Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Leider sehe ich aber keinen Vertreter der Bundesre-
gierung.
(Abg. Jürgen Koppelin [FDP] meldet sich zur
Geschäftsordnung)
– Herr Koppelin, zur Geschäftsordnung, bitte schön.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Ich sehe den entsprechenden Minister
nicht. Fairerweise muss man sagen, dass auch die Frak-
tionen etwas schwach besetzt sind. Daher beantrage ich
eine Unterbrechung der Sitzung für 15 Minuten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
In Anbetracht der Umstände würde ich diesem Antrag
gerne folgen.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Es gibt von meiner
Fraktion keine Widerrede! – Undine Kurth
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Redet
[Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Auch von uns keine Widerrede!)
– Ich höre keinen Widerspruch. Dann unterbreche ich
die Sitzung. Wir kommen um 13.15 Uhr wieder zusam-
men.
(Unterbrechung von 13.01 bis 13.15 Uhr)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht der
Bundesregierung 2007.
Das Wort für den einleitenden fünfminütig
hat der Bundesminister für Ernährung, Lan
und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.
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ung
31. Januar 2007
0 Uhr
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
itte zunächst um Verständnis dafür, dass sich die Regie-
ungsbefragung um eine Viertelstunde verzögert hat.
as liegt daran, dass die Sitzung des zuständigen Aus-
chusses, in der es um die deutsche EU-Ratspräsident-
chaft und unser Arbeitsprogramm ging, bis 13 Uhr ge-
auert hat.
Wir haben heute im Kabinett den Agrarpolitischen
ericht 2007 behandelt. Die Jahresangabe 2007 ist etwas
rreführend, weil sich die Schlussfolgerungen dieses Be-
ichts auf das Wirtschaftsjahr 2005/2006 beziehen. Ich
öchte Ihnen das wesentliche Ergebnis, das ich auch im
abinett vorgetragen habe, wiedergeben.
Erstens. Die Stimmung in der Agrarwirtschaft und der
rnährungswirtschaft ist gut. Es gibt eine große Bereit-
chaft zur Innovation, und man konnte auf der Grünen
oche – die übrigens mit einem Besucherrekord zu
nde gegangen ist – die positive Stimmung buchstäblich
it Händen greifen.
Aber auch die Lage in der Agrar- und Ernährungs-
irtschaft ist positiv. Viele Daten, die wir in dem Bericht
usweisen, zeigen einen Aufwärtstrend. Das gilt auch für
ie Stellung der deutschen Agrar- und Ernährungswirt-
ext
schaft auf den Weltmärkten. Wir haben bei den Exporten
einen Zuwachs von 10 Prozent erzielt. Mit den Amerika-
nern, Franzosen und Niederländern gehören wir jetzt im
Bereich Agrar- und Ernährungswirtschaft zu den vier
stärksten Exportnationen.
Wir haben wie auch im letzten Wirtschaftsjahr eine
Zunahme der Wertschöpfung zu verzeichnen. Die Ein-
kommenslage ist besser als im Durchschnitt der fünf
Vorjahre. Der gesamte Bereich der Bioprodukte boomt.
Die Produktion hält nicht Schritt mit der Nachfrage.
Was die Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe an-
geht, hat sich eine völlig neue, sehr positive Entwicklung
ergeben. Ich darf darauf hinweisen, dass wir heute im
nfang der 90er-Jahre das Fünffache der
chen Flächen für nachwachsende Roh-
esonders angenehm berührt mich, dass
Bereichen – ich denke zum Beispiel an
en Bericht
dwirtschaft
Vergleich zu A
landwirtschaftli
stoffe nutzen. B
sich in manchen
7748 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesminister Horst Seehofer
die deutsche Holzwirtschaft – ein ausgesprochener Boom
entwickelt.
Zweitens. Die positive Entwicklung insgesamt geht
mit einem nach wie vor sehr starken Strukturwandel in-
nerhalb der Landwirtschaft einher. Die positiven Daten
zur Wertschöpfung bzw. zur Gewinn- oder Einkommens-
entwicklung betreffen vor allem die größeren Betriebe.
Die Wachstumsschwelle liegt in Deutschland mittler-
weile bei 75 Hektar. Die positiven Zahlen sind im Regel-
fall bei den Betrieben zu verzeichnen, die über eine land-
wirtschaftliche Nutzfläche von 75 Hektar und mehr
verfügen. Hingegen kommt es bei den landwirtschaftli-
chen Betrieben unter 50 Hektar – insbesondere bei denen
unter 20 Hektar – zu Betriebsschließungen. Das heißt,
dass wir bei der sehr leistungsstarken und dynamischen
Landwirtschaft nicht übersehen dürfen, dass es gerade
bei kleinen und mittleren Betrieben nach wie vor einen
sehr starken Strukturwandel gibt, der in der praktischen
Politik entsprechend abzufedern ist. Aber die leistungs-
starken Betriebe haben sich einen großen Markt er-
kämpft. Wir spielen auch auf dem Weltmarkt eine be-
achtliche Rolle.
Ich sehe es als Fortschritt, dass wir in den letzten Mo-
naten das Gegeneinander in der Landwirtschaft beendet
haben. Die alte Diskussion „öko gegen konventionell“
ist beendet, genauso wie die Diskussionen „groß gegen
klein“, „international gegen regional“. Wir haben ein
ganz vernünftiges partnerschaftliches Miteinander. Ich
glaube, das hat sowohl die Stimmungslage in der Agrar-
wirtschaft verbessert als auch zum ökonomischen Erfolg
überhaupt beigetragen.
Ich möchte eine dritte Bemerkung anschließen, die
ich auch im Kabinett gemacht habe. Ein Agrarbericht,
der sich auf ein Wirtschaftsjahr bezieht, verzerrt die Si-
tuation. Ich kann nur noch wiederholen, was ich hier vor
dem Deutschen Bundestag schon gesagt habe, nämlich
dass wir gemeinsam überlegen müssen, in welchen In-
tervallen und für welche Zeithorizonte wir solche Be-
richte erstatten. Wenn Sie globale Zahlen des zurücklie-
genden Wirtschaftsjahres betrachten, sehen Sie: Wir
haben beispielsweise bei der Einkommensentwicklung
eine Stagnation und einen leichten Rückgang, im Wirt-
schaftsjahr davor gab es aber ein Plus von 24 Prozent.
Mein Haus schreibt mir auf, dass für das vor uns lie-
gende Wirtschaftsjahr mit einem Plus zwischen 5 und
10 Prozent zu rechnen ist.
Deshalb ist eine punktuelle Betrachtung eines Wirt-
schaftsjahres unzureichend, jedenfalls in der globalisier-
ten Welt unserer Tage, und ich möchte darum bitten, den
Agrarbericht weiterzuentwickeln und die Agrarwirt-
schaft, die Forstwirtschaft und die gesamte Ernährungs-
wirtschaft in einem Bericht zusammenzufassen. Ich
möchte das damit begründen, dass in der Agrar- und Er-
nährungswirtschaft insgesamt 4 Millionen Menschen be-
schäftigt sind; das sind 10 Prozent der Erwerbstätigen in
Deutschland. Wenn Sie nur den Kernbereich der Agrar-
betriebe mit etwa 350 000 Beschäftigten betrachten, ist
das eine Marginalisierung des tatsächlichen Wirtschafts-
geschehens. Die Wertschöpfung aller Bereiche liegt ins-
gesamt zwischen 7 und 8 Prozent. Ich möchte folgenden
Vergleich anstellen: Das gesamte deutsche Gesundheits-
wesen hat auch etwa 4 Millionen Beschäftigte.
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Ich glaube, wir müssen die Frage des ländlichen Rau-
es, der Agrar- und Ernährungswirtschaft künftig in un-
erer Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit als
esamtheit betrachten. Mein Vorschlag wäre eine Be-
ichterstattung über einen längeren Zeithorizont von vier
is fünf Jahren, weil nur eine solche längere Betrachtung
er Wirtschaft wirklich repräsentative Aussagen ermög-
icht.
Ich glaube, insgesamt ist der Agrar- und Ernährungs-
ereich in einer guten Verfassung, und gerade bei den
ungen Landwirten, mit denen ich sehr stark in Kontakt
tehe, gibt es Perspektiven. Zum ersten Mal seit vielen
ahren erlernen wieder mehr junge Leute den Beruf der
äuerin und des Bauern. Überhaupt werbe ich dafür, in
iesem Bereich so über die Perspektiven zu reden, dass
unge Menschen sich für diese Berufe entscheiden.
Wir dürfen auf der anderen Seite den Strukturwandel
icht übersehen, den es nach wie vor gibt und den es
uch in den nächsten Jahren geben wird; denn wir haben
mmer noch eine erhebliche Anzahl landwirtschaftlicher
etriebe in der Größenklasse von 20 bis 50 Hektar. Mitt-
erweile verfügt allerdings über die Hälfte der Betriebe
ber landwirtschaftliche Nutzflächen von mehr als
00 Hektar. Wir haben einerseits sehr viel Aufwind in
er Landwirtschaft, müssen auf der anderen Seite aber
ie Notwendigkeit sehen, den Strukturwandel vernünftig
m Interesse der Betroffenen zu begleiten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Minister Seehofer. – Wir kommen
un zu den Fragen zu diesem Themenbereich. Als erster
ragestellerin gebe ich der Kollegin Julia Klöckner das
ort.
Julia Klöckner (CDU/CSU):
Herzlichen Dank, Herr Minister Seehofer, für Ihre
usführungen. Sie haben angesprochen, den Agrarbe-
icht etwas anders, etwas lebensnäher zu gestalten, und
u Recht auch angeregt, den Ernährungsbereich in die
erichterstattung einzubeziehen. Damit haben Sie eine
rage, die ich stellen wollte, schon beantwortet. Ich habe
u diesem Punkt aber noch eine Zusatzfrage:
Können Sie sich vorstellen, auch das sogenannte Agri-
usiness – vorgelagerter und nachgelagerter Bereich –
ufzunehmen, damit wir einen Querschnitt haben, der
eigt, was sich rund um die Landwirtschaft und die Er-
ährungswirtschaft tut, und dass wir Maßnahmen, die
as BMELV in der Landwirtschaft angestoßen und er-
riffen hat – ich nenne als Beispiel ein für die Zukunft
eplantes Schulmilchprojekt –, evaluieren?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ja, ich kann mir alles vorstellen, was Sie gesagt ha-
en.
(Heiterkeit – Julia Klöckner [CDU/CSU]:
Wunderbar! Ich bedanke mich! – Dr. Uwe
Küster [SPD]: Frau Klöckner, was machen wir
nu?)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7749
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann erteile ich – –
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Herr Präsident, ernsthaft, wenn das vielleicht zu flap-
sig war: Der Agrarbericht war mit sektoraler Betrachtung
des Kernbereichs der Landwirtschaft in Zeiten, als man
in Brüssel jährlich über die Preise für das nächste Wirt-
schaftsjahr verhandelt hat, sicherlich gerechtfertigt. Aber
angesichts der nun vorhandenen Vernetzung der ver-
schiedenen Sektoren – Landwirtschaft, Forstwirtschaft,
Ernährungswirtschaft, Landwirtschaftstechnik, Innova-
tion und ländlicher Raum – und in einer Zeit, in der wir in
der Landwirtschaft über eine derartige Vielzahl von Wirt-
schaftsmöglichkeiten verfügen wie niemals zuvor – den-
ken Sie nur an die Nahrungsmittelproduktion, den Ener-
giewirt, die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten, den
Tourismus und den Kulturlandschaftspfleger sowie an
die veränderten Umweltbedingungen und ökonomischen
Bedingungen –, plädiere ich dafür, den Agrarbericht zu
verändern. Das können wir nur zusammen mit dem Par-
lament; denn wir sind gesetzlich verpflichtet, einen
Agrarbericht vorzulegen, und zwar in dieser Form. Da-
rüber stehen wir innerhalb der Koalition in Kontakt, und
zwar nicht, um die öffentliche Debatte abzuschneiden
oder – wie ich bei der Diskussion über den Waldzu-
standsbericht gehört habe – um etwas zu verschweigen,
sondern um die Tragweite dieses Wirtschaftsbereichs in
der Öffentlichkeit deutlicher zu machen und repräsentati-
vere Aussagen zu treffen, als sie mit einer temporären,
auf zwölf Monate begrenzten Betrachtungsweise mög-
lich sind.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist der Kol-
lege Peter Bleser.
Peter Bleser (CDU/CSU):
Herr Minister, Sie haben in Ihrem Bericht ausgewie-
sen, dass die deutsche Ernährungswirtschaft im abgelau-
fenen Jahr Exporte mit einem Volumen von 40 Milliar-
den Euro getätigt hat; das sind 10 Prozent mehr als im
Jahr zuvor. Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem
Haus ergriffen, die zu dieser fantastischen Entwicklung
beigetragen haben? Diese Entwicklung hat unter ande-
rem dazu geführt, dass die Zahl der Auszubildenden in
der Ernährungswirtschaft, in den 14 grünen Berufen,
erstmals wieder enorm angestiegen ist.
(Jürgen Koppelin [FDP]: Sie haben vergessen,
„Danke, Herr Minister“ zu sagen!)
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ich danke, lieber Kollege Peter Bleser, für diese ziel-
führende Frage.
(Heiterkeit)
Zuallererst ist ein Zuwachs beim Export von über
10 Prozent in dem sensiblen Bereich von Nahrungsmit-
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eln und Agrarprodukten Ausdruck der Qualität unserer
rodukte. Das ist das Verdienst der Erzeuger.
(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann
[FDP])
ir diskutieren gelegentlich zu viel über Mängel, bei-
pielsweise über Gammelfleisch, und übersehen dabei,
ass die Qualität unserer Produkte weltweit sehr ge-
chätzt wird. Sonst würden sie nicht verkauft.
Natürlich kann man politisch etwas dafür tun. Das
achen wir auch. Wir haben in unserem Haus eine Ex-
ortunterstützungsstelle eingerichtet, die der Staatsse-
retär Gerd Müller leitet. Manche meinen: Das ist eine
eisestelle. – Aber sie ist für den Export sehr wichtig.
udem haben wir, die deutsche Regierung, sehr viel da-
ür getan, dass es zu einem Abkommen über den freien
andel mit Tier- und Pflanzenprodukten zwischen der
ussischen Föderation und der Europäischen Union ge-
ommen ist. Russland ist für Deutschland der wichtigste
rittstaat beim internationalen Handel. Deshalb war ein
olches Abkommen lebenswichtig für unsere Produzen-
en. Wir streben Gleiches zwischen der Russischen Fö-
eration und Polen an, und zwar wieder über die EU.
ier erweist sie sich als sehr hilfreich; denn die europäi-
chen Mitgliedstaaten stellen in ihrer Gesamtheit eine
anz andere Verhandlungsmacht dar, als wenn man ver-
uchte, auf bilateraler Ebene Abkommen abzuschließen.
Lieber Kollege Bleser, entscheidend ist aber die Qua-
ität unserer Produkte. Sie sind weltweit geachtet und ge-
chätzt. Deshalb kam es zu diesem Zuwachs.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage stellt die Kollegin Bärbel Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, ich wusste gar nicht, dass Sie Stützfra-
en nötig haben.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Ich freue mich auf jeden Fall, dass Sie den Boom bei
en Bioprodukten und den nachwachsenden Rohstoffen
erausgestellt und damit letzten Endes die positive Wir-
ung des rot-grünen Regierungshandelns hervorgehoben
aben. Ich möchte etwas zu biogenen Kraftstoffen fra-
en. Die Bundesregierung hat zum 1. Januar 2007 eine
nderung vorgenommen – die Beimischung – und damit
ie Steuerbefreiung für die nächsten Jahre zumindest
artiell aufgehoben. Damit haben Sie die Mineralölkon-
erne gestärkt und nicht den ländlichen Raum. Was wol-
en Sie tun, damit die Wertschöpfung weiter im ländli-
hen Raum bleibt? Denn je zentraler die Strukturen sind,
esto weniger hat der ländliche Raum davon.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Liebe Frau Kollegin Höhn, ich dachte auch nicht,
ass Sie sich selbst durch Ihre Fragen stützen müssen.
nsofern haben wir das jetzt wieder ausgeglichen.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
7750 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Bundesminister Horst Seehofer
Ich glaube, dass die Entwicklung von Biokraftstoffen
und Bioprodukten schon vor Ihrer Regierungszeit be-
gonnen hat. Das haben Sie nicht verhindert. Das kann
man durchaus akzeptieren. Das ist eine Entwicklung, die
schon in den 90-er-Jahren massiv eingesetzt hat und jetzt
weitergeht. Sie haben prognostiziert, dies würde unter
einer Großen Koalition zu einem großen Problem wer-
den. Ich war während der Grünen Woche bei der Neu-
land GmbH. Vor einem Jahr bin ich dort noch mit der
Prognose verabschiedet worden, in einem Jahr sei alles
kaputt. Jetzt konnte ich mein Grußwort mit der Feststel-
lung beginnen, dass dieser Bereich so boomt wie nie zu-
vor. Übrigens stimmen auch die Erträge. Sie liegen
30 Prozent über den Erträgen konventioneller Betriebe.
Auch das steht im Agrarbericht. Das ist also eine wun-
derschöne Entwicklung.
Dazu, dass Sie gelegentlich sagen, die deutsche Re-
gierung habe etwas versäumt, weil die Nachfrage größer
als die Produktion sei, muss ich Ihnen sagen, dass wir
eine ähnliche Entwicklung in ganz Europa haben. Mich
freut diese Entwicklung. Wir werden alles tun, damit das
so weitergeht. Das hat auch etwas mit verändertem Ver-
braucherbewustsein und dem veränderten Bewusstsein
bei vielen Handelsketten zu tun. Das sollte uns gemein-
sam freuen. Ich stelle hier für die neue Regierung fest,
dass wir entgegen aller Prognosen sehr viel Positives für
den Biobereich erreicht haben. Das entspricht auch mei-
ner tiefen Überzeugung. Nur, ich spiele den Biobereich
nicht gegen den anderen Bereich aus. Das hat sich verän-
dert.
(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Uwe
Benneter [SPD]: Da war keine Änderung nö-
tig!)
Auch andere Bereiche produzieren vernünftige Nah-
rungsmittel.
Zum Biosprit. Man kann es nicht oft genug wiederho-
len: Die Regelung, die ich vorfand, war bis zum
Jahr 2009 gültig. Ohne eine Neuregelung wäre es
nach 2009 zu einer vollen Besteuerung gekommen. Es
war völlig offen, wie man nach 2009 weitermacht. Da ist
es mir doch lieber, wenn wir schrittweise zur Besteue-
rung kommen und den Leuten auch für die Zeit
nach 2009 Klarheit geben. Ich habe keinerlei Schwierig-
keiten, diese Position gegenüber den Betroffenen zu ver-
treten. Wir haben jetzt Vertrauen und Verlässlichkeit
über das Jahr 2009 hinaus hergestellt. Das ist mir lieber,
als wie bisher bis zum Jahr 2009 weiterzumachen und
dann eine volle Besteuerung einzuführen. So war die
Rechtslage, Frau Höhn.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Kurze Nachfrage!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Höhn, die Nachfrage muss ich genehmigen. Es
ist allgemein nicht üblich, Nachfragen zu stellen. Jeder
hat eine Frage. Ich habe eine sehr lange Liste. Ich bitte,
auf die Nachfrage zu verzichten.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Dann machen das die anderen!)
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ie nächste Frage hat die Kollegin Dr. Kirsten
ackmann.
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):
Herr Minister, Sie haben die Bilanz des Jahres 2005/
006 dargestellt. Nun ist es so, dass die positive Ent-
icklung der landwirtschaftlichen Betriebe den sozialen
rennpunkten in vielen ländlichen Räumen gegenüber-
teht. Ich möchte Sie fragen, ob Sie Konzepte entwi-
keln können, die eine Teilhabe der Bevölkerung im
ändlichen Raum insgesamt an dieser positiven Entwick-
ung möglich machen. In Ihrem Bericht steht auch, dass
iederum 2,6 Prozent der Arbeitsplätze in der landwirt-
chaftlichen Produktion verloren gegangen sind. Ich
laube, dass wir uns gemeinsam und ganz besonders Sie
ls verantwortlicher Minister sich Gedanken machen
üssen, wie man Strukturpolitik im ländlichen Raum
etreibt, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Die zweite Frage: In Ihrer Bilanz steht, dass die ost-
eutschen Betriebe einen Gewinnrückgang in Höhe von
2 Prozent zu verzeichnen haben. Damit haben sie zwar
mmer noch einen höheren Gewinn als die Betriebe in
en alten Bundesländern; aber es ist nachzulesen, dass
ieser Gewinnrückgang offensichtlich sehr stark mit den
olitischen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland zu-
ammenhängt, also den geringeren Direktzahlungen, der
appung der Agrardieselbesteuerung und ähnlichen
ingen. Ist es nicht an der Zeit, da einmal genau hinzu-
chauen? Denn im ostdeutschen ländlichen Raum bilden
ie Landwirtschaftsbetriebe eine besondere Strukturein-
eit. Es sind teilweise die letzten Strukturen, die über-
aupt noch funktionieren. Haben Sie eine Vorstellung
der Ideen, wie man dort politisch agieren könnte?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Tackmann, Sie haben nicht das Recht,
ine Serie von Fragen zu stellen; denn sonst kommen die
nderen nicht mehr an die Reihe. – Danke.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber eine
gute Frage war es trotzdem!)
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Zur Frage nach dem ländlichen Raum: Über die
älfte der deutschen Bevölkerung lebt in ländlichen
äumen. Ein erheblicher Teil der ländlichen Räume
insbesondere in den neuen Ländern – ist von vielen
konomischen Problemen betroffen und wird von der
emografischen Entwicklung unseres Landes in beson-
erer Weise betroffen sein. Deshalb ist es ein ganz zen-
rales Ziel der Bundesregierung, neben dem Konzept der
etropolregionen auch für die ländlichen Räume Kon-
epte hinsichtlich der Zukunftsperspektiven zu entwi-
keln. Sie wissen, dass wir dazu einen bundesweiten
ialog eröffnet haben. Dieser soll sich nicht in einem
ndlosen Kongressleben erschöpfen, sondern er wird
azu führen, dass wir ab Sommer dieses Jahres dem Par-
ament und der Öffentlichkeit im Rahmen eines Kon-
epts strukturelle Maßnahmen, die wir für die ländlichen
äume ergreifen wollen, vorschlagen werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7751
(A) )
(B) )
Bundesminister Horst Seehofer
Das ist ein ganzheitlicher Ansatz, der nach Abschluss
des Dialogs die Notwendigkeit nach sich zieht, zu über-
legen, wie wir zum Beispiel die zweite Säule bezüglich
der Förderung ausstatten und wie wir die Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes“ in Deutschland neu definieren. Das
muss politisch flankiert werden, woran wir gerade arbei-
ten. Allerdings richtet sich das nicht gegen die Städte,
sondern Stadt und Land sollen Hand in Hand gehen.
Es gibt viel bürgerschaftliches Engagement in den
ländlichen Räumen, zum Beispiel das Projekt „Regionen
Aktiv – Land gestaltet Zukunft“. Das wollen wir auch
weiterführen. Ich möchte aber auch meiner Überzeu-
gung Ausdruck verleihen, dass die Zukunft der ländli-
chen Räume ohne Wertschöpfung in den ländlichen Räu-
men nicht denkbar ist. Das heißt, wir müssen überlegen,
wie wir die Wertschöpfung – zum Beispiel in der Land-
wirtschaft durch die Energieproduktion mit Biomasse
und nachwachsenden Rohstoffen – in den ländlichen
Räumen halten können. Nur dann werden wir auch die
jungen Leute in den ländlichen Räumen halten können.
Die zweite Frage betraf den Gewinnrückgang um
22 Prozent bei den Betrieben in Ostdeutschland. Wir ha-
ben dazu eine Begründung gegeben. Es gibt einige Be-
gründungen, die auch für Westdeutschland gelten. Wenn
aber 5 Prozent der Mittel im Rahmen der Modulation
von der ersten in die zweite Säule gelangen, wenn also
5 Prozent der Direktzahlungen an die Betriebe in Pro-
jekte zur Entwicklung des ländlichen Raumes fließen
– wie übrigens von allen hier gewünscht –, dann schlägt
sich das natürlich in der Bilanz nieder. Das schlägt sich
in den neuen Ländern wegen der größeren Flächen na-
türlich etwas stärker nieder. Sie dürfen also nicht überse-
hen, dass wir eine gesetzliche Modulation von 5 Prozent
haben. Das heißt, die Zahlungen an die Betriebe werden
um 5 Prozent reduziert und das Geld geht weitestgehend
in Projekte zur Entwicklung des ländlichen Raumes.
Bei der Größe der Betriebe in den neuen Ländern
– ich möchte dies jetzt nicht kritisieren, aber man muss
es als mathematische Grundlage berücksichtigen – wirkt
sich das natürlich prozentual, also relativ, spürbarer aus
als beispielsweise in meinem Heimatland mit sehr klei-
nen landwirtschaftlichen Flächen.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da
braucht man ein Gegenkonzept!)
– Wissen Sie, man kann eines nicht machen: Man darf
nicht gelegentlich hier im Parlament sagen, man wolle
mehr Geld von der ersten in die zweite Säule transferie-
ren, und sich anschließend darüber wundern, dass es
plötzlich zu einem Rückgang der Mittel in der ersten
Säule kommt. Das geht nicht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage geht an den Kollegen Hans-
Michael Goldmann.
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Herr Minister, ich möchte mich auch dafür bedanken,
dass wir den Bericht gestern Abend schon zur Verfügung
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atten und somit schon lesen konnten. Ich finde Ihre
dee, ihn in die Ernährungswirtschaft einzubinden, eine
nteressante Überlegung, über die wir nachdenken und
ie wir umsetzen sollten. Ich habe mir gedacht, dass wir
hn vielleicht sogar in den Gesamtbereich Wirtschaft
inbinden sollten. Morgen gibt es einen Tagesordnungs-
unkt Jahreswirtschaftsbericht 2007, und ich finde, die
grarwirtschaft gehört genauso zur Wirtschaft wie an-
ere Bereiche auch.
Es bestätigt sich ein bisschen, was in Fachkreisen ge-
agt wird – das meine ich ganz generell –: Die Stimmung
st besser als die Lage. Ich habe mich erschrocken, als
ch einige Zahlen las. Ich hatte nicht für möglich gehal-
en, dass das durchschnittliche Einkommen um
,4 Prozent gesunken ist. Vor allen Dingen hat mich die
ituation in den neuen Ländern erschreckt; das muss ich
ehr deutlich sagen. Wir brauchen Konzepte. Ich möchte
erne nach solchen Konzepten fragen.
Erschreckt hat mich auch, dass 25 000 Euro eines
urchschnittlichen Einkommens von 36 000 Euro auf
ubventionen zurückgehen. Das zeigt, dass wir vor dra-
atischen Herausforderungen im Hinblick auf das ste-
en, was von der europäischen Ebene auf uns ganz si-
herlich zukommt. Welche Reformen planen Sie
urchzuführen, um die Betriebe zu mehr unternehmeri-
chem Tun zu bewegen?
