, was passiert, wenn Banken in
einem Land nicht stabil sind, wozu das führt, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Wir haben in diesem Paket aber nicht nur die Banken
stabilisiert, sondern es sollen kurzfristige Maßnahmen
auf den Weg gebracht werden wie Steuererhöhungen, die
schnell etwas bringen, aber auch langfristige Maßnah-
men wie die dringend notwendigen Strukturreformen
nicht nur im Arbeitsrecht, nicht nur in den Produktmärk-
ten, sondern auch bei den Institutionen. Es ist gut und
richtig, wie das gemacht wird, und ich glaube, das ist
auch nicht zu kritisieren.

Jetzt könnte uns entgegengehalten werden: Ja, aber
ein ehrgeiziges Programm, wie es jetzt vereinbart wor-
den ist, braucht doch eine Regierung, die dieses Pro-
gramm auch mit großer Überzeugung mitträgt. Trägt
diese griechische Regierung dieses Programm mit gro-
ßer Überzeugung mit? – Ich glaube, die Antwort hat uns
gerade der Kollege Ernst gegeben, der darauf hingewie-
sen hat, dass man seine berechtigten Zweifel daran ha-
ben kann. Nur, wenn man berechtigte Zweifel daran hat,
dann hat man zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Man kann sagen: Okay, dann lasse ich es ganz sein. –
Das ist die eine Option. Die andere Option ist, zu sagen:
Ich versuche es trotzdem, und ich versuche, die Ziele
noch enger zu setzen, ich versuche, die Kontrollen noch
enger zu setzen, ich versuche, die Mechanismen so auf-
zusetzen, dass die ganze Sache klappt. – Man kann für
beides Pro und Kontra reden. Aber man muss eines wis-
sen: Die Option „Dann lassen wir’s doch“, die wäre mit
unseren wichtigsten europäischen Partnern, nämlich den
Italienern und Franzosen, nicht machbar gewesen.
Meine Damen und Herren, eines ist mir Griechenland
bei allem Respekt vor der Situation dort nicht wert: dass
wir es uns mit unseren ältesten Partnern, mit den Län-
dern, mit denen wir zusammen die Europäische Gemein-
schaft gegründet haben, wegen Griechenland verscher-
zen und einen Bruch riskieren. Das kann nicht sein, und
das darf nicht sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


All denjenigen, die Zweifel daran haben, ob die Maß-
nahmen richtig sind, sage ich: Es ist auch ein Wert an
sich, dass wir in Europa mit diesen Ländern zusammen-
halten. Das bitte ich alle bei ihren Entscheidungen mit-





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

zudenken und mit einzupreisen, so schwer das auch sein
mag.

Wir sind nicht naiv, meine Damen und Herren, wir
glauben nicht, dass, wenn wir diesen Weg jetzt gehen,
wenn wir wieder einen Anlauf nehmen, um Griechen-
land zu helfen, alles reibungslos klappt. Wir werden ei-
nen unangenehmen Sommer haben. Wir werden einen
Sommer haben, in dem viel verhandelt wird, in dem viel
gestritten wird, in dem viel passieren wird, und es hat
auch ein ungewisses Ende, was dabei herauskommen
wird. So ehrlich sollten wir zu allen sein: Es hat ein un-
gewisses Ende. Dass wir jetzt ein Verhandlungsmandat
geben, heißt nicht, dass die Verhandlungen auch erfolg-
reich sein werden.

Deswegen ist es wichtig, dass der Deutsche Bundes-
tag hier und heute Folgendes macht: Erstens muss er un-
seren Verhandlern Rückenwind mit auf den Weg geben,
indem er Geschlossenheit und Einigkeit zeigt. Das soll-
ten wir für Wolfgang Schäuble und Angela Merkel ma-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens sollten wir klar definieren, was wir errei-
chen wollen. Ein Land hat – ich glaube, darin sind wir
uns alle einig – nur dann Würde, wenn es nicht mehr von
Transferzahlungen abhängig ist. Deswegen muss es un-
ser aller Bestreben sein, dieses Land wettbewerbsfähig
zu machen, dieses Land unabhängig zu machen von eu-
ropäischen Hilfeleistungen. Genau das muss unser Ziel
sein.

