Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Fortführung des Emissions-handels im Zeitraum 2008 bis 2012.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen undHerren! Das Bundeskabinett hat heute den zweiten Na-tionalen Allokationsplan für den Emissionshandel mitTreibhausgasen sowie die notwendige Verordnung zurErhebung von Daten über die realen Treibhausgasemis-sionen in den Jahren 2003 und 2004 beschlossen. Zielist, dass Deutschland seinen Verpflichtungen nach-kommt, das Klima zu schützen und die klimaschädlichenTreibhausgase in der Periode 2008 bis 2012 um 21 Pro-zent gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern. Der wich-ElGslmkhl2VtD21VnhssPdZgnRedettigste Inhalt dieses Nationalen Allokationsplans für denEmissionshandel mit Treibhausgasen lautet: Deutsch-land wird seine Klimaschutzziele einhalten. Wir werdenden Ausstoß von CO2-Treibhausgasen zwischen 2008und 2012 um 21 Prozent gegenüber 1990 reduzieren.Die Bundesrepublik Deutschland ist damit das ersteLand in der Europäischen Union, das seinen zweiten Al-lokationsplan beschließt. Morgen wird die Regierungvon Großbritannien folgen. Das ist insofern von großerBedeutung, als es in Europa durchaus eine Reihe von In-teressengruppen gibt, die gehofft hatten, dass es diewichtigen großen Industriestaaten, die in der Vergangen-heit bereits eine Führungsrolle bei der Reduzierung derklimaschädlichen Treibhausgase innehatten, nfen würden, die Allokationspläne fristge30. Juni 2006 abzugeben. Es bestand durchaunung, dadurch das System des Emissions
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3908 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Galopprennpferd bzw. ein echtes Pferd machen. Rein-hard Loske wird gleich berichten, wie wir es besser ma-chen können. – Ich bin auf Ihre Fragen gespannt.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet worden ist. – Das Wort
hat die Kollegin Höhn.
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ie meinen vermutlich den Bundeshaushalt.Frau Kollegin Höhn, erstens hätte ich mir gewünscht,ass die Gefahr einer Einpreisung bei einer kostenlosenergabe der Zertifikate bereits in der letzten Legislatur-eriode offensiver angegangen worden wäre. Ich bittem Verständnis; ich kann nichts dafür. Dieses System,as zu Windfall-Profits geführt hat, ist unter anderem inhrer Regierungsmitverantwortung etabliert worden. Dasreut mich nicht. Ich möchte mir Ihre deutliche Bezeich-ung dieses Handelns nicht zu Eigen machen, aber in derewertung stimme ich Ihnen zu. Auch ich halte ein sol-hes Verhalten für absolut unangemessen. Aber diesesystem habe nicht ich zu verantworten.Zweitens. Wir haben den sicheren Eindruck, dass eineuktionierung trotz der in großen Teilen bereits erfolg-en Einpreisung weitere Preissteigerungen zur Folgeätte, weil die Unternehmen inzwischen bestreiten, dieostenlosen Zertifikate eingepreist zu haben. Sie sagen,ie Strompreisentwicklung habe ganz andere Gründe.elbstverständlich würden sie eine Auktionierung, die,ie Sie wissen, möglicherweise Spekulationsgewinneerursacht, wieder einpreisen und sich so das Geld vonen Verbrauchern holen. Die Bundesregierung wirdicht den Weg gehen, sich jetzt durch die Auktionierungittel zu verschaffen – in welcher Höhe auch immer –,m sie dem Bundeshaushalt zuzuführen, und so zu die-
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Bundesminister Sigmar Gabrielsem Verhalten beizutragen. Wir wollen die Auktionie-rung. Aber vorher müssen wir auf dem Strommarkt fürWettbewerb sorgen, damit die Verbraucherinnen undVerbraucher sozusagen eine Waffe in der Hand haben,mit der sie sich wehren können.Darüber hinaus macht auch die Debatte, die in denMitgliedstaaten der Europäischen Union geführt wird,deutlich, dass unsere Vermutung, die Auktionierungführe nur dazu, dass im Zweifel zweimal eingepreistwird, durchaus berechtigt ist. Denn es gibt eine Reihevon Mitgliedstaaten, die die Auffassung vertreten, daseigentliche Problem bestünde darin, dass nicht alle Staa-ten in Europa auktionieren: Wer nicht auktioniert, hatniedrigere Strompreise und damit einen Wettbewerbs-vorteil. Wer auktioniert, hat höhere Strompreise. – Erstgestern habe ich darüber mit Kolleginnen und Kollegenaus verschiedenen europäischen Ländern, unter anderemaus Dänemark, diskutiert.Daran können Sie erkennen, dass wir mit unserer Ver-mutung, eine Auktionierung – wenn es auch nur um10 Prozent geht – würde zu weiteren Strompreissteige-rungen führen, nicht allein dastehen. Ich vermute, dasswir Sie davon nicht werden überzeugen können; das istnämlich auch eine Einschätzungsfrage. Aber ehrlich ge-sagt ist mir die Auktionierung von 10 Prozent der Zerti-fikate zu risikoreich, wenn es auf dem Strommarkt kei-nen Wettbewerb gibt.
Eine Nachfrage der Kollegin Höhn. Als Nächster ist
dann der Kollege Kauch an der Reihe.
Wenn Sie mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt
schaffen und dadurch Vorteile für die Verbraucherinnen
und Verbraucher erzielen wollen, warum unterstützen
Sie dann nicht die vielen Initiativen, die es dazu bundes-
weit gibt? Mittlerweile wehren sich über eine halbe Mil-
lion Menschen gegen die Gas- und Strompreiserhöhun-
gen, und zwar mit dem Argument, ihnen dürften keine
Kosten aufgebürdet werden, die gar nicht entstanden
sind. Sie gewinnen momentan jeden Gerichtsprozess.
Warum unterstützen Sie nicht diese Initiativen, die
sich dafür einsetzen, dass die Unternehmen bei der Kos-
tengestaltung das Gebot der Transparenz beachten? Da-
durch könnte man echten Wettbewerb herstellen. Die
Unternehmen könnten gezwungen werden, ihre Kosten-
kalkulationen darzulegen, was sie bisher nicht tun, was
sie strikt verweigern. Dann hätten Sie für mehr Wettbe-
werb gesorgt, auch im Interesse der Verbraucherinnen
und Verbraucher. Warum tun Sie das nicht?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ihre Unterstellung ist falsch. Selbstverständlich unter-
stütze ich die Bemühungen der Verbraucherinnen und
Verbraucher. Das habe ich auch öffentlich gesagt. Natür-
lich ist jedes Instrument – notfalls auch ein Gerichtsver-
fahren –, das zur Folge hat, dass Kalkulationen offen ge-
legt werden, sehr zu begrüßen.
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Jetzt ist der Kollege Kauch dran. Sie, Frau Kollegin
öhn, können sich gerne später noch einmal melden. –
err Kauch, bitte schön.
Herr Minister, die Bundesregierung hat einen Sach-erständigenrat für Umweltfragen eingesetzt. Dieserachverständigenrat empfiehlt – übrigens in großer Ein-racht mit allen Wirtschaftsforschungsinstituten und al-en Umweltverbänden – die Versteigerung von 10 Pro-ent der Zertifikate. Ich zitiere aus dem Gutachten desachverständigenrates:Bei der Wettbewerbsargumentation auch Sie haben ja gesagt, eine Versteigerung sei nurach Öffnung der europäischen Stromnetze möglich –handelt es sich um vorgeschobene strategische Ar-gumente im Kampf um windfall-profits. Eine Ver-steigerung ist die einfachste und transparentestealler Zuteilungsmethoden und vermeidet diese Ver-teilungskonflikte innerhalb des Emissionshandels-sektors.enn Ihr eigenes Beratungsgremium, alle Wirtschafts-orschungsinstitute und alle Umweltverbände das Ge-enteil von dem fordern, was Sie hier vertreten, würdech gerne wissen, auf welcher wissenschaftlichen Grund-age die Bundesregierung zu ihrer Einschätzung kommt.Ich möchte in diesem Zusammenhang auch fragen, obhnen Vorschläge bekannt sind, wie man bei einer Ver-teigerung von 10 Prozent der Zertifikate die Spekula-ionsgewinne, die Sie angesprochen haben, vermeidenann. Beispielsweise wird vom Bundesverband Emis-ionshandel und Klimaschutz vorgeschlagen, dass dienergiewirtschaft nur im dem Maße an der Versteige-ung teilnehmen darf, wie sie auch Anteil am Emis-ionshandelssektor hat. Das würde den möglichen
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3910 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Michael KauchMachtmissbrauch der Energieversorger – es sind ja nurvier Unternehmen – entsprechend ausschalten.Diese beiden Punkte hätte ich gerne von Ihnen beant-wortet.Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Zur zweiten Frage: Dies hätte zur Konsequenz, dasswir beispielsweise auch gegenüber der Strom verbrau-chenden Industrie auktionieren müssten. Sie hätte da-durch deutlich höhere Kosten. Genau diese Industriewollen wir aber mit einem Erfüllungsfaktor von1,25 Prozent im internationalen Wettbewerb schützen.Ich dachte bisher, das sei auch die wirtschaftspolitischePosition der FDP. Wenn sich das geändert hat, wird dasdie Strom verbrauchende Industrie mit Sicherheit gernezur Kenntnis nehmen.Sie müssen wissen, dass zum Beispiel im Bereich derZementwirtschaft eine auch nur geringe Erhöhung derKosten für Strom und Energie dazu führen wird, dassdiese Industrie in Deutschland keine Chance mehr hat.Auktionierung geht nur, wenn sie für alle gilt. Wenn Siedie Strom verbrauchende Industrie aber nicht gleichzei-tig durch Wettbewerb vor der Übertragung auch nochder 15 Prozent aus der Energiewirtschaft schützen, wer-den Sie in diesem Bereich massive Probleme haben.Übrigens würde eine Auktionierung von 10 Prozentdie Belastung der Energiewirtschaft von 15 auf über30 Prozent anheben. Ich kenne niemanden, der glaubt,dass eine Belastung von mehr als 30 Prozent – 15 Pro-zent Erfüllungsfaktor plus die Kosten für die Auktionie-rung – nicht dazu führt, dass die Stromunternehmen dasauf den Preis umlegen werden. Das glaubt lediglich je-mand, der nur ans Gute glaubt. Ich glaube durchaus auchans Gute, aber ich weiß auch, wie sich Leute im Rahmendes Möglichen gerne verhalten.Zu Ihrer ersten Frage: Ich hielte das für ein Experi-ment am lebenden Objekt, nämlich am Verbraucher. Ichmöchte nicht, dass der Verbraucher weiter darunter zuleiden hat, und wir sind nicht ganz sicher, wie der wei-tere Verlauf wäre. Ich möchte deshalb, dass wir zunächstsicherstellen, dass wir Wettbewerb haben. Dann könnenund müssen wir auktionieren. Aber solange wir dennicht haben, muss ich im Hinblick auf die Vorschläge,wie sie in dem Gutachten stehen, aus dem Sie vorgelesenhaben, sagen: Das ist in der Theorie richtig. Leider wirdaber die in der Praxis vorherrschende Marktmacht außerAcht gelassen. – Ich nenne Ihnen auch den Grund, wa-rum ich nicht allen Gutachten glaube, so wie Sie in derRegel meinen Gutachten nicht glauben: Damals hat einTeil der Umweltökonomen, die uns heute raten, zu ver-steigern, versprochen, dass die kostenlose Vergabe derCO2-Zertifikate an die Unternehmen nicht zu Einprei-sungen führen werde. Das hat nicht funktioniert. – Manmuss also manchmal ein bisschen vorsichtig sein.Leider gibt es zu dieser Frage alle möglichen Gutach-ten: Es gibt die Kritik derjenigen, die sagen, wir müsstenauktionieren. Ferner gibt es ein Schreiben des Bundes-verbandes der Deutschen Industrie, unterschrieben vonHsdTdIllmZLssbdgnbssidzkvNfwlgdDdzCTguda4Jzw
Herr Minister, ich will jetzt nichts zur Auktionierungragen, wenngleich es natürlich historisch interessantäre, noch einmal darüber nachzudenken, wer in deretzten Legislaturperiode mit besonderer Vehemenz da-egen gekämpft hat. Das will ich mir jetzt aber sparen.Ich will das Mengengerüst ansprechen. Die Zahlen,ie Sie gerade genannt haben, sind die eine Wahrheit.ie andere Wahrheit ist, dass nach den realen Zahlen füras Jahr 2005, die jetzt vorliegen – es wurden, um genauu sein, 474,5 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen –, derO2-Ausstoß weit unter dem Ziel von 482 Millionenonnen liegt, das Sie jetzt ansteuern. Nun kann man sa-en, dass man aufgrund der Temperaturen, des Wetterssw. gleitende Durchschnittswerte braucht, also Werte,ie sich nicht nur auf ein Jahr beziehen. Ich möchte Sieber trotzdem gerne fragen, ob angesichts dieser74 Millionen Tonnen das Ziel, das Sie sich für dasahr 2012 setzen, nämlich beim CO2-Ausstoß einen Wertu erreichen, der über dem liegt, der in 2005 erreichtorden ist, nicht doch etwas unterambitioniert ist.
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Dr. Reinhard LoskeHieran möchte ich direkt meine zweite Frage an-schließen, die in engem Zusammenhang damit steht.Schränkt es die klimapolitischen Handlungsmöglichkei-ten in Zukunft nicht enorm ein, wenn Sie die Kohle jetztso sehr begünstigen? Sie haben auf der einen Seite dieBetriebsstunden genannt, die jetzt für beide gleich hochsind, nämlich 7 500 Stunden. Auf der anderen Seite er-hält der Bereich Braunkohle pro Kilowattstunde nachwie vor doppelt so viele Emissionsrechte wie der Be-reich Erdgas, sodass es beispielsweise keinerlei Anreizfür einen Brennstoffwechsel gibt. Zieht sich hier der Ho-rizont für klimapolitische Handlungsmöglichkeiten inder Zukunft nicht enorm zu und besteht nicht die Gefahr,dass wir zwar vielleicht das Ziel 2012 erreichen, bei denFolgezielen, die ja mindestens genauso wichtig sind– 2020, 2050 usw. –, aber enorme Schwierigkeiten be-kommen? Politisch zugespitzt frage ich also: Missverste-hen Sie den Emissionshandel nicht als Förderprogrammfür den Neubau von Kohlekraftwerken?Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Politisch zugespitzt lautet die Antwort: Nein. – Ichgebe aber zu, dass man zu beiden Themen ein bisschenmehr sagen muss.Ich bin vor allen Dingen für die erste Frage außeror-dentlich dankbar, weil Sie mir damit die Gelegenheit ge-ben, eine in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit undauch in den Medien immer wieder zitierte Behauptungklarzustellen. Würde ich mich entsprechend der Behaup-tung verhalten, würde ich schlichtweg rechtswidrig han-deln.Sie sagen zu Recht, dass die reale Emissionsmengeim Bereich der emissionshandelspflichtigen Industrie-und Energieunternehmen im Jahre 2005 474 MillionenTonnen CO2 betragen hat. Sie fordern im Grunde – dasist in der Öffentlichkeit deutlich geworden; das stehtauch in einigen Medienkommentaren –: Nehmt das dochals Obergrenze des Emissionshandels – die Unterneh-men haben ja gezeigt, dass sie mit 474 Millionen Tonnenauskommen – und beginnt von diesem Wert aus mit derSenkung.Dazu ist Folgendes zu sagen: Es ist mir von der Euro-päischen Kommission untersagt, ein einzelnes Jahr zumBasisjahr des Emissionshandels zu machen. Insbeson-dere darf ich nicht das Jahr 2005 nehmen. Deswegen sa-gen wir: Anders als in der ersten Handelsperiode werdenwir nicht nur zwei oder drei Jahre, sondern den Durch-schnitt der Jahre 2000 bis 2005 heranziehen. Für dieJahre 2000 bis 2002 gibt es harte, real verifizierte Zah-len. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne richtigstellen, was heute jemand geschrieben hat, nämlich – ichzitiere –: Dumm nur, dass es sich dabei um geschätzteDaten handelt. – Das ist schlichtweg falsch. Es geht umverifizierte Daten für die Jahre 2000 bis 2002. Die frü-here Regierung hatte eine entsprechende Verordnung er-lassen, um diese Daten zu erheben. Die Daten desJahres 2005 haben wir ebenfalls, weil das das erste Jahrin der Handelsperiode des NAP I ist. Die Daten für dieJahre 2003 und 2004 fehlen uns. Die alte Bundesregie-rEswdWJwwnsTgbDtzwgddfDgDdWsisdwdgIkddkiezd2dhabkwnKmkWh
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3912 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Ich habe eine kurze Nachfrage. Sie haben in einem
kenntnis- und wortreichen Plädoyer für die Kohle noch
einmal all das dargelegt, was grundsätzlich richtig ist.
Aber ich will es konkret formulieren. Ist es nicht so, dass
es dann, wenn die ganzen Projekte für den Bau neuer
Kohlekraftwerke, die jetzt in der Pipeline sind, die Sie
begrüßen und auf dem Energiegipfel mit den Worten ge-
würdigt haben, dass diese bald noch durch den Emis-
sionshandel flankiert würden, umgesetzt werden, immer
schwieriger wird, die Klimaschutzziele zu erreichen?
Ich will sie für die Kolleginnen und Kollegen wieder-
holen, die sich mit diesen Dingen nicht täglich beschäfti-
gen. Ziel ist, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um
40 Prozent und bis Mitte dieses Jahrhunderts um min-
destens 80 Prozent zu senken, wobei der Kollege Fell
100 Prozent fordert. Aber sei es drum; so sind die Grö-
ßenordnungen. Wenn diese Kohlekraftwerke einmal ge-
baut sind, dann werden sie bis 2050 laufen.
