Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Entwurf einer Verordnungüber die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, HerrDr. Franz Josef Jung.Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeitund Soziales:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bundesregierung hat heute im Rahmen ihrer Kabi-nettsentscheidung eine Anschlussverordnung zur Kurz-arbeit beschlossen, das heißt konkret, dass das Kurz-arbeitergeld, das im Jahr 2010 beantragt wird, für einenZeitraum von maximal 18 Monaten bezogen werdenkann. Für Anträge bis zum 31. Dezember dieses Jahresgilt noch die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeiter-geldes von 24 Monaten. Für Anträge ab 2010 beträgt dieDauer 18 Monate.dbJZrcuAawgsfgtdMdbaKdkRedetIch denke, dass gerade die Entscheidung der Regie-rung, das Kurzarbeitergeld länger zu zahlen, dazu ge-führt hat, dass wir – was den Arbeitsmarkt betrifft – eini-germaßen robust durch diese Krise gekommen sind. Siemüssen bedenken: Die Prognosen lagen bei 5 MillionenArbeitslosen. Ich konnte in meinem ersten Bericht3,229 Millionen Arbeitslose angeben.Allerdings – das muss man deutlich sagen – ist dasnoch keine Trendwende. Wir haben das Tal noch nichtdurchschritten. Die Bundesregierung rechnet mit4,1 Millionen Arbeitslosen, wobei die Sachverständigenuns vor Kurzem mitgeteilt haben, dass die Zahl auch bei4 Millionen oder knapp darunter liegen kglaube, diese Zahlen zeigen, dass es richtig undig ist, die Möglichkeit einer längeren BezugKurzarbeitergeldes für das Jahr 2010 beizube
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322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Herr Bundesminister Dr. Jung, zunächst möchte ich
es ausdrücklich begrüßen, dass das Bundeskabinett
heute die neue Rechtsverordnung zum Bezug des Kurz-
arbeitergeldes beschlossen hat, weil das für die Beschäf-
tigten in den von der Krise gebeutelten Unternehmen un-
seres Landes eine Beschäftigungssicherung bedeutet.
Damit wird eine gute Perspektive für das kommende
Jahr eröffnet.
Für Betriebe, die ab dem 1. Januar 2010 Kurzarbeiter-
geld neu beantragen, ist eine Laufzeit von 18 Monaten
möglich. Bedeutet diese Festlegung, dass die Bundes-
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Die nächste Frage stellt die Kollegin Jutta Krellmann.
Guten Tag, Herr Minister! Meine Frage ist: Wieso hat
die Bundesregierung die Höchstdauer für den Bezug von
Kurzarbeitergeld nicht bei zwei Jahren belassen? Ich
persönlich erlebe, dass viele Betriebe, insbesondere im
Maschinen- und Anlagenbau, noch aus ihrer Auftrags-
lage aus Zeiten der Hochkonjunktur schöpfen und das
Tal der Tränen praktisch noch vor sich haben. Sie wer-
den erst im nächsten Jahr überhaupt in die Situation
kommen, Kurzarbeit anzumelden.
Warum belässt man die maximale Bezugsdauer nicht
bei zwei Jahren? Kein Betrieb meldet freiwillig Kurz-
arbeit an, sondern er meldet dann Kurzarbeit an, wenn
keine Arbeit da ist. Sobald wieder Arbeit vorhanden ist,
ist das Erste, das im Betrieb gemacht wird, die Kurz-
arbeit wieder abzumelden und alle voll arbeiten zu las-
sen. Das liegt im Interesse von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern, weil die Kurzarbeit für Arbeitnehmer
Einkommensverluste bedeuten.
Die Frage ist noch einmal ganz klar: Wieso kann die
Bezugsdauer nicht weiterhin zwei Jahre betragen, statt
eine Entwicklung vorwegzunehmen, die man noch gar
nicht kennt?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
und Soziales:
Frau Kollegin, ich denke, Sie müssen sich schon die
Zahlen anschauen, die sich von Jahr zu Jahr verändern.
Im Jahre 2009 haben wir entschieden, den Bezug von
Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verlängern. Für das
Jahr 2010 haben wir jetzt entschieden, den Bezug auf
18 Monate zu befristen. Im Jahre 2009 – das habe ich ge-
rade gesagt – wird beim Wachstum mit einem Minus von
fast 5 Prozent gerechnet, während für das Jahr 2010 ein
Plus von 1,2 Prozent geschätzt wird. Hier gibt es eine
Veränderung. Wir dürfen nicht zu Dauersubventionen
kommen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die
Menschen wieder in Vollbeschäftigung kommen.
Wenn sich die Rahmenbedingungen positiv verän-
dern, gerade auch beim wirtschaftlichen Wachstum,
dann ist die Einschätzung richtig, die Bezugsdauer auf
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Das Wort hat die Kollegin Anette Kramme.
Herr Minister, wird es im Jahr 2011 bei der Durchfüh-
ung von Kurzarbeit noch Entlastungen bei den Sozial-
bgaben geben?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
nd Soziales:
Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade vorgetragen,
ass für das Jahr 2010 Entlastungen bei den Sozialabga-
en vorgesehen sind. Es ist per Gesetz beschlossen, dass
iese Regelung bis zum 31. Dezember 2010 gilt. Wir
üssen uns die weitere Entwicklung anschauen. Wir
üssen die entsprechenden Daten, beispielsweise der
rühjahrsprognosen, konkret ins Blickfeld nehmen, um
estzustellen, ob gegebenenfalls eine zusätzliche Unter-
tützung notwendig ist. Wir gehen derzeit davon aus,
ass diejenigen, die im Jahr 2010 eine Unterstützung bei
en Sozialabgaben beantragen, diese im Jahr 2010 erhal-
en. Das ist mit dem Übergang ins Jahr 2011 nach heuti-
em Stand nicht mehr gegeben. Ich sage aber noch ein-
al: Wir müssen dies meines Erachtens Mitte des Jahres
010 auf den Prüfstand stellen und die weitere Entwick-
ung ins Blickfeld nehmen.
Eine weitere Frage zu diesem Themenbereich stellt
un die Kollegin Brigitte Pothmer.
Herr Minister, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie iniesem Themenfeld noch fachfremd sind.
s nützt jedoch nichts, den Versuch zu unternehmen,ragen, die ich stelle, nicht zu beantworten. Sie könnenich nämlich darauf verlassen: Ich frage einfach immerieder.Sie haben in Ihrer Antwort auf die Bedeutung derualifizierung der Beschäftigten für die wirtschaftlichentwicklung in Deutschland hingewiesen. Sie haben dieefizite, die wir in Deutschland insbesondere in diesemereich haben, zuerkannt. Vor dem Hintergrund dieserrkenntnis frage ich Sie: Warum haben Sie nicht we-igstens die entsprechenden Anreize, die schon einmal
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324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Brigitte Pothmerbestanden haben und geeignet sind, diese Defizite auszu-räumen, wieder ins Gesetz aufgenommen?Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeitund Soziales:Wenn Sie mich schon so ansprechen, will ich Sie da-rauf hinweisen: Wir reden jetzt über eine Verordnung,nicht über ein Gesetz. So viel zur Frage des Sachver-stands.
Eine zweite Feststellung: Wir haben innerhalb derKoalition vereinbart, dass wir uns im Hinblick auf Wei-terbildung die Dinge genauer anschauen wollen, um hiergegebenenfalls nachzujustieren. Man muss die unter-schiedlichen Entwicklungen betrachten. Wenn Sie sicheinmal mit den Unternehmen auseinandersetzen, dannwerden Sie sehen, dass die Kurzarbeitsregelungen sehrunterschiedlich angewandt werden, auch im Hinblickauf den zeitlichen Umfang. Eine auf längere Zeit ange-legte Weiterbildung ist deshalb nicht immer passend.Man muss sich schon sehr konkret auf die einzelneSituation beziehen.Wir haben damals in der Großen Koalition die Ent-scheidung getroffen, dass bei einer Weiterbildung dievollen Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden.Hier ist also ein zusätzlicher Anreiz geschaffen worden.Wie gesagt: Wir werden uns den Punkt genauer an-schauen, um hier gegebenenfalls nachjustieren zu kön-nen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Peter Weiß.
Frau Kollegin Pothmer, man kann sich auch ohne
Sprechzettel in der Gesetzesmaterie auskennen. Das hat
Herr Bundesminister Dr. Jung soeben hervorragend un-
ter Beweis gestellt.
Herr Bundesminister Dr. Jung, ich beziehe mich auf
Ihre Antwort auf die Frage der Kollegin Pothmer. Ist es
richtig, dass es dringend notwendig war, eine Rechtsver-
ordnung des Bundeskabinetts zu erlassen, weil nur so die
gesetzliche Befristung des Kurzarbeitergeldbezugs auf
sechs Monate aufgehoben und die Frist verlängert wer-
den kann? Ist es auch richtig, dass die Frage der Freistel-
lung von den Sozialversicherungsbeiträgen bzw. der Er-
stattung der Beiträge in vollem Umfang durch die
Bundesagentur für Arbeit nicht über eine Rechtsverord-
nung geregelt werden kann? Wir haben in einem Gesetz,
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Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
nd Soziales:
Lieber Kollege Weiß, das kann ich nur mit Nachdruck
nterstreichen. Ich habe mit den Betroffenen darüber ge-
prochen, und das kam immer wieder sehr deutlich zum
usdruck. Wir haben ja jetzt die Regelung, dass wir im
rsten halben Jahr die Hälfte der Sozialversicherungsbei-
räge und ab dem siebten Monat die gesamten Sozialver-
icherungsbeiträge erstatten. Das ist für ein Unterneh-
en meist der Hauptgrund, sich letztlich doch für
urzarbeit zu entscheiden und die Menschen nicht in die
rbeitslosigkeit fallen zu lassen.
Deshalb, glaube ich, ist es in beiderseitigem Interesse;
s ist sinnvoll und geboten. Es ist im Interesse des Be-
riebes, dass die Arbeitnehmer dem Betrieb auch in Zu-
unft mit ihrer Qualifizierung voll zur Verfügung stehen,
nd es ist im Interesse der Arbeitnehmer, dass sie nicht
n die Arbeitslosigkeit fallen. Deshalb halte ich es für
ichtig, dass diese gesetzliche Regelung bis zum 31. De-
ember nächsten Jahres gilt. Ich habe ja gesagt: Wir
üssen Mitte des Jahres noch einmal überprüfen, inwie-
ern es gegebenenfalls weiteren Bedarf gibt. Diese Rege-
ung trägt aber entscheidend dazu bei, dass die Men-
chen in Kurzarbeit bleiben.
Kollege Weiß, da Sie ein erfahrener Kollege sind,ehme ich jetzt Ihre Frage zum Anlass, alle Kolleginnennd Kollegen darauf hinzuweisen, dass wir in der Befra-ung der Bundesregierung und in der Fragestunde davoneben, dass wir Fragen stellen, die mit einem Fragezei-hen enden und sich nicht über mehr als drei Minuten er-trecken. Das gibt uns die Möglichkeit, möglichst viele
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 325
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Vizepräsidentin Petra PauFragen zu stellen und natürlich auch möglichst vieleAntworten zu hören.
Das Wort hat der Kollege Ullrich Meßmer.
Ich will versuchen, diese Anregung gleich aufzugrei-
fen. – Herr Minister, ich habe eben sehr wohl zur Kennt-
nis genommen, dass Sie planen, im nächsten Jahr anhand
einiger Kriterien zu überprüfen, ob diese Regelung ver-
längert werden soll. Ich habe das jetzt so verstanden
– das muss ich als Frage formulieren –, dass Sie dabei
allgemeine wirtschaftliche Zahlen zugrunde legen wol-
len. Werden die Zahlen der allgemeinen wirtschaftlichen
Entwicklung die einzige Grundlage bei der Überprüfung
oder Veränderung der Regelungen zur Kurzarbeit sein,
oder könnten zum Beispiel auch strukturelle Argumente
oder Gesichtspunkte des Arbeitsmarktes dabei berück-
sichtigt werden? Wenn weitere Punkte berücksichtigt
werden, spielen dann auch Qualifikationsgesichtspunkte
in Ihren persönlichen Überlegungen eine Rolle, um auch
an die Zukunft der jungen Menschen zu denken?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
und Soziales:
Ich denke, ob es solche Überprüfungsnotwendigkei-
ten gibt, hängt nicht nur vom wirtschaftlichen Wachstum
ab. Ich will Ihnen auch sagen: Natürlich muss man
schauen, wie sich das in den unterschiedlichen Industrie-
zweigen auswirkt. Das heißt konkret: Wir haben heute
im verarbeitenden Gewerbe eine wesentlich andere Ent-
wicklung als beispielsweise in den Bereichen Gesund-
heit, Pflege und Weiterbildung. Das sind Punkte, die
man bei der Gesamtabwägung berücksichtigen muss;
denn letztlich – auch das will ich sagen; ich bin ja vorhin
nach den finanziellen Aspekten gefragt worden – ist es
immer noch sinnvoller, in Arbeit zu investieren als in
Arbeitslosigkeit. Deshalb muss man diese Fragen Mitte
des Jahres auf den Prüfstand stellen, um gegebenenfalls
zu entsprechenden Entscheidungen zu kommen.