Ich glaube, wir haben als Deutscher Bundestag aber
auch das Recht, Leitplanken für die Verhandlungen zu
setzen. Die Leitplanken, die wir setzen, die Dinge, die
wir erwarten, das ist erstens, dass wir klar messbare
Ziele vereinbaren, das ist zweitens, dass wir einen Zeit-
plan vereinbaren, der auch eingehalten wird, das ist drit-
tens, dass wir Kontrollen vereinbaren, die diesen Namen
auch verdienen, und das ist viertens, dass wir uns ganz
ehrlich machen und uns überlegen, was passiert, wenn
das alles nicht zum Erfolg führt.

Heute Morgen ist hier das neue Tabuwort in der deut-
schen Politik sehr kritisiert worden, nämlich das Wort
„Grexit“. Meine Damen und Herren, es ist doch so, dass
alle oder zumindest die meisten, die hier sitzen, es vor-
ziehen, wenn Griechenland im Euro bleibt und wenn wir
zusammenbleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es ist aber auch richtig: Wir sind nicht in der Lage, dafür
jeden Preis zu zahlen. Deswegen ist es auch nicht
schlimm, darüber nachzudenken, was passiert, wenn die-
ses Verhandlungspaket nicht erfolgreich ist, was passiert,
wenn sich die griechische Regierung weigert, die ganzen
Vorgaben umzusetzen, was passiert, wenn wir keine Ei-
nigung mit den europäischen Partnern erzielen. Wir kön-
nen doch nicht so tun, als wenn das heute hier die letzte
Debatte wäre. Was haben wir denn gelernt? Wir haben
bei Griechenland I hier gesessen, wir haben bei Grie-
chenland II hier gesessen und haben gedacht, das sei das
Ende der Geschichte. Jetzt sitzen wir bei Griechen-
land III. Meine Damen und Herren, ich prophezeie Ih-
nen: Wir werden noch lange über Griechenland diskutie-
ren. So ehrlich müssen wir sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In schwierigen Situationen, bei kritischen Entschei-
dungen gibt es schlechte Ratgeber. Ein schlechter Ratge-
ber ist Zorn. Ich weiß, dass viele in der Bevölkerung und
auch viele hier zornig sind, und zwar aus ganz unter-
schiedlichen Gründen, auch gegenüber Griechenland,
und wahrscheinlich auch zu Recht. Aber Zorn ist ein
ganz schlechter Ratgeber und sollte nie handlungsleitend
sein. Dementsprechend sollten wir heute, wie der eine
oder andere Vorredner das gesagt hat, unsere Entschei-
dung mit kühlem Kopf treffen.

Ein zweiter schlechter Ratgeber ist Ungeduld. Die
Europäische Union hat wieder gesagt, sie wolle das
Ganze in den nächsten sechs Wochen abwickeln. Das ist
unrealistisch. Wir müssen uns die Zeit nehmen, die wir
brauchen. Ich plädiere dafür, lieber einmal mehr zu ver-
handeln, als das Ganze wieder übers Knie zu brechen
und wieder nur eine kurzfristige, nicht tragfähige Lö-
sung zu finden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der dritte schlechte Ratgeber ist Angst – Angst davor,
dass alles auseinanderbrechen kann, dass alles noch viel
schlimmer wird. Angst lähmt und führt nicht dazu, dass
wir richtige Entscheidungen treffen. Wir müssen, wie ich
es eben gesagt habe, die Sache zu Ende denken, falls es
nicht klappt, Griechenland zu helfen, falls es nicht
klappt, Griechenland zu integrieren.

