Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäf-
tigung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundes-
minister der Finanzen, Barbara Hendricks.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derheute vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf einesGesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum undBeschäftigung enthält im Sinne des steuerpolitischenGesamtkonzepts der Bundesregierung vor allem Rege-lungen, die positive Impulse für mehr Investitionen undBeschäftigung geben werden.Zur Stärkung der Wachstumskräfte in konjunktur-schwachen Zeiten sind eine gezielte Wiederbelebung dersKz§Ksjüb1d4atbsaRfdVsVRedetInvestitionstätigkeit und die steuerliche Gewährung vonLiquiditätsvorteilen für kleine und mittelständischeUnternehmen erforderlich. Zur Förderung von Wachs-tum und Beschäftigung soll darüber hinaus der privateHaushalt als Feld für neue Beschäftigungsmöglichkeitensteuerlich gefördert werden. Durch die Möglichkeit,erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie Be-triebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichti-gen, wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ver-bessert.Im Einzelnen beinhaltet der Gesetzentwurf folgendeMaßnahmen zur steuerlichen Förderung von Wachstumund Beschäftigung:Erstens. Um privaten Haushalten einen Anben, als Arbeitgeber tätig zu werden, soll zusäschäftigung in diesem Bereich gefördert werd
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uf Grundlage der Steuerklasse I, der Steuerklasse III
der der Steuerklasse V?
Meine zweite Frage ist: Welche Gründe machen es
ach Auffassung der Bundesregierung notwendig, die
rsten 1 000 Euro für die Betreuung von Kindern bis
um vollendeten sechsten Lebensjahr nicht steuerlich
bsetzbar zu machen? In dieser Zeit ist die Betreuung
er Kinder, wie wir alle wissen, doch am teuersten, was
ie Kosten für Krippen, Tagesmütter und Kindergärten
nbelangt.
Ich habe die Ausführungen der Ministerin Frau von
er Leyen insofern nicht verstanden, als sie die Frage der
bsetzbarkeit der Beiträge durch die Eltern mit der Ar-
umentation verknüpft hat, die Bundesregierung zahle
ann ja für die Kommunen die Kindergartenbeiträge.
eshalb meine Frage: Warum ist die steuerliche Absetz-
arkeit der Kosten für die Betreuung von Kindern bis
um sechsten Lebensjahr, also in der Zeit, in der die Kin-
ergarten- und Krippengebühren am höchsten sind, erst
b 1 001 Euro möglich, während die Kosten für die Be-
reuung von Kindern zwischen sechs und 14 Jahren, die
ie Hälfte der Zeit in der Schule verbringen, sodass nur
ine Restbetreuungszeit übrig bleibt, die garantiert kei-
er Ganztagsbetreuung, sondern eher einer Teilzeitbe-
reuung entspricht, ab dem ersten Euro abgesetzt werden
önnen?
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Frau Kollegin Lenke, ich würde gerne auf ihre ersterage antworten. Ich gehe davon aus, dass Frau Bundes-inisterin von der Leyen Ihre zweite Frage beantwortenill. Ist das so?
Herzlichen Dank.Frau Kollegin Lenke, Sie haben bei Ihrer Frage offen-ar unbeabsichtigt einen kleinen Fehler gemacht.
it Steuerklasse V
at man ein niedriges und kein hohes Nettoeinkommen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 653
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara HendricksDas würde ich gerne klarstellen; denn sonst wäre das,was Sie gesagt haben, insgesamt nicht logisch.Im Übrigen aber, Frau Kollegin Lenke, ist das Eltern-geld nicht Gegenstand der heutigen Beratungen des Ka-binetts gewesen.
Die Bundesregierung wird zu gegebener Zeit auf IhreFrage zurückkommen.
Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der
Frage, warum die Kosten für die Betreuung von Kindern
bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr erst ab einer
Grenze von 1 000 Euro absetzbar sein sollen: Die Rege-
lung einer erhöhten steuerlichen Absetzbarkeit von Kin-
derbetreuungskosten zielt insbesondere darauf, neue Ar-
beitsplätze rund um den Haushalt, rund um die
Kinderbetreuung zu schaffen. Ausgehend vom Status
quo, der Schwelle von 1 548 Euro und der Begrenzung
auf 1 500 Euro, wollen wir das absetzungsfähige Ge-
samtvolumen deutlich erhöhen, und zwar auf
4 000 Euro.
Die ersten 1 000 Euro betreffen allgemeine Elternbei-
träge, also Kosten, die von allen Eltern mit Kindern die-
ser Altersgruppe für Kindertagesstätten erbracht werden,
unabhängig davon ob die Eltern erwerbstätig sind oder
nicht. Die Regelung zielt aber ganz klar darauf, zusätzli-
che Arbeitsplätze zu schaffen. So soll berücksichtigt
werden, wenn erwerbsbedingt über den normalen Kin-
dergarten hinausgehende Kosten für die Kinderbetreu-
ung anfallen. Die übliche Vormittagsbetreuung ist auch
eine Frage des Bildungszugangs.
Das Steuerinstrument kann natürlich nur Eltern ent-
lasten, die Steuern zahlen und bei denen erwerbsbedingt
hohe Kinderbetreuungskosten anfallen. Es kann kein In-
strument sein, um die allgemeinen Elternbeiträge insge-
samt zu senken.
Danke schön. – Ich rufe Kollegin Gesine Lötzsch auf.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
Frau Ministerin, ich schließe unmittelbar an die Frage
der Kollegin Lenke an. Mich würde interessieren, ob Sie
sich überlegt haben, dass die steuerliche Absetzbarkeit
von Kinderbetreuungskosten vor allen Dingen denen zu-
gute kommt, die sowieso ein relativ hohes Einkommen
haben, und Sie damit Familien, die ein geringes Einkom-
men haben, die ihren Kindern aber trotzdem eine gute
Kinderbetreuung bieten wollen, nicht fördern?
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Das habe ich übersehen. – Frau Ministerin, Sie kön-
en die nächste Gelegenheit nutzen.
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstens. In der Öffentlichkeit wurde hin-
ichtlich der steuerlichen Absetzbarkeit der Kinderbe-
reuungskosten lange Zeit eine andere Debatte geführt.
önnten Sie uns bitte erläutern, warum das Kabinett
etzt ein anderes Modell präferiert als das von der Minis-
erin ursprünglich vorgeschlagene, nämlich die Kinder-
etreuungskosten ab dem ersten Euro absetzbar zu ma-
hen? Was hat Sie dazu bewogen, diesen Beschluss zu
ällen?
Zum Zweiten: Gehen Sie davon aus, dass man im
ahmen der Parlamentsberatungen wieder zum ur-
prünglichen Modell zurückkommen wird, womöglich
uf Initiative der SPD-Fraktion?
D
Frau Deligöz, über die Motivlage des Kabinetts kann
ch Ihnen nichts sagen; ich kann nicht in die Köpfe der
inzelnen Kabinettsmitglieder blicken und Mutmaßun-
en wären nicht angemessen. Frau Bundesministerin
on der Leyen hat Ihnen eben die Begründung gegeben.
Was das Gesetzgebungsverfahren anbelangt, so gibt
s kritische Stimmen aus einzelnen Ländern und von
itgliedern der Koalitionsfraktionen. Die heute vorge-
chlagene Regelung wird noch einer näheren Betrach-
ung unterzogen werden. Ein solches Vorgehen ist in ei-
em Gesetzgebungsverfahren üblich.
Nun hat Kollegin Sibylle Laurischk das Wort.
Ich habe folgende Fragen an die Bundesregierung:rstens. Welcher Personenkreis wird voraussichtlich in
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Sibylle Laurischkden Genuss des Mindestelterngeldes in Höhe von170 Euro monatlich kommen? Wie soll bei der Berech-nung des Elterngeldes mit den selbstständig Erwerbstäti-gen verfahren werden?Zweitens. Inwieweit wird die steuerliche Absetzbar-keit von Kinderbetreuungskosten Auswirkungen auf ge-ringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushal-ten in Höhe von bis zu 400 Euro im Monat haben?D
Frau Kollegin, Ihre erste Frage kann ich Ihnen mit
Hinweis darauf, dass dieses Thema heute im Kabinett
keine Rolle gespielt hat und vorerst auch nicht spielen
wird – das Gesetz muss schließlich erst ausgearbeitet
werden –, nicht beantworten.
Ihre zweite Frage dagegen will ich Ihnen gerne beant-
worten. Es ist im Rahmen des § 35 a Einkommensteuer-
gesetz weiterhin möglich, die Kosten für geringfügig be-
schäftigte Personen im Privathaushalt steuerlich geltend
zu machen. Der Abzug von der Steuerschuld beträgt
10 Prozent der Gesamtkosten, maximal jedoch
510 Euro. In diesem Punkt gibt es also keine Änderung.
Könnte auch Frau Ministerin von der Leyen dazu
Stellung nehmen? Das hatte sie gerade bereits beabsich-
tigt.
Frau Ministerin, bitte.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Auf Ihre Frage nach dem Elterngeld kann auch ich
nur sagen, was die Frau Staatssekretärin gerade geant-
wortet hat, nämlich dass noch gar kein Gesetz zum El-
terngeld vorgelegt worden ist. Im Laufe des Gesetzge-
bungsverfahrens, wenn es um die Details geht und
einzelne Zahlen feststehen, werden wir diese Dinge dis-
kutieren können.
Ich möchte noch auf die Frage zurückkommen, die
die Kollegin von der Linken gestellt hat, bei der es da-
rum ging, dass bei Steuerprogression ein höheres Ein-
kommen zu einer höheren Absetzbarkeit führt. Ich
möchte noch einmal ganz klar sagen, dass es in diesem
Zusammenhang um die horizontale Gerechtigkeit geht.
Wenn man Ehepaare, die ein Einkommen, zum Beispiel
2 000 oder 3 000 Euro, verdienen und Kinder erziehen,
den Paaren gegenüberstellt, die das gleiche Einkommen
erzielen, aber keine Kinder erziehen und somit keine
Kinderbetreuungskosten bewältigen müssen, um zur Ar-
beit gehen zu können, dann muss man sich doch fragen,
wie man damit umgehen soll. Man muss sich fragen, ob
es richtig ist, diese erzielten Einkommen gleich hoch zu
besteuern, oder ob es nicht gerechter und vernünftiger
wäre, die Kindererziehung durch eine höhere Absetz-
barkeit der Kinderbetreuungskosten steuerlich zu be-
rücksichtigen. Man muss doch anerkennen, dass es die
steuerliche Leistungsfähigkeit mindert, wenn man hohe
Kinderbetreuungskosten hat.
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Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ich gehe davon aus, dass die Spielregeln unserer de-
mokratischen Ordnung berücksichtigt werden. Der Ge-
setzentwurf, hinter dem die gesamte Bundesregierung
steht, steht jetzt zur Diskussion.
Nun hat noch einmal Kollegin Ekin Deligöz das Wort.
Auch ich richte meine Frage an die Frau Ministerin.
Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, dass deutlich
mehr Arbeitsplätze geschaffen und Eltern entlastet wer-
den. Könnten Sie uns gegenüber quantifizieren, was Sie
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Bitte schön.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
amilie, Senioren, Frauen und Jugend:
Die 25 Milliarden Euro Investitionsvolumen sind
egenfinanziert. Zur Frage, ob dadurch mehr Beschäfti-
ung ausgelöst werden wird: Ich bin der festen Überzeu-
ung, dass dies zur Schaffung von legalen Arbeitsplät-
en führen wird; denn es ist für viele interessant, die
osten rund um das Thema Tagesbetreuung steuerlich
bsetzen zu können. Quantifizieren kann man dies nicht;
enn es ist nicht vorhersehbar, wie viele Plätze geschaf-
en werden.
Nun hat Kollege Georg Fahrenschon das Wort.
Frau Staatssekretärin, meine Frage bezieht sich auf
en Teil, der – darauf haben Sie zu Recht hingewiesen –
en Löwenanteil der steuerlichen Entlastung ausmacht,
ämlich die Veränderungen, die die Bundesregierung in
hrem Gesetzentwurf bei den Abschreibungsbedingun-
en durch eine befristete Anhebung der degressiven AfA
ür bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
ornimmt. Im Zusammenhang mit diesem Gesetzent-
urf, der rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft tre-
en soll, interessiert mich – auch die betroffenen Unter-
ehmer haben sicherlich ein sehr starkes Interesse daran –,
ie Sie die Möglichkeiten der deutschen Wirtschaft ein-
chätzen, von dieser Änderung möglichst zügig Ge-
rauch zu machen. Gibt es schon Überlegungen, wie die-
es Verfahren umgesetzt werden kann, und auf welche
eitliche Perspektive, ab wann sie von der Möglichkeit
ebrauch machen können, müssen sich die Unternehmer
instellen?
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Herr Kollege Fahrenschon, ich bin für diese Fragenehr dankbar. Da es uns gemeinsam darum geht, die
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara HendricksWirtschaft zu beleben, sollen die Maßnahmen, die heutevon der Bundesregierung im Parlament vorgestellt wer-den, so rasch wie möglich wirken. Deswegen – daraufhabe ich eben in meinen Ausführungen hingewiesen –sollen die verbesserten Abschreibungsbedingungenrückwirkend ab dem 1. Januar dieses Jahres gelten. Dasheißt, jede Investition, die in diesem und im nächstenJahr getätigt wird, profitiert von den verbesserten Ab-schreibungsbedingungen bei der so genannten degressi-ven AfA durch die Erhöhung von 20 auf 30 Prozent.Dabei hat die Bundesregierung sehr zielgerichtet vor-gesehen – das wurde auch in der Koalitionsvereinbarungso verabredet –, dass diese Maßnahme auf zwei Jahrebegrenzt wird. Das hat zwei Gründe: Zum einen soll inder Tat das erhöhte Abschreibungsvolumen dazu dienen,bei Investitionsüberlegungen zu rascheren Entscheidun-gen zu kommen. Diese Regelung soll zum anderen ganzbewusst auf zwei Jahre – bis Ende des Jahres 2007 – be-grenzt werden, weil wir verbindlich vereinbart haben,mit Wirkung ab dem Jahr 2008 ein neues Unternehmens-besteuerungsrecht zu schaffen. Um den für die sorgfäl-tige Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens für einvöllig neues Unternehmenssteuerrecht benötigten Zeit-raum nicht zulasten der Wirtschaft ungenutzt verstrei-chen zu lassen, schlagen wir für diesen Zeitraum – die-ses und das nächste Jahr – eine Verbesserung derAbschreibungsbedingungen vor.Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Koalitionsfraktio-nen diesem Vorschlag folgen werden. Deshalb kann si-cherlich auch mit Zustimmung des Hauses festgestelltwerden, dass diese Regelung für jede Investition gilt, dieab dem 1. Januar dieses Jahres getätigt worden ist und indiesem und im nächsten Jahr weiter getätigt wird.
Nun hat Kollege Leo Dautzenberg das Wort zu einer
Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
sehr wichtig in dem Gesetzentwurf ist die darin einge-
schlagene Richtung, den privaten Haushalt als Arbeitge-
ber anzuerkennen und dadurch Beschäftigungsimpulse
zu schaffen. Ich habe aber eine Frage zu einem Punkt in
dem Gesetzentwurf – sie schließt an die Frage des Kolle-
gen Fahrenschon zu dem Bereich der degressiven AfA
an –, nämlich zu der Istversteuerung bei der Umsatz-
steuer. In den neuen Ländern wird diese Praxis bereits
angewandt. Sehen Sie keine Schwierigkeiten, dass für
den Übergang wieder auf alte Verfahren abgestellt wird?
Ist sichergestellt, dass das Gesetz, auch wenn es viel-
leicht erst im März oder April verabschiedet wird, auch
in den neuen Ländern mit Wirkung vom 1. Januar 2006
in Kraft treten kann?
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Das muss ich korrigieren. Ich habe das zwar eben
schon richtig ausgeführt, aber ich möchte nicht, dass ein
falscher Eindruck stehen bleibt. Die Verbesserung bei
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– Weil die SPD damals nicht wollte; das muss man auch
einmal klar sagen.
