Protokoll:
17183

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 183

  • date_rangeDatum: 13. Juni 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:36 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/183 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 183. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Vereinba- rung über die Errichtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds „Heimerzie- hung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“; sonstige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21789 A 21789 B 21790 B 21790 B 21791 A 21791 A 21791 B 21791 C 21791 C 21791 D 21792 A 21792 A 21792 B 21792 B 21792 C 21792 D 21793 A 21793 A 21793 B 21793 C 21793 C 21794 A 21794 C 21794 C 21794 D 21795 A 21795 A 21795 B 21795 D 21795 D 21796 B 21796 B 21796 C 21796 D 21796 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/9888, 17/9910) . . . . . . . . . . Dringliche Frage 1 Harald Weinberg (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zur Notwen- digkeit von Nothilfen oder Notkrediten für das griechische Gesundheitssystem Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 2 Harald Weinberg (DIE LINKE) Etwaige Auswirkungen bei einem Ausblei- ben von Hilfen für das griechische Gesund- heitssystem Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Dr. Matthias Miersch (SPD) Umsetzung der Forderungen des einstim- mig angenommenen Antrags auf Bundes- tagsdrucksache 17/8344 durch die Bundes- regierung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Dr. Matthias Miersch (SPD) Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Nutztieren und -pflanzen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Sonja Steffen (SPD) Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsver- fahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 5 Sonja Steffen (SPD) Vom BMJ geplante Änderungen im Ent- wurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stär- kung der Gläubigerrechte und zur Insol- venzfestigkeit von Lizenzen gegenüber dem Referentenentwurf Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 6 Burkhard Lischka (SPD) Vorlage einer Rechtsgrundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikations- überwachung Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21797 A 21797 A 21797 A 21797 B 21797 C 21797 C 21797 D 21798 A 21798 A 21798 B 21798 C 21798 D 21799 A 21799 B 21799 C 21799 C 21800 A 21800 C 21801 A 21801 B 21801 C 21802 A 21802 B 21802 C 21803 A 21803 B 21803 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 III Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 7 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Verlängerung der auslaufenden Regelung von § 52 a Urheberrechtsgesetz Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Mündliche Fragen 8 und 9 Brigitte Zypries (SPD) Vorlage des Dritten Korbs zur Reform des Urheberrechts; Ausgestaltung des Leis- tungsschutzrechts für Presseverlage Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 24 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Inanspruchnahme des Programms „Initia- tive zur Flankierung des Strukturwandels“ Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Mündliche Frage 25 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Maßnahmen der beruflichen Weiterbil- dung im SGB III und Voraussetzungen zur Teilnahme an dem Programm „Initiative zur Flankierung des Strukturwandels“ für Schlecker-Beschäftigte Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Mündliche Frage 28 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Einrichtung eines Sozialfonds bei der Bun- desagentur für Arbeit für Schlecker- Beschäftigte und Bildung einer Transfer- gesellschaft für die von der zweiten Kündi- gungswelle betroffenen Beschäftigten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 29 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Nutzung des EU-Globalisierungsfonds zur Unterstützung der Schlecker-Beschäftigten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 32 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zustimmung zum Freisetzungsversuch mit einem gentechnisch veränderten Lebend- impfstoff gegen den Erreger Rhodococcus equi trotz erheblicher Risiken Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 33 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einwände gegen den Entwurf neuer Richt- linien für die Risikobewertung von gen- technisch veränderten Organismen in der EU Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21803 C 21804 B 21804 C 21804 D 21805 A 21806 C 21806 D 21807 C 21807 D 21808 D 21809 A 21809 C 21810 A 21810 D 21811 B 21811 D 21812 B IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Mündliche Frage 40 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Suizidversuche bei der Bundeswehr seit 2001 nach erfolgter Malaria-Chemopro- phylaxe mit dem Medikament Lariam Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 42 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kritik an der vorgesehenen staatlichen Förderung für eine private Pflegezusatz- versicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 43 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Alternative Investition der für die staatli- che Förderung für eine private Pflegezu- satzversicherung vorgesehenen Mittel in eine solidarische Pflegeversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 44 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verwaltungskosten der vorgesehenen staat- lichen Förderung für eine private Pflegezu- satzversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 45 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für das Festhalten an dem Vorha- ben einer privaten Pflegezusatzversiche- rung trotz breiter Kritik Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 46 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirksamkeit der beschlossenen staatli- chen Förderung von 5 Euro monatlich für eine private Pflegezusatzversicherung im Niedriglohnbereich; Gründe für den Ver- zicht auf eine solidarische gesetzliche Pfle- geversicherung mit einer demografiefesten und stabilen Finanzierung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 47 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Monatliche Gesamtkosten für die staatli- che Förderung für eine private Pflegezu- satzversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 61 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verzicht des BMVBS auf eine bundesauf- sichtliche Weisung hinsichtlich des Be- scheids des damaligen hessischen Landesver- kehrsministers Dieter Posch zur Anpassung der Flugbetriebsbeschränkungen des Plan- feststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 21813 A 21813 B 21814 B 21814 C 21815 B 21815 C 21816 A 21816 B 21816 D 21816 D 21817 C 21817 D 21818 C 21818 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 V Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Umstrittene Nutzung des Aus- landsnachrichtendienstes für den Trans- port eines von BM Niebel privat gekauften Teppichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Dringliche Frage 3 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Medienberichte über einen drohenden Kol- laps der griechischen Kliniken Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 1 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Auswirkungen der geplanten Änderungen des Mietrechts auf Menschen mit Behinde- rungen; Beteiligung der Behindertenver- bände am Entwurf des Mietrechtsände- rungsgesetzes Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 10 Andrea Wicklein (SPD) Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Belege nach dem Handels- und Steuerrecht ab 2013 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 11 Andrea Wicklein (SPD) Geringeres Entlastungsvolumen bei Unter- nehmen durch nicht so stark verkürzte Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und Belege nach dem Handels- und Steuerrecht ab 2013 Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 12 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Anwendung des Steuerabkommens mit der Schweiz Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 13 Richard Pitterle (DIE LINKE) Behandlung privater Versicherungsauf- wendungen im Rahmen der Sonderausga- ben nach der beschlossenen Förderung der privaten Pflegeversicherung; Verzicht auf eine einkommensabhängige Förderung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21819 B 21819 B 21819 D 21820 A 21821 C 21822 A 21823 B 21824 D 21826 A 21826 C 21827 D 21829 A 21830 B 21831 C 21833 D 21835 A 21835 C 21835 D 21836 A 21836 B 21836 C 21836 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Anlage 8 Mündliche Frage 14 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Geplante Änderungen im Reisekosten- recht und bei der Verlustverrechnung so- wie zur Vereinfachung des Steuerrechts Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 15 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Ausnutzung von Sonderregelungen zur Steuerfreistellung von Entgeltbestandtei- len; Absenkung der Freigrenze für Sachbe- züge Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 16 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Verhinderung eines Zusammenbruchs des Euro Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 17 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Überarbeitungsbedarf der deutschen Grie- chenland-Strategie zum Schuldenabbau Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ergebnisse der Prüfung des Kreditportfo- lios griechischer Banken durch den Vermö- gensverwalter BlackRock Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 19 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-Pläne zur Begegnung einer etwaigen Eskalation der Wirtschaftskrise Griechen- lands auf die Sicherheitslage Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 20 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderung Spaniens nach Rekapitalisie- rung der Banken direkt aus dem ESM Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 21 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eignung des deutschen Stabilitätsrats zur Überwachung des Korrekturmechanismus Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 22 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Einbeziehung von Menschen mit Behinde- rung und deren Verbände bei der Erarbei- tung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrate- gie Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 23 Anton Schaaf (SPD) Definition des Begriffs „Einstandsgemein- schaft“ in Bezug auf die geplante Zuschuss- 21837 A 21837 B 21837 C 21838 A 21838 B 21838 C 21838 D 21839 A 21839 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 VII rente; Regelung der Einkommensanrech- nung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Fragen 26 und 27 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umschulung gekündigter Beschäftigter der Handelskette Schlecker in Pflege- und Be- treuungsberufe und Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Qualifizierung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Fragen 30 und 31 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Unabhängigkeit von Bundeseinrichtungen und deren Kommissionen im Bereich Gen- technik Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 35 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Etwaiger Zusammenhang des Kenterns des Fischerbootes „Beluga“ vor Bornholm mit dem Testen von U-Booten der Dolphin- Klasse im März 1999 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 36 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Einsatzauftrag der Fregatte „Bremen“ im Arabischen Meer bis zum 29. Mai 2012 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 37 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung von Personal für die Fami- lienbetreuungsstellen der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 38 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wirkungsspektrum der Anfangsbefähigung der Bundeswehr für Angriffe auf gegneri- sche Computernetzwerke Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 39 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entscheidung über das Nachfolgesystem der Drohnen vom Typ IAI Heron Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 41 Richard Pitterle (DIE LINKE) Ermittlung des Einkommens im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des El- terngeldvollzugs Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 48 Hans-Joachim Hacker (SPD) Erarbeitungsstand und Erlass einer Ver- ordnung für ein Qualitätssicherungssystem für Fahrschulen gemäß § 34 Abs. 4 Fahr- lehrergesetz Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21840 A 21840 B 21841 A 21841 C 21841 D 21842 A 21842 B 21842 C 21842 D 21843 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Anlage 27 Mündliche Frage 49 Hans-Joachim Hacker (SPD) Bearbeitungsstand des Eckpunktepapiers der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Reform des Fahrlehrerrechts“ und Vorlage eines entsprechenden Entwurfs zur Novellierung des Fahrlehrergesetzes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 50 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der Eurovignettenrichtlinie in nationales Recht Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 51 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Interoperabilität im Bahnverkehr durch STM (Specific Transmission Modules) ab 2015 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 52 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Technische Probleme bei einem Nürnber- ger S-Bahn-Zug vom Typ „Talent 2“ am 31. Mai 2012 und Auswirkungen auf den bundesweit geplanten Einsatz dieses neuen Zugtyps Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 53 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neuklassifizierung der Bundeswasserstra- ßen in den ostdeutschen Bundesländern Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 54 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Langfristige Gewährleistung der Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen für den ge- planten Bau der Bundesautobahn 14 Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnisse der Bundesregierung aus der Machbarkeitsstudie zum geplanten Elb- tunnel an der A 20; Zugang der Öffentlich- keit zu dieser Machbarkeitsstudie Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Frage 57 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Beauftragung externer Controlling-Be- richte zum Fortgang der Bauarbeiten durch den Aufsichtsrat der Flughafen Ber- lin Brandenburg GmbH Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 58 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Einbau lärmschutzkonformer Schallschutz- fenster vor Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg 21843 B 21843 C 21843 D 21844 A 21844 B 21844 C 21845 A 21845 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 IX Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Fragen 59 und 60 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Grundlage und Rechtssicher- heit durch die sogenannte Planklarstellung Hessens zum Urteil des Bundesverwal- tungsgerichts Leipzig zum Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Fragen 62 und 63 Sören Bartol (SPD) Auswirkungen der Einführung des Betreu- ungsgeldes auf die Inanspruchnahme von Wohngeld; Leitungsvorbehalt des BMVBS wegen möglicher Haushaltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 64 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan der Entsorgungskommission für den Stresstest bei Zwischenlagern für ra- dioaktive Abfälle und vorgesehene Aus- nahmen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 65 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) In Deutschland betroffene Gebiete des tschechischen Atomkraftwerksvorhabens Temelin 3 und 4 und zuständige deutsche Behörde im grenzüberschreitenden Um- weltverträglichkeitsprüfungsverfahren Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Fragen 66 und 67 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Empfehlung des Sachverständigenrats für Umweltfragen zur Anhebung des europäi- schen Klimaziels; Änderung der Kriterien für die kostenlose Verteilung von Emis- sionszertifikaten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Frage 68 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Kilowattstunde für Windenergieanla- gen an Land in Großbritannien und in Deutschland Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 69 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der täglichen Kosten der Marktprä- mie bzw. der Managementprämie durch die im Juni gemeldeten erneuerbaren Energien sowie für dieses Jahr zu erwar- tende Gesamtkosten Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Fragen 70 und 71 René Röspel (SPD) Kraftstoffbilanz und CO2-Emission des vom BMBF eingesetzten Ausstellungsschif- fes „MS Wissenschaft“ in den Jahren 2009 bis 2012 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21845 C 21845 D 21846 A 21846 B 21846 D 21847 A 21847 C 21847 D 21848 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Anlage 44 Mündliche Fragen 72 und 73 Willi Brase (SPD) Anmeldung zu Seminaren an der Freien Universität Berlin im Rahmen der Hono- rarprofessur von Bundesministerin Schavan über die dienstliche E-Mail-Ad- resse im BMBF; dort entstandener Auf- wand und Rechtsgrundlage Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Mündliche Frage 74 Oliver Kaczmarek (SPD) Umsetzung der Öffentlichkeitskampagne des BMBF im Rahmen der nationalen Stra- tegie für Alphabetisierung und Grundbil- dung Erwachsener Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Frage 75 Oliver Kaczmarek (SPD) Förderung von Tagungen der Bildungsträ- ger mit der Thematik Netzwerkbildung in dieser Legislaturperiode Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Mündliche Frage 76 Klaus Hagemann (SPD) Nachträgliche Erreichung des 2010 ver- fehlten Lissabon-Ziels Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 Mündliche Frage 77 Klaus Hagemann (SPD) Pläne zur Anhebung der BAföG-Sätze und Verkürzung der Bearbeitungsdauer von Anträgen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 49 Mündliche Fragen 78 und 79 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entsorgung von Giftmüll aus Bhopal in Deutschland durch die GIZ Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 50 Mündliche Frage 80 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Unterstützung der Bundesregie- rung für den Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zu Art. 6 der Energie- effizienzrichtlinie Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 51 Mündliche Frage 81 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Novellierung des Energiewirtschaftsgeset- zes Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 52 Mündliche Frage 82 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jährliche Investitionen der Übertragungs- netzbetreiber in die Stromnetze seit 1990 Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 53 Mündliche Fragen 83 und 84 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Kosten für die Bereitstellung von gepan- zerten Fahrzeugen und den Transport von Claudia Roth von Tripolis/Libyen bis zur Grenze Tunesiens 21848 D 21849 A 21849 C 21849 D 21850 A 21850 C 21851 A 21851 B 21851 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 XI Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 54 Mündliche Frage 85 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung internationaler Projekte zur Stärkung des Sicherheitssektors und der Waffenkontrolle in Libyen durch die Bun- desregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 55 Mündliche Frage 86 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Positionen der Bundesregierung in Bezug auf die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 56 Mündliche Frage 87 Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aussage von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur Kompetenzerweiterung der Europäischen Kommission Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 57 Mündliche Frage 88 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thematisierung der vom russischen Parla- ment beschlossenen Einschränkung des Demonstrationsrechts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 58 Mündliche Frage 89 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übergabe der Sicherheitsverantwortung für Gebiete von der ISAF an afghanische Behörden und Meldungen über die Schlie- ßung staatlicher Schulen durch die Taliban Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 59 Mündliche Fragen 90 und 91 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dissens innerhalb der Bundesregierung zum Thema Datenschutz im Internet und Auswirkungen auf die Verhandlungen über die Datenschutz-Grundverordnung der EU; Berücksichtigung der Datenschutzauf- lagen des Bundesverfassungsgerichts Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 60 Mündliche Frage 92 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beurteilung der Kreditwürdigkeit mittels Daten aus sozialen Netzwerken; Gewähr- leistung des Datenschutzes in diesem Be- reich Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 61 Mündliche Frage 93 Burkhard Lischka (SPD) Fortschritte bei der Entwicklung einer ei- genen Software zur Quellen-Telekommuni- kationsüberwachung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 62 21851 D 21852 A 21852 D 21853 A 21853 B 21853 C 21853 D 21854 B 21855 A XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Anlage 62 Mündliche Frage 94 Andrej Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Juni 2010 auf die deutsche Kontrollpraxis entlang der Binnengrenzen oder in Zügen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 63 Mündliche Frage 95 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von Grenzkontrollen im natio- nalen Alleingang in einzelnen EU-Staaten ohne Beteiligung des EU-Parlaments und der EU-Kommission Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 64 Mündliche Frage 96 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge zur Unterstützung der EU- Randstaaten bei der Außengrenzkontrolle und zur Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 65 Mündliche Fragen 97 und 98 Aydan Özoğuz (SPD) Kosten und Frequentierung des beim Bun- desamt für Migration und Flüchtlinge ein- gerichteten Telefonservice „Beratungsstelle Radikalisierung“ Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21855 A 21855 C 21856 B 21856 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21789 (A) (C) (D)(B) 183. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 Beginn: 13.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21835 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die dringliche Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/9910, Frage 3): Kann die Bundesregierung die Berichte über den drohen- den Kollaps der griechischen Kliniken bestätigen (vergleiche Die Welt vom 12. Juni 2012), und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen diesem Kollaps und den Sparauflagen an die griechische Regierung im Rahmen der Kreditvergabe durch die Europäische Union? Die derzeitige Situation in den griechischen Kranken- häusern ist besorgniserregend. Wesentlicher Grund ist, dass der Träger für Gesund- heitsleistungen des öffentlichen Gesundheitssystems in Griechenland, EOPYY, ausstehende Rechnungen nicht mehr begleichen kann. EOPPY wurde am 1. September 2011 mit dem Ziel gegründet, durch die Zusammenle- gung der Gesundheitszweige der gesetzlichen Versiche- rungsträger IKA (Arbeitnehmer), OAEE (Selbststän- dige und Freiberufler), OPAD (öffentlicher Sektor) und OGA (landwirtschaftlicher Sektor) die Verfahren zu ra- tionalisieren und gleichwertige Leistungen für alle der rund 9,5 Millionen Berechtigten zu gewährleisten. Zwi- schen der Situation im griechischen Gesundheitswesen und dem Darlehen im Rahmen des Anpassungspro- gramms für Griechenland ist jedoch kein ursächlicher Zusammenhang erkennbar, da die Probleme im Gesund- heitssektor nicht neu sind und schon vor dem Beginn des Hilfsprogramms bestanden. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 1): Inwieweit sind Menschen mit Behinderung von den ge- planten Änderungen im Mietrecht, vorgeschlagen von der Bundesregierung mit dem Entwurf eines Mietrechtsände- rungsgesetzes (Bundesratsdrucksache 313/12), betroffen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (insbesondere Art. 4 Abs. 3, Art. 9 und 19) Menschen mit Behinderung und deren Ver- bände bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs aktiv einbezo- gen? Menschen mit Behinderungen sind, sofern sie Mieter oder Vermieter sind, nicht in spezifischer Weise von den geplanten Änderungen des Mietrechtsänderungsgesetzes betroffen, sondern werden in gleicher Weise wie andere Mieter oder Vermieter auch erfasst. Vor diesem Hinter- grund wurde von einer Einbeziehung speziell von Behin- dertenverbänden bei der Erarbeitung des Entwurfs abge- sehen. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ahrendt, Christian FDP 13.06.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 13.06.2012 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 13.06.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 13.06.2012 Brandner, Klaus SPD 13.06.2012 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 13.06.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 13.06.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.06.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 13.06.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 13.06.2012 Dr. Lauterbach, Karl SPD 13.06.2012 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 13.06.2012 Lindner, Christian FDP 13.06.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 13.06.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 13.06.2012 Nahles, Andrea SPD 13.06.2012 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.06.2012 Nietan, Dietmar SPD 13.06.2012 Roth (Esslingen), Karin SPD 13.06.2012 Schirmbeck, Georg CDU/CSU 13.06.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 13.06.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 13.06.2012 Zapf, Uta SPD 13.06.2012 Anlagen 21836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 10): Warum hat am 23. Mai 2012 das Bundeskabinett beschlos- sen, die Aufbewahrungsfristen für Rechnungen und weitere Belege nach Handels- und Steuerrecht ab 2013 nur auf acht und ab 2015 nur auf sieben Jahre zu verkürzen und nicht, wie die Bundesregierung ursprünglich im Dezember 2011 be- schlossen hatte, insgesamt auf fünf Jahre zu verkürzen? Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen entlastet die Wirtschaft einerseits von Erfüllungsaufwand. Ande- rerseits muss die Finanzverwaltung in der Lage sein, zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen in sei- ner Steuererklärung auf die erforderlichen Unterlagen zugreifen zu können. Damit wird gleichzeitig das Risiko von Steuermindereinnahmen, die es mit Blick auf die Konsolidierungserfordernisse der öffentlichen Haushalte zu vermeiden gilt, reduziert. Aus diesem Grund musste eine Abwägung zwischen Entlastung für die Wirtschaft, Aufkommenssicherung und Steuergerechtigkeit vorge- nommen werden. Das Ergebnis dieser Abwägung ist eine Verkürzung auf acht bzw. sieben Jahre. Diese aus unserer Sicht gute Lösung führt immer noch zu einer Entlastung der Wirtschaft um 1,68 Milliarden Euro bzw. 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 11): Wie hoch ist das verloren gegangene Entlastungsvolumen bei Unternehmen in Deutschland, da ursprünglich eine Aufbe- wahrungsfrist von fünf Jahren gegenüber der jetzt vereinbar- ten Aufbewahrungsfrist von acht bzw. sieben Jahren geplant war – betroffen sind gerade auch kleine und mittlere Unter- nehmen –, und wie will die Bundesregierung den verloren gegangenen Entlastungsaufwand bei den Unternehmen kom- pensieren? Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre hätte zu einem geschätzten Entlastungspotenzial von 3,9 Milliarden Euro geführt. Mit der nunmehr ge- planten Verkürzung auf acht bzw. sieben Jahre kann ein Entlastungsvolumen von 1,69 Milliarden Euro bzw. 2,5 Milliarden Euro generiert werden. Das tatsächliche Entlastungsvolumen hängt maßgeblich vom Verhalten des Steuerpflichtigen selbst ab, zum Beispiel ob die Un- terlagen in Papierform oder elektronisch aufbewahrt werden oder ob die Unterlagen auch tatsächlich nach Ablauf der jeweiligen Frist vernichtet werden. Die Bundesregierung sieht sich weiterhin in der Pflicht, den Aufwand von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung zur Erfüllung von Bundes- recht dauerhaft auf niedrigem Niveau zu halten. Aus diesem Grund hat das Kabinett am 28. März 2012 das „Arbeitsprogramm bessere Rechtsetzung“ beschlossen. Mit dem Beschluss hat die Bundesregierung Untersu- chungen verschiedenster Bereiche initiiert, mit dem Ziel, den Erfüllungsaufwand weiter abzusenken und Verfah- ren zu vereinfachen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 12): Wie ist nach dem im September 2011 unterzeichneten und im April 2012 ergänzten Steuerabkommen mit der Schweiz gemäß Art. 31 sichergestellt, dass die schweizerische Zahl- stelle überhaupt Kenntnis vom Tod einer betroffenen Person erhält, und welche Rechtsfolgen für die Anwendung des Ab- kommens ergeben sich nach Art. 38 Abs. 2, wonach Änderun- gen des deutschen Steuerrechts an die Schweizer Behörden gemeldet werden hinsichtlich einer entsprechenden Anpas- sung des Schweizer Steuerabkommens? Hinsichtlich der Kenntniserlangung vom Erbfall sind die geltenden schweizerischen Sorgfaltspflichten zu be- achten, Art. 31 Abs. 1 Satz 2 des deutsch-schweizeri- schen Steuerabkommens. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung, aber auch um zivilrechtliche Pflichten. So wird zum Bei- spiel eine schweizerische Zahlstelle, die an einen Nicht- berechtigten ein Guthaben auszahlt, nicht von ihrer Leis- tungspflicht frei. Deshalb muss sie bereits im eigenen Interesse Vorkehrungen treffen, die derartige Fehler aus- schließen. Art. 38 des deutsch-schweizerischen Steuerabkom- mens ist mit Konsultationen überschrieben. Um eine schnellere und unbürokratische Abwicklung des Steuer- abkommens und Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zu gewährleisten, legt Art. 38 Abs. 2 des deutsch-schweize- rischen Steuerabkommens fest, dass die zuständige deut- sche Behörde die zuständige schweizerische Behörde über Änderungen des deutschen Rechts zur Besteuerung von Erträgen oder Vermögenswerten, die von diesem Abkommen erfasst werden, informiert. So kann die Schweiz gegebenenfalls bereits frühzeitig Anpassungen an die neue Rechtslage vorbereiten. Sanktionen sind an Art. 38 nicht geknüpft, da er lediglich die vertragskon- forme Durchführung des Abkommens gewährleisten soll. Kündigungs- und Aufhebungsgründe ergeben sich aus Art. 44 des deutsch-schweizerischen Steuerabkom- mens. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 13): Wie sind nach dem Kabinettsbeschluss der Bundesregie- rung zur Förderung der privaten Pflegeversicherung die privat getätigten Versicherungsaufwendungen im Rahmen der Son- derausgaben auch vor dem Hintergrund der Höchstbeträge nach § 10 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes zu behandeln, und aus welchem Grund wurde die staatliche Förderung nicht einkommensabhängig ausgestaltet? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21837 (A) (C) (D)(B) Beiträge zu einer privaten Pflegezusatzversicherung können vom Steuerpflichtigen grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 a Einkommensteuergesetz als Sonderaus- gaben abgezogen werden. Aufgrund der Höchstbetrags- begrenzung für solche Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 4 Einkommensteuergesetz wirken sich die Beiträge in den meisten Fällen steuerlich jedoch nicht aus. Von einer einkommensabhängigen steuerlichen För- derung würden nur diejenigen profitieren, die aufgrund der Höhe ihres persönlichen Einkommens Einkommen- steuer zahlen. Daher wurde bei der staatlichen Förderung ein Zulagenmodell gewählt, um die Förderung insbeson- dere für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen at- traktiv zu machen. Dies verdeutlicht die soziale Ausrich- tung einer Zulagenförderung. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 14): Plant die Bundesregierung, nach den seit geraumer Zeit vorliegenden Berichten der Arbeitsgruppen des Bundes- ministeriums der Finanzen zu Reisekostenrecht und Verlust- verrechnung diesbezüglich noch in dieser Legislaturperiode gesetzliche Änderungen vorzunehmen, und plant die Bundes- regierung, den jüngsten Vorschlägen der Finanzminister- konferenz, FMK, zu folgen, die darauf abzielen, durch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuerrechts, insbesondere durch eine Erhöhung von Pau- schalierungen und einen Selbstbehalt bei haushaltsnahen Dienstleistungen, eine Erleichterung bei Massenphänomenen der Einkommensteuerveranlagung zu bewirken? Die Bundesregierung prüft derzeit, ob und, wenn ja, welche konkreten Maßnahmen aus den angesprochenen Bereichen Reisekostenrecht und Verlustverrechnung noch in dieser Legislaturperiode gesetzgeberisch aufge- griffen werden sollen. Die Zielsetzung einer weitergehenden Vereinfachung des Steuerrechts, die die Finanzministerkonferenz mit ihren Beschlüssen vom 1. Juni 2012 aufgegriffen hat und zu der es eine Bundesratsinitiative geben soll, wird auch von der Bundesregierung als steuerpolitische Dauer- aufgabe gesehen. Die Bundesregierung begrüßt daher vom Grundsatz die Initiative der Länder auf diesem Gebiet. Wie weit die Bundesregierung die einzelnen Maßnahmen des von den Ländern beschlossenen Pakets unterstützt, ist zu entscheiden, wenn eine entsprechende Initiative des Bundesrates vorliegt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 15): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregie- rung, nachdem sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/9811 vom 2. Mai 2012 bestätigt hat, dass die Entgeltoptimierung durch planmäßige und modellhafte Ausnutzung von Sonderregelun- gen zur Steuerfreistellung von Entgeltbestandteilen „insbe- sondere im Hinblick auf die Einnahmeausfälle für den Fiskus und für die Sozialkassen nicht unproblematisch“ ist, um die Zunahme dieser Modelle einzuschränken, und stimmt die Bundesregierung damit überein, dass im Zuge dieser Ent- wicklungen und gemäß dem jüngsten Beschluss der FMK eine Absenkung der Freigrenze für Sachbezüge eine sinnvolle und angemessene Maßnahme wäre? Die Bundesregierung wird die Entwicklung dieser Modelle weiter beobachten. Die angesprochenen Mo- delle sind in der Regel kein Gestaltungsmissbrauch. Zu- dem ist eine modellartige Gestaltung bei bestimmten Steuerbegünstigungen bereits tatbestandsmäßig ausge- schlossen. Wie weit die Bundesregierung die einzelnen Maßnah- men des von den Ländern beschlossenen Pakets unter- stützt, wird zu entscheiden sein, wenn die entsprechende Initiative des Bundesrates vorliegt. Das gilt auch für die Freigrenze für Sachbezüge. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 16): Teilt die Bundesregierung die Sorge von Währungsexper- ten, dass der Euro in den nächsten drei Monaten zusammen- brechen könnte, und was unternimmt die Bundesregierung in den nächsten Wochen, um einen Zusammenbruch des Euro zu verhindern? Die Bundesregierung kommentiert nicht die einzel- nen Meinungen von Währungsexperten zu einem Aus- einanderbrechen der Euro-Zone. In den vergangenen Monaten wurden umfassende Maßnahmen beschlossen und auf den Weg gebracht, um die Wirtschafts- und Währungsunion krisenfest zu machen. Diese Reformen sind in eine Viersäulenstrategie eingebettet, die folgende Elemente beinhaltet: 1. Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähig- keit der Peripherieländer, 2. Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordinie- rung und finanzpolitischen Überwachung zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion, 3 gezielte Verbesserung der Regulierung und der Auf- sicht über den Finanzsektor sowie 4. Einrichtung eines permanenten Stabilitätsmechanis- mus. Zudem wurde die temporäre Erhöhung der gemein- samen Obergrenze der Kreditvergabekapazität von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und des Eu- ropäischen Stabilitätsmechanismus von 500 auf 700 Mil- liarden Euro beschlossen. Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass diese Strategie die richtige ist, um eine nachhaltige Stabilisierung der Euro-Zone zu er- reichen und die richtigen Anreize für eine solide Finanz- politik und ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsländern zu setzen. 21838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 17): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Grie- chenland-Strategie der Bundesregierung gescheitert ist, und ist die Bundesregierung bereit, die Griechenland-Strategie so zu ändern, dass der Schuldenabbau über einen längeren Zeitraum gestreckt wird? Griechenland hat mit dem zweiten Anpassungspro- gramm und nach der erfolgreichen Umschuldung, an der sich 97 Prozent der privaten Investoren beteiligt haben, die Chance, seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau zurückzuführen. Die drei Komponenten Privatsektor- beteiligung, Haushaltskonsolidierung und Privatisie- rung führen bei strikter Umsetzung unter den gegebenen Annahmen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2020 zu einem Schuldenstand von circa 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten Programms ist, dass Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni zu stabilen Verhältnissen zurückfindet. Dabei ist wichtig, dass sich eine politisch legitimierte, auf eine breite Mehrheit gestützte Regierung bildet, die das mit den europäischen Partnern und dem Internationalen Wäh- rungsfonds, IWF, vereinbarte Anpassungsprogramm konsequent umsetzt. Die künftige griechische Regierung muss sich an das vereinbarte Reformprogramm halten, so wie umgekehrt auch Deutschland zu seinen Verpflich- tungen gegenüber Griechenland steht. Deutschland ist darüber hinaus weiterhin bereit, Griechenland strukturell und organisatorisch zu helfen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 18): Wem sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergeb- nisse der Prüfung der Kreditportfolios griechischer Banken durch den Vermögensverwalter BlackRock (siehe Wirtschafts- woche vom 18. Mai 2012) bekannt, und aus welchen Gründen soll die Studie erst veröffentlicht werden, wenn sich in Grie- chenland eine neue Regierung gebildet hat? Eine Studie von BlackRock Solutions hat im Vorfeld der Troika-Mission vom Februar 2012 die Qualität der inländischen Kreditportfolios der griechischen Banken bewertet. Nach einer sechsmonatigen Untersuchung, die in der Prüfung der Kreditbestände der Banken und der Kalibrierung der Modelle bestand, legte das Beratungs- unternehmen der Bank von Griechenland im Januar 2012 seinen Bericht vor. Die Kosten der Unterstützung des griechischen Bankensystems werden auf 50 Milliar- den Euro geschätzt. Die Veröffentlichung erfolgte bereits im März 2012, die Bundesregierung kann daher die An- gaben der Wirtschaftswoche nicht bestätigen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 19): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über in Me- dien berichtete Planspiele oder sogar Planungen für Maßnah- men der Europäischen Union bis hin zur Schließung von Grenzen zu Griechenland, um möglichen Auswirkungen einer Eskalation der dortigen Wirtschaftskrise auf die Sicherheits- lage zu begegnen, etwa wenn viel Geld illegal außer Landes geschafft wird (vergleiche den Standard, 29. Mai und 7. Juni 2012), und inwieweit war die Bundesregierung selbst an sol- chen Planspielen beteiligt und hat konkrete Pläne mitent- wickelt? Die griechischen Bürger werden am kommenden Sonntag ein neues Parlament wählen. Die Bundesregie- rung ist bereit, mit der aus diesen Wahlen hervorgehen- den neuen Regierung unmittelbar Gespräche aufzuneh- men. Dabei liegt uns – ganz im Sinne der im Rahmen des Griechenland-II-Programms gewährten Unterstüt- zung durch die Euro-Zone – an einer schnellen Stabili- sierung der Situation in Griechenland. Die Bundesregierung hält einen Verbleib Griechen- lands in der Euro-Zone für wünschenswert. Griechen- land hat mit dem zweiten Anpassungsprogramm und nach der erfolgreichen Umschuldung, an der sich 97 Prozent der privaten Investoren beteiligt haben, die Chance, seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau zu- rückzuführen. Die drei Komponenten Privatsektorbetei- ligung, Haushaltskonsolidierung und Privatisierung füh- ren bei strikter Umsetzung unter den gegebenen Annahmen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2020 zu einem Schuldenstand von circa 117 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten Programms ist aber auch, dass Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni wieder zu stabilen Verhältnissen zurückfinden kann. Dabei ist wichtig, dass sich eine politisch legiti- mierte, auf eine breite Mehrheit gestützte Regierung, bil- det, die das mit den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds, IWF, vereinbarte An- passungsprogramm umsetzt. Die künftige neue griechi- sche Regierung muss sich an das vereinbarte Reformpro- gramm halten, so wie umgekehrt auch Deutschland zu seinen Verpflichtungen gegenüber Griechenland steht. Deutschland ist darüber hinaus bereit, Griechenland auch strukturell und organisatorisch zu helfen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 20): Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung Spaniens, Banken direkt aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus zu rekapitalisieren, und wie wird sich die Bundesregierung auf dem nächsten EU-Gipfel dazu verhalten? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21839 (A) (C) (D)(B) Die Bundesregierung unterstützt die spanische Regie- rung in ihren Bemühungen, die Restrukturierung ihres Bankensektors voranzubringen und begrüßt deren Ab- sicht, zu diesem Zweck finanzielle Unterstützung zu be- antragen. Die Bundesregierung wurde zusammen mit den anderen Mitgliedern der Euro-Gruppe darüber infor- miert, dass die spanische Regierung in Kürze einen entsprechenden Antrag stellen wird. Die Finanzhilfen würden zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanz- insitituten bereitgestellt. Insgesamt wird der Kapitalbe- darf inklusive eines Sicherheitspuffers auf 100 Milliar- den Euro geschätzt. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 21): Wie steht die Bundesregierung zu der Kritik, dass zur Überwachung des Korrekturmechanismus der deutsche Stabi- litätsrat bzw. ein wie auch immer ausgestalteter Beirat nicht die Anforderungen einer unabhängigen Überwachungsein- richtung erfüllt, und wie soll eine echte Unabhängigkeit einer solchen Einrichtung gewährleistet werden? Eine etwaige Kritik ist nach Auffassung der Bundes- regierung unbegründet. Dem Stabilitätsrat gehören die Finanzminister des Bundes und der Länder sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie an. Ins- besondere aufgrund seiner Entscheidungsstruktur besitzt der Stabilitätsrat selbst bereits ein hohes Maß an Unab- hängigkeit. Die Entscheidungen werden mit der Stimme des Bundes und Zweidrittel der Länder getroffen. Bei Entscheidungen über ein Land ist das betroffene Land nicht stimmberechtigt. Bei Entscheidungen, die den Bund betreffen, stimmt der Bund mit einfacher Stimme ab. Mit der Errichtung eines Beirats aus Sachverständi- gen soll die Unabhängigkeit des Stabilitätsrats weiter ge- stärkt werden. Damit wird der Stabilitätsrat bei der Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des ge- samtstaatlichen Finanzierungssaldos unterstützt. Mit- glieder des Beirats sollen unter anderem die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat und die an der Ge- meinschaftsdiagnose beteiligten Forschungsinstitute sein. Damit wird ein höchstes Maß an unabhängiger Ex- pertise gewährleistet. Der Vorschlag folgt damit der be- währten Tradition, Projektionen der Haushaltsbehörden durch den Wettbewerb mit entsprechenden Ergebnissen und Bewertungen sowie Empfehlungen unabhängiger Gremien, (beispielsweise Gemeinschaftsdiagnose, Sach- verständigenrat, Deutsche Bundesbank) zu kontrollieren. Im Übrigen hat bereits der Bundesrat gefordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass der Stabilitäts- rat mit dieser Aufgabe betraut wird. Das Vorhaben der Bundesregierung zur innerstaatli- chen Umsetzung des Fiskalvertrags steht dabei in vollem Einklang mit den europäischen Vorgaben. Kommissar Rehn geht in seinem Schreiben vom 4. Juni 2012 an Bundesminister der Finanzen Dr. Schäuble – das auch dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde – auf das Verhältnis der deutschen Schuldenbremse zu den Vorga- ben für den Korrekturmechanismus sowie auf die nach den Vorschlägen der Bundesregierung geplante inner- staatliche Umsetzung des Fiskalvertrags in Deutschland ein. Hier erläutert er, dass er die Ankündigung der Bun- desregierung begrüße, das Haushaltsgrundsätzegesetz und das Gesetz über den Stabilitätsrat im Sinne der im Arbeitspapier zum Korrekturmechanismus vorgesehe- nen Koordinierung anzupassen, und, dass dies dazu füh- ren wird, dass Deutschland den Stabilitäts- und Wachs- tumspakt und den Fiskalvertrag in der Zukunft einhalten wird. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 22): Inwieweit sind Menschen mit Behinderung von der Natio- nalen Nachhaltigkeitsstrategie betroffen, und in welcher Weise hat die Bundesregierung mit Blick auf die UN-Behin- dertenrechtskonvention (insbesondere Art. 4 Abs. 3) Men- schen mit Behinderung und deren Verbände bei der Erarbei- tung der Nachhaltigkeitsstrategie und des diesbezüglichen Fortschrittsberichts 2012 aktiv einbezogen? Die Bundesregierung hat einen umfassenden Dialog zur Nachhaltigkeit im Herbst 2010 gestartet. Viele Bür- gerinnen und Bürger haben sich am Dialog beteiligt. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie wurde zuletzt durch den vom Bundeskabinett am 15. Februar 2012 be- schlossenen Fortschrittsbericht weiterentwickelt. Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Erreichung von Ge- nerationengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Le- bensqualität sowie der Wahrnehmung internationaler Verantwortung. In diesem Sinne sind wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, der Schutz der natürlichen Lebens- grundlagen und soziale Verantwortung so zusammenzu- führen, dass Entwicklungen dauerhaft tragfähig sind. Hiervon sind Menschen mit Behinderung in gleicher Weise betroffen wie andere Menschen. Die Bundesregierung hat gerade im Rahmen des Kon- zepts zur Fachkräftesicherung auch Menschen mit Be- hinderung im Blick, da angesichts der demografischen und technischen Entwicklung eine systematische Förde- rung und Mobilisierung von allen inländischen Potenzia- len notwendig ist. Hier sind auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen mit Behinderung gefragt. Zum Ausdruck kommt dies in den fünf Sicherungspfa- den des Fachkräftekonzepts der Bundesregierung mit besseren Bildungschancen für alle von Anfang an über eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung, der Aktivie- rung und Beschäftigungssicherung bis hin zu einer bes- seren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Menschen mit Behinderung hatten ebenso wie Men- schen ohne Behinderung die Möglichkeit, sich im Rah- men der beiden Onlinedialoge zum Fortschrittsbericht im Herbst 2010 bzw. Sommer 2011 zu beteiligen. Überdies hatte der Rat für Nachhaltige Entwicklung den 4. Juni 2012 zum Deutschen Aktionstag Nachhaltig- 21840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) keit ausgerufen. Der Aktionstag wurde auf Bundes- ebene, von Ländern und Kommunen, der Wirtschaft, den Umweltverbänden, von den Gewerkschaften sowie den Kirchen unterstützt. Es sollte gezeigt werden, wie wir unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen können. Deshalb sollen noch mehr Menschen gewonnen werden, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Auch hierzu wa- ren und sind alle Menschen mit und ohne Behinderung eingeladen. Einen Überblick über die Veranstaltungen und Projekte liefert das Internetangebot des Rats für Nachhaltige Entwicklung. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Druck- sache 17/9888, Frage 23): Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der Ein- standsgemeinschaft in Bezug auf die geplante Zuschussrente, und warum werden dem vorgelegten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – Entwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Renten- versicherung – entsprechend eheähnliche oder lebenspartner- schaftliche Gemeinschaften bei der Einkommensanrechnung auf die Zuschussrente bessergestellt? Die Regelungen zur Einkommensanrechnung auf die geplante Zuschussrente nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung werden derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt. Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- gen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 26 und 27): Wie beabsichtigt die Bundesregierung das von der Bun- desministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, am 7. Juni 2012 geäußerte Angebot an die gekündig- ten Schlecker-Beschäftigten, sich in Pflege- und Betreuungs- berufe umschulen zu lassen, vor dem Hintergrund umzuset- zen, dass eine Umschulung in diese Berufe üblicherweise drei Jahre dauert und nach § 180 SGB III bisher nur zweijährige Umschulungen gefördert werden können bzw. die Finanzie- rung des dritten Jahres aufgrund bundes- oder landesrechtli- cher Regelungen gesichert sein muss, und in welchen Bundes- ländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bisher Regelungen, die eine Umschulung zur Erzieherin/zum Erzie- her bzw. zur Altenpflegerin/zum Altenpfleger in zwei Jahren ermöglichen bzw. die Finanzierung für das dritte Jahr sicher- stellen? Welchen Beitrag wird die Bundesregierung angesichts der begrenzten Fördermöglichkeiten über das SGB II und SGB III und der gekürzten Haushaltsmittel für die Arbeitsförderung leisten, um den nahezu 25 000 Schlecker-Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verlieren bzw. bereits verloren haben, neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, und aus welchen sachli- chen Gründen hielt und hält es die Bundesregierung nicht für richtig, sich mittels einer Bürgschaft – auch über die KfW Bankengruppe – für die Einrichtung einer Transfergesell- schaft zur Qualifizierung der Schlecker-Beschäftigten zu engagieren? Zu Frage 26: Das Angebot von Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen zur Förderung von Umschulungen in Pflege- und Betreuungsberufe für ehemalige Schlecker- Beschäftigte erfordert selbstverständlich wie bei allen Umschulungsangeboten eine persönliche Neigung und Eignung für den Beruf sowie das Vorliegen der sonstigen berufs- und förderrechtlichen Voraussetzungen. Altenpflegerin und Altenpfleger sind klassische Um- schulungsberufe, die nach dem bundesrechtlich geregel- ten Altenpflegegesetz durchgeführt werden. Über die Finanzierung des dritten Jahres der Altenpflegeumschu- lung haben Bund und Länder bereits im Jahr 2005 Ein- vernehmen erzielt. Die Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher ist landesrechtlich unterschiedlich gere- gelt. Die Ausbildungsverantwortung liegt vorrangig bei den Ländern. Eine Umschulungsförderung zur Erziehe- rin bzw. zum Erzieher durch Arbeitsagenturen und Job- center ist danach grundsätzlich in allen Bundesländern möglich, in denen die dreijährige Ausbildung eine zwei- jährige schulische Ausbildung mit nachgeschaltetem und vergütetem Anerkennungspraktikum umfasst. Dies ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen- Anhalt der Fall. In verschiedenen Ländern bietet auch die sogenannte Externenprüfung die Möglichkeit einer Nachqualifizierung zur staatlich geprüften Erzieherin bzw. zum staatlich geprüften Erzieher. Dies ist beispiels- weise in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- mern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland möglich. Die Teilnahme an entsprechenden Vorbereitungskursen ist durch Arbeitsagenturen und Jobcenter ebenfalls förderfähig. Zu den Berufen des Erziehungsbereichs gehören neben Erzieherin und Erzieher auch Kinderpflegerin und -pfleger sowie Sozialpädagogische Assistentin bzw. Assistent. Personen, die Interesse an einer Aus- bzw. Weiterbildung im Erziehungsbereich haben, aber nicht die Voraussetzungen für eine Umschulung zur Erziehe- rin bzw. zum Erzieher erfüllen, können bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen in diese Berufe umgeschult wer- den. Zu Frage 27: Im Rahmen der politischen Gespräche der Länder zur Finanzierungsfrage für eine Transfergesellschaft hatte die Bundesregierung angeboten, technische Hilfestel- lung durch die Anweisung eines KfW-Kredits zur Finan- zierung des Arbeitgeberanteils zur Durchführung einer Transfergesellschaft zu leisten. Voraussetzung dafür wäre allerdings gewesen, dass die Länder die Bürgschaft für den KfW-Kredit übernommen hätten, denn im Um- gang mit Finanzierungsanfragen von Unternehmen in Schwierigkeiten gibt es klare Absprachen und eine in der Vergangenheit regelmäßig geübte Praxis zwischen Bund und Ländern. Danach ist das Land, in dem das Unterneh- men seinen Sitz hat, Ansprechpartner und Koordinator Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21841 (A) (C) (D)(B) in Finanzierungsfragen zwischen den betroffenen Län- dern. Allerdings kann die Bundesagentur für Arbeit die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen auch ohne eine Transfergesellschaft bei ihrer Suche nach einer neuen Beschäftigung gut unterstützen. Sollte eine unmittelbare Vermittlung in eine neue Beschäftigung nicht gelingen, stehen die Instrumente der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere die Teilnahme an einer beruflichen Weiter- bildung oder an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zur Verfügung. Durch eine gezielte Weiterbildungsförderung können festgestellte Qualifikationsdefizite, die eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschweren, beseitigt werden. Für Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Berufsab- schluss kann auch das Nachholen eines Berufsabschlus- ses gefördert werden. Die Voraussetzungen für eine individuelle Unterstützung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Agenturen für Arbeit sind daher gegeben. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Fragen 30 und 31): Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Report „Schlecht beraten: Gentechnik-Lobbyisten dominieren Expertengremium“, in welchem die Unabhängigkeit von Bun- deseinrichtungen bzw. deren Kommissionen angezweifelt wird, und welche Konsequenzen wird sie einleiten? Wie will die Bundesregierung zukünftig sicherstellen, dass die Expertengremien von Bundesbehörden, welche mit der Risikobewertung und Forschungsförderung von gentechnisch veränderten Pflanzen beauftragt sind, unabhängig und unter Einbezug von Verbraucher- und Umweltschutzsachverstand arbeiten können? Zu Frage 30: Der von Ihnen, Frau Kollegin, genannte Report trägt den Untertitel „Schwere Interessenkonflikte beim Bun- desinstitut für Risikobewertung, BfR“. Auf diesen geäu- ßerten Vorwurf möchte ich gerne antworten. Das BfR ist eine unabhängige wissenschaftliche Ein- richtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV. Es betreibt auf der Grundlage eines eigenen Er- richtungsgesetzes eigene Forschung und berät die Bun- desregierung und die Bundesländer zu Fragen der Le- bensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Die in dem Report kritisierten externen Sachverständigen bera- ten das BfR lediglich. In keinem Fall treffen sie amtliche Entscheidungen oder führen wissenschaftliche Bewer- tungsarbeit durch. Die BfR-Kommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel nimmt also keine amtliche Kontrollfunktion wahr. Das BfR arbeitet und entscheidet, wie gesetzlich fest- gelegt, ausschließlich aufgrund eigener Expertise und in eigener Verantwortung. BfR-Mitarbeiter haben in den Kommissionen ausdrücklich kein Stimmrecht, sodass die Beratungsarbeit der Kommissionen vollständig von den behördlichen Bewertungsabläufen getrennt ist. Diese Grundsätze gelten für alle 15 Expertenkommissio- nen des BfR. Die Arbeiten des BfR genießen national, innerhalb der EU und international hohe Anerkennung. Zu Frage 31: Mitglieder der 15 BfR-Kommissionen werden nach objektiven und transparenten Kriterien ausschließlich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Exzellenz, ihrer Kompetenz und ihrer Fachkenntnisse ausgewählt. Diese ehrenamtlichen Positionen werden nach einem öffent- lichen Ausschreibungsverfahren vergeben, in dem es je- dem Experten weltweit freisteht, sich aufgrund seiner fachlichen Selbsteinschätzung zu bewerben. Das Verfah- ren ist offen gestaltet und adressiert ausdrücklich nicht nur Fachleute aus Universitäten und Forschungseinrich- tungen, sondern auch Vertreter der Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen, der Industrie und der Behörden, um in fachlicher Breite und Tiefe den wissen- schaftlichen Beratungsbedarf des BfR zu decken. Mit diesem Verfahren wird erreicht, dass die genannten Bereiche auch in der Kommission vertreten sind. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 35): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das Kentern des Fischerbootes „Beluga“, das sich seit dem 17. März 1999 auf dem Weg nach Bornholm befand und infolgedessen drei erfahrene Seeleute den Tod auf einem der damals modernsten Schiffe der Fischfangflotte Sassnitz fanden, nicht in einem Zu- sammenhang mit dem Testen von U-Booten der Dolphin-Klasse stand, die über Stealth-Eigenschaften verfügen und an Israel ausgeliefert werden sollten (vergleiche www.haaretz.com/news/ diplomacy-defense/israel-gets-fourth-dolphin-class-submarine- from-germany-1.428039), und trifft es zu, dass unmittelbar vor dem Kentern des Schiffes vor dem Hintergrund des statt- findenden Seemanövers „Jaguar“ unter anderem in Vorberei- tung auf den Kosovo-Krieg in diesem Gebiet Radarsignale er- probt bzw. verfremdet ausgesandt wurden? Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen dem Kentern des Fischereibootes „Beluga“ und den Tests von U-Booten der Dolphin-Klasse oder einem gleichzei- tig durchgeführten Seemanöver „Jaguar 1999“ vor. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 36): Mit welchem Auftrag und Ziel wurde die Fregatte „Bre- men“ bis 29. Mai 2012 im Arabischen Meer eingesetzt, und welche Maßnahmen waren bei diesem Einsatz vorgesehen für den Fall, dass Boote gesichtet würden, die im Verdacht ste- hen, gegen die UN-Sanktionen gegen den Iran zu verstoßen oder im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus relevant zu sein? 21842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Die Fregatte „Bremen“ gehört seit dem 19. Mai 2012 zum deutschen Einsatzkontingent im Rahmen der EU- geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Pira- terie vor der Küste Somalias. Maßnahmen im Zusam- menhang mit VN-Sanktionen gegen den Iran oder der Bekämpfung von Terrorismus sieht das Atalanta-Mandat nicht vor. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 37): Ist die Bereitstellung von Personal für die Familienbetreu- ungsstellen der Bundeswehr den jeweilig zuständigen Trup- penteilen freigestellt, und wie wird das dann eingesetzte Per- sonal fachlich auf seine neue Funktion vorbereitet? Familienbetreuungsstellen werden durch die kontin- gentstellenden Truppenteile in den Standorten mit nebenamtlichem Personal für die Dauer des Einsatzes aufgestellt und fachlich einem Familienbetreuungszen- trum zugeordnet. Die Festlegung der Anzahl und die Auswahl des geeigneten Personals für die Familienbe- treuungsstelle trifft der/die zuständige Vorgesetzte des kontingentstellenden Truppenteils. Das ausgewählte Personal wird durch das zuständige Familienbetreuungszentrum in die zukünftigen Aufga- ben eingewiesen. Grundsätzlich besteht das Angebot, dass das für den Einsatz in einer Familienbetreuungs- stelle vorgesehene Personal am Grundlagenlehrgang der Familienbetreuungsorganisation teilnimmt. Daneben hat das Leit-Familienbetreuungszentrum beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr eine Grundsatzweisung für die Familienbetreuungsorganisa- tion herausgegeben, in der die durch eine Familienbe- treuungsstelle wahrzunehmenden Aufgaben beschrie- ben werden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 38): Welches Wirkungsspektrum – kinetisch und nichtkine- tisch – deckt die Anfangsbefähigung der Bundeswehr für An- griffe auf gegnerische Netze ab, und in welchem Umfang ist eine Beteiligung des Deutschen Bundestages bei der Entschei- dung über einen digitalen Angriff nach Ansicht der Bundes- regierung erforderlich, insbesondere wenn dieser nicht im Rahmen eines bereits mandatierten Einsatzes erfolgen soll? Die Fähigkeit der Bundeswehr bezieht sich auf digi- tale Angriffe. Die erzielbaren Effekte würden einer Ein- zelfallbetrachtung unterliegen und sich nach Bedrohung, anzugreifendem Ziel und Auftrag im jeweiligen Fall richten. Sie sind daher aufgrund der laufenden ständig anzupassenden Entwicklung nicht generalisierbar. Die Zustimmung des Deutschen Bundestages ist nach § 1 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes bei jedem Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes erforderlich. Sollte der Einsatz von Computernetzwerkoperations- kräften, CNO-Kräften, der Bundeswehr bei Auslands- einsätzen konkret geplant werden, so würden die für den Einzelfall erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen und Grundlagen beachtet werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 39): Wann wird abschließend über das Nachfolgesystem der Drohnen vom Typ IAI Heron entschieden, und was ist der ak- tuelle Stand in der Erwägung, unbemannte Luftfahrzeuge vom Typ Predator B zu beschaffen? Als Ergebnis einer Bewertung der marktverfügbaren Nachfolgesysteme für das unbemannte Luftfahrzeug Heron 1 wurde entschieden, ein Angebot für die Be- schaffung von unbemannten Luftfahrzeugen Predator B einzuholen. Eine endgültige Beschaffungsentscheidung kann jedoch erst nach erfolgreicher Prüfung des Ange- bots getroffen werden, die voraussichtlich im III. Quartal 2012 erfolgen wird. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 41): Aus welchem Grund erfolgt nach dem Entwurf eines Ge- setzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs in der Aus- schussfassung auch weiterhin keine Berücksichtigung von Ausgaben für die private Krankenversicherung nach § 2 f Abs. 1, die ebenfalls negativ als Zahlungsmittelabflüsse das Nettoeinkommen berühren und damit mindernd auf die Be- messungsgrundlage des Elterngeldes wirken würden, und zählen zu den Einnahmen nach § 2 c Abs. 1 auch Sachbezüge und steuerfreie Einnahmen? Der Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs soll auch im Interesse der Elterngeld- berechtigten dazu beitragen, dass Anträge einfacher von den Elterngeldstellen bearbeitet werden können. Kon- zeptionelle Änderungen am Elterngeld sieht er nicht vor. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind bei der Eltern- geldberechnung nur die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in Abzug zu bringen. Beiträge zur privaten Krankenversicherung werden schon nach der bisherigen Rechtslage nicht vom Bruttoeinkommen ab- gezogen. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass diese Beiträge im Unterschied zu den Pflichtbeiträgen in die gesetzliche Sozialversicherung auch während des El- terngeldbezugs weiter zu entrichten sind. Das dadurch gegenüber Pflichtversicherten erhöhte Nettoeinkommen wird der Berechnung des Elterngeld- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21843 (A) (C) (D)(B) anspruchs zugrunde gelegt. Insofern werden die wäh- rend der Elterngeldbezugszeit zu entrichtenden privaten Krankenversicherungsbeiträge durch den sich aus dem höheren Nettoeinkommen ergebenden erhöhten Eltern- geldanspruch systemgerecht teilweise kompensiert. Die Frage, welche Einnahmen bei der Elterngeldbe- rechnung berücksichtigt werden, bestimmt sich nach dem Regelungsentwurf zur Vereinfachung des Eltern- geldvollzugs grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG-Entwurf. Dementsprechend werden – wie bisher – auch Sach- bezüge bei der Einkommensermittlung berücksichtigt, wenn sie steuerlich Erwerbseinkünfte darstellen und keine sonstigen Bezüge darstellen, die elterngeldrecht- lich nicht berücksichtigt werden. Steuerfreie Einnahmen sind nach dieser Begriffsbe- griffsbestimmung hingegen – ebenfalls wie bisher – nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zu den Erwerbsein- künften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 des Ein- kommensteuergesetzes gehören. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 48): Wie ist der Stand bei der Erarbeitung einer Verordnung für ein Qualitätssicherungssystem für Fahrschulen gemäß § 34 Abs. 4 des Fahrlehrergesetzes, und wann ist mit deren Erlass zu rechnen? Schon heute ist es für alle Fahrlehrer möglich, sich ei- nem Qualitätssicherungssystem anzuschließen. Große Teile der Fahrlehrerschaft haben sich gegen einen von der Bundesregierung erarbeiteten Verordnungsentwurf ausgesprochen, da die Bundesländer nicht bereit sind, auch bei Vorliegen eines von ihnen genehmigten Quali- tätssicherungssystems von der wiederkehrenden Über- wachung der Fahrschulen abzusehen. Zudem sind nach Angaben der Fahrlehrerschaft nur circa 5 bis 7 Prozent aller Fahrlehrer überhaupt an einem von der zuständigen Landesbehörde genehmigten Qualitätssicherungssystem interessiert, sodass die Schaffung einer entsprechenden Verordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhält- nismäßigkeit keinen Sinn macht. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache 17/9888, Frage 49): Welchen Arbeitsstand hat die Bundesregierung bei der Be- arbeitung des Eckpunktepapiers der Bund-Länder-Arbeits- gruppe „Reform des Fahrlehrerrechts“ erreicht, und wann wird sie den Entwurf einer Novelle zum Fahrlehrergesetz dem Deutschen Bundestag zuleiten? Die Bundesregierung war an der Erarbeitung des von der Verkehrsministerkonferenz beschlossenen Eckpunk- tepapiers beteiligt und beabsichtigt, die dort aufgeführ- ten Vorschläge – soweit rechtlich möglich – für die Re- form des Fahrlehrerrechts aufzugreifen. Erste Vorbereitungen zur Reform des Fahrlehrergeset- zes laufen. Ein genauer Terminplan steht noch nicht fest. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 50): Wann wird die Bundesregierung die 2011 überarbeitete Eurovignettenrichtlinie, mit der externe Umweltkosten, die durch Luftverschmutzung, Lärm und Staus durch Lkw entste- hen, in die Mauterhebung einbezogen werden können, in na- tionales Recht umsetzen, und gibt es Überlegungen der Bun- desregierung, in die Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs auch die Flächenversiegelung einzubeziehen? Die Richtlinienänderung 2011/76/EU enthält keine zusätzlichen verpflichtenden Maßnahmen, die einer na- tionalen Umsetzung bedürften. Es müssen die entspre- chenden Verweise auf die Eurovignettenrichtlinie, die im Bundesfernstraßenmautgesetz enthalten sind angepasst sowie eine marginale Anpassung des Anwendungsbe- reichs vorgenommen werden. Die Umsetzungsfrist hier- für läuft noch bis zum 16. Oktober 2013. Die Umsetzung der Änderungen wird im Rahmen der Gesetzgebung zum Europäischen Elektronischen Mautdienst geschehen. Gemäß der Eurovignettenrichtlinie ist die Flächenver- siegelung kein möglicher Bestandteil der Internalisie- rung der externen Kosten des schweren Lkw-Verkehrs. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 51): Hält die Bundesregierung, trotz der Rüge durch die Euro- päische Kommission, daran fest, ab 2015 die Interoperabilität im Bahnverkehr durch STM – Specific Transmission Modules – zu gewährleisten, und wann ist mit der Zulassung von STM zu rechnen? Die Bundesregierung misst der Interoperabilität des Eisenbahnsystems aus mehreren Gründen eine beson- dere Bedeutung bei. Die Stärken des umweltfreundli- chen Verkehrssystems Eisenbahn können sich besonders auf große Entfernungen entfalten, sodass insbesondere im Güterverkehr europaweite Transporte noch in we- sentlich größerem Umfang auf der Schiene abgewickelt werden sollten. Äußerst hinderlich ist aber, dass nahezu jeder Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft sein eigenes Zugsicherungssystem hat – bestehend aus zu- sammenwirkenden Fahrweg- und Fahrzeugeinrichtun- gen – und dass alle diese nationalen Systeme untereinan- der inkompatibel sind. Daher gab es die Entscheidung, mit dem European Rail Traffic Management System, ERTMS, eine neue und harmonisierte Technik gemein- sam für alle Eisenbahnen zu entwickeln. So hatte 21844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Deutschland sich auch verpflichtet, vier aufkommens- starke Korridore mit ERTMS auszurüsten, und daran hält die Bundesregierung auch weiterhin fest. Schwierig- keiten wirft aber die Finanzierung auf, weil die verfüg- baren Mittel eine rechtzeitige Fertigstellung nicht erlau- ben. Ferner ist wegen unterschiedlicher Versionen die europaweite Kompatibilität bei ERTMS nicht sicherge- stellt. Daher muss die Realisierung erheblich gestreckt werden. Alternativ zur Infrastrukturausrüstung eröffnen STM für ERTMS-Lokomotiven als kostengünstige Übergangslösung die Möglichkeit, termingerecht schon Strecken zu befahren, die noch nicht mit ERTMS ausge- rüstet werden konnten. Es befinden sich jetzt bereits zugelassene STM auf dem Markt und im Betriebseinsatz, obwohl erst ab 2015 die Verpflichtung zur ERTMS-Ausrüstung bestimmter Korridore oder Korridorabschnitte besteht. Der Bundes- regierung ist nicht bekannt, ob weitere Hersteller die Zu- lassung von STM zu beantragen beabsichtigen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 52): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die technischen Probleme am 31. Mai 2012 bei der S-Bahn Nürn- berg, bei der sich eine der Türen im neuen Zug „Talent 2“ der Firma Bombardier Transportation GmbH während der Fahrt selbstständig geöffnet und geschlossen hat, und welche Aus- wirkungen sind für den bundesweit geplanten Einsatz dieses dringend benötigten Zugtyps zu erwarten, der erst jüngst mit rund 18 Monaten Verspätung wegen der zunächst verweiger- ten Zulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt zum Einsatz kommen konnte? Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bun- des hat die Untersuchungen des als sicherheitsrelevante Störung eingestuften Vorfalls aufgenommen und die Si- cherheitsbehörde Eisenbahn-Bundesamt hat Kenntnis von dem Vorfall erhalten. An der Tür des Fahrzeugs lag ein technischer Defekt der Türlage-Endschalter vor; eine betriebliche Anweisung sollte den sicheren Betrieb ge- währleisten. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 53): Welchen Stand hat die Neuklassifizierung der Bundeswas- serstraßen angesichts der Proteste aus den ostdeutschen Bun- desländern erreicht, und welchen Wasserstraßenklassen sollen die Bundeswasserstraßen auf Brandenburger Gebiet nach ak- tuellem Stand zugeordnet werden? Das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 14 Bundesländern und dem Bundes- verband öffentlicher Binnenhäfen beauftragte Gutach- ten zu alternativen Kriterien und zur Bewertung der Ka- tegorisierung des Netzes der Bundeswasserstraßen liegt mittlerweile vor. Aufgrund der gewählten Methodik, transportierte Gütertonnen x Clusterwert der erreichba- ren Wirtschaftszentren, gehören, mit Ausnahme der aus- schließlich wassertouristisch genutzten Bundeswasser- straßen, alle Bundeswasserstraßen in Brandenburg dem sogenannten Kernnetz bzw. dem ergänzenden Kernnetz an. Das Gutachten enthält allerdings keine Aussagen zu den Standards und Prioritäten des Ausbaus und zur In- tensität von Betrieb und Unterhaltung. Im Rahmen der WSV-Reform werden deshalb die Prioritäten und Stan- dards vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf der Basis des Gutachtens festge- legt. Der Deutsche Bundestag wird in Kürze umfassend informiert. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 54): Wie werden Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Er- satz- und Ausgleichsmaßnahmen für den geplanten Bau der Autobahn 14 gewährleistet, und ist die rechtliche Verfügbar- keit der Maßnahmeflächen nach § 17 Abs. 4 des Bundesnatur- schutzgesetzes sichergestellt? Die für einzelne Abschnitte der A 14, Magdeburg– Wittenberge–Schwerin zum Teil vorliegenden Planfest- stellungsbeschlüsse schließen aufgrund der Konzentra- tionswirkung auch Regelungen nach dem Bundesnatur- schutzgesetz ein. Auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes kön- nen von vornherein nur solche Kompensationsmaßnah- men planfestgestellt werden, die die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger oder in gleichwertiger Weise und die das Landschaftsbild land- schaftsgerecht wiederherstellen oder neu gestalten. Zu- sammen mit der kraft Gesetzes bestehenden Pflicht, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erfor- derlichen Zeitraum zu unterhalten (§ 15 Abs. 4 Bundes- naturschutzgesetz), wird die Dauerhaftigkeit und Nach- haltigkeit gewährleistet. Mit Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses können die Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaß- nahmen benötigt werden, nicht mehr von anderen Infra- strukturmaßnahmen überplant und genutzt werden. Hinzu kommt, dass der Bund in der Regel diese Flächen erwirbt, wodurch verhindert wird, dass Dritte auf die Fläche zugreifen können. In den Fällen, in denen der Bund die Flächen nicht erwirbt, beispielsweise weil der Eigentümer die bisherige Nutzung aufrechterhalten soll und nur die Art und Weise der Bewirtschaftung ändern soll, wird in der Regel durch Eintragung einer Dienstbar- keit in das Grundbuch sichergestellt, dass die Fläche dauerhaft als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme zur Ver- fügung steht. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21845 (A) (C) (D)(B) Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fra- gen 55 und 56): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung aus der Machbarkeitsstudie zum geplanten Elbtunnel an der A 20, vor allem in Bezug auf die Kostenentwicklung zwischen den ver- schiedenen Betreibermodellen? Aus welchen Gründen wird der Öffentlichkeit der Zugang zur genannten Machbarkeitsstudie verweigert? In Abstimmung mit den betroffenen Landesverwal- tungen Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird der- zeit im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, eine mehrstufige Untersuchung bis hin zu einer vorläufigen Wirtschaft- lichkeitsuntersuchung für eine mögliche Realisierung der Elbquerung bei Glückstadt im Zuge der A 20 als öf- fentlich-private Vertragspartnerschaft, ÖPP, durchge- führt. Die erste Stufe der Untersuchung ist eine sogenannte Eignungsabschätzung. Diese soll ergebnisoffen die Eignung als ÖPP-Projekt, zum Beispiel A-Modell, Mischmodell, Verfügbarkeitsmodell, F-Modell, unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen, zum Beispiel Höhe der Anschubfinanzierung, Berücksichti- gung vor- und nachgelagerter Strecken, Vertragslaufzeit, abschätzen. Ein erster Entwurf dieser Eignungsabschät- zung liegt dem BMVBS vor und wird derzeit sorgfältig im BMVBS geprüft; auch die betroffenen Landesauf- tragsverwaltungen würdigen diesen Arbeitsstand. Die endgültige Fassung der Untersuchung wird erst noch erstellt. Erst nach Prüfung der endgültigen Eignungsab- schätzung und nach Abstimmung mit den betroffenen Ländern wird der Bund voraussichtlich im Herbst 2012 über den Fortgang der Studie und ihre geeignete Kom- munikation und vor allem über die weiteren Schritte zur Realisierung der Elbquerung entscheiden. Denn der Bund betrachtet die Fertigstellung der A 20 weiterhin als wichtiges Infrastrukturprojekt für die Seehafenhinter- landanbindung. Bis vor kurzem vertraten auch alle nord- deutschen Länder diese Auffassung. Die Veröffentli- chung eines Entwurfsstands ist unüblich und erfolgt daher auch nicht bei der Eignungsabschätzung zur A 20. Auch die Erörterung einzelner Aspekte – wie die angeb- liche Kostenerhöhung – ist im derzeitigen Verfahrenssta- dium nicht zielführend. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Fragen 57): In welchem Umfang hat der Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, BER, externe Controlling- Berichte zum Fortgang der Bauarbeiten in Auftrag gegeben oder diese erhalten, und wie wurden diese in den Sitzungen des Aufsichtsrates ausgewertet? Die operative Verantwortlichkeit für das Controlling obliegt der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Bran- denburg GmbH, FBB. Der Aufsichtsrat unterliegt dem Geschäftsführungsverbot gemäß den gesellschaftsrecht- lichen Voraussetzungen. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Kontrolle des Projektfortschritts durch den Auf- sichtsrat – auch über die regelmäßigen Controlling- Berichte – über die Berichterstattung der Geschäftsfüh- rung. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 58): Inwieweit entsprechen die zum passiven Lärmschutz beim BER bewilligten Schallschutzfenster nicht den Vorgaben des geltenden Planfeststellungsbeschlusses (vergleiche den Tagesspiegel vom 30. Mai 2012), und was wird die Bundes- regierung unternehmen, um noch vor der geplanten Inbe- triebnahme des BER im März 2013 regelkonforme Schall- schutzfenster einzusetzen? Die Vollzugskontrolle hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben des geltenden Planfeststellungsbeschlusses zu den passiven Schallschutzmaßnahmen liegt im Zustän- digkeitsbereich der Genehmigungsbehörde des Landes Brandenburg, des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 59 und 60): Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die von der Hessischen Landesregierung durchgeführte sogenannte Plan- klarstellung zur Umsetzung des Urteils des Bundesverwal- tungsgerichts Leipzig zum Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen, und wie bewertet die Bundesregierung dieses Ver- fahren? Ist nach Ansicht der Bundesregierung mit dieser soge- nannten Planklarstellung Rechtssicherheit geschaffen worden, oder geht die Bundesregierung wie viele juristische Meinun- gen ebenfalls davon aus, dass dieses Verfahren eine neuerli- che Klagewelle nach sich ziehen wird? Zu Frage 59: Die hessische Planfeststellungsbehörde hat mitgeteilt, dass die Anpassung der Flugbetriebsbeschränkung des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Verkehrs- flughafens Frankfurt/Main vom 18. Dezember 2007 an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. April 2012 (BVwG 4 C 8.09 unter anderem) im Wege der Teil- rücknahme der in Teil A II 4.1 Sätzen 1 und 2 sowie Teil A II 4.1.2 im vorstehend genannten Planfeststel- lungsbeschluss verfügten Betriebsregelung erfolgt ist. Die Planfeststellungsbehörde hat in eigener Zustän- digkeit den eingeschlagenen Weg zur rechtlichen Klar- stellung bewertet und durchgeführt. 21846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 60: Die Beurteilung der Rechtssicherheit ist ebenfalls Aufgabe der Planfeststellungsbehörde. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Fragen des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Druck- sache 17/9888, Fragen 62 und 63): Schließt die Bundesregierung aus, dass durch die Einfüh- rung des Betreuungsgeldes die Anzahl der Leistungsbezieher des Wohngeldes und damit die Ausgaben des Bundes für das Wohngeld steigen werden, und hat Bundesminister Dr. Peter Ramsauer den Leitungsvorbehalt bei der Ressortabstimmung über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgel- des in Deutschland unter Bezugnahme auf mögliche Haus- haltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes im Einzel- plan 12 des Bundeshaushalts persönlich abgezeichnet? Mit welcher Begründung hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei der Ressortabstim- mung über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreu- ungsgeldes in Deutschland einen sogenannten Leitungsvorbe- halt unter Bezugnahme auf mögliche Haushaltsrisiken bei der Finanzierung des Wohngeldes im Einzelplan 12 des Bundes- haushalts eingelegt, und warum ist der Leitungsvorbehalt nach der öffentlichen Presseberichterstattung wieder zurück- gezogen worden? Bundesminister Dr. Peter Ramsauer hat stets betont, dass er die Einführung des Betreuungsgeldes begrüßt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Zuge der Ein- führung des Betreuungsgeldes Leistungsberechtigte nach dem SGB II in das Wohngeld wechseln werden. Damit werden voraussichtlich auch die Ausgaben des Bundes für das Wohngeld steigen. Sein Leitungsvorbehalt wurde lediglich mit den zu erwartenden Mehrkosten beim Wohngeld begründet. Der deshalb zunächst eingelegte Lei- tungsvorbehalt wurde im Laufe der üblichen Ressortbe- sprechungen zurückgenommen, nachdem das BMF zuge- sichert hat, dass der Einzelplan 12 durch die Einführung des Betreuungsgeldes bezüglich der Veranschlagung für das Wohngeld nicht zusätzlich belastet wird. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 64): Aus welchen Gründen muss erst noch entschieden werden, ob einige der Einrichtungen, die laut der Antwort der Bundes- regierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 17/8564 „nach bisheriger Einschätzung“ einbezogen werden sollten – insbesondere die Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe in Karlsruhe und das Zwischenlager Mitterteich –, im soge- nannten Stresstest der Entsorgungskommission für Zwischen- lager und andere Atomanlagen zur Ver- und Entsorgung unter- sucht werden oder nicht – bitte mit Angabe der Argumente, die nach jetzigem Stand dagegensprechen –, und wie lautet der aktuelle Zeitplan für diesen „Stresstest“ inklusive der da- zugehörigen oben genannten Entscheidungsfindung, bitte mit Angabe aller bislang geplanten Beratungsdaten, Fristen, Mei- lensteine etc.? In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Frage 4 (Bundestagsdrucksache 17/8564) wurde dargelegt, dass die Entsorgungskommission, ESK, zwei Kriterien, 107fache Freigrenze für offene radioaktive Stoffe, 1010fache Freigrenze für umschlossene radioaktive Stoffe, für die Einbeziehung von Einrichtungen in den Stresstest festgelegt hat. Die entsprechenden Einrichtun- gen waren von den Ländern zu benennen. Zum Zeit- punkt der Beantwortung genannter Kleinen Anfrage, 7. Februar 2012, lagen die entsprechenden Antworten der Länder noch nicht vor, sodass die Entscheidung, welche Anlagen auf der Grundlage der genannten Krite- rien in den Stresstest einzubeziehen sind, noch nicht ge- troffen werden konnte. Zwischenzeitlich sind diese Entscheidungen getrof- fen; sowohl die Hauptabteilung Dekontaminationsbe- triebe als auch das Zwischenlager Mitterteich werden in die weiteren Betrachtungen einbezogen. Für den Stresstest für Anlagen der Versorgung sowie Anlagen und Einrichtungen der Entsorgung, das heißt Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente und hoch- radioaktive Abfälle, die Pilotkonditionierungsanlage, Verglasungseinrichtung und Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe sowie Anlagen der Versorgung, wurde die Frageliste der ESK mit Schreiben vom 30. Mai 2012 an die Länder übermittelt mit der Bitte um Rücksendung der Antworten bis zum 17. August 2012. Eine Frageliste der ESK für den Stresstest für die An- lagen und Einrichtungen zur Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in konditio- nierter und unkonditionierter Form und zur Konditionie- rung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen wird den Ländern in Kürze übermittelt werden. Es wird angestrebt, bei den Stresstests noch im Jahr 2012 zu den wesentlichen Ergebnissen zu kommen. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 65): Welche Bundesländer neben Bayern und Sachsen zählen aus Sicht der Bundesregierung zu den von dem tschechischen Atomkraftwerksvorhaben Temelin 3 und 4 möglicherweise bzw. voraussichtlich betroffenen Gebieten in Deutschland – bitte mit Begründung/Herleitung in Abgrenzung zu den an- deren Bundesländern –, und wer ist im laufenden grenzüber- schreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren zu Temelin 3 und 4 die „zuständige deutsche Behörde“ bei einem Konfliktfall eines deutschen Einwenders, der aus einem ande- ren deutschen Bundesland als Sachsen und Bayern stammt (vergleiche Antwort zu Frage 8, letzter Absatz auf Bundes- tagsdrucksache 17/9832; bitte ebenfalls mit Begründung)? Aufgrund von § 9 b des Gesetzes über die Umwelt- verträglichkeitsprüfung, UVPG, in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Atomgesetz, AtG, handeln in dem laufenden Umweltverträglichkeitsverfahren zu dem Kernkraft- werksprojekt Temelin 3 und 4 die obersten Landesbehör- den von Bayern und Sachsen als zuständige deutsche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21847 (A) (C) (D)(B) Behörden. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit haben sich die obersten Landesbehörden dieser Länder jeweils in eigener Verantwortung dafür entschieden, sich an der grenzüberschreitenden UVP zu dem Kernkraftwerks- projekt Temelín 3 und 4 zu beteiligen. Sollte es bei der grenzüberschreitenden UVP zu dem Kernkraftwerksprojekt Temelin 3 und 4 zu „einem Kon- fliktfall eines deutschen Einwenders“ kommen, würde es zu den Aufgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit sowie des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft ge- hören, mit der zuständigen Behörde des Nachbarstaates Kontakt aufzunehmen. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 66 und 67): Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der in seinem jüngsten Umweltgutachten für eine Anhebung des europäi- schen Klimaziels von derzeit minus 20 Prozent auf minus 30 Prozent plädiert, um mehr Anreize für eine erhöhte Ener- gie- und Ressourceneffizienz zu schaffen, und wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung, dass sich die Kriterien für die kostenlose Verteilung von Emissionszertifikaten zu- künftig an den technischen Potenzialen und nicht an histori- schen Emissionen orientieren sollen? Wird die Bundesregierung diesen Empfehlungen des Umweltrates folgen, und was plant die Bundesregierung dies- bezüglich? Die Bundesregierung nimmt die Empfehlung des Sachverständigenrates für Umweltfragen als wichtigen Beitrag für die aktuelle Klimaschutzdebatte zur Kennt- nis. Die EU hat sich zu dem Ziel bekannt, die Emissionen im Rahmen der nach Ansicht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, IPCC, erforderlichen Reduzierungen durch die Gruppe der Industrieländer bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Auf EU-Ebene wird derzeit diskutiert, auf welchem Wege der Übergang in eine wettbewerbsfähige CO2- arme Wirtschaft in einem langfristigen Prozess erreicht werden kann. Die EU verpflichtete sich zudem bereits 2007/2008 auf die Initiative „20-20-20“: Bis zum Jahr 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent, gegebenen- falls 30 Prozent (vergleiche ER-Beschlüsse), gesenkt, der Anteil erneuerbarer Energieträger am Energiever- brauch auf 20 Prozent und die Energieeffizienz um 20 Prozent gesteigert werden. Eine Anhebung des EU- Klimaziels auf 30 Prozent trägt die Bundesregierung auf Basis des nationalen 40-Prozent-Ziels dann mit, wenn keine darüber hinausgehenden Emissionsminderungen von Deutschland verlangt werden und alle EU-Mitglied- staaten einen fairen Beitrag leisten. Für die dritte Handelsperiode im EU-Emissionshan- del ab 2013 ist eine kostenlose Zuteilung auf Basis an- spruchsvoller produktbezogener Benchmarks vorgese- hen. Diese leiten sich von der Durchschnittsleistung der 10 Prozent effizientesten Anlagen in Europa ab. Damit wird sich die kostenlose Zuteilung künftig an den tech- nisch-wirtschaftlichen Minderungspotenzialen orientie- ren. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 68): Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Kilowattstunde für Wind- energieanlagen an Land in Großbritannien, und wie hoch liegt die durchschnittliche Vergütung für Windenergieanlagen an Land in Deutschland? Die durchschnittliche Vergütung in Deutschland ent- spricht dem gewichteten Mittel des EEG-Tarifs für alle bis 2011 installierten Anlagen. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Institutes für System- und Innovationsforschung, ISI, auf Basis des Anlagenregisters der BNetzA ergibt sich hier eine durchschnittliche Vergütung von 8,92 Cent je Kilo- wattstunde. Für im Jahr 2011 neu installierte Anlagen betrug die Vergütung 9,51 Cent je Kilowattstunde. Die durchschnittliche Vergütung in UK entspricht der Summe aus Großhandelsstrompreis – 5,405 Cent je Kilo- wattstunde in 2011 –, dem Preis für „Renewable Obliga- tion Certificates, ROCs“ – 5,563 Cent je Kilowattstunde in 2011 – sowie der Befreiung von der Stromsteuer „Cli- mate Change Levy, CCL“ – 0,558 Cent je Kilowattstunde in 2011. Somit betrug die durchschnittliche Gesamtvergü- tung für Wind onshore im Jahr 2011 in UK 11,526 Cent je Kilowattstunde, Berechnungen des ISI. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 69): Wie hoch sind die durchschnittlichen täglichen Kosten der Marktprämie bzw. der Managementprämie, die bereits durch die im Juni 2012 gemeldeten Erneuerbaren-Energien-Anlagen entstehen, und welche Gesamtkosten erwartet die Bundesre- gierung für dieses Jahr? Nach Informationen der Übertragungsnetzbetreiber, ÜNB, sind für den Monat Juni 22 817 Megawatt instal- lierte Leistung für die Marktprämie angemeldet. Unter der Bedingung, dass diese Mengen bis zum Jahresende in der Marktprämie bleiben, die Mengen in den Monaten Januar bis Mai geringer waren und bei Berücksichtigung der von den ÜNB im Trendszenario der Mittelfristpro- gnose 2012 bis 2016 angesetzten Vollbenutzungsstun- den, belaufen sich die Kosten der Managementprämie auf durchschnittlich rund 1,2 Millionen Euro pro Tag, gut 3 Prozent der gesamten EEG-Differenzkosten. 21848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Bei der Einführung der Marktprämie war klar, dass im Vergleich zum Verkauf der EEG-Strommengen durch die ÜNB an der Strombörse zusätzliche Kosten entste- hen würden. Dem gegenüberzustellen sind allerdings wegfallende Kosten der ÜNB bei der Wälzung des übri- gen EEG-Stroms. Zusätzlich sieht das EEG eine starke jährliche Absenkung der Managementprämie vor, bei Wind und PV im Schnitt um etwa 16 Prozent pro Jahr. Anders als bei den EEG-Vergütungen gilt dies auch für Bestandsanlagen. Für eine Änderung der Management- prämie bedarf es keiner Gesetzesänderung, da hierfür eine Verordnungsermächtigung im EEG nach § 64 f Abs. 3 besteht. Wie sich die Gesamtkosten dieses Jahr entwickeln, hängt von der weiteren Entwicklung der Direktvermark- tung ab. Das Fraunhofer-Institut für System- und Inno- vationsforschung, ISI, schätzt die in diesem Jahr über die Marktprämie vermarktete Strommenge auf rund 57 Ter- rawattstunden, was im Jahr 2012 zu Gesamtkosten von bis zu 465 Millionen Euro führen könnte. Die Bundesre- gierung wird die Entwicklung bei der Marktprämie sorg- fältig beobachten. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 70 und 71): Welchen Kraftstoff verwendet das im Rahmen der Öffent- lichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Bildung und For- schung eingesetzte Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“, das derzeit mit einer Ausstellung zur Forschung für nachhal- tige Entwicklungen anlässlich des „Wissenschaftsjahrs 2012 – Zukunftsprojekt Erde“ unterwegs ist, und welche Ökobilanz weist dieser Kraftstoff auf? Wie viel CO2 hat die „MS Wissenschaft“ pro Besucher des Schiffes in den Wissenschaftsjahren 2009, 2010 und 2011 emittiert, und wie viel CO2 wird die „MS Wissenschaft“ auf der vorgesehenen Ausstellungsreise 2012 pro zurückgelegtem Kilometer emittieren? Zu Frage 70: Die „MS Wissenschaft“ wird von der Initiative „Wis- senschaft im Dialog“ als Auftragnehmer betrieben. Nach Angaben von „Wissenschaft im Dialog“ tankt das Schiff Dieselkraftstoff/Gasöl (zum Beispiel schwefelfrei, maximal 10 parts per million/EN 590) für die Binnen- schifffahrt. Laut Umweltdatenbank werden zwischen etwa 200 Grad Celsius und 400 Grad Celsius siedende Fraktio- nen als Gasöle bezeichnet (Leicht-, Schwer-, Vakuum- gasöl). Auf dem internationalen Mineralölmarkt werden unter diesem Begriff die Mitteldestillate Dieselkraftstoff und Heizöl EL verstanden. Greenergy-Diesel (schwefel- frei): Dieser Dieselkraftstoff auf Rohölbasis enthält ma- ximal 10 parts per million Schwefel. Schwefelfreier Gre- energy-Diesel übertrifft in allen Punkten die europäische Norm für Dieselkraftstoff EN 590. Er ist in jedem Die- selmotor ohne technische Umstellungen sofort einsetz- bar. Schwefelfreier Dieselkraftstoff reduziert unter ande- rem die Partikelmasse um bis zu 40 Prozent gegenüber Diesel der EN 590 und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung von Schadstoffemissionen durch Kraft- stoffe/Verkehr. Zu Frage 71: Der Gasölverbrauch für die diesjährige Tour der „MS Wissenschaft“, auf der 3 550 Kilometer zurückgelegt werden sollen, wird von „Wissenschaft im Dialog“ auf circa 35 000 Liter geschätzt. Da das Schiff auch in Lie- geposition Strom, also Gasöl, verbraucht, ist eine theore- tische Umrechnung über Faktor 2,63 Kilogramm CO2- Ausstoß bei Verbrennung eines Liters Dieselkraftstoff anzunehmen. Pro Kilometer ergäbe sich so ein Wert von 25,93 Kilogramm CO2 pro Kilometer. Legt man den gleichen Faktor zugrunde, ergibt sich für die Jahre 2009 und 2010 ein CO2-Ausstoß pro Besu- cher in Höhe von 0,88 Kilogramm, im Jahr 2011 in Höhe von 1,28 Kilogramm pro Besucher. Insgesamt ist der CO2-Verbrauch der „MS Wissen- schaft“ um ein Vielfaches niedriger, als es bei einem ver- gleichbaren Transport über die Straße der Fall wäre. Die Ausstellung hat in der Vergangenheit in Deutschland und im benachbarten Ausland jedes Jahr zwischen 30 und 60 Städte angefahren und bis zu 100 000 Besucher im Jahr erreicht, insbesondere Familien und Schulklassen. Ein Lkw-Transport, für den zwei bis drei 40 000-Tonner benötigt würden, hätte allein für den Transport eine vier- mal schlechtere CO2-Bilanz. Hinzu kommen die erhebli- chen Verbrauchskosten, die durch den vielfachen Auf- und Abbau jeweils vor Ort entstehen würden und die durch die Wahl des Schiffs als Ausstellungsort nahezu komplett eingespart werden. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 72 und 73): Welcher Aufwand ist dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, dadurch entstanden, dass die Anmel- dung zum Seminar von Dr. Annette Schavan an der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2011/2012 über die dienstliche E-Mail-Adresse der Bundesministerin abgewickelt wurde (vergleiche www.fu-berlin.de/vorlesungsverzeichnis/ ws11/12) und die eingehenden E-Mails entsprechend betreut und bearbeitet wurden? Wann und auf welcher Grundlage ist eine Zustimmung erteilt worden, die Anmeldung zu Seminaren im Rahmen der – privaten – Honorarprofessur von Bundesministerin Dr. Annette Schavan über die dienstliche E-Mail-Adresse von Dr. Annette Schavan beim BMBF abzuwickeln? Zu Frage 72: Die Anmeldungen zum Seminar dienen ausschließ- lich der Information der Ministerin. Dem Bundesminis- terium für Bildung und Forschung entsteht hierdurch kein zusätzlicher Aufwand. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21849 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 73: Regelungen für die Verwendung dienstlicher E-Mail- Adressen von Mitgliedern der Bundesregierung sind we- der im Bundesministergesetz noch in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung oder der Ge- meinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien enthalten. Im Übrigen erfolgt die Durchführung der Lehrtätigkeit im Rahmen der Honorarprofessur im Ein- klang mit den Regelungen des Bundesministergesetzes. Um auch für diese Aufgabe innerhalb der vielfältigen Verpflichtungen der Ministerin eine konsistente und zü- gige Information sicherzustellen, wurde hierfür ebenfalls der zentrale Account gewählt. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck- sache 17/9888, Frage 74): Wie ist der aktuelle Planungs- und Umsetzungsstand der für 2012 angekündigten Öffentlichkeitskampagne des Bil- dungs- und Forschungsministeriums im Rahmen der nationa- len Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwach- sener in Deutschland? Aufgrund der Ergebnisse der leo.Level-one-Studie zum funktionalen Analphabetismus Erwachsener in Deutschland haben Frau Bundesministerin Dr. Schavan und der Präsident der KMK zu einer gemeinsamen natio- nalen Strategie für Grundbildung und Alphabetisierung von Bund, Ländern und wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen („weitere Partner“) als einem breiten gesell- schaftlichen Bündnis aufgerufen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, beabsichtigt, als Teil der gemeinsamen Strategie 2012 eine Öffentlichkeitskampagne zum Thema des funktionalen Analphabetismus durchzuführen. Die Kampagne wird ihr Hauptaugenmerk auf Fernsehspots richten. Dabei wird auch die Gruppe der „Helfer“ mit angesprochen werden, die im Alltag von Betroffenen in schwierigen Situationen beim Lesen oder Schreiben aus- helfen. Zur Kampagne gehört auch ein Internetauftritt, der Betroffene und Interessierte zu den unterschiedlichs- ten Angeboten und Informationen im Bereich Alphabeti- sierung leitet. Für die Vorbereitung der Kampagne waren und sind eine Vielzahl von Partnern einzubeziehen. Die Abstim- mungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Das Projekt „iChance“, welches als Teil dieser Öffent- lichkeitskampagne im Internet jüngere Betroffene an- spricht, läuft bereits seit April 2012. Weiterhin wurde die Finanzierung und Erweiterung des ALFA-TELEFONS für die Laufzeit der Kampagne verstetigt, als eine wich- tige Voraussetzung für die erste Kontaktaufnahme von Betroffenen. Beide Maßnahmen werden vom Bundes- verband Alphabetisierung und Grundbildung, BVAG, umgesetzt. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck- sache 17/9888, Frage 75): Welche Tagungen von Bildungsträgern mit dem Gegen- stand der Netzwerkbildung hat die Bundesregierung anhand welcher Kriterien in dieser Legislaturperiode gefördert? Mit dem BMBF-Förderschwerpunkt – 2007 bis 2012 – wurden wesentliche Impulse im Bereich Netzwerkbil- dung in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit in Deutschland gesetzt. Die über 100 geförderten Pro- jekte des Förderschwerpunktes haben mit der Verknüp- fung von Wissenschaft und Praxis – hauptsächlich Bildungsträger –, die in allen 24 Verbünden struktureller Bestandteil war, die Netzwerkbildung und somit die nachhaltige Nutzung der Ergebnisse befördert. Die Aktivitäten, die im Rahmen der Projekt- und Transferarbeit in Angriff genommen wurden, beinhalte- ten auch stets eine Netzwerkbildung. Alle Projekte führ- ten solche Projektveranstaltungen durch, um die Projekt- ergebnisse lokal und/oder bundesweit zu präsentieren. Die Veranstaltungen wurden als elementare Bestandteile der Projekte über die bewilligten Mittel durch das BMBF gefördert. Grundlage hierfür waren die Förder- kriterien des Förderschwerpunktes „Forschung und Ent- wicklung zur Alphabetisierung und Grundbildung Er- wachsener“. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- sache 17/9888, Frage 76): Wann beabsichtigt die Bundesregierung das sogenannte Lissabon-Ziel, das 2010 verfehlt wurde, unter Angabe der dazu eingeleiteten und vorgesehenen Maßnahmen im Einzel- nen zu erreichen, und wie ist in diesem Zusammenhang der Sachstand – unter Angabe des vorgesehenen Beginns der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, die von der Koalition ursprünglich für diese Legislaturperiode vorgesehen war? Die aktuelle EU-2020-Strategie, die auf der Lissabon- Strategie aufbaut, sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2020 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Nachdem die FuE-Intensität in Deutschland in den Jahren vor 2005 nur minimal gestiegen ist, beträgt die jährliche Steige- rung seither durchschnittlich 0,75 Prozentpunkte. Insbe- sondere seit 2008 ist ein deutliches Wachstum der FuE- Ausgaben der Wirtschaft und des Staates festzustellen. 2010 betrug die FuE-Intensität in Deutschland 2,82 Pro- zent. Zwar ist das der gleiche Prozentwert wie im Vor- jahr, aber aufgrund des sehr starken Wirtschaftswachs- tums im Jahr 2010 steht dahinter eine erneute enorme Steigerung der FuE-Investitionen. Im Rahmen der Strategie „EU 2020“ hat die EU- Kommission aktuell eine „Empfehlung für eine Empfeh- lung des Rates zum Nationalen Reformprogramm 21850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Deutschland 2012“ vorgelegt. Insbesondere im Bereich Bildung und Forschung ist die Stellungnahme für Deutschland positiv. Gelobt wird unter anderem der ge- steigerte finanzielle Aufwand für Bildung und For- schung. Positiv bewertet die EU-Kommission, dass Deutschland bei der Umsetzung des angestrebten Ziels, die gesamtstaatlichen Ausgaben für Bildung und For- schung zu steigern, „auf gutem Weg“ sei. Das zugrunde liegende Arbeitspapier stellt fest, dass Deutschland laut Europäischem Innovationsanzeiger bei Innovationen in- nerhalb der EU einen Spitzenplatz einnimmt und das Ziel, 3 Prozent des BIP für FuE aufzuwenden, fast er- reicht hat. Bezüglich der Einführung einer steuerlichen Förde- rung von Forschung und Entwicklung haben sich keine Änderungen des Sachstands ergeben. Über die Einfüh- rung wird die Bundesregierung unter Berücksichtigung des gebotenen Konsolidierungskurses und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck- sache 17/9888, Frage 77): Wie ist der aktuelle Sachstand der Vorschläge bzw. der Gespräche mit den Bundesländern hinsichtlich einer mögli- chen BAföG-Anhebung auf Grundlage des 19. BAföG- Berichtes – unter Angabe des gegebenenfalls vorgesehenen Zeitpunktes und der gegebenenfalls vorgesehenen Steigerung –, und welche Verbesserungen, insbesondere im Hinblick auf die Bearbeitungsdauer und bei der Bewilligung von Auslands- BAföG, haben sich im Hinblick auf Medienberichte („Leich- ter, aber nicht schneller“, Spiegel Online, 1. Juni 2012) erge- ben, wonach insbesondere „die Formblattverordnung“ des Bundes geändert und das „E-Government-Gesetz“ verab- schiedet werden müsste? Die Regierungskoalition hat bereits mit dem 22. und 23. BAföG-Änderungsgesetz strukturelle und finanzielle Verbesserungen im BAföG umgesetzt, die sich in den Daten des 19. BAföG-Berichtes widerspiegeln. Gleich- wohl hat das Bundesministerium für Bildung und For- schung, BMBF, mit den Ländern einen Meinungsaus- tausch über deren Erwartungen weiterer BAföG- Verbesserungen und die dafür bestehende Mitfinanzie- rungsbereitschaft aufgenommen. Das erforderliche klare Bekenntnis aller Länder, ihren Mitfinanzierungsanteil von 35 Prozent nach § 56 BAföG auch für ein weiteres BAföGÄndG aufzubringen, ist bisher ausgeblieben. Es sind daher weitere Gespräche mit den Ländern notwen- dig. Was die Frage der Bearbeitungsdauer von BAföG- Anträgen und der Onlineantragstellung anbelangt, kann ich Folgendes klarstellen: Die angemahnte Änderung der Formblattverordnung hat es längst gegeben. Mit der zum 5. April 2011 in Kraft getretenen BAföG-FormblattVwV wurden die Antrags- formblätter entsprechend des Änderungsbedarfs auf- grund des 23. BAföGÄndG grundlegend angepasst. Er- fahrungen aus der Verwaltungspraxis wurden in den Überarbeitungsprozess eingebracht und die Formblätter wurden übersichtlicher und bürgerfreundlicher gestaltet. In die Überarbeitung einbezogen wurden auch die Ver- besserungsvorschläge, die im Abschlussbericht „Einfa- cher zum Studierenden-BAföG (März 2010)“ des Natio- nalen Normenkontrollrates, NKR, enthalten sind. Die Verabschiedung des „E-Government-Gesetzes“ ist nicht Voraussetzung für die Bereitstellung sinnvoller Onlineanwendungen im Zusammenhang mit der BAföG-Antragstellung, die im Übrigen in alleiniger Ver- antwortung der Länder liegt. Hier haben beispielsweise Bayern und Hessen den Beweis erbracht, dass sehr wohl bereits Möglichkeiten bestehen, die allerdings noch nicht von allen Ländern genutzt werden. Anlage 49 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen der Abgeordneten Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 78 und 79): Welche Giftstoffe plant die Deutsche Gesellschaft für In- ternationale Zusammenarbeit, GIZ, GmbH aus Bhopal nach Deutschland zu importieren, und in welchen Anlagen in Deutschland ist eine vollständige Vernichtung sichergestellt? Über welche Transportmittel gelangen diese Giftstoffe zur Vernichtung in die Anlagen, und handelt es sich um eine ein- malige Angelegenheit? Zu Frage 78: Die indische Regierung beabsichtigt, GIZ-lnternational Services, GIZ-IS, den für das Drittgeschäft zuständigen Zweig der Gesellschaft für Internationale Zusammenar- beit, GIZ, mit der umweltgerechten Entsorgung von ge- fährlichen Abfällen aus Bhopal zu beauftragen. Dabei geht es nach Angaben der indischen Seite um insgesamt 350 Tonnen kontaminierten Bodens, die vor dem Indus- trieunfall bei der Union Carbide India Limited, UCIL im Jahr 1984 angefallen sind und umweltgerecht beseitigt werden müssen. In Indien ist eine sachgerechte Entsor- gung derzeit technisch nicht möglich. Das betreffende Bodenmaterial ist nach den der GIZ-IS vorliegenden Analysen mit den als Insektiziden verwen- deten Substanzen Carbaryl und Hexachlorcyclohexan, HCH, sowie Lösungsmitteln und Schwermetallen belas- tet. Ein Teil des Bodenmaterials ist darüber hinaus mit Quecksilber kontaminiert. Für die Entsorgung der Abfälle käme nach Einschät- zung der GIZ eine Reihe von Sondermüllverbrennungs- anlagen in Deutschland infrage. Durch die in diesen An- lagen vorhandene Technik wäre bei einer Beseitigung der Abfälle ein hohes Schutzniveau gegen Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherge- stellt. Zu Frage 79: Sollte das oben genannte Drittgeschäft von GIZ-IS zustande kommen, soll der Transport auf Wunsch der Regierung des indischen Bundesstaats Madhya Pradesh auf dem Luftweg durchgeführt werden. Hierzu würden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21851 (A) (C) (D)(B) nach Auskunft von GIZ-IS die betreffenden Abfälle nach den UN-Richtlinien für den Transport von gefährli- chen Gütern in speziell geprüfte Behälter verpackt und gekennzeichnet werden. In diesem Fall kämen Spezial- fässer aus Polyethylen mit einer zusätzlichen Ausklei- dung, ebenfalls aus Polyethylen, zum Einsatz. Diese Fässer mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern würden in der Sondermüllverbrennungsanlage über För- derbänder ungeöffnet in die Verbrennungseinrichtung transportiert und dort beseitigt werden. Nach Angaben von GIZ-IS handelt es sich um eine einmalige Angelegenheit. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 80): Unterstützt die Bundesregierung den aktuellen Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zu Art. 6 (25 Prozent Bundled-Flexibility-Lösung, Anrechnung Early Actions, …) der Energieeffizienzrichtlinie, und trifft es zu, dass sich Deutschland auf EU-Ebene bei Art. 4 nicht nur für eine Sen- kung der jährlichen Sanierungsrate von 3 auf 2,5 Prozent, son- dern auch für eine Definition von „öffentlichen Gebäuden“ einsetzt, die ausschließlich die Gebäude der Bundesministe- rien umfassen würde – und Deutschland demnach bis 2020 gerade einmal 37 Bundesgebäude sanieren müsste? Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen im Rat dafür eingesetzt, dass im Rahmen von Art. 6 der EU-Energieeffizienz-Richtlinie, EED, sogenannte Early Actions ab dem 1. Januar 2009 umfassend auf die Ener- gieeinsparquote von 1,5 Prozent per annum angerechnet werden dürfen, im Gegenzug aber die weiteren Flexibili- sierungsmechanismen einem 20-Prozent-Cap unterlie- gen (derzeitiger Ratsvorschlag: 25 Prozent). Im Rahmen von Art. 4 EED befürwortet die Bundesre- gierung eine energetische Sanierungsrate von 2 Prozent pro Jahr für alle Nichtwohngebäude, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen und von ihr genutzt werden. Da- mit ist keine Beschränkung auf Gebäude der „zentralstaat- lichen Verwaltungsebene“ verbunden. Diese wird jedoch von der Mehrheit der anderen Mitgliedstaaten gefordert. Die Definition „zentralstaatliche Verwaltungsebene“ um- fasst nicht nur die Bundesministerien, sondern alle Nicht- wohngebäude in Bundesliegenschaften. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 81): Welche konkreten Inhalte außer einer Veränderung der Haftung für Netzbetreiber beim Anschluss von Offshorewind- parks soll die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 16. Mai 2012 angekündigte Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes haben, und welchen Zeitplan hat die Bundesregierung für diese Novelle geplant? Kern der angekündigten Novelle des Energiewirt- schaftsgesetzes, EnWG, wird die Regelung zur Haftung beim Anschluss von Offshoreerzeugungsanlagen sein. Daneben wird der Gesetzentwurf Klarstellungen im Zu- sammenhang mit der Novelle 2011 beinhalten. Zudem wird derzeit geprüft, Instrumente zur Erleichterung der zeitnahen und planbaren Refinanzierung von Investitio- nen mit aufzunehmen. Die Novelle soll noch im Sommer auf den Weg gebracht werden. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/9888, Frage 82): Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen Investitionen in die Stromnetze – exklusive der durch die Offshorewindkraft entstandenen Kosten – durch die Übertragungsnetzbetreiber zwischen 1990 und 2011, aufge- schlüsselt nach Jahren, und welchen Anteil hatten die einzel- nen Betreiber an diesen? Der Bundesregierung liegen keine Zahlen zu den tat- sächlich vorgenommenen jährlichen Investitionen in die Stromnetze für den Zeitraum von 1990 bis 2011 vor. Ab Wirksamwerden der Anreizregulierungsverord- nung, ARegV, im Jahr 2008 haben die Übertragungs- netzbetreiber auf Grundlage des § 23 ARegV bei der Bundesnetzagentur sogenannte Investitionsbudgets be- antragt. Für die Jahre 2008 und 2009 hat die Bundesnetzagen- tur folgende Gesamtbeträge (exklusive der für Offshore- windkraft geplanten Kosten) genehmigt: – 2008: 4 109 605 220 Euro – 2009: 2 610 837 692 Euro (Keine große Abweichung zu den beantragten Zah- len). Für die Jahre 2010 und 2011 liegen aufgrund eines Gerichtsverfahrens, das erst im Februar 2012 durch Ver- gleich abgeschlossen worden ist, noch keine Genehmi- gungen seitens der Bundesnetzagentur vor. Beantragt wurden von den Übertragungsnetzbetreibern folgende Kosten: – 2010: 884 708 798 Euro – 2011: 4 726 700 000 Euro. Anlage 53 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Druck- sache 17/9888, Fragen 83 und 84): Wie hoch waren die Kosten, um der Bundestagsabgeord- neten C. R. von Tripolis, Libyen, bis zur Grenze nach Tune- sien gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen (Spiegel Online vom 6. Juni 2012)? Wer trägt die Kosten für die Bereitstellung von gepanzer- ten Fahrzeugen für die Bundestagsabgeordnete C. R.? 21852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 83: Da für den Vorgang keine Fahrzeuge angemietet wur- den, beschränken sich die aus dem Bundeshaushalt zu tragenden Kosten im Wesentlichen auf die Betriebskos- ten der benutzten Dienstwagen. Darüber hinausgehende Kosten, unter anderem für die Fahrzeuge der libyschen Polizei und des libyschen Außenministeriums, lassen sich nicht genau beziffern. Zu Frage 84: Die Kosten werden durch das Auswärtige Amt getra- gen. Anlage 54 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/9888, Frage 85): Welche EU- und anderen internationalen Projekte, wie die Mission zur Ausbildung libyscher Polizisten durch Jordanien, werden zurzeit nach Kenntnis der Bundesregierung zur Stär- kung des Sicherheitssektors und der Waffenkontrolle in Li- byen durchgeführt, und zu welchen derartigen Projekten leis- tet die Bundesregierung Unterstützung (wenn möglich, nach Projekt und Höhe der Mittelzuwendung aufschlüsseln)? Zur Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen, UNSMIL, gehören Polizeiberater, die das liby- sche Innenministerium beraten, unter anderem bei der Gestaltung von polizeilichen Aus- und Fortbildungskur- sen, bei der Absicherung von Wahlen und bei der wirt- schaftlichen Beschaffung von Material und Ausrüstung. UNSMIL und der Minenräumungsdienst der Vereinten Nationen, UNMAS, unterstützen das libysche Verteidi- gungsministerium bei der Erarbeitung eines Programms zur Registrierung von Waffen. Bei der Ausbildung libyscher Polizisten durch Jorda- nien handelt es sich um ein bilaterales Vorhaben der jor- danischen Regierung, zu dem der Bundesregierung keine näheren Informationen vorliegen. Weitere interna- tionale Vorhaben zur Stärkung des libyschen Sicher- heitssektors sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Europäische Union engagiert sich derzeit insbe- sondere für eine Verbesserung des Grenzschutzes in Libyen. Sie hat im Rahmen der internationalen Arbeits- teilung unter dem Dach der Vereinten Nationen die fe- derführende Zuständigkeit für diesen Bereich übernom- men. Entlang der langen libyschen Grenzen erfolgen derzeit nur unzureichende Kontrollen gegen den Schmuggel von Menschen, Waffen und Drogen. An ei- ner Erkundungsmission der EU, die ihren Abschlussbe- richt in nächster Zeit vorstellen wird, hat auch ein über das Auswärtige Amt entsandter deutscher Experte teilge- nommen. Über konkrete, weiterführende Maßnahmen wird in den nächsten Wochen auf Grundlage des Ab- schlussberichts in Brüssel beraten werden. Die Bundesregierung leistet zudem bilaterale Bei- träge zur Verbesserung der Sicherheitslage in Libyen. Die Proliferation von Waffen bedeutet eine große He- rausforderung. Seit dem Ende der Kampfhandlungen ist Libyen daher prioritär für deutsche Unterstützungsmaß- nahmen im Bereich der Nichtverbreitung, der konventio- nellen Rüstungskontrolle und des humanitären Minen- räumens. Bis jetzt hat die Bundesregierung dafür bereits rund 2,8 Millionen Euro eingesetzt. Dabei handelt es sich um folgende Vorhaben: Gemeinsam mit den USA Aufbau der neuen nationalen Behörde für Minenräumung, Kampfmittelbeseitigung und Kleinwaffenkontrolle (Li- byan Mine Action Center – LMAC) (750 000 Euro), Kampfmittelbeseitigung und Gefahrenaufklärung der Bevölkerung (über 1,3 Millionen Euro). 2012 sind wei- tere Projekte im Wert von über 750 000 Euro geplant, Logistische Unterstützung bei der Inspektion und Siche- rung von Chemiewaffen (ca. 600 000 Euro) und Ausrüs- tungshilfe (90 000 Euro). Eine weitere Ausrüstungshilfe (Wert bis 400 000 Euro) ist in Vorbereitung. Die Bundesregierung hat zudem Mitte Mai 2012 ge- meinsam mit dem Büro für Nuklearsicherung, Office of Nuclear Security ONS, der Internationalen Atomener- gieorganisation IAEO einen Besuch in Tripolis durchge- führt. Dabei wurden mit der libyschen Atomenergiebe- hörde Unterstützungsmaßnahmen zur Sicherung des zivilen Kernforschungszentrums Tadschura, hochradio- aktiver Strahlenquellen und zur Verhinderung des Schmuggels von Nuklearmaterial erörtert. Erste bilate- rale Maßnahmen und Beiträge zu lAEO-Aktivitäten sind noch 2012 geplant. Anlage 55 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 86): Welche konkreten Positionen wird die Bundesregierung in Bezug auf die mittel- und langfristige Weiterentwicklung der Europäischen Union auf dem Europäischen Rat Ende Juni 2012 vertreten, und inwiefern findet diesbezüglich eine vor- herige Abstimmung mit anderen EU-Mitgliedstaaten statt? Bei Gesprächen während des informellen Europäi- schen Rats am 23. Mai 2012 bestand Konsens, dass die Wirtschafts- und Währungsunion in eine neue Phase überführt werden muss. Die Wirtschaftsunion muss ge- stärkt werden, um sie mit der Währungsunion besser in Einklang zu bringen. Der Präsident des Europäischen Rats wird daher für den Europäischen Rat im Juni – in enger Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Euro- päischen Kommission, dem Präsidenten der Euro- Gruppe und dem Präsidenten der Europäischen Zentral- bank – einen Bericht mit möglichen Bausteinen und ei- ner Arbeitsmethode zur Erreichung dieses Ziels vorstel- len. Dieser Bericht liegt noch nicht vor. Eine entspre- chende Positionsbestimmung wird die Bundesregierung nach Vorlage vornehmen. Der Europäische Rat wird in den kommenden Wo- chen im etablierten Verfahren durch den Ausschuss der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21853 (A) (C) (D)(B) Ständigen Vertreter und den Allgemeinen Rat vorberei- tet. Der Bundestag wird dabei im üblichen Verfahren un- terrichtet. Anlage 56 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 87): Inwiefern sind die Aussagen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Europäischen Kommission perspekti- visch mehr Kompetenzen übertragen zu wollen, eine Abkehr von der von ihr am 2. November 2010 am College d’Europe in Brügge bekanntgemachten „Unionsmethode“, die de facto eine Schwächung der Europäischen Kommission beinhaltete? Als die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im No- vember 2010 die Unionsmethode vorgestellt hat, ging es ihr nicht um eine Schwächung der Kommission, sondern um eine Beschreibung des besonderen Zusammenwir- kens von Mitgliedstaaten und EU-Institutionen im Rah- men der in den geltenden europäischen Verträgen nieder- gelegten Zuständigkeitsverteilung. Es ging ihr darum, deutlich zu machen, dass wir Europa gemeinsam voran- bringen müssen, durch abgestimmtes solidarisches Han- deln – jeder in seiner Zuständigkeit, alle für das gleiche Ziel. Daran hat sich nichts geändert. Heute geht es aber nicht um die Beschreibung eines Istzustandes, sondern um Zukunftsperspektiven. Es geht um die Lehren aus der Schuldenkrise im Euro-Raum und die Fortentwick- lung der Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion. Dies erfordert aus Sicht der Bundesregierung eine weitere Vertiefung der Inte- gration – mindestens innerhalb der Euro-Zone. Dies er- fordert also, wie die Bundeskanzlerin und auch der Bun- desminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, betont haben, „mehr Europa“ als wir es heute haben. Anlage 57 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Ab- geordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 88): Wie beurteilt die Bundesregierung die vom russischen Parlament am 6. Juni 2012 beschlossene Einschränkung des Demonstrationsrechts, und wie wird sie diese Bewertung ge- genüber Russland auf der bilateralen Ebene sowie in der EU und im Europarat thematisieren? Meinungs- und Versammlungsfreiheit gehören zu den elementaren Grundrechten. Die Verschärfung des Ver- sammlungsrechts ist das falsche Signal an die Bürger in Russland. Sie lässt Zweifel an einer Demokratisierung des Landes aufkommen. Statt Meinungsvielfalt und den Wettbewerb der Ideen zu fördern, vergrößert die russi- sche Führung die Kluft zwischen Staat und Bürgern. Die Bundesregierung bedauert, dass die Mehrheit des Parla- ments und Präsident Putin die Kritik des russischen Menschenrechtsrates und der Opposition an der Geset- zesänderung übergangen haben. Die Bundesregierung wird ihre kritische Haltung in bilateralen Gesprächen mit der russischen Regierung zum Ausdruck bringen und sich dabei mit ihren Partnern in der Europäischen Union eng abstimmen. Die Kritik der Bundesregierung hat der Koordinator für die deutsch-russische zivilgesellschaftli- che Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff, MdB, bereits vor der zweiten Lesung des Gesetzes in der Duma deutlich gemacht. Die Bundesregierung verfolgt auch im Europarat auf- merksam die Entwicklung der Meinungs- und Versamm- lungsfreiheit in Russland. In den Gremien des Europa- rats, vor allem dem Ministerkomitee, setzt sie sich in geeigneter Weise dafür ein, dass Verletzungen der von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantier- ten Grundrechte durch Russland beendet werden. Insbe- sondere bestärkt sie den Europarat und seine Repräsen- tanten darin, derartige Verletzungen mit der russischen Führung zu thematisieren. Zudem wird sie auch künftig Maßnahmen des Europarats zur Behebung von Rechts- staatsdefiziten in seinen Mitgliedstaaten, darunter auch in Russland, unterstützen. Anlage 58 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 89): Inwieweit bestätigt die Bundesregierung Meldungen aus Afghanistan, wonach Taliban-Kämpfer die Schließung der staatlichen Schulen in der Provinz Ghazni, in der die Verant- wortung für die Sicherheit bereits an die afghanischen Behör- den übergeben worden ist, angeordnet haben, nachdem dort Motorräder ohne Nummernschilder von Regierungsstellen be- schlagnahmt worden waren, und dass daraufhin die Schulen geschlossen haben, und wie ist dieser Vorgang mit Beteuerun- gen der Bundesregierung zu vereinbaren, dass nur solche Ge- biete von ISAF in afghanische Verantwortung übergeben wer- den, in denen die afghanischen Behörden die Sicherheit der Bevölkerung tatsächlich garantieren können? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkennt- nisse zu den geschilderten Ereignissen in Ghazni vor. Mit Verkündung der dritten Tranche der Transition befinden sich erst 6 von 19 Distrikten der Provinz Ghazni in der Transition. Zuständig für die Beurteilung der Frage, ob Distrikte oder eine Provinz in afghanische Sicherheitsver- antwortung übergeben werden können, ist das sogenannte Joint Afghan-NATO Inteqal Board, JANIB. Dieses trifft seine Entscheidungen auf der Basis einer Beurteilung der Übergabereife der jeweiligen Provinz, welche sich auf ge- meinsam ausgearbeitete Kriterien stützt. Für die Übergabe verbindlich ist jedoch allein die souveräne Entscheidung der afghanischen Regierung. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Fragen 90 und 91): An welchen Punkten scheiterte die Einigung innerhalb der Bundesregierung über die 2010 angekündigten roten Linien für Datenschutz im Internet, und welche Auswirkungen hat der of- fensichtlich innerhalb der Bundesregierung bestehende Dissens zu diesem Thema auf die Verhandlungen über die Datenschutz- 21854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Grundverordnung der Europäischen Union, bei der es ebenfalls um die Reform des Datenschutzes im Internet geht? Mit welchen Forderungen versucht die Bundesregierung den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Datenschutz im Bereich des Polizei- und Strafrechts bei den Verhandlungen über die EU-Datenschutzreform gerecht zu werden, und wie erklärt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dass sie sich in den Verhandlungen für einen Ausschluss der „Gefahrenabwehr außerhalb des Strafrechts“ aus dem Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverord- nung einsetzt, obwohl sie in diesem Bereich auch die geplante EU-Richtlinie für nicht anwendbar hält? Zu Frage 90: Die Überlegungen der Bundesregierung zu dem Ent- wurf eines Gesetzes zur Verhinderung von schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und zu Veröffent- lichungen im Internet, dem sogenannten Rote-Linie-Ge- setz, wurden von den Ressorts in einen größeren Zusam- menhang gestellt. Dabei wurden auch Grundsatzfragen des Datenschutzrechts erörtert. Die daraus resultierenden Erkenntnisse werden nun im Rahmen der Erörterungen des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung (KOM(2012) 11 endg.) am 25. Januar 2012 auf europäischer Ebene einbezogen. Zu Frage 91: Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung (KOM(2012) 11 endg.) nicht für einen Ausschluss der „Gefahrenabwehr außer- halb des Strafrechts“ aus dem Anwendungsbereich, son- dern für eine klare Bestimmung des Anwendungs- bereichs der Datenschutz-Grundverordnung einerseits und der vorgeschlagenen Datenschutzrichtlinie im Be- reich Polizei und Justiz (KOM(2012) 10 endg.) anderer- seits eingesetzt. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass es weder zu Schutzlücken noch für die Poli- zei- und Justizbehörden sowie die allgemeinen Ord- nungsbehörden zu untragbaren Abgrenzungsschwierig- keiten unterschiedlicher Rechtsregime kommt. In ihrer Stellungnahme vom 9. Mai 2012 zu Art. 2 Abs. 2 Buchstabe e des Vorschlags für eine Datenschutz- Grundverordnung hat die Bundesregierung ausgeführt, dass zu den Aufgaben der deutschen Polizeibehörden neben der Verfolgung und Verhütung von Straftaten die Gefahrenabwehr außerhalb des Strafrechts gehört. Die- ser auch in der Praxis sehr wichtige Teil der polizeili- chen Aufgabenerfüllung dürfte vom Anwendungs- bereich der Richtlinie nicht umfasst sein. Es stellt sich dann jedoch die Frage, ob insoweit die Datenschutz- Grundverordnung für Aufgaben der polizeilichen Gefah- renabwehr, die nicht in der Verhütung von Straftaten bestehen, gelten soll, die jedoch für den Bereich der poli- zeilichen Datenverarbeitung nicht passend erscheint. Hier ist eine klare Bestimmung des Anwendungs- bereichs der beiden Rechtsakte dringend erforderlich. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 92): Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund des For- schungsvorhabens der Schufa Holding AG, zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Kunden Daten aus den sozialen Netzwerken heranzuziehen, die gegenwärtigen Datenschutz- bestimmungen für ausreichend, und wenn nicht, welche kon- kreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Auswertung ihrer Daten zu diesen Zwecken? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis vom konkre- ten Inhalt des zwischen der Schufa und dem Hasso- Plattner-Institut vereinbarten Forschungsauftrages. Soweit zur Umsetzung eines Forschungsauftrages die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezoge- ner Daten für Forschungszwecke erforderlich werden sollte, könnte dies auf der Grundlage des § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes, BDSG, erfolgen mit der Konsequenz, dass die Daten nur für Forschungszwecke genutzt werden dürfen und alsbald anonymisiert werden müssen. Eine Veröffentlichung wäre nur mit Einwilli- gung möglich. Ob eine Auskunftei selbst zu einem späteren Zeit- punkt solche Daten verarbeiten darf, richtet sich nach § 29 BDSG. Wenn nicht im Einzelfall eine Einwilligung in die Datenverarbeitung vorliegt, ist bei allgemein zugängli- chen personenbezogenen Daten die Datenverarbeitung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ausgeschlossen, wenn das schutzwürdige Interesse des Betroffenen offensichtlich überwiegt. Bei den in sozialen Netzwerken eingestellten Daten wird man zunächst immer davon ausgehen müs- sen, dass sie nur zum privaten Gebrauch eingestellt wer- den, da soziale Netzwerke vorrangig als Kommunika- tionsplattformen für den privaten Informationsaustausch genutzt werden. Daraus folgt auch, dass hier offensicht- lich die Interessen der Betroffenen überwiegen. Hätten, wie von dem Forschungsprojekt ursprünglich offenbar umfasst, auch Daten aus Bereichen der sozialen Netzwerke, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne Einwilligung verarbeitet werden sollen, gilt dies natür- lich erst recht. Da es sich bei der hier in Rede stehenden Datenverar- beitung um eine Datenverarbeitung im nichtöffentlichen Bereich handeln würde, wäre für diese nach geltendem Recht die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Lan- des gegeben, in dem die datenverarbeitende Stelle ihren Sitz hat. Das BDSG enthält bereits heute rechtliche Vorgaben. So enthält beispielsweise aufgrund einer Gesetzesände- rung in der letzten Legislaturperiode § 28 b BDSG die klare Vorgabe, dass nur Daten in den Score eingesetzt werden dürfen, die berechtigterweise erhoben und ge- speichert worden sind. Einer Speicherung stehen aber offensichtlich schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen. Die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit der Novellierung des europäischen Datenschutzrechts prü- fen, ob eine über die jetzige Rechtslage hinaus gehende Klarstellung sinnvoll ist. Der Vorgang macht erneut die Möglichkeiten der Nutzung von ins Internet gestellten personenbezogenen Daten deutlich und zeigt, wie wich- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21855 (A) (C) (D)(B) tig es ist, dass jeder selbst sehr sorgfältig prüft, welche Daten er ins Internet stellt und wer Zugriff darauf haben könnte. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD) (Drucksa- che 17/9888, Frage 93): War die Bundesregierung bei der im November letzten Jahres angekündigten Entwicklung einer Software zur Quel- len-TKÜ mittlerweile erfolgreich? Das Bundeskriminalamt, BKA, wurde mit der Ein- richtung eines „Kompetenzzentrums Informationstech- nische Überwachung“, CC ITÜ, beauftragt. Dort soll die Software zur Durchführung von Quellen-TKÜ-Maßnah- men auf Grundlage einer mit den Ländern abgestimmten sogenannten Standardisierenden Leistungsbeschreibung, SLB, entwickelt werden. Um die anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe erfüllen zu können, hat die Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2012 beim Deutschen Bundestag zusätzliche Mittel und 30 Stellen/Planstellen beantragt. Da diese Stellen/ Planstellen noch qualifiziert gesperrt sind, konnte mit der Entwicklung der Software noch nicht begonnen wer- den. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/9888, Frage 94): Inwieweit tangiert das Urteil des Gerichtshofs der Euro- päischen Union vom 22. Juni 2010 zum Schengener Grenz- kodex die deutsche Praxis, entlang der Binnengrenzen oder in Zügen bis weit in das Staatsgebiet hinein – ohne dass beson- dere Umstände vorliegen würden – die Identität einer Person zu kontrollieren, und welche Einschränkungen existieren, wie im „Halbjahresbericht über das Funktionieren des Schengen- Raums“ der EU-Kommission beschrieben (Ratsdok. 10223/12), zu diesen Kontrollen hinsichtlich der Polizeibefugnisse, bei- spielsweise nach Standort, Verkehrsmittel und Höchstgrenze der Kontrollen pro Tag, Woche oder Monat, Begrenzung des Gebiets, Festlegung einer Höchstgrenze für die Anzahl der je Zug zu kontrollierenden Wagen etc.? Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, vom 22. Juni 2010 in der Rechtssache „Melki“ (Rs. C-188/10 und C-189/10) ist auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Cour des Cassation, Frankreich, ergangen. Danach sind polizeiliche Kontrollen im Rahmen der in Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 vom 15. März 2006, Schengener Grenzkodex, normierten Ausübung polizei- licher Befugnisse zulässig. Die polizeilichen Kontrollen seien so zu konzipieren, dass die Ausübung von Verhal- tens- und gefahrenunabhängigen Befugnisnormen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen ent- falten könne. Die Befugnisnormen der Bundespolizei für Befragun- gen und Identitätsfeststellungen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet sind im Bundespolizeigesetz normiert. Die Ausübung dieser nationalen Befugnisse erfolgt unter Einhaltung des unmittelbar anwendbaren Art. 21 Schengener Grenz- kodex, wonach die Ausübung polizeilicher Befugnisse stichprobenartig aufgrund polizeilicher Lageerkennt- nisse und Erfahrungen zur Bekämpfung grenzüber- schreitender Kriminalität ausdrücklich zulässig ist. Eine Begrenzung der Anzahl solcher polizeilichen Kontrollen sieht weder der Schengener Grenzkodex noch das Bun- despolizeigesetz vor. Da grenzüberschreitende Krimina- lität dynamisch stattfindet, das heißt Orte, Zeiten und Verkehrsmittel wechseln, sind hinreichend bestimmte, gleichwohl flexible polizeiliche Instrumentarien zur Ver- hinderung unerlaubter Einreisen und Bekämpfung von Schleusungskriminalität auch weiterhin erforderlich. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 95): Wie begegnet die Bundesregierung der Kritik auch von konservativen EU-Parlamentariern, durch den Vorstoß zur Einführung von Grenzkontrollen in nationalem Alleingang, der am 7. Juni 2012 auf der Tagung des Rats für Justiz und In- neres der Europäischen Union, JI-Rat, beschlossen wurde, werde die Kontrolle einer solchen Maßnahme durch das Euro- päische Parlament und die Europäische Kommission ausgehe- belt und damit dem nationalen Populismus Vorschub geleis- tet? Aus Sicht der Bundesregierung ist die vorgebrachte Kritik unbegründet, im Rahmen einer Allgemeinen Aus- richtung des Rats der Europäischen Union wurde am 7. Juni 2012 einstimmig der Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft zur Änderung des Schengener Grenzkodexes als Position des Rats angenommen. Im weiteren Verfahren ist nun der Trilog auch mit dem Europäischen Parlament vorgesehen, welches im Rah- men des Mitentscheidungsverfahrens seine Position ein- bringen wird. Die Ratsposition sieht einen neuen Mechanismus vor, der im Falle außergewöhnlicher Umstände greift, in de- nen das Funktionieren des Schengen-Raums bedingt durch Defizite beim Außengrenzschutz insgesamt ge- fährdet ist und diese Umstände eine konkrete ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in diesem Raum oder Teilen von ihm darstel- len. Der Europäischen Kommission kommt bei diesem Mechanismus eine wesentliche Rolle zu. Die Einbezie- hung des Europäischen Parlaments, Unterrichtung, bei diesem Mechanismus ist ebenfalls vorgesehen. Liegen die vorgenannten außergewöhnlichen Um- stände vor, so kann der Rat als Ultima Ratio und als Maß- nahme zum Schutz der gemeinsamen Interessen im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen empfehlen, dass ein oder mehrere bestimmte Mitgliedstaaten die vorüber- gehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an allen oder bestimmten Abschnitten ihrer Binnengrenzen be- schließen. Die Empfehlung des Rats stützt sich dabei auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission. 21856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Bevor schließlich ein Mitgliedstaat bzw. mehrere Mit- gliedstaaten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wie- der einführt bzw. einführen, setzt er bzw. setzen sie die anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommis- sion davon in Kenntnis. Spätestens vier Wochen nach Aufhebung dieser Kon- trollen an den Binnengrenzen legt der Mitgliedstaat, der die Kontrollen an seinen Binnengrenzen durchgeführt hat, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission einen Bericht hierüber vor, in dem insbesondere die Kontrollen und die Wirksamkeit der wieder eingeführten Kontrollen an den Binnengren- zen dargestellt werden. Es ist zudem vorgesehen, dass die Europäische Kom- mission bzw. die Mitgliedstaaten das Europäische Parla- ment und den Rat möglichst frühzeitig über etwaige Gründe unterrichten, die zur Wiedereinführung von Bin- nengrenzkontrollen führen könnten. Eine aus Sicht der Bundesregierung hinreichende Be- teiligung des Europäischen Parlaments findet statt. Die Europäische Kommission spielt eine wesentliche Rolle. Im Übrigen sehen die schon bereits bestehenden Re- gelungen des Schengener Grenzkodexes (Art. 23 ff.) im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentli- chen Ordnung oder inneren Sicherheit auch jetzt schon die Möglichkeit der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen in Entschei- dungshoheit der Mitgliedstaaten vor. Dabei sind die Europäische Kommission und das Europäische Parla- ment hierüber zu informieren. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/9888, Frage 96): Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung auf dem JI-Rat am 7. Juni 2012 sowohl im Hinblick auf die Un- terstützung der EU-Randstaaten bei der Außengrenzkontrolle als auch im Hinblick auf ein faires System der Lastenteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gemacht? Im Rahmen der Allgemeinen Ausrichtung hat der Rat am 7. Juni 2012 einstimmig einen Vorschlag der däni- schen Präsidentschaft für eine Änderung des Schengener Grenzkodexes angenommen. Dabei ist vorgesehen, dass die Europäische Kommis- sion – bei einer Feststellung schwerwiegender Mängel bei Kontrollen an den Außengrenzen im Schengen-Eva- luierungsbericht – den evaluierten Mitgliedstaat auffor- dern kann, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Dazu ge- hören die Anforderung des Einsatzes von Europäischen Grenzschutzteams gemäß der FRONTEX-Verordnung sowie – zwecks Einholung einer Stellungnahme – die Übermittlung der strategischen Pläne des Mitgliedstaats an die EU-Agentur FRONTEX, die sich auf eine Risiko- analyse stützen und Angaben zum Einsatz von Personal und Ausrüstung beinhalten. Liegen außergewöhnliche Umstände vor, in denen das Funktionieren des Schengen-Raums bedingt durch Defi- zite beim Außengrenzschutz insgesamt gefährdet ist und diese Umstände eine konkrete ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen oder Tei- len dieses Raums darstellen, so ist als Ultima Ratio die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengren- zen vorgesehen. Bevor der Rat auf Grundlage eines Vorschlags der Eu- ropäischen Kommission als Ultima Ratio die vorüberge- hende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnen- grenzen empfiehlt, bewertet er, inwieweit eine derartige Maßnahme eine angemessene Reaktion auf die Bedro- hung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicher- heit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen darstellen könnte und ob die Verhältnismäßigkeit zwi- schen der Maßnahme und der Bedrohung gewahrt ist. Dabei ist unter anderem die Verfügbarkeit technischer oder finanzieller Unterstützungsmaßnahmen einzubezie- hen, die auf nationaler und/oder europäischer Ebene in Anspruch genommen werden könnten oder in Anspruch genommen werden – einschließlich Hilfsmaßnahmen durch EU-Einrichtungen wie die Grenzschutzagentur FRONTEX, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, EASO oder Europol, sowie die Untersu- chung, inwieweit derartige Maßnahmen eine angemes- sene Reaktion auf Bedrohungen der öffentlichen Ord- nung oder der inneren Sicherheit im Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen darstellen könnten. Weitere Ausführungen im Sinne der Fragestellung wurden durch die Bundesregierung beim JI-Rat am 7. Juni 2012 nicht gemacht. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Aydan Özoğuz (SPD) (Drucksache 17/9888, Fragen 97 und 98): Wie hoch sind die Kosten für den seit dem 1. Januar 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichteten Telefonservice „Beratungsstelle Radikalisierung“ – bitte mo- natlich aufschlüsseln –, und aus welchem Titel des Bundes- haushaltes werden diese beglichen? Wie viele Anrufe von welchen Personengruppen – zum Beispiel von Eltern, Lehrern, Freunden oder Mitschülern von Betroffenen – sind seit Einrichtung der „Beratungsstelle Radi- kalisierung“ eingegangen, und nach welchen Kriterien wur- den die Anrufe erfasst? Zu Frage 97: Die Stellen für die Beratungsstelle Radikalisierung wurden aus dem bisherigen Stellenplan des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, im Wege der in- ternen Umpriorisierung erbracht, sodass keine zusätzli- chen Stellen geschaffen wurden Die Personalkosten für die Beratungsstelle Radikalisierung gehen somit zulas- ten des Haushalts des BAMF. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2012 21857 (A) (C) (D)(B) Derzeit sind zwei Mitarbeiter im höheren Dienst und zwei Mitarbeiter im gehobenen Dienst in der Beratungs- stelle Radikalisierung beschäftigt. Die Aufgaben umfas- sen neben der Telefonberatung eine dauerhafte konzep- tionelle Anpassung, den Aufbau eines bundesweiten Beratungsnetzwerks sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Zu Frage 98: Der dringende Bedarf für solche Beratungsstellen wurde im Vorfeld durch die Schilderungen von Sicher- heitsbehörden, Schulen, Beratungseinrichtungen freier Träger sowie Betroffenen selbst deutlich und spiegelt sich in den Anruferzahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, BAMF, wider. Obwohl die Beratungs- stelle bislang kaum beworben wurde, sind bereits 25 An- rufe bei der Beratungsstelle eingegangen, 10 davon wa- ren ratsuchende Eltern, die eine Radikalisierung ihres Kinds befürchten, sowie 2 aus dem sozialen Umfeld. Hinzu kommen 5 Anrufe von Sicherheitsbehörden, die fachlichen Rat benötigten. Die übrigen Anrufe erfolgten von Journalisten oder von anderen Personen, die bei- spielsweise Fragen zu Integrationsangeboten hatten. Zu- dem haben sich in weiteren Fällen die Angehörigen, di- rekt an eine der zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen gewandt. Die Anrufe erfolgen auf Wunsch anonym, sodass nur die vom Anrufer bekannt gegebenen Daten und der Sachverhalt im BAMF erfasst werden. 183. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Befragung der Bundesregierung TOP 2 Fragestunde ZP 1 Aktuelle Stunde zum Transport einesTeppichs für Bundesminister Niebel Anlagen
Gesamtes Protokol
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718300000