Noch einmal eine präzise Nachfrage: Zieht sich der
Handlungshorizont für Klimapolitik nicht enorm zu,
wenn wir jetzt so massiv in Kohle investieren, wie Sie es
im Rahmen des Emissionshandels ganz offensiv beför-
dern wollen?
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2006)?
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Herr Kollege Koppelin, der Bundesminister derinanzen hat nicht auf die Aussagen des SPD-Fraktions-orsitzenden Dr. Struck reagiert. Auf Anfrage der „Bild
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricksam Sonntag“ hat der Sprecher des Bundesministers derFinanzen die Position der Bundesregierung zur Notwen-digkeit der Mehrwertsteuererhöhung dargelegt.
Herr Koppelin, Sie haben eine Nachfrage?
Frau Staatssekretärin, verstehen Sie, dass ich es für
verwunderlich halte, dass ein Sprecher bei einer so wich-
tigen Frage allein ohne Rücksprache mit dem Minister
agiert? Können Sie uns sagen, wie der Minister selber
auf die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden re-
agiert hat?
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Der Minister hat nicht darauf reagiert, wie ich Ihnen
schon in der Beantwortung Ihrer Frage gesagt habe.
Vielleicht habe ich mich missverständlich ausge-
drückt oder Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich
habe gefragt: Wie hat denn der Minister darauf reagiert?
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Der Minister hat nicht darauf reagiert.
Überhaupt nicht? – Gut.
Herr Koppelin, das waren zwei Nachfragen.
Das ist ein bisschen unfair, Frau Präsidentin. Es han-
delte sich um ein Missverständnis, das zu klären war.
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Herr Kollege, Sie meinen doch sicher eine verbale
Reaktion gegenüber der Öffentlichkeit oder gegenüber
dem Parlament. Die hat es nicht gegeben.
Oder intern im Hause.
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Auch intern im Hause nach meiner Kenntnis nicht.
Gut.
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Herr Koppelin, haben Sie eine Nachfrage?
Ja. – Hat der Pressesprecher des Ministeriums den
inister darüber nicht informiert? Es hat ja vorher
genturmeldungen gegeben. Am Sonntag hat eine Ko-
litionsrunde stattgefunden. Ich vermute, dass auch Ihr
inister daran teilgenommen hat. In dieser Runde hat
ich die Kanzlerin gegenüber dem SPD-Fraktionsvorsit-
enden sehr deutlich geäußert. Ich will nicht wiederho-
en, was die Kanzlerin gesagt hat, um von der Präsiden-
in keine Rüge zu erhalten. Teilt der Finanzminister die
uffassung der Kanzlerin über Herrn Struck?
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Herr Kollege Koppelin, ich war in der Fraktionsrunde
icht anwesend. Die Veröffentlichungen darüber sind
on der Kanzlerin oder dem Regierungssprecher nicht
estätigt worden.
Zweite Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, da Sie nicht bereit sind, hier zu
ntworten – ich kann sehr gut verstehen, dass Sie da in
iner Zwickmühle sind:
uf der einen Seite der Finanzminister, auf der andereneite der Vorsitzende der SPD-Fraktion –, möchte ichie fragen: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, ers-ens, dass ich heute nicht beabsichtige, zu beantragen,en Minister herbeizurufen, obwohl wir dazu Anlassätten, weil Ihre Aussagen und Ihre Antwort schwachind,
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3916 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Jürgen Koppelinund zweitens, dass ich keine Aktuelle Stunde beantrage,weil wir uns so sehr auf die Aktuelle Stunde freuen, diedie Grünen voraussichtlich als Reaktion auf eine derAntworten auf die nächsten dringlichen Fragen stellenwerden?D
Herr Kollege Koppelin, es bleibt den Anwesenden
hier im Haus nichts anderes übrig, als selbst die unsin-
nigsten Aussagen zur Kenntnis zu nehmen.
Da sich niemand anders zu einer Nachfrage meldet,
kommen wir nun im Rahmen der Beantwortung der
dringlichen Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärti-
gen Amtes.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatsminister
Gernot Erler zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 3 des Kollegen Hans-
Christian Ströbele auf:
Inwieweit treffen Medienberichte zu, dass den für eine
Teilnahme an der ersten Straßenfußballweltmeisterschaft
– Streetfootballworld – angemeldeten Spielern aus Ghana und
Nigeria die Visumerteilung für eine Einreise in die Bundesre-
publik Deutschland versagt wurde, und inwieweit sieht die
Bundesregierung dadurch die vorangegangene Förderung der
Projekte durch Bundesministerien und Botschaften als wir-
kungslos an?
Herr Kollege Ströbele, in 24 Ländern weltweit neh-
men Jugendliche bzw. junge Männer aus Gebieten mit
sozialen Problemen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren
an Straßenfußballprojekten zur sozialen Integration teil.
Aus diesen lokalen Projekten wurden von den Veranstal-
tern jeweils fünf bis acht Jugendliche ausgewählt, um an
dem Straßenfußballfestival „streetfootballworld festival 06“
ab dem 2. Juli 2006 in Berlin teilzunehmen.
Richtig ist, dass die Visa hierfür acht Personen aus
Nigeria und elf aus Ghana wegen Nichtvorliegens der
Voraussetzungen für die Visumerteilung, insbesondere
wegen konkret begründeter Zweifel an ihrer Rückkehr-
bereitschaft von den zuständigen deutschen Auslands-
vertretungen leider nicht erteilt werden konnten. Das
geltende Ausländerrecht, das Schengener Durchfüh-
rungsübereinkommen und die Gemeinsame Konsulari-
sche Instruktion der Schengenstaaten sind auch für die
Fußballweltmeisterschaft und ihre Nebenveranstaltun-
gen zu beachten und sie sind nicht außer Kraft gesetzt.
Wesentliches gemeinsames Ziel der Straßenfußball-
projekte ist, dass die jungen Menschen über das Medium
Fußball wichtige Fähigkeiten und Kenntnisse erlernen.
Es geht um Themen der sozialen Integration, des Ge-
waltverzichts, um Umweltschutz und um den Kampf ge-
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Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, ob bei der Vorbe-eitung von internationalen Konferenzen, die ineutschland, zum Beispiel in Berlin, stattfinden, jederonferenzteilnehmer durchgecheckt wird, damit sicher-estellt ist, dass er aus Deutschland tatsächlich wiederusreist.Hierbei handelt es sich um eine Veranstaltung imahmen des großen Festes der Fußballweltmeisterschaftn Deutschland, das von der Bundesregierung mit finan-iert worden ist. Der Bundesinnenminister persönlichOtto Schily seinerzeit – hat gemeinsam mit dem Trai-er der deutschen Fußballnationalmannschaft, „Klinsi“,n Kreuzberg das Stadion, das extra dafür errichtet wor-en ist, mit eröffnet. Hält es die Bundesregierung danachatsächlich für vertretbar oder richtig, von den 24 Mann-chaften, die aus allen Teilen der Welt hierher anreisenollen – das sollen Jugendliche sein, die Straßenfußballpielen, bei denen per definitionem davon auszugehenst, dass sie nicht über die Bindungen verfügen, über dieie oder ich oder andere renommierte Persönlichkeitenerfügen –, gerade zwei Mannschaften aus Afrika auszu-aden oder Spielern keine Visa zu erteilen, sodass sieicht zu diesem Fußballfestival in Kreuzberg kommenürfen, weil Sie nicht sicher sind, ob der eine oder an-ere in Deutschland bleiben würde? Finden Sie nicht,ass das dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschlandrheblichen Schaden zufügt und dass wir unser großesest, das wir in Deutschland feiern, gerade da, wo es umugendliche aus Afrika geht – wir denken daran, dasshana gestern leider aus der Fußballweltmeisterschaftusgeschieden ist –, konterkarieren?
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Herr Kollege Ströbele, ich glaube, dass der Vergleich
eines Straßenfußballfestivals mit einer internationalen
Konferenz etwas problematisch ist.
Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, haben Sie selbst
eben aufgezeigt – sehr eindrucksvoll, wie ich finde –,
welch großes Interesse und welch große Unterstützung
dieses Straßenfußballfestival bei der Bundesregierung
gefunden hat. Die Frage ist nur, ob das zum Beispiel be-
rechtigt, unterschiedliche rechtliche Maßstäbe anzule-
gen,
und wie die Reaktion der Schengenstaaten aussähe,
wenn wir das täten. Wir haben rein rechtlich gar keine
andere Möglichkeit, als hier eine Einzelfallprüfung vor-
zunehmen.
Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass für insge-
samt 13 Länder, aus denen Teams eingeladen wurden,
eine Visumpflicht besteht. In elf Ländern hat diese Prü-
fung, zu einem großen Teil jedenfalls – es hat auch ein-
zelne Problemfälle gegeben –, dazu geführt, dass die
Mannschaften einreisen konnten. Wir bedauern sehr,
dass das in den Fällen Nigeria und Ghana aufgrund der
Einzelfallprüfung nicht verantwortbar war; darauf, wel-
ches die Hintergründe sind, werde ich in der Antwort auf
die zweite Frage von Ihnen noch eingehen.
Hierzu gibt es eine Nachfrage des Kollegen Gehrcke.
Herr Staatsminister, darf ich unterstellen, dass Ihre
Prüfung bei den Profifußballern, soweit eine solche statt-
gefunden hat, keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben hat,
dass auch Berufsfußballer möglicherweise den Wunsch
haben, in Deutschland oder in einem der anderen Schen-
genstaaten zu bleiben, um hier neue Verträge abzuschlie-
ßen? Finden Sie nicht auch, dass der soziale Aspekt hätte
bedacht werden müssen, gerade vor dem Hintergrund
dessen, dass es hier um den großen Sport auf der einen
Seite und Straßensport auf der anderen Seite geht?
Herr Kollege Gehrcke, Ihre Unterstellung, dass sich
die Bundesregierung nicht in der Lage sieht, hier aus ir-
gendwelchen Gründen Unterschiede zu machen, ist völ-
lig richtig. Die Behandlung bei der Prüfung von Visa
muss aus rechtlichen Gründen überall gleich sein. Das
ist auch unsere Praxis.
Dann rufe ich die dringliche Frage 4 des Kollegen
Hans-Christian Ströbele auf:
Sieht die Bundesregierung in dem Ablehnungsgrund, dass
die Kinder aus zerrütteten Verhältnissen stammen und von da-
her eine Rückkehrbereitschaft nicht gesichert sei, einen
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Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt,ass es sich hier um von den Veranstaltern ausgewählte
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Hans-Christian StröbeleGäste der Bundesrepublik Deutschland handelte, dassdiejenigen, die vor einigen Tagen die Nachricht der Bun-desregierung bekommen haben, dass sie nicht zu diesemFußballfest nach Deutschland dürfen und hier nicht will-kommen sind, in Tränen ausgebrochen sind und ver-zweifelt sind und dass damit die Repräsentanz Afrikasauf diesem Fußballfestival in Berlin-Kreuzberg im Rah-men der Fußballweltmeisterschaft infrage gestellt ist,und zwar gerade die von zwei Ländern, die große Ver-dienste um den Fußball haben, wie man ja nicht zuletztan dem hervorragenden Spiel der ghanaischen Fußball-mannschaft am gestrigen Tage sehen konnte?Ist die Bundesregierung bereit, wenn der DeutscheBundestag die entsprechende Bitte äußern sollte – ichhabe gehört, dass das jetzt möglicherweise Gegenstandder Beratungen des Sportausschusses sein wird –, ihreEntscheidung noch einmal zu überprüfen und den Jungsschleunigst eine Einreise nach Berlin zu ermöglichen,damit sie ab Sonntag an diesem Fußballfestival teilneh-men können?
Herr Kollege Ströbele, in meinen Antworten habe ich
eben sowohl das Bedauern der Bundesregierung ausge-
drückt als auch das Verständnis für die Enttäuschung.
Diesbezüglich besteht also kein Unterschied in der Ein-
schätzung.
In Bezug auf das, was Sie zu Afrika sagen, kann ich
Ihnen nicht folgen. Insgesamt sind sechs verschiedene
Teams aus Afrika eingeladen worden. Für alle sechs
Länder besteht Visumspflicht. Es ist so gewesen, dass in
den Fällen von Kenia und Ruanda – beide aus der Re-
gion der Großen Seen – sowie von Senegal und Süd-
afrika diese Einzelfallprüfung nicht zu Beanstandungen
geführt hat, sodass diese vier Staaten an dem Straßenfuß-
ballfestival teilnehmen können. Wir bedauern, dass das
aus Gründen, die ich eben sehr detailliert dargelegt habe,
im Fall von Ghana und Nigeria nicht der Fall ist. Ich will
Ihnen, Herr Ströbele, auch gerne zugestehen, dass die
Verdienste von Ghana und Nigeria im Fußball ziemlich
groß sind. Ich glaube aber, Sie wissen genauso gut wie
ich, auch aus unserer alltäglichen Praxis als Abgeord-
nete, dass gerade aus Ghana und Nigeria Visumsfälle,
bei denen wir es mit einem unsicheren Migrationshinter-
grund zu tun haben, statistisch gesehen sehr häufig sind.
Insofern sind diese Beanstandungen auch nicht ganz
überraschend gekommen.
Wir haben keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass hier
eine gründliche Prüfung stattgefunden hat, Herr Kollege
Ströbele. Zum Teil sind die Betreffenden zweimal zu
persönlichen Gesprächen eingeladen worden. Aus den
genannten Gründen hat sich da eben eher der Eindruck
verfestigt, dass statt der Teilnahme eine andere Absicht
im Vordergrund gestanden hat, zum Beispiel, hier in
Deutschland Fußballkarriere zu machen.
Herr Kollege, wir müssen jetzt aufpassen, dass das se-
iös bleibt. Mit Ihrem Einwurf „Na und?“ unterstellen
ie, dass hier eine Nichtgleichbehandlung stattfinden
oll.
as kann man nicht akzeptieren. Wir alle kennen Fälle,
o Familien oder Einzelpersonen sehr gute Gründe ha-
en, sich aus ihrer Heimat zu verabschieden und nach
eutschland zu kommen, das aber aus rechtlichen Grün-
en nicht geht. Das gilt dann eben auch für junge Men-
chen, die von einer Fußballkarriere träumen.
Eine weitere Nachfrage der Kollegin Ute Koczy.
Danke sehr. – Herr Staatsminister, ich komme ja aus
er Entwicklungszusammenarbeit. Auch Ihnen dürfte
ekannt sein, dass das Thema Fußballkarriere gerade in
en Entwicklungsländern eine wichtige Rolle spielt; sie
st eine der wenigen Möglichkeiten, der sozialen Armut
u entrinnen. Ist Ihnen bekannt, dass viele der erwachse-
en Fußballspieler, die sich hier in Deutschland auf der
M präsentieren, das gerade mit dem Argument tun,
ventuell eine internationale Karriere starten zu können?
timmen Sie zu, dass der Ablehnungsgrund, den Sie hier
enannt haben, eigentlich voll im Widerspruch zu dem
teht, was innerhalb der Fußballwelt diskutiert wird,
ämlich die Suche nach Talenten, die wir fördern wollen
nd die sich in Berlin präsentieren wollen und auch müs-
en, um überhaupt die Chance zu haben, wahrgenommen
u werden, und dass es ein sehr legitimes Interesse ist,
m Fußball Karriere zu machen?
Frau Kollegin, ich bin kein Fußballfachmann; abereine Kenntnisse reichen, glaube ich, so weit, dass ichine zutreffende Darstellung dessen geben kann, wasunge Menschen, insbesondere junge Männer, sich inezug auf ihre Karriere vorstellen. Dass das berechtigtenteressen sind, sehe auch ich so. Die Frage ist bloß, obiese berechtigten Interessen zum Beispiel schwereriegen als schwierige soziale Verhältnisse, aus denenenschen kommen. Ich finde, in anderer Hinsicht ist esenauso berechtigt, sich zu überlegen, ob man nicht ininem anderen Land unter besseren Umständen lebenann. Aber das enthebt niemanden der Anwendung deremeinsamen europäischen Regeln und Gesetze. Es istun einmal so, dass, wenn klare Anzeichen dafür vor-anden sind, dass keine Rückkehrbereitschaft besteht,ondern eher sogar das Ziel erkennbar ist, in dem Landu bleiben, dem Wunsch nach einem Visum nicht ent-prochen werden kann. Bei allem Verständnis für die ge-annten Pläne wäre es außerordentlich ungerecht, wennan im Zusammenhang mit Fußball eine Ausnahme ma-hen würde, bei sozialen Fragen aber nicht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3919
)
)
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Professor
Dr. Keskin.
Herr Staatsminister, ich habe große Schwierigkeiten,
Ihren Erläuterungen zu folgen. Es sind junge Fußballer
aus den genannten Ländern eingeladen worden; aber
man muss doch von vornherein gewusst haben, dass für
diese Länder Visumszwang besteht. Es kann doch nicht
sein, dass man jemanden einlädt und ihm anschließend
sagt: Es tut mir Leid, Sie erfüllen die Anforderungen für
ein Visum nicht. – Das heißt, man hätte von vornherein
daran denken müssen, was passiert. Deshalb meine
Frage: Weshalb hat man in diesem Fall nicht daran ge-
dacht, dass diese Menschen aufgrund des Visumszwangs
möglicherweise nicht nach Deutschland einreisen kön-
nen? Wenn man die Einladung ausspricht, hätte man
diese Möglichkeit in Betracht ziehen und etwas organi-
sieren müssen.
Herr Kollege, ich muss noch einmal darauf hinwei-
sen, dass es nicht die Bundesregierung oder die Bundes-
republik war, die einzelne Mannschaften eingeladen hat,
sondern der Veranstalter; er hat auch die Entscheidung
getroffen, welche Teams eingeladen werden sollen. Ich
habe vorhin darauf hingewiesen – aber ich tue es gerne
noch einmal –, dass die Bundesregierung den Veranstal-
ter von vornherein darauf aufmerksam gemacht hat, dass
es bei der Visaerteilung keine Automatik gibt, sondern
dass das Risiko besteht, dass eine Reise nach Deutsch-
land aus visarechtlichen Gründen nicht möglich ist. Das
wusste der Veranstalter; er ist bereits im Januar darauf
hingewiesen worden. Entsprechend verhält er sich jetzt
auch.