Letzte Frage. Sind Sie mit der Regelung bezüglich der
rntehelfer, die mittlerweile getroffen worden ist – sie
oll Bestand haben –, wirklich so zufrieden, dass Sie auf-
eben und sich nicht mehr darum bemühen, eine bessere
ösung zu finden? Die Beschreibung im Papier deckt
ich nach meinen Erfahrungen nicht mit der Realität.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Bisher gab es einen einzigen Bundesminister, der sein
igenes Ministerium aufgelöst hat: Das war der Post-
inister. Ich kann Ihrem Vorschlag, den Agrarbericht in
en Jahreswirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsmi-
isters einzuarbeiten oder beide Berichte zusammenzu-
egen, nicht mit voller Begeisterung folgen. Wir sollten
ersuchen, dafür zu sorgen, dass es sich in unserem Zu-
tändigkeitsbereich in die Richtung entwickelt, die ich
orhin angedeutet habe.
Was die von Ihnen genannten Zahlen angeht: Es ist
mmer problematisch, eine Globalzahl in einer Statistik
soliert zu betrachten. Wenn Sie ein paar Seiten weiterle-
en – wie ich Sie kenne, tun Sie das sicherlich –, dann
erden Sie sehen, dass es eine Differenzierung nach Be-
riebsgrößen gibt. Sie werden sehen, dass Betriebe mit
iner Größe bis 50 Hektar Negativwerte haben, dass Be-
riebe mit einer Größe zwischen 50 und 75 Hektar eini-
ermaßen stabile Werte haben und dass die Zahlen für
etriebe mit einer Größe von mehr als 75 Hektar positiv
ind. Die entsprechenden Werte der kleinen Betriebe sin-
en, aber die Fläche der größeren Betriebe nimmt zu,
nd der Umfang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche
st insgesamt gleich geblieben. Das sind die Auswirkun-
en des von mir angesprochenen Strukturwandels.
7752 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Bundesminister Horst Seehofer
Wie dramatisch er – immer noch – ist, zeigt Folgen-
des: In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hat ein
Bauer zehn Menschen ernährt; heute ernährt ein Bauer
140 Menschen. Man erkennt daran die ganze Dynamik
in diesem Bereich durch Innovation, durch Mechanisie-
rung und vieles andere. Diese Dynamik ist ungebrochen.
Das sollten wir auch aussprechen.
Ich glaube, wir sind gut beraten – auch im Hinblick
auf Ihren Hinweis, dass 25 000 Euro eines durchschnitt-
lichen Einkommens auf Subventionen zurückgehen –,
die Multifunktionalität der Landwirtschaft – Nahrungs-
mittel, Energie, Freizeit, Erholung, Tourismus, Kultur-
landschaft – aufrechtzuerhalten und der Landwirtschaft
dabei zu helfen, in Europa nach marktwirtschaftlichen
Gesetzen tätig zu sein. Je besser sie ihre Existenz über
Preise und Einkommen sichern kann, desto weniger
Subventionen sind nötig.
Ich möchte – wie eben im Ausschuss – deutlich sa-
gen, dass sich die Landwirte jetzt darauf verlassen kön-
nen müssen, dass die Gemeinsame Agrarpolitik, die bis
zum Jahre 2013 vereinbart ist, fortbesteht. Wie soll je-
mand, der von staatlichen Rahmenbedingungen sehr
stark abhängig ist, investieren, wenn er sich auf diese
Rahmenbedingungen nicht verlassen kann? Die Verläss-
lichkeit, die Stabilität in der EU bis zum Jahre 2013 sind
Voraussetzung für die Investitionen.
Ich bin ein glühender Verfechter des Ansatzes, dass
wir die Landwirtschaft zu mehr unternehmerischem Tun
hinführen. Im Gegensatz zu meinem früheren Tätigkeits-
feld ist in der Landwirtschaft ein ganz hohes Maß an Be-
reitschaft vorhanden – darüber bin ich sehr froh –, sich
der unternehmerischen Tätigkeit mehr als der Diskus-
sion über Subventionen zuzuwenden. Das freut mich un-
gemein. Gelegentlich stellt man fest, dass jeder von der
Marktwirtschaft spricht, dass man die Anhänger der
Marktwirtschaft aber mit nichts mehr bestrafen kann als
mit der Einführung der Marktwirtschaft.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Erntehel-
fer!)
– Ja, Erntehelfer. Ich bin mit dem Kollegen Müntefering
völlig d’accord; ich weiß, das hört nicht jeder gern. An-
gesichts der bei uns bestehenden Arbeitslosigkeit bin ich
dafür, dass wir verstärkt hier lebende Arbeitslose für sol-
che Tätigkeiten heranziehen.
Das schändet übrigens auch nicht; das sollten wir
auch sagen. Allerdings sehe ich auch die Probleme, die
im praktischen Vollzug hier und dort entstanden sind.
Eine Erntehelferregel darf nicht so aussehen, dass sie in
der Praxis zulasten der Bauern geht. Wir brauchen ein
Stück mehr Flexibilität und ein Stück weniger Bürokra-
tie. Unter keinen Umständen darf sich das wiederholen,
was im Vorjahr passiert ist, als wegen einer zu starren
Vorgehensweise der Behörden das eine oder andere nicht
möglich war.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage hat die Kollegin Ulrike Höfken.
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Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, Sie haben – so wie Sie gesagt haben –
ute Rahmenbedingungen übernommen; ich denke an
ie Agrarreform, die Unterstützung von Bioprodukten
nd an die erneuerbaren Energien. Das Problem ist, dass
ie drohen, diese Fundamente einzureißen. Mit der fi-
anziellen Vorausschau auf der europäischen Ebene hat
rau Merkel höchstpersönlich dafür gesorgt, dass so viel
eld aus der Landwirtschaft, und zwar aus einem sinn-
ollen Anwendungsbereich, wie niemals zuvor entzogen
ird, nämlich ungefähr 700 Millionen Euro. Ich habe im
inblick auf die zweite Säule ein Problem damit, dann
och von Verlässlichkeit zu reden. Der Agrardiesel ist
och viel teurer geworden und die Biospritbesteuerung
ührt dazu, dass die Wertschöpfung in den ländlichen
äumen gerade nicht mehr gewährleistet ist; das führt zu
erwerfungen.
Meine Fragen: Erstens. Was halten Sie den Verlusten
on Finanzmitteln in der ganzen zweiten Säule entge-
en? Gerade für die Biobetriebe ist, im Hinblick auf die
mstellung, die Förderung der ländlichen Räume essen-
iell. Zweitens. Haben Sie vor, die Biospritbesteuerung
die wir übrigens 2009 nicht auslaufen lassen, sondern
ur überprüfen lassen wollen – zu sichern oder die Be-
teuerung entsprechend wieder zurückzunehmen?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Zum letzten Punkt. Es gibt den ständigen Auftrag, das,
as wir entschieden haben, mit den Marktentwicklungen
u vergleichen und auf Handlungsnotwendigkeiten,
enn sie sich ergeben, zu reagieren. Es wäre ja welt-
remd zu sagen: einmal entschieden, für immer entschie-
en.
Zu Ihrer anderen Frage muss ich Ihnen sagen: Die
anzlerin hat eindeutig deutsche Interessen vertreten.
ir hatten im Zusammenhang mit der deutschen Einheit
in zweites Sonderanliegen; das waren die Ziel-I-Ge-
iete. Es wird so oft davon gesprochen, die Österreicher
ätten für die zweite Säule etwas herausgeholt und die
eutschen hätten das übersehen. Unsere Priorität war
ber nun einmal, die ungünstigen Wirtschaftsstrukturen
n den neuen Ländern durch zusätzliche europäische
ördermittel für Ziel-I-Gebiete zu verbessern. Deshalb
aben wir deutsche Interessen vertreten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD –
Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Teuer er-
kauft!)
Wissen Sie, Sie können bei den Verhandlungen nicht
ehn Sonderinteressen anmelden. Vor dem Hintergrund
nserer historischen Sondersituation durch die deutsche
inheit war unser Interesse, bei der Förderung der Wirt-
chaftsstruktur zu einer zusätzlichen Mittelausstattung
u kommen. Das ist gelungen: Beispielsweise bekommt
ein Heimatland Bayern in der zweiten Säule mehr För-
ermittel als ganz Großbritannien. Die Förderung, die
ls Ausgleichszulage in der zweiten Säule gezahlt wird,
st auch nach Berücksichtigung der Sparmaßnahmen,
on denen Sie sprachen, noch höher als in jedem ande-
en Land.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7753
(A) )
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Bundesminister Horst Seehofer
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, das ist
auch richtig so! Die waren ja tüchtig!)
– Ja, das ist in Ordnung. Wir dürfen nicht die These auf-
stellen, das Sparen führe zur Zerschlagung der Förder-
programme für den ländlichen Raum. Manchmal kann
man die Mittel auch sinnvoll einsetzen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage hat – –
(Zurufe der Abg. Ulrike Höfken [BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN])
– Entschuldigen Sie, Frau Höfken, es kommen heute so-
wieso nicht alle Fragesteller zum Zuge.
(Zurufe der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN] und der Abg. Bärbel Höhn
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Es ist ja schön, dass alle an dem Thema so interessiert
sind; aber die nächste Frage hat die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan.
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Herr Minister, Sie haben eben sehr deutlich darge-
stellt, dass wir einen Wandel in der Landwirtschaft ha-
ben: zum einen hin zu größeren Betrieben, zum anderen
hin zur Produktion nachwachsender Rohstoffe; das gilt
insbesondere mit Blick auf die energetische Verwertung.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie gesagt ha-
ben, es gebe ein Prä für die unternehmerische Landwirt-
schaft. Die unternehmerische Landwirtschaft braucht
stabile rechtliche Rahmenbedingungen.
In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Frak-
tion Die Linke haben Sie deutlich gemacht, dass wir ins-
besondere beim Mais ein Problem mit dem Maiszünsler
haben. Sie wissen aus der Diskussion sicherlich, dass
Bt-Mais eine Möglichkeit ist, um den Maiszünsler zu be-
kämpfen. Dies ist gerade auch aus umweltpolitischer
Sicht sinnvoll, wie das Ministerium für Umwelt in Bay-
ern in einem sehr aufwendigen Bt-Mais-Monitoring dar-
gestellt hat.
Wann wird das Gentechnikgesetz so novelliert, wie
Sie es im Koalitionsvertrag versprochen haben – hin zu
mehr Anwendung auf dem Acker und hin zu mehr For-
schung –, um für Bt-Mais und die Europa im Zulas-
sungsverfahren befindliche Stärkekartoffel in Deutsch-
land etwas mehr Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Wie Sie wissen, sind wir dazu in einem sehr guten
Gespräch mit den Koalitionsfraktionen.
(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nein?!)
– „Sehr gut“, Herr Goldmann. Fachliche Tiefe ist kein
Widerspruch zu „sehr gut“. – Ich denke, dass wir mit den
Ergebnissen baldmöglichst ins Bundeskabinett gehen
können.
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Ich muss Ihnen allerdings Folgendes sagen: In der
älfte der Bundesrepublik gibt es den Maiszünsler nicht
nd in den Gegenden, wo es ihn gibt, mit sehr unter-
chiedlicher Befalldichte. Ich bin kein praktizierender
andwirt. Deshalb rufe ich gelegentlich mir bekannte
andwirte an und frage: Was macht ihr? Habt ihr den
aiszünsler? Dann bekomme ich ganz überwiegend die
ntwort: Ja, aber nicht so besonders dramatisch. Wir
flügen tiefer um, wir wechseln die Fruchtfolge, und
ann ist der Maiszünsler weg. – Es gibt also auch andere
öglichkeiten der Bekämpfung als nur den Bt-Mais.
Trotzdem müssen wir Antworten darauf geben, was
ie Forschung, die Sicherheit und die Frage der Koexis-
enz angeht. Sie werden erleben, dass wir sie geben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weil die vorgesehene Zeit eigentlich abgelaufen ist,
rage ich, ob es noch Fragen außerhalb dieses Themen-
ereichs gibt; wenn nicht, könnten wir die Zeit noch
eiter für dieses Thema nutzen. – Da es keine Fragen zu
nderen Themen gibt, setzen wir die Regierungsbefra-
ung hierzu fort.
Die nächste Frage hat die Kollegin Cornelia Behm.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, sogar Herr Sonnleitner hat neulich zu-
egeben, dass die Vorgängerregierung in Sachen nach-
achsende Rohstoffe nicht alles falsch gemacht hat. –
ur so viel zu Ihrem Geplänkel mit Bärbel Höhn.
Sowohl um Klimaschutz zu betreiben als auch um die
ertschöpfung im ländlichen Raum zu erhöhen, müssen
ir darauf achten, auf unseren Flächen eine maximale,
ber nachhaltig erzeugte Biomasse zu gewinnen, einer-
eits in Form nachwachsender Rohstoffe für die stoffli-
he und energetische Nutzung, andererseits aber auch
ur Nahrungsgewinnung. Ich frage Sie zu diesem Punkt,
elche Strategien Sie haben, um sicherzustellen, dass
ie ökonomischen Interessen – man merkt, dass die sehr
n den Vordergrund gerückt werden – die ökologischen
nd die sozialen Interessen nicht überlagern. Ich will
anz konkret werden und Sie fragen, wie Sie bei der
usweitung der NaWaRo-Flächen sicherstellen wollen,
ass der Naturschutz nicht unter die Räder kommt, dass
lso ausreichend Flächen für den Biotopschutz und den
iotopverbund bleiben. Planen Sie zum Beispiel, sich
tärker für das Thema Agroforstsysteme zu engagieren?
as würde durchaus einen Lösungsansatz bieten. Neh-
en Sie sich des Problems an, dass wir immer nur Mais-
lächen im Auge haben? Wollen Sie nicht die Fruchtar-
envielfalt fördern, auch durch Forschung im Bereich der
echnologie? Bis jetzt sagen die Anlagenbauer ja im-
er: Bei uns geht das nur mit dem Mais.
Ich habe von Nachhaltigkeit gesprochen. Dazu noch
ie Frage: Wie ist der Stand der Nachhaltigkeitszertifi-
ierung? Welche Kriterien müssen wir Ihres Erachtens
ann zur Anwendung bringen?
7754 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
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Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Diese Entwicklung rund um die nachwachsenden
Rohstoffe mit all ihren Verästelungen – Biokraftstoffe,
Biomasse, Biogas – ist eine positive Entwicklung. Sie ist
aus unterschiedlichen Gründen sehr unterstützenswert.
Es geht um Klimaschutz, um Umweltschutz, um die
Grundlagen der wirtschaftlichen Existenz der Bauern.
Ich habe letzte Woche im EU-Parlament in verschie-
denen Ausschüssen darum gebeten – das möchte ich hier
ebenfalls tun –, zu überlegen – das tun auch wir als Regie-
rung; dazu müssen wir aber auch einen Dialog führen –,
wie wir manche Fehler, die in der Agrarpolitik in den
Nachkriegsjahrzehnten gemacht wurden – da wurde das
Ökonomische, die Menge in den Vordergrund gestellt
und die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf unsere
Schöpfung lange Zeit übersehen –, beheben können.
Diese Frage stellt sich angesichts der Dynamik bei den
nachwachsenden Rohstoffen gleichermaßen. Wir sollten
vermeiden, die Fehler der Nachkriegsgeschichte jetzt zu
wiederholen. Ich habe den Eindruck, dass ich bei den zu-
ständigen Ausschüssen des Europaparlaments auf sehr
offene Ohren gestoßen bin, als ich ausgeführt habe, dass
wir Nachhaltigkeitskriterien und Standards entwickeln
müssen. Zum Teil sind es die gleichen wie in der Nah-
rungsmittelproduktion; aber wir müssen sehr Obacht ge-
ben, dass es hier nicht zu einer platten Industrialisierung
unter Ausbeutung unserer Böden kommt.
Es ist kein Widerspruch, das Positive mit einer Feh-
lervermeidungsstrategie zu verbinden. Ich sagte bereits
heute im Fachausschuss, dass wir einmal zusammenstel-
len müssen, was wir schon haben und was wir noch
brauchen, und zwar unter spezifischer Bezugnahme auf
nachwachsende Rohstoffe, zum Beispiel Fruchtfolge,
vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit.
Im Europaparlament war die Schlussfolgerung bezüg-
lich des Dialogs und auch der Entscheidungen über die
Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang: Wenn es ge-
länge, auf europäischer Ebene saubere Regeln und Stan-
dards als Gemeingut zu entwickeln, dann wären wir
auch gegenüber Drittstaaten in einer starken Stellung
und hätten eine gute Grundlage, wenn es um Wälder und
Ähnliches in anderen Regionen der Welt ginge. Ich
könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel Zertifizierungs-
systeme im Verhältnis zu Drittstaaten durchaus eine Ant-
wort sein können.
Aber lassen Sie uns das jetzt wirklich mit Nachdruck
diskutieren. Mein Interesse ist, auf europäischer Ebene
zu Regeln zu kommen. Denn nur wenn es uns auf euro-
päischer Ebene gelingt, in diesem Zusammenhang Nach-
haltigkeitsregeln zu entwickeln, werden wir auch welt-
weit Wirkung entfalten können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Fragezeit für die Regierungsbefragung ist abge-
laufen. Ich bedaure, dass viele Fragesteller nicht mehr
zum Zuge kommen konnten, aber wir haben die Zeit so-
gar schon überschritten. Deswegen müssen die Fragen
entfallen, können aber schriftlich gestellt werden.
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Wir kommen dann zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
– Drucksache 16/4133 –
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Be-
ntwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
artmut Schauerte zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 1 des Kollegen Hans-Josef
ell vom Bündnis 90/Die Grünen:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor über kar-
tellrechtswidrige Absprachen in Europa bezüglich der Ver-
gabe von Aufträgen für Kraftwerke im Allgemeinen und
Atomkraftwerke im Besonderen?
Herr Schauerte, bitte.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege Fell, ich beantworte die Frage im Na-
en der Bundesregierung wie folgt: Der Bundesregie-
ung sind keine kartellrechtswidrigen Absprachen in
eutschland bezüglich der Vergabe von Aufträgen für
raftwerke im Allgemeinen und Atomkraftwerke im
esonderen bekannt. Erkenntnisse über Absprachen in
uropa liegen der Bundesregierung nicht vor.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Fell, Ihre Nachfrage.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. Es
st Ihnen ja nicht entgangen, dass die EU-Kommission
artellrechtliche Maßnahmen und Strafmaßnahmen ge-
enüber dem Konzern Siemens ergriffen hat. Ich frage
ie in diesem Zusammenhang, ob die Bundesregierung
ich nun vornimmt, hier im Detail genauer hinzu-
chauen; denn es hat in den letzten Jahrzehnten auffäl-
ige Ereignisse gegeben. Wenn man beispielsweise die
erteilung von Atomkraftwerken in Europa auf der
andkarte betrachtet, sind Vermutungen sehr wohl ge-
echtfertigt, dass auch hier kartellrechtliche Absprachen
in Thema sind.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege Fell, wir werden die Ergebnisse der Un-
ersuchungen der Europäischen Kommission diesbezüg-
ich abwarten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Nachfrage? – Bitte.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich fragte nicht, ob Sie die Ergeb-
isse abwarten wollen, sondern ich fragte, ob die Bun-
esregierung angesichts einer solch eindeutigen Indi-
ienlage selbst aktiv werden will; denn kartellrechtliche
bsprachen sind im Bereich der Energiewirtschaft be-
eits nachgewiesen. Was wollen Sie also tun, um solch
erbotswidrige Handlungen zu unterbinden?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7755
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Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Ihre Bewertung, dass es sich um einen massiven
Missbrauch handelt, kann ich nicht teilen. Jedenfalls lie-
gen uns bis heute keine Erkenntnisse dazu vor. Aber ich
will gerne zusagen, dass wir angesichts dieser Vor-
kommnisse noch einmal bei den beteiligten Unterneh-
men nachfragen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage der Kollegin Bärbel Höhn.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie haben eben deutlich gemacht,
dass es zwar in der EU-Kommission Erkenntnisse über
kartellrechtliche Absprachen gibt, dass diese aber Ihnen
offensichtlich nicht vorliegen.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Ja.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Erste Frage: Haben Sie sich bei der EU über die vor-
liegenden Erkenntnisse erkundigt? Zweite Frage: Was
wollen Sie tun, um das Informationsdefizit – die EU
weiß ja mehr über deutsche Konzerne als die deutschen
Behörden – abzubauen?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich habe diese Frage gerade schon beantwortet. Wir
werden uns bei den beteiligten Unternehmen und bei den
zuständigen Behörden noch einmal erkundigen, ob auf
nationaler Ebene diesbezüglich irgendwelche Erkennt-
nisse vorliegen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Darf ich eine zweite Nachfrage stellen?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Halten Sie es für zielführend, allein bei den beteilig-
ten Unternehmen nachzufragen? Offensichtlich scheint
das für Sie der richtige Weg zu sein, um herauszufinden,
ob sie sich kartellrechtswidrig abgesprochen haben.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie:
Frau Kollegin, es ist selbstverständlich, dass wir die
Erkenntnisse der EU nutzen. Aber wir werden auch mit
den Beteiligten das Gespräch führen und über eventuelle
Vorkommnisse reden. Dann werden wir sehen, ob wir
weiter untersuchen müssen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
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Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
raucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamenta-
ische Staatssekretär Dr. Peter Paziorek zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 2 der Kollegin Bärbel Höhn:
Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unter-
nommen, um den einstimmigen Beschluss des Deutschen
Bundestages zu einem Import- und Handelsverbot für Rob-
benprodukte vom 19. Oktober 2006 (Bundestagsdrucksache
16/2755) umzusetzen, und für wann ist in Deutschland mit
dem Inkrafttreten des Verbotes zu rechnen?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz:
Werte Kollegin, die Bundesregierung setzt sich mit
achdruck für eine harmonisierte Lösung ein, die für die
esamte Europäische Union gilt. Jüngst hat sich Staats-
ekretär Lindemann bei den Beratungen des Kommis-
ionsvorschlags für eine „Verordnung des Europäischen
arlaments und des Rates über ein Verbot des Inverkehr-
ringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und
undefellen sowie von Produkten, die solche Felle ent-
alten, in die bzw. aus der Gemeinschaft“ im Agrarrat
m 29. Januar dieses Jahres für die Aufnahme von Rob-
enfellen in den Verordnungsvorschlag ausgesprochen.
er zuständige Kommissar Kyprianou lehnte das deut-
che Anliegen ab, da es bereits ein Einfuhrverbot für be-
timmte Robbenfelle gebe. Derzeit würden in der Kom-
ission ebenfalls Untersuchungen zur artgerechten
ötung der Tiere durchgeführt.
Parallel zu den entsprechenden Bemühungen auf
uropäischer Ebene für ein Importverbot prüft das Bun-
esministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
raucherschutz derzeit für den Fall, dass auf Gemein-
chaftsebene keine ausreichende Regelung gefunden
ird, ob und gegebenenfalls welche Wege für ein natio-
ales Handelsverbot gefunden werden können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Frau Höhn?
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, im März beginnt wieder die Rob-
enjagd. Das Einfuhrverbot gilt nur für Robben mit wei-
em Fell. Deshalb werden die Robben exakt drei Wo-
hen nach der Geburt erschlagen oder erschossen. Wir
aben aus diesem Grund am 19. Oktober letzten Jahres
m Bundestag den einstimmigen Beschluss gefasst, dass
in Verbot auf EU-Ebene geprüft werden soll. In dem
ntsprechenden Antrag hieß es:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf, … solange ein solches Verbot
damit ist ein Einfuhr- und Handelsverbot auf EU-
bene gemeint –
nicht zustande kommt, den Import, die Be- und Ver-
arbeitung und das Inverkehrbringen von Robben-
produkten in Deutschland wirkungsvoll zu unter-
binden.
7756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Bärbel Höhn
Das war, wie gesagt, ein einstimmiger Beschluss des
Bundestages.
Wir sind die Legislative und Sie sind die Exekutive.
Was haben Sie getan, um diesen Beschluss des Bundes-
tages – Sie hatten ein halbes Jahr Zeit; in zwei Monaten
beginnt die Robbenjagd – umzusetzen?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Verehrte Frau Kollegin, ich kenne die Genesis dieses
Beschlusses, da ich selbst als Parlamentarischer Staats-
sekretär mit Ihnen zusammen an den Beratungen des
Ausschusses zu diesem Punkt teilgenommen habe. Es
handelt sich um einen gemeinsamen Beschluss aller
Fraktionen; insofern sind wir auch inhaltlich nicht aus-
einander. Es war aber klar, dass wir die schwierige Frage
zu behandeln haben, ob aus WTO-rechtlichen Gründen
ein nationaler Importstopp ausgesprochen werden kann.
Aus diesem Grunde hatten wir uns alle – sowohl die Le-
gislative als auch die Exekutive – darauf verständigt, zu-
nächst einmal zu versuchen, auf europäischer Ebene eine
Lösung zu finden. Wir prüfen zurzeit, welche rechtli-
chen Möglichkeiten im Rahmen dieses schwierigen Fel-
des – es muss sich in die WTO-Rechtsordnung einpas-
sen – bestehen, um den Beschluss des Deutschen
Bundestages zur Umsetzung bringen zu können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich muss Sie korrigieren: Der Be-
schluss des Bundestages lautet anders; dort steht nicht
„zunächst“, sondern „solange ein solches Verbot nicht
zustande kommt“. Das ist ein halbes Jahr her. Belgien,
das ebenso wie Deutschland ein EU-Staat ist, hat gerade
auf nationaler Ebene einen solchen Beschluss gefasst.
Auch die Niederlande sind hier sehr weit. Haben Sie sich
mit den Regelungen in diesen beiden Ländern auseinan-
dergesetzt und Überlegungen angestellt, ob Sie solche
Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland über-
nehmen können, um den Beschluss des Bundestages um-
zusetzen, in dem nicht von „zunächst“, sondern sinnge-
mäß von „parallel“ die Rede ist?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Verehrte Frau Kollegin, genau das ist jetzt Gegen-
stand der Prüfung in unserem Hause, ob Mitgliedstaaten
der Europäischen Union einen solchen Sonderweg gehen
können, ohne von der EU gestoppt zu werden. Weil wir
das gemeinsame Ziel, für eine artgerechte Tötung einzu-
treten, erfolgreich umsetzen wollen, nehmen wir im Au-
genblick eine ganz intensive Prüfung dieser Rechtsfrage
vor.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nun kommen wir zur Frage 3 der Kollegin Höhn:
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Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Um-
setzung der Transparenzinitiative zur Offenlegung der Emp-
fänger von Agrarsubventionen rechtzeitig erfolgt, damit die
Informationen bei der Diskussion um die Neuorientierung der
europäischen Agrarpolitik im Rahmen des Midterm-Reviews
2008/2009 Berücksichtigung finden können?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz:
Frau Kollegin, die Bundesregierung unterstützt die
uropäische Transparenzinitiative. Wichtige Gesichts-
unkte in der Diskussion zu den Modalitäten einer Ver-
ffentlichung sind für die Bundesregierung, dass auch
ber Ziele und Zusammenhänge der Förderung umfas-
end informiert wird, die Gleichbehandlung aller Sekto-
en und Programme gewährleistet ist, datenschutzrecht-
iche Gesichtspunkte beachtet werden und der
ürokratische Aufwand begrenzt gehalten wird. Außer-
em werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die
U-Kommission die Veröffentlichung übernimmt.