Die nächste Frage stellt der Kollege Heinrich Kolb.
Herr Minister, Sie haben zu Recht darauf hingewie-
sen, dass in der Verordnung nur die maximal mögliche
Bezugsdauer geregelt ist und dass die tatsächliche Inan-
spruchnahme von Kurzarbeit durch die Betriebe davon
zu unterscheiden ist. Gibt es in Ihrem Haus Zahlen dazu,
wie lang die Kurzarbeitsphasen in den Unternehmen tat-
sächlich sind? Das heißt, ist eine Dauer von mehr als
sechs Monaten in der jetzigen Wirtschaftslage die Regel,
oder ist das eher die Ausnahme?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
und Soziales:
Es gibt diesbezüglich Untersuchungen. Die Kurzar-
beitsphasen dauern zum Teil bis zu drei Monate, zum
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ass die Neuregelung nur die Möglichkeit biete, für
8 Monate Kurzarbeitergeld zu bekommen, während
ies nach der alten Regelung für bis zu 24 Monate mög-
ich war. Haben Sie Erkenntnisse über die Betriebe, die
nsgesamt für 24 Monate Kurzarbeit beantragt haben?
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeit
nd Soziales:
Für bis zu 24 Monate hat nur ein sehr geringer Teil
er Betriebe Kurzarbeit beantragt. Ich habe dem Kolle-
en Kolb gesagt, dass ich ihm die Einzelaufschlüsselung
och gebe.
Es wird – das will ich noch sagen – oft vergessen,
ass die Kurzarbeiterregelung, auch wenn wir die So-
ialversicherungsbeiträge übernehmen, sowohl die Be-
riebe als auch die Arbeitnehmer etwas kostet; aber na-
ürlich ist das immer noch besser als Arbeitslosigkeit.
ie Betriebe nehmen die Möglichkeit der Kurzarbeit
ber nicht länger in Anspruch als es zwingend notwen-
ig ist. Was der Kollege Weiß vorhin angesprochen hat,
st natürlich zutreffend. Durch die volle Entlastung bei
en Sozialversicherungsbeiträgen – nach 7 Monaten –,
aben wir eine zeitliche Perspektive eröffnet; aber die
usschöpfung von insgesamt 24 Monaten geht, wenn
ch es richtig im Kopf habe, gegen null.
Die Kollegin Jutta Krellmann hat das Wort zu einer
eiteren Nachfrage.
Ich habe noch eine Nachfrage zur Dauer. Wenn dieundesregierung sieht, dass der Bedarf, Kurzarbeit an-umelden, branchenabhängig ist, wieso hat sie dann imahmen der Anschlussregelung nicht ermöglicht, dassntsprechend entschieden werden kann: dass eine Bran-he, die Kurzarbeit braucht, diese bekommt und Bran-hen, die sie nicht brauchen – zum Beispiel, wie Sieelbst gesagt haben, das Gesundheitswesen –, keine Ge-ehmigung für zwei Jahre Kurzarbeit bekommen?Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister für Arbeitnd Soziales:Frau Kollegin, wo Kurzarbeit nicht zwingend not-endig ist, wird sie gar nicht beantragt; denn Kurzarbeitostet, wie ich gerade gesagt habe, sowohl die Betriebels auch die Arbeitnehmer etwas. Umsonst ist Kurzarbeitedenfalls nicht. Deshalb glaube ich, dass Kurzarbeiticht beantragt wird, wenn das nicht geboten ist. Esommt auf die entsprechende Notwendigkeit an.Letztlich – das ist doch das Ziel, das man nicht ausem Auge verlieren darf – geht es darum, einen Beitragu leisten, dass die Menschen in Arbeit bleiben und nicht
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungin die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Ich denke, dassollte unser gemeinsames Interesse sein. Ein entschei-dender Faktor dafür, dass wir durch diese größte Wirt-schafts- und Finanzkrise, die die BundesrepublikDeutschland je erlebt hat, bisher, was den Arbeitsmarktanbetrifft, einigermaßen robust durchgekommen sind, istneben anderen Faktoren die Kurzarbeit. Deshalb halteich es für geboten, dass wir, weil wir durch das Tal nochnicht hindurch sind, den Zeitraum, für den man Kurz-arbeit anmelden kann, auf 18 Monate festlegen.
Weitere Fragen zu diesem Themenbereich liegen mir
nicht vor.
Gibt es Fragen zu anderen Themenbereichen der heu-
tigen Kabinettssitzung? – Bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Der hier anwesende
Staatssekretär Otto hat laut Tickermeldungen die beab-
sichtigte Einflussnahme des Ministerpräsidenten Koch
auf die am Freitag anstehende Entscheidung über die
Neubesetzung des Chefredakteurpostens beim ZDF zu
Recht kritisiert.
Daran schließen sich meine Fragen an, ob die Bun-
desregierung diese Bewertung teilt, denn aus unserer
Sicht wird dadurch die Unabhängigkeit des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks insgesamt in der Tat infrage ge-
stellt, und welche konkreten Maßnahmen seitens der
Kanzlerin und seitens des Beauftragten für Kultur und
Medien ergriffen worden sind oder ergriffen werden, um
einen solchen Sündenfall zu verhindern, zumal der
Staatsminister im Verwaltungsrat ja auch mit Sitz und
Stimme vertreten ist.
Zur Beantwortung steht der Staatsminister bei der
Bundeskanzlerin Eckart von Klaeden zur Verfügung, der
auch für die Bund-Länder-Koordination zuständig ist.
Sie haben das Wort.
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Herr Kollege, ungeachtet der Wertungen in Ihrer
Frage kann ich Ihnen mitteilen, dass der von Ihnen ange-
sprochene Sachverhalt in der Kabinettssitzung keine
Rolle gespielt hat.
Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen an die
Bundesregierung? – Herr Kollege Oppermann.
Sehr geehrter Herr Staatsminister von Klaeden, mit
der Antwort kann man sich nicht zufriedengeben. Die
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Es ist der Bundesregierung unbenommen, zu ent-cheiden, was sie beantwortet. Richtig ist aber: In unse-er Geschäftsordnung steht, dass in der Regierungsbefra-ung zuerst ein Mitglied der Bundesregierung fünfinuten lang zu einem selbst gewählten Thema vorträgt,ass dann vorrangig Fragen dazu gestellt werden und an-
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328 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Vizepräsidentin Petra Pauschließend nach weiteren Themen der an diesem Tagstattgefundenen Kabinettssitzung gefragt werden kann.Ich hatte, weil das in unserer Geschäftsordnung vor-gesehen ist, ausdrücklich danach gefragt, ob es sonstigeFragen an die Bundesregierung gibt. Das war eine solchesonstige Frage. Das heißt natürlich noch lange nicht,dass die Bundesregierung die Frage sozusagen zur Zu-friedenheit der Fragesteller beantworten muss. Das liegtdann in ihrem Ermessen.Eine weitere Frage ist in diesem Bereich jetzt nichtmehr möglich, Kollege Beck.Ich beende die Regierungsbefragung und rufe Tages-ordnungspunkt 2 auf:Fragestunde
– Drucksachen 17/48, 17/54 –Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlicheFrage auf Drucksache 17/54 des Kollegen Volker Beckauf:Welches Land hat für den Hasssänger Sizzla alias MiguelCollins ein Visum ausgestellt, und warumwird die Einreise nach Deutschland oder in den Schengen-Raum anders als nach Großbritannien nicht verhindert, ob-wohl Sizzla 2008 im Schengen-Informationssystem zurNichteinreise ausgeschrieben wurde und ent-sprechend die Einreise nach Deutschland dann auch miss-lang?Sie betrifft den Geschäftsbereich des Bundesministe-riums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parla-mentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfü-gung. – Bitte, Herr Staatssekretär.D
Die Französische Republik hat Herrn Collins am
23. September 2009 ein Schengen-Visum erteilt. Für den
Zeitraum ab dem 9. Oktober 2009 waren und sind zahl-
reiche Auftritte von Herrn Collins in verschiedenen
europäischen Staaten vorgesehen. Die Zuständigkeit für
allgemeinpolizeiliche und ordnungsbehördliche Maß-
nahmen im Zusammenhang mit Konzertveranstaltungen
liegt bei den Ländern. Daher hat das Bundesministerium
des Innern die Innenressorts der betreffenden Länder
nochmals gebeten, notfalls durch ordnungsbehördliche
Maßnahmen sicherzustellen, dass kein strafbewehrtes
Liedgut vorgetragen wird. Dadurch werden die Belange
der öffentlichen Sicherheit auch weiterhin angemessen
gewahrt. Das Bundesministerium des Innern wird die
Wirksamkeit dieser Maßnahmen genau beobachten.
Auch ist zu berücksichtigen, dass Herr Collins den
Reggae Compassionate Act, eine Art freiwillige Grund-
satzerklärung der Reggae-Repräsentanten, für einen res-
pektvollen und toleranten Umgang unterzeichnet hat und
polizeilichen Erkenntnissen bei zurückliegenden Kon-
zerten unter anderem in Budapest und Den Haag im Jahr
2008 zufolge keine Liedtexte mit strafrechtlich relevan-
tem Inhalt bekannt geworden sind. Ich bitte auch um
Verständnis, dass die Bundesregierung zu Einzelmaß-
nahmen der Länder nicht Stellung nehmen kann.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ir stellt sich folgende Frage: Muss in die Bewertung
icht einfließen, dass jemand, der in seinem Liedgut zu
traftaten aufruft, in Deutschland eine Straftat begehen
ürde, wenn er es hier täte, und wäre das nicht visums-
elevant? Herr Kollege Beck hat darauf hingewiesen,
ass auch die aktuellen Liedtexte dieses Sängers, die
ach 2007 veröffentlicht wurden, Mordaufrufe enthal-
en. Damit ist doch die Wahrscheinlichkeit hinreichend
egeben, dass er solche Liedtexte auch auf seiner Tour-
ee in Deutschland singt. Allein der Hinweis, dass er das
isher auf anderen Konzerten in Europa nicht getan hat,
rhöht nicht die Wahrscheinlichkeit, dass er das auch in
eutschland nicht tut.
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Ich möchte jetzt nicht diesen Einzelfall en detail
urchdeklinieren. Dazu müssten wir sämtliche Informa-
ionen haben. Wir müssen aufpassen, dass wir das Recht
uf informationelle Selbstbestimmung beachten. Wenn
ich jemand in der Vergangenheit an die Gesetze in
uropa gehalten und solche Liedtexte nicht gesungen
at, dann ist das ein allgemeiner Anhaltspunkt dafür,
ass er das auch zukünftig nicht tun wird. Umgekehrt
ilt auch: Wenn jemand solche Platten aufnimmt, dann
st das ein Anhaltspunkt dafür, dass er sich unter Um-
tänden nicht an die Gesetze hält. Das muss abgewogen
erden. Es geht hier um eine Einzelfallentscheidung.
Noch einmal: Die Einstellung in das Schengener In-
ormationssystem ist ein sehr weitreichender Schritt.
as gilt nicht nur für Konzertreisen, sondern für alle pri-
aten Reisen. Deshalb muss genau beachtet werden, ob
as verhältnismäßig ist oder nicht.