Sie haben es sich anders überlegt. Sie haben dazugelernt.
In dem Kontext würde uns interessieren, was es be-
deuten würde, wenn man die Abzugsfähigkeit ab dem
ersten Euro erlauben würde, und zwar unabhängig vom
Alter, und – damit verbunden – die Grenze von
4 000 Euro nicht antasten würde. Wie groß wäre dann
das Volumen? Es irritiert mich nämlich etwas, zu lesen,
dass nur 2 000 Euro abgesetzt werden könnten, wenn die
Abzugsfähigkeit schon ab dem ersten Euro gegeben
wäre. Damit würde doch das Ansinnen der Ministerin,
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Bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben Recht damit, dass wir
en Ausbau der Kinderbetreuung in der letzten Legisla-
ur gegenfinanziert haben.
ber die Kosten, über die wir jetzt sprechen, kämen
azu; denn es geht nicht um den Ausbau von Betreuung,
ondern es geht um die Übernahme von Kitagebühren.
ch möchte konkret nachfragen, inwieweit Sie Vorstel-
ungen dazu haben, die Kommunen finanziell zu entlas-
en, damit diese die 2 Milliarden Euro dann stemmen
önnen.
Dr
Es gibt in dem Diskussionszusammenhang keinerlei
berlegungen in dieser Richtung. Ich sage aber aus-
rücklich, dass die Forderung erhoben worden ist, über
as Gesetz hinaus, das jetzt verabschiedet worden ist,
ehr für Familienförderung und Kinderbetreuung zu
un. Man muss darüber reden, wie man das am besten
inbekommt. Eine Möglichkeit wäre – davon würden
lle Familien profitieren –, die Kindergartenbeiträge zu
enken.
Kollegin Deligöz.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstandenabe, gab es dazu bisher noch keine Abstimmung inner-alb des Kabinetts, auch nicht mit den Kommunen oderen Ländern. Kann man angesichts dessen sagen, dassieser Vorschlag in der „Bild am Sonntag“ ein Allein-ang der Ministerin war – ohne jegliche Debattenbasisorher?
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)
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Dr
Nein, das kann man sicherlich nicht sagen. Wir müs-
sen unterscheiden zwischen einem konkreten Gesetzge-
bungsverfahren und einer allgemeinen politischen De-
batte darüber, wie Familienförderung gestaltet werden
sollte. Der Beitrag der Ministerin in der „Bild am Sonn-
tag“ ist sicherlich ein allgemeiner familienpolitischer
Beitrag gewesen,
natürlich vor dem Hintergrund der Diskussion, die wir in
den letzten Tagen geführt haben.
Frau Lenke, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden
habe, haben Sie auf die Frage, wie viel die Beitragsfrei-
heit in Kindergärten die Kommunen kosten würde, ge-
sagt, das würde 2,5 Milliarden Euro kosten.
Dr
2 Milliarden Euro.
2 Milliarden Euro würde es kosten. Sie haben aber
auch gesagt, 2,5 Milliarden Euro würden von den Kom-
munen schon jetzt ausgegeben. Wenn zwischen 70 und
80 Prozent der Kindergartenbeiträge von den Kommu-
nen und nur 20 bis 30 Prozent von den Eltern bezahlt
werden, dann kann das nicht ein gleich großer Betrag
sein.
Die Kollegin von den Grünen hat doch tatsächlich be-
hauptet, dass in der letzten Legislaturperiode jedes Jahr
1,5 Milliarden Euro vom Bund über die Länder an die
Kommunen für die Betreuung unter Dreijähriger geflos-
sen sind. Ich bitte Sie, mir zu sagen: Wie viel haben die
Länder bekommen? Sind das im Jahr 2005
1,5 Milliarden Euro gewesen und wie viel bekommen sie
im Jahr 2006 von der neuen Regierung?
Dr
Um auf das Letzte einzugehen: Frau Kollegin Lenke,
Sie haben sicherlich wahrgenommen, dass es eine Dis-
kussion darüber gibt, wie viel Geld bei den Kommunen
tatsächlich angekommen ist. Wir gehen davon aus, dass
es 1,5 Milliarden Euro sein müssen. Man stellt dazu Be-
rechnungen an. Darüber wird noch gestritten. Die Bun-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Dann entfällt die mündliche Beantwortung. Es wirderfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-erin und des Bundeskanzleramtes. Staatsministerinildegard Müller steht zur Beantwortung der Fragen be-eit.Die Fragen 2 und 3 des Kollegen Koppelin werdenchriftlich beantwortet.Dann rufe ich die Frage 4 der Kollegin Pau – Kolleginau ist anwesend – auf:
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664 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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)
Vizepräsident Wolfgang ThierseWaren Angebote amerikanischer Regierungs- oder Behör-denvertreter an deutsche Stellen oder eigenständige Überle-gungen deutscher Stellen, Gefangene in Guantanamo Bay zuvernehmen, in der Nachrichtenlage des BundeskanzleramtesGegenstand von Erörterungen und, wenn ja, zu welchen Er-gebnissen kam man bei diesen Erörterungen?Bitte schön, Frau Müller.H
Frau Kollegin Pau, Ihre Frage betrifft die Tätigkeit
der Nachrichtendienste des Bundes. Hierzu kann die
Bundesregierung nur in den dafür zuständigen Gremien
des Deutschen Bundestages Auskunft geben.
Nachfrage?
Aber natürlich. – Ich habe eine Nachfrage, über die
schon öffentlich diskutiert wurde. Trifft es zu, dass die
CIA bundesdeutschen Behörden eine Liste mit 200 Na-
men von Gefangenen aus Guantanamo mit dem Angebot
übermittelt hat, sich diejenigen auszusuchen, die sie
gerne durch die Dienste vernehmen lassen möchten?
H
Frau Kollegin Pau, ich weiß nicht, was Sie unter „öf-
fentlich diskutiert“ verstehen.
Im „Spiegel“ veröffentlicht.
H
Sofern Sie sich auf Zeitungsberichte fokussieren, bitte
ich um Verständnis, dass die Bundesregierung keine Me-
dienberichte kommentieren kann.
Weitere Nachfrage?
Aber natürlich. – Ich möchte wissen, welche Behör-
den die Dienstreise der Beamten nach Guantanamo zu
Herrn Kurnaz angewiesen und den Dienstreiseauftrag
ausgestellt haben.
H
Frau Pau, auch diese Frage betrifft nachrichtendienst-
liche Vorgänge und kann damit nur gegenüber den zu-
ständigen Gremien des Deutschen Bundestages beant-
wortet werden.
Wir kommen zur Frage der Abgeordneten Heidrun
Bluhm. Ist sie anwesend? – Sie müssen sich erheben, da-
mit das Zwiegespräch vor unser aller Augen stattfindet.
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– Ich habe bereits weitergeleitet. – Die Beantwortungder Fragen hierzu nimmt Staatsminister Gernot Erlervor.Wir kommen zur Frage 6 des Kollegen Gehrcke:Liegen der Bundesregierung nach der Veröffentlichungdes vom Schweizer Geheimdienst abgehörten Faxverkehrszwischen dem ägyptischen Außenministerium und der Bot-schaft Ägyptens in London bezüglich der Existenz US-ameri-kanischer Gefängnisse und Verhörzentren in Europa durch dieSchweizer Zeitung „Sonntags-Blick“ Erkenntnisse vor, diedie Existenz solcher geheimen US-Gefängnisse auf europäi-schem Boden bestätigen?
Herr Kollege Gehrcke, die Bundesregierung hat erst-
mals durch den Bericht im Schweizer „Sonntags-Blick“
Kenntnis von dem in dem besagten Bericht veröffent-
lichten Faxverkehr erhalten. Sie kann zu dem genannten
Faxverkehr bzw. zu der Echtheit der Faxe keine Anga-
ben machen.
Die angebliche Existenz geheimer CIA-Gefängnisse
in Europa war Gegenstand mehrerer von der Bundesre-
gierung bereits beantworteter parlamentarischer Anfra-
gen, darunter übrigens auch zweier Kleiner Anfragen Ih-
rer Fraktion.
Fragen zu nachrichtendienstlichen Zusammenhängen
beantwortet die Bundesregierung im Übrigen nur in den
dafür vorgesehenen Gremien des Deutschen Bundesta-
ges. Damit will ich keine Aussage darüber getroffen ha-
ben, ob der Hintergrund, der in dieser Frage angedeutet
worden ist, richtig ist oder nicht.
Kollege Gehrcke, Nachfragen?
Ja. Herr Staatsminister, ich bin ja schon dankbar dafür,
dass mir in Ihrer Antwort etwas mehr zuteil geworden ist
als meiner Kollegin vorher bei ihrer Frage zum Ge-
schäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundes-
kanzleramtes. Könnten Sie mir mitteilen, welche Bemü-
hungen die Bundesregierung unternommen hat, um die
Richtigkeit der Berichterstattung in der besagten Schwei-
zer Wochenzeitung zu prüfen und selber einen Beitrag
zur Aufklärung zu leisten?
Herr Kollege Gehrcke, die Bundesregierung sieht ihre
Aufgabe nicht darin, die Echtheit von irgendeinem Fax
zu überprüfen. Aber sofern sich Ihre Frage auf die Sache
selbst, nämlich auf diese „black sites“, bezieht, kann ich
Ihnen sagen: Die Bundesregierung ist in der Tat schon in
vielfacher Weise tätig geworden. Sie hat unter anderem
die Bemühungen um Aufklärung im EU-Rahmen unter-
stützt und zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaa-
ten Fragen formuliert. Die britische Ratspräsidentschaft
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Sie ist im Kern mitbeantwortet worden. Ich möchteber von meiner Möglichkeit, Nachfragen zu stellen, Ge-rauch machen. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Bun-eskanzlerin wegen Zeitmangels nur die Frage vonuantanamo Bay ansprechen konnte. Sie haben die Ak-ivitäten der Bundesregierung aufgeführt. Ist der Admi-istration der Vereinigten Staaten durch einen führendenepräsentanten der Bundesregierung, den Außenminis-er oder einen anderen Minister, in aller Eindeutigkeit
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666 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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)
Wolfgang Gehrckemitgeteilt worden, dass die Bundesregierung die Exis-tenz geheimer Gefängnisse nicht akzeptieren kann?
Herr Kollege Gehrcke, ich glaube, die autoritativste
Äußerung der Bundesregierung erfolgt ja durch die Bun-
deskanzlerin. Wie ich eben schon ausgeführt habe, hat
die Bundeskanzlerin dieses Gesamtthema auch bei ihrem
Besuch in den Vereinigten Staaten am 12. und 13. Januar
aufgegriffen. Es ist ausführlich über die ernsthafte Be-
drohung durch den internationalen Terrorismus gespro-
chen worden, aber auch darüber, dass es eigentlich eine
Selbstverständlichkeit ist, dass man sich dabei bemüht
– das tut die Bundesregierung; das hat sie auch in der
Vergangenheit getan –, die richtige Balance zwischen
rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen und
den Schutzbedürfnissen, die sich aus dieser Bedrohung
ergeben, zu finden. In diesem Zusammenhang sind auch
all die Punkte, die Sie eben genannt haben, angesprochen
worden.
Ich mache noch einen letzten Versuch, obwohl man
ohnehin nur das erfährt, was auch in den Zeitungen ge-
standen hat: Hat die Bundesregierung die Regierung der
Vereinigten Staaten eindeutig aufgefordert, endlich die
Wahrheit zu sagen und Klarheit darüber zu schaffen, ob
solche Gefängnisse vorhanden sind und, wenn ja, in wel-
chen Ländern solche Gefängnisse unterhalten werden?
Herr Gehrcke, hier kann ich nur noch einmal auf
meine erste Antwort zurückgreifen: Das ist durch die
britische Ratspräsidentschaft passiert. Die Antworten
– das habe ich gesagt – sind den Europäern bereits am 5.,
6. und 7. Dezember von der amerikanischen Außenmi-
nisterin gegeben worden.
Wir kommen zu den Fragen 8 und 9 der Kollegin
Lötzsch:
Trifft es zu, dass die Bundesregierung in der Antwort der
Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, vom
10. Juni 2003 auf meine schriftliche Frage 17 auf Bundestags-
drucksache 15/1164, ob die Bundesregierung Informationen
über die Zahl der Talibanhäftlinge und deren Behandlung im
Gefangenenlager Guantanamo Bay hat, antwortete, dass der
Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse über die Be-
handlung der Gefangenen vorliegen?
Trifft es zu, dass die Bundesregierung vor dem
10. Juni 2003 eigene Informationen durch zwei Beamte des
Bundesnachrichtendienstes und einen Mitarbeiter des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz, die in der Zeit vom 21. bis
27. September 2002 im Gefangenenlager Guantanamo Bay
den Türken M. K. vernommen haben, hatte, und, wenn ja,
stimmt die Bundesregierung mir zu, dass das Parlament dem-
zufolge von der Bundesregierung falsch informiert wurde?
Frau Kollegin Lötzsch, Herr Präsident, ich möchte
diese beiden Fragen, weil sie zusammengehören, auch
zusammen beantworten. Frau Kollegin Lötzsch, die
Bundesregierung erhält ihre Informationen über die
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 667
)
)
und logisch. An diesen Fakten hat sich nichts geändert.
Im Übrigen: Wenn es so gewesen sein sollte, dass die
Frage tatsächlich nicht richtig beantwortet worden ist,
dann ist das noch lange keine Missachtung der Rechte
des Parlaments. Sie hätten meines Erachtens schon da-
mals monieren müssen, dass Sie auf Ihre Frage eine
missverständliche Antwort bekommen haben.
Ja, also – –
Entschuldigen Sie, Sie haben Ihre beiden Nachfragen
gehabt.
Nein, ich habe zwei Fragen gestellt, also stehen mir
vier Nachfragen zu, Herr Präsident.
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ollegin Pau.
Herr Staatsminister, Sie haben gerade die damalige
ntwort zitiert. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass
ie damalige Bundesregierung keine deutschen Staatsan-
ehörigen in Guantanamo aufsuchen konnte. Wir haben
ber nun vom Bundesinnenminister erfahren, dass Herr
urnaz im besagten Zeitraum in Guantanamo aufge-
ucht wurde. Insofern stellt sich die Frage, warum Er-
enntnisse, die im Zusammenhang mit diesem Besuch
ber Haftbedingungen und die Zustände dort gewonnen
urden, dem Parlament damals auf die Anfrage der Kol-
egin Lötzsch nicht übermittelt wurden.
Frau Kollegin Pau, ich kann nur wiederholen, dass
rkenntnisse über Haftbedingungen nicht die Angele-
enheit irgendwelcher Sicherheitsdienste sind. Das ist
ngelegenheit der konsularischen Betreuung und diese
onnte in Guantanamo nicht stattfinden, weil – das wis-
en Sie ganz genau – der von Ihnen angesprochene In-
aftierte nicht deutscher Staatsbürger ist. Das amerikani-
che Recht lässt in diesem Fall keine konsularische
etreuung zu.
Kollege Wieland.
Herr
Spricht
enn nach Ihrer Kenntnis und dem Aktenstand Ihres
auses irgendetwas dafür, dass Ihre Amtsvorgängerin
rau Müller Kenntnis von einer Reise von BND-Mit-
rbeitern nach Guantanamo hatte?
Herr Kollege, ich möchte noch einmal feststellen,
ass zu dem Verdacht, dass das Parlament belogen
urde, überhaupt kein Anlass besteht. Aber da Sie diese
rage in so einer persönlichen Form gestellt haben,
öchte ich Ihnen eine konkrete Antwort geben: Die ehe-
alige Staatsministerin Frau Kollegin Kerstin Müller
at mir gegenüber persönlich erklärt, dass sie von dieser
ntsendung der Sicherheitsbeamten keine Kenntnis
atte.
Weitere Nachfrage vom Kollegen Uli Maurer.