Was den Veröffentlichungszeitpunkt betrifft, sind die
orgaben in den jeweiligen Rats- bzw. Kommissionsver-
rdnungen maßgebend. Für den Garantiefondsbereich ist
n der Änderungsverordnung Nr. 1995/2006 zur Allge-
einen Haushaltsordnung Nr. 1605/2002 vorgesehen,
ass die Daten des Haushaltsjahres 2008 veröffentlicht
erden, und zwar aus gutem Grund: Ausgaben des EU-
aushaltsjahres 2008 betreffen das Antragsjahr 2007
das ist mit dem Erntejahr deckungsgleich –, für das bis
um 15. Mai 2007 von den Betriebsinhabern entspre-
hende Anträge zu stellen und von den zuständigen Lan-
esbehörden anschließend zu bescheiden sind. Die Bun-
esregierung hat die Länder Ende letzten Jahres gebeten,
ereits mit diesen Anträgen die Bäuerinnen und Bauern
arüber zu informieren, dass mit einer Zuwendung eine
ntsprechende Veröffentlichung vorgesehen ist. Die Zah-
ungen zu diesen Anträgen erfolgen im Jahre 2007 sowie
is zum zweiten Quartal 2008 und werden auf den EU-
aushalt 2008 gebucht.
Die Daten über die geleisteten Einzelzahlungen lie-
en beim bisherigen Verfahren in Deutschland zum weit
berwiegenden Teil zunächst nur auf der Ebene der Län-
er vor. Im Rahmen des vom EU-Recht vorgeschriebe-
en sogenannten Jahresabschlusses werden sie Anfang
009 an die Bundesanstalt für landwirtschaftliche
arktordnung und anschließend an unser Haus übermit-
elt; einige Tage später werden sie dann über das Bun-
esfinanzministerium an die EU-Kommission gesandt.
hnliches gilt auch für die flächenbezogenen ELER-
aßnahmen, zum Beispiel für die Ausgleichszulage und
ie Agrarumweltprogramme.
Dies bedeutet, dass sowohl der Bund als auch die EU-
ommission die Daten ohne großen zusätzlichen Auf-
and, also grundsätzlich bei Beibehaltung des bisheri-
en Verfahrens, Anfang 2009 werden veröffentlichen
önnen.
Derzeit ist geplant, unmittelbar nach Vorliegen aller
en Agrarbereich betreffenden Bestimmungen – für
arktordnungsmaßnahmen und Direktzahlungen liegen
erzeit auf EU-Ebene überhaupt noch keine Durchfüh-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7757
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Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorek
rungsbestimmungen vor – ein Konzept zur Veröffentli-
chung zu erstellen und mit den Ländern abzustimmen. In
diesem Rahmen soll dann auch die Frage des Veröffent-
lichungszeitpunktes erörtert werden. Ich bin mir sicher,
dass dieses Vorgehen sowohl dem Anliegen der Veröf-
fentlichung von EU-Subventionsdaten als auch einer
sachgerechten Diskussion zur Fortentwicklung der euro-
päischen Gemeinsamen Agrarpolitik bestmöglich Rech-
nung trägt.
Die Kommission beabsichtigt, nach eingehenden Vor-
arbeiten ihr abschließendes Papier zur Überprüfung der
EU-Politiken Ende 2008 oder Anfang 2009 vorzulegen.
Also können die EU-Subventionsdaten in der sich daran
anschließenden Diskussion Berücksichtigung finden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Frau Höhn?
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. – Herr Staatssekretär, andere EU-Länder haben
mittlerweile die Subventionsempfänger benannt; das
geht bei diesen. Sie sagen, dass Sie prüfen; wenn ich es
richtig verstanden habe. Dazu würde ich gerne eine
Nachfrage stellen. Im Jahre 2009 wollen Sie die Daten
veröffentlichen. Ist es richtig, dass die Öffentlichkeit in
Deutschland anders als in anderen EU-Ländern erst im
Jahre 2009 die Daten erhält, und veröffentlichen Sie
dann nur die Daten oder auch die Namen der Subven-
tionsempfänger?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz:
Zunächst einmal habe ich geschildert, wie wir das
Ganze umsetzen wollen. In einem föderalen Staat – Frau
Höhn, das wissen Sie aus Ihrer vorherigen Tätigkeit in
der Politik – müssen wir solche Verwaltungsvollzugs-
maßnahmen mit den Ländern abstimmen. Das ist nun
einmal so bei uns.
Wir haben uns schon einmal in einer Fragestunde mit
diesem Sachverhalt beschäftigt.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Exakt! Gegenüber damals haben Sie sich
schon ein bisschen bewegt!)
– Herzlichen Dank. Ich wollte das gerade sagen. Ich
kann Ihre Aussage durchaus unterstreichen. – Ich muss
klar und deutlich sagen: Das, was ich vorgetragen habe,
ist eine inzwischen in der Bundesregierung abgestimmte
Haltung. Es ist also klar: Die Daten werden veröffent-
licht. Den Bäuerinnen und Bauern wird schon jetzt ge-
sagt, sie müssten damit rechnen, dass auch ohne eine
Mindestgrenze entsprechende Daten veröffentlicht wer-
den. Das ist der jetzige Sachverhalt.
Es tut mir leid, dass wir diese Daten aufgrund des
durchaus umfangreichen bürokratischen Aufwandes hin-
sichtlich der Frage, wann Zahlungen gebucht werden
und wann sie in die Berichte eingehen, nach dem jetzi-
gen Stand erst 2009 veröffentlichen können. Aber Sie se-
hen: Ab sofort muss jeder – wenn die Verordnungen so
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latz greifen, wie wir es uns vorstellen – im Hinblick auf
ie Zahlungen, die jetzt, in 2007, erfolgen, damit rech-
en, dass sein Name zum frühestmöglichen Zeitpunkt
enannt wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ihre zweite Nachfrage.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatsekretär, Sie haben eben gesagt, dass das
och rechtzeitig vor Erstellen des Midterm-Reviews sein
ird. Nun wissen wir aber, dass die EU die Abfassung
hrer Midterm-Reviews teilweise nach vorne verlagert;
as haben wir mehrfach erlebt. Der Minister hat zwar
eute im Ausschuss gesagt, er sei nicht dafür; trotzdem
assiert das manchmal. Sind Sie auf einen solchen Fall
orbereitet? Denn es wäre natürlich entscheidend wich-
ig, dass wir gerade dann, wenn Subventionen gekürzt
erden, zielgenauer fördern können und so sehen kön-
en, wo Umverteilungen möglich sind. Haben Sie eine
olche Möglichkeit eingeplant?
Dr. Peter Paziorek, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz:
Es ist in der Tat so, dass wir diese Möglichkeit einpla-
en müssen. Ich kann Ihrer Sachverhaltsschilderung,
rau Höhn, durchaus zustimmen. Ich kann aber zum jet-
igen Zeitpunkt noch nicht sagen – ich habe Ihnen ja den
roßen Aufwand geschildert –, wie wir auf ein solches
orziehen reagieren würden. Ich kann aber versichern,
ass dieser Gesichtspunkt ein Prüfauftrag bei den zu-
tändigen Stellen in unserem Hause sein wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
icherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
taatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 4 des Abgeordneten Hans-
osef Fell:
Wurden der Bundesregierung im Rahmen der Energiegip-
felrunden Vorschläge vorgelegt, die die Erreichung ambitio-
nierter Klimaschutzziele unter Beibehaltung des Atomaus-
stiegs beinhalten, und, falls ja, welche?
Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi-
ister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Sehr geehrter Herr Kollege Fell, ich beantworte Ihre
rage wie folgt: Im Rahmen der Energiegipfelrunden
006 und der untergeordneten Arbeitsgruppensitzungen
urde insbesondere im Rahmen des Aktionsplans Ener-
ieeffizienz über eine Vielzahl von Emissionsminde-
ungsansätzen diskutiert. Umfassende Konzepte zur
rreichung ambitionierter Klimaschutzziele unter Beibe-
altung des Atomausstieges wurden der Bundesregie-
ung damals nicht vorgelegt.
Auf dem nächsten Energiegipfel im Frühsommer die-
es Jahres soll über Energieszenarien bis 2020 diskutiert
7758 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretärin Astrid Klug
werden. Hierfür werden derzeit verschiedene Szenarien
erstellt, darunter ist auch eines, das unter Zugrunde-
legung der verschiedenen energiepolitischen Vorgaben
des Koalitionsvertrages inklusive Beibehaltung des Atom-
ausstiegs berechnet wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage, Kollege Fell? – Bitte.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Antwort.
Sie hat mich ein wenig verwundert; denn nach Aussagen
des Bundesverbandes Erneuerbare Energie habe er auf
dem letzten Kanzlergipfel ein Konzept vorgelegt, das
eine Stromerzeugung von etwa 240 Terawattstunden aus
erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 vorsieht.
Wenn man weiß, dass die Atomkraftwerke 1990 nur
160 Terawattstunden erzeugt haben, dann wird klar, dass
ein Atomausstieg mit gleichzeitigem Klimaschutz mög-
lich ist. Insofern wundert mich, dass Sie sagen, solche
Konzepte seien nicht vorgelegt worden.
Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit:
Es gibt derzeit noch kein fertiges Konzept innerhalb
der Bundesregierung, das man hätte vorlegen oder über
das man hätte diskutieren können. An solchen Konzep-
ten wird aber gearbeitet.
In der Sache widerspreche ich Ihnen nicht. Sie wis-
sen: Es gibt zur Bewertung der Atomkraft in Verbindung
mit dem Klimaschutz unterschiedliche Auffassungen in
der Bundesregierung. Ein Teil der Bundesregierung sieht
hier einen Zusammenhang. Ich gehöre zu dem Teil der
Bundesregierung, der meint, dass beides, sowohl der
Atomausstieg als auch ein ambitionierter Klimaschutz,
möglich ist. In diesem Zusammenhang gibt es ambitio-
nierte Ziele, die auch im Rahmen der Energiegipfelrun-
den diskutiert werden. Sie kennen die Ziele; sie lassen
sich im Koalitionsvertrag wiederfinden. Dabei geht es
um die Verdoppelung der Energieeffizienz bis zum Jahr
2020 und einen weiteren deutlichen Ausbau der erneuer-
baren Energien bis zum Jahr 2020, wodurch die Folgen
der Abschaltung der Atomkraftwerke kompensiert wer-
den könnten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Zusatzfrage, Herr Fell? – Bitte.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie mir folgende Fest-
stellung: Ich habe nicht danach gefragt, ob die Bundes-
regierung entsprechende Vorschläge vorgelegt hat. Viel-
mehr habe ich gefragt: Wurden der Bundesregierung im
Rahmen der Energiegipfelrunden Vorschläge vorgelegt?
Diese wurden – ich habe das bereits ausgeführt – vom
Bundesverband Erneuerbare Energie vorgestellt. Inso-
fern irritiert mich, dass diese Vorschläge offensichtlich
nicht zur Kenntnis genommen werden.
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Frau Merkel hat kürzlich gefordert, dass derjenige,
er aus der Atomenergie aussteigen will, glaubhafte
onzepte zum Klimaschutz vorlegen muss. Die Antwort
uf diese große Frage ist doch längst gegeben. Warum
ird sie von der Bundesregierung nicht zur Kenntnis ge-
ommen?
Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
inister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
eit:
Sie können sicher sein, dass alle Argumente und Zah-
en, die im Rahmen der Energiegipfelrunden von den un-
erschiedlichen Seiten zur Sprache gebracht worden
ind, zur Kenntnis genommen werden. Sie fließen in ge-
au die Szenarien ein, die ich Ihnen soeben beschrieben
abe und die derzeit erarbeitet werden. Für die nächste
nergiegipfelrunde werden verschiedene alternative
zenarien unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem
oalitionsvertrag berechnet. Diese reichen von der Bei-
ehaltung der Atomenergie über den Ausstieg aus der
tomenergie bis hin zu einem Szenario, das einen we-
entlich höheren Anteil der erneuerbaren Energien be-
ücksichtigt.
Wir sind davon überzeugt, dass bei Beibehaltung der
erzeitigen Dynamik im Bereich des Ausbaus der erneu-
rbaren Energien ambitioniertere Ziele als bisher – es
eht um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 – erreichbar sind.
ll diese Berechnungen fließen in die Debatte ein; ich
laube, dass wir in der Sache nicht auseinander sind.
iese Zahlen werden als Arbeitsgrundlage für alle Betei-
igten dienen. Wir werden darüber diskutieren, welche
uswirkungen der Atomausstieg haben wird und ob ein
mbitioniertes Klimaschutzziel mit dem Atomausstieg
ereinbar ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Zahlen
as belegen werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
isteriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 5 der Ab-
eordneten Cornelia Hirsch soll schriftlich beantwortet
erden.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fra-
en steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter
ltmaier zur Verfügung.
Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Petra Pau sollen
chriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Omid
ouripour:
Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz des im De-
zember 2006 auch von EU-Kommissar Franco Frattini kriti-
sierten Automated Targeting System, ATS, durch US-Behör-
den zur Untersuchung von Flugpassagieren bei der Einreise in
die USA?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister des Innern:
Herr Kollege Nouripur, Ihre Frage bezieht sich auf
as sogenannte ATS, das Automated Targeting System,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7759
(A) )
(B) )
Parl. Staatssekretär Peter Altmaier
das von den Vereinigten Staaten in den 90er-Jahren zur
Analyse von Passagier- und Frachtdaten aufgebaut
wurde und seitdem betrieben wird. Hier kommt es aus
Sicht der Bundesregierung darauf an, ob in Anbetracht
der derzeit bestehenden amerikanischen Vorschriften
weiterhin sichergestellt ist, dass die vom Department of
Homeland Security im Zusammenhang mit der Über-
mittlung von Fluggastdaten europäischer Fluggesell-
schaften, PNR, abgegebene Verpflichtungserklärung
auch künftig beachtet wird. Auf unsere Anfrage hin
wurde dies von amerikanischer Seite ausdrücklich be-
jaht. Darüber hinaus hat die Bundesregierung keine Ver-
anlassung, eine Bewertung des ATS vorzunehmen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage?
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär
Altmaier. Die Bundesregierung hat zurzeit die Verhand-
lungsführung bezüglich der weiteren Aushandlungen des
Vertrages über den Austausch von Passagierdaten inne.
Mir stellt sich die Frage, inwieweit eine Zusammenar-
beit mit den Amerikanern beim ATS überhaupt möglich
ist. Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund, dass die
Europäische Union einheitlich der Meinung ist, dass die
Daten für höchstens dreieinhalb Jahre gespeichert wer-
den dürfen, während sie im ATS 40 Jahre lang gespei-
chert werden. Wie will die Bundesregierung als Ver-
handlungsführer gewährleisten, dass die Daten, die über
PNR im ATS landen, nach dreieinhalb Jahren gelöscht
werden?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern:
Herr Kollege Nouripour, Sie wissen, dass das Interims-
abkommen zum 31. Juli dieses Jahres auslaufen wird. In
den Gremien des Justiz- und Innenministerrates wird
zurzeit ein Mandat für die Verhandlungen zum Ab-
schluss eines endgültigen Abkommens vorbereitet. Die-
ses Mandat wird im Augenblick auf Arbeitsebene bera-
ten. Wir gehen davon aus, dass in der nächsten
Ratssitzung im Februar eine Einigung über dieses Man-
dat erzielt wird.
Ich bitte um Verständnis, dass ich zu Fragen der Ver-
handlungsführung, die von der Bundesregierung auf-
grund der Ratspräsidentschaft wahrgenommen wird,
keine Aussagen machen kann, bevor der Europäische
Rat der Justiz- und Innenminister dieses Mandat nicht
beschlossen hat.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Nachfrage? – Bitte.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Am 4. Januar dieses Jahres erschien in der „Süddeut-
schen Zeitung“ ein Artikel über einen deutschen Staats-
bürger, der in die USA einreisen wollte, aber aufgrund
des ATS als Risikopassagier, als Gefährder, eingestuft
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urde und demzufolge drei Tage lang nicht einreisen
urfte. Meine Frage: Ist es aus Sicht der Bundesregie-
ung vertretbar, im Rahmen des Automated Targeting
ystem zu kooperieren, wenn dieses System zur Folge
at, dass deutsche Staatsbürger fälschlicherweise als Ge-
ährder eingestuft werden und infolgedessen womöglich
rei Tage in Haft sind?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister des Innern:
Herr Kollege Nouripour, bei der Frage, wer unter wel-
hen Voraussetzungen in ein Land einreisen darf, han-
elt es sich um eine Frage der nationalen Souveränität
nd der Ausübung nationaler Hoheitsrechte. Die deut-
che Rolle beschränkt sich darauf, deutsche Staatsbür-
er, die an der Einreise gehindert werden, konsularisch
u betreuen und zu beraten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die
arlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
ur Verfügung.
Die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
ollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Christine Scheel,
ie anwesend ist, auf:
Welche kassenwirksamen Steuerausfälle durch die Unter-
nehmensteuerreform werden in den einzelnen Jahren des Fi-
nanzplanungszeitraums von der Bundesregierung jeweils für
Körperschaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer prognosti-
ziert, und welche Annahmen insbesondere zum realen und no-
minellen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegen der Pro-
gnose der Bundesregierung zugrunde, dass die Einnahmen
aus der Körperschaftsteuer im Jahr 2010 wieder das Niveau
des Jahres 2007 erreichen werden („Handelsblatt“, 24. Januar
2007)?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
undesminister der Finanzen:
Frau Kollegin Scheel, die in der angesprochenen Ver-
ffentlichung zitierte Projektion des Steueraufkommens
er Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre ab
008 wurde vor dem Hintergrund eines angenommenen
ominalen jährlichen Wachstums des Bruttoinlandspro-
ukts von 2,7 Prozent erstellt. Es handelt sich um eine
rojektion, nicht um eine abschließende Berechnung.
in nominales Wachstum von jährlich 2,7 Prozent lag
uch der letzten Steuerschätzung vom November zu-
runde.
Ein mit den Ländern abgestimmtes Finanztableau mit
ngaben zu den finanziellen Auswirkungen auf die ein-
elnen Kassenjahre wird mit dem Regierungsentwurf
orgelegt werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Frau Scheel?
7760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. – Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass Sie
ein nominelles Wachstum von 2,7 Prozent zugrunde ge-
legt haben. Das gilt ja dann für den gesamten Planungs-
zeitraum, also bis 2009. Was würde denn passieren,
wenn dieses angenommene Wachstum um beispiels-
weise 0,5 Prozent geringer ausfallen würde? Welche
Steuerausfälle hätte das zur Folge?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen:
Frau Kollegin Scheel, bezogen auf die Körperschaft-
steuer in neuer Gestalt kann ich dazu aus dem Stand he-
raus keine Angaben machen. Dass eine nominelle und
reale Veränderung des Wirtschaftswachstums, egal ob
nach oben oder nach unten, Folgen für das Steuerauf-
kommen hat, liegt auf der Hand. Ich glaube aber, dass es
nicht sinnvoll ist, jetzt hypothetisch zu fragen, welche
Folgen es für das Körperschaftsteueraufkommen hätte,
wenn dieses nominelle Wachstum von 2,7 Prozent nicht
einträte.
Ich sagte Ihnen schon: Wir werden das Gesetzge-
bungsverfahren wie immer rege begleiten und dem Bun-
destag im Zusammenhang mit dem Entwurf ein Finanz-
tableau vorlegen. Dem werden wir Wachstumsannahmen
zugrunde legen, die auf den neuesten Daten beruhen.
Aber selbstverständlich kann sich die Situation in den
Folgejahren zum Positiven oder zum Negativen ändern.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, bitte.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, neben der Projektion unter Zu-
grundelegung des angenommenen Wachstums gibt es ja
auch Annahmen zum Steueraufkommen im Unterneh-
menssektor insgesamt. Wie kommen Sie denn zu der
konkreten Aussage – in allen Zeitungen ist nachzulesen,
dass Minister Peer Steinbrück dies gesagt hat –, dass in
der Folge 5 Milliarden Euro an Steuerausfällen zu ver-
zeichnen sein werden, obwohl Sie gar nicht wissen, wie
hoch die Steuerbelastung der deutschen Unternehmen im
Einzelnen ist?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen:
Frau Kollegin Scheel, die Maßnahmen im Gesetzent-
wurf, der noch nicht als Referentenentwurf vorliegt,
werden natürlich im Einzelnen bewertet. Daraufhin wird
dem Parlament ein Finanztableau vorgelegt.
Es ist damit zu rechnen, dass unmittelbar nach In-
krafttreten des Gesetzes im Jahre 2008 höhere Steuer-
ausfälle als 5 Milliarden Euro für den Gesamtstaat zu
verzeichnen sein werden. Unser Ziel ist – das haben wir
immer so kommuniziert –, durch die Rückgewinnung
von Steuersubstrat in die Bundesrepublik Deutschland in
einem überschaubaren Zeitraum wieder auf dasselbe Ni-
veau an Steuereinnahmen zu kommen wie in den Jahren
2006 oder 2007.
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Unsere Zielrichtung ist eindeutig: Wir wollen den
tandort Deutschland für deutsche und ausländische Un-
ernehmen attraktiver machen. Allein die Tatsache, dass
ir die Höhe der Besteuerung um fast zehn Prozent-
unkte senken, bringt hier einen Vorteil mit sich. Die
erlagerung von Gewinnen und Verlusten ist ja mit
ransaktionskosten verbunden. Diese Transaktionskos-
en rentieren sich nicht mehr, wenn der Steuersatz niedri-
er wird.
Dies alles sind Annahmen im Rahmen des Gesetzge-
ungsverfahrens, die in das Finanztableau einfließen
erden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Scheel:
Gelang es der Bundesregierung nach ihren bisherigen Plä-
nen für die Ausgestaltung einer Abgeltungsteuer, Finanzie-
rungsneutralität zwischen Eigen- und Fremdkapital herzustel-
len, und, falls dies nicht gelungen ist, wie beabsichtigt die
Bundesregierung, den durch die unterschiedliche Steuersatz-
belastung entstehenden Anreiz, Investitionen verstärkt mit
Fremdkapital zu finanzieren, im Sinne einer soliden und kri-
senfesten Unternehmensfinanzierung abzumildern?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
undesminister der Finanzen:
Frau Kollegin Scheel, die Bundesregierung erkennt
ie Probleme, die sich durch die Spreizung der Steuer-
ätze auf Erträge aus Fremdkapital, zum Beispiel Zinsen,
nd auf Eigenkapital, zum Beispiel Dividenden, erge-
en. Der steuerliche Anreiz zu einer erhöhten Fremd-
apitalfinanzierung wird dadurch gemildert oder gar
enommen, dass der Anwendungsbereich der Abgel-
ungsteuer eingegrenzt werden soll.
Zinserträge aus Gesellschafterdarlehen und vergleich-
aren Finanzierungsformen, etwa Back-to-back-Finan-
ierungen durch Zwischenschaltung eines Kreditinstitu-
es, unterliegen nicht der abgeltenden 25-prozentigen
esteuerung, sondern sind normal zu veranlagen. Dies
at zur Folge, dass etwa die Zinserträge aus Gesellschaf-
erdarlehen beim Gesellschafter einer maximalen Ein-
ommensteuerbelastung von 47,48 Prozent unterliegen.
inzu kommt die Belastung, die sich auf Ebene der Ka-
italgesellschaft durch die gewerbesteuerliche Hinzu-
echnung des Zinsaufwands in Höhe von 25 Prozent er-
ibt. Bei übermäßiger Fremdfinanzierung greift auch
och die Zinsschranke der Körperschaftsteuer.
Demgegenüber beträgt die maximale Gesamtbelas-
ung auf Unternehmens- und Anteilseignerebene, also
ei Kapitalgesellschaften die maximale Gesamtbelas-
ung von Dividenden – zusammengenommen die Vorbe-
astung auf Unternehmensebene –, 48,33 Prozent. – Dies
teht den 47,48 Prozent gegenüber, wie ich es Ihnen ge-
ade für Personengesellschaften am Beispiel der Gesell-
chafterdarlehen dargelegt habe.
In Abwägung der Vorteile einer Abgeltungsteuer ge-
en die Nachteile dieser wirklich geringfügigen Beein-
rächtigung der Finanzierungsneutralität hat sich die
undesregierung für die Realisierung der Vorteile der
bgeltungsteuer entschieden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7761
(A) )
(B) )
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Kollegin Scheel?
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Staatssekretärin, die Einführung der Abgeltung-
steuer ist ja zum 1. Januar 2009 geplant.
Wird die Abgeltungsteuer in dem Gesetzentwurf, der
demnächst vorgelegt wird, mit all den Modalitäten, die
Sie jetzt angesprochen haben – der unterschiedlichen
Behandlung von Zinsen und Dividenden, mit allen Ein-
schränkungen –, im Detail geregelt werden?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen:
Ja, Frau Kollegin, das ist Gegenstand des Gesetzent-
wurfes, der nach meinem jetzigen Stand in der nächsten
Woche als Referentenentwurf veröffentlicht wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frage 13 der Kollegin Marieluise Beck soll ebenfalls
schriftlich beantwortet werden.
Dann kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Lutz
Heilmann:
Trifft der Bericht der „Lübecker Nachrichten“ vom
17. Januar 2007 zu, dass in Schleswig-Holstein etwa 18 000
Anträge auf Kindergeld derzeit unbearbeitet sind, und wieso
hat die Bundesregierung die Verzögerungen der Bearbeitung
der Anträge auf Kindergeld noch immer nicht behoben, ob-
wohl diese Verzögerungen seit mehr als einem Jahr bekannt
sind?
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen:
Herr Kollege Heilmann, bei der an die „Lübecker
Nachrichten“ übermittelten Zahl von 18 000 Kindergeld-
anträgen handelt es sich nicht um die Anzahl der An-
träge, die, wie es im Bericht heißt, „auf ihre Bearbeitung
warten“, sondern um unerledigte Bearbeitungsvor-
gänge, von denen ein nicht bezifferbarer Anteil noch
nicht bearbeitungsreif ist. Gründe für eine fehlende Be-
arbeitungsreife sind zum Beispiel, dass die eingereichten
Anträge unvollständig sind oder dass sich die Rechtsauf-
fassung der Familienkasse und der Antragsteller unter-
scheidet und daher noch Klärungsbedarf besteht.
Im letzten Jahr wurden mehr als 76 Prozent aller bei
den Familienkassen in Schleswig-Holstein eingegange-
nen Kindergeldanträge innerhalb von 20 Arbeitstagen
abschließend bearbeitet und erledigt. Somit kann nicht
von einer Verzögerung der Bearbeitung der Kindergeld-
anträge gesprochen werden.