Damit komme ich zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht der
Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller zur Ver-
fügung.
Ich rufe zunächst die dringliche Frage 5 des Kollegen
Volker Beck auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der nordrhein-
westfälischen Landesregierung, deren Innovationsminister,
tors am Standort Jülich angeregt hat, und ist diese Position mit
der Bundesregierung abgestimmt?
Mi
Sehr geehrter Herr Kollege Beck, die Bundesregie-
rung hat natürlich die Aussagen des Forschungsministers
des Landes Nordrhein-Westfalen zur Kenntnis genom-
men, wonach er sich das Jülicher Forschungszentrum als
Keimzelle für einen neuen Hochtemperaturreaktor
grundsätzlich vorstellen könne. Diese Aussage ist aber
in keiner Weise mit der Bundesregierung abgestimmt.
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3920 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Ich möchte zunächst Ihre Frage aufgreifen, ob ein
Forschungsreaktor weiter möglich sei. In diesem Zusam-
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–
Herr Kollege Beck, Sie wissen als Parlamentarischereschäftsführer sehr genau, dass Sie nur zwei Nachfra-en stellen dürfen. Da Sie diese Möglichkeit schon mehrls ausgeschöpft haben, würde ich jetzt zur nächstenrage übergehen wollen.
Bitte schön. Sie können einen Antrag stellen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3921
)
)
Da ich diese Aussagen sehr interessant finde und den
Eindruck habe, dass sie sich mit Aussagen des Bundes-
wirtschaftsministers zu der Frage der Restlaufzeiten, die
wir immer wieder hören, nicht gänzlich in Deckung
bringen lassen, beantrage ich namens meiner Fraktion
am Ende der Fragestunde eine Aktuelle Stunde zu dem
hier aufgerufenen Themenbereich der Atompolitik, bitte
aber, damit wir diese Diskussion umso fundierter führen
können, die weiteren dringlichen Fragen zu diesem
Thema noch zu beantworten.
Vielen Dank.
Das entspricht Nr. 1 b der Richtlinien für die Aktuelle
Stunde, die dann im Anschluss an die Fragestunde statt-
findet.
Ich rufe jetzt die dringliche Frage 7 des Abgeordneten
Hans-Josef Fell auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des stellvertreten-
den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, Dr. Andreas
Pinkwart ,
dass der Thoriumreaktor eine zukunftweisende Technologie
sei?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Zwischen CDU/CSU und SPD bestehen hinsichtlich
der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unter-
schiedliche Auffassungen. Deshalb kann die am 14. Juni
2000 zwischen Bundesregierung und Energieversor-
gungsunternehmen geschlossene Vereinbarung und kön-
nen die darin enthaltenen Verfahren sowie die dazu in
der Novelle des Atomgesetzes getroffenen Regeln nicht
geändert werden.
Herr Kollege Fell, Sie haben eine Nachfrage.
Frau Präsidentin, ich habe keine Nachfrage, sondern
den Eindruck, dass eine andere Frage beantwortet
wurde. Ich hatte in der dringlichen Frage 7 danach ge-
fragt, ob der Thoriumreaktor aus Sicht der Bundesregie-
rung eine zukunftsweisende Technologie sei, so wie es
der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Dr. Andreas
Pinkwart meint.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Er ist, wenn ich das richtig sehe, nur stellvertretender
nordrhein-westfälischer Ministerpräsident.
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3922 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3923
)
)
Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und be-ntwortet worden sind, rufe ich jetzt die Fragen aufrucksache 16/1933 in der üblichen Reihenfolge auf.Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-raucherschutz. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Corne-ia Behm werden schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums der Verteidigung. Zur Beantwortung würdeer Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidtur Verfügung stehen. Die Frage 3 des Kollegen Paulchäfer wird allerdings auch schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-icherheit. Hier steht zur Beantwortung der Parlamenta-ische Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung.Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Lutz Heilmann,ie Linke, auf:Wann wird die Bundesregierung Gesetzentwürfe für dienationale Umsetzung der EU-Öffentlichkeitsbeteiligungs-richtlinie 35/2003/EG, die bis zum 25. Juni 2005 in nationalesRecht hätte umgesetzt werden müssen, vorlegen, und warumwurden angesichts der Fristüberschreitung die unter der letz-ten Bundesregierung erarbeiteten Entwürfe für ein Öffentlich-keitsbeteiligungsgesetz und ein Umweltrechtsbehelfsgesetzjeweils vom 21. Februar 2005 noch nicht vom Kabinett be-schlossen?
Metadaten/Kopzeile:
3924 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Mi
Herr Kollege Heilmann, das geltende deutsche Recht
entspricht bereits in weiten Teilen den Vorgaben der
Richtlinie 35/2003/EG zur Beteiligung der Öffentlich-
keit bei bestimmten umweltbezogenen Plänen und Pro-
grammen sowie zur Öffentlichkeitsbeteiligung und zum
Gerichtszugang bei Industrieanlagen und Infrastruktur-
maßnahmen. Zur vollständigen Umsetzung in der Bun-
desrepublik bedarf es jedoch – Sie haben es angespro-
chen – noch Ergänzungen durch die beiden in Ihrer
Frage erwähnten Gesetzentwürfe. Sie wissen, dass wir
schon im Jahre 2005 entsprechende Gesetzentwürfe ver-
öffentlicht und im März 2005 Länder und Verbände an-
gehört haben. Durch die Beendigung der Legislatur-
periode ist dies unterbrochen worden. Wir haben die
Arbeit daran in der Zwischenzeit wieder aufgegriffen.
Die Kabinettsbefassung zu diesen beiden Gesetzentwür-
fen ist noch vor der parlamentarischen Sommerpause ge-
plant, sodass wir mit einer Inkraftsetzung in der zweiten
Jahreshälfte 2006 rechnen.
Herr Kollege, Sie haben eine Nachfrage?
Ja, ich habe zwei Nachfragen. Konkret zu den Gesetz-
entwürfen möchte ich fragen: Sollen in § 2 des Entwur-
fes des Umweltrechtsbehelfsgesetzes die Absätze 3
und 6, in denen es bislang sinngemäß heißt, dass Rechts-
behelfe zulässig und begründet sind, wenn Verbände in
ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich zur Förderung
der Ziele des Umweltschutzes berührt sind, verändert
werden? Wenn ja: wie und warum?
Mi
Im Augenblick haben wir gegenüber dem Gesetzent-
wurf von 2005 keine Änderung vorgenommen, sondern
nur eine Präzisierung.
Wollen Sie noch eine zweite Nachfrage stellen?
Meine zweite Nachfrage lautet: Wie sieht die Präzi-
sierung aus?
Mi
Es geht in einem Punkt um eine entsprechende An-
passung an die Vorgaben des europäischen Rechts.
Die Frage 5 der Abgeordneten Veronika Bellmann
wird schriftlich beantwortet.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3925
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn es einen Beschluss der Bundesregierung gibt – ich
gehe davon aus, dass er am 5. Juli erfolgt –, werden Sie
alle Fragen, die im Altenbericht angesprochen sind, de-
tailliert erörtern können. Allerdings sage ich ausdrück-
lich: Viele der Fragen, auf die Sie hinauswollen, sind im
Parlament bereits erörtert worden. Wenn der Beschluss
der Bundesregierung vorliegt, können sie aber sicherlich
noch einmal im Zusammenhang besprochen werden.
Eine weitere Nachfrage?
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Dr
Wir behandeln hier keine Gesetze, sondern hier geht
s speziell um den Altenbericht. Dazu habe ich, wie ich
laube, alles gesagt, was ich sagen musste.
Nun sind wir bei Frage 8 der Abgeordneten Inge Hö-
er-Neuling, Die Linke:
Wie steht die Bundesregierung zu der Anregung der fünf-
ten Altenberichtskommission, bei der Einschätzung der Ein-
kommensentwicklung im Alter auch Selbst- und Zuzahlungen
im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit, die aus den
laufenden Alterseinkommen zu finanzieren sind, zu berück-
sichtigen?
Dr
Da es sich bei Frage 8 um einen ähnlichen Inhalt wie
ei der vorherigen Frage handelt, muss ich auf das ver-
eisen, was ich in meiner Antwort auf Frage 7 gesagt
abe, auch wenn das für Sie vielleicht unbefriedigend
st: Die Bundesregierung wird ihre Position zum Alten-
ericht voraussichtlich am 5. Juli festlegen. Dann ist
eit, um darüber im Einzelnen zu diskutieren.
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Metadaten/Kopzeile:
3926 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Ich würde meine Frage gerne umformulieren. Ohne
Bezugnahme auf den Altenbericht würde ich gerne wis-
sen, ob es für die Beurteilung der Rentenentwicklung
nicht wichtig ist, die Ausgaben für Zuzahlungen im Fall
von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu berücksichti-
gen.
Dr
Sie haben Ihre Frage zwar verändert, aber sie bezieht
sich nach wie vor auf den gleichen Inhalt. Sie werden
verstehen, dass das gilt, was ich eben gesagt habe: Ich
kann dazu erst dann Stellung nehmen, wenn die Bundes-
regierung eine einheitliche Position beschlossen hat.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ich möchte meine Unzufriedenheit zum Ausdruck
bringen. Hier ist schon ausführlich über die Haltung der
Bundesregierung zur Rentenentwicklung berichtet wor-
den und die Empfehlungen des Altenberichts sind nicht
berücksichtigt worden. Dass Sie sich jetzt auf eine for-
male Stellungnahme zurückziehen, finde ich sehr unbe-
friedigend.
Dr
Das mag für Sie unbefriedigend sein. Da aber vier
Abgeordnete Ihrer Fraktion mehr oder weniger ähnliche
Fragen gestellt haben, darf es Sie nicht verwundern, dass
ich darauf mehr oder weniger ähnliche Antworten gebe.
Damit sind wir bei der Frage 9 des Abgeordneten
Klaus Ernst:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung für ihre Pläne,
das gesetzliche Rentenalter anzuheben, aus den von der fünf-
ten Altenberichtskommission erhobenen Bedenken gegen die-
ses Vorhaben?
Dr
Ich bitte darum, die Fragen 9 und 10 des Kollegen
Ernst gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 10 des Kollegen Ernst
auf:
Wie steht die Bundesregierung zu den Befürchtungen der
fünften Altenberichtskommission, dass die gesetzliche Ren-
tenversicherung, GRV, angesichts des Niveauabbaus der letz-
ten Jahre ihre Legitimation zunehmend verlieren und die
Transformation in ein eher allgemeines Umverteilungssystem
– gegebenenfalls sogar verknüpft mit Bedürftigkeitsüberprü-
fung – eintreten könnte, und was gedenkt sie zu unternehmen,
dass diese Befürchtungen nicht eintreten?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3927
)
)
Metadaten/Kopzeile:
3928 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Dr
Für die in jeder Legislaturperiode erfolgende Alten-
berichterstattung ist vorgesehen, dass zu jedem Altenbe-
richt eine Stellungnahme der Bundesregierung erarbeitet
wird, bevor diese mit dem Bericht veröffentlicht wird.
Die Erarbeitung der Stellungnahme zum fünften Alten-
bericht hat sich verzögert, wie ich in den Antworten auf
die vorhergehenden Fragen eben schon erläutert habe.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass Teile des
Altenberichts von der Presse thematisch aufgegriffen
worden sind. Aus welchen Quellen die Presse die Infor-
mationen hat, ist nicht bekannt. Im Rahmen der Alten-
berichterstattung werden die Berichte immer erst
zusammen mit einer vom Kabinett beschlossenen Stel-
lungnahme der Bundesregierung veröffentlicht. Das hat
eine lange Tradition. So wird auch beim fünften Alten-
bericht verfahren.
Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, wann ist mit der Debatte zum Al-
tenbericht hier im Bundestag zu rechnen?
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Dr
Über die Debatten im Bundestag befindet der Deut-
che Bundestag und nicht die Bundesregierung. Der
undestag muss darüber beschließen, wann er darüber
ebattieren will.
ie ich schon gesagt habe: Der Beschluss im Kabinett
ird am 5. Juli 2006 erfolgen. Dann wird der Bundestag
u entscheiden haben, wann er das Ganze auf die Tages-
rdnung setzt.
Eine weitere Nachfrage.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Frage 14 schon
eantwortet wurde.
Dr
Nein, das habe ich noch nicht getan.
Dann komme ich später dazu.
Ich rufe jetzt die Frage 14 der Abgeordneten Lau-
ischk auf:
Welche Aussagen werden im fünften Altenbericht zum
Renteneintrittsalter getroffen?
Dr
Die Kommission ist der Auffassung, dass in höherem
aße als bisher eine Flexibilisierung beim Übergang
om Erwerbsleben in die Nacherwerbsphase erforderlich
st. Ein Teil der Kommission verknüpft dies wegen der
efürchteten sozialen Ungleichheiten nicht mit einer Er-
öhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Ein ande-
er Teil befürwortet eine Anhebung des Renteneintritts-
lters, verweist aber darauf, dass dies eine veränderte
rbeitsmarktlage notwendig macht. Jene Personen, die
n ihrer Gesundheit eingeschränkt sind, sollen auch in
ukunft vorzeitig Rente beziehen können.
Mir liegen jetzt von Frau Laurischk und von Herrn
rnst Wortmeldungen für eine Nachfrage vor.
Haben sich die Teile der Kommission, die sich offen-ichtlich für eine Flexibilisierung und damit für eine Er-öhung des Renteneintrittsalters aussprechen, auch
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3929
)
)
Sibylle Laurischkschon dahin gehend geäußert, wo sie eine Erhöhung an-setzen?Dr
Dazu kann ich im Moment keine Stellung nehmen,
weil dazu der Altenbericht in seiner Gesamtheit vorlie-
gen müsste.
Nun eine Nachfrage des Kollegen Ernst.
Ich habe noch eine weitere Nachfrage.
Sie kommen danach noch einmal dran.
Ich möchte doch noch die Nachfrage stellen, ob Sie es
für ein normales und dem Hohen Hause angemessenes
demokratisches Verfahren halten, dass die Bundesregie-
rung Anträge für wesentliche Gesetzesänderungen zum
Rentenrecht ins Parlament einbringt, während gleichzei-
tig eine wissenschaftliche Untersuchung läuft, die nicht
veröffentlicht wird.
Dr
Ich halte es für ein ordnungsgemäßes demokratisches
Verfahren, wie es seit Jahren praktiziert wird, dass eine
wissenschaftliche Kommission einen Bericht vorlegt,
dass die Bundesregierung eine zwischen den Ressorts
abgestimmte Bewertung vornimmt und ihre Schlussfol-
gerungen daraus zieht und dass dies in der entsprechen-
den zeitlichen Folge geschieht, dass nämlich zunächst
einmal die Regierung entscheidet und dass dann über das
in sich geschlossene Konzept inklusive des Berichts dis-
kutiert wird. Das ist nichts Ungewöhnliches, sondern das
ist eine ganz normale parlamentarische Regel.
Damit sind wir bei der zweiten Nachfrage der Kolle-
gin Laurischk.
Inwieweit sieht sich die Bundesregierung im Rahmen
der Rentendebatte in der Lage, auf der Basis des vorlie-
genden Altenberichts eine eigene Meinung hinsichtlich
der Frage der Erhöhung des Renteneintrittsalters zu for-
mulieren?
Dr
Frau Kollegin Laurischk, Sie haben gefragt, inwie-
weit sich die Bundesregierung in der Lage sieht, auf der
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Das DIW Berlin kommt überdies in seiner Untersu-hung zu den gegenwärtigen Wirkungen der Ehegatten-esteuerung zu der Aussage, dass von den Ehepaarenhne aktuell steuerlich zu berücksichtigende Kinder einoher Anteil früher Kinder bekommen habe. Die Aus-ührungen des DIW legen insgesamt nahe, dass etwa0 Prozent des Splittingvolumens auf Ehepaare entfällt,ie entweder steuerlich zu berücksichtigende Kinder ha-en oder hatten.Soweit dem Ehegattensplitting unterstellt wird, esntfalte eine Anreizwirkung und begünstige eine tradi-ionelle Arbeitsteilung in der Ehe, dürfen diejenigenhepaare heute nicht benachteiligt werden, die sich auchegen ihrer Kinder entsprechend der unterstellten An-eizwirkung des Ehegattensplittings verhalten haben.
Das Splittingverfahren bei der Einkommensbesteue-ung von Ehegatten dient dem grundgesetzlichen Zweckes Schutzes der Ehe. Es stellt eine an dem Schutzgebotes Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes und der wirtschaft-ichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare – Art. 3 Abs. 1es Grundgesetzes – orientierte sachgerechte Besteue-ung sicher, so wie es auch vom Bundesverfassungsge-icht ausgeführt worden ist.
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3930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann KuesEs ist kein familienpolitisches Instrument im engerenSinne und kann demnach auch nicht allein nach famili-enpolitischen Maßstäben – danach hatten Sie ja gefragt –beurteilt werden. Die Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Ursula von derLeyen, hat angekündigt, das System der familienbezoge-nen gesetzlichen Maßnahmen und Leistungen zu über-prüfen und einer Wirkungsanalyse im Hinblick auf dieZielsetzungen einer modernen und nachhaltigen Famili-enpolitik zu unterziehen. Bei dieser Analyse wird wegendes Sachzusammenhangs auch das Ehegattensplittingberücksichtigt.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Dr. Dückert? – Bitte
schön.