Ich finde, wir sollten diese Diskussion in allen Berei-
hen führen. Das gilt für alle Hassprediger, für alle Hass-
änger. Schauen Sie sich an, was nicht nur in manchen
eggaetexten, sondern vor allen Dingen auch in manch
nderen Texten steht. Wir sollten zukünftig viele Berei-
he beobachten, nicht nur Reggaemusiker, sondern auch
ndere Musiker, die in ihren Texten beispielsweise zur
ewalt gegen Frauen aufrufen. Wir sollten insgesamt die
iskussion darüber führen, welche Maßstäbe hierfür
elten und zu welchen Konsequenzen das führen muss.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwor-ung der dringlichen Frage.Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beant-ortet worden ist, rufe ich jetzt die Fragen aufrucksache 17/48 in der üblichen Reihenfolge auf.Die Frage 1 des Kollegen Volker Beck zur Be-ennung von Erika Steinbach als Stiftungsratsmitglied
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330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Vizepräsidentin Petra Pauder Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wirdschriftlich beantwortet. Das entspricht Nr. 2 Abs. 2 unse-rer Richtlinien für die Fragestunde. Das heißt, diesesThema wird in einem anderen Tagesordnungspunkt derSitzungswoche behandelt.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Aus-wärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht dieStaatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Wolfgang Gehrckeauf:Wird die Bundesregierung bei der gemeinsamen deutsch-israelischen Kabinettssitzung am Montag, dem 30. November2009, die israelische Regierung nachhaltig zu einem Baustoppin den besetzten palästinensischen Gebieten auffordern?Bitte, Frau Staatsministerin.C
Bei Begegnungen mit israelischen Regierungsmit-
gliedern, so auch am 30. November 2009, wenn die
zweiten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen,
wie Sie wissen, in Berlin stattfinden, stehen im Rahmen
des Nahostfriedensprozesses diese Fragen ständig auf
der Tagesordnung. Zuletzt war dies der Fall bei dem
Gespräch von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit
Ministerpräsident Netanjahu am 27. August 2009 in
Berlin sowie bei den Gesprächen des Bundesministers
des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, bei seinem
Besuch in Israel am 23./24. November. Die Position der
Bundesregierung zum Siedlungsbau ist bekannt und gilt
fort. Die Fortsetzung des Siedlungsbaus widerspricht
den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen
und erschwert eine verhandelte Endstatuslösung. Die
Bundesregierung und ihre europäischen Partner haben
regelmäßig verdeutlicht und werden das auch in Zukunft
tun, dass sie die Fortsetzung des Siedlungsbaus ableh-
nen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herzlichen Dank für Ihre Antwort, Frau Staatsminis-
terin. Ich habe mit Interesse gelesen, dass der Außenmi-
nister in Israel gesagt hat, um es wörtlich zu zitieren,
dass die Regelungen zum Siedlungsbau Teil der
Roadmap bleiben. Das war nie bestritten. Die Roadmap
ist abgeschlossen. Die Frage ist, was die Bundesregie-
rung zu tun gedenkt, um Israel zu bewegen, sie einzuhal-
ten. Das ist der Punkt, um den die Auseinandersetzungen
gehen.
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Bundesminister Westerwelle hat sich mehrmals dazu
geäußert. Er hat unter anderem während seiner Reise
auch geäußert, dass es um die Siedlungspolitik gehen
wird, die auch Thema der Gespräche der amerikanischen
Außenministerin gewesen ist und die natürlich auch in
der Nahostpolitik eine große Rolle spielt. Er hat sich zur
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Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Rolf
ützenich das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Im Zusammenhang
it den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen,
ie ja hier angesprochen worden sind, würde ich gerne
och einmal nachfragen, ob Sie sich – weil die Bundes-
anzlerin ja gesagt hat, dass der Einsatz im Rahmen des
NIFIL-Mandats im Interesse der israelischen Sicher-
eit ist, und die Gesprächspartner in Israel uns nahege-
egt haben, den Beitrag doch so lange aufrechtzuerhal-
en, wie das Mandat des Sicherheitsrates gilt – zu einer
orrektur Ihrer Mandatsentscheidung entschließen
önnten.
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Sie wissen, dass wir zu diesem Thema noch im Deut-
chen Bundestag debattieren werden. Deswegen will ich
n dieser Stelle den Äußerungen des Bundesaußenminis-
ers und der Bundeskanzlerin nicht vorgreifen.
Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Paul Schäfer werdenchriftlich beantwortet.
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332 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Vizepräsidentin Petra PauIch rufe die Frage 6 des Kollegen Tom Koenigs auf:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um sich fürmenschenwürdige Haftbedingungen und einen legalen Statusder Häftlinge im Militärgefängnis Bagram, Afghanistan, undim neu eingerichteten Gefängnis Parwan, Afghanistan, einzu-setzen, und hat die Bundesregierung vor, entsprechende Initia-tiven im UN-Menschenrechtsrat vorzubringen?Sie haben das Wort, Frau Staatsministerin.C
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte die
Frage für die Bundesregierung wie folgt: Nach Kenntnis
der Bundesregierung beabsichtigt die Regierung der Ver-
einigten Staaten von Amerika im Zusammenhang mit
dem Neubau des Gefängnisses Parwan und der Verle-
gung der Gefangenen in dieses neue Gefängnis, die bis
Ende dieses Jahres abgeschlossen sein soll, Lage und
Rechte der Insassen zu verbessern.
Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wie-
derholt gegenüber der US-Administration deutlich ge-
macht, dass der internationale Terrorismus entschlossen
bekämpft werden muss, dabei aber rechtsstaatliche
Grundsätze und völkerrechtliche Verpflichtungen einge-
halten werden müssen. Diese Haltung wird die Bundes-
regierung auch weiterhin gegenüber der US-Administra-
tion vertreten.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Frau Staatsministerin, wie steht die Bundesregierung
zur Einbeziehung der afghanischen Justiz in die rechts-
staatliche Behandlung von Gefangenen bisher in Bagram
und künftig in Parwan?
C
Die afghanische Regierung hat deutlich gemacht, dass
sie in dieser Frage aktiv werden will und sich letztend-
lich auch verpflichtet sieht, zukünftig diese Aufgabe zu
übernehmen. Das ist Ihnen ja bekannt. Ich denke, dass
man weiterhin in Gesprächen, auch mit der amerikani-
schen Regierung, daran arbeiten sollte, das zu vollzie-
hen.
Kollege Koenigs, Sie haben das Wort zu einer zwei-
ten Frage.
Das begrüße ich ausdrücklich. – Glauben Sie, dass
sich die Bundesregierung eventuell auch bereit erklären
würde, nicht abschiebefähige Häftlinge im Rahmen ei-
nes Asylverfahrens zu übernehmen?
C
Dazu gibt es noch keine Klärung, wie Sie wissen.
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eswegen kann ich dazu auch keine Aussage machen.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Koenigs auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Afgha-
nistan Independent Human Rights Commission, AIHRC, dem
High Commissioner for Human Rights und anderen interna-
tionalen Menschenrechtsorganisationen Zugang zu den Ge-
fangenen in beiden Gefängnissen zu verschaffen?
Sie haben immer noch das Wort, Frau Staatsministe-
in.
C
Die Antwort auf die Frage des Kollegen Koenigs lau-
et: US-Präsident Barack Obama hat den Auftrag erteilt,
ie Haftbedingungen und die rechtliche Stellung von
errorverdächtigen in Gefängnissen außerhalb der Verei-
igten Staaten von Amerika zu prüfen. Nach Auffassung
er Bundesregierung schließt dieser Prüfauftrag auch
en Zugang unabhängiger Menschenrechtsorganisatio-
en zu den Gefängnissen ein.
Ihre erste Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Hat die Bun-
esregierung die Vertreter der USA auch darauf hinge-
iesen, dass die Afghanistan Independent Human
ights Commission ein Recht darauf hat, die Gefange-
en zu besuchen?
C
In der Tat ist es so, dass es zu den Aufgaben der ame-
ikanischen Regierung gehört, zu prüfen, ob Menschen-
echtsorganisationen Zugang zu den Gefangenen haben.
as Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat bereits
ugang. Wir sehen es so, dass die Prüfung in unserem
nteresse vorankommt.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Vielen Dank. – Glauben Sie nicht, dass eine Initiative
er Bundesregierung in dieser Angelegenheit einen Bei-
rag zur Prüfung durch die Regierung der Vereinigten
taaten liefern könnte?
C
Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregie-ung diesen Vorgang weiterhin aktiv verfolgen wird. Sieat großes Zutrauen in die Zusagen von Präsidentbama in dieser Sache.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 333
)
)
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Andrej Hunko auf:
Welche Bedeutung misst die Bundesregierung einer fairen
und freien Parlamentswahl in Afghanistan im Sommer nächs-
ten Jahres bei?
Bitte, Frau Staatsministerin.
C
Die Durchführung einer demokratischen Parlaments-
wahl in Afghanistan ist natürlich auch ein zentrales An-
liegen der Bundesregierung. Die glaubwürdige Kon-
trolle der Exekutive kann nur durch ein funktionierendes
Parlament gewährleistet werden. Die Verantwortung für
Planung, Durchführung und Bereitstellung der notwen-
digen Sicherheit für die Parlamentswahl liegt bei der
afghanischen Regierung. Allerdings wird die internatio-
nale Gemeinschaft, wie schon bei den Präsidentschafts-
und Provinzratswahlen am 20. August 2009, den Wahl-
prozess aktiv begleiten und unterstützen. Die Bundes-
regierung beabsichtigt, dabei selbstverständlich einen
substanziellen Beitrag zu leisten.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Sehen Sie denn
in Afghanistan die Voraussetzungen für eine faire und
freie Parlamentswahl im nächsten Jahr als gegeben an?
C
Ich sehe sie als gegeben an. Die Bundesregierung
wird alles daransetzen, sie mit konkreten Maßnahmen zu
unterstützen. Sie wissen, dass sich die Bundesregierung
seit 2008 über das Auswärtige Amt und das Bundes-
ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung an den Wahlvorbereitungen beteiligt, dass
die finanzielle und technische Unterstützung über
UNDP/ELECT erfolgt und die Bundesregierung den
Wahlprozess 2008 mit 10 Millionen US-Dollar unter-
stützt hat und ihn 2009 mit 12 Millionen US-Dollar un-
terstützt. Ich glaube, dass diese Unterstützungsmaßnah-
men letztendlich dazu beitragen werden, dass der
Demokratisierungsprozess in Afghanistan voranschrei-
tet.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Vielen Dank. – Ist die Bundesregierung bereit, die na-
tionale afghanische Armee bei der kommenden Par-
lamentswahl erneut mit Marder-Schützenpanzern zu
unterstützen, wie sie das auch im Vorfeld der Präsident-
schaftswahlen im letzten Jahr gemacht hat?
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334 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 335
)
)
timmte Position zwischen dem Innen- und dem Justiz-
inisterium, was die Bedingungen für eine Zustimmung
der eine Enthaltung betrifft?
D
Der Verhandlungsprozess ist noch im Gange. Deshalb
önnen wir uns auch noch kein abschließendes Urteil er-
auben. Wir stehen in engem Kontakt mit den Verhand-
ungsführern, der schwedischen Ratspräsidentschaft und
er Kommission. Natürlich wird es eine Ressortabstim-
ung geben, sobald das Verhandlungsergebnis feststeht.
as ist völlig normal.
Wir bleiben bei diesem Thema. Ich rufe die Frage 12es Kollegen Dr. Konstantin von Notz auf:In welcher Form wird sich die Bundesregierung nach densich als schwierig erwiesenen Verhandlungen über das soge-nannte SWIFT-Abkommen zwischen der EU und den USAnun für eine – den innerhalb der EU geltenden datenschutz-rechtlichen Standards gerecht werdende – zukünftige Rege-lung einsetzen, um letztendlich zu verhindern, dass Bankdatenvon Bürgerinnen und Bürgern der EU, zum Beispiel durchWeitergabe an Dritte, missbraucht werden könnten?Bitte, Herr Staatssekretär.
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336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
)
)
D
Die Frage hat letztendlich das zum Inhalt, was wir
eben angesprochen haben. Die Bundesregierung wird
alle ihr nach dem Vertrag von Lissabon zustehenden Ein-
flussmöglichkeiten nutzen, um in einem künftigen Ab-
kommen Regelungen auf dem hohen europäischen
Datenschutzniveau zu erreichen, die einen Datenmiss-
brauch ausschließen.
Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, das steht doch sicherlich auch
nach Ihrem Verständnis in offenem Widerspruch zu den
Aussagen der Justizministerin, die klar gesagt hat, dass
Deutschland dieses Abkommen ablehnen wird.
D
Ich habe andere Informationen. Die Verhandlungen
sind im Gange. Insofern wird sich auch die Justizminis-
terin, genauso wie die gesamte Bundesregierung, noch
kein abschließendes Urteil erlauben. Das ist erst mög-
lich, wenn die Verhandlungen zum Abschluss gekom-
men sind. Morgen findet, wie gesagt, noch einmal eine
Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter statt.
Während des Wochenendes werden sicherlich noch Ge-
spräche geführt. Dann finden auch noch Gespräche im
JI-Rat statt. Jetzt von einer abschließenden Bewertung
zu sprechen und zu spekulieren, wäre nicht seriös.
Ihre zweite Nachfrage.
Erlauben Sie sich denn ein Urteil zu dem gestrigen
Beschluss des Europäischen Parlaments? Es verbittet
sich darin ausdrücklich, dass es einen Tag vor Inkrafttre-
ten des Lissabon-Vertrags, praktisch auf den letzten
Drücker, durch die Hintertür umgangen werden soll, in-
dem man diesen Gesetzentwurf durchschleust.
D
Das ist kein Gesetzentwurf, sondern ein völkerrechtli-
cher Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von
Amerika und der Europäischen Union. Von einer Umge-
hung des Europäischen Parlaments kann überhaupt nicht
die Rede sein, weil es sich nur um ein Interimsabkom-
men handelt. Es wird auch nur über ein Interimsabkom-
men verhandelt. Natürlich wird das Europäische Parla-
ment entsprechende Verhandlungen aufnehmen und die
eigenen Einflussmöglichkeiten geltend machen können.
Danach wird es entscheiden, ob nach Auslaufen dieses
Interimsabkommens – wenn es denn dazu kommt, das
wissen wir noch nicht – ein Nachfolgeabkommen be-
schlossen wird oder das Interimsabkommen ausläuft.