Metadaten/Kopzeile:
668 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
)
)
Herr Staatsminister, habe ich Sie gerade richtig ver-
standen, dass Erkenntnisse über Haftbedingungen nur
dann Erkenntnisse der Bundesregierung sind, wenn sie
von Beamten des Auswärtigen Amtes oder des Konsula-
rischen Dienstes erhoben werden?
Ja, Herr Kollege Maurer, das haben Sie richtig ver-
standen.
Noch einmal Frau Lötzsch, danach kommen wir zu
den nächsten Fragen, die den gleichen Komplex behan-
deln.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister,
Sie haben auf die Frage meines Kollegen Wolfgang
Wieland ausdrücklich geantwortet, dass Ihre Vorgänge-
rin Frau Müller keine Kenntnis über diese Entsendung
der Beamten hatte. Ich gehe davon aus, dass Sie mir jetzt
bestimmt erklären können, wer im Bundeskanzleramt
Kenntnis von der Aussendung dieser Beamten hatte und
ob es sich dabei um den jetzigen Außenminister, Herrn
Frank-Walter Steinmeier – den ich hier übrigens
schmerzlich vermisse –, handelt.
Frau Kollegin Lötzsch, da ich darauf bei meiner Be-
antwortung einer anderen Frage noch eingehen muss,
verweise ich Sie auf meine späteren Ausführungen.
Dann werden Sie eine Antwort bekommen.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Tackmann auf:
Welche Stellen waren an der Antwort der Staatsministerin
im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, vom 10. Juni 2003 auf
die schriftliche Frage 17 der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch auf Bundestagsdrucksache 15/1164 über die Zahl der
Talibanhäftlinge und deren Behandlung im Gefangenenlager
Guantanamo Bay beteiligt und welche Stelle war federfüh-
rend?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Kollegin Tackmann, diese Frage wurde feder-
führend im Auswärtigen Amt bearbeitet und von der da-
maligen Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin
Müller, beantwortet. Sonstige sachlich betroffene Res-
sorts waren eingebunden.
Wir nehmen die Frage 11 der Kollegin Tackmann
gleich noch mit dazu:
War an der Beantwortung der genannten Frage das Bun-
deskanzleramt beteiligt und hat der jetzige Bundesminister
des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, etwas von der
Beantwortung der Frage gewusst oder diese Beantwortung
möglicherweise initiiert?
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Herr Staatsminister, können Sie mir das Ihrer Mei-
ung nach zuständige parlamentarische Gremium – ich
ermute, Sie meinen das zuständige Gremium des Deut-
chen Bundestages – nennen, in dem Sie diese Aus-
ünfte nur geben dürfen? Denn falls Sie das Parlamenta-
ische Kontrollgremium meinen, darf ich Sie auf § 1 des
ontrollgremiumgesetzes hinweisen, in dem steht, dass
as Parlamentarische Kontrollgremium lediglich für die
ontrolle der drei dort genannten Dienste zuständig ist,
lso nicht für die Kontrolle des CIA, auch wenn auch
ieser vermutlich einer nachrichtendienstlichen Tätig-
eit nachgeht.
Herr Kollege Ströbele, ich habe das in meiner ab-chließenden Bemerkung nur vorsorglich festgehalten.llerdings habe ich durchaus versucht, auf Ihre Frage zuntworten, in der es ja um dieses berühmte Fax ging. In-ofern habe ich in öffentlicher Sitzung auf Ihre Frage ge-ntwortet.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 669
)
)
Herr Kollege Ströbele.
Meine zweite Nachfrage: Herr Staatsminister, in Ihren
Antworten auf die anderen Fragen, die zu diesem Kom-
plex gestellt wurden, haben Sie darauf hingewiesen, dass
die Bundeskanzlerin hierzu Gespräche geführt hat und
dass auch die US-amerikanische Außenministerin Frau
Rice, als sie in Deutschland gewesen ist, Stellung dazu
genommen hat.
Zu diesem Sachverhalt kann die amerikanische Au-
ßenministerin bei ihrem Besuch in Berlin aber schlech-
terdings nicht Stellung genommen haben, weil er zu die-
sem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt war. Weder stand
etwas davon in der Zeitung noch gab es sonstige Infor-
mationen darüber. Diese Veröffentlichung soll vom
10. Januar dieses Jahres stammen, der Besuch von Frau
Rice aber fand im November vergangenen Jahres statt.
Es bleiben also nur die Gespräche übrig, die die Bundes-
kanzlerin mit Vertretern der US-Administration oder
– ich weiß es nicht – mit dem amerikanischen Präsiden-
ten geführt hat. Deshalb meine Frage: Können Sie sagen,
was die Bundeskanzlerin in der Sache zu diesen Vorwür-
fen erklärt hat?
Herr Kollege Ströbele, das bekannt gewordene Fax,
über dessen Echtheit wir keine Aussage treffen können,
hat keine grundsätzlich neuen Tatbestände aufgedeckt,
sondern lediglich das bekräftigt, was in den Medien zu-
vor schon umfassend berichtet worden war.
Zu den in den Medien verbreiteten Behauptungen,
dass nicht nur Flüge stattgefunden haben, sondern dass
es auch entsprechende Orte der Verbringung gab, hat die
amerikanische Außenministerin am 5., 6. und 7. Dezem-
ber letzten Jahres in der Tat ausführlich Stellung genom-
men, und zwar in dem Sinne, dass sich die amerikani-
sche Seite ohne Einschränkung an Recht und Gesetz
sowie an die Regeln des internationalen Völkerrechts
halten wird und dass dies sowohl für inländische wie
auch für ausländische Vertreter der amerikanischen Ad-
ministration gilt. Sollte es hier zu Fehlern gekommen
sein, sei man bereit, diese zu berichtigen. Das ist von der
europäischen Seite, die nach diesen Dingen gefragt hat,
zur Kenntnis genommen worden.
Wir kommen zur Frage 13 der Kollegin Bluhm:
Wann wurde der damalige Bundesminister des Auswärti-
gen, Joseph Fischer, über die Reise von Beamten deutscher
Sicherheitsbehörden nach Guantanamo Bay informiert?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Kollegin Bluhm, der Bundesminister des Aus-
wärtigen a. D., Joseph Fischer, war seinerzeit über die
Reise von Angehörigen deutscher Sicherheitsbehörden
nach Guantanamo Bay nicht unterrichtet.
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670 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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672 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 673
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
und mit welchen finanziellen Folgen rechnet die Bundesregie-
rung im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem bis
2029 laufenden Mietvertrag für das derzeitige Dienstgebäude
des BMI?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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Herr Abgeordneter Wieland, Sie wissen wahrschein-ich, dass es Haushaltsmittel für Kosten von Gutachtennd Wettbewerben im Zusammenhang mit Baumaßnah-en zur Unterbringung von Verfassungsorganen desundes gibt. Diese sind im Einzelplan 12 zentral veran-chlagt.
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674 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
)
)
Parl. Staatssekretär Peter AltmaierBei dem Grundstück auf dem Moabiter Werder, umdas es konkret geht, handelt es sich um ein bundeseige-nes Grundstück, das auf jeden Fall durch die Bundesan-stalt für Immobilienaufgaben für den Bund selbst ge-nutzt werden soll. Deshalb ist der in Aussichtgenommene Wettbewerb sehr sinnvoll und keinesfallseine nutzlose Aufwendung. Es ist im Gegenteil so, dassdie städtebauliche Situation auf dem Moabiter Werderderzeit nicht wirklich geklärt ist. Es gibt für dieses Ge-biet keinen Bebauungsplan. Aus diesem Grund habenwir uns dafür entschieden, durch einen Wettbewerb diebeste städtebauliche Lösung für diesen Ort zu finden.Wir haben aufgrund dieser ungeklärten Situation zu-sammen mit allen Beteiligten festgelegt, dass ein offe-ner, anonymer Realisierungswettbewerb in zwei Phasenstattzufinden hat. In der ersten Phase des Wettbewerbssind von den Teilnehmern lediglich städtebauliche Lö-sungsansätze für die Bebaubarkeit des zur Verfügungstehenden Grundstücks zu entwickeln. Dadurch wird diezu treffende Entscheidung nicht präjudiziert. Vielmehrschaffen wir gerade erst die Voraussetzungen für eineganz konkrete Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Nur durchden Wettbewerb können wir die Rahmenbedingungen er-mitteln, die einen Vergleich mit einem konkreten Mietan-gebot oder weiteren Alternativen unter Berücksichtigungder Funktionalität und der Sicherheit ermöglichen.Im Übrigen wurde die korrekte Vorgehensweise desBMI einschließlich der frühzeitigen Information der par-lamentarischen Gremien über das Vorhaben in der5. Sitzung des Haushaltsausschusses am 14. Dezember2005 bestätigt. Der Haushaltsausschuss hat dort zurKenntnis genommen, dass das Bundesamt für Bauwesenund Raumordnung einen offenen Realisierungswettbe-werb ausgelobt hat, im Rahmen dessen von den Teilneh-mern in der ersten Phase städtebauliche Lösungsansätzefür die Bebauung des Grundstücks ermittelt werden sol-len.Die finanziellen Folgen, die sich aus einer frühzeiti-gen Beendigung des Mietvertrages für die Gebäude er-geben, die wir mit Wirkung vom 1. Juli 1999 angemietethaben, werden derzeit im Rahmen einer zu erstellendenEntscheidungsunterlage in einer Wirtschaftlichkeitsver-gleichsbetrachtung dargestellt. Sie werden dem Haus-haltsausschuss dann zur Entscheidung vorgelegt.
Kollege Wieland.
Herr Staatssekretär, bei aller Freude, die ich als Berli-
ner darüber empfinde, dass Sie sich als Vertreter des
Bundesministeriums des Innern so sehr um die städte-
bauliche Entwicklung des Moabiter Werders bemühen,
wollen Sie wirklich behaupten, dass Sie das alles ganz
uneigennützig für potenzielle andere Nutzer tun, oder ist
die Vermutung richtig, dass das BMI dort in einen neuen
Palast oder neues Gebäude einziehen möchte? Wie ver-
trägt sich das mit einem langfristigen Mietvertrag, der
– so war zu lesen – bis zum Jahre 2029 abgeschlossen
wurde?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 675
)
)
Diese Maßnahmen sind zum Teil bereits umgesetzt; zumTeil befinden sie sich noch in der Umsetzung. Dies wirdvon der neuen Bundesregierung weiterhin unterstützt.Wir unternehmen alles, um entsprechende Gefährdungenso weit wie möglich zu minimieren.
Gibt es eine Nachfrage?
Ja, bitte.
Bitte schön.
Danke schön, Herr Staatssekretär Altmaier. Vor allem
bin ich damit zufrieden, dass Sie die Bemühungen der
alten Bundesregierung in der neuen Bundesregierung
ungeschmälert fortführen wollen. Wir sind uns auch ei-
nig darüber, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben
kann. Deshalb jetzt meine Nachfrage: Sind dieses
Wissen und diese Einigkeit, die wir in der Frage der Si-
cherheit haben, nicht Anlass, allen Überlegungen zu
Laufzeitverlängerungen gerade für ältere Reaktoren, die
bekanntermaßen vor terroristischen Angriffen beson-
ders ungeschützt sind – Stichwort: nicht sicher ausgelegt
gegen Flugzeugabstürze, die so genannte Brunsbüttel-
linie –, eine klare Absage zu erteilen?
P
Wenn dem so wäre, hätte sich schon die alte Bundes-
regierung nicht auf Restlaufzeiten einigen dürfen. Ent-
weder besteht eine nicht hinnehmbare Gefährdung oder
sie besteht nicht. Wir sind der Auffassung, dass wir in
Deutschland einen sehr hohen Stand bei den Sicherheits-
vorkehrungen haben. Im Übrigen gibt es im Hinblick auf
Restlaufzeiten sowohl Vereinbarungen aus der letzten
Legislaturperiode als auch Vereinbarungen im Koali-
tionsvertrag.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte schön.
Wir alle wissen, dass der so genannte Atomkonsens,
der zu dem Ausstiegsgesetz geführt hat, eine Vereinba-
rung zwischen verschiedenen Akteuren der Energiewirt-
schaft und der Politik war und insofern einen Kompro-
miss darstellt, der sozusagen die letzte Linie beschreibt.
Deshalb noch einmal meine Frage: Ist es angesichts der
Gefährdung gerade älterer Reaktoren nicht dringend ge-
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bundesdeutschen Behörden haben an amerikanische Stellen
Informationen über M. K. weitergeleitet?
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Herr Korte, die Bundesregierung kann nicht beurtei-
en, ob die Medienberichte zutreffen, und der Bundesre-
ierung liegen auch keine Kenntnisse über Inhalte von
S-Akten vor.
Gibt es Nachfragen? – Bitte schön, Herr Korte.
Wie erklären Sie sich denn dann – es sind ja täglich
eue Berichte zu lesen –, dass zum Beispiel der Bremer
taatsanwalt Uwe Picard auf Nachfrage die Herausgabe
er Unterlagen an US-Stellen verweigert hat, diese aber
ffensichtlich doch dort aufgetaucht sind? Das erschließt
ich mir nicht.
P
Ich weiß nicht, woraus Sie die Schlussfolgerung zie-
en, dass die Unterlagen offensichtlich bei US-Stellen
ufgetaucht sind. Ich kann nur wiederholen: Der Bun-
esregierung liegen keine Erkenntnisse über den Inhalt
on US-Akten vor. Wenn Sie andere Erkenntnisse ha-
en, müssen Sie uns das mitteilen.
Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Korte? – Dasst nicht der Fall.Dann kommen wir zur Frage 24 des Kollegen Korte:Welche genauen Kenntnisse konnten die Beamten deut-scher Sicherheitsbehörden über die Haftbedingungen der In-haftierten O. S. und M. K. gewinnen und haben die Beamtendiese Kenntnisse an ihre Behörden weitergegeben?
Metadaten/Kopzeile:
676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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P
Die Frage 24 des Kollegen Korte betrifft nachrichten-
dienstliche Zusammenhänge und wird deshalb von der
Bundesregierung in den dafür vorgesehenen Gremien
des Deutschen Bundestages beantwortet.
Nachfrage?
Da es offenbar, wie man auch als Neuling feststellt,
die Regel ist, dass über alle diese Fragen geheim verhan-
delt wird, will ich doch einmal die folgende Frage stel-
len, zumal da wir mindestens jeden Montag mit der neu-
esten Ausgabe des „Spiegels“ neue Vorfälle erfahren, die
die Öffentlichkeit bewegen und die uns als Parlamenta-
rier besonders interessieren sollten: Wie gedenkt die
Bundesregierung, all diese Fragen in der Zukunft in der
Öffentlichkeit zu diskutieren, und wie gedenkt sie, ihre
Erkenntnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen? Ich denke,
die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, dass diese Er-
kenntnisse offen gelegt werden.
P
Herr Kollege Korte, ich muss Sie darauf hinweisen,
dass die Entscheidung, Fragen mit nachrichtendienstli-
chem Zusammenhang nur in den dafür vorgesehenen
Gremien des Bundestages zu behandeln, eine Entschei-
dung des Bundestages selbst war und keine Entschei-
dung der Bundesregierung. Wir fühlen uns daran gebun-
den. Es liegt am Bundestag, diese Praxis beizubehalten
oder zu einem gegebenen Zeitpunkt zu modifizieren.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat die Kolle-
gin Petra Pau.
Herr Staatssekretär, können Sie mir erklären, welche
geheimdienstliche Relevanz Erkenntnisse über Haftbe-
dingungen in Guantanamo haben? Was berechtigt dazu,
dass das Ganze nur im PKGr und nicht hier im Plenum
des Deutschen Bundestages oder im Innenausschuss be-
handelt wird? Hinzu kommt der Umstand, dass wir re-
gelmäßig Foto- und Filmmaterial über Haftbedingungen
in Guantanamo in den Medien zur Kenntnis nehmen
können. Was dort stattfindet, findet ja nicht hinter ver-
schlossenen Türen statt.