Die angespannte Situation, die bei den Familienkassen
im Bereich der Regionaldirektion Nord der Bundesagen-
tur für Arbeit zu Beginn des Jahres 2006 vorherrschte,
wurde zwischenzeitlich durch den Einsatz verschiedener
Maßnahmen, zum Beispiel durch die Bereitstellung zu-
sätzlicher Personalkapazitäten, behoben. Im Übrigen darf
ich Sie auf die ausführliche Antwort des Bundesministe-
riums der Finanzen – Drucksache 16/4051 vom 17. Janu-
ar 2007 – auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ver-
weisen, in der wir ganz allgemein und umfänglich auf den
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tand der Bearbeitung der Kindergeldanträge eingehen,
icht nur bezogen auf das Land Schleswig-Holstein.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Gibt es eine Nachfrage? – Nein.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
ielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht
er Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz zur
erfügung.
Wir kommen zur Frage 15 des Kollegen Dr. Edmund
eter Geisen:
Gibt es ein Übereinkommen zwischen dem Bundesminis-
terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
und dem Bundesministerium für Gesundheit, wonach die
landwirtschaftlichen Krankenkassen auch nach 2008 Bundes-
mittel gemäß § 221 SGB V zur pauschalen Abgeltung der
Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde
Leistungen entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtheit aller
gesetzlich Krankenversicherten erhalten werden, obwohl sie
laut GKV-WSG-Entwurf nicht an dem geplanten Gesund-
heitsfonds beteiligt sind, und, wenn nein, wie wird dann si-
chergestellt, dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen ih-
ren Anteil zur Abgeltung versicherungsfremder Leistungen
gemäß § 221 SGB V erhalten, da sie als Teil der gesetzlichen
Krankenversicherung durch die Übernahme gesamtgesell-
schaftlicher Aufgaben in gleicher Weise belastet werden wie
die übrigen Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversi-
cherung?
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Gesundheit:
Herr Dr. Geisen, Ihre Fragen 15 und 16 beziehen sich
eide auf die Teilhabe der landwirtschaftlichen Kranken-
assen am Bundeszuschuss ab 2009. Ich würde gerne,
hr Einverständnis vorausgesetzt, beide Fragen im Zu-
ammenhang beantworten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kollege Geisen ist einverstanden. Dann rufe ich zu-
leich Frage 16 auf:
Wenn ja, wann und an welcher Stelle ist bzw. wird dies
rechtlich verbindlich festgelegt?
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Gesundheit:
Die Antwortet lautet wie folgt: Der Bundeszuschuss
ach § 221 SGB V zur pauschalen Abgeltung der Auf-
endungen der Krankenkassen für versicherungsfremde
eistungen wird ab dem Jahr 2009 an den Gesundheits-
onds gezahlt und von diesem über das System der risi-
oadjustierten Zuweisungen an die Krankenkassen ver-
eilt. Deshalb können an ihm in diesem Verfahren nur
olche Krankenkassen teilhaben, die auch am Fondsver-
ahren teilnehmen, mithin nicht die landwirtschaftlichen
rankenkassen.
Grundsätzlich erfüllt auch die landwirtschaftliche
rankenversicherung Aufgaben, die von der Allgemein-
eit zumindest anteilig zu finanzieren sind. Bis Ende
008 ist eine Beteiligung der landwirtschaftlichen
rankenkassen an den dafür bereitgestellten Bundeszu-
7762 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Parl. Staatssekretär Rolf Schwanitz
schüssen gesichert. Auch wenn gegenwärtig noch keine
Regelung zur Fortführung der Beteiligung der landwirt-
schaftlichen Krankenkassen an den Zahlungen des Bun-
des vorgesehen ist, bedeutet dies nicht, dass deren
Einbeziehung zukünftig ausgeschlossen sein soll. Die
Bundesregierung wird prüfen, inwieweit die landwirt-
schaftlichen Krankenkassen auch in Zukunft in den Ge-
nuss der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufga-
ben durch Steuermittel kommen können. Es ist daran
gedacht, bis Ende 2008 ein Gutachten zu erstellen, das
die aktuelle Höhe und die voraussichtliche Entwicklung
der sogenannten „alten Last“ – gemeint ist das ungüns-
tige Verhältnis der Altenteiler zur Zahl der beitragszah-
lenden Landwirte durch den andauernden Strukturwan-
del im landwirtschaftlichen Bereich – darlegt, deren
Tragung durch besondere Bundesmittel im Agrarhaus-
halt gerechtfertigt ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage? – Kollege Geisen.
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Erstens. Herr Staatssekretär Schwanitz, gerade weil
die Landwirtschaft völlig aus der Gesundheitsreform he-
rausgehalten wurde: Stellt die Bundesregierung infrage,
dass die landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie die
gesetzlichen Krankenkassen insgesamt gesamtgesell-
schaftliche Aufgaben wahrnehmen. Zweitens. Legt der
angekündigte Entschließungsantrag der Regierungsko-
alition zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz rechtlich
verbindlich fest, dass die landwirtschaftlichen Kranken-
kassen auch nach 2008 Bundesmittel gemäß § 221
SGB V für versicherungsfremde Leistungen entspre-
chend ihrem Anteil an der Gesamtheit aller gesetzlichen
Krankenversicherungen erhalten und, wenn ja, wie? Das
ist meine Hauptfrage.
Ich habe noch eine weitere Frage.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dazu kommen wir anschließend. – Bitte schön, Herr
Staatssekretär.
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Gesundheit:
Herr Dr. Geisen, zunächst will ich noch einmal wider-
sprechen, dass der Landwirtschaftsbereich vollständig
von der Gesundheitsreform ausgenommen werden soll.
Es gibt sehr wohl wichtige Teilbereiche – zum Beispiel
die Erweiterung des Leistungsangebots der gesetzlichen
Krankenkassen und die Verbandsbeziehungen –, in de-
nen auch die landwirtschaftlichen Krankenkassen erfasst
sind. Daneben gibt es zweifellos Bereiche, bei denen
dies nicht der Fall ist.
Ich habe in meiner Antwort ausdrücklich darauf hin-
gewiesen, dass die zurzeit nicht vorgesehene Beteiligung
der landwirtschaftlichen Krankenkassen an den Zahlun-
gen des Bundes ab 2009 nicht bedeutet, dass die Bundes-
regierung die Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher
Aufgaben durch die landwirtschaftliche Krankenkasse
infrage stellt. Das kommt in meiner Antwort deutlich
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um Ausdruck. Ich bestätige es an dieser Stelle noch ein-
al ausdrücklich.
Wie ich bereits ausgeführt habe, werden wir bis Ende
008 – auf der Grundlage eines noch zu erstellenden
utachtens – die weiteren Schritte zu erörtern haben.
amit haben wir genügend Zeit, alle Faktoren abzuwä-
en und die weiteren Schritte in aller Ruhe zu entschei-
en. Eine verbindliche Entscheidung – darauf bezog sich
eines Erachtens der dritte Teil Ihrer Frage – kann letzt-
ndlich nur der Gesetzgeber treffen. Damit wird er sich
icherlich zu befassen haben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage. Bitte.
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Ich habe noch zwei Nachfragen. Erstens. Gibt es für
en Zeitraum ab 2009 eine zeitliche Begrenzung zur
ahlung der genannten Bundesmittel zum einen an die
andwirtschaftlichen Krankenkassen und zum anderen
n die übrigen gesetzlichen Krankenkassen und, wenn
a, warum?
Zweitens. Wie wird dann – wenn nicht rechtlich –
erbindlich gewährleistet, dass die landwirtschaftlichen
rankenkassen ab 2009 Bundesmittel gemäß § 221
GB V für versicherungsfremde Leistungen entspre-
hend ihrem Anteil erhalten?
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
inisterin für Gesundheit:
Herr Dr. Geisen, wie Sie wissen, gibt es für die Zu-
chüsse für die gesetzlichen Krankenkassen gemäß
221 SGB V bislang keine zeitliche Begrenzung. Jetzt
aben wir entsprechende Regelungen verabredet. All
as, was die landwirtschaftlichen Krankenkassen be-
rifft, werden wir auf der Grundlage des erwähnten Gut-
chtens zu entscheiden haben. Ich kann zum jetzigen
eitpunkt keine Schlussfolgerungen ziehen; dies wäre
pekulativ, weil die Erhebungen, die im Zusammenhang
it dem Gutachten vorzunehmen sind, noch nicht vor-
iegen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Zusatzfrage des Kollegen Goldmann. Bitte
chön, Herr Goldmann.
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Herr Staatssekretär, bekanntlich ist die FDP kein Fan
es Gesundheitsfonds. Können Sie mir erklären, warum
inder von Landwirten anders behandelt werden als
inder von Lehrern, Ärzten und Handwerkern? Wenn
ie der Meinung sind, dass auch für diese Kinder ge-
amtgesellschaftliche Leistungen erbracht werden sol-
en, dann frage ich Sie, was das Gutachten bewirken soll.
eute Morgen ist uns von Kollegen der CDU/CSU und
er SPD im Ausschuss nachdrücklich versichert worden,
s stehe unerschütterlich fest, dass das Erbringen ge-
amtgesellschaftlicher Leistungen für Kinder von Land-
irten bzw. von Personen, die in landwirtschaftlichen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7763
(A) )
(B) )
Hans-Michael Goldmann
Berufen tätig sind, auch nach 2009 anerkannt werden
solle; darüber gebe es sogar eine Protokollnotiz.
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär bei der Bundes-
ministerin für Gesundheit:
Herr Kollege Goldmann, zunächst noch einmal aus-
drücklich: Selbstverständlich werden Kinder im Rahmen
der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung nicht
unterschiedlich behandelt. Die Leistungsansprüche sind
identisch, auch im Bereich derer, die in der landwirt-
schaftlichen Krankenversicherung versichert sind und
Versicherungsschutz genießen.
Ich habe ausdrücklich gesagt, dass die Verabredung,
auf der Grundlage eines Gutachtens zu entscheiden,
nicht bedeutet, dass für den Zeitraum nach 2009 eine
solche zusätzliche Erstattung – über die umfangreiche
Erstattung aus Bundesmitteln, die im Zusammenhang
mit der Defizithaftung des Bundes bei den Altenteilern
in einer beachtlichen Größenordnung in die landwirt-
schaftliche Krankenkasse laufen, hinaus – ausgeschlos-
sen ist. Aber es macht sehr wohl Sinn, die besonderen
Fragen, die aus der Sondersituation der landwirtschaftli-
chen Krankenkassen resultieren – die Belastung der Bei-
tragszahler in dieser besonderen Krankenversicherung,
auch die Entwicklung des Strukturwandels und damit die
sich bis dahin abzeichnende Sondersituation der Belas-
tung bei den Altenteilern –, genau in Augenschein zu
nehmen und dann auf dieser Grundlage zu entscheiden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Frage 17 der Kollegin Veronika Bellmann wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Achim Großmann zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Dr. Anton
Hofreiter auf:
Wie hoch wird in der Studie „Industriepolitischer Nutzen
des Transrapid“, die im Auftrag des damaligen Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen von Professor
Dr. Maennig in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Baum er-
stellt wurde, der industriepolitische Nutzen des Transrapid
monetär quantifiziert, und in welchem Verhältnis steht dieser
industriepolitische Nutzen zu den Baukosten für die Transra-
pidverbindung vom Hauptbahnhof München zum Flughafen
München II?
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege
Dr. Hofreiter, der von der Studie ermittelte gesamte volks-
wirtschaftliche Nutzen beläuft sich auf rund 2,9 Mil-
liarden Euro. Davon sind rund 1,5 Milliarden Euro ver-
kehrlich und darüber hinausgehend 1,38 Milliarden Euro
industriepolitisch induziert. Der industriepolitische Nut-
zen unterteilt sich in 0,94 Milliarden Euro erwartete Er-
folge im In- und Ausland und 0,44 Milliarden Euro
Spin-off-Effekte. Die Investitionskosten betragen in rea-
len Preisen 1,6 Milliarden Euro; das ist der Preisstand
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on 2002. Davon werden zunächst, wie in der volkswirt-
chaftlichen Bewertung üblich, die Fahrzeugkosten ab-
ezogen, die dem Betrieb zugerechnet und als negativer
utzen veranschlagt werden. Dann werden sowohl für
en Nutzen als auch für die Kosten die zur Ermittlung
es Nutzen-Kosten-Verhältnisses maßgeblichen Annui-
äten gebildet, um die Werte finanzmathematisch ver-
leichbar zu machen. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis
tellt sich dann auf 2,5.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage?
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, erst einmal vielen
ank für die Beantwortung, aber ich habe eine Nach-
rage. Wir hatten gerade eine recht denkwürdige Aus-
chusssitzung
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jede Ausschusssit-
zung ist denkwürdig!)
nicht jede Ausschusssitzung ist denkwürdig –, in der es
arum ging, wie sich Preise und Kosten entwickeln,
enn die DB AG beteiligt ist. Es zeigte sich, dass man
ngefähr mit dem Faktor vier rechnen kann. Wenn wir
ie 1,6 Milliarden Euro mit diesem Faktor multiplizie-
en, kommen wir zu ganz anderen Kosten als jenen, von
enen Sie gesprochen haben.
Deshalb meine Frage: Für wie wahrscheinlich halten
ie persönlich bzw. hält Ihr Ministerium es, dass in die-
em Fall der Kostenrahmen von 1,6 Milliarden Euro ein-
ehalten wird – zum einen im Lichte der Erfahrung, dass
as in der jüngeren Vergangenheit bei keinem Großpro-
ekt gelang, und zum anderen angesichts der Tatsache,
ass man mit diesem Projekt Neuland beschreitet, die
echnik noch nicht groß ausprobiert wurde und Tiefla-
en von 40 Metern vorkommen sollen?
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Herr Dr. Hofreiter, ich würde Ihnen gerne bei einem
las Bier etwas über meine persönliche Meinung erzäh-
en, aber ich glaube, es ist nicht die Aufgabe eines
taatssekretärs, in der Fragestunde seine persönliche
einung wiederzugeben, wenn eine Position der Bun-
esregierung abgefragt ist.
Sie haben – das werden Sie hoffentlich zugeben – die
rgebnisse der Ausschusssitzung sehr polemisch zusam-
engefasst. Ich kann Sie nicht bestätigen, vor allen Din-
en auch deshalb nicht, weil viele Kostenschätzungen ja
icht ursächlich von der DB AG zu verantworten sind.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe danach gefragt, für wie wahrscheinlich die
undesregierung es hält, dass das real eintritt.
7764 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Obwohl Geisteswissenschaftler, bin ich eher der Mei-
nung, dass wir uns mit den Zahlen zu beschäftigen ha-
ben, wenn sie konkret vorliegen, das heißt, wenn das
Projekt in der Ausschreibung ist und wenn wir über die
Planungsleistungen, darüber, was auf uns zukommt, de-
taillierte Vorstellungen haben. Alles andere bewegt sich
– das hat Ihnen auch der ehemalige bayerische Verkehrs-
minister, Herr Dr. Wiesheu, gesagt – eher im Rahmen
der Spekulation.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann kommen wir zur Frage 19 des Kollegen
Hofreiter:
Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unter-
nommen, um den in der Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 16/2965 als
rechtswidrig, weil keine Ermächtigung für die Länderbehör-
den in dieser Sache besteht, bezeichneten Modellversuch für
Gigaliner des Landes Niedersachsen zu unterbinden, und wie
steht die Bundesregierung zum Modellversuch für Gigaliner
in Nordrhein-Westfalen?
Bitte, Herr Staatssekretär Großmann.
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Herr Dr. Hofreiter, nachdem die Bundesregierung da-
von erfahren hatte, dass das Land Niedersachsen einen
Modellversuch mit modularen Nutzfahrzeugkombinatio-
nen durchführen will, hat das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Schreiben
vom Januar 2006 an das Niedersächsische Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr klargestellt, dass die
Durchführung eines sogenannten Modellversuchs nicht
vor Abschluss der zu diesem Thema in Auftrag gegebe-
nen Untersuchungen durch die Bundesanstalt für Stra-
ßenwesen erfolgen sollte. Niedersachsen wurde daher
ausdrücklich gebeten, von seinem Vorhaben Abstand zu
nehmen. Ebenso hat die Verkehrsministerkonferenz im
Mai 2006 beschlossen, dass vor einer endgültigen Zulas-
sung modularer Nutzfahrzeugkombinationen auf der Ba-
sis von Ausnahmegenehmigungen die Ergebnisse der
Bundesanstalt für Straßenwesen ausgewertet werden
sollten.
Da sich das Land Niedersachsen dieser Bitte des
BMVBS und dem Beschluss der Verkehrsministerkonfe-
renz widersetzt hat, wurde es vom BMVBS auf Staatsse-
kretärsebene im August 2006 erneut angeschrieben. Die
Rechtswidrigkeit der von Niedersachsen erteilten stra-
ßenverkehrsrechtlichen Erlaubnisse wurde vom BMVBS
ausdrücklich beanstandet und ein sofortiger Abbruch des
Versuchs gefordert. Auch auf dieses Schreiben hat das
Land ablehnend reagiert.
Die Bundesregierung beurteilt den in Nordrhein-
Westfalen eingeleiteten Modellversuch ebenso wie den
laufenden Versuch in Niedersachsen als rechtswidrig.
Straßenverkehrsrechtliche Erlaubnisse dürfen nach den
allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 29 Abs. 3 der
Straßenverkehrs-Ordnung nur erteilt werden, falls es
sich bei dem Transportgut um unteilbare Ladungen han-
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elt und eine Beförderung auf der Schiene oder auf dem
asserweg nicht möglich ist. Sowohl in Nordrhein-
estfalen als auch in Niedersachsen werden jedoch teil-
are Ladungen transportiert. Damit werden die zum
chutz der Verkehrssicherheit und der Verkehrsinfra-
truktur vorgesehenen restriktiven Erteilungsvorausset-
ungen für Erlaubnisse unterlaufen, und damit wird eine
rundentscheidung des Verordnungsgebers konterka-
iert.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, eine Nachfrage, Herr Hofreiter.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Damit sind wir uns einig, dass die Versuche illegal
ind. Sie haben das betont und es den beiden Bundeslän-
ern mitgeteilt. Aber was folgt eigentlich daraus, wenn
ich ein Bundesland nach Meinung der Bundesregierung
icht an ein Bundesgesetz hält, außer dass man ihm
chriftlich mitteilt, dass es gegen ein Bundesgesetz ver-
tößt? Wenn nur Schreiben die Folge sind, was hindert
ann in Zukunft einzelne Bundesländer daran, weitere
erstöße zu begehen, wenn ihnen bestimmte Bundesge-
etze nicht passen?
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Denkbar wäre, dass dem Kraftfahrt-Bundesamt die
ufgabe der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen
ach § 70 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sowie
ie Erteilung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis-
en nach § 29 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung für
ahrzeuge übertragen werden, die aufgrund neuer tech-
ischer Konzepte im Rahmen eines Pilotversuches, also
eitlich befristet, am Verkehr teilnehmen sollen.
Das ist eine Maßnahme, die sehr weit geht. Wir haben
rst einmal versucht – ich glaube, das ist politisch sinn-
oll –, dies nicht nur mit Briefen, sondern auch in Ge-
prächen mit den betreffenden Bundesländern zu berei-
igen. Wir werden sicherlich prüfen, ob wir, wenn diese
espräche nicht zum Erfolg führen, von der angespro-
henen anderen Variante Gebrauch machen, also die Zu-
assungskompetenz wieder dem Bund übertragen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gibt es dafür irgendeinen Zeitrahmen? Die Versuche
aufen schließlich schon eine gewisse Zeit. Wann also ist
er Zeitpunkt erreicht, an dem der Geduldsfaden endgül-
ig reißt, wenn es keine einvernehmliche Lösung mit den
etreffenden Bundesländern gibt?
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun-
esminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Es geht nicht um Geduld. Vielmehr sollte man sich
uf vernünftige Weise darüber einigen, dass diese Versu-
he – das hat auch die Verkehrsministerkonferenz erge-
en – nicht laufen sollen. Wir rechnen in Bälde mit den
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7765
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Parl. Staatssekretär Achim Großmann
Ergebnissen der BASt, die diese Versuche untersucht.
Parallel prüfen wir, ob wir gegenüber den Bundeslän-
dern anders reagieren müssen. Ich nenne Ihnen jetzt be-
wusst keine Deadline, keine „Geduldsfadenreißfrist“.
Wir sind aber schon ernsthaft daran interessiert, dass wir
uns durchsetzen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Frage 20 des Kollegen Volker Beck (Köln) soll
schriftlich beantwortet werden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 21 bis 23 im Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung sowie die
Fragen 24 bis 26 im Geschäftsbereich der Bundeskanzle-
rin und des Bundeskanzleramtes sollen ebenfalls schrift-
lich beantwortet werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsmi-
nister Gernot Erler zur Verfügung.
Die Frage 27 der Kollegin Marieluise Beck (Bremen)
und die Frage 28 des Kollegen Volker Beck (Köln) sol-
len schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 29 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke:
Hält die Bundesregierung – in Übereinstimmung mit vie-
len Medien – die Charakterisierung von Guantánamo als
„Hölle“ (so die „Frankfurter Rundschau“ am 20. Januar 2007)
für zutreffend?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Gehrcke, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Haltung der Bundesregierung zu Guantánamo
ist bekannt. Sowohl die frühere als auch die jetzige Bun-
desregierung haben mehrfach deutlich gemacht, dass
eine Institution wie Guantánamo nicht mit rechtsstaatli-
chen Prinzipien vereinbar ist. Auch die EU vertritt die-
sen Standpunkt und hat dies wiederholt gegenüber den
Vereinigten Staaten von Amerika deutlich gemacht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Herr Gehrcke?
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Staatsminister, ich hatte Sie eigentlich gefragt,
wie dem Text zu entnehmen ist, ob Sie eine Formulie-
rung wie die, die die „Frankfurter Rundschau“ zum La-
ger Guantánamo benutzt hat, nämlich „Hölle“, als ange-
messen betrachten. Ich kann die Frage auch anders
formulieren: Wie würde die Bundesregierung ein Gefan-
genenlager bezeichnen, in dem geschlagen und gefoltert
wird, in dem Menschen in Ketten gelegt, mit Kapuzen
überzogen und Kälte- und Hitzeschocks ausgesetzt wer-
den? Gibt es aus Sicht der Bundesregierung einen Be-
griff, den man dafür benutzen kann?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Gehrcke, ich selber habe in einer Rede
vor diesem Hohen Hause am 26. Januar 2006 eine um-
fassende Bewertung abgegeben und deutlich gemacht,
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ass die Art und Weise, wie Gefangene in Guantánamo
ehandelt werden, nicht mit dem Völkerrecht vereinbar
st. Ich glaube, das ist die angemessenere Sprache für
en politischen Bereich, unbeschadet des Rechts der
resse, andere Begriffe zu benutzen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Nachfrage?
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Staatsminister, ich versuche noch einmal, an-
ersrum zu fragen; das ist Ihnen nicht unbekannt. Ich
öchte Sie fragen, ob die Beamten des Bundesnachrich-
endienstes und des Verfassungsschutzes, die in
uantánamo einen Gefangenen verhört haben, außer den
indrücken, die sie aus dem Verhör über die Person des
efangenen gewonnen haben, auch ihre Informationen
ber die Zustände in dem Lager schriftlich festgehalten
aben und ob die Bundesregierung sich mit diesen Infor-
ationen direkt auseinandergesetzt hat.
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Gehrcke, wie ich Sie einschätze, wissen
ie ganz genau, welche Antwort jetzt folgen muss: Über
ätigkeiten der Mitarbeiter der Dienste, nach denen Sie
efragt haben, kann die Bundesregierung öffentlich
eine Auskunft geben. Das ist auch Angelegenheit des
ingerichteten Untersuchungsausschusses.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich ahnte
es!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Wolfgang
ehrcke:
Welche Kriterien müssen nach Auffassung der Bundes-
regierung und den diplomatischen Gepflogenheiten entspre-
chend erfüllt sein, damit aus dem „Angebot“ einer ausländi-
schen Regierung ein „offizielles Angebot“ wird?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Gehrcke, ich beantworte Ihre Frage wie
olgt: Ich beziehe Ihre Frage auf die derzeitige Diskus-
ion über ein angebliches Angebot zur Freilassung von
errn Kurnaz aus Guantánamo. Was die Frage des An-
ebots an sich angeht, so setzt ein Angebot im Wortsinne
mmer voraus, dass jene, die es machen, auch die Kom-
etenz haben, es einzulösen. Auf diese Tatsache hat der
undesminister des Auswärtigen insbesondere mit sei-
er Qualifizierung als „offiziell“ hingewiesen. Im Übri-
en möchte ich an dieser Stelle den Beratungen des Un-
ersuchungsausschusses nicht vorgreifen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke?
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Staatsminister, wie Sie meine Frage interpretie-
en, ist Ihre Angelegenheit. Das steht nicht in der Frage.
ch habe gefragt, ob es Kriterien der Bundesregierung
ibt, ab wann ein „Angebot“ zu einem „offiziellen
7766 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Wolfgang Gehrcke
Angebot“ wird. Nehmen Sie das als Frage eines Lernbe-
reiten, was die Außenpolitik angeht. Ich möchte einfach
wissen, ab wann ein Angebot ein offizielles ist und ob es
dafür Kriterien gibt. Ich habe Sie nicht nach Herrn
Steinmeier gefragt.
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Gehrcke, die Bundesregierung hat kein
spezielles Verständnis zu dem Begriff „Angebot“ und
der Logik eines solchen Begriffes. Ich habe deswegen
ausgeführt, dass ein Angebot dann als offiziell – danach
fragen Sie ausdrücklich – gelten kann, wenn die Anbie-
ter tatsächlich befugt sind, ein solches Angebot umzuset-
zen. Das ist das, was mit diesem Begriff „offiziell“ ge-
meint gewesen ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Gehrcke, zweite Nachfrage.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Staatsminister, bevor ein Vertrag völkerrechtlich
geschlossen wird, gibt es – wie mir bekannt ist – eine
Menge Vorstufen: Es gibt Papiere, Non-Paper, Verhand-
lungen und Gespräche. Man startet nie mit einem offi-
ziellen Angebot. Vielmehr gehen dem Verhandlungen,
Gespräche und Papiere voraus.