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)
)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
gerade ist die Entschließung des Europäischen Parla-
ments angesprochen worden. Erstens: Haben Sie diese
zur Kenntnis genommen? Zweitens: Wie bewertet die
Bundesregierung die Tatsache, dass das Europäische
Parlament der Ansicht ist, dass die Position des Europäi-
schen Parlaments in den Verhandlungen über ein Dauer-
abkommen, über das nach dem Interimsabkommen ver-
handelt wird, deutlich geschwächt ist, wenn es vorher
ein zwischen der Kommission und der amerikanischen
Regierung vereinbartes Abkommen ad interim gibt?
D
Ich finde, das Europäische Parlament hat völlig recht.
Ein solches Interimsabkommen darf die Position des
Europäischen Parlaments in keiner Weise präjudizieren.
Das Europäische Parlament ist völlig frei, dieses Ab-
kommen, wenn es denn zustande kommt – das ist ja
überhaupt noch nicht sicher –, zu verlängern, Anpassun-
gen vorzunehmen und seinen Einfluss geltend zu ma-
chen, wie es im Lissabonner Vertrag festgeschrieben ist.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max
Stadler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Caren Lay auf:
Plant die Bundesregierung Korrekturen an der nationalen
Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie, um die in den
neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Banken ver-
ankerte verschuldungsunabhängige Haftung von bis zu
150 Euro Selbstbehalt bei Verlust oder Diebstahl der EC-
Karte einzuschränken, und welche Ausnahmen beabsichtigt
die Bundesregierung insbesondere im Falle von Raubopfern
gesetzlich zu fixieren?
Bitte, Herr Staatssekretär.
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Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Tatsächlich
gibt es in Deutschland seit kurzer Zeit, nämlich seit dem
31. Oktober 2009, aufgrund der Umsetzung einer EG-
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338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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zur steuerlichen Behandlung der Kosten des
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)
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340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
)
)
Frau Kollegin Lötzsch, ich darf Ihnen die Entwick-
ung der Zahlen in den Jahren 2006, 2007 und 2008 in
rinnerung rufen. Auch in den Jahren 2006, 2007 und
008 haben sich die Steuereinnahmen von Bund, Län-
ern und Gemeinden infolge der konjunkturellen Im-
ulse, die die Große Koalition gesetzt hat, und des An-
iehens der Konjunktur bis zu einer von niemandem
rognostizierten Höhe entwickelt. Selbstverständlich
ind die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Re-
lwirtschaft jetzt mit Einnahmeverlusten verbunden.
enau deshalb setzt die Bundesregierung mit ihrem
achstumsbeschleunigungsgesetz, das die Koalitions-
raktionen eingebracht haben, jetzt auf Wachstums-
mpulse und auf steigende Steuereinnahmen; sie werden
ann auch den Ländern und den Kommunen zugutekom-
en.
Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin
r. Barbara Höll das Wort.
Herr Staatssekretär, die Proteste von Landesfinanz-inistern resultieren daraus, dass sie den von Ihremaus prognostizierten Zahlen nicht trauen. Bei der ge-lanten Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Ho-el- und Gaststättengewerbe geht die Regierung von Ein-ahmeausfällen in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro aus,andesfinanzminister sprechen von bis zu 4 Milliardenuro. Woraus resultiert diese sehr große Diskrepanz dernnahmen? Sind Sie in der Lage, dem Haus kurz zu er-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 341
)
)
Dr. Barbara Höllklären, warum Sie wesentlich unter den Annahmen derLandesfinanzminister bleiben?H
Frau Kollegin Höll, mir sind derart unterschiedliche
Bewertungen von Landesministern nicht bekannt. Ich
habe an einer Besprechung von Herrn Bundesminister
Schäuble mit Landesfinanzministern teilgenommen. Au-
ßerdem habe ich eine Besprechung mit Staatssekretären
und Leitern der Steuerabteilungen der Länder geleitet.
Auch dort ist über dieses Thema gesprochen worden. Es
wurden aber keine Zahlen genannt, die von den Erwar-
tungen, die im Tableau des Wachstumsbeschleunigungs-
gesetzes zugrunde gelegt sind, derart stark abweichen.
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Alexander Bonde
auf:
Gilt die durch die Verordnung zum Finanzmarktstabilisie-
rungsgesetz festgelegte Begrenzung für Gehalts-, Bonus- und
Dividendenzahlungen an Bankmitarbeiter in vom Sonder-
fonds Finanzmarktstabilisierung durch Eigenkapital oder Ri-
sikoübernahmen gestützten Banken für die gesamte Dauer der
Stabilisierungsmaßnahmen und für alle Mitarbeiter dieser
Banken?
Bitte, Herr Staatssekretär.
H
Herr Kollege Bonde, gemäß § 5 Abs. 2 der Finanz-
marktstabilisierungsfonds-Verordnung sollen den Be-
günstigten von Rekapitalisierungen und Risikoübernah-
men nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz
bestimmte Auflagen zu Vergütungssystemen, zur Vergü-
tung von Organmitgliedern und zur Dividendenpolitik
aufgegeben werden.
Insbesondere soll die Vergütung der Organmitglieder
und der Geschäftsleiter auf ein angemessenes Maß be-
grenzt werden. Der Fonds soll unter anderem darauf hin-
wirken, dass Organmitglieder keine unangemessene Ge-
samtvergütung erhalten, wobei eine monetäre Vergütung
über 500 000 Euro grundsätzlich als unangemessen gilt.
Außerdem sollen für die Dauer der Stabilisierungsmaß-
nahme keine in das freie Ermessen des Unternehmens
gestellten Vergütungsbestandteile einschließlich Bonifi-
kationen, die zu einer unangemessenen Gesamtvergü-
tung führen, gezahlt werden. Der Zusatz „für die Dauer
der Stabilisierungsmaßnahme“ ist bei der genannten
Bestimmung zur Begrenzung der monetären Vergütung
nicht enthalten. Die genannten Bestimmungen gelten,
wie erwähnt, nur für Organmitglieder.
Darüber hinaus soll den begünstigten Unternehmen
aufgegeben werden, die Anreizwirkung und die Ange-
messenheit der Vergütungssysteme für alle Mitarbeiter
zu überprüfen und darauf hinzuwirken, dass sie nicht zur
Eingehung unangenehmer Risiken verleiten sollen, son-
dern an langfristigen und nachhaltigen Zielen ausgerich-
tet und transparent sind. In diesem Sinne unangemessene
Vergütungssysteme oder auch Vergütungsbestandteile
sind im Rahmen der zivilrechtlichen Möglichkeiten zu
beenden. Im Hinblick auf abhängig Beschäftigte sind
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)
)
r wird sich in all seiner Arbeit darauf konzentrieren,
iesen Vertrag einzuhalten.
Wie ich sehe, gibt es dazu keine Nachfrage mehr.
Dann kommen wir zur Frage 24 des Kollegen Markus
urth:
Welche neuen Anforderungen ergeben sich nach Auffas-
sung der Bundesregierung aus dem Art. 6 – Frauen mit Behin-
derungen – der UN-Behindertenrechtskonvention für den „Be-
richt der Bundesregierung über die Lage behinderter
Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ nach § 66
SGB IX, und wie erklärt die Bundesregierung die – im Ver-
gleich zum „Bericht der Bundesregierung über die Lage behin-
derter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ der
15. Wahlperiode – geringe und nicht durchgängige Berück-
sichtigung der Situation behinderter Frauen im aktuellen „Be-
richt der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen
und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ der 16. Wahlperiode?
H
Herr Kollege Kurth, zunächst möchte ich Ihnen füren sehr frühzeitigen Beginn der Diskussion über diesenereich der Behindertenpolitik gleich am Anfang deregislaturperiode danken. Vor Ihnen steht derjenigetaatssekretär, der im Ministerium für solche Fragen zu-tändig ist. Ich werde die Umsetzung der UN-Konven-ion mit großem Nachdruck vorantreiben. Dies möchtech diesem Hause vorab sagen.Mit Art. 6 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonven-ion wird anerkannt, dass Frauen und Mädchen mit Be-inderungen mehrfachen Diskriminierungen ausgesetztind. Die Vorschrift verpflichtet dazu, die Aufmerksam-eit auf diese spezifischen Benachteiligungen zu richtennd ihnen durch entsprechende Maßnahmen entgegen-uwirken.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 347
)
)
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim FuchtelDie besondere Situation behinderter Frauen wird auchim aktuellen Bericht der Bundesregierung, den ich Ihnengerne nachher noch übergeben kann – noch die vorhe-rige Bundesregierung hat ihn vorgelegt –, dargestellt undanalysiert. Darüber hinaus wird die Bundesrepublik inihrem Staatenbericht zu den jeweiligen Themen Stellungnehmen.
Nachfrage, Herr Kollege Kurth.
Vielen Dank. Jetzt weiß ich, an wen ich mich in der
17. Wahlperiode im Bundesarbeitsministerium wenden
kann, wenn ich weiterhin den Eindruck habe, dass mög-
licherweise ein wesentlicher Bereich, nämlich das
Thema „Frauen und Mädchen mit Behinderungen“,
nicht ausreichend berücksichtigt wird.
Haben Sie denn, Herr Staatssekretär, eine Erklärung
dafür, warum im jüngst veröffentlichten Bericht über die
Lage von Menschen mit Behinderungen kaum etwas und
vor allen Dingen nicht durchgängig über die Lage von
Frauen und Mädchen mit Behinderungen steht, wo doch
noch im vorherigen Bericht der 15. Wahlperiode bei den
Themen „Besondere Hilfebedarfe“ über „Zugang zu Ge-
sundheitsdiensten“ bis hin zur „Beruflichen Rehabilita-
tion“ vielfältige Aspekte der geschlechtsspezifischen
Seite angesprochen wurde? Warum ist das diesmal nicht
der Fall?
H
Herr Kollege, dem ist nicht ganz so. Der Bericht ist
sehr umfassend. Deswegen war es Ihnen vielleicht nicht
möglich gewesen, das alles in der ganzen Tiefe zur
Kenntnis zu nehmen.
Ich habe deswegen als Service der Bundesregierung die
Stellen, an denen dazu Stellung genommen wird, schon
einmal markiert, damit Ihnen eine entsprechende Lese-
hilfe zuteil wird.
Weitere Nachfrage?
Offensichtlich haben wir da teilweise unterschiedli-
che Auffassungen. Ich bin jedenfalls der Auffassung,
dass im vorangegangenen Bericht, dem der 15. Wahl-
periode, das Thema „Frauen und Mädchen mit Behinde-
rungen“ systematischer und umfangreicher behandelt
worden ist.
Hat die Bundesregierung denn vor, im Bericht der
17. Wahlperiode, der in den nächsten Jahren anstehen
wird, dieses Thema im Sinne des Gender-Mainstrea-
mings als Querschnittsthema zu berücksichtigen?
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348 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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350 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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as ist mit uns auf diese Weise nicht zu machen. Wir ha-en klare Vorgaben, in welchem Rahmen Mindestlöhneezahlt werden oder nicht; und diese werden eingehal-en. Solange wir regieren, müssen sich alle nach unsereruffassung richten.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 351
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)
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim FuchtelIch darf weiterhin darauf hinweisen, dass für Zeitar-beitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer von den Sozial-partnern ausgehandelte Tarifentgelte nahezu flächende-ckend gelten. Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe derBundesregierung, die Arbeitsbedingungen einschließlichdes Arbeitsentgelts festzulegen. Das ist, mit Verlaub,nach weit verbreiteter Auffassung in diesem Hause dieAufgabe der Sozialpartner. Dass das funktioniert, zeigendie über 50 Jahre hinweg erfolgreichen Sozialpartner-schaften in Deutschland.
Diese sollten wir weiterhin bestehen lassen und fördern.Auf sie sollten wir uns stützen. Die Bundesregierungwürde es allerdings nicht hinnehmen, wenn es sich umsittenwidrig niedrige Löhne handelt.
Frau Zimmermann, haben Sie eine Nachfrage?
Ja, ich habe eine Nachfrage. – Ich möchte Ihnen ein
paar Beispiele nennen. Bei Schlecker haben die Verkäu-
ferinnen 12,80 Euro die Stunde erhalten. Nachdem ihnen
betriebsbedingt gekündigt wurde, wurden sie bei der
Leiharbeitsfirma Meniar eingestellt. Die Verkäuferinnen
erhalten nun 6,50 Euro pro Stunde. Das ist schon ein
großer Unterschied. Finden Sie es richtig, dass durch die
Subventionierung, die Sie über die Aufstockung betrei-
ben, die Steuerzahler, also die Allgemeinheit, für diese
Kosten aufkommen müssen?
H
Ich kann nur sagen, dass auch der Staatssekretär Zei-
tung lesen kann.