P
Es ist bekannt, dass die Befragungen in Guantanamo
ausschließlich von Mitgliedern der Nachrichtendienste
durchgeführt wurden. Mitarbeiter des BKA waren daran
nicht beteiligt. Der Umstand, dass es Mitglieder der
Nachrichtendienste waren, führt dazu, dass die einschlä-
gigen Regelungen des Deutschen Bundestages über die
Behandlung dieser Vorgänge greifen.
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, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Haus-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 677
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)
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678 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 679
)
)
Zum zweiten Teil Ihrer Frage. Auch die EU-Kommis-ion wird der Frage nachgehen, was im Kanton Obwal-en passiert. Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass esin unfairer Steuerwettbewerb ist, dann würde dies denereinbarungen, die zwischen der Europäischen Unionnd der Schweiz getroffen worden sind, widersprechen.enn im Rahmen der binationalen Verträge hat diechweiz einem entsprechenden Code of Conduct zuge-timmt. Einer Verletzung dieses Codes müsste die EU-ommission nachgehen. Das Modell, das in Österreichraktiziert wird, ist in diesem Zusammenhang ein Son-erfall.Wir sind zurzeit dabei, diese Sachverhalte aufzuklä-en. Wir haben aber im Verhältnis zur Schweiz keine ei-enen Möglichkeiten, sofern das Doppelbesteuerungsab-ommen nicht verletzt wird. Eine Aufklärung kann nur
Metadaten/Kopzeile:
680 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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)
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricksaufgrund der Verpflichtungen, die die Schweiz gegen-über der Europäischen Union eingegangen ist, erfolgen.Wir prüfen also, ob das, was zu Beginn der Woche inmanchen Fernsehsendungen behauptet worden ist, zu-trifft und ob die Schlussfolgerungen, die dort gezogenworden sind, zutreffend sind.
Eine weitere Nachfrage, Frau Scheel.
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Ich bitte aber da-
rum, dass wir die Informationen zeitnah bekommen, so-
bald die Sachverhalte mit den jeweiligen Ländervertre-
tern besprochen worden sind.
Ich habe noch eine weitere Nachfrage. Es geht um die
einheitliche Bemessungsgrundlage. Sie haben darauf
hingewiesen, dass es im Falle einer Vereinheitlichung
überhaupt keine Anreize geben würde, dass Unterneh-
men im internationalen Kontext irgendwelche Verschie-
bungen zu ihren Gunsten und zulasten der einzelnen
Staaten vornehmen.
Bemessungsgrundlage ist Bemessungsgrundlage und
Steuersätze sind Steuersätze. Mich interessiert deswe-
gen, ob vonseiten der Bundesregierung über die Frage
hinaus, welche Besteuerungsgrundlagen herangezogen
werden – das ist ja die Bemessungsgrundlage –, auch er-
wogen wird, beispielsweise Mindeststeuersätze auf der
europäischen Ebene zu verankern, um ebendiesen unlau-
teren Wettbewerb, der auf diesem Gebiet stattfinden
könnte – bei uns liegt die Gewerbesteuer bei 39 Prozent
und in anderen Ländern beträgt sie null; dazwischen lie-
gen also Welten –, zu verhindern. Sind Sie der Meinung,
dass der Wettbewerb, der ohne Zweifel notwendig ist,
aufgrund der Gefahr des Dumpings nicht ein wenig gere-
gelt werden müsste, indem man neben der Vereinheitli-
chung der Bemessungsgrundlage auch Mindeststeuer-
sätze einführt?
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Frau Kollegin, die Bundesregierung sieht ihre vor-
dringliche Aufgabe darin, eine einheitliche Bemessungs-
grundlage, also die Möglichkeit einer einheitlichen Ge-
winnermittlung, insbesondere für international tätige
Unternehmen zu schaffen. Es würde dann innerhalb der
Europäischen Union keine verschiedenen Systeme bezo-
gen auf die gesamte Körperschaftsteuer mehr geben. Die
Bundesregierung ist froh und dankbar, dass die Mehrheit
der europäischen Länder, wenn auch nicht alle Länder,
aktiv daran mitwirkt. Dies geschieht bisher völlig zu
Recht auf der Arbeitsebene der Finanzministerien unter
Einbeziehung der Vertreter der Kommission.
Die Bundesregierung kann sich sehr wohl vorstellen,
dass es in einem zweiten Schritt so etwas wie eine Band-
breite von Steuersätzen geben könnte. Eine Bandbreite
impliziert einen Höchstsatz und einen Mindestsatz. Im
Rahmen einer solchen Bandbreite wäre dann auch wei-
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682 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006
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gen tun?
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Die Ursachen für die niedrigen Einkommen von
Frauen sind vielfältig und hängen auch in Bezug auf die
jüngere Generation mit dem immer noch geschlechtsspe-
zifisch geteilten Arbeitsmarkt zusammen. Frauen sind
häufiger als Männer in Wirtschaftsbereichen, Branchen
und Berufen mit vergleichsweise niedrigerem Einkom-
men tätig. Besonders in Westdeutschland tragen immer
noch die ungleiche Aufgabenverteilung zwischen Frauen
und Männern und fehlende Kinderbetreuungsmöglich-
keiten dazu bei, dass familienbedingte Einkommensun-
terschiede entstehen. Frauen machen insgesamt wegen
ihrer Familienpflichten in geringerem Umfang Über-
stunden als Männer und üben seltener Tätigkeiten aus,
für die es aufgrund besonderer Belastungen – zum Bei-
spiel Schichtarbeit – Zuschläge gibt. Familienbedingte
Berufsunterbrechungen mit ungünstigen Folgen für die
weitere Einkommensentwicklung tragen ebenfalls dazu
bei.
Die Bundesregierung setzt sich in ihrer Politik für die
Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Frauen und
damit für die Beseitigung von Entgeltunterschieden ein.
Im Mittelpunkt steht die Vereinbarkeit von Familie und
Erwerbsarbeit, die wir verbessern wollen. Hierzu gehö-
ren der weitere Ausbau der institutionellen Kinderbe-
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Deutschland gleichstellungspolitische Maßnahmen zur Erhö-
hung des Frauenanteils in Führungsgremien der Wirtschaft,
Dr
In ganz Europa nehmen Frauen deutlich weniger alsänner wichtige Entscheidungspositionen in den Unter-ehmen der privaten Wirtschaft ein. 2004 wurde in den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 683
)
)
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann KuesAufsichtsräten der jeweils 50 größten börsennotiertenUnternehmen in Deutschland nur eine Position von zehndurch eine Frau besetzt. Dabei liegt der Anteil inDeutschland mit rund 12 Prozent etwas über dem euro-päischen Durchschnitt von 10 Prozent. Insgesamt hatsich der Anteil von Frauen in Führungspositionen in derdeutschen Wirtschaft ausgehend von einem niedrigenNiveau in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Ge-genüber dem Mikrozensus 2004 beträgt der Anteil vonFrauen an Führungspositionen mit umfassender Füh-rungsverantwortung 21 Prozent.Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, eine ver-pflichtende Quote bei der Besetzung von Gremien vonAktiengesellschaften des privaten Rechts einzuführen.Sie hat sich im Rahmen der Vereinbarung der Bundes-regierung und der Spitzenverbände der deutschen Wirt-schaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauenund Männern in der Privatwirtschaft mit der Wirtschaftdarauf geeinigt, die Erhöhung des Anteils von Frauen inFührungspositionen auf freiwilliger Basis voranzubrin-gen. Die Fortschritte bei der Förderung der Chancen-gleichheit von Frauen und Männern in der privaten Wirt-schaft werden regelmäßig bilanziert und veröffentlicht.Die Berufung und Entsendung von Frauen und Männernin Gremien im Einflussbereich des Bundes werden durchdas Bundesgremienbesetzungsgesetz geregelt, über des-sen Umsetzung ebenfalls regelmäßig berichtet wird.
Gibt es Nachfragen, Frau Kipping?
Es gibt noch eine Nachfrage. Die von Ihnen angespro-
chenen Regelungen mit der Wirtschaft setzen allein auf
Freiwilligkeit. Welche Handlungsoptionen sehen Sie als
Bundesregierung, falls die entsprechenden Vereinbarun-
gen von der Wirtschaft nicht freiwillig erfüllt werden,
und welchen Wert hätte Ihrer Meinung nach eine solche
freiwillige Vereinbarung, wenn sie nicht zu dem ge-
wünschten Erfolg führen würde?
Dr
Ich glaube, dass wir hier auf Kooperation mit den
Spitzenverbänden der Wirtschaft und auf Verhandlungs-
lösungen setzen müssen. Wir sind hier auf einem guten
Wege. Auf dem Anordnungswege käme man hier nicht
zum Erfolg. Das entspricht auch nicht unseren Vorstel-
lungen hinsichtlich des Bemühens, hier zu einer besse-
ren Berücksichtigung der Frauen zu kommen.
Ich hätte noch eine weitere Nachfrage.
Bitte schön.
Besten Dank. In meiner Frage habe ich auf die Rege-
lung verwiesen, die man in Norwegen getroffen hat. Be-
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Das wird bei Gelegenheit im Einzelnen zu diskutieren
ein. Heute kann ich dazu nicht mehr sagen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.Die Zeit für die Fragestunde ist damit abgelaufen. Dieicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwor-et.Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der CDU/CSUAktuelle Entwicklung im Hinblick auf die Vo-gelgrippe und Schutzmaßnahmen der Bundes-regierungIch eröffne die Aussprache. Als erster Redner hatundesminister Horst Seehofer das Wort.
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Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die große Zahl neuer Fälle des Ausbruchs derVogelgrippe in der Türkei hat auch bei uns im Lande dieGefahrenlage erhöht. Die Menschen bei uns sind deshalbin hohem Maße alarmiert und beunruhigt. Deshalbmöchte ich hier vor dem Parlament zuallererst im Na-men der Bundesregierung versichern, dass wir seit vie-len Monaten mit allen betroffenen und zuständigen Stel-len – national, europäisch und international – und aufallen berührten Feldern das in unserer Macht Stehendetun, um die mit der Vogelgrippe verbundenen Gefahrenpräventiv von Deutschland fernzuhalten und aktiv in denbetroffenen Ländern zu bekämpfen.
Zunächst aber zur aktuellen Gefahrenlage und zur Ri-sikoeinschätzung durch die Wissenschaft: Ausgehendvon Südostasien hat sich die Vogelgrippe in den vergan-genen beiden Jahren über einen Großteil des asiatischenKontinents ausgebreitet. Mit Rumänien, der Ukraine,dem europäischen Teil Russlands, Kroatiens und derTürkei hat sie in den vergangenen Monaten auch deneuropäischen Kontinent erreicht. Das Territorium derEuropäischen Union ist, Gott sei Dank, bislang nochnicht von der Vogelgrippe betroffen.Unsere aktuelle Risikoeinschätzung geht von ver-schiedenen möglichen Quellen für die Einführung derVogelgrippe nach Deutschland aus. Die größte Gefahrgeht dabei im Moment von der illegalen Einfuhr von Ge-flügel und Geflügelprodukten sowie von anderen Vögelnund von Vögeln stammenden Produkten aus den betrof-fenen Regionen aus. Die Einschleppung der Vogelgrippeüber Zugvögel, die nach überwiegender Meinung derExperten für die globale Verbreitung der Vogelgrippeverantwortlich sind, ist im Moment bei uns in Deutsch-land sehr unwahrscheinlich. Diese Situation wird sich je-doch mit der Rückkehr der Zugvögel aus den südlichenLändern im Februar, März und April verändern.Als weitere mögliche Risikofaktoren beobachten wirauch den Personen- und Fahrzeugverkehr aus den betrof-fenen Ländern sowie den legalen Handel mit Geflügelund Geflügelprodukten aus nicht betroffenen Regionensehr genau. Auch wenn das Gefahrenpotenzial in diesenBereichen im Moment nicht das Ausmaß der beiden zu-nächst genannten Bereiche annimmt, werden wir bei ei-ner Veränderung der Gefahrenlage, beispielsweise durchAuftreten der Vogelgrippe innerhalb der EU, auch hiersehr schnell reagieren können.Wir haben die aktuelle Situation und unsere Schutz-maßnahmen gegen die Vogelgrippe in der Sitzung desBundeskabinetts heute Morgen behandelt. Wir warenübereinstimmend der Auffassung, dass mit Wachsam-keit, Vorsicht und allem Nachdruck alles Menschenmög-liche getan werden muss, um diese Tierseuche vonDeutschland fernzuhalten.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Januar 2006 685
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Meine Damen und Herren, um die Schlagkraft unse-rer Maßnahmen zu erhöhen, setzen wir uns im europäi-schen Kontext für ein einheitliches, gleichgerichtetesund möglichst weitgehendes präventives Vorgehen ein.Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir nächsten Montag imAgrarrat erneut umfassend über diese Themen redenwerden. Dort werden dann auch neue Vorschläge zurDiskussion gestellt, die bereits in die Bund-Länder-Be-sprechung eingeflossen sind, zum Beispiel die Deklara-tionspflicht für Reisende,
die ja nur dann Sinn macht, wenn wir sie auf europäi-scher Ebene realisieren.Deshalb müssen wir uns bewusst sein: Sosehr wir unsauch auf nationaler Ebene anstrengen – durch unsere Be-hörden, unsere Institute und hoffentlich auch mit umfas-sender Unterstützung durch die Geflügelhalter und dieBevölkerung –, so sehr müssen wir uns im Klaren darübersein, dass letztlich kein Staat der Erde diese schlimmeTierseuche allein bekämpfen bzw. dieses Problem alleinlösen kann. Das geht nur im internationalen Kontext; da-rum bemühen wir uns ganz massiv.Ich verweise noch darauf, dass die Geberkonferenz inPeking, was den Umfang ihrer finanziellen Zusagen be-trifft, in diesen Tagen die 1-Milliarde-Euro-Grenze über-schritten hat. Daran beteiligt sich die Europäische Unionmit über 100 Millionen Euro.Zum Schluss möchte ich sagen: Die Bevölkerungkann sich darauf verlassen, dass wir durch konsequentesund gemeinsames präventives Handeln alles tun, um dieGefahr der Vogelgrippe von Deutschland und der Euro-päischen Union fern zu halten. Lassen Sie uns, wie wires seit vielen Monaten tun, weiterhin gemeinsam und inguter Zusammenarbeit dafür sorgen, dass wir dieses Zielerreichen. Wir müssen darauf achten, dass wir der Vogel-grippe vorbeugend immer einen Schritt voraus sind, stattihr hinterherzulaufen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Michael
Goldmann von der FDP-Fraktion.
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ch denke, es ist sehr wichtig, deutlich zu machen: Der-eit gibt es in Deutschland keine Vogelgrippe und es be-teht für die Menschen in unserem Land im Momentuch keine unmittelbare Gefahr.