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Vereinbarung über die Er-
richtung, Finanzierung und Verwaltung des Fonds
„Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis
1990“

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Herr Dr. Hermann Kues. – Bitte.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718300100


Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Das Kabinett hat heute die Einrich-
tung des Fonds „Heimerziehung in der DDR in den Jah-
ren 1949 bis 1990“ beschlossen. Damit soll Menschen
geholfen werden, die in Einrichtungen der Jugendhilfe
und in Dauerheimen für Säuglinge und Kleinkinder in
der DDR schweres Leid und Unrecht erleiden mussten.
Wir kennen die vielen erschütternden Schicksale. Die
Einrichtung des Fonds ist darauf eine Antwort.

Der Bund, die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklen-
burg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt sowie die Freistaa-
ten Sachsen und Thüringen werden diesen Fonds ge-
meinsam errichten und mit 40 Millionen Euro
finanzieren. Die Kosten teilen sich der Bund und die ost-
deutschen Länder jeweils zur Hälfte. Mit dem Start des
Fonds steht auch den Heimkindern in der DDR ein zu-
sätzliches Hilfsangebot zur Verfügung, das vergleichbar
ist mit dem Hilfsangebot für die Heimkinder in der Bun-
desrepublik Deutschland. Basis für die Errichtung des
Fonds ist der am 7. Juli 2011 angenommene fraktions-
übergreifende Antrag mit dem Titel „Opfern von Un-
recht und Misshandlungen in der Heimerziehung wirk-
sam helfen“.

Bei der Einrichtung des Fonds sind die Bundesregie-
rung und die ostdeutschen Länder in zwei Schritten vor-
gegangen. In einem ersten Schritt wurde ein Bericht zur
Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR erarbeitet.
Dieser wurde am 26. März dieses Jahres vorgestellt. Er-
gebnis des Berichtes ist, dass nicht alles im Heimkinder-
system der DDR Unrecht war, die Heimerziehung aber
von Unrecht geprägt war. Zwang und Gewalt gehörten
für viele Kinder und Jugendliche im Heim zum Alltag.
Man hat ihnen Bildung verweigert. Man hat sie zur Ar-
beit gezwungen. Viele von ihnen haben dadurch dauer-
hafte Beeinträchtigungen und Schädigungen erlitten. Sie
leiden auch heute noch an den Folgen. Darum spricht der
Bericht auch Empfehlungen zur Wiedergutmachung aus.