Herr Staatssekretär, was halten Sie von dem Vor-
schlag – der auch in diesem Gutachten enthalten ist –,
eine Alternative zum Ehegattensplitting zu entwickeln,
die auf der einen Seite verfassungskonform ist, also den
grundgesetzlichen Schutz der Ehe berücksichtigt, aber
auf der anderen Seite ein Finanzvolumen von etwa
8 Milliarden Euro für eine direkte Förderung von Fami-
lien mit Kindern freistellt?
Dr
Ich habe darauf hingewiesen, dass die Ministerin vor-
hat, im Verlauf dieses und des nächsten Jahres die Fami-
lienleistungen in Deutschland, die sich von der absoluten
Höhe her in Europa sicherlich im oberen Grenzbereich
bewegen, zu überprüfen, die Wirkungen der Transfer-
ströme zu erfassen und zu bewerten. Sie wissen, dass es
dazu sehr unterschiedliche Positionen gibt. Dann müssen
wir Schlussfolgerungen hinsichtlich der Sinnhaftigkeit
der bestehenden Regelungen ziehen. Wie Sie wissen,
sind dabei auch verfassungsrechtliche Aspekte zu beden-
ken und die bestehenden Zielsetzungen im Blick zu be-
halten. Dann wird darüber zu reden sein, welcher finan-
zielle Spielraum im Einzelnen besteht. Sie werden
verstehen – davon waren Sie in Ihrer Frage ja auch aus-
gegangen –, dass Stellungnahmen bzw. Positionen in
Gutachten nicht die Grundlage für anstehende familien-
politische Entscheidungen darstellen können.
Jetzt folgt eine Nachfrage der Kollegin Scheel.
Herr Staatssekretär, die Diskussion über das Fami-
liensplitting zieht sehr weite Kreise. Wie bewerten Sie
die Aussage von Kardinal Meisner, der wohl zu der Auf-
fassung gekommen ist, dass das Ehegattensplitting nicht
in die heutige Zeit passt und durch ein Familiensplitting
ersetzt werden sollte?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3931
)
)
Metadaten/Kopzeile:
3932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
)
)
Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Antwort und der
unsicheren Finanzierung stellt sich in der Konsequenz
umgehend die Frage, wie sicher es dann überhaupt ist,
dass das EIT verwirklicht wird. Mit welcher Haltung
geht die Bundesregierung in die weiteren Verhandlungen
mit der europäischen Ebene?
T
Sicher ist an dieser Stelle relativ wenig; denn wir
befinden uns in einem europäischen Meinungsbildungs-
prozess. Das Bundesministerium für Bildung und For-
schung ist schon seit den ersten Konsultationen der
Kommission proaktiv tätig, um auf der europäischen
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as ist ein Thema, das wir in diesem Zusammenhang
inbringen.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte, Frau Hinz.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber
or, wie das private Kapital mobilisiert werden kann, das
ie Europäische Kommission gerne auch für das EIT
obilisieren möchte? Liegen der Bundesregierung da-
über hinaus Erkenntnisse darüber vor, ob es zu einer
tiftung kommt und Bill Gates bereits etliche Millionen
uro bzw. Dollar zugesagt hat, um diese Stiftung zu
inanzieren?
T
Nein.
Wir kommen dann zur Frage 23 der Kollegin Hinz:
Wodurch wird sich das EIT von derzeit bestehenden euro-
päischen Organisationen und Initiativen mit einem ähnlich an-
wendungsorientierten Forschungsansatz unterscheiden und
wie können durch ein solches Institut Forschung und Innova-
tion vor Ort befördert werden?
T
Frau Kollegin, nach den Vorstellungen der EU-Kom-ission besteht die zentrale gemeinsame europäischeufgabe dieses Europäischen Technologieinstituts in derebündelten Anstrengung, die Leistungspotenziale imissensdreieck von Ausbildung, Forschung und Innova-ion zur Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähig-eit auszuschöpfen. Aus Sicht der Kommission ist dasine ganzheitliche Strategie, um hinsichtlich der Errei-hung der Lissabonner Ziele in den Bereichen Ausbil-ung, Forschung und Innovation neue und nachhaltigempulse in Europa zu setzen.Aus Sicht der Kommission soll sich das EIT in andereU-Initiativen einfügen. Ich nenne nur das 7. For-chungsrahmenprogramm, den Forschungsrat und dieechnologieplattformen. Es ist das Ziel, damit den Inno-ationsrückstand aufzuholen. Hierbei sollen nach Plänener Kommission der spezifische Beitrag des EIT in derberwindung der Fragmentierung der Wissenssektorenn der EU, in der Schaffung eines neuen Referenzmo-ells und auf der Basis von Spitzenleistung sowie dererbesserung der Integration von Wirtschaft und Inno-ation in Forschung und Ausbildung liegen, um so dennnovationsprozess in Europa zu beschleunigen. Aus
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3933
)
)
Parl. Staatssekretär Thomas RachelSicht der Kommission zielt das EIT darauf, Talente undStudierende aus der ganzen Welt anzuziehen, Innova-tionsmanagern ein attraktives Arbeitsfeld anzubietenund Spitzenleistungen europaweit zu fördern.Aus Sicht des Bundesministeriums für Bildung undForschung ist kritisch anzumerken, dass bis heute eineklare Abgrenzung beispielsweise zu dem European Re-search Council, ERC, und damit eine verstärkte Profil-bildung der europäischen Wissenslandschaft nicht zu er-kennen ist.
Eine Nachfrage, Frau Hinz.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Mich würde angesichts der Fülle der Aufgaben, die
dort wahrgenommen werden sollen, interessieren, wie
speziell die Abwanderung von Nachwuchswissenschaft-
lern und -wissenschaftlerinnen verhindert und die Wer-
bung um Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus
dem Ausland und von Deutschen, die im Ausland tätig
sind, nach Deutschland zu kommen, durch das EIT be-
fördert werden können und ob die Bundesregierung in
Verhandlungen darauf drängt, dies zu einer besonderen
Aufgabe des EIT zu machen.
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Die Kommission ist bisher ein in sich schlüssiges, ab-
gewogenes und durch einen finanziellen Rahmen abgesi-
chertes Konzept schuldig geblieben. Daher wird diese
Frage nicht beantwortet. Die Bundesregierung und das
Bundesforschungsministerium sehen in den bisher vor-
gelegten Eckpunkten der EU-Kommission weniger die
Lösung. Wir denken, dass ein europäischer Mehrwert
vielmehr durch eine Vernetzung der vorhandenen Insti-
tutionen erzielt werden könnte. Das meine ich aber nicht
in dem Sinne, dass beispielsweise das EIT einen ganz
anderen Schritt macht, weil es eine Rechtspersönlichkeit
ist. Dies sehen wir eher kritisch.
Zweite Nachfrage, bitte schön.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ich sehe, dass die Bundesregierung nach wie vor eine
skeptische Haltung hat, die ich durchaus teile.
Meine zweite Nachfrage betrifft die Zeitschiene:
Wann kann die Europäische Kommission Ihrer Auffas-
sung nach dazu kommen, überhaupt einmal ein einiger-
maßen schlüssiges Konzept vorzulegen, das diskutiert
werden kann und bei dem Finanzierung und Schwer-
punkte klar sind? Das wäre etwas, was auf der EU-
Ebene gemeinsam getragen werden kann.
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Ich kann Ihnen nur etwas dazu sagen, welchen Bei-
rag die Bundesregierung in diesem Diskussionsprozess
eistet. Sie wissen, dass wir den federführenden Aus-
chuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
chätzung immer über die weiteren Schritte informiert
aben. Das BMBF hat am 10. Mai in Berlin ein Sympo-
ium zur generellen Frage der Steigerung der Leis-
ungsfähigkeit, der technologischen und anwendungs-
rientierten Forschung auf europäischer Ebene mit
ochrangigen Vertretern aus der Wissenschaft und der
irtschaft durchgeführt, um zu prüfen, welche Struktu-
en und Aufgaben ein EIT zukünftig haben könnte. In-
ormationen über die Anstrengungen, die hier unternom-
en werden, konnten an die EU-Kommission ohne
eiteres weitergeleitet werden.
Am 20. Juni hat im Rahmen der inzwischen erfolgten
onsultationen mit den Mitgliedstaaten eine weitere Sit-
ung des EIT-Expertenkreises stattgefunden, um eine
issenschaftlich fundierte Position zum Kommissions-
orschlag zu erarbeiten. Daran haben hochrangige Ver-
reter der deutschen Wissenschaft und der Industrie teil-
enommen, beispielsweise Professor Kutzler, Präsident
er TU Berlin, Professor Löhe, Uni Karlsruhe, Professor
leinert, DFG, Professor Neher von der MPG. Auf Ini-
iative des BMBF hat am 21. Juni in Brüssel ein Work-
hop zum Thema „Innovative Cluster schaffen – Erfah-
ungen aus Deutschland, Schweden und dem Vereinigten
önigreich“ stattgefunden, um die Stärken von tatsäch-
ich erfolgreich arbeitenden Wissenschafts- und Indus-
rienetzen mit Vertretern der Mitgliedstaaten und der
ommission eindeutig und eingehend zu diskutieren. In
iese Richtung denken wir und dies versuchen wir in den
uropäischen Prozess einzubringen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir bleiben beim
eschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung
nd Forschung. Zur Beantwortung steht jetzt der Parla-
entarische Staatssekretär Andreas Storm zur Verfü-
ung.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Hakki
eskin von der Fraktion Die Linke auf:
Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung aus der Tatsache, dass 41 Prozent der Personen mit
Migrationshintergrund in der Altersgruppe von 25 bis 35 Jah-
ren über keinen beruflichen Bildungsabschluss verfügen?
Bitte schön.
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Kollege Ke-kin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es ist das er-lärte Ziel der Bundesregierung, dass Jugendliche undrwachsene – das gilt uneingeschränkt sowohl für
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3934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Parl. Staatssekretär Andreas StormMenschen mit als auch für Menschen ohne Migrations-hintergrund – eine zweite Chance erhalten, um einenSchulabschluss nachzuholen oder um eine Ausbildungerfolgreich zu durchlaufen. In den im Februar 2006 vomBundesministerium für Bildung und Forschung veröf-fentlichten Leitlinien der Bildungs- und Forschungspoli-tik wurde das Ziel formuliert, dass die Zahl der derzeitrund 1,3 Millionen jungen Menschen ohne abgeschlos-sene Berufsausbildung deutlich verringert wird.Ausgehend davon stellt die abschlussorientierteNachqualifizierung von an- und ungelernten jungen Er-wachsenen mit und ohne Migrationshintergrund ein zen-trales Handlungsfeld künftiger berufsbildungspolitischerAktivitäten des Bundesbildungsministeriums dar. Auchder von Frau Bundesbildungsministerin Dr. AnnetteSchavan Anfang April 2006 ins Leben gerufene Innova-tionskreis berufliche Bildung wird sich unter anderemmit diesem Themenkomplex befassen und in diesem Zu-sammenhang Handlungsvorschläge erarbeiten. DieseHandlungsvorschläge und Arbeitsergebnisse des Innova-tionskreises werden in die Planung einschlägiger Initiati-ven des BMBF einfließen.
Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, 41 Prozent der Menschen zwi-
schen 25 und 35 Jahren mit Migrationshintergrund ha-
ben keine berufliche Ausbildung bzw. Bildung. Bei
Menschen ohne Migrationshintergrund beträgt dieser
Anteil 15 Prozent. Mit anderen Worten: Es gibt einen
riesigen Nachholbedarf, wenn es darum geht, die Lage
der jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu ver-
bessern. Meinen Sie, dass Sie mit den Maßnahmen, die
Sie genannt haben, diesem Nachholbedarf gerecht wer-
den können?
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Herr Abgeordneter Keskin, zur Bewältigung dieses
Problems gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die
schon seit längerer Zeit laufen. Ich möchte einige he-
rausgreifen.
Es gibt im Förderpaket des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung für den Bereich der beruflichen
Bildung das Programm „Jobstarter“ mit Konzentration
unter anderem auf die Verbesserung der Situation von
Menschen mit Migrationshintergrund.
Zu den bundesweit verstärkt betriebenen Aktivitäten
zählt unter anderem eine Veranstaltungsreihe „Moscheen
aktiv für Berufsbildung“, mit der wir versuchen, insbe-
sondere für Jugendliche aus der türkischen Bevölkerung
eine deutliche Besserung im Hinblick auf die Beteili-
gung an der beruflichen Bildung zu erreichen.
Ich möchte noch eine andere Initiative nennen. Wir
haben in den letzten Monaten unsere Bemühungen ver-
stärkt, gemeinsam mit den Vertretern von Unternehmen,
deren Inhaber einen Migrationshintergrund haben, die
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– Schön.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister
Gernot Erler zur Verfügung.
Die Frage 30 des Kollegen Addicks soll schriftlich
beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 31 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke von der Fraktion Die Linke:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen des frü-
heren Bundeskanzlers Gerhard Schröder vor dem Nah- und
der von Hamas geführten Regierung gefordert hat?
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Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
hen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es tut mir Leid, Sie
haben sich umsonst hierher bemüht.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
zur Verfügung.
Die Fragen 44 und 45 der Kollegin Christine Scheel,
die Fragen 46 und 47 der Kollegin Kerstin Andreae, die
Frage 48 der Kollegin Dr. Thea Dückert sowie die Fra-
gen 49 und 50 des Kollegen Dr. Gerhard Schick sollen
schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe nun die Frage 51 der Kollegin Ute Koczy auf:
Wer ist im Ressortkreis federführend mit der Entwicklung
eines deutschen Vorschlags für eine Flugticketabgabe bzw.
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Wo ist er? Aha, da ist er.
Dann darf ich die Parlamentarischen Geschäftsführer
ragen, ob sie damit einverstanden sind, dass wir mit der
ktuellen Stunde sofort beginnen. Gibt es Widerspruch? –
as ist nicht der Fall.
Die Bundesregierung lässt mich gerade wissen, dass
er Vertreter des Wirtschaftsministeriums noch nicht an-
esend ist, sie aber möchte, dass er bei dieser Debatte
nwesend ist. Es war vereinbart, dass die Aktuelle
tunde erst 15.45 Uhr beginnen sollte. Deswegen müs-
en wir, denke ich, darauf Rücksicht nehmen.
Mit Ihrem Einverständnis unterbreche ich daher die
itzung für wenige Minuten und werde sie bei Eintreffen
es Vertreters des Wirtschaftsministeriums wieder eröff-
en.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ichitte, Platz zu nehmen.Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat zurntwort der Bundesregierung auf die dringlichen Fra-en 5 und 6 eine Aktuelle Stunde beantragt. Ich darf dieragen noch einmal kurz vorlesen. Dringliche Frage 5autet:Teilt die Bundesregierung die Auffassung der nord-rhein-westfälischen Landesregierung, deren Inno-vationsminister, Dr. Andreas Pinkwart, laut Me-dienberichten ... den Bau eines neuen Atomreaktorsam Standort Jülich angeregt hat, und ist diese Posi-tion mit der Bundesregierung abgestimmt?Die dringliche Frage 6 lautet:Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorschlägedes Innovationsministers von Nordrhein-Westfalen,
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsDr. Andreas Pinkwart, bezüglich ihrer atomrechtli-chen Konsequenzen und bezüglich der Diskussionum die Änderung der Restlaufzeiten?Ich rufe daher auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNENAtompolitik der BundesregierungIch eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hatdas Wort die Kollegin Bärbel Höhn von Bündnis 90/DieGrünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inder Fragestunde hat der Umweltminister sehr klar Stel-lung bezogen. Er hat gesagt, die Bundesregierung hältam Atomausstieg fest. Er hat auch gesagt, der Ring-tausch von Laufzeiten mit dem Ziel, die Laufzeiten älte-rer Atommeiler zu verlängern, findet nicht statt und wirdvon der Bundesregierung abgelehnt. Über diese klarenAussagen haben wir uns sehr gefreut.Herr Minister Gabriel, ich weise Sie aber darauf hin,dass es diesbezüglich keinen klaren Kurs der Bundesre-gierung gibt. Heute haben wir den 28. Juni. Mir liegteine Meldung von Reuters vom 23. Juni vor, die sich aufeine Veranstaltung vom 22. Juni in Düsseldorf bezieht,bei der der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos an-wesend war. Ich zitiere aus der Meldung von Reuters:„Wir müssen einen breiten Energiemix von derBraunkohle bis zur Atomenergie aufrechterhalten“,sagte der CSU-Politiker– Michael Glos –bei einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstagin Düsseldorf. Er halte es für falsch, dass Deutsch-land aus der Atomkraft aussteigen wolle.
– Sehen Sie, Herr Gabriel? Was machen Sie jetzt mit Ih-ren Kollegen aus der Koalition?Es sei absurd, wenn Atommeiler, die technisch wei-ter betrieben werden könnten, „aus ideologischenGründen“ vom Netz genommen werden sollten …Er sei optimistisch, dass es nicht dazu kommenwerde, dass Atomkraftwerke bereits in dieser Le-gislaturperiode abgeschaltet werden würden, fügteder Minister hinzu. Dazu gebe es etwa die Möglich-keit der Quotenübertragung. Als eine Möglichkeitzur Umgehung des Atomausstiegs wird zwischenden Versorgern ein Ringtausch von Restlaufzeitenerwogen. Glos übte zugleich Kritik an Umweltmi-nister Sigmar Gabriel. Er wisse nicht, ob es richtigsei, wenn der SPD-Politiker die Politik seines grü-nen Vorgängers Jürgen Trittin kopiere. „Niemandist davor geschützt, klüger zu werden“, sagte Glosweiter …ShsrIgwudrfkEmrwdKbhggssKzPCeeJBsk
Kritik übte Glos zugleich an der Förderung erneuer-barer Energien. Deren Sinnhaftigkeit müsse über-prüft werden. Die Förderung könne sich die Bun-desrepublik eigentlich nicht leisten, fügte er hinzu.o viel zu der klaren Position der Bundesregierung. Des-alb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt.