Lassen Sie mich, um das Verständnis ein bisschen zuertiefen, deutlich machen, wo der Unterschied zwi-chen der Vogelgrippe und der Influenza liegt – das gehta häufig ein bisschen durcheinander –: Die Vogelgrippest eine Tierseuche. Wenn sich der Virustyp zur Influ-nza verändert und eine Pandemie auf uns zukommt,ann besteht die Gefahr, dass viele Menschen ihr Lebenerlieren. Aber so weit ist es, Gott sei Dank, noch langeicht. Ich denke, es muss sehr deutlich unterschiedenerden zwischen den Vorsorgemaßnahmen zur Be-chränkung und Vermeidung der Vogelgrippe und denener Influenza. Zur Vermeidung und Einschränkung derogelgrippe gehören strenge Kontrollen; sehr geehrterinister, Sie haben das angesprochen. Dazu gehört auchie Aufstallung. Ich bin froh, dass wir heute Morgen imusschuss ideologiefrei über die Notwendigkeit einerufstallung gesprochen haben. Ich will sehr deutlich sa-en: Ich halte das Aufstallen unter bestimmten Umstän-en für notwendig: zum Schutz der Tiere, zum Schutzer Betriebe – auch vor wirtschaftlichen Schäden – undum Schutz der Verbraucher.
ch bin froh, dass Sie, Herr Minister, gesagt haben, dassie das ins Auge fassen. Heute Morgen in der Anhörungst allerdings auch deutlich geworden – das ist die Ein-chätzung der Wissenschaftler, die da waren; und dasind ja die Kapazitäten –, dass wir in Deutschland eineisikosituation haben und dass man sich nicht darauf be-chränken kann, darauf zu setzen, dass der Vogelzug öst-ich oder westlich an uns vorbeigeht.Bei den Außenkontrollen haben wir einen Schwach-unkt: Sehr geehrter Herr Minister, ich denke, Sie soll-en die Deklarationspflicht noch einmal überdenken.uch Ihr Staatssekretär Dr. Müller hat es heute Morgenm Ausschuss gesagt: Wir würden mit etwa 400 Millio-en Blatt Papier überflutet. Jeder kann sich wohl vorstel-en, dass das bürokratisch nicht zu handhaben ist. Dasndert aber nichts daran, dass wir die Außenkontrollenerbessern müssen und dass wir die Menschen für dieseußenkontrollen gewinnen müssen; sie müssen Ver-tändnis dafür haben, dass wir es hier mit einer großenefahr zu tun haben.
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Hans-Michael GoldmannZum nächsten Aspekt, dem Impfen: Wir müssen alleAnstrengungen unternehmen, um zu einer Impfung derTiere zu kommen. Ich weiß, dass das problematisch ist,weil es sozusagen unter dieser Impfdecke zu einer Wei-terausbreitung kommen kann. Wir müssen auf Marker-impfstoffe hinarbeiten und wir müssen auch darüber re-den, ob es klug ist, dass andere Länder, die meinen, siehätten mit diesem Problem nichts zu tun, sich dem Han-del verweigern und es zu Handelsbeschränkungenkommt.Bis jetzt konnte eine Übertragung von Mensch zuMensch nicht nachgewiesen werden. Sollte das Viruseine Veränderung durchlaufen – und diese Gefahr be-steht –, dann droht, wie gesagt, eine weltweite Epidemie,eine Pandemie. Um dem vorzubeugen, ist es nötig – dashaben Sie sehr richtig festgestellt, Herr Minister –, be-stimmte Berufsgruppen, aber auch Menschen, die gene-rell mit Tieren zu tun haben, die mit Federn in Berüh-rung kommen, aufzuklären. Nach wie vor gibt es beiHobby-Geflügelhaltern Defizite. Die großen Betriebewissen sehr genau, was zu tun ist. Aber der Rentner, sageich einmal, der drei oder vier Hühnchen hat, muss si-cherlich noch ein Stück besser informiert werden. Auchin bestimmten Bereichen – ich will hier jetzt niemandendiskriminieren – sind die Menschen an der einen oderanderen Stelle vielleicht ungenügend informiert, sei eszum Beispiel die Fleischereifachverkäuferin, seien es dieFleischer insgesamt. Wir müssen ihre Information ver-bessern.Die Menschen in der Türkei waren sehr schlecht in-formiert. Dadurch sind Probleme entstanden. Das konnteeinem Leid tun. Wer gesehen hat, wie die türkischenBürgerinnen und Bürger – oder einige wenigstens – mitTieren umgingen, dem hat das Herz geblutet. So etwasist absolut nicht in Ordnung. Wir müssen der Türkei mitunseren Informationsmöglichkeiten, mit unseren wissen-schaftlichen Möglichkeiten helfen. Aber wir dürfen esvor dem Hintergrund dieser Vorkommnisse nicht zu ei-ner antitürkischen Kampagne kommen lassen.
Lassen Sie mich noch die Medikamente ansprechen.Eben kam mir eine Kollegin entgegen und sagte, siesieht eine besondere Gefahr für ihr Kind; die Todesfällewürden ja überwiegend bei Kindern auftreten. Aber wirkönnen einen Impfstoff erst entwickeln, wenn wir fest-stellen, dass das Virus mutiert ist – und das braucht dannseine Zeit. Das heißt, wir müssen für die Zwischenzeitgenauso gewappnet sein wie für die Zeit danach. Aberman muss auch ganz deutlich sagen: Es macht überhauptkeinen Sinn, sich jetzt ein Medikament für die Hausapo-theke zu besorgen, weil irgendwann einmal möglicher-weise die Gefahr besteht, von dieser Krankheit erfasst zuwerden. Wir müssen deswegen auch in dieser Frage kon-sequent auf Lösungen hinarbeiten, natürlich gemeinsam.Ich persönlich bin davon überzeugt: Wenn wir klugund konsequent an diese Herausforderung herangehen,dann können wir es schaffen, die Vogelgrippe von unse-rem Land fernzuhalten. Wir waren schon einmal erfolg-rwPgS2nlozhaddIaVEoBsfeEkzzlbdakElzwmbkssrbb
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wilhelm
riesmeier von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Sehr verehrte Damen und Herren! 150 Millionentück Geflügel sind im Verlaufe dieser Seuche seit Ende003/Anfang 2004 getötet worden. 80 Menschen sindach ihrer Erkrankung daran gestorben; die Dunkelzifferiegt sicherlich noch höher.Ein Phänomen ist dabei zu beobachten, das Epidemi-logen und Tierärzten, die sich mit solchen Seuchen-ügen auseinander setzen, nicht unbekannt ist: Es ist biseute nicht gelungen, dem Seuchenzug, der in Südost-sien seinen Ausgang genommen hat und bis heute an-auert, Einhalt zu gebieten. Die Seuche scheint dort en-emisch zu werden. Offensichtlich sind die staatlichennstitutionen vor Ort nicht in der Lage, dieses Problemdäquat zu bewältigen.Nach zwei Jahren hat man nun in einer Konferenz dieoraussetzungen geschaffen, um diesem Seuchenzuginhalt zu gebieten – das bezieht sich nicht nur auf Süd-stasien, sondern auch auf andere Regionen wie zumeispiel Schwarzafrika, wo ein sehr hohes Risiko be-teht, dass die Seuche dort ebenfalls einbricht –, und dieinanziellen Grundlagen geschaffen, damit dort effizientingegriffen werden kann. Ich begrüße das Bemühen derU, 120 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Hinzuommen noch einmal 120 Millionen Euro aus den ein-elnen EU-Mitgliedstaaten. Deutschland beteiligt sichunächst mit 10 Millionen Dollar, also mit etwa 8 Mil-ionen Euro. Wir sind darüber hinaus in Laos und Kam-odscha bereits aktiv und sorgen dort, in einer Region,ie sehr schwer zu erreichen ist, dafür, dass zum einenufgeklärt wird und zum anderen eine effiziente Be-ämpfung initiiert wird.Vietnam rechnet damit, das Problem eventuell bisnde 2010 in den Griff zu bekommen. Das macht deut-ich, wie die Perspektive aussieht und was noch auf unsukommt. Das Bedrohungspotenzial wird nicht kleinererden. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Virusutiert, ist heute genauso groß wie vor zwei Jahren. Esesteht also überhaupt keine Notwendigkeit, die Bevöl-erung zu verunsichern. Das gilt auch für die Berichter-tattung in den Medien.
Wir in Deutschland haben alle Voraussetzungen ge-chaffen, um die Seuchenabwehr effektiv zu organisie-en und zu administrieren: Vom 15. bis 18. Novem-er 2005 hat eine große Rahmenübung zur Tierseuchen-ekämpfung stattgefunden. Die Länder Niedersachsen
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Dr. Wilhelm Priesmeierund Nordrhein-Westfalen arbeiten – das ist beispielhaft –grenzübergreifend mit den Niederlanden auf der Grund-lage eines Konzepts zusammen. Wir werden in aller-nächster Zeit ein großes mobiles Tierseuchenbekämp-fungszentrum bekommen.
Solche Ansätze brauchen wir unter epidemiologischenAspekten dringend.Es kommt aber auch darauf an, dass sich eventuelleSchwachstellen auf der Bund-Länder-Ebene, die also inunserem Föderalismus begründet sind, dann, wenn esernst werden sollte, nicht wirklich als Schwachstellen er-weisen. In Anbetracht der Bedrohung sollten solcheÜbungen und Maßnahmen bereits jetzt regelmäßigdurchgeführt werden, um entsprechend vorbereitet zusein, wenn es, was ich nicht hoffe, dazu kommen sollte,dass wir aktiv werden müssen. Mit einer Übung ist esnicht getan, dieser Übung müssen noch mehrere folgen.Die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, müssenunmittelbar gezogen werden. Daher hätte ich erwartet,dass sich der Bund nicht nur ideell, sondern auch finan-ziell an diesem mobilen Tierseuchenbekämpfungszent-rum beteiligt, auch wenn die TierseuchenbekämpfungAufgabe der Länder ist.Aber auch auf anderen Ebenen sind die Länder gefor-dert. Wir haben das erkannt.Bei den Einreisekontrollen sind in erheblichem Um-fang Probleme festgestellt worden, die wir nicht so ein-fach administrieren können. 400 Millionen Reisendesind nicht so einfach zur Gänze zu kontrollieren. Hierwird auch deutlich – das ist richtig angesprochenworden –, dass das Problembewusstsein der Reisendengeschärft werden muss. Es kann nicht sein, dass in einemBus aus Montenegro über eine Tonne Fleischwaren und300 Kilo Milcherzeugnisse gefunden werden. Nicht je-der Bus kann kontrolliert werden. Wie wir gehört haben,geht von diesen illegalen Importen die größte Gefahraus.Die bisher geführten Nachweise – sowohl bei demFall in London als auch bei dem Fall in Brüssel – beru-hen regelmäßig darauf, dass zum Beispiel artgeschützteGreifvögel illegal importiert werden. Diese tragen dannunter Umständen zu einem erhöhten Risiko bei und ge-fährden uns alle. Dort müssen wir die Kontrollen natür-lich noch besser gestalten und verschärfen. Wir müssenauch darauf hinwirken, dass die Warenströme im Klein-Klein-Verkehr, der nach Deutschland kommt und durchden der persönliche Bedarf durch Einkäufe gedecktwird, konsequent unterbunden werden.Wir müssen dafür sorgen, dass es keine Ausnahmengibt. Es ist zum Beispiel im Augenblick nicht ganz klar,aus welchen Regionen in Rumänien exportiert werdendarf und aus welchen Regionen nicht. Es gibt offensicht-lich Exporte aus Regionen, in denen kürzlich H5N1nachgewiesen worden ist. Darum fordere ich die EU auf,das konsequent abzustellen und dafür zu sorgen, dassauch die letzten Schlupflöcher in den EU-Raum ver-stopft werden, um ein größtmögliches Maß an Sicherheitzu erreichen.vKtEuVurbwzipRdaFFIzAhtsiEEwWflgeafliudc
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann
on der Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich kann den Optimismus, dass wir auf die Si-uation, die uns umgibt, gut vorbereitet sind, nicht teilen.s geht hier ja nicht um ein gefühltes Risiko, sondernm eine objektive wissenschaftliche Bewertung.Man muss sagen, dass es wichtig ist, das Risiko vonerlusten richtig zu bewerten; denn hier geht es wirklichm eine wirtschaftliche Bedrohung, die Herr Priesmeierichtig beschrieben hat, und um ein Infektionsrisikoeim Menschen. Heute Morgen bei der Anhörung habenir auch wieder gehört, dass die offizielle Datenlageum großen Teil nicht belastbar, sondern hoch variabelst. Diese Situation strahlt auch nach Aussagen der Ex-erten eine einmalige Dynamik aus.Daher stellen sich die Fragen, ob wir das wirklicheisiko kennen und ob die Bedingungen dafür vorliegen,ass wir dieses Risiko wirklich genau definieren und ex-kt beschreiben können. Nach dem Gesetz ist dasriedrich-Loeffler-Institut für die Beantwortung dieserragen verantwortlich. Für die Risikobewertung ist dasnstitut für Epidemiologie in Wusterhausen federführenduständig. Es ist die einzige Einrichtung dieserrt. Umso unverständlicher ist es, dass seine Arbeitsfä-igkeit zumindest infrage gestellt und in Grenzen belas-et wird.
Für eine solche Risikobewertung sind dringend Res-ourcen notwendig. Die personelle Ausstattung ist auchm internationalen Vergleich zumindest nur grenzwertig.s gibt Wissenschaftlerstellen, die nicht besetzt sind.ine Wissenschaftlerstelle wurde eingezogen. Es gibt zuenig nicht wissenschaftliches Personal und wir habenissenschaftler, die im Moment im Ausland helfen undür die wissenschaftliche Bearbeitung im Inland natür-ich fehlen. Insgesamt glaube ich, dass es hier ein Defizitibt.Daneben soll dieses Institut ab 2010 an einen unge-igneten Standort verlagert werden. Ich meine, das sindusgesprochen schwierige Arbeitsbedingungen. Ichinde das Engagement der Wissenschaftler wirklich sehrobenswert; denn trotz dieser Bedingungen erfüllen siehre Aufgaben und geben die Risikobewertung pünktlichnd in großer Qualität ab. Ich meine aber, dass maniese Situation ändern muss.
Wichtige Aussagen der Risikobewertung widerspre-hen einer Entwarnung. Insbesondere in der Türkei gibt
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Dr. Kirsten Tackmannes eine verwirrende und eher beunruhigende Situation,wie die Wissenschaftler sagen. Heute Morgen wurde ge-sagt, dass es gestern 50 neue Verdachtsfälle gab. Daszeigt die dringende Notwendigkeit, jetzt vor Ort zu hel-fen; denn wir können uns selbst nur schützen, wenn wirdieses Problem vor Ort lösen. Der Erfolg jedes Schutz-versuchs im Inland hängt davon ab, ob die Probleme inden betroffenen Regionen vor Ort gelöst werden.