Meine Damen und Herren, viele sagen: Mein Gott,
was habt ihr jetzt für eine kritische Situation in Europa!
Mein Gott, wie schlimm und tragisch ist das alles jetzt!
Ich muss sagen: Ja, die Situation ist kritisch. Aber auch
das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wer hat denn gedacht,
als Europa zusammengeführt und die europäischen Ge-
meinschaften gegründet worden sind, dass es nur eine
Schönwetterveranstaltung ist? Es ist jetzt keine Schön-
wetterveranstaltung; der Sturm weht. Wir können das
Ganze jetzt nicht, wie wir es in der Vergangenheit immer
gemacht haben, mit Geld zuschütten, sondern wir müs-
sen Fragen grundsätzlicher Art stellen. Ich glaube, es ist
gut und richtig, dass wir diese grundsätzlichen Fragen
stellen. Deswegen sollten wir nicht nur über Griechen-
land diskutieren, sondern auch darüber, wie die Verfasst-
heit der Europäischen Union zukünftig aussehen soll.
Einfach zu sagen, die einzige Lösung seien noch mehr
Integration, eine noch schnellere Integration und noch
mehr Institutionen, das halte ich für zu kurz gegriffen.
Ich glaube, auch das gehört dazu, dass wir in diesem
Land darüber sprechen, wie es mit der Europäischen
Union weitergeht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es könnte der Ein-
druck entstehen, dass Europa schwierig ist, mühevoll ist,
leidvoll ist, anstrengend ist und frustrierend ist. Aber ich





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

habe bei einer Veranstaltung in der letzten Woche in
meinem Wahlkreis wieder einmal erfahren dürfen: Eu-
ropa ist all diese Mühsal und all diese Anstrengungen
wert. Sie wissen, ich bin Haushälter und Finanzer. Wenn
ich einen Vortrag über die Europäische Union und über
die Griechenland-Krise halte, dann benutze ich ganz
viele Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt, zu Wachstums-
raten, Zinsen und was es sonst noch gibt. Ich sage dazu,
wie viele Länder in der Europäischen Union sind und
ganz viele andere Dinge.

Bei der letzten Veranstaltung kam ein alter Mann zu
mir und sagte sinngemäß: Herr Brinkhaus, vergessen Sie
all die Zahlen. Eine ist wichtig: 70. Da habe ich gefragt:
Was heißt 70? Daraufhin hat er geantwortet: 70 Jahre
Frieden in Europa. Darauf müssen Sie achten. – Das
muss unsere Verpflichtung sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811704300

Der Kollege Liebich hat jetzt Gelegenheit zur Abgabe

einer persönlichen Erklärung.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1811704400

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die

Bundesregierung bittet um ein Ja, meine Fraktion emp-
fiehlt ein Nein. Ich werde gleich mit Enthaltung stim-
men. Nun werden Sie sagen: Das ist der bequeme Mittel-
weg. Der macht es sich ganz einfach. – Mir ist, ehrlich
gesagt, eine Entscheidung selten so schwer gefallen wie
die heute. Ich bin seit 1995 Parlamentarier und habe bis-
her immer mit meiner Fraktion gestimmt. Das gemein-
same Abstimmen ist mir sehr wichtig. Aber manchmal
geht es eben nicht. Ich möchte hier kurz begründen, wa-
rum ich heute nicht gemeinsam mit meiner Fraktion ab-
stimme.

Ich kann dem Antrag der Bundesregierung, der heute
vorliegt, nicht zustimmen, weil er – Herr Oppermann hat
das zwar bestritten, aber ich wiederhole es hier – das Er-
gebnis einer Erpressung der griechischen Regierung ist,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


einer Erpressung deshalb, weil man mit einem Grexit
gedroht hat, der für das griechische Volk eine unglaub-
liche Katastrophe gewesen wäre. Ich muss Ihnen ehr-
lich sagen: Das Verhalten von Angela Merkel, Wolfgang
Schäuble und Sigmar Gabriel hat mich entsetzt und ent-
täuscht. Diese Nacht in Brüssel war eine schwarze Nacht
für Europa, an die wir noch lange denken werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich verstehe die Argumente meiner Fraktion und an-
derer für ein Nein sehr gut. Ich kann ihnen aber heute
nicht folgen. Ich kann nicht Nein sagen; denn die grie-
chische Regierung und die klare Mehrheit im griechi-
schen Parlament haben den Antrag gestellt, Verhand-
lungen jetzt zu beginnen, weil dem Land sonst eine
humanitäre Katastrophe droht.
Die Regierung Tsipras ist zu Kompromissen bereit,
die sie selbst und viele Linke in Europa schmerzen, weil
sie keinen anderen Ausweg mehr weiß. Das kann ich
nicht ablehnen. Dass die Regierung dazu gezwungen ist,
ist auch Ergebnis der Schwäche der Linken in ganz Eu-
ropa und auch hier in Deutschland. Dem Irrsinn einer
Politik, die in der Krise auf Sparen setzt, haben wir zu
wenig entgegengesetzt. Das muss anders werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte nicht mit jenen aus der CDU/CSU zusam-
men abstimmen, die einen Ausschluss Griechenlands
aus der Euro-Zone in Kauf nehmen oder sogar wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte nicht den Wunsch der Bild-Zeitung erfüllen,
die seit Wochen auf unerträgliche Weise gegen Grie-
chenland hetzt. Auch deshalb kann ich heute nicht mit
Nein stimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünsche mir, anders als einige auf der rechten
Seite des Hauses und in der Bundesregierung, dass die
Regierung Tsipras nicht scheitert, sondern eine Chance
erhält, mit der Politik ihrer Vorgänger zu brechen. Dieser
Weg wird schwer und steinig und ist mit unangenehmen
Entscheidungen gepflastert. Aber ich möchte, dass sie
ihn gehen kann. Deshalb kann ich zum ersten Schritt
dazu nicht Nein sagen und werde mich heute enthalten.