An diese Empfehlungen knüpft der Fonds „Heim-
erziehung in der DDR“ an, den wir in einem zweiten
Schritt nun einrichten wollen. Grundlage für die Satzung
des nicht rechtsfähigen, gemeinnützigen Fonds ist eine
Verwaltungsvereinbarung über die Errichtung, Finanzie-
rung und Verwaltung des Fonds zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und den ostdeutschen Ländern sowie
Berlin. Leistungen aus diesem Fonds können bis zum
30. Juni 2016 beantragt werden. Sie werden bis Ende
Juni 2017 ausgezahlt.

Wie der Fonds „Heimerziehung West“ stellt dieser
Fonds ein ergänzendes Hilfssystem dar, das die beste-
henden sozialrechtlichen Versorgungssysteme nicht er-
setzen, sondern erweitern soll. Es sollen zum Beispiel
Rentenersatzzahlungen und andere materielle Leistun-
gen möglich sein, beispielsweise einmalige Geldleistun-
gen für erbrachte Arbeit zwischen dem 14. und 21. Le-
bensjahr, soweit dafür keine Beiträge in die
Sozialversicherung der DDR gezahlt worden sind.
Hierzu gehören aber auch Hilfen zur Überwindung von
Traumata, zum Nachholen von Bildungsabschlüssen.
Die Vereinbarung soll möglichst unbürokratisch erfol-
gen, wenn nötig auch durch Vorleistungen. Es gibt An-
lauf- und Beratungsstellen, bei denen die Betroffenen
Ansprechpartner finden, die sich ihrer Anliegen anneh-
men und ihnen Hilfestellungen geben. Zu den Leistun-
gen aus dem Fonds „Heimerziehung in der DDR“ gehö-
ren eben auch die Begleitung bei Ämtergängen sowie
Hilfen bei der Akteneinsicht.





Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues


(A) (C)



(D)(B)


Wir freuen uns sehr, dass der Fonds, so wie er jetzt
gestaltet ist, bei den Betroffenen viel Zustimmung ge-
funden hat. Die Betroffenen wollen aber auch eine Wei-
terentwicklung des SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes,
insbesondere des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgeset-
zes. Ziel ist es, vor allem die Heimunterbringung in den
Spezialheimen der DDR generell als politisch motiviert
einstufen zu lassen. Dieser schon früher geäußerten Bitte
ist der Bundestag im Dezember 2010 mit der Ergänzung
des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zumindest
weitgehend gefolgt. Die Ergänzung stellt klar, dass allen
Betroffenen, die aufgrund politisch motivierter oder da-
mit vergleichbarer Einweisungsgründe in ein Heim ge-
kommen sind, individuelle Rehabilitierungsmöglichkei-
ten zustehen.

Der Fonds „Heimerziehung in der DDR“ kann das
unfassbare Leid – das sei noch einmal ausdrücklich ge-
sagt –, das vielen Heimkindern in den Einrichtungen an-
getan wurde, nicht ungeschehen machen. Mit dem Fonds
erkennen wir allerdings an, dass den Heimkindern in der
DDR, auch außerhalb der vom Rehabilitierungsgesetz
erfassten Entscheidungen, von DDR-Behörden Leid und
Unrecht geschehen ist. Wir unterstützen sie bei der Be-
wältigung der Folgen dieses Unrechts. Wir bieten zu-
sätzliche Unterstützung an, die helfen soll, die auch
heute noch andauernden Folgeschäden aus der Zeit ihrer
Heimunterbringung zu mildern.

Wir haben damit insgesamt ein umfassendes Hilfesys-
tem geschaffen, und zwar sowohl für die ehemaligen
Heimkinder im Westen als auch für diejenigen im Osten.
Insgesamt werden dafür 160 Millionen Euro eingesetzt.
Es handelt sich um eine gemeinsame Kraftanstrengung
von Bund, Ländern und – das gilt für den Westen – auch
den beiden Kirchen, die das Ganze möglich gemacht hat.

Herzlichen Dank.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718300200

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. Das Wort zur
ersten Frage hat die Kollegin Katharina Landgraf.


Katharina Landgraf (CDU):
Rede ID: ID1718300300

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

zunächst möchte ich ausdrücklich feststellen: Wir sind
froh, dass wir endlich so weit sind. Zwar können wir das
Unrecht nicht völlig wiedergutmachen, aber mit diesem
Schritt können wir doch zumindest etwas für die Betrof-
fenen tun. In diese Richtung geht auch meine Frage: Wie
finden die Betroffenen Zugang zu den schon erwähnten
Anlauf- und Beratungsstellen? Wie erfahren sie über-
haupt von diesem von uns verabschiedeten Paket? Gibt
es eine Strategie, um die Betroffenen zu erreichen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718300400


Eine solche Strategie gibt es. Wir werden öffentlich
über dieses Paket aufklären. Es gibt eine Telefonnum-

mer, an die man sich wenden und unter der man Infor-
mationen erhalten kann. Es existieren Anlauf- und Bera-
tungsstellen in allen ostdeutschen Ländern. Außerdem
haben wir zusammen mit Betroffenen und auch Beratern
einen Leitfaden erarbeitet. In diesem Leitfaden wird er-
läutert, wie in einem Beratungsgespräch der individuelle
Hilfebedarf ermittelt werden kann. Die Anlauf- und Be-
ratungsstellen sollen auf Augenhöhe agieren. Es wird ei-
nen Lenkungsausschuss geben, der diese Vorgaben mit
den jeweiligen Vertretern der Länder in diesem Aus-
schuss regelmäßig abstimmt und überprüft.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistun-
gen ist der Nachweis eines Heimaufenthalts in der Zeit
von 1949 bis 1990. Soweit ein solcher Nachweis nicht
erfolgen kann, wird die Anlauf- und Beratungsstelle
auch bei Recherchearbeiten helfen, indem Unterlagen
überprüft werden, um so Nachweise in Bezug auf Heim-
erfahrung, Folgeschäden usw. erbringen zu können. Im
Mittelpunkt der Beratung dort steht das Gespräch. In
diesem wird man individuell den konkreten Hilfebedarf
benennen können, so ähnlich wie es auch beim Fonds
„Heimerziehung West“ erfolgt.

Möglich sind Gelder für Folgeschäden aus der Heim-
erziehung, Sachleistungen, aber auch Rentenersatzleis-
tungen, soweit keine oder zu geringe Sozialversiche-
rungsbeiträge eingezahlt worden sind. Das wird in Form
von Einmalzahlungen erfolgen. Damit wird nicht alles
ausgeglichen, aber es ist immerhin eine Anerkennung
des begangenen Unrechts.

Die Rentenersatzleistung erfolgt direkt durch Auszah-
lung von Geldern an die Betroffenen, bei den Hilfeleis-
tungen teilweise. Dabei wird es bei Sachleistungen unter
1 000 Euro eine vereinfachte Nachweispflicht geben.
Wir versuchen, das Ganze möglichst unbürokratisch hin-
zubekommen. Bei einer Summe über 1 000 Euro wird es
ein wenig komplizierter werden. Ausschließlich bei
Leistungen, die durch Dritte erbracht werden, zum Bei-
spiel bei Therapien, kann die Auszahlung auch direkt an
die Leistungsbringer erfolgen.

Letztlich soll alles so entwickelt und konzipiert sein,
dass die Betroffenen möglichst nicht belastet sind. Wer
einmal mit Betroffenen gesprochen hat, der weiß, dass
sie häufig gar nicht fähig sind, über ihre Erfahrungen zu
sprechen. Da muss erst ein Zugang gefunden werden. In-
sofern brauchen wir sehr einfühlsame Berater, die das
gewährleisten. Wir glauben aber, dass das zu bewältigen
ist. Die Länder haben uns dort jegliche Unterstützung
zugesagt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718300500

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, sei mir der Hin-

weis gestattet, dass wir uns in den letzten Monaten da-
rauf geeinigt haben, dass für Frage und Antwort je eine
Minute vorgesehen ist. Es ist natürlich verständlich, dass
Sie möglichst viele Informationen für potenziell Betrof-
fene über die Fragestunde transportieren wollen; aber ich
denke, das wird uns gelingen, indem wir die zahlreichen
Fragestellerinnen und Fragesteller hier zu Wort kommen
lassen.





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


Die nächste Frage stellt die Kollegin Heidrun
Dittrich.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718300600

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Kues. Wie Sie wis-

sen, waren beim westdeutschen Runden Tisch Heim-
erziehung – auf ihn bezieht sich der Antrag der Bundes-
regierung, das hinsichtlich der Heimkinder in der
ehemaligen DDR gleichwertig zu regeln – unter den
21 stimmberechtigten Teilnehmern nur 3 ehemalige
Heimkinder. In der Anhörung wurde von den Wissen-
schaftlern empfohlen, die ehemaligen Heimkinder ab
jetzt stärker einzubeziehen. Wie geschieht das in den
neuen Anlaufstellen in den neuen Bundesländern? Das
heißt: Zu welchem Anteil ist die Beteiligung ehemaliger
Heimkinder gesichert? Erhalten sie ein Gehalt, oder
bleibt das ein Ehrenamt?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718300700


Wir haben, wie ich schon sagte, einen Lenkungsaus-
schuss eingerichtet. An diesem ist auch ein Vertreter der
ehemaligen Heimkinder beteiligt. Wir haben den Bericht
auch mit ehemaligen Heimkindern gemeinsam erstellt.
Im Prinzip haben wir Zustimmung zu dem erfahren, wie
es jetzt organisiert ist. Man muss gleich dazusagen – wir
haben das auch im Zusammenhang mit dem Fonds
„Heimerziehung West“ diskutiert –, dass die Erwartun-
gen natürlich erheblich sind. Aber wir können zumindest
sagen, dass wir die Erwartungen der Betroffenen – so
schätze ich das jedenfalls ein; ich selbst habe die Erfah-
rung gemacht – alles in allem erfüllen können. Ich sage
ausdrücklich: Es geht für viele Betroffene in erster Linie
nicht um materielle Leistungen, sondern darum, über-
haupt aufzuarbeiten, was ihnen widerfahren ist, und zu
lernen, damit umzugehen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718300800

Die nächste Frage stellt der Kollege Rolf Schwanitz.


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1718300900

Herr Staatssekretär, ich will zunächst für meine Frak-

tion ausdrücklich feststellen, dass ich mich sehr freue,
dass der Fonds heute auf den Weg kommt und damit der,
wenn ich das so sagen darf, noch offene zweite Teil der
Thematik, die vom Deutschen Bundestag aufgegriffen
worden ist, letztendlich vonseiten der Regierung und der
beteiligten Länder eine Untersetzung findet.

Ich möchte eine Frage zur Finanzierung stellen. Bei
allen Gesprächen, die ich mit den Betroffenen der Heim-
erziehung in der DDR geführt habe, habe ich immer wie-
der gehört, dass sie die verständliche Erwartung haben,
dass die Leistungen, die sie aus diesem Fonds erhalten,
nicht durch Kürzungen im Bereich der Kinder- und Ju-
gendpolitik des Bundes gegenfinanziert werden. Vor die-
sem Hintergrund möchte ich Sie fragen, wie Sie denn die
Tatsache bewerten, dass die Koalition gestern bei der
Beratung und Verabschiedung des Nachtragshaushalts
2012 im Haushaltsausschuss gesagt hat – so ist jetzt zu-

mindest die Beschlusslage –, dass sie die 20 Millionen
Euro an Bundesgeld, um die es hier geht, durch Kürzun-
gen im Einzelplan 17, also im Familienetat, ab dem Jahr
2016 finanzieren will und finanzieren wird?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718301000


Zunächst einmal ist es so – das haben Sie jetzt nicht
angesprochen –, dass die Gegenfinanzierung über den
Einzelplan 60 erfolgt und dass geklärt werden muss, wie
es ab 2016 weitergeht. Der Haushaltsausschuss hat dies
zunächst einmal so beschlossen. Wir werden uns dann zu
gegebener Zeit damit auseinanderzusetzen haben. Bis
dahin werden wir besser einschätzen können, wie hoch
der Bedarf tatsächlich ist. Wir werden jeweils auch die
Leitlinien anpassen müssen. Dann kann man konkreter
über finanzielle Leistungen sprechen. Gegenwärtig ist
das kaum möglich. Deswegen ist diese Form der Gegen-
finanzierung in der Finanzplanung erfolgt; in der Haus-
haltsplanung sieht es anders aus.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301100

Die nächste Fragestellerin ist Johanna Voß.


Johanna Voß (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301200

Danke schön. – Herr Kues, es sollen 40 Millionen

Euro für Entschädigungsleistungen in den Fonds ein-
gestellt werden. Lassen Sie uns ein bisschen rechnen.
Nehmen wir an, dass sich der Anteil der Auszahlungen
ähnlich gestaltet wie im entsprechenden Fonds zu den
Rentenersatzleistungen der Bundesrepublik Deutsch-
land. Wäre das der Fall, dann würde von den 40 Mil-
lionen Euro nur ein Sechstel ausgezahlt werden, weil der
Fonds selbst auch Geld verschlingt. Ein Sechstel wären
6,7 Millionen Euro. Nun gibt es schätzungsweise
400 000 ehemalige Heimkinder aus der DDR, die Opfer
von Missbrauch wurden. Wenn davon beispielsweise
30 000 Leistungen aus dem Fonds in Anspruch nehmen
würden, dann bekäme jedes ehemalige Heimkind gerade
einmal 233 Euro an Ersatzleistungen. Halten Sie eine
solche geringe Einmalzahlung für angemessen?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301300

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718301400


Zunächst einmal ist der Fonds nicht so gegliedert, wie
Sie das eben beschrieben haben. Wir sind von den ge-
schätzten Zahlen in West und Ost ausgegangen, dadurch
kommt die Korrelation zwischen 120 Millionen Euro
und 40 Millionen Euro zustande. Dann gehen wir davon
aus, dass der Fonds letztendlich auskömmlich sein wird.
Eine Aufteilung, wie Sie sie gerade vorgetragen haben,
gibt es nicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301500

Die nächste Frage stellt die Kollegin Katja Dörner.






(A) (C)



(D)(B)



Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718301600

Vielen herzlichen Dank für Ihren Bericht, Herr Staats-

sekretär. Es war in unser aller Interesse – insofern kann
ich das für die Fraktion der Grünen begrüßen –, analog
zum Fonds für die Heimkinder im Westen einen Fonds
für die Heimkinder aus der ehemaligen DDR aufzule-
gen.

Gestatten Sie mir noch eine Vorbemerkung: Ich habe
diverse Tickermeldungen verfolgt, in denen Aussagen
der Ministerin zu dem heute im Kabinett beschlossenen
Fonds zu lesen waren. Ich fände es schön, wenn wir uns
gemeinsam darum bemühen könnten, zu vermeiden,
durch verbale Äußerungen eine Art Opfer erster und
zweiter Klasse zwischen den Heimkindern aus dem
Westen und den Heimkindern aus dem Osten zu etablie-
ren.

Zu meiner Frage: Im Zuge der Einrichtung des Fonds
werden auch in den östlichen Bundesländern Beratungs-
und Anlaufstellen eingerichtet. In diesem Zusammen-
hang ist den Vertretungen der Heimkinder zugesagt wor-
den, dass sie auf die Auswahl der dort tätigen Fachkräfte
Einfluss nehmen können. Dieses Versprechen seitens der
Bundesregierung ist nicht eingehalten worden. Ich
würde gerne wissen, warum nicht und ob Sie noch die
Möglichkeit sehen, dies wieder zu heilen.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718301700


Ich kann Ihre Ausführungen im Einzelnen nicht be-
stätigen, da die Länder für die Durchführung zuständig
sind. Die Länder handeln logischerweise in eigener Ver-
antwortung; das halte ich in der Sache auch für richtig.
Ich weiß nicht, inwieweit die Länder die Betroffenen be-
reits im Vorfeld der Einrichtung der Beratungsstellen be-
teiligt haben. Dem müssten wir nachgehen. Ich werde
Ihnen dann gerne darauf eine Antwort geben. Zum ge-
genwärtigen Zeitpunkt kann ich das weder bestätigen
noch dementieren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301800

Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718301900

Herr Staatssekretär, Sie haben uns vorgetragen, wie

mit den Heimkindern der DDR verfahren werden soll.
Was ist mit denjenigen, die wegen ihrer Behinderung in
verschiedenen Heimen untergebracht wurden, seien es
konfessionelle oder staatliche Einrichtungen? Gibt es
eine Übersicht darüber, um wie viele es sich handelt und
wie vielen möglicherweise Gewalt oder Ähnliches ange-
tan wurde? Können auch diese Betroffenen Leistungen
aus dem Fonds in Anspruch nehmen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718302000


Sie kennen den Bericht, den wir im März dieses Jah-
res vorgelegt haben. Aus ihm geht hervor, wie sich nach
jetzigem Kenntnisstand die Sachverhalte im Einzelnen

darstellen. Ich betone ausdrücklich: Es gibt verschiedene
sozialrechtliche Regelungen für Behinderte, die natür-
lich auch für Heimkinder aus Ost oder West entspre-
chend gelten. Sollte jemand aufgrund der Tatsache, dass
er behindert ist, spezielle Benachteiligungen erfahren
haben, die durch die üblichen Entschädigungsleistungen
nicht ausgeglichen werden, kann man im Einzelfall da-
rüber nachdenken, wie man für einen Ausgleich zum
Beispiel in Form von Therapie, wenn diese notwendig
ist, sorgt.

Im Bereich der Behindertenheime, bei denen es sich
ja um besondere Einrichtungen handelte, sind wir noch
nicht so weit. Wir sind noch dabei, dieses Feld aufzuar-
beiten. Vieles ist noch ungeklärt, aber die Aufarbeitung
muss jetzt erfolgen, allerdings nicht nur auf Bundes-
ebene, sondern in jedem einzelnen Bundesland. Daran
wird auch gearbeitet werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718302100

Der Kollege Arnold Vaatz stellt die nächste Frage.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1718302200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

ich möchte an das Stichwort „sprechfähig werden“ an-
knüpfen. Die Betroffenen haben in ihrem Leben drama-
tische biografische Einschnitte hinnehmen müssen, die
ihre Erwerbsbiografie teilweise bis heute und auch ihre
Sozialbiografie entscheidend verändert haben. Sehen Sie
die Möglichkeit, dass für die Aufarbeitung und Bewer-
tung dieser biografischen Folgen finanzielle Mittel be-
reitgestellt werden, um die „Sprechfähigkeit“ der Betrof-
fenen zu verbessern und um die Gesellschaft in die Lage
zu versetzen, besser einzuschätzen, um welche Problem-
lagen es hier geht?

D
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718302300


Die Anlauf- und Beratungsstellen haben zunächst ein-
mal die Aufgabe, zu informieren, welche gesetzlichen
Möglichkeiten und welche besonderen Möglichkeiten es
aufgrund dieses Fonds gibt. Natürlich haben sie auch die
Aufgabe, darüber zu informieren, dass es Hilfen gibt, um
sich seiner Biografie überhaupt erst einmal zu vergewis-
sern. Wir haben alle Stellen, die dafür infrage kommen,
gebeten, das Material zusammenzustellen und zur Verfü-
gung zu stellen, damit es ausgewertet werden kann. Da-
mit soll dem Einzelnen, der vielleicht gar nicht weiß,
was ihm widerfahren ist, der seine Geschichte vielleicht
gar nicht kennt, die Möglichkeit gegeben werden, sich
zu informieren bzw. sich zu vergewissern, wer sie sind,
wo sie herkommen und was ihnen widerfahren ist. Dafür
gibt es Möglichkeiten. Das geht sogar so weit, dass
Fahrtkosten pauschal erstattet werden können; denn wir
kennen Betroffene, die gar nicht in der Lage sind, zu den
jeweiligen Stellen zu fahren. Teilweise sind sie ja auch
mehrfach umgezogen.

Diese unkomplizierten Hilfestellungen sind möglich.
Ich sage ausdrücklich: Wir werden auch dabei Erfahrun-
gen sammeln, und wir werden bei der Umsetzung der
Leitlinien diese Erfahrungen berücksichtigen.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Vielen Dank!)







(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718302400

Die nächste Frage stellt die Kollegin Dr. Dagmar

Enkelmann.


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718302500

Herr Staatssekretär, ich habe gerade heute ein Ge-

spräch mit der Beratungsstelle Gegenwind aus Berlin ge-
führt. In diesem Gespräch sagte man mir, dass man im
Zusammenhang mit dem Fonds für Westheimkinder die
Erfahrung gesammelt hat, dass es notwendig ist, flexi-
bler mit den Mitteln umzugehen. Weil die Traumata bzw.
die Folgen der Heimerfahrung sehr unterschiedlich sind,
besteht ein sehr unterschiedlicher Bedarf bezogen auf
den Ausgleich. Das kann eine Therapie sein, das kann
eine medizinische Begleitung sein, das können aber auch
ganz andere Formen des Ausgleichs sein. Inwieweit ist
tatsächlich gesichert, dass deutlich flexibler vorgegan-
gen, das heißt, auf den konkreten Bedarf des Betroffenen
eingegangen werden kann?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718302600


Bund und Länder haben das Ziel, das möglichst un-
bürokratisch zu machen. Aber Sie haben recht: Man
muss die Regelungen immer den Erfahrungen, die ge-
macht worden sind, anpassen. Deswegen haben wir ja
einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der überprüft, ob
das bislang praktizierte Vorgehen richtig ist. Erfahrun-
gen wie die, die in Berlin gesammelt wurden, können
miteinfließen.

Wir haben gemeinsam mit Betroffenen Leitlinien für
die Umsetzung abgestimmt. In der Umsetzung werden
diese praktisch weiterentwickelt, wenn wir erkennen,
dass das Verfahren nicht treffsicher, zu kompliziert, zu
bürokratisch ist. Diesbezüglich sind wir für Hinweise
dankbar; denn dann kann das thematisiert werden. Wir
– ich sage das auch für alle Länder – sind darum jeden-
falls bemüht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718302700

Die nächste Frage stellt der Kollege Josef Winkler.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ich möchte an die Frage des Kollegen Vaatz anknüpfen,
der die Brüche in den Biografien angesprochen hat. Wir
müssen häufig feststellen, dass bei Opfern von Heim-
erziehung schwerste Traumatisierungen vorliegen, die
dazu geführt haben, dass eine Berufsausbildung nicht
absolviert werden konnte oder im Laufe des Lebens ir-
gendwann eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eingetre-
ten ist, sodass eine Rente oder andere Transferleistungen
bezogen werden müssen. Ist sichergestellt, dass die Leis-
tungen, die die Betroffenen aus dem Fonds „Heimerzie-
hung in der DDR“ erhalten, in keiner Weise mit Leistun-
gen verrechnet werden, die die Betroffenen aus anderen
Töpfen erhalten, zum Beispiel aufgrund der Traumatisie-
rung, oder ist das noch ungeklärt?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718302800


Nein, das ist nicht ungeklärt. Von Bundesseite müssen
wir das nicht speziell regeln, weil es im Sozialgesetz-
buch II und XII diese Möglichkeit im Prinzip gibt. Diese
Leistungen sind nicht Einkommen im klassischen Sinne.
Die Absicht ist, diese Leistung nicht anzurechnen. Das
ist eine Frage des vernünftigen Verwaltungshandelns in
den Ländern. Wenn Sie dort etwas anderes hören, sollten
Sie uns das sagen. Dann würden wir das thematisieren.
Das soll ausdrücklich nicht angerechnet werden. Es han-
delt sich um entschädigungsähnliche Leistungen, die ge-
geben werden.

Ich muss es noch einmal sagen: Wir können das Leid
finanziell nicht ausgleichen. Angesichts dessen wäre es
komisch, wenn die Summen, die gezahlt werden, mit an-
deren Leistungen verrechnet würden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das wäre nichts Besonderes! Das hat man an anderer Stelle auch!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718302900

Das Wort hat die Kollegin Marlene Rupprecht.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1718303000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

der Bundestag hat mit seinen Beschlüssen und überhaupt
mit seiner Befassung mit Missbrauch und Misshandlung
in Heimen in Westdeutschland, aber auch in der ehemali-
gen DDR einen neuen Weg beschritten, der vorher noch
nie gegangen wurde. Daher ist es oftmals schwierig, das,
was wir uns vorstellen, dann auch in Handeln umzuset-
zen. Folgendes möchte ich gerne wissen:

Erstens. Ich habe kürzlich Beratungsstellen für West-
heimkinder besucht. Hier muss ich dem zustimmen, was
Herr Winkler gerade gesagt hat. Ich kann nur sagen:
Weiß die Katze, dass ich keine Maus bin? Das heißt:
Weiß die Behörde, dass das, was ich bekomme, nicht an-
gerechnet werden darf? – Dass wir das so beschlossen
haben, ist klar. Allerdings muss die Behörde, beispiels-
weise die Bundesagentur für Arbeit, wenn es um Leis-
tungen geht, eigentlich wissen, dass sie diese Gelder
nicht anrechnen darf. Die Betroffenen müssen das der
Behörde aber mitteilen; diese Rückmeldung bekomme
ich. Sie werden – bis auf einzelne Ausnahmen – höflich
und freundlich behandelt; das höre ich von den Betroffe-
nen auch. Die Frage ist aber: Sind alle Institutionen so
gut informiert worden, dass sie das, was der Bundestag
will, auch umsetzen?

Zweitens. Bei der Umsetzung bezüglich der Heimkin-
der West gibt es verschiedene Modelle. Es geht von Nie-
dersachsen, wo an jedem Jugendamt eine Beratungs-
stelle angesiedelt ist – dort sehe ich die Fachlichkeit
nicht mehr gewährleistet –, bis hin zu Bayern mit einer
Beratungsstelle; was ich sehr sinnvoll finde, weil das mit
den Betroffenen ausgehandelt wurde und weil dadurch
eine hohe Fachlichkeit entsteht. Wie können wir es
schaffen, dass das in Ostdeutschland wirklich gut funk-
tioniert? In Berlin wird eine Beratungsstelle beides ma-





Marlene Rupprecht (Tuchenbach)



(A) (C)



(D)(B)


chen. Wie bekommen wir es also hin, dass wir sagen
können: „Dort könnt ihr hingehen; dort werdet ihr gut
beraten“?

Drittens. Als Letztes möchte ich wissen – ich weiß,
dass eigentlich nur eine Frage – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718303100

Frau Kollegin Rupprecht, wir setzen Sie gerne noch

einmal auf die Liste. Aber lassen Sie doch dem Staatsse-
kretär auch die Chance, in der vorgegebenen Zeit Ihre
Fragen zu beantworten. Sonst sind Sie erst recht unzu-
frieden, wenn Sie jetzt noch eine dritte Frage dranhän-
gen.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1718303200

Ganz kurz: Die Initiativen, die sich um die Beratungs-

stellen bilden, brauchen Unterstützung. Diese Unterstüt-
zung kann nicht nur ehrenamtlich erfolgen. Da braucht
man Hauptamtlichkeit. Wie wollen wir diese Initiativen
unterstützen?

Insgesamt bin ich froh, dass wir es auf den Weg brin-
gen. Aber wie schaffen wir es, das dann auch tatsächlich
gut umzusetzen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718303300


Frau Präsidentin, ich kenne die Kollegin Rupprecht
seit vielen Jahren sehr gut. Ich weiß, dass sie sich inten-
siv um diese Thematik kümmert. Das ist auch ein wichti-
ger Punkt. Schließlich ist das Ganze zunächst einmal
eine Initiative des Parlaments gewesen. Daher sollte das
Parlament die Sache auch im Blick behalten.

Ich glaube, dass wir bei den Heimkindern Ost einen
Vorteil haben. Wir konnten bei den Heimkindern West
nämlich schon Erfahrungen sammeln. Daher wissen wir,
was geht und was nicht geht. Außerdem haben wir die
Leitlinien bereits entsprechend angepasst. Es muss aber
auch dafür gesorgt werden, dass die Fondsmittel tatsäch-
lich den Betroffenen unmittelbar zugutekommen. Darum
müssen wir uns kümmern. Das werden wir auch tun. Wir
werden das auch noch einmal mit den Ländern bespre-
chen.

Zur Frage, inwieweit sich der einzelne Mitarbeiter
korrekt verhält: Davon gehe ich jetzt einmal aus. Ich
habe schon das Gefühl, dass das ehrliche Bemühen bei
allen Ländern und bei den Ministern da ist. Wir haben
mehrfach mit ihnen zusammengesessen. Wenn es nicht
funktioniert, dann muss man es auch im jeweiligen Land
thematisieren.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Unterstützung der Initiativen?)


– Das wird auch im jeweiligen Land zu klären sein. Wir
werden es bundesweit prüfen, was machbar ist. Das ist
unsere Aufgabe als Bund. Aber es gibt sicher auch Mög-
lichkeiten der Umsetzung im jeweiligen Land. Das ist
völlig klar. Da werden die Länder auch ihre Erfahrungen
sammeln müssen. Bislang haben wir aber keine Hin-

weise, dass man sich nicht ernsthaft darum bemüht. Die
Länder sammeln allerdings auch erst ihre Erfahrungen
mit dieser Thematik.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Okay!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718303400

Die nächste Frage stellt der Kollege Matthias W.

Birkwald.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718303500

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

die Anlauf- und Beratungsstellen für ehemalige Heim-
kinder sollen in den neuen Bundesländern ausschließlich
bei staatlichen Stellen angesiedelt werden, also in Meck-
lenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt
beispielsweise bei den Landesbeauftragten für die Unter-
lagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR. Wäre eine Ansiedlung bei unabhängigen Bera-
tungsstellen wie Wildwasser, Violetta oder ähnlichen
nicht sinnvoller? Halten Sie das nicht für angemessener
für die Opfer der Heimerziehung in der DDR?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718303600


Das ist letztlich ein Wunsch und eine Entscheidung
der Länder gewesen. Viele Betroffene verfügen nämlich
bereits über Erfahrungen mit den Landesbeauftragten,
weil sie dort die Möglichkeit haben, ihre Akten einzuse-
hen und sich zu informieren, soweit sie etwa in Spezial-
heimen untergebracht waren. Es war der Wunsch, das
zusammenzufassen; denn die Landesbeauftragten sind
erfahrene Institutionen, die auch bei den Menschen be-
kannt sind.

Man kann immer darüber diskutieren, ob man es an-
ders organisieren sollte. Ich gehe davon aus, dass die
Länder die Initiative ergreifen werden, wenn sich her-
ausstellen sollte, dass es nicht funktioniert. Wir können
es dann aber auch gerne seitens des Bundes thematisie-
ren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718303700

Die Kollegin Heidrun Dittrich hat noch eine Nach-

frage.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718303800

Sie haben vorhin geantwortet, dass der Fonds, der

40 Millionen Euro umfasst und in den neuen Bundeslän-
dern zur Auszahlung kommt, als Rentenersatzleistung
fungieren könnte, wenn entsprechende Anträge gestellt
werden würden. Daher frage ich: Wenn nach den Krite-
rien der Internationalen Arbeitsorganisation bzw. nach
den Kriterien des Völkerrechtes Zwangsarbeit vorliegt
– demnach ist Zwangsarbeit jede Art von Arbeit oder
Dienstleistung, die eine Person unter Androhung einer
Strafe zu tun hat und für die sie sich nicht freiwillig zur
Verfügung gestellt hat –, kann dann nicht zusätzlich zu
der Zahlung aus diesem 40-Millionen-Euro-Fonds eine
Schadensersatzleistung eingeklagt werden?






(A) (C)



(D)(B)


Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718303900


Nein, das wird nicht so sein. Ich habe ja gesagt: Die
Zahlung aus dem Fonds wird kein Ausgleich für erlitte-
nes Unrecht sein. Wir werden uns noch einmal gesondert
damit beschäftigen müssen, was den Menschen in den
Spezialheimen widerfahren ist, in die sie eingewiesen
worden sind, damit dort aus ihnen „sozialistische Per-
sönlichkeiten“ geformt werden. Wie das im Einzelnen zu
bewerten ist, ist ein ganz anderes Thema, das wir noch
nicht hinreichend erfasst haben; bisher gibt es erste Hin-
weise.

Die gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel auch die
des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, gelten na-
türlich auch für Heimkinder. Hier geht es um Zusatzleis-
tungen, die erbracht werden, wenn etwas durch die be-
stehenden gesetzlichen Regelungen nicht abgegolten ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304000

Die Kollegin Rupprecht hat jetzt das Wort zu einer

Nachfrage.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1718304100

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich

will an das anknüpfen, was Herr Schwanitz sagte. Er
sagte, dass langfristig eine Finanzierung aus dem Etat
des Familienministeriums erfolgt. Unser Haushalt ist ja
nicht gerade riesig. Mir stellt sich deshalb die Frage, ob
die Bundesregierung, also der Finanzminister und die
anderen Ressorts, das prinzipiell als ressortübergreifende
Aufgabe ansieht. Auch der Bundestag war davon ausge-
gangen, dass der Fonds von allen Ressorts finanziert
wird oder prinzipiell aus dem Einzelplan 60 gespeist
wird. Ich finde, wir sollten ihn nicht im Etat des Fami-
lienministeriums ansiedeln. Das heißt, Familien und
Kinder der heutigen Generation sollten nicht für das zah-
len, was andere früher falsch gemacht haben. Gibt es von
der Ministerin das klare Zeichen an den Finanzminister
und an die anderen Ressorts, dass alle ihren Beitrag leis-
ten sollten und nicht nur das Familienministerium?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718304200


Frau Kollegin Rupprecht, Sie wissen, dass wir im Etat
des Familienministeriums einen regelmäßigen Auf-
wuchs haben. Das ist sehr positiv. Die Familienpolitik ist
zudem sehr erfolgreich, angefangen beim Elterngeld
über den Kinderzuschlag bis hin zu anderen Leistungen.
Herr Schwanitz achtet als Haushälter sehr genau darauf,
dass wir sparsam mit den Mitteln umgehen; das ist sein
gutes Recht.

Ich gebe Ihnen recht: Unterschiedliche Finanzie-
rungsformen sind möglich. Der Einzelplan 60 ist kein
Steinbruch für alle Leistungen. Dass man diesen Bereich
nun der Familien- und Jugendpolitik zuordnet, ist von
der Logik her nachvollziehbar. Das Familienministerium
könnte natürlich noch mehr Geld sinnvoll einsetzen; das
wissen Sie. Wir haben uns in den letzten Jahren erhebli-

che Anteile am Bundesetat erarbeiten können. Gleich-
zeitig wissen wir aber, dass die Bundesrepublik Sparvor-
gaben einhalten muss. Ich glaube, daher ist klar, wo die
Grenzen sind und dass wir nicht ganz umhinkommen,
hier mitzufinanzieren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304300

Die Kollegin Dittrich hat mir signalisiert, dass sie

noch eine Nachfrage hat. Bitte.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304400

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, besteht für die

Heimkinder die Möglichkeit, Leistungen aus dem Fonds
und Leistungen aufgrund des Strafrechtlichen Rehabili-
tierungsgesetzes zu kumulieren?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718304500


Ich habe eben gesagt: Der Fonds tritt nur ein, wenn
alle gesetzlichen Ansprüche abgegolten sind bzw. wenn
andere Möglichkeiten, Ansprüche zu befriedigen, nicht
mehr gegeben sind. Wir zeigen: Es werden zunächst ein-
mal die Möglichkeiten anderer Gesetze genutzt. Ist dies
nicht möglich, greift der Fonds. Hier handelt es sich also
nicht um unbegrenzte, sondern um begrenzte praktische
Möglichkeiten. So kommen wir auf die Summen, die wir
errechnet haben.

Es wird allerdings keine Anrechnung auf StrRehaG-
Leistungen stattfinden. Eine andere Vorgehensweise
würde von der Logik her auch nicht funktionieren. Wir
sagen: Es werden zunächst einmal die Möglichkeiten an-
derer Gesetze genutzt. Ist dies nicht möglich, greift der
Fonds.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304600

Danke. – Ich habe vor – ich kündige das schon einmal

an –, die drei mir signalisierten Fragen zu sonstigen In-
halten der Kabinettssitzung oder sonstigen Themen noch
zuzulassen.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Dazu wollte ich auch noch etwas fragen!)


– Dann müssen Sie sich melden. – Eine allerletzte Nach-
frage stellt Frau Dittrich.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304700

Eine kurze Frage: Was beabsichtigen Sie für die Men-

schen zu tun, die vor dem 14. Lebensjahr in Heimen un-
tergebracht waren und die, da Kinder unter 14 Jahren
nicht arbeiten dürfen, keine Rentenersatzleistungen gel-
tend machen können? Was für eine Entschädigung pla-
nen Sie für diese Personen? Nur Leistungen für die Fol-
geschäden?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718304800


Wir werden uns mit den Folgen zu beschäftigen ha-
ben. Wir werden uns auch mit der Frage zu beschäftigen





Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues


(A) (C)



(D)(B)


haben, ob ihnen Bildungsabschlüsse verweigert worden
sind, weil sie keine Möglichkeit hatten, eine Schule zu
besuchen. Damit muss man sich auseinandersetzen;
denn all das ist den Betroffenen vorenthalten worden. Es
wird natürlich Geld kosten, beispielsweise dafür zu sor-
gen, dass sie Schulabschlüsse nachholen können. Es ist
vielleicht sogar mit das Wichtigste, zu gewährleisten,
dass Menschen die Chance bekommen, etwas aus ihrem
Leben zu machen. In den Heimen ist ihnen diese Chance
verwehrt worden. Hier greifen die Leitlinien für den
Fonds.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718304900

Der Kollege Raabe hat mir vorhin dringenden Frage-

bedarf signalisiert.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Es ging mir um die sonstigen Fragen! Aber die haben Sie ja noch nicht aufgerufen!)


– Dann bitte ich, das auch so anzuzeigen.

Herr Staatssekretär, wir danken Ihnen recht herzlich.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1718305000


Auch ich bedanke mich.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718305100

Offensichtlich sind wir am Ende der Befragung der

Bundesregierung zu diesem Thema.

Es gibt die Möglichkeit, die Dauer der Befragung der
Bundesregierung zu verlängern. Dies wiederum heißt
aber, dass sich die Dauer der anschließenden Frage-
stunde verkürzt.

Die erste Frage zu sonstigen Inhalten stellt der Kol-
lege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718305200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Mir geht es um die

sogenannte Fliegender-Teppich-Affäre. Ich möchte
gerne über den genauen Ablauf der Vorgänge unterrich-
tet werden. Wann ging bei Bundesminister Niebel die
Anfrage des Spiegel ein, und wann wurde der Antrag auf
Nachverzollung gestellt bzw. Selbstanzeige erstattet?

Meine zweite Frage, die damit im Zusammenhang
steht, lautet: Inwiefern entrichtete Bundesminister Niebel
für die Verbringung eines privat gekauften Teppichs per
BND-Flugzeug eine entsprechende Gebühr? Oder ist dies
beim Transport von Privatgegenständen per BND-Flug-
zeug grundsätzlich nicht üblich?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718305300


Sehr geehrter Herr Kollege Beck, der Sachverhalt,
den Sie eben angesprochen haben – der Teppichkauf von
Herrn Minister Niebel –, war nicht Gegenstand der heu-
tigen Kabinettssitzung.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spielt nach der Geschäftsordnung keine Rolle!)


Im Übrigen findet im Anschluss an diese Fragestunde
eine Aktuelle Stunde statt, in deren Rahmen es um die-
ses Thema gehen wird und in der Bundesminister Niebel
selbst das Wort ergreifen wird.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind hier gegenüber dem Parlament auskunftspflichtig!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718305400

Die Bundesregierung hat geantwortet. Es ist natürlich

das gute Recht eines jeden Abgeordneten, mit dieser
Antwort zufrieden oder unzufrieden zu sein


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Verweigerung!)


und darüber nach den von uns selbst getroffenen Rege-
lungen mit der Bundesregierung zu diskutieren. Ich
muss keine Hellseherin sein, um vorherzusagen, dass wir
darüber andernorts noch diskutieren werden.

Die nächste Frage stellt die Kollegin Ute Koczy.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718305500

Danke, Frau Präsidentin. – Auch in meiner Frage

geht es um die Nachverzollung. Ich möchte von der
Bundesregierung erfahren, ob der Antrag von Minister
Dirk Niebel auf Nachverzollung mit einer Selbstanzeige
gemäß § 371 der Abgabenordnung verbunden ist und ob
der Bundesregierung ein anderer Fall in der bundesdeut-
schen Geschichte bekannt ist, in der sich ein aktives Mit-
glied der Bundesregierung selbst angezeigt hat.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718305600

Bitte, Herr von Klaeden.

E
Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1718305700


Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis dafür, dass
ich diese Fragen hier jetzt nicht beantworten kann, und
will auf die Möglichkeit hinweisen, Fragen einzurei-
chen. Dann besteht für uns die Möglichkeit, die detail-
lierten Fragen angemessen zu beantworten, sodass Sie
schneller die Informationen bekommen, auf die Sie An-
spruch haben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage liegt der Bundesregierung seit Freitag vor!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718305800

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Frithjof

Schmidt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da Sie sagen, dass Sie jetzt keine Fragen zu dem
Transport des von Bundesminister Niebel gekauften
Teppichs durch ein Flugzeug des Bundesnachrichten-





Dr. Frithjof Schmidt


(A) (C)



(D)(B)


diensts beantworten wollen, möchte ich eine generelle
Frage an die Bundesregierung richten: Ist es üblich, dass
für den Transport privater Gegenstände von Regierungs-
mitgliedern durch Flugzeuge des Bundesnachrichten-
diensts Gebühren erhoben werden, oder nicht?

E
Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1718305900


Herr Kollege, generell ist es selbstverständlich nicht
üblich, dass private Gegenstände mit dem Flugzeug des
Bundesnachrichtendiensts transportiert werden. Das hat
Bundesminister Niebel in seinen Stellungnahmen ja
auch selber deutlich gemacht. Insofern erübrigt sich die
Frage nach Gebühren oder Weiterem.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718306000

Der Kollege Dr. Sascha Raabe stellt die nächste

Frage.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718306100

Frau Staatssekretärin, wenn Sie die Frage jetzt nicht

mündlich beantworten können, dann können Sie ja ver-
suchen, die Antwort schriftlich nachzureichen; denn der
Minister ist nicht verpflichtet, in der Aktuellen Stunde
– das ist ja keine Fragestunde – auf Fragen einzugehen.

Sie waren bei uns im Ausschuss und wissen, dass das
Thema Kinderarbeit für uns wichtig ist. Ich hätte gerne
gewusst, ob Ihnen bekannt ist, ob der Teppich, den
Minister Niebel erworben hat, mit einem GoodWeave-
Siegel versehen ist, das wir ja auch mit Mitteln der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit fördern, oder ob er
einfach blind irgendeinen Teppich gekauft hat, ohne ei-
nen entsprechenden Nachweis zu haben.

Meine zweite Frage an Minister Niebel, die Sie gege-
benenfalls bitte weiterleiten können, lautet, ob er auch
auf vorherigen Dienstreisen Einkäufe getätigt hat, die
den Wert von 430 Euro überstiegen haben, und ob er
diese dann auch verzollt hat.

Vielleicht können Sie diese Fragen dem Minister
freundlicherweise weiterleiten.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718306200


Das tue ich gerne. Wir beantworten Ihre Fragen gerne
schriftlich.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718306300

Gut. Die schriftliche Beantwortung ist zugesagt. –

Die nächste Frage stellt die Kollegin Bärbel Kofler.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1718306400

Herzlichen Dank. – Weil es jetzt sicher schwierig ist,

spezielle Fragen im Detail zu beantworten – die Fragen
der Kollegen zum Vorgehen des Ministers und zur Ver-
zollung und Versteuerung sind schon sehr interessant –,
habe ich eine ganz generelle entwicklungspolitische
Frage.

Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, gute
Regierungsführung sei ein Schlüsselkriterium für die
deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Würden Sie das
Vorgehen des Entwicklungsministers – ich möchte „Ent-
wicklungsminister“ an dieser Stelle unterstreichen – in
Bezug auf den Transport eines Teppichs aus Afghanis-
tan, das immer wieder als ein Land kritisiert wird, in
dem man um gute Regierungsführung ringen muss, als
gutes Beispiel für gute Regierungsführung und Integrität
im Amt bezeichnen?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718306500


Frau Kollegin Kofler, Sie haben selbstverständlich
recht damit, dass es das oberste Ziel nicht nur des Bun-
desentwicklungsministers, sondern auch der gesamten
Bundesregierung ist, gute Regierungsführung zu zeigen.
Ich sehe diese weder in der Vergangenheit noch heute in
irgendeiner Form beeinträchtigt.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine Einzelmeinung!)


Das bleibt auch weiterhin unser Ziel.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718306600

Der Kollege Dr. Jürgen Koppelin hat das Wort.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1718306700

Anlass für meine Frage an die Bundesregierung ist

der Besuch der Kollegin Claudia Roth in Libyen. Gibt es
auch für Abgeordnete Richtlinien bezüglich Reisen?
Wenn zum Beispiel in Nordafrika ein Flug ausfällt:
Kann dann ein Abgeordneter gepanzerte Fahrzeuge or-
dern, damit er zum Beispiel von Tripolis nach Tunesien
gefahren werden kann?

Man konnte sogar in einem Video sehen, dass die
Kollegin Claudia Roth auf einem Basar in Libyen reich-
lich eingekauft hat. Diese Waren sind sicher auch mit
dem gepanzerten Fahrzeug transportiert worden. Werden
dafür Kosten erhoben, und ist das auch verzollt worden?