Ich werde heute gar nicht auf die gesundheitlichen Ri-iken eingehen. Ich sage Ihnen: Auch wirtschaftlichechnet sich Atomkraft nicht.
ch werde hier und heute nur diesen einen Punkt darle-en. Der Vorschlag von Pinkwart, ein neues Atomkraft-erk zu bauen, ist absurd, ein energiepolitischer Irrwegnd haushaltspolitisch unverantwortlich.
Ich mache das an dem Typ Atomkraftwerk deutlich,en Pinkwart gefordert hat, nämlich an dem Hochtempe-aturreaktor, Typ Pinkwart, den wir in Nordrhein-West-ahlen, in Hamm-Uentrop, schon einmal hatten: Bau-osten 2 Milliarden DM, Gesamtkosten inklusive allerntsorgungskosten – so ist es den Zeitungen zu entneh-en – 5 Milliarden DM.Wissen Sie, wie lange dieser Reaktor, der Zukunfts-eaktor von Herrn Pinkwart, dann letzten Endes am Netzar? 426 Volllasttage. Das heißt, jeder Tag Volllast hatie Menschen 10 Millionen DM gekostet. Das sind dieosten des Zukunftsreaktors, den Pinkwart nach vorneringen will. Das wollen wir nicht.
Von den 5 Milliarden DM, die dieser Reaktor gekostetat, haben die Steuerzahler letzten Endes vier Fünftelezahlt. Den Rest haben letztlich die Energiekonzerneezahlt. Aber die Steuerzahler haben die Hauptlast die-er absurden Summe von 5 Milliarden DM gezahlt. Ichpreche noch nicht einmal über den schnellen Brüter vonalkar. Auch der ist ein Milliardengrab für die Steuer-ahler.Das gilt übrigens auch für die Forschung. Denninkwart ist nicht nur Forschungsminister, sondern auchhaosminister,
r war nämlich Forscher in der Chaostheorie. Das kannr offensichtlich sehr exzellent.
etzt ist er Forschungsminister. Ich nehme einmal daseispiel des Forschungsreaktors Jülich. Dieser For-chungsreaktor ist 1988 stillgelegt worden. Der Rückbauostet die Steuerzahler mindestens 500 Millionen,
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Bärbel Höhnwahrscheinlich 600 Millionen Euro. Auch das haben wirder früheren Regierung zu verdanken, nämlich dem da-maligen Minister Riesenhuber, der gesagt hat: Bei denKosten für die Forschungsreaktoren zahlen die Betreiber1 Milliarde Euro, den Rest der Staat. Die Steuerzahlerin-nen und -zahler sind jetzt verpflichtet, für die gesamtenReaktorkosten aufzukommen.Das alles sind Milliardengräber. Wir wollen endlichaus der Atomenergie aussteigen, und zwar aus vielenGründen, unter anderem auch aus wirtschaftlichen Grün-den. Deshalb schaffen Sie Klarheit in dieser Bundesre-gierung! Geben Sie keine falschen Signale! Ansonstenwerden sie von Ministern wie Pinkwart aufgegriffen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habeein gewisses Verständnis für die grüne Opposition, dienach jedem möglichen Zipfel greift, um eine AktuelleStunde anzuzetteln. Zunächst sollten angebliche Äuße-rungen des nordrhein-westfälischen Innovationsminis-ters zum Neubau eines Reaktors als Aufhänger für dieseAktuelle Stunde dienen. Inzwischen ist klargestellt, dassin Nordrhein-Westfalen kein Neubau eines Kernreaktorsgeprüft wird.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen musste also flugsdie Überschrift für die heutige Aktuelle Stunde ändern,um doch noch einen Aufhänger zu konstruieren.
Nachdem das dann auch nicht so richtig lief, wurde dasSpielchen mit der Geschäftsordnung weitergetrieben.Nun diskutieren wir also, obwohl es nichts Neues zu dis-kutieren gibt.
In der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD istausdrücklich festgehalten, dass bezüglich der Nutzungvon Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedlicheAuffassungen bestehen und deshalb an der geltendenRechtslage nichts geändert wird.
Das heißt aber noch lange nicht, dass für die Koalitions-fraktionen und die Parteien damit ein Maulkorb zumTGkdaDkcusINdhßvDnsKprmedrwgnFdAdiAdVugEjuZ
Lassen Sie mich darüber hinaus sagen, dass ich es au-erordentlich begrüße, dass NRW die Reaktorforschungerstärken will.
enn gerade in den vergangenen sieben Jahren auch grü-er Regierungsverantwortung wurde die Reaktorfor-chung auf null reduziert. Dem dadurch entstandenennow-how-Verlust und der mittlerweile fehlenden Kom-etenz in Deutschland, einem Land, das in diesem Be-eich weltweit eine Spitzenposition eingenommen hatte,uss dringend entgegengewirkt werden.
Daher kann ich es nur begrüßen, wenn sich NRW zuiner zukunftsoffenen Forschungspolitik bekennt undiese vorantreibt. Angesichts der großen Herausforde-ungen, in den nächsten Jahrzehnten eine sichere, um-eltbewusste und preisgünstige Energieversorgung zuewährleisten, können wir es uns nicht erlauben, auchur auf eine einzige mögliche Zukunftsoption, die dieorschung eröffnen könnte, zu verzichten.Meine Damen und Herren, die Grünen hängen sich inen letzten Tagen gerne an angeblichen Versuchen dertomwirtschaft auf, die Laufzeiten älterer Atommeilerurch so genannte Ringtausche zu verlängern, wie sie inhrem ursprünglichen Antrag auf Durchführung einerktuellen Stunde formuliert haben. Ich frage mich, wasas soll. Fakt ist doch, dass das Atomgesetz unter dererantwortung eines grünen Umweltministers geändertnd in § 7 Abs. 1 die Elektrizitätsmengenübertragungeregelt wurde. Es ist heute geltendes Recht, dass einelektrizitätsmengenübertragung auf eine jüngere Anlageederzeit möglich ist
nd dass eine Übertragung auf eine ältere Anlage derustimmung des BMU im Einvernehmen mit dem Bun-
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Marie-Luise Döttdeswirtschaftsministerium und dem Bundeskanzleramtbedarf.
Ich wiederhole: Unter der Verantwortung der Grünenwurde den Energieversorgungsunternehmen diese recht-liche Möglichkeit eröffnet.Eine ganz andere Frage ist, ob von dieser Rechtsmög-lichkeit auch Gebrauch gemacht wird. Fakt ist, dass esbislang keine „Versuche“ – so wörtlich – gab. Es liegtbei den Energieversorgungsunternehmen, entspre-chende Anträge zu stellen. An diesem Vorgehen gibt esnichts Anrüchiges. Es handelt sich um die legale Aus-schöpfung der von den Grünen miteröffneten Möglich-keiten. Da bislang jedoch noch keine Anträge gestelltwurden, erübrigt es sich, sich hier in Spekulationen zuversteigen. Ich halte aber fest: Sollten solche Anträgegestellt werden, dann werden diese von der Bundesre-gierung nach geltendem Recht geprüft und beschieden.Damit diese Aktuelle Stunde vielleicht doch noch ei-nen Sinn erhält, spreche ich jetzt den anderen Bereichder Kernenergienutzung an: die Frage der Entsorgungund Endlagerung radioaktiver Abfälle. Denn ein Argu-ment, das vonseiten der Grünen immer gegen die Nut-zung der Kernenergie angeführt wird, ist, die Ent-sorgungs- und Endlagerfrage sei ungelöst. DieseArgumentation finde ich unanständig und verwerflich.Denn in den letzten sieben Jahren, in denen das Umwelt-ministerium unter der Federführung des grünen Minis-ters Trittin stand, wurde die Lösung dieses Problems ver-zögert und die Verantwortung in dieser Frage bewusstauf die kommenden Generationen verschoben. Damitmuss jetzt endlich Schluss sein.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach von der FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habedas Gefühl: Immer wenn die Wörter „Kernspaltung“oder „Kernreaktor“ erwähnt werden, reagieren Sie, FrauHöhn, mit einer Art pawlowschem Reflex. Aber daswird an der Realität nichts ändern. Es wird Ihnen auchnicht helfen, eine Situation herbeizureden, die gar nichtso gewesen ist, wie Sie sie darstellen.
Frau Dött hat gerade sehr deutlich gemacht, welchePosition sowohl der schwarze als auch der gelbe Teil derLandesregierung von Nordrhein-Westfalen haben. Nochin dieser Woche werden die Umweltpolitiker der FDPmit einem Antrag klarstellen: Weder die Landesregie-rung Nordrhein-Westfalens noch der dortige Innova-tdElwdrhSfhnBmnszzÜWFsSsiddvIthAaG
s wäre sehr erstaunlich, wenn die Politik das wollte,iebe Frau Höhn. Es gibt kein Unternehmen, das dasill, und keine diesbezügliche Anfrage. Lassen Sie unsiesen Fakt betrachten und lediglich über eine Verlänge-ung der Laufzeiten reden. Wie Frau Dött gerade gesagtat, tun das ja viele Menschen.
o können wir eine sehr runde und sachliche Diskussionühren.Ich will die Damen und Herren von der SPD daraufinweisen, dass Herr Clement noch vor zehn Tagenichts anderes als Herr Pinkwart gesagt hat.
is vor wenigen Tagen war er immerhin Ihr Wirtschafts-inister. Es wäre gut, wenn Sie auch einmal zur Kennt-is nehmen würden, was in Ihren eigenen Reihen vorich geht.
Nun möchte ich mich mit den Fragen auseinander set-en, die Ihre Betroffenheitskultur immer so sehr anrei-en:
Erstens. Wir betrachten die Kernspaltung als einebergangstechnologie. Andere Länder tun das nicht.eltweit werden zurzeit in China, in Südafrika und ininnland Anträge auf den Bau neuer Kernkraftwerke ge-tellt.
chweden und England denken darüber nach. Vor die-em Hintergrund frage ich Sie als Forschungspolitikerinn aller Deutlichkeit: Wollen wir unsere Kompetenz aufem Gebiet dieser offensichtlich von vielen Ländern aufer Welt als zukunftsträchtig erachteten Technologieöllig versanden lassen? Können wir das wollen?
st es das, was in diesem Land unter „Exzellenzinitia-ive“ zu verstehen ist? Sie sagen unseren Forschern – dasabe ich eben wieder gehört – einfach: Geht doch nachmerika! Wir tun auf diesem Gebiet also nichts anderesls das, was Rot-Grün auf dem Gebiet der Rotenentechnik gemacht hat und wo Sie auf dem Gebiet der
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Ulrike FlachGrünen Gentechnik gerade wieder dabei sind: Obwohldie Weltwirtschaft heute global funktioniert, vertreibenSie diejenigen, die in unserem Lande Spitzentechnologiemachen, aus Deutschland.
Zweitens. Wenn wir unabhängig von Öl und Gas wer-den wollen – das werden wir alle hier wollen; ich glaube,es gibt hier keine Fraktion, die das nicht möchte –, dannmüssen wir unsere Energieforschung eben auch daraufausrichten und Erkenntnisse nutzen, die wir im Zusam-menhang mit Hochtemperaturreaktoren in der Vergan-genheit gewonnen haben, und zwar zum Einstieg in dieWasserstofftechnologie. Da müssten wir bei Ihnen docheigentlich offene Türen einrennen, Frau Höhn.
Die Thoriumhochtechnologie ist ein hoch interessantesForschungsgebiet, und die Bedeutung der Produktionvon Wasserstoff für den Einstieg in die Brennstoffzellen-technologie ist unumstritten, übrigens auch in Ihren ei-genen Reihen.
Nichts anderes hat der Innovationsminister Pinkwartgesagt. Es ist folgerichtig, dass ein Industrieland wieNordrhein-Westfalen unter einer schwarz-gelben Regie-rung überlegt, wie man sich an Forschungen, wie sieüberall auf der Welt stattfinden, beteiligen kann.
Was wären wir denn für ein Forschungsstandort, wennwir das nicht täten?! Ich muss mich schon wundern überHerrn Gabriel, der ungefähr wie bei der roten Stamm-zelle
– Entschuldigung, der Roten Gentechnik – erklärt hat,das sei nicht zulässig. Sie wissen, dass unsere Forschervor Ort mit Simulationen arbeiten.
Selbstverständlich können sie das dann tun. Herr Gab-riel, Sie haben versucht, hier ganz lässig etwas als Wahr-heit darzustellen, was keine ist – und übrigens auch vonPinkwart nie so gesagt worden ist.
hDgzdvASleffkGKbrAdsDAhmhgmaabheeRvrmEvnn
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Kelber von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wirdangsam zum wöchentlichen Running Gag, dass jemandine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerkenordert. Dass so etwas noch immer ein mediales Echoindet, halte ich für ein Zeichen, dass wir anscheinendeine schwerwiegenderen Probleme haben.Frau Höhn, Sie haben der Meinung des Privatbürgerslos, der sich selbstverständlich an Recht und Gesetz, anoalitionsvertrag und Verabredungen im Kabinett ge-unden fühlt, etwas zu viel Platz in Ihrer Rede einge-äumt, Sie haben ihn etwas zu lange zitiert.
ls nordrhein-westfälischer Bürger muss ich sagen, dassie Debatte der letzten Woche für mich natürlich interes-ant war. NRW war einmal Energieland Nummer eins.as hat sich etwas verändert. Was die Haltung zurtomenergie angeht, weiß man nicht so recht: Rüttgersat sich, zumindest aus seiner Sicht, klar geäußert, eröchte da nichts ausbauen; ein weiteres Mal geäußertat er sich allerdings nicht. Pinkwart hat ein Interviewegeben, aus dem man vieles herauslesen kann. Wenn ererkt, dass es komisch wird, zieht er sich zurück. Er hatllerdings schon gesagt, er möchte einen Forschungsre-ktor als Kern eines kommerziell betriebenen THTR ha-en; das war seine Kernaussage, und er hat sie wieder-olt. Frau Thoben sagt auch: Ja, vielleicht. Doch was fürinen Sinn soll es machen, einen Forschungsreaktor fürine Reaktorlinie zu bauen, die man in Deutschland nachecht und Gesetz nie wird betreiben dürfen? Das wirdielleicht ein weiterer Redner oder eine Rednerin erklä-en.
Energieland Nummer eins heißt natürlich auch: Manöchte weniger Kohle. Man möchte die erneuerbarennergien prinzipiell ausbauen. Doch die Bauverordnungerändert man so, dass man wenig Windenergie und we-iger Biomasse hat, und man bereitet eine Gemeindeord-ung vor, die den Stadtwerken das Leben so erschwert,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006 3943
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Ulrich Kelberdass sie als Konkurrenten auf dem Energiemarkt nichtauftreten können. Irgendwann muss mir jemand erklä-ren, wo die Energie in NRW in Zukunft herkommen soll.Aber zurück zum THTR-Vorschlag. Mich als nord-rhein-westfälischen Bürger und Abgeordneten der StadtBonn interessiert natürlich, wofür mein Land eigentlichGeld hat. Die wollen also einen Forschungsreaktorbauen – eventuell, vielleicht doch nicht, aber man redetschon einmal darüber mit den Medien –, und das ohneBundeszuschüsse,
also nur aus Landesmitteln. Dies sagt ein Landeskabi-nett, das gerade die Kindergartenzuschüsse massiv umüber 100 Millionen Euro kürzen will, was über 10 Pro-zent wären. Da es sich das doch nicht traut, hebt es denBetrag schnell wieder um 40 Millionen Euro an und gibtdarüber eine Pressemitteilung heraus, in der steht, dassman 40 Millionen Euro mehr für Kindergärten ausgebenwerde, nachdem man die Mittel vorher um 105 Millio-nen Euro gekürzt hat.
Dieses Landeskabinett kürzt bei sämtlichen Forschungs-instituten in NRW die Mittel, es kürzt die Anzahl derStellen, die den Universitäten ursprünglich zugestandenwurden, und es kürzt bei den Fachhochschulen. Auf ein-mal kündigt es aber an, ohne Bundeszuschüsse einen For-schungsreaktor bauen zu wollen. Ich finde das spannend.
Die Zahlen hat Frau Höhn genannt. Man kann die an-deren Zahlen noch dazu nennen. Es bleiben 390 TonnenAtomschrott übrig. Nach 2009 ist die Finanzierung derjährlich 6,5 Millionen Euro allein für den Erhaltungsbe-trieb bei Schließung des bestehenden THTR offen. Werirgendwann die Endlagerung bezahlt, ist auch offen.Jetzt wollen Sie die nächste Variante davon bauen. Ichfinde das spannend.Es ist zu Recht erwähnt worden, dass bei den ThemenRingtausch, Übertragung und Ähnliches ein Blick insGesetz oft eine Pressemitteilung ersparen könnte.
Darin steht, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist.
Jeder Ringtausch und jede andere Idee werden immer anfolgende Stelle stoßen: Um sich den Weiterbetrieb be-stimmter Kraftwerke, die in den nächsten Jahren abge-schaltet werden sollen, zu ersparen, muss man irgend-wann von einem neueren auf ein älteres Kraftwerkübertragen. Auf die Begründung dafür, warum man dasnach den Buchstaben des Gesetzes tun kann, bin ich ein-mal gespannt. Ich sehe sie nicht.
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as Argument lautet immer: Wir müssten die Atom-raftwerke doch nur länger laufen lassen, dann würdeie Höhe der Stromrechnungen sinken. Jetzt sind dietromrechnungen aber hoch, obwohl die deutschentomkraftwerke mit voller Last laufen. Mehr Atomkraftls im Augenblick hat es in der Geschichte der Bundes-epublik noch nie gegeben. In dem Bundesland, in dems den höchsten Anteil an der Atomkraft gibt, nämlich inaden-Württemberg, sind die Stromrechnungen amöchsten. Wie kann man denn an dieser Stelle trotzdemmmer wieder das Gleiche sagen?Hierzu gibt es zudem einen besonderen Aspekt: Dietomkraftwerke in Deutschland werden von den viernergiemonopolisten betrieben, die zusammen einennteil von 90 Prozent am Markt haben. Wer die Debatteber längere Laufzeiten führt und die Atomkraftwerkeirklich länger laufen lässt – für den gilt das ganz be-onders –, der gibt nur ein einziges Signal an den Markt:iebe Wettbewerber, in Deutschland lohnt es sich füruch nicht, zu investieren, weil wir beschlossen haben,om Steuerzahler subventionierte Kraftwerke am golde-en Ende weiterhin hoch subventioniert – Versiche-ungsbereich, Endlager und Ähnliches – weiterlaufen zuassen. Damit können wir euch jederzeit im Wettbewerbertig machen.