Ich nehme deswegen aber noch lange nicht alles, was in
der Zeitung steht, eins zu eins hin. Es gibt vielleicht
noch Rückfragen. Ich verstehe gut, dass Sie als örtlich
betroffene Abgeordnete diesen Fragenkomplex anspre-
chen. Allerdings müssen Sie auch mich verstehen, dass
ich bereits gegebenen Antworten nichts hinzuzufügen
habe.
Ich beende die Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Versöhnen statt provozieren – Das deutsch-
polnische Verhältnis nicht beschädigen
Ich eröffne die Aktuelle Stunde und erteile als erster
Rednerin das Wort der Kollegin Angelica Schwall-
Düren von der SPD-Fraktion.
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treit um Steuerfragen, Streit um Gesundheitsversor-ung, Streit um Kinderbetreuung, Streit auf dem Rückenon Bürgern und Bürgerinnen, die darauf warten, dassiese Regierung Lösungen für die wichtigen Fragen an-ietet. Nun kommt auch noch ein Streit der Koalitionazu, der zulasten unserer guten Beziehungen zu unse-em größten östlichen Nachbarn geht.Wie anders soll man es interpretieren, wenn die Bun-eskanzlerin erklärt, dass sie nicht mehr bereit ist, sicheiter um Kompromisse zu bemühen. Der Außenminis-er legt die aus unserer Sicht richtige Haltung an denag. Er will verhindern, dass Frau Steinbach einen Platzm Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Ver-öhnung“ einnimmt.Es gab eine Zeit, da fand man in der CDU noch Euro-apolitiker, die um die deutsche Verantwortung im Um-ang mit unseren Nachbarn wussten und eine entspre-hende Sensibilität an den Tag legten. Wie verträgt esich aber, wenn die Bundeskanzlerin mit verständnisvol-en Worten am 1. September in Danzig auftritt, wennon Herrn Gröhe gesagt wird, dass es für die CDU undür die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Merkeline Herzensangelegenheit sei und Frau Steinbach dasneingeschränkte Vertrauen genieße.
enn Frau Steinbach scheitere, sei dafür die FDP ver-ntwortlich, so Herr Gröhe in der FAZ vom 24. Novem-er 2009.Nicht die FDP bringt eine Opfergabe, sondern meinindruck ist, dass Frau Merkel Frau Steinbach zum Op-er macht, indem sie ihr nicht rät, sich zurückzuziehen.ie Bundeskanzlerin verursacht Schaden im doppelteninne: Sie schadet nicht nur der berechtigten Angelegen-eit der Erinnerungsstiftung, sondern sie schürt auchisstrauen bei unseren Nachbarn in Mittel- und Ost-uropa.
Worum geht es?
s geht darum, dass wir alle unsere besondere histori-che Verantwortung gegenüber Polen anerkennen, ge-enüber einem Land, das wie kein anderes unter denerbrechen des Nationalsozialismus gelitten hat, dessenevölkerung mit einem Sklavenvolk auf eine Stufe ge-tellt werden sollte, dessen Elite ausgelöscht werdenollte und das wie kein anderes Land Opfer zu bringenatte, nämlich 6 Millionen Tote.
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352 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
)
)
Dr. Angelica Schwall-DürenEs geht nicht darum, das Leid, das Vertriebene erlebthaben, zu leugnen oder ihnen das Recht streitig zu ma-chen, inmitten unserer Gesellschaft an dieses Leid zu er-innern. Die meisten Vertriebenen und ihre Nachkommenhaben verstanden, dass sie Opfer des Naziunrechts-regimes geworden sind, so wie auch viele andere Men-schen Eigentum, Leib und Leben im Bombenkrieg oderan der Front verloren haben. Deshalb haben viele Ver-triebene sehr früh Kontakt zu den Menschen aufgenom-men, die heute in ihrer alten Heimat leben. Durch das Er-zählen der gegenseitigen Geschichten haben sie viel fürdie Versöhnung getan. Das waren Einzelne, aber auchVertriebenenverbände. Ich darf daran erinnern, dass dazuauch die Seliger-Gemeinde, die Ackermann-Gemeindeund die Danziger Katholiken gehören.Frau Steinbach jedenfalls kann nicht den Ansprucherheben, für alle Vertriebenen zu sprechen.
Sie hat – leider – durch viele Äußerungen im Zusam-menhang mit dem anstehenden EU-Beitritt Polens unddurch ihre Ablehnung der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze nicht dazu beigetragen, dass sie wirklich ernst-haft für Versöhnung stehen kann.Ich bin erstaunt, dass die Bundesregierung hier undheute nicht Position bezieht. Wir müssen uns fragen, aufwelches Niveau sich die Bundesregierung begibt,
wenn wir lesen, dass nun über mögliche Kompensations-geschäfte verhandelt werden soll. Wir müssen uns fra-gen, ob die Bundeskanzlerin mit dem historischen Ge-denken umgehen darf, als würde sie mit Bananenhandeln. Die Bundesregierung kann in diesem Fall nichterwarten, von Polen in Sachen Geschichtspolitik als auf-richtig wahrgenommen zu werden.
Polen ist unser größter und wichtigster Nachbar imOsten Europas. Diesem Land gegenüber haben wir auf-grund der eindeutigen Kriegsschuld eine große Verant-wortung. Frau Merkel sollte das, was sie am 1. Septem-ber in Danzig formuliert hat, ernst nehmen und nicht dieErwartungen der Polen enttäuschen. Sie sollte sich da-rum bemühen und erreichen, dass sich Frau Steinbachzurückzieht; denn sonst wird Deutschland als EU-Part-ner für Polen unglaubwürdig.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Klaus Brähmig von der
CDU/CSU-Fraktion.
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it der abschließenden Bemerkung, eine Bewerbungm diesen Sitz sei bei ihm noch nicht gelandet, setzte derertreter Deutschlands ohne Not noch einen drauf.Meine Damen und Herren, für die deutsch-polnischeneziehungen wäre es besser gewesen, unser Außen-inister hätte es mit dem Sprichwort gehalten: Reden istilber, Schweigen ist Gold.
erade die deutschen Heimatvertriebenen sind durchahlreiche Kontakte, Besuche oder Projekte zwischeneutschland und Polen sehr wertvolle Brückenbauer.an sollte sie nicht mit im Ausland gemachten Aussa-en grundlos brüskieren.Als neuer Vorsitzender der Gruppe der Vertriebenen,lüchtlinge und Aussiedler der CDU/CSU-Bundestags-raktion möchte ich zu einer Versachlichung der Diskus-ion gerne beitragen,
ie bemerkenswerterweise in Polen derzeit fast ge-äuschlos abläuft.Unzweifelhaft war Nazideutschland der Aggressor imweiten Weltkrieg. Wir Deutsche haben unseren Nach-arn überfallen und unterjocht. Dennoch darf man da-auf hinweisen, dass auch Deutsche in diesem Krieg
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Klaus BrähmigOpfer geworden sind, ohne gegenseitiges Unrecht auf-rechnen zu wollen. Nicht umsonst findet die Erinnerungan Flucht und Vertreibung der Deutschen vor mehr als60 Jahren in jüngster Zeit eine neue Aufmerksamkeit.Man denke nur an Filme wie „Die Gustloff“ und „DieFlucht“ mit jeweils Millionen Zuschauern.Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Welt-kriegs waren die weltweit größte demografische Umwäl-zung des 20. Jahrhunderts und eine der größten in derGeschichte. Deshalb ist es unser politischer Auftrag,auch an das Leiden der Deutschen zu erinnern, wie esunser Auftrag ist, aller Opfergruppen zu gedenken. Ausdiesem Grundverständnis heraus hat die Union seit nun-mehr acht Jahren für die Errichtung eines Vertriebenen-zentrums gerungen, das auf eine Initiative meinergeschätzten Kollegin Erika Steinbach und des SPD-Poli-tikers Peter Glotz zurückgeht. Der Deutsche Bundestaghat im Dezember 2008 die Errichtung der Stiftung„Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ mit breiter Mehrheitbeschlossen.Auf einem Fachkongress der CDU/CSU-Bundestags-fraktion Anfang dieses Jahres betonte die Bundeskanzle-rin in ihrer Rede – ich zitiere –:Flucht und Vertreibung sind keineswegs vergessen.Ganz im Gegenteil … Die Schicksale der vonFlucht und Vertreibung betroffenen Menschen be-rühren uns stets aufs Neue … Auch die Kinder undEnkel von Vertriebenen haben das Bedürfnis nachKlärung und vor allen Dingen nach Wahrheit.Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund derzunehmenden Spurensuche von Kriegskindern undnachfolgenden Generationen gilt es heute mehr denn je,den aktuellen Bezug des Themas zur gesellschaftlichenund politischen Lage in Deutschland herzustellen. Daherist die neue Bundesstiftung in Berlin eines der wichtigs-ten Projekte unserer nationalen Identität in Europa.Eines ist an dieser Stelle ganz klar festzuhalten: Einesolche Dokumentations- und Gedenkstätte ohne ange-messene Beteiligung der größten Organisation deutscherHeimatvertriebener darf und wird es nicht geben.
Sie sind die Opfer, und sie entscheiden, wen sie in dasGremium entsenden. Dafür wird sich die Gruppe derVertriebenen weiterhin einsetzen. Wir werden uns eben-falls weiterhin dafür einsetzen, dass die Flucht und Ver-treibung von über 12 Millionen Deutschen als nationaleKatastrophe begriffen und das Schicksal der Betroffenenendlich gesellschaftlich anerkannt wird.Zudem wird in den kritischen Berichten über die Ver-triebenenverbände sowohl in Deutschland als auch inPolen dreierlei völlig ausgeblendet: dass es erstens diePräsidentin des Bundes der Vertriebenen war, die denBdV mit Beharrlichkeit wieder in die Mitte der Gesell-schaft geholt hat,
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Das Wort hat die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen
on der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ede öffentliche Diskussion über die Stiftung „Flucht,ertreibung, Versöhnung“ ist zu begrüßen, erst rechtede Debatte hier im Parlament. Erinnern Sie sich noch,ie diese Stiftung vor knapp einem Jahr, am 4. Dezem-er 2008, von diesem Hohen Haus gesetzlich errichteturde? Herr Kollege, Sie haben von einer großen Mehr-eit gesprochen; tatsächlich wurde das Gesetz nachts um.30 Uhr klammheimlich verabschiedet, ohne jeglicheussprache in der zweiten und dritten Lesung. Die FDPar gar nicht anwesend. Im Protokoll ist vermerkt:Der Gesetzentwurf ist … mit den Stimmen der bei-den Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen derLinken bei Enthaltung der Grünen angenommen.Nach der Schlussabstimmung ist vermerkt:
Die Linke war stets gegen die Errichtung dieser Stif-ung, und zwar aus drei Gründen: wegen ihrer Konzep-ion, ihres Standortes und der Zusammensetzung destiftungsrates. Wir haben nie verstanden, wieso derund der Vertriebenen in einem 13-köpfigen Gremiumit drei Sitzen, das Parlament hingegen mit zwei Ent-andten vertreten sein soll.Wir haben immer wieder die Frage gestellt: Wie kannine solche Institution der Erinnerung eigentlich der Ver-öhnung dienen, wenn sie ausgerechnet in Berlin ihrenitz hat, dem Ort, von dem all das mörderische Verbre-hen ausgegangen ist, das zum Elend von Flucht undertreibung geführt hat?
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Dr. Lukrezia JochimsenWelche Chancen wurden vertan? Polens Ministerprä-sident Tusk hat Deutschland eingeladen, sich am großenpolnischen Antikriegsmuseum in Danzig zu beteiligen:kein Interesse. Die Städte Görlitz und Zgorzelec habensich um eine Doppelausstellung beworben: kein Inte-resse. Es gab Vorschläge, Ausstellungen und Dokumen-tationen im Dreiländereck Deutschland – Polen – Tsche-chische Republik zu präsentieren: kein Interesse.Seit Jahren – nicht erst heute – ist dieses Projekt derErinnerung an Flucht und Vertreibung eine schwere Be-lastung für das deutsch-polnische Verhältnis. Das giltinsbesondere für das Jahr 2008; damals war aber von„Versöhnen statt Provozieren“ nicht die Rede. LiebeKolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben inder Großen Koalition alles mitgetragen und allem zuge-stimmt. Insofern mutet Ihr heutiger Appell etwas sonder-bar an, auch wenn er in der Sache vollkommen richtig istund vielleicht bewirkt, dass grundsätzlich umgedachtwird.Im Dezember 2007, also vor zwei Jahren, gab es ei-nen vielbeachteten Vorschlag des Willy-Brandt-Kreises:Anstelle der Stiftung gegen Vertreibung solle ein Zen-trum gegen Krieg in Berlin eingerichtet werden. Zu denInitiatoren gehörten unter anderem Egon Bahr, GünterGrass, Friedrich Schorlemmer, Daniela Dahn und KlausStaeck. Über 1 000 Künstler, Journalisten und Politikerhaben diesen Vorschlag unterstützt.