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Frage!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718306800

Wer aus der Bundesregierung fühlt sich in der Lage,

zu antworten? – Bitte.

E
Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1718306900


Herr Kollege Koppelin, ich kann Ihre Fragen jetzt lei-
der nicht beantworten und bitte um Verständnis dafür,
dass ich das schriftlich nachholen muss.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307000

Das ist damit zugesagt. – Die letzte Frage in diesem

Bereich stellt die Kollegin Kathrin Vogler.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es ist aber schade, dass das schon die letzte Frage ist! Ich finde, das Thema ist viel zu gewichtig, um das jetzt hier abzubrechen!)







(A) (C)



(D)(B)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307100

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-

rin, da Sie konkrete Fragen zu dem Thema Teppichkauf
nicht beantworten können, habe ich eine inhaltliche
Frage zum Besuch von Minister Niebel in Afghanistan.
Trifft es zu, dass er bei diesem Besuch unter anderem
mit Regierungsvertretern über Good Governance, also
gute Regierungsführung, gesprochen hat? Wurden dabei
auch Fragen wie der Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und
die Korruptionsbekämpfung angesprochen? Gibt es in-
zwischen Reaktionen seiner Gesprächspartner auf die
aktuelle Debatte hier in Deutschland?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Hat sich denn zum Beispiel das afghanische Kabinett damit befasst?)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307200

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1718307300


Frau Kollegin, der Bundesminister wie auch andere
Minister, die nach Afghanistan reisen, sind daran inte-
ressiert, bessere Lebensverhältnisse für die Menschen
vor Ort zu schaffen. Dazu gehören natürlich eine gute
Regierungsführung und die Beachtung von Menschen-
rechten. Selbstverständlich sind dies Themen, die bei al-
len Besuchen immer wieder angesprochen werden. Mir
ist nicht bekannt, dass sich die afghanische Regierung in
irgendeiner Weise mit dem von Ihnen angesprochenen
Thema befasst hat.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307400

Danke, Frau Staatssekretärin. – Ich beende die Befra-

gung. Die neun Minuten, um die wir die Befragung ver-
längert haben, ziehen wir von der Zeit für die Frage-
stunde ab.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

– Drucksachen 17/9888, 17/9910 –

Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß
Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die
dringlichen Fragen auf Drucksache 17/9910 auf.

Zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Gesundheit steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Ver-
fügung.

Wir beginnen mit der dringlichen Frage 1 des Kolle-
gen Harald Weinberg:

Wird bei der Bundesregierung angesichts der dramati-
schen Versorgungslage und des drohenden Komplettzusam-

(vergleiche Die Welt vom 12. Juni 2012)

Nothilfen oder Notkrediten für das griechische Gesundheits-
system bzw. die Krankenkasse EOPYY gesehen, und erwägt
die Bundesregierung, Nothilfen zu gewähren?

Bitte, Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718307500


Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Unsere Antwort
ist wie folgt: Die Probleme im griechischen Gesund-
heitssystem sind nicht neu. Sie bestanden schon vor dem
Beginn des Hilfsprogramms. Sie sind daher nicht ur-
sächlich mit der aktuellen Schuldenkrise oder den not-
wendigen Strukturreformen innerhalb des Memoran-
dums verbunden.

Die Mitgliedstaaten der Euro-Zone und der Interna-
tionale Währungsfonds haben auch aus diesem Grund
Griechenland im Rahmen des Anpassungsprogramms
Kredite von insgesamt 237,5 Milliarden Euro zugesagt.
Hierdurch soll Griechenland in die Lage versetzt wer-
den, seinen Verpflichtungen gegenüber nationalen und
internationalen Gläubigern nachzukommen und hier-
durch Spielräume für die Bereitstellung öffentlicher
Dienstleistungen, unter anderem im Gesundheitsbereich,
zu schaffen. Voraussetzung für den Erfolg des zweiten
Programms ist jedoch, dass Griechenland die Strukturre-
formen fortsetzt.

Die Bundesregierung ist darüber hinaus bereit, Grie-
chenland strukturell und organisatorisch zu unterstützen.
Insbesondere sind weitere Reformen im Gesundheitswe-
sen notwendig. Da beispielsweise das Abrechnungssys-
tem in griechischen Krankenhäusern intransparent ist,
nimmt das Bundesministerium für Gesundheit in seiner
Funktion als „Domain Leader“ im Rahmen der
Taskforce gemeinsam mit dem griechischen Gesund-
heitsministerium und der Taskforce Griechenland bei der
Europäischen Kommission gestaltenden Einfluss, um
nachhaltige Verbesserungen in der griechischen Gesund-
heitsversorgung zu bewirken.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307600

Danke, Frau Staatssekretärin. – Herr Weinberg, Sie

haben die Möglichkeit zur ersten Nachfrage.


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Eine Nachfrage

habe ich in diesem Zusammenhang schon. Trifft es nach
Ihrer Erkenntnis zu, dass ein Bestandteil der aufgelegten
Reformmaßnahmen darin besteht, dass der Anteil der
Gesundheitskosten von bisher etwa 9,6 Prozent auf
6,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts zu-
rückgefahren werden soll?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718307800


Herr Kollege Weinberg, wir sind vordringlich beratend
unterwegs. Aus diesem Grunde haben wir das Memoran-
dum of Understanding unterschrieben. Wir befassen uns
vor allen Dingen mit dem Versuch, eine grundlegende
Strukturreform im griechischen Gesundheitssystem vor-
zubereiten. Sie können sich vorstellen, dass dies ange-
sichts der Lage und der bevorstehenden Wahlen in Grie-
chenland ein sehr schwieriger Akt ist. Deswegen sind wir
in einem laufenden Prozess.






(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718307900

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. – Sie ver-

zichten. Dann hat die Kollegin Kathrin Vogler das Wort.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718308000

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie sprachen ge-

rade von nachhaltigen Verbesserungen und strukturellen
Veränderungen. Uns erreichen täglich Pressemitteilun-
gen, in denen die Lage als mehr als dramatisch geschil-
dert wird: Krankenhäuser können keine Operationen
mehr durchführen. Es gibt keine Desinfektionsmittel,
Handschuhe und Katheter mehr. Die Patientinnen und
Patienten müssen ihre Medikamente in der Apotheke bar
bezahlen, weil die staatliche Gesundheitskasse bei den
Apothekern keinen Kredit mehr hat. Viele Menschen
können es sich angesichts der auch aufgrund der Vorga-
ben der Troika gesunkenen Löhne und der sinkenden
Renten nicht mehr leisten, sie zu kaufen.

Halten Sie das Streben nach nachhaltigen Verbesse-
rungen wirklich für ausreichend, um den akuten Versor-
gungsbedarf der Patientinnen und Patienten in Griechen-
land in irgendeiner Weise zu decken?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718308100


Frau Kollegin Vogler, bis zum jetzigen Zeitpunkt sind
keinerlei Kreditanfragen der griechischen Regierung bei
uns eingetroffen. Wir würden solche Kredite natürlich
nicht in vorauseilendem Gehorsam gewähren. Das ist
das eine.

Das Zweite ist – in Ihrer Frage haben Sie einen rein
humanitären Bereich angesprochen –: Die Europäische
Kommission diskutiert, wie Sie wissen, zurzeit die Si-
tuation dort. Auch das ist ein laufender Prozess, sodass
ich zu dem Abschluss der Verhandlungen derzeit noch
nichts sagen kann. Aber auch wir sind in diese Diskus-
sionen eingebunden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718308200

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dr. Marlies

Volkmer.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1718308300

Vielen Dank. – Ich kann nahtlos an die Frage der Kol-

legin Vogler anschließen. Halten Sie es für notwendig,
schnell zu Hilfsmaßnahmen für Griechenland bzw. die
griechische Bevölkerung zu kommen? Denn wenn sich
chronisch kranke Menschen wie Diabetiker, Asthma-
kranke und Herzkranke keine Medikamente mehr leisten
können und sie diese aber auch nicht über die Kranken-
versicherung bekommen, dann sind Todesfälle absehbar.
Wie lange werden Ihres Erachtens die Beratungen und
Abstimmungen innerhalb der Europäischen Union dau-
ern, um Hilfe gewähren zu können?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718308400


Liebe Kollegin Dr. Volkmer, wir sind momentan nicht
in der Lage, einen Zeitraum zu nennen. Das Verfahren
läuft zurzeit. Wie Sie wissen, ist das BMG für europäi-

sche Verhandlungen nicht zuständig. Ich bin aber gerne
bereit, Sie schriftlich zu informieren, was die ungefähre
Abschätzung des Zeitraums angeht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718308500

Wir kommen damit zur zweiten dringlichen Frage des

Kollegen Harald Weinberg:
Arbeitet die Bundesregierung in der Europäischen Union

darauf hin, dass es Nothilfen oder Notkredite für das griechi-
sche Gesundheitssystem bzw. die Krankenkasse EOPYY gibt,
und welche Auswirkungen wären zu befürchten, falls keiner-
lei Hilfen für das griechische Gesundheitssystem gewährt
würden?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718308600


Ich habe in meiner Antwort auf die erste dringliche
Frage bereits darauf hingewiesen, dass es keine Anfra-
gen seitens der griechischen Regierung und aus diesem
Grunde auch keine Überlegungen in unserem Hause zu
diesem Thema gibt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718308700

Ihre erste Nachfrage.


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718308800

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ich wiederhole

noch einmal die Frage, um deutlich zu machen, worum
es geht. Die Frage lautet: Arbeitet die Bundesregierung
in der Europäischen Union darauf hin, dass es Nothilfen
oder Notkredite für das griechische Gesundheitssystem
bzw. die Krankenkasse dort geben soll? Die Frage ist
also nicht, ob Griechenland Kreditanfragen an Sie ge-
richtet hat und ob Sie Kredite gewähren, sondern ob Ihre
politische Strategie in der Europäischen Union darauf
ausgerichtet ist, diese Nothilfen zur Verfügung zu stel-
len. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718308900


Herr Kollege Weinberg, ich habe eben schon darauf
verwiesen, dass das ein laufender Prozess innerhalb der
Europäischen Kommission ist, über den ich gerne infor-
miere, wenn ich das notwendige Wissen habe. Zurzeit
habe ich es nicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309000

Eine zweite Nachfrage.


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309100

Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Einem Bericht

der Bundesregierung habe ich Folgendes entnommen: In
einem am 5. Juni in Brüssel geführten Gespräch zwi-
schen Vertretern des BMG und dem Leiter der Taskforce
bei der Europäischen Kommission, Herrn Reichenbach,
bestand Einvernehmen darüber, dass die bisherigen Ini-
tiativen zur Unterstützung Griechenlands im Gesund-
heitsbereich im Falle einer Regierungsbildung durch bis-
lang die Regierung tragende Parteien grundsätzlich
fortgesetzt werden können.





Harald Weinberg


(A) (C)



(D)(B)


Ich betone: im Falle einer Regierungsbildung durch
bislang die Regierung tragende Parteien. Wenn es nun in
Griechenland zu einer Regierungsbildung ohne die bis-
lang die Regierung tragenden Parteien kommt, stellt sich
die Frage: Wird die Initiative dann eingestellt, oder wird
sie fortgesetzt?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718309200


Herr Kollege Weinberg, das werden wir entscheiden,
wenn es so weit ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309300

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Vogler.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309400

Frau Staatssekretärin, wollen Sie uns allen Ernstes er-

zählen, dass sich die Bundesregierung angesichts der am
nächsten Wochenende stattfindenden Wahlen in Grie-
chenland und vorliegender Umfrageergebnisse im Hin-
blick auf den Wahlausgang keine strategischen Gedan-
ken gemacht hat, wie sie mit einem möglicherweise
ihren Plänen entgegenstehenden Wahlausgang umgehen
wird?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718309500


Liebe Kollegin Vogler, es gibt zurzeit keine Pläne,
über die ich eine Aussage machen könnte. Ich finde es
auch merkwürdig, hier über den Ausgang einer demo-
kratischen Wahl in einem anderen Land zu spekulieren.
Das steht mir nicht zu.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309600

Die dringliche Frage 3 der Kollegin Dr. Martina

Bunge wird schriftlich beantwortet. – Herzlichen Dank,
Frau Staatssekretärin.

Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und be-
antwortet worden sind, rufe ich jetzt die mündlichen Fra-
gen auf Drucksache 17/9888 in der üblichen Reihenfolge
auf.

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max
Stadler zur Verfügung.

Die Frage 1 des Kollegen Dr. Ilja Seifert wird schrift-
lich beantwortet.

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Matthias
Miersch auf:

Hat das Bundesministerium der Justiz die Forderungen
des einstimmig angenommenen Antrags auf Bundestags-
drucksache 17/8344 – keine Patentierung von konventionell
gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen –
bereits umgesetzt, und wenn nein, warum nicht?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718309700


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bedauere, dass die Frage des Kollegen Seifert
schriftlich beantwortet werden muss, weil ich zu der in
dieser Frage thematisierten Behindertenkonvention
gerne mündlich vorgetragen hätte. Selbstverständlich be-
trifft die Frage des Kollegen Miersch ebenfalls eine äu-
ßerst wichtige Thematik. Herr Kollege, Sie fragen nach
der Umsetzung eines Antrags, der im Februar 2012 vom
Bundestag bezüglich der EU-Biopatentrichtlinie be-
schlossen worden ist.

Der genannte Antrag vom 17. Januar 2012 zielt unter
anderem auf die Konkretisierung und Änderung der
EU-Biopatentrichtlinie ab. Die Bundesministerin der
Justiz hat bereits unmittelbar nach der Plenardebatte, die
zu diesem Antrag stattgefunden hat, nämlich mit Schrei-
ben vom 31. Januar 2012, den zuständigen EU-Binnen-
marktkommissar Barnier auf die Meinungslage im Deut-
schen Bundestag aufmerksam gemacht. Die
Bundesregierung hat in diesem Schreiben die Notwen-
digkeit unterstrichen, dass die EU-Kommission noch un-
ter dänischer Ratspräsidentschaft einen neuen Bericht
zur Umsetzung der Biopatentrichtlinie in den Mitglied-
staaten der EU vorlegen möge. Der Brief der Justiz-
ministerin enthält schließlich die Bitte, dass entspre-
chend Nr. 6 des Antrags und des Beschlusses des
Bundestags in diesem Bericht „die ethischen Aspekte“
von biotechnologischen Patenten „sowie die Folgen für
die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und für die
Forschung berücksichtigt“ werden. Kommissar Barnier
hatte bereits im November 2011 die Vorlage dieses Be-
richts zugesagt. Nach neueren Informationen soll der
Bericht nunmehr im Oktober oder November dieses Jah-
res vorgelegt werden.

Frau Präsidentin, die Frage erfordert leider, etwas
ausführlicher auszuholen; denn der Antrag auf der ge-
nannten Drucksache spricht auch die Schaffung des
EU-Patents an. Die Bundesregierung hat sich in den Be-
ratungen dazu im Hinblick auf die Belange der deut-
schen Bauern und Züchter für eine sogenannte Unbe-
rührtheitsklausel zugunsten nationaler Sonderregelungen
eingesetzt. Dazu besteht unter den EU-Mitgliedstaaten
Konsens. Danach können sich deutsche Bauern und
Züchter wie bisher gegenüber deutschen und europäi-
schen Patenten künftig auch gegenüber den Inhabern des
neu zu schaffenden EU-Patents auf die deutschen Son-
derbestimmungen berufen, das heißt auf das Pflanzen-
züchterprivileg und das Landwirteprivileg mit der Be-
weislastumkehr bei zufälliger Auskreuzung von Saatgut.

Ich glaube, ich belasse es dabei. Der Herr Kollege
setzt sowieso schon zu einer Zusatzfrage an. Ich kann Ih-
nen vielleicht dann den Rest meiner geplanten Antwort
vortragen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718309800

Er stellt garantiert eine Nachfrage. – Bitte, Kollege

Miersch.






(A) (C)



(D)(B)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718309900

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für diese Antwort.

Ich möchte mir die Anmerkung erlauben, dass sich diese
Antwort auf meine zweite Frage bezogen hat. In meiner
ersten Frage habe ich ganz bewusst nicht nach der euro-
päischen Rechtslage gefragt. Der Antrag, den wir hier
über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen haben,
bezog sich vielmehr auf das nationale Patentgesetz und
die Einführung eines Biopatentmonitorings. Können Sie
mir dazu noch etwas sagen?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718310000


Herr Kollege, es ist in der Tat so, dass genau dieser
Teil meiner Antwort der Zeitregel zum Opfer gefallen ist.
Ich kann jetzt Ihre Zusatzfrage dazu nutzen, Ihnen den
weiteren Teil meiner Antwort wie geplant vorzutragen.

Soweit sich der von Ihnen zitierte Antrag auf das
deutsche Patentgesetz bezieht, hat der Deutsche Bundes-
tag eine Prüfung erbeten, ob und inwieweit auch ohne
Änderung der EU-Biopatentrichtlinie Änderungen oder
Klarstellungen zur Einschränkung der Patentierung von
Tieren und Pflanzen möglich sind. Diese Prüfung läuft
derzeit. Sie wirft ziemlich schwierige Fragen auf, einer-
seits Fragen des nationalen Regelungsspielraums im
Rahmen EU-rechtlicher Vorgaben, andererseits auch
Fragen der rechtlichen Konsequenzen einer abweichen-
den Regelung auf nationaler Ebene für die Wettbewerbs-
situation deutscher Unternehmen im Binnenmarkt. Zu-
sammengefasst: Diese Prüfung läuft derzeit noch.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718310100

Ihre zweite Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718310200

Können Sie uns einen Zeitraum nennen, wann wir mit

einem Ergebnis rechnen können?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718310300


Ja. Ich rechne mit einem Abschluss dieser Prüfung bis
zum Ende dieses Jahres.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718310400

Wir kommen zur Frage 3 des Kollegen Miersch:

Wird sich das Bundesministerium der Justiz im europäi-
schen Patentrecht für ein klares Verbot der Patentierung von
Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial und Pflanzen
und Tieren aussprechen und sich für eine Änderung der Bio-
patentrichtlinie auf EU-Ebene einsetzen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718310500


Ich darf wie folgt antworten: Zunächst ist klarzustel-
len – das haben Sie aber selber schon gesagt –, dass sich
der Beschluss des Bundestags, den wir gerade schon er-
örtert haben, nur auf konventionelle Züchtungsverfahren
bezieht und nicht auf solche technischen Charakters wie
etwa gentechnische Verfahren.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das
Verbot der Patentierung im Wesentlichen biologischer
Verfahren, soweit die Verfahren selbst Gegenstand der
Patentansprüche sind, in der EU-Biopatentrichtlinie
ebenso wie im Europäischen Patentübereinkommen und
im deutschen Patentgesetz eindeutig geregelt ist und
dass diese Rechtslage durch den sogenannten Brokkoli-
Beschluss der Großen Beschwerdekammer des Europäi-
schen Patentamts vom 9. Dezember 2010 bestätigt wor-
den ist.

Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung,
dass sich aus dieser Rechtslage zwingend ergibt, dass
auch die mittels solcher vom Patentschutz ausgeschlos-
senen Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht paten-
tierbar sind. Mit dieser Thematik wird sich übrigens die
Große Beschwerdekammer des Europäischen Patent-
amts auch noch im Zusammenhang mit dem sogenann-
ten Tomaten-Patent befassen.

Was die Prüfung eines möglichen Änderungsbedarfs
der Biopatentrichtlinie der EU angeht, wird die Bundes-
regierung den vorhin schon erwähnten Bericht der EU-
Kommission abwarten, um ein Gesamtbild über den
Stand der Umsetzung und den gegebenenfalls erkennba-
ren Reformbedarf zu erhalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718310600

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718310700

Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang hat

sich der Deutsche Bundestag angesichts der Entwick-
lung, die wir auf europäischer Ebene beobachten
können, und der Tatsache, dass sehr vielfältig in die Er-
nährung der Menschen in Europa eingegriffen wird,
einvernehmlich dafür ausgesprochen, ein Biopatentmo-
nitoring nationalstaatlich zu organisieren. Deswegen
meine Frage: Haben Sie dieses Monitoring gestartet,
bzw. wann tritt es in Kraft?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718310800


Dies ist in der Tat auch Gegenstand des Beschlusses
des Parlaments vom 8. Februar. Nach meiner Informa-
tion ist es so, dass nachgeordnete Stellen des Landwirt-
schaftsministeriums – dafür ist das Justizministerium
nicht zuständig – dieses Anliegen des Parlaments
erfüllen werden. In diesem Beschluss sind wir weiterhin
aufgefordert worden, den Dialog mit den von Biopaten-
ten betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu führen.
Auch dies geschieht laufend.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718310900

Ihre zweite Nachfrage.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1718311000

Auch hierzu frage ich ganz konkret: Wann können wir

damit rechnen, dass wir dieses Monitoring installiert be-
kommen? Wann startet die Bundesregierung damit?






(A) (C)



(D)(B)


D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718311100


Es wird kein Monitoring in dem Sinne geben, dass die
Bundesregierung sozusagen die letzte Revisionsinstanz
wäre. Was gewünscht wird, nämlich Entwicklungen
frühzeitig erkennen zu können und in angemessenen
Zeiträumen einen Bericht über die Auswirkungen des
Patentrechts vorzulegen, wird jetzt laufend durch nach-
geordnete Stellen des Landwirtschaftsministeriums
geleistet werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718311200

Für eine weitere Nachfrage hat der Kollege Harald

Ebner das Wort.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718311300

Herr Staatssekretär, Sie hatten beschrieben, dass die

Bundesregierung die Patentierung der biologischen Ver-
fahren für eindeutig geregelt hält.

Der Bundestag war mit seinem interfraktionellen An-
trag einer anderen Meinung. Alle Fraktionen haben sich
geeinigt, diesen Antrag zu verabschieden, weil da Rege-
lungsbedarf gesehen wurde. Ich möchte Sie fragen, wie
Sie sich angesichts Ihrer Erläuterungen die große Zahl
von mehreren Hundert faktisch erteilten Patenten auf
konventionelle Züchtungen erklären.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718311400


Herr Kollege, noch einmal: Ich habe die Rechtslage
dargestellt. Ich habe auch ausgeführt, dass das Ganze
unserer Meinung nach geregelt ist.

Es wird aber Gesetzgebungsverfahren geben bzw. sol-
che sind schon im Gang, bei denen diese Fragen und die
von Ihnen angeführten Beobachtungen aus der Praxis in
dem Sinne erörtert werden können, ob es dennoch einen
Klarstellungsbedarf gibt. Dabei ist auch die Frage zu be-
antworten, inwieweit hierbei nationaler Regelungsspiel-
raum besteht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718311500

Danke, Herr Staatssekretär. – Wir bleiben im Ge-

schäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Ich
rufe die Frage 4 der Kollegin Sonja Steffen auf:

Für wann sind die Verabschiedung des Entwurfs eines Ge-
setzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens,
zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit
von Lizenzen durch das Kabinett und die Einbringung in den
Deutschen Bundestag geplant?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718311600


Die Frage der Kollegin Steffen berührt in der Praxis
wirklich sehr viele Menschen, sodass die potenziell
Betroffenen sicherlich darauf warten, dass die Gesetz-
gebung hierbei voranschreitet.

In der Tat ist die Verabschiedung des Gesetzentwurfs,
den Sie mit Ihrer Frage ansprechen, durch das Kabinett

noch für den Sommer 2012 geplant. Die Einbringung in
den Deutschen Bundestag wird dann den üblichen Re-
geln entsprechend erfolgen, also dann, wenn sich der
Bundesrat damit befasst hat.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718311700

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1718311800

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr

Staatssekretär. – Die erste Nachfrage betrifft den Inhalt
des Entwurfs in Bezug auf das jetzige Vorhaben, dass die
Rechtspfleger am Insolvenzverfahren stärker beteiligt
werden sollen. Nach dem Entwurf ist beabsichtigt, dass
die Rechtspfleger das Insolvenzverfahren und auch das
Restschuldbefreiungsverfahren übernehmen sollen. Ist
dies auch weiterhin beabsichtigt?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718311900


Frau Kollegin Steffen, die Ressortabstimmung zu die-
sem Gesetzentwurf ist noch nicht abgeschlossen, sodass
ich im Moment keine verbindlichen Aussagen darüber
machen kann, wie genau der Kabinettsbeschluss ausse-
hen wird. Wir müssen das noch abwarten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718312000

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1718312100

Die zweite Nachfrage betrifft auch den jetzt vorgese-

henen Inhalt des Entwurfs. Sie bezieht sich auf das
Vorhaben, das Verfahren der Restschuldbefreiung zu
verkürzen. Dies ist allerdings an die Tilgung von Gläubi-
gerforderungen gekoppelt. Wie ist denn dazu der ak-
tuelle Stand im Ministerium?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718312200


Frau Kollegin Steffen, ein wesentlicher Teil des Ge-
setzentwurfs ist, dass die Restschuldbefreiung deutlich
früher erlangt werden kann, als dies nach bisherigem
Recht der Fall ist. Bekanntlich ist das nicht völlig unum-
stritten; denn auf der anderen Seite stehen die Interessen
der Gläubiger.

In der Praxis hat sich die jetzige Restschuldbefreiung
sehr bewährt. Nach dem Prinzip, dass jeder eine zweite
Chance verdient, hat sich nämlich ergeben, dass mit die-
sem Instrument eben kein Missbrauch betrieben worden
ist. Vielmehr zeigte sich: Menschen, die in eine finan-
zielle Notlage gekommen sind, konnten nach der Rest-
schuldbefreiung wieder von vorne beginnen. Dieses In-
strument ist durchaus erfolgreich gewesen.

Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass künftig
schon nach drei Jahren die Restschuldbefreiung eintreten
kann, falls eine bestimmte Quote der Forderungen erfüllt
ist. Der Gedanke war, bei etwa 25 Prozent anzusetzen.
Aber selbstverständlich sind in der politischen Debatte
gerade die Fragen der Fristen und der zu erreichenden
Quote strittig. Daher muss ich Sie noch um wenige Wo-





Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler


(A) (C)



(D)(B)


chen Geduld bitten, bis nach der Ressortabstimmung der
endgültige Entwurf dem Parlament vorgelegt werden
kann.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718312300

Wir kommen dann zur Frage 5 der Kollegin Sonja

Steffen:
Welche Änderungen sind vom Bundesministerium der

Justiz nach Einholung der Stellungnahmen der Verbände ge-
genüber dem Referentenentwurf geplant?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718312400


Die Frage 5 geht ein wenig in die Richtung der zwei-
ten Nachfrage von Kollegin Steffen nach den geplanten
Änderungen. Hierzu habe ich schon ausgeführt, dass die
Ressortabstimmung gerade im Gange ist; sie ist noch
nicht abgeschlossen. Stellungnahmen der Länder und der
interessierten Verbände sind eingeholt und werden jetzt
ausgewertet. Nach dieser Auswertung und nach der Ab-
stimmung können wir Ihnen vortragen, ob es zu Ände-
rungen gegenüber dem Entwurf, den ich skizziert habe,
kommen wird.

Dieser Entwurf basiert, wie gesagt, auf der Idee,
schon nach der relativ kurzen Zeit von drei Jahren bei
einer bestimmten Wohlverhaltensquote zur Restschuld-
befreiung zu gelangen. Dem zugrunde liegen gute Erfah-
rungen mit dem jetzt geltenden Recht, das wir damit aus-
bauen würden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718312500

Sie haben die Möglichkeit zu einer weiteren Nach-

frage.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1718312600

Ich habe eine Frage in Bezug auf die Dauer des Ge-

setzgebungsverfahrens. Wir können dann also damit
rechnen, dass der Entwurf nach der Sommerpause hier
ins Plenum kommt?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718312700


Ich rechne damit, dass der Bundesrat nach der Som-
merpause seinen ersten Durchgang durchführen wird.
Wenn dies geschehen ist, kommt der Gesetzentwurf ins
Plenum.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718312800

Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein.

Dann kommen wir zur Frage 6 des Kollegen
Burkhard Lischka:

Wird die Bundesregierung einen Regelungsvorschlag für
eine eigene Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommuni-
kationsüberwachung, Quellen-TKÜ, vorlegen?

Bitte, Herr Stadler.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718312900


Das ist eine Thematik, Herr Kollege Lischka, über die
wir uns im Rahmen der Fragestunde schon einmal
ausgetauscht haben. Nach wie vor gilt, dass es eigenstän-
dige Rechtsgrundlagen für die Quellen-Telekommunika-
tionsüberwachung im präventiven Bereich teilweise be-
reits gibt, beispielsweise in § 20 I Abs. 2 des
Bundeskriminalamtgesetzes. Für den Bereich der Straf-
verfolgung – darauf zielt Ihre Frage sicherlich ab – wen-
den die Gerichte § 100 a Strafprozessordnung auch für
diese Art der Überwachung von Telefonaten an der
Quelle an. Hierzu gibt es mittlerweile eine Rechtspre-
chung, die sich verfestigt hat.

Ob es geboten ist, gesetzliche Regelungen zusätzlich
vorzusehen, ist gerade Gegenstand einer intensiven
Prüfung der Bundesregierung, in die die Erkenntnisse
aus der derzeit noch laufenden Entwicklung der für die
Durchführung einer Quellen-Telekommunikationsüber-
wachung erforderlichen Software ebenso einfließen
werden wie die Hinweise, die wir zwischenzeitlich von
Experten, übrigens auch im Unterausschuss Neue
Medien des Bundestags, erhalten haben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718313000

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1718313100

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Darf ich dann

Ihrer Antwort entnehmen, dass nach Auffassung der
Bundesregierung § 100 a StPO im Bereich der Strafver-
folgung trotz gewichtiger Gegenstimmen in der Rechts-
literatur und in der Wissenschaft eine ausreichende
Rechtsgrundlage für die Quellen-TKÜ darstellt?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718313200


Sie dürfen meiner Antwort entnehmen, dass es mitt-
lerweile einhellige Praxis der Gerichte ist, § 100 a als
Rechtsgrundlage heranzuziehen, und dass wir diese in
richterlicher Unabhängigkeit getroffenen Entscheidun-
gen respektieren. Wir hatten darüber ja schon einmal, in
der Fragestunde im Oktober 2011, gesprochen. Nach-
träglich ist bekannt geworden, dass es insoweit nicht nur
Entscheidungen von Instanzgerichten gibt, sondern auch
eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die sich auf
§ 100 a StPO gestützt hat.

Gleichwohl bleibt offen, ob wir für die Zukunft noch
Modifizierungen brauchen, die der Gesetzgeber vorzu-
nehmen hätte. Das hängt ein wenig davon ab, wie sich
die technische Entwicklung darstellt. Es wird ja jetzt
versucht, eine, wenn ich das so unjuristisch sagen darf,
grundrechtsschonendere Software zu entwickeln. Von
der Frage, was diese Software kann und was man in die-
sem Zusammenhang verbieten muss, hängt letztlich ab,
ob es für den Gesetzgeber noch Regelungsbedarf über
den § 100 a StPO hinaus gibt. Eine Entscheidung haben
wir noch nicht getroffen; wir prüfen noch.






(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718313300

Ihre zweite Nachfrage.


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1718313400

Herr Staatssekretär, Sie haben die Entwicklung einer

Software angesprochen. Daran schließe ich meine
zweite Frage an: Liegen der Bundesregierung denn Er-
kenntnisse darüber vor, ob derzeit bei den Bundesbehör-
den die Quellen-TKÜ angewandt wird? Oder wird die
Quellen-TKÜ nicht angewandt, solange eine Software
entwickelt wird?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718313500


Ich habe jedenfalls die sichere Erkenntnis, dass in
Bayern, wo sich ein Fall ereignet hat, der die Debatte da-
rüber überhaupt erst ausgelöst hat, und wo durch das
Landgericht Landshut festgestellt werden musste, dass
die sogenannten Screenshots nicht zulässig sind, die
Staatsregierung entschieden hat, diese Software nicht
mehr einzusetzen.

Ich habe jetzt keinen schriftlichen Beleg dazu, ob das
im Bereich der Bundesregierung auch so ist. Ich würde
vorschlagen, dass ich diesen Teil der Antwort schriftlich
nachtrage, bevor ich hier etwas Unrichtiges sage. Dann
haben Sie eine zuverlässigere Information, als wenn ich
jetzt aus der Lamäng eine Antwort geben würde.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718313600

Das halten wir so fest.

Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Marianne Schieder
auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, die Regelung des
§ 52 a des Urheberrechtsgesetzes, welche die Nutzung von ur-
heberrechtlich geschütztem Material in engen Grenzen für
Unterricht und Forschung, zum Beispiel im Intranet der Uni-
versität, erlaubt und zum 31. Dezember 2012 ausläuft, zu ver-
längern bzw. zu entfristen, und, wenn nein, warum nicht?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718313700


Beim § 52 a des Urheberrechtsgesetzes geht es be-
kanntlich darum, dass für Unterricht und Forschung ur-
heberrechtlich geschütztes Material in engen Grenzen
und unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden
kann. Diese Regelung ist noch unter Regierungsverant-
wortung der SPD eingeführt worden, jedoch befristet,
weil man die praktischen Auswirkungen sehen wollte.
Es gab dann erneute Befristungen. Nun läuft die Frist
zum 31. Dezember 2012 aus, sodass zu entscheiden ist,
wie man weiter vorgeht.

Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat das Bun-
desministerium der Justiz eine Evaluierung des § 52 a
des Urheberrechtsgesetzes vorgenommen. Diese Evalu-
ierung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Das
Bundesministerium der Justiz wird den entsprechenden
Bericht demnächst dem Deutschen Bundestag zuleiten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718313800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1718313900

Herr Staatssekretär, bis zum 31. Dezember ist nicht

mehr viel Zeit. Können Sie denn wenigstens in groben
Zügen sagen, wie das Ergebnis dieser Evaluierung aus-
sieht?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718314000


Ich kann nur sagen, dass das Bundesministerium der
Justiz anstrebt, dass es bei der Regelung des § 52 a des
Urheberrechtsgesetzes bleibt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718314100

Zweite Nachfrage.


Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1718314200

In welcher Form, Herr Staatssekretär? Streben Sie das

an, indem Sie die Frist wieder verlängern oder indem Sie
das Ganze entfristen?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718314300


Diese beiden Möglichkeiten stehen zur Debatte. Da-
rüber ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. Insbe-
sondere gibt es auch noch keine abgestimmte Haltung
der Bundesregierung, weil, wie gesagt, der Evaluie-
rungsbericht gerade erst ausgewertet wird. Aber bei den
von Ihnen zu Recht genannten zeitlichen Vorgaben ist
klar, dass Sie in allernächster Zeit mit einem Entwurf
rechnen können.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718314400

Damit kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Brigitte

Zypries:
Wann wird die Bundesregierung, der Ankündigung im

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP folgend, den
Dritten Korb zur Reform des Urheberrechts vorlegen, und
welche konkreten Regelungen werden darin enthalten sein?

Bitte.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718314500


Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, würde ich gern
die Fragen 8 und 9 von Frau Kollegin Zypries im Zu-
sammenhang beantworten. Darin geht es um den soge-
nannten Dritten Korb zum Urheberrecht und um das
Leistungsschutzrecht für Presseverlage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718314600

Natürlich. Dann rufe ich auch die Frage 9 der Kolle-

gin Brigitte Zypries auf:
Wie wird das vom Koalitionsausschuss am 4. März 2012

beschlossene Leistungsschutzrecht für Presseverlage genau
ausgestaltet sein?

Damit gibt es die Möglichkeit, vier Nachfragen zu
stellen.






(A) (C)



(D)(B)


D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718314700


Das innerhalb der Bundesregierung für das Urheber-
recht zuständige Bundesministerium der Justiz wird
noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presse-
verlage vorlegen. Mit einem solchen Leistungsschutz-
recht soll den Presseverlegern das ausschließliche Recht
eingeräumt werden, Presseerzeugnisse zu gewerblichen
Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Urheber sind angemessen an der Vergütung zu beteili-
gen.

Darüber hinaus erarbeitet das Bundesministerium der
Justiz derzeit Eckpunkte für ein weiteres Gesetz mit Än-
derungen im Urheberrecht. Diese Eckpunkte werden
verschiedene Bereiche umfassen, beispielsweise Rege-
lungen zur Nutzung sogenannter verwaister Werke. Die
Arbeiten hieran sind jedoch noch nicht abgeschlossen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718314800

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1718314900

Herr Staatssekretär, Sie hatten ja vor einigen Wochen

im Unterausschuss Neue Medien gesagt, dass das Justiz-
ministerium prüfe, in welcher Form der Beschluss des
Koalitionsausschusses zum Leistungsschutzrecht tat-
sächlich umgesetzt werden könne. Jetzt entnehme ich Ih-
ren Worten, dass es dabei bleiben soll, dass Herausgeber
von Zeitungen das ausschließliche Recht haben, ihr
Presseerzeugnis ganz oder in Teilen zu gewerblichen
Zwecken online öffentlich zugänglich zu machen. Das
heißt, die streitige Frage der Snippets wäre damit ent-
schieden: Es bleibt nach wie vor Sache der Verlage, ob
sie sie zugänglich machen wollen oder nicht. Habe ich
Sie da richtig verstanden?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718315000


Ich habe Ihnen das Grundprinzip des geplanten Leis-
tungsschutzrechts dargestellt. Zu dem Zeitpunkt, als ich
in Ihrem Ausschuss vortragen durfte, war noch fraglich,
wie der Beschluss des Koalitionsausschusses umgesetzt
wird. Wir machen jetzt den Vorschlag, dass ein Leis-
tungsschutzrecht eingeführt wird. Das heißt, Presseer-
zeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffent-
lich zugänglich zu machen, ist dann das ausschließliche
Recht der Presseverlage – also nicht mehr ein von den
Urhebern abgeleitetes Recht –, mit den Möglichkeiten,
die sich daraus ergeben, etwa bei Verstößen Unterlas-
sungsklage zu erheben oder mit anderen Nutzern Gebüh-
renvereinbarungen zu treffen.

Über die genaue Abgrenzung muss man dann im Ge-
setzgebungsverfahren reden. Klar ist beispielsweise,
dass das Recht, zu zitieren, weiterhin besteht, so wie es
dem jetzigen Urheberrecht entspricht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718315100

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1718315200

In Bezug auf Zitate ist das richtig. Ich muss aber noch

einmal auf die Snippets zurückkommen. Die Sonder-
regelung, dass man Ausschnitte aus Werken bei Google
findet, ist eigentlich der wesentliche Kern des Streits. Ich
habe noch nicht ganz verstanden, wie Sie dieses Problem
lösen wollen.

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718315300


Das Problem wird in der Weise gelöst, dass eine bloße
Verlinkung selbstverständlich nicht das Leistungsschutz-
recht tangiert. Wenn hingegen ein News-Aggregator
auch nur kleine Teile eines Presseerzeugnisses ins Netz
stellt, wäre das von dem neuen Leistungsschutzrecht er-
fasst, mit der gerade schon genannten Folge, dass entwe-
der das Unterlassen begehrt werden kann oder aber, was
wir als wahrscheinlicher ansehen, die Beteiligten sich
über eine finanzielle Vergütung einigen.

Wichtig ist, dass die private Nutzung vom Leistungs-
schutzrecht nicht berührt wird; das sage ich noch einmal,
damit kein Missverständnis bezüglich dessen Reichweite
entsteht. Das Leistungsschutzrecht bezieht sich auf einen
eng begrenzten Bereich und soll für diesen ähnliche Re-
gelungen schaffen, wie es sie für Rechteverwerter in an-
deren Bereichen schon gibt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718315400

Sie haben das Wort zur nächsten Nachfrage.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1718315500

Gehe ich recht in der Annahme, Herr Staatssekretär,

dass Sie nicht mit Filtersoftware kontrollieren wollen, ob
jemand Google News gewerblich oder privat nutzt? Wie
aber wollen Sie das kontrollieren?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718315600


Die Frageform „Gehe ich recht in der Annahme“ geht
ja auf die berühmte Sendung Was bin ich? mit Robert
Lembke zurück.


(Brigitte Zypries [SPD]: Ich nehme die 5 Euro auch!)


Dort war es ja so, dass ein Nein zum Ende der Fragezeit
und damit des Fragerechts geführt hat. Diese Gefahr be-
steht bei Ihnen nicht, weil Sie noch die Möglichkeit ei-
ner weiteren Nachfrage haben.

Ich kann Ihre Frage aber kurz und bündig mit Ja be-
antworten. Es soll also keine Überwachungssoftware
eingesetzt werden. Ob eine private oder gewerbliche
Nutzung vorliegt, hängt natürlich von den Umständen
des Einzelfalles ab. Aber die grundsätzliche Trennlinie
wird im Gesetz klar enthalten sein. Sicherlich wird es in
der Praxis Einzelfälle geben, in denen geklärt werden
muss, ob eine Nutzung noch privat oder schon gewerb-
lich ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718315700

Ihre vierte Frage.






(A) (C)



(D)(B)



Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1718315800

Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, wie man

das feststellen will. Es stellt sich doch die Frage: Ist es
privat oder gewerblich, wenn ich an meinem PC sitze
und google und Zeitungsausschnitte für meine Arbeit als
Abgeordnete suche?

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1718315900


Noch einmal: Es ist nicht die Sache des Staates, Sie
zu überwachen.


(Brigitte Zypries [SPD]: Das denke ich auch!)


Das werden Sie von einem liberal geführten Bundesjus-
tizministerium zu Recht nicht erwarten.

Zeitungsverleger erhalten vielmehr das Recht, ein
Leistungsschutzrecht geltend zu machen. Wenn Sie der
Meinung sind, dass ein Nutzer dieses Recht verletzt,
dann muss man sich darüber auseinandersetzen, ob eine
private Nutzung vorliegt. Da Sie als Abgeordnete nicht
gewerblich tätig sind, kann ich Sie beruhigen: Der Fall
wird hiervon nicht erfasst. Ich habe dabei nicht berück-
sichtigt, dass Sie natürlich auch eine Nebentätigkeit ge-
werblicher Art ausüben könnten und dann in den ge-
werblichen Bereich kämen. Das haben Sie aber, glaube
ich, nicht gemeint.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316000

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen.

Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Andrea
Wicklein. – Ich sehe, dass der Parlamentarische Staats-
sekretär Steffen Kampeter nicht anwesend ist. Kann mir
die Bundesregierung Auskunft erteilen, ob Herr
Kampeter auf dem Weg ist? – Ich schlage vor, wir stellen
die Fragen 10 und 11 einen Moment zurück, bis ich In-
formationen bekommen habe.

Die Frage 12 des Kollegen Dr. Axel Troost, die
Frage 13 des Kollegen Richard Pitterle, die Fragen 14
und 15 der Kollegin Dr. Barbara Höll, die Fragen 16 und 17
der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, die Frage 18 des Kolle-
gen Andrej Hunko, die Frage 19 des Kollegen Hans-
Christian Ströbele sowie die Fragen 20 und 21 der Kolle-
gin Priska Hinz werden schriftlich beantwortet.

Bis mir weitere Informationen vorliegen, rufe ich den
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe zur
Verfügung.

Die Frage 22 des Kollegen Dr. Ilja Seifert und die
Frage 23 des Kollegen Anton Schaaf werden schriftlich
beantwortet.

Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Sabine
Zimmermann auf:

Wie wurde das Programm „Initiative zur Flankierung des
Strukturwandels“ bisher genutzt – bitte Mittelabfluss, Teil-
nehmerzahlen nach Maßnahmenart sowie durchschnittliche
jährliche Ausgaben je Teilnehmer, Eingliederungsquote nen-

nen –, und wie stellt sich die Mittelbindung durch Verpflich-
tungsermächtigungen für das Jahr 2012 und die Folgejahre
dar?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718316100


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin, die
Ausgaben für die Initiative zur Flankierung des Struktur-
wandels, IFlaS, der Bundesagentur für Arbeit beliefen
sich im Haushaltsjahr 2010 auf 126 Millionen Euro und
im Haushaltsjahr 2011 auf 244 Millionen Euro. Im Jahr
2011 wurden rund 22 000 Eintritte in IFlaS-Maßnahmen
gefördert, davon rund 13 000 mit dem Ziel Berufsab-
schluss, rund 1 500 Vorbereitungslehrgänge für die Ex-
ternenprüfung und rund 7 300 sonstige berufliche Wei-
terbildungen, wie zum Beispiel Teilqualifikationen. Bis
Ende März 2012 sind rund 5 000 Eintritte in IFlaS-Maß-
nahmen erfolgt, davon rund 2 500 berufliche Weiterbil-
dungen mit Abschluss, rund 280 Vorbereitungslehrgänge
für die Externenprüfung und rund 2 100 sonstige berufli-
che Weiterbildungen.

Die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben je Teil-
nehmer lagen nach Angaben der Bundesagentur für
Arbeit in der beruflichen Weiterbildung bei rund
7 700 Euro im Jahr 2011. Durchschnittszahlen für das
angesprochene Programm liegen nicht vor. Angaben zur
Eingliederungsquote der Teilnehmer an IFlaS-Maßnah-
men liegen ebenfalls nicht vor.