Da Sie den Fall Steinmeier direkt angesprochen ha-
ben, muss ich Sie jetzt fragen, ob es eigentlich unge-
wöhnlich ist, dass Vorgespräche dieser Art geführt wer-
den, bevor ein offizielles Angebot von autorisierten
Stellen – von einem Minister, einer Regierung oder wem
auch immer – gemacht wird?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Gehrcke, schon die Logik gebietet es, anzuer-
kennen, dass von einem Angebot immer erst dann ge-
sprochen werden kann, wenn derjenige, der da handelt,
auch eine entsprechende Autorisierung hat. Und genau
auf diesen Tatbestand bezieht sich die ganze Diskussion
zwischen uns beiden.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die wir lei-
der nicht weiterführen können!)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen dann zur Frage 31 des Kollegen
Nouripour:
Ist bzw. war die Praxis der Regierung der Republik Ka-
sachstan zur Abschiebung von Flüchtlingen der uighurischen
Minderheit in die Volksrepublik China Gegenstand der Ge-
spräche der Vertreter der Bundesregierung mit dem kasachi-
schen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew, der in dieser
Woche die Bundesrepublik Deutschland besucht?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Meine Antwort auf die Frage lautet wie folgt: Die
Bundesregierung verfolgt in engem Benehmen mit dem
UNHCR – also mit dem Hohen Kommissar der UN für
Flüchtlingsfragen – den Schutz uighurischer wie auch
usbekischer Flüchtlinge in Kasachstan. Nach Informa-
tionen des UNHCR ist es im Jahr 2006 in Kasachstan zu
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rei Fällen von Auslieferungen uighurischer Flüchtlin-
en an die Volksrepublik China gekommen. Die Bundes-
egierung ist in diesen und weiteren ihr bekannt werden-
en Fällen um die Aufklärung und Thematisierung von
issständen bemüht.
Dies geschieht in engem Einvernehmen mit dem
NHCR, um den besten Schutz der betroffenen Perso-
en zu gewährleisten. Bei meinem Gespräch mit dem
amaligen kasachischen Außenminister Tokajew am
4. Juli 2006 habe ich die Probleme bei der kasachischen
lüchtlingspolitik thematisiert. Der damalige Außenmi-
ister Tokajew hat mir dabei versichert, dass Kasachstan
ich an die internationalen Verpflichtungen der UN-
lüchtlingskonvention halten werde. In einer Reihe von
ällen prominenter usbekischer Flüchtlinge hat die kasa-
hische Regierung entsprechend diesen Normen korrekt
nd umsichtig gehandelt.
Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft für
ie Gewährleistung des Flüchtlingsschutzes in Kasach-
tan den internationalen Normen entsprechend einsetzen
nd dies bei politischen Gesprächen angemessen und
um Nutzen der betroffenen Flüchtlinge ansprechen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister, für die Ant-
ort. – Die erste Nachfrage, die ich dazu habe, ist die ur-
prünglich formulierte: Waren die Flüchtlinge aus Uighu-
ien und ihre Abschiebung nach China Gegenstand der
espräche mit dem Staatspräsidenten Nasarbajew, die in
ieser Woche stattgefunden haben?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Nouripour, der gesamte Komplex der
enschenrechte einschließlich der Flüchtlingsproblema-
ik hat sowohl in den bilateralen Gesprächen wie auch
ei den öffentlichen Veranstaltungen eine Rolle gespielt.
ie kasachische Seite ist dabei sehr offen auf unsere
orträge eingegangen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Frau Bundeskanzlerin soll gestern in einem dieser
espräche davon gesprochen haben, dass die Bundes-
epublik Bedingungen formulieren werde, die erfüllt
ein müssen, damit man das Bestreben Kasachstans un-
erstützen kann, turnusgemäß im Jahr 2009 den Vorsitz
er OSZE zu übernehmen. Gehört – wenn diese Nach-
icht denn stimmt – der Umgang der kasachischen Re-
ierung mit den Flüchtlingen, speziell mit Flüchtlingen
us den uighurischen Gebieten, zu diesen Bedingungen?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Die Voraussetzungen dafür, dass die Bewerbung Ka-
achstans für die Präsidentschaft in der OSZE im Jahr
009 erfolgreich ist, sind nicht etwa vonseiten der Bun-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7767
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Staatsminister Gernot Erler
desregierung definiert worden. Diese Voraussetzungen
ergeben sich vielmehr daraus, dass Kasachstan zeigen
muss, dass es durch eigene Reformpolitik im Presse-
wesen, im Wahlrecht usw. qualifiziert dafür ist, diese
verantwortungsvolle Arbeit in der Präsidentschaft der
OSZE wahrzunehmen.
Logischerweise gehört dazu auch der ganze Bereich
der Menschenrechte und der Flüchtlingspolitik. Wir ha-
ben von der kasachischen Regierung klare Ansagen
dazu, dass diesbezüglich in der nächsten Zeit – in den
nächsten Wochen und Monaten – Fortschritte erzielt
werden sollen. Hierbei geht es vor allen Dingen um die
Umsetzung von bereits angekündigten Gesetzesänderun-
gen.
Wie gesagt, es gibt schon konkrete Beispiele. Ein sol-
ches Beispiel ist – ich habe es im Bericht über meinen
Besuch in Astana angesprochen –, dass es uns gelungen
ist, eine Änderung der kasachischen Flüchtlingspolitik
zu erreichen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. – Wir kommen jetzt zur letzten Frage in
der Fragestunde, nämlich zu Frage 32 des Kollegen
Jürgen Trittin:
Welche Ergebnisse hat das Treffen der Außenminister der
NATO hinsichtlich der Anpassung der zivilen und militäri-
schen Strategie und Operationsführung von ISAF in Afgha-
nistan ergeben, und welche Initiativen gedenkt man gegen-
über Pakistan zu ergreifen?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Trittin, meine Antwort lautet folgender-
maßen: Das informelle NATO-Außenministertreffen am
26. Januar 2007 in Brüssel hat die beim Rigagipfel ange-
stoßene politische Strategiediskussion zu Afghanistan
fortgeführt und auf den Punkt zu bringen versucht. Die
Notwendigkeit eines umfassenden zivil-militärischen
Ansatzes für den Erfolg der internationalen Gemein-
schaft in Afghanistan wurde einhellig betont, die Zielset-
zung einer Verbesserung der Zusammenarbeit und Ko-
ordinierung vorgegeben. Nun muss dies konkret in die
Praxis umgesetzt werden.
Hohe Erwartungen richteten sich an die Vereinten Na-
tionen, ihre Koordinierungsrolle verstärkt wahrzuneh-
men. Das JCMB-Treffen, also das Treffen des Joint
Coordination and Monitoring Board, auf Ebene der poli-
tischen Direktoren in Berlin am gestrigen Tag hat dazu
wichtige Impulse gegeben. Neben der Verstärkung der
zivilen Anstrengungen wurden vereinzelt Forderungen
nach mehr Einsatzkräften für ISAF geäußert. Eine ver-
tiefte Diskussion ist für das Treffen der Verteidigungsmi-
nister am 8./9. Februar 2007 zu erwarten.
Insgesamt ist dabei wichtig, dass Sicherheit und Wie-
deraufbau sich gegenseitig bedingen und nicht gegenein-
ander ausgespielt werden dürfen. Es herrschte Einigkeit
darüber, dass Pakistan eine regional herausgehobene
Rolle für die Befriedung Afghanistans spielt. Deutsch-
land hat hier im Rahmen von G-8-Vorsitz und EU-Rats-
präsidentschaft die Initiative ergriffen und wird mit der
EU-Troika Pakistan am 8. Februar 2007 einen wichtigen
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mpuls geben. Ziel ist, den Dialog zwischen Afghanistan
nd Pakistan auf eine breitere Basis zu stellen, unter an-
erem durch die politische Flankierung der funktionie-
enden militärischen Zusammenarbeit zwischen ISAF,
akistan und Afghanistan, die „Tripartite Commission“.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Kollege Trittin.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatsminister, meine Frage zielte nicht so sehr
uf die Verstärkung der humanitären Hilfe und der bes-
eren Koordination im Rahmen der UN, sondern darauf,
b es hinsichtlich der Strategie- und Operationsführung
ilitärischer Aktionen der NATO zu einer Veränderung
er Strategie gekommen ist, weil wir feststellen mussten,
ass insbesondere im Süden Afghanistans – anders als
m Norden – oft in einer Weise vorgegangen wurde, dass
ie militärische Aktion die Legitimation des Aufbaus
nd damit das produktive Zusammenwirken von „zivil“
nd „militärisch“ infrage gestellt hat. Ich glaube, das ist
or dem Hintergrund angeforderter Verstärkungen aus
eutschland eine legitime Frage.
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Herr Kollege Trittin, Sie kennen die deutsche Position
azu. Wir versuchen unserer Verantwortung für die Nord-
egion nachzukommen. Dabei geht es genau darum, den
ilitärischen Teil zu nutzen, um einen sicheren Rahmen
u schaffen, damit der Wiederaufbau durch die afghani-
che Regierung und die internationalen Hilfsorganisatio-
en so gestaltet werden kann, dass dabei ein Fortschritt
nd ein Nutzen für die Bevölkerung entstehen. Wir sind
avon überzeugt, dass dieser Ansatz der einzige ist, der
ns in Afghanistan voranbringt.
Das Problem ist natürlich – das muss man ehrlich sa-
en –: Im Süden und Osten des Landes ist es etwas
chwieriger als im Norden – dort tragen wir die Verant-
ortung –, das umzusetzen. Wir glauben aber, dass es
ar keine Alternative zu einer Verstärkung dieser zi-
il-militärischen Zusammenarbeit gibt. Ich habe die ver-
chiedenen Ereignisse, die zum Teil auf Initiativen der
undesregierung zurückgehen, noch einmal genannt, um
iesen Grundgedanken hier zu unterstreichen.
Ich kann Ihnen sagen: Wir machen Fortschritte. Die
weitägige Tagung dieser Koordinierungseinrichtung hat
ezeigt, dass sich dieser Grundansatz als konsensfähig
rwiesen hat. Wir wollen dies mit den verschiedenen
roikatreffen und auch mit der bevorstehenden Sitzung
er Verteidigungsminister der NATO in diesem Sinne
ortsetzen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, bitte.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Erler, vor dem Hintergrund, dass die an-
efragten zusätzlichen Aufklärungskapazitäten in Ge-
talt der deutschen Tornados explizit nicht für die Auf-
lärung im Norden, sondern für die Aufklärung im
7768 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Jürgen Trittin
Süden benötigt werden, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie
die Feststellungen, die der afghanische Außenminister
unter anderem gestern in einer öffentlichen Veranstal-
tung gemacht hat, wonach die Störungen durch militante
Kräfte im Süden von Pakistan nicht unterbunden, son-
dern aktiv gefördert und unterstützt werden?
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Wir nehmen solche Beobachtungen, die sich mit an-
deren Informationen decken, die wir erhalten, ernst.
Deswegen gab es die deutsche Initiative, jetzt ein
Troika-Treffen mit Pakistan vorzubereiten, das in den
nächsten Tagen – genauer, ich hatte es gesagt, am
8. Februar – stattfinden wird, um gemeinsam nach Mög-
lichkeiten zu suchen, eine stärkere Kontrolle der illega-
len Grenzübertritte zu bewerkstelligen. Wir haben den
Eindruck, dass die pakistanische Regierung sich auf eine
Position zubewegt, sich bei der Grenzkontrolle von au-
ßen helfen zu lassen. Das ist allemal besser, als wenn
man sich hinterher überlegen muss, wie man die ISAF in
den Grenzgebieten Afghanistans gegen solche Milizen,
die die Grenze überschreiten, verteidigen kann.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir sind am Ende
der Fragestunde.
Ich unterbreche jetzt die Sitzung. Sie wird um
15.35 Uhr mit dem Aufruf einer Aktuellen Stunde fort-
gesetzt.
(Unterbrechung von 15.06 bis 15.35 Uhr)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu Forderungen
nach der Fortsetzung der Steinkohlesubventio-
nen für einen Sockelbergbau
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die
FDP-Fraktion der Kollege Friedhoff.
(Beifall bei der FDP)
Paul K. Friedhoff (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-
Fraktion hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil
sie damit den Beschlüssen der Bundesregierung zum so-
genannten Sockelbergbau auf den Grund gehen möchte.
Die FDP fordert seit über 20 Jahren den Ausstieg aus
dem subventionierten deutschen Steinkohlenbergbau;
denn seit mehr als 20 Jahren kann man die Versorgungs-
sicherheit gleich gut, aber viel preiswerter zum Beispiel
durch Bevorratung erreichen.
(Beifall bei der FDP)
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Mit dieser Position standen wir lange Zeit völlig al-
eine da. Bei den letzten großen Demonstrationen 1997
n Bonn wurde den Kumpels im Ollenhauer-Haus und
ei den Grünen die Verpflegung gereicht, während im
ehler-Haus die Scheiben zu Bruch gingen.
(Dirk Niebel [FDP]: Pfui!)
Nun ist unsere Erkenntnis auch bei den Grünen und
ei großen Teilen der SPD angekommen. Die Abkehr
on der Dauersubventionierung deutscher Steinkohle ist
er Kern der Koalitionsbeschlüsse, und den begrüßen
ir. Wir begrüßen auch, dass es jetzt eine reelle Chance
ür den „weißen“ Bereich der RAG zum Börsengang
ibt und hiermit der Strukturwandel im Kohlerevier wei-
er unterstützt werden kann.
(Beifall bei der FDP)
Der vorgesehenen Überprüfung des Ausstiegsbe-
chlusses im Jahre 2012 – sozusagen die Gesichtswah-
ungsklausel für die Glückauf-Fraktion in der SPD – se-
en wir mit Gelassenheit entgegen. Wir haben nichts
egen die Förderung von Steinkohle in Deutschland; wir
enden uns gegen unsinnige Subventionierung.
(Beifall bei der FDP)
enn die deutsche Steinkohle so wichtig und 2012 wett-
ewerbsfähig wäre, dann brauchten wir dafür auch keine
ubventionen. Was sollte dann also ein Sockelbergbau?
ann wird Kohle nach den Regeln des Marktes gefördert
erden, allerdings sicher stärker als heute unter den Ge-
ichtspunkten des Umweltschutzes. Bereits heute leben
50 000 Menschen in der Folge von Bergschäden, besser
esagt: Bergsenkungen, in Wohnungen, die unterhalb
es Rheinpegels liegen. Das darf so nicht weitergehen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Was uns an den Beschlüssen allerdings Sorge bereitet,
st der Zeitplan: sozialverträgliches Auslaufen im
ahre 2018. Damit ich nicht missverstanden werde: Die
DP ist, wie in der Vergangenheit auch, für ein sozial-
erträgliches Ende der Subventionen. Dazu stehen wir.
as allerdings unter „sozialverträglich“ verstanden
ird, darüber sollten wir noch einmal nachdenken. Nach
erechnungen im Bundeswirtschaftsministerium werden
on heute bis zum Auslaufen im Jahre 2018 39,7 Mil-
iarden Euro Steuergelder in den Bergbau gesteckt. Dies
edeutet bei heute etwa 35 000 Bergleuten einen Betrag
on 1,13 Millionen Euro pro Kumpel – ein gewaltiger
etrag. Steigt man 2012 aus den Subventionen aus, spart
an laut dem Arbeitspapier des BMWi stolze 12 Mil-
iarden Euro; allerdings sind dann noch 10 600 Berg-
eute beschäftigt.
Ist es nun wirklich sozial verträglich, so viel Geld für
as Auslaufen einer unwirtschaftlich gewordenen Indus-
rie aufzuwenden? Uns kommen da Zweifel. Wir glau-
en, dass man dieses Geld besser in neue Arbeitsplätze
ür die Kumpels stecken sollte.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7769
(A) )
(B) )
Paul K. Friedhoff
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Strukturwan-
del immer mit Geld verbunden war und ist. Aber hier
wird das Geld nicht für Strukturwandel und die Schaf-
fung neuer Arbeitsplätze verwendet, sondern in das Be-
enden von Beschäftigung gesteckt. Hier müssen wir um-
denken und uns ein Beispiel am gelungenen
Strukturwandel zum Beispiel in der deutschen Stahlin-
dustrie nehmen.
(Beifall bei der FDP)
Aus den einstmaligen Stahlunternehmen Thyssen, Krupp
oder Mannesmann sind längst Unternehmen mit moder-
nen, zukunftsfähigen Produkten geworden, ohne dass es
hoher Subventionen bedurfte. Das Geld wurde lieber in
den Strukturwandel der Konzerne gesteckt, um neue Tä-
tigkeitsfelder zu erschließen, in denen dann neue Ar-
beitsplätze entstanden sind.So macht es die private, un-
subventionierte Wirtschaft.
Auf diese Weise wurde in der Krise der europäischen
Stahlindustrie in Luxemburg eine Beschäftigungsgesell-
schaft von Unternehmen und Betriebsrat der Arbed ge-
gründet, in die alle freigesetzten Stahlwerker übernom-
men wurden und die dann eine verbesserte Infrastruktur
schaffte. Dies war viel billiger, schaffte zusätzliche öf-
fentliche Infrastruktur und brachte neue Arbeitsplätze.
Warum sollte bei der deutschen Steinkohle nicht auch
das möglich sein, was bei den deutschen Stahlkonzernen
und bei der Arbed in Luxemburg gelungen ist?
(Beifall bei der FDP)
Wenn man nicht 2018, sondern sechs Jahre früher,
also 2012, die Subventionen beendet, kann man laut
BMWi 12 Milliarden Euro einsparen. Damit ließe sich
eine Transrapidstrecke wie in München vom Flughafen
zur Innenstadt achtmal bauen.
(Lachen bei der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Damit ließen sich mehr als die dann noch im Bergbau tä-
tigen Arbeitnehmer mit einer Perspektive in Arbeit und
Brot bringen.
Oder: Warum kann der freigesetzte Elektriker im
Bergbau zum Beispiel nicht bei der STEAG eingesetzt
werden? Stehen hier vielleicht die hohen Leistungen des
Anpassungsgeldes oder die Bedingungen in den Bewilli-
gungsbescheiden für die Subventionen einer sinnvollen
Regelung entgegen? Auch bei der Steinkohle gibt es eine
soziale Verantwortung des Konzerns für die Mitarbeiter.
Was sagt der montanmitbestimmte Aufsichtsrat dazu?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Friedhoff, kommen Sie bitte zum Schluss.
Paul K. Friedhoff (FDP):
Mit dem Geld der Steuerzahler sich die Ruhe der
Bergleute zu erkaufen, sie mit hohen Subventionen
Kohle fördern zu lassen und nicht das Geld für einen
Strukturwandel, also für die Zukunft, einzusetzen – das
erscheint mir einfältig und gerade nicht sozialverträglich
zu sein.
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Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Laurenz
eyer das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Die Ausgangssituation, die
ir im Bergbau vorfinden, ist uns allen seit Jahren be-
annt. Es handelt sich um ein immer weiteres Abschmel-
en des Bergbaus. Heute sind gerade noch ein Drittel der
ei der RAG Beschäftigten im eigentlichen Bergbaube-
eich tätig. Die Frage ist: Wie können wir den jetzt anste-
enden Prozess angesichts der Lage auf dem Weltmarkt
egleiten?
Die Preise am Weltmarkt richten sich in dramatischer
eise gegen die von der RAG geförderte Kohle. Das hat
ichts mit der Leistungsfähigkeit der Bergleute, sondern
it den anderen Umständen zu tun, unter denen bei uns
ohle gefördert wird. Tagebau wie in anderen Ländern
st natürlich wesentlich kostengünstiger als der Kohleab-
au in Tiefen, wie sie etwa im Ruhrgebiet zu finden sind.
ort muss man immer tiefer gehen, um noch Kohle för-
ern zu können.
Für 1 Tonne Steinkohle werden am Weltmarkt 60 Euro
erlangt, während 1 Tonne heimischer Steinkohle 130 bis
40 Euro, manchmal – wie im Falle des Bergbaus im öst-
chen Ruhrgebiet – bis zu 340 Euro kostet. Diese hohen
reise erklären sich aus Störungen, beispielsweise Stö-
ungen im Produktionsablauf. Die Preise für die heimi-
che Steinkohle liegen also um den Faktor fünf bis sechs
öher als die für die Steinkohle auf dem Weltmarkt.
Deswegen ist es richtig, darüber nachzudenken, wie
ie langfristige Konzeption aussehen soll. Wir wollen
en Börsengang der RAG und damit das Gründen einer
tiftung ermöglichen, um den Aufbau von neuen Ar-
eitsplätzen in diesem Unternehmen zu unterstützen. Bis
018 ist es ein langer Zeitraum. Ich verhehle nicht, dass
ir es lieber gesehen hätten, wenn der Ausstieg eher er-
olgen würde. Dann hätten wir schon früher mehr Geld
ür den Aufbau neuer Arbeitsplätze.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der entscheidende Punkt ist aber, dass wir jetzt einen
ndzeitpunkt definieren, den der Bundestag – wann
uch immer; es ist jetzt die Rede von 2012 – natürlich
och überprüfen kann. Sollten sich fundamentale Markt-
aten ändern, wäre der Bundestag selbstverständlich
rei, in neue Überlegungen einzutreten. Warum sollte
ich der Bundestag gehindert fühlen, darüber nachzu-
enken, wenn sich irgendwann – möglicherweise in Teil-
ereichen, etwa bei der Kokskohle – andere Preisver-
ältnisse ergeben?
Eines sage ich hier auch an die Adresse der Kollegin-
en und Kollegen der Grünen: Im Vergleich zur Förde-
ung mancher alternativer Energien ist die Subvention
7770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Laurenz Meyer (Hamm)
der Steinkohle eine verdammt wirtschaftliche Angele-
genheit.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das
stimmt überhaupt nicht, das wissen Sie!)
– Das ist so, bezogen auf die Kilowattstunde. Das muss
man einfach nüchtern sehen.
Die Überprüfung des Beschlusses ist also immer
möglich. Mit ihm ist jetzt sichergestellt worden, dass ein
sozialverträglicher Prozess ablaufen wird. So leid es mir
tut, die schlechteste Alternative wäre für den größten
Teil der Bergleute ein Sockelbergbau gewesen, weil
dann von den vorhandenen acht Anlagen sechs hätten
geschlossen werden müssen, und zwar möglicherweise
ohne das Anpassungsgeld, also ohne sozialverträgliche
Regelungen. Dafür wären auch in den Ländern keine
Mehrheiten vorhanden gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das, was jetzt verabschiedet wird, ist für die aller-
meisten die absolut beste Lösung. Aus meiner Landtags-
tätigkeit habe ich das Beispiel „Sophia Jacoba“ im
Aachener Bereich vor Augen. Dort ist sehr frühzeitig ein
Stilllegungstermin definiert worden, wodurch man sich
rechtzeitig auf die neue Zeit einstellen konnte. Es ändert
sich auch das Denken in den betroffenen Regionen,
wenn nicht mehr nur das Verteidigen des Hergebrachten
im Vordergrund steht, sondern man sich auf etwas Neues
konzentrieren muss. Entscheidend ist, dass wir einen sol-
chen Prozess unterstützen, auch mit finanziellen Mitteln
– nicht für die Bergleute selbst; sie sind finanziell abge-
sichert –, da wir für die Kinder der heutigen Bergleute
zukunftssichere Arbeitsplätze brauchen. An diesen
Standorten haben wir es mit sehr konzentrierten regio-
nalwirtschaftlichen Problemen zu tun. Aus diesen Grün-
den wäre ein Sockelbergbau kein vernünftiger Weg ge-
wesen, auch wenn ihm der eine oder andere angehangen
hat. Die Beihilferegelungen hätten überhaupt nicht de-
gressiv gestaltet werden können, und der Bundestag
wäre in seiner Mehrheit niemals bereit gewesen, eine
dauerhafte Garantieerklärung für jedwede Kosten- und
Erlössituation der Kohleförderung in Deutschland abzu-
geben.
Wir sollten nun die gefundene Lösung mit den Betrof-
fenen sehr offensiv und nüchtern diskutieren, die Um-
strukturierungsprozesse umgehend anschieben und so
neue Strukturen für die Zukunft schaffen. Sollte sich an
den energiepolitischen Verhältnissen einmal etwas dra-
matisch ändern, wird der Bundestag jederzeit in der
Lage sein, das Thema neu aufzugreifen. Wir sollten nun
so, wie vorgesehen, vorgehen. Ich begrüße für unsere
Fraktion das, was am Sonntagabend vereinbart worden
ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat die Kollegin Ulla Lötzer für die Frak-
tion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
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Ulla Lötzer (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im Ge-
ensatz zu Ihnen, Herr Meyer, begrüßen wir Ihren Be-
chluss zum Ende der heimischen Steinkohle nicht.
uch Ihr selbsterklärter Arbeiterführer Rüttgers macht
ier mehr als deutlich, dass er die Interessen Tausender
ergleute, ohne mit der Wimper zu zucken, auf dem Al-
ar des Börsengangs der RAG opfert.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP:
Aber für die Braunkohle gilt das nicht?)
Selbst das Datum 2018 stellt Herr Rüttgers laut
ickermeldung von heute noch infrage. Nachdem die
ergleute und mit ihnen viele Menschen im Ruhrgebiet
ange für Sozialverträglichkeit gekämpft haben, wird die
AG von Ihnen aus der sozialen Verantwortung entlas-
en. Die Steinkohle soll in eine Stiftung überführt wer-
en, die dann für die Ewigkeitskosten – die Stilllegungs-
osten, die Pensionen der Bergleute, die Kosten der
erg- und Wasserschäden – aufkommen soll. Es geht um
chätzungsweise 13 Milliarden Euro, die aus den Rück-
tellungen der RAG und den Erlösen des Börsengangs
inanziert werden sollen. Dies ist ein riskantes Spiel.
err Meyer, das ist Ihnen durchaus klar; denn schon geht
n Ihrer Partei der Streit insbesondere darüber los, wie
iese Mittel aufgebracht werden sollen. Herr Ramsauer
perrt sich mit aller Gewalt gegen eine Übernahme der
osten durch den Bund; stattdessen solle der Strompreis
rhöht werden. Frau Thoben fordert heute eine Beteili-
ung des Bundes an den Ewigkeitskosten, damit das
and nicht auf einem Fass ohne Boden sitzen bleibe. Die
erbraucherinnen und Verbraucher sowie die Steuerzah-
erinnen und Steuerzahler sollen für das aufkommen,
as Sie der RAG erlassen. Der Börsengang ist nicht nur
in Projekt der Landesregierung und der CDU. Er ist ein
emeinsames Projekt der CDU, der SPD, der Grünen
nd der FDP. Das Glitzern des Shareholder-Values vor
ugen zählt offensichtlich nichts anderes mehr.
(Dirk Niebel [FDP]: So ein Quatsch! Das sind
70 000 Arbeitsplätze und Zukunftschancen!)
Ihre Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
PD, den Börsengang der RAG zu befürworten und
leichzeitig für einen Sockelbergbau einzutreten, war,
hrlich gesagt, von Anfang an unglaubwürdig.
(Beifall bei der LINKEN)
as ist eine Politik nach dem Motto „Wasch mir den
elz, aber mach mich nicht nass“. Unter dem Titel
Neue Kraft für NRW“ kann man noch heute bei der
PD lesen:
Wie zuvor Vizekanzler … Müntefering sprach sich
auch Kraft für den Erhalt des Steinkohlebergbaus
aus und kündigte an, die SPD werde … an einem …
Steinkohlesockel festhalten.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hört!
Hört!)