Das wäre doch eine Alternative im Sinne von „Versöh-nen statt Provozieren“: ein Museum, das den Krieg äch-tet, was die Ächtung der Vertreibung einschließt. Vor al-lem aber wäre es eine weitergehende Initiative, die nichtbei den Folgen von Kriegen verharrt, sondern auf derenUrsachen zielt.Wenn wir wirklich versöhnen wollen, statt zu provo-zieren, sollten wir im Zusammenhang mit der Stiftung„Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ hier im Parlamentnicht über eine Personalie streiten. Die Kardinalfehlerdieses Projektes der Erinnerungskultur müssen korrigiertwerden.Der erste Kardinalfehler besteht darin, auf dieschrecklichen Folgen des Krieges zu fokussieren, nichtauf seinen mörderischen Anfang.Der zweite Kardinalfehler hat mit der Legende zu tun,dass in der Nachkriegszeit das Schicksal der Vertriebe-nen verschwiegen und aus der Erinnerungskultur ausge-klammert worden sei.
Daran ist nämlich nichts wahr: Die alte Bundesrepublikhat sich in der Nachkriegszeit kontinuierlich mit demSchicksal von Flucht und Vertreibung befasst.
Der Bund der Vertriebenen hat dabei eine dominierendeRolle gespielt, im Übrigen gegen jeden Versöhnungsge-danken. Man denke nur an die jährlichen Pfingsttreffen,wgng„üsFp„dfmSmDzdFVwgsnnmSFupwPNZNa
Das Wort hat der Kollege Michael Link von der FDP-
raktion.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der etwasrovokante Titel der heutigen Aktuellen Stunde
Versöhnen statt provozieren“ deutet in die Richtung,as deutsch-polnische Verhältnis sei schlecht. Ich stelleest: Der deutsch-polnische Motor läuft. Das sind nichteine Worte, das sind die Worte von Außenministerikorski am Tag des Antrittsbesuchs von Bundesaußen-inister Westerwelle in Warschau.
arüber hinaus hat Außenminister Sikorski ausdrücklichu Protokoll gegeben: Noch nie zuvor waren dieeutsch-polnischen Beziehungen so gut. – Das ist einaktum, das wir festhalten können; das haben wir in derergangenheit selten so gehört. Deshalb ist der Takt, denir in den deutsch-polnischen Beziehungen weiter vor-eben wollen, der Takt einer extrem engen europapoliti-chen und bilateralen Abstimmung im Geist der Versöh-ung mit Polen.
Das war die Leitlinie dessen, was wir uns für dieächsten vier Jahre in der Bundesregierung vorgenom-en haben. Im Koalitionsvertrag steht an prominentertelle, dass wir ein klares Bekenntnis zu dieser engenreundschaft mit Polen abgeben. Stabile Partnerschaftnd dauerhafte Aussöhnung mit Polen sind die Grund-feiler deutscher Außen- und Europapolitik, genausoie die Freundschaft mit Frankreich.Deshalb war es für uns extrem wichtig, in diesemunkt den Kurs der alten Bundesregierung fortzusetzen.achdem Ministerpräsident Tusk nach der Kaczynski-eit mit Amtsantritt Ende 2007 einen konstruktiveneuanfang in der Deutschlandpolitik gewagt hat, ist dielte Bundesregierung darauf ebenso konstruktiv einge-
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Michael Link
gangen. Wir haben das sehr begrüßt, und der neue Bun-desaußenminister setzt genau diesen Kurs fort.Jeder, der die Situation in Polen kennt, weiß, wie um-stritten Herrn Tusks Linie in Polen ist. Sie wird vonmanchen Kräften kritisch beobachtet. Uns wäre es nichtrecht – ich sage dies mit allem Verlaub vor den polni-schen Wählern –, wenn diese Kräfte die deutsch-polni-schen Beziehungen wieder bestimmen könnten. Den an-deren Kräften, den anderen Lagern ist die Versöhnung,auch das Hineinfühlen in das Unrecht, was Vertreibungbedeutet hat, bei weitem nicht so wichtig wie Minister-präsident Tusk. Deshalb sollten wir bei all unserenSchritten genau bedenken, wie sie beim polnischen Part-ner ankommen. Genau das ist die Linie des Bundes-außenministers, die die FDP-Fraktion ausdrücklich be-grüßt.
Es ist allgemein bekannt, dass sich die Große Koali-tion damals auf der Ebene der Regierungschefs konkretum die Entschärfung der Fragen um die in Rede ste-hende Stiftung bemüht hat. Auch wir haben sehr be-grüßt, dass man es versucht hat. Dass man damit nicht zuEnde gekommen ist, dass diese Fragen buchstäblich andie neue Bundesregierung vererbt worden sind, habenwir nicht zu vertreten. Die Konzeption der Stiftung alssolche ist gemeinsam anerkannt und gemeinsam erarbei-tet worden. Wir haben sie mitgetragen. Gerade wurdegesagt, sie sei in Abwesenheit der FDP beschlossen wor-den. Ich kann nur sagen: Wir haben in der Fraktion da-rüber geredet. Wir tragen diese Stiftung mit, und wir ste-hen zu den Zielen dieser Stiftung.
Wir stehen auch dazu – das gerät oft in Vergessen-heit –, dass der Bund der Vertriebenen, den auch wir füreine sehr wichtige Organisation und einen wichtigenPartner halten, drei Vertreter im Stiftungsrat hat. DerBundestag hat übrigens nur zwei. Auch das drückt deut-lich aus – dazu stehen wir –, dass das ein gemeinsamesProjekt ist, das von der alten Bundesregierung genau wievon der neuen – und besonders vom Bundesaußenminis-ter – konsequent fortgesetzt wird.Der entscheidende Punkt ist, zu vermeiden, dass jetztdas aufs Spiel gesetzt wird, was wir bisher erreicht ha-ben. Ich wiederhole noch einmal: Was wir erreicht ha-ben, ist in Polen eine in der Gesellschaft, bei Historikern,bei Politikern und selbst in den Medien, die gern einmalauf Provokationen anspringen, wachsende Bereitschaft,sich hineinzufühlen in das, was tatsächlich im Rahmenvon Flucht und Vertreibung stattgefunden hat. Wir müs-sen alle unsere Schritte daraufhin prüfen, ob wir das, wassich jetzt in der Gesellschaft in Polen erfreulicherweiseentwickelt, durch Personalentscheidungen auf der deut-schen Seite riskieren wollen. Das ist etwas, worüber wirin der Tat immer wieder diskutieren müssen.
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Wir sind der Meinung, dass all diejenigen, die hiererne in einer vermeintlichen Wunde bohren wollendie es zwischen den Regierungsfraktionen aber nichtibt –, sehr schnell auf die eigenen Wunden stoßen wer-en; denn das ist in der Tat ein vererbtes Problem.Während meine letzten Worte an diejenigen gerichtetaren, die gerade einige Zwischenrufe gemacht habenich glaube allerdings, dass Sie meine Ausführungenrotzdem registriert haben –, sei jetzt vor allem an diedresse der Fraktion, die die heutige Aktuelle Stundeeantragt hat, eines gesagt: Keine andere Regierung haterade im deutsch-polnischen Verhältnis de facto mehrrobleme geschaffen – nicht bewusst; das sage ich über-aupt nicht – als die damalige rot-grüne Regierung: ers-ens durch die Art und Weise, wie sie im Gefolge desU-Beitritts Polens in die EU umgegangen ist,
weitens durch die Art und Weise, wie sie mit demhema Ostseepipeline umgegangen ist, und drittens da-urch, dass sie im Rahmen der privilegierten Beziehun-en zu Russland immer wieder über den Kopf des polni-chen Partners hinweg oder hinter seinem Rückenolitik gemacht hat, wodurch sie den Polen gezeigt hat,ass sie in der Europäischen Union offensichtlich neund noch nicht voll angekommen sind. Das ist eineenkweise, mit der wir brechen. Deshalb haben wir alsraktion ganz bewusst begrüßt, dass sein erster Antritts-esuch den neuen Bundesaußenminister nach Warschaueführt hat.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Volker Beck von Bünd-
is 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darfit einem Satz von Frau Steinbach beginnen: „Manuss kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen.“Lassen Sie mich dennoch ein Wort zu meiner eigenenamiliengeschichte verlieren. Meine Großeltern wurdenm Ende des Ersten Weltkrieges aus Slowenien vertrie-en; mein Großvater, ein österreichischer Offizier, warort stationiert. Am Ende des Krieges mussten sie ihr Ei-entum, ihren Hausstand hinter sich lassen und sind zuen Eltern meiner Großmutter nach Reichenberg ins Su-
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Volker Beck
detenland zurückgekehrt. Am Ende des Zweiten Welt-krieges mussten sie ihre Heimat erneut verlassen. Siesind dann, wie viele Sudetendeutsche, nach Bayern über-gesiedelt.Dieses Gefühl hinterlässt in jeder Familie Spuren:dass ein Teil der Familie entwurzelt ist, dass man dieHeimat der Großeltern nicht kennt, dass man auch keinnatürliches Verhältnis zu dieser Heimat hat wie Leute,die einmal umgezogen sind, sondern dass damit eine Ge-schichte von Unrecht, eine Geschichte von großer Angstund eine Geschichte von totalem Verlust der eigenenbürgerlichen Existenz einhergeht. Deshalb ist es mir per-sönlich wichtig, dass wir auch die Menschenrechtsver-letzungen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges an Ver-triebenen begangen wurden, aufarbeiten und dass wirdieses Unrecht und die Auseinandersetzung damit in un-ser Geschichtsbild integrieren, um diesem Thema insge-samt gerecht zu werden.
Wenn man dies tut, muss man meines Erachtens nichtjede Position von Frau Steinbach und des Bundes derVertriebenen, in der Vergangenheit wie in der Gegen-wart, übernehmen.
Ich muss sagen: Ich verstehe, dass die PersonalieSteinbach in Polen nicht als Versöhnungsgeste an-kommt.
Ich verstehe es, wenn ich mir anschaue, wie sich FrauSteinbach in Sachen deutsch-polnisches Verhältnis alsAbgeordnete des Deutschen Bundestages ganz konkretverhalten hat. Als es damals um die Anerkennung derOder-Neiße-Linie als deutsch-polnischer Staatsgrenzeging, hat sie, übrigens zusammen mit Herrn Ramsauerund anderen, dagegengestimmt.
Sie hat eine Erklärung abgegeben, in der sie diesesVerhalten damit begründete, dass sie sich im Vorfeld desVertrages gegen eine isolierte deutsch-polnische Grenz-regelung gewandt und sich für eine in die Zukunft ge-richtete Lösung aller offenen deutsch-polnischen Frageneingesetzt habe. Welche deutsch-polnischen Fragen wa-ren denn, bitte schön, 1991 noch offen, und welche sindes womöglich noch heute? Das sind die Fragen, die sichmit der Personalie Steinbach verbinden.
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Die Unionsfraktion und der Bund der Vertriebenenun so, als ob es Anmaßung wäre, wenn der Bundes-ußenminister infrage stellt, dass die Bundesregierungrau Steinbach – wenn der Bund der Vertriebenen sieenn einmal benennen wird; man hat sie ja noch nichtenannt – in den Stiftungsrat bestellt. Das ist aber keinenmaßung, das ist schlicht Rechtslage, und diese hat ei-en guten Grund.
n § 19 des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung steht,ass die entsendenden Stellen die Mitglieder benennennd die Bundesregierung dann bestellt – oder auch nicht.as machen wir bei Stiftungsgesetzen sonst nie so. Dasaben wir bei diesem Stiftungsgesetz so gemacht, weilie Bestellung eine außenpolitische Bedeutung habenann und die Regierung verantwortlich handeln muss,enn eine benennende Stelle ihre Verantwortung letzt-ndlich nicht wahrnimmt.
eine Damen und Herren, diese Verantwortung mussie Regierung wahrnehmen.Ich habe es bemerkt: Sie wollen eigentlich einen an-eren Außenminister, Herr Brähmig! Es wäre in der Tato: Wenn der Außenminister der Bundesrepublikeutschland sein Wort, das er in Warschau gegeben hat,icht halten kann, dann steht er nackt im Hemd da, dannst er außenpolitisch ein Fliegengewicht,
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Volker Beck
weil sein Wort selbst bei einer solch kleinen Personalienichts gilt.Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Diese ganze De-batte ist eine unehrliche Debatte.
In Wirklichkeit wissen CSU und FDP, dass sie wunder-bar ihr Klientel bedienen können: Die CDU/CSU kanndie Vertriebenen hätscheln, wohlwissend, dass die FDPbzw. der Außenminister am Ende dafür sorgt, dass es au-ßenpolitisch nicht zu einer Katastrophe kommt,
und Sie können sich in dieser Debatte dann als die insti-tutionalisierte außenpolitische Vernunft gerieren.
Am Ende ist es aber eine Belastung, dass wir innen-politisch eine Diskussion über eine Lappalie haben, dieuns außenpolitisch unklar dastehen lässt. Dies addiertsich zu den Streitereien, die diese Koalition über die Fi-nanzpolitik, über das Betreuungsgeld usw. austrägt.