Danke schön.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811704500

Wir sind damit am Ende der Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Mir liegt noch
eine Reihe von schriftlichen persönlichen Erklärungen
zur Abstimmung vor, die wir wie immer dem Protokoll
beifügen.1)

Unter dem Tagesordnungspunkt 1 a kommen wir jetzt
zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministe-
riums der Finanzen auf der Drucksache 18/5590 mit dem
Titel: „Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands“, „Ein-
holung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen
Bundestages“. Ich glaube, ich muss den gesamten Text
nicht noch einmal vortragen.

Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, mache ich
darauf aufmerksam, dass wir im Anschluss an die erste
und zweite namentliche Abstimmung jeweils eine einfa-
che Abstimmung durchführen werden. Daher bitte ich
Sie, sich nach den namentlichen Abstimmungen zu Ihren
Plätzen zu begeben.

1) Siehe Anlagen 2 bis 8





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Wir stimmen nun über den Antrag des Bundesminis-
teriums der Finanzen ab. Hierzu ist auf Antrag der CDU/
CSU und der SPD eine namentliche Abstimmung vorge-
sehen. Ich darf die Schriftführerinnen und Schriftführer
bitten, ihre Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den
Urnen jeweils doppelt besetzt? – Das ist der Fall. Dann
eröffne ich die erste Abstimmung.

Darf ich fragen, ob noch Kolleginnen oder Kollegen
im Saal anwesend sind, die ihre Karte zur ersten nament-
lichen Abstimmung nicht abgegeben haben? – Das
scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die erste
namentliche Abstimmung.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Ent-
schließungsanträge. Ich rufe zunächst den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache
18/5592 auf. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist der Entschließungsantrag gegen die Stimmen der
Antragsteller mit den Stimmen der übrigen Mitglieder
des Hauses abgelehnt.

Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/5593 auf. Da-
rüber stimmen wir auf Verlangen der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen namentlich ab. Deswegen darf ich die
Schriftführerinnen und Schriftführer bitten, wieder die
Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Abstim-
mungsurnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich
die zweite namentliche Abstimmung.

Haben alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen
ihre Stimmkarte abgegeben? – Das ist offenkundig der
Fall. Dann schließe ich hiermit die zweite namentliche
Abstimmung.1)

Ich rufe nun den Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5594 auf.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen? – Wer ist dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Antrag ist erkennbar von einer hinrei-
chend großen Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen dann unter dem Tagesordnungs-
punkt 1 b zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5595 mit
dem Titel „Beschluss des Deutschen Bundestages nach
§ 4 Absatz 1 Nummer 1 des ESM-Finanzierungsgeset-
zes (ESMFinG); Verwendung der SMP-Mittel 2014 zur

1) Ergebnis Seite 11391 A
Absicherung einer Brückenfinanzierung“. Auch über
diesen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stim-
men wir auf Verlangen der Fraktion namentlich ab.

Ich möchte die Schriftführerinnen und Schriftführer
bitten, sich zum dritten und vorläufig letzten Mal um die
dafür vorgesehenen – hoffentlich ausgewechselten – lee-
ren Urnen zu versammeln. – Dann eröffne ich hiermit
die dritte namentliche Abstimmung.