Wir müssen vor Ort epidemiologische Ermittlungen un-terstützen und die Ausbreitungsrisiken klären. Wir müs-sen ebenso die Veterinärbehörden und die Bekämpfungs-maßnahmen in den betroffenen Gebieten unterstützen.Wir müssen auch wirtschaftlich helfen; denn Geflügel istin den betroffenen Gebieten oftmals die einzige Quelletierischen Eiweißes. Insofern könnte der Wegfall dieserQuelle die ganze Region bedrohen.Die Probleme in Rumänien hat Herr Priesmeier schonangesprochen. Es ist unverständlich, warum Waren ausRegionen in Rumänien importiert werden dürfen, in de-nen die aviäre Influenza nachgewiesen wurde. Das mussdringend abgestellt werden, weil dies ein Einschlep-pungsrisiko darstellt. Von den bekannten und identifi-zierten Risiken zur Einschleppung sind viele relativschwierig oder gar nicht beherrschbar. Der illegale Han-del zum Beispiel zeichnet sich dadurch aus, dass er ebenillegal ist und damit schwer kontrollierbar.Wir haben heute gehört, dass allein in Frankfurt amMain in 600 Fällen Risikomaterial gefunden wurde. DieGefahr durch den Vogelzug ist genannt worden. Hiersind die Bundesregierung bzw. die entscheidenden Stel-len gerade dabei, die Strukturen zur ornithologischenBeobachtung abzubauen oder infrage zu stellen. Diesesind jedoch für jede epidemiologische Bewertung geradebei der aviären Influenza dringend notwendig. Die Kür-zungen hier sind unbedingt zu verhindern, weil wir dieseStrukturen wirklich brauchen.Der Personen- und Handelsverkehr ist als Problemgenannt worden. Das gilt sowohl für den Land- als auchfür den Luftverkehr. Den Luftverkehr haben wir viel-leicht noch einigermaßen im Griff. Eine Kontrolle desLandverkehrs ist außerordentlich schwierig und kaum zuleisten. Wir haben auch keine exakten Kenntnisse überden Handels- und Personenverkehr und die Kreuzungenüber Drittländer.Ich gebe der Bundesregierung den Rat, die Gefahrenernster zu nehmen. Die Defizite müssen dringend aufge-arbeitet werden und es dürfen keine neuen zugelassenwerden. Das heißt für mich eine Stärkung der epidemio-logischen Ressourcen, die zur wissenschaftlichen Bera-tung der Bundesregierung zur Verfügung stehen. Wirbrauchen dringend die Unterstützung der betroffenenRegionen, und zwar sowohl in wissenschaftlicher alsauch in wirtschaftlicher Hinsicht.Wir brauchen auch die Prüfung der eigenen Kapazitä-ten, die für Risikomanagementmaßnahmen und für denKrisenfall vorhanden sind. Ich glaube, hier müssen wirkritischer hinsehen. Welche Ressourcen sind tatsächlichvütheArBdSGtadvCDwshsgvtaB„dzhahEdRtWhlsZhksJ
ir sollten bei dem bleiben, was die Zahlen tatsächlichergeben. Das machen Sie nicht. Das finde ich persön-ich sehr schade.Natürlich ist die Tatsache, dass die Zahlen gestiegenind, sehr bedenklich. Aber sie sind über einen langeneitraum angestiegen. Vor allen Dingen die Gesund-eitspolitiker werden darauf sicher noch zu sprechenommen. Was den Ausbruch der Krankheit beim Men-chen angeht, so hat die WHO hierzu festgestellt: Imahre 2003 gab es drei Fälle, im Jahr darauf 46 und 2005
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Ursula Heinenwaren es 93 Erkrankungen. Aber auch das ist eindeutig:Bisher, so die Weltgesundheitsorganisation, gibt es keineHinweise, dass das Virus seine Übertragbarkeit erhöhthätte.Festzustellen ist aber auch, dass es bisher keinerleiHinweise darauf gibt, dass das Virus von Mensch zuMensch oder von Vögeln zu bestimmten Säugetierenübertragbar ist. Auch dazu heißt es in allen Berichten,die uns vorliegen: Um sich zu infizieren, müssen Säuge-tiere oder Menschen sehr große Virusmengen aufneh-men. Auch das ist bisher nicht geschehen. Das bitte ichebenfalls zu beachten.Die Schutzmaßnahmen, die von Bund und Ländern inder vergangenen Woche in der Verbraucherministerkon-ferenz beschlossen wurden, sind der richtige Weg. Vor-gesehen ist etwa die Beobachtung des Wildvogelzuges,um eine Einschleppung der Vogelgrippe durch Wildvö-gel zu vermeiden. In diesem Zusammenhang muss ichnoch einmal darauf hinweisen – wir haben es heuteschon kurz angeschnitten –, dass es nicht hilfreich ist,wenn in großen deutschen Magazinen die Situation imHinblick auf die Wildvögel als relativ unproblematischdargestellt wird, während man gleichzeitig erkennenmuss, dass sich Erkrankungen in der Nähe der Sammel-plätze von Wildvögeln häufen. Insofern bitte ich dieJournalisten, etwas vorsichtiger über das Thema zu be-richten. Aber ich denke, dass wir mit der Erstellung eineraktualisierten Risikobewertung durch das Friedrich-Loeffler-Institut am Monatsende – wonach neu zu ent-scheiden ist, wie mit der Aufstallung zu verfahren ist –auf dem richtigen Weg sind.Das höchste Risiko – der Minister hat es schon ange-sprochen – besteht bezüglich der Einschleppung desVogelgrippevirus durch illegale Geflügelimporte. InKöln beispielsweise hat ein Reisender aus der Türkeifünf Gänse im Handgepäck gehabt. Solche Vorfälle sindnicht gerade schön.
Insofern sind die vorgesehenen Warnhinweise auf denZollerklärungen ein guter Schritt in die richtige Rich-tung. Besser wäre aber die Einführung einer EU-weitenDeklarationspflicht, wie sie in ähnlicher Form in denVereinigten Staaten besteht.Ich bedaure ein wenig – das geht sicherlich vielenKolleginnen und Kollegen ähnlich –, dass die Europäi-sche Union das Thema bisher sehr zögerlich behandelt.
Ich bin aber zuversichtlich, Herr Minister, dass Sie in dernächsten Woche das eine oder andere erreichen werden.Denn es sollte uns auch nicht schrecken, MichaelGoldmann, wenn plötzlich wesentlich mehr Deklaratio-nen anfallen. Ich denke, wenn es um die Sicherheit undum die Verhinderung illegaler Importe geht, dann kannuns kein Aufwand zu groß sein. Denn andernfalls habenwir vielleicht keine Chance, das Vogelgrippevirus vonDeutschland fernzuhalten.iBasDLdßTgFuLfrBWdoDg–gEeTnkdhhn1Dskd6wA
Das Wort hat jetzt die Kollegin Bärbel Höhn vom
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!arum reden wir heute in der Aktuellen Stunde im Bun-estag über die Vogelgrippe? Es ist noch kein Mensch inder aus Deutschland an dem Virus H5N1 gestorben. Ineutschland ist noch nicht einmal ein Tier daran zu-runde gegangen.
Ja, vielleicht ist es die Angst um den Adler.Aber das Thema hat einen durchaus ernsten Hinter-rund; sonst würden wir heute nicht darüber reden. Vielexperten gehen nämlich davon aus, dass es alle 50 Jahreine so genannte Pandemie gibt, indem zum Beispiel einiervirus auf den Menschen überspringen bzw. von ei-em Menschen auf andere Menschen übertragen werdenann, und zwar mit tödlicher Wirkung, und dass vonem Virus H5N1 vielleicht eine solche Mutation ausge-en könnte. Das ist der eigentliche Grund, warum wireute über dieses Thema reden. Wir reden nicht über dieormalen Grippeviren, an denen jedes Jahr immerhin5 000 bis 20 000 Menschen in Deutschland sterben.ie normalen Grippeviren haben nach allgemeiner Ein-chätzung nicht das Potenzial des Virus H5N1.Es geht also darum, diese Pandemie, die auf uns zu-ommen könnte, zu verhindern. Um 1918 brach bei unsie Spanische Grippe aus. Damals sind rund0 Millionen Menschen gestorben. 1998 gab es eineeitere Pandemie, allerdings mit weitaus geringerenuswirkungen.
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Bärbel HöhnDer erste Punkt ist die Prävention; das haben bereitsmehrere Vorredner gesagt. Wir müssen dafür sorgen,dass die Vogelgrippe erst gar nicht zu uns kommt. Dabeisollten wir übrigens die wirtschaftliche Bedeutung nichtaußer Acht lassen; denn wenn die Vogelgrippe erst ein-mal ausgebrochen ist, ist sie in erster Linie nicht für dieMenschen, jedenfalls nicht für die normalen Verbrauchergefährlich. Vielmehr verursacht sie zuerst einen großenwirtschaftlichen Schaden.Ein wesentlicher Punkt ist also: Wir müssen verhin-dern, dass Geflügelfleisch, Federn und ähnliche Materia-lien illegal importiert werden. Das ist momentan dieHauptgefahrenquelle. Deshalb dürfen wir nicht nur anden Außengrenzen kontrollieren. Vielmehr sollten wirbereits in den betroffenen Gebieten der Türkei – die Be-sucherströme unserer türkischen Freunde in RichtungDeutschland sind sehr stark –, aber auch Rumäniens undder Ukraine Informationspolitik machen. Das wäre vielwirkungsvoller, als an den deutschen Außengrenzen je-den hundertsten Transporter abzufangen und zu kontrol-lieren.
Herr Goldmann, wichtig ist ebenfalls, dass wir in kei-ner Weise ideologisch sind. Eine Zeit lang galt der Vo-gelflug als einzige Gefahrenquelle für eine Übertragung.Das gilt nun nicht mehr; das wissen wir. Der Vogelflugkann sicherlich gefährlich sein und eine Aufstallung not-wendig machen, keine Frage. Aber momentan sind dieHauptgefahrenquelle illegale Fleischtransporte. Dererste Punkt ist also die Abwehr bzw. die Verhinderung,dass das Virus zu uns kommt. Wir haben es schon einmalgeschafft, ein anderes Vogelgrippevirus, H7N7 – mitverheerenden Folgen in den Niederlanden –, relativ gutabzuwehren. Diesmal bin ich allerdings skeptischer;denn das jetzige Virus ist an vielen Stellen aufgetreten.Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu uns kommt,relativ groß.Der zweite Punkt ist: Wenn das Virus bei uns ange-kommen ist, muss es sofort eingedämmt werden.Der dritte Punkt ist: Wenn es zu einer Pandemie kom-men sollte, dann muss versucht werden, ganz schnell ei-nen Impfstoff zu finden. Frau Heinen und HerrPriesmeier, leider wird in der Türkei zurzeit schon darü-ber diskutiert, ob das Virus ein Stück mehr mutiert istund quasi näher am Menschen ist als bisher. Man hatnämlich infizierte Kinder gefunden, die nicht erkranktsind. Nun hat man Angst, dass der Mensch als Wirt stär-ker zur Verbreitung des Virus beiträgt und dass sich dasVirus innerhalb des Menschen anpasst. Das ist durchauseine Entwicklung, die wir sorgfältig verfolgen müssen.Was mich heute eher beunruhigt hat, ist, dass der Fö-deralismus in diesem Punkt nicht hilfreich ist
– wir müssen sehen, wie wir diese Schwäche ausglei-chen können – und dass man auf Bundesebene nicht ge-nau weiß, welche Mengen an Impfstoffen die einzelnenBundesländer – für 5 Prozent oder für 20 Prozent derBbInsdg2FnuDwistKkdiSgtSggdAMds2dddMgdtgä
Frau Kollegin Höhn, nach meiner Erfahrung haben
ie als Mitglied des Bundesrates an dieser Stelle schon
esprochen, aber als Mitglied des Hauses heute zum ers-
en Mal. Dazu gratuliere ich Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Ulla
chmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichlaube, die Tatsache, dass wir heute über die Vogel-rippe diskutieren, hat etwas damit zu tun, dass aufgrunder erstmaligen Erkrankung von Menschen außerhalbsiens, in der Türkei, das Vogelgrippevirus für vieleenschen in diesem Lande näher gekommen ist undass man sich nun damit ernsthafter und intensiver be-chäftigt.Die WHO hat in der Türkei Infektionen bei0 Menschen – das ist eine große Anzahl – festgestellt,arunter vier tödlich verlaufene Erkrankungen bei Kin-ern. Ich kann vorab sicher auch in Ihrem Namen sagen,ass den betroffenen Familien und den Freunden dieserenschen das Mitgefühl der Bundesregierung und desanzen Hauses gilt.Für die Menschen in Deutschland ist die Vogelgrippeamit näher gerückt. Frau Tackmann, an solchen Punk-en stellen sich folgende Fragen: Müssen wir die Strate-ie, die die Bundesregierung bisher eingeschlagen hat,ndern? Hat sich etwas hinsichtlich der Einschätzung ge-
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Bundesministerin Ulla Schmidtändert, ob Menschen stärker gefährdet sind oder nicht?Müssen wir unsere Vorbereitungen auf eine möglichePandemie anpassen oder müssen wir neue Wege gehen?Das sind die Fragen, über die wir mit den Experten, diewir Gott sei Dank in Deutschland haben, diskutiert ha-ben. Wir haben international anerkannte Expertinnenund Experten im Robert-Koch-Institut, im Paul-Ehrlich-Institut und auch im Friedrich-Loeffler-Institut.Die Diskussion mit diesen Experten hat gezeigt – daswird durch die Erkenntnisse der Weltgesundheitsorgani-sation und der europäischen Institutionen gestützt –, dasses keine neue Gefährdungssituation gibt. Alle Expertensagen, dass es aktuell keine Gefährdung der Bevölke-rung gibt. Das „aktuell“ bezieht sich darauf, dass nie-mand von uns wissen kann, ob in einigen Jahren eine an-dere Entwicklung eintreten wird.Klar ist heute: Es gibt keine Hinweise, dass es bisherirgendwo eine Infektion von Mensch zu Mensch gege-ben hat. Es gibt klare Hinweise darauf, dass alle infizier-ten Personen, auch die in der Türkei, engen Kontakt zuerkranktem Geflügel hatten. Die Krankheit grassierteschon eine ganze Weile unter dem Geflügel in der Tür-kei, ohne dass wirklich wirksame Maßnahmen getroffenworden wären. Deshalb haben Kinder mit infiziertemGeflügel gespielt. Es handelt sich nicht um eine begin-nende Pandemie.Das, was Sie, Frau Kollegin Höhn, angesprochen ha-ben, nämlich dass es bei einem Virusisolat in der Türkeieine Anpassung des Virus gegeben hat, ist kein isolierterFall. Die gleiche Mutation hat es 2003 in Hongkong und2005 in Vietnam gegeben. Daher tun wir gut daran, mitden Mitteln und den Fachkräften, die wir haben, weiterdie Entwicklung auf europäischer und internationalerEbene zu beobachten. Wir müssen innerhalb der G-7-Staaten plus Mexiko und der gesamten EuropäischenUnion alles Wissen austauschen und dafür sorgen, dasswir vorbereitet sind und dass wir Maßnahmen treffen,die der jetzigen Situation angemessen sind.Daran, dass es keine Reisebeschränkungen gibt, se-hen Sie, dass es keine Gefährdung der Bevölkerung gibt.Das, was wir aber tun und was richtig ist, ist, dass wirWarnungen aussprechen und die Menschen auffordern,in fremden Ländern die Geflügelmärkte zu meiden,überhaupt den Kontakt zu Geflügel zu vermeiden, weilman nie weiß, ob ein Tier infiziert ist oder nicht. Wir for-dern die Menschen auf, kein halbgares Geflügelfleischzu essen, sondern nur wirklich durchgebratenes oder ge-kochtes Geflügel, weil ansonsten ein Restrisiko besteht.Auch wenn es heute keine aktuelle Gefährdung gibt,kann ich sagen: Die Bundesregierung hat alles getan undtut alles – soweit das überhaupt in unseren Kräften steht –,um Maßnahmen zu ergreifen, die eine Ausbreitung unddamit eine Gefährdung der Bevölkerung verhindern. Wirnehmen die Risiken, die es gibt, sehr ernst und wir tref-fen Vorkehrungen.Sie haben Recht, Frau Kollegin Höhn, es gibt einelange Diskussion zwischen Bund und Ländern. Ich hättemich gefreut, wenn Sie uns bei dem, was wir wollten,sgdKaguewsIEsstanskwrvmkmkAdmadkEeds2dsdzrdvgMdah
enn das ist ein langer Kampf gewesen. Ich habe diesenampf geführt. Es geht darum, dass die Länder ihre Ver-ntwortung wahrnehmen, auch die finanzielle, und eseht darum, dass wir genau festlegen, was Bund, Ländernd Gemeinden tun müssen.Erstens. Wir haben gemeinsam, einen Pandemieplanntwickelt. Das, was hier in Deutschland entwickelturde und was wir auf den Weg gebracht haben – es ba-iert auf Erkenntnissen von Experten des Robert-Koch-nstituts –, ist international anerkannt. Ich wiederhole:s ist international anerkannt und es hat in der Europäi-chen Union auch Vorbildcharakter. Jeder versucht, aufeiner Ebene Verantwortung wahrzunehmen.Auf den theoretischen Fall – ich hoffe, es bleibt einheoretischer Fall; jeder von uns hofft das –, dass sichus dem Vogelgrippevirus und einem anderen Virus eineuer Typus bildet, der für den Menschen gefährlich ist,ind Bund und Länder vorbereitet. Die Bevölkerungann geschützt werden. Die Länder haben – das wissenir – in eigener Verantwortung unterschiedliche antivi-ale Mittel angeschafft. Sie sind dabei, ihre Bestände zuervollständigen. Es ist bekannt, dass es um die Arznei-ittel Tamiflu und Relenza geht. Diese Arzneimittelönnen zwar nicht heilen, aber den Krankheitsverlaufildern. Wir halten es für notwendig, dass diese Medi-amente zur Verfügung stehen.Eines weiß jeder: Letztlich hilft nur ein Impfstoff.ber dieser Impfstoff kann erst entwickelt werden, wennieses Virus entstanden und erforscht ist. Deswegenüssen wir für die erste Phase auch hier einen Schutzufbauen. Das tun die Länder. Gemeinsam mit den Län-ern werden die Informationssysteme gestärkt, sodasslar ist, wie die Verantwortlichen auf den verschiedenenbenen im Falle des Falles – wir alle hoffen, dass er nieintritt – aktiv werden können.Zweitens. Die Bundesregierung trifft die entsprechen-en Vorbereitungen, damit im Falle des Falles ein Impf-toff hergestellt werden kann. Wir geben über0 Millionen Euro aus, damit die anstehende Zulassunges Prototyps gefördert wird. Wenn die Entstehung einesolchen Virus bekannt ist, dann sind wir innerhalb vonrei bis sechs Monaten in der Lage, einen Impfstoff her-ustellen, der die gesamte Bevölkerung schützt. Wir füh-en Verhandlungen und haben Verträge abgeschlossen,amit für die gesamte Bevölkerung genügend Impfstofforhanden ist, um eine zweimalige Durchimpfung zu or-anisieren. Das ist dann der beste Schutz, den wir denenschen anbieten können.Drittens. Das Robert-Koch-Institut verstärkt die epi-emiologische Überwachung. Wir unterstützen es dabeiuch finanziell, damit man das, was Sie angesprochenaben, organisieren kann.