Herr Kollege Beck, kommen Sie bitte zum Schluss.
Deshalb fordere ich die Regierung auf: Ziehen Sie
diese Debatte nicht länger hin, sondern sagen Sie deut-
lich: Eine Bestellung Frau Steinbachs in den Stiftungsrat
wird nicht stattfinden; die Debatte ist beendet; der Bund
der Vertriebenen darf jemand anderen benennen.
Herr Beck, bitte.
Oder – das wäre mein Vorschlag zur Güte – er gibt
den Sitz im Stiftungsrat an die Gesellschaft für bedrohte
Völker ab; dann könnte man über das Thema „Flucht
und Vertreibung“ zukunftsgerichtet in einem umfassen-
den Sinne reden.
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Dem Titel der heu-tDkSmgkestfscuPtdkwDurEnr„gdssdsIBmPVDjeudhdtts
benso wenig wird ein Unrecht getilgt, indem maneues Unrecht schafft. Ich halte es hier mit dem öster-eichischen Schriftsteller Peter Rosegger, der gesagt hat:Unrecht, durch Unrecht bekämpft, wird noch mächti-er“.Wir sind jetzt dabei, neues Unrecht zu schaffen, in-em wir es der Organisation, die für die Betroffenenpricht, also dem Bund der Vertriebenen, verweigern,elbst darüber zu bestimmen, welche drei Vertreter sie inen Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Ver-öhnung“ entsendet.
m Detail geht es dabei natürlich um die Präsidentin desdV, um Erika Steinbach, die im Jahre 2000 gemeinsamit dem leider viel zu früh verstorbenen SPD-Politikereter Glotz Mitinitiatorin der Stiftung „Zentrum gegenertreibungen“ war.Eines muss ebenfalls deutlich herausgestellt werden:ieses Dokumentations- und Begegnungszentrum, dasetzt im Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof in Berlinntsteht, geht nur auf die Initiative von Erika Steinbachnd Peter Glotz zurück. Dieses Zentrum ist letztendlichas geistige Kind von Erika Steinbach. Ich halte es des-alb auch für das Selbstverständlichste von der Welt,ass die Person, deren geistiges Kind hier in Berlin letz-en Endes Wirklichkeit wird, in dem 13-köpfigen Stif-ungsrat mitarbeiten darf.
Der Wahrheit halber möchte ich ferner darauf hinwei-en, dass es insbesondere Erika Steinbach in den mittler-
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Stephan Mayer
weile elf Jahren ihrer Präsidentschaft im BdV war undist, die für Versöhnung und Verständigung steht. Ichmöchte daran erinnern, dass es der BdV war, der als ein-zige Betroffenenorganisation eine Veranstaltung zum60. Gedenktag des Warschauer Aufstandes am 19. Juli2004 durchgeführt hat.Die Vertriebenen und – das sage ich auch ganz offen –ihre Nachkommen, vor allem auch die Bekenntnisgene-ration, dienen als Brückenbauer in einem immer mehrzusammenwachsenden Europa. Es gibt zwischenDeutschland und Polen viele menschliche Begegnungen,grenzüberschreitende Kulturarbeit, Wiederaufbau- undRenovierungshilfen und mittlerweile auch sehr vieleprosperierende Städtepartnerschaften.Seit 1993 – in der Regierungszeit von BundeskanzlerHelmut Kohl ins Leben gerufen – gibt es das hervorra-gende Deutsch-Polnische Jugendwerk, das jedes Jahrüber 4 000 Maßnahmen durchführt, an denen zwischen130 000 und 165 000 Jugendliche sowohl aus Polen alsauch aus Deutschland teilnehmen. Das bedeutet: Dasdeutsch-polnische Verhältnis ist gut, es ist freundschaft-lich, es kann aber natürlich auch noch weiter verbessertwerden.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD,ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen: Was Sie hier be-treiben, ist Heuchelei.
Die geistigen Brandstifter, die dazu beigetragen haben,dass sich das deutsch-polnische Verhältnis möglicher-weise verschlechtert, sitzen nicht im BdV und auch nichtauf polnischer Seite, sondern die sitzen woanders inDeutschland.
– Die sitzen da – auch das sage ich ganz offen –, wo im-mer wieder versucht wird, zu provozieren.
Um auch dies noch einmal klarzumachen: ErikaSteinbach ist vom BdV für den Stiftungsrat benannt wor-den. Es gilt jetzt, sich in den nächsten Tagen und Wo-chen intensiv, gedeihlich und auch konstruktiv darum zubemühen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dassder BdV das ihm zustehende autonome, selbstständigeBenennungsrecht auch umsetzen kann.
Um auch dies noch einmal klar zu sagen, weil Kritikdaran geübt wurde, dass der BdV drei Sitze im Stiftungs-rat hat: Der BdV ist die Betroffenenorganisation, und esist deshalb nur recht und billig, dass er mit drei Vertre-tern im Stiftungsrat vertreten ist.Ich darf aus einer Botschaft des polnischen Episko-pats aus dem Jahre 1965 zitieren: „Wir vergeben und bit-tiwwBdisndSDmEFSTwgrfotmmDmBKtVdsmssZgmGVVswgv
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Unser Erinnerungsprojekt soll gerade nicht zu neuemZwist, neuer Spaltung führen. Versöhnung ist nicht mög-lich, jedenfalls nicht glaubwürdig, ohne Rücksichtnahmeauf die Partner. Das zu begreifen, heißt eben nicht, sicheinem anderen zu unterwerfen. Deswegen verbietet sichder Vorwurf der Einmischung. Wenn man etwas mit ei-nem anderen zusammen tun will, dann lädt man ihn ein,sich einzumischen. Was denn sonst?
Ich sage es noch einmal: Unser Projekt – ich hoffe,dabei bleiben wir – kann nur gelingen, wenn es nicht nurein nationales, sondern ein nachbarschaftlich-europäi-sches Projekt wird. Es darf – gerade auch in Polen – keinneues Misstrauen wecken.
Deshalb ist der zähe, klebrige Streit um die Besetzungdes Stiftungsratspostens durch Frau Steinbach so ent-setzlich schädlich. „Nur mit dem Gütesiegel Steinbachhat die Stiftung einen Zweck“, behauptet der CSU-Euro-paabgeordnete Bernd Posselt. Das wirft die Frage auf,die nun schleunigst beantwortet werden muss: Was istIhnen wichtiger, meine Damen und Herren von derCDU/CSU: das Versöhnungsprojekt der Stiftung oderdie Person der BdV-Präsidentin?
Frau Steinbach und der BdV schaden dem sehr unter-stützungswürdigen Anliegen, einen Ort zu schaffen, woan Opfer und Leiden und Ursachen und Folgen vonFlucht und Vertreibung angemessen und würdig erinnertwerden kann. Deshalb ist nun die Bundeskanzlerin auf-gefordert, dieser Hängepartie endlich und endgültig einEnde zu setzen.
Diese Hängepartie schadet dem Anliegen der versöhnen-den Erinnerung. Mit dieser peinigenden Vorstellung, dieohne Not seit einem Jahr gespielt wird, muss Schlusssein.
Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner von der
FDP-Fraktion.
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denn sie hat sich als Vorsitzende dieses wichtigen Ver-bandes von Millionen von Vertriebenen, die ein berech-tigtes Anliegen haben, in der Vergangenheit den Respektvon uns verdient. Wenn wir auch nicht mit allen Themeneinverstanden sind, so hat sie sich doch insgesamt denRespekt für ihre jahrelange Tätigkeit verdient. Aber imZusammenhang mit der möglichen persönlichen Verun-glimpfung bitte ich auch sehr herzlich darum, liebe Kol-leginnen und Kollegen, dass man Mitgliedern derBundesregierung nicht falsche Motive für ihre Positio-nierung in diesem Falle unterstellt. Auch das gehörtdazu. Wir sollten von einem fairen Verhältnis unterein-ander ausgehen. Wir alle wollen, dass die Stiftung er-folgreich arbeiten kann, wir alle wollen das Verhältnis zuunserem Nachbarn Polen weiter festigen, vertiefen undausbauen. Das eint uns. Dazu dient auch die Arbeit derStiftung. Daher muss sie so besetzt werden, dass die vonuns allen angestrebten Ziele erreicht werden.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dietmar Nietan von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Be-vor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ichdem Kollegen Link sagen: Legenden werden nicht da-durch wahrer, dass man sie wiederholt. Es warenGerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer,die in Nizza für die Rechte von Polen, für Mehrheitsver-hältnisse und für die finanzielle Ausstattung beim Bei-tdDdseElsmDDksAhBguDgdgilIvwndHENtngdmiws
eshalb ist es einfach falsch, pauschal zu sagen, dass sieiejenigen seien, die für die Trübung des deutsch-polni-chen Verhältnisses verantwortlich waren. Das stimmt soinfach nicht.
s waren auch, im Gegensatz zu den Aussagen von Kol-eginnen und Kollegen hier im Hause aus ganz unter-chiedlichen Fraktionen, Fischer und Schröder, die da-als klar gesagt haben: Für die Bundesrepublikeutschland gibt es keine Erweiterung mit Polen.
a hätten sich einige in der Zeit deutlicher bekennenönnen. Das haben wohl einige von Ihnen heute verges-en.
Ich will Folgendes noch einmal in Erinnerung rufen:m 28. April 1985 hat der damalige Außenminister undeutige Staatssekretär der Republik Polen Wladyslawartoszewski in einer, wie ich finde, tief bewegenden,roßartigen Rede, die in seinem Heimatland sicherlichnvergessen bleiben wird, in Bezug auf das Leid dereutschen bei der Vertreibung sehr klar Stellung bezo-en. Ich würde mich freuen, wenn sich manch einer vonenjenigen, die heute die Causa Steinbach zu einer an-eblichen Einmischung der polnischen Regierung in dienneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutsch-and hochstilisieren, noch an diese Rede erinnern würde.ch muss Ihnen ehrlich sagen: Mich erinnert das Geredeon einigen von Ihnen über innere Einmischung irgend-ie an die empörten Reaktionen, die man von kommu-istischen Machthabern kannte, wenn man sie früherarauf hingewiesen hat, dass sie die Schlussakte vonelsinki nicht eingehalten haben.
s scheint so zu sein, dass die Redewendung von derichteinmischung für einen bestimmten Typus von Poli-iker auch heute noch zählt und zeitlos ist. Ich kann Ih-en allerdings sagen, dass diese Redewendung eine vonestern ist. Sie passt nämlich nicht mehr in eine Zeit, iner Deutsche und Polen – Gott sei Dank, sage ich – ge-einsame Bürger in einem vereinigten Europa sind. Dast – das hat Wolfgang Thierse gesagt – Einmischung er-ünscht, weil wir gemeinsame Bürger in diesem Europaind.
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Dietmar NietanDie Rede, von der ich zu Beginn sprach, hatWladyslaw Bartoszewski vor nunmehr 14 Jahren anläss-lich des 50. Jahrestages der Befreiung vom Faschismusvor dem Deutschen Bundestag gehalten. Damals führteer den großen Polen und Sozialdemokraten Jan JozefLipski an, der 1981, also vor der Wende, mit großemMut zur Vertreibung der Deutschen in Polen sagte – ichzitiere –:Wir haben uns daran beteiligt, Millionen Menschenihrer Heimat zu berauben … Das uns angetaneBöse, auch das größte, ist aber keine Rechtfertigungund darf auch keine sein für das Böse, das wirselbst anderen zugefügt haben …Außenminister Bartoszewski betonte damals in seinerRede ausdrücklich – ich zitiere wieder –:Ich identifiziere mich vollkommen mit den Thesenmeines verstorbenen Freundes Jan Jozef Lipski …Welch eine große Geste von Wladyslaw Bartoszewski,einem Mann, der Auschwitz überlebt hat und anschlie-ßend auch noch Opfer stalinistischer Gewaltherrschaftwurde! Viele von denen, die hier sitzen und Zwischen-rufe gemacht haben, sollten sich an dieser Art, mit Ver-söhnung und Vergangenheit umzugehen, wirklich einBeispiel nehmen.
Ich frage mich: Wie müssen sich große Europäer wieTadeusz Mazowiecki oder eben Wladyslaw Bartoszewskifühlen, wenn sie nun auf das Gezerre blicken, das wirjetzt um den Sitz im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht,Vertreibung, Versöhnung“ erleben? Ich sage Ihnen, liebeKolleginnen und Kollegen: Ich schäme mich für diesesTrauerspiel, in dem ich alles Mögliche erkenne, abernicht den Geist der Versöhnung.