Deswegen ist es notwendig, mehr auf Wettbewerb zuetzen. Dies passiert übrigens auch beim Emissionshan-el. Das wird von den Grünen zu Unrecht verschwiegen.
ort ist einiges drin. Es gibt große Ankündigungen vonettbewerbern, die jetzt einsteigen wollen und daraufertrauen, dass das Atomgesetz so Bestand haben wird,ie es verabredet ist.Es bleibt übrig: Wer Wettbewerb haben will, muss füren Atomausstieg sein, wer für Atom ist, ist ein Mono-olistenfreund.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans-Kurt Hill von der
raktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! In Sachen Atomenergie steigt die Zahl der
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Hans-Kurt HillProblembären sprunghaft an, nur dass diese sich diesesMal selbst erlegen.
– Die erlegen sich jetzt selbst.Zwar hat sich Minister Pinkwart in Sachen neueAtommeiler jetzt wieder in die Büsche geschlagen, dochdass der Innovationsminister in Nordrhein-Westfalen diestrahlende Atomtechnik für eine tolle Sache hält, ist be-kannt.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal die Beiträgeauf einer Veranstaltung der RTWH in Aachen vor zweiMonaten durchzulesen, um zu sehen, was er dazu gesagthat. Dann kommen wir nämlich auf den Punkt, den erjetzt angesprochen hat.Er befindet sich allerdings in illustrer Gesellschaft.Die FDP hier im Haus will die Schächte Konrad undGorleben mit aller Kraft und Macht unbedingt durchdrü-cken. Ich sage nur: Fachliche Bedenken und Sorgen derMenschen sind Ihnen dabei egal.
– Doch. – Ich sage nur eines: Ich bin ganz froh, dassMinister Gabriel zumindest bislang diesbezüglich eineandere Zielvorgabe hat.
Bundeswirtschaftsminister Glos, Hessens Ministerpräsi-dent Koch und auch dem Herrn Oettinger aus Baden-Württemberg ist das aber immer wieder einmal eineSchlagzeile wert. Sie wenden sich damit zwar gegen dasgeltende Atomrecht, aber, wie gesagt, so kommen siewieder in die Zeitung. Damit soll meines Erachtens auchStimmung für die Atomkraft gemacht werden.Mit solchen Reden erweisen Sie diesem Land einenBärendienst. Eine derart – das sage ich bewusst – ideolo-gische Atomdebatte geht gänzlich an der Realität vorbei.
Nichts zeigt dies besser als die radioaktive Ruine desAtomreaktors von Hamm-Uentrop; Frau Höhn, Sie ha-ben eben darauf hingewiesen. Dessen Technik hält HerrPinkwart für zukunftsfähig. Die angeblich sichere Tech-nologie endete nach nur fünf Jahren als Störfall, bei demRadioaktivität freigesetzt wurde und ein GAU nur knappvermieden werden konnte. Die Region entging nurknapp einer Katastrophe.
Ich komme zu den Kosten. 2 Milliarden Euro an Steu-ergeldern wurden für den Bau in den Sand gesetzt. Diese2 Milliarden Euro fehlen uns nun in anderen Bereichen.Die Atomforschung erweist sich immer wieder als Mil-liardengrab. Aber Sie von der FDP und der CDU/CSUrtbnAmlzDmpAtlSwFdEwDiGUan–DdkEEnsvWed
abei greift auch der Gasprom-Effekt; denn das Uranacht uns von Konzerninteressen abhängig und auch er-ressbar. Eines muss Ihnen bewusst sein: Wer sich fürtomenergie ausspricht, fordert den Einstieg in die Plu-oniumwirtschaft. Das ist meines Erachtens völkerrecht-ich bedenklich und moralisch abstoßend.
ie machen sich mit derartigen Atomfantasien unglaub-ürdig.Noch ein Wort zur Stimmungsmache. Eine aktuelleorsa-Umfrage straft die Atomlobby Lügen: 85 Prozenter Menschen in Deutschland befürworten erneuerbarenergien als Energiequelle der Zukunft, nur 19 Prozentollen an der Atomenergie festhalten.
ie Menschen im Land wissen ganz genau, was sinnvollst. Die giftige Strahlentechnik ist es jedenfalls nicht.Die Atomtechnik ist und bleibt ein unbeherrschbarerefahrenherd. Laufend bedrohen uns – Mensch undmwelt – Störfälle. Vielleicht erfahren wir auch nichtlle. Das Endlagerproblem ist, wie gesagt, noch immericht gelöst.
Das habe ich nicht gesagt. –
as Endlagerproblem muss auf jeden Fall gelöst wer-en. Schön, dass bei Herrn Pinkwart zumindest die Er-enntnis gereift ist, dass man aus der Entsorgung undndlagerung nicht aussteigen kann.
s stimmt eben: Die Geister, die man ruft, wird manicht los. Aber die Kosten dafür sollte die Atomwirt-chaft tragen, nicht der Steuerzahler.
Zum Ausland. Die Irankrise zeigt, dass ein Exporton Atom-Know-how – auf diesem Gebiet sind wireltmarktführer – die Gefahr militärischen Missbrauchsrhöht. Wissen die deutschen Steuerzahler, dass die Bun-esregierung, die uns den Ausstieg verspricht, die inter-
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Hans-Kurt Hillnationale Forschung für Reaktortechnik weiter unter-stützt? Es war eine sehr kluge Entscheidung, aus derNukleartechnik auszusteigen. Wir müssen uns in Verant-wortung für unsere Kinder und Enkel bemühen, denAusstieg zu beschleunigen. Eine kluge Energiepolitiksetzt auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien.Ich sage Ihnen eines: Hören Sie bitte auf, den Men-schen einen Bären aufzubinden.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Frau Höhn, Sie haben gerade von Chaos gespro-chen. Chaos und nordrhein-westfälische Landesregie-rung – das war zu Ihrer Zeit.
Das ist seit dem vergangenen Jahr vorbei. Da muss ichdie schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-West-falen wirklich in Schutz nehmen, zumal hier derWunsch, sich in die Öffentlichkeit zu drängen, und nichtdie Sache im Vordergrund steht. Das wissen Sie ganz ge-nau.
Ihnen geht es nur um Publicity. Wenn es in der Ge-schäftsführerrunde nicht verhindert worden wäre, hättenSie mit uns sogar während des Fußballspiels am Freitagüber dieses Thema diskutiert. Sie haben Ihren Patriotis-mus in dem Vorhaben zum Ausdruck gebracht: Lieber ir-gendwelche Scheindebatten führen, als die erste Halb-zeit des Deutschlandsspiels anzuschauen.
Ich bin froh, dass wir heute und nicht am Freitag da-rüber diskutieren. Dass wir aber über Ihre Scheindebattereden müssen, finde ich schon etwas merkwürdig.Zu den Meldungen, die Sie zitiert haben, kann ich Ih-nen nur den Tipp geben, nicht immer alles zu glauben,was in der Zeitung steht.
Wenn Sie die Pressemitteilung des Ministeriums inNRW gelesen hätten, dann hätten Sie erkannt, dass vondsezRwkddIkIIndiudgswDdUfwbDap–dnssEdCm
Wenn wir über das Thema diskutieren und Sie überen Ausstieg aus der Kernforschung philosophieren,ann wird aber immer klarer, dass Sie in Wahrheit mithrer Technikfeindlichkeit nicht hinter dem Berg haltenönnen.
ch bitte Sie in diesem Zusammenhang inständig, sich anhre Regierungszeit zu erinnern, die schließlich nochicht lange zurückliegt. Sie waren zwar im Bund nicht iner Regierungsverantwortung – in Nordrhein-Westfalenst es schon etwas länger her –, aber Ihre Kolleginnennd Kollegen, unter anderem Herr Trittin. Ich darf Siearauf aufmerksam machen, dass Rot-Grün in Ihrer ei-enen siebenjährigen Regierungszeit richtigerweise anehr vielen Projekten im Rahmen von Euratom beteiligtar. Dabei ging es in erster Linie um Kernforschung.
as war auch absolut richtig.Deswegen möchte ich in diesen Punkten die Positioner Vorgängerregierung, in deren Kontinuität wir beimmgang mit Euratom stehen, herausstreichen. Technik-reundlichkeit in diesem Bereich ist sehr wichtig,
eil sie weltweit zu einem höheren Sicherheitsniveaueiträgt. Deswegen beteiligen wir uns daran.
eswegen sind Sie richtigerweise nicht aus Euratomusgestiegen und haben sich an dieser Stelle der Euro-äischen Union nicht verweigert.
Selbst wenn Herr Fell das wollte, er hat sich nichturchgesetzt. Das zeigt, dass auch bei Rot-Grün die Ver-unft geherrscht hat. Es war schließlich nicht alleschlecht.
Ich bin der Meinung, dass wir über das diskutierenollten, was tatsächlich ansteht, nämlich die weltweitenntwicklungen auf den Energiemärkten. Ein Blick aufie weltweite Entwicklung zeigt, dass zum Beispiel inhina – lassen wir Indien in diesem Zusammenhang ein-al außen vor; das scheint ein Sonderfall zu sein – der
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Philipp MißfelderEnergiehunger immer mehr zunimmt. Was ist die Ant-wort der chinesischen Regierung darauf?
– Ja, auch erneuerbare Energien. China setzt nicht nurauf Kohle
– die Kohleförderung ist besonders in China extrem um-weltfeindlich –, sondern zieht auch den Bau neuer Kern-kraftwerke in Erwägung. In Zukunft sollen etwa30 Kernkraftwerke gebaut werden.Angesichts dieser Entwicklung wird einem dochangst und bange, dass unsere Sicherheitsstandards, dieaufgrund der guten Forschungsarbeit vonseiten des deut-schen Ingenieurwesens entstanden sind,
voraussichtlich nicht mehr gehalten werden können,wenn sich der Kurs, den Sie von der Opposition heuteanmahnen, tatsächlich durchsetzen sollte.
Deshalb bin ich für mehr Forschung in diesem Bereich.Das hat im Übrigen den positiven Nebeneffekt, dass dieweltweiten CO2-Emissionen gesenkt werden können,wenn sich die Kerntechnik – natürlich mit deutschen Si-cherheitsstandards – weltweit durchsetzt.Dass der Industriestandort Deutschland davon profi-tieren kann, liegt auf der Hand. Wenn wir diese Techno-logie exportieren können, dann ist das für die Arbeits-plätze besser, als wenn chinesische Ingenieure mit demenormen Technikzuwachs, den sie tagtäglich erzielen,ihre eigenen Produkte auf den Markt bringen.
Der Standort Deutschland profitiert mehr davon, wennwir es schaffen, unsere Produkte im Ausland abzusetzen.
Weltweit sichere Kernkraftwerke mit deutscher Techno-logie sind besser als der Kurs, den Sie heute vorgeschla-gen haben.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl vom
Bündnis 90/Die Grünen.
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e stärker der Umweltminister betont, dass am Atom-esetz festgehalten wird, umso kürzer werden die Inter-alle zwischen den Sägeattacken. Den Energiekonzernenit ihrem Vorstoß zum Ringtausch ist der nordrhein-estfälische Innovationsminister Pinkwart und diesemiederum vorgestern Abend beim Atomforum in Berlinie baden-württembergische Umweltministerin Tanjaönner gefolgt.Die Liebe der baden-württembergischen Landesregie-ung zur Atomkraft ist mir wohl vertraut. Ich bin miricht sicher, ob sich der Stolz der Landesregierung aufen bundesweit höchsten Atomstromanteil von 60 Pro-ent auch auf die bundesweit höchsten Strompreise be-ieht. Aber ich bin mir sicher, dass der Ministerinönner – so hat sie sich gestern Abend geäußert – dieeueste Strompreiserhöhung der EnBW nicht gefällt.ie auch, konterkarieren solche taktlosen Vorstöße docheradezu die sorgsam ausgeklügelte Strategie zur Ak-eptanz der Atomkraft, mit der die Union den Konzer-en unter die Arme greifen will. Mit dem baden-ürttembergischen Modell, das Frau Gönner beimtomforum vorstellte, wird für Laufzeitenverlängerun-en nämlich damit geworben, dass die Konzerne dieälfte des zusätzlich verdienten Geldes in die Förderunger erneuerbaren Energien stecken sollen.Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es geht bei die-em Modell nicht mehr um Strommengenübertragungenon neueren AKWs auf diejenigen, die in dieser Legisla-urperiode zur Abschaltung anstehen. Selbst das ist imtomgesetz nicht wirklich vorgesehen und ist trotzdemon den Konzernen mit ihrem Run auf die Reststrom-engen von Mülheim-Kärlich gerade wieder in die De-atte gebracht worden, als gäbe es keinen von ihnen un-erschriebenen Vertrag. Jetzt geht Baden-Württembergber richtig in die Vollen. Es geht um das Atomgesetz,ie Aufkündigung des mit den Energieversorgern ausge-andelten Atomkonsenses, der diesen reichlich Vorteileebracht hat; diese nutzen die Energieversorger seitdem.Richtig gut kam der Vorschlag, die Hälfte des Zuver-ienstes in die erneuerbaren Energien zu stecken, beimtomforum übrigens nicht an, auch nicht, nachdem Frauönner erläutert hatte, dass man das positive Image undie Beliebtheit der erneuerbaren Energien in der Bevöl-erung nutzen müsse, um Akzeptanz für die Laufzeiten-erlängerung zu gewinnen.Das Spielchen zwischen SPD und Union, das seineneginn mit der für einen Koalitionsvertrag ungewöhnli-hen Aussage nahm, Frau Dött, dass die Haltung deroalitionäre zur Atomkraft unterschiedlich sei, schauenir uns nun seit acht Monaten an. Es hat durchaus Un-
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Sylvia Kotting-Uhlterhaltungswert. Aber in jedem Spiel gibt es eineSchwelle, an der Schluss mit lustig sein sollte. Ich finde,diese Schwelle ist erreicht.
Es ist nicht mehr damit getan, dass sich der Umwelt-minister bei jedem Vorstoß eines Landesfürsten, einesMinisters – auch der Bundeswirtschaftsminister spieltgern auf diesem Feld – oder der Konzerne wortgewaltigvor den Atomausstieg stellt. Das ist auch heute nicht un-sere Forderung. Wir fordern die Union vielmehr auf,Ordnung in ihre Reihen zu bringen und in ihrer Parteiihre Haltung zum im Koalitionsvertrag bekräftigtenAtomausstieg zu klären sowie zu einer nachvollziehba-ren, einheitlichen und klaren Aussage zu kommen.
– Ich höre Ihnen immer mit voller Begeisterung zu.Wir Grüne pflegen in solchen Fällen die Klärung aufeinem Parteitag vorzunehmen. Das Ergebnis gilt dann,vor allem für das Führungspersonal. Meiner Partei hatman häufig vorgeworfen, sie streite ständig. Aber ichwill Ihnen einmal eines sagen, verehrte Kolleginnen undKollegen von der Union: Angesichts Ihres Dissonanz-konzertes – Frau Gönner und der baden-württembergi-sche Ministerpräsident Oettinger wollen mit der Aufkün-digung des Atomausstiegs die erneuerbaren Energienfördern; Bundeswirtschaftsminister Glos will Braun-kohle und Atomkraft aufrechterhalten und die Sinnhaf-tigkeit der Förderung der erneuerbaren Energien über-prüfen lassen; der Kollege Schulte-Drüggelte sagte inder Haushaltsdebatte in der letzten Woche auf Nach-frage, dass seine Aussage, wir könnten auf die Kernener-gie vorerst nicht verzichten, mit dem bis 2020 währen-den Atomausstieg konform gehe; irgendwer muss denKoalitionsvertrag ja wachen Sinnes unterschrieben ha-ben – sind wir Grünen ein harmoniesüchtiger Haufen.Bringen Sie Ordnung in Ihre Reihen und hören Sieauf, derart widersprüchliche Signale zu senden! Nichtzuletzt der Wirtschaftsminister sollte wissen, was wider-sprüchliche Signale in einem so sensiblen Bereich wieder Energiepolitik für anstehende Innovationen und In-vestitionen bedeuten: Sie werden nicht gemacht. DasEinzige, was Sie erreichen, ist, dass Ihnen die Energie-konzerne auf der Nase herumtanzen. Sie sind offenbarbereits im Tanzkurs und üben.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Christoph Pries von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun-desumweltminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-lN2NgklEmMBnüHüdbßWsDkiÜglmSmAeuzianudDRAftl
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wir be-rüßen diesen Schritt in die richtige Richtung ausdrück-ich, so klein und bescheiden dieser Schritt auch seinag.
ie können gewiss sein, dass wir Sie in Zukunft daranessen werden.
ber vielleicht war Ihr Umweltparteitag in Rostock nurine Alibiveranstaltung,
m in Zukunft ungehindert in grünen Gewässern fischenu können. Die Äußerungen von Herrn Pinkwart gehenn diese Richtung.Kommen wir nun zu denjenigen, die für das Rüttelnm Atomkonsens zuständig sind, zu den Energiekonzer-en. Schon seit Monaten lassen sie keine Gelegenheitngenutzt, um immer neue Szenarien zu entwerfen, wieas geltende Atomgesetz ausgehebelt werden könnte.ie neueste Variante ist der so genannte Ringtausch dereststrommengen des nicht in Betrieb genommenentomkraftwerks Mülheim-Kärlich. Diese sollen nunröhlich von einem Atomkraftwerk auf das nächste über-ragen werden, bis sie schließlich bei den alten Meilernanden.