Es war immer klar: Wer einen Sockelbergbau will,
arf den profitablen Bereich der RAG nicht aus der Haf-
ung für die Steinkohlenförderung entlassen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7771
(A) )
(B) )
Ulla Lötzer
(Beifall bei der LINKEN)
Daher wundert es nicht, dass die Aussagen zum Festhal-
ten an einem Sockelbergbau nicht einmal eine Halb-
wertszeit von einer Woche nach dem Landesparteitag
hatten. Ein lächerlicher und fadenscheiniger Versuch,
nicht ganz als Wortbrecherin dazustehen, ist da die für
2012 vereinbarte Überprüfung.
Welche Alternative bieten Sie denn jetzt den Men-
schen im Ruhrgebiet? Was sagen Sie den Leuten in
Kamp-Lintfort, die erst 1 000 Arbeitsplätze durch Ma-
nagementversagen bei BenQ verloren haben und jetzt
noch einmal 3 000 Arbeitsplätze in der Steinkohlenför-
derung verlieren? Sie versprechen einen sukzessiven
Arbeitsplatzabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Die IG Bergbau, Chemie, Energie sagt, die Details
müssten noch geklärt werden. Herr Sommer warnt, ein
Abschieben in Transfergesellschaften sei mit ihm nicht
zu machen. Da hat er recht.
(Beifall bei der LINKEN)
Über Ersatzarbeitsplätze, über Perspektiven für die
Auszubildenden sagen Sie nichts. Stattdessen liest man,
Sie wollten den Bundesanteil an den Subventionen ab
2009 von 80 auf 66 Prozent kürzen. Wir fordern Sie auf,
ein Konzept vorzulegen und die Subventionen von Bund
und Land nicht zu kürzen, sondern die Mittel stattdessen
für den Aufbau von Ersatzarbeitsplätzen in der Region
bereitzustellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energiepolitik,
zu Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien bietet
auch für NRW Chancen. Es geht nicht einfach um den
Ersatz von heimischer Kohle durch billigere Import-
kohle. Gebraucht wird speziell für die Kohlebergbaure-
gionen eine gezielte Ansiedlungsstrategie im Bereich der
erneuerbaren Energien. In der energetischen Häuser-
sanierung zum Beispiel gibt es im Ruhrgebiet nach-
weislich einen hohen Arbeitskräftebedarf und gute
Kenntnisse. Den Bergleuten muss dafür ein Qualifizie-
rungsangebot gemacht werden.
Wir treten nach wie vor dafür ein, eine Grundförder-
menge an Steinkohle zu erhalten. Nur so kann die damit
verbundene Kompetenz erhalten werden. An dieser
Kompetenz hängen noch einmal Tausende von Arbeits-
plätzen im Ruhrgebiet. Mittelfristig kann die Kohle ein
wichtiger Ersatzrohstoff für das zur Neige gehende
Erdöl als Grundstoff der petrochemischen Industrie wer-
den. Deshalb wäre es extrem kurzsichtig, das Know-how
schnell abreißen zu lassen. Statt die Bergleute die Zeche
zahlen zu lassen, muss die RAG mit in der Haftung blei-
ben. Voraussetzung dafür ist, den Börsengang zu stop-
pen.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Rolf
Hempelmann das Wort.
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(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Rolf Hempelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
en! Schon vor eineinviertel Jahren sind die Weichen für
ie Entscheidung gestellt worden, die in den letzten Ta-
en gefällt worden ist und die heute Abend in einem
eiteren Kohlespitzengespräch zu bestätigen sein wird.
or eineinviertel Jahren ist im Koalitionsvertrag die
ede davon gewesen, dass die weitere Subventionierung
er deutschen Steinkohle degressiv, aber sozialverträg-
ich erfolgen soll, dass dabei betriebsbedingte Kündi-
ungen zu vermeiden sind und die Bundesregierung den
örsengang der RAG unterstützen will.
Offen blieb lediglich eine Frage, nämlich die Frage,
b der subventionierte Steinkohlenbergbau in Deutsch-
and am Ende dieses Prozesses auslaufen oder ob es ei-
en Sockelbergbau geben soll.
Vor eineinviertel Jahren saßen nicht nur Bundespoliti-
er, sondern auch die Vertreter der Länder – insbeson-
ere der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller,
nd die Wirtschaftsministerin des Landes Nordrhein-
estfalen, Frau Thoben – am Verhandlungstisch. Alle
aben sich zu den Prinzipien der Sozialverträglichkeit
nd zum Börsengang bekannt; das war gut so. Dennoch
uss man einräumen, dass die einzelnen Positionen weit
useinandergingen. Von daher freue ich mich über die
inigung, zu der es in dieser Woche gekommen ist. Sie
st heute noch zu bestätigen. Diese Einigung zeigt die
andlungsfähigkeit der Großen Koalition und der Poli-
ik insgesamt.
Aus Sicht der SPD ist das Ergebnis, vor allem des-
alb, weil der Sockel nicht fest vereinbart werden
onnte, sicherlich kein Grund zu unbegrenztem Jubel,
ber das Ergebnis ist sehr zufriedenstellend. Warum? Es
st erstens zufriedenstellend, weil der Zugang zu den La-
erstätten nicht endgültig verschüttet worden ist. Wir ha-
en eine belastbare Überprüfung für das Jahr 2012 vor-
esehen, die Kriterien für diese Überprüfung sind schon
eute konkret fixiert worden. Da insbesondere von der
DP Kritik an der Politik des Kohlesockels geäußert
urde, möchte ich zweitens deutlich machen, dass wir
ngesichts steigender Importabhängigkeit und steigender
reise für Importenergie sowie angesichts einer zuneh-
enden internationalen Nachfrage nach Energieproduk-
en die Auffassung vertreten, dass eine Vorkehrung im
inne einer heimischen Energiereserve nur richtig sein
ann.
(Beifall bei der SPD)
Außerdem sollte man im Auge behalten, dass in der
ergangenheit weder die Politik noch die Industrie be-
ondere Prognosefähigkeit bewiesen haben. Ich denke
abei nur an das Thema Kokskohle, das bereits kurz an-
esprochen wurde. Hätte man in der Vergangenheit vor-
orglicher gehandelt, wären wir in diesem Bereich heute
och aktiv. Wir sind es nicht mehr. Inzwischen sind die
reise jedoch so gestiegen, dass es heute wirtschaftlich
äre.
7772 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Rolf Hempelmann
Wir haben – das war für die SPD besonders wichtig –
eine Perspektive bis zum Jahr 2018 eröffnet. Entgegen
anderslautenden Aussagen in der Debatte ist dieser Weg
der einzige sozialverträgliche aus der Steinkohle. Das ist
nicht nur die Position einer sogenannten Glückauf-Frak-
tion, sondern diese Position wird auch durch Gutachten
belegt. Deswegen ist es wichtig, dass wir bei diesem Da-
tum bleiben. Ich sage das ausdrücklich, weil es heute
Tickermeldungen gibt, die besagen, dass der Minister-
präsident von Nordrhein-Westfalen andere Überlegun-
gen anstellt. Ich denke, nach den Gesprächen am
Sonntag und dem Steinkohlenspitzengespräch im Koali-
tionsausschuss am Montag sollte der Ministerpräsident
des Landes, das von diesen Regelungen am meisten pro-
fitiert, den Weg freimachen. Ich bin ganz sicher, dass die
Kollegen der CDU/CSU-Fraktion und die Unionsmit-
glieder im Kabinett entsprechend Einfluss nehmen wer-
den.
(Beifall bei der SPD)
Das Datum 2018 ist ein wichtiges Signal für die Be-
schäftigten im sogenannten schwarzen Bereich. Genauso
wichtig ist es aber, dass wir mit unseren Entscheidungen
den Weg für den hier gerade gescholtenen RAG-Börsen-
gang freigemacht haben. Man sollte nicht vergessen,
dass es hier um Wertschöpfung und um die Sicherung
von Arbeitsplätzen in den Kohlerevieren in Nordrhein-
Westfalen geht.
Denjenigen, die Subventionsmittel zur Finanzierung
des Strukturwandels in Nordrhein-Westfalen fordern,
sage ich: Die beste Unterstützung eines Strukturwandels
in Nordrhein-Westfalen ist der RAG-Börsengang. Damit
werden Arbeitsplätze im Lande gehalten, damit wird
eine Branche weiterentwickelt und konkurrenzfähig,
Zerschlagung und Marktbereinigung werden vermie-
den. Insofern ist der RAG-Börsengang genau der rich-
tige Weg.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, jetzt beginnt die Arbeit
des Gesetzgebers. Wir müssen ein Steinkohlenfinanzie-
rungsgesetz vorlegen. Ich hoffe, dass wir zügig von den
zuständigen Ministerien die entsprechenden Vorlagen
bekommen. Ich denke, wir werden in der Detailarbeit
beweisen, dass das, was jetzt in den Eckpunkten festge-
legt worden ist, unsere Leitlinie für die Zukunft ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat jetzt die Kollegen Bärbel Höhn für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
(Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie, was Joseph Fischer
vor dem Dehler-Haus gemacht hat!)
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Zunächst muss ich sagen:
Die Zielsetzung des Beschlusses der Bundesregierung ist
richtig. Es ist gut, dass wir zu einem Ende des Steinkoh-
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enbergbaus in Deutschland kommen. Diese Entschei-
ung ist richtig, aber auch überfällig.
Das sage ich als Abgeordnete aus einem Wahlkreis, in
em in den letzten Jahrzehnten infolge des Strukturwan-
els 30 000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Das ist hart
ür die Region. Ich habe viele Gespräche mit den betrof-
enen Menschen geführt. Dieses Thema ist also auch in
ozialer Hinsicht sehr sensibel. Ich sage das ferner vor
em Hintergrund, dass im Norden meines Wahlkreises
och immer Kohle abgebaut wird. Ich habe in den letz-
en Jahrzehnten erlebt, dass das Festhalten am Steinkoh-
enbergbau ein Hemmschuh für die Zukunftsentwick-
ung dieser Region war. Deshalb ist es richtig, aus dem
teinkohlenabbau auszusteigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der FDP)
Trotzdem sind drei Punkte Ihres Beschlusses zu kriti-
ieren. Erstens ist 2018 viel zu spät,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
weitens ist die Option für eine Überprüfung im Jahr
012 fatal, und drittens – das ist eine ganz wichtige
rage – ist überhaupt noch nicht geklärt, wer die Ewig-
eitskosten trägt. Sie haben Ihre Hausaufgaben noch
icht gemacht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
Ich gehe auf diese drei Punkte näher ein.
Der erste Punkt betrifft das Jahr 2018. Man muss wis-
en, dass in jedem Jahr 2,5 Milliarden Euro Subventio-
en in diesen Bereich gesteckt werden. In jedem Jahr, in
em der Bergbau länger besteht, werden 2,5 Milliarden
uro quasi in die Vergangenheit gesteckt und können
eshalb nicht in die Zukunft dieses Landes investiert
erden. Deshalb ist es falsch, bis 2018 zu warten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der FDP)
ie können die Kosten zusammenzählen. Die Grünen
aben den Beschluss gefasst, dass der Ausstieg 2012,
pätestens 2015 erfolgen soll. Allein auf Bundesebene
ürden wir 6 bis 12 Milliarden Euro sparen, wenn wir
as realisieren würden.
Der zweite Punkt: Warum ist die Überprüfung im Jahr
012 fatal? Dahinter stecken durchaus interessante
berlegungen, Stichwort Versorgungssicherheit. Dazu
uss man Folgendes sagen: Die Ressourcen an Öl, Gas
nd Uran sind begrenzt; sie reichen vielleicht noch 50
der 75 Jahre. Bei der Kohle ist das anders. Wir haben
ohlevorräte für 200 Jahre. Es ist keineswegs so, dass
ie Kohlevorräte nur in politisch instabilen Ländern vor-
ommen, wie es bei Gas, Öl und Uran der Fall ist. Hinzu
ommt, dass die Kohle in den anderen Ländern im Tage-
au abgebaut wird, die Kosten demzufolge viel geringer
ind. Der Abbau einer Tonne Kohle kostet in Deutsch-
and 190 Euro. Der Weltmarktpreis liegt zurzeit bei
0 Euro. An dieser Situation wird sich im Wesentlichen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7773
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Bärbel Höhn
nichts ändern. Deshalb ist es richtig, aus dem Steinkoh-
lenabbau in Deutschland auszusteigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der FDP)
Die Überprüfung wird aber auch deshalb teuer, weil
wir – zu Recht – zugesichert haben, dass es keine be-
triebsbedingten Kündigungen geben wird. Als Ministe-
rin in NRW habe ich aber erlebt, dass diese Zusicherung
dazu führt, dass die RAG weitere Einstellungen vor-
nimmt frei nach dem Motto: Wir können den Sockel-
bergbau doch nicht mit dem alten Personal durchführen;
wir müssen dafür neue Leute einstellen. Dadurch wird es
immer teurer. Je länger es den Sockelbergbau gibt, desto
mehr Kosten werden aufgehäuft, die am Ende von der
Gesellschaft getragen werden müssen. Diese Überprü-
fungsoption lässt die Ewigkeitskosten in die Höhe stei-
gen. Deshalb ist sie falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Brauchen wir die heimische Steinkohle? Mit der hei-
mischen Steinkohle werden momentan 10 Prozent des
Strombedarfs und 3 Prozent des gesamten Energiebe-
darfs gedeckt. Herr Meyer, bei den erneuerbaren Ener-
gien sind wir diesbezüglich schon viel weiter. 12 Prozent
des Strombedarfs werden aus erneuerbaren Energien ge-
deckt. Im Bereich der Primärenergie tragen die erneuer-
baren Energien sogar doppelt so viel zur Bedarfsde-
ckung bei wie die Kohle. Herr Meyer, deshalb sind die
Subventionen, die wir für den Steinkohlenbergbau be-
zahlen, gemessen an der Wirkung im Vergleich mit den
erneuerbaren Energien, unangemessen. Bei den erneuer-
baren Energien sinken die Kosten, während sie bei der
Steinkohle gleich hoch bleiben. Das ist der Unterschied.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Letzter Punkt: Die Frage der Ewigkeitskosten muss
geklärt werden. Wir reden hier über voraussichtlich un-
gefähr 35 Milliarden Euro. Deshalb sagen wir Grüne:
Wir sind dafür, dass die RAG an die Börse geht, und wir
sind für eine Stiftung, weil dieses Modell richtig ist.
Gleichzeitig sagen wir aber auch: Man muss die Kosten
ehrlich beziffern. In dem KPMG-Gutachten sind ganz
viele Kosten gar nicht berücksichtigt worden. Was ma-
chen Sie zum Beispiel mit den Deichen? Die Kosten für
die Deiche wurden überhaupt nicht berücksichtigt. Die
Leute am Niederrhein wohnen hinter 13 oder 15 Meter
hohen Deichen, weil die Region um 12 Meter abgesackt
ist. Diese Menschen leben in einer Art Badewanne.
Wenn ein Hochwasser kommt, können sie sich nicht ein-
mal auf ihre Dächer retten. Sie sind Wasserfluten ausge-
setzt.
Was machen wir mit diesen Ewigkeitskosten? Ich
sage Ihnen: Wir müssen die Finanzierung sehr schnell
klären. Denn eines gilt: Kohlepolitik ist Vergangenheit.
Alles, was wir da reinstecken, ist falsch investiert. Wir
müssen in die Zukunft investieren und nicht in die Ver-
gangenheit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Pfeiffer für die Unions-
raktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Ich denke, hier wird ein Meilenstein erreicht:
as Auslaufen der Subventionen für den Steinkohlen-
ergbau. Frau Höhn, wir in der Großen Koalition errei-
hen jetzt gemeinsam das – dies unterstreicht einmal
ehr die Handlungsfähigkeit dieser Großen Koalition –,
as Sie weder während Ihrer Beteiligung an der Landes-
egierung in Nordrhein-Westfalen noch während Ihrer
eteiligung an der rot-grünen Regierung in Berlin errei-
hen konnten.
Wir setzen mit dieser Entscheidung ein ordnungspoli-
isch klares Signal. Es bedeutet den Einstieg in den größ-
en Subventionsabbau der Geschichte der Bundesrepu-
lik Deutschland.
(Rolf Stöckel [SPD]: Ach, den gab es bisher
noch gar nicht? – Weiterer Zuruf von der SPD:
Den Einstieg?)
Die Zahlen sind genannt worden. Mit Verlaub, wenn
an die 45 Milliarden Euro – über die reden wir –, die
on Bund und Ländern, von der öffentlichen Hand, für
en Steinkohlenbergbau, bis er ausläuft, ausgegeben
erden, in andere Bereiche investieren würde, dann
önnte man heute alle Verkehrsprojekte, für die es eine
lanfeststellung im Bereich des Bundesverkehrswege-
lanes gibt, locker sofort umsetzen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Das haben Sie nicht geschafft, obwohl
Sie an der Regierung sind? – Gegenruf des
Abg. Dirk Niebel [FDP]: Sie auch nicht!)
nsofern ist das Ende heute nicht erreicht. Aber wir ha-
en den Einstieg geschafft.
Wir schaffen Planungssicherheit für alle Beteiligten.
ies gilt zum Beispiel für die betroffenen Bergbauregio-
en, weil wir hiermit den Startschuss für einen zukunfts-
erichteten Strukturwandel geben. Der RAG geben wir
ie Perspektive, ihre anderen Bereiche, die zukunftsfä-
ig sind, in denen Innovationspotenzial vorhanden und
eschäftigungsaufbau noch möglich ist, ohne Damo-
lesschwert dauerhaft in der Zukunft zu betreiben. Ich
enke, das sind sehr wichtige Entscheidungen.
Ich möchte noch ein paar Mythen über die Bedeutung
es Steinkohlenbergbaus ansprechen, die heute wieder
nsbesondere von der ganz linken Seite angeklungen sind.
ie Zahlen wurden ja genannt. Im Jahr 2004, als die För-
ermengen noch größer waren, hatte der deutsche Stein-
ohlenbergbau einen Anteil an der weltweiten Förderung
n Höhe von gerade einmal 0,6 Prozent. Der Beitrag der
teinkohle zum Primärenergieverbrauch liegt heute bei
Prozent. Der Sockelbergbau, über den diskutiert wurde,
äre ein versorgungssicherheitspolitischer, ordnungspo-
itischer und finanzieller Wahnsinn. Es würde den Steuer-
ahler pro Jahr 1,5 Milliarden Euro kosten, 6 bis 8 Millio-
en Tonnen Steinkohle zu fördern. 6 bis 8 Millionen
7774 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
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Dr. Joachim Pfeiffer
Tonnen Steinkohle kann man heute am Weltmarkt für
700 Millionen Euro kaufen. Die Kosten wären also mehr
als doppelt so hoch. Das macht überhaupt keinen Sinn
und hätte inklusive der Altlasten dazu geführt, dass wir
quasi jeden Arbeitsplatz in diesem Bereich mit
150 000 Euro – das ist schon heute fast so – subventionie-
ren. Insofern ist es ein Einstieg in den Ausstieg.
Zur hohen Wertschöpfung, deren Verlust beklagt
wird: Es ist nicht mehr so, dass die Zulieferindustrie den
Steinkohlenbergbau in Deutschland aus technologischer
Sicht als Referenzprojekt für notwendig hält. Er wird be-
reits ganz anders betrieben; sie braucht ihn daher nicht
mehr. Insofern ist die Grundsatzentscheidung, die jetzt
gefallen ist, von historischer Bedeutung und geht in die
richtige Richtung. Es hätte aus unserer Sicht schneller
gehen können. Das ist ganz klar. Die Gelder stehen jetzt
nicht für den Strukturwandel zur Verfügung. Das ist an-
geklungen.
Andere Chancen – auch energiepolitische – seien
noch am Rande angesprochen: Ein RAG-Nachfolgeun-
ternehmen ist die STEAG, ein Player, der den Wettbe-
werb im Energiebereich in Deutschland und in Europa
beleben kann. Diversifizierung ist ferner wichtig, um die
Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.
Welche Fragen sind noch zu klären? Auch das ist
schon gesagt worden: Für die Union ist das Ende der
Fahnenstange erreicht. Bei dieser nochmaligen Kraftan-
strengung, auch aus öffentlichen Mitteln, muss es blei-
ben. Es kann nicht sein, dass wir ohne Not die Ewig-
keitslasten übernehmen. Sie sind keine bundespolitische
Aufgabe – der Bund beteiligt sich unter Versorgungssi-
cherheitsgesichtspunkten an den Steinkohlenbergbau-
subventionen –, sie sind eindeutig Ländersache.
Fazit: Es ist ordnungspolitisch richtig, diesen Aus-
stieg zu machen. Wir beenden damit die Subventionspo-
litik. Denn auch mit den 150 Milliarden Euro, die in der
Vergangenheit an Subventionen geflossen sind, ist es
nicht gelungen, den heimischen Steinkohlenbergbau in-
ternational wettbewerbsfähig zu machen. Wir stellen die
Weichen für die Zukunft richtig. Deutschland braucht In-
vestitionen in seine industrielle Zukunft und nicht in die
Vergangenheit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der
FDP: Das ist ein gutes Wort zum Schluss!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Gudrun
Kopp das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Gudrun Kopp (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! In den letzten vier Jahrzehnten sind in die För-
derung der deutschen Steinkohle circa 128 Milliarden
Euro an Subventionen geflossen. Jahrzehntelang war die
FDP ein einsamer Rufer, der gesagt hat: Was nicht annä-
hernd wettbewerbsfähig ist, sollten wir auch nicht künst-
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ich am Leben erhalten. Jetzt kommt dieses Ende – auf
ruck der Liberalen in Nordrhein-Westfalen, auf Druck
er nordrhein-westfälischen Landesregierung, die die
chwarz-rote Koalition hierzu getrieben hat.
(Beifall bei der FDP – Dieter Grasedieck
[SPD]: Leider, muss man sagen!)
Die Grundsatzentscheidung – Ausstieg aus der Sub-
entionierung der Steinkohlenförderung – ist zweifellos
ichtig. Denn diese Subventionierung macht allein etwa
0 Prozent der Bundesfinanzhilfen aus. Das ist ein Rie-
enbatzen Geld.
Der Börsengang der RAG wird von uns auf jeden Fall
efürwortet. Aber es stellen sich Fragen, und ob diese
roße Koalition sich tatsächlich so einig ist, das werden
ir sehen.
(Ulrike Flach [FDP]: Das ist wohl wahr!)
er Erlös des Börsengangs wird wahrscheinlich bei
,5 Milliarden Euro liegen; über die Rückstellungen
üssen wir spekulieren. Dem stehen, wie gesagt, die
ensions-, Alt- und Ewigkeitslasten von rund 13 Mil-
iarden Euro gegenüber.
(Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Mindestens!)
Diese Regierung wird die Frage beantworten müssen,
ie diese Lücke zu füllen ist, wie die Kosten verteilt
erden sollen. Mit 2018 ist der Ausstieg ferner viel zu
eit in die Zukunft verlegt. Das sind noch elf Jahre.
(Beifall bei der FDP)
Es geht also um Milliardensummen, die wir noch ein-
paren könnten. Da gilt es nachzuverhandeln.
Die Frage ist nun, wie Sie sich dabei verhalten wer-
en. Denn überhaupt noch nicht angesprochen ist die
roblematik, wie dieses Ausstiegsszenario beihilferecht-
ich aussieht. Die SPD sagt, man werde den Beschluss
012 überprüfen. Die CDU/CSU hält dagegen: Kommt
icht infrage, der Ausstieg bleibt. Die SPD wiederum
esteht darauf, das sei eine echte Revisionsklausel, dann
olle tatsächlich geprüft werden.
(Rolf Stöckel [SPD]: Natürlich!)
abei hat Kommissar Piebalgs noch im vergangenen
ahr bei einer öffentlichen Veranstaltung im Landtag in
üsseldorf ausdrücklich gesagt, dass es für die Subven-
onierung keine Anschlussregelung geben könne – schon
ar keine Subventionierung im Rahmen eines Sockel-
ergbaus – und dass ein Hintertürchen mit der EU nicht
u machen sei.
Was die frühere rot-grüne Bundesregierung angeht,
aben die Grünen in der Tat damals versäumt, das zu
ollziehen, was jetzt endlich beschlossen worden ist.
(Beifall bei der FDP)
Seinerzeit ist eine Regelung zur Weiterführung der
ubventionierung getroffen worden, die 2010 ausläuft.
nsofern stellt sich die Frage, wie bis zum Jahr 2018 zu
erfahren ist, zumal auch die Revisionsklausel eine
olle spielt. Ich halte das für problematisch und finde es
uch nicht ehrlich.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7775
(A) )
(B) )
Gudrun Kopp
Wenn es bei dem Ausstiegsbeschluss bleibt – wir hof-
fen, dass der Zeitpunkt noch vorgezogen wird und dass
für das Ruhrgebiet Perspektiven geschaffen werden –,
dann finde ich es unseriös, ein Hintertürchen offenzulas-
sen, indem seitens der SPD eine Überprüfung im Jahr
2012 angekündigt wird. Was sollen die Menschen in den
Bergbauregionen davon halten? Das ist doch unzumut-
bar. Es ist ein vorgezogenes Wahlkampfgeplänkel. Inso-
fern kann man, wenn es bei dem Beschluss bleibt, nur je-
dem empfehlen, sich auf den Ausstieg einzustellen und
finanziell und strukturell auf die Zukunft einzurichten.
(Beifall bei der FDP)
Eine Frage stellt sich immer wieder: Brauchen wir die
heimische Steinkohle für unsere Energiesicherheit? Ich
glaube, wir können sie getrost mit Nein beantworten. Ich
möchte Ihnen eine interessante Zahl nennen. Gerade ein-
mal 0,3 Prozent des weltweiten Steinkohlenabbaus er-
folgt in Deutschland. Es gibt weltweit genügend Vorräte
in politisch stabilen Regionen. Die Preisunterschiede
sind eklatant: 49 Euro pro Tonne für die Importstein-
kohle gegenüber 190 Euro für die deutsche Steinkohle.
Insofern ergeben sich keinerlei Notwendigkeiten, in die-
sem Bereich das Rad zurückzudrehen. Dazu sollten wir
stehen.
Die Fragen sind – möglicherweise am heutigen
Abend – zu klären, und wir alle können nur hoffen, dass
die Streitigkeiten über die dann wichtigen Detailfragen
nicht wieder von vorne losgehen und die Ewiggestrigen
am Ende doch noch das Sagen haben. Schauen Sie nach
vorn! Gestalten Sie das Ende der Subventionierung so
bald wie möglich – nicht erst 2018 – und verunsichern
Sie die Menschen nicht mit einem unnötigen Zickzack-
kurs wie bei der Überprüfungsklausel bis 2012!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Rolf Stöckel für die SPD-
Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Rolf Stöckel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Beschäftigten, die Be-
triebsräte, das Unternehmen, aber vor allen Dingen die
Menschen im Revier sind sicherlich an der einen oder
anderen Stelle bestürzt über den Ausstiegsbeschluss.
Aber nach fast zwei Jahren Planungsunsicherheit und so-
zialen Ängsten, die nicht nur durch Aussagen der Lan-
desregierung, sondern auch der Fraktionen im Bundes-
tag immer wieder geschürt worden sind, erwarten sie
von dieser Regierungskoalition vor allem, dass endlich
eine Perspektive ausgehandelt wird.
