Protokoll:
15175

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 175

  • date_rangeDatum: 12. Mai 2005

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:58 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/175 Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Wehrbeauftragten Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . . Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers zur Ratifizierung der europäischen Verfassung: Für ein starkes und soziales Europa . . . . . . . . . . . . . . . . b) – Zweite Beratung und Schlussabstim- Europäischen Union (Drucksachen 15/4925, 15/5492) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Wolfgang Schäuble, Dr. Gerd Müller, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages in Ange- legenheiten der Europäischen Union (Drucksachen 15/4716, 15/5492) . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD 16345 A 16345 B 16347 C 16347 D 16348 A Deutscher B Stenografisch 175. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Begrüßung des ehemaligen Botschafters des Staates Israel in Deutschland, Herrn Schimon Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glückwunsch zum Geburtstag des Abgeord- neten Jochen Borchert . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Carl Eduard von Bismarck, Roland Dieckmann und Hans Forster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Doris Barnett als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentari- schen Versammlung des Europarates . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 24 und 26 Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 16437 A 16345 C 16345 C 16345 D 16345 D 16347 B 16347 B mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 29. Oktober undestag er Bericht ung en 12. Mai 2005 t : 2004 über eine Verfassung für Europa (Drucksachen 15/4900, 15/4939, 15/5491) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Michael Roth (He- ringen), Günter Gloser, Dr. Angelica Schwall-Düren, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Rainder Steenblock, Volker Beck (Köln), Ulrike Höfken, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der 16347 D und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Stärkung der Rolle des Deut- schen Bundestages bei der Beglei- II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 tung, Mitgestaltung und Kontrolle europäischer Gesetzgebung – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Claudia Winterstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für mehr Mitsprache des Deutschen Bundes- tages bei der Rechtsetzung der Europäischen Union nach In-Kraft- Treten des Verfassungsvertrags (Drucksachen 15/4936, 15/4937, 15/5492) Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Hohmann (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Manfred Carstens (Emstek) (CDU/CSU) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ute Granold, Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen), Dr. Jürgen Gehb, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines … Straf- r S ( U E J I A S A T a b c Z a 16348 A 16348 C 16351 C 16355 C 16359 A 16361 A 16363 C 16347 B 16367 D 16368 B 16371 A 16371 D 16372 D 16374 D 16375 D 16377 B 16380 A 16380 D 16382 B 16383 A 16384 A 16383 D echtsänderungsgesetzes – §§ 232 a, 233 c tGB (… StrÄndG) Drucksache 15/5326) . . . . . . . . . . . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . rika Simm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . agesordnungspunkt 30: ) Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der inter- nationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines siche- ren Umfeldes für die Flüchtlingsrück- kehr und zur militärischen Absiche- rung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolu- tion 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationa- len Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Ju- goslawien und der Republik Serbien (jetzt: Serbien und Montenegro) vom 9. Juni 1999 (Drucksache 15/5428) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bürgernähe durch Vereinfachung des Kfz-Zulassungsverfahrens (Drucksache 15/4505) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bereitstellung von Informationen über Allgemeine Betriebserlaubnisse (ABE) und EG-Typgenehmigungen auch für nationale und internationale Behörden (Drucksache 15/4930) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 2: ) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines 16387 A 16387 B 16390 A 16391 B 16392 B 16394 A 16395 C 16397 B 16399 A 16399 B 16399 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 III Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 15/5444) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Christa Reichard (Dresden), Dr. Christian Ruck, Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Trinkwas- sermanagement in Entwicklungs- und Schwellenländern durch die verstärkte Einbeziehung der Privatwirtschaft ver- bessern (Drucksache 15/5451) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Ge- meinsame Position der Europäischen Union zum Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China (Drucksache 15/5467) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts (Drucksachen 15/5216, 15/5475) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG- Vollstreckungstitel-Durchführungsge- setz) (Drucksachen 15/5222, 15/5482) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäi- schen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Be- herrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Drucksachen 15/5220, 15/5443) . . . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Hochbaustatis- tikgesetzes (Drucksachen 15/4738, 15/5241) . . . . . . . e) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 28. August 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kirgisischen Republik über die Förderung und f 16399 C 16399 C 16399 C 16399 D 16400 A 16400 B 16400 D den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksachen 15/4978, 15/5362) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 28. März 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepu- blik Nigeria über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksachen 15/4980, 15/5362) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 17. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Guatemala über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksachen 15/4981, 15/5362) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 30. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Angola über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen (Drucksachen 15/4982, 15/5362) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 1. De- zember 2003 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Volksrepublik China über die För- derung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/4983, 15/5362) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 19. Januar 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokrati- schen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 15/4984, 15/5362) . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Renate Blank, Dirk Fischer (Ham- burg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ 16400 D 16401 A 16401 A 16401 A 16401 B 16401 B IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 CSU: LKW-Sonntagsfahrverbot in Deutschland beibehalten (Drucksachen 15/1876, 15/2374) . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Sibylle Laurischk, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gesamtverkehrskonzept Süd- baden – Bündelung von Schiene und Straße im Rheingraben (Drucksachen 15/2470, 15/4015) . . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Gero Storjohann, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Führerscheinbürokratie verhin- dern – Führerscheintourismus beenden (Drucksachen 15/3716, 15/4484) . . . . . . . i)–m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 201, 202, 203, 204 und 205 zu Petitionen (Drucksachen 15/5349, 15/5350, 15/5351, 15/5352, 15/5353) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitglied- staaten der Europäischen Union (Drucksachen 15/4233, 15/5487) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsa- chen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Drucksachen 15/4232, 15/5487) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 16. Okto- ber 2001 zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Drucksachen 15/4230, 15/5487) . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Z a b Z A d G l K K M D D H P D W J D G D T a 16401 C 16401 D 16401 D 16402 A 16402 C 16402 C 16402 D Bundesregierung: Verordnung zur Ände- rung der Verordnung über genehmi- gungsbedürftige Anlagen und zur Än- derung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Drucksachen 15/5218, 15/5288 Nr. 2.1, 15/5483) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 14: ) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ein- führung einer Strategischen Umwelt- prüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG) (Drucksachen 15/3441, 15/4119, 15/4236, 15/4501, 15/4540, 15/4922, 15/5479) . . . ) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Gesetz zur Um- setzung von Vorschlägen zu Bürokratie- abbau und Deregulierung aus den Regionen (Drucksachen 15/4231, 15/4673, 15/4938, 15/5178, 15/5480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er SPD: Kritik des FDP-Vorsitzenden an ewerkschaftsfunktionären in Deutsch- and laus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . arl-Josef Laumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . r. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artmut Schauerte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . etra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . alter Riester (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ohannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . oris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . r. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die 16403 A 16403 C 16403 C 16404 A 16405 C 16406 D 16408 A 16409 B 16411 A 16412 B 16413 B 16414 D 16416 A 16416 D 16418 A 16419 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 V Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe (Drucksache 15/4575) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal, Hubert Hüppe, Andreas Storm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am öf- fentlichen Leben konsequent sichern (Drucksache 15/4927) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal, Hubert Hüppe, Andreas Storm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Sexuelle Über- griffe gegen Menschen mit Behinderung wirksam unterbinden und Hilfsange- bote für Betroffene verbessern (Drucksache 15/4928) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Er- folge in der Politik für behinderte Men- schen nutzen – Teilhabe und Selbstbestim- mung weiter stärken (Drucksache 15/5463) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- ter), Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Diskriminierung von Menschen mit Behin- derung beim Fahrkarten- und Ticketkauf verhindern – Teilhabe ermöglichen (Drucksache 15/5460) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . A K P T A C u h D d ( G H F D D H D T Z d G B 2 ( B D H R H R H D P F N 16420 C 16420 D 16421 A 16421 A 16421 B 16421 B 16423 A 16424 B 16426 C 16427 B 16428 A 16429 B 16430 D ntje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . arl Hermann Haack, Beauftragter der Bundes- regierung für die Belange behinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: ntrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ SU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nd der FDP: 40 Jahre diplomatische Bezie- ungen zwischen der Bundesrepublik eutschland und Israel – Im Wissen um ie Vergangenheit die Zukunft gestalten Drucksache 15/5464) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ildegard Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Bötsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Umsetzung des Urteils des undesverfassungsgerichts vom 3. März 004 (akustische Wohnraumüberwachung) Drucksachen 15/4533, 15/5486) . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . aniela Raab (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Funke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Funke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ermann Bachmaier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16432 C 16434 B 16436 B 16437 A 16437 A 16438 C 16439 D 16441 B 16442 B 16443 D 16445 A 16446 A 16446 B 16447 D 16449 D 16451 B 16452 D 16452 D 16453 A 16455 A 16456 C 16457 A 16458 A 16459 A VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), Bernhard Kaster, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die Zukunfts- und Wettbe- werbsfähigkeit der Großstädte in Deutsch- land sichern (Drucksache 15/5332) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Marga Elser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sen – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Reinhold Robbe, Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Rainder Steenblock, Michaele Hustedt, Albert Schmidt (Ingolstadt), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Maritimen Standort Deutschland stärken – Inno- vationskraft nutzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: „Meer für morgen“ – Im- pulse für die maritime Verbundwirt- schaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Horst Friedrich (Bay- reuth), Jürgen Koppelin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: See- schifffahrt und Küstenschutz in Deutschland stärken (Drucksachen 15/4862, 15/5099, 15/4847, 15/5417) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eberhard Otto (Godern) (FDP) . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . T E R f o b Ä ( H G D S I T a b i Z A K A C d w t ( U T M C 16460 D 16461 A 16462 B 16463 A 16464 D 16465 C 16467 A 16468 A 16468 C 16469 C 16471 D 16473 A 16473 D agesordnungspunkt 11: rste Beratung des von den Abgeordneten ainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frank- urt), Daniel Bahr (Münster), weiteren Abge- rdneten und der Fraktion der FDP einge- rachten Entwurfs eines Gesetzes zur nderung des Parteiengesetzes Drucksache 15/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . orothee Mantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nge Wettig-Danielmeier (SPD) . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: ) Antrag der Abgeordneten Ute Berg, Jörg Tauss, Klaus Barthel (Starnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Ko- operation von Bund und Ländern in der Hochschulpolitik verstärken – Um- setzung des Bologna-Prozesses in Deutschland beschleunigen (Drucksache 15/5465) . . . . . . . . . . . . . . . ) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Realisierung der Ziele des Bologna-Prozesses (Drucksache 15/5286) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Marion Seib, atherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer bgeordneter und der Fraktion der CDU/ SU: Reibungslose Umsetzung der Ziele es Bologna-Prozesses in Deutschland ge- ährleisten – Länderkompetenzen beach- en Drucksache 15/5449) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . onika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16475 D 16475 D 16477 A 16478 A 16480 C 16482 A 16482 D 16484 B 16484 B 16484 C 16484 C 16485 D 16487 B 16488 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 VII Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Ländliche Räume durch eine moderne und innovative Land- wirtschaft stärken und damit Arbeitsplätze sichern (Drucksache 15/5249) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Absatz- fondsgesetzes und des Holzabsatzfondsge- setzes (Drucksachen 15/4641, 15/5468) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Langfristiges Ge- samtkonzept zur Reduzierung der Schad- stoffbelastung in der Luft notwendig (Drucksache 15/5330) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer „Bundesstif- tung Baukultur“ (Drucksachen 15/4998 (neu), 15/5485, 15/5490) Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Stefan Müller (Erlan- gen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Einführung von Real Estate Investment Trusts in Deutschland (Drucksache 15/4929) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des An- s g ( P T A ( W d K ( T B s u – – – – ( 1 T U B s m 16489 B 16490 C 16492 B 16492 C 16492 D 16493 B 16493 D pruchs- und Anwartschaftsüberführungs- esetzes Drucksachen 15/5314, 15/5488) . . . . . . . . . . etra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ntrag der Abgeordneten Dr. Conny Mayer Freiburg), Dr. Christian Ruck, Annette idmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und er Fraktion der CDU/CSU: Frauen in den risenregionen Subsahara-Afrikas stärken Drucksache 15/4390) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Verbraucherschutz, Ernährung nd Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Sören Bartol, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Cornelia Behm, Volker Beck (Köln), Ulrike Höfken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Wälder natur- nah bewirtschaften – Waldschäden vermindern – Gemeinwohlfunktionen sichern und Holzabsatz steigern zu dem Entschließungsantrag der Abge- ordneten Cajus Julius Caesar, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gerda Hasselfeldt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans- Michael Goldmann, Daniel Bahr (Müns- ter), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Bessere Rahmenbedingun- gen für die Charta für Holz zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umwelt- monitorings – Drucksachen 15/4516, 15/4502, 15/4431, 5/4500, 15/5356) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: nterrichtung durch die Bundesregierung: ericht der Bundesregierung über die For- chungsergebnisse in Bezug auf Emissions- inderungsmöglichkeiten der gesamten 16494 A 16494 A 16495 A 16495 B VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 Mobilfunktechnologie und in Bezug auf ge- sundheitliche Auswirkungen (Drucksache 15/4604) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Allgemeinen Eisen- bahngesetzes (Drucksache 15/5408) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Gitta Connemann, Marlene Mortler, Ursula Heinen, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mehr Verbraucherschutz durch eindeuti- gere Kennzeichnung und sendungsbezo- gene Rückstandsuntersuchungen von Ge- flügelfleischimporten in die EU aus Drittländern (Drucksache 15/5247) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Glos, Dr. Peter Ramsauer, Marlene Mortler, Eduard Oswald, Dr. Klaus Rose, Wolfgang Zeitlmann, Eduard Lintner, Artur Auernhammer, Dr. Hans-Peter Uhl, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Wolfgang Bötsch, Georg Fahrenschon, Daniela Raab, Dagmar Wöhrl, Kurt J. Rossmanith, Georg Girisch, Matthäus Strebl, Thomas Silberhorn, Dr. Egon Jüttner, Dorothee Mantel, Hans Michelbach, Bartholomäus Kalb, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Horst Seehofer, Dr. Peter Paziorek, Hans Raidel, Max Straubinger, Norbert Geis, Stephan Mayer (Altötting) und Dr. Wolfgang Götzer (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfas- sung für Europa (Tagesordnungspunkt 4 b) . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thomas Rachel, Marie-Luise Dött, Werner L J D F K D H J c G 2 o A E K ( m n 2 o A E D R c G 2 o A E A z ü n I N E R K A T A H D 16496 A 16496 B 16496 C 16496 D 16497 A 16497 A ensing, Hermann Gröhe, Katherina Reiche, ochen Borchert, Helge Braun, Leo autzenberg, Vera Dominke, Ingrid ischbach, Klaus-Peter Flosbach, Jürgen limke, Julia Klöckner, Dr. Hermann Kues, r. Günter Krings, Bernward Müller (Gera), ildegard Müller, Werner Wittlich und Cajus ulius Caesar (alle CDU/CSU) zur namentli- hen Abstimmung über den Entwurf eines esetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 004 über eine Verfassung für Europa (Tages- rdnungspunkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 rklärung nach § 31 GO der Abgeordneten laus-Peter Willsch und Axel E. Fischer Karlsruhe-Land) (beide CDU/CSU) zur na- entlichen Abstimmung über den Entwurf ei- es Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 004 über eine Verfassung für Europa (Tages- rdnungspunkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 rklärung nach § 31 GO der Abgeordneten r. Gerd Müller, Doris Meyer (Tapfheim) und udolf Kraus (alle CDU/CSU) zur namentli- hen Abstimmung über den Entwurf eines esetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 004 über eine Verfassung für Europa (Tages- rdnungspunkt 4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 rklärung nach § 31 GO zur namentlichen bstimmung über den Entwurf eines Geset- es zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 ber eine Verfassung für Europa (Tagesord- ungspunkt 4 b) lse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . rnst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . enate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . laus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . lexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . homas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . lbrecht Feibel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . erbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . . . r. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16497 D 16498 B 16498 D 16500 A 16500 C 16501 A 16501 B 16502 A 16502 C 16503 B 16504 C 16505 A 16506 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 IX Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Wilhelm Josef Sebastian (CDU/CSU) . . . . . . Matthias Sehling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker und Götz-Peter Lohmann (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) . A Z d m k o E W B M F D A Z d d f G G C B C D A Z d z d A D W B D A Z d 16506 D 16507 A 16507 B 16507 D 16508 C 16509 A 16509 B 16509 C 16510 A 16510 C 16510 C 16512 B 16512 D 16513 C 16514 A 16515 B 16515 D 16516 B 16517 C 16518 C 16519 C 16520 D 16521 B 16522 B 16522 D 16523 D 16524 B nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Ländliche Räume durch eine oderne und innovative Landwirtschaft stär- en und damit Arbeitsplätze sichern (Tages- rdnungspunkt 13) lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . altraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . ernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) . . . arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . riedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung es Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatz- ondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . ustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ajus Julius Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . ernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . nlage 10 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Langfristiges Gesamtkonzept ur Reduzierung der Schadstoffbelastung in er Luft notwendig (Tagesordnungspunkt 15) strid Klug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Werner Schnappauf, Staatsminister (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung 16524 D 16525 D 16526 D 16527 C 16528 D 16530 B 16531 A 16532 A 16532 D 16533 D 16534 C 16535 B 16536 A 16537 B 16538 B 16540 A 16540 C X Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 einer „Bundesstiftung Baukultur“ (Tagesord- nungspunkt 16) Petra Weis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Einführung von Real Estate In- vestment Trusts in Deutschland (Tagesord- nungspunkt 17) Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Erika Lotz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Frauen in den Krisenregionen Subsahara-Afrikas stärken (Tagesordnungs- punkt 19) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD) . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Conny Mayer (Freiburg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Heinrich (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z – – – – G A C C D A Z U B s m b g n R H W M S A Z d r g K E A 16541 D 16542 C 16543 D 16544 C 16545 A 16545 D 16546 D 16547 C 16548 C 16549 B 16550 D 16552 B 16553 A 16554 B 16555 B 16556 B 16557 B 16557 D nlage 15 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Antrag: Wälder naturnah bewirtschaften – Waldschäden vermindern – Gemeinwohl- funktionen sichern und Holzabsatz stei- gern Entschließungsantrag: Waldzustandsbe- richt 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – Antrag: Bessere Rahmenbedingungen für die Charta für Holz Unterrichtung durch die Bundesregierung: Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – (Tagesordnungspunkt 20) abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . rtur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . ajus Julius Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . ornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . nlage 16 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: nterrichtung durch die Bundesregierung: ericht der Bundesregierung über die For- chungsergebnisse in Bezug auf Emissions- inderungsmöglichkeiten der gesamten Mo- ilfunktechnologie und in Bezug auf esundheitliche Auswirkungen (Tagesord- ungspunkt 21) enate Jäger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . elge Braun (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . erner Wittlich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . imone Probst, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 17 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- ung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Ta- esordnungspunkt 22) arin Rehbock-Zureich (SPD) . . . . . . . . . . . . duard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . lbert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16559 A 16560 C 16561 B 16562 D 16564 A 16565 A 16566 A 16567 B 16568 A 16568 D 16569 C 16570 B 16571 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 XI Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Mehr Verbraucherschutz durch eindeutigere Kennzeichnung und sendungsbe- zogene Rückstandsuntersuchungen von Ge- flügelfleischimporten in die EU aus Drittlän- dern (Tagesordnungspunkt 23) Manfred Helmut Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . 16571 C 16572 A 16572 D 16574 B 16576 A 16577 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16345 (A) ) (B) ) 175. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Anlage 17 Anlage 18 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16497 (A) ) (B) ) Fortschritt gegenüber dem jetzigen Rechtszustand. Klaus-Peter Flosbach, Jürgen Klimke, Julia Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Michael Glos, Dr. Peter Ramsauer, Marlene Mortler, Eduard Oswald, Dr. Klaus Rose, Wolfgang Zeitlmann, Eduard Lintner, Artur Auernhammer, Dr. Hans-Peter Uhl, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Wolfgang Bötsch, Georg Fahrenschon, Da- niela Raab, Dagmar Wöhrl, Kurt J. Rossma- nith, Georg Girisch, Matthäus Strebl, Thomas Silberhorn, Dr. Egon Jüttner, Dorothee Mantel, Hans Michelbach, Bartholomäus Kalb, Karl- Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Horst Seehofer, Dr. Peter Paziorek, Hans Rai- del, Max Straubinger, Norbert Geis, Stephan Mayer (Altötting) und Dr. Wolfgang Götzer (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfas- sung für Europa (Tagesordnungspunkt 4 b) Der dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vor- liegende europäische Verfassungsvertrag ist ein wichti- ger Schritt zur Weiterentwicklung der europäischen Inte- gration. Mit dem Vertragswerk wird die Europäische Union handlungsfähiger, transparenter und demokrati- scher gestaltet. Die Zusammenfassung der europäischen Verträge in einem einheitlichen Gesetzeswerk, die Ver- ankerung der europäischen Grundrechte-Charta, die in- stitutionellen Reformen und nicht zuletzt die Regelun- gen zur Subsidiaritätskontrolle sind ein erkennbarer B r E g t a s b u d s K s a i p l c I K D D T E n w t g s t e B f s d g d s v V s m j t s A Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Bellmann, Veronika CDU/CSU 12.05.2005 Dr. Däubler-Gmelin, Herta SPD 12.05.2005 Eichhorn, Maria CDU/CSU 12.05.2005 Hilsberg, Stephan SPD 12.05.2005 Multhaupt, Gesine SPD 12.05.2005 Nitzsche, Henry CDU/CSU 12.05.2005 Dr. Pinkwart, Andreas FDP 12.05.2005 Vogel, Volkmar Uwe CDU/CSU 12.05.2005 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht Ungeachtet dieser Verbesserungen weist der von der undesregierung ausgehandelte und unterzeichnete eu- opäische Verfassungsvertrag gravierende Mängel auf. benso zeichnen sich erhebliche Defizite bei den bislang efundenen Regelungen zu einer Handhabung des Ver- ragswerks durch die gesetzgebenden Körperschaften uf. Wichtigen europapolitischen Anliegen aus deut- cher Sicht wird der Vertrag nicht gerecht: In der Präam- el fehlen der Hinweis auf das christliche Erbe Europas nd der Bezug auf die Verantwortung vor Gott. Dies wi- erspricht wohlbegründeten Forderungen aus dem politi- chen, gesellschaftlichen und kirchlichen Raum. Die oordinierungskompetenzen im Bereich der Wirt- chaftspolitik weisen den Charakter von Generalklauseln uf. Dies widerspricht den ursprünglichen Forderungen m Verfassungsvertrag, eine klare Abgrenzung der Kom- etenzen zwischen den Ebenen der EU, der Mitglieds- änder und ihrer Regionen vorzunehmen. In den Berei- hen Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Gesundheitspolitik, ndustrie und Forschung sowie Energiepolitik sollen die ompetenzen der EU ausgeweitet und im Bereich der aseinsvorsorge neue Kompetenzen geschaffen werden. ies widerspricht den jahrelangen Bemühungen, den endenzen zu immer mehr Zentralisierung auf EU- bene Einhalt zu gebieten und in der EU mehr Bürger- ähe sicherzustellen. Offensichtlich war die Bundesregierung weder ge- illt noch bereit, entsprechende Forderungen in die Ver- ragsverhandlungen einzubeziehen, um so ein befriedi- endes Verhandlungsergebnis herbeizuführen. Der europäische Verfassungsvertrag schwächt die Po- ition des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenhei- en. Um weitere Souveränitätsverluste zu verhindern, ist ine Stärkung der Mitwirkungsrechte des Deutschen undestages erforderlich. Die CDU/CSU-Bundestags- raktion hat entsprechende Gesetzesvorschläge – Druck- ache 15/4716 – eingebracht. Es ist jedoch absehbar, ass diesen Forderungen nur teilweise Rechnung getra- en wird. Die Unterzeichner werden deshalb auch nach er Ratifizierung des Vertrags auf eine vollständige Um- etzung der Forderungen im Sinne des Gesetzentwurfes on CDU und CSU hinwirken. Nach Abwägung aller or- und Nachteile werden die Unterzeichner trotz der chwerwiegenden Bedenken dem Vertragswerk zustim- en. Die Unterzeichner fordern die Bundesregierung edoch ausdrücklich auf, nach In-Kraft-Treten des Ver- ragswerks unverzüglich und nachdrücklich auf Verbes- erungen in den genannten Bereichen hinzuwirken. nlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thomas Rachel, Marie-Luise Dött, Werner Lensing, Hermann Gröhe, Kathe- rina Reiche, Jochen Borchert, Helge Braun, Leo Dautzenberg, Vera Dominke, Ingrid Fischbach, 16498 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Klöckner, Dr. Hermann Kues, Dr. Günter Krings, Bernward Müller (Gera), Hildegard Müller, Werner Wirtlich und Cajus Julius Ca- esar (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfas- sung für Europa (Tagesordnungspunkt 4 b) Wir stimmen für den Verfassungsvertrag der EU. Der Verfassungsvertrag markiert einen erheblichen Fort- schritt gegenüber dem derzeit gültigen Nizza-Vertrag. Mit der Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und einer klareren Kompetenzabgrenzung wurde eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Außerdem wurden dem Bundestag neue Rechte gegeben und das Demokratie- prinzip auf europäischer Ebene gestärkt, in dem die Bun- desrepublik Deutschland mit seiner großen Bevölkerung ein höheres Gewicht bei den Abstimmungen erhält. Wir kritisieren allerdings mit Nachdruck, dass in der Präambel der künftigen EU-Verfassung kein ausdrückli- cher Bezug auf das christliche Erbe und kein Gottesbe- zug aufgenommen worden sind. Dies ist gerade auch die Schuld der rot-grünen Bundesregierung, die sich weder für die Verankerung des christlichen Erbes noch des Got- tesbezuges in den Verhandlungen zwischen den EU-Re- gierungen eingesetzt hat. Der ausdrückliche Bezug auf die Verantwortung der Menschen vor Gott schützt vor Absolutheitsansprüchen und sichert eine klare Wertebindung. Gleichzeitig wird daran erinnert, dass auch die politische Gestaltung des vereinten Europas der unverzichtbaren religiösen Werte- bindung bedarf, ohne die sein gesamtes kulturelles, hu- manistisches und geistiges Erbe weder denkbar wäre noch lebendig bliebe. Es ist ein Erfolg, dass die Rechte der Kirchen von der EU-Verfassung ausdrücklich geschützt werden. Wir hät- ten uns darüber hinaus ein explizites Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln Europas gewünscht. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (beide CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa (Tagesordnungspunkt 4 b) Trotz erheblicher Mängel werden wir dem Gesetzent- wurf zustimmen, da er in vielen Bereichen eine Verbes- serung gegenüber dem Vertrag von Nizza bedeutet. Die Verhandlung über den Vertrag oblag der Bundesregie- rung, das Parlament kann dem Verfassungsvertrag nur in seiner vorliegenden Form im Ganzen zustimmen oder ihn ablehnen. Änderungsvorschläge können hingegen nicht eingebracht werden. Deshalb war hier die Abwä- gung zu treffen, ob die Vorteile oder die Nachteile ge- genüber dem bisherigen Zustand überwiegen. Aus unserer Sicht ergeben sich unter anderem Verbes- serungen durch: Die Zusammenführung der bisherigen V t r r d M R b z G s l z M v b a z s B d E d P K B v r g a g r m Ü s d u b B z d d k A D W B (C (D erträge in einen wesentlich klarer strukturierten Ver- rag unter Berücksichtigung der Charta der Grund- echte; die Berufung in der Präambel auf das kulturelle, eligiöse und humanistische Erbe Europas, aus dem sich ie unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des enschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und echtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt ha- en; die verbesserte Definition des Subsidiaritätsprin- ips; die Einbeziehung der nationalen Parlamente in den esetzgebungsprozess durch das so genannte Frühwarn- ystem; die Möglichkeit einer Klage durch die nationa- en Parlamente bei der Verletzung des Subsidiaritätsprin- ips; die Einführung der so genannten Doppelten ehrheit, durch die eine stärkere Gewichtung der Be- ölkerungsgröße der Länder gewährleistet wird; das Ver- ot, aus Zielbestimmungen Handlungsermächtigungen bzuleiten; eine verbesserte Abgrenzung der Kompeten- en; die Anerkennung der Zuständigkeit der Mitglied- taaten im Bereich der Daseinsvorsorge; das Gebot der erücksichtigung des Ergebnisses der Europawahlen bei er Bestimmung des Kommissionspräsidenten durch das uropäische Parlament. Wir bedauern, dass die verhandlungsführende Bun- esregierung nicht erreicht hat: den Gottesbezug in der räambel zu verankern; eine stärkere Begrenzung der ompetenzen der EU durchzusetzen, insbesondere im ereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik; die Daseins- orsorge aus der Gesetzgebungskompetenz der EU he- auszunehmen; den Ausschluss der Veränderung der Ei- enmittel aus dem vereinfachten Änderungsverfahren nalog der Beschlüsse mit militärischen oder verteidi- ungspolitischen Bezügen; zu verhindern, dass der Eu- opäische Rat beim mehrjährigen Finanzplan einstim- ig – ohne Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten – den bergang zur Mehrheitsentscheidung beschließen kann. Nach reiflichen Überlegungen sind wir zu dem Ent- chluss gekommen, dass trotz der erheblichen Bedenken ie Vorteile des Gesetzentwurfs die Nachteile aufwiegen nd stimmen deshalb für den Gesetzentwurf. Nachdem die Mehrheit des Bundestages nicht dazu ereit war, auf wesentliche Forderungen der Union im ereich der Beteiligung des Deutschen Bundestages ein- ugehen, begrüßen wir eine Überprüfung durch das Bun- esverfassungsgericht, ob der Vertrag unter diesen Be- ingungen allein vom Parlament beschlossen werden ann. nlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Gerd Müller, Doris Meyer (Tapfheim) und Rudolf Kraus (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfas- sung für Europa (Tagesordnungspunkt 4 b) Die Europäische Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. ie Europäische Union steht für Frieden, Freiheit und ohlstand. Nach der Verwirklichung des europäischen innenmarktes und der Einführung des Euros wurde mit Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16499 (A) ) (B) ) der Osterweiterung ein weiterer dynamischer Schritt in der Entwicklung der Europäischen Union vollzogen. Die Europäische Union ist kein Staat und wird auch in Zu- kunft auf Nationalstaaten aufbauen. Umgekehrt braucht der Nationalstaat Europa, weil jeder Nationalstaat in Eu- ropa wichtige Aufgaben heute nicht mehr auf sich allein gestellt erfüllen kann. Nationen und Europa bedingen sich gegenseitig. Die Bindung der Menschen an ihre Na- tionalstaaten und Parlamente, die Rückbindung der Ge- setzgebung an das Volk, ist ein wesentliches Ergebnis europäischer Geschichte und bleibt unverzichtbar. Des- halb steht die Europäische Union mit dem EU-Verfas- sungsvertrag an einem Wendepunkt. Der Europäische Konvent und die Regierungskonfe- renz hatten den Auftrag zur Schaffung einer klaren und durchschaubaren Kompetenzordnung sowie einer Kom- petenzabgrenzung der Zuständigkeitsbereiche zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten. Da- rüber hinaus sollte das europäische Vertragswerk trans- parent werden, das demokratische Defizit reduziert und die nationalen Parlamente in ihren Mitwirkungsmöglich- keiten gestärkt werden. Diese Vorgaben wurden nicht umgesetzt. Der Verfassungsvertrag schafft keine klare Kompe- tenzabgrenzung innerhalb der EU. Er beschränkt das Handeln der EU nicht auf die Kernaufgaben, sondern kommt vielmehr zu einer weiteren erheblichen Kompe- tenzausweitung auch in Bereichen, die bisher auf Ebenen der Mitgliedstaaten angesiedelt waren. Die Kompetenzausweitung betrifft so zum Beispiel die Wirt- schafts- und Währungspolitik, Energiepolitik, Gesund- heit, Raumfahrt, Zivilschutz, Sport, Daseinsvorsorge, In- nen- und Justizpolitik. Mit der Flexibilitätsklausel kann die EU darüber hinaus in fast alle mitgliedstaatliche Zu- ständigkeiten eingreifen. Durch das Initiativmonopol macht der Verfassungsentwurf die EU-Kommission zu einer europäischen Superbehörde ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle durch das Europäische Par- lament und die nationalen Parlamente. Durch die wesentliche Kompetenzausweitung auf na- hezu alle Politikbereiche, die Ausweitung der Mehr- heitsentscheidung, die Festschreibung des Vorrangs eu- ropäischen Rechts vor nationalem Recht und die Abschwächung der Rechte des Bundestages beim Ver- tragsänderungsverfahren verlieren der Deutsche Bundes- tag und die Landtage substanzielle Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte. Das Europäische Parlament wird in seiner parlamentarischen Rolle nicht entsprechend ge- stärkt, es verfügt über kein Initiativrecht, die Zusammen- setzung leitet sich nicht auf der Basis eines gleichen Wahlrechtes ab. Die Legitimation der europäischen Rechtsetzung über die Kontrolle durch die Parlamente und die Rückbindung an das Volk, wie es das Bundes- verfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil fordert, ist damit nicht mehr ausreichend gegeben. Die dem Deutschen Bundestag eingeräumten Möglichkeiten eines Subsidiaritätseinspruches und einer Subsidiaritätsklage können dies nicht ausgleichen. Sie sind weder wirkungs- voll noch effektiv administrierbar. S ta h g e m C ti A g lu w v f h n d K M I te n r li d g tu g h V B q „ V G E k V s le E z p s p g u b n f e e ß Ü tu d (C (D Europapolitik ist nicht mehr Außenpolitik. Ohne eine tärkung der Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundes- ges in EU-Angelegenheiten ist der Verfassungsvertrag insichtlich der Vereinbarkeit mit dem deutschen Grund- esetz äußerst bedenklich. Der Legitimationsstrang uropäischer Rechtsetzung über die nationalen Parla- ente und das Volk wird in Frage gestellt. Die CDU/ SU-Bundestagsfraktion hat daher eine Gesetzesinitia- ve eingebracht, die die Rechte des Bundestages in EU- ngelegenheiten stärkt. Kernziele dieses Gesetzes sind: rundsätzliche Bindung der Bundesregierung an Stel- ngnahmen des Bundestages in EU-Angelegenheiten, as insbesondere vor der Aufnahme neuer EU-Beitritts- erhandlungen und bei Vertragsänderungen gelten muss; ür den Übergang von der Einstimmigkeit zur Mehr- eitsentscheidung im Rat muss die Bundesregierung zu- ächst das Einvernehmen mit dem Bundestag mit Zwei- rittelmehrheit herstellen. Die Bundesregierung, SPD und Grüne lehnen diese ernforderungen ab. Die zugestandene Erweiterung der itwirkungsrechte für den Bundesrat, die Stärkung der nformationsrechte des Bundestages und ein Minderhei- nrecht zur Einreichung einer Subsidiaritätsklage sind icht ausreichend. Der Verfassungsvertrag definiert die Grundwerte Eu- opas und verzichtet dabei bewusst auf einen ausdrück- chen Gottesbezug und die Herausstellung der Bedeutung er christlichen Werte und Traditionen, die für Vergan- enheit und Zukunft des Kontinents von großer Bedeu- ng sind. Nur eine wertegebundene Verfassung, die das eschichtliche Erbe nicht leugnet, gibt der EU eine in- altliche und kulturelle Identität. In der Würdigung der Vor- und Nachteile des jetzigen erfassungsvertrages und der sich für den Deutschen undestag und die Rechtsetzung ergebenden Konse- uenzen, kommen wir in der Abwägung zu einem Nein“ für dieses Verfassungswerk. Das Europa des EU- erfassungsvertrages ist nicht mehr das Europa, das die ründungsväter der Gemeinschaft vor Augen hatten. uropa braucht klare Werte, föderale Strukturen, ein Be- enntnis zur christlich-abendländischen Geschichte, zur erantwortung vor Gott. Wir benötigen ein Europa, das ich auf Kernaufgaben begrenzt, aber nicht in nahezu al- n nationalen Politikfeldern mitregiert und reguliert; ein uropa, das seine Gesetzgebung über die Rückbindung um Volk und über die Parlamente legitimiert und trans- arent macht. Ohne eine stärkere Einbindung der Men- chen und ihrer nationalen Parlamente sowie des Euro- äischen Parlaments kann das europäische Projekt nicht elingen. Die EU muss sich von unten nach oben über das Volk nd die Parlamente stärker als bisher legitimieren. Auch ei einem Nein zum Verfassungsvertrag fällt die EU icht in einen rechtsfreien Raum, sondern ist handlungs- ähig auf der Basis des Nizza-Vertrages. Neue Impulse iner vertieften Integration in Kernbereichen der EU und ine verstärkte Zusammenarbeit insbesondere in der Au- en- und Sicherheitspolitik sind zu entwickeln. Eine berprüfung der Erweiterungsstrategie und die Erarbei- ng eines Partnerschaftskonzeptes der EU sind notwen- ig. 16500 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Eu- ropa (Tagesordnungspunkt 4 b) Ilse Aigner (CDU/CSU): Trotz erheblicher Mängel werde ich dem Gesetzentwurf zustimmen, da er in vielen Bereichen eine Verbesserung gegenüber dem Vertrag von Nizza bedeutet. Die Verhandlung über den Vertrag oblag der Bundesregierung; das Parlament kann dem Verfassungsvertrag nur in seiner vorliegenden Form im Ganzen zustimmen oder ihn ablehnen. Änderungsvor- schläge können hingegen nicht eingebracht werden. Deshalb war hier die Abwägung zu treffen, ob die Vor- teile oder die Nachteile gegenüber dem bisherigen Zu- stand überwiegen. Aus meiner Sicht ergeben sich unter anderem Verbes- serungen durch: die Zusammenführung der bisherigen Verträge in einen wesentlich klarer strukturierten Vertrag unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte; die Berufung in der Präambel auf das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas, aus dem sich die un- verletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Men- schen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Recht- staatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben; die verbesserte Definition des Subsidiaritätsprinzips; die Einbeziehung der nationalen Parlamente in den Gesetz- gebungsprozess durch das so genannte Frühwarnsystem; die Möglichkeit einer Klage durch die nationalen Parla- mente bei der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips; die Einführung der so genannten doppelten Mehrheit, durch die eine stärkere Gewichtung der Bevölkerungsgröße der Länder gewährleistet wird; das Verbot, aus Zielbestim- mungen Handlungsermächtigungen abzuleiten; eine ver- besserte Abgrenzung der Kompetenzen; die Anerken- nung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Daseinsvorsorge; das Gebot der Berücksichtigung des Ergebnisses der Europawahlen bei der Bestimmung des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament. Ich bedauere, dass die verhandlungsführende Bundes- regierung nicht erreicht hat, den Gottesbezug in der Prä- ambel zu verankern; eine stärkere Begrenzung der Kom- petenzen der EU durchzusetzen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft- und Sozialpolitik; die Daseins- vorsorge aus der Gesetzgebungskompetenz der EU her- auszunehmen; den Ausschluss der Veränderung der Ei- genmittel aus dem vereinfachten Änderungsverfahren analog der Beschlüsse mit militärischen oder verteidi- gungspolitischen Bezügen; zu verhindern, dass der Eu- ropäische Rat beim mehrjährigen Finanzplan einstimmig – ohne Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten – den Übergang zur Mehrheitsentscheidung beschließen kann. Nach reiflichen Überlegungen bin ich zu dem Ent- schluss gekommen, dass trotz der erheblichen Bedenken die Vorteile des Gesetzentwurfs die Nachteile aufwie- gen, und stimme deshalb für den Gesetzentwurf. b B z d d k M i V D g n o g w g d w s d s u D v t t d K z g G l l g S a e v z n d d d P i c k E s a r g a g r (C (D Nachdem die Mehrheit des Bundestages nicht dazu ereit war, auf wesentliche Forderungen der Union im ereich der Beteiligung des Deutschen Bundestages ein- ugehen, begrüße ich eine Überprüfung durch das Bun- esverfassungsgericht, ob der Vertrag unter diesen Be- ingungen allein vom Parlament beschlossen werden ann. Norbert Barthle (CDU/CSU): Trotz erheblicher ängel werde ich dem Gesetzentwurf zustimmen, da er n vielen Bereichen eine Verbesserung gegenüber dem ertrag von Nizza und damit dem Status quo bedeutet. ie Verhandlung über den Vertrag oblag der Bundesre- ierung; das Parlament kann dem Verfassungsvertrag ur in seiner vorliegenden Form im Ganzen zustimmen der ihn ablehnen. Änderungsvorschläge können hinge- en nicht eingebracht werden. Deshalb hatte ich die Ab- ägung zu treffen, ob die Vorteile oder die Nachteile ge- enüber dem bisherigen Zustand überwiegen. Aus meiner Sicht ergeben sich unter anderem durch: ie Zusammenführung der bisherigen Verträge in einen esentlich klarer strukturierten Vertrag unter Berück- ichtigung der Charta der Grundrechte; die Berufung in er Präambel auf das kulturelle, religiöse und humanisti- che Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und nveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, emokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als uni- erselle Werte entwickelt haben; die verbesserte Defini- ion des Subsidiaritätsprinzips; die Einbeziehung der na- ionalen Parlamente in den Gesetzgebungsprozess durch as so genannte Frühwarnsystem; die Möglichkeit eine lage durch die nationalen Parlamente bei der Verlet- ung des Subsidiaritätsprinzips; die Einführung der so enannten doppelten Mehrheit, durch die eine stärkere ewichtung der Bevölkerungsgröße der Länder gewähr- eistet wird; das Verbot, aus Zielbestimmungen Hand- ungsermächtigungen abzuleiten; eine verbesserte Ab- renzung der Kompetenzen; der Stärkung der föderalen trukturen in Deutschland durch die ausdrückliche Ver- nkerung des Leitbildes der Subsidiarität; der Schaffung ines eigenen Klagerechts des Ausschusses der Regionen or dem Europäischen Gerichtshof im Falle der Verlet- ung kommunaler und regionaler Rechte; die Anerken- ung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich er Daseinsvorsorge; das Gebot der Berücksichtigung es Ergebnisses der Europawahlen bei der Bestimmung es Kommissionspräsidenten durch das Europäische arlament. Ich bedauere ausdrücklich, dass die Bundesregierung n den Verhandlungen nicht erreicht hat bzw. nicht errei- hen wollte, den Gottesbezug in der Präambel zu veran- ern; eine stärkere Begrenzung der Kompetenzen der U durchzusetzen, insbesondere im Bereich der Wirt- chaft- und Sozialpolitik; den Bereich Daseinsvorsorge us der Gesetzgebungskompetenz der EU komplett he- auszunehmen; den Ausschluss der Veränderung der Ei- enmittel aus dem vereinfachten Änderungsverfahren, nalog der Beschlüsse mit militärischen oder verteidi- ungspolitischen Bezügen; zu verhindern, dass der Eu- opäische Rat beim mehrjährigen Finanzplan einstimmig Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16501 (A) ) (B) ) – ohne Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten – den Übergang zur Mehrheitsentscheidung beschließen kann. Nach reiflichen Überlegungen bin ich zu dem Ent- schluss gekommen, dass trotz der erheblichen Bedenken die Vorteile des Gesetzentwurfs die Nachteile aufwie- gen, und stimme deshalb für den Gesetzentwurf. Im Hinblick auf den fehlenden Gottesbezug in der Präambel des Vertrages folge ich dem Rat von Papst Benedikt XVI., der uns empfohlen hat, dem Verfas- sungsvertrag dennoch zuzustimmen. Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU): Der Verfassungsvertrag ist ein epochaler Einschnitt im europäischen Einigungsprozess. Obwohl ich ein über- zeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie bin, hätte ich mir gewünscht, dass der Vertrag in einer Volks- abstimmung eine breite Mehrheit erzielt hätte. Deutsch- land ist in Sachen Demokratie nicht weniger mündig als die anderen großen Staaten in Europa, in denen Referen- den stattfinden. Nach unserem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, ist Europa auf drei Hügeln errichtet: der Akropo- lis in Athen, dem Capitol in Rom und Golgatha in Jeru- salem. Dieser für die Identität Europas und seine ge- schichtlichen Wurzeln entscheidende Zusammenhang findet in der Präambel des Verfassungsvertrages keinen Niederschlag. Dieser mangelnde Bezug auf das abend- ländisch-christliche Erbe ist ein gravierender Mangel der Präambel ebenso wie der fehlende Gottesbezug. Für die politische Gestaltung des vereinten Europas ist eine reli- giöse Wertebindung unverzichtbar. Eine ausdrückliche Berufung auf die Verantwortung des Menschen vor Gott, wie es das Grundgesetz enthält, hätte diese Wertebin- dung gesichert und den Menschen vor Absolutheitsan- sprüchen des Staates geschützt. Trotz dieser Mängel ist der Verfassungsvertrag ein großer Fortschritt gegenüber dem Vertrag von Nizza. So werden das Subsidiaritätsprinzip verankert, die Kompe- tenzabgrenzung klarer gezogen und die Rechte des Bun- destages gestärkt. Ich stimme deshalb dem Verfassungsvertrag der Eu- ropäischen Union zu. Renate Blank (CDU/CSU): Trotz schwerwiegender Bedenken stimme ich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile dem Ratifikationsgesetz zum Vertrag über eine EU-Verfassung zu. Ich hoffe sehr, dass der Verfassungs- vertrag die in ihn gesetzten Hoffnungen nach mehr Bür- gernähe, Demokratie, Transparenz und Effizienz erfüllen kann. Demokratie und Grundrechtsschutz werden durch die Verfassung gegenüber dem jetzigen Rechtszustand ge- stärkt: eine europäische Grundrechte-Charta wird veran- kert, die Befugnisse des Europäischen Parlaments wer- den erweitert sowie die erstmalige direkte Beteiligung der nationalen Parlamente am EU-Gesetzgebungspro- z r s a f a v n r V r k G G e h t r g d m t f R a B s V i v g g d m f F s u A n t n d B f e w N u d (C (D ess sowie deren Klagemöglichkeit vor dem EU-Ge- ichtshof eingeführt. Die gestärkte Rolle des Ausschus- es der Regionen ist ein wichtiger Schritt und muss usgebaut werden: Die Regionen haben eine Scharnier- unktion und erbringen Leistungen, die sich unmittelbar uf den Alltag der Menschen auswirken. Ungeachtet dieser erkennbaren Fortschritte weist der on der Bundesregierung ausgehandelte und unterzeich- ete EU-Verfassungsvertrag Mängel auf; wichtigen eu- opapolitischen Anliegen aus deutscher Sicht wird der ertrag nicht gerecht: In der Präambel fehlt trotz wohl begründeter Forde- ungen aus dem politischen, gesellschaftlichen und irchlichen Raum der Bezug auf die Verantwortung vor ott. Ein Gottesbezug wäre Ausdruck der geistigen rundlagen Europas gewesen und hätte die EU im Sinne iner Wertegemeinschaft geprägt. In den Bereichen Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Gesund- eitspolitik, Industrie und Forschung sowie Energiepoli- ik sollen die EU-Kompetenzen ausgeweitet und im Be- eich der Daseinsvorsorge neue Zuständigkeiten eschaffen werden. Das widerspricht den Bemühungen, er Zentralisierung Einhalt zu gebieten und in der EU ehr Bürgernähe sicherzustellen. Mit dem Vertrag wird die Abwanderung der Kompe- enzen nach Brüssel – 70 Prozent der Gesetzgebung er- olgen auf EU-Ebene – verstärkt. Die EU weitet den echtsetzungsrahmen auf fast alle nationalen Bereiche us. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest: Dem undestag müssen Aufgaben und Befugnisse von sub- tanziellem Gewicht verbleiben. Es bleibt offen, ob diese orgaben erfüllt werden. Offenbar war die Bundesregierung weder bereit noch n der Lage, entsprechende Forderungen in die Vertrags- erhandlungen einzubeziehen, um so zu einem befriedi- enden Verhandlungsergebnis zu kommen. Ein wichti- es Anliegen der CDU/CSU-Fraktion war und ist es aher, die Rechte des Bundestages im Zusammenhang it der Ratifizierung des Vertrages über eine Verfassung ür Europa zu stärken. Leider verweigert sich die Regierungskoalition in der rage der rechtlichen Bindewirkung von Bundestagsbe- chlüssen in Europaangelegenheiten. Das Gleiche gilt für nsere Forderung, die Zustimmung der Regierung zur ufnahme von Beitrittsverhandlungen oder zur Auf- ahme von Vertragsänderungsverhandlungen an ein Vo- um des Parlaments zu binden. Beide Anliegen sind in ei- em Gesetzentwurf – Bundestagsdrucksache 15/4716 – er CDU/CSU enthalten. Trotz vieler Zweifel hoffe ich im Interesse unserer ürgerinnen und Bürger, dass in Europa mit einer Ver- assung ein wichtiger Meilenstein für eine gute Zukunfts- ntwicklung für Bund, Länder und Gemeinden gesetzt ird. Ich fordere die Bundesregierung aber mit allem achdruck auf, nach In-Kraft-Treten des Vertragswerks nverzüglich auf Verbesserungen in den oben genannten rängenden Problembereichen hinzuwirken. 16502 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Der dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorliegende europäische Verfassungsvertrag ist ein wichtiger Schritt zur Weiter- entwicklung der europäischen Integration. Mit dem Ver- tragswerk wird die Europäische Union handlungsfähi- ger, transparenter und demokratischer gestaltet. Die Zusammenfassung der europäischen Verträge in einem einheitlichen Gesetzeswerk, die Verankerung der euro- päischen Grundrechte-Charta, die institutionellen Refor- men und die Regelungen zur Subsidiaritätskontrolle sind ein erkennbarer Fortschritt gegenüber dem jetzigen Rechtszustand. Ungeachtet dieser Verbesserungen weist der von der Bundesregierung ausgehandelte und unterzeichnete eu- ropäische Verfassungsvertrag gravierende Mängel auf. Ebenso zeichnen sich erhebliche Defizite bei den bislang gefundenen Regelungen zu einer Handhabung des Ver- tragswerks durch die gesetzgebenden Körperschaften auf. Wichtigen europapolitischen Anliegen aus deut- scher Sicht wird der Vertrag nicht gerecht: In der Präambel fehlen der Hinweis auf das christli- che Erbe Europas und der Bezug auf die Verantwortung vor Gott. Dies widerspricht wohlbegründeten Forderun- gen aus dem politischen, gesellschaftlichen und kirchli- chen Raum. Die Koordinierungskompetenzen im Bereich der Wirtschaftspolitik weisen den Charakter von General- klauseln auf. Dies widerspricht den ursprünglichen For- derungen im Verfassungsvertrag, eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Ebenen der EU, der Mitgliedsländer und ihrer Regionen vorzunehmen. In den Bereichen Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Gesund- heitspolitik, Industrie und Forschung sowie Energiepoli- tik sollen die Kompetenzen der EU ausgeweitet und im Bereich der Daseinsvorsorge neue Kompetenzen ge- schaffen werden. Dies widerspricht den jahrelangen Be- mühungen, den Tendenzen zu immer mehr Zentralisie- rung auf EU-Ebene Einhalt zu gebieten und in der EU mehr Bürgernähe sicherzustellen. Offensichtlich war die Bundesregierung weder ge- willt noch bereit, entsprechende Forderungen in die Ver- tragsverhandlungen einzubeziehen, um so ein befriedi- gendes Verhandlungsergebnis herbeizuführen. Auch halte ich die zeitlich vorgezogene Ratifizierung des eu- ropäischen Verfassungsvertrages für völlig unangemes- sen. Allein die außenpolitische Rücksichtnahme auf die Volksabstimmung in Frankreich hat zu dieser frühzeiti- gen Abstimmung ohne ausreichende Kommunikation mit unserer eigenen Bevölkerung geführt. Während die Bundesregierung allein in den Jahren 2002 bis 2004 die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit um knapp 11 Prozent er- höht hat, wurde unsere Bevölkerung nicht durch eine umfassende Informationskampagne über das Pro und Contra des europäischen Verfassungsvertrages aufge- klärt, obwohl diese Entscheidung eine Schicksalsfrage für die weitere europäische Integrationspolitik ist. Weiterhin schwächt der europäische Verfassungsver- trag die Position des Deutschen Bundestages in EU-An- gelegenheiten. Um weitere Souveränitätsverluste zu ver- h D B s E w w e d t z a l n Ü s r b g c s l W k k e g l G n s e g H a d p D E S m t a a p s e d I e v (C (D indern, ist eine Stärkung der Mitwirkungsrechte des eutschen Bundestages erforderlich. Die CDU/CSU- undestagsfraktion hat entsprechende Gesetzesvor- chläge – Bundestagsdrucksache 15/4716 – eingebracht. s ist jedoch absehbar, dass diesen Forderungen nur teil- eise Rechnung getragen wird. Aus diesem Grund erde ich auch nach der Ratifizierung des Vertrags auf ine vollständige Umsetzung der Forderungen im Sinne es Gesetzentwurfes von CDU und CSU hinwirken. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile werde ich rotz der schwerwiegenden Bedenken dem Vertragswerk ustimmen. Ich fordere die Bundesregierung jedoch ausdrücklich uf, nach In-Kraft-Treten des Vertragswerks unverzüg- ich und nachdrücklich auf Verbesserungen in den ge- annten Bereichen hinzuwirken. Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Ich bin der festen berzeugung, dass es aufgrund der besonderen histori- chen Erfahrungen und der enormen zukünftigen He- ausforderungen zu einer möglichst engen Zusammenar- eit von Staaten innerhalb Europas keine Alternative ibt. Eine Europäische Union, aufgebaut auf den christli- hen Werten, den Grundsätzen der sozialen Markwirt- chaft, dem Prinzip des Föderalismus und der kommuna- en Selbstverwaltung, wird in einem hohen Maße zum ohle aller Bürgerinnen und Bürger beitragen und önnte ein tragfähiges Konzept für eine gemeinsame Zu- unft Europas darstellen. Diese gemeinsame Zukunft muss getragen sein von iner hohen Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ge- enüber den europäischen Institutionen und ihrer Hand- ungen und Werte. Fehlende Akzeptanz führt zu einem rößerwerden von Distanz zwischen Bürgern und denje- igen, die in deren Namen Macht ausüben. Die zur Ab- timmung stehende Europäische Verfassung weist leider rhebliche Mängel auf und wird deswegen bei den Bür- ern zu erheblichen Akzeptanzproblemen führen. In der Präambel des Vertrags fehlen ein eindeutiger inweis auf das christliche Erbe Europas und ein Bezug uf die Verantwortung vor Gott. Die Kompetenzausweitung auf zahlreiche Politikfel- er wie Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheits- olitik, Arbeitsrecht, Zugang von Staatsangehörigen aus rittstaaten zum Arbeitsmarkt, Industrie, Forschung, nergie, Daseinsvorsorge, Raumordnung, Zivilschutz, port, Verwaltungsförderung, Tourismus und vieles ehr ohne klare Kompetenzabgrenzung ist äußerst kri- isch zu sehen. Obwohl ein Großteil dieser Aufgaben usreichend von den Mitgliedstaaten erledigt wird und uch weiterhin erledigt werden könnte, wird eine Kom- etenzverlagerung auf die europäische Ebene festge- chrieben. Die fehlende Kompetenzabgrenzung wird zu iner weiteren Zentralisierungsdynamik der EU führen. Verstärkt wird diese Zentralisierungsdynamik da- urch, dass erstmals in der Geschichte der europäischen ntegration kraft Vertragsrecht nicht nur ein Vorrang der uropäischen Verfassung als solcher, sondern auch des on den europäischen Organen erlassenen Sekundär- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16503 (A) ) (B) ) und Tertiärrechts vor allem nationalen Recht, einschließ- lich der nationalen Verfassungen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnungssysteme, postuliert wird. Das Grundgesetz steht damit zur Disposition der europäischen Organe. Zum Ausdruck kommt dies in Teil I Art. 1-6 der Verfas- sung: Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zustän- digkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Das in der Verfassung festgeschriebene Prinzip der gleichberechtigten Rotation der Mitgliedstaaten bei der Besetzung der Kommission führt dazu, dass Deutsch- land als größter Mitgliedstaat periodisch nicht mehr in der Kommission vertreten sein wird. Dies ist umso be- dauerlicher, da der Gesetzgeber, also das Europäische Parlament und der Rat, weiterhin keine Befugnis zu Rechtsvorschlägen hat. Damit sind die Gesetzgebungs- organe weiterhin von der Kommission abhängig. Die Tatsache, dass mittels eines Frühwarnsystems die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet wer- den soll, ist ausdrücklich zu begrüßen. Dass dies in der praktischen Ausübung aufgrund der knappen Fristen und der Höhe des Quorums – sechs Wochen; ein Drittel der nationalen Parlamente – kaum praktische Bedeutung ha- ben wird, ist bedauerlich. In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass die Europäi- sche Verfassung in der vorliegenden Form durch die Ver- lagerung von Zuständigkeiten an die EU und durch die erweiterte Flexibilitätsklausel zu einer Schwächung der nationalen Parlamente führt. Unbestritten ist allerdings, dass der Vertrag gegenüber den bestehenden Verträgen auch Vorteile bietet. Die Europäische Union sollte sich allerdings in ihrem politischen Handeln auf diejenigen Aufgaben konzentrieren, die nur auf der europäischen Ebene gelöst werden können. Die Verfassung stellt dies nicht sicher. In Abwägung aller Argumente komme ich zu der Überzeugung, dass der vorliegende Verfassungsvertrag gravierende Mängel aufweist. Deswegen kann ich die- sem Vertrag nicht zustimmen! Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Charles de Montesquieu wird das berühmte Zitat zugeschrieben: „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu er- lassen.“ Übertragen auf den heute im Deutschen Bun- destag zu ratifizierenden Europäischen Verfassungsver- trag möchte man also formulieren: „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, eine Zuständigkeit zu formulie- ren, ist es unbedingt notwendig, keine Zuständigkeit zu formulieren.“ Es ist nach meiner Überzeugung trotz der großen Verdienste, die sich insbesondere der frühere ba- den-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel bei der Verbesserung des Vertragstextes erworben hat, nicht gelungen, den Europäischen Verfassungsvertrag hinsichtlich der Kompetenzabgrenzung zwischen Euro- päischen Institutionen auf der einen und nationalen bzw. regionalen Parlamenten auf der anderen Seite so zu s s L i f r d B b t s t s I s k e G d t s l n U e d t i w s V t m r E d A Z d s h e Z o a f d d s I k d s t K d n (C (D trukturieren, daß mittelfristig ein Europa entsteht, das ich auf nachhaltiger Kontrolle der Exekutive durch die egislative gründet. Ich teile ausdrücklich nicht die Auffassung, dass es m Ratifizierungsverfahren über den Europäischen Ver- assungsvertrag einem Referendum auch in der Bundes- epublik Deutschland bedurft hätte. Der Deutsche Bun- estag ist nach meiner Auffassung gemäß den estimmungen des Grundgesetzes für die Bundesrepu- lik Deutschland legitimiert, den Beschluss über die Ra- ifizierung herbeizuführen. Wenn der Deutsche Bundestag heute in einem Ent- chließungsantrag verbesserte Mitwirkungsmöglichkei- en, eine institutionalisierte Vertretung eigener Interes- en auf der europäischen Ebene und einen verbesserten nformationsfluss einfordert und zudem die im Europäi- chen Verfassungsvertrag aufgenommene Subsidiaritäts- lage und Subsidiaritätsrüge würdigt, stellt dies zwar ine Verbesserung gegenüber dem Status quo dar. leichwohl geht dies am Kern der Sache vorbei. An der urch vage Zielbestimmungen, Prozesse wie der der Me- hode der offenen Koordinierung festgeschriebenen chleichenden Kompetenzverlagerung von den nationa- en Parlamenten in europäische Institutionen ändert sich ichts. Wir versuchen, Wirkungen abzumildern; an den rsachen ändern wir nichts. Dabei ist zu bedenken, dass s sich hier nicht um einen banalen Gesetzentwurf han- elt, dem trotz erheblicher Mängel die Zustimmung er- eilt werden kann, weil die begründete Aussicht besteht, hn in naher Zukunft mit anderen Mehrheitsverhältnissen ieder korrigieren und verbessern zu können. Es ist klar und wird auch von mir nicht infrage ge- tellt, dass eine zukunftsfähige Außen-, Sicherheits- und erteidigungspolitik nur auf europäischer Ebene gestal- et werden kann. In einem Binnenmarkt mit gemeinsa- er Währung muss auch die Zuständigkeit für die Wäh- ung bei der EU, respektive einer völlig unabhängigen ZB liegen. Der globale Klimaschutz ist eine Aufgabe er VN, der Globus ist bekanntlich größer als Europa. ber alle anderen Politikbereiche gehören in die klare uständigkeit nationaler Parlamente oder – wo vorhan- en – von Länderparlamenten. Ein Europäischer Verfas- ungsvertrag, der sich diesen Zielen verpflichtet fühlt, ätte klar und unmissverständlich regeln müssen, dass uropäischen Institutionen auf diesen Gebieten keine uständigkeit und auch keine Koordinierungsfunktion der Zielbestimmung zukommt und dass diese Felder usschließlich in die Zuständigkeit der Nationalstaaten allen. Das Prinzip der Subsidiarität sieht nicht vor, dass ie kleinere Einheit für den Fall, dass sie sich gegenüber er größeren benachteiligt oder in ihren Rechten be- chnitten fühlt, ein Klagerecht gegenüber der größeren nstitution erhält, sondern dass die kleinere Einheit aus laren ordnungspolitischen Grundsätzen in aller Regel en Vorrang vor der größeren Einheit hat. Das Vorhaben, nationale Politiken etwa in der Be- chäftigungs- oder Wirtschaftspolitik in einer suprana- ionalen Institution ohne genügende parlamentarische ontrolle nach Benchmarking-Gesichtspunkten zu koor- inieren, kommt über den theoretischen Ansatz nicht hi- aus, sondern provoziert Bürokratie, deren Ziel letztlich 16504 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) im fortdauernden Nachweis der eigenen Existenzberech- tigung liegt. Fortschritt entsteht aber nicht durch Beur- teilung von Politikansätzen seitens weitgehend anony- mer Institutionen, sondern durch den Wettbewerb von Ideen, die auf dem Markt miteinander konkurrieren und sich so als mehr oder weniger praktikabel erweisen. Das Bemühen, die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages zu stärken, ist zwar ehrenwert. An der Sechs-Wochen-Frist zur Subsidiaritätsprüfung etwa än- dert sich jedoch nichts. Schon heute aber sind die Mit- glieder des Deutschen Bundestages kaum in der Lage, die von europäischen Institutionen herausgegebene Do- kumentenflut zu sichten; an ein Studium bzw. eine Be- wertung dieser Dokumente ist kaum zu denken. Wenn aber der Deutsche Bundestag zukünftig zum Beispiel mittels Subsidiaritätsklage und Subsidiaritätsrüge einen Teil der parlamentarischen Kontrollfunktion wahrzuneh- men hat, die nach dem Prinzip der Gewaltenteilung ei- gentlich dem Europäischen Parlament zusteht, dann schwächt dies die parlamentarische Kontrollfunktion des nationalen Parlaments gegenüber der nationalen Regie- rung genauso, wie es gleichzeitig die unzureichend aus- gebildete Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments gegenüber europäischen Institutionen darstellt. Beides ist für mich politikwissenschaftlich und demokratietheo- retisch in hohem Maße fragwürdig. Das Fehlen eines klaren Gottesbezuges stellt für mich zudem einen schwer wiegenden Mangel des Europäi- schen Verfassungsvertrages dar. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Debatte vom 10. September 2003 vor dem Deutschen Bundestag erklärt: „Nach mei- ner Auffassung ist ein Gottesbezug nicht erforderlich“ und fünf Sätze später hinzufügt: „Sowohl der Außenmi- nister als auch ich sind für den Gottesbezug eingetreten“, dann bekommt man eine Vorstellung von der Ernsthaf- tigkeit, mit der die Bundesregierung bei diesem Thema zu Werke gegangen ist. Dabei geht es nicht nur darum, der christlich-jüdischen Tradition Europas vor allem aus historischen Gründen zu einer Erwähnung in einer Ver- fassung zu verhelfen, sondern es geht um eine „Politik des leeren Stuhls“, die deutlich macht, dass sich Regie- rungen, Parlamente und Verwaltungen nicht als letzte In- stanz verstehen, sondern sich der transzendentalen Di- mension menschlichen Daseins und Tuns bewusst sind und dies auch durch eine entsprechende Formulierung in der Verfassung deutlich machen. Zwar ist mir klar, dass aufgrund der unterschiedlichen Verfassungsgeschichten der europäischen Nationalstaaten eine Formulierung analog der im deutschen Grundgesetz verwendeten „in- vocatio dei“ nur schwer durchzusetzen gewesen wäre; das ernsthafte gemeinsame Bemühen mit Staaten, die ähnliche Zielsetzungen verfolgten, hätte mit Sicherheit jedoch substanziell mehr erbracht – etwa in der Form der polnischen Verfassung –, als heute im Entwurf des Euro- päischen Verfassungsvertrages zu finden ist. Aus den vorgenannten Gründen vermag ich dem Eu- ropäischen Verfassungsvertrag meine Zustimmung nicht zu geben. V e g s E w b v t r d t s n n w G a V s w B a s t R k n u h P t d d c V r s t K m m u – t g z (C (D Albrecht Feibel (CDU/CSU): Vor allem ist es der im erfassungsvertrag fehlende Gottesbezug, der mich zu inem „Nein“ bewogen hat. Aus der katholischen Ju- endbewegung kommend, habe ich, insbesondere zwi- chen 1955 und 1975, mit zahlreichen Aktionen für ein uropa gearbeitet, das sich an den christlichen Grund- erten orientiert. Es waren nicht nur die vielen Jugend- egegnungen mit jungen Franzosen, sondern auch der on mir ganz wesentlich initiierte valutafreie Jugendaus- ausch mit Russland – damals Sowjetunion – und osteu- opäischen Staaten wie Polen, CSSR, Ungarn sowie mit er damaligen DDR, die dem Ziel eines freien, vereinig- en Europas auf der Grundlage christlicher Werte dienen ollten. Schon damals war ich zutiefst überzeugt, dass Europa ur dann eine gute Zukunft haben würde, wenn es nicht ur eine Wirtschafts- und Währungsunion bleiben ürde. Ich trete deshalb dafür ein, dass ähnlich wie im rundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Ver- ntwortung des Menschen vor Gott im Vertrag über eine erfassung für Europa Erwähnung findet. Nur so kann ich Europa zu einer wirklichen Wertegemeinschaft ent- ickeln, die ihre Herkunft nicht leugnet und zugleich ein ekenntnis zur christlich abendländischen Geschichte blegt. Europa wächst in seiner Fläche, nicht aber in der Be- innung auf gemeinsame Werte. Die umfassende Erwei- erung nach Osten und die zusätzliche Aufnahme von umänien und Bulgarien innerhalb eines Zeitraums, der aum eine Konsolidierung zulässt, überfordert die EU icht nur finanziell. Begriffe wie „Entsenderichtlinie“ nd „Dienstleistungsrichtlinie“ unterstreichen bereits eute in der politischen Diskussion die aufkommenden robleme im freien Dienstleistungsverkehr der nach Os- en erweiterten EU. Beispielhaft hierfür ist Art. III-144 es noch nicht in Kraft gesetzten Verfassungsvertrages, er wie folgt lautet: „Die Beschränkungen des freien Dienstleistungs- verkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe dieses Unterabschnitts verboten.“ Die Bundesregierung möchte durch eine entspre- hend abgeschwächte Dienstleistungsrichtlinie diese ertragsbestimmung modifizieren. Angesichts des Vor- anges des Verfassungsvertrages muss dieses Ansinnen cheitern. Dies bedeutet, dass die für den deutschen Mit- elstand außerordentlich schädliche Bestimmung in raft gesetzt wird. Eine kritische Bewertung verdient zudem die zuneh- ende Kompetenzverlagerung von den nationalen Parla- enten zur Brüsseler Mammutbürokratie. Kommission nd Ministerrat ersetzen parlamentarisches Handeln und was noch wichtiger ist – die parlamentarische Kon- rolle. Die hier dargelegten Gründe haben mich daher bewo- en, den Verfassungsvertrag in seiner jetzigen Form ab- ulehnen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16505 (A) ) (B) ) Herbert Frankenhauser (CDU/CSU): Die europäi- sche Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. Die Europäi- sche Union steht für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Nach der Verwirklichung des europäischen Binnenmark- tes und der Einführung des Euros wurde mit der Ost- erweiterung ein weiterer dynamischer Schritt in der Ent- wicklung der Europäischen Union vollzogen. Die Europäische Union ist kein Staat und wird auch in Zu- kunft auf Nationalstaaten aufbauen. Umgekehrt braucht der Nationalstaat Europa, weil jeder Nationalstaat in Eu- ropa wichtige Aufgaben heute nicht mehr auf sich allein gestellt erfüllen kann. Nationen und Europa bedingen sich gegenseitig. Die Bindung der Menschen an ihre Na- tionalstaaten und Parlamente, die Rückbindung der Ge- setzgebung an das Volk sind ein wesentliches Ergebnis europäischer Geschichte und bleiben unverzichtbar. Deshalb steht die Europäische Union mit dem EU-Ver- fassungsvertrag an einem Wendepunkt. Der Europäische Konvent und die Regierungskonfe- renz hatten den Auftrag zur Schaffung einer klaren und durchschaubaren Kompetenzordnung sowie einer Kom- petenzabgrenzung der Zuständigkeitsbereiche zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten. Da- rüber hinaus sollte das europäische Vertragswerk trans- parent werden, das demokratische Defizit reduziert und die nationalen Parlamente ihren Mitwirkungsmöglich- keiten gestärkt werden. Diese Vorgaben wurden nicht umgesetzt. Der Verfassungsvertrag schafft keine klare Kompe- tenzabgrenzung innerhalb der EU. Er beschränkt das Handeln der EU nicht auf die Kernaufgaben, sondern kommt vielmehr zu einer weiteren erheblichen Kompe- tenzausweitung auch in Bereichen, die bisher auf Ebe- nen der Mitgliedstaaten angesiedelt waren. Die Kompe- tenzausweitung betrifft so zum Beispiel die Wirtschafts- und Währungspolitik, die Energiepolitik, die Gesund- heit, die Raumfahrt, den Zivilschutz, den Sport, die Da- seinsvorsorge, die Innen- und Justizpolitik. Das verstärkt die Zentralisierungsdynamik in Richtung Brüssel über Kernaufgaben hinaus. Mit der Flexibilitätsklausel kann die EU darüber hinaus in fast alle mitgliedstaatliche Zu- ständigkeiten eingreifen. Durch das Initiativmonopol macht der Verfassungsentwurf die EU-Kommission zu einer europäischen Superbehörde ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle durch das Europäische Par- lament und die nationalen Parlamente. Durch die wesentliche Kompetenzausweitung auf na- hezu alle Politikbereiche, die Ausweitung der Mehr- heitsentscheidung, die Festschreibung des Vorrangs europäischen Rechts vor nationalem Recht und die Ab- schwächung der Rechte des Bundestages beim Vertrags- änderungsverfahren verlieren der Deutsche Bundestag und die Landtage substanzielle Gestaltung- und Mitwir- kungsrechte. Das Europäische Parlament wird in seiner parlamentarischen Rolle nicht entsprechend gestärkt, es verfügt über kein Initiativrecht, die Zusammensetzung leitet sich nicht auf der Basis eines gleichen Wahlrechtes ab. Die Legitimation der europäischen Rechtsetzung über die Kontrolle durch die Parlamente und die Rück- bindung an das Volk, wie es das Bundesverfassungsge- richt in seinem Maastricht-Urteil fordert, ist damit nicht m t s a a o s s d m n C in E s S te tr m v R Z r D f d c V B q d s d b z w a n E z p s p g d r d h I d d c d s r a n li (C (D ehr ausreichend gegeben. Die dem Deutschen Bundes- ag eingeräumten Möglichkeiten eines Subsidiaritätsein- pruches und einer Subsidiaritätsklage können dies nicht usgleichen. Sie sind weder wirkungsvoll noch effektiv dministrierbar. Da Europapolitik nicht mehr Außenpolitik ist, ist hne eine Stärkung der Mitwirkungsrechte des Deut- chen Bundestages in EU-Angelegenheiten der Verfas- ungsvertrag hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem eutschen Grundgesetz äußerst bedenklich. Der Legiti- ationsstrang europäischer Rechtsetzung über die natio- alen Parlamente und das Volk wird infrage gestellt. Die DU/CSU-Bundestagsfraktion hat daher eine Gesetzes- itiative eingebracht, die die Rechte des Bundestages in U-Angelegenheiten stärkt. Kernziele dieses Gesetzes ind grundsätzliche Bindung der Bundesregierung an tellungnahmen des Bundestages in EU-Angelegenhei- n, was insbesondere vor der Aufnahme neuer EU-Bei- ittsverhandlungen und bei Vertragsänderungen gelten uss, und dass die Bundesregierung für den Übergang on der Einstimmigkeit zur Mehrheitsentscheidung im at zunächst das Einvernehmen mit dem Bundestag mit weidrittelmehrheit herstellen muss. Die Bundesregie- ung, SPD und Grüne lehnen diese Kernforderungen ab. ie zugestandene Erweiterung der Mitwirkungsrechte ür den Bundesrat, die Stärkung der Informationsrechte es Bundestages und ein Minderheitenrecht zur Einrei- hung einer Subsidiaritätsklage sind nicht ausreichend. In der Würdigung der Vor- und Nachteile des jetzigen erfassungsvertrages und der sich für den Deutschen undestag und die Rechtsetzung ergebenden Konse- uenzen komme ich in der Abwägung zu einem Nein für ieses Verfassungswerk. Das Europa des EU-Verfas- ungsvertrages ist nicht mehr das Europa, das die Grün- ungsväter der Gemeinschaft vor Augen hatten. Europa raucht klare Werte, föderale Strukturen, ein Bekenntnis ur christlich-abendländischen Geschichte, zur Verant- ortung vor Gott. Wir benötigen ein Europa, das sich uf Kernaufgaben begrenzt, aber nicht in nahezu allen ationalen Politikfeldern mitregiert und reguliert; ein uropa, das seine Gesetzgebung über die Rückbindung um Volk und über die Parlamente legitimiert und trans- arent macht. Ohne eine stärkere Einbindung der Men- chen und ihrer nationalen Parlamente sowie des Euro- äischen Parlaments kann das europäische Projekt nicht elingen. Die EU muss sich von unten nach oben über as Volk und die Parlamente stärker als bisher legitimie- en. Auch bei einem Nein zum Verfassungsvertrag fällt ie EU nicht in einen rechtsfreien Raum, sondern ist andlungsfähig auf der Basis des Nizza-Vertrages. Neue mpulse einer vertieften Integration in Kernbereichen er EU und eine verstärkte Zusammenarbeit insbeson- ere in der Außen- und Sicherheitspolitik sind zu entwi- keln. Eine Überprüfung der Erweiterungsstrategie und ie Erarbeitung eines Partnerschaftskonzeptes der EU ind notwendig. Anders als die meisten europäischen Staaten hat die ot-grüne Bundesregierung keinen einzigen Änderungs- ntrag in die Abschlussverhandlungen eingebracht. Kei- er der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion formu- erten begründeten Änderungsanträge wurde von der 16506 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Bundesregierung aufgegriffen und einzubringen ver- sucht. Nach dem Willen der rot-grünen Bundesregierung soll die eilige Verabschiedung des Verfassungsvertrages das Verhalten der französischen Wählerinnen und Wäh- ler beim Referendum am 29. Mai beeinflussen. Die Ent- scheidung des Deutschen Bundestages als Vehikel zur Beeinflussung französischer Wähler zu nutzen, ist unan- gemessen und falsch. Richtig wäre es gewesen, die Ent- scheidung des Bundestages nach dem französischen Referendum anzusetzen oder zumindest zeitgleich am Tag des französischen Referendums, um europäische Gemeinsamkeit zumindest im Abstimmungszeitpunkt zu demonstrieren. Der Deutsche Bundestag hätte dann in einer Sondersitzung abgestimmt, das französische Volk im Rahmen eines Referendums. Das Ausmaß per Kompetenzübertragung und die Ein- wirkungsmöglichkeiten der Europäischen Union sind so weitgehend, die Überlagerung nationalen Rechts selbst des Grundgesetzes durch Europäischer Rechtsetzungs- akte so einschneidend, dass die Fundamente nationaler Staatlichkeit berührt werden. In diesem besonderen und einzigartigen Fall reicht die Legitimation der frei ge- wählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht aus, darüber zu beschließen. Vielmehr kann nur das deutsche Volk selbst über eine so weit gehende Verände- rung der Staatlichkeit gemäß Art. 146 des Grundgesetzes beschließen. Die CSU hat deshalb zu Recht eine europa- weite, an einem Tag stattfindende Abstimmung für jedes Land gesondert vorgeschlagen. Diesen Vorschlag hat die Bundesregierung abgelehnt. Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Das gemeinsame Europa ist unsere Zukunft! Auf der Grund- lage ihres kulturellen Erbes und christlicher Wertvorstel- lungen müssen die Nationen Europas ihre Zukunft ge- stalten. Auf der Basis einer freien und sozialen marktwirtschaftlichen Ordnung wird die wirtschaftliche Integration Europas Wohlstand für alle ermöglichen und die Formulierung und Umsetzung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wird die große europäi- sche Aufgabe in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sein. Der Weg der Integration über demokratische Ab- stimmungs- und Annäherungsprozesse ist mühsam, weil jede europäische Nation ihre eigenen Erfahrungen und politischen Traditionen hat. Aber das Zusammenwach- sen der europäischen Gesellschaften in einem Europa ohne Grenzen und die Erkenntnis, dass das Miteinander allen zum Vorteil gereicht, wird diesen mühsamen und langwierigen Prozess zum Erfolg führen. Doch das gemeinsame Europa ist in Gefahr. Die Eu- ropäische Kommission hat über Jahrzehnte, flankiert vom Europäischen Gerichtshof und geduldet von den na- tionalen Exekutiven, Kompetenzen an sich gerissen und übt diese unter faktischer Ausschaltung der nationalen Parlamente aus. An die Stelle der dem Volk verantwortli- chen Vertreter der nationalen Parlamente ist bei der Ge- setzgebung der europäische Beamtenapparat getreten. Politische Meinungsbildungs- und Entscheidungspro- zesse finden somit ohne Rückkopplung mit der Bevölke- r t d k d l w i E d A M r e i u u r g Z u d m l l d t b B v d e s P c d m h f p e e a s p w n a d h w t c c (C (D ung statt. Lediglich gut funktionierende Büros der mul- inationalen Konzerne und potente Verbände können auf ie Bürokratie in Brüssel noch Einfluss nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen war es er- lärtes Ziel eines Verfassungsvertrages, die Kompetenz er Europäischen Union zu begrenzen und, so weit mög- ich, auf Kernbereiche zurückzuführen. Diesem Auftrag ird der vorliegende Verfassungsvertrag nicht gerecht, n Gegenteil: Der Vertrag schreibt die Kompetenzen, die uropa an sich gerissen hat, fest und vergrößert sie urch neue bzw. erweiterte Kompetenzen, obwohl die ufgaben, die übertragen werden, ebensogut von den itgliedstaaten erledigt werden könnten. Koordinie- ungskompetenzen im Bereich der Wirtschaftspolitik twa eröffnen der EU-Bürokratie neue Möglichkeiten, hr vielfach planwirtschaftliches, zentralistisches und niformes Denken umzusetzen, statt nationaler Vielfalt nd Gestaltungsfreiheit Raum zu lassen. Dem Subsidia- itätsprinzip wird in dem Verfassungsvertrag nicht der ebotene Raum gegeben. Der Verfassungsvertrag macht vielmehr deutlich: Die entralisierungsdynamik der europäischen Bürokratie ist ngebrochen und wird – verbunden mit der fehlenden emokratischen Legitimation – dem Ziel des gemeinsa- en Europas schweren Schaden zufügen. Der Vertrag egalisiert, verfestigt und erweitert eine europäische Po- itik, die unterschiedliche nationale Strukturen und Be- ürfnisse und den Grundsatz der Subsidiarität missach- et, und er trägt dazu bei, die Bürger noch stärker als isher von der Politik zu entfremden. Europa muss zur esinnung kommen. Ich kann deshalb dem Verfassungs- ertrag nicht zustimmen. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Ich stimme er EU-Verfassung und den Begleitgesetzen zu, weil sie ine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Vertragszu- tand bedeuten. Dies bezieht sich insbesondere auf die arlamentsbeteiligung und auf die Erwähnung des hristlichen Erbes. Gleichwohl bedauere ich, dass der ann erreichte Zustand nicht die Kriterien erfüllt, die ich ir von dem Europäischen Verfassungsprozess erhofft abe. Insbesondere wird keine Vorkehrung dagegen getrof- en, dass der von Europa ausgehende Bürokratisierungs- rozess sich weiter fortsetzt und sich als Hemmnis für ine positive Fortentwicklung unserer Volkswirtschaft rweist. Nationale Bestrebungen zum Bürokratieabbau ls grundlegende Voraussetzung für ein erneutes Wirt- chaftswachstum werden nicht nur durch den von Euro- a ausgehenden Prozess zunichte gemacht, sondern wir erden weit zurückgeworfen. Daran ändern auch die unmehr im dritten Teil der Europäischen Verfassung ufgelisteten Zuständigkeitskataloge nichts, weil sie urch die Wettbewerbsklausel unterlaufen werden. Das at die Praxis der letzten Jahrzehnte gezeigt. Dadurch ird auch die an sich richtige und wichtige Subsidiari- ätsklausel unterlaufen werden. Statt Abbau der unglei- hen Ausgangsbedingungen wird der Abstand größer. Ich hätte mir gewünscht, dass die abendländische hristlich jüdische Ausprägung unserer Kultur, zum Bei- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16507 (A) ) (B) ) spiel in Form des Gottesbezuges, Eingang in den Text gefunden hätte, um zum Ausdruck zu bringen, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist und welche Grundwerte ihren Rahmen bestimmen. Ich hätte zugleich auch deutlich gemacht, dass eine Erweiterung über den entsprechenden Kulturkreis hinaus nicht möglich ist, weil eine so tiefe Wertegemeinschaft eine innere Homogenität voraussetzt, die nur innerhalb eines einheitlichen Kulturkreises gewährleistet ist. Ich bin Realist genug um zu wissen, dass im jetzigen Verhandlungsstadium eine Gegenstimme von mir nicht dazu führt, dass die europäische Verfassung diesen von mir als wünschenswert aufgezeigten Zielen näher kom- men würde. Bei einem Scheitern der europäischen Ver- fassung verblieben wir nur in dem jetzt geltenden Ver- tragszustand, der noch schlechter ist. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass beide großen Kirchen deutlich ge- macht haben, dass die Verabschiedung der Verfassung wichtiger ist als unrealistischen Zielen nachzulaufen. Deshalb stimme ich trotz Bedenken zu. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Der EU-Ver- trag ist ein positiver Meilenstein für die künftige Ent- wicklung Europas. Er überwindet den unbefriedigenden Zustand nach den Verhandlungsergebnissen von Nizza durch Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten und dem ausdrücklichen Bekenntnis zum Prinzip der Subsi- diarität. Europa wird nach innen demokratischer und nach außen stabiler. Für uns Deutsche in der Mitte Euro- pas ergeben sich die gleichen Solidaritätsproblematiken wie für andere in der Gemeinschaft der Staaten. Es erge- ben sich aber genauso enorme Chancen, die künftigen Generationen von Nutzen sein werden. Vor diesem Hintergrund stimme ich dem vorgelegten Vertragswerk zu, obwohl mir bewusst ist, dass eine aus- drückliche Aussage zu den gewachsenen geistigen und kulturellen Grundwerten Europas in Form einer Präam- bel ähnlich der unseres deutschen Grundgesetzes mit Be- zug auf das Bewusstsein der Verantwortung vor Gott nicht niedergeschrieben wurde. Es gilt daher umso mehr mit diesem Bewusstsein die handelnde Politik auszufüllen und dazu hin dafür zu sor- gen, dass Europa den einzelnen und den regionalen Ebe- nen so viel eigene Gestaltungsfreiheit wie im Interesse des Ganzen vertretbar ist, lässt und dem Wettbewerb von alternativen Lösungen genügend Raum gibt. Die parlamentarischen Spielräume müssen genutzt werden. Um Bürokratie und Regelwut Einhalt zu bieten und so deutlich werden zu lassen: Europa ist für die Menschen da und bietet Voraussetzungen bei sozialer Gerechtigkeit und hohem Umweltstandard in Friede, Freiheit und Wohlstand zu leben. Ernst Hinsken (CDU/CSU): Ich begrüße den euro- päischen Einigungsprozess und bin auch für eine ge- meinsame Verfassung – allerdings für eine Verfassung, die klar und transparent ist, die die Mitwirkungsrechte d n g Z n g D u n s d b B d t d b t u s s d n N l n s s A r M D f k n h v b l d P s r w t s N e m t s (C (D es Deutschen Bundestages tatsächlich stärkt und die ei- en Gottesbezug hat. Der vorliegende Verfassungsvertrag setzt diese Vor- aben unzureichend um. Er verstärkt stattdessen die entralisierung weit über die Kernaufgaben der EU hi- aus in Bereiche, die bisher in die Zuständigkeit der Mit- liedstaaten fielen. Dadurch verliert insbesondere der eutsche Bundestag wichtige Rechte bei der Gestaltung nd Mitwirkung der europäischen Politik. Wenn diese icht gestärkt werden, ist eine Vereinbarkeit des Verfas- ungsvertrages mit unserem Grundgesetz äußerst be- enklich. Der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einge- rachte Gesetzentwurf, der die Rechte des Deutschen undestages in EU-Angelegenheiten stärken würde, ist er richtige Ansatz. Zentrale Forderungen dieser Initia- ive wurden aber von der Bundesregierung, der SPD und en Grünen abgelehnt. Die gemachten Zugeständnisse ei den Mitwirkungsrechten für den Deutschen Bundes- ag sind bei weitem nicht ausreichend. Die Europäische Verfassung muss wertgebunden sein nd sich klar zum historischen und christlichen Erbe un- eres Kontinents bekennen. Die Grundwerte Europas ind ohne einen ausdrücklichen Gottesbezug unvollstän- ig. Ohne diesen Gottesbezug kann die Zukunft Europas icht gestaltet werden. Unter eingehender Berücksichtigung der Vor- und achteile komme ich zu der Schlussfolgerung, dem vor- iegenden Verfassungsvertrag nicht zustimmen zu kön- en, weil grundsätzliche Mitwirkungsrechte des Deut- chen Bundestages, wie zum Beispiel Bindungswirkung einer Stellungnahmen für die Bundesregierung in EU- ngelegenheiten, fehlen, zudem weil die Bundesregie- ung für den Übergang von der Einstimmigkeit zur ehrheitsentscheidung im Rat keine Zustimmung des eutschen Bundestages mit Zweidrittelmehrheit herbei- ühren muss, des Weiteren weil die Bundesregierung ein Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bei euen Beitrittsverhandlungen oder Vertragsänderungen erstellen muss, und weil der Gottesbezug, wie ich ihn erstehe, fehlt. Meine Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages ver- inde ich mit einem klaren Bekenntnis zu einem födera- en, wertgebundenen und bürgernahen Europa. Gerade ie stärkere Einbeziehung der Bürger und der nationalen arlamente in die Gestaltung der Politik der Europäi- chen Union ist eine wichtige Grundlage für den weite- en Erfolg des europäischen Einigungsprozesses. Robert Hochbaum (CDU/CSU): Dem Gesetzent- urf der Bundesregierung zu dem Vertrag vom 29. Ok- ober 2004 über eine Verfassung für Europa, Druck- ache 15/4900, kann ich nach Abwägung der Vor-und achteile aus folgenden Gründen nicht zustimmen. Erstens. Die Kompetenzausweitung der EU führt zu iner erheblichen Schwächung der nationalen Parla- ente. Im Gegensatz zum ursprünglichen Anliegen ers- ens eine klare und transparente Kompetenzordnung zu chaffen, zweitens eine Kompetenzabgrenzung der 16508 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten festzulegen sowie drittens den Handlungsspielraum der Europäischen Union auf deren Kernaufgaben zu konzentrieren, beinhaltet der vorlie- gende Verfassungsvertrag eine Ausweitung des Ent- scheidungsspielraumes der Europäischen Union auf Aufgabenbereiche, die bisher bei den Mitgliedstaaten angesiedelt sind. Als Beispiel ist hier die neue Gesetzge- bungskompetenz im Bereich der kommunalen Daseins- vorsorge zu nennen. Die Verfassung ermöglicht es der Eu- ropäischen Union künftig, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, welche Leistungen der Daseinsvorsorge wie zu erbringen sind. Ergo: Die EU kann zukünftig Ge- setze verabschieden, die den innerstaatlichen Stellen nicht einmal mehr die Wahl der Form und Mittel zu deren Um- setzung überlassen. Das im Deutschen Grundgesetz fest- geschriebene und geschützte kommunale Selbstverwal- tungsrecht droht hierdurch zu verkümmern. Auch das verankerte Frühwarnsystem bietet meiner Meinung nach keine ausreichende Sicherheit. Das festgeschriebene Rügerecht von einem Drittel der Parlamente ist zwar grundlegend zu begrüßen, führt aber in der Konsequenz nur zu einer Überprüfung der Richtlinie und nicht zwin- gend zu einer Überarbeitung bzw. zur Aufnahme der Vorschläge der rügenden Parlamente. Im Schluss heißt dies, die Mitgliedstaaten werden in ihrer Stellung als ei- genständig gewachsene und legitimierte Staaten nach- haltig geschwächt. Diese Aussage erfährt besondere Bri- sanz vor dem Hintergrund des im Verfassungsentwurf festgeschriebenen Art. I-6. In ihm ist der Vorrang der Europäischen Verfassung vor allem nationalen Recht verankert. Nationale Verfassungen sind dabei mit einge- schlossen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass künftig auch das Grundgesetz in der Entscheidungshoheit der Europäischen Union liegen kann. Zweitens. Fehlende Volksabstimmung führt zu unzu- reichender Legitimation der Verfassung. Die Entschei- dung über eine Europäische Verfassung ist die grundle- gendste aller politischen Entscheidungen. In einer Verfassung verständigen sich die Bürgerinnen und Bür- ger über Inhalt, Grenzen, Organisation, Ausgestaltung und Verteilung politischer Macht. Deshalb ist eine Ver- fassung ohne die ausdrückliche Zustimmung des Volkes grundsätzlich nicht ausreichend legitimiert. Zwar ist nach überwiegender Meinung der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ keine echte Verfassung im Sinne des Art. 146 GG, die eine Volksabstimmung zwingend erforderlich machen würde, aber dennoch ist es hier politisch klug, einen Volksentscheid herbeizuführen. Nur wenn den Bürgerinnen und Bürgern ein echtes Mitwir- kungsrecht zur Verfügung gestellt wird, wird es gelin- gen, sie auf den weiteren Integrationsprozess mitzuneh- men und sie von der europäischen Idee zu überzeugen. Die Abhaltung eines Volksentscheides zur Einführung einer Europäischen Verfassung auch in Deutschland würde den Gleichklang mit den anderen europäischen Staaten herbeiführen. Denn nach derzeitigem Stand sol- len in Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal und Spanien Volksentscheide durchgeführt werden. Ledig- lich in Deutschland, Malta und Zypern wird es keine V F g c V p T h j m g V l V D s V i D V U r m w m n g z d r V u l r d v r d g l r s s v p g w g u g s (C (D olksentscheide geben. In den restlichen Staaten ist die rage bisher ungeklärt. Neben den beiden kardinalen Hauptproblemen be- ründet des Weiteren der Verzicht auf einen ausdrückli- hen Gottesbezug mein Abstimmungsverhalten. Der erfassungsvertrag definiert zwar die Grundwerte Euro- as, stellt aber die Bedeutung der christlichen Werte und raditionen für die Zukunft Europas in keinster Weise ervor. Ein Europa abendländischer Tradition benötigt edoch eine christlich fundamentierte Verfassung. Abschließend weise ich ausdrücklich darauf hin, dass ein „Nein“ zum EU-Verfassungsvertrag nicht meine enerelle Auffassung zu Europa widerspiegelt. Mein erständnis von Europa definiert sich über klare, christ- iche Werte, förderale Strukturen und ein bürgernahes erständnis mit konsequenter Rückbindung zum Volk. ies wird mit der vorliegenden Verfassung nicht reali- iert werden können. Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Europa braucht einen erfassungsvertrag. Dem vorgelegten Entwurf stimme ch zu, obwohl er nach meiner Auffassung erhebliche efizite aufweist. Es ist zu befürchten, dass mit diesem ertrag die Ideale der Gründerjahre der Europäischen nion und die damit verbundenen Visionen nicht er- eicht werden. Der Vertrag erfüllt bei weitem nicht eine Erwartungen. In den Vertrag wurde die Verant- ortung vor Gott und den Menschen nicht aufgenom- en. Damit ist die Gestaltung eines geeinten Europas ach christlichen Grundsätzen aufgegeben worden. Weiter stelle ich fest: dass es mit dem Vertrag nicht elingt, die Kompetenzen klar festzuschreiben – es sind u viele Bereiche mit geteilter Zuständigkeit enthalten –; ass es nicht gelungen ist, Aufgaben wieder auf die unte- en Ebenen zu verlagern; dass der in Art. I-6 festgelegte orrang der Union vor dem Recht der Mitgliedstaaten nverantwortlich ist; dass es im Vertrag keine klare Fest- egung gibt, Europa auf die Kernaufgaben zu konzentrie- en; dass nationale Spielräume zum Beispiel im Bereich er Strukturpolitik nicht festgeschrieben sind; dass es ersäumt wurde, im Zusammenhang mit der Ratifizie- ung die Rechte der nationalen Parlamente zu stärken; ass der Vertrag vor allem durch viele Zusatzerklärun- en unübersichtlich und für den Bürger nicht verständ- ich ist; dass im Vertrag keine räumliche Begrenzung Eu- opas erfolgt. Mit der fehlenden breiten Diskussion des Verfas- ungsvertrages wurde die Chance vertan, mit den Men- chen über die Notwendigkeiten, Ziele und die Identität on Europa zu diskutieren. Es ist nicht gelungen, Euro- as Seele zu vermitteln und Europa zu einer Herzensan- elegenheit zu machen. Europa braucht mehr als nur irtschaftliches Denken und Handeln. Es ist auch nicht elungen, auf kritische Fragen zum Erscheinungsbild nd zur Zukunft der Europäischen Union Antworten zu eben. Es bleibt noch viel zu tun, um Europa richtig zu ge- talten. Deshalb muss dieser Vertrag in einem über- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16509 (A) ) (B) ) schaubaren Zeitraum nachgebessert werden. Diese Hoff- nung gebe ich nicht auf. Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Die Europäi- sche Union ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges weltweit das erfolgreichste Projekt regionaler Integra- tion überhaupt, welches unter großen Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten zustande gebracht worden ist. Nichtsdestotrotz verfolge ich mit Besorgnis die starke Tendenz der Entwicklung der EU in eine neoliberale Richtung und eine Entdemokratisierung nationaler Ent- scheidungsstrukturen. Ich habe diese Vorbehalte auch aufgrund dessen, dass ich in der ersten Lebenshälfte in der Sowjetunion und der DDR gelebt und die Auswirkungen eines extrem ausgeprägten Zentralismus ohne parlamentarische Kon- trolle erfahren habe. Mit dieser Erfahrung fällt es mir schwer, jeder Stärkung einer zentralen Machtstruktur in der Europäischen Union zuzustimmen. Ich stimme dem vorliegenden Ratifikationsgesetz für den EU-Verfassungsvertrag dennoch zu, weil ich die Hoffnung hege, dass die demokratischen Ansätze des Verfassungsvertrages nicht auf dem Papier stehen blei- ben und dass sie weiterentwickelt werden. Der Verfas- sungsvertrag ist letztlich ein Kompromiss des Verfas- sungskonventes, der meines Erachtens immer noch einige Demokratiedefizite enthält. Gegenüber dem be- stehenden Vertrag von Nizza stellt er aber doch einen Fortschritt dar. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa zu, da der vom Europäischen Konvent vorgelegte Verfassungs- entwurf einen Fortschritt gegenüber dem Vertrag von Nizza darstellt und kaum eine realistische Aussicht be- steht, dass sich die Mitgliedstaaten der EU in absehbarer Zeit auf einen besseren Verfassungsentwurf einigen könnten. Ich halte es jedoch für bedenklich, dass sich in Art. 40 Abs. 3 die Mitgliedstaaten der EU dazu verpflichten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbes- sern“. Dies ist zumindest missverständlich, weil es als Aufrüstungsforderung interpretiert werden könnte. Zwar werden an anderer Stelle auch die zivilen Mittel der Konfliktvermeidung und Krisenbewältigung angespro- chen. Insgesamt wäre jedoch eine noch deutlichere Orientierung der gemeinsamen Sicherheits- und Vertei- digungspolitik an dem Ziel, den Frieden mit einem mög- lichst geringen militärischen Aufwand zu sichern, wün- schenswert gewesen. In den Passagen, die die gemeinsame Wirtschaftspoli- tik betreffen, werden meines Erachtens zu einseitig die freie Marktwirtschaft, der Wettbewerb sowie der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr betont und die sozialen Aspekte nur am Rande erwähnt. Hier fehlt meines Erachtens der Hinweis auf die Not- wendigkeit, sich auf gemeinsame hohe ökologische und s z e s p a n b d e w i d h B d d i s h E d o d F M d ü A r tr te B u le s li v b b d m E d L m b n d s B r d w s (C (D oziale Standards zu einigen und sie europaweit durch- usetzen. Ich erkenne aber an, dass der vorgelegte Verfassungs- ntwurf einen Fortschritt gegenüber dem Status quo dar- tellt und die Entwicklung und Durchführung einer euro- äischen Friedens- und Abrüstungspolitik sowie einer mbitionierten europäischen Sozial- und Umweltpolitik icht behindert. Nun kommt es auf uns Politiker an, dazu eizutragen, dass die Europäische Union zu einer Frie- ensmacht wird und in ihrem gesamten Geltungsbereich ine betont soziale und ökologische Marktwirtschaft ent- ickelt. Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Nach wie vor existieren m vorliegenden Verfassungsvertrag erhebliche Mängel, ie den europäischen Integrationsprozess wesentlich be- indern. Ich bedauere, dass die verhandlungsführende undesregierung nicht erreicht hat, den Gottesbezug in er Präambel zu verankern, eine stärkere Begrenzung er Kompetenzen der EU durchzusetzen, insbesondere m Bereich der Wirtschaft- und Sozialpolitik, die Da- einsvorsorge aus der Gesetzgebungskompetenz der EU erauszunehmen, den Ausschluss der Veränderung der igenmittel aus dem vereinfachten Änderungsverfahren urchzusetzen analog der Beschlüsse mit militärischen der verteidigungspolitischen Bezügen, und zu verhin- ern, dass der Europäische Rat beim mehrjährigen inanzplan einstimmig – ohne Ratifizierung durch die itgliedstaaten – den Übergang zur Mehrheitsentschei- ung beschließen kann. Andererseits dürfen auch die Verbesserungen nicht bersehen werden, die im Vertragstext enthalten sind. us meiner Sicht ergeben sich unter anderem Verbesse- ungen durch die Zusammenführung der bisherigen Ver- äge in einen wesentlich klarer strukturierten Vertrag un- r Berücksichtigung der Charta der Grundrechte, die erufung in der Präambel auf das kulturelle, religiöse nd humanistische Erbe Europas, aus dem sich die unver- tzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen owie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaat- chkeit als universelle Werte entwickelt haben, die erbesserte Definition des Subsidiaritätsprinzips, die Ein- eziehung der nationalen Parlamente in den Gesetzge- ungsprozess durch das so genannte Frühwarnsystem, ie Möglichkeit einer Klage durch die nationalen Parla- ente bei der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips, die inführung der so genannten doppelten Mehrheit, durch ie eine stärkere Gewichtung der Bevölkerungsgröße der änder gewährleistet wird, das Verbot, aus Zielbestim- ungen Handlungsermächtigungen abzuleiten, eine ver- esserte Abgrenzung der Kompetenzen, die Anerken- ung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich er Daseinsvorsorge sowie durch das Gebot der Berück- ichtigung des Ergebnisses der Europawahlen bei der estimmung des Kommissionspräsidenten durch das Eu- opäische Parlament. Eine Ablehnung des Vertrages be- eutet, dass auch die vorgesehenen Verbesserungen nicht irksam werden können. Nach reiflichen Überlegungen bin ich zu dem Ent- chluss gekommen, dass trotz der erheblichen Bedenken 16510 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) die Vorteile des Gesetzentwurfs die Nachteile aufwie- gen, und stimme deshalb für den Gesetzentwurf. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa, Drucksache 15/4900, kann ich nach Abwägung der Vor- und Nach- teile aus folgenden Gründen nicht zustimmen: Die Entscheidung über eine Verfassung für Europa ist die grundlegendste aller politischen Entscheidungen. In einer Verfassung verständigen sich die Bürgerinnen und Bürger über Inhalt, Grenzen, Organisation, Ausgestal- tung und Verteilung politischer Macht. Deshalb ist eine Verfassung ohne die ausdrückliche Zustimmung des Vol- kes grundsätzlich nicht ausreichend legitimiert. Zwar ist nach überwiegender Meinung der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ keine echte Verfassung im Sinne des Art. 146 GG, die eine Volksabstimmung zwingend erforderlich machen würde. Der Verfassungsvertrag ent- hält aber einen grundsätzlichen Vorrang vor nationalem Recht – Art I-6: „Die Verfassung und das von den Orga- nen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Rechte haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ – und greift in die kommu- nale Daseinsvorsorge ein. Deshalb wäre es zumindest politisch klug gewesen, einen Volksentscheid über den Verfassungsvertrag herbeizuführen. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger ein echtes Mit- wirkungsrecht haben, wird es gelingen, sie auf dem wei- teren Integrationsprozess mitzunehmen und sie von der europäischen Idee zu überzeugen. Augenblicklich findet in Deutschland aus vielerlei Gründen ein bedauerlicher Entfremdungsprozess gegenüber Europa statt, den wir mit solchen Abstimmungen „quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ noch befördern. Europa darf nicht nur auf Regierungskonferenzen stattfinden, sondern die Po- litik muss die Menschen vor Ort von Europa überzeu- gen. In diesem Sinn ist der fehlende Volksentscheid lei- der eine verpasste Chance. Die Abhaltung eines Volksentscheides zur Einführung einer Europäischen Verfassung auch in Deutschland würde den Gleichklang mit den anderen europäischen Staaten herbeiführen. Denn nach derzeitigem Stand sol- len in Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Polen, Portugal und Spanien Volksentscheide durchgeführt werden. Ledig- lich in Deutschland, Malta und Zypern wird es keine Volksentscheide geben. In den restlichen Staaten ist die Frage bisher ungeklärt. Warum gehen wir in Deutsch- land einen anderen Weg als alle anderen großen europäi- schen Staaten, warum gehen wir diesen deutschen Son- derweg? Keinesfalls befürworte ich generell Volksentscheide auf Bundesebene, wohl aber hier in dem Sonderfall der Einführung einer Europäischen Verfassung. Die wesent- lichen Argumente, die allgemein gegen eine Volksab- stimmung auf Bundesebene sprechen, treffen hier gerade nicht zu. g V g C w D h g t v l D f z d e w s G V s h t D V E n n d t K E g r i z (C (D Jürgen Koppelin (FDP): Nach meiner Überzeu- ung muss die Europäische Verfassung vor allem eine erfassung der Bürger sein. Nun jedoch bleiben die Bür- er in Deutschland außen vor. So wird eine große hance verspielt. Aufgrund des fehlenden Referendums, ie es in Frankreich stattfinden wird, werden in eutschland die Bürger nur unzureichend über die In- alte der EU-Verfassung informiert. Die Fragen und Sor- en der Menschen werden nicht ausreichend berücksich- igt. Dieser wichtige Schritt auf dem Weg zu einem ereinten Europa wird nicht gegangen. Im Zusammenhang mit der Verfassung ist in Deutsch- and eine breite gesellschaftliche Diskussion überfällig. abei sollten Fragen über die Zukunft der EU, ihrer Ver- assung und der zukünftigen Erweiterung umfassend wischen allen gesellschaftlichen Ebenen diskutiert wer- en. Ängste und Bedenken der Bürger können nicht rnst genug genommen werden. Ihnen muss begegnet erden, um diese abzubauen und die EU für die Zukunft tark zu machen. Trotz Bedenken gegen Teilbereiche werde ich dem esetz zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine erfassung für Europa zustimmen. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ich trete leiden- chaftlich für das europäische Einigungswerk ein und abe seit meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundes- ag im Jahr 1990 allen europarechtlichen Regelungen im eutschen Bundestag zugestimmt. Dem Gesetz zu dem ertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für uropa kann ich jedoch aus nachfolgenden Gründen icht zustimmen. Erstens. Im Europäischen Verfassungsvertrag fehlt icht nur der Gottesbezug, sondern auch die Benennung es christlichen Erbes. Ich zitiere den Schriftsteller Mar- in Mosebach: Anrufung Gottes in der Verfassung bedeutet das Bekenntnis, dass der Staat das Recht nicht erschaf- fen kann, sondern nur zu seinem Schutz berufen ist, ja, seine Legitimität nur so lange besitzt, wie er das von ihm nicht selbst geschaffene Recht schätzt! Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, arl Kardinal Lehmann, und der Ratsvorsitzende der vangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolf- ang Huber, haben eindringlich an die Staatsmänner Eu- opas und damit auch an die Bundesregierung appelliert, n den Europäischen Verfassungsvertrag einen Gottesbe- ug aufzunehmen: Ein solcher Gottesbezug macht deutlich, dass nicht der Mensch der letzte Maßstab für den Menschen ist. Er erinnert daran, dass menschliches Handeln immer begrenzt und vorläufig ist; deshalb darf sich kein Mensch eine absolute Macht anmaßen. Der Gottesbezug hält das Bewusstsein für die Endlich- keit und Unvollkommenheit alles menschlichen Handelns wach und bewahrt davor, menschliche Ordnung absolut zu setzen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16511 (A) ) (B) ) Auch der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat in dem Text „Ecclesia in Europa“ an die Staats- und Regie- rungschefs appelliert, im Europäischen Verfassungsver- trag einen Bezug auf das jüdisch-christliche Erbe deut- lich werden zu lassen. Papst Benedikt XVI. hat den Verzicht auf den Gottesbezug in der Präambel der Euro- päischen Verfassung als bedenkliches Signal gewertet. Eine Gesellschaft, deren politische Repräsentanten sich weigern, eine transzendente Instanz über sich anzuer- kennen, drohe ihre eigene Fehlbarkeit aus dem Blick zu verlieren und werde anfällig für ideologische Surrogate. In ihrem Antrag vom 14. Oktober 2003, Bundestags- drucksache 15/1695, hat sich die CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion für die Aufnahme eines Gottesbezuges in den Europäischen Verfassungsvertrag ausgesprochen und folgende Formulierung vorgeschlagenen: In dem Bewusstsein der Verantwortung vor Gott, den Menschen und dem, was Europa seinem geis- tig-religiösen Erbe schuldet, gründet sich die Union auf die unteilbaren universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Zweitens. In einer Entscheidung zum Maastrichter Vertrag aus dem Jahre 1993 hat das Bundesverfassungs- gericht festgestellt: Nimmt ein Verbund demokratischer Staaten hoheit- liche Aufgaben wahr und übt dazu hoheitliche Be- fugnisse aus, sind es zuvörderst die Staatsvölker der Mitgliedstaaten, die dies über die nationalen Parla- mente demokratisch zu legitimieren haben. Mithin erfolgt demokratische Legitimation durch die Rückkopplung des Handelns europäischer Organe an die Parlamente der Mitgliedstaaten. Ich sehe durch den Europäischen Verfassungsvertrag die demokratische Legitimation durch die Rückkopp- lung des Handelns der europäischen Organe an die Par- lamente der Mitgliedstaaten kaum mehr gegeben. Ich teile die Einschätzung von über 100 Universitätslehrern und Wissenschaftlern, die in ihrem Aufruf zur Ableh- nung des Europäischen Verfassungsvertrages vom März 2005 Folgendes festgestellt haben: Die vorgeschlagene Verfassung hätte zur Folge, dass die politischen Entscheidungen immer häufi- ger fernab von den Bürgern getroffen würden. An- statt die Tätigkeit der Europäischen Union auf die- jenigen Ziele zu konzentrieren, die sie besser als andere erreichen kann, würde diese Verfassung die europäischen Institutionen in die Lage versetzen, die Mitgliedstaaten und – in den Bundesstaaten – ihre Länder auf immer mehr Feldern zu verdrängen. … Die Verfassung würde es den europäischen Insti- tutionen ermöglichen, das dichte Netz der staatli- chen Regulierung noch enger zu knüpfen. Die Wett- bewerbsfähigkeit Europas in der Weltwirtschaft würde da-runter leiden. Die europäische Wirtschaft braucht Deregulierung, nicht noch mehr staatliche Vorschriften. Drittens. Der Europäische Verfassungsvertrag ist so- wohl von seiner rechtlichen und politischen Bedeutung a B g s m B 2 w S d s f f z B U 2 m k n w k d s D g M s c g v d S (C (D ls auch von seiner Ausrichtung auf die Bürgerinnen und ürger nicht mit den bisherigen Verträgen der EU/EG leichzusetzen. Ich teile die Auffassung namhafter deut- cher Verfassungsrechtslehrer, dass es daher der Legiti- ation des Verfassungstextes durch die Bürgerinnen und ürger bedarf. Wörtlich heißt es in dem Aufruf vom 6. April 2004: Es entspricht der europäischen Rechtstradition und dem Prinzip der Volkssouveränität, dass im Verfas- sungsgebungsprozess das Volk als Pouvoir Consti- tuant auftritt. In der Praxis wird deshalb entweder die verfassungsgebende Versammlung direkt vom Volk gewählt oder die Verfassung in einem Volks- entscheid direkt vom Volk beschlossen. Diese Vor- stellung liegt auch dem Grundgesetz zugrunde (Prä- ambel sowie Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 146). Viertens. Professor Dr. Peter M. Huber von der Lud- ig-Maximilians-Universität München hat in seiner tellungnahme für die 66. Sitzung des Ausschusses für ie Angelegenheiten der Europäischen Union des Deut- chen Bundestages am 16. März 2005 Folgendes ausge- ührt: Da die Europäische Verfassung zu einer weiteren Entmachtung der Mitgliedstaaten und damit auch zu einer weiteren Stärkung der im Rat vertretenen Regierungen führen wird, ist es auch aus dem Blickwinkel des deutschen Verfassungsrechts drin- gend geboten, den Einfluss des Deutschen Bundes- tags auf die Rechtsetzung in der Europäischen Union durch innerstaatliche Vorkehrungen auszu- bauen und spürbar zu erweitern. Das bisher in Art. 23 Abs. 2 und 3 Grundgesetz geregelte Verfah- ren hat nicht ausgereicht, um die kontinuierliche Entmachtung des Parlaments zu verhindern oder auch nur zu verlangsamen. Das ist ein verfassungs- rechtliches Problem ersten Ranges. Es rührt an die Grundfesten unserer staatlichen Ordnung. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diesem ver- assungsrechtlichen Problem durch den Gesetzentwurf ur Ausweitung des Mitwirkungsrechts des Deutschen undestages in Angelegenheiten der Europäischen nion, Bundestagsdrucksache 15/4716 vom 25. Januar 005, zu begegnen versucht, der jedoch in der Abstim- ung des Deutschen Bundestages am 12. Mai 2005 eine Mehrheit findet. Fünftens. Die Abkehr vom Einstimmigkeitserforder- is in den Bereichen der Asyl-, Flüchtlings- und Ein- anderungspolitik ist wegen der gravierenden Auswir- ungen, die derartige Entscheidungen gerade auch auf ie Bundesrepublik Deutschland haben können, nicht achgerecht. Insbesondere der Arbeitsmarktzugang von rittstaatsangehörigen betrifft eine grundsätzliche inte- rationspolitische Entscheidung des jeweils betroffenen itgliedstaates. Dass der Verfassungsvertrag die Ent- cheidung über die Anzahl zuzulassender wirtschaftli- her Zuwanderer zum Zwecke der Arbeitsuche als An- elegenheit des Mitgliedstaates ansieht, wird nicht erhindern, dass es bereits jetzt, also vor In-Kraft-Treten es Vertrages, massive Aktivitäten zur Entwicklung von trategien gibt, Wirtschaftsmigration in die nationalen 16512 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Märkte zu fördern und zuzulassen, siehe Grünbuch über ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigra- tion vom 11. Januar 2005. Sechstens. Der langjährige Verfassungsrichter und Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Hans Hugo Klein hat empfohlen, dem Vertragswerk eine Entschließung beizu- fügen, mit der der Deutsche Bundestag grundgesetzkon- forme Interpretationshilfen für den Verfassungsvertrag vorgibt und hat sich dabei auf das Beispiel des Deutsch- Französischen Freundschaftsvertrages von 1963 bezo- gen, als der Deutsche Bundestag den Vertrag zwar ratifi- zierte, Bedenken aber in einer Präambel zum Ratifika- tionsgesetz Ausdruck verlieh. Eine solche Entschließung fehlt dem Ratifizierungsgesetz für den Europäischen Verfassungsvertrag. Ich begrüße daher ausdrücklich die Verfassungsbeschwerde des Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler, die dieser nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages und des deutschen Bundes- rates zum Europäischen Verfassungsvertrag einlegen wird und erwarte mir davon die notwendige verfassungs- rechtliche Klarstellung zum Europäischen Verfassungs- vertrag. Die größte Gefahr für das europäische Einigungswerk sehe ich in einer Selbstüberforderung Europas und der Überforderung der Bürger Europas durch falsche euro- parechtliche und -politische Weichenstellungen, wie sie zum Beispiel durch die vorschnelle Aufnahme von Ru- mänien und Bulgarien, aber auch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gegeben sind. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa stellt für mich keinen wirksamen Beitrag gegen die Gefahr der Selbst- überforderung Europas und die Überforderung seiner Bürger dar. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Die Euro- päische Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. Die Euro- päische Union steht seit knapp 50 Jahren für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Nach der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes und der Einführung des Euro wurde mit der Osterweiterung ein weiterer dynami- scher Schritt in der Entwicklung der Europäischen Union vollzogen. Entscheidend ist, insbesondere auch im Verständnis der Bürger, dass die Europäische Union kein Staat ist und sich auch in Zukunft auf Nationalstaa- ten aufbauen wird. Der Verfassungsvertrag stellt trotz al- ler Defizite einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem derzeitigen Nizza-Vertrag dar. Der Verfassungsvertrag vereinigt den EG-Vertrag und den EU-Vertrag, integriert die Grundrechte-Charta, überwindet die alte 3-Säulen- Struktur und schafft eine einheitliche vertragliche Grundlage für die Europäische Union. Als positiv ist herauszustellen, dass es im EU-Verfas- sungsvertrag gelungen ist, die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken, indem weit reichende Reformen im insti- tutionellen Bereich – Einführung der doppelten Mehr- heit, Schaffung eines Präsidenten, eines europäischen Rates und eines europäischen Außenministers sowie deutliche Ausdehnung der qualifizierten Mehrheit – vor- genommen werden. Gerade die Einführung der doppel- t p g s w n w B s s s H d w z a p H g h b r W h S J r f t R B E d g m v R d t E u d d T l z t g v h Z (C (D en Mehrheit erhöht das Gewicht Deutschlands im euro- äischen Abstimmungsprozess. Trotz aller Vorzüge des EU-Verfassungsvertrages ge- enüber dem Vertrag von Nizza weist der EU-Verfas- ungsvertrag einige erhebliche Defizite auf und wird ichtigen europäischen Anliegen aus deutscher Sicht icht gerecht. So fehlt in der Präambel der wichtige Hin- eis auf das christlich-jüdische Erbe Europas und der ezug auf die Verantwortung vor Gott. Dies wider- pricht wohl begründeten Forderungen aus dem politi- chen, gesellschaftlichen und kirchlichen Raum. Insbe- ondere vor dem Hintergrund, dass es zukünftig im inblick auf etwaige Erweiterungsbestrebungen der EU arum gehen muss, die Grenzen Europas zu definieren, äre es eminent wichtig gewesen, in der Präambel klar u stellen, woraus die EU ihre Wurzeln bezieht, nämlich us dem abendländisch-christlich-jüdischen Kulturgut. Der EU-Verfassungsvertrag schafft keine klare Kom- etenzabgrenzung innerhalb der EU. Er beschränkt das andeln der EU nicht auf die erforderlichen Kernauf- aben, sondern kommt vielmehr zu einer weiteren er- eblichen Kompetenzausweitung auch in Bereichen, die isher auf Ebenen der Mitgliedstaaten angesiedelt wa- en. Die Kompetenzausweitung betrifft zum Beispiel die irtschafts- und Währungspolitik, Sozial- und Gesund- eitspolitik, Energiepolitik, Raumfahrt, Zivilschutz, port, Daseinsvorsorge und nicht zuletzt die Innen- und ustizpolitik. Nicht zufriedenstellend ist es, dass die Bundesregie- ung nur teilweise der von der CDU/CSU-Bundestags- raktion geforderten Mitwirkung des Deutschen Bundes- ages bei der Rechtssetzung der Europäischen Union echnung getragen hat. Daher sollte grundsätzlich die undesregierung an Stellungnahmen des Bundestages in U-Angelegenheiten gebunden werden, was insbeson- ere vor der Aufnahme neuer EU-Beitrittsverhandlun- en und bei Vertragsänderungen gelten muss. Ferner uss die Bundesregierung für den Fall eines Übergangs on der Einstimmigkeit zur Mehrheitsentscheidung im at zunächst das Einvernehmen im Bundestag mit Zwei- rittelmehrheit herstellen. Kritisch zu sehen ist ebenfalls die erhebliche Auswei- ung der Mehrheitsentscheidung und die Abkehr vom instimmigkeitsprinzip in zahlreichen Politikbereichen. Nach reiflicher und intensiver Abwägung aller Vor- nd Nachteile werde ich trotz der schwerwiegenden Be- enken dem Vertragswerk zustimmen, fordere allerdings ie Bundesregierung ausdrücklich auf, nach In-Kraft- reten des Vertragswerks unverzüglich und nachdrück- ich auf Verbesserungen in den genannten Bereichen hin- uwirken. Maria Michalk (CDU/CSU): Ich habe heute dem Ra- ifizierungsgesetz zur europäischen Verfassung nach ründlicher Abwägung zugestimmt. Alle Abgeordneten sollten sich bei Abstimmungen so erhalten, als ob von ihnen allein die Entscheidung ab- inge. Deutschland darf auch im 60. Jahr des Endes des weiten Weltkrieges im Hinblick auf seine besondere Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16513 (A) ) (B) ) historische Verantwortung für den europäischen Frieden nicht den Eindruck erwecken, als stünde es nicht hinter der Einigung Europas, die uns Frieden und Sicherheit gebracht hat. Auch aus außenpolitischen Gründen soll nicht von Deutschland ein Nein zu dem Verfassungsver- trag ausgehen. Deutschland soll das Signal geben: Wir sagen Ja zu einem vereinten Europa, in dem die Völker und Volksgruppen ohne Furcht und Zwang leben kön- nen. Auch die Sorben, deren Interessenvertretung ich als eine besondere Aufgabe ansehe, haben diese Haltung zu Europa schon immer zum Ausdruck gebracht. Deutsche und Sorben leben seit mehr als 1 000 Jahren in der Lau- sitz zusammen und nutzen ihre Beziehungen vor allem zu den slawischen Nachbarn zur friedlichen Völkerver- ständigung. Gegenüber der jetzigen Europarechtslage nach Nizza führt der Verfassungsvertrag zu organisatorischen Ver- besserungen mit der künftigen Verkleinerung der Kom- mission nach dem Beitritt zusätzlicher EU-Mitgliedstaa- ten und schafft rechtliche Verbindlichkeit für die Grundrechte-Charta. Ich begrüße insbesondere die Ver- bindlichkeit der Unantastbarkeit der Menschenwürde, Art. II-61, das Verbot der Zwangsarbeit, Art. II-65, das Verbot von Vertreibungen, Art. II-79, und das Verbot der Diskriminierung wegen Zugehörigkeit zu einer nationa- len Minderheit, Art. II-81. Ich bedauere, dass es in Deutschland im Vorfeld der heutigen Abstimmung eine unzureichende öffentliche Diskussion gab. Daraus ergeben sich rechtliche Beden- ken. Art. 146 Grundgesetz könnte verletzt sein. Mit dem Zustimmungsgesetz wird faktisch eine neue Verfassung für Europa und in wesentlichen Teilen anstelle des Grundgesetzes geschaffen. Dass es sich nicht nur um ei- nen Verfassungsvertrag handelt, geht sowohl aus dem Wortlaut des Verfassungstextes – vergleiche Überschrift A. Erklärungen zu Bestimmungen der Verfassung, Bundes- tagsdrucksache 15/4900, Seite 189 – als auch aus der dem deutschem Zustimmungsgesetz beigegebenen Denkschrift der Bundesregierung – vergleiche C. Syste- matik des Vertragswerks: „Die Verfassung gliedert sich in vier Teile“ – hervor. Auch die Entstehungsgeschichte zeigt, dass eine Verfassung gewollt ist – so spricht der Auftrag des Rats von Laeken an den Konvent von „Ver- fassung für die europäischen Bürger“ – und dass aus Kompromissgründen am 28. Oktober 2002 vom Kon- ventspräsidium der Name „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“ gewählt wurde – vergleiche Deutscher Bundestag, eine Verfassung für Europa, Reihe „Zur Sache“ l/2003, Einleitung S. 33. Eine andere Ver- fassung müsste im Übrigen von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen werden. Ich bedauere dass die verhandlungsführende Bundes- regierung nicht erreicht hat, den Gottesbezug in der Prä- ambel zu verankern, eine stärkere Begrenzung der Kom- petenzen der EU durchzusetzen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft- und Sozialpolitik, die Daseins- vorsorge aus der Gesetzgebungskompetenz der EU he- rauszunehmen, einen eigenständigen Minderheiten- schutzartikel zu verankern und zu verhindern, dass der Europäische Rat beim mehrjährigen Finanzplan einstim- mig – ohne Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten – d k s V u B u v s R b z G s l z M v b a z s B d E D p W Z e p m k R h l r c w F k B G c g E m s g u g T E c (C (D en Übergang zur Mehrheitsentscheidung beschließen ann. Aus meiner Sicht ergeben sich unter anderem Verbes- erungen durch: die Zusammenführung der bisherigen erträge in einen wesentlich klarer strukturierten Vertrag nter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte; die erufung in der Präambel auf das kulturelle, religiöse nd humanistische Erbe Europas, aus dem sich die un- erletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Men- chen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und echtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt ha- en; die verbesserte Definition des Subsidiaritätsprin- ips; die Einbeziehung der nationalen Parlamente in den esetzgebungsprozess durch das so genannte Frühwarn- ystem; die Möglichkeit einer Klage durch die nationa- en Parlamente bei der Verletzung des Subsidiaritätsprin- ips; die Einführung der so genannten doppelten ehrheit, durch die eine stärkere Gewichtung der Be- ölkerungsgröße der Länder gewährleistet wird; das Ver- ot, aus Zielbestimmungen Handlungsermächtigungen bzuleiten; eine verbesserte Abgrenzung der Kompeten- en; die Anerkennung der Zuständigkeit der Mitglied- taaten im Bereich der Daseinsvorsorge; das Gebot der erücksichtigung des Ergebnisses der Europawahlen bei er Bestimmung des Kommissionspräsidenten durch das uropäische Parlament. Deshalb stimme ich dem Gesetz zu. Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Der dem eutschen Bundestag zur Ratifizierung vorgelegte Euro- äische Verfassungsvertrag ist ein wichtiger Schritt zur eiterentwicklung der Europäischen Integration. Die usammenfassung der Europäischen Verträge in einem inheitlichen Gesetzeswerk, die Verankerung der euro- äischen Grundrechte-Charta, die institutionellen Refor- en und nicht zuletzt die Regelungen zur Subsidiaritäts- ontrolle sind ein Fortschritt gegenüber dem jetzigen echtszustand. Ungeachtet dessen weist der Verfassungsentwurf er- ebliche Defizite auf. Wichtigen europapolitischen An- iegen aus deutscher Sicht wird der Vertrag nicht ge- echt. In der Präambel fehlen der Hinweis auf das hristliche Erbe Europas und der Bezug auf die Verant- ortung vor Gott. Dies widerspricht wohlbegründeten orderungen aus dem politischen, gesellschaftlichen und irchlichen Raum. Die Koordinierungskompetenzen im ereich der Wirtschaftspolitik weisen den Charakter von eneralklauseln auf. Dies widerspricht den ursprüngli- hen Forderungen im Verfassungsvertrag, eine klare Ab- renzung der Kompetenzen zwischen den Ebenen der U, der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen vorzuneh- en. In den Bereichen Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Ge- undheitspolitik, Industrie und Forschung sowie Ener- iepolitik sollen die Kompetenzen der EU ausgeweitet nd im Bereich der Daseinsvorsorge neue Kompetenzen eschaffen werden. Dies widerspricht den jahrelangen Bemühungen, den endenzen zu immer mehr Zentralisierung auf EU-Ebene inhalt zu gebieten und in der EU mehr Bürgernähe si- herzustellen. Offensichtlich war die Bundesregierung 16514 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) weder gewillt noch bereit, entsprechende Forderungen in die Vertragsverhandlungen einzubeziehen, um so ein be- friedigendes Verhandlungsergebnis herbeizuführen. Der Europäische Verfassungsvertrag schwächt die Po- sition des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenhei- ten. Um weitere Souveränitätsverluste zu verhindern, ist eine Stärkung der Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages erforderlich. Die CDU/CSU-Bundestags- fraktion hat entsprechende Gesetzesvorschläge auf Druck- sache 15/4716 eingebracht. Der Verfassungsentwurf, so wie er jetzt vorliegt, stellt allerdings im Vergleich zu den Verträgen von Nizza eine Verbesserung dar. Eine Ablehnung des EU-Verfassungs- vertrages würde eine Schwächung der gesamten Euro- päischen Union darstellen und den Erfordernissen von Stabilität und Zuverlässigkeit widersprechen. Aus die- sem Grund werde ich trotz der vorhandenen Mängel dem Vertragswerk zustimmen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Der dem Deut- schen Bundestag zur Ratifizierung vorliegende Verfas- sungsvertrag bleibt erheblich hinter meiner persönlichen politischen Erwartung an eine Europäische Verfassung zurück. Dies liegt in erster Linie an der Verhandlungs- führung der Bundesregierung, in zweiter Linie aber auch am mangelnden Gestaltungswillen eines Teiles der CDU/CSU-Fraktion, Die Enttäuschung über vergebene Chancen rechtfertigt allerdings in summa nur bedingt eine Ablehnung des zu ratifizierenden Vertrages. Der Europäische Konvent und die Regierungskonfe- renz hatten entsprechend des Gipfels von Laecken insbe- sondere den Auftrag, eine klare und an den Zielen der EU orientierte Kompetenzordnung zu schaffen, die Kompetenzen der EU zu begrenzen und auf Kernberei- che zurückzuführen. Dies ist nicht gelungen. Damit wird nach meiner Überzeugung eine historische Chance ver- tan. Im Bereich der geteilten Zuständigkeiten und ergän- zenden Maßnahmen sind die Kompetenzen nach wie vor nicht abgegrenzt. Die Zentralisierungsdynamik der EU bleibt ungebrochen. Explizit ist zu bedauern, dass entgegen dieser drin- gend gebotenen Absicht neben den Koordinierungskom- petenzen in der Wirtschaftspolitik die offene Methode der Koordinierung in den Bereichen Sozialpolitik/Ar- beitsrecht, Gesundheitspolitik, Industrie und Forschung verankert wurde, der Zugang von Staatsangehörigen aus Drittstaaten zum Arbeitsmarkt nur eingeschränkt in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten verbleibt, für die Daseinsvorsorge eine neue Gesetzgebungskompetenz geschaffen werden soll, weitere neue bzw. erweiterte Kompetenzen in den Bereichen Energie, Raumordnung, Zivilschutz, Sport, Verwaltungsförderung, Tourismus und Gesundheit auf die EU übertragen werden sollen, obwohl die Aufgaben ausreichend von den Mitglieds- staaten erledigt werden könnten, die Kompetenzen von Europol, Eurojust, der Europäischen Staatsanwaltschaft sowie die Harmonisierung strafrechtlicher Normen wei- ter gehen als erforderlich, die Anwendung der Binnen- marktklausel nicht auf die Maßnahmen beschränkt wird, die primär und unmittelbar dem Funktionieren des Bin- n d d a t h S t F a p e v m t n B d s r a a W C a E d d b s s r s ß d g v S v d l r d K p n t d z l m D T r (C (D enmarktes dienen und die Flexibilitätsklausel zwar in er Einstimmigkeit verbleibt, aber in ihrem Anwen- ungsbereich erheblich über den Binnenmarkt hinaus usgeweitet wird. Die zusätzliche Kompetenzauswei- ung wird in Verbindung mit der unüberlegten und über- asteten Erweiterungspolitik in Zukunft zu erheblichen chwierigkeiten und einer weiter abnehmenden Akzep- anz europäischer Politik führen. Es gelingt nicht, diese ehlentwicklungen zu korrigieren. Unter anderem werden mit der Flexibilitätsklausel lte Fehler fortgeschrieben und trotz umfassender Kom- etenzübertragungen weitere Einfallstore für eine uropäische Zentralisierung offengehalten, wobei nicht erkannt wird, daß andere, wie zum Beispiel. die „allge- einen Zielformulierungen“, beseitigt werden. Die Aufnahme eines expliziten Gottesbezuges schei- erte an der laizistischen Position anderer Staaten und ei- er nicht verstandenen Bedeutung der ausdrücklichen ezugnahme. Der bewusste Verzicht hierauf entwertet ie Grundrechte-Charta in entscheidendem Maße. Es teht zu befürchten, dass dies Auswirkungen auf die eu- opäische Rechtsetzung vom Abtreibungsrecht bis zur ktiven Sterbehilfe haben kann. Wäre das Christentum ls wesentliche geistige Grundlage der europäischen ertegemeinschaft genannt worden, hätte sich die hance ergeben, hieraus Grenzen der EU-Erweiterung bzuleiten. Fraglich bleibt aus meiner Sicht die Vereinbarkeit der uropäischen Verfassung und ihrer Ratifizierung mit em Deutschen Grundgesetz. In diesen Kontext gehört ie wohl erst anhand der Verfassungswirklichkeit zu eantwortende Frage, ob dem Deutschen Bundestag sub- tantielle Rechte verbleiben, wie vom Bundesverfas- ungsgericht im Maastricht-Urteil gefordert. Dies zu klä- en, obliegt dem Bundesverfassungsgericht. Im institutioneilen Bereich werden Defizite aus deut- cher Sicht teilweise fortgeschrieben, teilweise vergrö- ert. Zu nennen sind zum Beispiel die Ungleichheit bei en Wahlen zum Europäischen Parlament durch eine de- ressiv proportionale parlamentarische Vertretung, die on der Bundesregierung akzeptierte Reduzierung der itzzahl für Deutschland im Europäischen Parlament on 99 auf 96 und damit die weitere Verschlechterung es Stimmwertes für Deutschland bei den Europawah- en, der im Rahmen der gleichberechtigten Rotation pe- iodenweise erfolgende Ausschluss Deutschlands aus er Kommission und eine Überdimensionierung der ommission, die erst in neun Jahren geringfügig ange- asst wird. Mir liegt daran, zu betonen, dass ich kein Europageg- er bin. Im Gegenteil: Es geht darum, politisch alles zu un, um die Idee Europas zu befördern. Wichtig ist dabei, ie Bürgerinnen und Bürger wieder demokratisch „mit- unehmen“. Dass das derzeit nicht gelingt, wurde an vie- en Beispielen der letzten Wochen – von der Antidiskri- inierungs- über die Feinstaubdiskussion bis zur ienstleistungsrichtlinie – nachdrücklich deutlich. Diese hemen wurden erst zu einem Zeitpunkt parlamenta- isch aufgearbeitet und öffentlich debattiert, als eine Ein- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16515 (A) ) (B) ) flussnahme nicht mehr oder nur noch bedingt möglich war. Entsprechend sind die Anstrengungen derjenigen aus- drücklich zu würdigen, die eine geeignete Parlamentsbe- teiligung mindestens einfachgesetzlich festzuschreiben suchen. Hier wurden in letzter Minute Fortschritte er- reicht, die tatsächlich den Status quo verbessern, wenn- gleich sie hinter den Forderungen der CDU/CSU auf Drucksache 15/4716 zurückbleiben. Auch dass der Ministerrat künftig öffentlich tagt, lässt eine transparen- tere, öffentlich kontrollierte Entscheidungsfindung er- warten. Im Vertrauen auf die ausdrückliche Zusicherung der Parteivorsitzenden Dr. Angela Merkel und Dr. Edmund Stoiber, dass die Bedeutung des Deutschen Bundestages nach einem Regierungswechsel gesetzlich wie auch in der praktischen Arbeit gestärkt wird, im Vertrauen da- rauf, dass der Deutsche Bundestag seine Kontrollrechte wahrnimmt, stimme ich trotz oben dargelegter Kritik dem Verfassungsvertrag aus folgenden Gründen zu: Die Bundesregierung ist den Unionsforderungen zur künftigen Beteiligung des Deutschen Bundestages in Teilen entgegenkommen, was kurz vor Ratifizierung ei- nen entscheidenden Kritikpunkt zwar nicht vollständig beseitigt, aber zumindest abschwächt. Der Verfassungs- vertrag ist kein entscheidender Fortschritt, aber auch kein Rückschritt gegenüber dem Vertragswerk von Nizza. Die bloße Enttäuschung über mangelnde Veränderungen reicht als Ablehnungsgrund nicht aus. Gleichzeitig ist zu akzeptieren, dass es sich bei der Ratifizierungsentschei- dung nicht um eine Gewissensentscheidung handelt. Die mit einer Ablehnung des Europäischen Verfassungsver- trages verbundene ungerechtfertigte Diffamierung als Europagegner erschwert ein künftiges Mitwirken an der dringenden Verbesserung und Änderung europäischer Politik. Alles in allem gilt es künftig daran zu arbeiten, dass europäische Rechtssetzung unter demokratisch-parla- mentarischer Kontrolle erfolgt und ein Europa der Bür- ger statt der Bürokraten entsteht. Dass der Verfassungs- vertrag keine Aussagen zur Finalität der Europäischen Union trifft und deren Grenzen nicht absteckt, belegt, dass noch weitere gravierende europapolitische Ent- scheidungen zu treffen sind. Die Entwicklung Europas und dieses Verfassungsvertrages, den man maximal als Zusammenfassung bestehender Verträge verstehen kann, ist noch nicht abgeschlossen. Klaus Riegert (CDU/CSU): Meine Zustimmung zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa ver- binde ich mit der Forderung nach einer grundgesetzkon- formen Auslegung der EU-Verfassung. Dies gilt insbe- sondere für den Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes, der die besondere Verantwortung aller Staatsgewalt anspricht. Die Werte der Europäischen Union umfassen die Wertvorstellungen derjenigen, die an Gott als die Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und des Schönen glauben, als auch derjenigen, die d W r Ü s r d M i H B p z f m G G d R w l s s l ü s s n w s V s m k s u R b s E s A H w t s b s a K c t (C (D iesen Glauben nicht teilen, sondern diese universellen erte aus anderen Quellen ableiten. Des Weiteren gilt dies insbesondere für das Subsidia- itätsprinzip. Die im Verfassungsvertrag vorgesehene bertragung weiterer Zuständigkeiten von den Mitglied- taaten auf die Europäische Ebene dürfen nicht dazu füh- en, grundgesetzlich garantierte Befugnisse des Bundes, er Bundesländer und der Gemeinden auszuhebeln. Die itwirkung des Bundestages in Europaangelegenheiten st sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht ist in Deutschland der üter der Verfassung und damit Hüter des Rechts. Das undesverfassungsgericht hat in Urteilen die Struktur- rinzipien des Grundgesetzes, das demokratische Prin- ip, das Rechtsstaatsprinzip, das Sozialprinzip sowie das öderalistische Prinzip als Grenze der Europäischen Ge- einschaftsgewalt herausgestellt. Im Maastricht-Urteil hat es gemäß Art. 23 Abs. l Satz l G das Subsidiaritätsprinzip und insbesondere den rundrechtsstandard hinzugefügt, aber auch das Prinzip er begrenzten Ermächtigung hervorgehoben, die die echtsakte der Gemeinschaft respektieren müssten, enn sie in Deutschland angewandt werden können sol- en. Das höchste deutsche Gericht verantwortet die prakti- che Vernunft in Deutschland, die Sittlichkeit der deut- chen Politik und damit die Republikanität Deutsch- ands. Diese Verantwortung hat ihm das Grundgesetz bertragen. Sie besteht auch gegenüber der Europäi- chen Union und deren Gemeinschaften. Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Ich timme dem Verfassungsvertrag zu, obwohl ich einzel- en Grundsätzen und Detailregelungen des Vertrags- erks schwere Bedenken entgegenbringe. In der Ge- amtbetrachtung bringt das Vertragswerk jedoch mehr or- als Nachteile gegenüber der bestehenden europäi- chen Rechtsordnung mit sich. In den Grundsätzen des Verfassungsvertrags ist zu be- ängeln, dass die Europäische Union auch weiterhin eine vernünftige und klare Kompetenzordnung vorwei- en kann. Der schleichenden Kompetenzübertragung nd Zentralisierung konnte insofern kein eindeutiger iegel vorgeschoben werden. In ihren jeweiligen Le- ensbereichen erfahren viele Bürger und politische Ent- cheidungsträger auf lokaler, regionaler und nationaler bene eine Teilentmachtung durch den „Moloch Brüs- el“, der in dramatischer Art und Weise immer mehr ufgaben an sich zieht. Eine solche Beschränkung der andlungsfähigkeit auf unteren politischen Ebenen ist eder effizient noch gerechtfertigt. Diese Feststellung rifft auch auf einzelne Detailregelungen des Verfas- ungsvertrags zu. In den Bereichen Sozialpolitik, Ar- eitsrecht, Gesundheitspolitik, Industrie und Forschung owie Energiepolitik sollen die Kompetenzen der EU usgeweitet und im Bereich der Daseinsvorsorge neue ompetenzen geschaffen werden. Vor allem das Fehlen eines Hinweises auf das christli- he Erbe Europas und eines Bezuges auf die Verantwor- ung vor Gott zeigen mir, dass die Europäische Union 16516 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) kein einheitliches Staatswesen im Sinne eines Bundes- staates sein kann. Es wurde deutlich, dass die verschie- denen Staatstraditionen der EU-Mitgliedstaaten zum Teil in fundamentalen Grundsätzen divergieren. Insofern ist es in meinen Augen von großer Bedeutung, dass der Ver- fassungsvertrag keine neue eigenstaatliche Ordnung be- gründet. Es ist ein Vertrag und keine Verfassung! Die Mitgliedstaaten bleiben Herren der Verträge. Dieser Grundsatz ist im vorliegenden Vertragswerk explizit ver- ankert. Der Verfassungsvertrag stellt eine Verbesserung ge- genüber dem Vertrag von Nizza dar, der von der rot-grü- nen Bundesregierung unter der Führung von Bundes- kanzler Schröder und Bundesaußenminister Fischer äußerst schlecht verhandelt worden ist. Zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Integration ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung explizit im Vertragsrecht verankert. Auch das Prinzip der Subsidia- rität wird zum ersten Mal durch ein Verfahren konkreti- siert, dessen Tauglichkeit sich allerdings noch erweisen muss. Die Demokratisierung der Europäischen Union konnte vorangetrieben werden, indem die Mitwirkungs- rechte des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages im Verfassungsvertrag und im Begleitge- setz eine entscheidende Ausweitung erfahren. Vor allem dieser Punkt musste der Bundesregierung von der CDU/ CSU in langen Verhandlungen abgetrotzt werden und stellt insofern einen wesentlichen Beitrag der Unionspar- teien zum Vertragswerk dar. Obwohl es eigentlich an der Zeit wäre, den Zentrali- sierungstendenzen in der Europäischen Union einen Rie- gel vorzuschieben, stimme ich dem Europäischen Ver- fassungsvertrag zu. Es gibt derzeit kein erkennbares realistisches Szenario, im Falle eines Scheiterns des Ver- fassungsvertrags ein besseres Ergebnis auszuhandeln. Ein Scheitern des Verfassungsvertrags hätte nach aller Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass eine auf nunmehr 25 und bald mehr Mitgliedstaaten erweiterte Union noch schwieriger einen Reformkompromiss finden kann. Es war grob fahrlässig von Seiten der rot-grünen Bundesre- gierung, den Prozess der Erweiterung voranzutreiben und abzuschließen, ohne zuvor für die institutionelle Re- form der Union gesorgt zu haben. Für die nächsten Jahre stehen große Aufgaben vor uns: Zum einen muss eine saubere Klärung der Kompetenzen erfolgen, um ein handlungsfähiges Europa aufrechtzuerhalten, wobei auch eine Rückführung von Kompetenzen vonnöten ist. Zum anderen bedarf endlich die Finalität Europas einer Klärung. Dr. Hermann Scheer (SPD): Als überzeugter Ver- fechter der politischen Integration Europas hin zu einem europäischen Verfassungsstaat auf föderativer Grund- lage enthalte ich mich bei der Abstimmung zu dem „Ver- trag über eine Verfassung für Europa“ der Stimme. Da- mit will ich zum Ausdruck bringen, dass ich für eine Verfassung der Europäischen Union bin, aber mit dem vorliegenden Vertragstext aus zwei prinzipiellen Punk- ten nicht einverstanden sein kann, weil ich darin mehr eine Beeinträchtigung als eine Förderung des demokrati- schen Integrationsprozesses sehe. m d t e i r e j d V m b m d r g e t e e f t p d d e s d A g b d b d a n n a r m a w l a t n g d s p g (C (D Der Philosoph Otfried Höffe hat in seinem Werk „De- okratie im Zeitalter der Globalisierung“ ein denkwür- iges Leitmotiv zum Prozess der Herausbildung transna- ionaler politischer Institutionen formuliert, das ich als lementar betrachte und vollinhaltlich teile: Weder darf die einzelstaatliche Demokratie bei der Bildung einer großregionalen Union, noch darf de- ren demokratisches Niveau bei der Bildung der Weltrepublik gefährdet werden! Der demokratische, gewaltengeteilte Verfassungsstaat st der bedeutendste und erhaltensbedürftigste zivilisato- ische Fortschritt der Geschichte. Dafür sprechen sowohl thische Gründe wie auch solche der Zukunftssicherung edweden Gemeinwesens. Die ethischen Gründe sind ie, dass allein ein gewaltengeteilter demokratischer erfassungsstaat gewährleistet, Freiheitsrechte und Ge- einwohlorientierung immer wieder erneut in Einklang ringen zu können. Die Zukunftssicherung eines Ge- einwesens hängt entscheidend davon ab, dass dieses auerhaft lernfähig bleibt und zu laufenden Selbstkor- ekturen in der Lage ist. Dies kann allein eine gewalten- eteilte Demokratie gewährleisten. Nur diese ermöglicht ine dauerhafte Funktionsfähigkeit und damit Legitimi- ät politischer Institutionen sowie die Aufrechterhaltung ines gesellschaftlichen Grundkonsenses. Erstens. Vor diesem Hintergrund betrachte ich es als inen gravierenden Mangel des „Vertrags über eine Ver- assung für Europa“, dass nach wie vor das alleinige Ini- iativrecht für Richtlinien – künftig: Gesetze – der Euro- äischen Union bei der EU-Kommission verbleibt und em Europaparlament vorenthalten bleibt. Damit erhält as Europaparlament nicht den konstitutionellen Rang iner Legislative. Es bleibt vor allem dadurch bei dem chwerwiegenden Mangel an demokratischer Legitimität er EU-Organe, der bereits die Verträge von Maastricht, msterdam und Nizza charakterisiert. Ich erkenne zwar an, dass der Verfassungsvertrag ge- enüber den bisherigen Verträgen eine Reihe von Ver- esserungen der Entscheidungsverfahren enthält. Aber er Verfassungsvertrag ist ein qualitativ neuer Schritt. Er eansprucht explizit eine höhere Legitimationskraft als ie bisherigen Verträge. Er wird schwerer zu ändern sein ls diese. Umso schwerwiegender ist deshalb, dass den- och das Prinzip der demokratischen Gewaltenteilung icht unumstößlich verankert, sondern de facto sogar usgehöhlt wird. Die Bedingung für den Beitritt zur Eu- opäischen Union ist, dass beitretende Länder eine de- okratische Verfassungsordnung haben. Wenn sich dies ber in dem Verfassungsvertrag nicht wieder findet, ob- ohl es mit diesem zu einer Ausweitung der ausschließ- ichen Zuständigkeiten der EU-Organe – und damit vor llem der Kommission – sowie des Katalogs der geteil- en Zuständigkeiten – und damit potenziell einer konti- uierlichen Zentralisierung der Gesetzgebung – kommt, ibt es kein adäquates demokratisches Substitut für den amit einhergehenden Kompetenzentzug der demokrati- chen Verfassungsorgane der Mitgliedsländer. Es geht nicht um die Frage Nationalstaat versus Euro- a, sondern um die Frage der Aufrechterhaltung eines rößtmöglichen Maßes an demokratischer Selbstverwal- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16517 (A) ) (B) ) tung überall in Europa versus unverhältnismäßiger poli- tischer Zentralisierung. Die wichtigste Aufgabe des Ver- fassungskonvents wäre es gewesen, den europäischen Integrationsprozess zu vertiefen bei gleichzeitiger Über- windung der Demokratielücke. Dies ist erneut nicht ge- lungen. Wie schwer wiegend das ist, zeigt sich daran, dass seit den 90er-Jahren die Europaskepsis in der euro- päischen Bevölkerung parallel zu dem Kompetenzzu- wachs der europäischen Institutionen gewachsen ist, wie unter anderem die zurückgehenden Wahlbeteiligungen an den Europawahlen zeigen. Die Gründe sehe ich in der Demokratielücke. Es ist zu einfach, alle Kritiker des Ver- tragsentwurfes „anti-europäisch“ und „pro-nationalis- tisch“ zu bewerten. Die Europäische Union braucht Ge- meinschaftskompetenzen, die sie noch nicht hat, gleichzeitig gibt es bereits Gemeinschaftskompetenzen, die auf die Ebene der Mitgliedstaaten zurückverlagert gehören. Der Vertrag für eine Verfassung behandelt nur Ersteres und nicht Letzteres. In ihm liegt die überall in der EU offenkundige Gefahr institutioneller Integration bei gleichzeitiger zivilgesellschaftlicher Desintegration in Bezug auf die europäische Gemeinschaftsidee. Zweitens. Der Verfassungsvertrag besagt in Art. I-3: Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern ei- nen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen und einen Binnen- markt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb. In Art. 1-4 („Grundfreiheiten und Nichtdiskriminie- rung“) heißt es an erster Stelle: Der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie der Niederlassungsfreiheit der Union werden innerhalb der Union und von der Union gemäß der Verfassung gewährleistet. Daraus ergibt sich für mich aus einer teleologischen Auslegung, dass der „unverfälschte Wettbewerb“, defi- niert als freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalver- kehr, auf eine Ebene mit menschlichen Freiheitsrechten bzw. menschlichen Grundrechten gestellt wird. Damit verpflichtet die Verfassung indirekt auf ein wirtschaftli- ches Ordnungsprinzip, das selbst für eine marktwirt- schaftliche Ordnung zu einseitig ist. Die Festlegung auf ein wirtschaftliches Ordnungs- prinzip – gleich, um welches es sich handelt – gehört in keine Verfassung. Sie legt allen politischen Institutionen Handlungsfesseln gegenüber einer flexiblen und prag- matischen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik an. Das Binnenmarktprinzip wird damit dogmatisiert und über- strapaziert. Zwar gibt es keinen diesbezüglichen Auto- matismus, weil jedes einzelne europäische Gesetz für sich verabschiedet wird. Aber die genannten Verfas- sungsgrundsätze geben dem europäischen Gesetzge- bungsprozess schon deshalb eine dogmatische Schlag- seite, weil sich der Europäische Gerichtshof in Streitfragen daran orientieren muss. Die Gefahr der Ver- absolutierung dieses Binnenmarktprinzips ergibt sich schon deshalb, weil mit diesen Grundsätzen nicht nur eine sektorale Zuständigkeit der EU-Organe gegeben ist, sondern eine funktionale, das heißt eine, mit der diese potenziell in allen wirtschaftlichen Fragen eine Rege- lu r g D d G d a G d tr V B ti B s n E d f E n g s n V m w r f g T n m s h h t f s z h e E u t M g z (C (D ngszuständigkeit beanspruchen kann – so wie es be- eits in der jüngeren Vergangenheit zunehmend der Fall ewesen ist, wie die Auseinandersetzungen über die ienstleistungsrichtlinie zeigen. Ich respektiere alle Voten für den Verfassungsvertrag, ie gleiche Bedenken haben, aber ihr dennoch aus einer esamtabwägung zu stimmen, weil sie glauben, dass iese beschriebenen Mängel auch mit diesem Vertrag ufhebbar sind. Ich habe Zweifel, dass das auf dieser rundlage gelingen kann. Mit meiner Enthaltung will ich verdeutlichen, dass iese beiden elementaren Mängel des Verfassungsver- ags unverzüglich geheilt werden müssen, damit die erfassung für Europa Bestand hat, in der europäischen evölkerung verankert werden und Europa demokra- sch funktionsfähig werden kann. Mein Kriterium der ewertung dieses Vertragsentwurfs ist kein nationales, ondern eines, das sich aus einem Grundverständnis ei- er demokratischen Verfassungsordnung ergibt, deren ssenzen allgemeine Gültigkeit haben sollten. Norbert Schindler (CDU/CSU): Wenn ich heute em Gesetzentwurf zum Vertrag über eine Verfassung ür Europa zustimme, geschieht das absolut ohne jede uphorie. Im vorliegenden Verfassungsvertrag stört mich nicht ur der fehlende Gottesbezug, den ich über alles bemän- eln möchte, da damit das christliche Erbe unserer Ge- ellschaften in Europa unter den Tisch gekehrt, wenn icht gar negiert wird. Dabei räume ich ein, dass die EU- erfassung nicht an diesem Punkt scheitern sollte, be- ängle jedoch den Einsatz der Protagonisten für die Er- ähnung Gottes in der Präambel. Auch bleibt zu kritisieren, dass diese Bundesregie- ung sowohl beim Vertrag von Nizza als auch beim Ver- assungsvertrag die Interessen unseres Landes nicht sehr ut vertreten hat. Dies wissen alle, die sich mit diesem hema intensiv auseinander gesetzt haben; für uns bleibt ur als Trost, dass ein sehr schlechter Vertrag von Nizza it dem vorliegenden besser gemacht werden soll. Wir sehen auch beinahe tagtäglich, wie schnell und chlampig der Beitritt der zehn neuen EU-Staaten ver- andelt wurde. Hier ist vor allem Herrn Verheugen über- aupt kein Lob auszusprechen, trotz aller Feierlichkei- en, die am 1. Mai 2004 inszeniert wurden. Als Beispiel ür negative Auswirkungen der legislativen Ad-hoc-Um- etzung dient die Dienstleistungsrichtlinie und die der- eitige Unterwanderung der Verträge, die eigentlich den eimischen Arbeitsmarkt vor zu viel Zuwanderung ost- uropäischer Arbeitskräfte schützen sollten. Ich bin auch ganz entschieden dagegen, dass sich die U um jede Kleinigkeit der Mitgliedsländer kümmert nd durch diese Zentralisierung, die ständig voranschrei- et, die Molochbehörde in Brüssel mit immer mehr acht, die nicht parlamentarisch kontrolliert wird, aus- estattet wird. Vielfach wird auch das Subsidiaritätsprin- ip von der Kommission einfach ausgehebelt. 16518 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) So sind zum Beispiel die Vorschriften für die EU- weite Ausschreibung für Leistungen des regionalen ÖPNV oder EU-Richtlinien für die Schutzbekleidung von Feuerwehrleuten nicht akzeptabel; hier sollte Subsi- diarität vor Ort ohne Einmischung der EU gelebt wer- den! Ich sehe hier die potenzielle Gefahr, dass sich die Kompetenzen der EU auf alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche – und auch auf kleine, liebenswür- dige nationale Eigenheiten und Besonderheiten – unnö- tig ausdehnen und wir in nationaler Gesetzgebung die Richtlinien auch gegen den Willen der Bevölkerung in nationales Recht umsetzen müssen. Bei derartigen Einwirkungen und Eingriffen in die einfachsten Dinge des Lebens durch EU-Verordnungen stellt sich die Frage: Wo bleibt das Subsidiaritätsprinzip? Wir haben gerade in Problembereichen, zum Beispiel in der Chemie oder in der Landwirtschaft, heftigste Dis- kussionen. Nicht nur das Weißbuch der Chemie oder die EU-Richtlinien in der Landwirtschaft haben dem Stand- ort Bundesrepublik Deutschland Negatives angetan. Meine Befürchtung ist: Es geht so weiter und wird nicht besser! Dass der Deutsche Bundestag auch keine Gesetzesini- tiative starten kann und er keinen gestalterischen Spiel- raum hat, zeigt zusätzlich, dass hier große grundsätzliche Fehler gemacht wurden. Deswegen ist der Vorwurf be- rechtigt, dass die eigentliche demokratische Mitgestal- tung dieses zukünftigen Europas bisher unterblieben ist. Da muss deutlich nachgebessert werden! Ich betone weiterhin ausdrücklich, dass ich eine He- ranführung neuer Staaten zum Beitritt, weniger die er- folgte von Bulgarien oder Rumänien, aber insbesondere die der Türkei und der Ukraine, absolut ablehne. Wenn die mögliche Aufnahme von dieser Bundesregierung leichtfertig versprochen wird und bei deren Einwohnern Hoffnungen auf Wohlstand geweckt werden, so ist dies ein falsches Signal – vor allem dann, wenn die Bundes- regierung dies alles nur tut, um von den eigenen außen- und innenpolitischen Debakeln abzulenken. Ich kritisiere ausdrücklich, dass wir, die klassischen Europaparteien CDU und CSU, in den letzten Jahren eine Verbreiterung der EU ohne Tiefgang zugelassen ha- ben. Wir müssen aufpassen – und dies ist eine Verpflich- tung –, dass das Wertesystem, das dieser Union zu- grunde liegt, nicht aus den Augen verloren wird. Der Versuch, mit einem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Rechte des Deut- schen Bundestages in Bezug auf die Mitwirkung in der europäischen Gesetzgebung zu stärken, ist von dieser Bundesregierung nur als Erklärung, nicht aber als mögli- che Diskussionsgrundlage wahrgenommen worden. Die Mitgestaltung des Bundestages scheint der Regierung hier nicht so wichtig zu sein! Deswegen habe ich nicht nur die große Hoffnung, sondern auch die starke Zuversicht, dass wir die von mir angeführten kritischen Sachverhalte nach einem mögli- chen Regierungswechsel 2006 wieder ändern können. Nicht nur die Fragen nach möglichen EU-Beitrittskandi- daten müssen dann gelöst, sondern auch wichtige W D E d r B D p V e u s p p N t e w p a N w s g n g p s v r d p d r p d k u t H k t n t W f J d k V p s n h (C (D eichenstellungen zur Sicherung des Standortes eutschlands vorgenommen werden. Wir hoffen, in der uropäischen Union wieder den Einfluss zu erlangen, er dem stärksten Nettozahler und dem bevölkerungs- eichsten Mitgliedstaat geziemt. Ich stimme dem Verfassungsvertrag trotz all dieser edenken zu, weil ich die Verpflichtung sehe, die eutschland als Mitbegründer dieser großartigen Euro- äischen Gemeinschaft hat. Ich hoffe, dass mit diesem ertrag die gemeinsamen Grundlagen letztlich auf einen benso festen Boden gestellt werden, wie wir dies mit nserem bewährten Grundgesetz in Deutschland ge- chafft haben. Wilhelm Josef Sebastian (CDU/CSU): Die Euro- äische Einigung ist eine Erfolgsgeschichte. Die Euro- äische Union steht für Frieden, Freiheit und Wohlstand. ach der Verwirklichung des europäischen Binnenmark- es und der Einführung des Euros wurde mit der Ost- rweiterung ein weiterer dynamischer Schritt in der Ent- icklung der Europäischen Union vollzogen. Die Euro- äische Union ist kein Staat und wird auch in Zukunft uf Nationalstaaten aufbauen. Umgekehrt braucht der ationalstaat Europa, weil jeder Nationalstaat in Europa ichtige Aufgaben heute nicht mehr auf sich allein ge- tellt erfüllen kann. Nationen und Europa bedingen sich egenseitig. Die Bindung der Menschen an ihre Natio- alstaaten und Parlamente, die Rückbindung der Gesetz- ebung an das Volk, ist ein wesentliches Ergebnis euro- äischer Geschichte und bleibt unverzichtbar. Deshalb teht die Europäische Union mit dem EU-Verfassungs- ertrag an einem Wendepunkt. Der Europäische Konvent und die Regierungskonfe- enz hatten den Auftrag zur Schaffung einer klaren und urchschaubaren Kompetenzordnung sowie einer Kom- etenzabgrenzung der Zuständigkeitsbereiche zwischen er Europäischen Union und den Mitgliedstaaten. Da- über hinaus sollte das europäische Vertragswerk trans- arent werden, das demokratische Defizit reduziert und ie nationalen Parlamente in ihren Mitwirkungsmöglich- eiten gestärkt werden. Diese Vorgaben wurden nicht mgesetzt. Der Verfassungsvertrag schafft keine klare Kompe- enzabgrenzung innerhalb der EU. Er beschränkt das andeln der EU nicht auf die Kernaufgaben, sondern ommt vielmehr zu einer weiteren erheblichen Kompe- enzausweitung auch in Bereichen, die bisher auf Ebe- en der Mitgliedstaaten angesiedelt waren. Die Kompe- enzausweitung betrifft zum Beispiel Wirtschafts- und ährungspolitik, Energiepolitik, Gesundheit, Raum- ahrt, Zivilschutz, Sport, Daseinsvorsorge, Innen- und ustizpolitik. Mit der Flexibilitätsklausel kann die EU arüber hinaus in fast alle mitgliedstaatliche Zuständig- eiten eingreifen. Durch das Initiativmonopol macht der erfassungsentwurf die EU-Kommission zu einer euro- äischen Superbehörde ohne ausreichende parlamentari- che Kontrolle durch das Europäische Parlament und die ationalen Parlamente. Durch die wesentliche Kompetenzausweitung auf na- ezu alle Politikbereiche, die Ausweitung der Mehr- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16519 (A) ) (B) ) heitsentscheidung, die Festschreibung des Vorrangs eu- ropäischen Rechts vor nationalem Recht und die Abschwächung der Rechte des Bundestages beim Ver- tragsänderungsverfahren verlieren der Deutsche Bundes- tag und die Landtage substanzielle Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte. Das Europäische Parlament wird in seiner parlamentarischen Rolle nicht entsprechend ge- stärkt, es verfügt über kein Initiativrecht, die Zusammen- setzung leitet sich nicht auf der Basis eines gleichen Wahlrechtes ab. Die Legitimation der europäischen Rechtsetzung über die Kontrolle durch die Parlamente und die Rückbindung an das Volk, wie es das Bundes- verfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil fordert, ist damit nicht mehr ausreichend gegeben. Die dem Deutschen Bundestag eingeräumten Möglichkeiten eines Subsidiaritätseinspruches und einer Subsidiaritätsklage können dies nicht ausgleichen. Sie sind weder wirkungs- voll noch effektiv administrierbar. Europapolitik ist nicht mehr Außenpolitik. Ohne eine Stärkung der Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundes- tages in EU-Angelegenheiten ist der Verfassungsvertrag hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem deutschen Grund- gesetz äußerst bedenklich. Der Legitimationsstrang eu- ropäischer Rechtsetzung über die nationalen Parlamente und das Volk wird in Frage gestellt. Die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion hat daher eine Gesetzesinitiative einge- bracht, die die Rechte des Bundestages in EU-Angele- genheiten stärkt. Kernziele dieses Gesetzes sind: grundsätzliche Bindung der Bundesregierung an Stel- lungnahmen des Bundestages in EU-Angelegenheiten, was insbesondere vor der Aufnahme neuer EU-Beitritts- verhandlungen und bei Vertragsänderungen gelten muss; für den Übergang von der Einstimmigkeit zur Mehr- heitsentscheidung im Rat muss die Bundesregierung zu- nächst das Einvernehmen mit dem Bundestag mit Zwei- drittelmehrheit herstellen. Die Bundesregierung, SPD und Grüne lehnen diese Kernforderungen ab. Die zuge- standene Erweiterung der Mitwirkungsrechte für den Bundesrat, die Stärkung der Informationsrechte des Bun- destages und ein Minderheitenrecht zur Einreichung ei- ner Subsidiaritätsklage sind nicht ausreichend. Der Verfassungsvertrag definiert die Grundwerte Eu- ropas und verzichtet dabei bewusst auf einen ausdrückli- chen Gottesbezug und die Herausstellung der Bedeutung der christlichen Werte und Traditionen, die für Vergan- genheit und Zukunft des Kontinents von großer Bedeu- tung sind. Nur eine wertegebundene Verfassung, die das geschichtliche Erbe nicht leugnet, gibt der EU eine in- haltliche und kulturelle Identität. In der Würdigung der Vor- und Nachteile des jetzigen Verfassungsvertrages und der sich für den Deutschen Bundestag und die Rechtsetzung ergebenden Konse- quenzen komme ich in der Abwägung zu einem „Nein“ für dieses Verfassungswerk. Das Europa des EU-Verfas- sungsvertrages ist nicht mehr das Europa, das die Grün- dungsväter der Gemeinschaft vor Augen hatten. Europa braucht klare Werte, föderale Strukturen, ein Bekenntnis zur christlich-abendländischen Geschichte, zur Verantwortung vor Gott. Wir benötigen ein Europa, das sich auf Kernaufgaben begrenzt, aber nicht in na- h l b u d E n u b n f r b e u E R g v h Z h n d g v a J V A s b a s f V K s G b A V D l m s f s s b M (C (D ezu allen nationalen Politikfeldern mitregiert und regu- iert; ein Europa, das seine Gesetzgebung über die Rück- indung zum Volk und über die Parlamente legitimiert nd transparent macht. Ohne eine stärkere Einbindung er Menschen und ihrer nationalen Parlamente sowie des uropäischen Parlaments kann das europäische Projekt icht gelingen. Die EU muss sich von unten nach oben über das Volk nd die Parlamente stärker als bisher legitimieren. Auch ei einem „Nein“ zum Verfassungsvertrag fällt die EU icht in einen rechtsfreien Raum, sondern ist handlungs- ähig auf der Basis des Nizza-Vertrages. Neue Impulse einer vertieften Integration in Kernbe- eichen der EU und eine verstärkte Zusammenarbeit ins- esondere in der Außen- und Sicherheitspolitik sind zu ntwickeln. Eine Überprüfung der Erweiterungsstrategie nd die Erarbeitung eines Partnerschaftskonzeptes der U sind notwendig. Matthias Sehling (CDU/CSU): Ich habe heute dem atifizierungsgesetz trotz schwerer Bedenken nach ründlicher Abwägung zugestimmt. Alle Abgeordneten sollten sich bei Abstimmungen so erhalten, als ob von Ihnen allein die Entscheidung ab- inge. Deutschland darf auch im 60. Jahr des Endes des weiten Weltkrieges im Hinblick auf seine besondere istorische Verantwortung für den europäischen Frieden icht den Eindruck erwecken, als stünde es nicht hinter er Einigung Europas, die uns Frieden und Sicherheit ebracht hat. Aus außenpolitischen Gründen soll nicht on Deutschland ein Nein zu dem Verfassungsvertrag usgehen. Deutschland soll das Signal geben: Wir sagen a zu einem vereinten Europa, in dem die Völker und olksgruppen ohne Furcht und Zwang leben können. uch die deutschen Heimatvertriebenen, deren Interes- envertretung ich als meine besondere Aufgabe sehe, ha- en diese Haltung zu Europa schon sehr früh, nämlich m 5. August 1950 in der Stuttgarter Charta der deut- chen Heimatvertriebenen, zum Ausdruck gebracht. Gegenüber der jetzigen Europarechtslage nach Nizza ührt der Verfassungsvertrag auch zu organisatorischen erbesserungen mit der künftigen Verkleinerung der ommission nach dem Beitritt zusätzlicher EU-Mitglied- taaten und er schafft rechtliche Verbindlichkeit für die rundrechte-Charta. Ich begrüße insbesondere die Ver- indlichkeit der Unantastbarkeit der Menschenwürde, rt. II-61, das Verbot der Zwangsarbeit, Art. II-65 das erbot von Vertreibungen, Art. II-79, und das Verbot der iskriminierung wegen Zugehörigkeit zu einer nationa- en Minderheit, Art. II-81. Der Verfassungsvertrag und das zugehörige Zustim- ungsgesetz haben eine lange Reihe schwerer politi- cher Defizite, Mängel und Rechtsprobleme, die aus achlicher Sicht eine glatte Ablehnung vertretbar er- cheinen ließen. Erstens: keine klare Kompetenzverteilung. Der Europäi- che Verfassungsvertrag hat keine Klärung der Gesetzge- ungszuständigkeiten zwischen den Ebenen Europa, itgliedstaaten und Regionen bzw. deutschen Bundes- 16520 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) ländern erbracht. Stattdessen werden neue Mischzustän- digkeiten begründet und die Methode der so genannten offenen Koordinierung trotz der schlechten Erfahrungen der Vergangenheit als offizielles Instrument verankert. Zweitens: zusätzliche Kompetenzübertragungen nach Europa. In 20 Politikbereichen erhält die EU mehr Kom- petenzen. Für unvertretbar halte ich die neuen Zustän- digkeiten der EU in der Sozial- und Gesundheitspolitik, weil quer durch alle politischen Lager und Fachkreise in Deutschland Einigkeit darüber besteht, dass die beson- dere historische Entwicklung unserer Sozialsysteme in Selbstverwaltung, also in mittelbarer Staatsverwaltung, wie die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung nicht der europäischen Disposition unterstehen soll. Von Rückübertragung einzelner Kompetenzen auf die Mit- gliedstaaten oder gar Regionen kann überhaupt keine Rede sein. Drittens: Vergrößerung des Demokratiedefizits in Eu- ropa. Der Deutsche Bundestag verliert – wie alle natio- nalen Parlamente – Zuständigkeiten an die europäische Ebene, ohne dass diese Kontrollmöglichkeiten beim Eu- ropäischen Parlament „ankommen“. Zu Recht wird von einer Entparlamentarisierung der Rechtsetzung gespro- chen. Einmal mehr wird Bürgernähe zugunsten eines vom Bürger weit entfernten Beamtengremiums, der Eu- ropäischen Kommission, geopfert. Viertens: mangelhafte Interessenvertretung Deutsch- lands durch die Bundesregierung. Für das wie dargestellt mäßige Ergebnis der Beratungen des Verfassungsver- tragsentwurfs trägt die deutsche Bundesregierung die Verantwortung. Im Konvent und in der Phase der Regie- rungskonferenz haben es weder Außenminister Fischer noch sein ihm weisungsabhängiger Staatssekretär Pleuger für erforderlich gehalten, für mehr Subsidiarität, weniger EU-Kompetenzen, mehr Bürgernähe oder die Einfügung des Gottesbezugs in der Europäischen Verfas- sung auch nur einzutreten. Stattdessen haben sie nur die veränderte doppelte Mehrheit und den auf die Person Fischer zugeschnittenen Europäischen Diplomatischen Dienst ernsthaft thematisiert und durchgesetzt. Fünftens: Das Zustimmungsgesetz und der Verfas- sungsvertrag lösen verfassungsrechtliche Bedenken aus. Art. 146 Grundgesetz könnte verletzt sein. Mit dem Zu- stimmungsgesetz wird jedenfalls faktisch eine neue Ver- fassung für Europa und in wesentlichen Teilen anstelle des Grundgesetzes geschaffen. Dass es sich nicht nur um einen Verfassungsvertrag handelt – falsa demonstratio non nocet –, geht sowohl aus dem Wortlaut des Verfas- sungstextes – vergleiche Überschrift A. Erklärungen zu Bestimmungen der Verfassung, Bundestagsdrucksache 15/4900, Seite 189 – als auch aus der dem deutschen Zu- stimmungsgesetz beigegebenen Denkschrift der Bundes- regierung – vergleiche C. Systematik des Vertragswerks: „Die Verfassung gliedert sich in vier Teile“ – hervor. Auch die Entstehungsgeschichte zeigt, dass eine Verfas- sung gewollt ist – so spricht der Auftrag des Rats von Laeken an den Konvent von „Verfassung für die europä- ischen Bürger“ – und dass aus Kompromissgründen am 28. Oktober 2002 vom Konventspräsidium der Name „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Euro- p e E s D G w d w m b s n g Z s E a v d s G s D d c l l m s W d d d B d t d m g „ m h B i f a d g b d d n i g (C (D a“ gewählt wurde – vergleiche Deutscher Bundestag, ine Verfassung für Europa, Reihe „Zur Sache“ 1/2003, inleitung Seite 33. Ich sehe darin eine mögliche Über- chreitung der Kompetenz des Deutschen Bundestages. as Zustimmungsgesetz lässt ungeklärt, inwieweit das rundgesetz durch die Europäische Verfassung ersetzt ird. Eine andere Verfassung müsste im Übrigen von em deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen erden. Die von der Bundesregierung in Anspruch genom- ene Rechtsgrundlage Art. 23 Abs. 2 Satz l GG in Ver- indung mit Art. 79 Abs. 2 GG könnte nicht ausreichend ein, weil das Zustimmungsgesetz schwerpunktmäßig icht nur Änderungen einzelner vertraglicher Grundla- en der Europäischen Union oder ähnliche Verträge zum iele hat, sondern die Schaffung von neuem Verfas- ungsrecht. Der in jetzt absoluter Form formulierte Vorrang des uroparechts vor nationalem Recht – Art. I-6 –, also uch jeder EU-Richtlinie und EU-Verwaltungsvorschrift or deutschen Gesetzen oder Entscheidungen des Bun- esverfassungsgerichts, ist Hinweis auf die Bundes- taatsqualität des neuen Europa und könnte mit dem rundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfas- ungsgerichts in offenem Widerspruch stehen. Dass die enkschrift der Bundesregierung die bloße Umsetzung er EuGH-Rechtsprechung betont – Bundestagsdrucksa- he 15/490, Seite 256 –, ändert an der neuen Rechtsqua- ität nichts. Entscheidend für eine verfassungsrechtliche Beurtei- ung dürfte die mögliche Verletzung des Rechts auf de- okratische Teilhabe des Staatsbürgers nach Art. 38 GG ein. Die GG-Vorschrift erstreckt sich auf das Recht des ählers, auf den grundlegenden demokratischen Gehalt es Wahlrechts, an der Legitimation der Staatsgewalt urch das Volk auf Bundesebene mitzuwirken und auf ie Ausübung dieser Staatsgewalt Einfluss zu nehmen – VerfGE 89, Seite 171 f. Diese Vorschrift schließt es eshalb aus, mittels des Europäischen Verfassungsver- rags durch Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen es Bundestags die durch dessen Wahl bewirkte Legiti- ation der Staatsgewalt und die Einflussnahme der Bür- er auf deren Ausübung so zu entwerten, dass der im Ewigkeits-Paragraph“ Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung it Art. 20 Abs. l und 2 GG für unantastbar erklärte Ge- alt des demokratischen Prinzips verletzt wird – VerfGE 89, Seiten 172, 182. Dieses Demokratieprinzip st verletzt, weil dem Bundestag nicht Aufgaben und Be- ugnisse von substanziellem Gewicht verbleiben und uch dem Europäischen Parlament nicht ersatzweise die em Bundestag entzogenen Zuständigkeiten in Gesetz- ebung und Verwaltungskontrolle übertragen werden. In estimmten Politikbereichen soll zum Beispiel das Recht er Gesetzesinitiative keinerlei Parlamentsebene – we- er Bundestag noch Europäischem Parlament –, sondern ur noch der Europäischen Kommission zustehen. Dies st mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren. Marion Seib (CDU/CSU): In dem von der Bundesre- ierung ausgehandelten und unterzeichneten Europäi- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16521 (A) ) (B) ) schen Verfassungsvertrag fehlen der Hinweis auf das christliche Erbe Europas und der Bezug auf die Verant- wortung vor Gott. Dieses Fehlen ist einer Unterordnung unter die in Europa teilweise vertretene Idee des Laizis- mus geschuldet. Der Laizismus wirkt nicht sinnstiftend und wird Europas christliche Werte aushöhlen. Für die Zukunft unseres Kontinents stellt diese Entwicklung eine große Gefahr dar. Der ausdrückliche Bezug auf die Verantwortung der Menschen vor Gott bewahrt die Ge- sellschaft vor Absolutheitsansprüchen und bietet einen klaren Wertekanon. Gleichzeitig wird die Erinnerung wach gehalten, dass die erfolgreiche politische Gestal- tung eines vereinten Europas nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges ohne die religiöse Wertebindung ihrer Gründergeneration nicht möglich gewesen wäre. Diese religiöse Wertebindung ist auch in Zukunft zum Verständnis des gesamten kulturellen, humanistischen und geistigen Erbes in Europa unverzichtbar. Der von der Bundesregierung ausgehandelte und un- terzeichnete Europäische Verfassungsvertrag schafft keine klare Kompetenzabgrenzung. Der Verfassungsver- trag bringt eine Kompetenzausweitung in der Wirt- schafts-, Währungs- und Energiepolitik, in den Berei- chen Gesundheit, Raumfahrt, Zivilschutz, Sport und der Daseinsvorsorge sowie in der Innen- und Justizpolitik. Durch das Initiativmonopol für die EU-Kommission ist ein ausreichendes parlamentarisches Initiativ- und Kon- trollrecht nicht gegeben. Der von der Bundesregierung ausgehandelte und un- terzeichnete Europäische Verfassungsvertrag räumt aus- drücklich und uneingeschränkt „Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten“ ein. Ohne eine starke Einbindung der Menschen über ihre nationalen und entscheidungsfä- higen Parlamente wird Europa keine Akzeptanz finden. Die EU muss sich von unten nach oben über das Volk und seine Parlamente stärker legitimieren. Europa muss ein Europa der Bürger und nicht der Kommissionen und Organisationen sein. Nach Abwägung aller vorgetragenen Argumente werde ich dem EU-Verfassungsvertrag nicht zustimmen. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Mit einer großen Mehrheit im Deutschen Bundestag bin ich mir ei- nig, dass ein gemeinsames Europa für unsere Zukunft ohne Alternative ist, der Europäische Verfassungsvertrag eine wegweisende Entscheidung und die folgenreichste Beschlußfassung des Deutschen Bundestags in der 15. Legislaturperiode ist und dass der Verfassungsver- trag das Fundament eines künftigen Europas sein wird. Ein Fundament muss tragfähig, belastbar und eben sein, sonst läuft ein Bauwerk Gefahr, Belastungen nicht stand- zuhalten oder gar einzustürzen. Ähnlich verhält es sich mit dem Europäischen Verfassungsvertrag als dem Fun- dament eines künftigen Europäischen Hauses. Nach reiflicher Überlegung und Abwägung, wie ein zukunftssicheres Europa gebaut werden kann, komme ich zu dem Ergebnis, dass der vorliegende Verfassungs- vertrag die Voraussetzung für ein belastbares Fundament nicht wird erfüllen können. s t g s m d V g E a s B S d s u u K u k G ü h c u U d E S s B D d g e V n d n f d v M b ü l g u g m d d g e r (C (D Erstens. Die EU wird nicht bürgernäher. Im europäi- chen Einigungsprozess werden folgerichtig die Kompe- enzen und Zuständigkeiten der nationalen Parlamente eringer. Der erhebliche Kompetenzverlust des Deut- chen Bundestages wie auch anderer nationaler Parla- ente – manche Experten sprechen von über 60 Prozent er Kompetenzen – wird aber nicht ersetzt durch mehr erantwortung des Europäischen Parlaments. Nur ein eringer Teil der abgegebenen Kompetenzen kommt im uropäischen Parlament an, so wie er vom Bundestag bgegeben wird. Der größte Teil wächst der Kommis- ion und dem Europäischen Rat zu. Die Bürgerinnen und ürger in Deutschland wie auch in anderen europäischen taaten können diese Institutionen aber nicht persönlich urch Wahl oder Abwahl zur Verantwortung ziehen. Zweitens. Der Europäische Verfassungsvertrag ver- chafft den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr Klarheit nd Transparenz. Der Auftrag zur Schaffung einer klaren nd durchschaubaren Kompetenzordnung und einer ompetenzabgrenzung zwischen Europäischer Union nd den Mitgliedstaaten wurden verfehlt. Anstatt einer laren, durchschaubaren Verfassung wie dem Deutschen rundgesetz wurde ein kompliziertes Vertragswerk von ber 420 Seiten, 23 Titeln, 40 Zusatzprotokollen mit An- ängen und Weisungen geschaffen, die eine aufgefä- herte Rechtsordnung von ausschließlichen, geteilten nd koordinierten Kompetenzfeldern der Europäischen nion zur Folge hat. Drittens. Statt mehr Europäische Gemeinsamkeit in er Außen- und Verteidigungspolitik werden Wirtschaft, nergiepolitik, Gesundheit, Raumfahrt, Zivilschutz und port, Verwaltungszusammenarbeit sowie Daseins-Vor- orge, was für die Kommunen und Kreise von besonderer edeutung ist, einer neuen Kompetenz der EU unterstellt. amit wächst die Gefahr zentraler Entscheidungen. Statt er Europäischen Union mehr Einfluss in der Verteidi- ungs- und Außenpolitik zuzuweisen, wächst das Risiko iner Einflussnahme der EU-Zentrale auf kommunale ersorgungsbetriebe. Viertens. Nach den Zeiten tiefster menschlicher Er- iedrigung durch den Nationalsozialismus beschlossen ie Väter des Grundgesetzes in der Präambel feierlich ei- en Gottesbezug im Grundgesetz zu verankern. Der Ver- assungsrichter Böckenförde hat dazu später eine ein- rucksvolle Begründung geliefert: Die Demokratie lebt on Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen kann. it ihrer Präambel im Grundgesetz ist die Bundesrepu- lik Deutschland gut gefahren. Ein wichtiges Erbe aus ber 50 Jahren Geschichte der Bundesrepublik Deutsch- and, das wir für eine Europäische Verfassung einbrin- en können, ist der Gottesbezug. Leider finden auch die nzweifelhaft christlichen Traditionen Europas keine an- emessene Erwähnung als Auftrag für die Zukunft. Fünftens. Während der Bundesrat eine Reihe von aßgeblichen Mitwirkungsrechten bei Entscheidungen er Bundsregierung rechtlich abgesichert erhält, werden iese Rechte dem Bundestag nicht in einem Gesetz ein- eräumt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat zu Recht in entsprechendes Begleitgesetz eingebracht. Alle be- echtigten Forderungen nach einem zeitgleichen Gesetz 16522 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) sind durch die rot-grüne Bundesregierung allerdings zu- rückgewiesen worden. Damit entsteht eine erhebliche Ungleichbehandlung zwischen Bundestag und Bundesrat mit Folgen für die Zukunft. Der Deutsche Bundestag kann künftig anders als der Bundesrat keinen Parla- mentsvorbehalt bei zentralen Rechtssetzungsakten der EU geltend machen. Sechstens. Das Ausmaß der Kompetenzübertragung und die Einwirkungsmöglichkeiten der Europäischen Union sind so weitgehend, die Überlagerung nationalen Rechts selbst des Grundgesetzes durch Europäische Rechtsetzungsakte so einschneidend, dass die Funda- mente nationaler Staatlichkeit berührt werden. In diesem besonderen und einzigartigen Fall reicht die Legitima- tion der frei gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht aus, darüber zu beschließen. Vielmehr kann dies nur das Volk selbst. Die CSU hat deshalb zu Recht eine europaweite, an einem Tag stattfindende Ab- stimmung für jedes Land gesondert vorgeschlagen. Die- sen Vorschlag hat die Bundesregierung abgelehnt. Siebtens. Anders als die meisten europäischen Staaten hat die rot-grüne Bundesregierung keinen einzigen Än- derungsantrag in die Abschlussverhandlungen einge- bracht. Keiner der von der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion formulierten begründeten Änderungsanträge wurde von der Bundesregierung aufgegriffen und versucht, ein- zubringen. Achtens. Nach dem Willen der rot-grünen Bundesre- gierung soll die eilige Verabschiedung des Verfassungs- vertrages das Verhalten der französischen Wählerinnen und Wähler beim Referendum am 29. Mai beeinflussen. Die Entscheidung des Deutschen Bundestags als Vehikel zur Beeinflussung französischer Wähler zu nutzen ist unangemessen und falsch. Richtig wäre es gewesen, die Entscheidung des Bundestages nach dem französischen Referendum anzusetzen oder zumindest zeitgleich am Tag des französischen Referendums, um europäische Gemeinsamkeit zumindest im Abstimmungszeitpunkt zu demonstrieren. Der Deutsche Bundestag hätte dann in einer Sondersitzung abgestimmt, das französische Volk im Rahmen eines Referendums. Ich hoffe und wünsche, dass Europa auf einem ande- ren, besseren Fundament sicher wachsen und gedeihen kann. Erika Steinbach (CDU/CSU): Mit dem Europäi- schen Verfassungsvertrag soll die Europäische Union handlungsfähiger, transparenter und demokratischer ge- staltet werden. Die Zusammenfassung der Europäischen Verträge in einem einheitlichen Gesetzeswerk, die Ver- ankerung der europäischen Grundrechte-Charta, die in- stitutionellen Reformen und nicht zuletzt die Regelun- gen zur Subsidiaritätskontrolle sind ein erkennbarer Fortschritt gegenüber dem jetzigen Rechtszustand. Erstens. Ungeachtet dieser Verbesserungen weist der von der Bundesregierung ausgehandelte und unterzeich- nete Europäische Verfassungsvertrag gravierende Män- gel auf. Es sind erhebliche Defizite bei dem formulierten Regelungen bereits jetzt erkennbar. Wichtigen politi- s n d a t u i v s k n z G E w p r Z d w s e e d Z s d d a s g d G u U p E d L s g m s W s s t f S O n s g s E (C (D chen Anliegen aus deutscher Sicht wird der Vertrag icht gerecht. In der Präambel fehlen der Hinweis auf as christliche Erbe Europas und der Bezug auf die Ver- ntwortung vor Gott. Dies widerspricht wohlbegründe- en Forderungen aus dem politischen, gesellschaftlichen nd kirchlichen Raum. Die Koordinierungskompetenzen m Bereich der Wirtschaftspolitik weisen den Charakter on Generalklauseln auf. Dies widerspricht den ur- prünglichen Forderungen, im Verfassungsvertrag eine lare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Ebe- en der EU, der Mitgliedsländer und ihrer Regionen vor- unehmen. In den Bereichen Sozialpolitik, Arbeitsrecht, esundheitspolitik, Industrie und Forschung sowie nergiepolitik sollen die Kompetenzen der EU ausge- eitet und im Bereich der Daseinsvorsorge neue Kom- etenzen geschaffen werden. Dies widerspricht den jah- elangen Bemühungen, den Tendenzen zu immer mehr entralisierung auf EU-Ebene Einhalt zu gebieten und in er EU mehr Bürgernähe sicherzustellen. Offensichtlich ar die Bundesregierung weder gewillt noch bereit, ent- prechende Forderungen in die Vertragsverhandlungen inzubeziehen, um so ein befriedigendes Verhandlungs- rgebnis herbeizuführen. Zweitens. Nach meiner festen Überzeugung bedarf ie Geburt einer solchen europäischen Verfassung der ustimmung des ganzen deutschen Volkes und nicht nur einer Repräsentanten. In zahlreichen Mitgliedstaaten er EU gibt es dazu eine Volksabstimmung. Das stärkt ie Bindung an die EU und baut Vorbehalte ab, die sich us dem Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefert- eins an Europa speisen. Nach reiflicher Abwägung werde ich dennoch trotz ravierender Bedenken dem Vertragswerk zustimmen, a die Vorteile letztlich überwiegen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): Ich will keinen Zweifel aufkommen lassen nd betone deshalb: Auch ich halte die Europäische nion für unverzichtbar. Auch ich befürworte den Euro- äischen Zusammenschluss und die Einführung einer U-Verfassung. Aber die Kritik, wie sie aus der Frie- ensbewegung in Deutschland und der französischen inken an Teilen der EU-Verfassung geäußert wird, ist chwerwiegend und berechtigt. Zu den Kritikpunkten ehört, dass die EU-Verfassung die Staaten Europas zur ilitärischen Aufrüstung verpflichte, militärische Mis- ionen ohne UN-Mandat zulasse und eine neoliberale irtschafts- und Gesellschaftsordnung für Europa fest- chreibe. Ich meine, eine EU-Verfassung sollte nicht verab- chiedet werden, ohne dass die Mitwirkung des Bundes- ages bei der zukünftigen Rechtsetzung in Europa um- assend und vollständig durch ein Gesetz geregelt wird. o war es ursprünglich vorgesehen. Gesetzentwürfe von pposition und Regierung lagen vor, wenn sie auch och unzulänglich waren. Jetzt gibt es nur noch eine Be- chlussempfehlung zu einem Teil eines solchen Begleit- esetz, das der Bundestag bis Ende des Jahres verab- chieden soll. Ich fürchte, nach der Verabschiedung der U-Verfassung wird der Druck nachlassen, ein ausrei- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16523 (A) ) (B) ) chendes Gesetz zu machen. Die demokratische Legiti- mation der zukünftigen EU-Rechtsetzung, die nur die Parlamente der Mitgliedstaaten schaffen können, so- lange und soweit die Befugnisse des Europäischen Parla- ments noch nicht ausreichend sind, droht auf der Strecke zu bleiben. Ich bedauere, dass in Deutschland keine Volksabstim- mung über die Verfassung und keine ausführliche De- batte in der Bevölkerung wie in Frankreich stattfinden. Die EU-Verfassung hat es nicht verdient und ist mir zu wichtig, als dass ich akzeptieren kann, dass über die Kritikpunkte nicht ausführlich auch im Bundestag – im Plenum – geredet wird. Erstens. Ich halte es nicht für richtig, dass unter den Zielen der Verfassung eine Verpflichtung der Staaten ge- nannt ist, „ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern“, Art. I-41 Abs. 3. Der Satz kann als Pflicht zur Aufrüs- tung verstanden werden, insbesondere auch deshalb, weil in der Verfassung gleich danach die Einrichtung ei- ner „Europäischen Verteidigungsagentur“ folgt, deren Aufgabe es auch sein soll, „zur Ermittlung von Maßnah- men zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen durchzuführen“. Einen ebenso ausführli- chen Abrüstungstext für Europa sucht man vergeblich in der EU-Verfassung. Zweitens. Außerdem kann die EU militärische Mis- sionen einschließlich Kampfeinsätze in Drittländern „in Übereinstimmung mit Grundsätzen der Charta der Ver- einten Nationen“ durchführen. Es gibt aber in der Ver- fassung keine ausdrückliche Festlegung, dass solche Missionen nur mit einem Mandat der UN zulässig sind. Drittens. In die EU-Verfassung wurde eine „Charta der Grundrechte“ aufgenommen. Diese enthält als Grundrecht die „unternehmerische Freiheit“ und das Ei- gentumsrecht, aber ohne soziale Verpflichtung, und es fehlt auch die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes. Der Eindruck der einseitigen Ausrichtung auf die Be- dürfnisse der kapitalistischen Wirtschaft wird verstärkt durch die Festschreibung des „Grundsatzes einer offenen Markwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ und des „Vor- ranges der Preisstabilität“. So weit, so schlecht. Aber ich übersehe auch nicht: Die EU-Verfassung enthält keine Sozialstaatsklausel, fordert aber die Einhal- tung sozialer Grundrechte weit mehr und konkreter als das Grundgesetz. Sie benennt als Ziel „soziale Markt- wirtschaft“, die Förderung von „sozialer Gerechtigkeit“ und „sozialem Schutz“ und die Verbesserung der „Le- bens- und Arbeitsbedingungen“. Sie lässt die Einschrän- kung und den Entzug des Eigentums im öffentlichen In- teresse und die gesetzliche Regelung zu dessen Nutzung „für das Wohl der Allgemeinheit“ zu. Sie zählt zu den Aufgaben der Gemeinsamen Sicherheitspolitik mit zivi- len und militärischen Mitteln gleichwertig nebeneinan- der auch „Abrüstungsmaßnahmen“, „humanitäre“ und „Rettungseinsätze“, die „Konfliktverhütung und Erhal- tung des Friedens“. Was wäre die Folge, wenn die EU-Verfassung nicht die notwendige Zustimmung fände? – Dann gelten die E n V C P M j d o o e s n u n u N D d G r a d h t e n i l a s w m i b e Z d T g t d s V l e ü g s g L d in W (C (D U-Verträge von Maastricht bis Nizza fort. Sie sind icht besser, sondern dramatisch schlechter als der EU- erfassungsvertrag. Sie enthalten keine Grundrechte- harta und weit geringere Rechte für das Europäische arlament. Militärische Aufrüstung und gemeinsame ilitäreinsätze der EU-Staaten wären möglich, wie sie a auch jetzt schon stattfinden, und darüber hinaus sogar ie Beteiligung einzelner EU-Staaten an Angriffskriegen hne UN-Mandat. – Dann ist das nicht das Ende der EU der der Verfassungsgebung, aber die Chancen zur Ver- inbarung einer besseren Verfassung sind nicht besser, ondern schlechter. Den Verbesserungen müssten jetzt icht 15, sondern 25 Regierungen der EU zustimmen, nd zwar einstimmig – auch der Streichung der „unter- ehmerischen Freiheit“. Verschlechterungen etwa in den mstrittenen Bereichen des Datenschutzes oder der ichtdiskriminierung wären nicht unwahrscheinlich. – ann gilt das Grundgesetz. Auch dieses garantiert mit er Berufsfreiheit die unternehmerische Freiheit. Das rundgesetz erklärt die allgemeinen Regeln des Völker- echts zum Bestandteil des Bundesrechts, aber benennt uch nicht das UN-Mandat als Voraussetzung eines Bun- eswehrkampfeinsatzes. Für meine Entscheidung ist ausschlaggebend: Ich abe eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Diens- es des Deutschen Bundestages eingeholt. Danach bedarf in EU-Beschluss über den Einsatz von Streitkräften icht nur der Zustimmung aller nationalen Regierungen m Rat, sondern für dessen Umsetzung gilt in Deutsch- and auch der Parlamentsvorbehalt. Eine Regierung kann lso einen solchen Beschluss verhindern – und der Deut- che Bundestag nach wie vor den Einsatz der Bundes- ehr in einer Mission mit Kampfeinsatz. Ich lehne also den EU-Verfassungsvertrag nicht ab. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD): Ich habe ich bei der Abstimmung der Stimme enthalten, weil ch den Vertrag über eine Verfassung für Europa als pro- lematisch ansehe und im Fall eines In-Kraft-Tretens ine baldige Verbesserung des Vertrags für nötig halte. ugleich betone ich, dass ich eine Verfassung für Europa ringend wünsche. Ich empfinde Teil III des Vertragsentwurfs in weiten eilen als Fremdkörper für eine Verfassung. Er ist zu roßen Teilen von seinem Charakter her politischer Na- ur und nicht etwa grundsätzlich. Für die Politik gibt es en demokratischen Mechanismus der Mehrheitsent- cheidungen, und diese sind auch revidierbar. Von einer erfassung darf man erwarten, dass sie Grundsätze fest- egt, die nur sehr selten ergänzt oder revidiert werden. Zu den zahlreichen Punkten, die in einer Verfassung igentlich nichts zu suchen haben, gehören Regelungen ber Ausfuhrrückvergütungen und Einfuhrausgleichsab- aben – Art. III-170 g – eine produktivistische Zielbe- timmung der Agrarpolitik – Art. III-227 (1) a – Aussa- en über Beförderungsentgelte und die wirtschaftliche age der Verkehrsunternehmer – Art. III-239 – und über ie grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken zivilrechtlichen Fragen – Art. III-269 (2) b –; oder der ettbewerbsfähigkeit der Tourismus-Unternehmen – 16524 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Art. III-281 (1). Mir ist natürlich bekannt, dass das alles Elemente aus dem bisherigen gültigen europäischen Ver- tragswerk sind. Es wäre aber richtiger gewesen, diese auf den Rang politischer EU-Entscheidungen zurückzu- stufen. Ich habe weiterhin zwei Besorgnisse im Kontext des Verfassungsvertrags. Erstens. Die Aussage „Die Mitgliedstaaten verpflich- ten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ – Art. I-41, Abs. 3 – kann theoretisch als Verfassungsverpflichtung zu kontinuierlicher Aufrüs- tung interpretiert werden. Das im Juni 2004 beschlos- sene „Protokoll über die Ständige Strukturierte Zusam- menarbeit (SSZ)“ bestärkt diese Besorgnis. Zweitens. Der „Grundsatz einer offenen Marktwirt- schaft mit freiem Wettbewerb“ wird in Art. III-177 kodi- fiziert und wird kaum durch Sozialpflichtigkeitsgrund- sätze relativiert. Analog steht die Eigentumsgarantie – Art. II-77 – absolut und isoliert da, ohne die Grundge- setzbindung – Art. 14, 15 GG – an das Gemeinwohl. Diese Absolutsetzung sehe ich als ungerechtfertigt an. Die auch von mir als Positivpunkte des Verfassungs- vertrags gewerteten Grundrechte – Art. II-61 bis II-110 haben auch ohne den Vertrag bereits Rechtsgültigkeit in Europa. Sie scheinen mir im Entwurf eher relativiert zu werden: Ihre Ausübung erfolgt „im Rahmen“ der in an- deren Teilen der Verfassung festgelegten Bedingungen und Grenzen – Art. II-112. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker und Götz-Peter Lohmann (beide SPD) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwart- schaftsüberführungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 18) Mit dem heute zur Verabschiedung stehenden Gesetz werden Forderungen aus dem Beschluss des Bundesver- fassungsgerichtes vom 23. Juni 2004 (1 BvL 3/98) um- gesetzt. Soweit die bisherigen Entgeltbegrenzungen da- mit aufgehoben werden, ist dem zuzustimmen. Das zur Abstimmung stehende Gesetz ist jedoch in- konsequent, da nach diesem weiterhin für bestimmte Personengruppen Entgeltbegrenzungen fortbestehen sol- len. Diese Fortgeltung wird nach unserer Auffassung vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes im oben genannten Verfahren nicht getragen. Diese Feststellung bezieht sich insbesondere auf folgende Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes: Die Unzulässigkeit der im Gesetz enthaltenen Typi- sierung ergibt sich aus der Wahl der in die Rentenkür- zung einbezogenen Berufsgruppen. Es gibt keine hinrei- chenden tatsächlichen Erkenntnisse dafür, dass für die von der Neuregelung betroffenen Personengruppen überhöhte Arbeitsentgelte gezahlt wurden, die eine Be- grenzung in der vorgesehenen Weise rechtfertigen. e n i s n s g a t G h g k R r d G s v g a g b A n D a R w P p n c d u t i A w o s d s (C (D Auch mit der Neuregelung wird von der Vermutung ines überhöhten Einkommens ausgegangen, die aus ei- em tatsächlichen hohen Einkommen abgeleitet wird. Mit der Neuregelung werden Wertungswidersprüche n der Rentengewährung aufrechterhalten, die darin zu ehen sind, dass die erfassten Personengruppen zum ei- en gegenüber Versicherten mit Anspruch auf eine Zu- atzversorgung, deren Versorgungssystem von den Ent- eltbegrenzungsvorschriften nicht erfasst wird, zum nderen gegenüber Versicherten, deren Versorgungssys- em zwar erfasst wird, deren Entgelte jedoch die E-3- renze nicht erreichen, benachteiligt werden. Der Kürzungsmechanismus widerspricht dem Gleich- eitsprinzip, weil er alle von ihm erfassten Arbeitsent- elte zwangsläufig auf das Durchschnittseinkommen ürzt und den Betroffenen in der Regel weit hinter den entenbetrag zurückfallen lässt, der ihm für eine vorhe- ige Tätigkeit gewährt wird. Es muss bezweifelt werden, ob die Behauptung, dass ie Betreffenden versorgungsseitig als Mitglieder eines esamtkonzeptes der Selbstprivilegierung anzusehen ind, von den Feststellungen im Beschluss des Bundes- erfassungsgerichtes vom 23. Juni 2004 (1 BvL 3/98) etragen wird. Wegen der vorstehenden Kritikpunkte muss davon usgegangen werden, dass das zur Verabschiedung vor- elegte Gesetz erhebliche verfassungsrechtliche Risiken einhaltet. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ländliche Räume durch eine moderne und innovative Landwirt- schaft stärken und damit Arbeitsplätze sichern (Tagesordnungspunkt 13) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Wir wollen eine achhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft in eutschland. Wir sorgen dafür, dass die Landwirtschaft ls moderner Wirtschaftsbereich dafür die notwendigen ahmenbedingungen hat. Wir wollen leistungs- und ettbewerbsfähige Betriebe, die eine hohe Prozess- und roduktqualität als Standortvorteil nutzen und im euro- äischen und internationalen Wettbewerb bestehen kön- en. Dazu gehören nun mal hohe Standards in den Berei- hen des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes. Sie aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von er CDU, fordern zwar eine „leistungsfähige, moderne nd tierschutzgerechte Landwirtschaft“, aber was bedeu- et denn das für Sie? Ich sehe bei Ihnen kein Konzept, ch sehe nur Widersprüchlichkeiten: Sie fordern in ihrem ntrag schnelles Handeln der Politik und wecken mal ieder Illusionen hinsichtlich der Steuerpolitik. Wie dies hne zusätzlichen Einsatz finanzieller Mittel geschehen oll, lassen Sie offen. Obwohl Sie doch zu genau wissen, ass finanzielle Spielräume überhaupt nicht vorhanden ind! Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16525 (A) ) (B) ) Auch wir treten für eine EU-weite Angleichung der Energiebesteuerung ein. Im Gegensatz zu Ihnen ver- schweigen wir aber nicht, dass eine Umsetzung kaum schnell erfolgen kann. Sie stellen in Ihrem Antrag auf Seite 2 fest, dass die hohen Agrarexporte ein Beweis für die hohen Standards unserer Produkte sind, die sich über die deutschen Gren- zen hinaus großer Beliebtheit erfreuen. Ja, das stimmt, da pflichten wir Ihnen gern bei und diese hohen Stan- dards sind Rot-Grün zu verdanken! Im gleichen Antrag haben Sie auf Seite 3 geschrieben: „In der Umsetzung von EU-Recht werden in Deutschland schärfere Bestim- mungen durchgesetzt, wie zum Beispiel in der Tierhal- tung, beim Pflanzenschutz oder im Düngerecht“. Gerade solche Bestimmungen aber sind es doch, die für hoch- wertige Produktion und hochwertige Produkte sorgen! Unsere Standards stehen für Qualität und sie sorgen dafür, dass sich unsere Landwirte rechtzeitig auf neue Anforderungen einstellen können. Das erweist sich zu- nehmend als Standortvorteil! Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren nicht nur für die Land- und Ernährungswirtschaft deutlich verändert. Mit zunehmender Liberalisierung und Globalisierung der Märkte erhöht sich der Wettbe- werbsdruck auf unsere Unternehmen und beschleunigt den Strukturwandel. Ziel unserer Politik ist es, den Strukturwandel in der Landwirtschaft so zu begleiten, dass sie in die Lage versetzt wird, ihre vielfältigen Auf- gaben wie Nahrungsmittelproduktion, Rohstofferzeu- gung und Landschaftspflege und ihre Aufgaben für die Entwicklung des ländlichen Raumes wahrzunehmen und dabei gleichzeitig als wettbewerbsfähige Unternehmen selbst bestehen zu können. Die Entwicklung unserer Dörfer ist heute nicht mehr in dem Maße durch die Landwirtschaft bestimmt wie noch Vorjahren. In keinem Landkreis in Deutschland über- steigt der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten heute noch 10 Prozent. Eine Verminderung der Zahl land- wirtschaftlicher Betriebe muss aber nicht unbedingt ne- gativ sein, sondern sie ist auch Ausdruck für die durch technischen Fortschritt erzielte Produktivitätssteigerung. Das darf aber nicht dazu führen, dass Landschaften mit verlassenen Dörfern entstehen. Über die so genannte zweite Säule der Agrarpolitik finanzieren wir Maßnah- men zur Erschließung von Beschäftigungs- und Einkom- mensalternativen sowie zum Ausbau der Infrastruktur und zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Dem Wettbewerb dürfen weder Qualitätsstandards noch Sozialstandards geopfert werden. Durch die Erwei- terung der Europäischen Union von 15 auf 25 Mitglied- staaten hat sich nicht nur das Angebot an landwirtschaft- lichen Produkten insgesamt erhöht, sondern auch der Druck auf den Arbeitsmarkt und die Unternehmen. Um sowohl für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer als auch für die durch Sozial- und Lohndumping bedroh- ten inländischen Arbeitnehmer faire Arbeitsbedingungen zu schaffen, wollen wir das bereits 1996 verabschiedete Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom Baubereich auf alle anderen Branchen ausdehnen. Auch für Arbeitskräfte von im Ausland ansässigen Arbeitgebern wären damit h w s d V g r a m g s B M b n i h o s b f D Ü g c E a d S p i Ö 1 s h D e u b C z d d s b t d k d u d c s S k (C (D ier geltende Arbeits- und tarifliche Bestimmungen an- endbar. Das ist wichtig, denn Wettbewerb muss fair ein: Das Unterlaufen der tariflichen und sozialen Stan- ards mag manchen Unternehmen einen kurzfristigen orteil erschaffen; aber dieser Wettbewerb nach unten ist egen die Interessen der Menschen und gegen die Inte- essen der Gesellschaft und wird sich auf die Dauer nicht uszahlen. Agrarpolitik und Verbraucherpolitik gehören zusam- en. Kaum ein anderer Wirtschaftsbereich ist so abhän- ig von gesellschaftlicher Akzeptanz wie die Landwirt- chaft: zum einen wegen der durchaus beträchtlichen eihilfen für die Landwirtschaft, zum anderen, weil alle enschen jeden Tag landwirtschaftliche Produkte, Le- ensmittel brauchen. Mit ihrer Kaufentscheidung kön- en sie darüber bestimmen, unter welchen Bedingungen hre Lebensmittel erzeugt werden sollen. Verbraucher aben die Macht, Produktionsweisen zu boykottieren der zu unterstützen. Auf Verunsicherungen reagieren ie mit Kaufenthaltungen, der Verdacht auf einen Le- ensmittelskandal kann zu enormen Absatzeinbrüchen ühren und die Existenz von Landwirten gefährden. enken wir an BSE. Hohe Qualitätsstandards und gute berwachung dieser Standards sind der einzige Schutz egen Lebensmittelskandale. Und hohe Standards in Sa- hen gesunder, umweltverträglicher und tiergerechter rzeugung werden von den Verbrauchern gefordert und uch zu etwas höheren Preisen angenommen. Das zeigt as Beispiel Ökolandbau. Nicht umsonst haben sogar ie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, jetzt lötzlich den Ökolandbau für sich entdeckt und fordern n Ihrem Antrag eine Stärkung des Ökolandbaus! Der kolandbau hat für 2004 ein Umsatzwachstum von 0 Prozent zu verzeichnen. In den letzten zehn Jahren ind dort 75 000 Arbeitsplätze geschaffen worden! Es andelt sich hier also um eine echte Wachstumsbranche! er Ökolandbau ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass s einen Markt für Produkte mit hohen Standards gibt nd dass dieser Markt beste Chancen im Wettbewerb ietet. Wer wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU/ SU, nicht müde wird, über zu scharfe Bestimmungen u lamentieren, und an diesen Standards schrauben will, er verspielt das Vertrauen der Verbraucher, der gefähr- et Marktpositionen für unsere heimische Landwirt- chaft, unsere ländlichen Räume und: der gefährdet Ar- eitsplätze! Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab! Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Wir disku- ieren hier den Antrag der CDU/CSU „Ländliche Räume urch eine moderne und innovative Landwirtschaft stär- en und damit Arbeitsplätze sichern“. Ich muss sagen, ass mich die Forderungen in Ihrem Antrag sehr stark an nsere Haushaltsdebatte im Februar erinnern. Sie for- ern immer wieder eine erhebliche Erhöhung der staatli- hen Zuwendungen. Wie diese Gelder erbracht werden ollen, das schreiben Sie nicht. Sie wissen genau, dass ie Hoffnungen wecken, die Sie selber niemals erfüllen önnten. 16526 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Was bezweckt die CDU/CSU beispielsweise mit der kurzen trivialen Forderung: „ … eine verlässliche staatli- che Förderung der Landwirtschaft stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen“? Sagen Sie, haben Sie ei- gentlich die Reformen, die wir – auch mit Ihrer Zustim- mung – durchgeführt haben, nicht verstanden? Erstens ist doch klargestellt, dass die Landwirte auch in Zukunft mit der Reform der EU-Agrarpolitik nicht ohne Zuwen- dungen wirtschaften müssen. Anders als in der Vergan- genheit werden wir aber nicht mehr Produkte, sondern gesellschaftlich gewollte Leistungen fördern. Zweitens war es das Ziel der Agrarreform, dass wir die unterneh- merische Selbstbestimmung der Landwirte stärken. Die Bauern werden sich von daher zukünftig von ihrem un- ternehmerischen Können leiten lassen – wie übrigens alle anderen Unternehmer auch. Prämien für Produkte wird es so nicht mehr geben. Was Ihren Vorwurf angeht, die Bundesregierung solle die Interessen der Landwirte bei den internationalen Ver- handlungen – wie WTO oder der Reform der Zucker- marktordnung – besser wahren, so ist er doch wieder nichts weiter als Effekthascherei. Denn die WTO-Ver- handlungen dürfen nicht an der Landwirtschaft scheitern. Und auch für die kommende WTO-Verhandlung gilt: Nur durch die zügige und konsequente Verabschiedung und Umsetzung der Agrarreform haben wir eine gute Ebene geschaffen, um dieses Scheitern zu verhindern. Und zum Zucker: Aufgrund des gegen die EU ergan- genen WTO-Urteils und der zu erwartenden Auswirkun- gen der EBA-lnitiative der EU verschärft sich der Reformdruck auf die EU. Das weiß auch die Opposition. Trotz dieser großen Anforderungen werden wir dafür sorgen, dass auch in Zukunft der heimische Zucker- rübenanbau möglich ist! Betrachten wir die technischen Entwicklungen in der Landwirtschaft und auch die unternehmerischen Anfor- derungen, die der Strukturwandel mit sich bringt, so wird schnell deutlich: Wer auch künftig Landwirt blei- ben möchte, der muss Know-how mitbringen. Ohne fun- dierten Sachverstand ist in der Landwirtschaft nichts zu erreichen. Hierfür sind aber auch hinlängliche Löhne er- forderlich. Die Realität der Billiglohnkräfte in Schlacht- höfen zeigt: Genau hier muss angesetzt werden. Wer zu Dumpingpreisen arbeiten lässt, der läuft Gefahr, fähige Arbeitnehmer vom Arbeitsprozess abzukoppeln. Um diese Entwicklung zukünftig zu unterbinden, werden wir das Entsendegesetz ändern und damit über das Baugewerbe hinaus auch alle anderen Bereiche mit einbeziehen. Ich begrüße es sehr, dass sich mittlerweile schon der Gesamtverband der Land- und Forstwirt- schaftlichen Arbeitgeberverbände und die IG Bauen- Agrar-Umwelt verständigt haben, um für die Landwirt- schaft eine gute Lösung zu finden. Tritt das Entsendegesetz in Kraft, dann werden die Verbände unverzüglich die Verhandlungen aufnehmen, um bundesweite Lohntarifverträge für Facharbeiter, an- gelernte Arbeitnehmer und Saisonarbeitnehmer in der Landwirtschaft zu erarbeiten. Es ist sehr richtig, dass Lohnverhandlungen bei den Arbeitgeber- und Arbeitneh- merverbänden bleiben und sich der Staat weitestgehend z s m D I z d f a h g h D h s R s h s r C d s t g C b g n S C f e n z w a s t D N A g v r l n R h d A (C (D urückhält. Die Realität zeigt aber auch, dass wir von taatlicher Seite aus klarstellen müssen, dass Arbeitneh- errechte nicht komplett unterwandert werden dürfen. er Bund steht in der Pflicht, den Sozialstaat zu erhalten. ch begrüße es sehr, dass die Tarifvertragsparteien früh- eitig aktiv geworden sind, damit kein staatlicher Min- estlohn greifen muss. Sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, ich inde es schon erstaunlich, dass Sie sich immer wieder m Thema „nachwachsende Rohstoffe“ verbeißen. Sie aben in puncto nachwachsende Rohstoffe in Ihrer Re- ierungszeit jegliche Reformen verschlafen. Rot-Grün at gewaltig modernisiert. Es tut mir auch Leid, dass eutschland hier nicht schon früher Chancen genutzt at; Sie müssen sich da aber schon Ihre eigenen Ver- äumnisse vorhalten. Heutzutage sind nachwachsende ohstoffe Grundlage eines ernst zu nehmenden Wirt- chaftszweiges. Ich bin Abgeordnete aus Sachsen-An- alt und den Vorwurf, die SPD als Regierungspartei tehe für eine „Klein ist gut“-Strategie, finde ich schon echt vermessen. Nochmals: Die GAP-Reform, gegen die sich die DU/CSU-Fraktion lange Zeit so gestemmt hatte, stärkt as unternehmerische Engagement der Bauern. Ich per- önlich sehe dadurch gute Chancen auch für große Be- riebe. Was den Anbau nachwachsender Rohstoffe an- eht, so sehe ich gerade im Osten gute Möglichkeiten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU- SU-Fraktion, ich kann nur sagen: Ihr Antrag ist wieder estens dafür geeignet, zu zündeln. Sie stellen Forderun- en auf, die nicht erfüllbar sind; das wissen Sie ganz ge- au. Und das finde ich nicht ehrlich! Von daher kann die PD-Fraktion Ihren Antrag nur ablehnen. Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): Die DU Nordrhein-Westfalen hat als einzige Partei ein aus- ührliches Programm zur Agrarpolitik vorgestellt, aber s sind nur diese gerade zitierten drei Zeilen, drei tech- okratische Zeilen, die man im Wahlprogramm der SPD ur Landtagswahl in zwei Wochen zum Thema Land- irtschaft findet. Dabei ist NRW neben Bayern und Niedersachsen grarisches Kernland. Die Agrar- und Ernährungswirt- chaft ist mit über 500 000 Arbeitsplätzen eine der wich- igsten Wirtschaftsbranchen in Nordrhein-Westfalen. iese stiefmütterliche Behandlung der Landwirte in RW ist aber repräsentativ für die gesamte rot-grüne grarpolitik. Insgesamt zählt Deutschland zu den größten Erzeu- ern von landwirtschaftlichen Produkten in Europa und erfügt über eine leistungsstarke und innovative Ernäh- ungswirtschaft mit einem Spitzenplatz im internationa- en Vergleich. Land- und Forstwirte sind zudem nicht ur mittelständische Erzeuger von Lebensmitteln und ohstoffen, sondern sie sind auch die Gestalter und Er- alter unserer mitteleuropäischen Kulturlandschaft. 4,3 Millionen Menschen finden in diesem Bereich der eutschen Wirtschaft einen Arbeitsplatz. Wir haben eine rbeitslosigkeit von über 5 Millionen Menschen. Ver- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16527 (A) ) (B) ) dient ein Sektor mit solcher erheblicher volkwirtschaftli- cher Relevanz nicht ein bisschen mehr als drei Zeilen? Die rot-grüne Bundesregierung achtet aber weder auf ökonomische noch auf wissenschaftliche Warnsignale. Sie lässt nicht davon ab, mit ihrer sachfremden, von grü- ner Ideologie angetriebenen Politik unseren Bauern Son- derlasten aufzubürden mit der Folge, dass seit dem Amtsantritt von Rot-Grün die Zahl der Beschäftigten um 165 000 Personen abgenommen hat. Rot-Grün plündert den Landwirtschaftshaushalt. Rot- Grün höhlt die Sozial- und Strukturpolitik immer weiter aus. Rot-Grün sattelt bei Natur- und Umweltauflagen, bei Tier- und Pflanzenschutz auf die EU-Vorgaben im- mer noch kräftig auf. Auf Rot-Grün ist kein Verlass. Ein Beispiel aus NRW macht dies deutlich: Herr Steinbrück formulierte im Oktober: „Eines steht fest. Ich werde dafür sorgen, dass EU-Recht eins zu eins in Nord- rhein-Westfalen umgesetzt wird. Es wird kein Draufsat- teln und damit Wettbewerbsnachteile für die heimische Landwirtschaft gegenüber der Konkurrenz geben.“ Fakt ist: Mit der Novellierung des Landeswassergesetzes und des Landesplanungsgesetzes und des Landschaftsgeset- zes verstößt Steinbrück gegen seine eigene Zusage zur Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Recht und beschädigt erneut die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfäli- schen Landwirtschaft. Die deutsche und die nordrhein-westfälische Land- wirtschaft sind zu den Verlierern in Europa geworden – trotz unserer hervorragend ausgebildeten, hoch motivier- ten Bäuerinnen und Bauern. Die Investitionszurückhaltung bei den Landwirten ist besorgniserregend, Kapital fließt aus den Betrieben ab. Die wirtschaftlichen Aktivitäten verkümmern, eine ein- seitige Überreglementierung und Bürokratiedichte sind das traurige Aushängeschild rot-grüner Agrarpolitik. Der wirtschaftliche Motor in den ländlichen Gebieten kommt zum Stillstand. Ständig hängt das Damoklesschwert von Steuer- und Abgabenerhöhungen über den Landwirten, wie zum Beispiel die Agrardieselsteuererhöhung und die Änderungen der Landwirtschaftlichen Unfallversiche- rung. Eine Erhöhung der Steuer auf Agrardiesel würde beispielsweise für die Landwirte einen Wettbewerbs- nachteil gegenüber Frankreich, das die Steuer auf Agrar- diesel drastisch senkt, von 30 bis 50 Euro je Hektar be- deuten. Bei einem 100-Hektar-Betrieb liegt der Nachteil dann zwischen 3 000 bis 5 000 Euro je Betrieb. Welcher Landwirt kann einen solchen Wettbewerbsnachteil auf Dauer verkraften? Besonders die Landwirte müssen sich doch fragen, woher die Impulse für einen wirtschaftlichen Auf- schwung in Deutschland unter diesen Umständen kom- men sollen. Während die EU-Nachbarn angesichts der gestiegenen Ölpreise die Steuern senken, um die Kon- junktur nicht abzuwürgen, passiert in Deutschland das genaue Gegenteil. So darf es nicht weitergehen: Rot-Grün muss weg! Es ist unsere Aufgabe, mit einer verantwortungsvol- len Politik den Landwirten ihrer wirtschaftlichen Bedeu- t g L t v A t A v n d m s q z n t C u b L c c d s h B l i P w g d g v d K S r s n m G w a V d g L g z c (C (D ung entsprechend die bestmöglichen Rahmenbedingun- en zu bieten. Unser Aktionsprogramm für die andwirtschaft setzt auf Wettbewerbsfähigkeit, Innova- ion und Wachstum. Was wir brauchen, sind: die Eins-zu-eins-Umsetzung on EU-Vorschriften in nationales Recht, eine sinnvolle grarsteuergesetzgebung, Vereinfachung im komplizier- en Förderrecht sowie den Abbau der überdimensionalen grarbürokratie. Unsere Landwirtschaft braucht zudem erlässliche Rahmenbedingungen für die Anwendung euer Technologien, wie zum Beispiel bei nachwachsen- en Rohstoffen oder bei der Grünen Gentechnik. Der oderne Landwirt braucht heute Innovation und techni- chen Fortschritt, um nachhaltig und umweltbewusst ualitativ hochwertige und sichere Lebensmittel zu er- eugen. Nur wenn die Landwirte die Zukunft als Chance und icht als Bedrohung empfinden, werden sie sie auch ak- iv mitgestalten. Marlene Mortler (CDU/CSU): Der Antrag der CDU/ SU-Fraktion „Ländliche Räume durch eine moderne nd innovative Landwirtschaft stärken und damit Ar- eitsplätze sichern“ gibt Gelegenheit, die Bedeutung der andwirtschaft und der vor- und nachgelagerten Berei- he erneut in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rü- ken. Gleichzeitig bietet sich aber die Möglichkeit, auf ie fatalen Folgen der rot-grünen Agrarpolitik hinzuwei- en und Alternativen aufzuzeigen. Die Bedeutung der Landwirtschaft ist im Zusammen- ang mit dem Agribusiness (vor- und nachgelagerte ereiche) zu sehen. Dieser Gesamtsektor stellt 4,3 Mil- ionen Arbeitsplätze, erbringt 7 Prozent des Brutto- nlandsprodukts. Die Landwirtschaft ist bei einem roduktionswert von 47 Milliarden Euro in ihrer volks- irtschaftlichen Bedeutung größer als andere wichtige ewerbliche Wirtschaftszweige (zum Beispiel Textilin- ustrie 24 Milliarden Euro). Die Landwirtschaft hat also roße Bedeutung für die Sicherung der Nahrungsmittel- ersorgung, als Rohstofflieferant für die Industrie, für ie Sicherung von Arbeitsplätzen, für die Pflege der ulturlandschaft, für die Stabilisierung des ländlichen iedlungs- und Wirtschaftsraums. In den nun fast sieben Jahren rot-grüner Bundesregie- ung hat sich die Einkommenssituation in der Landwirt- chaft jährlich stetig verschlechtert oder sie stagniert auf iedrigem Niveau. Die deutsche Landwirtschaft ist da- it Opfer der miserablen Wirtschaftspolitik von Rot- rün mit den fatalen Folgen: geringes Wirtschafts- achstum, weiter steigende Arbeitslosigkeit, wiederum ls Folge daraus: allgemeine Kaufzurückhaltung der erbraucher und Rückgang der Investitionstätigkeit in er Landwirtschaft (2003: minus 63 Prozent). Zu diesen allgemeinen negativen Auswirkungen rot- rüner Politik kommen die einseitigen Belastungen der andwirtschaft durch die Agrarpolitik dieser Bundesre- ierung. Seit 1998 betreibt Rot-Grün eine ständige Kür- ung der Finanzhilfen und eine Erhöhung der steuerli- hen Belastungen (zum Beispiel durch die Ökosteuer 16528 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) 2003: rund 562 Millionen zulasten von Landwirtschaft und Gartenbau). 2005: Massive Kürzungen bei der LKV: minus 82 Millionen Euro, LUV: minus 100 Millionen Euro. Folge davon sind höhere Beiträge für die aktiven Landwirte. Massive Kürzung bei Agrardiesel: minus 287 Millionen Euro, das heißt Erhöhung der Agrardie- selsteuer von jetzt 26 Cent/Liter auf 40 Cent/Liter. (Ver- gleiche demgegenüber die niedrigeren Steuersätze in an- deren EU-Ländern, zum Beispiel Frankreich 1,7 Cent/ Liter, Dänemark 3,3 Cent/Liter, Österreich 9,8 Cent/ Liter usw.) Agrardiesel ist nur ein Beispiel für die von Rot-Grün hausgemachten Wettbewerbsverzerrungen zu- lasten der deutschen Landwirtschaft. Es ist schon ein negatives Markenzeichen rot-grüner Agrarpolitik geworden, EU-Vorgaben durch nationale Alleingänge zu verschärfen, um aus ideologischen Grün- den eine „Agrarwende“ durchzusetzen oder den deut- schen Verbrauchern einen „besseren“ Verbraucher-, Um- welt- und Tierschutz vorzugaukeln. Die Liste dieser Alleingänge ist lang und liest sich wie ein agrarpoliti- sches „Sündenregister“. Mit einer solchen Politik des „Draufsattelns“ wird rücksichtslos in Kauf genommen, dass für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft dadurch große Wettbewerbsnachteile gegenüber Kon- kurrenten in anderen EU-Ländern entstehen. Deswegen muss die deutsche Agrarpolitik möglichst bald geändert werden, und zwar zum Besseren. Auf eine solche Agrarwende warten unsere Bauern wie ein ver- trocknetes Feld auf Regen. Mittelpunkt und Maßstab der Agrarpolitik muss wie- der die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft mit den vor- und nachgelagerten Bereichen (Agribusi- ness) werden. Als mittelständisch strukturierter Wirt- schaftszweig sichern die Landwirtschaft und das übrige Agribusiness rund 4 Millionen Arbeitsplätze und erbrin- gen rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deswe- gen dürfen der Landwirtschaft keine weiteren einseitigen Belastungen auferlegt werden. In der nationalen Agrar- politik muss endlich Schluss sein mit weiteren einseiti- gen Kürzungen bei den Finanzhilfen und Steuervergüns- tigungen für die Landwirtschaft, wie dies ab 2005 bei Agrardiesel und den Bundeszuschüssen in der landwirt- schaftlichen Sozialversicherung geschehen ist. Es muss auch endlich Schluss sein mit weiteren nationalen Al- leingängen, die nur zu Wettbewerbsnachteilen unserer Landwirte gegenüber anderen EU-Ländern führen. Die agrarsozialen Sicherungssysteme (landwirtschaft- liche Krankenversicherung, landwirtschaftliche Unfall- versicherung, Alterskasse für Landwirte) müssen so re- formiert werden, dass der Strukturwandel („Alte Last“) berücksichtigt wird und es nicht zu ständigen Beitrags- erhöhungen für die aktiven Landwirte kommt. Die Ge- meinschaftsaufgabe muss stärker auf die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe ausgerichtet werden. Die nachwachsenden Rohstoffe müssen weiter gefördert werden, zum Beispiel durch Marketingmaßnahmen nach dem Absatzfonds-Gesetz. Die Pflanzengentechnik darf nicht weiter behindert wer- den, sondern muss durch Unterstützung der Fondslösung z n a g t l h S t s g s n c f t Ä ( m u a Z d f e w h d s t g p N W C d t t C h t w v P o S g H f w k C (C (D ur Absicherung der Risiken aus dem Anbau gentech- isch veränderter Pflanzen gefördert werden. Eine sachbezogene nationale Agrarpolitik erfordert uch, dass das BMVEL von der ideologiegeleiteten Or- anisations- und Personalpolitik befreit wird, die Minis- erin Künast insbesondere mit ihren Entscheidungen der etzten Wochen praktiziert hat. Nur dann können die och qualifizierten Bediensteten des Ministeriums ihren achverstand und ihr Engagement für die Politikbera- ung motiviert und ungehindert einbringen. In der europäischen und internationalen Agrarpolitik tehen in den nächsten Monaten wichtige Entscheidun- en an, bei denen es um die Existenz vieler landwirt- chaftlicher Betriebe und Arbeitsplätze im vor- und achgelagerten Bereich geht. Die Reform der EU-Zu- kermarktordnung muss auf den unumgänglichen Um- ang beschränkt werden, der sich aus künftigen interna- ionalen Verpflichtungen (WTO) ergibt. Bei der nderung der EU-Förderung der ländlichen Entwicklung ELER) ist auf die Fortführung der bisherigen Förder- aßnahmen (insbesondere Ausgleichszulage, KULAP) nd auf eine ausreichende finanzielle Ausstattung zu chten. In den laufenden WTO-Verhandlungen dürfen ugeständnisse (Verringerung der internen Stützung, Re- uzierung des Außenschutzes, Abbau von Exportbeihil- en) nur in dem Umfang gemacht werden, der für einen rfolgreichen Abschluss der WTO-Runde aus gesamt- irtschaftlicher Sicht notwendig ist. In den WTO-Ver- andlungen muss auch die Anerkennung von Standards es Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes durchge- etzt werden. Nur durch eine konsistente, sachbezogene Agrarpoli- ik auf nationaler und europäischer Ebene kann es gelin- en, die ländlichen Räume zu stärken und damit Arbeits- lätze zu sichern. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Man muss sich wirklich fragen, an welcher urstbude die Damen und Herren Agrarpolitiker der DU/CSU die letzten Jahre verbracht haben müssen, ass sie derart all das verschlafen konnten, was heute ak- uelle Debatte in der Agrarpolitik, der Verbraucherpoli- ik, der Politik für die ländlichen Räume ist. Die CDU/ SU ist personell, institutionell und ideologisch bis eute in den Zeiten der verfehlten Agrarpolitik des letz- en Jahrhunderts hängen geblieben. Sie begeht politisch eiterhin die gleichen Fehler wie in den Jahrzehnten zu- or: eine von kurzfristigen Partialinteressen geleitete olitik, die die heutigen gesellschaftlichen und internati- nalen Rahmenbedingungen ignoriert und sich aus orge um die Zustimmung der Stammtische notwendi- en Reformen verweigert. Wenn ich mir den Koalitionsvertrag von Schleswig- olstein ansehe, so kann ich das nur als dringende Auf- orderung verstehen, in Nordrhein-Westfalen Grün zu ählen. Rückwärts, rückwärts, rückwärts, das ist der lare Kurs der Agrarpolitik unter Ministerpräsident arstensen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16529 (A) ) (B) ) Die CDU/CSU redet zwar inzwischen von Verbrau- cherschutz, Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Regionali- tät, Qualität – alles Begriffe der Agrarwende –, aber sie handelt nicht danach. Der Antrag der CDU/CSU ist eine Ansammlung von Widersprüchen und hohlen Phrasen: Er fordert die Erhaltung der mitteleuropäischen Kul- turlandschaft – richtig. Deren Zerstörung geschah aber unter jahrzehntelanger CDU-Agrarpolitik und soll jetzt in Schleswig-Holstein unter Ministerpräsident Carstensen erneut forciert in Angriff genommen werden. Die CDU redet vom berechtigten Interesse der Ver- braucher an sicheren Produkten – richtig. Gleichzeitig ist es jedoch die CDU/CSU, die strenge Regeln zur Lebens- mittelsicherheit immer wieder bekämpft, die sich für un- kontrolliertes Inverkehrbringen von gentechnisch mani- pulierten Produkten einsetzt, wie sie in der aktuellen Bt10-Debatte erneut nachdrücklich zum Ausdruck ge- bracht hat, die eine Heraufsetzung des BSE-Testalters fordert, und deren Vertreter im Bundestag mitunter be- haupten, Pestizide seien keine Gifte, folglich gingen von ihnen auch keine Gefahren aus. Der Unionsantrag betont die Notwendigkeit hoher Umwelt- und Tierschutzstandards, unter anderem als Grundlage für hohe Anerkennung deutscher Produkte im Ausland und damit hoher Exportanteile – richtig. Aber auch hier sieht die CDU-Politik ganz anders aus: Blo- ckade der Legehennen- und Schweinehaltungsverord- nung im Bundesrat und permanente Forderung nach möglichst niedrigen Standards. Dabei ist bekannt, dass während der Amtszeit von Renate Künast die Wertschät- zung deutscher Agrarprodukte im Ausland deutlich zu- genommen hat, eben weil die Ministerin als Garant für hohe Sicherheitsstandards steht. Der Unionsantrag fordert die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen für die Anwendung der Agrogen- technik – richtig. Leider steht auch diese Forderung im krassen Gegensatz zur tatsächlichen Politik der CDU/ CSU. Wir haben mit dem Gentechnikgesetz verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen. Der Skandal um die il- legale Verbreitung von Bt10-Genmais hat die Notwen- digkeit solcher klaren Regeln nachdrücklich bestätigt. Nach jetzt bekannt gewordenen Plänen für die Ver- handlungen zum Gentechnikgesetz im Bundesrat will die Union hingegen ungenehmigte gentechnisch verän- derte Organismen und daraus entstehende Produkte für den Lebensmittel- und Futtermittelmarkt freigeben. Au- ßerdem will die CDU/CSU im Bundesrat den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen selbst dann noch er- lauben, wenn Verunreinigungen von konventionellem oder biologischem Anbau auf Nachbarfeldern auch bei Aufwendung von Vorsichtsmaßnahmen nicht verhindert werden können. Das hat nichts mit Schaffung verlässli- cher Rahmenbedingungen zu tun. Der Unionsantrag fordert eine Sicherstellung ausrei- chender Mittel für die zweite Säule der EU-Agrarpolitik, das heißt für die ländliche Entwicklung – richtig. Leider war es jedoch die CDU/CSU, die eine Stärkung der zweiten Säule im Rahmen der Modulation immer be- k s V G A g d S P g A g A d u e w W ti W v le 1 p c a R s l s m R g r n n l e tr g s n b s k u m e s (C (D ämpft hat und bei der EU-Agrarreform alles daran ge- etzt hat, eine Stärkung der zweiten Säule zu verhindern. Wo wir vollkommen auseinander liegen ist auch Ihr erständnis davon, was „modern“ und „innovativ“ ist. estern hat der CDU-Agrarsprecher Peter Bleser beim grarindustrieverband erklärt: Sie wollten keine ökolo- ische, sondern eine moderne Landwirtschaft. Quatsch, iesen Gegensatz gibt es überhaupt nicht! Sie leben in ideologischen Klischees der 80er-Jahre! ie träumen von technischen Wunderwaffen, die alle robleme zugleich lösen. Das haben Sie schon immer etan und es hat noch nie funktioniert. Nein, moderne ländliche Entwicklung, Schaffung von rbeitsplätzen im ländlichen Raum, nachhaltige Erzeu- ung hochwertiger Produkte: Das sind sehr komplexe ufgaben, die ein sehr differenziertes Vorgehen erfor- ern. Es geht nicht um einseitige Spezialisierung, sondern m Diversifizierung, Qualität, Vorreiterschaft. Nicht ine Risikotechnologie wie die Agrogentechnik schafft, ie immer wieder behauptet wird, Arbeitsplätze und ertschöpfung im ländlichen Raum, sondern nachhal- ge Wirtschaftsbereiche wie der boomende Biosektor. ährend die Agrogentechnik bisher mehr Arbeitsplätze ernichtet als geschaffen hat, hat der Biobereich in den tzten zehn Jahren die Zahl der Beschäftigten auf 50 000 verdoppelt. Wir Grünen wollen keine Einengung auf Schmalspur- roduktion, sondern wir wollen den Menschen im ländli- hen Raum neue Spielräume eröffnen, um ihre Existenz uf eine breitere Basis stellen zu können. Der ländliche aum wird nur gestärkt, wenn wir die regionale Wirt- chaftsentwicklung stärken und die Wirtschaftskraft im ändlichen Raum halten! Das verlangt Offenheit für individuelle regionale An- ätze, die Landwirtschaft und ländlichen Raum zusam- en denken, statt in sektoralen Schablonen zu verharren. enate Künast im Bund hat mit dem Wettbewerb „Re- ion Aktiv“ einen Ansatz gewählt, der äußerst erfolg- eich regionale Eigeninitiative fördert und eine Vielzahl euer Ideen und Einkommensquellen erzeugt hat. Wir in Nordrhein-Westfalen waren schon Vorreiter ei- er neuen Agrarpolitik, als in Bonn noch die alte Agrar- obby das Sagen hatte. Bärbel Höhn hat schon frühzeitig ine Vielzahl von Möglichkeiten geschaffen, um Be- iebe unter den unterschiedlichsten Standortbedingun- en fördern zu können: Das „Programm zur markt- und tandortangepassten Landwirtschaft“ fördert die regio- ale Vermarktung und hilft, dass mehr Wertschöpfung eim Bauern und in den ländlichen Räumen bleibt. Bärbel Höhn hat als jüngstes Projekt gerade eine Kä- estraße eröffnet, um handwerkliche Käsereien noch be- annter zu machen und damit Landwirtschaft, Handwerk nd Tourismus miteinander zu verbinden. Dabei ist im- er auch Ziel, die Landwirtschaft dabei zu unterstützen, inen besseren Stellenwert innerhalb der übrigen Gesell- chaft zu erreichen. 16530 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Unser Plus ist, dass wir 18 Millionen Verbraucher di- rekt vor der Tür haben. Das ist unsere Chance! Vertragsnaturschutz: Wir haben in NRW mittlerweile über 300 000 Hektar in den verschiedenen Agrarum- welt- und Vertragsnaturschutzprogrammen. Das sind fast 20 Prozent der Fläche! 13 000 landwirtschaftliche Be- triebe in NRW machen da mit, das sind 25 Prozent der Betriebe. Wir bringen damit 54 Millionen Euro in den ländlichen Raum Nordrhein-Westfalens. Vor zehn Jah- ren, als Rot-Grün in NRW anfing, waren es 7 Millionen, also ein Siebtel! Dieses Programm, mit dem wir auch mehr EU-Mittel nach NRW holen, wollen wir weiter ausbauen, denn es stärkt den kooperativen Ansatz zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Nachwachsenden Rohstoffe und Energie: Die Chan- cen für die nachwachsenden Rohstoffe und Energie aus Biomasse hat Rot-Grün erst geöffnet. Strom aus regene- rativen Energien hatte 2004 einen Anteil von 10 Prozent am Strom. Damals hieß es, bei 5 Prozent ist Schluss. Nein! Es geht weiter und es muss weitergehen. Die dro- hende Klimakatastophe lässt uns gar keine andere Wahl. Unser Ziel ist: 10 Prozent auch bei Wärme und 10 Prozent bei Kraftstoffen bis zum Jahr 2010 und ins- gesamt 25 Prozent Anteil bei allem bis zum Jahr 2020! Hier bieten sich enorme Chancen für uns Bauern, nicht nur für das Einkommen, sondern auch was die Stellung in der Gesellschaft betrifft. Hier kann die Land- wirtschaft Vorreiter einer sinnvollen neuen Entwicklung sein. Es ist ökologisch, ökonomisch und sozial richtig. Bei dem Ziel 25 Prozent in 2010 sagt uns die Wissenschaft, das bringe 175 000 neue Arbeitplätze, also auch sozial einen Gewinn. Wir haben in NRW gerade ein neues Förderprogramm für Kommunen aufgelegt, mit dem wir die Kommunen unterstützen, die ihre Fahrzeuge auf Basis von Bioetha- nol oder Pflanzenöl fahren lassen. Und: 2004 hatten wir eine Verdopplung der Holzpellet-Anlagen auf jetzt 2 400. Sie sehen, es geht richtig ab im Energiesektor. Alle überall auf den Höfen entstehen Photovoltaik-, Biogas-, Holzverbrennungs- und viele andere Energieanlagen. Der Bauer als Energiewirt ist längst Realität und Sie von der Opposition diskutieren immer noch über unseren an- geblichen Realitätsverlust. Nicht wir, Sie haben ihn! Christel Happach-Kasan (FDP): Deutschland ist beides: Industriestaat und gleichzeitig land- und forst- wirtschaftlich geprägtes Flächenland. Die rot-grüne Koalition hat in ihrer weitgehend auf die Befindlichkei- ten einer städtisch geprägten Bevölkerung abgestellten Politik, die existenziellen Interessen der Menschen in den ländlichen Räumen vernachlässigt. Die ideologische Agrarwende von Ministerin Künast ist ein ideologischer Irrweg. Dieser Irrweg setzt mit vorgeschobenen Begrün- dungen des Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzes Ar- b s v z c n m f B T H v m m d r d Z t b n P r t f b i E t P D g s D p a 4 i l S G n u M d E n n g R (C (D eitsplätze aufs Spiel, ohne die vorgegebenen Ziele tat- ächlich zu verwirklichen, Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: Das Fütterungs- erbot für tierische Fette, ist absurd. Tierische Fette, wie um Beispiel Schweineschmalz, sind in der menschli- hen Ernährung zugelassen, in der tierischen jedoch icht. Rot-Grün scheut sich davor, ihrer Klientel zu ver- itteln, dass zahlreiche im Zuge der BSE-Krise getrof- ene Regelungen überflüssig und sogar schädlich sind. Die verschärfte Umsetzung von EU-Regelungen im ereich der Tierhaltung dient angeblich dem Tierschutz. atsächlich wird der Tierschutz durch die Förderung von altungsformen, die hohe Mortalitätsraten aufweisen, on Ministerin Künast mit den Füßen getreten. Die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren uss artgemäße Haltungsbedingungen und eine artge- äße Ernährung gewährleisten. Das heißt, Allesfresser ürfen nicht vegetarisch ernährt werden. Es muss auf ge- inge Mortalitätsraten geachtet werden. Haltungsformen, ie wegen besonderer Diätvorschriften für Tiere – keine usätze lebenswichtiger Aminosäuren – hohe Mortali- ätsraten verursachen, müssen verboten werden. Dies ge- ietet die Achtung vor dem Mitgeschöpf Tier. Der Kampf der Koalition gegen die Grüne Gentech- ik ist ein weiteres Beispiel einer ideologisch geprägten olitik, die gegen die Interessen der Landwirtschaft ge- ichtet ist. Die Landwirtschaft braucht Sorten mit züch- erischem Fortschritt, wie ihn die in der Pharmazie so er- olgreiche Anwendung der Methode der Gentechnik ringt. Ein gutes Beispiel ist der Bt-Mais, der resistent st gegen ein Schadinsekt, das bis zu 30 Prozent einer rnte vernichten kann. Gleichzeitig schützt die Resis- enz die Pflanzen vor Pilzbefall, die Verunreinigung mit ilzgiften ist deutlich geringer als bei anderen Sorten. as ist ein Vorteil für den Verbraucherschutz. Mit staatlichem Dirigismus und Steuergeldern oder enauer durch eine Verschuldungspolitik will Rot-Grün ein Ziel, 20 Prozent Ökolandwirtschaft durchboxen. as ist unrealistisch. Zurzeit beträgt der Anteil an Öko- rodukten 2,6 Prozent. Ökolandwirtschaft findet mehr ls vier Jahre nach der so genannten Agrarwende nur auf ,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche statt. In einem Land mit mehr als 5 Millionen Arbeitslosen st diese rot-grüne Politik, die das Problem der Arbeits- osigkeit verschärft, unsozial. Sie ist verantwortungslos. ie trägt zur Perspektivlosigkeit junger Menschen bei. Die FDP stellt dem ideologischen Irrweg von Rot- rün das Modell einer marktwirtschaftlichen und unter- ehmerischen Landwirtschaft entgegen. Konventionell nd ökologisch wirtschaftende Betriebe müssen sich am arkt behaupten. Alles andere ist vor dem Hintergrund er Globalisierung und der WTO-Verhandlungen ohne rfolgsaussicht. Innovative Technologien müssen ge- utzt werden, die landwirtschaftliche Veredelung darf icht durch Regelungswut und Wettbewerbsverzerrun- en außer Landes vertrieben werden, nachwachsende ohstoffe sind eine neue Chance für unsere Betriebe. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16531 (A) ) (B) ) Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetz (Tagesordnungspunkt 14) Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Ich spreche zum Holz- absatzfondsgesetz. Warum müssen wir das Gesetz än- dern? Im Moment ist es so, dass die Holz produzieren- den und verarbeitenden Unternehmen eine Sonderabgabe in den Fonds einzahlen. Diese Beiträge werden zum Beispiel für gemeinsame Werbestrategien genutzt. Die Mitgliedsbeiträge werden von der Bundes- anstalt für Landwirtschaft und Ernährung für den Holz- absatzfonds kostenlos eingezogen, obwohl für Beitrags- einzug und Verwaltung Personal- und Sachkosten anfallen, 700 000 Euro im letzten Jahr. Der Bundesrech- nungshof hat dieses Verfahren mehrfach moniert: Für eine Leistung, die aus Steuermitteln erbracht wird, muss gezahlt werden. Das gelte auch für den Absatz- und für den Holzabsatzfonds. Deshalb ändern wir das Gesetz. Wir machen das nicht im Hauruckverfahren, sondern schauen, was geht und was geht nicht. Den Holzabsatzfonds trifft die Gesetzes- änderung deutlich härter als den finanziell sehr viel bes- ser ausgestatteten Absatzfonds. Deshalb haben wir uns mit dem Holzabsatzfonds zusammengesetzt und nach ei- ner Lösung gesucht. Diese sieht folgendermaßen aus: Erstens. Die Gebühren an die Bundesanstalt für Land- wirtschaft und Ernährung für die Beitragserhebung müs- sen erst ab 2007 vom Holzabsatzfonds erstattet werden. Mit dieser Übergangsregelung geben wir dem Holzab- satzfonds Zeit, sich auf die bevorstehende Mehrbelas- tung einzustellen. Zweitens. Kleinstbeiträge, deren Erhebung mehr Kos- ten verursachen als sie einbringen, müssen künftig nicht mehr eingezogen werden. Drittens. In regelmäßigen Abständen wird von unab- hängiger Stelle evaluiert, ob die Dienstleistung der Bun- desanstalt noch effizienter erbracht werden kann. Viertens. Es wird geprüft, ob eine Meldepflicht der beitragspflichtigen Unternehmen eingeführt werden kann, um das Beitragseinzugsverfahren zu vereinfachen. All diese Schritte entlasten den Holzabsatzfonds. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Lösungsweg gefunden ha- ben. So setzen wir den Holzabsatzfonds in die Lage, seine wichtige Arbeit mit ganzer Kraft fortzusetzen, und das wird er auch ab 2007. Denn wir verbessern die Rah- menbedingungen für die Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland insgesamt, stärken so die Betriebe und tun was für die Arbeitsplätze. Davon profitiert natürlich auch der Holzabsatzfonds, weil ihm höhere Mitglieds- beiträge zufließen werden. Im Moment sieht es nicht so positiv bei den Forstbe- trieben aus. Der internationale Preisdruck auf dem Holz- s m W o H m m s d u g z F z l B z b H H D J w H C V b m a g s a b z 1 w u A ü b d b s H W b (C (D ektor, ausgelöst durch die Liberalisierung der Holz- ärkte, zwingt die deutschen Unternehmen zu mehr irtschaftlichkeit. Deshalb müssen die kleinteiligen und ft ineffizienten Strukturen der Forstbetriebe den neuen erausforderungen angepasst werden. Das erreichen wir it der Novellierung des Bundeswaldgesetzes. Sie acht den Weg frei für wettbewerbsfähige forstwirt- chaftliche Zusammenschlüsse. Wer meint, Deutschland sei ein rohstoffarmes Land, er befindet sich auf dem Holzweg. Wir verfügen mit nseren Wäldern über eine ökologisch überaus wertvolle rüne nachwachsende Rohstoffquelle, deren Potenziale urzeit überhaupt nicht ausreichend genutzt werden. Mit orstbetrieben, die diesen Rohstoff wirtschaftlich produ- ieren, nutzen wir diese Potenziale und verbinden Öko- ogie und Ökonomie. Aber was nützt es, wenn man den Markt vor lauter äumen nicht sieht. Mehr Holz zu produzieren und ein- uschlagen, welches dann auf dem Holzstapel liegen- leibt, bringt der Forstwirtschaft wenig. Wenn wir mehr olz erwirtschaften, brauchen wir natürlich auch neue olzabsatzmärkte! Wie schaffen wir die? Das machen wir mit der Charta für Holz. Klares Ziel: en Absatz von deutschem Holz in den nächsten zehn ahren um 20 Prozent zu steigern. Mit der Charta haben ir ein schlagkräftiges Instrument zur Stärkung des olzsektors. Vor wenigen Monaten fiel der Startschuss für die harta und schon zeichnet sich eine Erfolgsstory ab. Zwei Beispiele: Erstens. Mehr Holz am Bau: Der Bund nimmt seine erantwortung als Bauherr wahr und prüft bei allen Neu- auten und Sanierungen älterer Gebäude, ob diese auch it Holz ausgeführt werden können. So zum Beispiel ktuell in Bremen beim Bundesinstitut für Fischökolo- ie, in Kleinmachnow bei der Biologischen Bundesan- talt und auf der Insel Riems bei der Bundesforschungs- nstalt für Viruskrankheiten der Tiere. Zweitens. Im Rahmen der Charta hat der Gesamtver- and Holzhandel eine freiwillige Selbstverpflichtung um Ausschluss illegaler Holzimporte erarbeitet, die am 0. Juni auf dem Holzhandelstag in Rostock vorgestellt erden soll. Bravo, denn illegale Holzimporte drücken die Preise nd schwächen unsere Betriebe. Was wäre die Charta ohne den Holzabsatzfonds? uch er hat im Rahmen der Charta wichtige Aufgaben bernommen, zum Beispiel wenn es um die Imagever- esserung des Rohstoffes Holz und um Aus- und Fortbil- ungsmaßnahmen für Architekten geht. Damit ist und leibt der Holzabsatzfonds ein wichtiges Instrument un- erer Strategie zur Stärkung der deutschen Forst- und olzwirtschaft. Sie sehen bei uns gibt es nicht nur Wachstum in den äldern, sondern auch die Holz und Forstwirtschaft lüht auf. 16532 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Gustav Herzog (SPD): Die letzte Änderung des Ab- satzfondsgesetzes haben wir im Frühjahr 2002 vorge- nommen. Damals ging es um eine inhaltliche Erweite- rung des gesetzlichen Auftrages aufgrund geänderter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Bei seiner Ar- beit hat der Absatzfonds künftig die Belange des Ver- braucherschutzes, Tierschutzes und Umweltschutzes zu beachten. Diese Erweiterung der Aufgabenstellung war verbunden mit einer personellen Verstärkung des Ver- waltungsrates. Wir haben diese Reform gegen die Oppo- sition durchgesetzt und ohne Probleme durch den Bun- desrat gebracht. Etwas schwieriger war die Notifizierung in Brüssel. Die Arbeit des Absatzfonds und seiner Durchführungsgesellschaften wurde genau durchleuch- tet und es waren nicht unsere Gesetzesänderungen, die diese Arbeit verursachten. Am 20. Januar diesen Jahres konnten wir dann lesen, dass auch die CDU/CSU im Nachhinein unsere Be- schlüsse für richtig hält: Die Pressemitteilung der Kolle- gen Caesar, Klöckner und Mortler war überschrieben mit: „Bisherige Regelungen des Absatzfonds- und Holz- absatzsfondsgesetzes haben sich bewährt“. Recht haben sie! Aber mit den Worten von Willy Brandt: Wer bewah- ren will, muss verändern. Heute beraten und beschließen wir über eine Vorlage der Regierung, geändert durch einen Koalitonsantrag im Ausschuss, sowie einen Entschließungsantrag der Koali- tion, den wir gemeinsam tragen. Die Regierungsvorlage dient der Umsetzung von Anregungen des Bundesrech- nungshofes, darunter der Übertragung der Kosten für die Abgabenerhebung auf die Fonds, sowie die Entflechtung von Verwaltungsrat des Absatzfonds und des Aufsichts- rats der Durchführungsgesellschaft CMA. Wir haben als Koalition, gestützt durch die Ergeb- nisse der Anhörung, einer Anregung des Absatzfonds und zweier Besuche von mir persönlich bei der BLE in Frankfurt Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen. Meine Kollegin Hiller-Ohm wird zum Holzabsatzfonds sprechen und die Verbesserungen bei der Bagatellgrenze durch eine Verordnungsermächtigung und den Zahlungs- aufschub bis 2007 erläutern. Beim Absatzfonds wird die Fristverlängerung der Vorlage der Jahresabschlüsse für mehr Klarheit sorgen. In unserem Entschließungsantrag –, ich bedanke mich dabei für die Unterstützung der Opposition –, fordern wir von der Bundesregierung, verstärkt auf die Kosten der Abgabenerhebung zu achten und Vereinfachungen, zum Beispiel durch eine Meldepflicht, zu realisieren. Wir haben intensiv über die Einbeziehung von nach- wachsenden Rohstoffen, konkret von Rapsöl, diskutiert. Leider konnten nicht alle Bedenken ausgeräumt werden und ein gemeinsam getragener Beschluss kam wegen der unterschiedlichen Auffassung über die Besetzung des Verwaltungsrates nicht zustande. Dies bedauere ich. Gerne hätte ich für das Agrarmarketing und die Markt- berichterstattung dieses Neuland betreten. Erlauben Sie mir, noch etwas Grundsätzliches zum Thema Agrarmarketing zu sagen. Deutschland als wich- tiges Agrarland und erfolgreicher Exporteur der Nah- r w M n „ s B s b S A l S M H b l w r b s d d w H t t E g u t g d l n B N B z N d d s w n v n M c H n (C (D ungsmittelindustrie braucht im internationalen Wettbe- erb ein zentrales Agrarmarketing und eine umfassende arktbeobachtung. Leider ist im Blickfeld der öffentlichen Diskussion ur die Imagekampagne der CMA, wie zum Beispiel Bestes vom Bauern“. Über diese Kampagne kann man icher unterschiedlicher Meinung sein. Ein realistisches ild der deutschen Landwirtschaft und Ernährungswirt- chaft wird damit nicht vermittelt. Aber die Milchwer- ung im Rahmen des Fußballs halte ich für gelungen. ie ist im Hinblick auf die WM 2006 steigerungsfähig. ber vielleicht sollten wir Politiker uns bei der Beurtei- ung von Werbung zurückhalten. Ich schätze die Arbeit der CMA, zum Beispiel durch chulungen des Verkaufspersonals und mit Material für ultiplikatoren sowie bei Messeauftritten. Ohne die ilfe der CMA wäre es vielen mittelständischen Betrie- en der Ernährungswirtschaft kaum möglich, im Aus- and neue Absatzmärkte zu erschließen. Richtig und ichtig ist die starke Unterstützung von Wachstumsbe- eichen wie den Öko-Produkten. Deshalb zum Schluss: Deutschlands Landwirtschaft raucht nicht weniger Abgaben für den Absatzfonds, ondern mehr und professionelles Marketing. Ihre Produkte brauchen sich in Deutschland und in er Welt nicht zu verstecken; sie haben es verdient, wenn ies durch ein gelungenes Marketing noch deutlicher ird, als dies schon geschieht. Cajus Julius Caesar (CDU/CSU): Absatzfonds und olzabsatzfonds erhalten von der Wortwahl etwas Posi- ives. Doch weit gefehlt, in diesem für die Zukunft zen- ralen und wichtigen Bereich der Rohstoffpolitik, der nergie und der gesamten Umweltpolitik geht die SPD/ rün-geführte Bundesregierung den Weg zurück. Charta für Holz. Begann doch alles verheißungsvoll, nserer Intention, der Intention der Union, die Beteilig- en mit einzubeziehen, folgte die amtierende Bundesre- ierung bei der Erarbeitung der Charta für Holz. Lange auerte es, aber letztendlich war man sich mit den Betei- igten der Forstwirtschaft und auch der Holzindustrie ei- ig. Holz ist ein vielseitig verwendbarer Rohstoff als austoff für die Holzindustrie und für die energetische utzung. Formuliert wurde: mehr Holzverwendung. Die undesregierung versprach unter dem Motto „Holznut- ung schafft und sichert Arbeitsplätze“, mehr für die utzung und Verwendung von Holz zu tun. Bundesregierung bestätigt ihren Zickzack-Kurs mit em Schritt zurück. So wird schon 14 Tage später mit er Vorlage des Gesetzentwurfes zur Änderung des Ab- atzfonds und Holzabsatzfondsgesetzes der Salto rück- ärts vollzogen, allerdings bei dieser Bundesregierung ichts Neues, Brechen von Versprechen, die noch kurz orher den Betroffenen gegeben wurden, auch dies ichts Neues, Mittelkürzungen und Rücknahme des arketings, dass das Bundesministerium für Verbrau- herschutz, Ernährung und Landwirtschaft in einer ochglanzbroschüre unter dem Titel „Verstärkte Holz- utzung“ zugunsten von Klima Lebensqualität Innova- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16533 (A) ) (B) ) tion und Arbeitsplätzen noch kurz vorher voranbringen wollte. Ausdrücklich ist der Holzabsatzfonds als eine wichtige Komponente für die Förderung des Einsatzes von Holz aufgeführt. Bundesregierung gefährdet Zukunftstechnologie durch die Vorlage dieses Gesetzentwurfes. Die Union verurteilt dieses überfallartige, gegen vorherige Verspre- chen vorgenommene Vorgehen. CDU/CSU im Deutschen Bundestag setzen sich in besonderer Weise für die Förderung des natürlich wach- senden, nachhaltig produzierten Rohstoffes Holz ein. Wir würden uns wünschen, dass die Bundesregierung die große wirtschaftliche Bedeutung der Forst- und Holzwirtschaft erkannt hätte. Holznutzung schafft und sichert Arbeitsplätze. Die Forst-, Holz- und Papierwirt- schaft macht jährlich einen Umsatz in der Bundesrepu- blik Deutschland von immerhin 100 Milliarden Euro. Nimmt man nur die Betriebe mit mehr als 20 Beschäftig- ten, ergibt sich schon dann eine Beschäftigtenzahl von über 1 Million. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 280 000. Aber in Nordrhein-Westfalen ist Ihnen ja mit über 1 Million Arbeitslosen ohnehin der Arbeitsmarkt völlig aus der Hand geglitten. Können wir nur alle mit- einander hoffen, dass ab dem 22. Mai wieder eine solide Politik für Bürger, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Ent- wicklung auf den Weg gebracht wird. Dies ist jedenfalls das Ziel der Union. Sie verkennen ganz offensichtlich: Mehr Holzver- wendung bedeutet einen aktiven Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Wald und Holz, ein Speicher von 1,2 Milliarden Tonnen CO2, ist ein wesentliches Elementfür den Klimaschutz. Sich beim Marketing des nachhal- tig erzeugten heimischen Holzes zurückzunehmen und gleichzeitig den Import von illegal eingeschlagenem Tropenholz zuzulassen, das ist nicht die Politik der Union. Wir, die Union, wollen nachhaltig bewirtschaf- tete Wälder, wir, die Union, wollen aber auch, dass Holz vermehrt als Baustoff eingesetzt wird. Wir, die Union, sehen große Zukunftschancen auch im Energiesektor für die nachwachsenden Rohstoffe. Dieser auf Zukunft aus- gerichteten Politik der Union sollten Sie seitens der Re- gierung mehr Aufmerksamkeit schenken, dann wären Sie auf dem richtigen Weg. Dass SPD und Grüne sich jetzt für die Abgabenerhe- bung für die Beiträge, die von Land-/Forstwirten aufge- bracht werden, auch noch ab sofort Personal- und Sach- kosten erstatten lassen wollen, gefährdet wichtige Vorhaben. Gefährdet werden insbesondere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Dies bedeutet Innovations- feindlichkeit bei den nachwachsenden Rohstoffen. Das Wenigste, was wir von dieser Regierung erwartet hätten, ist, dass Sie im Gesetzentwurf eine Öffnungs- klausel vorgesehen hätten. Diejenigen, die Abgaben zah- len, sollen selbst darüber entscheiden können, wen sie mit der Erhebung der Abgaben beauftragen sollen. Solange diese Bundesregierung nur an sich selbst glaubt und den wohlgemeinten Beiträgen anderer eine Absage erteilt, wie die Anhörung bewiesen hat, wird sie nicht erfolgreich sein. a s d s Z a n M p d d s z E a w d i W B t a e S t u u u b P E N i e d s k l s d s s ü a g s d R t d s m P (C (D Für die Union, für uns von CDU und CSU hat Holz us unseren deutschen Wäldern eine besondere ökologi- che, ökonomische und soziale Bedeutung. Für uns wer- en durch Holznutzung Arbeitsplätze geschaffen und ge- ichert. Für uns ist Holz ein nachhaltiger Rohstoff für die ukunft. Mehr Holzverwendung bedeutet für uns einen ktiven Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Wir leh- en den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab, weil wir aßnahmen für die nachhaltige Erzeugung von Holz- rodukten wollen und uns für deren verstärkte Verwen- ung einsetzen wollen. Dies ist die Politik der Union, ies ist eine auf Zukunft ausgerichtete Politik. Die Union hat mit ihrem Änderungsantrag zum Ge- etzentwurf der Bundesregierung versucht, Korrekturen u erreichen. Nennen darf ich unsere Intention, die zur rhebung zu erstattenden Personal- und Sachkosten erst b 2007 zu vollziehen. Dies ist insbesondere deshalb ichtig, um eingegangenen Verpflichtungen, die über as laufende Jahr hinausgehen, gerecht zu werden. Dies st gerade für Forschung und Innovation von Bedeutung. Die Union setzt sich zudem für Waldvermehrung ein. ir wollen durch den standortgerechten Anbau von aumarten in unterdurchschnittlich bewaldeten Gebie- en Akzente setzen. Dies dient der Forstwirtschaft, aber uch dem Umweltschutz. Waldvermehrung trägt zudem rheblich zum Klimaschutz durch CO2-Bindung durchenken bei. Der Holzabsatzfonds muss auch wesentlich dazu bei- ragen, dass die zusammen mit Wirtschaft, Naturschutz nd Gewerkschaften vereinbarte Charta für Holz endlich mgesetzt wird. Den Verbrauch des heimischen Holzes m 20 Prozent zu steigern, ist richtig. Der Pro-Kopf-Ver- rauch von Holz und Holzprodukten aus nachhaltiger roduktion von 1,1 m3 ist dringend steigerungsbedürftig. ine ganze Reihe unserer Nachbarländer hat hier die ase weit vor uns. Der Worte sind viele gemacht. Papier st reichlich beschrieben. Taten sind gefragt, handeln Sie ndlich! Die nachwachsenden Rohstoffe, insbesondere as Holz, haben eine Chance verdient. Die Regierung ollte sie ergreifen. Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU): Gestern onnten wir erneut die Hiobsbotschaften in der Presse esen: Deutschland steht vor dem tiefsten Haushaltsloch einer Geschichte. 53 Milliarden Euro fehlen allein in en nächsten vier Jahren. Kein Geld aufgrund der kata- trophalen Haushaltslage. Klare Konzepte fehlen. – Dies ind Ergebnisse rot-grüner Politik, und das nun schon ber Jahre. Bei ihrer Ziellosigkeit zeigt sich die Bundesregierung llerdings sehr kreativ. Ihr neuester Streich sind die ein- ebrachten Änderungen zum Absatzfonds- und Holzab- atzfondsgesetz; ein weiterer Streich in der langen Kette er land- und forstwirtschaftsfeindlichen Maßnahmen. ot-Grün verkennt mit diesen Änderungen die Bedeu- ung des Absatzfonds: Die deutsche Landwirtschaft und er gesamte Agrarbereich besitzen mit der zentralen Ab- atzförderung ein gutes Absatz- und Informationsinstru- ent, das die Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher rodukte deutscher Erzeuger in Deutschland selbst, aber 16534 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) gerade auch auf den internationalen Märkten nachhaltig verbessert. Die Bundesregierung hat nun mit ihren Änderungs- wünschen ein konzeptloses Kombimodell entwickelt. Rot-Grün sucht mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Absatzfonds mit der Erstattung der Personal- und Sachkosten einen Weg, Löcher im Haushalt auszubes- sern. Sie holt sich das Geld im Absatzfonds nun von den Landwirten. Zusätzlich will die Bundesregierung die im Absatzfonds verankerte gegenseitige personelle Verzah- nung des Verwaltungsrates des Absatzfonds mit der CMA entflechten. Einerseits betont die Bundesregierung ausdrücklich, dass der Gesetzentwurf nicht auf eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Verwaltungsrat des Absatzfonds abzielt. Andererseits tut sie aber genau das, indem sie beabsichtigt, die Zahl der Mitglieder im Verwaltungsrat des Absatzfonds von 23 auf 20 zu reduzieren. Genau diese Änderung bedeutet aber, dass sich das Stimmen- verhältnis zulasten der Beitrag zahlenden Seite ver- schiebt. Auf diese Weise werden die Landwirte als Bei- tragszahler weiter in den Gremien an Mitspracherecht und Einflussmöglichkeiten verlieren. Bereits mit der letzten Änderung des Absatzfondsge- setzes wurde der Verwaltungsrat um zwei Mitglieder aufgestockt, die nicht unmittelbar der Land- und Ernäh- rungswirtschaft zuzurechnen waren. Widerspruch und Ideologie statt klarer Konzepte? Man könnte es auch ein- fach das „Künast-Problem“ nennen. Der Bundesrat for- muliert eindeutig: Das Mitspracherecht und die Einfluss- möglichkeiten der Beitragszahler Landwirte dürfen durch die geplante Entflechtung der Gremien nicht wei- ter reduziert werden. Dabei lag ein Kompromissvorschlag von SPD und CDU auf dem Tisch: die Wahl eines Vertreters aus dem Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Dieser Vor- schlag war für die grüne Partei aber offenbar nicht an- nehmbar. Diese Blockade ist nicht zu verstehen und die Grünen bleiben eine stichhaltige Erklärung schuldig. Da spricht die nordrhein-westfälische Landwirt- schaftsministerin, Frau Höhn, letzte Woche vom Jahr- hundert der erneuerbaren Energien und ihrer enormen Bedeutung für die Landwirtschaft. Gleichzeitig fordert die Regierungskoalition in Ihrem jüngsten Antrag mit dem Titel „Rahmenbedingungen für die industrielle stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland schaffen“ unter anderem, Strategien zur Schaffung nachhaltiger Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen und die Markteinführungsprogramme für die stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen fortzuführen. Das ist doch eine rückwärtsgewandte Politik, wenn sich die Grünen beim Absatzfonds gegen die Aufgaben- erweiterung um nachwachsende Rohstoffe und einen Vertreter aus dem Bereich nachwachsende Rohstoffe sperren. Aufgabe des Absatzfonds ist es doch, den Absatz und die Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zentral zu fördern. Er kann bei d G S k a d f D d s l e d s B d w z w m d g Ä m f V l t d w K 1 f d l K H v b s m a v d m v i E d l s (C (D er Erschließung von Märkten, gerade auch im Zuge der lobalisierung, auch auf Qualitätsverbesserung und auf teigerung der Marktorientierung von Produkten hinwir- en. Es wäre ein wichtiger Schritt gewesen, die allseits nerkannten Vorteile von nachwachsenden Rohstoffen urch die professionellen Möglichkeiten des Absatz- onds im Marketing der Bevölkerung näher zu bringen. ie Aufgabenerweiterung um einen so zukunftsweisen- en Bereich wie den der nachwachsenden Rohstoffe er- cheint daher sinnvoll und richtungweisend und eigent- ich doch auch sehr „grün“. Der Änderungsantrag der CDU/CSU ist zukunftsori- ntiert und ich möchte die verständigen Mitglieder von er SPD nochmals ermuntern, unserem Antrag zuzu- timmen. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der undesrechnungshof hat die Bundesregierung aufgefor- ert, sich die Kosten, die der Bundesanstalt für Land- irtschaft und Ernährung für die Erhebung der Beiträge u den Absatzfonds der Agrar- und der Forst- und Holz- irtschaft entstehen, erstatten zu lassen. Dies setzen wir it diesem Gesetz zur Änderung des Absatzfonds- und es Holzabsatzfondsgesetzes um. Im Ergebnis gründlicher Beratungen haben wir ge- enüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung einige nderungen vorgenommen die allgemein auf Zustim- ung stoßen. Beim Holzabsatzfonds sind es die beiden olgenden: Erstens ermächtigen wir die Bundesregierung, per erordnung einen Mindestumsatz für die Beitragsveran- agung festzulegen. Auf diese Weise kann die bisher gel- ende Bagatellgrenze von 10 Euro angehoben und auf ie aufwendige Erhebung von Kleinbeträgen verzichtet erden. Dies ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Zweitens haben wird den Zeitpunkt, von dem ab die osten zu erstatten sind, um anderthalb Jahre auf den . Juli 2007 verschoben. Damit wird der Holzabsatz- onds in die Lage versetzt, seine Haushaltsplanung auf ie neuen finanziellen Rahmenbedingungen einzustel- en. Diese Verschiebung ist angebracht, da es sich bei der ostenerstattung um Mittel in Höhe von 7 Prozent des aushaltes handelt – also um einen spürbaren Anteil der erfügbaren Mittel. Wir wollen damit vermeiden, dass ereits geplante Vorhaben gefährdet werden. Beim Absatzfonds der Agrar- und Ernährungswirt- chaft haben wir ebenfalls eine Änderung vorgenom- en. Wir haben die Frist für die Einreichung des Jahres- bschlusses und für die Entlastung des Vorstandes erlängert. Damit tragen wir einer weiteren Empfehlung es Bundesrechnungshofes Rechnung. Der Absatzfonds uss somit zukünftig seinen Jahresabschluss nicht mehr or seinen Durchführungseinrichtungen vorlegen. Dies st ohne Frage sinnvoll. Außerdem fordern wird die Bundesregierung in einer ntschließung auf, die Beitragserhebung für die Fonds urch die BLE von unabhängiger Stelle evaluieren zu assen. Hiervon versprechen wir uns, etwaige Rationali- ierungspotenziale bei der Beitragserhebung im Inte- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16535 (A) ) (B) ) resse der Holzabsatzförderung ausschöpfen zu können. Außerdem soll geprüft werden, ob und wie mit einer Meldepflicht für die beitragspflichtigen Unternehmen die Arbeit der BLE derart vereinfacht werden kann, dass Kosten gesenkt bzw. die Einnahmen der Fonds gestei- gert werden könnten. Wir haben noch eine weitere Änderung des Gesetzes erwogen, und zwar die Ausweitung der Marketingaktivi- täten auf die nicht der Ernährung dienenden Ölsaaten. Diese Ausweitung firmiert oft unter dem irreführenden Arbeitstitel „Ausweitung auf nachwachsende Roh- stoffe“. Wie Sie wissen, gibt es gegenüber der Auswei- tung auf nachwachsende Rohstoffe erhebliche verfas- sungsrechtliche und beihilfsrechtliche Bedenken. Es wäre sehr fraglich gewesen, ob die EU-Kommission diese Änderung notifiziert hätte. Sie machen es sich et- was einfach, wenn Sie dies mit Verweis auf einen einzel- nen Experten in der Anhörung wegwischen. Nichtsdes- totrotz wären wir bereit gewesen, es auf diesen Versuch ankommen zu lassen. Allerdings haben Sie dies mit ei- ner für uns unannehmbaren Bedingung verknüpft: der Wiederaufstockung der Zahl der Verwaltungsratssitze. Unser Angebot, die Ausweitung auf Ölsaaten ohne die Erhöhung der Sitzzahl in das Gesetz aufzunehmen, ha- ben Sie ausdrücklich abgelehnt. Dies zeigt, dass Sie nicht wirklich an der Sache, nämlich der Förderung der nachwachsenden Rohstoffe interessiert sind. Ich möchte aber alle Beteiligten dazu auffordern, die Angelegenheit nicht zu hoch zu hängen: Die Auswirkun- gen dieser Änderung wären sehr begrenzt gewesen. Der Absatz des Biodiesels, für den ohnehin nicht hätte ge- worben werden dürfen, entwickelt sich angesichts der von Rot-Grün eingeführten Mineralölsteuerbefreiung und des Ölpreisanstiegs derzeit zum Selbstläufer. Beson- dere Aktivitäten der CMA bedarf es hier dank unserer Politik nicht mehr. Die verstärkte Nutzung nachwachsender Rohstoffe werden wir mit anderen Mitteln weiter voranbringen. Da haben wir schon eine Menge Arbeit geschafft, aber ohne Frage noch erhebliche Anstrengungen vor uns. Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier Stück für Stück weiter- kommen. Im Ausschuss haben Sie für unseren Entschließungs- antrag gestimmt. Sie konnten sich jedoch nicht dazu ent- schließen, auch für den von den Koalitionsfraktionen, vorgelegten Änderungsantrag zu stimmen. Haben Sie dabei überlegt, welches Signal Sie damit an die Branche der Forst- und der Holzwirtschaft geben? Die Regie- rungskoalitionen entschließen sich, trotz angespannter Haushaltslage im Interesse jeder Branche auf Einnah- men zu verzichten, und Sie lehnen das ab. Ist das Ihr viel beschworener Beitrag zur Charta für Holz? Wir jedenfalls nehmen die Verpflichtung, die Charta für Holz mit Leben zu erfüllen, ernst. Das zeigt die von uns vorgenommene Änderung am Gesetzentwurf. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Deutschland importiert deutlich mehr agrarische Produkte, als es ex- p s l d t l d f u W d M s d R d G d n b w r Ö f G b h H e w e i B s s I k V H U d b D l s B w B m A (C (D ortiert. Verschärfte Wettbewerbsbedingungen für un- ere heimischen Betriebe durch unsinnige nationale Al- eingänge der rot-grünen Bundesregierung führen dazu, ass Marktanteile verloren gehen. Deshalb sind interna- ionale und nationale Werbemaßnahmen für heimische and- und forstwirtschaftliche Produkte notwendiger enn je. Darüber besteht Einigkeit. Sowohl der Absatzfonds wie auch der Holzabsatz- onds wird von den Betrieben der Land-, Ernährungs- nd Forstwirtschaft durch Zwangsbeiträge finanziert. er das Geld gibt, bestimmt die Musik. Deshalb ist für ie FDP unverzichtbar, dass die Beitragszahler die ehrheit im Verwaltungsrat haben; denn dieser be- chließt die Werbemaßnahmen, die durchgeführt wer- en. Dies ist von Rot-Grün abgelehnt worden. Das von ot-Grün vorgelegte Gesetz sieht dagegen eine Mehrheit er Vertreter der verschiedensten gesellschaftlichen ruppen vor. Eine solche Bevormundung von denen, die ie Mittel aufbringen, durch die, die nichts als ihre Mei- ung zur Verfügung stellen, lehnt die FDP ab. Es besteht Einigkeit, dass der Absatzfonds auch Wer- emaßnahmen für die Verwendung von Öl als nach- achsendem Rohstoff und nicht nur als Lebensmittel be- eitstellen sollte. Dies wäre konsequent; denn die lmühlen zahlen schon heute Beiträge zum Absatz- onds. Es ist leider nicht gelungen, dies zu ändern, da die rünen die personelle Berücksichtigung dieser Aufga- enerweiterung aus ideologischen Gründen verweigert aben. Wir erkennen an, dass der Kollege Gustav erzog, SPD, sich sehr für eine gemeinsame Lösung ingesetzt hat. Für die FDP wäre es sinnvoll gewesen, enn die UFOP einen Vertreter in den Verwaltungsrat ntsenden würde. Die Novellierung des Holzabsatzfondsgesetzes muss hren Beitrag zum Erfolg der Charta für Holz leisten. Die undeswaldinventur hat ergeben, dass in Deutschland ehr viel mehr Holz pro Jahr nachwächst, als Holz ge- chlagen wird. Das ist ein ungenutztes Potenzial, das im nteresse der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Stär- ung der Nachhaltigkeit unserer Wirtschaft wie auch der italität unserer Wälder genutzt werden sollte. Der olzabsatzfonds kann dazu einen Beitrag leisten. Der mstellung der Finanzierung der Beitragserhebung aus em Fonds hat auch die Arbeitsgemeinschaft der Wald- esitzerverbände zugestimmt Das ist anerkennenswert. eshalb ist es gut, dass nun eine schrittweise Umstel- ung der Finanzierung der Beitragserhebung erfolgen oll. Gleichzeitig setzt die FDP sich dafür ein, dass die agatellgrenze von gegenwärtig 10 Euro auf beispiels- eise 50 Euro angehoben wird. So würde unproduktive ürokratie gespart und es stünde mehr Geld für Werbe- aßnahmen zur Verfügung. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Langfristiges Ge- samtkonzept zur Reduzierung der Schadstoff- 16536 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) belastung in der Luft notwendig (Tagesord- nungspunkt 15) Astrid Klug (SPD): Seit dem 1. Januar 2005 gelten europaweit die Grenzwerte der so genannten Feinstaub- Richtlinie, der 1. Tochterrichtlinie der Luftqualitätsrah- menrichtlinie der EU. Die Grenzwerte dienen dem Schutz der Gesundheit. Denn Feinstaub macht krank. Rußpartikel sind Ursache für Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Störungen und Asthma. Außerdem gelten sie als krebserregend. Be- troffen sind vor allem ältere und empfindliche Menschen sowie Kinder. Besonders gefährlich sind dabei nicht die großen Partikel, die unsere Nase noch abfangen kann. Weitaus gefährlicher sind die ultrafeinen Partikel, die man weder sehen noch riechen noch schmecken kann. Sie sind so klein, dass das menschliche Immunsystem überfordert ist und sie über die Lunge und die Blutbahn in den Organismus eindringen und dort Schaden anrich- ten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die EU- Kommission und die Umweltbehörde EPA der USA sind sich einig, dass Feinstaub weltweit zu den Gesundheits- problemen mit dem größten Handlungsbedarf zählt. Die WHO schätzt, dass in Europa jährlich 725 000 Lebensjahre durch Rußpartikel verloren gehen. Die Le- benserwartung sinkt durch Rußpartikel in Deutschland um 10,2 Monate, mehr als im europäischen Schnitt. Laut einer aktuellen Studie der EU-Kommission sterben in Deutschland 65 000 Menschen vorzeitig an den Folgen der Feinstaubbelastung. Die EU-Kommission hat mit ihrer Luftreinhaltepoli- tik schon in den 90er-Jahren auf die zu hohe Schadstoff- belastung reagiert. Die Luftqualitätsrahmenrichtlinie mit ihren vier Tochterrichtlinien und die EU-Abgasnormen für Kraftfahrzeuge sorgen seit Jahren für eine bessere Luft. Auch die Staubbelastung ist zurückgegangen. Al- lerdings waren die Maßnahmen bisher in erster Linie auf die Grobpartikel fokussiert und die Grenzwerte entspre- chend nach Gewicht bemessen. Inzwischen weiß man, dass die Feinstpartikel die Gesundheit viel massiver an- greifen. Das haben Toxikologen und Epidemiologen in einem Expertengespräch des Umweltausschusses diese Woche nochmals sehr deutlich zum Ausdruck gebracht und dabei auch die Hauptquellen benannt: Neben Indus- trieanlagen und Hausbrand sehen sie den Verkehr als wichtigsten Verursacher. Es sind insbesondere die Ab- gase aus Dieselfahrzeugen, die verantwortlich für die ul- trafeinen Partikel sind. Es ist genau dieser Feinstaub, dessen Immissions- grenzwert in unseren Innenstädten, vor allem an stark befahrenen Straßen, massenhaft überschritten wird. Ma- ximal an 35 Tagen dürfen Städte seit dem 1. Januar 2005 den Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikme- ter überschreiten. Städte wie München, Stuttgart und Düsseldorf lagen aber bereits im März über der Belas- tung, die für das gesamte Jahr zulässig ist. Die EU-Feinstaub-Richtlinie wurde bereits 1999 be- schlossen und 2002 in nationales Recht umgesetzt. 2003 u h l g n m t s r s m C d T s S r B r m t d J f s D d F p 5 G g E s a s b G t N A m s d n r s A r d h s (C (D nd 2004 mussten die Länder bereits messen und bei zu oher Belastung Luftreinhaltepläne erstellen. Die Richt- inie und ihre Grenzwerte sind also nicht vom Himmel efallen; alle wussten seit langem, was auf sie zurollt. Städte, die seit dem 1. Januar 2005 die Grenzwerte icht einhalten können, müssen Aktionspläne erstellen – it ganz konkreten Maßnahmen bis hin zu Fahrverbo- en, um die Anwohner von stark belasteten Straßen zu chützen. Städte und Länder müssen diese Herausforde- ung annehmen und ihren Handlungsspielraum aus- chöpfen. Wir im Bundestag und die europäische Politik üssen sie dabei unterstützen. Was müssen, was können wir tun? Das von der CDU/ SU in ihrem Antrag geforderte Gesamtkonzept ist urch die Luftreinhaltepolitik bereits angelegt. Mit den ochterrichtlinien der EU-Luftqualitätsrahmenrichtlinie ind die Vorgaben und Instrumente vorhanden, um chadstoffe, auch die Feinstaubbelastung zurückzufüh- en. Mit ihrer Umsetzung in nationales Recht hat der und den Rahmen vorgegeben, den die Länder im Inte- esse des Gesundheitsschutzes nutzen und mit Maßnah- en füllen müssen. In Industrieanlagen sind Filter bereits Standard. Aku- en Handlungsbedarf gibt es beim Verkehr. Der Anteil er Dieselfahrzeuge am Gesamtfahrzeugmarkt steigt seit ahren und damit auch die Feinstaubbelastung aus Kraft- ahrzeugen. Mittlerweile ist jedes zweite neu zugelas- ene Fahrzeug ein Dieselfahrzeug, was gewollt ist, denn ieselautos sind sparsam und ressourcenschonend und amit gut für den Klimaschutz. Aber sie haben mit dem einstaub eine Schattenseite. Die Technik, um Feinstaub aus Fahrzeugen fast kom- lett zu eliminieren, gibt es mit dem Partikelfilter. Mit mg/km hat die EU-Kommission für 2010 neue strenge renzwerte für Diesel-PKW angekündigt. Nach heuti- em Stand der Technik ist dieser Grenzwert nur mit dem inbau eines Partikelfilters zu erreichen. Eine Fort- chreibung der Grenzwerte mit einer klaren Orientierung m Stand der Technik brauchen wir auch für leichte und chwere Nutzfahrzeuge. Das Bundeskabinett hat gestern ein Förderprogramm eschlossen, mit dem Fahrzeuge, die den neuen PKW- renzwert vorzeitig erfüllen, über die Kfz-Steuer entlas- et werden sollen. Wir unterstützen ausdrücklich den Ansatz, sowohl eu- wie Altfahrzeuge zu fördern. Um den finanziellen ufwand und den Effekt für saubere Luft in die best- ögliche Relation zu bringen, wünsche ich mir eine be- onders ambitionierte Förderung für die Altfahrzeuge, ie noch heute als Dreckschleudern unterwegs sind und achgerüstet den strengsten Grenzwert von 5 mg/km er- eichen. Wir fordern die Länder auf, sich mit dem Bund chnell auf ein Förderkonzept zu einigen und sowohl für utokäufer als auch für Automobilunternehmen und de- en Zulieferer Planungssicherheit und klare Rahmenbe- ingungen zu schaffen. Die Länder profitieren von dem öheren Kfz-Steueraufkommen, das sich aus dem wach- enden Dieselanteil ergibt. Die Erwartung an die Länder, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16537 (A) ) (B) ) mit einem kleinen Teil davon den gesundheitsschädli- chen Feinstaub zu bekämpfen, ist legitim. Es ist allemal intelligenter, mit innovativen Techniken Fahrzeuge sauber zu machen, statt Fahrverbote zu erlas- sen oder mit Verkehrslenkungsmaßnahmen Probleme nur zu verlagern. Es war kontraproduktiv und schädlich, dass sich viele deutsche Automobilunternehmen der Filterdiskussion lange Zeit verweigert haben. Umso erfreulicher ist es, dass es in Deutschland engagierte Mittelständler gibt, die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt und inves- tiert haben. Die wachsende Liste von deutschen Fahr- zeugmodellen mit Partikelfiltern zeigt, dass hier eine Entwicklung an Fahrt gewonnen hat, die unumkehrbar ist und erheblich zum Gesundheitsschutz beitragen wird. Damit machen wir einen wichtigen Schritt in Rich- tung saubere und gesunde Luft, dem aber noch weitere Schritte folgen müssen. Denn – auch das betonen die Ex- perten – es gibt keine Grenzwerte, unter deren Schwelle die Feinstaubbelastung nicht gesundheitsschädlich wäre. Deshalb müssen wir – wie in der Vergangenheit – alle ef- fektiven Möglichkeiten nutzen, um die Schadstoffbelas- tung zurückzuführen. Natürlich sind dabei alle Quellen zu berücksichtigen und Innovationen zu nutzen. Dazu gehört zum Beispiel auch eine Kraftstoffstrategie, die auf emissionsarme Kraftstoffe setzt, wie in der nationa- len Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ange- legt. Von einem fehlenden Gesamtkonzept kann man also nicht ernsthaft sprechen. Wichtig ist stattdessen, dass alle Akteure – von der EU über den Bund und die Län- der bis zu den Kommunen, von der Industrie bis zum Verbraucher – ihrer Zuständigkeit und Verantwortung gerecht werden und zur Lösung beitragen. In Zukunft wird es darauf ankommen, aus der Er- kenntnis, dass Feinststäube besonders gefährlich sind, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir brauchen deshalb eine Weiterentwicklung der Grenzwerte und der Mess- methoden – weg von Partikeln, die nach Gewicht gemes- sen werden, hin zu Partikeln, die differenziert nach ihrer Gefährlichkeit gezählt werden. Wenn wir wissen, dass für den heutigen Grenzwert ein Partikel mit 8 Mikrometer Durchmesser genauso viel zählt wie 512 Millionen ultrafeine Partikel mit 0,01 Mi- krometer, jeder einzelne der 512 Millionen Feinstparti- kel aber gesundheitsschädlicher ist als der eine große Partikel, dann weiß man, dass hier noch viel Handlungs- bedarf ist. Das ist tatsächlich eine Frage, die politisch auf europäischer und bundespolitischer Ebene gelöst werden muss. Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Bundestag und Bundesrat haben bereits im September 2002 die so ge- nannte EU-Feinstaubrichtlinie aus dem Jahr 1999 in deutsches Recht umgesetzt. Die CDU/CSU-Fraktion hat allerdings gegen die Änderung des BImschG gestimmt, da es sich aus unserer Sicht einseitig auf den Verkehrs- sektor konzentriert und ein Gesamtkonzept zur Luftrein- haltung vermissen lässt. Dennoch scheinen die ab dem 1 t x a G f ü s 9 r s f u f s F g g i f a v a s s K M s w Z g s S d ß g s u F N S v s a d b h n Ö e n B (C (D . Januar 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaubpar- ikel von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, die ma- imal an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden dürfen, lle Beteiligten total überrascht zu haben und eine akute efahr für die öffentliche Gesundheit zu sein – jeden- alls wenn man der aufgeregten öffentlichen Diskussion ber die Ostertage dieses Jahres Glauben schenken darf. Dabei darf man nicht außer Acht lassen: Die Luftver- chmutzung in Deutschland hat seit 1990 um mehr als 0 Prozent abgenommen. Dennoch: Die Anhörung von enommierten Gesundheitsexperten im Umweltaus- chuss des Bundestages am 11. Mai hat gezeigt: Ultra- einstaub, das heißt insbesondere Stäube mit einer Größe nter 2,5 Mikrometer, haben eine große gesundheitsge- ährdende Wirkung. Fast unglaublich ist daher, dass alle drei Wissen- chaftler eine desolate, also nicht existente öffentliche orschungsförderung beklagen. Seit Jahren liegen drin- end erforderliche Untersuchungen zu Wechselwirkun- en von Stäuben mit anderen krank machenden Stoffen n der Luft sowie ihre Auswirkungen auf besonders ge- ährdete Menschen, wie Senioren, Kinder und Kranke, uf Eis. Hier hat die Bundesregierung im Rahmen des orsorgenden Gesundheitsschutzes auf nationaler wie uf EU-Ebene dringenden Handlungsbedarf. Ebenso fehlt ein abgestimmtes und langfristiges Ge- amtkonzept zur Reduzierung von Feinstaub, gemein- am mit – und nicht lediglich auf Kosten von – Ländern, ommunen und Automobilwirtschaft. Denn wir wissen: aximal knapp die Hälfte der Feinstaubbelastung ent- teht lokal und der überwiegende Anteil stammt von eit entfernten Entstehungsorten. Hier ist viel kostbare eit verschenkt worden. Viele der nunmehr hastig erwo- enen Maßnahmen helfen zwar kurzfristig die Fein- taubbelastung in den betroffenen Gebieten zu senken. ie verlagern das Problem zumeist aber nur und stellen amit keine nachhaltige Lösung dar. So verdrängen Stra- ensperrungen lediglich den Verkehr in die nähere Um- ebung. Citymaut und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge chaden hingegen nur der innerstädtischen Wirtschaft nd verlagern das Problem in die Peripherie der Städte. Dass die Bundesregierung gestern ein Konzept für die örderung von Dieselfiltern vorgelegt hat, ist überfällig. unmehr muss sie auch den notwendigen zweiten chritt tun und sich gemeinsam mit den Ländern auf eine ernünftige und finanzierbare Umsetzung einigen. Zu dem nach unserer Überzeugung notwendigen Ge- amtkonzept gehören aber auch der vermehrte Einsatz lternativer Kraftstoffe, wie zum Beispiel von Biodiesel, urch den in modernen Motoren die Partikelemission um is zu 40 Prozent gesenkt werden kann. Besonders dem öchstwertigen Dieselkraftstoff BTL, auch Sundiesel ge- annt, sowie dem Einsatz von gasbetriebenen Bussen im PNV sollte daher die Zukunft gehören. Neben der Feinstaubbelastung durch Autoabgase gibt s aber noch beachtliche weitere Emissionsquellen, die achhaltig reduziert werden müssen: den Abrieb von remsen, Reifen und Straßenbelag, die Aufwirbelungen 16538 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) von Staub sowie Partikel aus Katalysatoren in Form von Edelmetallen und Keramikfasern. Daher müssen intelligente Verkehrskonzepte entwi- ckelt werden. Da die Fahrbedingungen großen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch haben, ist der Ausbau von computergestützter Ortslenkung, wie zum Beispiel Wechselwegweiser und grüne Wellen, voranzutreiben. Auch der gezielte Ausbau von hoch belasteten Straßen, die Schließung von Lücken im Fernstraßennetz und der Ausbau von Ortsumgehungen bei übermäßig belasteten Ortsdurchfahrten spielen hierbei eine wichtige Rolle. Der Verkehrssektor ist jedoch mit einem Anteil von etwa 25 Prozent längst nicht der einzige Feinstaubemit- tent in Deutschland. Vielmehr haben auch Hausbrand, Heiz- und Kraftwerke sowie die Industrie beträchtliche Anteile. Die Bundesregierung ist daher auch hier drin- gend zum Handeln aufgefordert. Zum Beispiel ist die Modernisierung von Heizungsanlagen in öffentlichen und privaten Gebäuden und Häusern voranzubringen. Dies ist beispielsweise über eine Verbesserung der Rah- menbedingungen der Kreditprogramme der KfW oder durch Investitionszuschüsse möglich. Ein von CDU/ CSU schon lange gefordertes Anreizprogramm zur Wär- mesanierung würde zudem den Heizbedarf signifikant senken. Gemeinsames Handeln ist also gefordert. Der Schutz der Gesundheit und die Vorgaben des EU-Rechts, die ab 2010 noch strengere Grenzwerte für Feinstaub- und Stickstoffdioxid vorsehen, verbieten eigentlich ein Schwarzes-Peter-Spiel, wie die Bundesregierung es mit dem Kabinettsentwurf und damit dem Griff in die Kas- sen der Länder weiterspielt. Herr Trittin, legen Sie end- lich ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Gesamtkon- zept vor. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Umweltausschuss des deutschen Bundestages hat gestern in seiner Sitzung in Dessau führende Mediziner der Toxikologie, Pneumologie und Epidemiologie zum Thema Gesundheitsgefährdung durch Feinstäube gehört. In den überaus instruktiven Beiträgen formulierten die Experten unisono drei Kernaussagen: Erstens. Feinstäube in der Luft bergen eine Reihe von Gesundheitsgefährdungen und sind derzeit die größte Herausforderung in der Luftreinhaltung. Zweitens. Die Ergebnisse weltweiter wissenschaftli- cher Studien belegen die Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Feinstäube zweifelsfrei. Drittens. Die schnellste und effizienteste Reduktion der Feinstäube im Verkehr ist durch die verfügbare Fil- tertechnik zu erreichen und weitere Maßnahmen müssen dem folgen. Feinstäube verursachen und verschärfen Atemwegser- krankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma so- wie andere Allergien und können Krebs verursachen. Laut einer aktuellen Studie der EU-Kommission sterben in Europa mehr als 288 000 Menschen – davon allein in Deutschland 65 000 – vorzeitig an den Folgen der Fein- s K k P n f i m m u g K u w C n F s s d n w d A F e d G w b n d w d p l h t F d n k g b f B Ä B R L Ü r u G w o (C (D taubbelastung. Deutlich wurde auch: Wir können beim ampf gegen Feinstaub nicht bei den größeren Parti- eln, PM 10, stehen bleiben; denn Partikel kleiner als M 2,5 können über die Lungenbläschen in den Orga- ismus gelangen und viel gefährlichere Wirkungen ent- alten als die größeren. Trotz wissenschaftlicher Klarheit m Grundsatz bleiben noch zahlreiche Fragen offen. Wir üssen die Forschung zu Feinstäuben ausweiten, um ehr über die Größe, Oberfläche, Zusammensetzung nd Wirkung der Stäube im gesunden menschlichen Or- anismus und bei gefährdeten Personengruppen – wie ranken, Alten und Kindern – zu erfahren. Daher wird ns das Problem Feinstaub noch lange beschäftigen und ir stehen erst am Anfang. Jedoch, um auf den hier zu behandelnden Antrag der DU/CSU zu kommen, ist es ja nicht so, dass wir noch ichts unternommen haben gegen die Belastung mit einstäuben. Wir waren nicht untätig, sondern arbeiten chon seit mehren Jahren daran, die Belastung mit Fein- taub einzudämmen. Die Feinstaubquellen sind vielfältig. Feinstäube oder eren Vorläufer entstehen vor allem durch Verbren- ungsprozesse in Feuerungsanlagen in Industrie, Ge- erbe, Haushalten, Kraft- und Fernheizwerken. Sogar ie Landwirtschaft trägt mit der Intensivtierhaltung, mmoniak, zur Bildung von Vorläufersubstanzen für einstäube bei. Wenn der Straßenverkehr auch lediglich ine der Quellen ist, so ist er doch eindeutig jene Quelle, ie für die Spitzenbelastungen und damit die aktuellen renzwertüberschreitungen in den Innenstädten verant- ortlich ist. Während die Union in einem Antrag, der neben der ekannten Prosa zur Luftreinhalterahmenrichtlinie we- ig Substanz, viele Allgemeinplätze und lediglich For- erungen enthält, die zum Gutteil schon erfüllt sind, ährend in den Kommunen und Ländern immer noch iskutiert wird, wann man Luftreinhalte- und Aktions- läne erstellt, während die Automobilwirtschaft, vor al- em VW, jahrelang wichtige Neuerungen blockiert hat, at die rot-grüne Bundesregierung schon lange die rich- igen Instrumente gegen den gesundheitsschädlichen einstaub in unseren Städten auf den Weg gebracht und ie Voraussetzungen dafür geschaffen, innerhalb der ächsten Dekade die Feinstaubbelastung deutlich zu sen- en. Die Bundesregierung hat bereits 2002 die Rechts- rundlagen der Luftreinhaltung den europäischen Vorga- en angepasst: Die Umsetzung in nationales Recht er- olgte 2002 mit dem 7. Gesetz zur Änderung des undes-Immissionsschutzgesetzes, BImSchG, und der nderung der 22. Verordnung zur Durchführung des undes-Immissionsschutzgesetzes, 22. BImSchV. Die egelungen verpflichten die zuständigen Behörden der änder, die Luftschadstoffbelastung zu messen und bei berschreitung der Grenzwerte inklusive gewisser Tole- anzen Luftreinhaltepläne zu erstellen, die langfristige nd übergreifende Maßnahmen aufzeigen, um die renzwerte dauerhaft einhalten zu können. Festgelegt urde hier, dass dem Luftreinhalteplan dann ein Akti- nsplan mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur Seite Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16539 (A) ) (B) ) gestellt werden muss, wenn die ab 1. Januar 2005 gelten- den Grenzwerte der 22. Bundes-Immissionsschutzver- ordnung, BImSchV, überschritten werden. Ebenso wurde das Gebot verankert, Maßnahmen in den Luftreinhalte- plänen und Aktionsplänen gegen alle Emittenten zu rich- ten, die zur Überschreitung der Grenzwerte beitragen. Dies kann ebenso die vorübergehende Stilllegung von Industrieanlagen oder Kleinfeuerungsanlagen bedeuten wie Fahrbeschränkungen im Verkehr. Im Bundes-Immis- sionsschutzgesetz, § 40, wurden neue Ermächtigungs- grundlagen für Kommunen und Länder geschaffen, um entsprechende Verbote oder Beschränkungen anzuord- nen. Die bundesstaatliche Ordnung regelt in Deutsch- land die Zuständigkeiten in der Luftreinhaltung: Der Bund gibt dabei den Rahmen vor und die Länder setzen die Maßnahmen um. Die Handlungsgrundlagen für die Länder und Kommunen sind geschaffen; jetzt liegt es an den Ländern, diese für die Verbesserung der Luftqualität zu nutzen. Die anstehenden Aufgaben sind den zuständi- gen Behörden der Länder spätestens seit 2002 bekannt. Auf europäischer und internationaler Ebene wurden die Anstrengungen zur Reduktion der Partikel und ihrer Vorläufer darüber hinaus verschärft. In der so genannten NEC-Richtlinie, 2001/81/EG, werden – vergleichbar dem Emissionshandel – Vorgaben für nationale Höchst- mengen, Emissionshöchstfrachten, für Luftschadstoffe wie SO2, NOx, VOC und NH3 festgelegt. Das nicht nurfür Europa, sondern auch für Nordamerika und Kanada verbindliche UN-ECE-Protokoll zielt auf die Reduzie- rung großräumiger europäischer Schadstofftransporte, Ferntransporte, durch Vereinbarung nationaler Emissi- onshöchstmengen. Rot-Grün hat sowohl die NEC-Richt- linie als auch Teile der Ozon-Richtlinie, 33. BImSchV, und das Multikomponentenprotokoll der UN-ECE um- gesetzt. Weiter hat die Bundesregierung mit einer Reihe von Neuregelungen strengere Vorgaben für den Betrieb von Industrieanlagen und Feuerungsanlagen festgelegt. Die Großfeuerungsanlagen-Verordnung, 13. BImSchV, und die Technische Anleitung, TA, Luft formulieren an- spruchsvolle immissionsschutzrechtliche Standards zur Luftreinhaltung. Daran kann man ablesen, dass wir uns nach vier Jah- ren aktiven Handelns in der Luftreinhaltepolitik nicht den Vorwurf machen lassen müssen, wir hätten kein Ge- samtkonzept, auch wenn noch vieles zu tun bleibt. Sie waren bei allen wichtigen Schritten dabei, schließ- lich sitzen Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU im Umweltausschuss. Ich erinnere mich gut an einzelne Abstimmungen. So haben wir die 22. BImSchV einstim- mig verabschiedet, aber beim 7. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes haben die Damen und Herren von der Union unter anderem mit dem Argu- ment dagegen gestimmt, wir würden über die EU-Vorga- ben hinausgehen. Sie raten uns in Ihrem Antrag dringend zur besseren Kooperation mit den Ländern und der Industrie. Doch etwa bei der Großfeuerungsanlagen-Verordnung hatten Sie zunächst große Probleme, vor allem aber einzelne Bundesländer mit großen Raffineriestandorten und die betreibende Industrie mit dem Staubgrenzwert. Erst nach r k V m M s b g r n M T v g 2 g k D s s d f d z E E v W R d N k m 1 L w z e d L i f t n n d v a e s r F (C (D echt zähem Ringen sind wir hier zu einer Einigung ge- ommen. Wir haben jenseits von Fahrverboten Maßnahmen im erkehr ergriffen; auch das sollten Sie zur Kenntnis neh- en. Das Bundesumweltministerium fördert in mehreren odellprojekten höhere Umweltstandards bei Linienbus- en und bei Lieferfahrzeugen. Durch Erdgasantriebe und esonders schadstoffarme Dieselmotoren wurde die vor- ezogene Markteinführung dieser Umweltstandards er- eicht. Mit der Einführung der LKW-Maut ab dem 1. Ja- uar 2005 werden zudem „Stinker“ 40 Prozent mehr aut zahlen müssen als moderne LKW. Zudem wird ein eil des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene erlagert werden. Mit der ökologischen Steuerreform wurde ein günsti- er Mineralölsteuersatz für Erdgas als Kraftstoff bis 020 festgeschrieben, um die Markteinführung von Erd- asautos zu ermöglichen. Erdgasautos haben kein Parti- elproblem. Sie sind die wirtschaftliche Alternative zum ieselauto. 500 Tankstellen gibt es in Deutschland chon. Bis 2007 sollen es 1 000 werden. Auch die For- chung wird ausgeweitet, wie die Einrichtung eines För- erschwerpunktes für partikel- und stickoxidarme Nutz- ahrzeuge im EPR-Umwelt- und Energiesparprogramm er KfW Ende 2004 zeigt. Es ist maßgeblich der Initiative der Bundesregierung u verdanken, dass die PKW-Abgasgrenzwerte mit der uro 5 und für LKW EURO IV verschärft werden und U-weit eine hochwirksame Abgasnachbehandlung oder ergleichbare technische Lösungen für Diesel auf den eg gebracht werden. Das zentrale, weil schnell wirksame Instrument zur eduktion der Spitzenbelastungen aus dem Verkehr ist as gestern ins Kabinett eingebrachte Fördergesetz, Kfz- ovelle, zur Förderung von Dieselfahrzeugen mit Parti- elfilter über einen Bonus bei der Kfz-Steuer. Das veränderte Kfz-Steuergesetz bedarf der Zustim- ung des Bundesrates. Mit einem Gesamtvolumen von ,5 Milliarden Euro für das Förderprogramm ist den ändern ein faires, bezahlbares Angebot unterbreitet orden. Schließlich verfügen die Länder aufgrund des unehmenden Dieselaufkommens bis 2015 über Mehr- innahmen aus der Mineralölsteuer von circa 11 Milliar- en Euro. Überdies haben die Länder im Zeichen der uftreinhaltung in den vergangenen Jahrzehnten bereits n der Vergangenheit stets Förderprogramme für das rühzeitige Erfüllen neuer Abgasnormen aufgelegt. Angesichts beginnender Klageverfahren zur Einhal- ung der Grenzwerte sind die Länder und Kommunen un angehalten, mit raschen und wirksamen Maßnahmen icht nur Schadenersatzklagen betroffener Bürger, son- ern auch Bußgelder aus einem EU-Vertragsverletzungs- erfahren abzuwenden. Eine Reduktion der Rußpartikel us Dieselfahrzeugen ist für viele Ballungszentren ein ntscheidender Beitrag zur Einhaltung der geltenden trengeren Grenzwerte nach der Luftqualitätsrahmen- ichtlinie. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU- raktion, Sie können Ihren Beitrag im Kampf gegen den 16540 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Feinstaub und zur Stärkung des rot-grünen Gesamtkon- zepts für die Reduktion von Feinstaub leisten, indem Sie die unionsgeführte Mehrheit im Bundesrat für das För- dergesetz zum Partikelfilter gewinnen. Birgit Homburger (FDP): Gestern hat das Bundes- kabinett ein Gesetz zur Förderung von besonders parti- kelreduzierten PKWs auf den Weg gebracht. Über die Kfz-Steuer sollen damit Anreize für solche Diesel- PKWs geschaffen werden, die weniger Rußpartikel aus- stoßen und so zur Verminderung der Feinstaubbelastung insbesondere in Ballungsgebieten beitragen. Vorgesehen ist eine befristete Kfz-Steuer-Befreiung, die die Länder – wenn die Regelungen Gesetzeskraft erlangen – mit Einnahmeausfällen von voraussichtlich insgesamt 1,2 Mil- liarden Euro konfrontieren wird. Zu hoffen ist, dass die in den vergangenen Wochen mehr als hitzig geführte De- batte über die Feinstaubbelastung in deutschen Innen- städten sich ein wenig beruhigt und die hysterischen Züge verliert, die sie zwischenzeitlich angenommen hatte. Dies und ein Ende der unsäglichen Verunsiche- rung der Fahrer und Käufer von Diesel-PKWs könnten ein Ergebnis des Vorschlags der Bundesregierung sein. Wir dürfen uns aber nichts vormachen. Es wäre ein Irr- tum zu glauben, dass das Feinstaubproblem bereits mit der steuerlichen Förderung abgasarmer PKWs gelöst wäre. Keine Frage ist, dass eine zu hohe Feinstaubbelastung ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko darstellen kann. Selbstverständlich ist auch, dass der Staat handeln muss, wenn ein solches Risiko und sinnvolle Möglich- keiten zu dessen Beseitigung erkannt wurden. Ein Blick auf die Tatsachen ist hilfreich, wenn man allzu leichtfertige Verharmlosungen ebenso vermeiden will wie die Übertreibungen der vergangenen Tage und Wochen. Die Gefährlichkeit von Staub hängt im Wesent- lichen von drei Eigenschaften ab: Größe, Beschaffenheit bzw. Zusammensetzung der Partikel und schließlich ihre Herkunft. Insbesondere für gesundheitlich weniger wi- derstandsfähige Menschen ist Staub umso gefährlicher, je kleiner die Partikel sind, weil insbesondere ultrafeiner Staub eine hohe Durchgängigkeit bei den Atmungsorga- nen hat. Die Beschaffenheit der Partikel ist, beispiels- weise mit Blick auf die Metallhaltigkeit der Stäube, bei Kleinstpartikeln besonders wichtig, weil deren Oberflä- che, auf der schädliche Komponenten transportiert wer- den, relativ groß ist. Hinsichtlich ihrer Herkunft sind of- fenbar solche Staubpartikel besonders gefährlich, die aus Verbrennungsprozessen hervorgehen. Damit ist der Stra- ßenverkehr und der damit verbundene Dieselruß – neben Anlagen der Industriefeuerung und für den Hausbrand – eine qualitativ ernst zu nehmende Gefährdungsquelle. Wenn man Feinstaub tatsächlich wirksam bekämpfen will, muss man jedoch ein bundesweites, besser sogar europaweites Gesamtkonzept erarbeiten. Die FDP-Bun- destagsfraktion hat deshalb für ein integriertes Gesamt- konzept plädiert, in das örtliche, regionale, nationale und europaweite Maßnahmen eingebettet werden können. Dies ist erforderlich, weil Feinstaub oft die Folge be- stimmter Wetterlagen und geographischer Besonderhei- t i t W c d g B s b n k g s G d u e L v U D v D B N d k r t A L c r z s L d F r t d k p v z r w t P ß d i n (C (D en ist. Der eigentliche Staub entsteht häufig anderswo, n benachbarten Regionen und Ländern. Dort verursach- er Staub wird – in Abhängigkeit vor allem von der indrichtung, vom Wetter und von der jeweiligen örtli- hen Bebauungssituation – schlicht herangeweht, sodass as Problem mit eindimensionalen pauschalen Vorschlä- en nicht in den Griff zu bekommen ist. Hier liegt das wesentliche Versäumnis der rot-grünen undesregierung. Denn es wäre ihre Aufgabe gewesen, ich national mit Ländern und kommunalen Spitzenver- änden an einen Tisch zu setzen und die Entwicklung ei- es solchen Konzepts voranzutreiben und die Arbeit zu oordinieren. Parallel hätte die Bundesregierung mit der leichen Zielsetzung auf andere europäische Mitglied- taaten zugehen müssen. Erforderlich ist ein integriertes esamtkonzept, in das alle maßgeblichen Verursacher, as heißt Industrie, Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft nd private Haushalte, überregional und international ingebunden werden. Die FDP fordert in diesem Sinne ösungen statt Aktionismus. Der Antrag der Union ist on diesen Vorstellungen inspiriert und verdient deshalb nterstützung. Dr. Werner Schnappauf, Staatsminister (Bayern): ie Feinstaubpolitik der Bundesregierung ist geprägt on Widersprüchlichkeit und alten Feindbildern. Die iskrepanz zwischen Reden und Handeln zeigt sich zum eispiel am Thema Steueranreize für die Aus- und achrüstung mit Partikelfiltern. Beim Autogipfel mit er Automobilindustrie am 7. Juni 2004 lehnte Bundes- anzler Schröder einen deutschen Alleingang zur Förde- ung von schadstoffarmen Fahrzeugen ab und besänf- igte damit die Spitzenmanager der Automobilindustrie. m 30. März 2005 teilte Regierungssprecher Hans angguth dagegen mit, „im Kampf gegen die gefährli- he Luftverschmutzung in den Städten setzt die Bundes- egierung … auf Steueranreize für Rußfilter“. Bundesfinanzminister Eichel verspricht hierzu groß- ügig Steuergeschenke – bezahlen sollen dieses Ge- chenk nach seiner Vorstellung aber zu 100 Prozent die änder. Das ist keine seriöse Politik, das ist vordergrün- iges Agieren. Anstatt die Lösung der bundesweiten ragen und zum Beispiel die Reform der Kleinfeue- ungsanlagen-Verordnung zügig zu Ende zu bringen, be- reibt das Bundesumweltministerium Symbolpolitik mit en altbekannten Feindbildern Auto und Individualver- ehr. Entsprechend sehen einige Lösungsansätze aus. So lädiert das Umweltbundesamt (laut „Welt am Sonntag“ om 3. April 2005) zum Beispiel dafür, Ampelrotphasen u verlängern – als ob wir in unseren Städten nicht be- eits genug Stau hätten. Ein anderer Vorschlag des Um- eltbundesamts geht dahin, den Parkraum in den Städ- en zu verknappen – mit der Folge, dass der arkplatzsuchverkehr weiter steigt. Diese verkehrsfeindlichen Lösungsansätze lassen au- er Acht, dass Mobilität ein legitimes und wichtiges Be- ürfnis der Bevölkerung in einer modernen Gesellschaft st. Statt Feindbildern brauchen wir fortschrittliche, in- ovative Lösungen – sei es in der Fahrzeug- und Filter- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16541 (A) ) (B) ) technik, sei es in modernen Verkehrsleitsystemen für ei- nen flüssigen Verkehrsfluss in unseren Städten. Der Bund muss zügiger handeln. Seit Jahren drängen die Länderumweltminister den Bund zum Handeln: Be- reits 2001 und 2003 haben sie den Bund aufgefordert, ein Konzept für steuerliche Anreize vorzulegen. 