Für die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels
stehen mit 400 Millionen Euro im Jahr 2012 innerhalb
des Eingliederungstitels der Bundesagentur für Arbeit
mehr Mittel zur Verfügung als im Jahr 2011; da waren es
350 Millionen Euro. Von den 400 Millionen Euro wur-
den nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bis Mai
dieses Jahres rund 114 Millionen ausgegeben. Für das
Jahr 2013 sind Verpflichtungsermächtigungen in Höhe
von 300 Millionen Euro vorgesehen. Das Programm ist
also finanziell mehr als ausreichend ausgestattet.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316200

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316300

Danke schön, Frau Präsidentin. – Es war die Rede da-

von, dass die Schlecker-Beschäftigten zu Erzieherinnen
umgeschult werden sollen und auch andere Bereiche in
Betracht kommen. Können Sie sicherstellen, dass die
Maßnahmen im Rahmen des IFlaS-Programms zu einem
qualifizierten Abschluss führen, das heißt, dass die Kol-
leginnen und Kollegen hier nicht nur mit einfachen
Lehrgängen abgespeist werden?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316400

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718316500


Frau Kollegin, im Rahmen von IFlaS wird niemand
„abgespeist“. Die Bundesregierung kann natürlich keine





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) (C)



(D)(B)


erfolgreichen Abschlüsse von Weiterbildungsmaßnah-
men garantieren. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass das
Programm für diejenigen vorgesehen ist, die über keinen
Berufsabschluss verfügen. Nach unseren bisherigen
Erkenntnissen trifft das für rund 35,4 Prozent der
Schlecker-Beschäftigten zu. Es handelt sich um ein An-
gebot im Rahmen dieses Programms, um diejenigen, die
bisher über keinen Abschluss verfügen, entsprechend
auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Darüber hinaus gibt es ein Angebot für diejenigen
– wobei wir den Bedarf nicht quantifizieren können –,
die länger als vier Jahre nicht mehr in ihrem erlernten
Beruf tätig waren. Auch diese Beschäftigten werden
über IFlaS gefördert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316600

Ihre zweite Frage bitte.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316700

Sie sprachen von den Ausbildungsmöglichkeiten zur

Erzieherin oder zur Altenpflegerin. In dem Zusammen-
hang lautete meine Frage ganz konkret, ob es sich um
Ausbildungen mit einem anerkannten Abschluss handeln
soll. Immerhin geht die Ausbildung zur Altenpflegerin
und auch zur Erzieherin über drei Jahre.

Darüber hinaus würde mich noch etwas anderes inte-
ressieren. Viele Frauen haben gesagt, dass sie aus dem
Bereich des Einzelhandels heraus möchten und lieber ei-
nen anderen Beruf erlernen wollen. Warum hat man sich
gerade für die Ausbildungsgänge zur Erzieherin bzw. zur
Altenpflegerin entschieden? Es gibt viele Frauen, die
gerne in den Metallbereich wechseln würden. Das habe
ich auf vielen Betriebsversammlungen gehört. Frauen
haben sich eindeutig dahin gehend artikuliert, dass sie
etwas anderes machen möchten, aber ganz gezielt in den
Metallbereich wollen. Hier gibt es ebenfalls einen gro-
ßen Bedarf an Arbeitskräften.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718316800


Frau Kollegin, ich habe bei der Beantwortung der
Frage 24 nicht über Erzieherinnen gesprochen, und Sie
haben auch nicht danach gefragt. Ich will aber im Rah-
men dieser Zusatzfrage gerne den Hinweis geben, dass
wir nach den Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung im ersten Quartal dieses Jahres
bundesweit von rund 966 000 offenen Stellen auf dem
ersten Arbeitsmarkt ausgehen.

Es geht darum, Menschen, die in Arbeitslosigkeit ge-
raten, für diese vielen offenen Stellen zu qualifizieren,
die es eben unter anderem im Erziehungsbereich gibt.
Niemand wird in einen solchen Weg gezwungen. Denje-
nigen jedoch, die geneigt sind, sich in diesem Bereich
weiterzuqualifizieren, umzuschulen und die dafür auch
geeignet sind, steht dieser Weg grundsätzlich zur Verfü-
gung. Wir stellen sehr viel öffentliches Geld bereit – das
habe ich Ihnen skizziert –, um Menschen in solche Be-
reiche umzuschulen, wenn sie es denn wollen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718316900

Wir kommen damit zur Frage 25 der Kollegin Sabine

Zimmermann:
Inwiefern erfüllen die Schlecker-Beschäftigten in der Re-

gel die Voraussetzungen der Initiative zur Flankierung des
Strukturwandels, und wie haben sich die Maßnahmen der be-
ruflichen Weiterbildung im Dritten Buch Sozialgesetzbuch,
SGB III, gegenüber dem Vorjahr entwickelt, nach Teilnehmer-
zahlen und Ausgaben absolut wie relativ?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718317000


Frau Kollegin Zimmermann, in dieser Frage sprechen
Sie das Programm in Bezug auf die Schlecker-Beschäf-
tigten an. Ich antworte Ihnen wie folgt, wobei ich mich
zum Teil wiederhole:

Ziel der Initiative zur Flankierung des Strukturwan-
dels – IFlaS – der Bundesagentur für Arbeit ist es unter
anderem, durch berufliche Weiterbildungsförderung Ar-
beitslosen bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohten Ge-
ringqualifizierten den Erwerb anerkannter Berufsab-
schlüsse bzw. Teilqualifikationen zu ermöglichen.

Von den insgesamt seit Beginn der Schlecker-Insol-
venz arbeitsuchend oder arbeitslos gemeldeten Schle-
cker-Beschäftigten haben nach Angaben der Bundes-
agentur für Arbeit 35,4 Prozent keine abgeschlossene
Berufsausbildung und erfüllen damit grundsätzlich die
Fördervoraussetzungen für IFlaS. Hinzu kommen dieje-
nigen Beschäftigten bei Schlecker, die zwar über einen
Berufsabschluss verfügen, aber mehr als vier Jahre in
an- oder ungelernter Tätigkeit gearbeitet haben. Zu die-
sem ebenfalls grundsätzlich förderberechtigten Perso-
nenkreis liegen keine Zahlenangaben vor.

Nach den statistischen Daten der Bundesagentur für
Arbeit sind bis Ende Mai dieses Jahres im Rechtskreis
des SGB III rund 50 000 Personen in eine geförderte be-
rufliche Weiterbildung eingetreten. Das sind rund
25 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Gemäß den statistischen Daten der Bundesagentur für
Arbeit wurden von Januar bis Mai 2012 rund 680 Millio-
nen Euro für die Förderung der beruflichen Weiterbil-
dung im Rechtskreis des SGB III verausgabt. Das sind
rund 17 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In
diesem Vorjahreszeitraum, von Januar bis Mai 2011, be-
trugen die entsprechenden Ausgaben rund 820 Millionen
Euro.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317100

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317200

Insgesamt kann man feststellen, dass wir gegenüber

dem letzten Jahr bei den Maßnahmen zur beruflichen
Umschulung einen Rückgang von 30 Prozent haben. Da
stellt sich mir schon die Frage, ob es angesichts des
Sparkurses der Bundesregierung, der dazu geführt hat,
dass es bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zu
enormen Einsparungen kommt, im Moment überhaupt
richtig möglich ist, eine Vollzeitumschulung anzubieten.
Sind Sie der Meinung, dass es möglich ist, diese Um-





Sabine Zimmermann


(A) (C)



(D)(B)


schulung über die einzelnen Programme für mehrere
Tausend Euro zu finanzieren? Stellt sich nicht auch Ih-
nen die Frage, woher das ganze Geld kommen soll?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718317300


Frau Kollegin, der aktuelle Rückgang der Zahl der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Maßnahmen
zur Förderung der beruflichen Weiterbildung trägt insbe-
sondere der deutlich verbesserten Arbeitsmarktlage und
dem Auslaufen krisenbedingter Sonderregelungen Rech-
nung. Das heißt, der Umstand, dass wir eine Rekordbe-
schäftigung haben, dass die Arbeitslosigkeit so niedrig
ist wie seit rund zwei Jahrzehnten nicht mehr, schlägt
sich natürlich auch darin nieder, dass weniger Menschen
solche Maßnahmen brauchen. Für diejenigen, die sie
brauchen, steht in ausreichendem Maße Geld zur Verfü-
gung.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317400

Ihre zweite Nachfrage.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317500

Sie haben uns heute die Zahlen genannt, nach denen

wir im Einzelhandelsbereich 27 000 offene Stellen und
rund 300 000 arbeitslose Menschen haben. Da ist die
Marktlage aus meiner Sicht eigentlich relativ schwierig:
Das Verhältnis zwischen offenen Stellen und arbeitslo-
sen Menschen liegt ungefähr bei 1 : 10 oder 1 : 12. Da
stellt sich mir schon die Frage: Haben die Kolleginnen
und Kollegen, die schon von der ersten Entlassungswelle
betroffen waren, dieselbe Chance, zum Beispiel in das
IFlaS-Programm zu kommen? Kann man angesichts der
zweiten Entlassungswelle, die jetzt ansteht, und der so-
genannten dritten Entlassungswelle, die bei Ihr Platz los-
getreten werden soll, davon ausgehen, dass alle Beschäf-
tigten die gleichen Chancen haben?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718317600


Frau Kollegin, das IFlaS-Programm ist an die Krite-
rien gebunden, die ich Ihnen genannt habe: Da geht es
um Menschen, die keine abgeschlossene Berufsausbil-
dung haben, oder um Menschen mit einer abgeschlosse-
nen Berufsausbildung, die seit mehr als vier Jahren nicht
mehr im Beruf tätig gewesen sind. Auf sie ist das Pro-
gramm IFlaS zugeschnitten, für das im nächsten Jahr
300 Millionen Euro vorgesehen sind. Ich habe Ihnen
heute Morgen in der Ausschusssitzung berichtet, dass
davon bisher weniger als 1 Million Euro – 1 von
300 Millionen Euro – für andere Zwecke gebunden sind.
Ich wiederhole deswegen gerne so oft, wie Sie danach
fragen, dass hier für die verschiedenen Gruppen in den
verschiedenen Programmen ausreichend Mittel zur Ver-
fügung stehen.

Die 27 000 Stellen, die ich Ihnen heute Morgen ge-
nannt habe, sind die bei der BA bekannten offenen Stel-
len im Einzelhandel. Ich kann Ihnen die Zahl der offenen
Stellen nennen, die im Mai bundesweit bei der Bundes-
agentur für Arbeit gemeldet waren: 499 217. Geschätzt
wird, dass es, wie gesagt, im ungeförderten ersten Ar-

beitsmarkt ungefähr doppelt so viele offene Stellen gibt,
das heißt rund 1 Million Stellen im ersten Arbeitsmarkt,
die auch den rund 30 000 Menschen zur Verfügung ste-
hen, die bedauerlicherweise von der Schlecker-Pleite be-
troffen sind. Deswegen haben wir dieses umfangreiche
arbeitsmarktpolitische Instrumentarium: um eine Zahl
von Menschen bundesweit für die vorhandenen Arbeits-
plätze zu qualifizieren, um sie dafür fit zu machen, in
dem Umfang, der jeweils notwendig ist. IFlaS ist da eine
Maßnahme unter sehr vielen, für ganz bestimmte Perso-
nengruppen. Für sie steht genauso in ausreichendem
Maße Geld zur Verfügung wie für andere.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317700

Danke, Herr Staatssekretär. – Die Fragen 26 und 27

der Kollegin Brigitte Pothmer werden schriftlich beant-
wortet.

Bevor wir fortfahren, halten wir für das Protokoll fest,
dass die Fragen 10 und 11 der Kollegin Andrea Wicklein
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Fi-
nanzen schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Jutta Krellmann auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für die

Schlecker-Beschäftigten einen Sozialfonds bei der Bundes-
agentur für Arbeit einzurichten, um Zeit dafür zu gewinnen,
vielleicht doch Investoren für einzelne Teile von Schlecker zu
finden, vor dem Hintergrund, dass bei Schlecker wegen der
Rechtsform des Einzelkaufmanns und der damit verbundenen
fehlenden umfassenden Bilanzierungspflicht das Insolvenz-
geld nicht zweckgerecht zur Überbrückung der Zeit der Inves-
torensuche genutzt werden konnte, und prüft die Bundesregie-
rung unabhängig davon die Bildung einer Transfergesellschaft
für die von der zweiten Kündigungswelle betroffenen
Schlecker-Beschäftigten?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718317800


Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. – Die Bun-
desregierung kann bei der Bundesagentur für Arbeit kei-
nen Sozialfonds einrichten; hierzu fehlt es unter anderem
an den maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Unabhängig
davon ist ein solcher Sozialfonds auch nicht erforderlich.
Nachdem der Gläubigerausschuss am 1. Juni 2012 die
Liquidation der Firma Anton Schlecker e. K. beschlos-
sen hat, hat Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
am 7. Juni 2012 ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der
Gewerkschaft Verdi, Herrn Frank Bsirske, und dem Vor-
sitzenden des Vorstands der BA, Herrn Frank-Jürgen
Weise, geführt. Ergebnis des Gesprächs ist, dass die BA
die Beschäftigten von Schlecker mit dem gesamten zur
Verfügung stehenden Instrumentarium der aktiven Ar-
beitsmarktpolitik unterstützen wird. Dies ist ihr Kernge-
schäft, wie ich ausdrücklich betonen möchte. Für die Be-
troffenen kommen beispielsweise die Erprobung bei
einem neuen Arbeitgeber mit dem Ziel des Übergangs in
ein neues Arbeitsverhältnis, die Unterstützung und Qua-
lifizierung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz,
etwa in Form von Bewerbungstraining und Coaching,
sowie Anpassungsqualifizierungen in Betracht. Die BA
kann im Rahmen der schon genannten Initiative zur
Flankierung des Strukturwandels zudem Umschulungen





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) (C)



(D)(B)


zum Erwerb eines neuen Berufsabschlusses fördern,
falls im erlernten Beruf keine Vermittlungschancen mehr
bestehen. Für sämtliche Maßnahmen stehen im Haushalt
der BA finanzielle Mittel in ausreichendem Umfang be-
reit.

Die Voraussetzungen für die Prüfung der Einrichtung
einer Transfergesellschaft für die jetzt von Kündigung
bedrohten Schlecker-Beschäftigten liegen derzeit nicht
vor. Bereits im Rahmen der Kündigung von rund
11 000 Schlecker-Beschäftigten im März dieses Jahres
hat die Bundesregierung angeboten, technische Hilfe-
stellung durch die Anweisung eines KfW-Kredits zu
leisten. Voraussetzung dafür wäre allerdings gewesen,
dass die Länder die Bürgschaft für den KfW-Kredit
übernommen hätten; denn zum Umgang mit Finanzie-
rungsanfragen von Unternehmen in Schwierigkeiten gibt
es klare Absprachen und eine in der Vergangenheit re-
gelmäßig geübte Praxis zwischen Bund und Ländern.
Danach ist das Land, in dem das Unternehmen seinen
Sitz hat, Ansprechpartner in Finanzierungsfragen und
Koordinator zwischen den betroffenen Ländern. Hilfe
durch den Bund kommt hingegen nur dann in Betracht,
wenn die Bundesländer finanziell überfordert sind.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718317900

Sie haben das Wort zur Nachfrage.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318000

Vielen Dank. – Sie haben eben die Gewerkschaft

Verdi genannt. Wie steht die Bundesregierung dazu, dass
nach Angaben der Gewerkschaft Verdi viele Schlecker-
Frauen nach der ersten Kündigungswelle lediglich in un-
bezahlte Praktika oder Urlaubsvertretungen vermittelt
wurden?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718318100


Frau Kollegin, die entsprechenden Hinweise des Vor-
sitzenden der Gewerkschaft Verdi, Herrn Bsirske, sind
der Bundesregierung bekannt. Ich kann die einzelnen
Fälle so nicht nachvollziehen. Ich habe eben das arbeits-
marktpolitische Instrumentarium beschrieben. Ich will
an dieser Stelle noch einmal betonen: Wir haben in
172 Arbeitsagenturen mit 600 Geschäftsstellen bundes-
weit hochqualifizierte und hochmotivierte Menschen,
die sich darum bemühen, die von Arbeitslosigkeit be-
troffenen bzw. bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter von Schlecker mit dem dafür vorgesehenen Instru-
mentarium wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318200

Ihre zweite Nachfrage.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318300

Meine zweite Nachfrage passt sehr gut zu dem, was

Sie eben gesagt haben. Die Chefin der Bundesagentur
für Arbeit in Baden-Württemberg, Eva Strobl, wies da-
rauf hin, dass die guten Verdienstmöglichkeiten bei
Schlecker ein Vermittlungshemmnis darstellen; denn
Schlecker hat seinen Verkäuferinnen zwischen 10 und

14 Euro pro Stunde gezahlt, viele andere Unternehmen
zahlen lediglich 9 bis 10 Euro. Die Frage ist: Wie ist die
Position der Bundesregierung zu diesem Vermittlungs-
hemmnis?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718318400


Die Bundesregierung betrachtet eine bestimmte
Lohnhöhe nicht als Vermittlungshemmnis. Die Bundes-
regierung stellt finanziell und instrumentell ausreichend
Mittel zur Verfügung, damit jedem Arbeitslosen und je-
dem von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen – die
alle ein unterschiedliches Schicksal, verschiedene Quali-
fikationen und bestimmte Vorzüge und Defizite haben –
individuell geholfen werden kann, wieder in Arbeit zu
kommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318500

Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Jutta Krellmann

auf:
Inwiefern kann der EU-Globalisierungsfonds zur Unter-

stützung der Schlecker-Beschäftigten genutzt werden, und
welche Initiativen plant die Bundesregierung zur Unterstüt-
zung der Schlecker-Beschäftigten über die angekündigten
obligatorischen Aktivitäten der Bundesagentur für Arbeit
hinaus?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718318600


Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. – Der Euro-
päische Globalisierungsfonds, EGF, kann zur Unterstüt-
zung der Schlecker-Beschäftigten leider nicht eingesetzt
werden. Der EGF wurde im Jahr 2007 eingerichtet, um
Entlassungen, die auf Verschiebungen im Welthandels-
gefüge zulasten der EU beruhen, sozial abzufedern und
dadurch die Solidarität der EU mit den betroffenen Per-
sonen sichtbar zu machen.

Voraussetzung für einen Finanzbeitrag des EGF ist,
dass die Entlassungen im Zusammenhang stehen mit
weitgehenden strukturellen Veränderungen im Welthan-
delsgefüge, die zu einer schwerwiegenden Störung des
Wirtschaftsgeschehens führen, insbesondere zu einem
substanziellen Anstieg der Importe in die EU, zu einem
raschen Rückgang des Marktanteils der EU in einem be-
stimmten Sektor und/oder zu einer Standortverlagerung
in Drittländer außerhalb der EU. Die Entlassungen
müssen darüber hinaus unvorhersehbar gewesen sein.
Reiner Strukturwandel soll und kann mit dem EGF nicht
gefördert werden. Bei einer EGF-Antragstellung ist ge-
genüber der EU-Kommission die Erfüllung dieser Inter-
ventionsvoraussetzungen anhand von statistischem
Daten- und Informationsmaterial zu belegen.

Die Anton Schlecker e. K. ist im Einzelhandel tätig.
Der Einzelhandel besitzt keine derart global einfluss-
reiche Stellung, aufgrund derer die Schlecker-Entlas-
sungen auf die internationale Konkurrenzsituation zu-
rückgeführt werden könnten. Damit kommt ein Einsatz
des EGF anders als beispielsweise bei den deutschen
EGF-Fällen BenQ, Nokia, in der Automobilzuliefer-





Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe


(A) (C)



(D)(B)


industrie oder bei der Heidelberger Druckmaschinen AG
nicht infrage.

Im Übrigen steht sowohl im Bereich der aktiven Ar-
beitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch
als auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ein
flexibler Instrumentenkasten zur Verfügung, um die
Schlecker-Beschäftigten zu unterstützen. Die mit der
Frage zum Ausdruck gebrachte Auffassung, die soge-
nannten obligatorischen Instrumente seien unzurei-
chend, teilt die Bundesregierung ausdrücklich nicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318700

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718318800

Im Grunde bringen die Fragen ja zum Ausdruck, dass

wir und viele andere sehr bemüht sind, die Beschäfti-
gung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu si-
chern und zu schützen, auch für die Zukunft. Wir wollen
Wege finden, um das zu ermöglichen. Daraus ergibt sich
meine Frage:

Im Zusammenhang mit der Insolvenz von Schlecker
wurde die Idee formuliert, Unternehmensteile herauszu-
lösen und dafür andere Unternehmensformen zu finden.
Zum Beispiel wurde vorgeschlagen, den Betrieb als Ge-
nossenschaft weiterzuführen. Welche Position hat die
Bundesregierung dazu?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718318900


Die Bundesregierung hat keine Kompetenz, solche
Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung konzen-
triert sich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit
darauf, die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen
mit den bereits skizzierten bzw. im Detail diskutierten In-
strumenten wieder in Beschäftigung zu bringen.

Ich will an dieser Stelle wiederholen, was Ihnen aus
der Ausschusssitzung bekannt ist: Von denjenigen, die
im Rahmen der sogenannten ersten Welle entlassen wor-
den sind und sich an die Bundesagentur für Arbeit ge-
wandt haben, ist mehr als die Hälfte wieder aus der
Arbeitslosigkeit abgemeldet. Sie sind beispielsweise in
Beschäftigung gekommen oder in eine Maßnahme ver-
mittelt worden. Bisher konnte also mehr als der Hälfte
der in diesem Zusammenhang arbeitslos gewordenen
Menschen geholfen werden. Das heißt, wir haben nicht
nur das Geld auf dem Konto und die Instrumente auf
dem Papier, sondern wir helfen auch erfolgreich, um
Menschen wieder in Arbeit zu bringen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718319000

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Jutta Krellmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718319100

Ich fürchte, Sie haben meine Frage nicht verstanden

oder ich habe sie nicht gut genug formuliert. Sie haben
sich auf den Lösungsvorschlag bezogen. Ich habe aber
nach Hilfestellungen gefragt. Sieht die Bundesregierung

Möglichkeiten, Hilfestellungen zu geben, damit die Idee,
eine Genossenschaft zu gründen, realisiert werden kann?

D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1718319200


Frau Kollegin, die Bundesregierung und die Bundes-
agentur für Arbeit und alle anderen damit befassten
Stellen leisten selbstverständlich Hilfe auf Basis der
Rechtslage, die wir in Deutschland haben. Die Rechts-
lage bilden im Wesentlichen die einschlägigen Gesetze
und die darin benannten arbeitsmarktpolitischen Instru-
mente. Den von Ihnen genannten Vorschlag kann die
Bundesregierung nicht beurteilen, jedenfalls nicht so
spontan.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718319300

Danke, Herr Staatssekretär. – Wir sind damit am Ende

des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Ar-
beit und Soziales und kommen zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser
zur Verfügung. Die Fragen 30 und 31 der Kollegin
Dr. Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Harald Ebner auf:
Mit welcher Begründung und aufgrund welcher Annah-

men bzw. Risikoabwägungen insbesondere bezüglich einer
möglichen Weiterverbreitung der gentechnisch veränderten
Bakterien bzw. Übertragung der Erregergene auf andere Bak-
terien durch horizontalen Gentransfer hat die Bundesregie-
rung dem Freisetzungsversuch mit einem gentechnisch verän-
derten Lebendimpfstoff gegen den Erreger Rhodococcus equi
in Mecklenburg-Vorpommern zugestimmt, der eine nur sel-
tene Form der Lungenentzündung bei Pferdefohlen auslösen
kann?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718319400


Sehr verehrter Herr Kollege Ebner, zuständig für die
Entscheidung über den Antrag der niederländischen
Firma Intervet International auf Genehmigung der Frei-
setzung des gentechnisch veränderten Bakterienstammes
Rhodococcus equi RG 2837 ist das Bundesamt für Ver-
braucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL.

Bei dem Bakterienstamm handelt es sich um einen
bakteriellen Lebendimpfstoff, der im Rahmen eines
Freisetzungsversuches Pferdefohlen verabreicht werden
soll, um diese aktiv gegen pathogene Rhodococcus-equi-
Stämme, die bei Fohlen Lungenentzündung auslösen
können, zu immunisieren.

Das BVL kommt in seiner Sicherheitsbewertung zu
dem Schluss, dass von den Freisetzungsversuchen keine
gentechnisch-spezifischen schädlichen Einflüsse auf
Menschen und Tiere sowie auf die Umwelt zu erwarten
sind.

Nach Auffassung der Bundesregierung besteht keine
Veranlassung, die Einschätzung und Entscheidung des





Parl. Staatssekretär Peter Bleser


(A) (C)



(D)(B)


BVL über die Genehmigung der Freisetzung im Wege
der Fachaufsicht zu beanstanden.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Im Jahr
2011 hat die Firma Intervet bereits einen Freisetzungs-
versuch mit dem Impfstamm in den Niederlanden durch-
geführt. Im Rahmen dieses Versuches wurden keine
impfstoffspezifischen Besonderheiten festgestellt. Vor-
sorglich hat das BVL strenge Auflagen angeordnet, um
die Freisetzung zu begrenzen und damit zu verhindern,
dass sich größere Mengen der gentechnisch veränderten
Bakterien außerhalb des Stallgebäudes in der Umwelt
etablieren.

Die Markteinführung eines wirksamen Impfstoffes
würde dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika in der
Tierhaltung zu vermindern und somit auch der Entste-
hung von Antibiotikaresistenzen, in diesem Fall bei
Pferden, vorzubeugen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718319500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718319600

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Was den Versuch

in den Niederlanden angeht, war ich etwas anders infor-
miert. Meines Wissens wurde dieser Versuch abge-
brochen.

Ich möchte aber nachfragen, woraus sich denn der
konkrete Bedarf für solche Experimente ergibt. Schließ-
lich sind Freisetzungsversuche immer mit Risiken ver-
bunden, weil wir nicht wirklich in die Zukunft gucken
können. Das zeigen auch die Sicherheitsauflagen, die
das BVL hier vorsieht. Woraus ergibt sich also der kon-
krete Bedarf vor dem Hintergrund, dass eine Mehrheit
der Tiermediziner der Meinung ist, dass Rhodococcus-
Infektionen bei Fohlen im Zusammenhang mit nicht art-
gerechter oder zu groß dimensionierter Pferdehaltung
auftreten und dass sich in zahlreichen Studien eine Imp-
fung gegen diesen Erreger als wirkungslos erwiesen hat?

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718319700


Herr Kollege Ebner, der Bedarf ist von mir bereits ge-
schildert worden. Wenn man damit Krankheiten bei
Tieren durch Impfung vermeiden kann, ist das sicher
schon eine Rechtfertigung an sich. Ansonsten werden
die Versuche ja erst durchgeführt. Erst danach wird die
Entscheidung zu treffen sein, ob eine Zulassung ausge-
sprochen werden kann oder nicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718319800

Ihre zweite Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718319900

Dann muss ich noch nachfragen, inwieweit denn die

Bundesregierung die Risiken der geplanten Freisetzung
des Lebendimpfstoffs vor dem Hintergrund für verant-
wortbar hält, dass die Annahme der Sicherheit dieses
Impfstoffs für andere Säugetiere und Hühner allein auf

Zellkulturversuchen beruht, dass eine Überwachung des
Umweltverhaltens des gentechnisch veränderten Erre-
gers gar nicht geplant ist – bislang liegen meines
Wissens auch keinerlei Erfahrungen mit solchen Fällen
oder etwa ein Monitoring vor – und dass die möglichen
Gefahren für Menschen weder gezielt untersucht wurden
noch in Zukunft solche Untersuchungen vor Beginn ei-
nes Versuchs überhaupt geplant sind.

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718320000


Herr Kollege Ebner, aus genau diesem Grund hat das
BVL besondere Auflagen erlassen, die bei der Durch-
führung dieser Versuche zu beachten sind. Ich werde Ih-
nen diese kurz vortragen: Die Pferde sind für die Dauer
des Freisetzungsversuches ausschließlich in einem Stall-
gebäude zu halten, welches an drei Seiten mit festen
Wänden und an der vierten Seite mit einem Gatter zu
versehen ist. Solange am Versuch teilnehmende Pferde
am Ort der Freisetzung gehalten werden, sind die Stall-
gebäude und deren unmittelbare Umgebung täglich zu
kontrollieren; Stroh, Einstreu und Mist aus dem Stall
sind zu verbrennen. Nachdem alle Studienpferde den
Freisetzungsstandort verlassen haben, werden einmal im
Jahr der Stall und die gesamte Bodenfläche in und vor
dem Stall sowie sämtliche verwendete Gerätschaften mit
einem geeigneten Desinfektionsmittel desinfiziert. Die
Pferde sollen frühestens sechs Wochen nach der letzten
Impfung auf das Hauptgestüt zurückgebracht werden. Es
dürfen nur Tiere, die den gentechnisch veränderten
Impfstamm nachweislich nicht ausscheiden, zum Haupt-
gestüt transportiert werden. Das sind die Auflagen, die
das BVL zusätzlich erlassen hat, um auch diese Beden-
ken auszuräumen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718320100

Wir kommen damit zur Frage 33 des Kollegen Ebner:

Wie bewertet die Bundesregierung das Schreiben zahlrei-
cher Abgeordneter aller Fraktionen des Europäischen Parla-
ments vom 9. Januar 2012 zum Entwurf neuer Richtlinien für
die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organis-
men, GVO, in der EU, das auch an die Vertreter der Bundes-
regierung bei der EU und im Ständigen Ausschuss für die
Lebensmittelkette und Tiergesundheit, StALuT, gerichtet war
und in dem grundsätzliche Bedenken gegen das Konzept der
„vergleichenden Risikobewertung“ und gegen unzureichende
Fütterungsversuche mit GVO geäußert werden, und warum
hat die Bundesregierung dieses Schreiben bis heute nicht be-
antwortet?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718320200


Herr Kollege Ebner, der Bundesregierung ist das
Schreiben von 16 Abgeordneten des Europäischen Par-
laments vom 9. Januar 2012 zum Entwurf einer Kom-
missionsverordnung mit Durchführungsvorschriften für
Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten
Lebens- und Futtermitteln bekannt. Die Auffassung der
Abgeordneten wird in die regierungsinterne Beratung
zur Festlegung einer Position der Bundesregierung ein-





Parl. Staatssekretär Peter Bleser


(A) (C)



(D)(B)


bezogen. Bisher hat die Bundesregierung ihre Position
zu dem Entwurf, der wiederholt geändert wurde, noch
nicht abschließend festgelegt. Das habe ich hier schon
mehrfach dargelegt. Die bisherigen Beratungen im
StALuT haben deutlich gemacht, dass ein erhebliches
Abweichen von den derzeitigen Leitlinien der Europäi-
schen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA,
schwierig ist, zumal sich die Kommission bei ihrem Ent-
wurf an diesen Leitlinien orientiert.

Bei den Beratungen über Art und Umfang von Fütte-
rungsversuchen ist zudem zu berücksichtigen, dass auch
Tierschutzaspekte eine Rolle spielen. Das geltende EU-
Recht schreibt für Tierversuche die konsequente Umset-
zung des 3-R-Prinzips – auf Deutsch: Vermeiden, Ver-
ringern und Verbessern – vor. Demnach sind Tierversu-
che, wo immer möglich, zu vermeiden. Ich denke, da
stimmen wir überein.

Das Schreiben der Abgeordneten ist an den Herrn
Kommissar John Dalli sowie an die dänische Umweltmi-
nisterin Frau Ida Auken und die dänische Landwirt-
schaftsministerin Frau Mette Gjerskov als Vertreter der
EU-Ratspräsidentschaft gerichtet. Die Ständige Vertre-
tung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäi-
schen Union und die Vertreter der Bundesregierung im
Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tier-
gesundheit, StALuT, haben dieses Schreiben nachricht-
lich erhalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718320300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718320400

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – In den parlamenta-

rischen Debatten über GVO betont die Bundesregierung
immer wieder die Bedeutung wissenschaftsbasierter Be-
wertungen. Inwiefern wird sich die Bundesregierung auf
europäischer und auf nationaler Ebene jetzt dafür einset-
zen, dass wissenschaftlich längst überholte Konzepte,
zum Beispiel die von den Abgeordneten des Europäi-
schen Parlaments angesprochene vergleichende Risiko-
bewertung, oder gar wissenschaftlich unzulässige Ver-
fahren, zum Beispiel Fütterungsversuche auf einer
statistisch nicht sauber auswertbaren Basis, durch seri-
öse Risikobewertungen abgelöst werden, die zudem von
Experten vorgenommen werden, die nicht durch direkte
und indirekte Verflechtungen mit den Antragstellern ein-
seitig vorbelastet sind?

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718320500


Sehr geehrter Kollege Ebner, die Bundesregierung
stützt sich hier auf die dafür zuständigen Stellen, die
dafür befugten Bewertungseinrichtungen sowohl auf
europäischer als auch auf nationaler Ebene.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718320600

Ihre zweite Nachfrage.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718320700

Danke schön. – Es stellt sich ja genau die Frage,

inwieweit die zuständigen Stellen durch die Verflechtun-
gen in ihrer Objektivität eingeschränkt sind.

Es gibt einen Beschluss des EU-Umweltministerrates
vom Dezember 2008, in dem sich die Umweltminister
für verbesserte Standards und Vorgaben für das Zulas-
sungsverfahren für GVO unter anderem unter umfassen-
der Berücksichtigung von ökologischen und sozioöko-
nomischen Auswirkungen des Anbaus von gentechnisch
veränderten Organismen – da sind wir auch wieder beim
Impfstoff – aussprechen. Wird die Bundesregierung ent-
sprechend dieses Beschlusses konkrete Initiativen auf
EU-Ebene einbringen, und, wenn nein, warum nicht?

Pe
Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1718320800


Herr Kollege Ebner, die Bundesregierung hat noch
keine abschließende Position zu den Vorschlägen der
Kommission eingenommen. Dies wird erst dann gesche-
hen, wenn ein entsprechender Vorschlag auf dem Tisch
liegt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ökologi-
sche und sozioökonomische Auswirkungen im Rahmen
einer wissenschaftlichen Bewertung betrachtet werden
können.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718320900

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.

Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär
Christian Schmidt zur Verfügung.

Wir kommen zu Frage 34 der Kollegin Ulla Jelpke.
Die Kollegin ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Dağdelen, die
Frage 37 der Kollegin Keul und die Fragen 38 und 39
der Kollegin Agnes Brugger werden schriftlich beant-
wortet.

Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Omid Nouripour
auf:

In wie vielen Fällen ist es bei der Bundeswehr seit 2001 zu
Suizidversuchen gekommen, bei denen im Vorfeld eine Mala-
ria-Chemoprophylaxe mit dem Medikament Lariam – Meflo-
quin – erfolgte, und welche Schlüsse zieht das Bundesminis-
terium der Verteidigung aus der Tatsache, dass unter anderem
Professor August Stich von der Deutschen Gesellschaft für
Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. V., DTG, in

(vergleiche www.rbb-online.de/kontraste/ archiv/kontraste_vom_03_05/riskante_malaria_prophylaxe.html)

erklärte, dass die Chemoprophylaxe für Soldatinnen und Sol-
daten der Bundeswehr in Afghanistan unter Rückgriff auf das
Medikament Lariam – Mefloquin – nicht den Empfehlungen
der DTG entspräche?

Bitte, Herr Staatssekretär.






(A) (C)



(D)(B)


C
Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1718321000


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege
Nouripour, Ihre Frage kann ich wie folgt beantworten:
Die Zahl der Suizidversuche in der Bundeswehr seit
2001, bei denen im Vorfeld eine solche Prophylaxe er-
folgte, wurde beim Bundesministerium der Verteidigung
nicht statistisch erfasst. Solch eine Statistik wird derzeit
nicht geführt. Es liegen auch keine Berichte vor, die ei-
nen kausalen Zusammenhang zwischen Fällen von Sui-
zid bzw. zwischen Suizidversuchen deutscher Soldatin-
nen und Soldaten und einer Medikation mit Lariam
belegen oder nach denen auch nur ein vager Verdacht in
dieser Richtung im Raum steht.

Eine valide Beantwortung Ihrer Frage würde es not-
wendig machen, im Rückblick und im Längsschnitt die
Zahl aller in der Bundeswehr dokumentierten Suizidver-
suche daraufhin zu untersuchen, ob im Vorfeld einer
Dienstreise oder eines Einsatzes eine Malariaprophylaxe
erfolgt ist. Dies wäre methodisch und zeitlich sehr auf-
wendig. Eine valide Beantwortung Ihrer Frage vom
8. Juni 2012 kann daher nicht fristgerecht erfolgen.

Die Zahl der Selbsttötungen von Soldaten und Solda-
tinnen, die sich auf dem Balkan im Einsatz befanden, be-
trägt nach unserer Kenntnis gegenwärtig 13. Im Kosovo
war eine saisonale Malaria-Chemoprophylaxe der einge-
setzten Kräfte nicht erforderlich. Die Zahl der Selbsttö-
tungen von Soldaten und Soldatinnen, die sich auf dem
Balkan im Einsatz befanden, ist bislang allerdings deut-
lich höher als die Zahl der Selbsttötungen von Soldaten
und Soldatinnen, die sich in Afghanistan und in Afrika
im Einsatz befinden. Bei diesen Soldaten kam es in drei
Fällen zu einer Selbsttötung.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718321100

Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Nouripour.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718321200

Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für Ihre Ant-

wort. – Ich glaube, zumindest einen Bericht kann ich Ih-
nen nach dieser Diskussion zur Verfügung stellen.

Meine Frage hatte noch einen zweiten Teil. Er bezieht
sich auf die Einschätzung von Professor August Stich
von der DTG und die Einnahme von Lariam als Prophy-
laxe. Könnten Sie auch diesen Teil meiner Frage beant-
worten?

C
Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1718321300


Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, ist darauf
hinzuweisen, dass die in der Medienberichterstattung
wiedergegebene Auffassung von Professor Stich, der
Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tro-
penmedizin und Internationale Gesundheit ist, als eine
wissenschaftliche Einzelmeinung zu qualifizieren ist,
diese jedoch nicht den Standpunkt der Gesellschaft zur
Malaria-Chemoprophylaxe darstellt. Dessen haben wir
uns beim Vorsitzenden der Gesellschaft versichert.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718321400

Herr Nouripour, Sie haben noch eine Nachfrage.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718321500

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Dann trage

ich Ihnen einmal die offizielle Darstellung der Gesell-
schaft vor: Reisende mit Aktivitäten, die eine ungestörte
Aufmerksamkeit, räumliche Orientierung und Feinmoto-
rik erfordern, sollten möglichst kein Lariam einnehmen. –
Dies gilt auch im Hinblick auf die Einschätzung der
amerikanischen Partner und deren Umgang mit ihren
Soldaten. Das gilt auch für die Niederlande und Norwe-
gen, die ihre Praxis mittlerweile verändert haben und
kein Lariam mehr als Prophylaxe verabreichen, was im
Gegensatz zu Ihrem Bericht steht, der mir vorliegt.

Es gibt einen Informationsbogen für die Soldatinnen
und Soldaten, die diesen unterschreiben und damit bestä-
tigen, dass sie die Risiken und Nebenwirkungen zur
Kenntnis genommen haben. In diesem Informations-
bogen fehlen aber just die psychischen Nebenwirkun-
gen, von denen man in der Packungsbeilage lesen kann:
langandauernde neuropsychische Störungen, Suizidali-
tät, Stimmungsschwankungen, Panikattacken, Vergess-
lichkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, usw. Die Frage,
die sich mir stellt, ist: Warum?

C
Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1718321600


Herr Kollege, gestatten Sie mir zunächst, dass ich er-
gänzend darauf verweise, dass Sie am 25. Mai 2012 im
Verteidigungsausschuss eine schriftliche Anfrage an un-
ser Haus gerichtet und einen Bericht hierzu angefordert
haben. Ich will der guten Ordnung halber nur darauf hin-
weisen, dass der zwölfseitige Bericht zu Detailfragen,
die Sie gestellt haben, gestern vom Kollegen Kossendey
der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses zugelei-
tet worden ist. Ich weiß nicht, ob dieser heute bereits
weitergeleitet werden konnte. Soweit ich weiß, war dies
auch im Verteidigungsausschuss ein Thema auf der Ta-
gesordnung.

Es bleibt natürlich richtig – ich sage das nicht aus me-
dizinischer, sondern aus allgemeiner Kenntnis heraus –,
dass vor der Einnahme von Lariam, die Nebenwirkun-
gen mit sich bringen kann, das Risiko gegen den Nutzen
abgewogen werden muss. Jeder, der solch eine Prophy-
laxe mit Lariam schon einmal hinter sich gebracht hat
– als Soldat oder Zivilperson –, kann möglicherweise
von Übelkeit und anderen Dingen berichten. Die Ein-
nahme darf natürlich nur sehr zurückhaltend und immer
erst nach Abwägung der Notwendigkeit erfolgen. Des-
halb ist bei kurzfristigen Aufenthalten solch eine Pro-
phylaxe auch gar nicht mehr indiziert.

Das heißt nicht unbedingt, dass daraus ein Suizid-
risiko entsteht. Sie hatten ja nach dem Suizidrisiko ge-
fragt. Die Amerikaner verwenden nur noch teilweise La-
riam. Das hat sicherlich auch sehr mit der speziellen
juristischen Situation dort zu tun. Dort ist berichtet wor-
den, dass diese Untersuchungen, soweit wir das wissen,
zu keiner wissenschaftlichen Erhärtung eines höheren
Suizidrisikos geführt haben. Ganz im Gegenteil – ich





Parl. Staatssekretär Christian Schmidt


(A) (C)



(D)(B)


muss hier vorsichtig sein –: In den Streitkräften der
USA, die seit 2009 Lariam nicht mehr regelhaft als Pro-
phylaxe verwenden, ist es nicht zu einer Abnahme, son-
dern bedauerlicherweise zu einem Anstieg der Zahl an
Selbsttötungen gekommen.

Ich will das nicht korrelieren, weil die Ursachen hier-
für woanders liegen mögen, aber das mag darauf hinwei-
sen, dass die Position, die Professor Stich hier vertritt, si-
cherlich betrachtet werden muss. Eine Evidenz ist bisher
aber nicht vorhanden.

Es versteht sich von selbst, dass wir diesen Hinweisen
natürlich trotzdem intensiv nachgehen werden, weil uns
nichts ferner liegt, als die Soldaten einem zusätzlichen
Risiko auszusetzen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718321700

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung beendet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Frage 41 des Kollegen Richard Pitterle wird
schriftlich beantwortet.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Gesundheit.

Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische
Staatssekretärin Ulrike Flach zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 42 unserer Kollegin Elisabeth
Scharfenberg:

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der breiten und übereinstimmenden Kritik von Expertinnen
und Experten und Verbänden an der vom Bundeskabinett am
6. Juni 2012 beschlossenen staatlichen Förderung für eine pri-
vate Pflegezusatzversicherung, etwa des Gesamtverbandes

(vergleiche die tageszeitung vom 7. Juni 2012, „,Pflege-Bahr‘ wird zerpflückt“)

so teuer werden könnten, dass „sich nur noch diejenigen ver-
sichern, bei denen ein hohes Risiko der Pflegebedürftigkeit“
vorliege, und es daher sehr zweifelhaft sei, ob „unter diesen
Voraussetzungen überhaupt ein Markt mit geförderten Vorsor-
geprodukten entstehen“ könne?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718321800


Ich antworte wie folgt: Die der von der Bundesregie-
rung geplanten staatlichen Förderung der Pflegevorsorge
entgegengebrachte Kritik ist keineswegs übereinstim-
mend, sondern in sich widersprüchlich. So wird der
Bundesregierung in dem angeführten Artikel aus der
tageszeitung einerseits vorgeworfen, sie betreibe Klientel-
politik zugunsten der Privatassekuranzen und ermögliche
Menschen mit kleineren Einkommen keine Förderung.
Andererseits wird Kritik aus der Versicherungswirtschaft
an den gesetzlich vorgesehenen Fördervoraussetzungen
zitiert. Letztere zielen ausdrücklich darauf, dass in Zu-
kunft, anders als derzeit meist der Fall, auch Personen
mit geringeren Einkommen und im mittleren oder höhe-

ren Alter eine Pflegezusatzversicherung abschließen
können.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718321900

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Es gibt aber auch
massive Kritik aus der privaten Versicherungsindustrie.
Danach habe sie unter anderem extreme Probleme mit
dem Kontrahierungszwang, was an sich total in Ordnung
und richtig ist. Aber dadurch muss die Versicherungs-
industrie anders kalkulieren. Das heißt, entweder werden
die Prämien höher oder die Ausschüttung wird später ge-
ringer sein. Können Sie mir noch einmal den Gewinn
dieser Zusatzversicherung darlegen, wenn am Ende ein
wirklich unattraktives Produkt herauskommt?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718322000


Frau Kollegin, Scharfenberg, wir gehen nicht von un-
attraktiven Produkten aus, sondern wir haben diese
Zuzahlungsregelung ganz bewusst gewählt, weil wir
wollen, dass Menschen mit kleineren und mittleren Ein-
kommen die Möglichkeit haben, eine zusätzliche Kapi-
talsäule neben der Pflegeversicherung, die jeder als
Teilversicherung hat, aus eigener Kraft aufzubauen. Das
heißt, wir halten es für dringend erforderlich, dass die
Versicherungswirtschaft Angebote entwickeln wird, die
dann natürlich für diesen Kreis attraktiv sind.