Dass die FDP diese Aktuelle Stunde nutzt, um ihren
ideologischen Kampf gegen die Steinkohle weiterzufüh-
ren, überrascht nicht wirklich.
(Lachen bei der FDP – Paul K. Friedhoff [FDP]:
Legen Sie die Scheuklappen ab!)
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uch Ihre betriebswirtschaftlichen Rechnungen, wie
iel die Arbeitsplätze kosten und auch in Zukunft kosten
erden, sind nicht gerade neu und originell. Ich möchte
ie daran erinnern, dass vor zehn Jahren – 1997, als Sie
och im Bund Regierungsverantwortung getragen
aben – eine Vereinbarung zum Subventionsabbau ge-
chlossen worden ist und dass die Zahl der Beschäftigten
on 600 000 im Jahr 1958 mittlerweile auf 36 000 ge-
chrumpft ist. Es hat ein permanenter Subventionsabbau
nd Abbau von Fördermengen und Personal stattgefun-
en. Es gibt keinen vergleichbaren Wirtschaftsbereich
vielmehr sind neue Bereiche entstanden, die gefördert
erden, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem
ransrapid –, in dem öffentliche Subventionen so stark
bgebaut worden sind und in dem trotzdem wie in den
teinkohlerevieren ein Strukturwandel im Hinblick auf
oderne Arbeitsplätze, Konversion und regenerative
nergien gelungen ist.
Frau Höhn müsste eigentlich am besten wissen, was
ort in Nordrhein-Westfalen entstanden ist. Das heißt,
er Erhalt des Steinkohlenbergbaus mit öffentlicher För-
erung in einer Wertschöpfungskette muss nicht automa-
isch neue moderne Arbeitsplätze und Strukturwandel
onterkarieren. Wir haben das in NRW bewiesen, vor al-
en Dingen in Zeiten einer SPD-geführten Landesregie-
ung. Nur so war es überhaupt möglich, den Struktur-
andel ohne Brüche und soziale Verwerfungen in
ordrhein-Westfalen hinzubekommen.
(Beifall bei der SPD)
Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, im Kohlere-
ier, haben ja Einbußen und Veränderungen in Kauf ge-
ommen. Sie haben nicht nur weniger Beschäftigung
nd Einkommenseinbußen hingenommen, sondern viele
hemalige Bergleute, die umgeschult worden sind, hat-
en durchaus noch weitere soziale Risiken zu tragen.
iele von ihnen sind mittlerweile arbeitslos.
Die FDP und die CDU, die in NRW bei der Regie-
ungsübernahme den Amtseid geleistet haben, Schaden
om Land abzuwenden, könnten das hier tun. Das Land
RW investiert jährlich 500 Millionen Euro und be-
ommt dafür eine Wirtschaftskraft von geschätzten
Milliarden Euro zurück. Deshalb kann ich nicht erken-
en, dass die Politik, die aktuell über die Tickermeldun-
en verbreitet wird, dass man nämlich doch eine schnel-
ere Schließung von Schachtanlagen will, Schaden vom
and NRW abwendet.
(Dirk Niebel [FDP]: Damit würden Sie den
Bergleuten aber eine Zukunft geben!)
Noch wissen wir nicht, welche volkswirtschaftlichen
elastungen auf das Land zukommen. Sie machen hier
etriebswirtschaftliche Rechnungen auf, in denen aber
ie Kosten der explodierenden Arbeitslosigkeit, die ein
chneller Ausstieg automatisch hervorrufen wird, ebenso
enig enthalten sind
(Widerspruch bei der FDP)
ie fehlende Ausbildungsplätze, die noch ungeklärte
aftung für Altlasten und Pensionen sowie – noch wich-
iger – die Gefährdung vieler Arbeitsplätze in kleinen
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und mittleren Betrieben, etwa in Betrieben der Zuliefer-
industrie oder der Bergbautechnologie mit Tausenden
Beschäftigten – ich kenne solche Betriebe in meinem
Wahlkreis –, die mittlerweile zu 70 Prozent von Umsät-
zen mit dem Ausland leben. Im Gegensatz zu dem, was
ich hier gerade gehört habe, sagen diese Unternehmen
– das weiß Herr Meyer auch ganz genau –, dass der Re-
ferenzbergbau, ein Sockelbergbau an diesem Standort
für diese Technologie unbedingt notwendig ist.
Hier geht es um zukunftsorientierte Arbeitsplätze;
denn Kohletechnologie und Energiegewinnung aus
Kohle wird es auf der Welt noch viele Jahrzehnte geben.
Und das ist eine Frage des Verbrauchs und nicht etwa der
vorhandenen Vorräte. Ob die Vorräte noch für 200 Jahre
reichen werden, hängt wesentlich vom Verbrauch, aber
auch von der übrigen Nutzung der Kohle ab. Das ent-
scheidet doch letztendlich darüber, ob wir auch in Zu-
kunft in dieser Exportwirtschaft führend sind und mit
dazu beitragen können, dem Klimawandel umwelt-
freundlich zu begegnen, auch durch Technologie aus
Deutschland und mit Arbeitsplätzen, die in Deutschland
erhalten werden und neu entstehen können.
(Beifall bei der SPD)
Die Kommunalpolitiker in meinem Wahlkreis – ihre
Stellungnahmen haben wir nach der Kohlerunde am
Montag heute alle auf dem Tisch – schütteln den Kopf.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Stöckel, die Stellungnahmen können Sie jetzt
aber nicht mehr vortragen.
Rolf Stöckel (SPD):
Das tun aber nicht nur die Bürgermeister – in Hamm
etwa ist es ein Parteikollege von Herrn Meyer –, sondern
auch die Unternehmen sagen deutlich: Wir brauchen ei-
nen Sockelbergbau.
Es ist gut, dass die Parteifreunde der SPD in NRW mit
Hannelore Kraft an der Spitze deutlich zu diesem So-
ckelbergbau stehen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Rolf Stöckel (SPD):
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Wir wollen, dass in einem Finanzierungsgesetz für
die Steinkohle diese Option erhalten wird. Wenn diese
Option im Finanzierungsgesetz nicht realistisch nieder-
gelegt wird, dann sehe ich zum Beispiel keine Möglich-
keit, Herr Meyer, das Donarfeld zu erschließen, wo wir
im nächsten Jahrzehnt ohne öffentliche Subventionen
Kokskohle wirtschaftlich erfolgreich werden abbauen
können.
(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Es gibt so-
wieso keine! Das ist uns doch allen klar!)
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
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Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg für
ie Unionsfraktion.
Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ch komme aus Gelsenkirchen und weiß deshalb, wovon
ch rede, wenn ich über Bergbau, Steinkohle und Bergar-
eiterfamilien spreche. Dennoch sage ich deutlich: Der
usstieg aus der subventionierten Steinkohle ist notwen-
ig. Er ist nach jetzigem Plan für 2018 vorgesehen. Da-
it haben die verbliebenen rund 35 000 Beschäftigten
es RAG-Konzerns Sicherheit.
(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Und im Saar-
land!)
Stimmt, auch im Saarland. Aber ich rede in erster Linie
ber die Region, aus der ich komme.
Im Jahr 2012 soll der Ausstieg aus der Steinkohleför-
erung noch einmal überprüft werden. Wenn es nach mir
eht, ist das nicht unbedingt notwendig. Ich finde, wir
ollten die laufenden Gespräche nutzen, darüber nachzu-
enken, ob es nicht möglich ist, die Zeitschiene zu ver-
ürzen.
(Gudrun Kopp [FDP]: Hört! Hört! Das ist ver-
nünftig!)
arum bitte ich die Kollegen, ohne die Gespräche er-
chweren zu wollen. Ich kann die Position der Kollegen
icherlich nachvollziehen. Aber wir sollten in dieser
rage offen miteinander umgehen. Ich jedenfalls habe
en Eindruck, dass in den Fraktionen viel mehr Punkte
ehrheitsfähig sind, als der Beifall und die jeweiligen
esamtpositionen vermuten lassen. Vielleicht kann man
ier ein Stück weiterkommen.
Der Ausstieg soll sozialverträglich und ohne betriebs-
edingte Kündigungen erfolgen. Frau Lötzer, den früher
ft gehörten Satz „Bergleute sollen die Zeche zahlen“
ätten Sie sich sparen können. So wird es nicht sein. Für
en Übergang wird es sicherlich keine Modelle mehr ge-
en, die zu Frühverrentung führen, sondern Modelle, mit
enen langfristig Arbeitsplätze in anderen Bereichen ge-
chaffen werden. Da wir insbesondere im letzten Jahr
elernt haben, welche Auswirkung die Zahl der sozial-
ersicherungspflichtigen Arbeitsplätze auf das gesamte
ystem der Sozialversicherung hat, muss das unser Ziel
ein.
(Rolf Stöckel [SPD]: Machen wir schon die
ganze Zeit!)
Für diejenigen, die aus einer bergbaufernen Region
ommen, möchte ich zwei, drei Sätze zum besseren Ver-
tändnis sagen. Ich komme aus einer Stadt, in der der
ergbau in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt
at, in der heute noch viele Menschen vom Bergbau le-
en und mit ihm verbunden sind, in der Familien über
enerationen im Bergbau tätig waren, in der der Berg-
au das Leben in vielen Stadtteilen geprägt hat und in
er es mit Schalke 04 einen Fußballverein gibt, der 1904
ls Knappenverein begonnen hat.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7777
(A) )
(B) )
Wolfgang Meckelburg
(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Wenn man sich diesen Verein anschaut, dann stellt man
fest, dass sich auch dort vieles verändert hat. Es sind
nicht mehr die Bergleute, die nach der Arbeit in der
Grube zum Fußball gehen. Dass sich etwas verändert
hat, haben die Menschen in meiner Region erkannt.
Auch bei uns weiß jeder, dass der subventionierte Stein-
kohlenbergbau auf Dauer keine Chance hat und dass ein
Sockelbergbau – zumindest aus meiner Sicht – nicht
dringend notwendig ist.
Wir sollten die Überprüfung ernst nehmen und mögli-
cherweise die laufenden Gespräche dazu nutzen, ein
Stück weiterzukommen. Ich sage das deswegen, weil es
nach wie vor in meiner Region und insbesondere in Gel-
senkirchen Enttäuschungen über solche Beschlüsse gibt.
Aber ich finde, wir sollten die nun getroffenen Be-
schlüsse mit Ehrlichkeit und in aller Deutlichkeit vertre-
ten und sagen: Der Bergbau ist nicht die Zukunft des
Ruhrgebiets und des Saarlands. Wir brauchen vielmehr
Gelder für Innovationen; das ist der entscheidende Be-
griff. Statt Tradition und Emotion, die man mit dem
Bergbau verbindet, brauchen wir Vernunft, Emotion und
Zukunft, das heißt Innovationen und Investitionen in die
Bereiche, in denen Arbeitsplätze entstehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP)
Ich möchte zwei, drei Punkte aufgreifen, die ständig
gegen die Bergbauförderung angeführt werden. Ich will
das nicht vertiefen, nur so viel: Die Bergbausubventio-
nen sind zu teuer geworden. Zu diesem Schluss kommt
man, wenn man – wie in den letzten Tagen geschehen –
das auf die Tonne Kohle oder die Zahl der Mitarbeiter
umrechnet. Die Subventionen sind inzwischen so hoch,
dass die im Bergbau Beschäftigten ein auskömmliches
Leben führen könnten, wenn man ihnen die Subventio-
nen direkt auszahlte. Das ist natürlich kein gangbares
Modell. Aber das zeigt, wie teuer das Ganze geworden
ist. Deswegen ist vielleicht jedes Jahr, das wir früher aus
der Bergbauförderung aussteigen, ein Jahr, das uns hel-
fen wird, zu Innovationen zu kommen.
Zwei Argumente zugunsten des Bergbaus, die bislang
eine große Rolle gespielt haben, trage ich nicht mehr
mit. Das erste betrifft die Rohstoff- und Energiesicher-
heit. Schon heute werden 60 Prozent der Kohle impor-
tiert, Tendenz steigend. Zur heimischen Energieversor-
gung trägt die deutsche Kohle ohnehin nur 5 Prozent bei.
Der Anteil am Weltmarkt beträgt nur noch 0,3 bzw.
0,4 Prozent. Diese Zahlen muss man zur Kenntnis neh-
men. Das Argument der Rohstoff- und Energiesicherheit
zieht also nicht mehr.
Das zweite Argument ist folgendes – das gilt auch im
Hinblick auf die Zulieferbetriebe –: Von 1996 mit
45 Millionen Tonnen hat sich die Steinkohlenförderung
bis heute mehr als halbiert.
Trotzdem haben wir eine stabile Beschäftigung. Der
Exportanteil in diesem Bereich beträgt 90 Prozent. Inso-
fern ist das kein Argument dafür, die Subventionen auf
längere Sicht zu erhalten.
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Meine Position ist völlig klar. Ich trage die Be-
chlüsse und wünsche, dass wir noch ein Stückchen Fle-
ibilität hinbekommen. Ich hoffe vor allem, dass diejeni-
en, die sich damit in den nächsten Stunden sehr intensiv
eschäftigen müssen, uns einen Weg aufweisen, der uns
ls Gesetzgeber das Leben einfach macht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-
neten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dieter Grasedieck für die
PD-Fraktion.
Dieter Grasedieck (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Frau Kopp, Sie beklagten die Subventionen.
enn Sie sich einmal das Gutachten des IfW ansehen,
ann stellen Sie fest, dass 2004 die Subventionen in
eutschland insgesamt rund 150 Milliarden Euro betra-
en haben. Die Subventionen für die Steinkohle machten
eniger als 2 Prozent aus.
Interessant war auch die Aussage von Herrn
riedhoff. Er sprach von der Kohlefraktion. Ich bin
tolz, Mitglied einer Kohlefraktion zu sein, Herr
riedhoff.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind trotzdem handlungsfähig, wir suchen trotz-
em Lösungen. Wir haben diese Lösungen mit der CDU/
SU gefunden. Die Gegenwart trotz unterschiedlicher
ukunftsziele zu gestalten, das ist eine wichtige Aufgabe
er Koalition. Diese Aufgabe haben wir gelöst. Wir ha-
en Ergebnisse vorzuweisen. Eckpunkte sind aufgeführt
orden. Wir arbeiten erfolgreich. Unsere Region, unser
evier hat Zukunftsaussichten, hat Perspektiven: Ers-
ens. Durch den Börsengang werden 100 000 Arbeits-
lätze gesichert. Zweitens. 34 000 Kumpels fallen nicht
ns Bergfreie. Drittens. Wir erhalten die Arbeitsplätze
on 40 000 Menschen in der Zulieferindustrie. Viertens.
012 entscheiden wir über die Zukunft unserer Kohle.
Insgesamt sind es 140 000 Arbeitsplätze, die bei der
TEAG, der Degussa, dem Bergbau und der Zuliefer-
ndustrie erhalten werden können. Es ist vorhin schon
arauf hingewiesen worden, dass die STEAG wirklich
ine hervorragende Arbeit leistet. Die Kohlekraftwerke,
ie in der nächsten Zeit gebaut werden sollen, haben
irkungsgrade, die im Bereich von 46 bis 50 Prozent
iegen. Wenn wir die Kraft-Wärme-Koppelung hinzu-
ehmen, so kommen wir auf 70 Prozent. Die Kraftwerke
ind ein Exportschlager. Diese Exportschlager müssen
rhalten bleiben. Das ist nur in der Kombination mit der
ohle denkbar. Das CO2-freie Kraftwerk ist nicht nur
in Schlagwort. Es wird umgesetzt. Es wird produziert.
ie Umwelt wird dadurch entlastet. Deshalb ist diese
ntwicklung wichtig.
Betrachten wir unsere Bergmaschinen. Sie werden
chneller, flexibler und stabiler, und es werden mehr
lektronische Geräte in sie eingebaut. Das sind Export-
7778 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Dieter Grasedieck
schlager „Made in Germany“. Diese haben einen großen
Stellenwert. Fast 40 Prozent der Weltproduktion dieser
Maschinen kommen aus Deutschland. Auch das muss
gesehen werden. Russen und Chinesen kaufen unsere
Technologie. Diese Technologie wird auch im Tunnel-
bau eingesetzt. Österreicher und Schweizer setzen un-
sere Bergmaschinen ein, die bei uns im Bergbau getestet
worden sind. Dieses Wissen darf nicht verloren gehen.
Deswegen brauchen wir ein Übungsfeld. Auch dafür ist
der Bergbau wichtig. Daran hängen viele Arbeitsplätze.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und der LINKEN)
Man muss auch berücksichtigen, dass bei der RAG
viele junge Menschen in den verschiedensten Berufen aus-
gebildet werden. In unserem Revier sind das 10 000 Aus-
bildungsplätze, in meinem Wahlkreis 420 Ausbil-
dungsplätze in den modernsten Berufen. IT-Kaufleute,
Industriemechaniker, Elektroniker usw. werden vom
Markt aufgesogen. Sie werden in der Kleinindustrie und
in der Großindustrie gebraucht. Es ist wichtig, dass wir
den Jugendlichen eine Chance geben. Auch deshalb ist
es entscheidend, dass wir im Bergbau weiterarbeiten
können.
Zusammenfassend sage ich: Die Entwicklung von
Spitzentechnologien und die Sicherung von Arbeits- und
Ausbildungsplätzen machen einen Sockelbergbau, so
meine ich, auch über 2018 hinaus erforderlich. Der
Sockelbergbau ist sicher ein Zukunftsziel der SPD.
Heute aber gestalten CDU/CSU und meine Partei auf der
Grundlage der ausgehandelten Eckpunkte die Gegen-
wart. Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Franz
Obermeier das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Franz Obermeier (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Diese
Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen sind
angetreten mit dem Ziel, Subventionen abzubauen. Jetzt
hat unser Wirtschaftsminister, Michael Glos, den größ-
ten und vermutlich auch schwierigsten Brocken in die
Hand genommen. Vor wenigen Tagen kam es zu einer
weitgehenden Verständigung über den Abbau der Berg-
bausubventionen.
Ich verhehle nicht, dass mir der Zeitraum bis 2018
sehr lang erscheint. Aber bei genauerer Betrachtung
muss man natürlich die schon mehrfach angesprochenen
Umstände berücksichtigen, nämlich dass es sich um
Tausende von Arbeitsplätzen handelt. Wir wollen selbst-
verständlich eine sozialverträgliche Umstellung der Ar-
beitsplätze und wissen ganz genau, dass solche Dinge
Zeit brauchen. Das geht nicht so einfach – und vor allem
nicht so schnell –, wenn man den betroffenen Menschen
eine vernünftige Perspektive bieten will.
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Meine Vorredner haben schon gesagt, dass es noch
ine ganze Reihe offener Fragen gibt. Ich möchte bei-
pielsweise auf die Frage eingehen, was der Sockelberg-
au eigentlich bedeutet. Zu welchem Zweck brauchen
ir den Sockelbergbau? Ist der Sockelbergbau uns als
ertretern des Bundes diese Ausgaben wirklich wert?
elbstverständlich sind wir als Bundesrepublik Deutsch-
and in der Bergbautechnologie weltweit führend, und
as bindet auch einiges. Aber ich möchte an die Kolle-
en von der SPD doch die Frage richten, ob es denn da-
it tatsächlich so ernst gemeint ist, insbesondere wenn
an bedenkt, dass die RAG die DMT verkauft hat. Man
uss hinterfragen, ob das wirklich noch diesen Stellen-
ert hat und ob der Sockelbergbau wirklich notwendig
ür die weitere Entwicklung der Bergbautechnologie ist.
st es wirklich notwendig, hier im Land zwei Gruben zu
nterhalten, in denen man diese Technologie weiterent-
ickelt?
(Zuruf von der FDP: Nein, es ist nicht erfor-
derlich!)
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass es notwen-
ig ist, dann stellt sich natürlich die Frage, ob es Auf-
abe des Steuerzahlers ist, diese Technologie über zwei
ruben am Leben zu erhalten. Ist das die Aufgabe der
irtschaft oder ist es die Aufgabe des Steuerzahlers? Sie
önnen sich die Antwort bei mir leicht denken: Es ist die
ufgabe der Wirtschaft selber!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –
Zuruf von der FDP: Richtig!)
an könnte bösartig formulieren, dass der Sockelberg-
au nichts anderes als eine Verlängerung des Leidens ist.
nd daran möchte ich mich nicht beteiligen.
Mein zweiter Punkt betrifft die Frage der Ewigkeits-
asten. Es soll Börsenerlöse geben und es sollen Rück-
tellungen von der RAG gebildet werden. Und dann
edet man darüber, dass die Summe, die dabei heraus-
ommt, nicht dafür reicht, die Ewigkeitslasten zu finan-
ieren. Wenn die Ewigkeitslasten weiterhin durch den
teuerzahler – auf Bundes- und Landesebene – getragen
erden, dann begehen wir – diese Auffassung vertrete
ch – einen schweren Fehler.
Ich habe die Hoffnung, dass die Prämissen bei der
lärung der jetzt noch anstehenden Fragen eindeutig ge-
egelt werden. Es kann nicht sein – dies wurde gelegent-
ich angesprochen –, dass diese Lasten dem Bundeshaus-
alt aufgebürdet werden.
Zum Abschluss noch ein Wort an die Kollegin Höhn.
rau Höhn, während Ihrer fünfminütigen Rede hatte ich
en Eindruck, Sie hätten in den zurückliegenden Jahren
ie irgendwo Regierungsverantwortung getragen.
(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das könnte
man meinen! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN]: Sie haben es ja auch nicht
hingekriegt! Wo sind Sie denn gelandet? Sie
haben sich doch der SPD gebeugt, obwohl Sie
gleich stark sind! Was ist denn Ihre Entschei-
dung?)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7779
(A) )
(B) )
Franz Obermeier
In Ihrer Rede haben Sie so getan, als hätten Sie noch nie
etwas zu entscheiden gehabt, weder im Land NRW noch
hier im Deutschen Bundestag. Ihre Partei führt sich auf,
als hätte sie mit sämtlichen entscheidenden Fragen noch
nie etwas zu tun gehabt. Die Wähler werden bald mer-
ken, dass Sie versuchen, sie zu verdummen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben
sich doch der SPD gebeugt, Herr Kollege von
der CDU/CSU, obwohl Sie gleich stark sind!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Gerd Bollmann für die
SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Gerd Bollmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Menschen im Ruhrgebiet
(Zuruf von der LINKEN: Und im Saarland!)
kennen die Bedeutung der Steinkohle. Die Menschen im
Ruhrgebiet wissen, warum erneuerbare Energien geför-
dert werden müssen. Die Menschen im Ruhrgebiet wis-
sen ganz genau, warum sie der FDP nie mehr als
3 Prozent der Stimmen geben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen
bei der FDP – Gudrun Kopp [FDP]: Da haben
Sie etwas versäumt! – Laurenz Meyer [Hamm]
[CDU/CSU]: Was?)
– Das war falsch gerade. Entschuldigung!
(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Die Rede
fing schon an wie auf dem Parteitag!)
Nach intensiven und kontroversen Verhandlungen
wurde ein Kompromiss zur Zukunft des deutschen Stein-
kohlenbergbaus geschlossen. Den Bergleuten und ihren
Familien gibt dieser Beschluss Sicherheit. Die Förde-
rung des Steinkohlenbergbaus bis mindestens 2018 ist
verbindlich festgelegt. Es wird keine betriebsbedingten
Kündigungen für die Bergleute geben. Damit sind die
Pläne der CDU-FDP geführten NRW-Landesregierung
vom Tisch. Ein abrupter Ausstieg mit Einsparungen von
750 Millionen Euro bis 2010 auf Kosten der Bergleute
und ihrer Familien, wie er insbesondere von der FDP
propagiert wurde, hat keine Mehrheit gefunden. Es be-
steht weiterhin die Möglichkeit, auch über 2018 hinaus,
Kohle zu fördern.
(Laurenz Meyer [Hamm)] [CDU/CSU]: Was? –
Gudrun Kopp [FDP]: Wo leben Sie?)
Ein Sockelbergbau, der die Importabhängigkeit senkt
und zukünftige Chancen offenhält, ist möglich. Die SPD
hat erreicht, dass 2012 eine neue Bewertung der Lage
vorgenommen wird: aus wirtschafts- und energiepoliti-
schen Erwägungen genauso wie aus industrie- und for-
schungspolitischer Perspektive.
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(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Sie
glauben wohl, Sie sind auf dem Parteitag! Wir
sind hier im Bundestag!)
Eines muss allen Beteiligten klar sein: Die Options-
lausel ist keine Pro-Forma-Angelegenheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
ie Entscheidung 2012 ist ergebnisoffen. Die Option
ird im Steinkohlegesetz festgeschrieben. Angesichts
chneller Veränderungen auf den globalen Energiemärk-
en ist es höchst fraglich, ob es vernünftig ist, die Zu-
änge zu den heimischen Kohlevorkommen endgültig zu
chließen. Heute kann niemand vorhersagen, wie die ge-
aue Preisentwicklung bei Steinkohle, Kokskohle und
okskohleerzeugnissen sein wird.
Auch Umwelt- und Klimaschutzgründe werden als
rgumente für das Ende der deutschen Steinkohlenför-
erung herangezogen.
(Rainer Brüderle [FDP]: Stimmt!)
ch halte das bei einigen für eine große Heuchelei. Ja, es
st richtig, dass wir bei der Energieversorgung die Ver-
rennung fossiler Energieträger deutlich verringern müs-
en. Das Ziel einer fortschrittlichen Energiepolitik sind
er Ausstieg aus der Atomenergie und eine vollständige
nergieerzeugung aus umweltfreundlicher und schad-
tofffreier erneuerbarer Energie.
Aber wir reden heute weder über das Ende der Stein-
ohle in der Energieerzeugung noch über das Ende von
ohlekraftwerken. Wir werden Kohle auch weiterhin
utzen, möglicherweise allerdings keine heimische
ohle, sondern Importkohle. Ökologisch ist es irrele-
ant, ob wir Steinkohle aus dem Ruhrgebiet oder aus
üdafrika verwerten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zur Energiesicherheit noch einige Anmerkungen: Ei-
ige bedeutende kohleliefernde Länder gelten als Risi-
oländer. Kohleimporte über große Strecken, zum Teil
m den halben Globus, tragen ein hohes Transportkos-
enrisiko. Geopolitische Risiken gewinnen auch auf dem
ohleweltmarkt an Gewicht. Politische Konflikte, Kri-
en oder gar Kriege machen auch vor dem internationa-
en Kohlehandel nicht halt. Das darf nicht vernachlässigt
erden. China, die USA, Russland und Indien kontrol-
ieren fast 75 Prozent der Weltproduktion und
5 Prozent der Kohlevorräte. Sie haben bei der Kohle
uf Dauer eine große Verfügungsmacht. Nur der Zugriff
uf eigene Reserven erhält ein Stück Unabhängigkeit
ufrecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will keinen
ehl daraus machen, dass ich mir eine Lösung ge-
ünscht hätte, die bereits heute die Festschreibung eines
ockelbergbaus vorgesehen hätte. Die hierfür vorgese-
enen Subventionen wären gut angelegtes Geld. Selbst
ie Zeitschrift – jetzt hören auch Sie von der FDP bitte
ut zu – „Der NRW-Mittelstand“ vom Bundesverband
ittelständische Wirtschaft, Ausgabe November/De-
ember 2006, schreibt:
7780 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) (C)
(B) (D)
Gerd Bollmann
Die Kohlebeihilfen für NRW sind kein „Ge-
schenk“. Die Beihilfen fließen eins zu eins über
Aufträge des Bergbaus in mittelständische Zuliefer-
betriebe zurück.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der
LINKEN: Auch im Saarland!)