Ich habe den Eindruck, dass alle, die abstimmen woll-
ten, nun auch abgestimmt haben. Dann schließe ich hier-
mit die dritte namentliche Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, auch hier mit der
Auszählung zu beginnen2).

Wir müssen bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse die-
ser Abstimmung die Sitzung unterbrechen.

Da ich ahne, dass die Bekanntgabe der Ergebnisse der
Abstimmungen nicht mehr bei vollem Haus stattfindet,
erlaube ich mir schon jetzt den Hinweis, dass für den
Fall, dass der Deutsche Bundestag der Bundesregierung
das erbetene Mandat erteilt haben sollte, manches dafür
spricht, dass wir uns nicht erst zur Haushaltswoche wie-
dersehen, sondern gegebenenfalls früher. Das teilen wir
dann gegebenenfalls unverzüglich mit.

Die Sitzung ist unterbrochen.


(Unterbrechung von 13.48 bis 13.55 Uhr)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1811704600

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich darf Ihnen das Ergebnis der drei namentlichen
Abstimmungen mitteilen – mit herzlichem Dank an die
Kolleginnen und Kollegen, die das Auszählen nicht nur
überhaupt, sondern mit einer bemerkenswerten Ge-
schwindigkeit erledigt haben.


(Beifall)


Zunächst gebe ich das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums
der Finanzen zur Stabilitätshilfe zugunsten Griechen-
lands bekannt: abgegebene Stimmen 598. Mit Ja haben
gestimmt 439. Mit Nein haben gestimmt 119. Enthalten
haben sich 40 Kolleginnen und Kollegen. Damit ist der
Antrag angenommen.

2) Ergebnis Seite 11393 B
Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 598;

davon

ja: 439

nein: 119

enthalten: 40
Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Norbert Brackmann
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Christian Haase
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Stefan Heck
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Patricia Lips
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Johannes Selle
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Karl-Georg Wellmann
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Kerstin Griese
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr. Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Ekin Deligöz
Matthias Gastel
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dieter Janecek
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Renate Künast
Dr. Tobias Lindner
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Brigitte Pothmer
Manuel Sarrazin
Kordula Schulz-Asche
Markus Tressel
Dr. Valerie Wilms

Nein

CDU/CSU

Thomas Bareiß
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Peter Beyer
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Cajus Caesar
Thomas Dörflinger
Hermann Färber

(Karlsruhe Land)

Klaus-Peter Flosbach
Michael Frieser
Alexander Funk
Dr. Thomas Gebhart
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Olav Gutting
Dr. Stephan Harbarth
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Matthias Heider
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Hubert Hüppe
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Alois Karl
Jens Koeppen
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Carsten Linnemann
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Jan Metzler
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Tim Ostermann
Dr. Peter Ramsauer
Albert Rupprecht
Ronja Schmitt
Bernhard Schulte-Drüggelte
Detlef Seif
Reinhold Sendker
Tino Sorge
Dr. Wolfgang Stefinger
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Stephan Stracke
Arnold Vaatz
Ingo Wellenreuther
Marian Wendt
Klaus-Peter Willsch
Dagmar G. Wöhrl
Emmi Zeulner

SPD

Marco Bülow
Thomas Jurk
Jeannine Pflugradt
Peer Steinbrück

DIE LINKE

Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr. Alexander S. Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Martina Renner





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(B)

Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Sylvia Kotting-Uhl
Hans-Christian Ströbele

Enthalten

CDU/CSU

Steffen Bilger
Wilfried Lorenz
Dr. Andreas Nick
Ulrich Petzold
Eckhard Pols

DIE LINKE

Stefan Liebich
Richard Pitterle
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Lisa Paus
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Ich gebe dann das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5593
zum Antrag des Bundesfinanzministeriums bekannt:
Hier sind 599 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja haben
gestimmt 75, mit Nein 484. Enthalten haben sich
40 Kolleginnen und Kollegen.