Hätten wir uns anders entschieden, wären wir zum
Beispiel zu einer steuerlichen Förderung übergegangen,
dann hätten wir genau den Kreis, den wir hier anspre-
chen wollen, nämlich die Bezieher kleiner und mittlerer
Einkommen, nicht erreicht, sondern nur die mit den hö-
heren Einkommen. Deswegen haben wir diesen Weg ge-
wählt. Wir glauben, dass wir damit die Menschen in die-
sem Lande unterstützen, die in Eigenverantwortung eine
Absicherung für den Pflegefall herbeiführen wollen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718322100

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Frau

Scharfenberg, Ihre zweite Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke schön. – Es gibt beim Abschluss dieser Versi-
cherung keine Risikoprüfung. Das heißt, es wird nicht
geschaut, wie krank oder gesund jemand ist oder wel-
ches Risiko er mitbringt. Aber es wird wohl eine Bei-
tragsstaffelung nach Alter geben. Das heißt, je älter man
ist und je größer natürlich das Pflegerisiko im Alter
wird, desto höher wird die Prämie sein, die man zu zah-
len hat. Im Grunde genommen ist das zwar keine Risiko-
prüfung, aber eine verdeckte Risikoverteilung.

Gehen Sie nicht davon aus, dass sich der junge und
gesunde Versicherungsnehmer erst einmal in der Pro-
duktpalette mit Risikoprüfung umschaut, um dann even-
tuell ein attraktiveres und günstigeres Produkt mit höhe-





Elisabeth Scharfenberg


(A) (C)



(D)(B)


rer Ausschüttung zu nehmen, während sich diejenigen,
die sich keiner Risikoprüfung unterziehen können oder
wollen, letztendlich bei den – ich sage es noch einmal –
unattraktiven Produkten landen werden?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718322200


Frau Kollegin Scharfenberg, es gibt hier zum ersten
Mal die Möglichkeit, dass jemand auf eine einfache und
unbürokratische Art und Weise eine private Zusatzversi-
cherung abschließen kann, auch wenn er kein hohes Ein-
kommen hat. Ich glaube, dass wir das mit dem Weg, den
wir beschritten haben, erreichen werden. Dass es ein Un-
terschied ist, ob jemand in meinem Alter eine Versiche-
rung abschließt, was dann zu einem höheren Beitrag füh-
ren wird, oder in ihrem noch jugendlicheren Alter, wird
jeder verstehen und für ziemlich normal halten. Das ist
so bei Versicherungsverträgen. Wir müssen uns die end-
gültige Ausgestaltung anschauen. Aber ich denke, das
wird ein attraktives Produkt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718322300

Vielen Dank. – Jetzt rufe ich die Frage 43 auf:

Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass angesichts der
Kosten für den Bundeshaushalt, die für die vom Bundeskabi-
nett am 6. Juni 2012 beschlossene staatliche Förderung für eine
private Pflegezusatzversicherung bei 15 Millionen förderungs-
fähigen Versicherungsverträgen in Höhe von circa 900 Millio-

(vergleiche Hamburger Abendblatt vom 7. Juni 2012, „Anbieter sehen,große Probleme’ bei privater Pflegeversicherung“)

die solidarische Pflegeversicherung zu investieren wären, um
dort allen Versicherten bzw. allen Pflegebedürftigen zur Verfü-
gung zu stehen?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718322400


Danke, Herr Präsident. – Wir beantworten die Frage
wie folgt: Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht.
Sie hat bereits am 28. März 2012 den Entwurf eines Ge-
setzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung be-
schlossen, der sich mittlerweile in der parlamentarischen
Beratung befindet. Der Entwurf richtet Leistungen der
Pflegeversicherung neu aus und verbessert deren Leis-
tungen insbesondere mit Blick auf an Demenz erkrankte
Menschen in erheblichem Umfang.

Unabhängig davon hält die Bundesregierung aber an
der Konzeption der gesetzlichen Pflegeversicherung als
Teilleistungssystem fest. Sie ist sich darin mit sämtli-
chen im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen
grundsätzlich einig. Denn es gibt keine Fraktion, die bis-
lang gefordert hat, im Rahmen der aktuellen Reform der
Pflegeversicherung die Leistungen so zu erhöhen, dass
sämtliche Pflegekosten getragen werden.

Insoweit sind die Bürger und Bürgerinnen darin zu
unterstützen, einen eigenen Beitrag zur Absicherung für
den Pflegefall zu leisten. Mit der staatlichen Förderung
der Pflegevorsorge gehen wir diesen Weg.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718322500

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Ich denke, man sollte vorwegschi-
cken: Uns geht es unterm Strich um alle Versicherten
und Pflegebedürftigen. Aber wir gehen nicht davon aus,
dass alle die private Zusatzversicherung abschließen
werden. Es wird gemutmaßt, dass 1,5 Millionen Men-
schen sich dafür entschließen werden. Aber selbst wenn
10 oder 15 Millionen Personen diese Versicherung ab-
schließen, haben wir nur einen Teil der gesamten Ver-
sicherten in Deutschland erreicht. Es brauchen aber alle
eine ordentliche Absicherung. Deshalb frage ich noch
einmal, warum beim Entwurf des Pflege-Neuausrich-
tungs-Gesetzes nicht nach einer nachhaltigen Finanzie-
rungsform gesucht worden ist und warum so ein un-
attraktives Produkt – ich nenne es noch einmal so – aus
dem Hut gezaubert wird, das nur einen sehr geringen
Teil der Bevölkerung erreichen wird.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718322600


Frau Kollegin Scharfenberg, ich verweise noch ein-
mal darauf, dass die geltende Pflegeversicherung auch
nach Meinung Ihrer Fraktion eine Teilpflegeversiche-
rung ist. Keiner von uns möchte eine allumfassende
Pflegeversicherung.

Wir als bürgerlich-liberale Koalition wissen, dass wir
trotzdem eine zusätzliche Absicherung brauchen, setzen
aber auf das Eigenengagement der Menschen in diesem
Lande und appellieren auch an die Menschen, eine sol-
che Chance wahrzunehmen, die wir ihnen mit dem
neuen Gesetz bieten werden. Die Anzahl der Anträge ist
übrigens nicht gedeckelt, wie Sie wissen. Wenn es mehr
Anträge geben sollte, dann werden diese auch geneh-
migt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718322700

Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Scharfenberg.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Bundesgesundheitsminister Bahr
wurde in den letzten Tagen mehrmals damit zitiert, dass
er die Kritik von SPD und Grünen nicht verstehe. Wir
hätten schließlich in der rot-grünen Regierungszeit die
Riester-Rente eingeführt, die damit vergleichbar sei. Ich
bitte Sie, mit diesem falschen Vergleich aufzuräumen
und aufzuklären, worin der Unterschied zwischen der
Riester-Rente als Teil der Altersvorsorge mit einem ga-
rantierten Ertrag und dem Pflege-Bahr – so nenne ich ihn
einmal – liegt, der nämlich eine Risikoversicherung dar-
stellt. Das heißt, bei der Riester-Rente gibt es immer eine
Ausschüttung, aber die Zusatzpflegeversicherung wird
nur im Bedarfsfall ausgeschüttet; andernfalls ist das
Geld weg.






(A) (C)



(D)(B)


U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718322800


Das ist korrekt, Kollegin Scharfenberg. Aber beiden
Systemen liegt eine Idee zugrunde. Ich finde, es ehrt
beide Regierungen – Ihre damalige rot-grüne wie unsere
heutige –, dass wir auf das Eigenengagement der Men-
schen setzen, dass zusätzlich zum sozialen Leistungssys-
tem etwas aufzubauen ist.

Wir haben in diesem Fall auf eine Risikoversicherung
gesetzt. Ich erinnere daran, dass wir es mit anderen haus-
halterischen Bedingungen zu tun haben als damals die
Schröder-Regierung. Ich glaube, dass dies – das muss
ich noch einmal betonen – ein Angebot ist, bei dem sich
jeder in Deutschland ernsthaft überlegen sollte, ob er es
wahrnimmt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718322900

Vielen Dank. – Ich rufe die Frage 44 unseres Kolle-

gen Dr. Harald Terpe auf:
Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Verwaltungs-

kosten, die dem Bundeshaushalt durch die vom Bundeskabi-
nett am 6. Juni 2012 beschlossene staatliche Förderung für
eine private Pflegezusatzversicherung entstehen, und inwie-
fern hält sie diese Kosten im Verhältnis zur eigentlichen För-
dersumme für angemessen?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718323000


Wir beantworten die Frage wie folgt: Die vom Kabi-
nett am 6. Juni beschlossene Formulierungshilfe für ei-
nen Änderungsantrag zum Entwurf des Pflege-Neuaus-
richtungs-Gesetzes zur Zulagenförderung der privaten
Pflegevorsorge sieht vor, dass verschiedene Vorgaben
zur Durchführung der Zulagenförderung im Rahmen ei-
ner Rechtsverordnung konkretisiert werden sollen.

Eine detaillierte Berechnung der Verwaltungskosten
der Durchführung der Pflegevorsorgeförderung ist daher
erst nach Erarbeitung dieser Rechtsverordnung möglich.
Durch weitestgehende Nutzung elektronischer Aus-
tauschverfahren zwischen der für die Zulagenförderung
zuständigen Stelle und den Versicherungsunternehmen
erscheint es jedoch möglich, die Kosten der Durchfüh-
rung der Zulagenförderung auf unter 10 Millionen Euro
jährlich zu begrenzen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718323100

Ihre erste Nachfrage, Kollege Dr. Terpe.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718323200

Verstehe ich Sie richtig, dass es sich auch für Sie bei

der Begrenzung auf unter 10 Millionen Euro um eine re-
levante Größenordnung handelt? Bezogen auf die
Summe von 90 Millionen Euro, bewegt sich der Verwal-
tungskostenanteil bei knapp 10 Prozent. Halten Sie es
für angemessen, dass der Verwaltungskostenanteil so
hoch angesetzt wird? Halten Sie diese Relation für ver-
tretbar?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718323300


Herr Kollege Terpe, wir warten ab, wie die Rechts-
verordnung aussehen wird. Wir werden alles tun, um die
Verwaltungskosten in diesem Zusammenhang so niedrig
wie möglich zu halten.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718323400

Ihre zweite Nachfrage.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718323500

Frau Staatssekretärin, welchen Prozentsatz der Ver-

waltungskosten hielten Sie persönlich für angemessen?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718323600


Liebe Kollege Dr. Terpe, Sie setzen auf mein munte-
res Mundwerk. Heute setzen Sie darauf vergebens. Ich
werde hier nicht spekulieren.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718323700

Jetzt wäre es interessant, wenn Sie noch eine weitere

Nachfrage stellen dürften, Herr Dr. Terpe.


(Heiterkeit)


Ich rufe nun Frage 45 des Kollegen Dr. Terpe auf:
Hält die Bundesregierung trotz der breiten und überein-

stimmenden Kritik von Expertinnen, Experten und Verbänden
an der Einführung der vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012
beschlossenen staatlichen Förderung für eine private Pflege-
zusatzversicherung fest, und wenn ja, warum?

Frau Staatssekretärin, Sie bemühen sich bestimmt
auch hier.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718323800


Herr Kollege Dr. Terpe, unsere Antwort lautet wie
folgt: Die gesetzliche Pflegeversicherung ist als Teilleis-
tungssystem konzipiert. An dieser Grundkonzeption will
nicht nur die Bundesregierung, sondern auch – das zei-
gen jedenfalls die vorhandenen Initiativen – die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen weiter festhalten. Die mit dem
demografischen Wandel verbundenen Belastungen wird
aber ein Teilleistungssystem allein nicht meistern kön-
nen. Die Bürger und Bürgerinnen sind daher aufgefor-
dert, neben der gesetzlichen Pflegeversicherung einen
eigenen Beitrag zur Absicherung für den Pflegefall zu
leisten. Dabei will sie die Bundesregierung unterstützen.
Aus ihrer Sicht ist und bleibt die staatliche Förderung
der privaten Pflegevorsorge daher ein wichtiger Beitrag
zur nachhaltigen, generationengerechten Ausgestaltung
der sozialen Sicherung.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718323900

Ihre erste Nachfrage, Dr. Terpe.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718324000

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau

Staatssekretärin. – Da Sie davon ausgehen, dass es sich
bei der sozialen Pflegeversicherung um eine Teilleis-





Dr. Harald Terpe


(A) (C)



(D)(B)


tungsversicherung handelt und dass die Betroffenen die
Zuzahlungen aus ihren eigenen Einkünften bestreiten,
verweise ich auf die Riester-Rente, die dazu dient, die
Einkünfte im Alter entsprechend den Bedürfnissen zu
verbessern und sich zusätzlich zum staatlichen Renten-
system abzusichern. Halten Sie es vor diesem Hinter-
grund nicht für vernünftiger, dass der Gesetzgeber die
Gelder für die staatliche Förderung einer zusätzlichen
Absicherung im Bereich der Pflegeversicherung im
Rahmen der Riester-Rente aufwendet? Das würde den
Verwaltungsaufwand verringern, und es würde kein Zu-
satzsystem geschaffen, das – das zeigt die aktuelle Dis-
kussion – wieder nur einen Teilbereich absichern kann.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718324100


Herr Kollege Dr. Terpe, wir haben uns natürlich auch
mit diesem Gedanken befasst. Wir sind zu der Erkennt-
nis gekommen, dass der Weg, den wir jetzt beschritten
haben, auch im Hinblick auf die Haushaltssituation und
unser Ziel, ein verschuldungsfreies Land zu werden,
richtig ist.

Ich weise an dieser Stelle auf die Anhörung hin, die
uns allen noch bevorsteht. Wenn es irgendwo auf der
Welt Vorschläge für eine vernünftige Lösung gibt, dann
kann man immer noch entsprechende Änderungsanträge
einbringen. Aber ich glaube das nicht. Aufgrund unserer
bisherigen Prüfungen glaube ich, dass der beschrittene
Weg der richtige ist.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718324200

Dr. Terpe, eine weitere Nachfrage.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718324300

Frau Staatssekretärin, ich nehme Ihre Freude über die

gemeinsame Anhörung auf. Auch ich freue mich schon
darauf.

Ich möchte das Thema aber von einer anderen Seite
beleuchten. Sie selbst haben gesagt, im Bedarfsfalle
werde auch dann weiter gefördert, wenn mehr als
1,5 Millionen Verträge abgeschlossen würden. Wenn
15 Millionen Verträge abgeschlossen werden, sind wir
schon bei 900 Millionen Euro Förderung. Wenn wir in
Rechnung stellen, dass wir uns auf einen schuldenfreien
Haushalt zubewegen wollen, dann ist das eine erhebliche
Summe. Angesichts einer solchen Größenordnung hätte
man das Riester-Prinzip weiter stärken können. Was sa-
gen Sie denn zu dieser Auffassung von mir?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718324400


Lieber Kollege Dr. Terpe, Sie wissen, dass ich Haus-
hälter war, bevor ich Gesundheitspolitiker wurde. Ich
würde nie auf eine solch vage Vermutung hin ein Gesetz
konzipieren. Wir haben jetzt erst einmal ein Paket ge-
schnürt. Wir gehen von aus unserer Sicht realistischen
Schätzungen der Interessenten für eine solche Versiche-
rung aus. Meine Aussage basierte auf der Vermutung, es
gebe eine Deckelung. Noch einmal: Das ist nicht der
Fall. Wenn es mehr Menschen gibt, die einen Vertrag ab-

schließen wollen, dann wird es auch entsprechende Ver-
sicherungen geben können.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718324500

Vielen herzlichen Dank.

Die Frage 46 wird von unserer Kollegin Frau Maria
Klein-Schmeink gestellt:

Inwiefern ist die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012 be-
schlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezusatz-
versicherung in Höhe von 5 Euro monatlich für Geringverdie-
ner, die wie andere Personen auch Eigenmittel von
mindestens 10 Euro monatlich für die Zusatzversicherung bei-
steuern müssten, eine „notwendige und sinnvolle Ergänzung“,
die zudem dafür sorge, „dass die Pflegeversicherung demo-

(Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 6. Juni 2012, „Erstmals staatliche Förderung für die private Pflegevorsorge“)

rum unterlässt die Bundesregierung es gerade im Interesse
solch vulnerabler Personengruppen, die solidarische gesetzli-
che Pflegeversicherung mit einer demografiefesten und stabi-
len Finanzierung auszustatten?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718324600


Wir antworten darauf wie folgt: Die gesetzliche Pfle-
geversicherung ist als Teilleistungssystem konzipiert.
An dieser Konzeption wollen wir alle nichts verändern.
Insoweit war es bereits bisher sinnvoll, ergänzend selbst
für das Risiko der Pflegebedürftigkeit vorzusorgen. Be-
reits bisher konnte dies auch über den Abschluss einer
Pflegezusatzversicherung erfolgen. Allerdings – und da-
rin besteht der Unterschied – beinhalten entsprechende
Verträge bislang keinen Kontrahierungszwang; beson-
dere Erleichterungen für Personen mit niedrigerem Ein-
kommen haben ebenfalls nicht existiert.

Diese unbefriedigende Situation wird durch den Vor-
schlag der Bundesregierung für eine staatliche Förde-
rung der privaten Pflegevorsorge beendet. Die in diesem
Konzept verlangten Fördervoraussetzungen machen es
insbesondere auch für Personen mit Vorerkrankungen
oder mit niedrigerem Einkommen erstmals möglich,
eine entsprechende Zusatzversicherung abzuschließen.
Um die Förderung gerade auch für Bezieher kleiner und
mittlerer Einkommen attraktiv auszugestalten, hat die
Bundesregierung ausdrücklich ein Zulagenmodell vor-
geschlagen; denn während von einer steuerlichen Förde-
rung nur jene begünstigt werden, die aufgrund der Höhe
ihres persönlichen Einkommens Einkommensteuer zah-
len, ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bei einer
Zulage ungleich größer. Dies macht die soziale Ausrich-
tung der geplanten Förderung mittels Zulage deutlich.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718324700

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Klein-Schmeink.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um die Demografiefestigkeit und auch die
stabile künftige Finanzierung. Warum haben Sie nicht al-
ternativ den Weg gewählt, die soziale Bürgerversiche-





Maria Klein-Schmeink


(A) (C)



(D)(B)


rung stabil und demografiefest zu finanzieren und die
Einnahmebasis zu stärken?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718324800


Weil wir eine andere Vorstellung von dem persönli-
chen Engagement des Bürgers in diesem Lande haben
als Sie, Frau Kollegin Klein-Schmeink. Wir glauben,
dass wir die soziale Pflegeversicherung, die es bisher
gibt, gut und gerne mit einem zusätzlichen Kapitalstock
ergänzen und dabei auf die eigene Kraft unserer Bürger
zählen können. Deswegen sind wir zu diesem Konzept
gekommen und nicht zu Ihrem.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718324900

Es liegt nahe, dass Sie noch einmal nachfragen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, denn Sie gehen in Ihren eigenen Berechnungen da-
von aus, dass 1,6 bzw. 1,7 Millionen Bürger dieses An-
gebot wahrnehmen werden. Das ist natürlich nur eine
Kleinstgruppe all derer, um die es eigentlich gehen
sollte. Deshalb habe ich die Nachfrage: Wäre es nicht ziel-
führender, die solidarisch finanzierte soziale Bürgerversi-
cherung auszubauen, wenn man eine demografiefeste
Finanzierung haben will, und dort für eine nachhaltige
Finanzierung sowie einen nachhaltigen Leistungskatalog
zu sorgen?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718325000


Frau Kollegin Klein-Schmeink, noch einmal: Wir hal-
ten diesen Weg weder für zulässig noch für gangbar. Er
ist deutlich teurer. Wir werden mit dem jetzigen Konzept
viele Menschen in diesem Land erreichen, die sich zum
ersten Mal überhaupt mit dem Gedanken auseinanderset-
zen, eine Zusatzvorsorge vorzunehmen. Auch das ist ein
wichtiger Schritt.

So wie es damals bei Riester einen Paradigmenwech-
sel gegeben hat – die Menschen wussten plötzlich: Sie
müssen neben der Rente vorsorgen –, ist es auch jetzt bei
der privaten Pflegevorsorge: Vielen Menschen ist plötz-
lich bewusst geworden, dass sie vorsorgen müssen, weil
unsere sozialen Sicherungssysteme endlich sind.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718325100

Vielen herzlichen Dank. – Jetzt komme ich zur Fra-

ge 47 unserer Frau Kollegin Klein-Schmeink:
Mit welchen monatlichen Gesamtkosten rechnet die Bun-

desregierung für die vom Bundeskabinett am 6. Juni 2012
beschlossene staatliche Förderung für eine private Pflegezu-
satzversicherung unter Berücksichtigung der von der Bundes-
regierung geplanten Versicherungsbedingungen beispiels-
weise für einen 55-jährigen Mann, der heutzutage für eine
private Pflegetagegeldversicherung mit durchschnittlichen

(vergleiche Berliner Zeitung vom 7. Juni 2012, „In der Pflegefalle“)

und inwiefern hält sie die Zulage von 5 Euro monatlich dabei
für eine wirksame Unterstützung dieser Personengruppe?

Ich darf Sie, Frau Staatssekretärin, um Beantwortung
bitten.

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718325200


Danke, Herr Präsident. – Unsere Antwort ist wie
folgt: Die Kalkulation entsprechender Pflegezusatzversi-
cherungen hat durch die Anbieter solcher Produkte zu
erfolgen. Da es sich bei den förderfähigen Pflegevorsor-
geprodukten um Risikoversicherungen handelt, die nach
Art der Lebensversicherung kalkuliert werden, ist der
Beitrag vom Eintrittsalter abhängig. Es liegt daher nahe,
dass dieser bei einem 55-jährigen Mann höher als bei ei-
nem Mann ist, der eine entsprechende Zusatzversiche-
rung bereits im Alter von 30 Jahren abschließt.

Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die
privaten Krankenversicherungsunternehmen auch für
höhere Altersgruppen Angebote kalkulieren, die im Zu-
sammenhang mit der staatlichen Förderung preislich
ausreichend attraktiv sind.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718325300

Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Können Sie uns und den privaten Versicherungsunter-
nehmen noch einmal verdeutlichen, wie es zu einer Kal-
kulation kommen kann, die im Vergleich zu den anderen
Tarifen der Pflegerisiko- und Pflegetagegeldversicherun-
gen ein attraktives Angebot gerade auch für die Perso-
nengruppe darstellt, die über ein geringes Einkommen
verfügt?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718325400


Frau Kollegin Klein-Schmeink, wir gehen davon aus
– die PKV hat uns das bereits signalisiert –, dass es ent-
sprechende Angebote geben wird. Ich gehe davon aus,
dass auch dies in der eben von mir angeführten Anhö-
rung zur Sprache kommen wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718325500

Ich nehme an, Sie fragen noch einmal nach.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja. – Mit welchen Steigerungsraten bei den Tarifen
muss diese Personengruppe – nehmen wir einmal einen
55-Jährigen – rechnen, wenn es dazu kommt, dass sich
gerade diejenigen, die besondere Risiken haben und die
sich nicht einer Risikoprüfung unterziehen können, an-
gesichts der anderen Pflegetarife, die es bei den privaten
Unternehmen gibt, versichern müssen? Wie wird sich
dabei die Tarifgestaltung für die Zukunft darstellen?
Kann das dann noch ein attraktives Angebot für eine
Personengruppe sein, die über ein geringes Einkommen
verfügt?

U
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1718325600


Auch hierbei, Frau Kollegin Klein-Schmeink, können
wir erst von zuverlässigen Zahlen ausgehen, wenn die





Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach


(A) (C)



(D)(B)


ersten Berechnungen auf dem Tisch liegen. Das heißt,
wir sind in einem frühen Stadium. Sie wie wir gehen da-
von aus, dass es nicht zu unverhältnismäßigen und aus
unserer Sicht unzulässig starken Steigerungen kommen
wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718325700

Vielen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Fragen 48 und 49
des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, die Fragen 50
und 51 des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, die
Frage 52 des Abgeordneten Uwe Kekeritz, die Fragen 53
und 54 der Abgeordneten Cornelia Behm, die Fragen 55
und 56 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, die Fragen 57
und 58 der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann sowie
die Fragen 59 und 60 der Abgeordneten Tabea Rößner
werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zur Frage 61 des Kollegen
Nouripour:

Aus welchen Gründen hat das Bundesministerium für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, auf eine bundes-
aufsichtliche Weisung hinsichtlich des Bescheids des damali-
gen hessischen Landesverkehrsministers Dieter Posch zur
Anpassung der Flugbetriebsbeschränkungen des Planfeststel-
lungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens an
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2012
verzichtet, obwohl das BMVBS bereits im Vorfeld einem so-
genannten Planklarstellungsverfahren gegenüber Bedenken
geäußert hat?

Sie wird jetzt vom Parlamentarischen Staatssekretär
Dr. Andreas Scheuer beantwortet. Bitte schön, Herr
Staatssekretär.

D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1718325800


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Nouripour, auf Ihre Frage antworte ich wie
folgt: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung hat die zuständige Behörde im Land
Hessen darauf hingewiesen, dass es die Anpassung des
Planfeststellungsbeschlusses an das Urteil des Bundes-
verwaltungsgerichtes vor dessen vollständiger Veröf-
fentlichung nicht für zweckmäßig hält. Die Planfeststel-
lungsbehörde hat dies abgewogen und hat in eigener
Zuständigkeit bewertet, dass sie das beabsichtigte Vorge-
hen für zielführend zur rechtlichen Umsetzung des Ur-
teils erachtet.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718325900

Ihre erste Nachfrage, Kollege Nouripour.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718326000

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, was ist

denn eigentlich das Kriterium im Falle einer Auseinan-
dersetzung zwischen dem Bundesministerium und einem
Landesministerium, bei dem das Bundesministerium of-
fensichtlich der Meinung ist, dass das, was das Landes-
ministerium macht, nicht zweckmäßig ist? In einem
Statement sagt der Pressesprecher Ihres Hauses: Es ist

sinnvoll, die Urteilsbegründung abzuwarten. – Wenn
das, was dort passiert, nicht sinnvoll ist, was ist dann das
Kriterium dafür, mit einer Weisung einzuschreiten oder
dies nicht zu tun?

D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1718326100


Herr Kollege, wir sprechen nicht von einer Auseinan-
dersetzung mit dem Landesverkehrsministerium und
dem ehemaligen Landesverkehrsminister Posch, sondern
wir haben unsere Stellungnahme und unsere Meinung
dazu abgegeben, nicht mehr und nicht weniger. Fakt ist:
Die an dieser Stelle zuständige Behörde ist eine Behörde
des Landes Hessen, und wir haben eine Empfehlung ge-
geben, nicht mehr und nicht weniger.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718326200

Ihre zweite Nachfrage, Kollege Nouripour.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718326300

Nichtsdestotrotz ist es durchaus möglich und liegt im

Bereich des Richtigen, zumindest im Bereich des Rech-
ten, dass das Bundesministerium mit einer Weisung dort
einschreitet. Meine Frage war, warum dies nicht gesche-
hen ist, wenn das Ministerium der Meinung ist, dass das
Vorgehen der Landesregierung nicht zweckmäßig ist.

D
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1718326400


Herr Kollege Nouripour, „einschreiten“ und Ähnli-
ches – das sind Vokabeln, die Sie verwenden. Wir pfle-
gen mit den Auftragsverwaltungen und den Landes-
ministerien eine gute, kollegiale Zusammenarbeit. Wir
sind weit davon entfernt, dass das BMVBS in solchen
Verfahren einschreitet. Vielmehr geben wir dazu unsere
Meinung ab. Die zuständige Behörde ist an dieser Stelle
nicht das BMVBS, sondern das entsprechende Landes-
ministerium. Genauso wie wir uns jetzt streiten können,
ob Ihre Frage sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, haben wir
unsere Meinung zu diesem Verfahren beim Landes-
ministerium in Hessen abgegeben, nicht mehr und nicht
weniger.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718326500

Vielen herzlichen Dank. – Liebe Kolleginnen und

Kollegen, die restlichen Fragen der Fragestunde werden
entsprechend unserer Geschäftsordnung schriftlich be-
antwortet.

Wir sind am Ende unserer Fragestunde.

Wir fahren in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe den
Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD

Umstrittene Nutzung des Auslandsnachrich-
tendienstes für den Transport eines von BM
Niebel privat gekauften Teppichs

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster
für die Fraktion der Sozialdemokraten Kollege





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) (C)



(D)(B)


Dr. Sascha Raabe. Bitte schön, Kollege Dr. Sascha
Raabe.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1718326600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir haben die heutige Aktuelle Stunde bean-
tragt, weil wir es nicht länger mit ansehen können, wie
Bundesminister Dirk Niebel sein Amt für seine persönli-
chen Interessen und für die Interessen seiner Partei miss-
braucht.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie haben Ihr Eigeninteresse im Auge!)


Erst hat er reihenweise Parteifreunde mit hochbezahlten
öffentlichen Stellen versorgt, dann hat er den Personalrat
kaltgestellt, und jetzt lässt er auch noch auf Staatskosten
einen Teppich für seine Privatgemächer einfliegen. Wir
können das nicht mehr mit ansehen. Wir glauben, dass
damit auch dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit
Deutschlands geschadet wird. Deswegen haben wir die
heutige Aktuelle Stunde beantragt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wie peinlich ist es,


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist auch peinlich, dass Sie so was sagen!)


dass ausgerechnet heute das Bundesministerium ein
Konzept mit dem Namen „Antikorruption und Integrität
in der deutschen Entwicklungspolitik“ vorstellt! In einer
Pressemitteilung auf der Homepage des Ministeriums
heißt es heute:

Wir nehmen unsere Partner in die Pflicht, konkrete
Reformen durchzuführen, um Korruption zu min-
dern und Transparenz, Integrität, Partizipation und
Rechenschaft auszubauen.


(Beifall des Abg. Holger Krestel [FDP] – Patrick Döring [FDP]: Sehr gut!)


Nehmen Sie sich endlich auch einmal selbst in die
Pflicht und fangen beim Minister an, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Frage nach den Konsequenzen beschäftigt auch
die Journalisten. Ich werde jetzt nicht diejenigen aus den
linksliberalen Zeitungen zitieren, sondern ich werde ein-
mal ganz bewusst die Blätter zitieren, die der FDP und
dem Minister eigentlich genehm sein müssten,


(Patrick Döring [FDP]: Welche sollen das sein?)


nämlich die Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblätter.

Ich fange einmal mit dem Handelsblatt an.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir machen aber jetzt keine Presseschau, oder? Wir machen eine Aktuelle Stunde!)


Das Handelsblatt bringt heute ein Zitat von Dirk Niebel
vom Januar. Da hat er gesagt:

Politiker müssen sich an Recht und Gesetz halten
wie alle anderen auch und haben eine Vorbildfunk-
tion.

Das Handelsblatt titelt: „Pinocchio des Tages“. – Dirk
Niebel, Lügner des Tages.

Die Wirtschaftswoche bezeichnet Dirk Niebel als „li-
berales Teppichluder“.


(Heiterkeit des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Widerspruch bei der FDP)


Das mache ich mir nicht zu eigen.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Hauptsache, Sie haben es untergebracht!)


Das ist die Wirtschaftswoche.

Die Financial Times Deutschland schreibt von Miss-
brauch des Staates. Jetzt würde ich Sie bitten, einmal
nicht zu krakeelen, sondern zuzuhören. Hier schreibt der
Kommentator: Ein Staatsskandal ist auch die Teppich-
affäre um den Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel
nicht. Doch in diesem Fall gerät der Minister zum wie-
derholten Mal in Erklärungsnot und in den Ruf von Vet-
ternwirtschaft und Korruption.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Dafür hat sich heute die FTD entschuldigt!)


Mag der Anlass noch so nichtig sein und Niebel sich
reumütig zeigen: Er sollte zurücktreten. Hierbei dient ein
Minister nicht mehr dem Staat, sondern er missbraucht
ihn für seine persönlichen Interessen,


(Patrick Döring [FDP]: Sie müssen die FTD von heute lesen!)


zumal es bei Niebel eine Vorgeschichte gibt, die von
Selbstherrlichkeit und Eigeninteresse handelt, und zwar
seit seinem Amtsantritt im Entwicklungsministerium.
Seine Personalpolitik etwa wirkt so, als sei es die vorran-
gige Aufgabe eines FDP-Ministers, verdiente Liberale
mit gut dotierten Posten zu versorgen. – Deswegen
kommt auch dieser Kommentator zu Recht zu dem
Schluss, dass ein Minister, der die Prinzipien guter Re-
gierungsführung in alle Welt exportieren soll, so nicht
mit seinem Amt umgehen kann.

Deswegen sagt die Financial Times Deutschland:
Dieser Minister soll zurücktreten. – Ich schließe mich
dieser Forderung an, meine sehr verehrten Damen und
Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber auf Sie hört ja keiner! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Die Frage des am Zoll vorbeigeschmuggelten Tep-
pichs


(Lachen des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])






Dr. Sascha Raabe


(A) (C)



(D)(B)


und damit der persönlichen Vorteilsnahme von etwa
4 000 Euro – Transportkosten und Zollabgaben, die fäl-
lig gewesen wären –


(Patrick Döring [FDP]: Abwegig!)


werden wir heute noch diskutieren.


(Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die Wahrheit sagen, Herr Kollege!)


Es ist keineswegs nur eine Lappalie, um die es hier geht.


(Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die Wahrheit sagen!)


Wenn es um ein Land wie Afghanistan geht – wir wis-
sen, dass dort Teppiche meist von Kindern hergestellt
werden –, kann man schon erwarten, dass ein Entwick-
lungsminister mehr nachfragt und sich nicht nur auf das
Wort eines Angehörigen der Botschaft verlässt, dass das
ein seriöser Händler sei. Wir haben dort nicht umsonst
mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
ein zertifiziertes Siegel geschaffen. „GoodWeave“ heißt
das. Es ist der Nachfolger von RugMark. Auch in Afgha-
nistan gibt es einen Händler, der zertifiziert ist und von
der Größe her etwa mit dem Otto-Versand in Deutsch-
land vergleichbar ist. Wir fragen uns, Herr Minister: Wa-
rum haben Sie nicht von diesem Händler einen Teppich
privat erworben? Sie können doch nicht einfach einen
teuren Teppich für Ihr Wohnzimmer kaufen, an dessen
Herstellung vielleicht Kinderhände beteiligt gewesen
sind,


(Patrick Döring [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


und das, wo Sie am Welttag gegen Kinderarbeit tränen-
reich verkündet haben, wie schlimm Sie Kinderarbeit in
aller Welt finden. Das passt nicht, Herr Minister!


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Bei Ihrer Rede kommen einem die Tränen! Da haben Sie recht!)


Wenn einige anführen: „Na ja, was sind denn schon
ein paar Tausend Euro?“, sage ich: Es wurde in Deutsch-
land schon einmal einer Kassiererin eines Supermarkts
wegen 1,30 Euro gekündigt. Da hat sich die FDP merk-
lich zurückgehalten.


(Patrick Döring [FDP]: Es hat zu keinem Zeitpunkt Vorteilsnahme stattgefunden!)


Deshalb glaube ich schon, dass wir hier nicht einfach zur
Tagesordnung übergehen können. Wir werden hier letzt-
lich auch erörtern, wie der Bundesnachrichtendienst da-
bei zu Schaden gekommen ist.

Ich sage an dieser Stelle,


(Patrick Döring [FDP]: An welcher Stelle auch sonst!)


weil es wirklich nicht nur um Minister Niebel geht, son-
dern auch um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit
Deutschlands in der Welt gegenüber seinen Partnerlän-

dern – gute Regierungsführung ist für uns etwas, was wir
vorleben müssen –, dass die Kanzlerin ihrer Verantwor-
tung gerecht werden muss. Ich sage: Sorgen Sie für gute
Regierungsführung! Sorgen Sie dafür, dass nicht ein
Teppich fliegt, sondern dieser Minister!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie haben doch eine Phobie! – Heiterkeit bei der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718326700

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist Bun-

desminister Dirk Niebel. Bitte schön, Bundesminister
Dirk Niebel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Ich habe einen Fehler gemacht, den ich selbst zu verant-
worten habe, und ich kann verstehen, wenn der Vorgang
sachlich kritisiert wird. Ich habe mich dafür sofort um-
fassend und öffentlich entschuldigt und tue dies aus-
drücklich noch einmal hier im Deutschen Bundestag.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Steuerhinterziehung ist nicht einfach ein Fehler!)


Ich wollte mir einen Teppich für mein Haus kaufen,
was aus Sicherheitsgründen natürlich nicht auf dem
Basar in Kabul möglich war. Aus logistischen Gründen
wollte ich den Teppich zu einem späteren Zeitpunkt mit
nach Hause nehmen. Ich hatte mich zunächst gefreut, als
ich erfuhr, dass ich durch die Hilfsbereitschaft des Bun-
desnachrichtendiensts die Chance haben würde, den
Teppich früher als gedacht zu Hause zu haben. Ich be-
daure ausdrücklich, dass der BND-Chef, der von einem
zollfreien Gastgeschenk ausging,


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Wie kommt er nur darauf? – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wer hat ihm das gesagt?)


dadurch in eine unangenehme Situation gebracht worden
ist. Ich ging davon aus, dass alle Formalitäten bei der
Einreise erledigt wurden, und werfe mir vor, keine
klaren Absprachen getroffen zu haben.

Als ich durch die Anfrage eines Medienvertreters pro-
blembewusst wurde, habe ich die Nachverzollung unver-
züglich beantragt und das auch öffentlich erklärt. Sie
können versichert sein, liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren: Niemand är-
gert sich über diesen Vorgang mehr als ich.

Vielen herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718326800

Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke un-

sere Kollegin Heike Hänsel. Bitte schön, Frau Kollegin
Hänsel.


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1718326900

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr

Minister Niebel, das war ein bisschen sehr kurz.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Aber sehr gehaltvoll!)


Ich denke, es gibt dazu noch etwas mehr zu sagen.

Ich möchte mich aber auf die sachliche Kritik
konzentrieren, und diese muss Minister Niebel auch aus-
halten; denn er gehört nicht zu denjenigen, die sich mit
Kritik zurückhalten.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist allerdings wahr! Das stimmt!)


Ein Minister auf Dienstreise lässt sich in der Deut-
schen Botschaft in Kabul eine Teppichauswahl vorlegen.
Er kauft einen Teppich, und der Geheimdienst schmug-
gelt ihn am Zoll vorbei nach Deutschland.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Vorsicht! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist nicht sachlich, Frau Kollegin! – Gegenruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist eine Tatsache! Nehmen Sie das mal zur Kenntnis! Das ist Schmuggel!)


Diese Nummer wäre eigentlich reif fürs Kabarett, wenn
das Ganze nicht in einem so ernsten Umfeld stattfinden
würde.

Herr Niebel war nämlich in einer Kriegsregion, wo
unter anderem deutsche Soldaten Krieg führen, wo täg-
lich Menschen durch Krieg sterben und wo ein Teppich-
kauf in meinen Augen eigentlich nicht zu einer Dienst-
reise gehört.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir unterstellen ihm nicht, dass er irgendwelche Zoll-
gebühren sparen und sich persönlich bereichern wollte.
Diese Vorwürfe finde ich albern, Herr Niebel. Vielmehr
geht es darum, dass Sie in verantwortungsvoller Position
ein Gespür dafür haben müssen, was man machen kann
und was nicht. Ich finde, dieses Gespür fehlt Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das haben Sie in meinen Augen schon zu Beginn Ihrer
Amtszeit gezeigt, indem Sie mehrfach – manchmal auch
heute noch – mit Bundeswehrkappe in Afrika oder
Lateinamerika unterwegs waren.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Leier!)


Dieses Bild ist eines Entwicklungsministers in meinen
Augen nicht würdig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es erinnert an ungute deutsche Zeiten.


(Holger Krestel [FDP]: Haben Sie ein Problem mit der Bundeswehr, oder wie müssen wir das verstehen?)


Das fand ich schon damals ein ganz großes Problem. Es
zeigt, dass Ihnen, Herr Niebel, in manchen Bereichen,
die in Ihrer Verantwortung liegen, das Gespür fehlt.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Ihr Geschmack ist ja Gott sei Dank nicht der Maßstab!)


In der Öffentlichkeit kann schnell der Eindruck ent-
stehen, Sie fahren in eine Kriegsregion und am Ende
kommt dabei ein Schnäppchenkauf heraus. Ich frage
mich auch, ob es die Aufgabe der Deutschen Botschaft
ist, eine Teppichauswahl zu organisieren. Auch diese
Frage darf man stellen.

Dazu, dass keine Kinderarbeit in dem Teppich steckt,
gab es nur eine lapidare Bemerkung. Wir fragen natür-
lich nach: Wie wollen Sie das eigentlich beweisen, vor
allem angesichts des relativ geringen Preises für den
großen Teppich? Das sind in meinen Augen ernsthafte
Fragen.

Der eigentliche Skandal liegt für mich und für die
Linke aber nicht in Ihrer Teppichnummer, sondern in
Ihrer Entwicklungspolitik. Damit kommen wir zu den
zentralen Punkten: Sie setzen auf Außenwirtschaftsför-
derung. Ferner gab es Skandale um merkwürdige
Stellenbesetzungen, und in meinen Augen waren auch
Personalbesetzungen im Ministerium oft inadäquat. Es
geht auch um die sogenannte Fusion der verschiedenen
Entwicklungsorganisationen.


(Patrick Döring [FDP]: Das ist ein großer Erfolg!)


In meinen Augen wurde die gute Organisation DED zer-
schlagen. Sie ist nicht mit ihren Stärken in die soge-
nannte Fusion eingeführt worden. Sie haben noch sehr
große Baustellen. Auch was Afghanistan angeht, wurden
die Entwicklungsorganisationen unter Ihrer Regierung
stärker ans Militär gebunden. Leider begann das unter
Rot-Grün.

Herr Niebel, mir gefällt Ihre oft arrogante Haltung
nicht – das habe ich auch schon erlebt –, wenn Sie in
Ländern des Südens unterwegs sind, die nicht Ihren poli-
tischen Vorstellungen entsprechen, wie zum Beispiel in
Lateinamerika, in Bolivien, in Ecuador, in Nicaragua.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Waren Sie dabei? Sie waren doch überhaupt nicht dabei! Was erzählen Sie denn?)


Sie treten sehr arrogant auf. Sie haben die Entwicklungs-
zusammenarbeit mit Nicaragua wegen fehlender guter
Regierungsführung eingestellt. Dazu sage ich: Das kann
nicht sein, Herr Niebel. Dann müssen wir gleiche Maß-





Heike Hänsel


(A) (C)



(D)(B)


stäbe anlegen. Ich fordere eine gute Regierungsführung
für Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Uns ärgert auch – das ist eine gravierende Konse-
quenz dieser einfach auch doofen Teppichdiskussion –,
dass wir über viele wichtige Dinge in Afghanistan nicht
sprechen. Vor einigen Tagen gab es dort ein Erdbeben
mit über 80 Toten. Wer weiß davon?


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Darüber hätte man die Aktuelle Stunde machen müssen! – Zurufe von der FDP)


Wer spricht davon? Die Medien nicht. Aber Herr Niebel
auch nicht. Es gab Tote durch NATO-Angriffe; es
wurden über 18 Zivilisten getötet. Darüber spricht Herr
Niebel auch nicht. Ich habe nichts von ihm gehört.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Zuhören! Eine Tugend!)


Wir haben eine säkulare, progressive Partei in Afghanis-
tan, die Solidaritätspartei, die gegen den Krieg kämpft.
Gegen diese wurde ein Verbotsverfahren durchgeführt.
Wir haben bei der Deutschen Botschaft mehrmals ge-
fragt: Was macht die Bundesregierung? Wie reagieren
das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium? –
Wir haben nichts gehört. Ich frage mich: Wo sind die
Prioritäten?


(Zuruf von der FDP: Das fragen wir uns bei Ihnen auch! – Holger Krestel [FDP]: Sie machen hier eine pillepalle Veranstaltung und halten uns vom Arbeiten ab!)


Sie treten mit Teppichaktionen in Afghanistan in Er-
scheinung, machen aber nicht den Mund auf, wenn
Organisationen, die gegen den Krieg und die Warlords in
Afghanistan kämpfen, verboten werden sollen. Das sind
für mich entscheidende Punkte. Ich sage Ihnen: Herr
Niebel, für mich ist der Teppichkauf kein Rücktritts-
grund,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


aber die Entwicklungspolitik, die Sie gestalten, und die
Fehlentscheidungen wären schon längst ein Rücktritts-
grund.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718327000

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Dr. Christiane
Ratjen-Damerau. Bitte schön, Frau Kollegin.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP):
Rede ID: ID1718327100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Minister,
ich danke Ihnen ganz herzlich für die klärenden Worte
und den sehr offenen Umgang mit dieser besagten
Affäre.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nachdem der Spiegel es gesagt hat! Er hat es nicht selbst gesagt!)