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Christoph PriesDumm ist nur, dass im Atomgesetz ausdrücklich festge-legt ist, auf welche Meiler die Reststrommengen vonMülheim-Kärlich übertragen werden dürfen. Biblis A,Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel gehören nicht dazu.
Die Strommenge, die auf Biblis B übertragen werdendarf, ist auf 21,45 Terawattstunden beschränkt. Das ein-zige Ziel dieser Vorstöße ist es, die in dieser Legislatur-periode zur Abschaltung anstehenden Atomkraftwerkeüber die nächste Bundestagswahl zu retten – in der Hoff-nung auf atomfreundliche Mehrheiten. Diese Hoffnungist 2002 und 2005 enttäuscht worden. Wir werden dafürsorgen, dass sie auch bei der nächsten Bundestagswahlenttäuscht wird.
Zwei Probleme haben all diejenigen, die die Laufzei-ten verlängern oder neue Atomkraftwerke bauen möch-ten: den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD unddas Atomgesetz. Alle hier im Hause wissen, dass dieKoalitionspartner in der Frage der Nutzung der Atom-energie unterschiedliche Auffassungen vertreten. Des-halb haben wir uns darauf verständigt, das Atomgesetznicht zu ändern. Nur zur Erinnerung: Das Atomgesetz inseiner zurzeit geltenden Fassung untersagt den Neubauvon Atomkraftwerken, ordnet den deutschen Atomkraft-werken fest definierte Reststrommengen bis zur Ab-schaltung zu und regelt die Möglichkeiten der Energie-konzerne, Reststrommengen zwischen unterschiedlichenReaktoren zu übertragen.
Diese Regelungen sehen ausdrücklich vor, dass Rest-strommengen nur von älteren auf neuere Reaktorenübertragen werden dürfen. Ausnahmen bedürfen der Ge-nehmigung des Bundesumweltministers. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Eine Übertragung von Rest-strommengen von neuen Atomkraftwerken auf alteAtomkraftwerke lehnen wir ab.
Eine solche Übertragung widerspricht dem Geist desAtomkonsenses. Sie widerspricht auch dem Geist desKoalitionsvertrages, der dem sicheren Betrieb der Atom-kraftwerke absolute Priorität einräumt.Dem Geist des Atomkonsenses widerspricht aberauch das Verhalten der Energiekonzerne insgesamt. DerAusstieg aus der Atomenergie ist zwischen der damali-gen Bundesregierung und den Energieversorgungsunter-nehmen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Inte-ressen ausgehandelt und vertraglich fixiert worden. DieVertreter der Energiekonzerne haben sich ebenso wie dieBundesregierung vor sechs Jahren dazu verpflichtet, denInhalt des Atomkonsenses dauerhaft umzusetzen. DieBundesregierung hat sich an diese Absprache gehalten,dmEBadSvVsDzM–dbDdvHsWm–ddAKgsWBSww
Ich weiß.
Das Wort hat jetzt der Kollege Franz Obermeier von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Diese De-atte ist völlig überflüssig. Eines hat sie schon bewiesen:ie Kolleginnen und Kollegen von der FDP- und voner CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben den Erfolgerbucht, dass die erste Sprecherin der Grünen, Bärbelöhn – sie hat sich noch vor kurzem mächtig aufgebla-en –, diese Debatte mittlerweile verlassen hat.
o gibt es denn so etwas? Das ist ein toller Stil. Dasuss ich schon sagen.
Das ist völlig stillos. Wenn man eine Debatte eröffnet,ann hat man auch die Pflicht, hier zu bleiben.
Es geht bei dieser Frage im Prinzip darum, wie es miter Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland imllgemeinen steht. Ich möchte Ihnen, Kolleginnen undollegen von den Grünen, schon sagen: Den Kernkraft-egnern in Deutschland und auch in anderen Ländernchwimmen die Felle weg.
as in Schweden bereits der Fall ist, wird auch in derundesrepublik Deutschland stattfinden: Je teurer dertrom wird, je mehr der hohe Strompreis auf die volks-irtschaftliche Entwicklung durchschlägt, desto mehrerden sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
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Franz Obermeierüberlegen, wie sie an Energie zu günstigeren Preisenkommen.
Ihre Traumtänzereien von Wasserstoff über erneuerbareEnergien kann man Menschen, die sich mit diesen The-men auseinander setzen, einfach nicht zumuten.
Ich will Ihnen zum Thema „Innovationsminister inNRW“ nur Folgendes sagen: Wenn sich in der Bundesre-publik Deutschland jemand Gedanken darüber macht,wie es besser werden kann und wo in unseren wissen-schaftlichen Institutionen Innovationspotenziale vorhan-den sind, dann – das ist ganz charakteristisch – protestie-ren ausgerechnet Sie, als hätten Sie Angst, dassirgendjemand Erfolg hat mit neuen Technologien, mitProdukten, mit denen wir weltweit punkten könnten.
Ich stelle mir immer wieder die Frage: Womit sollen un-sere Kinder und Kindeskinder den Wohlstand in derBundesrepublik Deutschland erhalten, wenn wir keineneuen Produkte erzeugen und nicht für eine hohe Wert-schöpfung sorgen?
Lassen Sie mich einmal einen Blick über die Landes-grenzen werfen.
In Finnland baut man derzeit ein neues Kernkraftwerk.Dieses Kernkraftwerk wird nicht vom Staat gebaut undes wird auch nicht staatlich subventioniert. Dieses Kern-kraftwerk wird vielmehr von der Privatwirtschaft inFinnland finanziert. Hochinteressant ist: Die Kostenkal-kulation liegt weit jenseits dessen, was grüne Ideologenuns immer vorhalten.
Befassen Sie sich einmal mit der Frage, was in Chinapassiert. In China passiert genau das Gegenteil von dem,was Sie hier in Deutschland propagieren.
In China baut man Kohlekraftwerke. Bei Ihnen heißt es:Ausstieg aus der Kohle. Wir sollten versuchen, unseredeutsche Hochtechnologie bei der Kohleverstromung inChina zur Anwendung zu bringen.D3DslpcfugwniDtaulWtrDhz
as sollte unser Ziel sein.
Außerdem befasst man sich in China ernsthaft damit,0 neue Kernkraftwerke zu bauen.
ie Mitarbeiter der wissenschaftlichen Institute in Chinaind mittlerweile so weit, dass sie die deutsche Techno-ogie zum Bau eines neuen Kernkraftwerks bis auf einaar wenige Elemente gar nicht mehr brauchen. Die ma-hen das selber. Sie, meine Damen und Herren, verkau-en die gesamte Bevölkerung in Deutschland für dumm
nd sagen den Leuten, alles sei so unsicher und viel zuefährlich.
Gerade hat der Herr Hill wieder etwas erzählt – icheiß auch nicht, wer ihm das aufgeschrieben hat –,
ämlich wie schwierig das mit den Uranvorräten usw.st.
as Uran aus Kanada und aus Australien ist mir bei wei-em lieber
ls das Öl aus gefährlichen Zonen. Darüber müssen wirns schon im Klaren sein.Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur End-agerfrage sagen.
ir stehen zum Koalitionsvertrag, Herr Umweltminis-er; die Sache ist klar. Aber Aufgabe der Bundesregie-ung ist jetzt die Klärung der Frage der Endlagerung.
a müssen wir vorankommen, Herr Umweltminister; dailft nichts. Da kann man auch nicht mit neuen Gesetzenur Suche und anderen neuen Sachen arbeiten,
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Franz Obermeiersondern da müssen wir die Probleme lösen. Das ist dieAufgabe der nächsten Jahre.Herzlichen Dank.
Der Herr Kollege Thiele
– ich bitte einen Moment um Aufmerksamkeit! – hat
sich zur Geschäftsordnung gemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Es ist schon erstaunlich,
dass die Rednerin der Antrag stellenden Fraktion es
nicht für erforderlich hält, dieser Debatte beizuwohnen.
Das zeigt, dass die Debatte seitens der Grünen überhaupt
nicht ernst gemeint sein kann. Ich sehe keinen Sinn da-
rin, eine nicht ernst gemeinte Debatte hier im Deutschen
Bundestag zu führen. Deshalb beantrage ich, die Ak-
tuelle Stunde jetzt zu beenden.
Das Wort hat der Kollege Küster. Bitte schön.
Für die SPD-Fraktion antworte ich darauf wie folgt:
Sie haben sicherlich Recht mit der Kritik an der Redne-
rin der Grünen, die die Debatte vorzeitig verlassen hat.
Sie haben hier natürlich versucht, ein As aus dem Ärmel
zu ziehen. Die FDP hat ihre Redezeit verbraucht. Die
Grünen haben ihre Redezeit verbraucht. Wir haben noch
Redezeit. Wir haben auch noch etwas zu sagen. Ich
würde gar zu gern die Haltung unseres Umweltministers
dazu hören. Deswegen widerspreche ich Ihrem Antrag
ganz klar.
Nach Auffassung der Geschäftsordnungsspezialisten
ist der Antrag unzulässig, weil es sich bei der Aktuellen
Stunde um ein Minderheitsrecht handelt, das nicht be-
schnitten werden darf. Deswegen werden wir die Ak-
tuelle Stunde zu Ende durchführen.
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der will Schwarz-Gelb in NRW mal wieder der Koali-ion im Bund in die Parade fahren?Klar ist derzeit nur, dass in NRW, seit Jürgen Rüttgersas Land regiert, das Thema Atomkraft ständig durchie Gazetten spukt. Frau Thoben greift es immer wiederuf und nun eben auch Herr Pinkwart. Die NRW-CDUlant, wie ich gehört habe, auf ihrem Landesparteitag imeptember ein klares Bekenntnis zur Atomkraft abzuge-en.Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/ie Grünen, wenn Sie in dieser Aktuellen Stunde testenollen, ob die SPD-Fraktion im Bund linientreu bleibtnd die schwarze wie die rote Bundestagsfraktion zumoalitionsvertrag stehen, dann kann ich Ihnen versi-hern:
awohl, die Koalition steht zu ihren am 11. November005 schriftlich festgelegten Grundsätzen. Das war näm-ich kein Karnevalsscherz.
Natürlich wissen wir alle, dass die CDU/CSU in die-er Frage anders aufgestellt ist als wir. Ich kann aber fürie SPD sagen: Das ist für uns tatsächlich auch ein Her-ensanliegen. Nicht umsonst haben wir seit 1998 dienergiewende in Deutschland durchgesetzt, damals zu-ammen mit den Grünen und gegen erhebliche Wider-tände. Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass imoalitionsvertrag festgelegt wurde, dass die Vereinba-ungen zum Atomausstieg nicht rückgängig gemachterden.
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Ute BergLeider gibt es immer noch zu viele Ewiggestrige, dieden Abschied von ihren alten Lieblingsprojekten nochnicht so recht verschmerzt haben;
Herr Pinkwart gehört dazu. Diese Leute haben denSchritt zur Energiepolitik der Zukunft noch nicht ge-schafft.
Sie begeben sich gerade wieder in die alten Gräben.Die Entwicklungen auf den nationalen und internatio-nalen Energiemärkten bestärken uns aber darin, uns ent-schlossen auf erneuerbare Energien und auf Energieeffi-zienz hin zu orientieren. Diese Linie werden wir weiterverfolgen; darin lassen wir uns auch nicht beirren. Dasbedeutet allerdings nicht – das möchte ich auch hin-zufügen –, dass wir uns vollkommen aus der Kern-energieforschung zurückziehen. Der Bund hat hier eineVerantwortung, und zwar sowohl im Bereich Reaktor-sicherheit als auch im Bereich Endlagerung von radioak-tiven Abfällen. Deshalb brauchen wir hier unabhängigeForschungsarbeiten, um unsere sicherheitstechnischeKompetenz auf höchstem Niveau zu erhalten.
Dafür haben wir über die letzten Jahre Hunderte vonMillionen Euro investiert. Im Koalitionsvertrag habenwir festgehalten, dass diese Forschung fortgeführt undausgebaut wird.Sinnvoll ist es darüber hinaus, neue Technologien zuunterstützen, mit denen fossile Energieträger umwelt-schonend genutzt werden können; denn wir werden nochauf absehbare Zeit auf diese angewiesen sein. Daher in-vestieren wir zum Beispiel in die Entwicklung einesemissionsfreien Kohlekraftwerks: ein Leuchtturmpro-jekt, das zukunftsweisend ist.
Der derzeitige nordrhein-westfälische Wissenschaftsmi-nister
sollte sich lieber auf diese Fragen konzentrieren, stattseinen Hochtemperaturreaktorfantasien freien Lauf zulassen, zumal er doch eigentlich wissen müsste – auchSie, Frau Flach, sollten das wissen –, dass in NRW be-reits in den 80er-Jahren Versuche mit solchen Reaktorenkläglich gescheitert sind.Frau Höhn und andere haben eben schon auf den Re-aktor in Hamm-Uentrop hingewiesen. Er verschlingt je-des Jahr 6 Millionen Euro Überwachungskosten – auchheute noch –, obwohl er bereits 1989 stillgelegt wurde,und ist so verstrahlt, dass man überhaupt erst in2slHblbvSihDrdhgssvssikdbhEwwnulnIv
Also, zum Abschluss noch einmal ganz deutlich undangsam für alle, die es noch nicht verstanden haben:err Pinkwart und andere Mitglieder der schwarz-gel-en Landesregierung können noch so häufig gebetsmüh-enartig wiederholen: Atomkraft – ja bitte! Wir bleibenei unserer Position: Atomkraft – nein danke!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Frau Kollegin Höhn, herzlich willkommenn Ihrer Debatte, die Sie ja so sehnlich herbeigewünschtaben.
ie Debatte hat trotz der Tatsache, dass sie an den Haa-en herbeigezogen ist, doch etwas Gutes, nämlich dassie Sicherheitsforschung im Bereich der Kernenergieeute wieder einmal in den Mittelpunkt des Interesseserückt wird. Hier tun sich in Deutschland leider er-chreckende Lücken auf, und dieses, so muss man fest-tellen, hängt auch mit dem Forschungszuschnitt derorherigen Bundesregierung zusammen: Viele Fachleutetehen kurz vor der Pension, ohne dass Nachfolger bereittehen; die Universitäten streichen die Kerntechnik aushrem Angebot;
erntechnische Vollausbildungen werden nur noch aner TU Dresden und an der Fachhochschule Zittau ange-oten.Die Schäden, die Deutschland entstehen werden, fallsier nicht gegengesteuert wird, sind immens.
inmal verloren gegangenes Know-how lässt sich – dasissen Sie, meine Damen und Herren – nicht einfachieder beleben, wenn man es benötigt. Denn es geht hiericht nur um reines Buchwissen, das man aufschreibennd nachlesen kann, sondern auch um Erfahrung und ge-ebte Informationskultur, die von einer Generation an dieächste weitergegeben wird.
st diese Kette erste einmal durchtrennt, ist das Wissenerloren.
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Dr. Maria FlachsbarthDie Debatte sollte sich daher nicht um die Frage dre-hen, ob, wann, wo oder warum wir einen neuen For-schungsreaktor brauchen, sondern um die Frage, wie wirin Deutschland unser kerntechnologisches Fachwissensichern können.
Die Ausstiegsvereinbarung zwischen der Vorgängerre-gierung und den EVUs sieht jedenfalls keinen Ausstiegaus der Kernenergieforschung vor.
– Das ist unverantwortlich. – Auch der Koalitionsvertragist in diesem Punkt sehr eindeutig. Er lautet wie folgt:Der sichere Betrieb der Kernkraftwerke hat fürCDU, CSU und SPD höchste Priorität. In diesemZusammenhang werden wir die Forschung zum si-cheren Betrieb von Kernkraftwerken fortsetzen undausbauen.
Im Koalitionsvertrag ist zudem nachzulesen, dass dieam 14. Juni 2000 zwischen der Bundesregierung undden Energieversorgungsunternehmen geschlossene Ver-einbarung zum Atomausstieg so weiter akzeptiert wird.Das heißt, die schwarz-rote Koalition hat, wie ihre Vor-gängerin, vereinbart, die friedliche Nutzung der Kern-energie in Deutschland für die nächsten beiden Jahr-zehnte festzuschreiben, sodass über 1 600 Tera-wattstunden Strom, derzeit also 28 Prozent der Gesamt-strommenge, in Kernkraftwerken erzeugt werden sollen,auch wenn interessierte Kreise immer wieder den An-schein erwecken wollen, dieses Land habe sich schonlängst aus der Atomenergie verabschiedet.
Zur Gewährleistung des sicheren Betriebs der Kern-kraftwerke über noch fast 20 Jahre gehört auch, dass un-sere Forschung dem weltweiten Niveau entspricht. DerAusstiegsvertrag, den ich eben zitiert habe, stellt hierzuausdrücklich fest, dass das international hohe Sicher-heitsniveau in den Kernkraftwerken gehalten werdenmuss. Deshalb unterstütze ich die Forderung von NRW,die vorhandene Kompetenz im Bereich der Kerntechno-logie und der Kernsicherheitsforschung zu erhalten undauszubauen.