(D)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 598;
davon

ja: 74
nein: 484
enthalten: 40

Ja

SPD

Marco Bülow

DIE LINKE

Katrin Kunert
Caren Lay
Stefan Liebich
Cornelia Möhring
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr. Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Enthalten

DIE LINKE

Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr. Alexander S. Neu
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Azize Tank
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Dr. Valerie Wilms
Schließlich das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der dritten nament-
lichen Abstimmung, nämlich über den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen zum „Beschluss des Deut-
schen Bundestages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1 des
ESM-Finanzierungsgesetzes (ESMFinG); Verwendung
der SMP-Mittel 2014 zur Absicherung einer Brückenfi-
nanzierung“: 598 abgegebene Stimmen. Mit Ja gestimmt
haben wieder 75 Mitglieder des Hauses. Mit Nein ge-
stimmt haben 485 Mitglieder des Hauses. Enthalten ha-
ben sich 38 Kolleginnen und Kollegen. Damit ist dieser
Antrag abgelehnt.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 598;
davon

ja: 75
nein: 485
enthalten: 38

Ja

SPD

Marco Bülow

DIE LINKE

Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Stefan Liebich
Cornelia Möhring
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Kersten Steinke
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr. Franziska Brantner
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Peter Meiwald
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer

Nein

CDU/CSU

Stephan Albani
Katrin Albsteiger
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr. André Berghegger
Dr. Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr. Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Thorsten Frei
Dr. Astrid Freudenstein
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Reinhard Grindel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Oliver Grundmann
Monika Grütters
Dr. Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr. Stefan Heck
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Peter Hintze
Christian Hirte
Dr. Heribert Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr. Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Bettina Hornhues
Charles M. Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Erich Irlstorfer
Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Xaver Jung
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr. Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Hartmut Koschyk
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Dr. Silke Launert
Paul Lehrieder
Dr. Katja Leikert
Dr. Philipp Lengsfeld
Dr. Andreas Lenz
Philipp Graf Lerchenfeld
Dr. Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr. Claudia Lücking-Michel
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Dr. Thomas de Maizière
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Reiner Meier





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Elisabeth Motschmann
Dr. Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Dr. Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr. Georg Nüßlein
Julia Obermeier
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr. Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr. Martin Pätzold
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Jana Schimke
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Heiko Schmelzle
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt
Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr. Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Erika Steinbach
Sebastian Steineke
Johannes Steiniger
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr. Hans-Peter Uhl
Dr. Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Michael Vietz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Kees de Vries
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Nina Warken
Kai Wegner
Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)

Dr. Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Dagmar G. Wöhrl
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr. Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Katarina Barley
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr. Matthias Bartke
Sören Bartol
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Willi Brase
Dr. Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr. Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr. Daniela De Ridder
Dr. Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Dr. Johannes Fechner
Dr. Fritz Felgentreu
Dr. Ute Finckh-Krämer
Christian Flisek
Dr. Edgar Franke
Ulrich Freese
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Michael Groß
Uli Grötsch
Wolfgang Gunkel
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Gabriela Heinrich
Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Dr. Barbara Hendricks
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr. Eva Högl
Christina Jantz
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Anette Kramme
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Dr. Birgit Malecha-Nissen
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr. Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Bettina Müller
Detlef Müller (Chemnitz)

Michelle Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Jeannine Pflugradt
Detlev Pilger
Sabine Poschmann
Joachim Poß
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Dr. Simone Raatz
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Dennis Rohde
Dr. Martin Rosemann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(B)

Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr. Hans-Joachim

Schabedoth
Axel Schäfer (Bochum)

Dr. Nina Scheer
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr. Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Martina Stamm-Fibich
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr. Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Bernd Westphal
Andrea Wicklein
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr. Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Dr. Valerie Wilms

Enthalten

DIE LINKE

Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. André Hahn
Heike Hänsel
Inge Höger
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Sabine Leidig
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr. Alexander S. Neu
Michael Schlecht
Dr. Petra Sitte
Azize Tank
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Dr. Sahra Wagenknecht
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


(D)

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, den ich vorhin
schon einmal vorgetragen habe, berufe ich die nächste
Sitzung des Bundestages auf Dienstag, den 8. September
2015, 10 Uhr, ein. Das ist die üblicherweise um diese
Zeit stattfindende Haushaltswoche. Es kann aber gut
sein, dass wir uns vorher sehen. Nach der starken Reso-
nanz auf meine Einladung zu dieser Sitzung, die auch in
der bemerkenswerten Präsenz von 599 Kolleginnen und
Kollegen zum Ausdruck kommt, sehe ich einer entspre-
chenden Beteiligung an einer solchen Sitzung mit beson-
derer Freude entgegen.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
paar erholsame Tage.