Sie haben sehr offen dargelegt, einen in Afghanistan ge-
kauften Teppich in Deutschland nicht unmittelbar ver-
zollt zu haben. Als Ihnen dieses bekannt wurde, haben
Sie unverzüglich die Nachverzollung beantragt und
öffentlich die Verantwortung – so wie eben auch – über-
nommen. Damit ist diese Angelegenheit für mich abge-
schlossen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn Sie, sehr geehrte Kollegen von der Opposition,
insbesondere Sie, Herr Raabe und Frau Hänsel, ehrlich
sind, geben Sie zu, dass ich recht habe. Ihre ständig wie-
derholten, künstlichen und hier lauthals geäußerten
Rücktrittsforderungen haben keinen Anlass. Es fehlen
Ihnen sonstige Angriffspunkte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wir haben doch keinen Teppich geschmuggelt oder Vetternwirtschaft betrieben! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie haben offenkundig nicht zugehört bei dem, was die Kollegin Hänsel gesagt hat!)


Der Minister und sein Haus leisten hervorragende Arbeit
für die deutsche und die weltweite Entwicklungspolitik –
und damit zum Wohle vieler Menschen auf dieser Welt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Der Parteifreunde!)


Mit der Fusion der Durchführungsorganisationen ist
unter der Führung von Dirk Niebel die größte Reform
der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gelungen.
Vor ihm sind an dieser Fusion alle Vorgänger – auch Ihre
Ministerin – gescheitert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Durch diese Fusion wurden im Stellenbestand des
Bundes 700 Stellen eingespart. Und: Die Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit ist zu einem Global
Player geworden, der zu einem Marktführer wird.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist genau das Problem!)


Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und
die KfW-Entwicklungsbank kooperieren seit dem Amts-
antritt von Dirk Niebel so gut wie noch nie zuvor.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dies hat unter anderem dazu beigetragen, dass die
KfW-Entwicklungsbank den Entwicklungsländern in
den letzten zwei Jahren zusätzliche Kredite in Höhe von
2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Das ist
für die weltweite Bekämpfung von Hunger und Armut
ein sehr großer Erfolg, auf den wir ausgesprochen stolz
sind.





Dr. Christiane Ratjen-Damerau


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


– Hören Sie doch mal zu, dann begreifen Sie es viel-
leicht!

Gleichzeitig wurde die Außenstruktur des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung an den deutschen Botschaften verstärkt.
Damit hat sich die Steuerungsmöglichkeit der Entwick-
lungszusammenarbeit in den betreffenden Ländern deut-
lich verbessert.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das hilft alles nichts gegen Steuerhinterziehung!)


Es wurde nicht nur die Zusammenarbeit mit den Vorfeld-
organisationen verbessert, sondern auch die Kohärenz
der gesamten Bundesregierung. Erstmals wird unter Fe-
derführung des Bundesministeriums zusammengetragen,
welche Aktivitäten die einzelnen Ressorts der Bundesre-
gierung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit
leisten.

Wir alle wissen um die große Bedeutung der Zivil-
gesellschaft und der Wirtschaft bei der Entwicklungs-
zusammenarbeit. Unser Ziel ist es, die Zahl der Enga-
gierten auf 2 Millionen zu verdoppeln. Deshalb wurden
die Mittel für Zivilgesellschaft, Kirchen und politische
Stiftungen deutlich erhöht. Die Veranstaltung „Engage-
ment fairbindet“ des Bundesministeriums hat sich zu
einer einzigartigen Plattform entwickelt, auf der sich die
verschiedenen Akteure der Entwicklungszusammen-
arbeit treffen. Geschaffen hat dies Dirk Niebel mit sei-
nem Haus.

Im nächsten Jahr wird es erstmals einen bundesweiten
Entwicklungstag geben,


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Mann, ist das peinlich! – Gegenruf des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]: Mal was Inhaltliches!)


der mit einer Afrika-Gala im deutschen Fernsehen endet.
Damit erreichen wir für unsere Arbeit und die gesamte
Entwicklungszusammenarbeit eine breite Öffentlich-
keit, die es bisher nicht gegeben hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Da kann er ja seinen Teppich versteigern für einen guten Zweck! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist doch Lobhudelei!)


So werden die Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema
der Entwicklungszusammenarbeit vertraut gemacht; sie
werden hierfür sensibilisiert, und ihr Engagement wird
verstärkt.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist eine Bewerbungsrede für das Ministerium!)


– Das habe ich gar nicht nötig.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung wird in dieser Legislatur-
periode zu einer Plattform für den Austausch und die
Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Nicht-

regierungsorganisationen ausgebaut. Die Türen in Rich-
tung Mitte der Gesellschaft sind weit geöffnet. Ein be-
deutender Schritt dafür ist die Servicestelle für
bürgerschaftliches und kommunales Engagement, die in
diesem Jahr eröffnet wurde.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Die ist auch so ein Problem, die Servicestelle! – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Vor allem die Personalpolitik! Eine Außenstelle der FDP!)


Um die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu über-
prüfen und die Effizienz zu steigern, wird gerade ein un-
abhängiges Evaluierungsinstitut eingerichtet. Erstmalig
gibt es damit ein Institut – ein absolutes Novum und ein
Meilenstein im Feld der deutschen Entwicklungspolitik –,
das gegenüber der Öffentlichkeit und den Parlamenten in
Deutschland und in unseren Partnerländern über die ge-
leistete Arbeit Rechenschaft ablegt.

Sie sehen: Seit dem Regierungswechsel 2009 ist eine
völlig neu ausgerichtete Entwicklungspolitik geschaffen
worden.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Personalentwicklungspolitik!)


Diese neue Entwicklungspolitik sorgt für mehr Wirk-
samkeit, für einen höheren Einsatz der finanziellen Mit-
tel und für ein verstärktes persönliches Engagement in
unserer Gesellschaft. Damit bekommen die Menschen,
die uns brauchen, konkret mehr Unterstützung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718327200

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin
Frau Ute Koczy. Bitte schön, Frau Kollegin Ute Koczy.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1718327300

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir
hier eigentlich?


(Beifall bei Abgeordneten CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der FDP: Ja, worüber?)


Ein Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung fliegt nach Afghanistan, lässt sich dort ei-
nen Teppich vorführen, kauft diesen, lässt ihn vom
BND-Chef nach Deutschland befördern und von seinem
Fahrer auf dem Rollfeld abholen. Diese Beobachtung
wird der Presse mitgeteilt.

Problem: Die Verzollung wurde vergessen. Das ist
kein Lapsus. Das ist eine politische Dummheit,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


wenngleich auch keine echte Staatsaffäre. Dennoch fragt
sich die Öffentlichkeit zu Recht, warum unserem Minis-
ter Dirk Niebel nicht aufgefallen ist, dass er hier seine
Privilegien missbraucht hat.





Ute Koczy


(A) (C)



(D)(B)



(Zuruf von der FDP: Das hat er doch gerade erklärt!)


Der politische Schaden ist groß.

Ich finde das besonders ärgerlich, weil wir in der Ent-
wicklungspolitik Wichtigeres zu tun haben: Das europäi-
sche Projekt befindet sich in der Krise; am Horn von
Afrika und in der Sahelzone grassiert der Hunger; im
Kongo häufen sich erneut die Massenvergewaltigungen;
in Bangladesch drohen 30 Millionen Menschen wegen
des Klimawandels unterzugehen.


(Patrick Döring [FDP]: Dann machen Sie dazu doch mal eine Aktuelle Stunde! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Da könnte man mal eine Aktuelle Stunde drüber machen! Das wäre den Grünen angemessen!)


Zu Afghanistan finden gegenwärtig kaum noch Debatten
zur Lage im Land und zur Situation der Menschen dort
statt.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wer hat die Aktuelle Stunde denn beantragt?)


Aber Deutschland streitet über einen fliegenden, vor den
Zollbeamten fliehenden Teppich.


(Patrick Döring [FDP]: Sie streiten!)


Die Verschiebung der Gewichte – das muss man sich
klarmachen – hat sehr viel mit der Person des Ministers
zu tun. Es findet auf Grundlage dessen statt, was Dirk
Niebel immer großspurig verkündet, zum Beispiel wenn
er dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tu-
berkulose und Malaria wegen Bestechungsvorwürfen
androht, die Gelder zu streichen, und in der Welt vom
17. März 2011 sagt: „Korruption tötet!“


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das war doch in Ordnung!)


Wir erinnern uns an einen Minister Niebel, der nach den
Regierungsverhandlungen mit Afghanistan sagt:

Deutsches Geld nur, wenn Korruption bekämpft
wird.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es! Was ist denn daran falsch?)


Und:

Wir werden das Geld nicht zum Fenster raus-
schmeißen, unsere Steuerzahler haben das hart er-
arbeitet.

Die Presse hat dieses Thema deswegen aufgegriffen,
weil es vor der Folie dessen läuft, was der Minister im-
mer groß ankündigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diesen Widerspruch kann man nicht vom Tisch wischen.
Man muss doch fragen, und das tut die Öffentlichkeit


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


– da können Sie jetzt so laut tönen, wie Sie wollen –, wa-
rum die Steuerzahler nicht zu Recht annehmen müssen,
dass es hier einen Akt gegeben hat, der nicht restlos auf-
geklärt ist und bei dem man sich fragen muss, ob der
Minister sein Amt missbraucht hat.

Es ist doch eine Farce, wenn heute das BMZ – auch
das ist eine Koinzidenz – mit einer Veranstaltung mit
dem Titel „Transparenz. Integrität. Entwicklung.“ her-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1718327400
„Korruption
ist wie ein Krebsgeschwür“. Wenn er dort sagt, das neue
Antikorruptionskonzept sei für die Institutionen der
staatlichen EZ verbindlich, dann ist es die Aufgabe der
Opposition, sich hier hinzustellen und zu fragen: Wie
verbindlich ist dieses Konzept für den deutschen Ent-
wicklungsminister?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Das ist doch eine schlichte Unterstellung!)


Ich möchte bei diesem Vorfall einen Punkt heraushe-
ben, nämlich die Frage der Nachverzollung. Herr Niebel,
Sie haben einen Antrag auf Nachverzollung gemäß
§ 371 der Abgabenordnung gestellt, der mit einer Selbst-
anzeige verbunden wurde. Die Selbstanzeige ist in die-
sem Paragrafen aber anders geregelt, als Sie es sich vor-
stellen; denn nach § 371 der Abgabenordnung tritt eine
Strafbefreiung durch Selbstanzeige nur dann ein, wenn
der Tatbestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt
geworden ist.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Der Antrag auf Nachverzollung wurde am 6. Juni ge-
stellt, nachdem Spiegel Online am 6. Juni diesbezüglich
Fragen an das BMZ gerichtet hatte.


(Patrick Döring [FDP]: Wer ist denn überhaupt zollpflichtig? Das ist die erste Frage!)


Diese Fragen hätten wir vorhin gerne gestellt. Vielleicht
hätten Sie sie richtig beantworten können. Ich finde, dass
wir diese Aktuelle Stunde zu Recht durchführen, um auf
bestimmte Fragen zu diesem Fall hinzuweisen, die noch
nicht beantwortet worden sind.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Das Problem ist, dass Sie die Fragen falsch beantworten!)


Wir haben jetzt hier Ihre Entschuldigung gehört. Aber
ich sage Ihnen: Aufgrund der Frage der Nachverzollung
ist dieser Teppich noch nicht geklopft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718327500

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin Sibylle
Pfeiffer. Bitte schön, Frau Kollegin Pfeiffer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1718327600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

alle wissen, dass wir als Politiker, Abgeordnete und auch
Minister unter besonderer Beobachtung stehen. Wir ha-
ben eine Vorbildfunktion. An uns werden höhere ethi-
sche und moralische Maßstäbe gestellt, ob uns das passt
oder nicht.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


Ja, Minister Niebel hat einen Fehler gemacht, und ja,
dieser Fehler ist ärgerlich, nein, „blöd“, um die Worte
des Ministers zu gebrauchen. Ja, Minister Niebel steht
für seinen Fehler gerade.


(Beifall der Abg. Helga Daub [FDP])


Das tut er, und dieses Unrechtsbewusstsein hat in der
Vergangenheit nicht immer jeder gezeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, daraus eine
Staatsaffäre zu machen, wie es die Opposition will und
tut,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Tun möchte!)


ist ebenfalls ein Fehler, um nicht zu sagen: blöd,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


weil die Verhältnismäßigkeit fehlt. Es stellt sich nämlich
schlicht und einfach die Frage: Womit befassen wir uns
im Parlament? Große politische Affären, Missbräuche
und Skandale erfordern und verdienen eine parlamenta-
rische Befassung. Dieser Teppich gehört definitiv nicht
dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sollten uns einmal überlegen, ob unser Drang, je-
des Fehlverhalten immer gleich zu skandalisieren, gut
für uns, für die politische Kultur und die Demokratie in
unserem Lande ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Denken wir doch einmal weiter. Denken auch Sie einmal
weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allen Din-
gen von der SPD. Überlegen Sie sich gut, welche Maß-
stäbe Sie hier und heute für politische Rücktrittsforde-
rungen festlegen wollen. Ist eine solche Forderung in
diesem Zusammenhang wirklich verhältnismäßig? Ist
das Ihr Maßstab? Für mich stellt sich die Frage nach der
Debattenkultur: Setzen wir nur noch auf Effekthascherei
und Bedienung des Boulevards? Denn dann bleiben die
wirklich wichtigen Debatten, auch über schwere und
echte Affären, auf der Strecke.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Erinnern Sie sich noch an Ihren Generalsekretär Niebel?)


Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ist
Ihr Vorgehen falsch und vor allem gefährlich; denn eines
Tages könnte sich das für Sie als Bumerang erweisen,
unter dem Sie sich dann nicht mehr wegducken können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sie sehen den Regierungswechsel schon voraus! Sehr gut!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718327700

Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau
Dr. Bärbel Kofler. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Kofler.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1718327800

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Ich glaube, bei Ihnen ist ein falscher Ein-
druck entstanden. Sie tun so, als hätten wir von der
Opposition Spaß, uns schon wieder mit Herrn Niebel be-
schäftigen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Leider
war es in diesem Jahr aufgrund des Verhaltens von
Minister Niebel schon das zweite Mal nötig, eine Ak-
tuelle Stunde zu beantragen. Es ging sowohl um sein Ge-
baren in Bezug auf seine Personalpolitik als auch um
sein etwas seltsames Verständnis von Steuergerechtig-
keit, vom Bezahlen von Steuern in unserem Land.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Abwegig!)


Herr Minister, ich hätte mir von Ihnen klärende Worte
gewünscht. Sie tun so, als wäre Ihr Verhalten ein kleiner
Fehler, ein Lapsus. Sie sagen, man hätte einfach verges-
sen, den Fahrer zu instruieren. Man hätte dem Fahrer
aber auch Geld mitgeben müssen, um die Ware beim
Zoll auszulösen.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Davon hat er doch nichts gesagt!)


Aber nicht nur darum geht es. Es geht auch darum, dass,
wie man den Medien entnehmen konnte, die Staatsan-
waltschaft immerhin wegen des Anfangsverdachts auf
Steuerhinterziehung ermittelt. Es war also kein kleiner
Fehler, kein Lapsus.


(Zuruf von der FDP: Wo haben Sie das gelesen? – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: 500 Liter Helium in eine Mücke zu pumpen!)


Selbstverständlich muss man darüber im Bundestag
sprechen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


gerade vor dem Hintergrund, dass Sie als Entwicklungs-
minister nach Afghanistan gereist sind. Sowohl in der
Regierungskoalition als auch im Ministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollte man
sich überlegen, welche Ansprüche man in Bezug auf
gute Regierungsführung hat. Insbesondere als Minister
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
muss man sich daran messen lassen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Bärbel Kofler


(A) (C)



(D)(B)


Auf der Homepage des Ministeriums für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung ist zu lesen, dass
im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung gute
Regierungsführung als Schlüsselsektor der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit definiert wird. Ich halte
das durchaus für richtig. Gute Regierungsführung ist ein
entscheidender Faktor bei der Bekämpfung der Armut
und auch, wenn es darum geht, Ressourcen zu schonen,
um den Ärmsten der Armen zu helfen.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Man muss es nicht nur wollen, sondern auch können!)


Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welches
Bild geben Sie eigentlich ab, Herr Minister Niebel? Ein
katastrophales!


(Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ein exzellentes!)


Es geht noch weiter. Es geht ja nicht nur um den Be-
griff der guten Regierungsführung im Allgemeinen, son-
dern auch um gute Regierungsführung im Zusammen-
hang mit einer guten Finanz- und Steuerpolitik.
Diesbezüglich wird auf der Homepage des BMZ zu
Recht auf die Bedeutung von transparenten und leis-
tungsfähigen öffentlichen Finanzsystemen hingewiesen.


(Holger Krestel [FDP]: Zum Thema!)


Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich noch einmal
aus der Homepage des BMZ:

Transparente und leistungsfähige öffentliche Fi-
nanzsysteme sind eine wichtige Grundvorausset-
zung für Armutsreduzierung und nachhaltige Ent-
wicklung. Sie mobilisieren nicht nur Mittel,
sondern schaffen auch Legitimität für staatliches
Handeln, fördern die Identifizierung der Bürger mit
ihrem Staat …

Das ist völlig richtig. An diesem Punkt sind wir uns ei-
nig. Welchen Eindruck erweckt aber ein Entwicklungs-
minister in der Welt –


(Patrick Döring [FDP]: In der Welt nimmt das keiner wahr!)


ein Entwicklungsminister muss mit den Regierungen an-
derer Länder darum ringen, dass Steuersysteme einge-
führt werden, durch die gerade die finanzstarken politi-
schen Eliten belastet werden –, der einen, so sage ich es
einmal, sehr leichtfertigen oder flapsigen Umgang mit
dem deutschen Steuersystem pflegt? Zeugt das nicht von
Doppelmoral?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: In der restlichen Welt lacht man über so einen Blödsinn!)


Ich glaube, dass Sie der Entwicklungspolitik insge-
samt und insbesondere der deutschen Entwicklungspoli-
tik mit Ihrem Verhalten einen Bärendienst erwiesen ha-
ben. Sie wissen selbst, dass sich seit über zehn Jahren
zahlreiche internationale Vereinbarungen gerade mit der
Frage der Verbesserung der Steuersysteme in der Welt
beschäftigen: Steuerhinterziehung, Mittel für Armuts-

bekämpfung heben, Monterrey-Konferenz, Doha-Kon-
ferenz, nachhaltige Finanzierung der Entwicklungszu-
sammenarbeit – die Kollegin Ratjen-Damerau hat ja auf
die Themen Effizienz und Wirksamkeit hingewiesen –,
Konferenz von Paris, Konferenz von Accra, Konferenz
von Busan. Auf dem G-8-Gipfel 2007 in Deutschland
hat man sich mit dem Thema G 8 Action Plan for Good
Financial Governance in Africa beschäftigt. Gute Regie-
rungsführung in Afrika war also das Thema auf der Kon-
ferenz in Deutschland.

Vor diesem Hintergrund ist Ihr Verhalten als drama-
tisch zu bezeichnen. Ich möchte wirklich wissen, wie Sie
auf Meldungen reagieren werden, nach denen Minister
aus anderen Ländern Ähnliches tun. Stellen Sie dann die
Tranchen für die Entwicklungszusammenarbeit ein, was
Sie manchen anderen bereits angesprochenen Organisa-
tionen wie dem GFATM angedroht haben? Was machen
Sie dann? Wie werden Sie reagieren?

Ich denke, ein Entwicklungsminister muss in diesem
Themenbereich eine besondere Integrität an den Tag le-
gen. Er muss sich an dem messen lassen, was er interna-
tional fordert, auch bezogen auf sein persönliches Ver-
halten. Insofern haben Sie ein denkbar schlechtes
Beispiel abgeliefert, Herr Niebel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718327900

Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die

Fraktion der FDP unser Kollege Patrick Döring. Bitte
schön, Kollege Patrick Döring.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1718328000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Niebel! Geschätzte Kolleginnen und Kol-
legen, ein schlechtes Beispiel für gute Debattenkultur
und demokratische Auseinandersetzung geben Sie hier
ab; denn Sie gehen in Ihren Beiträgen hier – das gilt ins-
besondere für die Beiträge der Kollegin Hänsel und des
Kollegen Raabe – sehr lax mit der Wahrheit um.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Richtige!)


Deshalb bedanke ich mich zunächst für die Entschuldi-
gung und für die Aufklärung durch den Herrn Bundes-
minister.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Auch andere Kollegen haben es in den letzten Tagen
mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Der von mir
ansonsten hochgeschätzte Kollege Oppermann wird mit
den Worten „Missbrauch des BND für private Zwecke“
zitiert.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: So ist es doch!)


Der Bundesminister hat in seiner ersten Erklärung klar-
gestellt, dass es – zu keinem Zeitpunkt – weder einen





Patrick Döring


(A) (C)



(D)(B)


Auftrag noch überhaupt eine Kommunikation mit dem
Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes über diese
Mitnahme, die durch die Botschaft organisiert wurde,
gegeben hat.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ist der Teppich von alleine hergekommen? – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein fliegender Teppich! Er ist alleine gekommen!)


Hier Missbrauch zu insinuieren, ist eine bewusste Ver-
zerrung der Tatsachen. Sie gehen mit der Wahrheit lax
um, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie wollen hier durch den Begriff „Korruption“, den
Sie permanent im Munde führen, einen Eindruck erwe-
cken, der schlicht falsch ist. Der Kollege Niebel wollte
nach Ende des offiziellen Programms die Zeit nutzen,
die sich dadurch ergeben hat, dass er mit einem Linien-
flugzeug nach Afghanistan geflogen ist. Er wollte einen
Basar besuchen. Davon hat ihm die Botschaft aus Si-
cherheitsgründen abgeraten. Vielen von uns, insbeson-
dere den geschätzten Kollegen aus dem Fachbereich, die
vor mir geredet haben, ist schon mehrfach in anderen
Ländern der Erde, auch in Afghanistan, von der Bot-
schaft empfohlen worden, den Basar nicht zu besuchen.
Er hat daraufhin entschieden, dass er dennoch Mittel-
stand und Handwerk in diesem Land unterstützen und ei-
nen privaten Einkauf vornehmen will.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Weil Sie sich so schön aufregen, will ich Ihnen dazu
etwas sagen.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wir sind keine Schmuggler!)


– Na, das wird sich zeigen. –


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Steuerhinterziehung ist Ihr Markenzeichen, das Markenzeichen der FDP!)


Mir hat ein Kollege ein schönes Bild geschildert: Kolle-
gin Hänsel kam schwer bepackt mit Einkaufstüten von
einer Reise zurück, die sie mit der Delegation des Herrn
Ministers nach Kolumbien unternommen hatte, und ließ
sich das Gepäck von einem Steward der Luftwaffe tra-
gen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Skandal! Aktuelle Stunde!)


Liebe Leute, was wäre denn los, wenn ich anfangen
würde, das als Missbrauch der deutschen Luftwaffe und
aktiven Schmuggel von Gütern aus Kolumbien nach
Deutschland zu bezeichnen? Mit solchen Kleinigkeiten
darf man sich doch gar nicht befassen, liebe Kollegen.
Das ist wirklich abenteuerlich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie alle wissen in Wahrheit ganz genau, dass die Verket-
tung der Umstände zu diesem Einfuhrvergehen geführt
hat.

Jetzt haben sich hier einige Hilfsjuristen mit der Frage
der Nachverzollung befasst. Geschätzte Kolleginnen und
Kollegen, ein Zollvergehen begeht derjenige, der die
Ware einführt. Minister Niebel hat nicht eingeführt.


(Lachen bei der SPD – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber lustig!)


Dennoch hat er seinen Fehler eingestanden und sich ent-
schuldigt, weil das selbstverständlich auf sein Fehlver-
halten zurückgeht.


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie entschuldigen alles! Das ist unglaublich!)


Die Art und Weise, in der Sie hier versuchen, eine
Mücke zu einem Elefanten aufzupumpen, hat mit demo-
kratischer Streitkultur nichts zu tun.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort zur Ministerverteidigung!)


Die Freien Demokraten und Dirk Niebel als Person
haben die deutsche Entwicklungspolitik neu ausgerich-
tet. Das mag Ihnen nicht gefallen. Darüber kann man in
diesem Haus auch kräftig streiten.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine schwache Verteidigungsrede!)


Diese Koalition hat sich aber zum Ziel gesetzt, die Ent-
wicklungspolitik effizienter, erfolgreicher und orientiert
an guter Regierungsführung in der Welt auszurichten.
Das ist auch gelungen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Minister Niebel für diese politische Aufgabe kriti-
siert wird, dann muss er das genauso aushalten, wie es
diese Koalition aushalten muss. Dass Sie aber ganz ge-
zielt mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten den Ein-
druck erwecken wollen, es hätte hier ein Amtsmiss-
brauch und vielleicht sogar ein Skandal stattgefunden,
ist schlicht unverantwortlich, meine lieben Kolleginnen
und Kollegen.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wofür hat sich Minister Niebel denn entschuldigt?)


– Er hat sich dafür entschuldigt, dass er der Botschaft
nicht die klare Anweisung gegeben hat, sie möge darauf
verzichten, den Teppich auf die Reise zu geben, ohne mit
ihm darüber zu sprechen. Das können Sie ihm weiter
vorwerfen.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht zugehört! Er hat einen Fehler gemacht!)


– Er hat sich für weit mehr entschuldigt, weil er den Prä-
sidenten des Bundesnachrichtendienstes ohne sein Zutun
in eine missliche Lage gebracht hat.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Was hätte die Botschaft denn machen sollen?)






Patrick Döring


(A) (C)



(D)(B)


Statt das zu respektieren und sich inhaltlich mit die-
sem Besuch und den fünf weiteren Besuchen des Herrn
Ministers in Afghanistan auseinanderzusetzen, plustern
Sie sich hier auf und erwecken den Eindruck, in
Deutschland sei eine Staatsaffäre passiert. Das Einzige,
was hier passiert ist, ist eine Blamage für die Opposition.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718328100

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Fritz
Rudolf Körper. Bitte schön, Kollege Körper.


(Beifall bei der SPD)



Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1718328200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Dass der Generalsekretär
seinen Minister verteidigt, haben wir alle erwartet. Aber
dass er dies mit solch schwachen Argumenten tut, de-
klassiert ihn außerordentlich.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was war eigentlich im März 2012 in Kabul los? Ein
bundesdeutscher Minister namens Dirk Niebel reiste
nach Kabul und wollte einen Teppich kaufen;


(Zurufe von der FDP und der CDU/CSU: Nein! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/ CSU]: Sie sind ja ein Märchenerzähler! Da waren die Gebrüder Grimm aber viel besser!)


denn er bestellte für den privaten Kauf von Auslegeware
Teppichhändler in die deutsche Botschaft. Die deutsche
Botschaft hat es aber nicht verdient, zum orientalischen
Basar zu werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Grunde genommen zeigt dieses Vorgehen – ich
wollte meine Rede eigentlich sehr ruhig und gelassen
halten –


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Deshalb steht das im Redetext drin!)


die Haltung. Darum geht es mir.


(Patrick Döring [FDP]: Nach Ende des Besuchsprogramms!)


Ich finde, diese Vorgehensweise ist ein Missbrauch der
deutschen Botschaft und der dort Arbeitenden, selbst
wenn das am Ende der Dienstreise war.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Patrick Döring [FDP]: Um Gottes Willen!)


Herr Niebel befand sich auf Dienstreise. Ich glaube, es
gehört zur Vorbildfunktion eines Ministers, dass man

Privates und Dienstliches nicht so kunterbunt vermischt,
wie er es getan hat. Er ist hier seiner Vorbildfunktion ab-
solut nicht gerecht geworden.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist hier keine Karnevalssitzung!)


Ich sage noch etwas zur Haltung, Herr Kollege
Lindner; auch das sollte man schildern. Herr Niebel
hätte seinen Teppich privat transportieren lassen können
wie jeder andere Otto Normalverbraucher. Aber dies ist
dem Minister überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Er
hat abgewartet, wann er beim Transport ein Schnäpp-
chen machen kann. Ich sage: Mit dieser Haltung disqua-
lifiziert sich Herr Niebel selbst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Abwegig! Der Transport kostet weniger als 100 Euro!)


Es geht mir um die Haltung. Diese wird beispiels-
weise auch daran deutlich, dass er den Bundesnachrich-
tendienst in fahrlässiger Art und Weise in die Bredouille
gebracht hat, weil nicht klar gewesen ist, dass es sich um
einen privat gekauften Teppich handelte. Der Bundes-
nachrichtendienst hat den Teppich in der Annahme, er
sei ein Gastgeschenk für die Bundesregierung, transpor-
tiert. Lieber Herr Niebel, auch das beschreibt Ihre Hal-
tung. Sie sind Ihrer Informationspflicht nicht nachge-
kommen. Das muss man deutlich sagen.


(Beifall bei der SPD)


Sie können mich für kleinlich halten. Ich war schon
einmal Mitglied der Bundesregierung.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie sind kleinlich!)


– Ja, das mag sein; aber, lieber Herr Lindner, solange
man Dienstliches und Privates nicht auseinanderhalten
kann, werden wir alle angreifbar,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Leute! Leute!)


weil die Menschen zu Recht sagen: So sind die alle. –
Deswegen hat diese Haltung, die von Herrn Niebel an
den Tag gelegt worden ist, einen großen Schaden an un-
serem politischen System verursacht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Lindner, wenn Sie sehen, wie über diesen
Vorgang in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, wis-
sen Sie, dass es keine Lappalie ist. Ich gebe zu, dass es
auch keine Staatsaffäre ist, aber es ist keine Lappalie.


(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es ist ein Hybrid!)


Man muss wissen, dass dies eine Verhaltensweise wider-
spiegelt.





Fritz Rudolf Körper


(A) (C)



(D)(B)


Es ist letztendlich auch nicht Aufgabe des Fahrers des
Ministers, den privat gekauften Teppich am Flugzeug
abzuholen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber Ulla Schmidt durch die ganze Republik zu ihren Urlaubsorten zu fahren!)


– Sie nennen das Stichwort Ulla Schmidt. Ich erinnere
Sie daran, in welcher gehässigen Art und Weise Sie mit
Ulla Schmidt in der Frage der Nutzung ihres Dienstwa-
gens umgegangen sind. Das war nicht in Ordnung. Das
war schäbig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: War das jetzt in Ordnung oder nicht?)


– Nein, es ist nicht in Ordnung, dass der Fahrer den Tep-
pich abgeholt hat. Das ist nicht seine Aufgabe.

Ich finde, Herr Niebel, dass die öffentliche Kommuni-
kation in dieser Sache sehr läppisch gewesen ist.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ihr geht bei so einer Rede davon aus, dass ihr nicht mehr regieren werdet, oder?)


Ich zitiere Ihren Pressesprecher. Er sagte auf der Presse-
konferenz:

Das ist tatsächlich einfach liegen geblieben, wie so
etwas eben einfach liegen bleiben kann.

Ignoranter kann eine Aussage nicht sein.

Herr Niebel, gehen Sie in sich, denken Sie nach, und
sagen Sie nicht einfach nur, Sie hätten einen Fehler ge-
macht. Das war mehr als ein Fehler. Wie Sie damit um-
gehen, überlasse ich Ihnen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Glaubt er im Ernst, was er gerade gesagt hat? Das glaubt er doch selber nicht!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718328300

Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Florian Hahn.
Bitte schön, Kollege Florian Hahn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1718328400

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Diese Ak-

tuelle Stunde ist so ärgerlich und überflüssig wie der
Fehler, um den es hier geht.

Worüber reden wir? Bundesminister Niebel hat einen
in Afghanistan hergestellten und nicht billigen Teppich
gekauft. Dies ist im Interesse der Menschen und der
Wirtschaft von Afghanistan. Ich begrüße den Kauf daher
ausdrücklich. Ich ermuntere jeden, der nach Afghanistan
oder in andere arme Länder reist, dort Produkte aus loka-

ler Produktion zu kaufen und mit nach Hause zu neh-
men.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Aber nicht mit Kinderarbeit! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Waren Sie dabei, als der Teppich geknüpft wurde?)


Dies ist auch ein Gebot der Glaubwürdigkeit,


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ach! Jetzt auf einmal! Sie kennen sich ja aus!)


wenn wir gleichzeitig die Entwicklung einer örtlichen
Wirtschaft zur Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze an-
mahnen und in der Entwicklungspolitik aktiv unterstüt-
zen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Kritik des Kollegen Raabe, es gehe Bundesminis-
ter Niebel nur um seine persönlichen Bedürfnisse,


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Und um die seiner Partei!)


geht völlig ins Leere. Es wäre für die Menschen in den
Entwicklungsländern ein ganz fatales Ergebnis, wenn als
Folge dieses Vorfalls kein Politiker mehr örtliche Pro-
dukte kaufen würde.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ach was! Man muss sie nur versteuern! Warum denn auch nicht, wenn sie ohne Kinderarbeit hergestellt wurden? – Burkhard Lischka [SPD]: Wie bitte? Das gibt es doch überhaupt nicht!)


Mit Ihrer unsachlichen und diffamierenden Kritik, Herr
Raabe, hätten Sie dieses Ergebnis zulasten der Entwick-
lungsländer zu verantworten.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sind Blutdiamanten am Ende auch noch toll? So argumentieren Sie ja gerade!)


Völlig richtig ist natürlich, dass Transport und Ein-
fuhr privat erworbener Waren korrekt abgewickelt wer-
den müssen.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ja! Das wäre nicht schlecht!)


Dabei dürfen dem Steuerzahler keine Kosten entstehen.
Ich sehe aber nicht, dass die Nutzung des Flugzeugs des
BND solche Kosten verursacht hat.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ach nein? Ist das nach Ihrer Richtlinie so in Ordnung?)


Wäre Bundesminister Niebel mit einer Regierungs-
maschine geflogen, wäre wohl niemand auf die Idee ge-
kommen, zu kritisieren, dass er einen privat erworbenen
Teppich im Gepäck mit nach Hause nimmt. Natürlich
müssen Einfuhrabgaben wie Zölle und Mehrwertsteuer
regelgerecht entrichtet werden. Bundesminister Niebel
hat die diesbezüglichen Fehler eingeräumt, sich ent-
schuldigt und unverzüglich das Verfahren eingeleitet,
um die Einfuhrabgaben nachzuentrichten.





Florian Hahn


(A) (C)



(D)(B)


Sie versuchen, aus einer Mücke einen Elefanten zu
machen. Sie versuchen, einen Fehler, den der Minister
sofort eingeräumt und geheilt hat, künstlich zu einem
Skandal aufzublasen. Einmal mehr scheuen Sie sich
nicht, Ihre parteipolitischen Interessen in den Vorder-
grund zu stellen – des Ansehens unseres Landes und der
politischen Klasse ungeachtet. Wenn Sie bei einer zuge-
gebenermaßen unnötigen, aber in der Substanz geringen
Verfehlung immer gleich ein Teeren und Federn fordern,
dann trägt das in der Bevölkerung nicht zur Stärkung des
Vertrauens in die politische Klasse bei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Uns allen sollte dieser Vorfall eine Lehre sein: Wir
haben peinlichst genau darauf zu achten, privates und
dienstliches Handeln so voneinander zu trennen, dass
alle Regeln eingehalten werden und unser privates Han-
deln nicht der Öffentlichkeit zur Last fällt.

Der Öffentlichkeit zur Last fällt allerdings diese abso-
lut überflüssige Aktuelle Stunde. Sie stiehlt uns wichtige
Zeit, die wir nutzen könnten, um über drängende politi-
sche Themen zu sprechen, und sie löst keine Entwick-
lungsprobleme. Man kann es allerdings auch als gutes
Zeichen werten, dass die Opposition eine Aktuelle
Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Offenbar gibt es
sonst keine Kritik an der Entwicklungspolitik der Koali-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Man merkt, dass Sie noch nie an einer entwicklungspolitischen Debatte teilgenommen haben!)


Angesichts unserer positiven Bilanz ist das auch lo-
gisch. Die Koalition hat mit der Vorfeldreform einen
zentralen Erfolg bei der Schaffung von mehr Kohärenz
und Effizienz erzielt. Wir haben deutlich umgesteuert,
und zwar in Richtung der Förderung nachhaltiger Ent-
wicklung; das heißt, für gute Regierungsführung, für
mehr Bildung und Berufsbildung,


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie kennen sich wirklich überhaupt nicht aus! Das merkt man!)


für die Förderung der Privatwirtschaft in den Entwick-
lungsländern, um Arbeitsplätze zu schaffen, für mehr
Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung, für eine
bessere Ernährungssicherheit und für produktivere
Landwirtschaft.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wer hat Ihnen das denn alles aufgeschrieben?)


In vielen Bereichen wurden die Mittel deutlich gestei-
gert. Diese Bilanz der christlich-liberalen Koalition kann
sich sehen lassen. Davon darf und kann der verunglückte
Kauf eines Teppichs nicht ablenken.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718328500

Letzte Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für

die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau

Dr. Barbara Hendricks. Bitte schön, Frau Kollegin
Dr. Hendricks.


(Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Schauen wir mal, ob das Pharisäertum des Kollegen Körper noch steigerbar ist!)



Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1718328600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wollen wir den Sachverhalt des fliegenden Teppichs des
Herrn Niebel doch einmal unter steuerrechtlichen Ge-
sichtspunkten prüfen:


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Oh! Jetzt kommen wir ins Seminar!)


Herr Niebel hat sich entschieden, nach § 371 der Ab-
gabenordnung eine Selbstanzeige zu erstatten; Frau Kol-
legin Koczy hat darauf schon hingewiesen. Er hat dies
getan, nachdem er von Redakteuren von Spiegel Online
angerufen oder auf andere Weise kontaktiert wurde. Die
Finanzverwaltung wird zu prüfen haben, ob diese Selbst-
anzeige rechtzeitig erfolgt ist oder ob sie nicht doch
– weil der Sachverhalt schon öffentlich war; wenn viel-
leicht noch nicht öffentlich, so doch an anderer Stelle be-
kannt – zu spät erfolgt ist.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ja! Das werden die auch klären! Dafür brauchen wir aber keine Aktuelle Stunde!)


Dieser Sachverhalt wird durch die Finanzverwaltung zu
prüfen sein.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Frau Hendricks ist eine Oberprüfinstanz! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sie ist sogar eine moralische Instanz!)


Wir stellen also fest, dass wir es hier nicht mit einem
bloßen Fehler, sondern zumindest mit dem Versuch der
Steuerhinterziehung zu tun haben. Ob dieser Versuch
vollendet ist, wird die Finanzverwaltung festzustellen
haben.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Abwegig, und Sie wissen, dass das falsch ist!)


– Nein, ich weiß, dass das richtig ist. Man kann tatsäch-
lich Straftaten auch aus Unachtsamkeit begehen. Das ist
zweifellos möglich.


(Patrick Döring [FDP]: Er hat gar nichts eingeführt! Steuerpflichtig ist, wer einführt! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber schwache Reden werden meist absichtlich gehalten!)


Auch wenn es nur Unachtsamkeit gewesen wäre, wäre
möglicherweise trotzdem ein Straftatbestand erfüllt. Ob
er vollendet ist, werden die Finanzverwaltung und in der
Folge die Gerichte klären.





Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)



(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber dafür haben wir doch unabhängige Gerichte und nicht eine Frau Hendricks! Wir haben doch Gewaltenteilung! Sie stellen die Gewaltenteilung auf den Kopf!)


– Ja, wir haben unabhängige Gerichte, sie werden sich
damit auseinandersetzen. Zunächst wird die Finanzver-
waltung prüfen und anschließend möglicherweise die
Staatsanwaltschaft, möglicherweise aber auch nicht.

Es handelt sich hier aber nicht um einen einfachen
Bürger, sondern um einen Bundesminister, und ein Bun-
desminister muss sich im Zweifelsfall eben auch diesem
Parlament und nicht nur der Finanzverwaltung und den
unabhängigen Gerichten stellen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: So ist es! Das hat er auch getan!)


Dies hat er getan, indem er gesagt hat, er habe einen
Fehler begangen, diesen räume er ein und es tue ihm
leid.

Was ist denn zum Beispiel mit einem 14-Jährigen, der
im Supermarkt eine Schachtel Zigaretten klaut,


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Jetzt ist aber gut!)


am Ausgang des Supermarktes erwischt wird und sagt:
„Es tut mir leid“?


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: In der Juristerei nennt man so etwas eine Sachverhaltsquetsche!)


Der Detektiv kann ihn natürlich trotzdem der Straf-
verfolgung überantworten. Ob er dann verurteilt wird, ist
eine andere Frage. Möglicherweise muss er Sozialstun-
den leisten. So etwas in der Art kann folgen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Steuerpflichtig ist, wer einführt!)


– Herr Döring, ich komme gerne auf Sie zurück.

Es ist völlig richtig: „Steuerpflichtig ist, wer ein-
führt“. Hier und heute und auch schon durch die Äuße-
rungen, die Sie bisher öffentlich gemacht haben, tun Sie
aber wirklich etwas, was eines Bundestagsabgeordneten
nicht würdig ist. Sie wollen den Minister exkulpieren,
indem Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bot-
schaft und den Präsidenten des Bundesnachrichtendiens-
tes


(Patrick Döring [FDP]: Überhaupt nicht!)


für etwas verantwortlich machen, was sie wirklich nicht
zu verantworten haben.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Die strafrechtliche Unterstellung wollen wir vermeiden!)


– Entschuldigung, Herr Präsident!


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718328700

Das Wort hat die Frau Kollegin Dr. Hendricks.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1718328800

Vielleicht bekomme ich hinterher ja eine Minute ex-

tra.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Vielleicht sagt sie noch, welche Qualifikation sie hat, um uns dieses Rechtsseminar zu halten! – Gegenruf von der LINKEN: Unerträglich!)


– Herr Lindner, ich erinnere an die Worte des Kollegen
van Aken. Das reicht, was Sie anbelangt. Danke schön.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Sascha Raabe [SPD] an Abg. Dr. Martin Lindner [FDP] gewandt: Das ist die beste Qualifikation, die Sie haben, und alles, was Sie können!)


Sie sagen, derjenige, der einführt, sei derjenige, der
hinterzogen hat. Damit unterstellen Sie doch, dass der
Präsident des Bundesnachrichtendienstes diese Steuer-
hinterziehung begangen hätte. Das können Sie als Abge-
ordneter doch nicht ernsthaft tun.


(Patrick Döring [FDP]: Nein, im Gegensatz zu Ihnen unterstelle ich niemandem etwas! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das Rechtsseminar einer Sozialwissenschaftlerin!)


– Wissen Sie, ich erinnere noch einmal an die Worte des
Kollegen van Aken. Für alle Zuhörer: Er ist der berühm-
teste Eierkrauler dieses Parlaments.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist wirklich arm! Erbärmlich! – Patrick Döring [FDP]: Das ist auch aus Ihrem Munde unparlamentarisch! – Weiterer Zuruf von der FDP: Noch einmal heute show! – Weitere Zurufe der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718328900

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat die

Frau Kollegin Dr. Hendricks.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1718329000

Es ist eben nicht damit getan, dass man sagt: Ich habe

da einen Fehler begangen.

Herr Niebel, haben Sie denn vom Bundesnachrichten-
dienst eigentlich zum Beispiel schon die Transportkos-
ten in Rechnung gestellt bekommen? Die Transport-
kosten sind nämlich genauso wie der Kaufpreis
Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer von
19 Prozent und für die Zollabgabe von 3 Prozent. Also
müssen die Transportkosten zum Warenwert des Tep-
pichs hinzugerechnet werden. Es ist also nicht mit
19 Prozent von 1 000 Euro getan, sondern hinzu kom-
men noch die Transportkosten. Haben Sie die Transport-
kosten entrichtet?





Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Daniel Volk [FDP]: Frau Kollegin, das sind doch sowieso Kosten gewesen!)


Wenn Ihnen der Bundesnachrichtendienst diese Trans-
portkosten nicht in Rechnung stellt, dann müssen Sie
dies als geldwerten Vorteil versteuern. Haben Sie das
schon gemacht?

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre strafbe-
freiende Selbstanzeige möglicherweise gar nicht strafbe-
freiend ist, weil sie nicht vollumfänglich abgegeben
worden ist.


(Beifall bei der SPD)


Hier sind nämlich mehrere Sachverhalte, die Sie allem
Anschein nach auch im Nachhinein nicht beachtet ha-
ben. Dies ist nicht unerheblich für einen Bundesminister.


(Burkhard Lischka [SPD]: Er simst schon mit seinem Steuerberater!)


Es ist in der Tat so: Diese Koalition nimmt für sich in
Anspruch, eine bürgerlich-liberale Koalition zu sein.


(Patrick Döring [FDP]: Sie ist es auch!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718329100

Frau Kollegin, würden Sie bitte zum Schluss kom-

men?


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1718329200

Wäre es möglich, dass Sie einmal darüber nachden-

ken, ob der bürgerliche Anstand noch bei allen von Ih-
nen vorhanden ist?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Da müssten Sie sich zunächst entschuldigen! – Weiterer Zuruf von der FDP: Sie wissen gar nicht, was das ist!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1718329300

Frau Kollegin, wir werden bei allen Debatten darauf

zu achten haben, ob wir alle Begriffe immer so parla-
mentarisch anwenden, um den einzelnen Kollegen je-
weils in der Form anzusprechen, wie es unter Kollegen
immer üblich sein sollte.


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Und zwar nicht unter Genossen, sondern unter Kollegen im Deutschen Bundestag!)


Insofern werden wir noch einmal nachlesen, wie Sie das
formuliert haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer sich nicht anders helfen kann!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde
ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 14. Juni 2012,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.