Deutschland fällt es nämlich aus den eingangs ge-nannten Gründen international zusehends schwerer, mit-zugestalten und damit auch Sicherheitsstandards zu set-zen.EFdnEäSRbauvndutsNgsFZZgmrrstkKgiwpsagün
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Sigmar Gab-iel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konn-en dem Parlament und der geneigten Öffentlichkeitaum besser zeigen, dass es in dieser Frage auch in deroalition unterschiedliche Auffassungen gibt. Im Ge-ensatz zu der Kollegin Kotting-Uhl würde ich sagen: Esst gut, dass man das zugibt und nicht versucht, irgend-elche Formelkompromisse zu finden. In der energie-olitischen Frage gibt es einen entscheidenden Unter-chied zwischen SPD auf der einen Seite und CDU/CSUuf der anderen Seite, der uns sicher noch eine Weile be-leiten wird – bis zu dem Tag, wo ich Herrn Obermeierberzeugt habe. Bis das der Fall ist, muss ich vermutlichoch ziemlich lange im Amt bleiben. – Herr Obermeier,
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Bundesminister Sigmar Gabrielich sehe, dass Sie angesichts dieses Angebots noch nachWorten ringen.Kollegin Höhn hat meinen Kabinettskollegen Gloszitiert. Ich habe nicht verstanden, warum Sie eigentlichkritisiert haben, dass der Kollege Glos gesagt hat, ich seiwie Trittin. Sie müssten doch eigentlich – ich bin esnicht immer – froh darüber sein.
Ich habe mich revanchiert und dem Kollegen Glos ent-gegnet: Wenn er das noch einmal macht, werde ich öf-fentlich erklären, er sei wie Clement. Wir wollen docheinmal sehen, wer dann mehr Probleme hat.
Man sollte dies alles nicht übertreiben.Ich würde gerne zu den zwei angesprochenen Sach-fragen Stellung nehmen.Es geht zunächst um das, was der Innovationsministerdes Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Pinkwart, zuJülich gesagt hat. Klar ist, dass es nach § 7 Abs. 1 Satz 2des Atomgesetzes in Deutschland verboten ist, neueKernkraftwerke zur gewerblichen Erzeugung von Elek-trizität zu errichten.
Wer so etwas ankündigt – manches, was die KolleginGönner gesagt hat, kann man so interpretieren; der Kol-lege Koch in Hessen hat das sogar einmal gefordert –und wer erklärt, er wolle den Neubau von Kernkraftwer-ken zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, derfordert in Deutschland zum Rechtsbruch auf.
– Nein, das kann er nicht. Das kann nur der DeutscheBundestag,
aber kein Landesminister.
– Aber in diesem Parlament gibt es keine Mehrheit fürdie Änderung.
Wer in dieser Zeit dazu aufruft, das Gegenteil zu tunund mit Planungen für einen solchen Neubau zu begin-nen, Frau Flach, dem müssen wir sagen – auch wenn erder FDP angehört –: Lieber Freund, du bereitest hier ei-nen Rechtsbruch vor.
Das ist nicht in Ordnung.An die Adresse der FDP muss ich sagen: Ich hatte Sieimmer als Rechtsstaatspartei in Erinnerung.Wmdvd–ZrsDnHmdSn–dvemIZaAdsggswr–JNddsdn–t
enn Sie sich den Ruf wieder erwerben wollen, dannüssen Sie dafür sorgen, dass die Verfassung des Lan-es, das entsprechende Bundesrecht und das Atomgesetzon Ihren Politikern öffentlich nicht infrage gestellt wer-en.
Ich habe Ihnen geduldig zugehört. Nun sind Sie mituhören an der Reihe.Die zweite Frage ist, ob es sich um einen Forschungs-eaktor handelt. Natürlich ist es richtig, dass im Atomge-etz der Bau von Forschungsreaktoren nicht verboten ist.ie Frage ist nur, wieso Sie einen Forschungsreaktor ei-es Kernkraftwerkstyps bauen wollen, nämlich einesochtemperaturreaktors, den es in Deutschland nichtehr gibt. In ein solches Projekt mit einer Laufzeit vonrei Jahren wurden schon einmal 2 Milliarden Euroteuergelder versenkt. Warum wollen Sie eigentlich ei-en solchen Reaktortyp bauen?
Na klar. Er hat das öffentlich angesprochen und gesagt,ies sei eine Zukunftstechnologie. Ich bin zwar nichterantwortlich für den Unsinn, den jemand über Kern-nergie erzählt. Aber wenn Sie mich danach fragen,uss ich darauf antworten. Ich kann nichts dafür, wennhr Kollege öffentlich erklärt, es handele sich um einenukunftsreaktor. Wir alle sind der Meinung, dass manuf dem Feld der Sicherheitstechnik forschen muss.ber der Bau eines Forschungsreaktors von einem Typ,en es in Deutschland nicht gibt, trägt nicht zur Verbes-erung der Sicherheitstechnik bei. Das ist doch klar.
Wenn jemand erklärt, dies sei eine Zukunftstechnolo-ie, der hat offensichtlich vor, einen solchen Reaktor zuewerblichen Zwecken in Deutschland einzuführen. Ichage Ihnen, das ist nach dem Atomgesetz verboten. Des-egen würden wir dem Bau eines solches Forschungs-eaktors nicht zustimmen können.
Doch, das müssten wir. Denn 90 Prozent der Anlage inülich gehören dem Bund und nur 10 Prozent dem Landordrhein-Westfalen. Es geht hierbei nicht um Dinge,ie von der Föderalismusreform tangiert werden, son-ern um Eigentumsrecht, Frau Kollegin Flach. Wenn Sieich als Liberale auch darüber hinwegsetzen wollen,ann kann ich nur sagen: gute Besserung! So geht esicht.
Ich möchte schon ganz gerne auf Ihren Beitrag antwor-en.
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3954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Bundesminister Sigmar GabrielIch habe keine Sorge, da ich weiß, dass aus diesemVorhaben nichts wird. Ich kann auch nicht erkennen, wasdaran zukunftsweisend sein soll. Beim Thema Sicher-heitsforschung sind wir alle einer Meinung. Aber für ei-nen Reaktortypen, den es in Deutschland nicht gibt,brauchen wir keine Sicherheitsforschung zu machen.Dann möchte ich etwas zum Thema Laufzeitübertra-gung sagen. Dieser Punkt ist im Atomgesetz eindeutiggeregelt. Wer Laufzeiten von einem jüngeren Kraftwerkauf ein älteres Kraftwerk übertragen will, braucht dazudie Zustimmung des Bundesumweltministeriums. Wenndas Bundesumweltministerium dazu keine Zustimmunggibt – es kommt auf unser Votum an; bei uns müsste einentsprechender Antrag gestellt werden –, dann wird auchkein Prozess in Gang gesetzt, den man mit dem Bundes-wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt absprechenmüsste. Da hat die Kollegin Dött Recht: Jeden eingehen-den Antrag würden wir nach Recht und Gesetz prüfen.Wie das ausgeht, kann die Verfahrensbehörde nicht vor-hersagen.Aus politischer Sicht kann ich Ihnen aber sagen: Ichkenne keinen Grund dafür, ein weniger sicherheitsopti-miertes Kraftwerk länger laufen zu lassen als ein sicher-heitsoptimiertes Kraftwerk; es sei denn, man wolle sichüber die Zeitspanne der nächsten Legislaturperiode ret-ten. Das allerdings wäre kein Grund, eine Genehmigungauszusprechen. Deswegen müssten wir eine solche ver-weigern. Ich nehme an, dass wir das auch tun würden.Wer versuchte, Reststrommengen des KernkraftwerksMülheim-Kärlich durch ein Kraftwerk durchzuleiten,um zum Beispiel das Kernkraftwerk Brunsbüttel weiter-laufen zu lassen – wenn man Reststrommengen vomKernkraftwerk Biblis B auf das Kernkraftwerk Bruns-büttel übertragen würde, wäre dies eine Übertragung voneinem älteren auf ein jüngeres Kraftwerk –, würde denVersuch der Umgehung des Atomgesetzes vornehmen.Auch dem müssten wir widersprechen. Wer versucht,Energiepolitik mit Sandkastenspielen zu betreiben, gerätgelegentlich in die Nähe des Staatsanwaltes. Denn in ei-nem solchen Fall würde ein Kraftwerk ohne Genehmi-gung betrieben werden. Das ist in Deutschland strafbar.Ich sage es in aller Offenheit: Wir würden mit allenMitteln dagegen vorgehen. Solche Spielchen lassen wirnicht zu. Es gibt ein Atomgesetz, das gilt. Denjenigen,die solche Spielchen vorhaben, muss ich Folgendes sa-gen: Es war die Energiewirtschaft, die den entsprechen-den Vertrag freiwillig unterschrieben hat.
– Sie hat unterschrieben. Sie wird doch wissen, was sieunterschrieben hat. – Der Politik wird immer vorgehal-ten, sie sorge nicht für sichere Rahmenbedingungen undman könne sich nicht auf sie verlassen. Ich hoffe, dassman sich auf die Wirtschaft verlassen kann und sie sichvertragstreu verhält.
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Zweitens. Herr Kollege Obermeier, wissen Sie, wer iniesem Jahr den teuersten Strom geliefert hat? Frank-eich, das den höchsten Anteil an Atomstrom hat. Alsoommen Sie in diesem Zusammenhang nicht mit demrgument des billigen Stroms. Das Gegenteil ist derall.Drittens. Öffentlich wird immer thematisiert, wertomkraftwerke baut. Dazu sage ich Ihnen: Der Bau vontomkraftwerken in Finnland funktioniert nur, weil eineayerische Bank die Zinsen subventioniert – und diesulasten ihrer Kreditnehmer; denn die zahlen deshalböhere Zinsen. Das ist die Politik, durch die in Finnlandernkraftwerke gebaut werden.China hat in der Tat das Ziel, dass die Kernenergie ei-en Anteil von 4 Prozent an der Stromerzeugung ein-immt. Erneuerbare Energien sollen aber einen Anteilon 15 Prozent haben. Das sind die Realitäten, die wir ineutschland bzw. in der Welt haben.
Ich habe gesagt: in der Welt. Ich habe mich korrigiert.ie sollten nicht nur den Fehler, sondern auch die Kor-ektur hören. Das würde ich gerne auch bei Ihnen ma-hen, wenn Sie sich einmal korrigieren würden.
Warum sind wir gegen Kernenergie? Weil es in die-em Zusammenhang kein absolut sicheres Kraftwerkibt. Weil ich nicht in die Lage gebracht werden will,wischen den Gefahren der CO2-Emissionen und denefahren der Radioaktivität wählen zu müssen. Das istie Wahl zwischen Pest und Cholera und wir wollen ge-und werden. Ich bin gegen Kernenergie, weil ich nichtill, dass meine Tochter und Ihre Kinder zusätzlichentommüll unter ihren Füßen begraben. Wir haben schonetzt genug davon. Wir wollen das nicht endlos ausdeh-en. Das ist unverantwortlich.
Ich nenne Ihnen jetzt meine Position, die dazu geführtat, dass der Ausstieg aus der Kernenergie im Koali-ionsvertrag steht.Zum Endlager: Die Menschen in Deutschland habenas gleiche Recht wie die Menschen in der Schweiz. Ichkzeptiere nicht, dass mir Politiker aller Parteien Briefe
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Bundesminister Sigmar Gabrieldergestalt schreiben, wir mögen es nicht zulassen, dassein Endlagerstandort in der Schweiz an der deutschenGrenze gewählt wird, ohne dass Alternativen in derSchweiz geklärt werden. Das muss auch in Deutschlandgelten, Herr Obermeier. Das ist die Antwort auf dieFrage, wie mit einem möglichen Endlager in Gorlebenumgegangen wird.
– Das ist nicht geklärt.
Das wissen Sie.Letzte Bemerkung: Wenn die Industrienationen dieserWelt weltweit erklären, nur die Kernenergie sei die Lö-sung, dann brauchen sie sich nicht darüber zu wundern,dass auch die Diktatoren dieser Welt auf die Idee kom-men, Kernenergie zu nutzen. Das Ergebnis ist die Ver-breitung kernwaffenfähigen Materials quer über denErdball.Vielen Dank.
Als letzter Redner hat das Wort der Kollege Marco
Bülow von der SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Äußerungen vonHerrn Pinkwart sind wir gewöhnt. Wir haben ähnlicheÄußerungen von anderen Politikerinnen und Politikernin diesem Lande gehört, die immer den Zweck erfüllensollen, ein wenig in dem Sinne nachzubohren: Was ist indieser Debatte möglich im Hinblick auf neue Atomkraft-werke und eine Laufzeitenverlängerung? Der Sprechervon Herrn Pinkwart, Herr Zimmermann – das wird si-cherlich nicht wieder geleugnet –, hat auch noch einmalnachgelegt und gesagt, man müsse auf jeden Fall allesdafür tun, die Atomtechnologie auszubauen, dranzublei-ben und auch Geld zu investieren.Damit wären wir bei den Kosten. Dazu ist schon eini-ges gesagt worden. 5 Milliarden Euro sind beim Schnel-len Brüter in den Sand gesetzt worden, 5 MilliardenEuro, die der Steuerzahler aufbringen muss. Das ist im-mer im Hinterkopf zu behalten, wenn wir über die Kos-ten der Atomkraft, die ja so billig ist, reden. Die Strom-rechnung ist niedrig, aber diese Kosten tauchen auf derStromrechnung auch nicht auf: Hamm-Uentrop kostete2 Milliarden Euro und kostet im laufenden Jahr immernoch 6,5 Millionen Euro. Diese Kosten muss man miteinbeziehen.Damit sind wir bei dem, was heute als neue Technolo-gie bezeichnet worden ist. Etwas eine neue Technologiefür die Zukunft zu nennen, was vor 20 Jahren schon ge-scheitert ist, ist absurd. Da hat wohl jemand verpennt,dass das vor 20 Jahren abgeschaltet wurde.
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eswegen brauchen wir diese Forschung. Nur muss manich entscheiden: Entweder sind sie total sicher, dannrauchen wir keine Forschung, oder sie sind nicht totalicher, dann brauchen wir die Forschung.
Nun möchte ich noch etwas zu Hamm-Uentrop sagen.amm-Uentrop ist nicht nur nach zwei Jahren einfachieder abgeschaltet worden, sondern dort gab es einennfall – bei der doch so tollen deutschen Technologie –,ei dem radioaktives Material freigesetzt worden ist. Esab auch zahlreiche andere Unfälle. Man kann aucheute nicht von Sicherheit sprechen. Das müssen wirinfach wissen.Dann fällt mir noch etwas anderes zu den Kosten ein:err Kelber hat schon darauf hingewiesen und ich alsordrhein-westfälischer Abgeordneter möchte gerneachfragen. Es gibt beispielsweise erhebliche Einspa-ungen bei den Landesforschungsinstituten. Ich nehmeinmal das Wuppertal Institut heraus, das wir alle fürichtig erachten, weil es Grundlagenforschung im Be-eich Klimaschutz betreibt; ein Thema, über das wiroch lange reden. Ich frage mich, warum die Mittel hier-ür gekürzt werden, jedoch Geld dafür da ist, weiterhinn Atomtechnologie, vor allen Dingen in überalterteechnologie, zu investieren. Ich glaube, das muss manen Menschen noch einmal deutlich erklären.
Nun noch etwas zu der immer von der FDP geschür-en Angstdebatte bezüglich der Abwanderung deutscherpitzentechnologie. Ich frage mich erstens, warum wirei der Biotechnologie in Europa führend sind, undweitens, warum die FDP, wenn sie sich schon so fürpitzentechnologie in Deutschland einsetzt, immer nochegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu Felde ziehtnd will, dass sich die erneuerbaren Energien nicht aus-reiten, sondern eingedämmt werden.
ir wissen doch, dass man die erneuerbaren Energien ineutschland durch ein Ausschreibungsmodell kaputtacht und die Kosten in die Höhe treibt.
Herr Gabriel hat deutlich gemacht, wie viele Arbeits-lätze und welche Potenziale im Bereich der erneuerba-en Energien vorhanden sind, die wir noch längst nicht
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3956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 42. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
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Marco Bülowausgeschöpft haben. Es ist übrigens interessant, dass imRahmen einer forsa-Umfrage, die Herr Hill schonerwähnt hat, gerade FDP-Wähler gesagt haben – dassollten Sie sich vielleicht einmal ansehen –, dass die er-neuerbaren Energien das größte Potenzial aller Energie-bereiche haben.
– Wenn Sie dafür wären, würden Sie dem EEG endlichzustimmen. Das wäre schön. Darauf warten wir immernoch.Ich möchte zum Schluss noch auf die Frage zu spre-chen kommen: Welche Zukunft hat die Atomkraft? Ichmöchte das aus einem Grund tun, der heute noch nichtangesprochen worden ist. Wir sagen immer, dass dasErdöl ausgeht, dass das Erdgas knapp wird und auchausgeht. Die Wünsche nach der Entstehung neuer Atom-kraftwerke in China und anderswo nehme ich mit Be-sorgnis zur Kenntnis. Wenn all diese Atomkraftwerkewirklich gebaut werden, haben wir ganz schnell auchkein Natururan mehr. Dann können wir ganz schnell alleAtomkraftwerke, die darauf bauen, abschalten. Dassollte man bei der Debatte vielleicht berücksichtigen.
Übrigens: Öl durch Atomkraft zu ersetzen, das müs-sen Sie mir einmal vormachen. Es hat schon einmal einMinisterpräsident im Zusammenhang mit dem Anstiegder Spritpreise gemeint, es müsse nur die Atomkraft aus-gebaut werden, um das in den Griff zu bekommen. Ichhabe noch keine Tankstelle gesehen, die Atomstrom indie Autos „füllt“.Zum Schluss zur Nachhaltigkeit: Das Nachhaltigstean der Atomkraft ist, dass wir damit unseren Kindernund Kindeskindern, die niemals eine Chance hatten, da-rüber zu bestimmen, ob sie Atomkraftwerke haben wol-len oder nicht, Müll hinterlassen, der Hunderttausendevon Jahren strahlt. Deswegen gebe ich unserem MinisterGabriel voll und ganz Recht, wenn er sagt: Wir wollennicht noch mehr Atommüll, den wir unseren Kindernund Kindeskindern hinterlassen müssen. Es ist gar keineFrage, dass wir mit dem, was wir haben, sorgfältig um-gehen müssen.In diesem Sinne: Vielen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tags auf morgen, Donnerstag, den 29. Juni 2006, 9 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.