Wolfgang Thierse hat gesagt, dass es für die Bundes-kanzlerin nun an der Zeit ist, zu handeln. Ich sage Ihnensehr deutlich: Ich glaube, dass dieser Ruf, so richtig erist, ungehört bleibt. Frau Kollegin Steinbach muss dasHeft des Handelns selbst in die Hand nehmen. Es magSie jetzt vielleicht verwundern, wenn ich an dieser Stelleausdrücklich sage, dass Frau Kollegin Steinbach als Prä-sidentin des BdV viel für die Vertriebenen erreicht hat
und dass wir diese Stiftung, über deren Stiftungsrat sichjetzt so viele streiten, ohne ihre persönliche Beharrlich-keit möglicherweise nicht hätten.
Harry Nutt hat recht, wenn er in der FrankfurterRundschau schreibt:DrwörDVdtBrwdRssSnsSvlSmwvmkC
Ich sage ebenfalls sehr deutlich: Es wäre ein Beitrag,er mithelfen würde, etwas zu beenden, was ich als zu-iefst verantwortungslos empfinde, nämlich dass dieundeskanzlerin parteipolitische Kalküle vor die Staats-äson stellt. Sie hat in das Wahlprogramm der CDU be-usst den Satz einfügen lassen, dass die Verbände dereutschen Heimatvertriebenen über ihre Vertretung imat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“elbstverständlich selbst entscheiden können, obwohl siechon damals wusste, dass diesen Sitz niemals Frauteinbach erhalten wird.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Nietan.
Ich komme gerne zum Schluss. – Das sagt sie nur
icht selber, und das ist der eigentliche Skandal. Sie ver-
teckt sich, so wie sie es früher bei Frank-Walter
teinmeier getan hat, hinter dessen Nachfolger. Das ist
erantwortungslos.
Frau Kollegin Steinbach, Sie können dieses würde-
ose Schauspiel beenden. Erklären Sie, dass Sie dem
tiftungsrat nicht angehören wollen. Dann würden Sie
ehr Staatsräson zeigen als Ihre Bundeskanzlerin. Dann
ürden Sie sich um das deutsch-polnische Verhältnis
erdient machen. Das wäre ein Erfolg, den Ihnen nie-
and, auch nicht die Frau Bundeskanzlerin, nehmen
ann.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Holger Haibach von derDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich
vorweg klarstellen, Herr Kollege Nietan: Uns in die
Nähe von Menschen mit diktatorischen Überzeugungen
zu rücken, indem Sie uns eine Sprache angedeihen las-
sen, die dieser Debatte nun wirklich nicht würdig ist, ist
völlig daneben. Ich weise das auch im Namen meiner
Fraktion deutlich zurück;
denn es wird der Sache nicht gerecht.
Ich bin froh, dass wir diese Debatte heute führen kön-
nen; sie bietet Gelegenheit, das eine oder andere zurecht-
zurücken. Die Integration von so vielen Millionen Ver-
triebenen in Deutschland ist in den vielen Jahren nach
dem Krieg eine Erfolgsgeschichte ohne Parallele gewe-
sen. Die Heimatvertriebenen haben an dem Wiederauf-
bau Deutschlands, an dem sogenannten Wirtschaftswun-
der, das keines war, weil es mit der Hände Arbeit
geschaffen worden ist, einen unheimlich hohen Anteil.
Die Frage ist: Ist die Zeit gekommen, auch ihre Ge-
schichte zu erzählen? Da ist die Antwort unserer Frak-
tion ganz klar: Ja, es ist die Zeit gekommen, ihre Ge-
schichte zu erzählen. Deswegen ist es richtig, dass wir
diese Debatte führen. Deswegen ist es auch richtig, dass
der BdV als die Organisation, die nun einmal die Vertrie-
benen vertritt, auch die Möglichkeit erhält, die Personen
zu benennen, die er für richtig hält.
Wenn man sich jetzt einmal mit den Argumenten, die
heute genannt worden sind, auseinandersetzt, dann stellt
man fest, dass diese zum Teil nicht einer gewissen Dop-
pelbödigkeit entbehren.
Da gibt es einmal das Argument, dass es ein berech-
tigtes Anliegen der Vertriebenen gebe – das sagte eine
Vertreterin der SPD; von Herrn Thierse haben wir es
leicht anders gehört –, sich in diesen Stiftungsbeirat ein-
zubringen, weil sie einen großen Anteil an der Versöh-
nung haben. Ich glaube, dass das vollkommen richtig ist.
Wenn dem aber so ist, kann man nicht zugleich sagen,
die Person, die benannt worden ist,
die Person, die für all das gesorgt hat, die Person, die so-
zusagen der Spiritus Rector der ganzen Geschichte ge-
wesen ist, darf am Ende des Tages nicht mitbestimmen,
wie ihr Kind aussehen soll. Ich finde, dass das falsch ist.
Ich finde auch deshalb, dass das falsch ist, weil wir an
dieser Stelle wieder ein Stück der Geschichte nicht rich-
tig erzählen.
Natürlich ist es auch deshalb richtig, dass wir diese
Debatte hier heute führen, weil auch sehr viel über die
außenpolitische Komponente gesprochen wird. Jawohl,
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ewusst hintanstellt, dann wird man ein unglaubwürdi-
er Vertragspartner und wird sicherlich auch in Zukunft
icht außenpolitisch glaubwürdig handeln können.
Danke sehr.
Das Wort hat der Kollege Siegmund Ehrmann von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!err Kollege Haibach, das Thema hat vor allem eine au-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009 363
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Siegmund Ehrmannßenpolitische Dimension, die nicht nachrangig ist. Es hatzwar auch starke innenpolitische Implikationen, aber dieDebatte ist insbesondere deshalb so schwierig, weil dasVerhältnis zu Polen berührt wird. Die Frage, wieso das inPolen so starke Irritationen auslöst, dürfte sich nicht nurmit dem beantworten lassen, was der Zweite Weltkrieg,ausgehend von unserem Volk, über Polen gebracht hat.Die Geschichte Polens zeigt, dass dieses Land schon oftvollkommen von der Landkarte verschwunden ist.Insofern war es gut, dass die Große Koalition verabre-det hat, ein sichtbares Zeichen zu setzen, indem einneues Kapitel der Geschichtspolitik in den europäischenKontext eingebunden wird. Ich erinnere daran, dass wiruns kurz vor der Bundestagswahl an dieser Stelle mit ei-nem Antrag der Union befasst haben, der dazu dienensollte, die nationale Geschichtspolitik mit dem Zentrumgegen Vertreibungen aufzuwerten. Wir haben uns da-mals dagegengestellt, weil wir der Meinung waren, dassdieses Thema nur in einer sorgfältigen gemeinsamen Er-örterung mit den europäischen Nachbarn sensibel undumsichtig angegangen werden kann. Das war unser An-satz. Ein weiterer Ansatz war, dass dies in die Topografieunserer Museumslandschaft eingebettet werden soll undmuss.Es sollte gewährleistet sein, dass nicht einmal im An-satz der Verdacht aufkommt, dass Geschichte umgedeu-tet wird und Ursache und Wirkung vertauscht werden.Vor diesem Hintergrund ist der Standort Berlin ein guterStandort, Frau Dr. Jochimsen. Natürlich sind von hierfürchterliche Dinge ausgegangen. Aber in dieser Stadtsind auch große Wunder mit initiiert worden. Die Brücheunserer Geschichte im europäischen Kontext hier ange-messen zu präsentieren, halte ich für einen guten Ansatz,der auch im Stiftungsgesetz so verankert ist.
Warum befinden wir uns heute in einer extremschwierigen Situation? Man kann natürlich das Ganzebemänteln und sagen, die ganze Diskussion sei völliglosgelöst von Frau Steinbach zu sehen. Das zielt dane-ben. Zur Vita Steinbach gehört – das ist vorhin bereitsangesprochen worden – die ausdrückliche Ablehnungder Oder-Neiße-Grenze.
Ebenso gehört zur Vita Steinbach die Interpretation, dassHitler für die Polen ein günstiger Vorwand gewesen sei,Deutsche zu vertreiben. Weiterhin gehört zur VitaSteinbach ihr vehementer Widerstand gegen den BeitrittPolens zur EU.
Diese Positionen dienen nicht dem Dialog oder der Ver-söhnung. Das sind Punkte, die in den 90er-Jahren inEtappen, auch in der polnischen Öffentlichkeit, immerwieder sehr stark als Provokation empfunden und disku-tiert worden sind.sHaguatkvsgkbdbbdasciFHukmkgupsiaiesL
Bei allem Verständnis für diese Aktuelle Stunde – esst natürlich das Recht jeder Oppositionsfraktion,ktuelle Themen auf die Tagesordnung zu setzen – haltech es für problematischer, dass die SPD, auch wenn sies gar nicht will, mit dieser Diskussion heute die histori-che Leistung der Vertriebenen wieder in ein schlechtesicht rückt.
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364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. November 2009
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Dr. Günter KringsDas wird auch der Geschichte der SPD nicht gerecht.Peter Glotz, ein großer Sozialdemokrat – er ist vorhin er-wähnt worden –, hat sich sehr für diese Initiative einge-setzt. Die SPD war einmal eine Partei, die sich für dieBelange der Vertriebenen eingesetzt hat. Sie war einmaleine solche Partei. Leider hat sie sich in dieser Hinsichtdeutlich verändert.Wer Menschenrechtspolitik ernst nimmt, kann Ver-treibung als eines der schlimmsten Phänomene imEuropa des 20. Jahrhunderts nicht totschweigen.
Die CDU/CSU hat sich daher von Anfang an vehementfür die Stiftung gegen Vertreibungen eingesetzt. Es waruns ein Herzensanliegen. Im Koalitionsvertrag 2005– auch das gehört zur Wahrheit – mussten wir der SPDdieses „sichtbare Zeichen“ erst abringen.Ohne den Bund der Vertriebenen hätte es die Stiftung„Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ nicht gegeben. DerTitel mit diesem Dreiklang, ausklingend auf Versöh-nung, zeigt schon, was ein ganz wesentlicher Punkt die-ser Stiftung von Anfang an war, nämlich Versöhnung alsZiel. Versöhnung kann eben nicht unter Ausschluss derBetroffenen funktionieren.
Ohne den BdV hätte es diese Stiftung nicht gegeben.Der BdV hat schon seit vielen Jahren viel für die Versöh-nung, gerade mit Polen, getan. Er hat, was die kulturelleArbeit betrifft, viel geleistet. Er hat Begegnungen zwi-schen den Menschen organisiert. Die Vertriebenen sindin Sachen menschlicher Begegnung, Versöhnung undAussöhnung sehr viel weiter als manche Teile der Poli-tik, jedenfalls weiter als die SPD.
Diese konsequente Ausrichtung des BdV auf Aussöh-nung und Versöhnung ist untrennbar mit seiner Präsiden-tin Erika Steinbach verbunden. Ich freue mich sehr, siein meiner Fraktion als Fraktionskollegin zu haben. FrauSteinbach hat unter anderem die Geschichte des BdVkritisch aufarbeiten lassen. Sie hat sich von der Preußi-schen Treuhand distanziert und hat keinerlei revisionisti-sche Äußerungen in ihrem Verband akzeptiert. Sie hatsich in ihrem Verband auch für den EU-Beitritt Polenseingesetzt.Deswegen war es von Anfang an die logische Ent-scheidung des BdV – sie hat uns alle nicht ernsthaftüberrascht –, als eine von drei Vertretern des BdV imStiftungsrat Frau Steinbach vorzusehen. Jeder, der voreinem Jahr diesem Stiftungsgesetz hier zugestimmt hat,müsste heute als blauäugig gelten, wenn er sagt, dass ihndas überrascht hätte. Noch einmal: Versöhnung kannnicht unter Ausschluss der Betroffenen stattfinden. Ver-söhnung muss immer mit den Betroffenen stattfinden.Deshalb akzeptieren wir die Position des BdV.
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eren Stellungnahmen dann in Polen und auch hier voninigen aufgegriffen worden sind und zu polemischenußerungen geführt haben. Das ist sehr bedauerlich undird der Verantwortung einer großen deutschen Parteiicht gerecht.
Genau aus dem Grund halte ich die eben unter ande-em vom Kollegen Nietan hier vergossenen Krokodils-ränen für scheinheilig. Sie haben selbst mitgezündeltnd beschweren sich jetzt, dass es brennt. Seit – auchiese Erkenntnis kann ich Ihnen nicht ersparen – demuftritt des Altbundeskanzlers Schröder auf dem Markt-latz von Goslar versuchen Sie immer wieder, Themener Außenpolitik für Ihre innenpolitische Profilierung zunstrumentalisieren. Das ist der SPD – das besagen auchie Umfragewerte von dieser Woche – nachweislichicht gelungen. Aber es fügt dem Ansehen Deutschlandschaden zu.
Ich komme zum Abschluss gerne auf den Titel dereutigen Aktuellen Stunde zurück. Darin heißt es „Ver-öhnen statt provozieren“. Ich glaube, in den heutigenebattenbeiträgen ist deutlich geworden: Dem BdV wieer CDU/CSU ist Versöhnung ein Herzensanliegen.
ie Provokation findet auf der linken Seite dieses Hau-es statt.Danke schön.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 26. November
009, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.