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Bundesministerin Ulla SchmidtViertens. Das Robert-Koch-Institut hat eine Kommu-nikations- und Informationsstrategie entwickelt, dienicht nur die Fachleute – Ärzte und andere –, sondernauch die Nichtfachleute in vorbildlicher Weise und in ei-ner verständlichen Sprache informiert, damit jeder soviel Schutz bekommen kann, wie eben möglich ist.Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir haben es miteiner Tierseuche zu tun, die unter extrem ungünstigenVerhältnissen auf Menschen übergehen kann. Wir kön-nen solche Krankheitsfälle bei frühzeitiger Behandlungheilen. Unser Land verfügt über einen Pandemieplan,der Bund und Ländern konkrete Aufgaben zuweist.Diese Aufgaben werden erfüllt. Dieser Plan gewährt denbestmöglichen Schutz. Deutschland verfügt mit denFachleuten des Robert-Koch-Instituts und desPaul-Ehrlich-Instituts über international anerkannteExperten, die auch weltweit zum Einsatz kommen. AlleFachleute stehen miteinander in Kontakt. Die Koopera-tion des Personals in den Krankenhäusern, der Ärzte, derNotfalleinrichtungen und der Rettungsdienste – sie wer-den das Rückgrat bilden, wenn ein Einschreiten notwen-dig ist – ist organisiert.Das ist für uns kein Ruhekissen. Wir arbeiten auf die-sem Gebiet weiter. Ich glaube, dass man mit Recht sagenkann: Wir sind auf einem guten Weg. Wir investierenviel Geld in diesen Bereich. Ich hoffe, dass das, was wirhier vorbereiten, niemals zur Anwendung kommenmuss.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Julia Klöckner von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eine Meldung hat mich heute schon recht erstaunt, undzwar die Einschätzung der EU-Kommission, dass es sichbei der Vogelgrippe zurzeit um die gefährlichste Seuche– vor BSE! – handelt.
Gerade wenn man sich die Bilder von der BSE-Hochzeitvor Augen führt, möchte man an Weiteres gar nicht den-ken.Es gibt wie immer zwei Seiten. Man muss die Ba-lance finden und das Ganze im Lot halten. Auf der einenSeite gilt es, Panikmache zu vermeiden und den Ball,umgangssprachlich ausgedrückt, etwas flacher zu halten,damit die Hysterie nicht zu groß wird. Auf der anderenSeite wollen wir aber auch informieren, wollen wir ge-wappnet sein und nicht überrascht werden. Deshalb halteich die Kritik an dieser Aktuellen Stunde, die von denOppositionsfraktionen – sicherlich nur subtil – anklang,für nicht gerechtfertigt.
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eshalb schlagen wir auch vor, nicht ein Extraformularu erarbeiten, sondern das mit in die Zollerklärung hi-einzunehmen. Insofern gibt es zwei Wege. Wir würdenann schon gern den unbürokratischeren Weg wählen,ieber Herr Kollege Goldmann. Denn wenn ich etwasnterschreiben muss, etwas deklarieren muss, hat daschon eine besondere Dimension. Dem einen oder ande-en geht es so, wenn er in die USA fliegt. Man überlegtich dann doch noch einmal: Hat man etwas Bestimmtesabei, möglicherweise auch im Handgepäck? – Wennch etwas unterschreibe und noch einmal darauf hinge-iesen werde, was gefährlich sein kann oder nicht im-ortiert werden darf, dann ist das gut.Dazu ein Beispiel. Ein Flughafenkontrolleur erzählteir: Die so genannten Traumfänger – mit Federn dran –erden oft unbehandelt verwendet, zu Spielzeug weiter-erarbeitet und vertrieben. Gerade die sind Überträger.aran denkt man oft gar nicht. Deshalb kann es sehrinnvoll sein, dass man bei einer Deklaration, bei einernterschrift noch einmal darauf hingewiesen wird.Wichtig ist, dass wir zügig handeln. Ich finde das Er-ebnis der Länderrunde mit unserem Minister Seehofer,n der auch Abgeordnete teilnehmen durften, sehr er-reulich. Die Länder haben sich mit dem Minister sehrügig einigen können. Wir haben also weder ein
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Julia KlöcknerErkenntnis- noch ein Krisenmanagementproblem. Es istklar, was gemacht werden muss. Es ist auch klar, dassdie Bundesländer intensiv zusammenarbeiten müssenund dass das koordiniert werden muss. Es ist ebenfallsklar, dass sie sich absprechen müssen.
Wir wissen ja, dass das Virus keine Rücksicht auf denFöderalismus nehmen wird. Auf Unstimmigkeiten wirddas Virus auch keine Rücksicht nehmen. Insofern sollteda, wo doch noch einige Animositäten oder Zögerlich-keiten bestehen, gemeinsam koordiniert werden; letzt-lich sollten dem Bund die Daten weitergegeben werden.
– Herr Kollege Goldmann, ich glaube, Sie haben dieMöglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen.
Wir sind in der Aktuellen Stunde und da gibt es keine
Zwischenbemerkungen.
Das war auch mehr rhetorisch gemeint.
Vielleicht können Sie sich ja anschließend darüber
auseinander setzen. In der Aktuellen Stunde geht das
nicht.
Es hilft also wenig, wenn Deutschland optimal gerüs-
tet ist. Es geht auch darum, dass in den Herkunftsländern
– wir sind nun einmal kein abgeschottetes Land und das
ist auch gut so – informiert wird, Prävention betrieben
wird und Hygienevorschriften eingehalten werden. Aber
man kann, wenn man nach Rumänien oder in die Türkei
blickt, auch feststellen, was bei den Beitrittskandidaten
noch zu tun ist, wenn sie zum Beispiel bezüglich dieser
Präventionsmaßnahmen auf das Niveau der Europäi-
schen Union gebracht werden sollen.
Eines ist auch klar: Die Kontrollen an den Flughäfen
können immer nur Stichproben sein. Eine hundertpro-
zentige Kontrolle wird es bei 80 Flügen täglich aus den
betroffenen Ländern nach Frankfurt wohl nie geben.
Innerhalb von vier Wochen wurde 600-mal illegal im-
portiertes Geflügel festgestellt. In Belgien wurden zwei
infizierte Adler aus dem Verkehr gezogen. Die Kontroll-
dichte muss also sicherlich erhöht werden; auch die Sen-
sibilität muss steigen.
Frau Kollegin Klöckner, denken Sie bitte an die Zeit.
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Carola Reimann
on der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieüngsten Fälle von Vogelgrippe in der Türkei haben zuerunsicherung in der Bevölkerung geführt. Das Virus,as bis vor kurzem nur im fernen Asien auftrat, hat in-wischen Europa erreicht. Das ist der Grund, warum wireute Morgen in den Fachausschüssen darüber diskutiertaben und das jetzt auch hier tun.Die Verunsicherung ergab sich vor allem deshalb,eil sich Menschen mit dem Virus infiziert haben undinige daran gestorben sind. So entstand bei manchemer Eindruck, dass es sich um eine für den Menschenoch ansteckende, gefährliche Seuche handelt. Das istber bislang nicht der Fall. Das Vogelgrippevirus H5N1leibt trotz der Infektionsfälle in der Türkei in erster Li-ie eine Tiererkrankung. Es kann nur dann übertragenerden, wenn Menschen in direkten, intensiven Kontaktit Geflügel kommen, wie es in einzelnen Fällen in derürkei leider geschehen ist. Für eine Übertragung vonensch zu Mensch – das ist heute hier schon gesagtorden; ich will es aber noch einmal betonen – gibt esislang keine Anhaltspunkte. Ich warne deshalb vor Pa-ikmache.Dennoch müssen wir uns auf mögliche Pandemienorbereiten. Eine solche für Menschen gefährliche Pan-emie kann durch eine Mutation des Vogelgrippeerre-ers entstehen. Dieses dann neuartige Virus, das wir jetztoch gar nicht kennen, kann sich in der heutigen sehrobilen Welt sehr rasch ausbreiten. Diese Tatsache dür-en wir nicht verharmlosen. Sie bedarf unserer hohenufmerksamkeit. Die Einschätzung der Experten imachausschuss heute Morgen war aber auch: Wir sindurzeit besser auf eine solche mögliche Pandemie vorbe-eitet als je zuvor.Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit Deutschlandiner möglichen Pandemie begegnen kann, wurden inen letzten Monaten einige Vorkehrungen getroffen; esst schon gesagt worden. Beim Robert-Koch-Instituturde mit Beteiligung der Länder und des Bundesge-
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Dr. Carola Reimannsundheitsministeriums ein nationaler Influenzapande-mieplan erarbeitet. Er bildet die wissenschaftlich fun-dierte Grundlage für eine bundesweit koordinierteVorbereitung auf eine Influenzapandemie. Ein wichtigesKernstück des Plans ist die Forderung an die Bundeslän-der – denn die Seuchenabwehr liegt in der Zuständigkeitder Bundesländer; das ist hier schon mehrfach erwähntworden –, sich ausreichend mit antiviralen Substanzen,den so genannten Neuraminidasehemmern, zu bevorra-ten. Jetzt ist es entscheidend, dass die Länder der ge-meinsam erarbeiteten Empfehlung im Pandemieplan fol-gen und sich mit der empfohlenen Menge an antiviralenSubstanzen bevorraten bzw. Verträge zur Bevorratungabschließen. Diese Medikamente – das ist bereits ange-klungen – sollen den Zeitraum zwischen dem Auftretendes Virus und der Verfügbarkeit eines wirksamen Impf-stoffes überbrücken. Denn die Krux ist: Man kann einenImpfstoff für einen neuartigen Erreger erst nach Auftre-ten dieses Erregers herstellen.Um die Entwicklung eines neuen Impfstoffes zu be-schleunigen, hat die vorige Bundesregierung 20 Millio-nen Euro für die Entwicklung eines Prototypimpfstoffeszur Verfügung gestellt. Zwei in Deutschland ansässigeUnternehmen sollen einen solchen Prototyp entwickeln,der innerhalb kürzester Zeit an ein Pandemievirus ange-passt und auch schnell, also in drei bis sechs Monaten,für die gesamte Bevölkerung hergestellt werden kann.Ende letzten Jahres wurde bei der EMEA in Londondie erste Zulassung für einen solchen Prototypimpfstoffbeantragt. Dieser Antrag ist zurzeit in der Bearbeitung.Die derzeit wichtigste Maßnahme besteht darin, dieTierseuche an ihrer Verbreitung möglichst effizient zuhindern. Das momentan größte Risiko ist und bleibt– das haben wir heute Morgen mehrfach gehört – dieEinschleppung der Vogelgrippe nach Deutschland durchMenschen selbst, bewusst oder unbewusst. Ich will garnicht immer eine kriminelle Absicht unterstellen. Dennman kann beispielsweise ungewollt Tierfedern am Kör-per mit sich führen. Deshalb müssen die Kontrollen anden Flug- und Seehäfen in unserem Land verstärkt wer-den. Ich persönlich halte bei Einreise in die EU aucheine Deklarationspflicht in Form einer verbindlichen zu-sätzlichen Zollerklärung an den EU-Außengrenzen fürhöchst sinnvoll. Wir kennen ähnliche Maßnahmen vonder Einreise in die USA.Wir haben ein Bündel von Maßnahmen ergriffen, umuns auf eine mögliche Pandemie vorzubereiten. Ich willes noch einmal sagen: Heute Morgen wurde die Einschät-zung geäußert, dass wir zurzeit besser vorbereitet sind alsje zuvor. Dennoch sind einige im Pandemieplan vorgese-hene Maßnahmen wie die Bevorratung mit antiviralenSubstanzen noch nicht im vollen Umfang umgesetzt.Hier sind – das will ich deutlich sagen – die Bundeslän-der gefordert, die gemeinsam vereinbarten Maßnahmenzügig umzusetzen und auch die vereinbarten Zielmengenzu erreichen.Danke schön.