Der Staat zahlt hier nicht drauf, sondern betreibt
Mittelstandsförderung. Davon profitieren steuer-
zahlende Firmen mit weltweit nachgefragtem
Know-How und damit wiederum auch der Staat.
Teuer für die öffentliche Hand wird es dagegen,
wenn der Bergbau dicht gemacht ist und die Ar-
beitslosigkeit im Revier auf neue Rekordhöhen
klettert. Unternehmen stärken sieht anders aus.
Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, auch ein kla-
res und deutliches Wort an die Adresse der Betreiber von
Kohlekraftwerken: Die Kohle als Brücke ins solare Zeit-
alter – egal ob heimische Kohle oder Importkohle ge-
nutzt wird – hat nach 2012 nur eine Chance, wenn ihr
Einsatz auf dem höchsten Stand der Technik geschieht.
Der Einsatz aller Formen der Kraft-Wärme-Kopplung
muss weiter vorangebracht werden. Auf Zeit spielen ist
nicht mehr möglich.
(Beifall bei Abgeordnet
LINKE
Liebe Kolleginnen und Kollegen, alles in allem hat es
sich gelohnt: Die Bergleute haben eine Perspektive, die
RAG bleibt als leistungsfähiger Konzern erhalten, und
die Chance, heimische Steinkohle als Energieträger zu
nutzen, bleibt gewahrt.
Ich danke für die Aufmerksamkeit. Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN – Laurenz Meyer [Hamm]
[CDU/CSU]: Der musste die ganze Zeit selber
grinsen! – Gegenrufe von der SPD)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Wir sind am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)
– Offensichtlich gibt es noch großen Diskussionsbedarf.
Doch die Diskussion muss nun außerhalb der Sitzung
fortgesetzt werden.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 1. Februar 2007,
9 Uhr, ein.
7 Uhr)
Halbsatz ist wie folgt zu lesen
nitz) (SPD)“.
: „Detlef Müller (Chem-
en der SPD und der
N)
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 16.4
Berichtigung
76. Sitzung, Seite 7674 (B), vierter Absatz, der erste
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7781
(A) (C)
(B) )
Anlagen zum Stenografischen Bericht
nis“, sondern wohl „unbefristete Aufenthaltserlaubnis“Willy
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Barthle, Norbert CDU/CSU 31.01.2007
Bülow, Marco SPD 31.01.2007
Edathy, Sebastian SPD 31.01.2007
Eichel, Hans SPD 31.01.2007
Ernst, Klaus DIE LINKE 31.01.2007
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 31.01.2007
Golze, Diana DIE LINKE 31.01.2007
Hilsberg, Stephan SPD 31.01.2007
Kasparick, Ulrich SPD 31.01.2007
Lehn, Waltraud SPD 31.01.2007
Leutert, Michael DIE LINKE 31.01.2007
Löning, Markus FDP 31.01.2007
Lopez, Helga SPD 31.01.2007
Merten, Ulrike SPD 31.01.2007
Nahles, Andrea SPD 31.01.2007
Pflug, Johannes SPD 31.01.2007
Rachel, Thomas CDU/CSU 31.01.2007
Schäfer (Bochum),
Axel
SPD 31.01.2007
Dr. Schockenhoff,
Andreas
CDU/CSU 31.01.2007
Schummer, Uwe CDU/CSU 31.01.2007
Dr. Schwall-Düren,
Angelica
SPD 31.01.2007
Dr. Tabillion, Rainer SPD 31.01.2007
Wimmer (Neuss), CDU/CSU 31.01.2007
(D
nlage 2
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage der
bgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE) (Druck-
ache 16/4133, Frage 5):
Stimmt die Bundesregierung zu, dass es sich bei der Frage
der Finanzierung von schulischen Lernmitteln – ähnlich wie
bei der Frage der Finanzierung mehrtägiger Klassenfahrten
und entgegen ihrer Antwort auf meine schriftliche Frage im
August 2006 (Bundestagsdrucksache 16/2415 Frage 12) –
nicht vorrangig um eine Frage des Schulwesens handelt, die
damit im Verantwortungsbereich der Länder liegen würde,
sondern um eine soziale Frage einer Personengruppe, die so-
mit im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt
werden müsste, und inwieweit plant sie vor diesem Hinter-
grund, die zurzeit bestehende Lücke im SGB II zu schließen?
Die Bundesregierung stimmt dem nicht zu. Eine
egelungslücke besteht nicht. Im Rahmen der Grund-
icherung für Arbeitsuchende erhalten erwerbsfähige
ilfebedürftige und die mit ihnen zusammen lebenden
ngehörigen die notwendigen Leistungen, um ihren Le-
ensunterhalt bestreiten zu können. Der Umfang dieser
eistungen ist abschließend gesetzlich geregelt. Dies ist
m Fortentwicklungsgesetz zum 1. August 2006 in der
egelung des § 23 Abs. 1 S. 4 SGB II ausdrücklich klar-
estellt worden. Die Regelleistung bildet hierbei das
oziokulturelle Existenzminimum ab. Sowohl die Höhe
ls auch die Art der Bedarfsermittlung sind vom Bundes-
ozialgericht (Urteil vom 23. November 2006 – B 11b
S 1/06 R) als verfassungsgemäß bestätigt worden. Ein
rundbedarf für Lehrmittel und Schulbedarfe ist in der
egelleistung nach § 20 SGB II enthalten. Darüber hi-
ausgehende, aufstockende Leistungen nach dem
GB II für den Kauf von Schulbüchern oder sonstigen
ernmitteln können nicht gewährt werden. Das BMAS
ält an der Auffassung fest, dass insoweit die Länder im
ahmen der Kultushoheit verantwortlich sind.
nlage 3
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Peter Altmeier auf die Fragen
es Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksa-
he 16/4133, Fragen 6 und 7):
Wie vielen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland,
die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder ei-
ner Aufenthaltsberechtigung waren, ist seit 1998 diese Auf-
enthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 des Ausländergeset-
zes nach unfreiwilliger Abwesenheit von sechs Monaten
entzogen worden?
Wie oft wurde in derlei Fällen von Bundes- oder Landes-
behörden derjenige Staat und dessen Behörden, in dem sich
der Ausländer unfreiwillig aufhielt, gebeten, ihm seinen Rei-
sepass abzunehmen und einer deutschen konsularischen Ver-
tretung zu überlassen, damit diese den darin befindlichen Auf-
enthaltstitel für Deutschland als ungültig abstempeln konnte?
Der Kontext der Fragestellungen lässt darauf schlie-
en, dass in Frage 1 nicht „unbefristete Arbeitserlaub-
7782 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
gemeint ist. Derzeit (Stand 31. Dezember 2006) sind im
Ausländerzentralregister (AZR) rund 2,9 Millionen auf-
hältige Drittstaatsangehörige mit einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung oder
Niederlassungserlaubnis bzw. vom Erfordernis einer
Aufenthaltserlaubnis befreite Personen erfasst. Daneben
wird gegebenenfalls der Sachverhalt „Aufenthaltstitel
widerrufen/erloschen“ gespeichert, nicht aber die
Gründe für einen Widerruf oder ein Erlöschen des Auf-
enthaltstitels. Angaben zu den Fragen 1 und 2 können
daher nicht gemacht werden. Sollte entgegen der oben
angegebenen Annahme doch nach Arbeitserlaubnissen
gefragt worden sein, so wird vorsorglich darauf hinge-
wiesen, dass etwaige Rücknahmen von unbefristeten Ar-
beitserlaubnissen im AZR nicht erfasst werden.
Anlage 4
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
Fragen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE
LINKE) (Drucksache 16/4133, Fragen 9 und 10):
Wie viele Fälle von Insidergeschäften wurden seit 2001
durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
weitergeleitet, und in wie vielen Fällen kam es seit 2001 zu
rechtskräftigen Urteilen?
Wie viele Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Bewährungs-
strafen wurden im Zusammenhang mit Insidergeschäften seit
2001 verhängt, und warum ist die Sanktionsquote bei Insider-
verfahren so gering (vergleiche Berliner Zeitung, 24. Januar
2007)?
Zu Frage 9:
Seit 2001 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) bzw. das Bundesaufsichtsamt für
den Wertpapierhandel, eine der drei Behörden, aus de-
nen die BaFin hervorgegangen ist, 157 Vorgänge bzw.
414 Personen bei der jeweils zuständigen Staatsanwalt-
schaft angezeigt. Die genannte Anzahl der angezeigten
Personen ist geringer als die tatsächliche Anzahl, da erst
ab dem Jahr 2003 eine Statistik über die Anzahl der an-
gezeigten Personen geführt wird. Seit 2001 kam es in
45 Fällen zu rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidun-
gen.
Zu Frage 10:
Nach Mitteilung der BaFin wird nicht gesondert statis-
tisch erfasst, wie sich die gerichtlichen Entscheidungen
auf Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Bewährungsstrafen
im Zusammenhang mit Insidergeschäften verteilen.
Grundsätzlich stellten die Staatsanwaltschaften Verfah-
ren häufig mangels hinreichenden Tatverdachts (§ 170
Abs. 2 StPO) ein. Bei Strafbefehlen werden in der Regel
Geldstrafen zwischen 30 und 90 Tagessätzen verhängt.
Kam es zu Verurteilungen, wurden in einigen Fällen
Freiheitsstrafen von ein bis zwei Jahren auf Bewährung
verhängt. Bisher gibt es aber nur eine Verurteilung, bei
der eine Freiheitsstrafe nicht auf Bewährung verhängt
wurde. Die relativ geringe Sanktionsquote dürfte zum ei-
nen darauf zurückzuführen sein, dass in der bisherigen
Verfolgungspraxis der Nachweis eines tatbestandlichen
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andelns der Verdächtigten durch den Wortlaut der
trafvorschrift erschwert wurde. Durch das Anleger-
chutzverbesserungsgesetz vom Oktober 2004 sind die
egelungen zum Insiderhandelsverbot umfassend geän-
ert worden. Für ein strafbares Handeln ist nunmehr aus-
eichend, wenn Insiderinformationen für ein verbotenes
nsidergeschäft verwendet werden. Es ist nicht mehr er-
orderlich, dass sie ausgenutzt worden sind; gerade der
achweis des Ausnutzungsvorsatzes bereitete in der
raxis Schwierigkeiten. Die Ermittlungsverfahren der
taatsanwaltschaften und die Urteile der Gerichte, die
is Ende 2005 zum Abschluss gelangten, beruhen aller-
ings noch auf Sachverhalten, die vor dem Inkrafttreten
er neuen Regelungen lagen. Zum anderen könnte die
anktionsquote dadurch beeinflusst sein, dass viele
taatsanwaltschaften und Gerichte erst Erfahrungen mit
iesem Tatbestand – die Fälle werfen oftmals schwierige
örsenrechtliche Fragestellungen auf – sammeln.
nlage 5
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
rage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen)
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133,
rage 13):
Wer hat in Turkmenistan nach Kenntnis der Bundesregie-
rung gegenwärtig Zugriff auf die bei der Deutschen Bank in
Frankfurt geführten Konten des Ex-Diktators Saparmurat
Nijasow, auf denen nach Schätzungen von Nichtregierungsor-
ganisationen insgesamt bis zu 12 Milliarden Euro deponiert
sind?
Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bzw.
erden Konten für den verstorbenen turkmenischen Prä-
identen Saparmurat Nijasow bei der Deutschen Bank
icht geführt. Hierzu verweise ich auch auf die Antwort
on Kollegen Karl Diller auf die schriftliche Frage
r. 113 für den Monat Januar von Kollegen Volker
eck, die er mit Schreiben vom 26. Januar 2007 beant-
ortet hat.
nlage 6
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Frage
er Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Drucksache 16/4133, Frage 17):
Wie hoch wäre der Kostenaufwand, wenn die Krankenver-
sicherung der Kinder, deren Eltern Mitglied einer privaten
Krankenversicherung sind, über einen entsprechenden Zu-
schuss aus dem Bundeshaushalt finanziert würde?
In der privaten Krankversicherung waren im Jahr
005 laut Angaben des PKV-Verbandes 1,55 Millionen
inder voll versichert. Der Bundesregierung liegen
eine Angaben über das Prämienvolumen für privat ver-
icherte Kinder vor. Laut Auskunft des PKV-Verbandes
ntfielen im Jahr 2005 rund 7 Prozent der Aufwendun-
en für Krankenversicherungsleistungen auf Kinder.
ufgrund der höheren Vergütung der Leistungserbringer
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7783
(A) )
(B) )
sind diese Ausgaben nicht mit denen der gesetzlichen
Krankenversicherung vergleichbar.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage
des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Frage 20):
In welcher Weise wurden bzw. werden nach Kenntnis der
Bundesregierung deutsche Bürgerinitiativen und Opferver-
bände sowie die französischen Initiatoren Beate und Serge
Klarsfeld bei der Konzeptionsentwicklung der von der Deut-
sche Bahn AG in ihren Bahnhöfen geplanten Ausstellung über
die Deportation von tausenden jüdischer Kinder in Konzentra-
tionslager, darunter Auschwitz, einbezogen?
Die Bundesregierung begrüßt nachdrücklich die Ab-
sicht der Deutschen Bahn AG (DB AG), eine Ausstel-
lung zu den von der Reichsbahn durchgeführten Depor-
tationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager
sowohl auf Bahnhöfen als auch in deren unmittelbarer
Nähe zu zeigen. Bundesminister Tiefensee ging es
ebenso wie dem Ehepaar Klarsfeld stets darum, dass das
unermessliche Leid der deportierten jüdischen Kinder ei-
nen ganz wesentlichen Bestandteil der Ausstellung bil-
det. Die von der DB AG mit der Erarbeitung der Aus-
stellung beauftragte Arbeitsgruppe hat die Arbeit an der
Konzeption inzwischen (am 25. Januar 2007) aufgenom-
men. Ein erstes Gespräch mit Serge und Beate Klarsfeld,
den Initiatoren der in Frankreich gezeigten Ausstellung
„11.000 jüdische Kinder. Mit der Reichsbahn in den
Tod“, fand nach Kenntnis der Bundesregierung bereits
am 11. Januar 2007 statt. Eine direkte, formelle Einbe-
ziehung deutscher Opferverbände und Bürgerinitiativen
bereits in die Konzeption der Ausstellung war nicht Ge-
genstand der zwischen Bundesminister Tiefensee und
der DB AG am 1. Dezember 2006 getroffenen Vereinba-
rung. Dies schließt nach Auffassung der Bundesregie-
rung Gespräche und Arbeitskontakte der mit der Vorbe-
reitung beauftragten Arbeitsgruppe mit den Vertretern
solcher Verbände jedoch selbstverständlich nicht aus.
Zudem hat Bundesminister Tiefensee bereits im vergan-
genen Jahr ausdrücklich angeregt, Bürgerinitiativen und
Opferverbände im Vorfeld vor Ort zu beteiligen, wenn
die Ausstellung ab dem kommenden Jahr in deutschen
Städten präsentiert wird. Die Bundesregierung geht da-
von aus, dass Anregungen und Wünsche solcher Ver-
bände und Initiativen von der Arbeitsgruppe sorgfältig
geprüft werden.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragen
der Abgeordneten Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Fragen 21 und 22):
Wie ist der gegenwärtige Stand der Verhandlungen mit
Frankreich über die Beteiligung Frankreichs an der Finanzie-
rung des Großprojektes XFEL (Röntgenlicht-Freie-Elektro-
nen-Laser)?
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Warum wurde die Beteiligung Deutschlands an ITER
(Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor;
Frankreich) nicht an eine verbindliche Zusage Frankreichs zur
Beteiligung an XFEL gebunden?
u Frage 21:
Die Verhandlungen mit Frankreich über eine Beteili-
ung am Bau und am Betrieb des Freie Elektronen Rönt-
enlasers XFEL sind noch nicht abgeschlossen. In einem
espräch im Januar dieses Jahres wurde das französi-
che Interesse am XFEL und die Bereitschaft erklärt,
ich am Bau des XFEL zu beteiligen. Die Gespräche lau-
en zurzeit noch.
u Frage 22:
ITER ist ein internationales Projekt, in dem für Eu-
opa die EU-Kommission mitwirkt. Deutschland ist als
itgliedstaat der EU via EURATOM an ITER beteiligt.
rimär war es daher keine deutsche Entscheidung, ob
ine Beteiligung an ITER stattfindet oder nicht. Den-
och hat Deutschland 2003 auf unterschiedlichen Ebe-
en Frankreich gegenüber deutlich gemacht, dass es für
ie Unterstützung eines ITER-Standorts in Frankreich
ine Beteiligung an XFEL und FAIR erwartet. Diese
ichtweise wurde von dem damaligen französischen
orschungsminister d'Aubert bestätigt.
nlage 9
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage
er Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
Drucksache 16/4133, Frage 23):
Welche Position vertritt die Bundesregierung in dem Kla-
geverfahren der EU-Kommission gegen Österreich bezüglich
der Quotenregelung beim Hochschulzugang im Studienfach
Medizin, und was waren die Ergebnisse des angekündigten
Treffens zwischen dem österreichischen Wissenschaftsminis-
ter Johannes Hahn mit der Bundesministerin für Bildung und
Forschung Dr. Annette Schavan?
Die EU-Kommission hat am 24. Januar 2007 ein Ver-
ahren zur Überprüfung der neuen Quotenregelung im
sterreichischen Hochschulzugangsrecht eingeleitet. Ös-
erreich wird die Hinweise der EU-Kommission in den
ächsten Monaten sorgfältig prüfen müssen. Deutsch-
and ist an den Verfahren nicht formell beteiligt. Frau
undesministerin Dr. Schavan hat in dem Gespräch mit
em österreichischen Wissenschaftsminister Dr. Hahn
m 26. Januar 2007 erklärt, dass Deutschland den Pro-
ess weiterhin konstruktiv begleiten und insbesondere
sterreich – sofern erforderlich – unterstützen wird. Mi-
ister Dr. Hahn hat das Angebot begrüßt.
nlage 10
Antwort
er Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der
bgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE)
Drucksache 16/4133, Frage 24):
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass
zeitgleich zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozia-
lismus im Deutschen Bundestag am 29. Januar 2007 die
7784 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
(A) )
(B) )
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, im Rahmen des
Forums Integration zu einer Sachverständigen- und Experten-
anhörung zum Thema „Integration durch Sport“ ins Bundes-
kanzleramt einlädt und das gleichzeitige Stattfinden der
Anhörung mit der Begründung entschuldigt: „Selbstverständ-
lich ist dies in der Konzeption unserer Veranstaltung berück-
sichtigt worden.“ (Verleiche Schreiben der Beauftragten der
Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
vom Januar 2007)?
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration hat in der Konzeption der
Sachverständigenanhörung „Integration durch Sport“ die
Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im
Deutschen Bundestag berücksichtigt. Die zur Anhörung
eingeladenen Mitglieder des Deutschen Bundestages
sind mit Schreiben vom 18. Januar darauf hingewiesen
worden, dass der Ablauf der Veranstaltung im Hinblick
auf die Gedenkveranstaltung geändert wurde, um den
Abgeordneten eine Teilnahme an beiden Veranstaltun-
gen zu ermöglichen.
Anlage 11
Antwort
des Staatsministers Bernd Neumann auf die Fragen
des Abgeordneten Christoph Waitz (FDP) (Drucksa-
che 16/4133, Fragen 25 und 26):
In welchem Umfang gab es nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in Deutschland seit 1990 illegale Grabungen nach
verborgenen, im Boden befindlichen Gegenständen, bei denen
eine Fundanzeige unterlassen wurde (entdeckte Fälle, deren
Relevanz und Dunkelziffer), und in welchem Umfang fanden
diese „Raubgrabungen“ planmäßig statt (bitte nach Jahren
auflisten)?
In welchen konkreten Fällen gab es nach Kenntnis der
Bundesregierung einen kausalen Zusammenhang zwischen
Fundverheimlichungen, Fundtourismus und der bestehenden
Regelung des § 984 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbin-
dung mit den diesbezüglichen Ländergesetzen?
Bei den Beratungen des Gesetzes zur Ausführung des
UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970
über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der
rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von
Kulturgut stand unter anderem der Gedanke im Vorder-
grund, dass jeder Vertragsstaat sein Kulturgut angemes-
sen zu schützen hat. In diesem Zusammenhang wurde
dem Parlament von Archäologen vorgetragen, dass der
Schutz von Bodenfunden bei illegalen Grabungen der-
zeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht in wün-
schenswertem Umfang gewährleistet sei. In § 984 BGB
wird geregelt, dass der Entdecker und der Grundstücks-
eigentümer bei einem Schatzfund je zur Hälfte Miteigen-
tum erwerben. Dies gilt auch in den drei Flächenstaaten
Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Durch Lan-
desgesetz kann jedoch abweichend vom § 984 BGB
auch bestimmt sein, dass Schatzfunde allein Eigentum
des Landes werden, mit oder ohne Entschädigung für
den Entdecker. Die Länder haben damit die Möglichkeit
selbst zu entscheiden, welche Lösung sie für geeignet
halten. So gilt in den Ländern Berlin und Sachsen das
„große“ Schatzregal, während die anderen Bundesländer
davon in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht
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aben. Dabei spielt es eine Rolle, welche kulturellen
chätze vorhanden sein können und ob und gegebenen-
alls welche finanziellen Mittel für eine Entdeckung zur
erfügung gestellt werden sollen. Archäologen bekla-
en, dass diese Rechtslage Fundverheimlichung und
undtourismus fördere und eine seriöse wissenschaftli-
he Auswertung unmöglich mache. Sie fordern im Inte-
esse des Kulturgüterschutzes ein staatliches Schatzre-
al, das alle Fundstücke dem Staat zuordnet. Ebenfalls
ur Vermeidung von Fundverheimlichung und Fundtou-
ismus, aber vielleicht auch aus Furcht vor Handelsein-
chränkungen, raten wiederum zum Beispiel Numisma-
iker dringend von einem staatlichen Schatzregal ab.
egen ein uneingeschränktes staatliches Schatzregal
pricht insbesondere, dass dem Entdecker ein Anreiz ge-
eben werden soll, den Fund dem Eigentümer anzuzei-
en und ihn mit diesem zu teilen. Je geringer der Anteil
m Fund, desto höher wird vielfach die Gefahr einge-
chätzt, dass der Finder den Schatz für sich selbst behält.
iese Bewertung dürfte unabhängig davon gelten, ob es
ich bei dem Schatz um einen Fund von kulturell hohem
der niedrigem Interesse handelt. Anlass für gesetzgebe-
ische Maßnahmen wird deshalb gegenwärtig nicht gese-
en. Unabhängig davon sind nicht rechtmäßige Ausgra-
ungen, also „Raubgrabungen“ zu betrachten. Diese
inden unabhängig von der jeweiligen Gesetzeslage statt,
a die „Raubgräber“ ohnehin nichts von dem Schatz an
ndere abgeben wollen, sei es an den Eigentümer der Sa-
he, in welcher der Schatz verborgen war, oder an das
and, das Eigentum an dem kulturellen Fund bean-
prucht. Insoweit sind die Länder aufgerufen, den erfor-
erlichen Schutz sicherzustellen. Die Bundesregierung
ird die mit dem Schatzregal verbundene Problematik
leichwohl sorgfältig im Benehmen mit den für den
enkmalschutz zuständigen Ländern prüfen. In diesem
usammenhang bittet sie im Interesse einer seriösen Be-
ntwortung der Fragen um Verständnis dafür, dass dazu
mfangreiche Abfragen bei den Ländern erforderlich
ind, die seit Eingang der Fragen nicht zu leisten waren.
ie Bundesregierung wird diese Abfrage sofort in Auf-
rag geben und die Ergebnisse dem Herrn Abgeordneten
nverzüglich zuleiten.
nlage 12
Antwort
es Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Ab-
eordneten Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN) (Drucksache 16/4133, Fragen 27):
Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die
Kandidaten der demokratischen Opposition Chudaiberdy
Orasow und Nurberdy Nurmamedow an den Präsidenten-
wahlen in Turkmenistan teilnehmen können?
Die Vorbereitungen der Präsidentenwahlen in Turk-
enistan werden von der Bundesregierung als EU-Rats-
räsidentschaft sorgfältig beobachtet. In einem von der
eutschen Ratspräsidentschaft initiierten Gespräch der
U-Botschafter mit Außenminister Raschied Meredow
urde die turkmenische Führung auf ihre im internatio-
alen Rahmen eingegangenen Verpflichtungen hinge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007 7785
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wiesen. Dies schließt einen fairen Wettbewerb und die
Zulassung oppositioneller Bewerber zu den Wahlen ein.
Nach derzeitigem Stand ist allerdings nicht zu erwarten,
dass die turkmenische Führung diese Forderung auch
tatsächlich umsetzen wird. Bei einem kürzlichen persön-
lichen Gespräch von Vertretern des Auswärtigen Amtes
mit dem Oppositionskandidaten Chudaiberdy Orasow
– dem Gründer der sozial-politischen Bewegung
„Watan“/„Vaterland“ – wurde deutlich, dass die in der
Regel im Exil lebende Opposition nicht mehr davon aus-
geht, zu den Wahlen zugelassen zu werden.
Anlage 13
Antwort
des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Abge-
ordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/4133, Frage 28):
Welche konkreten Aktivitäten und Maßnahmen unter-
nimmt die Bundesregierung, damit die bevorstehenden Wahlen
in Turkmenistan nach demokratischen Maßstäben ablaufen?
Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Eigenschaft als
EU-Ratspräsidentschaft die Vorbereitungen der Wahlen
in Turkmenistan mit großer Aufmerksamkeit. Die Bun-
desregierung hat der turkmenischen Führung und insbe-
sondere Außenminister Raschied Meredow gegenüber
deutlich gemacht, dass die EU erwartet, dass sich die
turkmenische Führung bei den bevorstehenden Präsiden-
tenwahlen an ihre im internationalen Rahmen eingegan-
genen Verpflichtungen hält. Das Auswärtige Amt steht
mit der OSZE – das heißt dem ODIHR/Office for Demo-
cratic Institutions and Human Rights – in engem Kontakt
bei der Vorbereitung der von ODIHR für die Wahlen ge-
planten Expertenmission. Die deutsche Ratspräsident-
schaft hat im Ständigen Rat der OSZE im Namen der EU
eine Stellungnahme abgegeben, in der die turkmenische
Führung zur Durchführung freier und transparenter
Wahlen aufgefordert wurde.
78. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 31. Januar 2007
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13