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Ich bin übrigens den Medien dankbar, dass sie nicht alldas zeigen, was in Asien in diesem Zusammenhang statt-gefunden hat.Man muss aber offen einräumen: Die Vogelgrippeverfügt natürlich über gefährliche Sonderpotenziale.Erstens. Sie ist global, weil der Erreger neben dem klas-sischen Ausbreitungsinstrument, nämlich dem Flugzeugund dem Menschen, über das globale Transportmittel„Zugvögel“ verfügt.Zweitens. Die aktuelle Vogelgrippe wird durch einenbesonders aggressiven Virenstamm, die so genannteH5N1-Kombination, hervorgerufen. Die wenigen Über-tragungen von Tier zu Mensch sind von einer hohen Le-talitätsrate geprägt.Drittens. Dieser Erregerstamm hat das Potenzial, sozu mutieren, dass er auch von Mensch zu Mensch über-tragen werden kann.Was ist zu tun? Erstens. Die Vogelgrippe ist als Tier-seuche dort zu bekämpfen, wo sie entsteht. Die Ausbrei-tung ist zu verhindern.Zweitens. Die Bedingungen der Haltung von Geflügelin Asien sind so zu verändern, dass das Entstehen vonTierseuchen nicht begünstigt wird.Drittens. Das Fünfpunkteprogramm der Bundesregie-rung ist konsequent umzusetzen. VerbesserungswürdigsaEzwaWKdwmßmMVHadndtZDhncswMvmddrwdMidvHscA
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira Drobinski-
eiß von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich bin heute eine der letzten Rednerinnen inieser Aktuellen Stunde. Wundern Sie sich also nicht,enn es in meiner Rede Aussagen gibt, die Sie heuteöglicherweise schon gehört haben.Die Weltgesundheitsorganisation informiert regelmä-ig über die Zahlen der Verdachtsfälle auf Infektionenit H5N1, über die laborbestätigten Infektionen beienschen, aber auch über die Anzahl der inzwischen anogelgrippe verstorbenen Personen. Gerade vor demintergrund der Ausbreitung des Virus in der Türkei,lso direkt an der EU-Grenze, wächst natürlich auch iner deutschen Bevölkerung die Besorgnis. Deshalb ist esachvollziehbar und wichtig, wenn sich Reisende, auser Türkei kommend und über grippeähnliche Symp-ome klagend, vertrauensvoll an ihren Arzt wenden.um Glück waren es, wie sowohl in Belgien als auch ineutschland in der vergangenen Woche geschehen, bis-er Fälle, bei denen sich der Verdacht auf Vogelgrippeicht bestätigte.Möglicherweise wird sich die Anzahl dieser Untersu-hungen erhöhen. Denn wir haben die jährliche Grippe-aison noch nicht erreicht; sie steht uns noch bevor. Des-egen bitte ich speziell die Verantwortlichen in denedien, mit den Informationen über diese Krankheiterantwortungsvoll umzugehen; auch darauf ist schonehrfach hingewiesen worden.In den Vordergrund der Informationspolitik sowohler Bundesregierung und der Länder als auch der Me-ien und zum Beispiel der Reisebüros muss die Aufklä-ung der Verbraucherinnen und Verbraucher darüber,as die Vogelgrippe ist, gestellt werden. Wir reden stän-ig davon, aber ich könnte mir vorstellen: Wenn wirenschen fragen würden, wie sich denn diese Krankheitm Einzelnen darstellt, hätten viele Schwierigkeiten miter Antwort. Wir müssen deutlich machen, wie wir unsor einer Infektion mit diesem Virus schützen können.ier denke ich an Reiseanbieter, Reisebüros und Flugge-ellschaften, die beispielsweise zur Verteilung entspre-hender Info-Materialien verpflichtet werden sollten.uch Folgendes könnte ich mir vorstellen: Sie kennen
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Elvira Drobinski-Weißdas ja, dass man während des Fluges Sicherheitshin-weise bekommt. Das ist ja jedes Mal der gleiche Vor-gang. Man könnte diese Möglichkeiten nutzen und dieMenschen, die nicht lesen – das sind mehr, als wir glau-ben –, zumindest über das Bild informieren. Das wäredoch eine Überlegung wert.Die Vogelgrippe ist eine für Hausgeflügel extrem an-steckende Krankheit. Es liegen nach Angaben der WHOjedoch keine Hinweise darauf vor, dass das Virus seineÜbertragbarkeit erhöht hätte oder von Mensch zuMensch übertragbar wäre. Weder die WHO noch dasAuswärtige Amt sprechen gegenwärtig Warnungen vorReisen in die betroffenen Länder aus.Sie haben hier auch schon einfache Vorsorgeempfeh-lungen gehört, etwa dass man eben keine Geflügel-märkte besuchen oder dass man weder Fleisch noch dieberühmten Federn mitbringen soll. Das muss ich nichtweiter ausführen. Für Verbraucherinnen und Verbrau-cher in Deutschland besteht nach dem heutigen Wissens-stand jedoch keine Gefahr. Der direkte Kontakt mit infi-ziertem Geflügel ist der einzige Weg, auf dem das Virusvom Geflügel auf den Menschen übertragen werdenkann.Nun folgt in meinem Manuskript eine Liste mit Maß-nahmen vor allem hygienischer Art, mit denen man dieÜbertragung verhindern kann. Ich denke, Sie sind darü-ber informiert; ich werde das jetzt nicht weiter ausfüh-ren.Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass es zukeiner ungerechtfertigten Panik kommt. Denn nichts istso ansteckend wie die Angst. Mit diesem Satz hat heuteMorgen die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses dieSitzung begonnen. Die Bundesregierung verstärkt ge-meinsam mit den Ländern und in Zusammenarbeit mitden Fachleuten die Schutzmaßnahmen gegen die Vogel-grippe. Ähnlich wie es bei uns eine Arbeitsgruppe derzuständigen Länderminister gibt, sollte auch auf EU-Ebene eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtetwerden. Ich habe den Eindruck, dass es in der Bundes-republik das Problem des Föderalismus gibt. Mir ist aberheute Morgen auch deutlich geworden, dass die LänderEuropas in dieser Beziehung noch viel zu wenig gemein-sam in die gleiche Richtung gehen. Nötig sind ein ge-zieltes Vorgehen und die schnelle Klärung solcher Fra-gen wie der Verstärkung der Kontrollen an den EU-Außengrenzen und der stärkeren Überwachung nicht nurdes Flugverkehrs, sondern auch des Auto- und Busver-kehrs und des Seewegs, den wir eigentlich immer ver-gessen.In einer globalisierten Welt müssen auch die Pro-bleme gemeinsam angegangen werden: Zur Unterstüt-zung vor Ort werden im internationalen Kampf gegendas Virus deutsche Veterinäre, Virologen und andere Ex-perten in von der Vogelgrippe betroffene oder bedrohteLänder geschickt. Das haben wir heute Morgen bereitsim Ausschuss gehört. Die Betreffenden werden in denentsprechenden Instituten bei uns in der Bundesrepublikin Schnellkursen fit gemacht. Die EU-Kommission hatihre Hilfszusagen für die Bekämpfung aufgestockt; dieWeltbank hat 410 Millionen Euro freigegeben.H8VKssgvMMulabISidgnbcidBaRahTwwsnulsAAvFo
Das Wort hat jetzt der Kollege Hermann-Josef Scharf
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Seit es unsenschen gibt, sind wir von ansteckenden Krankheitennd Seuchen bedroht. Die Pest, die Cholera oder die Ma-aria dezimierten ganze Gesellschaften. Viele dieser undnderer Krankheiten konnten erforscht und erfolgreichekämpft werden. Ganz auszurotten waren sie aber nie.mmer neue Erreger forderten die Medizin im weitesteninne heraus, so wie 1996, als – sehr weit weg von uns –n Südostasien die Vogelgrippe ausbrach, die bis Mitteieses Monats weltweit circa 80 Menschen das Lebenekostet hat. Bis dato waren es ausnahmslos Fälle, in de-en es zu einem direkten Kontakt des Virus mit dem zuemitleidenden Opfer kam.Vor wenigen Monaten noch weit weg, ist diese Seu-he jetzt mit 21 infizierten Fällen und vier toten Kindernn Sichtweite unserer Haustür gerückt. Es mag sein, dassie Türkei als Transitroute von Wandervögeln aus demalkan, Sibirien oder dem Schwarzen Meer anfälligerls andere europäische Staaten für die Vogelgrippe ist.isikoverschärfend wirkt sicherlich die extreme Armutuf dem Land, die viele Menschen zwingt, Geflügel zualten, um ihre Existenz zu sichern. Über 2 Millioneniere wurden bisher in der Türkei getötet. Wir solltenenigstens kurz innehalten und uns bewusst machen,as dies allein ökonomisch für die dort lebenden Men-chen bedeutet.Auch wenn wir alle hoffen, dass sich die Vogelgrippeicht mehr weiter verbreitet und erfolgreich eingedämmtnd bekämpft werden kann, so lässt sich doch nicht mitetzter Gewissheit ausschließen, dass auch wir von die-er Seuche heimgesucht werden. Zur Panik besteht keinnlass, was uns heute Morgen auch die Experten imusschuss gesagt haben, wohl aber zur Vorsicht und zuerantwortungsvollem Handeln.Wer letzte Woche die Fernsehbilder vom Frankfurterlughafen sah, wo trotz wiederholten Verbots Geflügelder andere Vögel, Geflügelfleisch, Eier und andere Pro-
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Hermann-Josef Scharfdukte von Geflügel sowie Federn und unbehandelteJagdtrophäen eingeführt wurden, dem fehlen schlichtund ergreifend die Worte. Wir müssen an die Menschenappellieren, nicht sich und andere durch unüberlegtesund teilweise egoistisches Verhalten zu gefährden. AlleVorsichtsmaßnahmen, die ergriffen werden können,müssen auch ergriffen werden. Dazu gehört vor allem,während der Zugvögelzeit unsere Tiere im Stall zu hal-ten und alles zu tun, damit es zu keinem Kontakt mit denfremden Artgenossen kommen kann.Wichtig ist auch, dass wir möglichst alle über dieKrankheitssymptome bzw. über die möglichen Anste-ckungswege informiert sind.Wohltuend war bisher, wie unaufgeregt unsere Ge-sundheits- und Seuchenexperten mit dieser für uns nochlatent vorhandenen Gefahr umgegangen sind. Sie habensachlich – ohne Panik zu schüren – aufgeklärt und unteranderem darauf hingewiesen, dass nach dem derzeitigenWissensstand nur ein direkter Kontakt mit dem Virus zuder nicht immer tödlich verlaufenden Krankheit führt.In diesem Zusammenhang fällt mir die Äsop-Fabelvom Hirtenjungen ein, der seine Mithirten ständig är-gerte, indem er ohne Grund „Wolf“ schrie. Als dann derWolf tatsächlich die Schafherde angriff und er erneut umHilfe schrie, reagierte niemand mehr.Für Nichtmediziner oder -seuchenexperten ist es sehrschwer, mögliche Gefahren zu beurteilen und zu bewer-ten. Anfängliche Forschungen ergaben, dass die Vogel-grippe aggressiver sei als ursprünglich angenommen.Viele Damen und Herren vom Fach sahen die Gefahr ei-ner von Mensch zu Mensch übertragbaren Virusvariante,die eine weltweite Pandemie auslösen könnte. Jetzt aller-dings gibt es auch glaubwürdige Berichte, die die Krank-heit als nicht so virulent wie ursprünglich angenommeneinschätzen.Die Politik darf sich jedoch nicht vom Prinzip Hoff-nung oder gar von einem Wunschdenken leiten lassen.Sie muss vielmehr Entscheidungen entsprechend einembreiten, mit Wahrscheinlichkeitsgraden versehenen Ge-fahrenspektrum treffen. Krisenvorsorge zu treffen heißtin unserer konkreten Situation, im Notfall unsere Bevöl-kerung ausreichend mit Impfstoff und Medikamentenversorgen zu können. Der zeitliche Verlauf dieser Seu-che war lang genug, um ein entsprechendes Krisenma-nagement zu organisieren, das sowohl die in eigener Zu-ständigkeit zu treffenden Entscheidungen auf derjeweiligen Landesebene betrifft wie auch die Koordina-tion zwischen Bundesregierung und Bundesländern. Bis-herige Verlautbarungen aus diesen Kreisen schaffen Ver-trauen.Ich möchte allen Verantwortlichen für ihren bishergeleisteten Einsatz ein herzliches Wort des Dankes sa-gen. Es ist sicherlich nicht naiv und leichtfertig, zu be-haupten, dass unsere verantwortlichen Stellen alles tun,um die Gefahr, die durch die Vogelgrippe entstehenkann, beherrschbar und so gering wie möglich zu halten.Die Vogelgrippe zeigt uns erneut, wie gefährdet dieMenschheit ist bzw. auf diese Art und Weise gefährdetwerden kann.SrHGczeIdSgSnwwnanfdspvtkHbsPedMgvKnwvdWmkn
Herr Kollege Scharf, ich habe hinsichtlich der Rede-
eit die Augen ein wenig zugedrückt; denn es war Ihre
rste Rede im Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich
hnen herzlich.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
as Wort der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-en! Am Ende dieser Aktuellen Stunde hat es weniginn, über ihre Funktion nachzudenken. Aber ich will sieutzen, um noch einige Argumente zu nennen, die mirichtig sind und die in diesem Zusammenhang bedachterden müssten.Es gibt sehr viele Erkrankungen bei Tieren, von de-en der Humanmediziner wenig weiß und von denen eruch nicht viel wissen muss, weil sie für den Menschenicht gefährlich sind. Es gibt andere Erkrankungen, dieür Tiere und Menschen gefährlich sind. Es gibt wie-erum Erkrankungen, bei denen Tiere nur Zwischenwirtind. Die Biologie der Krankheitserreger ist sehr kom-lex. Es gibt in bestimmten Teilen der Welt Reservoireon Erregern, an die sich die lokale Bevölkerung adap-iert hat, sodass es dort nur in einigen Fällen zu Erkran-ungen kommt. Wenn diese Erreger aber in eine andereumanpopulation kommen, können Krankheiten aus-rechen. All das ist bekannt.Die Vogelgrippe ist gar keine Erkrankung des Men-chen; wir sprechen hier von einem Phantom. Es ist einhänomen, das wir beobachten und das zu dieser Aktu-llen Stunde geführt hat. Es handelt sich um die Theorie,ass eine Erkrankung, die bei Vögeln vorkommt, für denenschen gefährlich werden kann. Ob Tiererkrankun-en für Menschen gefährlich werden, hängt zum einenon der Anzahl der Erreger ab, also der Intensität desontaktes, und zum anderen von der Abwehrlage derje-igen, die den Kontakt mit diesen Erregern normaler-eise gut aushalten können. Wenn beides in einem Miss-erhältnis steht, kann man krank werden. Aber das ist iner Medizin schon seit Tausenden von Jahren bekannt.enn man eng mit Tieren zusammenlebt und das Im-unsystem nicht in Ordnung ist, ist das gefährlich. Dannönnen auch ganz andere Erkrankungen, die ich garicht alle aufzählen kann, auf den Menschen zukommen.
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Dr. Wolfgang WodargEs gibt eine Binsenweisheit in der Epidemiologie, dievor allen Dingen Diagnostikern in der Hygiene bekanntist, die nachweisen, welche Erreger wo vorkommen.Wenn man untersuchte, wie viele kleine Tierchen derMensch auf der Haut mit sich herumträgt, würde manstaunen.
Als ich für die Hygiene von Badestränden verantwort-lich war, gab es unter Kollegen den Schnack: Wir kön-nen jederzeit jeden Badestrand im Sommer in der Hoch-saison dicht machen, weil wir genau wissen, wo wirmessen müssen, um Salmonellen zu finden, nämlich da,wo die Möwen gesessen haben. – Wenn Sie da Wasser-proben entnehmen, können Sie den Strand anschließenddicht machen, weil Sie Salmonellen nachgewiesen ha-ben. Bis das Gegenteil bewiesen und der Messfehler so-wie die technischen Feinheiten der Messung diskutiertworden sind, ist der Sommer vorbei. Dann sind die Tou-rismusaktionen gestorben.Bei den Ländern, in denen man bisher keinen Fall vonVogelgrippe – ich benutze diesen Ausdruck jetzt ein-mal – entdeckt hat, handelt es sich häufig um die Länder,in denen man für die entsprechenden Tests kein Geldhat, weil dort ganz andere Probleme im Vordergrund ste-hen.
Vorhin wurde die Situation in Afrika angesprochen.Wenn man sieht, dass die Menschen, denen es elend gehtund die verhungern, die Chance nutzen, Tiere bei sich zuhaben und mit bzw. von ihnen zu leben,
indem sie zum Beispiel ihre Eier sammeln, wenn manfeststellt, wie lebenswichtig es für sie ist, eng mit diesenKleintieren zusammenzuleben, und wie unwichtig indiesen Ländern häufig ein Menschenleben ist, dann kannman sich ausmalen, dass das Problem, mit dem wir unsgerade auseinander setzen, global gesehen relativ un-wichtig ist.Ich kann uns alle nur dazu ermuntern, uns mehr umdie Entwicklungspolitik zu kümmern, allerdings nichtnur, indem wir mehr Geld zur Verfügung stellen. Viel-mehr ist es erforderlich, dass die Menschen lernen, mitdem, was sie in ihrem Land machen können, besser undaufgeklärter umzugehen. Die Produktivität ihres eigenenLebens muss gesteigert werden, damit sie nicht mehrhungern müssen. Sie müssen wissen, was zu tun ist, da-mit ihre Hühner nicht sterben und damit letztendlichauch sie nicht sterben. Wir könnten beispielsweise Hilfefür den Aufbau landwirtschaftlicher Kleinbetriebe leis-ten. Hier sollten wir uns mehr anstrengen.
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Herr Kollege Wodarg, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja.
Eine Schlussbemerkung: Es darf nicht sein, dass im
usammenhang mit den Impfstoffen wieder Trittbrett-
ahrer am Werk sind
nd dass – das gilt nicht nur für diese Erkrankung, son-
ern grundsätzlich – durch Patente auf Impfstoffe Men-
chenleben geopfert werden, weil die Preise so hoch
ind, dass diejenigen, die einen Impfstoff brauchen, ihn
ich nicht leisten können. Das darf nicht sein, weder bei
ieser möglichen Erkrankung noch bei anderen Erkran-
ungen. Hier müssen wir aufpassen und uns zu Wort
elden.
Vielen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estags auf morgen, Donnerstag, den 19. Januar 2006,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.