2004 hat der Bundesrat ebenfalls klare entsprechende Forde- rungen an den Bund gerichtet. Jetzt endlich erfolgen die ersten Schritte des Bundes – doch auch jetzt geht der Bund zu zögerlich vor, zu halbherzig und vor allem im- mer noch ohne schlüssiges Gesamtkonzept. Bundesminister Stolpe will nun endlich, wie von Bay- ern längst gefordert, über eine stärkere Spreizung der Maut schadstoffarme LKWs begünstigen und die Maut wegen der Mautflüchtlinge auf Bundesstraßen ausdeh- nen. Das Europäische Parlament wird im Juni beraten, die Mautspreizung kurzfristig auf 100 Prozent auszudeh- nen. Bundesminister Eichel brachte am 25. April 2005 ei- nen Gesetzentwurf zur Förderung besonders partikelre- duzierter PKWs ein. Bekanntlich fordern dies die Länder seit November 2001. Wir brauchen einen Fördervor- schlag, der konsensfähig ist und nicht alle Kosten den Ländern aufbürdet. Ich verweise auf die Vorschläge von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Dabei sollten wir uns auf die Förderung der Altfahrzeuge konzentrie- ren, denn bei Neufahrzeugen regelt dies mittlerweile der Markt. Bundesminister Trittin hat am 23. April 2005 die Eck- punkte einer Kfz-Kennzeichnungsverordnung vorgelegt mit dem Ziel einer Bevorzugung schadstoffarmer Fahr- zeuge. Bekanntlich war dazu die Forderung von „min- destens drei Ländern“ erforderlich. Wir müssen weiter gehen: Wir brauchen eine vollständige Rechtsverord- nung zur Kennzeichnung schadstoffarmer Kfz, in der auch die erforderlichen Anpassungen der Straßenver- kehrsordnung enthalten sind. Selbst Bundeskanzler Schröder spricht sich nicht mehr – wie noch 2004 – gegen Partikelfilter aus. Auch hier gehen die süddeutschen PKW-Hersteller mittler- weile voran. Die Bayerische Staatsregierung hat Anfang April mit Audi und BMW eine gemeinsame Initiative zur schnelleren Einführung von Partikelfiltern gestartet. Wir brauchen eine rechtsverbindliche Euro-5-Abgas- norm der EU für PKWs und leichte Nutzfahrzeuge ein- schließlich der technischen Prüf- und Fördernormen. Kurz gesagt: Die zuständigen Bundesminister Trittin, Stolpe und Eichel handeln zu spät, zu wenig koordiniert und zu halbherzig. Gefordert ist eine nationale, ganzheitliche Strategie. Die Bundesregierung fokussiert das Feinstaubproblem zu einseitig auf den Verkehrsbereich und ignoriert die vielfältigen anderen Ursachen. Der Partikelfilter allein kann das Feinstaubproblem nicht lösen. Eine Abschätzung für hoch belastete Straßen zeigt, dass Grenzwertüberschreitungen auch dann noch eintreten werden, wenn alle Diesel-Kfz mit Filter ausge- rüstet sein werden. Auch Fahrverbote in den Innenstäd- ten halte ich für zweischneidig. Kann es umweltpolitisch w S s I c e te d w s m O h e A f B g s u z g U e a d t F s A D M I f e L d w k i l n k w t s (C (D irklich sinnvoll sein, wenn Kunden die so genannten taubzonen in den Städten meiden und künftig noch tärker auf der grünen Wiese einkaufen, während unsere nnenstädte veröden? Was wir brauchen, ist ein konsequentes ganzheitli- hes Reduktionsprogramm, das alle wichtigen Quellen rfasst. Beispiel Hausfeuerungsanlagen – Emissionsan- il in Bayern 27 Prozent –: Hier muss in der 1. BlmSchV er Staubgrenzwert bei Feststofffeuerungen abgesenkt erden. Diese Novelle steht aus – der Bund hat hier eine Aufgaben nicht erfüllt. Bayern ist darum bemüht, it den Kaminkehrern durch zusätzliche Beratung eine ptimierung der Heizungsanlagen in den privaten Haus- alten zu erreichen. Beispiel Industrieanlagen – Emissionsanteil in Bay- rn 19 Prozent –: Umsetzungstermin nach TA Luft für ltanlagen ist Oktober 2007. Wo ist zum Beispiel eine reiwillige Vereinbarung der Bundesregierung mit den undesverbänden der Wirtschaft für eine freiwillige vor- ezogene Erfüllung der TA Luft? Bayern wird mit die- em Ziel einen Dialog auf Landesebene mit Betreibern nd Verbänden führen. Hinzu füge ich nochmals den Appell, überall ehrlich u messen und die Messergebnisse zeitnah offen zu le- en: Die „Hitliste“ der Grenzwertüberschreitungen beim mweltbundesamt ist noch immer nicht auf einem aktu- llen Stand. Dort stehen seit langem Falsche am Pranger. Wenn die Bundesregierung endlich ihre Aufträge ab- rbeitet, dann könnten wir vielleicht doch zusammenfin- en. Denn letztlich brauchen wir eine konzertierte Ak- ion von EU, Bund, Ländern und Kommunen, um die einstaubbelastung im Interesse von Umwelt und Ge- undheit unserer Bevölkerung zu reduzieren. nlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“ (Tagesordnungspunkt 16) Petra Weis (SPD): Auch wenn die Tageszeit unserer ebatte über das Thema Baukultur zum wiederholten ale nicht geeignet ist, ein herausragendes öffentliches nteresse an dem behandelten Gegenstand hervorzuru- en: Der Umstand, dass wir hier und heute ein Projekt zu inem vorläufigen Ende bringen, das im Erfolgsfall das eben und mehr noch das Erleben unserer eigenen und er nachfolgenden Generationen nachhaltig beeinflussen ird, ist auch ab morgen früh noch aller Aufmerksam- eit wert. Im Gegensatz zur ersten Lesung des Gesetzentwurfes m März, bei der man befürchten musste, dass die jahre- ange grundsätzliche Übereinstimmung der vier Fraktio- en zur Gründung einer Bundesstiftung Baukultur so urz vor dem Ziel aufgekündigt werden würde, können ir heute bei der zweiten und dritten Lesung eine einmü- ige Zustimmung erwarten. Das ist dem Thema angemes- en und gibt denjenigen, die der Baukultur in unserem 16542 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Land die notwendigen Impulse geben können und wol- len, die Gewissheit, dass das Engagement der letzten Jahre nicht umsonst war und die Stiftung in absehbarer Zeit ihre Arbeit aufnehmen kann. Alles andere wäre auch ein herber Rückschlag gewesen. Unser Augenmerk liegt in den kommenden Wochen nun auf den weiteren Beratungen im Bundesrat, unser Anliegen liegt auf der Hand: Die Mehrheit in der Län- derkammer möge die Stiftungsgründung nicht länger hi- nauszögern, schon gar nicht mit Argumenten, die nicht in der Sache begründet sind, wie wir alle wissen. Wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel! Wir sind mit der Stiftung Baukultur einen ungewöhnlichen Weg gegangen, der an sich schon die Wiege des Erfolgs war: einen Weg des Dialogs mit allen am Thema beteiligten Expertinnen und Experten, ihren Verbänden und Organi- sationen, begleitet von einer konstruktiven Berichterstat- tung in den Medien und der Fachöffentlichkeit. Und wir waren uns in diesem Hause von Beginn an einig, dass sich das Thema Baukultur nicht für klassisch parteipoli- tische Kontroversen eignet, sondern der parlamentari- schen Unterstützung aller politischen Kräfte bedarf. Dass es uns trotz der Störmanöver aus den Reihen des Bundesrates gelungen ist, die kurzfristig verloren ge- glaubte Einigkeit wiederherzustellen, stimmt mich auch für die kommenden Jahre optimistisch. Denn Baukultur ist und bleibt eine gesellschaftliche und politische Daueraufgabe, die auf die Kompetenz und den guten Willen aller Beteiligten angewiesen ist, die sich – allen legitimen Eigeninteressen zum Trotz – auch und vor allem ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwor- tung bewusst sein müssen. Das gilt auch für die Fragen, die mit der Finanzierung der Stiftung verbunden sind. Baukultur ist zwar kein Lu- xusgut für Schönwetterperioden, aber die finanzielle Verantwortung des Bundes hat bekanntlich Grenzen. Wir müssen alles daransetzen, dass der Finanzbedarf der Stiftung in den kommenden Jahren in hohem Maße auch durch private Dritte gedeckt werden kann. Der Anfang ist bekanntlich gemacht und die Stiftungsgründung selbst wird sicher einen weiteren Schub auslösen. Baukultur prägt die be- und gebaute Umwelt und die Bundesstiftung Baukultur prägt entscheidend das öffent- liche Bewusstsein für eben diese Umwelt. Ein ausge- prägtes Bewusstsein für Baukultur sensibilisiert für gute Planungs- und Bauleistungen und würdigt dieselben. Die Stiftung Baukultur bildet eine nationale Plattform für gu- tes Planen und Bauen, und sie lenkt das Augenmerk des Auslands auf die Qualität von Planungs- und Bauleistun- gen in Deutschland. Sie ermutigt zu Engagement über die nationalen Grenzen hinaus und stärkt damit die Rolle der Beteiligten im internationalen Wettbewerb. Mit der Initiative Architektur und Baukultur, mit dem Statusbericht der Bundesregierung, mit dem 1. Konvent der Baukultur, mit unserem gemeinsamen Antrag zur Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen und schließlich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung einer Bundesstiftung Baukultur ist ein nachhaltiger Prozess in Gang gesetzt worden, der As- p n d f n B s t u B h g s i D n D w w n s t s B t L z B A S i d B g r t 2 B d t D w n s G i l I m n e c b g D (C (D ekte der Stadtentwicklung, des Städtebaus, des Woh- ens, der Stadtpolitik in Zeiten des ökonomischen und emographischen Wandels berührt und zugleich die er- olgreichen Ansätze unserer Politik auf diesen Feldern achhaltig unterstützt. Dieser Prozess ist ein wichtiger austein auf dem Weg zu einer Zivilgesellschaft, die es ich zum Ziel setzt, die Lebensqualität in unseren Städ- en zu verbessern, die Identifikation der Bürgerinnen nd Bürger mit ihrem Wohnort zu verstärken und ihre ereitschaft zur Mitgestaltung zu erhöhen. Wenn ich zu Beginn davon gesprochen habe, dass wir eute einen Prozess zu seinem vorläufigen Ende brin- en, dann bedeutet das zugleich, dass er doch wieder an einem Anfang steht. Das ist nicht paradox, sondern liegt n der Natur der Sache. Baukultur ist auf den ständigen ialog zwischen Expertinnen und Experten, Bürgerin- en und Bürgern, Wirtschaft und Politik angewiesen. ie Stiftung wird nur dauerhaft erfolgreich sein können, enn sie diese Dialogbereitschaft ständig fördert und er- eitern hilft. Sie sollte sich unserer aufrichtigen und achhaltigen Unterstützung über den Tag hinaus sicher ein können. Renate Blank (CDU/CSU): Im Frühjahr 1999 brach- en die Bundesarchitektenkammer und der Bund Deut- cher Architekten die Initiative „Architektur und aukultur“ ins Gespräch. Eine Lenkungsgruppe aus Ver- retern der Kammern und Verbände, Kommunen und ändern begleitete die Initiative und traf sich regelmäßig um Erfahrungsaustausch. Unter dem Label „Initiative aukultur“ wurden zahlreiche Veranstaltungen, wie das rchitekturquartett in Berlin, diverse Ausstellungen, ymposien und Kongresse, veranstaltet. Zugleich wurde m Rahmen der Initiative ein öffentlicher Dialog über as Baugeschehen und den Stand von Architektur und aukultur in unserer Gesellschaft geführt. Die ersten Er- ebnisse der Initiative sind in einem Bericht der Bundes- egierung zusammengefasst. Zur Fortführung der Initia- ive hat der Deutsche Bundestag im Bundeshaushalt 002 einen eigenen Haushaltstitel bereitgestellt. Zur Förderung der Baukultur soll das Bewusstsein für aukultur bei Bauschaffenden und Bürgern gestärkt und ie Qualität, Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Leis- ungsfähigkeit des Architektur- und Ingenieurwesens in eutschland national wie international herausgestellt erden. Baukultur meint in diesem Zusammenhang icht allein den ästhetischen Aspekt von Architektur, ondern die Qualität der gebauten Umwelt insgesamt: ebäude und Anlagen der Infrastruktur, ihre Einordnung n das Landschafts- und Siedlungsbild sowie den öffent- ichen Raum. Baukultur umfasst damit Architektur und ngenieurbaukunst, Stadt- und Regionalplanung, Denk- alschutz und Landschaftsarchitektur. Sie schließt Pla- en und Planungsverfahren, Bauen wie Instandhalten in. Durch Bundesgesetz soll eine Stiftung des öffentli- hen Rechts errichtet werden, die als eine bundesweit eachtete, unabhängige und mit hoher Fachautorität aus- estattete Institution für die Anliegen der Baukultur in eutschland eintritt, also eine bundesweite Plattform für Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16543 (A) ) (B) ) gutes Planen und Bauen. Sie ist keine Förderstiftung, sondern soll übergreifend den öffentlichen Dialog über die Kriterien für Baukultur organisieren und bei Akteu- ren und in der Bevölkerung Interesse und Aufmerksam- keit wecken. Sie soll helfen, ein aktives Netzwerk pla- nender und bauender Institutionen und Akteure in Deutschland aufzubauen, private Qualitätsinitiativen an- stoßen und so die Rahmenbedingungen für Baukultur in Deutschland verbessern. Ich bedauere sehr, dass unsere Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf der Bundesregierung leider auf Un- verständnis der Koalition gestoßen sind. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 18. Februar zum Aus- druck gebracht, dass „der Bund für die Errichtung einer ‚Bundesstiftung Baukultur‘ keine verfassungsrechtliche Kompetenz habe. Da der Gesetzentwurf vor allem in sei- nen Bestimmungen über den ‚Konvent der Baukultur‘ davon ausgehe, dass Baukultur ein Teilbereich der Kul- tur ist. Die Kulturhoheit liegt aber grundsätzlich bei den Ländern. Sie ist ihr verfassungsrechtlicher Auftrag und Kernstück ihrer Eigenstaatlichkeit. Ungeschriebene Kompetenzen des Bundes bedürfen mit Blick auf die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder als Ausnahme daher einer besonderen Rechtfertigung. Die Gesetzesbe- gründung enthält jedoch keinerlei Hinweis darauf, wel- che Kompetenzgrundlage die Bundesregierung für die Errichtung dieser neuen rechtsfähigen Stiftung des öf- fentlichen Rechts heranzieht. Nach Auffassung des Bun- desrates ist die Förderung der Baukultur als staatliche Aufgabe der Bundesgesetzgebung entzogen.“ Die Bundesregierung hat die ganzen Kompetenzpro- bleme in ihrer Gegenäußerung leider unzureichend be- antwortet. Deshalb sind die Sensibilität und die daraus resultierende Haltung des Bundesrates aus unserer Sicht durchaus verständlich. Der Bundesrat hat sich mit sei- nem sehr kurzfristig eingebrachten Antrag nicht gerade kooperationsfreudig gezeigt. Aus meiner Sicht ist auch sehr schwer nachzuvollziehen, warum jahrelange Bera- tungen nicht genutzt wurden, um schwerwiegende Be- denken auszuräumen. Um die Bedenken des Bundesrates auszuräumen, wurden der Koalition Vorschläge unterbreitet, um zu ei- nem Konsens zu kommen; leider wurden diese Ände- rungsvorschläge abgelehnt. Wir wollten analog der Kul- turstiftung des Bundes den Namen in „Baustiftung des Bundes“ umändern, um die Bedeutung der Qualität des Bauens, und alles was damit zusammenhängt, hervorzu- heben. Der Name „Stiftung Baukultur“ ist leider vom Land Thüringen schon besetzt worden, weshalb nun die Bezeichnung „Bundesstiftung Baukultur“ gewählt wurde. Des Weiteren findet im Stiftungsrat aus unserer Sicht die Beteiligung der Kommunen, die sich letzten Endes am meisten mit dem Begriff Baukultur und Quali- tät beschäftigen müssen, zu wenig Berücksichtigung. Wir hätten uns eine Festschreibung gewünscht. Nun muss der Konvent die nötigen Voraussetzungen schaf- fen, dass die kommunale Beteiligung ausreichend ge- währleistet ist. Ursprünglich war der Gedanke, dass der jährliche Fi- nanzbedarf der Stiftung – auf bis zu 2,5 Millionen Euro g w v b w l b d i s g w w h W s S f t H n o k s r d u z d l ß t z a d g d l f a S v a d w n m N f s t p n „ (C (D eschätzt – von privaten Dritten aufgebracht werden ürde. Dies ist leider fehlgeschlagen, obwohl man da- on ausging, dass sich jedes Planungs- und Architektur- üro in Deutschland mit rund 100 Euro beteiligen ürde; das hätte dann eine Summe von circa 12,5 Mil- ionen Euro ergeben und fünf Jahre wären ohne Bundes- eteiligung gesichert gewesen. Ich möchte deshalb auf ie ursprünglich geplante Finanzierung hinweisen, weil ch die Hoffnung habe, dass sich, wenn das Stiftungsge- etz auf den Weg gebracht ist, privates finanzielles En- agement in der ursprünglich geplanten Höhe einbringen ird. Um auch die Qualität im Vorstand zu unterstreichen, urde im Ausschuss eine Protokollnotiz folgenden In- alts beschlossen: „Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und ohnungswesen hat für wichtig erachtet, dass der Vor- tand der Stiftung über ausreichende, zur Erfüllung der tiftungsaufgaben erforderliche Qualifikationen ver- ügt. Daher sollte mindestens ein Vertreter des vom Stif- ungsrat zu berufenden Vorstands ein abgeschlossenes ochschulstudium oder eine gleichwertige Ausbildung achweisen können. Neben Führungskompetenz, Ko- perations- und Organisationsfähigkeit sind vor allem onzeptionelle Leistungen auf Gebieten, die den Ziel- tellungen der Stiftung entsprechen, wünschenswert.“ Im Interesse des gemeinsamen Anliegens, unter ande- em auch die Wahrnehmung unserer qualitätsvollen eutschen Architektur- und Ingenieurleistungen im In- nd Ausland zu verbessern, stellen wir unsere Bedenken urück und stimmen dem Gesetzentwurf in der Fassung es Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen zu. Nun iegt die Entscheidung beim Bundesrat. Den Entschlie- ungsantrag der FDP-Fraktion zur Errichtung einer Stif- ung bürgerlichen Rechts lehnen wir ab. Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr u meiner Freude habe ich festgestellt, dass sich nun uch die FDP für die Gründung einer Stiftung zur Beför- erung der Baukultur einsetzt. Nur leider fehlt die Be- ründung zum vorliegenden Entschließungsantrag, der och in einem entscheidenden Punkt von unserer Vor- age abweicht. Ich bin mir sicher, dass die Koalitions- raktionen die Konsequenzen aus dem FDP-Antrag strikt blehnen, denn seine Umsetzung würde bedeuten: weiter chulden machen! Was Sie wollen, liebe Kolleginnen on der FDP, ist – ich zitiere – „eine Stiftung mit einem ngemessenen Kapitalvermögen“. Damit schwebt Ihnen doch vor, dass die Ausgaben er Baukulturstiftung aus Kapitalzinserträgen finanziert erden könnten. Dann würden wir aber nicht 6,5 Millio- en Euro über mehrere Jahre brauchen, sondern sofort ehrere Hundert Millionen aus dem Bundeshaushalt. ein, für diesen Vorschlag werden Sie keine Mehrheit inden. Wir können den FDP-Antrag nur ablehnen. Gestatten Sie mir noch ein Wort zum Bundesratsein- pruch: Mit dem vom Ministerpräsidenten Koch initiier- en Vorgang ist er endgültig in der ersten Reihe der op- ositionellen Possenreißer angekommen. Der Bund sei icht zuständig, da im Begriff Baukultur ja das Wort Kultur“ vorkommt und die Kulturhoheit doch bei den 16544 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Bundesländern liege. Die logische Schlussfolgerung aus diesem Gedankenkonstrukt verweigert er uns leider, des- halb werde ich sie hier vorbringen: Die Bundesländer beteiligen sich an der Baukulturstiftung und nehmen da- rin ihre kulturelle Kompetenz wahr. Damit würden die Länder ihrer Verantwortung für die bauliche Entwick- lung in Deutschland nachkommen, anstatt einer von al- len Seiten als sinnvoll erachteten Stiftungsgründung Steine in den Weg zu rollen. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen und deshalb fordere ich die Bundesländer auf: Schließen Sie sich un- serer Initiative an und ebnen damit den Weg für eine Bund/Länder-Stiftung für Baukultur. Nun aber zu den Zielen, die die Baukulturstiftung ver- folgen soll. Wie unser Gesetzentwurf angibt, geht es im Wesentlichen um die Beförderung von guter Architektur und darum, das Verständnis in der Bevölkerung dafür zu verstärken, was gute Architektur ausmacht. Da sehe ich durchaus Handlungsbedarf auch bis in die Entschei- dungsebenen hinein. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Verantwortlichen in den Städten und Ge- meinden viel stärker als bisher mit Fragen nach der Wir- kung der bebauten Umwelt auf die Bewohnerinnen und Bewohner beschäftigen müssen. Wir brauchen Städte und Gemeinden, in denen die Menschen leben, mit de- nen sie sich identifizieren und in stabilisierenden Nach- barschaften geborgen fühlen können. Ich denke dabei auch an Strukturen, die Modernität und kulturelles Erbe verbinden und gleichzeitig wohlgestaltete Lebensraum für alle Bürgerinnen und Bürger schafft, für Erwachsene ebenso wie für Kinder, für den Arbeiter wie für die Pro- fessorin. Kontraproduktiv ist jedoch, wenn sich eine Fachjury auf international ausgewiesene exzellente Ar- chitektur verständigt die baugenehmigenden Behörden sich mit dem Architekten jedoch nicht auf gangbare Wege einigen und schließlich die Exekutive dem Archi- tekten das Bauprojekt entzieht, wie beim Zumthor-Bau für ein Museum zur Topographie des Terrors in Berlin kürzlich geschehen. Lieber nenne ich an dieser Stelle positive Beispiele, Beispiele für gute Architektur in einem gestalterisch ge- lungenen Umfeld. Das sind für mich beispielsweise das DG-Gebäude von Architekt Frank O. Gehry und der Pari- ser Platz oder der Anbau der Schweizer Botschaft neben dem Kanzleramt vom Architektenbüro Diener & Diener hier in Berlin oder die Gestaltung des neuen Münchner Stadions durch die Architekten Herzog und de Meuron. Die Bundesstiftung wird maßgeblich dazu beitragen, dass solche Beispiele hervorragender Baukultur weiter Schule machen und der Bevölkerung bekannt werden. Bei Bau- und Gestaltungsmaßnahmen sollten baukultu- relle Kriterien in Zukunft noch stärker angewendet und weiterentwickelt werden – auch auf diesem Feld wird die Stiftung wirken. Der Gesetzentwurf zur Gründung einer Bundesstif- tung Baukultur hat meine volle Unterstützung und ich fordere alle Fraktionen auf, sich unserer Gesetzesinitia- tive anzuschließen. l r k s d e g m I S l n k P B d P d r ti d „ c I d b s m A d u a d d t w t m d f d z a ü B d g u f I d (C (D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Es war ein anger Weg, bis wir heute gemeinsam das Gesetz zu Er- ichtung einer Bundesstiftung Baukultur verabschieden önnen. Das Anliegen, welches die Stiftung verfolgt, tellt eine große Herausforderung dar und ich hoffe sehr, ass die Stiftung die hohen in sie gesetzten Erwartungen rfüllen wird. Ich freue mich, dass die Koalition im Berichterstatter- espräch zwei Anregungen der FDP-Fraktion aufgenom- en hat, die ich für sehr wichtig halte: Die eine Änderung betrifft den Zweck der Stiftung. ch bin froh, dass wir im Berichterstattergespräch den tiftungszweck dahingehend präzisiert haben, die „Qua- ität, Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit des Pla- ungs- und Bauwesens“ herauszustellen. Eine Beschrän- ung auf die „wirtschaftliche“ Leistungsfähigkeit des lanungs- und Bauwesens wäre dem Grundgedanken der undesstiftung Baukultur nicht gerecht geworden. Zu- em hätte es zu recht alle möglichen Branchen an den lan gerufen, ebenfalls eine Stiftung einzufordern, die ie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Be- ufszweige herausstellt. Die zweite Anregung der FDP die die Koalitionsfrak- onen dankenswerterweise übernommen haben, ist min- estens ebenso wichtig: Die Aufgaben der geplanten Bundesstiftung Baukultur“ liegen nicht nur im öffentli- hen Interesse des Bundes, sondern vor allem auch im nteresse der Allgemeinheit. Daher sollte der Finanzbe- arf der Stiftung Baukultur von den Kammern und Ver- änden des Planungs- und Bauwesens, von den Bau- chaffenden und der Zivilgesellschaft wesentlich itgetragen werden. Daher war es unerläßlich, § 4 bs. 2 des Gesetzesentwurfs dahingehend zu ändern, ass die Stiftung nicht nur berechtigt ist, Zuwendungen nd Spenden Dritter anzunehmen, sondern dass sie dazu ufgefordert ist, das zur Erfüllung ihrer Aufgaben erfor- erliche Kapital aktiv einzuwerben. Dieses finanzielle Engagement Dritter wäre aller- ings einfacher zu realisieren gewesen, wenn die Stif- ung Baukultur als Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet orden wäre. Ein finanzielles Engagement privater Drit- er in einer Stiftung öffentlichen Rechts ist erfahrungsge- äß sehr viel schwerer zu vermitteln und zu realisieren, a die Anbindung der jeweiligen Institution an den öf- entlichen Haushalt zu eng ist. Daher fordern wir in unserem Entschließungsantrag, ie Stiftung Baukultur als Stiftung bürgerlichen Rechts u gründen. Dies würde nebenbei auch die – meines Er- chtens unberechtigten – Einwände des Bundesrates er- brigen, da dann ein Gesetz entbehrlich wäre. Wir hoffen, dass die Errichtung der Bundesstiftung aukultur die notwendige Bereitschaft der Bauschaffen- en, sich an der Initiative finanziell und ideell zu beteili- en, an der es im Vorfeld manchmal mangelte, beflügelt nd stimmen – ungeachtet der geäußerten Bedenken – ür den Gesetzentwurf und unterstützen diese wichtige nitiative. Ich verbinde mit dem Gesetzgebungsverfahren auch ie Hoffnung, dass die Besetzung des Stiftungsrates der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16545 (A) ) (B) ) Bundesstiftung Baukultur eine Vorbildfunktion für an- dere vom Bund finanzierte Einrichtungen haben wird, in denen die kleinen Fraktionen oftmals vom Informations- fluss abgeschnitten sind. Dass im Stiftungsrat der Bun- desstiftung Baukultur zukünftig alle vier im Bundestag vertretenen Fraktionen beteiligt sein werden, unter- streicht zudem das gemeinsame Anliegen und die ge- samtgesellschaftliche Aufgabe, die sich mit der Bundes- stiftung Baukultur verbindet. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Wir beraten heute das Gesetz zur Errichtung einer „Bundes- stiftung Baukultur“ in zweiter und dritter Lesung und ich freue mich ganz besonders darüber, dass der Regierungs- entwurf gestern in allen beratenden Ausschüssen einhel- lige Zustimmung gefunden hat. Dieses Ergebnis war nach der Entscheidung des Bundesrates vom 18. Februar 2005 und auch nach der ersten Lesung des Gesetzent- wurfs am 10. März 2005 nicht unbedingt zu erwarten. Um so mehr möchte ich allen Beteiligten, insbeson- dere den Berichterstattern aller Fraktionen, für diesen Konsens danken. Das Interesse an der Sache hat die Ein- sicht befördert, dass Baukultur kein Thema für parteipo- litische Streitigkeiten ist. Denn über die Notwendigkeit, die Baukultur in Deutschland zu fördern und das Be- wusstsein für ihre Bedeutung bei Bauherren und in der Öffentlichkeit zu stärken, sind wir uns alle einig. Ich denke, wir stimmen auch in der baupolitischen Ausrichtung des Begriffs Baukultur überein: Es geht hier um Architektur und um Ingenieurbauleistungen, um Städtebau und Landschaftsplanung, um Bauherren- und Unternehmerleistungen und es geht um Qualitätsmaß- stäbe und die dafür notwendigen Planungs- und Bauver- fahren. Mit der breiten Unterstützung, die der Gesetzentwurf gestern in allen Ausschüssen erfahren hat, knüpfen wir an die im Jahr 2003 fraktionsübergreifend beschlossene „Qualitätsoffensive für gutes Planen und Bauen“ an. Der Dialog über Baukultur in Deutschland, den wir mit der Initiative Architektur und Baukultur im Jahr 2000 ange- stoßen haben, findet in der Bundesstiftung eine ange- messene Form und kann unter ihrem Dach nun dauerhaft und wirksam fortgeführt werden. Mit der Errichtung der Stiftung erhält die Baukultur in Deutschland endlich die Präsenz und Aufmerksam- keit, die ihr zukommt. Damit verschaffen wir der Bau- kultur eine Plattform, die es in anderen Bereichen – Um- weltschutz, Denkmalschutz, Kultur – bereits seit vielen Jahren gibt. Wir schließen zugleich im europäischen und internationalen Vergleich an Institutionen und Projekte an, die Architektur und Baukultur als nationales Mar- kenzeichen und als Exportartikel erfolgreich „vermark- ten“. Das in diesem Bereich in Deutschland vorhandene Potenzial ist beachtlich und es gilt, diese Leistungen na- tional und international besser herauszustellen. Hiervon verspreche ich mir wichtige Impulse für den Standort D B e Q B r w r a d c u u w o v s g w r B s h K a j z r w r t t W r b D i w A d S S E e (C (D eutschland, die Qualitätsnachfrage beim Planen und auen und die Wertschätzung unserer gebauten Umwelt. Für die Bundesregierung steht außer Frage, dass sie ine Verantwortung dafür hat, ihre eigene Baupolitik mit ualitätsanspruch und mit Rücksicht auf die kulturelle edeutung des Bauens zu gestalten und zu kommunizie- en. Diese Verantwortung nimmt sie in vielerlei Hinsicht ahr: als Bauherr, als Gesetzgeber im Bauplanungs- echt, als Förderer des Städtebaus und auch im Hinblick uf das Wirtschaftswachstum und die Baunachfrage. Zu iesen Aufgaben gehört es natürlich auch, den öffentli- hen Dialog um die Maßstäbe der Baukultur zu führen nd zu organisieren. Der Dialog über die Qualitätsmaßstäbe des Planens nd Bauens kann nicht auf technische Fragen reduziert erden. Die qualitätsvolle Gestaltung von Bauwerken der von öffentlichen Räumen ist hiermit untrennbar erbunden und lässt sich nicht als vermeintlich eigen- tändiger Teil der Kunst isolieren. Gute Architektur ist anzheitliche Qualität: funktional, ökologisch, sozial, irtschaftlich und formgebend. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass die Bundes- atsmehrheit eine Mitverantwortung des Bundes für aukultur in Frage stellt. Wer die Begründung des Ge- etzentwurfs aufmerksam liest, wird erkennen, dass es ier um Fragen des Planens und Bauens geht, nicht um ulturpolitik. Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle noch einmal n die Länder appellieren, das Anliegen der Stiftung, das a auch der Bundesrat als wichtig anerkannt hat, nicht um „Spielball“ für politische Streitigkeiten ganz ande- er Art zu machen. Andernfalls hätte die Baukultur, die ir doch alle stärken wollen, das Nachsehen. Die Bundesstiftung Baukultur kann – in enger Koope- ation mit den bereits vorhandenen Institutionen und Ak- euren auf Länder- und Gemeindeebene – zu einem posi- iven baukulturellen Klima beitragen und die ahrnehmung für die baukulturellen Qualitäten in unse- em Land deutlich verbessern. Ich hoffe, dass die Stiftung durch ihre Arbeit auch ein reites ideelles und finanzielles Engagement bei privaten ritten, etwa bei den Architekten und Ingenieuren oder n der Bau-, Wohnungs- und Kreditwirtschaft auslösen ird. Denn Baukultur geht uns alle an. nlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Einführung von Real Estate Investment Trusts in Deutschland (Tagesordnungspunkt 17) Nina Hauer (SPD): Verehrte Damen und Herren von er Unionsfraktion, dieser Antrag ist leider typisch für ie und Ihr politisches Verhalten. Zuerst einmal fordern ie von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur inführung von Real Estate Investment Trusts und dann rst wollen Sie geprüft haben, ob dies überhaupt sinnvoll 16546 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) ist. Nein, das können wir nicht mitmachen. Wir halten die richtige Reihenfolge ein: zuerst prüfen und dann kommt gegebenenfalls ein Gesetz. Was sind Real Estate Investment Trusts, REITs, ei- gentlich? Worum geht es dabei? REITs sind vom Grund- satz her normale, unternehmerisch tätige Immobilienge- sellschaften, regelmäßig in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft. Anders als andere Kapitalgesell- schaften werden REITs jedoch nicht zugleich auf Gesell- schafts- und auf Anlegerebene besteuert. REITs sind vielmehr von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreit. Als Ausgleich für diese Befreiung sind sie zu ei- ner hohen Ausschüttung ihrer Erträge an die Anleger verpflichtet. Die ausgeschütteten Erträge werden beim Anleger versteuert. Natürlich gibt es gute Gründe zur Einführung der REITs in Deutschland: Weltweit sind REITs derzeit in 20 Staaten verankert. In Europa gibt es REITs bereits in Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und Bel- gien. Großbritannien plant, im Sommer nächsten Jahres ein REITs-Gesetz zu verabschieden. Deutschland hätte die Chance, die europäische Entwicklung entscheidend mitzugestalten und sich zum führenden Immobilien- markt in Europa zu entwickeln. Darüber hinaus könnten REITs einen wichtigen Beitrag zur Belebung des ange- schlagenen deutschen Immobilienmarktes leisten. Es be- steht sehr wohl auch eine Erwartungshaltung des Mark- tes: Sowohl bei in- und ausländischen institutionellen Investoren als auch in der Immobilienbranche besteht eine große Erwartung, dass in Deutschland in absehbarer Zeit REITs eingeführt werden. Die Einführung deutscher REITs wäre sowohl aus ka- pitalmarktrechtlichen als auch aus immobilienwirt- schaftlichen Gründen zu begrüßen und würde die Attrak- tivität des Finanzstandorts Deutschland stärken. Allerdings hätte die Einführung deutscher REITs wohl auch einige Nachteile im Vergleich zu den bestehenden deutschen Immobilienanlageprodukten: Bei REITs han- delt es sich um ein Kapitalmarktprodukt. Wie andere Aktiengesellschaften unterliegen REITs regelmäßig ei- ner stärkeren Kursschwankung als offene und geschlos- sene Immobilienfonds, weil ihr Kurswert an der Börse ermittelt wird und es daher zu Übertreibungen nach oben oder unten kommen kann. Dies ist für die Anleger mit einem höheren Risiko verbunden. Bei der Einführung deutscher REITs soll die Grund- erwerbsteuer nicht angetastet werden. Im Gegenzug sol- len sie von der Körperschaft- und Gewerbesteuer freige- stellt werden. Eine Besteuerung findet nur auf Anlegerebene statt. Da der REIT jedoch verpflichtet ist, 90 Prozent seiner zu versteuernden Einkünfte auszu- schütten, wird die Steuerbefreiung des REIT dadurch an- geblich kompensiert. Eine transparente Ausgestaltung der Besteuerung erscheint aufwendig und schwer prakti- kabel, zumindest in der Form, dass auf der Ebene des Anteilseigners eine Besteuerung entsprechend der Vor- belastung der vom REIT selbst bezogenen Erträge statt- findet. Probleme ergeben sich darüber hinaus insbesondere bei der Besteuerung ausländischer Anleger. Deutschland h g d d w n 2 t s 1 1 s D v l v n w m – t S n ü l f m g d s B t b g k s l e d r S n T d t b v r k d r S (C (D at in zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen ein so enanntes Schachtelprivileg vereinbart. Dieses besagt, ass ausländische Kapitalgesellschaften, die Dividen- en von deutschen Kapitalgesellschaften beziehen, dann, enn sie eine wesentliche Beteiligung hieran halten – je ach Doppelbesteuerungsabkommen zwischen 10 und 5 Prozent der Anteile –, diese in Deutschland begüns- igt versteuern können. Der normale Dividendensteuer- atz beträgt nach den Doppelbesteuerungsabkommen 5 Prozent, während der begünstigte Satz vielfach 5 oder 0 Prozent beträgt. Dies sind nur einige wenige Beispiele für ungeklärte teuerliche Fragen. Die Einführung von REITs in eutschland birgt objektiv betrachtet die große Gefahr on Steuerausfällen. Mögliche drohende Steuerschlupf- öcher müssen im Vorfeld einer möglichen Einführung erhindert werden, ohne dass dies einen zu großen orga- isatorischen bzw. regulatorischen Aufwand erfordern ürde. Eine Lösung der steuerrechtlichen Probleme uss sich auch in unsere steuerpolitische Leitlinie Steuersätze senken, die Bemessungsgrundlage verbrei- ern und vor allem Steuerschlupflöcher schließen und onderregelungen abbauen – einfügen. Es bestehen also eine Reihe offener Fragen, die es ge- au zu prüfen gilt. Wir müssen vor einer Entscheidung berzeugende und wirklich tragfähige Lösungen finden. Lassen Sie mich noch zwei Beispiele nennen: Zuwei- en ist die Befürchtung zu hören, dass eine REITs-Ein- ührung zu unerwünschten Erhöhungen von Wohnraum- ieten führen könnte und dass Mietwohnungen in roßem Umfang zum Nachteil der Mieter verkauft wer- en könnten. Dies müssen wir ernsthaft vor einer Ent- cheidung über die Einführung deutscher REITs prüfen. esteht außerdem die Gefahr, dass bei einer privilegier- en Besteuerung stiller Reserven im Rahmen der Ein- ringung von Immobilien in REITs Standortverlagerun- en deutscher Unternehmen unterstützt werden? Das ann doch wohl niemand wollen. Eine politische Entscheidung kann getroffen werden, obald Klarheit darüber herrscht, ob und wie sich vor al- em die offenen steuerlichen Fragen lösen lassen. Dann rst sollte der Deutsche Bundestag gegebenenfalls von er Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einfüh- ung von deutschen REITs einfordern. Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Seit dem ommer des vergangenen Jahres befinden wir uns in ei- er Diskussion über die Einführung von Real Investment rusts in Deutschland. Mehrere europäische Staaten, arunter die Benelux-Länder, Frankreich und Großbri- annien, haben die Bedeutung von REITs erkannt und ereiten die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen or bzw. haben sie schon geschaffen. Ziel der Einfüh- ung von REITs-Modellen ist es, Anlegern die Möglich- eit zu geben, sich an Immobilien zu beteiligen, die iese in Anbetracht hoher Investitionssummen nicht di- ekt selber erwerben können. Die Immobilienwirtschaft in Deutschland spielt eine chlüsselrolle in unserer Volkswirtschaft. Das Statisti- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16547 (A) ) (B) ) sche Bundesamt veranschlagt für 2004 den Wert deut- scher Immobilien auf rund 9 000 Milliarden Euro. Das entspricht mehr als dem vierfachen Wert aller Aktiva der deutschen Unternehmen oder aber dem Vierfachen des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Die Immobilienwirtschaft ist also ein wichtiger Fak- tor für einen erfolgreichen Finanzplatz Deutschland. Und genau hier liegt eine große Chance der Immobilien- märkte. Deutschland hat das Potenzial, größter Immobi- lienanlagemarkt Europas zu sein, auch mit Blick auf die hohe Nachfrage nach Anlagen in deutsche Immobilien- produkte. Wir hinken aber auch auf diesem Gebiet – wie auf vielen anderen derzeit auch – den anderen Industriena- tionen hinterher, zum Beispiel im Vergleich mit den USA: Dort sind rund 30 Prozent der investmentfähigen Gewerbeimmobilien im Besitz von Eigennutzern, rund 70 Prozent im Besitz von Dritten. Bei uns ist dieses Ver- hältnis genau umgekehrt. Der deutsche Immobilien- markt ist hinsichtlich betrieblicher Immobilien durch eine sehr hohe Eigennutzungsquote gekennzeichnet. Wir benötigen für eine leichtere Mobilisierung der betriebli- chen Immobilienbestände ein neues Anlageprodukt, das von nationalen wie internationalen Anlegern genutzt werden kann. Was wir brauchen, ist eine Flexibilisierung in der Im- mobilienfinanzierung mit dem Ziel, mehr Kapital in den für den Finanzstandort äußerst wichtigen Sektor zu len- ken. REITs sind besonders für institutionelle Investoren at- traktiv. Die Besteuerung findet ausschließlich auf der Ebene des Investors statt, die Anlagestrategie ist wenig reguliert und erlaubt die flexible Nutzung von Marktge- legenheiten. Darüber hinaus sind die zumeist börsenno- tierten REITs hochliquide, fungibel, transparent und un- terliegen einer strengen Corporate Governance. Die US-amerikanischen REITs haben in den zurück- liegenden 30 Jahren für ihre Aktionäre enorme Werte ge- schaffen. Die Investment Trusts, die produktive Immobi- lien besitzen und betreiben, erwirtschafteten für ihre Anteilseigner eine durchschnittliche jährliche Verzin- sung von fast 13 Prozent bei einer Gesamtmarktkapitali- sierung von über 250 Milliarden US-Dollar. Deutschland besitzt im internationalen Vergleich kein bekanntes und akzeptiertes Immobilienkapitalanlagepro- dukt. Die vorhandenen Immobilienanlageformen sind im Ausland wegen ihrer fehlenden internationalen Ver- gleichbarkeit so gut wie nicht bekannt. Der deutsche Fi- nanzplatz braucht ein Instrument, das geeignet ist, die Liquidität des Immobilienmarktes in Deutschland zu un- terstützen, Unternehmen von der Verwaltung nicht zu ih- rem Kerngeschäft gehörende Immobilien zu entlasten und damit insgesamt den Finanzplatz Deutschland zu stärken. Die geschlossenen Immobilienfonds, die wir derzeit in Deutschland haben, sind nicht vertretbar und der of- fene Immobilienfonds unterliegt nicht unerheblichen Anlagebeschränkungen. Eine attraktive Anlageform im Immobiliensektor fehlt in Deutschland bis heute. Dabei k s c u d n n m l a d s s w E w d B b G w A d m d F u A r s e t G l c d d w G s d t A z n i l i B p b w (C (D önnte ein neu einzuführendes REIT-Modell aufgrund einer anzustrebenden Börsennotierung auch als mögli- he EXIT-Lösung für geschlossene Immobilienfonds nd Immobilienspezialfonds dienen. Darüber hinaus könnte die Einführung von REITs azu beitragen, dass die Diskrepanz zwischen dem Fi- anzplatz London und dem Finanzplatz Deutschland icht noch größer wird. Auch wird es dadurch eher zu ehr als zu weniger Steuereinnahmen kommen. Das iegt zum einen an der hohen Mindestausschüttung und uch daran, dass sehr viele Immobilientransaktionen in en kommenden Jahren ausgelöst werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Auffas- ung, das wir mit der Einführung des REIT-Modells eine innvolle und für den deutschen Immobilienmarkt not- endige Maßnahme umsetzen. Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): in Antrag, der die umgehende Vorlage eines Gesetzent- urfs zur Einführung von REITs fordert, überrascht, enn wie der Union bestens bekannt ist, befasst sich die undesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern ereits seit einiger Zeit mit genau diesem Thema. Ein esetzentwurf liegt lediglich deshalb noch nicht vor, eil – was insbesondere die eingesetzte Bund-Länder- rbeitsgruppe mit Unionsbeteiligung festgestellt hat – ie Einführung mit komplexen steuerrechtlichen Proble- en verbunden wäre, für die noch keine Lösung gefun- en werden konnte. Vor diesem Hintergrund lässt die orderung der Union nur den Rückschluss zu, dass die mfangreiche Prüfung der Implikationen und konkreten uswirkungen einer solchen Norm zugunsten einer aschen Einführung eines Gesetzes aufgegeben werden oll. Für uns Grüne kann bei der Einführung von REITs ben wegen der schwierigen Einbettung in unser Kapi- almarkt- und Steuersystem die Devise nur lauten: ründlichkeit vor Schnelligkeit! Es ist eben nicht mög- ich, REITs-Modelle einfach nachzubilden. Die gesetzli- he Ausgestaltung der ausländischen REITs-Modelle ifferiert sehr und muss jeweils im Zusammenhang mit em spezifischen Recht des einzelnen Landes gesehen erden. Nicht umsonst sind die Bemühungen, REITs in roßbritannien zu regeln, auch dort aufgrund diverser teuerrechtlicher Probleme ins Stocken geraten. Doch lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen und uns ie Vor- und Nachteile von REITs einmal genauer be- rachten. Für eine Einführung spricht die Steigerung der ttraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplat- es Deutschland. Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist, achdem sich die hiesigen Immobilienanlageprodukte m Ausland nicht durchsetzen können, dass dadurch re- ativ wenig auswärtiges Kapital in deutsche Immobilien nvestiert wird. Durch den beabsichtigten Handel der REITs an der örse kann eine marktnähere Bildung der Immobilien- reise erwartet werden. Statt wie bei den offenen Immo- ilienfonds die Immobilien durch Sachverständige be- erten zu lassen, würde eine Bewertung der REITs- 16548 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Anteile durch Angebot und Nachfrage an der Börse er- folgen. REITs könnten zudem eine attraktive und transpa- rente Anlagemöglichkeit für jedermann darstellen. Der Handel an der Börse würde zur Transparenz beitragen und das Risiko begrenzen, die geplante hohe Ausschüt- tungsquote diese Anlageform für Kleinanleger interes- sant machen. Die Einführung von REITs hätte zweifellos auch positive Auswirkungen auf den deutschen Immobilien- markt und dessen Liquidität. Parallel könnten viele Un- ternehmen zusätzliche Finanzierungseffekte erzielen, was zu einer erhöhten Investitionsbereitschaft beitragen würde. Allerdings hat sich bei den Beratungen gezeigt, dass diesen positiven Effekten zumindest derzeit erhebliche Bedenken gegenüberstehen. Dazu zählen in erster Linie die immer noch offenen Fragen bezüglich der Gestal- tungsanfälligkeit, die mit der steuerlichen Behandlung der REITs einhergehen. Unser besonderes Augenmerk muss darauf liegen, kein Gesetz zu schaffen, das den öf- fentlichen Haushalten mehr Schaden als Nutzen bringt. Eine weitere Sorge, die sich mit der Investition von ausländischem Kapital in deutsche Immobilien verbin- det, ist im Mieterschutz begründet. Wir dürfen nicht zu- lassen, dass der „kleine Bürger“ die Verbesserung der Standortbedingungen für den Finanzplatz Deutschland mit dem Verlust oder der drastischen Verteuerung seines Wohnraumes bezahlen wird. Auch muss sorgfältig ge- prüft werden, ob mit der gesetzlichen Regelung von REITs nicht die Bildung einer Immobilienblase anregt wird. Des Weiteren darf ein REITs-Gesetz nicht dazu füh- ren, dass Immobilen durch ihre Umwandlung in REITs von Unternehmen steuerbegünstigt verkauft werden können und hinterher die Unternehmen das damit frei gewordene Kapital zu Standortverlagerungen und zum Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland einsetzen. Vielmehr müssen wir die Rahmenbedingungen so modi- fizieren, dass die Unternehmen einen Anreiz bekommen, das frei gewordene Kapital zu Investitionen am Standort Deutschland einzusetzen und damit zusätzliche Wert- schöpfung und Arbeitsplätze im Inland zu schaffen. Wir kritisieren in diesem Zusammenhang schon lange die ge- setzlich implementierte Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit von Unternehmensverlagerungen ins Aus- land. Ein Gesetz zur Einführung von REITs macht die Lösung dieser Problematik nur noch dringlicher. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Grünen der Einführung von REITs grundsätzlich offen gegen- überstehen. Auch wir erwarten, dass damit eine deutli- che Belebung des Immobilienmarktes und des Finanz- platzes Deutschland erreicht wird. Dennoch werden wir kein Gesetz unterstützen, welches neue Steuerschlupflö- cher schafft. So muss gewährleistet sein, dass nicht im Rahmen von Sale-and-Lease-back-Modellen Gewinne zwar steuerbegünstigt behandelt werden, die Aufwen- dungen aber voll abzugsfähig sind. Dies ist nicht unsere Vorstellung von Steuergerechtigkeit. G h e b k z W r R l b g g C A T i s E k g M D k n u l g tu m i w o M d w m s D r l e m W s l f j m n w j l (C (D Auch werden wir darauf achten, dass in einem REITs- esetz der Anlegerschutz groß geschrieben wird. Beste- ende aufsichtsrechtliche Standards müssen unbedingt ingehalten werden, risikoreiche Projekte dürfen nur in egrenztem Umfang in REITs eingestellt werden. Wir önnen es uns nicht leisten, eine neue Kapitalanlageform u schaffen, die das Vertrauen der Anleger in irgendeiner eise beschädigen könnte. Weil es derzeit keine tragfähige Lösung für einen echtlichen Rahmen gibt, der unseren Forderungen echnung trägt, werden wir den Antrag der Union ab- ehnen. Otto Fricke (FDP): Die heutige Debatte ist eine De- atte, die man im aktuellen Zusammenhang mit der so enannten Heuschrecken- und Kapitalismusdebatte ei- entlich ideologisch führen müsste. Ich bin jedoch der DU/CDU-Fraktion dankbar dafür, dass sie mit diesem ntrag zur Einführung von Real Estate Investment rusts in Deutschland eine Anregung gegeben hat. Mehr st dieser Antrag sicherlich noch nicht, dieses Thema tärker zu forcieren. Wenn es in Europa – sagen wir ruhig im alten uropa – ein Land gibt, in dem der Immobilienmarkt in einer Weise die aktivierende Rolle spielt, wie er sie ei- entlich spielen müsste, dann ist dieses der deutsche arkt. Natürlich hängt das damit zusammen, dass der eutsche im Umgang mit Immobilien ein hohes Maß an onservativem Gedankengut pflegt. Dieses mag per se icht schlecht sein, bei der Frage jedoch, wie ich Kapital nd damit letztlich auch Investitionen in den Immobi- ienbereich hineinbringe, ist es von erheblichen Risiken etragen, wenn ein Staat derartig wenig zur Aktivierung t. Wenn wir uns als verantwortungsvolle Politiker – für ich als Haushaltspolitiker steht dabei immer der Saldo m Vordergrund und nicht der Einzelaspekt – überlegen, ie wir Finanzmittel nach Deutschland bekommen, hne den Standort sozusagen zu verkaufen, so ist das ittel der Real Estate Investment Trust, (REITs) eines er am besten geeigneten. Die vielen Diskussionen, die ir über offene und geschlossene Immobilienfonds im- er wieder haben, insbesondere natürlich über die ge- chlossenen, zeigen, dass wir neue Mittel finden müssen. abei geht es aber im weltweiten Wettbewerb auch da- um, wann man diese Mittel einführt. Es geht auch nicht, dass wir – wozu wir Deutschen eider immer noch neigen –, sagen, wir nehmen unseren igenen Weg nach dem Motto: Auch am deutschen Im- obilienwesen sollen Europa und die Welt genesen. Aus diesem Grunde halte ich die REITs für einen ettbewerbsfaktor von erheblichem Ausmaß. Wir müs- en allerdings auch sehen, dass wir dieses Thema mög- ichst schnell behandeln. Hier ist die Regierung aufge- ordert, auch etwas Mut zu zeigen. Sicherlich, ich würde etzt wahrscheinlich die Einwände hören, dass man ja it den Ländern nicht klarkomme und dass die Kommu- en Angst haben. Jedes Mal natürlich – auch das wissen ir – Ängste um Steuereinnahmen und Ähnliches, die edoch immer nur von kurzfristiger Perspektive statt von angfristiger Überlegung geprägt sind. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16549 (A) ) (B) ) Vielleicht ist die Regierung und auch die sie noch tra- genden Koalitionsparteien hier in der Lage, den Mut zu- sammenzufassen und einen Gesetzentwurf vorzulegen. Mag er doch mal wieder an der Kleinstaaterei im Bundes- rat scheitern, zumindest hätte man gezeigt, was man will. Leider jedoch gilt – gerade wenn der eigene Fraktions- und Parteivorsitzende den Kapitalismus selbst in seiner Ausbringung als soziale Marktwirtschaft kritisiert –, dass man an diese Themen nicht mehr herangehen will. Be- sonders betrüblich ist dies, wenn wir sehen, dass die not- wendigen steuerlichen Angleichungen kaum stattfinden. Ich will die Thematik Steuer nicht zu sehr vertiefen, weise aber darauf hin, dass wir bei der Frage Steuerexit und bei der Frage der sich daraus ergebenden möglichen Doppelbesteuerungsfragen noch einiges an Weg zu be- schreiten haben. Insbesondere hinsichtlich der Problema- tik der Doppelbesteuerung muss es sehr schnell zu einer eindeutigen Regelung kommen, da Deutschland sonst ein nicht wieder einzuholender Standortnachteil droht. Lassen Sie mich aus Sicht der FDP eines verdeutli- chen: Die Forderungen, die die CDU/CSU in ihrem An- trag aufstellt, sind grundsätzlich zu unterstützen. Insbe- sondere die Frage Fungibilität über die Börse, aber auch Fragen der Dividendenreinvestitionsmodelle sind sicher- lich von erheblicher Bedeutung, wenn man Erfolg haben will. Man muss aber auch – das zeigen die Fragen insbe- sondere der geschlossenen Immobilienfonds – für eine Nachvollziehbarkeit und Transparenz sorgen, die es dem Anleger, selbst wenn er nur über geringe Vorbildung ver- fügt, erleichtert, in diesem Bereich zu investieren. Schließlich soll mir als Haushälter noch eine kleine Kritik an dem Antrag erlaubt sein. Ganz am Schluss wird darauf hingewiesen, dass die Regierung doch prü- fen sollte, ob die steuerlichen Rahmenbedingungen nach den Vorbildern anderer REITs-Modelle im Ausland mit der finanziellen Situation von Bund, Ländern und Ge- meinden zu vereinbaren sind. Diese Prüfung könnten wir alle schnell vornehmen, weil wir doch genau wissen, dass alle Haushalte verschuldet sind. Eine solche Über- prüfung, bei der kurzfristig nur gefragt wird, ob sie mit den Haushalten vereinbar ist, wird nichts nutzen. Wir als FDP sind der Ansicht, dass in der langfristigen Planung nur eine Übersicht über zehn Jahre sinnvoll ist; denn an- sonsten würden wir niemals bei neuen Finanzierungs- und Investitionsmodellen Erfolg haben. Dies ist auch lo- gisch, denn welches Modell soll Erfolg haben, bei dem als Erstes vom Investor verlangt wird, dass er sein Geld direkt versteuert? Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Anspruchs- und Anwart- schaftsüberführungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 18) Erika Lotz (SPD): Mit der am heutigen Tage anste- henden zweiten und dritten Lesung des Entwurfes eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und An- w g g b J u R t d N d w m w s w i n G f w r P s m 1 a G c 1 b s z r K b n a s w d b l t v ü z B B e u f 1 t t s (C (D artschaftsüberführungsgesetzes muss sich der Gesetz- eber zum wiederholten Male mit den gesetzlichen Re- elungen zur Begrenzung rentenrelevanter Entgelte efassen. Kaum ein Thema war in den letzten eineinhalb ahrzehnten im Rentenrecht juristisch und politisch so mstritten wie die Überleitung der Rentenansprüche und entenanwartschaften derjenigen Personen, die im wei- esten Sinne dem politischen System der DDR nahe stan- en. Wer die im vorliegenden Gesetzentwurf geregelte euregelung der Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 2 es Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und An- artschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssyste- en des Beitrittsgebiets, AAÜG, ausreichend würdigen ill, kommt nicht um einen Blick in die Geschichte die- er Norm umhin. Es ist ein lehrreiches Beispiel dafür, ie politisch Gewolltes durch die Mühlen der Gerichte mmer weiter verunstaltet wird, um letztlich auf ein Mi- imum reduziert zu werden, aber auch dafür, dass die ewaltenteilung in unserem Rechtsstaat einwandfrei unktioniert. Bereits im Jahre 1990 diskutierte die erste frei ge- ählte Volkskammer der DDR darüber, wie die unge- echtfertigten Privilegien der staats- und systemnahen ersonen abgebaut werden könnten. Das von ihr verab- chiedete Rentenangleichungsgesetz wurde aber nicht ehr umgesetzt. Der Einigungsvertrag vom 31. August 990 legte jedoch fest, dass ungerechtfertigte Leistungen bzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind. Es oblag dem gesamtdeutschen Gesetzgeber, mit dem esetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzli- hen Renten- und Unfallversicherung vom 25. Januar 991 einen ersten Versuch der Bewältigung dieses Pro- lems zu unternehmen. Neben der grundsätzlichen Ent- cheidung, dass auch zu überführende Entgelte nur bis ur Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversiche- ung zu berücksichtigen sind, sollten weiter gehende ürzungen diejenigen Personen treffen, die dem Staat esonders nahe standen. Bei diesen lag die Vermutung ahe, dass die von ihnen erzielten Verdienste nicht nur ufgrund ihrer Arbeit und Leistung erreicht wurden. Wer aber stand dem Staat besonders nahe? Der Ge- etzgeber wählte eine typisierte Betrachtungsweise. So urden manche Zusatzversorgungssysteme – wie das für ie hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates – als esonders systemnah angesehen. Überschritt das jewei- ige Einkommen das 1,4-Fache des Durchschnittsentgel- es, wurde eine Begrenzung auf das Durchschnittsentgelt orgenommen. Das zwei Jahre später folgende Renten- berleitungs-Ergänzungsgesetz verfeinerte aufgrund wischenzeitlich vom Bundessozialgericht geäußerter edenken den Kürzungsmechanismus. Vor dem Hintergrund eines Vorlagebeschlusses des undessozialgerichts an das Bundesverfassungsgericht rließ der Gesetzgeber 1996 das Gesetz zur Änderung nd Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- ührungsgesetzes, AAÜG-ÄndG. Es trat am 1. Januar 997 in Kraft und verringerte den von einer Kürzung be- roffenen Personenkreis auf rund 12 000 Personen. Be- roffen waren nur noch diejenigen Angehörigen von taats- oder systemnahen Zusatz- und Sonderversor- 16550 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) gungssystemen, die weit überdurchschnittlich verdien- ten. Der Grenzwert, von dem an die zu berücksichtigen- den Entgelte begrenzt wurden, wurde vom 1,4-Fachen des Durchschnittseinkommens auf das Entgelt der Ge- haltsgruppe E3 angehoben. Dieses entsprach dem Ein- kommen eines Hauptabteilungsleiters in einem Ministe- rium. Begrenzt wurden die Entgelte aber dann wieder auf maximal das Durchschnittsentgelt aller Versicherten. Mit Entscheidung vom 23. Juni 2004 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Regelung jedoch für mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 30. Juni 2005 eine verfassungsge- mäße Neuregelung zu schaffen, andernfalls würden die Vorschriften nichtig werden. Diesem Auftrag kommen wir mit dem vorliegenden Gesetz nach. Welche Vorgaben hat das Bundesverfassungsgericht aber gesetzt, an die wir uns halten müssen? Nach Ansicht des Gerichts hat der Gesetzgeber auch mit der Neuregelung durch das AAÜG-ÄndG eine unzulässige Typisierung vorgenommen. Zwar sei die Gruppe der Be- troffenen kleiner geworden, weil die Entgeltgrenze, von der an eine Kürzung greife, deutlich heraufgesetzt wurde. Das bereits mit Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts vom 28. April 1999 kritisierte gesetzliche Grundkonzept, hohe Entgelte mit überhöhten Entgelten gleichzusetzen, sei aber beibehalten worden. Anders als bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Entgeltbegrenzung für Angehörige des MfS/AfNS könne bei diesem Personenkreis nicht per se davon aus- gegangen werden, dass die Entgelte strukturell überhöht waren. Mit dieser Entscheidung standen wir vor einem gro- ßen Problem. Eine individuelle Prüfung, welche Ein- kommensbestandteile politisch motiviert waren, ist aus tatsächlichen und praktischen Gründen leider nicht mög- lich. Eine völlige Aufgabe der Entgeltbegrenzung des § 6 Abs. 2 AAÜG würde aber einen nicht zu ertragenden Wertungswiderspruch auslösen. Das Bundesverfas- sungsgericht hatte ja die Entgeltbegrenzung bei MfS/ AfNS bestätigt. Ohne eine Neuregelung würden diejeni- gen, die in herausgehobenen Funktionen im Partei- und Staatsapparat dem MfS/AfNS gegenüber weisungsbe- fugt waren, erheblich höhere Renten erhalten als diejeni- gen, deren für die Rentenberechnung zu berücksichti- genden Entgelte wegen der Tätigkeit im MfS/AfNS in zulässiger Weise auf das Durchschnittsentgelt begrenzt wurden. Es ist außerordentlich begrüßenswert, das sich vor diesem Hintergrund alle Fraktionen des Deutschen Bun- destages darüber einig sind, diesen Wertungswider- spruch zu beseitigen. Eine andere Entscheidung wäre auch – insbesondere bei den Opfern des SED-Regimes – auf völliges Unverständnis getroffen. Leider ist der Gestaltungsspielraum, den uns die Rechtsprechung nunmehr lässt, äußerst bescheiden. Nach intensiver rechtlicher Prüfung und Einschaltung der Stasiunterlagenbehörde haben wir aber eine – den rechtlichen Spielraum vollständig ausreizende – Mög- lichkeit gefunden, den Wertungswiderspruch zu beseiti- gen. g d d d n E h s P D R te d n le g li R te S le g n v g s e s s s n n g w R s li e M a d p a s W n l n z g A (C (D Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht vor, die Ent- eltbegrenzung auf diejenigen Zeiten zu beschränken, in enen solche Funktionen im Parteiapparat der SED, in er Regierung oder im Staatsapparat ausgeübt wurden, ie auch eine faktische oder rechtliche Weisungsbefug- is gegenüber dem MfS bzw. dem AfNS umfassten. benso werden aber auch Zeiten in Funktionen auf den öchsten Ebenen des so genannten Kadernomenklatur- ystems der DDR einbezogen. Über die im ursprünglichen Gesetzentwurf genannten ersonenkreise sind nunmehr weitere hinzugekommen. iese Erweiterung war notwendig, weil sich erst im ahmen der Beratungen herausgestellt hat, dass es wei- re Funktionsträger im Partei- und Staatsapparat gab, ie auf Entscheidungen des MfS bzw. AfNS Einfluss ehmen konnten. Hierzu gehören insbesondere: weitere itende Funktionäre der SED-Bezirks- oder Kreisleitun- en, Mitglieder von Staats- und Ministerrat, einschließ- ch der jeweiligen Stellvertreter, Staatsanwälte und ichter der so genannten I-A-Senate, leitende Mitarbei- r der Abteilung „Sicherheit“ des Zentralkomitees der ED sowie Mitglieder der Bezirks- oder Kreis-Einsatz- itungen. Ich möchte noch einmal betonen, dass der jetzt vorlie- ende Gesetzentwurf das Äußerste ist, was uns rechtlich och zulässig erscheint. Es ist für mich durchaus nach- ollziehbar, dass sich gerade die Opfer des SED-Re- imes eine größere Lösung wünschen. Aber die Ge- chichte der Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG hat indrucksvoll gezeigt, dass auch dem Gesetzgeber in un- erem Staate durch das Grundgesetz Grenzen gesetzt ind. Man kann die von der Rechtsprechung konkreti- ierten Grenzen bedauern und beklagen. Aber sie sind un einmal vorhanden und einzuhalten. Allen Fraktio- en dieses Hauses ist daran gelegen, dass die neue Be- renzungsregelung einen Abschluss darstellt. Ich denke, ir haben zusammen eine auch rechtlich überzeugende egelung geschaffen. Für die äußerst konstruktive und achliche Zusammenarbeit dabei möchte ich allen Betei- gten noch einmal ausdrücklich danken. Maria Michalk (CDU/CSU): Von mündigen Bürgern rwarten wir den ständigen Einsatz für Demokratie und enschenrechte. Joachim Gauck, der sich von Anfang n mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur befasst, hat ies wie folgt zusammengefasst: „Fortwährend bleiben Demokraten der Aufgabe ver- flichtet, Diktatoren zu bekämpfen und sie nachträglich uch noch zu delegitimieren. Sie sind gefährlich.“ Warum dieses Zitat? Die SED sprach in der DDR elbst von der Diktatur des Proletariats. Als wir in dieser oche am 8. Mai dem Ende des Krieges und des Natio- alsozialismus vor 60 Jahren gedachten, ist erneut deut- ich geworden, dass es sich für die Menschen in den euen Ländern um einen kurzen Zeitraum zwischen wei Diktaturen handelte. Wir sind als Parlamentarier efordert, nicht im Kampf gegen die Diktatur und deren ufarbeitung nachzulassen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16551 (A) ) (B) ) Ganz konkret geht es darum, nicht nachträglich die SED-Machthaber in ihren Entscheidungsstrukturen zu legitimieren. Alle Verantwortungsträger auf allen Ent- scheidungsebenen der DDR haben ein Regime erdacht, gestaltet und durchgesetzt, das nicht auf Freiheit und De- mokratie basierte, sondern auf Bevormundung und Ge- horsam. Wir dürfen nicht vergessen, dass die SED von Anfang an und seit 1968 gemäß der DDR-Verfassung als führende Kraft sich die Entscheidung in allen wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und damit in vielen persönlichen Lebensläufen vorbehalten hat. Diese Verantwortung können wir an staatsnahen Sonder- und Zusatzversorgungssystemen festmachen. De facto ist dies heute neben der persönlichen Erinnerung die ein- zige messbare Möglichkeit, politische Verantwortung zu reflektieren. Ich erinnere daran, dass die erste und die letzte frei gewählte Volkskammer dies in ihrer politischen Willens- bildung 1990 als Vermächtnis für den später folgenden Gesetzgeber festgeschrieben hat. Nach Vorgaben des Ei- nigungsvertrages sollten Leistungen aufgrund von Son- derregelungen überprüft und ungerechtfertigte politisch überhöhte Leistungen abgeschafft werden. Die Einzelregelungen wurden dem bundesdeutschen Gesetzgeber überlassen. Für Zeiten der Zugehörigkeit zu den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen werden nach dem AAÜG grundsätzlich die tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste bis zur Beitragsbemessungsgrenze an- erkannt. Ihre Grenze fanden diese bis zum 31. Dezember 1996 dort, wo unter anderem Mitarbeiter des Staatsappa- rates, von gesellschaftlichen Organisationen, von Par- teien bzw. Angehörige der bewaffneten Organe ein Ein- kommen von mehr als dem 1,4-Fachen des Durchschnittsentgeltes erzielt haben. In solchen Fällen wurden die Arbeitsverdienste auf das 1,4-Fache bzw. 1,0-Fache des Durchschnittsentgeltes gekürzt. Damit sollten die Vorgaben des Einigungsvertrages, überhöhte Entgelte abzubauen, umgesetzt werden. Diese Regelung ist durch das Bundesverfassungsgericht am 28. April 1999 für verfassungswidrig erklärt worden. Nach der neuerlichen Regelung erfolgt eine Begrenzung des tat- sächlich erzielten Einkommens nur noch dann, wenn Personen besondere Mitverantwortung in der DDR hat- ten. Als Maßstab für ein politisch überhöhtes Einkom- men wurde ein von einem Hauptabteilungsleiter im Staatsapparat erzieltes Einkommen der Stufe E3 oder ein in der Höhe vergleichbares Einkommen angesetzt. Aber auch diese Begrenzung wurde mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 23. Juni 2004 aufge- hoben. Der Gesetzgeber hat den Auftrag erhalten, bis zum 30. Juni 2005 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Wenn keine neue Regelung erfolgt, ist die Entgeltbegrenzung nichtig und bei allen Personen das Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu be- rücksichtigen. Das bedeutet eine Nachzahlung für rund 12 000 Betroffene von etwa 100 Millionen Euro und eine jährliche Mehrbelastung von 30 Millionen Euro. Von diesen Summen entfallen auf die Länder zwei Drit- tel auf den Bund ein Drittel. s F s v s n f d n l m u i m s r d f s l d s t n g r d t v V s e J R e Z F e u d a w E g v R l O m S B a g E S p (C (D Dass es sich bei der Rentenüberleitung Ost um eine ehr komplizierte Rechtsproblematik handelt, belegt der akt, dass es kaum ein Gesetz gibt, das so oft und inten- iv unsere Gerichte beschäftigt. Insgesamt haben die ereinigungsbedingten Verfahren beim Bundesverfas- ungsgericht zu sieben Senatsentscheidungen und zu ei- er dreistelligen Zahl von Kammerentscheidungen ge- ührt. Besonders das Bundesverfassungsgericht wurde in en letzten 15 Jahren in einem Maße in Anspruch ge- ommen, wie es für Rechtsfragen aus einem grundsätz- ich gleichen Anlass bisher noch nie der Fall war. Ehe- alige SED-Machthaber nutzen alle Möglichkeiten nseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates, um hre vermeintlichen Rechte durchzusetzen. Dabei kom- en allzu oft die moralischen Aspekte zu kurz. Wir müs- en immer wieder erkennen, dass die Aufarbeitung unse- er Geschichte ein komplexer Prozess ist. Der Gedanke er friedlichen Revolution muss uns dabei wie ein Leit- aden begleiten. Dass beim Prozess, Rechtsfrieden zu chaffen, auch ein zusätzlicher und immenser finanziel- er Aspekt zum Tragen kommt, zeigt die Entwicklung er Ausgaben der neuen Bundesländer an die Rentenver- icherung für die Zusatz- und Sonderversorgungssys- eme. Sie sind seit 1998 von insgesamt 1 475,7 Millio- en Euro auf 2 290,8 Millionen Euro im Jahr 2004 estiegen. Diese Mittel gehen in den konsumtiven Be- eich und stehen für Investitionen nicht zur Verfügung. Ich stelle noch einmal fest: Nach Prüfung des Bun- esverfassungsgerichtes verbleibt es für Stasi-Mitarbei- er bei der Begrenzung des tatsächlich erzielten Arbeits- erdienstes durch das Durchschnittsentgelt aller ersicherten, 1,0. Dies wurde ausdrücklich als verfas- ungsgemäß bestätigt. Dies befürworten wir auch heute rneut. Der Entwurf zur Umsetzung des Urteils vom letzten ahr wollte die Regelung zur Begrenzung des bei der entenberechnung berücksichtigungsfähigen Arbeits- ntgeltes neu fassen. Die Entgeltbegrenzung sollte auf eiten beschränkt werden, in denen insbesondere solche unktionen im Staatsapparat ausgeübt wurden, die auch ine Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS und AfNS mfassten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sah in ieser Vorgehensweise eine unzureichende Regelung vor llem gegenüber den Opfern des SED-Regimes. Deshalb ollten wir die tatsächliche Weisungsbefugnis auf allen benen stärker herangezogen wissen. Auf dieser Überle- ung fußte unser ursprünglicher Änderungsantrag. Ein- ernehmlich waren die vorgeschlagenen gesetzlichen egelungen zum Bestandsschutz und Übergangsrege- ungen der bereits bestandskräftigen Bescheide. Wir haben bei unserer Bewertung auch den Status der pfer des SED-Regimes zu beachten. In enger Abstim- ung mit den Landesbeauftragten für die Unterlagen des taatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und der irthler-Behörde wurde ein weit reichender Änderungs- ntrag in die kurze Beratungszeit eingebracht. Nunmehr ilt für folgende Beschäftigungen bzw. Tätigkeiten eine ntgeltbegrenzung: Erstens. Mitglied, Kandidat oder taatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheits- artei Deutschlands; 16552 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Zweitens. Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungs- leiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheits- partei Deutschlands, SED, sowie als Mitarbeiter der Ab- teilung „Sicherheit“ bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter; Drittens. Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Be- zirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Refe- ratsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht; Viertens. Minister, stellvertretender Minister, oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter; Fünftens. Vorsitzender des Nationalen Verteidigungs- rates, Vorsitzender des Staatsrates oder Vorsitzender des Ministerrates sowie als in diesen Ämtern ernannter Stell- vertreter; Sechstens. Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Si- cherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zustän- digen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften; Siebtens. Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR; Achtens. Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzlei- tung; Neuntens. Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate. Dieser erweiterte Weisungsbefugnisbegriff wurde dankenswerterweise von der rot-grünen Koalition mitge- tragen. Ich bin froh, dass es zu dem überfraktionellen Antrag gekommen ist. Wir haben mit dieser fraktions- übergreifenden Beschlussempfehlung gezeigt, dass wir erstens in der Bewertung des Unrechtsstaates DDR frak- tionsübergreifend konsequent sind, zweitens fraktions- übergreifend die Gerechtigkeitslücke zwischen Sys- temprivilegierten und Systemopfern Schritt für Schritt schließen wollen, drittens eine dauerhaft tragende Lö- sung für die Bewertung der Sonder- und Zusatzversor- gungssysteme brauchen. Ich bedanke mich bei allen, die geholfen haben, diese Willensbildung in ein Gesetz zu fassen, das systemnahen Entscheidungsträgern keinen nachträglichen Triumph ermöglicht. Das Bemühen um Gerechtigkeit ist ein stän- diger und herausfordernder Prozess. Wir haben an die- sem komplizierten Sachverhalt der Sonder- und Zusatz- versorgungssysteme unter Beweis gestellt, dass wir das mit großem Ernst immer wieder tun. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber zu einer Neuordnung der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderver- sorgungen der DDR verpflichtet. Die gesetzte Frist läuft im Sommer 2005 aus. Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf setzen wir das Urteil des Bundesverfassungsge- richts um, nicht mehr und nicht weniger. Wie stellt sich die Lage aus Sicht des Bundesverfas- sungsgerichtes dar? Das Bundesverfassungsgericht hat die Kürzung der Zusatz- und Sonderversorgung für Mit- arbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ausdrück- l A s l a ü h s r s v t g w g n d w a g d d S D s c d s O w r n z d n r O w D W b h r d v 2 g e d w v s N D S D (C (D ich gebilligt. Das Bundesverfassungsgericht hält die nnahme für begründet, dass die Entgelte beim MfS trukturell überhöht gewesen seien. Diese Unterstellung ässt sich jedoch laut Bundesverfassungsgericht nicht auf lle Empfänger von Sonder- oder Zusatzversorgung bertragen. Nicht für alle Versicherten, deren Entgelt och gewesen sei, gelte, dass ihr Entgelt überhöht gewe- en sei. Eine pauschale Begrenzung der Entgelte, auf de- en Grundlage die Rente berechnet werde, sei aus die- em Grund nicht zulässig. Wir machen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf on der Möglichkeit Gebrauch, eine neue Regelung zu reffen. Wir haben entschieden: Für diejenigen, die ge- enüber Mitarbeitern des MfS faktisch oder rechtlich eisungsberechtigt waren, sollen die Entgelte weiter be- renzt werden. Das gilt etwa für Parteisekretäre oder Mi- ister. Wir alle wissen, dass dieser Gesetzentwurf von jenen, eren Entgelte begrenzt bleiben sollen, kritisiert werden ird. Die Betroffenen und ihre Verbände meinen, dass uch die im Entwurf genannten Begrenzungen nicht be- ründet und gerechtfertigt seien. Was wäre, wenn wir iesem Anliegen Rechnung tragen würden? Dann wür- en die Renten für Mitarbeiter des Ministeriums für taatssicherheit gekürzt. Die Renten für jene, die in der DR in leitender Funktion gearbeitet haben und in die- er Funktion gegenüber dem Ministerium für Staatssi- herheit Weisungen erteilen konnten, müssten dagegen eutlich angehoben werden. Das kann man wohl chwerlich begründen. Wir alle wissen, dass dieser Gesetzentwurf von den pfern des SED-Regimes als Zumutung empfunden ird. Wir haben nicht das Anliegen jene zu privilegie- en, welche bereits in der DDR privilegiert waren. Wir ehmen Verbesserungen vor, die verfassungsrechtlich wingend sind. Wir halten uns streng an die Vorgaben es Bundesverfassungsgerichtes. Diese Koalition grenzt icht jene aus, die bereits in der DDR ausgegrenzt wa- en. Wir haben viele Debatten darüber geführt, wie den pfern des SED-Regimes geholfen werden kann. Wir erden weiterhin dafür sorgen, dass Menschen, die für emokratie gekämpft haben, nicht vergessen werden. ir sollten aber nicht vergessen, dass diese Koalition ereits eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht at. So wurde von uns das Strafrechtliche Rehabilitie- ungsgesetz für politisch Verfolgte der DDR geändert; ie Haftentschädigung wurde angehoben. Auch für die on Kohl vergessenen verfolgten Schüler haben wir 001 die Regelungen für die Anrechnung von Verfol- ung bei der Rentenversicherung verbessert. 2001 wurde benso festgelegt, dass Unterstützungsleistungen nach em Häftlingshilfegesetz nicht als Einkommen gewertet erden, wenn Sozialleistungen bezogen werden, die om Einkommen abhängig sind. Wir haben dafür ge- orgt, dass die Zivildeportierten jenseits von Oder und eiße eine jährliche Unterstützungsleistung bekommen. afür haben wir 1999 die Mittel für die Häftlingshilfe- tiftung von jährlich 300 000 DM auf jährlich 1 500 000 M erhöht. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16553 (A) ) (B) ) Die Antragsfristen im Strafrechtlichen, Verwaltungs- rechtlichen und Beruflichen Rehabilitierungsgesetz wur- den bis zum 31. Dezember 2007 verlängert. Das geht auf eine Initiative der Regierungsfraktionen zurück. Die Ausgleichsleistungen für die beruflich Verfolgten, die in ihrer wirtschaftlichen Lage beeinträchtigt sind, wurden im Zuge dessen angehoben. Auch Betroffene, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezie- hen, erhalten seitdem höhere Ausgleichsleistungen. Wir sollten diese Debatte sehr nüchtern und sehr sachlich führen. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Frauen in den Kri- senregionen Subsahara-Afrika stärken (Tages- ordnungspunkt 19) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Frauen zählen zu den Hauptleidtragenden in Kriegen. Das wird uns ge- rade in diesen Tagen anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus wieder in Erinne- rung gerufen. Frauen tragen in Kriegen die Hauptlast für das Überleben ihrer Familien. Sie werden zu Opfern von Vergewaltigungen. Sie tragen die Hauptlast, wenn es um den Wiederaufbau geht. Unsere Mütter und Großmütter haben uns davon erzählt. Mit ihren Erlebnissen und Traumatisierungen sind viele von uns aufgewachsen. Gerade in diesen Tagen werden wir wieder daran erin- nert. Wer kann da nicht nachvollziehen, wie sich Frauen heute in Kriegsgebieten auf dem afrikanischen Konti- nent fühlen müssen? So ist es in der Region Darfur, im Westen des Sudan. Eine ganz besondere Kriegswaffe, eine ganz besonders zu ächtende Kriegswaffe war die Vergewaltigung. Mit Vergewaltigungen hat man ganze Bevölkerungsgruppen demoralisiert, gedemütigt und entmutigt. Mordende und brandschatzende Milizen ha- ben systematisch und gezielt Frauen vergewaltigt, um die schwarzafrikanische Bevölkerung zu vertreiben. Die Regierung hat das Morden gebilligt. In den Flüchtlings- lagern lastet die Sorge für Kinder und Alte auf den Schultern der Frauen. Sie sind diejenigen, die das Über- leben organisieren. Das ist nur ein Beispiel. In anderen Kriegs- und Krisenregionen südlich der Sahara werden Mädchen und Frauen verschleppt. Sie werden ihren Familien entrissen. Sie werden zur Prosti- tution gezwungen. Zwölf-, 14-, 16-jährige Mädchen werden dazu missbraucht, mit der Waffe in der Hand ge- gen die eigenen Leute zu kämpfen. Wenn wieder Frieden einkehrt, sind sie deshalb ausgegrenzt und ausgestoßen. Sie müssen mit ihren traumatischen Erlebnissen allein fertig werden. Wir setzen uns für Frauen in Kriegs- und Krisenge- bieten Subsahara-Afrikas ein. Die Geschlechterperspek- tive in die Friedenspolitik zu integrieren, das ist für uns s r d g je v a a A d E F d d in Q F g z F u g h d v s B S Z r ti g W s k W F r f D v v B d d lu u G (C (D elbstverständlich. Im Rahmen der UN-Resolution 1325 ücken wir die Interessen von Frauen und Mädchen in en Vordergrund. Das gilt für die Krisenprävention. Das ilt für den Wiederaufbau. Wir unterstützen eine Vielzahl von Projekten, Pro- kte zum Beispiel, die den gleichberechtigten Zugang on Mädchen und Frauen zu Reintegrationsleistungen nstreben. Soldatinnen werden als besondere Zielgruppe ngesprochen. Zum Antrag der Union: Während ich die Analyse des ntrags in vielen Punkten teilen kann, muss ich hier och sagen: Dieser Antrag hat ein gravierendes Defizit. r verschweigt unser Engagement, mit dem wir die rauen und Mädchen in Subsahara-Afrika stärken. Auch dass die Bundesregierung die Resolution 1325 es UN-Sicherheitsrates nicht ausreichend umsetzt, iese Behauptung im Antrag ist schlichtweg falsch. Die Gleichberechtigung der Geschlechter haben wir der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zum uerschnittsthema gemacht. Wir machen uns stark für rauenrechte. Wir machen uns stark dafür, dass die Re- ierungen der afrikanischen Staaten die UN-Konvention ur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung der rau, CEDAW, unterzeichnen und ratifizieren. Wir schauen genau hin. Denn Gewalt gegen Frauen nd Mädchen, Diskriminierung und Benachteiligung ibt es in Subsahara-Afrika auch in Friedenszeiten. Da- er unterstützen wir Projekte und Organisationen, die ie Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft und Politik erankern. Schauen Sie nach Mosambik. Dort fördern wir chwerpunktmäßig Projekte und Organisationen, die die ildung von Frauen und Mädchen vorantreiben. chauen Sie nach Äthiopien. Genitalverstümmelung und wangsverheiratung sind in vielen Gemeinden als un- echtmäßig erklärt worden. Wir unterstützen Organisa- onen, die in den ländlichen Gemeinden vor allen Din- en aufklären und informieren. Schauen Sie nach Benin. ir haben die deutsche NGO Intact unterstützt, die dort eit Jahren gegen die weibliche Genitalverstümmelung ämpft, und zwar mit Erfolg. Unsere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie ieczorek-Zeul traf vor wenigen Wochen die mutigen rauen von Benin, die in freiwilligen Dorfkomitees da- über wachen, dass dieser blutige Brauch in ihren Dör- ern nicht mehr praktiziert wird. Wir unterstützen Frauen und Frauenorganisationen. azu zählt auch das überregionale Projekt „Förderung on Initiativen zur Überwindung der weiblichen Genital- erstümmelung“. Dieses Projekt wird in Burkina Faso, enin, Guinea, Mali, Äthiopien, Kenia, Senegal und em Tschad durchgeführt. Das Afrika der Subsahara ist nicht nur ein Kontinent er Kriege und Gewalt. Es gibt auch positive Entwick- ngen. Demokratisierungsprozesse wie in Südafrika nd Namibia erleichtern Reformen zugunsten der leichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und 16554 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Mädchen. Solche Entwicklungen gilt es mit aller Kraft zu unterstützen. Wir arbeiten an der Umsetzung der Millenniumsent- wicklungsziele, die wir im September 2000 unterschrie- ben haben. Frieden, Abrüstung, Armutsbekämpfung, Gesundheitsversorgung und Menschenrechte sollen auch in den Ländern Subsahara-Afrikas erreicht werden. Die Stärkung von Frauen und Mädchen ist der Schlüssel zur Entwicklung. Frauen stärken heißt Entwicklung stärken. Ihr Zugang zu Bildung, zu Eigentum, zu Land und zu wichtigen Funktionen in Politik und Gesellschaft, das sind die entscheidenden Meilensteine, um die Millenni- umsentwicklungsziele zu erreichen. Mutige und engagierte Frauen gibt es immer mehr. Ich nenne die Kenianerin Wangari Maathai, die im ver- gangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhielt. Ich nenne Waris Dirie aus Somalia, die sich gegen die Genitalver- stümmelung stark macht. Diese beiden Frauen kennt man mittlerweile auch hier. Das ist ein gutes Zeichen. Es reicht noch nicht. Noch viel mehr müssen die afrikani- schen Frauen gehört werden. Noch viel mehr müssen sie unterstützt werden, damit sie ihre Rechte durchsetzen können. An dieser Stelle möchte ich auch das Engagement der vielen unbekannten Frauen hervorheben, die sich in Sub- sahara-Afrika für Frieden einsetzen. Ihre Arbeit findet im Alltag statt. Ihre Namen gehen selten um die Welt. Dabei sind Sie die mutigen Vorbilder. „1 000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005“, so heißt eine Kampagne, die Friedensaktivistinnen in der Schweiz initiiert haben. Sie haben Frauen aus aller Welt – auch aus Ländern der Subsahara – für den Nobelpreis nominiert. Wir unterstützen diese Kampagne. Stellver- tretend für die 1 000 Frauen liegen die Namen von drei Frauen dem Komitee in Oslo vor. Sie wurden per Los- verfahren ausgewählt. Ihnen wünschen wir, dass Sie den Preis erhalten. Als Europäer tragen wir insgesamt eine besondere Verantwortung. Als ehemalige Kolonialmächte haben Generationen vor uns viel Unheil über den afrikanischen Kontinent gebracht. Ich erinnere nur an die Unterdrü- ckung und Vernichtung der Hereros im heutigen Nami- bia durch deutsche Truppen. Auch damals wurden Frauen vergewaltigt. Auch damals waren Frauen die Hauptleidtragenden. 60 Jahre Frieden in Europa sind für uns Frauen ein nicht zu unterschätzender Wert, noch mehr als für die männliche Bevölkerung. Ich stehe hier zu dem Antrag der CDU/CSU mit folgender Einstellung: Es ist gut, dass wir immer wieder den Fokus auf das noch immer exis- tierende Unrecht in der Welt lenken – aber bitte in Aner- kennung dessen, was unsere Regierung bereits leistet. Gabriele Groneberg (SPD): Als ich den Antrag vorgelegt bekam und mir durchlas, war meine erste Re- aktion: Es ist richtig, dass hier wieder einmal darauf auf- merksam gemacht wird, auf welche Weise Mädchen und Frauen Tag für Tag Unrecht geschieht, immer und immer wieder, teilweise auf grauenvolle Art und Weise. Es ist r B r a s d g S d d J s u l a d I p t U d d s o g d a o e i l t e v d z t z r (C (D ichtig: Dieser Antrag dient dazu, ein weiteres Mal den lick auf diese Geschehnisse zu lenken. Es wäre gut gewesen, wenn Sie sich bei den Forde- ungen, die Sie an die Bundesregierung richten, einmal ngeschaut hätten, was alles zur Umsetzung der UN-Re- olution 1325 gemacht worden ist. Ich habe den Ein- ruck, dass es Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit ent- angen ist, dass die Schritte zur Umsetzung der icherheitsratsresolution 1325 (2000) in einem Bericht er Bundesregierung vom Juni 2004 festgehalten wor- en sind. Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum der ahre 2002 und 2003. Erwähnenswert ist, dass sich die- er Bericht auf die Umsetzung im nationalen, regionalen nd internationalen Bereich bezieht; er ist also wesent- ich umfassender als der wichtige Bereich, der hier heute ngesprochen wird. Frau Schmidt hat einige Beispiele von Tätigkeitsfel- ern genannt, auf denen die Bundesregierung aktiv ist. ch will diese nur um einige wenige ergänzen: Es werden der zivile Friedensdienst, ZFD, Friedens- ädagogik und zivile Konfliktbearbeitung bei Viehhal- erethnien und Ackerbauern in der Region Soroti/ ganda unterstützt. 40 ugandische Polizeibeamte und -beamtinnen sind in er Bearbeitung von Fällen häuslicher Gewalt fortgebil- et und sensibilisiert worden. Die Zusammenarbeit zwi- chen der ugandischen Polizei und lokalen Frauenrechts- rganisationen ist gestärkt worden. Wiedereingliederungs- und Demobilisierungspro- ramme beispielsweise in Ruanda und Sierra Leone wer- en unterstützt. Wenn Ihnen das nicht reicht, möchte ich noch zitieren us dem Schattenbericht des Frauensicherheitsrats zum ben genannten Bericht der Bundesregierung. Der Frau- nsicherheitsrat ist im März 2003 gegründet worden und hm gehören rund 50 Frauen aus friedens- und entwick- ungspolitischen Organisationen, aus politischen Stif- ungen und Friedensforschungsinstituten an. Der Frau- nsicherheitsrat ist von der Bundesregierung also ollkommen unabhängig. Er hat als seine Hauptaufgabe efiniert, die Arbeit der Bundesregierung während ihrer weijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat kri- isch zu begleiten und dabei insbesondere die Umset- ung der Resolution 1325 zu beobachten. Ich zitiere aus den Vorbemerkungen zu diesem Be- icht: Vorab ist positiv zu erwähnen, dass die Bundesre- gierung ihre Berichtspflicht im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten ernst genommen hat. Die Mehrheit der Regierungen der UN-Mitgliedsländer hat keinen Report abgeliefert. Selbst Länder, die sich als Förderer von Resolution 1325 darstellen und sich im informellen Club der „Friends of the Resolution 1325“ zusammengeschlossen haben, ha- ben nur wenige Seiten geliefert. Zusammen mit Kanada gehört die Bundesrepublik zu denjenigen Staaten, die dem UN-Generalsekretär am ausführ- lichsten geantwortet haben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16555 (A) ) (B) ) Auch möchten wir deutlich machen, dass wir mit unserer Kritik an Passagen des Berichtes nicht die- jenigen treffen wollen, die sich innerhalb der Minis- terien nach Kräften um die Förderung von Ge- schlechterbewusstsein und um die Umsetzung der Resolution bemühen. Wir wissen um die schwierige und undankbare Si- tuation von engagierten Frauen und Männern in den Ministerien, die den demokratischen Auftrag, Ge- rechtigkeit zwischen den Geschlechtern herzustel- len, ernst nehmen und zu Genderfragen arbeiten. Einerseits sind sie angesichts ihrer Unterrepräsen- tanz überlastet, andererseits wird ihre Arbeit von traditionell denkenden KollegInnen abgewertet, die das „Gendering“ für ideologischen Ballast oder bü- rokratische Zeitverschwendung halten. Indem wir auf die Defizite und Erfordernisse in Bezug auf die Umsetzung der Resolution 1325 im politischen Be- reich hinweisen, hoffen wir, diese Frauen und Män- ner in ihrer Position und ihrem Engagement stärken zu können, damit auch der Bedarf an mehr Gender- Expertise in den Ministerien deutlich wird. Ich habe diese Vorbemerkungen aus folgenden Grün- den so ausführlich zitiert: Erstens. Seit dem In-Kraft-Treten der Resolution ist gerade von dieser Bundesregierung und im speziellen von Frau Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul so viel getan worden wie nie zuvor in Deutschland, um Mäd- chen und Frauen gerade auch in Krisenregionen zu hel- fen. Zweitens. Die in Ihrem Antrag enthaltenen Forderun- gen stehen schon längst auf der Agenda dieser Bundesre- gierung und werden in vielfältige Unterstützung für kon- krete Projekte umgesetzt. Drittens. Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch verbessern könnte. Einigkeit werden wir sicherlich er- zielen in der Feststellung, dass es immer noch mehr sein kann, was zu tun ist, um die Freiheit und die Würde der Mädchen und Frauen in den Krisenregionen nicht nur in Afrika, sondern in allen Krisenregionen auf der Welt zu schützen. Aber gerade darum wäre es schön gewesen, Sie forderten nicht einfach nur das, was bereits in Arbeit ist, sondern Sie könnten durch konkrete und auch lo- bende Unterstützung diesen Prozess besser befördern. Ich habe diese Vorbemerkungen des Schattenberich- tes auch deshalb so ausführlich zitiert, weil wir – damit komme ich zum Schluss – uns alle an die eigene Nase fassen sollten, wenn es auch bei uns im tagtäglichen Ge- schäft um die konkrete Verbesserung der Situation von Mädchen und Frauen geht. Wirklich glaubwürdig ist man vor allem dann, wenn man ein leuchtendes positives Beispiel abgibt. Ich gebe zu, daran haben auch wir in un- serem Land noch eine Menge zu arbeiten. Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): In den vergan- genen Jahren hat sich die politische Diskussion interna- tional und auch hier in Deutschland vermehrt den Pro- blemen in Afrika zugewandt. Heute liegt uns ein Antrag v b G a d W t v f c s Q s ü g d P v T w n u n d G E S s s s m S t G s b g T a a 4 2 f l a F F d d a B e t (C (D or, der die Situation der Frauen in Afrika zur Sprache ringt. Unter jedem politisch und gesellschaftlich wichtigen esichtspunkt, unter dem wir die Entwicklung in den frikanischen Subsahara-Ländern betrachten wollen, ist ie Situation der Frauen und Mädchen in besonderer eise besorgniserregender als die vergleichbare Situa- ion der Männer. Die Notwendigkeit, die spezifischen Menschenrechts- erletzungen gegen Frauen zu unterbinden und effektiv ür eine Befähigung der Frauen zu sorgen, zu einer gesi- herten und gleichberechtigten Position in Politik, Ge- ellschaft und Wirtschaft zu gelangen, ist daher eine uerschnittsaufgabe von hoher Priorität. Dabei stellt ich gleich zu Beginn eine doppelte Schwierigkeit. Was berall mit zur Sprache kommt, wird nicht selten als ei- ener wesentlicher Punkt übersehen. Daher begrüße ich en uns heute vorliegenden Antrag, der diese besondere roblemstellung, die Frauen in Afrika betreffend, her- orhebt. Bei dieser Querschnittsaufgabe, die so zahlreiche hemenfelder immer mit betrifft, ist es notwendig, so- ohl die Weite des Problemfeldes zu sehen als auch die otwendige Differenzierung in den Einzelschritten zu nternehmen. Wir reden über vier Fünftel eines Konti- entes, der eine Fläche hat, die zum Beispiel diejenige er EU um das Fünffache übersteigt. Wir reden über eine esamtbevölkerungszahl von fast einer viertel Milliarde inwohner, von einem Kontinent, in dem mehr als 1 500 prachen gesprochen werden und mehr als 3 000 ethni- che Gruppen klassifiziert werden. Innerhalb dieser gewaltigen, unvorstellbaren Dimen- ion sind die Lebensbedingungen der Frauen unter- chiedlicher als zum Beispiel die einer sizilianischen Fa- ilienmutter und die einer Industriearbeiterin in chweden. Dabei existieren diese großen Unterschiede eilweise innerhalb eines Landes oder eines begrenzten ebietes. Nicht selten treffen in benachbarten Regionen unter- chiedliche Religionen, die das zivile und politische Le- en bestimmen, unvereinbar aufeinander, spalten Bür- erkriege Nationen, jagen Armut, Naturkatastrophen ausende in die Migration. Auf der anderen Seite stehen ufblühende afrikanische Staaten wie Nigeria oder Süd- frika mit Wachstumsraten des BIP in 2004 von ,4 Prozent beziehungsweise von 3,5 Prozent, von über 8 Prozent, die uns nur mit Anerkennung und Neid er- üllen können. Auch wenn die Vereinten Nationen für 2004 feststel- en, dass es unter den benannten Milleniumszielen, die uch die Bekämpfung aller Formen der Gewalt gegen rauen und die Beseitigung der Diskriminierung der rauen und Mädchen beinhalten, verglichen mit den an- eren Zielen bis 2004 immer noch am besten aussah, arf das kein Grund zum Ausruhen sein. Der vorliegende Antrag zeigt in seiner Vielzahl der ngesprochen Punkte deutlich, wie gefährdet in großen ereichen die Situation der Frauen und Mädchen ist. Für ine sachgerechte und menschenzugewandte Afrikapoli- ik möchte ich daher an alle appellieren, bei jeder 16556 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Problemstellung und bei jeder Maßnahme verstärkt die Situation der Frauen als eigenen Punkt mit zu bedenken. Zudem zeigt der Antrag auch zahlreiche Felder auf, in denen Hilfe gezielt und ganz spezifisch für Frauen un- bedingt nötig ist: religiöse und traditionelle Formen der Verstümmelung von Frauen, Zwangsheiraten, die be- sondere Notwendigkeit einer Sorge um die durch Kriegstraumata gefährdeten Frauen und die teilweise mittelalterlich anmutenden Rechtsordnungen, die Frau- enabhängigkeit fördern und Menschenrechte verletzen. Bei diesem oft erschreckenden Bild der Gefährdung und Unterdrückung von Frauen in Teilen Afrikas und in dem Wunsch, hier schnell und nachhaltig Abhilfe zu schaffen, möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass es ebenso viele gute Aufbrüche in Afrika gibt, dass es Er- folge in der Gleichberechtigung der Frauen gibt, die teil- weise für uns in Deutschland und Europa vorbildlich sein können. Zahlreiche Frauen in hohen Ministerämtern in verschiedenen Staaten, die hohe Zahl von Frauen als AU-Kommissare, das und vieles mehr sollte ein wesent- licher Ansatzpunkt unserer Arbeit sein. Zu nennen ist auch der Erfolg in Benin, wo durch eine große zivile An- strengung die Verstümmelung junger Mädchen geächtet und abgeschafft wurde. Es gilt, im Gespräch um eine Verbesserung an dem in Afrika schon Geleisteten anzuknüpfen, die wachsende Eigenverantwortung der afrikanischen Länder nicht zu mindern, sondern zu unterstützen in einem konstruktiv- kritischen, aber partnerschaftlichem Miteinander. Wie wir alle hier wissen, betreten wir mit unserer heutigen Debatte nicht Neuland. Ich möchte es aber als eine Zäsur verstehen, sich gemeinsam explizit und verstärkt dem genannten Thema „Frauen in den Krisenregionen Afri- kas“ zu widmen. Daher möchte ich die Schlussfolgerung ziehen, dass der Antrag jene grundlegenden Aussagen macht, die wir als Wiederbeginn und Ansatzpunkt einer vor allem sehr differenzierten Entwicklung und gemein- samen Anstrengung nehmen sollen. Es ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam wahrnehmen und im Gespräch mit den afrikanischen Partnern voran- bringen müssen. Dann wird die heutige Debatte nicht nur in die lange Reihe jener Feigenblätter gehören, dass man darüber gesprochen hat, ohne zu wirklichen Verbes- serungen für die betroffenen Frauen zu kommen. Daher würde ich mir wünschen, dass der Deutsche Bundesstag zu einem gemeinsamen Antrag kommt, als Grundlage einer auf die Bedürfnisse der Frauen ausgerichteten Poli- tik in den Ländern Subsahara-Afrikas. Dr. Conny Mayer (Freiburg) (CDU/CSU): Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen. Das Zitat beschreibt die Vision, die Frauen in Guinea, in Sierra Leone und in Liberia gemeinsam haben: Sie wünschen sich „a sub-re- gion that is peaceful and prosperous inhabited by citi- zens who are healthy, educated, live in unity and enjoy- ing all their human rights including equity and equality with women playing an effective role in peace and sus- tainable develop ment processes. b N s s z d o f k w r d K d u a u s a f t g d g s K l F f B s k a z G g s s t f b v g R – F a F n w w z (C (D Frauen aus diesen drei westafrikanischen Ländern ha- en sich im Mai 2000 zum „Mano River Women’s Peace etwork“ zusammengeschlossen. Es ist eine NGO, die ich für Frieden und Entwicklung in dieser krisenge- chwächten Region einsetzt. Diese Frauen haben sich usammengetan, weil sie es satt hatten, mit ihren Kin- ern zusammen die Hauptlast von Konflikten zu tragen – hne ein Mitspracherecht bei der Wahrung und Schaf- ung von Frieden zu haben. Mit viel Energie und Dynamik klären sie die Bevöl- erung über Mechanismen von Frieden, Sicherheit und irtschaftlicher Entwicklung auf. Sie fordern gleichbe- echtigte Beteiligung von Frauen auf allen Entschei- ungsebenen ein. Sie engagieren sich für friedliche onfliktlösungen. Ziel sind Geschlechtergerechtigkeit, ie Respektierung von Menschenrechten, Demokratie nd nachhaltigem Frieden. Diese Frauen brauchen unsere Unterstützung. Wer frikanische Frauen kennt, wer um die Energie, die Kraft nd den Mut dieser Frauen weiß, dem ist klar: Vieles chaffen diese Frauen allein. In manchem brauchen sie ber unsere Solidarität und unsere Unterstützung. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Bundestags- raktion zeigt auf, wo wir helfen sollten und wo uns Un- erstützung möglich ist. Warum geht es in diesem Antrag erade um Frauen in Krisengebieten, warum gerade um ie Situation in Subsahara-Afrika? In Subsahara-Afrika ibt es derzeit 14 Krisengebiete, mehr als irgendwo onst auf der Welt. Denken Sie an den Sudan, an die DR ongo, denken Sie an Simbabwe oder eben an das Drei- ändereck Liberia, Sierra Leone und Guinea! Die Frauen, um die es in diesem Antrag geht, also rauen in Krisenregionen, sind durch gewaltsame Kon- likte gleich mehrfach betroffen: als Flüchtlinge und innenvertriebene, als Opfer von Gewalt, vielfach auch exueller Gewalt, als „Kämpferinnen“ und Beteiligte an riegerischen Auseinandersetzungen, als diejenigen, die uch unter schwersten Lebensbedingungen die Familie usammenhalten und Kinder und Ältere versorgen. ründe genug, die Situation von Frauen in den Krisen- ebieten Subsahara-Afrikas in einer Debatte des Deut- chen Bundestages zu thematisieren! Mehrere Staaten Subsahara-Afrikas gehören zu den o genannten Failing oder sogar Failed States, also Staa- en, in denen staatliche Strukturen nur unzureichend unktionieren oder gar nicht mehr vorhanden sind. Ins- esondere in diesen zerfallenden Staaten ist die Situation on Frauen außerordentlich schwierig, weil überwunden eglaubte Traditionen und Gewohnheitsrechte, die die echte von Frauen verletzen, häufig wieder aufleben denken Sie zum Beispiel an die Benachteiligungen von rauen bei dem Erwerb von Grund oder Eigentum oder n die Frage der sexuellen Selbstbestimmung –, weil rauen und Mädchen dort keinen Zugang zu angemesse- er Gesundheitsversorgung oder zu Familienplanung so- ie Prävention und Therapie von HIV/Aids haben und eil die Chancen von Frauen und Mädchen auf Zugang u Bildung in solchen Ländern sinken. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16557 (A) ) (B) ) Da schließt sich auch der Kreis zu den Millennium- Entwicklungszielen. Denn alle drei Bereiche, die ich jetzt genannt habe, sind Teil der weltweiten Entwick- lungsziele. Das heißt für uns: Zur Erreichung dieser Ziele müssen wir auch und gerade die besondere Situa- tion von Frauen in Krisengebieten beachten. Damit komme ich zur Bundesregierung. Sie hat bis- her weder ein schlüssiges und resortübergreifendes Afri- kakonzept vorgelegt, noch hat sie den Frauen in Krisen- gebieten bisher ausreichend Beachtung geschenkt, übrigens auch nicht der Frage, wie wir mit zerfallenden Staaten Afrikas umgehen sollen. Auch hier fehlt ein Konzept. Wichtiger Bestandteil des Antrages der CDU/CSU- Bundestagsfraktion ist die Resolution 1325. Die Staaten- gemeinschaft hat sich darin verpflichtet, Frauen stärker zu beteiligen: bei Friedenserhalt, bei Friedensbewah- rung, bei Konfliktlösung und beim Wiederaufbau. Lei- der ist dieses Ziel noch lange nicht erreicht. Auch die Bundesregierung hat sich zur Umsetzung der Resolution 1325 verpflichtet – auf dem Papier. Rea- lität ist leider, dass trotz zweijähriger Mitgliedschaft Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen noch immer kein nationaler Umsetzungsplan vorliegt. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich für eine stärkere Beteiligung von Frauen bei Aktivitäten zum Friedenserhalt, zur Friedensbewahrung, zur Konfliktlö- sung und beim Wiederaufbau einzusetzen, um damit die Resolution 1325 des Sicherheitsrates umzusetzen und um damit Frauennetzwerke wie dem vom Mano-Fluss politisch zu würdigen und in ihrer Arbeit zu unterstüt- zen. Ulrich Heinrich (FDP): Frauen und Mädchen sind nicht nur diejenigen, die besonders unter gewaltsamen Konflikten und Kriegen zu leiden haben, oft tragen sie auch die Hauptlast für das Überleben und den Wieder- aufbau eines Landes. In welcher Art und Weise Frauen und Mädchen in besonderem Maße die Leidtragenden von Gewalt sind, wird in dem vorliegenden Antrag aus- führlich beschrieben und braucht nicht wiederholt zu werden. Ich möchte aber betonen, dass dies natürlich nicht nur Frauen und Mädchen südlich der Sahara be- trifft, sondern überall auf der Welt, wo kriegerische Aus- einandersetzungen stattfinden. Diese dürfen wir nicht vergessen, auch wenn es richtig ist, den Fokus auf den afrikanischen Kontinent mit seiner Vielzahl von Kon- flikten und Krisen zu richten. Das besondere Augenmerk, welches wir auf Frauen und Mädchen in Krisenregionen legen müssen, liegt vor allem auch an der Tatsache, dass die Frauen oft die ers- ten sind, die sich für friedliche Lösungen einsetzen und die Gewaltspirale durchbrechen wollen. Hierin müssen wir sie bestärken und massiv unterstützen. Doch vor al- lem nach der Beilegung von Konflikten benötigen Frauen und Mädchen unsere Aufmerksamkeit und spezielle Programme, um ihre Rechte gegenüber den heimkehrenden Männern wahrnehmen zu können. F d 9 z T f w h G e K g w A g k g n k k S f t h P w e P e u F r u d h F d P d f M s d t I b t l A u v d (C (D Frauen sind ebenso ein wichtiger wirtschaftlicher aktor. Von der Vergabe von Mikrokrediten wissen wir, ass Frauen auch zuverlässiger als Männer sind, über 0 Prozent zahlen ihre Raten pünktlich und tragen so um wirtschaftlichen Aufbau ihres Landes bei. Diese atsache müssen wir stärker berücksichtigen und Mikro- inanzierungsprogramme wo irgendmöglich anbieten. Ein weiterer Aspekt, Frauen stärker in unserer Ent- icklungszusammenarbeit zu beachten, ist die Gesund- eitsvorsorge. Meist obliegt es den Frauen sich um die esundheit der gesamten Familie zu kümmern. Sie sind s, die Ärzte und Gesundheitszentren aufsuchen, ihre inder behandeln lassen und gegenüber Beratungen auf- eschlossen sind. Dies müssen wir ausnutzen und so- ohl die Aufklärung über Familienplanung und HIV/ ids als auch über gesundheitliche Vorsorge und Hy- iene im Allgemeinen zusammen verfolgen. Frauen dürfen bei der Neuordnung und beim demo- ratischen Aufbau von Gesellschaften nicht ins Abseits estellt werden. Deswegen ist die Umsetzung des inter- ationalen völkerrechtlich verbindlichen Genfer Ab- ommen, des Aktionsplanes der Pekinger Weltfrauen- onferenz 1995 und die Resolution 1325 des UN- icherheitsrates, die alle die Beteiligung von Frauen bei riedenschaffenden Maßnahmen beinhalten, so bedeu- end. Aus diesem Grund hat sich auch die Welthunger- ilfe unter dem Motto „Überleben Frauensache“ dieser roblematik intensiv gewidmet. Sie haben sicher, ebenso ie ich, das sehr ausführliche und anschauliche Material rhalten, mit welchem uns die Welthungerhilfe über ihre rojekte informiert hat. Mich haben die Geschichten der inzelnen Frauen sehr beeindruckt und darin bestärkt, in nserer Entwicklungszusammenarbeit die Belange von rauen und Mädchen noch stärker einzubinden. Der Antrag der Union hat hierzu umfassende Forde- ungen aufgestellt, die die FDP-Fraktion ausnahmslos nterstützt. Herausgreifen möchte ich die Forderung 12, ie die Umsetzung der Resolution 1325 des UN-Sicher- eitsrates beinhaltet. Die UN-Resolution sieht vor, mehr rauen zu UN-Sonderbotschafterinnen zu ernennen und en Anteil von Frauen beim militärischen und zivilen ersonal von Friedensmissionen zu erhöhen. Ich halte diese Forderungen für essenziell, wenn Frie- ensmissionen einen dauerhaften und nachhaltigen Er- olg haben sollen. Denn nur so ist gesichert, dass die von ännern oft vernachlässigten Themen, wie zum Bei- piel Vergewaltigungen als Kriegsstrategie, die Situation er Kinder und alter Familienangehöriger sowie die Be- eiligung von Frauen in der Politik, behandelt werden. ch denke hier haben gerade wir noch großen Nachhol- edarf. Dr. Uschi Eid, Staatssekretärin bei der Bundesminis- erin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- ung: Was bedeutet es, wenn man liest, zwei Drittel der nalphabeten in Afrika sind Frauen? Dahinter stecken nzählige Schicksale von Frauen, denen die Möglichkeit erwehrt blieb, zu lernen, Wissen zu erwerben. Dabei ist ies doch der erste Schritt überhaupt, damit sich 16558 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Perspektiven eröffnen und die Menschen zu Wohlstand gelangen können. Gerade beim Zugang zu Bildung werden Frauen noch immer benachteiligt. In der Primarschulbildung ist die Einschulungsrate für beide Geschlechter in elf afrikani- schen Staaten gleich, in der Sekundarschule jedoch nur noch in drei Ländern Afrikas. Eine fatale Entwicklung, sind Frauen doch ein Motor für die wirtschaftliche Ent- wicklung. Nehmen wir die landwirtschaftliche Produk- tion in Afrika – sie wird weitgehend von Frauen getra- gen, weil sie über 90 Prozent der Grundnahrungsmittel produzieren. Schätzungen von UNIFEM zufolge erledi- gen sie in den meisten Ländern 70 bis 80 Prozent der Ar- beit, die getan werden muss – und das ohne Bezahlung. Im Aktionsprogramm 2015 hat die Bundesregierung bekräftigt, dass die Ursachen der Armut nicht zuletzt in der mangelnden Gleichberechtigung der Geschlechter liegen. Besonderes Augenmerk gilt daher dem gezielten „empowerment“ von Frauen: Es geht um einen gleichbe- rechtigten Zugang von Frauen und Mädchen zu Grund- bildung, um den Kampf gegen Frauen- und Kinderhan- del, darum, dass Frauen ihre Stimme in politische Prozesse einbringen können. Wenn wir Frauen in Afrika stärken wollen, zumal in Krisenregionen, sehe ich zwei Ansatzpunkte: zum einen alle Maßnahmen, die generell zur Entwicklung beitra- gen, aber von denen bisher benachteiligte Frauen beson- ders profitieren. Ich denke beispielsweise an die Wasser- versorgung, traditionellerweise eine Aufgabe von Frauen. Aber: Solange Frauen zu viel Zeit damit zubrin- gen müssen, Trinkwasser von weither zu holen, bleibt das wirtschaftliche Potenzial von Frauen ungenutzt. Die Frage, die sich zudem in Afrika oftmals stellt, ist: Wie erreichen wir mit unseren Vorhaben Menschen, gleich welchen Geschlechts, in Regionen, die von Ge- walt und Krieg geprägt sind? Die nüchternen Fakten be- sagen, dass es in über 20 Ländern Afrikas im vergange- nen Jahrzehnt Kriege und gewaltsame Konflikte gegeben hat – Kriege, die mit menschlichen Katastro- phen verbunden sind: Flucht und Verlust von Hab und Gut, Vergewaltigungen, Verletzungen und Tod. Daher sind Fragen von Frieden und Sicherheit, von Konfliktbewältigung und Versöhnung integraler Be- standteil unserer Afrika-Politik. Wichtig ist für uns daher die Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1 325 zu Frauen in und nach bewaffneten Konflikten. Frauen und Mädchen bedürfen nicht nur eines besonderen Schutzes in Konfliktregionen. Frauen müssen auch in ihrer Rolle als Friedensakteurinnen gestärkt werden. Ebenso ist die Stärkung von Good Governance und Demokratie unerlässlich. Gerade was die Durchsetzung von Rechten, die Artikulation von Interessen anging, be- stand und besteht Nachholbedarf. Daher ist es in meinen Augen ein großer Erfolg, wenn die politische Partizipa- tion von Frauen in Parlamenten und Regierungen erheb- lich verbessert wurde – nicht zuletzt dank der Einfüh- rung von Frauenquoten. Ende der 90er-Jahren waren im afrikanischen Durchschnitt 11,5 Prozent Frauen in den P g p ü w h d d f u t i s m s B à F z w D n d v n a W d A u l A d d A A (C (D arlamenten vertreten. Das ist eine deutliche Steigerung egenüber den Jahrzehnten zuvor. All diese Fragen erwähne ich deshalb, weil solche räventiv wirkende Politik verhindern hilft, dass Krisen berhaupt ausbrechen und Frauen zu Opfern von Gewalt erden. Zum anderen führt kein Weg vorbei an gezielten Vor- aben, mit denen wir auf die spezifischen Situationen er Frauen, gerade in Krisenregionen, reagieren. Ich enke dabei an die Reintegration von ehemaligen Kämp- ern – beiderlei Geschlechts – im Osten des Kongo. Wir nterstützen dort – auch zusammen mit NROs – eine in- ernational getragene Initiative zur Friedenssicherung, ndem wir – neben verschiedenen Maßnahmen – uns be- onders um traumatisierte Kindersoldatinnen und ehe- aligen Soldatinnen kümmern. Wir lassen ihnen profes- ionelle Hilfe zukommen, bieten Ausbildungs- und eschäftigungsmöglichkeiten und integrieren sie so peu peu wieder in die Dorfstrukturen. Ein anderes Beispiel aus Ruanda. Dort gehören viele rauen zu den Leidtragenden von Bürgerkrieg und Geno- id, indem sie Opfer physischer und sexueller Gewalt urden. Deshalb finanzieren wir eine Fachkraft des eutschen Entwicklungsdienstes, die zusammen mit ei- er ruandischen Menschenrechtsorganisation den Opfern es Genozids psychische und medizinische Hilfe leistet. Schließlich der Kampf gegen die weibliche Genital- erstümmlung. Noch immer werden etwa zwei Millio- en Mädchen Jahr für Jahr Opfer dieser menschenver- chtenden Praxis. Das Beispiel Benin, das vor wenigen ochen das Ende der Genitalverstümmlung feierte, ist aher eine sehr erfreuliche Bestätigung unserer Arbeit in frika. Seit vielen Jahren und über viele Länder hinweg nterstützen wir lokale Initiativen, die wichtige Sensibi- isierungs- und Aufklärungsarbeit leisten. Diese Beispiele zeigen, auch wenn sie nur ein kleiner usschnitt aus der vielfältigen EZ-Welt Afrikas sind, ass wir die Schicksale der Frauen in Afrika nicht aus em Blick verlieren. Starke Frauen sind der Schlüssel zu frikas Zukunft. nlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Wälder naturnah bewirtschaften – Waldschäden vermindern – Gemeinwohl- funktionen sichern und Holzabsatz steigern – Entschließungsantrag: Waldzustandsbe- richt 2004 – Ergebnisse des forstlichen Um- weltmonitorings – – Antrag: Bessere Rahmenbedingungen für die Charta für Holz – Unterrichtung durch die Bundesregierung: Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – (Tagesordnungspunkt 20) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16559 (A) ) (B) ) Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Dem Wald geht es schlecht, das wird in den vorliegenden Anträgen aller Fraktionen zutreffend beschrieben. Das ist dann aber auch schon das Ende der Übereinstimmung. Wir verfolgen mit unserem Antrag einen ganzheitli- chen Ansatz: Windschutz- und Luftreinhaltepolitik so- wie die Förderung des Aufbaus naturnaher Mischwälder und die Stärkung der heimischen Forst- und Holzwirt- schaft werden miteinander verbunden. Wichtige wald- politische Maßnahmen sind dabei die Umsetzung der Charta für Holz, die Fortschreibung und Verbesserung der Förderpolitik sowie die Novellierung des Bundes- waldgesetzes. In den Anträgen der Union und der FDP sucht man diese ganzheitliche Herangehensweise vergeblich. Die Opposition verbeißt sich in die Bekämpfung der Symp- tome. So wird gegen den schlechten Zustand des Waldes einseitig auf die Ausweitung der Waldkalkung gesetzt. Ein schwerer politischer Fehler. Das wurde auch von den Sachverständigen in der jüngsten Anhörung des Aus- schusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft bestätigt. Ich hebe zwei zentrale Ergebnisse der Anhörung he- raus: Erstens. Die Experten waren sich darin einig, dass un- sere Wälder in mehrschichtige Bestände umgebaut wer- den müssen. Das Konzept der Koalitionsfraktionen, eine nachhaltige und naturnahe Waldwirtschaft zu fördern und dies auch in einer Novelle des Bundeswaldgesetzes zu verankern, wurde dabei voll bestätigt. Auch die Charta für Holz zur Stärkung des Absatzes von deut- schem Holz fand bei allen Sachverständigen Zustim- mung. Zweitens. Kompensationskalkungen bei sauren Wald- böden sind notwendig. Die Frage ist allerdings, in wel- chem Umfang. Zum Standardrepertoire der Opposition gehört es ja, unreflektiert mehr Geld für die Kalkung der Wälder zu fordern. Folgerichtig hat sie dann auch einen Vertreter der Düngekalkindustrie als „Experten“ zur Anhörung eingeladen. Da ist mir beinahe die Spucke weggeblie- ben. Wir stecken immense Energien in die Erarbeitung wirkungsvoller politischer Strategien für die nachhaltige Verbesserung des Waldzustandes und der Opposition fällt nichts Besseres ein, als den Kalkindustrievertreter zu fragen, ob man nicht mehr Kalk in den Wald schütten sollte. Ich frage mich: Was sollte der Vertreter der Kalk- industrie denn anderes sagen, als: „Natürlich müssen wir mehr Kalk in den Wald streuen“? Er lebt davon; seine Unternehmen wollen weitere Aufträge. Mit seiner For- derung, dass 60 Prozent der Waldböden eine Kompensa- tionskalkung benötigen, stand er alleine da. Damit keine Missverständnisse entstehen: Auch wir wollen Kompen- sationskalkungen, aber nur auf Standorten, wo sie tat- sächlich benötigt werden. Die Forst- und Holzwirtschaft ist ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Um ihn voranzubrin- gen, brauchen wir mehr als die von der Opposition vor- geschlagenen kurzsichtigen Waldkalkungsstrategien. B H 1 e D l w s z u e a B a F s f H s C u c d s d 2 p g t F w L s e s F b l d A ö a W r w ü d l z g s a s Z U (C (D etrachtet man den Gesamtkomplex, das so genannte olz-Cluster, so wird hier ein Jahresumsatz von circa 00 Milliarden Euro erwirtschaftet. Insgesamt sind rund ine Million Menschen in diesem Bereich beschäftigt. ie Ertragslage vor allem kleinerer Forstbetriebe ist al- erdings noch nicht zufriedenstellend. Deshalb wollen ir die Einnahmesituation weiter verbessern. Dazu ist es nötig, den Absatz heimischen Holzes zu teigern, ohne das Gebot der Nachhaltigkeit zu verlet- en. Der Holzzuwachs in Deutschland lässt dies zu: In nseren Wäldern wächst deutlich mehr Holz nach, als ingeschlagen wird. Eine Erhöhung der Holznutzung ist uch ökologisch sinnvoll: Sie leistet einen wichtigen eitrag zum Klimaschutz; denn sie ersetzt Energieträger us fossilen Quellen. Wir begrüßen deshalb, dass die Bundesregierung die orst- und Holzwirtschaft im Rahmen der Gemein- chaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, GAK, ördert und mit dem Aktionsprogramm „Charta für olz“ eine weitere Stärkung dieses wichtigen Wirt- chaftszweiges vorantreibt. Zentrales Anliegen der harta für Holz ist es, die Vorzüge von Holz als Roh- nd Werkstoff stärker in das Bewusstsein der Verbrau- her zu bringen und durch vermehrte Holzverwendung ie wirtschaftliche Situation für die forst- und holzwirt- chaftlichen Betriebe zu verbessern. Ziel der Charta ist, en Verbrauch von Holz in den nächsten zehn Jahren um 0 Prozent zu steigern. Heute Morgen haben wir in diesem Haus der Euro- äischen Verfassung zugestimmt und damit den Weg frei emacht für eine bessere politische Zusammenarbeit un- er den EU-Mitgliedstaaten. Ich hoffe, dass auch die orstpolitik von der verstärkten Kooperation profitieren ird. Forstpolitik ist Sache der Mitgliedstaaten. Die uftverschmutzung, die unsere Wälder schädigt, hält ich aber nicht an Staatsgrenzen. Deshalb haben wir eine uropäische Forststrategie. Wenn man sich den Zwi- chenbericht der EU-Kommission zur gemeinsamen orststrategie anschaut, fühlen wir uns in unserer Politik estätigt. Denn auch die EU plädiert für einen ganzheit- ichen Ansatz in der Forstpolitik. Das bedeutet Stärkung er ökonomischen Lage der Betriebe und Erhaltung der rbeitsplätze unter gleichzeitiger Berücksichtigung der kologischen Herausforderungen. Wichtig ist, in Zukunft die europäische Zusammen- rbeit bei der gemeinsamen Forstpolitik zu intensivieren. ir dürfen es uns nicht länger erlauben, die Wälder in Eu- opa mit nationalen Flickenteppichlösungen kurieren zu ollen. Grenzübergreifende Probleme brauchen grenz- bergreifende Lösungen. Ich begrüße das Engagement er rot-grünen Bundesregierung an dieser Stelle sehr und ade die Opposition ein: Machen Sie mit! Die EU-Kommission weist in ihrem Zwischenbericht ur EU-Forststrategie darauf hin, dass bereits viele Mit- liedstaaten Leitlinien für eine nachhaltige Waldwirt- chaft erlassen haben. In Deutschland wollen wir dies uch tun und legen dazu in Kürze den Entwurf eines Ge- etzes zur Novellierung des Bundeswaldgesetzes vor. iel der Novelle ist es, den nachhaltigen und naturnahen mbau des deutschen Waldes voranzubringen und das 16560 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) deutsche Recht an diese Entwicklung anzupassen. Das jetzige Waldgesetz stammt noch aus den 1970er-Jahren und geht deshalb von völlig anderen Voraussetzungen aus, als wir sie heute haben. Seit In-Kraft-Treten des Bundeswaldgesetzes haben sich die Rahmenbedingungen erheblich geändert; die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation hat sich weiterentwickelt. Zwar stellt das geltende Bundeswald- gesetz die Nachhaltigkeit schon in den Mittelpunkt sei- ner Maßgaben; mit der Nachhaltigkeitsdebatte, die wir seit der Konferenz von Rio 1992 führen, hat diese aber eine neue, umfassendere Dimension erhalten. Dem müs- sen wir Rechnung tragen. Das tun wir mit der Novellie- rung des Bundeswaldgesetzes. Ich greife zwei zentrale Punkte heraus: die Veranke- rung von Grundsätzen der nachhaltigen Waldwirtschaft im Gesetzestext und die Stärkung der Forstbetriebsge- meinschaften. Kernstück des künftigen Bundeswaldge- setzes wird das Postulat einer ordnungsgemäßen, nach- haltigen und naturnahen Waldbewirtschaftung sein. Zielvereinbarungen für die Waldwirtschaft sollen unter anderem der grundsätzliche Verzicht auf Kahlschläge, die Bevorzugung natürlicher Verjüngung und der Ver- zicht auf Düngung zur Ertragssteigerung sein. Dazu ge- hört auch die Orientierung der Bejagung des Schalenwil- des an dem Ziel, den Wildbestand besser an die Anforderungen einer naturnahen Waldbewirtschaftung anzupassen. Über die Novelle des Bundeswaldgesetzes gab es in den letzten Monaten kontroverse Diskussionen. Häu- figste Gegenargumente: Die Freiheit der Waldbesitzer würde durch bundeseinheitliche Mindeststandards zu sehr eingeschränkt und Förderungsmöglichkeiten könn- ten wegfallen. Drei Anmerkungen zu diesen Befürchtun- gen: Eine erfreulich große Zahl der Betriebe arbeitet be- reits heute auf einem hohen ökologischen Standard. Für diese Betriebe wird sich auch nach der Novellierung des Bundeswaldgesetzes nichts ändern. Für die anderen Be- triebe gilt dann allerdings: Gewisse Mindeststandards müssen eingehalten werden. Das Bundeswaldgesetz ist und bleibt ein Rahmengesetz. Auch in Zukunft können die Länder die Bestimmungen auf ihre regionalen Bedin- gungen zuschneiden. Die Mindeststandards werden so formuliert, dass Förderungen, etwa im Rahmen der Ge- meinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, GAK, weiterhin möglich sind. Zu den Forstbetriebsgemeinschaften: Die Forstbe- triebsgemeinschaften sind ein wichtiges forstpolitisches Element zur Sicherung der Waldfunktionen. Wir brau- chen effizientere Zusammenschlüsse, um die Kleinteilig- keit des deutschen Waldbesitzes und die sich daraus er- gebenden Wettbewerbsnachteile zu überwinden. Mit der Novelle des Bundeswaldgesetzes werden wir deshalb das Aufgabenspektrum der Forstbetriebsgemeinschaften erweitern, und zwar um die Aufgabe der Nutzung des Waldes zur Stärkung und Weiterentwicklung des ländli- chen Raumes: Die Forstbetriebsgemeinschaften verfü- gen über die notwendigen materiellen und personellen Ressourcen, um diese gesellschaftliche Aufgabe zu voll- bringen und Dienstleistungen zu vermarkten. Darüber h f b t r s R e p z v s v G s c s c D s G E G W a i l D g d S s d n d m c g z b w g M u F c u W W g d v l t (C (D inaus werden wir bestehende bürokratische Hemmnisse ür Zusammenschlüsse von Forstbetriebsgemeinschaften eseitigen. Dadurch erreichen wir eine größere Flexibili- ät bei gleichzeitigem Regelungsabbau. Für andere – be- eits existierende – forstwirtschaftliche Zusammen- chlüsse wird mithilfe von Übergangsvorschriften echtssicherheit geschaffen. Ich fasse zusammen: Mit unserem Antrag legen wir in in sich stimmiges, ganzheitlich orientiertes Aktions- rogramm für eine Verbesserung des Waldzustandes und ur Stärkung der heimischen Forst- und Holzwirtschaft or. Mit den vorgesehenen Maßnahmen wie zum Bei- piel der Umsetzung der Charta für Holz und der No- elle des Bundeswaldgesetzes, schaffen wir eine gute rundlage für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, tärken die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und si- hern wertvolle Arbeitsplätze in Deutschland. Artur Auernhammer (CDU/CSU): Der Waldzu- tandsbericht 2004 zeigt wieder einmal mehr auf, in wel- her Verfassung sich unser Wald befindet. Besonders zu enken gibt uns die Situation bei den Laubbäumen. So ind bei der Buche über die Hälfte der Bäume krank. Ein rund dafür ist die Versauerung durch Luftschadstoffe. s ist für mich bemerkenswert, dass sich gerade Rot- rün bei diesem Thema sehr zurückhaltend verhält. Der ald wird bei Rot-Grün ausschließlich unter dem Öko- spekt begriffen. Aber die Umweltfunktion des Waldes st nur die eine Seite. Genauso wichtig ist die wirtschaft- iche Bedeutung des Waldes und seine Nutzung. Die Nutzung und die Bedeutung des Waldes in eutschland haben sich in den letzten 100 Jahren massiv ewandelt. Wurde er früher ausgebeutet und zurückge- rängt, so kennt man heute seine Bedeutung für den chutz von Boden, Wasser, Luft, ja das Klima insge- amt. Der Aufwuchs von einem Festmeter Holz entzieht er Atmosphäre eine Tonne Kohlendioxid. Wird Holz ach seinem Aufwuchs zum Beispiel beim Bau verwen- et, bleibt dieses CO2 für lange Zeit gebunden. Der ver-ehrte Einsatz von Holz in den verschiedensten Berei- hen, verbunden mit einer sinnvollen Waldwirtschaft, ibt uns die Möglichkeit, eine noch bessere CO2-Bilanzu erreichen. Nur wenn wir das Ökosystem des Waldes ewahren und stärken, können wir seine für uns ebenso ichtigen Funktionen als Erholungsgebiet und Erwerbs- rundlage dauerhaft nutzen: Der Wald bietet vielfältige öglichkeiten zur Entspannung und schafft Einkommen nd Arbeitsplätze in der Forst- und Holzwirtschaft. Unser Dank gilt deshalb den Waldbauern und den orstbesitzern, den echten Grünen, die durch unermüdli- he Arbeit unseren Wald und unsere Umwelt erhalten nd somit in unsere Zukunft investiert haben. Es sind die aldbauern, Waldarbeiter und Förster, die die schwere aldarbeit ausführen und unseren Wald hegen und pfle- en. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen eindeutig, ass die ökologische Qualität und biologische Vielfalt on naturnahen Wirtschaftswäldern gleichwertig, in vie- en Fällen sogar höherwertig zu bewerten ist als in Na- urwäldern. Genauso überflüssig ist auch die besonders Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16561 (A) ) (B) ) von den Grünen geforderte Novellierung des Jagdrechts. Hier wollen sich die grünen Ideologen eine neue Spiel- wiese schaffen, auf der sie ihrer Vorurteile gegen die Jagd und die Jäger freien Lauf lassen können. Das Jagd- recht ist untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden und darf nicht angetastet werden. Diese Beispiele zeigen, dass die rot-grüne Bundesre- gierung auch in ihrer Forstpolitik drauf und dran ist, „vor lauter ideologischen Bäumen den Wald nicht mehr zu se- hen“. Dadurch werden die Rahmenbedingungen für Waldbesitzer und die mittelständische Holzwirtschaft verschlechtert und die Eigentumsrechte geschwächt. Wichtigstes Ziel muss es sein, die wirtschaftliche Leis- tungsfähigkeit der Waldwirtschaft zu steigern. Nur wenn mit der Waldbewirtschaffung Geld verdient werden kann, wird der Wald auch gepflegt. Ich halte es für einen absoluten ideologischen Unsinn, wenn Rot-Grün durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz bei Windenergie und Solarenergie durch eine überhöhte Einspeisevergütung die Verbraucher und Stromkunden zur Dauersubvention verdonnert. Dabei schaffen Solarzellen Arbeitsplätze nur in Asien. Heimisches Holz als Heizstoff wird dagegen von Rot-Grün sehr stiefmütterlich behandelt. So gibt es für die Investition in eine Hackschnitzel- heizung lediglich eine geringe Förderung. Hinzu kommt, dass mit der Kürzung beim Agrardiesel die Holzernte und Aufbereitung verteuert wurden. Die Stärkung der re- gionalen Wirtschaftskreisläufe, insbesondere in der Wald- und Forstwirtschaft, sollte deshalb unser Ziel sein. Ein wirtschaftlich gesunder Wald ist auch ein biologisch gesunder Wald! Als Waldbauer weiß ich, wovon ich rede! So bringt zum Beispiel die Borkenkäferbekämp- fung nur Kosten mit sich; doch wird das Holz nicht auf- gearbeitet, ist die Gefahr des Borkenkäferbefalles we- sentlich größer. Ich persönlich bin stolz darauf, dass in unserem 1888 erbauten Bauernhaus bis heute kein Tropfen Heizöl zur Beheizung verbrannt wurde. Erst kürzlich haben wir eine neue Hackschnitzelheizungsanlage installiert. Ich gehe davon aus, dass jeder, der hier flammende Reden für den deutschen Wald hält auch sein eigenes Verhalten im Privatleben als Freund des Waldes vorlebt. Heizen und Bauen mit Holz ist ein Beitrag zum Umweltschutz und stärkt unseren deutschen Wald. Cajus Julius Caesar (CDU/CSU): Unser deutscher Wald ist ein wertvolles Gut. Er hat eine hohe ökonomi- sche Bedeutung; denn Holznutzung schafft und sichert Arbeitsplätze. Derzeit sind es über eine Million Beschäf- tigte mit einem Umsatz von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dies entspricht einem Anteil von rund 3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Sie, meine Damen und Herren der Regierung, sollten alles tun, um die Rahmenbedingungen für die Forst- und Holzwirtschaft zu verbessern und ihr nicht durch stets verschlechterte Rahmenbedingungen und Schikanen auf diesem Wirtschaftszweig das Leben schwer machen. Statt immer neuer Gesetze und Verordnungen fordern wir Sie auf: weniger Staat, weniger Reglementierung, weniger Bürokratie! d L m n w n s h d a n r o W e g e t d g ü B a V f F n g s B E b m t g s n g d M s t r l 1 v v g e b d S (C (D Unser deutscher Wald hat eine hohe ökologische Be- eutung. Ich nenne die Filterwirkung zur Säuberung der uft, die wir täglich zum Atmen brauchen, verbunden it der für uns notwendigen Sauerstoffproduktion. Ich enne die Speicherfähigkeit und die Filterung, sodass ir gesundes Trinkwasser zur Verfügung haben. Und ich enne die besondere Bedeutung für unseren Klima- chutz, insbesondere durch seine Kohlenstoffspeicherfä- igkeit. Wir fordern die Bundesregierung auf, im Zuge er CO2-Reduzierung durch Waldvermehrung Senkennzuerkennen und dies rechtlich voranzubringen. Der deutsche Wald weist so viele Schäden auf, wie och nie, und das unter einer rot-grün geführten Bundes- egierung. Auch hier erkennen Sie den Handlungsbedarf ffensichtlich nicht. Schäden an Bäumen, Böden und urzelwerk sind so groß wie nie zuvor. Unser Wald ist twas Lebendes. Stets neue Verbote, Gebote, Festsetzun- en. Steuern und Abgaben helfen da wenig. Wir fordern die Bundesregierung auf: Handeln Sie ndlich im Sinne der betroffenen Waldbesitzer der be- roffenen Forst- und Holzwirtschaft, aber auch im Sinne es Umweltschutzes, damit wir unseren Kindern eine esunde Umwelt und damit auch einen gesunden Wald bergeben können. SPD und Grüne wollen durch die Novellierung des undeswaldgesetzes ein Mehr an Staat und ein Weniger n Eigenverantwortung. Sie verkennen dabei völlig die ielfalt unseres Ökosystems sowie auch, was die Viel- alt von Entscheidungsprozessen für Waldbesitzer und orstleute bedeutet. Durch die Formulierung einer so ge- annten guten fachlichen Praxis mit wahllos herausge- riffenen Formulierungen in einem Bundesrahmenge- etz führt dies zu Doppelzuständigkeiten, zu mehr ürokratie und gefährdet sogar die Förderung durch die U. Die Anhebung der Minderstandards nimmt den Wald- esitzern und damit auch dem Wald die Luft zum At- en. Der jetzigen Bundesregierung kann man nicht ver- rauen. Zuerst wird für die Zertifizierung der Wälder eworben. Dann wird einseitig das FSC-Zertifizierungs- ystem bevorzugt, obwohl es gerade kleine Einheiten be- achteiligt. Jetzt kassieren Sie die Freiwilligkeit durch esetzliche Regelungen ein und gehen mit Ihren Min- eststandards noch darüber hinaus. So kann man die enschen in unserem Land nicht gewinnen, und so ist chon gar keine erfolgreiche Politik auf Dauer zu gestal- en. Wir von der Union wollen den Entscheidungsspiel- aum für den Praktiker vor Ort. Wir von der Union wol- en natürliche Verjüngung, wo eben möglich, wie die ,3 Millionen Privatwaldbesitzer es auch wollen. Wir on der Union wollen mehrschichtige, ökologisch wert- olle Waldbestände mit einem ökonomischen Hinter- rund. Deshalb ist es beispielsweise völlig fehl am Platz, twa die Bodenbearbeitung infrage zu stellen oder, wie eim FSC-System, zu verbieten. In vielen Fällen ist eine Naturverjüngung, insbeson- ere mit Laubholz, nur dann möglich, wenn man auf tandorten mit hoher Humusauflage oder Vergrasung 16562 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) den Mineralboden durch Bodenbearbeitung freilegt. Nicht mehr Reglementierung durch die Novellierung des Bundeswaldgesetzes, sondern Entscheidungen im Sinne von Ökonomie und Ökologie, abgestimmt auf die Viel- fältigkeit der Standorte in unserer Natur. Wir von der Union wollen statt neuer Gesetze durch Rot-Grün Vertrauen in die Entscheidungen, im Wald, für den Wald, durch Forstleute und Waldbesitzer. Es darf nicht sein, dass hier dem einzelnen Waldbesitzer vorge- schrieben wird, welche Pflanze er an welcher Stelle in welcher Größe pflanzen muss und welchen einzelnen Baum er entnehmen darf, gleichzeitig aber tausende von Hektar täglich verschwinden und die Bundesregierung hier ihren Mitteleinsatz zurückfährt und bei den Verein- barungen internationaler Art wenig erfolgreich ist. Unser Land ist vielfältig, und was für den einen Standort richtig ist, muss für den anderen noch lange nicht richtig sein. Diese Vielfalt macht unser Land so faszinierend und unsere Wälder so einzigartig. Daher darf nicht jedes Detail im Gesetz bis ins Kleinste gere- gelt werden! „Jeder Wald ist ein Individuum, das individuell be- handelt werden muss. Das ist auch für geistig rege Forst- leute ein Glück, sonst wäre Waldbau langweilig.“ Prof. August Bierl 1933. Zu beklagen ist auch eine gravierende Übersäuerung der Böden. Dies bedeutet Abnahme der Bodenfruchtbar- keit, Schwermetallanreicherung bis hin zu negativen Auswirkungen auf unser Grundwasser. 7 Millionen Hek- tar sind laut Expertenmeinung kalkungsnotwendig, das heißt pro Jahr rund 700 000 Hektar. Tatsächlich werden derzeit aber nur jährlich 100 000 Hektar auf gefährdeten Standorten gekalkt. Fachgerecht durchgeführte Bodenschutzkalkungen sind ein wichtiges Instrument zur Gesundung unserer Waldböden und damit zur nachhaltigen Sicherung der Trinkwasserversorgung. Auf mehr als 80 Prozent der Flächen ist bereits eine erhebliche Versauerung eingetre- ten mit pH-Werten von unter fünf. Dabei ist zu beachten: ein Punkt pH-Wert weniger bedeutet eine zehnfache Ver- sauerung, zwei Punkte weniger eine hundertfache Ver- sauerung. Dies ist auf einer ganzen Reihe von Standorten der Fall und hat damit erhebliche Auswirkungen auf die dor- tige Vegetation, auf die Kleinlebewesen und damit auch auf die Artenvielfalt. Dies bedeutet, eine Auswaschung von Nährstoffen und es ist eine kritische Konzentration von Schwermetallen zu beklagen. Was fällt Ihnen dazu ein? Sie kürzen im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe 45 Millionen Euro. Sie lassen den Wald im wahrsten Sinne des Wortes im sauren Regen stehen. Ein Bekenntnis zu den nachwachsenden Rohstoffen und damit auch zum Holz würde dem Wald helfen. Was tun Sie? Sie verkünden die Charta für Holz mit riesigem Medienaufwand und unterschreiben damit eine ver- stärkte Förderung der Holznutzung und Holzverwen- dung in Deutschland. Nur 14 Tage später legen Sie den Entwurf des Holzabsatzfondgesetzes vor mit dem Fazit, d 7 t „ n d m d H M u W g s a m Z B G i u W r z t s B s l A n d d b v d a ß s N k s s g d e p d Z t m (C (D ass zukünftig für das Holzmarketing pro Jahr 00 000 Euro weniger zur Verfügung stehen. Kennzeichnend für die Politik dieser rot-grün geführ- en Bundesregierung ist auch, dass das neu aufgelegte Faltblatt Dämmstoffe zum Marktanreizprogramm“ icht ein einziges Mal das Wort Holz enthält. Sie han- eln nach dem Grundsatz: Keine Zukunft vermag gut zu achen, was man in der Gegenwart versäumt. Eine Vorbildfunktion durch die vermehrte Verwen- ung des umweltfreundlich erzeugten rohen Baustoffes olz bei Bauten des Bundes ist dringend erforderlich. ehr Holzabsatz bedeutet nicht nur mehr Arbeitsplätze nd mehr Umweltschutz, sondern auch einen gepflegten ald und damit auch einen gesunden Wald. Diese Re- ierung hätte damit einen wesentlichen Beitrag zur Ge- undung des Waldes leisten können. Leider haben Sie uch an dieser Stelle wieder einmal versagt. Wir fordern Sie auf, den Absatz von Holz aus einhei- ischen Wäldern zu fördern. Die Bundesregierung kann eichen dadurch setzen, dass sie auch bei den eigenen aumaßnahmen vermehrt heimisches Holz verwendet. leichfalls fordern wir Sie auf, den Import von Holz aus llegalem Holzeinschlag und damit Waldvernichtung zu nterbinden. Die Union hat dazu eine Initiative ergriffen. ir wollen als Union, dass mehr gegen die Waldzerstö- ung im Ausland getan wird. Wir fordern Sie auf, endlich den Gesetzesdschungel u entflechten sowie Steuern und Abgaben auf ein er- rägliches Maß zurückzuführen. Stampfen Sie die vorge- ehene Novellierung des Bundeswaldgesetzes und des undesjagdgesetzes ein und leisten Sie damit einen we- entlichen Beitrag für unseren deutschen Wald. Wir wol- en als Union, dass mehr gegen die Waldzerstörung im usland getan wird. Immerhin verschwinden jährlich etto 12 Millionen Hektar Wald. Dies ist auch im Sinne es Klimaschutzes nicht zu verantworten. Die Union hat zum Urwaldschutz eine Initiative urch einen entsprechend formulierten Antrag einge- racht. Dieser unterscheidet sich jedoch fundamental on dem Entwurf, den das Bundesumweltministerium urch Minister Trittin eingebracht hat. Es ist geradezu benteuerlich, alle Waldflächen in Deutschland, die grö- er als 10 Hektar sind, darauf untersuchen zu wollen, ob ie Urwälder sind, zudem noch kleinkariert viele tausend achweise zu verlangen, ist völlig an der Praxis vorbei. Entweder wollen Sie einen Urwald ausweisen, wo einer ist, oder wieder ein paar Verwaltungsleute mit un- innigen Bürokratieaufgaben zulasten der Bürger be- chäftigen. Der entsprechende Nachweis ist zu verlan- en. Dies zeigt, wie fern Minister und Regierung von en Realitäten sind. Ein gesunder Wald ist auch der Sau- rstoff für unser Leben. Wir, die Union, wollen eine raktisch ausgerichtete Politik, die die vor Ort Handeln- en einbezieht und dem Wald dient. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): um Wald gibt es aktuell gute und schlechte Nachrich- en. Die gute wird mit der Waldinventur, die schlechte it dem Waldzustandsbericht verkündet. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16563 (A) ) (B) ) Lassen Sie mich mit der schlechten beginnen. Die Fakten sind mittlerweile wiederholt dargelegt worden: Nachdem sich der Waldzustand in den 90er-Jahren deut- lich verbessert hatte und seit der Jahrtausendwende stagnierte, war im Jahr 2004 wieder eine Besorgnis er- regende, deutliche Zunahme der Waldschäden zu ver- zeichnen. Diese Zustandsverschlechterung kann vor al- lem mit der Dürre im Jahr 2003, aber auch mit anderen periodisch auftretenden Faktoren – wie einer starken Fruktifizierung der Buche – erklärt werden. Die Wälder werden sich von diesem Tiefpunkt also voraussichtlich wieder erholen. Aber die Entwicklung im Jahr 2004 zeigt unmissverständlich: Unser Wald leidet massiv un- ter dem Klimawandel. Und er zeigt: Klimawandelbe- dingt müssen wir auch in Zukunft wiederholt mit massi- ven Verschlechterungsschüben rechnen. Es kann also alles andere als Entwarnung beim Waldzustand gegeben werden. Genauso klar ist, dass unsere Wälder und unsere Waldböden noch Jahrzehnte brauchen werden, um sich vollständig von der Übernutzung in früheren Jahrhun- derten und vor allem von den Umweltsünden der fossi- len Industriegesellschaft zu erholen. Nun die gute Nachricht. Die Ergebnisse der Bundes- waldinventur II, die im September vorgestellt wurden, lauten verkürzt: Die Waldfläche hat weiter zugenom- men. Die Holzvorräte sind auf ein Rekordniveau gestie- gen. Sie liegen europaweit an der Spitze, und dies nicht nur absolut, sondern auch pro Hektar. Die Wälder sind naturnäher geworden. Die Nutzung des umweltfreundli- chen, nachwachsenden Rohstoffes Holz kann unter Ach- tung der Prinzipien der Nachhaltigkeit noch erheblich gesteigert werden. Deshalb können wir uns im Rahmen der Charta für Holz guten Gewissens für eine stärkere Holznutzung aussprechen. Mit unserem Antrag bringen wir weitere Maßnahmen auf den Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Außerdem formulieren wir eine Strategie, um gesündere Wälder zu erreichen. Sie lautet: Erstens Luft- reinhaltepolitik fortsetzen, zweitens Klimapolitik ver- stärken und drittens Waldumbau zielgerichtet weiterfüh- ren. Ich möchte hier besonders auf das Thema Waldumbau eingehen. Die Bedeutung des Waldumbaus für den Waldzustand liegt darin, dass naturnahe, arten- reichere Wälder mit standortheimischen Baumarten öko- logisch stabiler sind als Monokulturen mit standortfrem- den Baumarten. Dies gilt auch für den zu erwartenden Klimawandel. Bäume, die heute wachsen, müssen auch mit dem Klima von morgen klar kommen. Das können sie besser, wenn sich die Bäume in natürlicher Konkur- renz gegenüber anderen Sämlingen durchgesetzt haben. Das macht die Bedeutung der natürlichen Verjüngung aus. Mittelgebirgsfichten im Tiefland zu pflanzen pro- grammiert hingegen die Waldschäden von morgen vor. Dies muss dementsprechend der Vergangenheit angehö- ren. Leider aber ist es keinesfalls so, dass die Sünde der Altersklassen-Nadelwälder im Tiefland sämtlich bereits vor Jahren begangen worden. Sie wird heute noch oft ge- nug begangen. Auch dies belegt die Bundeswaldinven- tur II. Die Bedeutung des Waldumbaus muss also noch stärker in das Bewusstsein dringen. Und unsere Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern. Aus diesem Grund muss die Förderpolitik der Gemein- schaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, GAK, s m d o b g d v s t a l m t W R w i s h b f D i r s f d d o u n s v ä D t e s z d s K v d d d d c d r g Z l m j w d d (C (D tärker auf den Waldumbau ausgerichtet werden. Auch it der Novelle des Bundeswaldgesetzes können wir urch Festlegung ökologischer Mindeststandards an die rdnungsgemäße Forstwirtschaft den Umbau der Wälder efördern. Die Bundesjagdgesetznovelle wird auch Re- eln enthalten, die uns dem Ziel waldverträglicher Wild- ichten näher bringen. Dies wird die flächenhafte Natur- erjüngung wieder ermöglichen. Dies wird dem Wald ehr zugute kommen. Daher appelliere ich an alle Frak- ionen in diesem Haus, die ideologischen Scheuklappen bzulegen und eine Jagdgesetznovelle unserem Wald zu- iebe konstruktiv mitzugestalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum CDU-Antrag öchte ich Folgendes anmerken: Das darin dokumen- ierte Weltbild der CDU ist so schlicht wie falsch: Der ald hat sich unter Kohl 16 Jahre lang erholt. Unter ot-Grün hingegen verschlechtert sich der Waldzustand ieder. Der Grund: Nur die CDU/FDP-Regierung habe n Sachen Luftreinhaltung etwas erreicht. Dieses chlichte Welt- und Geschichtsbild ist von einer Platt- eit, dass man etwas fassungslos davor steht. Zugege- en: Es ist bequem, sich die Emissionsminderungen in- olge des Zusammenbruchs der DDR-Industrie und der DR-Braunkohlewirtschat zugute zu halten. Schwerer st es schon, die Leistungen der rot-grünen Bundesregie- ung in Sachen Luftreinhaltung und Klimaschutz totzu- chweigen. Ich nenne nur die Einführung des schwefel- reien Benzins, die Förderung der erneuerbaren Energien urch das EEG, den Emissionshandel, die Verschärfung er 17., der 13., und der 4. Bundesimmissionsschutzver- rdnung und der TA Luft. Weiterhin behaupten CDU nd FDP regelmäßig, die Bundesregierung lasse eine achlassende Bereitschaft erkennen, gegen die fort- chreitende Versauerung der Waldböden mit Kalkung orzugehen. Dies ist falsch. Die Waldkalkung ist unver- ndert mit Mitteln der GAK förderfähig. Wenn es hier efizite gibt, dann sind sie den Bundesländern anzulas- en, die letztlich über den Einsatz der GAK-Fördermittel ntscheiden. Ansonsten macht die CDU keine Vor- chläge, mit welchen Instrumenten denn nun der Wald- ustand verbessert werden soll – abgesehen von solchen, ie Rot-Grün sowieso schon umsetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der FDP ist zuzu- timmen, wenn sie in ihrem Antrag feststellt, dass der ronenzustand ein sehr unspezifisches Merkmal ist, das ielfältige Umwelteinflüsse abbildet. Allerdings zieht ie FDP daraus einen vorschnellen Schluss. Sie fordert, ie Waldschadensberichte aufgrund des Kronenzustan- es nur noch alle fünf Jahre zu erheben. Das würde je- och bedeuten, das Monitoring noch unsicherer zu ma- hen. Momentan gibt es keine sinnvolle Alternative zu ieser Methode und zum jährlichen Waldzustandsbe- icht. Die Alternative, die die FDP vorschlägt, taugt hin- egen nicht: Eine jährliche Berichterstattung über den ustand der Waldböden macht nach Aussagen der Fach- eute keinen Sinn. Die Veränderungen der Böden sind ittel- bis langfristiger Natur. Deshalb steht bei einer ährlichen Bodenzustandserhebung ein zu großer Auf- and einem sehr geringen Nutzen gegenüber. Sie kann ie Erhebung des Kronenzustands nicht ersetzen. Vor iesem Hintergrund bleibt nur eine Diskussion darüber, 16564 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) wie die Methodik der Waldschadenserhebung verbessert werden kann. Das Erschreckende an dem FDP-Antrag ist aber etwas anderes: Zur Verbesserung des Waldzu- standes hat die FDP außer nachsorgenden Waldkalkun- gen nichts, aber auch rein gar nichts zu bieten. Dass sich die FDP einen Kehricht um die Umwelt schert, das wis- sen wir längst. Aber dass sie sich nicht einmal mehr die Mühe macht, ernsthafte Vorschläge zur Verbesserung des Waldzustandes zu machen, war dann doch nicht zu erwarten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend lässt sich sagen: Damit deutschlandweit naturnahe, ge- sunde und stabile Wälder wachsen, ist auch seitens der Politik noch einiges zu tun. Die rot-grüne Koalition hat bereits entscheidende Schritte in die richtige Richtung eingeschlagen. Für gute Vorschläge seitens der Opposi- tion sind wir offen. Die heute hier vorgetragenen sind je- doch untauglich. Deshalb lehnen wir Ihre beiden An- träge ab. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Deutschland gehört zu den waldreichsten Ländern in der Europäi- schen Union. Wir sind uns einig in der multifunktionalen Nutzung unserer Wälder, Waldspaziergänge gehören zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten in Deutschland. Die Erholungsnutzung unserer Wälder ist ganz wichtig. Eine genauso große Bedeutung hat der Natur- und Arten- schutz. In unseren Waldbiotopen leben viele heimische Tier- und Pflanzenarten, Wälder speichern Kohlenstoff, sie sind daher wichtige Kohlenstoffsenken für den Kli- maschutz. Trotz dieser vielfältigen Funktionen ist der Verkauf von Holz die nahezu einzige Möglichkeit für Waldbesitzer, ihren Besitz finanziell zu nutzen. Holzstapel am Waldeingang für die Papierherstellung, mächtige Eichenstämme, aus denen das Furnier für Mö- bel hergestellt wird, Fichtenstämme für den Bau von Dachstühlen erinnern daran, dass Holz ein sehr vielseitig verwendbarer Rohstoff ist. Es ist der wichtigste nach- wachsende Rohstoff in Deutschland. Die noch von der schwarz-gelben Bundesregierung in Auftrag gegebene Bundeswaldinventur hat gezeigt, dass Deutschland über enorme Holzvorräte im Wald verfügt. Gerade im Privatwald wird nur ein Teil des jährlich nachwachsenden Holzes genutzt. Vom jährlichen Zu- wachs werden nur etwa 60 Prozent geschlagen. In der Charta für Holz ist die Steigerung der Verwen- dung des Rohstoffes Holz aus heimischer, nachhaltiger Waldwirtschaft vereinbart worden. Die FDP unterstützt die Charta für Holz. Glaubwürdig ist die Charta für Holz jedoch nur dann, wenn die Regierung ihre Möglichkei- ten nutzt, durch Abbau von Regulierungen die Ein- schlagkosten für Holz zu senken und dadurch die Nutzung von Holz wettbewerbsfähig und attraktiver zu machen. Besondere Probleme bereiten zum Beispiel die Regle- mentierungen im Transportbereich. Das in Deutschland zulässige Gesamtgewicht beträgt 40 Tonnen. Das bedeu- t N e k l B a N w e z s d W e K M I d W w z d f s d v j a m d w k F d s g z e b M v t r f d R g b (C (D et dass in Deutschland beim Holztransport die erlaubten utzlasten um fast 50 Prozent unter denen in anderen uropäischen Mitgliedsländern liegen. Da die Transport- osten etwa ein Drittel der Gesamtkosten der Bereitstel- ung von Holz verursachen, bedeutet dies für heimische etriebe eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung. Es gilt, diese Barrieren abzubauen, Erst dann wird uch die Bewertung der Investitionsbedingungen in der utzholzwirtschaft nicht mehr mit „mangelhaft“ ausge- iesen, wie ein Schweizer Institut im Jahr 2003 in einer uropäischen Vergleichsstudie ermittelte. Seit 1985 werden in Deutschland in jedem Jahr Wald- ustandsberichte erstellt. „Wo Wald lebt, kränkelt er.“ – o Forstschutz-Professor Michael Müller aus Tharandt in er Wochenzeitung „Die Zeit“. Das ist trotz der im aldzustandsbericht 2004 festgestellten Waldschäden ine beruhigende Nachricht. Der Waldzustandsbericht selbst stellt fest, dass der ronenzustand der Bäume ein sehr unspezifisches erkmal ist, das vielfältige Umwelteinflüsse abbildet. nsbesondere die Schadstoffeinträge über die Luft und ie Versauerung der Böden verursachen eine erhebliche aldschädigung, wie sie im Jahr 2004 festgestellt urde. Die Betrachtung der Baumkronen ist eine unspe- ifische Methode, da es nach Meinung der Experten mit ieser Methode nicht möglich ist, die jeweilige Ursache ür Kronenschäden zu ermitteln. Da unzweifelhaft die Versauerung der Böden eine we- entliche Ursache für Baumschäden ist, ist es sinnvoller, en Bodenzustand zu untersuchen. Darin wird die FDP on vielen Experten unterstützt. Höhere Kosten widersprechen dem nicht, denn die etzigen unspezifischen Berichte sind in keiner Weise usreichend, um daraus die Notwendigkeit von Maßnah- en abzuleiten. Daher könnten sie entfallen und sollten urch die sinnvollere Untersuchung der Böden ersetzt erden. Der Versauerung der Böden kann durch Bodenschutz- alkung entgegengewirkt werden. Das paneuropäische orstzertifizierungssystem, nach dem circa 60 Prozent eutscher Wälder zertifiziert sind, erlaubt eine Boden- chutzkalkung. Das Forest Stewardship Council hinge- en, ein von der Bundesregierung unterstütztes Zertifi- ierungsunternehmen, sieht eine Bodenschutzkalkung rst ab einem pH-Wert von 4,2 vor. Für die Wissenschaft leibt die Bodenschutzkalkung allerdings die wichtigste aßnahme, um eine weitere Versauerung der Böden zu erhindern. Die Waldzustandsberichte sind eine sinnvolle Me- hode, das öffentliche Interesse auf unsere Wälder zu ichten. Allerdings sollten in Zukunft verstärkt die viel- ältigen Nutzungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen, as positive Image unseres wichtigsten nachwachsenden ohstoffes Holz gestärkt werden und weitere Vorschläge emacht werden, überflüssige Reglementierungen abzu- auen, damit die Charta für Holz wirklich vorankommt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16565 (A) ) (B) ) Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf Emis- sionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesund- heitliche Auswirkungen (Tagesordnungs- punkt 21) Renate Jäger (SPD): Im Dezember 2001 beschloss die Bundesregierung Vorsorgemaßnahmen im Bereich Mobilfunk. Der Schwerpunkt lag dabei auf Forschungs- aktivitäten in den drei Ressorts für Umwelt, Wirtschaft sowie Forschung. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit stehen dafür 5 Millionen Euro zur Verfügung, insbesondere für Forschungen zu technischen Regulie- rungsfragen beim Aufbau des UMTS-Netzes. Im Bundesministerium für Bildung und Forschung sollen 7 Millionen Euro eingesetzt werden zur Förderung im- missionsmindernder Technologien. Die umfassendsten Forschungsprojekte liegen beim Umweltministerium für das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMFP). Die für den Zeitraum 2002 bis 2005 zur Verfügung ste- henden 8,5 Millionen Euro werden um die gleiche Summe aus der Selbstverpflichtung der Netzbetreiber aufgestockt. Bedauerlich ist, dass durch den verspäteten Geldfluss der Netzbetreiber Vorhaben erst verspätet, nämlich 2003, begonnen werden konnten. Erstmalig wurden die Projektvorschläge in einem In- ternetportal auch der Öffentlichkeit vorgestellt und im September 2003 in einem Fachgremium diskutiert. Un- ter Mitwirkung von Fachleuten und der Öffentlichkeit entstand dann das Gesamtprogramm. Ziel des Pro- gramms ist es, bestehende Unsicherheiten bei der Be- wertung der Risiken elektromagnetischer Felder zu ver- ringern und die biologischen Wirkungen von schwachen hochfrequenten elektromagnetischen Feldern wissen- schaftlich zu erforschen. Dabei geht es um die Suche nach Auswirkungen auf die intellektuelle Informations- verarbeitung, auf den Blutfluss im Gehirn, auf das Wach- und Schlafelektroenzephalogramm sowie auf die Blut-Hirn-Schranke. Des Weiteren sind langfristige Stu- dien vorgesehen, die die Wirkungen elektromagnetischer Felder auf die Entstehung bzw. den Verlauf von Krebs- erkrankungen untersuchen, ebenso Wirkungen auf Ge- dächtnis, Konzentrations- und Lernfähigkeit. In einem weiteren Projekt werden altersabhängige Wirkungen un- tersucht. Da Kinder und Jugendliche derzeit die inten- sivsten Nutzer der Mobilfunktechnik sind, besteht hier besonderer Klärungsbedarf. Um die Wirkungen der elek- tromagnetischen Felder auf den Menschen beurteilen zu können, ist eine exakte Messung notwendig. Daher ist die Forschung für den Bereich Dosimetrie ein wesentli- cher Schwerpunkt. Viel verspricht man sich von einer großen internatio- nalen epidemiologischen Querschnittsstudie zum Zu- sammenhang zwischen Mobilfunk und Hirntumoren. Die abgeschlossenen Studien aus Dänemark und Schwe- den zeigen kein erhöhtes Risiko bei Kurzzeitnutzern von H r c B s m t d d m d s A h E W n a a b b n d s E e a d d K l s L M z lu in t V e z s 0 b W K a s d f te r h d s (C (D andys, allerdings wurde bei Langzeitnutzern ein höhe- es Risiko festgestellt. Keinerlei belastbare Untersu- hungen liegen zu Immissionen, ausgehend von UMTS- asisstationen, vor. Auch das ist Gegenstand des For- chungsprogramms. Lassen Sie mich noch ein Wort zur Grenzwertproble- atik im Zusammenhang mit der Vorsorgeverantwor- ung sagen. Eine zu große Rolle spielt meines Erachtens er festgelegte Teilkörper-Basisgrenzwert von 2 W/kg er 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-lm- issionsschutzgesetzes. Es ist erfreulich zu wissen, dass ieser Wert bei unterschiedlichen Messungen nicht über- chritten wird. Doch aus Vorsorgegründen sollte eine bsenkung immer im Blickfeld bleiben. In diesem Sinne at das Umweltministerium das Umweltzeichen „Blauer ngel“ für strahlungsarme Handys mit einem maximalen ert von 0,6 W/kg empfohlen. Bedauerlicherweise leh- en die Handyhersteller das Umweltzeichen geschlossen b, also auch die Empfehlung, sich kontinuierlich aktiv n der Entwicklung von strahlungsärmeren Handys zu eteiligen, obwohl einige bereits die Kriterien erfüllen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung earbeitet mehrere Vorhaben im Rahmen seiner Leitin- ovation „Mobiles Internet“. Nach den dort vorliegen- en Prognosen geht man davon aus, dass trotz eines kon- tanten Wachstums der drahtlosen Kommunikation die missionen bis 2015 konstant bleiben, wenn die Effizi- nz verbessert und emissionsmindernde Technologien ngewendet werden. Natürlich müssen nebenher auch ie Empfehlungen der internationalen Fachgremien wie er Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen ommission zum Schutz vor nicht ionisierenden Strah- en sowie die Erkenntnisse der deutschen Strahlen- chutzkommission ausgewertet und einbezogen werden. eider liegen derzeit kaum Ergebnisse vor. Aus dem obilfunk-Forschungsprogramm existieren bisher nur wei abgeschlossene Projekte: Zum einen ist das die Untersuchung der SAR-Vertei- ng – das ist die spezifische Absorptionsrate, gemessen Watt pro Kilogramm – in elektromagnetisch exponier- en Versuchstieren. Es gelang hier, ein verbessertes erfahren zur Erstellung von Voxelmodellen – Volumen- lement; das kleinste Element eines gerasterten Raums – u entwickeln mit einer sehr hohen Auflösung von bei- pielsweise 8 Kubikmillimeter für den Menschen, ,06 Kubikmillimeter bei Mäusen, 0,2 Kubikmillimeter ei Ratten. Somit konnten lokale organspezifische SAR- erte ermittelt und tabellarisch dargestellt werden. Zum anderen wurde eine Machbarkeitsstudie für eine ohortenstudie durchgeführt. Die Kohortenstudie sollte nhand hoch exponierter (Berufs-)Gruppen zur Erfas- ung eines möglicherweise erhöhten Krankheitsrisikos urch die Exposition mit Hochfrequenzfeldern durchge- ührt werden. Das Ergebnis ist, dass eine solche Kohor- nstudie keinen Sinn machen würde, weil eine „verzer- ungsfreie Abschätzung des Erkrankungsrisikos durch ochfrequente elektromagnetische Felder“ – Seite 10 es Berichts – nicht möglich sein könnte. Eigentlich sollten die Projekte des Mobilfunk-For- chungsprogramms im Jahr 2006 abgeschlossen sein. 16566 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Ich bin etwas unzufrieden darüber, dass nach dem vorlie- genden Bericht für einige Projekte die Ausschreibungs- phase noch nicht abgeschlossen war, sodass ich die Sorge habe, dass der Abschlusstermin nicht gehalten werden kann. Aus Vorsorgegründen darf es keinen Zeit- verzug geben. Ich hoffe, dass wir, wenn die vorliegenden Ergebnisse international präsentiert werden und die Er- gebnisse der Forschungsprogramme anderer Länder zu- fließen, dass wir zu einer neuen Bewertung der Auswir- kungen elektromagnetischer Felder auf die Gesundheit des Menschen kommen. Eine verantwortungsvolle Poli- tik muss dem Grundsatz folgen, dass die Gesundheit vorbeugend zu schützen ist. Das hilft auch, Kosten zu sparen. Helge Braun (CDU/CSU): Der Mobilfunk ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Der mo- bile Austausch von Informationen prägt das menschliche Miteinander im privaten, beruflichen und gesellschaftli- chen Leben. Mittlerweile nutzen über 70 Millionen Bun- desbürger ein Handy. Die Zahl der Mobilfunktelefonie- rer ist damit mittlerweile sogar höher als die der Festnetzanschlüsse in Deutschland. Die Mobilfunktechnologie schafft Werte in Deutsch- land, sie setzt wirtschaftliche Impulse frei. Die Mobil- funkbrache ist eine der wichtigsten Wachstumsmärkte Deutschlands. Die Telekommunikationskonzerne befin- den sich trotz allgemeiner wirtschaftlicher Stagnation auf der Erfolgsspur. Insbesondere die jüngsten Zahlen der Deutschen Telekom zeigen das deutlich: Mobilfunk und Breitbandgeschäft laufen hervorragend. Das schafft Werte auch für die, die in diese Branche investiert haben. Mehr als 100 000 Arbeitsplätze sind bisher im Be- reich der mobilen Kommunikation und der mobilen Dienstleistungen in Deutschland geschaffen worden. Und bei der Weiterentwicklung des mobilen Internets werden weitere Arbeitsplätze entstehen. Das sind gute Zukunftsperspektiven für unsere junge Generation von Schul- und Studienabgängern. Und doch ist die öffentliche Debatte über Mobilfunk auch von Sorgen der Bevölkerung vor möglichen Ge- sundheitsgefahren durch den Betrieb von Mobilfunk- sendeanlagen und die davon ausgehende Strahlung, ver- einfacht oftmals als Elektrosmog bezeichnet, geprägt. Allein die neue Mobilfunkgeneration „UMTS“ macht es erforderlich, dass mindestens 40 000 neue Sendenanla- gen auf privaten und öffentlichen Gebäuden aufgestellt werden mussten und zum Teil noch müssen. Für das UMTS-Netz werden technisch erheblich mehr Mobil- funksendeanlagen als für den bisherigen GSM-Standard notwendig sein. Die Aufgabe der Politik ist es, die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, das heißt, sie bestmöglich über die möglichen Risiken und Gefah- ren des Mobilfunks aufzuklären und alle Anstrengungen zu unternehmen, um durch Forschung diese junge Tech- nologie besser und sicherer zu machen. Der deutsche Bundestag hat deshalb Ende der 14. Le- gislaturperiode die Bundesregierung aufgefordert, alle z n r D s v d k a l f s d s l s r e f k v t r r t u d n s U d b d s c S h p d e W n B P b E s t F u V k U d E z (C (D wei Jahre einen Bericht der aktuellen Forschungsergeb- isse vorzulegen. Den ersten Bericht der Bundesregie- ung dieser Art nehmen wir heute hier zur Kenntnis. rei Bundesministerien – BMU, BMWA und BMBF – ind in die Mobilfunkforschung eingebunden. Das ist or allem deshalb richtig, weil es in mehreren Bereichen er Mobilfunktechnologie noch Unsicherheiten und eine langfristig erworbenen Kenntnisse gibt. Im Ver- ntwortungsbereich des Bundesumweltministeriums iegt deshalb auch das wichtigste Programm zur Risiko- orschung bei Mobilfunk, das Deutsche Mobilfunk-For- chungsprogramm. Dieses leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung er Bevölkerung, der über die bloße Vermittlung wissen- chaftlicher Fakten hinausgeht. Methodisch soll vor al- em der breiten Öffentlichkeit die Mobilfunktechnologie o einfach wie möglich vermittelt werden, um Transpa- enz zu schaffen und Ängste abzubauen. Die zahlreichen ingerichteten Internetadressen sind nur ein Beispiel da- ür. Es ist richtig und beispielhaft, dass von den Gesamt- osten des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms on 17 Millionen Euro die Hälfte von den Mobilfunkbe- reibern selbst übernommen wird. Die fachliche Steue- ung liegt aber allein in den Händen der Bundesregie- ung, hier hat die Strahlenschutzkommission, SSK, eine ragende Rolle. Die Mobilfunkbetreiber liefern Daten nd arbeiten mit. Es besteht weiterhin ein erheblicher Forschungsbe- arf: Insbesondere der Ausbau des UMTS-Netzes macht eue Studien erforderlich, da das UMTS-Netz technisch ehr viel engmaschiger aufgebaut werden muss, denn MTS-Antennen haben eine geringere Sendeleistung als er GSM-Standard. Es können zwar circa 50 Prozent der ereits bestehenden Sendeanlagen für den GSM-Stan- ard umgerüstet werden, aber eben nicht alle. Hier müs- en wir die Mobilfunkbetreiber auffordern, alle mögli- hen Anstrengungen zu unternehmen, um die Zahl der endeanlagen so gering wie möglich zu halten. Dazu ge- ört auch, dass sie gemeinsam mit Kommunen und den rivaten Eigentümern die Plätze für die Mobilfunksen- eanlagen so verantwortungsbewusst festlegen, dass bei iner guten Netzabdeckung keine neuen Risiken für ohngebiete entstehen. Und sie müssen die Wirkung und die Risiken der euen UMTS-Technik genau erforschen. Der Bericht der undesregierung zeigt uns, dass dazu eine Vielzahl von rojekten gestartet wurde. Die wenigsten Studien sind ereits abgeschlossen, weil sie langfristig angelegt sind. rste Zwischenergebnisse sind ermutigend. Im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-For- chungsprogramms hat Professor Lerchl von der Interna- ionalen Universität Bremen den Einfluss von UMTS- eldern auf die Leukämie- oder Krebsrate bei Mäusen ntersucht. 160 AKR-Mäuse, die durch den Einbau eines irus in die Erbsubstanz sehr leicht an Leukämie erkran- en wurden, für circa 9 Monate 24 Stunden täglich MTS-Feldern mit 0,4 W/kg ausgesetzt. Das entspricht em Fünffachen des Ganzkörpergrenzwertes. Ergebnis: s wurden keine Unterschiede in der Überlebensrate wischen den dem Feld ausgesetzen und den dem Feld Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16567 (A) ) (B) ) nicht ausgesetzten Tieren beobachtet. Der Versuch ist noch nicht vollständig abgeschlossen, da Gewebe- und Blutproben der Tiere noch weiter untersucht werden. Aber er lässt eine beruhigende Tendenz erkennen. Unsere Aufgabe ist es, die weitere Forschung anzu- stoßen, neue Ergebnisse genau zu prüfen und den Mobil- funkbetreibern dabei verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen. Wo dort durch freiwillige Vereinbarungen ge- setzliche Regelungen ersetzt werden können, begrüßen wir das ausdrücklich. Eine Initiative fehlt aber bisher im Mobilfunkbereich: Die Mobilfunkbrache engagiert sich zwar in der Opti- mierung der Mobilfunksendeanlagen – das ist Teil des Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bil- dung und Forschung: Das gesamte Netz soll zukünftig leistungsfähiger sein und weniger Emissionen verursa- chen –, aber das Umweltzeichen „Blauer Engel“ für be- sonders strahlungsarme Handys wird von den Herstel- lern abgelehnt. Das dokumentiert der Bericht der Bundesregierung deutlich. Angesichts der Tatsache, dass bereits ein Viertel der auf dem Markt befindlichen Han- dys die Kriterien des „Blauen Engels“ erfüllen, ist das verwunderlich. Hier muss die Bundesregierung darauf drängen, dass das seit über 25 Jahren erfolgreichste Um- weltzeichen in Europa zugunsten der Verbraucher auch von der Mobilfunkbranche als Beitrag zur Aufklärung und Information der Kunden genutzt wird. Die Industrie muss außerdem die Entwicklung strahlungsärmerer Han- dys weiter engagiert vorantreiben. Hier werden wir wei- ter wachsam bleiben und aktiven Verbraucherschutz ein- fordern. Lassen Sie mich zum Schluss einen Ausblick wagen: Wenn wir die Risken der Mobilfunktechnologie weiter engagiert erforschen und alle Anstrengungen unterneh- men, um die Bürgerinnen und Bürger besser zu infor- mieren und umfassend aufzuklären, kann diese Technik in Zukunft nicht nur die Kommunikation weiter revolu- tionieren. Auch andere Bereiche des gesellschaftlichen und so- zialen Lebens können positiv von der Mobilfunktechno- logie profitieren. Ich denke da insbesondere an die Me- dizin, Logistik, Wissenschaft und Forschungstechniken. Die Mobilfunktechnologie kann unser Leben positiv beeinflussen. Sie ist eine Zukunftsbranche in Deutsch- land und Europa, deren Chancen wir nutzen müssen, ohne die möglichen Risiken zu übersehen. Werner Wittlich (CDU/CSU): Ein Leben ohne Mo- bilfunktelefon können sich viele von uns heute gar nicht mehr vorstellen. Handys machen das Leben einfach und bequem. Mit dem Handy ist jeder heutzutage jederzeit an fast jedem Ort erreichbar. Kaum ein anderes Kommu- nikationsmittel hat unser tägliches Leben so nachhaltig geprägt wie das Handy. Es steht aber nicht nur für Er- reichbarkeit und Mobilität, sondern ermöglicht Informa- tionsaustausch per SMS, das Surfen im Internet und die Übermittlung von Fotos und Faxen. Der Mobilfunk hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland zu einer außergewöhnlichen Wachstums- b a ü n w g k d P A v R d d m s N m f d u z w s b M d d z v T s t l K o B b r v A U S B A t t s g e z g G l b (C (D ranche entwickelt. Handys sind deshalb zu einem be- chtlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Inzwischen bertreffen die Mobilfunkanschlüsse mit über 55 Millio- en die Zahl der Festnetzanschlüsse in Deutschland bei eitem. Aus unserem Alltag ist die Mobilfunktechnolo- ie damit gar nicht mehr wegzudenken. Dennoch ist der Fortschritt in dieser Technologie aber eineswegs unumstritten. Elektromagnetische Felder, ie als Übertragungsmedium gebraucht werden, sind der reis für diesen Fortschritt. Vor allem der begonnene usbau der UMTS-Technologie braucht ein dichtes Netz on Sendeanlagen. Künftig wird es nur noch wenige äume geben, die nicht mit elektromagnetischen Fel- ern konfrontiert sind. Mobilfunkgeräte brauchen Sen- eanlagen, die so genannten Basisstationen. Diese neh- en die Funksignale der Mobiltelefone auf, verarbeiten ie und leiten sie weiter in die verschiedenen Netze. ach Auskunft der Regulierungsbehörde für Telekom- unikation und Post gibt es derzeit über 70 884 Mobil- unkbasisstationen an 50 480 Standorten. In dem Maße, wie neue Sendeanlagen aufgestellt wer- en, wuchs die Verunsicherung in der Bevölkerung, ob nd in welcher Form die elektromagnetische Strahlung u Gesundheitsschäden führen kann. Auf der einen Seite ill jeder heutzutage mobil telefonieren, aber anderer- eits darf kein Sendemast in seiner unmittelbaren Umge- ung aufgestellt werden. Da die ganz überwiegende ehrheit die Mobilfunktechnologie befürwortet, steht ie Politik in der Verantwortung, mögliche Gefahren für ie Gesundheit auf ein Minimum zu beschränken. Die ahlreichen Anfragen von allen im Deutschen Bundestag ertretenen Fraktionen belegen, dass die Politik das hema sehr ernst nimmt. Die Verunsicherung in der Bevölkerung beruht haupt- ächlich auf mangelnden Kenntnissen über die Funk- ionsweise der Mobilfunktechnologie. Es ist unerläss- ich, beim Bau von Sendeanlagen mit Verbrauchern und ommunen zusammenzuarbeiten, um geeignete Stand- rte zu finden. In diese Diskussion vor Ort muss der ürger mit einbezogen werden; er darf nicht außen vor leiben. Hinwegtäuschen soll dies aber keinesfalls da- über, dass es in der Bevölkerung durchaus ein subjekti- es Bedrohungsgefühl gibt. Durch wissenschaftliche Untersuchungen zu den uswirkungen des Mobilfunks auf Menschen, Tiere und mwelt konnten bislang keine wie auch immer gearteten chädigungen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die undesregierung führt in ihrer Antwort auf die Kleine nfrage der CDU/CSU-Fraktion aus, dass es bei Einhal- ung der geltenden Grenzwerte nach dem derzeitigen in- ernational anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnis- tand keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit ibt. Vielfach sind die Ängste in Teilen der Bevölkerung infach auf Unwissenheit und mangelnde Aufklärung urückzuführen. Hier muss die Politik ansetzen: Auf- abe von Politik muss es sein, die Debatte über mögliche efahren von Mobilfunkanlagen zu versachlichen. Für die CDU/CSU-Fraktion ist es ein wichtiges An- iegen, ohne ideologische Vorbehalte an das Thema Mo- ilfunktechnologie heranzugehen. Für mich sind im 16568 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Zusammenhang mit Mobilfunk Vorsorge und Aufklä- rung die zwei wesentlichsten Kriterien. Gute For- schungsarbeit ist im Bereich Gesundheitsschutz die halbe Vorsorge. Die Bereitschaft der Mobilfunkbetrei- ber, die Strahlungsintensität der Handys zu kennzeich- nen, ist zu begrüßen. Das bisherige Engagement der Bundesregierung in der Forschung wird den Anforderungen aber in keiner Weise gerecht. Und – vor dem Hintergrund der Vergabe der UMTS-Lizenzen – warum wurde die Forschung nicht vorher schon intensiviert? Aber offensichtlich hat die Bundesregierung – wenn auch spät – das Problem zur Kenntnis genommen; denn für die Jahre 2002 bis 2005 werden immerhin 8,5 Millionen Euro zur Verfü- gung gestellt. Die von der Bundesregierung zur Verfü- gung gestellten Mittel reichen aber für umfangreiche und langfristige Forschungsprojekte bei weitem nicht aus. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, Mittel für ein Programm zur Verfügung zu stellen, das den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation genügt und auch internationale Forschungsergebnisse aufgrund von Langzeitstudien berücksichtigt. Entschei- dend ist, mögliche negative Folgen ernst zu nehmen und zugleich in Forschung und Aufklärung zu investieren. Hier wären die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Li- zenzen zur Erforschung eventueller gesundheitlicher Auswirkungen besser investiert gewesen als zum Stop- fen von Haushaltslöchern. Michael Kauch (FDP): Der Mobilfunk gehört längst zu unserem Alltag. Trotzdem oder vor allem deshalb geht die Debatte darüber weiter, wie diese Technologie mit möglichst geringen Gefahren für Gesundheit und Umwelt eingesetzt werden kann. Jüngste Veröffentlichungen der Forschung haben die- ser Diskussion weiter Nahrung gegeben. Sie dienen aber allenfalls der Verwirrung der Bürgerinnen und Bürger und nicht ihrer Aufklärung. Dabei brauchen wir in erster Linie Klarheit, die wir aber nur durch weitere, unermüd- liche Forschung erhalten werden. Das muss für alle Aspekte der Mobilfunktechnologie gelten. Die Öffentlichkeit diskutiert vor allem über die Risi- ken der Sendeanlagen. Stärker als bislang sollten aber die Handys Gegenstand der Forschungsuntersuchungen sein. Die Strahlenschutzkommission hat darauf hinge- wiesen, dass es hier am ehesten zu einer Belastung des Nutzers kommen kann. Das heißt, wir müssen die For- schung nicht nur für die Sendeanlagen, sondern gerade auch für die Handys verstärken. Das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm mit seinem breit angelegten Forschungsrahmen ist daher ein Schritt in die richtige Richtung. Insbesondere begrüße ich die Erforschung der Wirkungen von elektromagneti- schen Feldern auf Kinder und Jugendliche. Bei dieser sich noch in der körperlichen Entwicklung befindlichen Gruppe besteht erhöhter Forschungsbedarf. Doch Forschung allein reicht nicht aus. Daneben muss die Verbraucherinformation verbessert werden. Die Information insbesondere über den Strahlungswert d J p h f d M d d Ö d d v d f D D n w T t v g b i c m h d ü m n – B l ß r T v n B s s t i g d u n d s b (C (D er Handys ist derzeit ungenügend. Erst kürzlich hat das ahresgutachten 2004 zur Umsetzung der Selbstver- flichtung der Mobilfunkanbieter auf diesen Umstand ingewiesen. Die Praxis bestätigt dies. Der Verbraucher indet den so genannten SAR-Wert meist nur versteckt in er Gebrauchsanleitung oder auf den Internetseiten von obilfunkbetreibern und Herstellern. Tatsächlich bleibt em Verbraucher aber dadurch beim Kauf im Geschäft er Strahlungswert seines Handys verborgen. Eine in der ffentlichkeit anerkannte und bekannte Kennzeichnung er Produkte gibt es nicht. Der „Blaue Engel“ des Bun- esumweltministeriums wird von den Herstellern nicht erwendet. Herr Trittin, ich habe Sie bereits letztes Jahr im Bun- estag dazu aufgefordert, endlich die Voraussetzungen ür ein Label zu schaffen, das von allen akzeptiert wird. er „Blaue Engel“ ist für diese Aufgabe ungeeignet. och geschehen ist bislang nichts. Es ist daher auch icht richtig, wenn im vorliegenden Bericht die Verant- ortung allein auf die Hersteller abgewälzt wird. Herr rittin, Sie sind dran, handeln Sie! Die Industrie wird sich bei der Vorgabe eines geeigne- en Labels der Einführung auf dem Markt nicht weiter erschließen können. Dann ist der mündige Verbraucher efragt. Er wird entscheiden, ob die Strahlungsintensität eim Kauf eine Rolle spielen soll oder nicht. Forschung st richtig und wichtig, aber die Aufklärung der Verbrau- herinnen und Verbraucher eben auch. Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- inister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- eit: Mit Datum vom 27.Dezember 2004 hat die Bun- esregierung dem Deutschen Bundestag den Bericht ber die Forschungsergebnisse in Bezug auf Emissions- inderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktech- ologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen Drucksache 15/4604 – vorgelegt Sie kommt damit der itte des Deutschen Bundestags nach, über den aktuel- en Forschungsstand zum Thema Mobilfunk in regelmä- igen Abständen informiert zu werden. In dem Bericht wird dargelegt, dass die Bundesregie- ung vor drei Jahren ihre Forschungsaktivitäten zum hema Mobilfunk ressortübergreifend erheblich intensi- iert hat: Das BMWA fördert Projekte zum Thema Ge- ehmigungsverfahren und Risikokommunikation, das MBF fördert Forschungsarbeiten zum Thema Emis- ionsmindernde Technologien, das BMU hat das Deut- che Mobilfunk Forschungsprogramm – DMFP – ini- iiert. Ziel des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms st es, offene Fragen über mögliche biologische Wirkun- en und Mechanismen von elektromagnetischen Feldern es Mobilfunks wissenschaftlich belastbar zu klären und nter Einbeziehung internationaler Forschungsergeb- isse deren gesundheitliche Relevanz abzuschätzen. Ziel ieses Programms ist es aber auch, die verbliebenen Un- icherheiten auf diesem Gebiet zu verringern und gege- enenfalls zu klären. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16569 (A) ) (B) ) Das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm wird vom Bundesamt für Strahlenschutz koordiniert; die Strahlenschutzkommission begleitet das Programm fachlich: 2002 waren 52 Forschungsvorhaben in Bezug auf Auswirkungen auf Mensch und Tier, dosimetrische Verfahren zur exakten Bestimmung der Exposition der Bevölkerung durch hochfrequente elektromagnetische Felder des Mobilfunks, epidemiologische Untersuchun- gen zu möglichen Zusammenhängen zwischen elektro- magnetischen Feldern und gesundheitlichen Auswirkun- gen sowie zur Verbesserung der Risikokommunikation ausgewählt worden. Davon haben 45 Projekte nach Plan begonnen. Bei den anderen Projekten konnten leider keine kompetenten Forschungsnehmer gewonnen wer- den oder vorgeschaltete Pilotstudien zeigten, dass sich die gewünschte Fragestellung nicht im jeweiligen Pro- jekt beantworten ließ. An die Durchführung der Projekte werden höchste Qualitätsanforderungen gestellt. Daher werden zurzeit zwei Projekte auf ihre Machbarkeit geprüft: Zum einen soll in einer Kohortenstudie der Einfluss der Handynut- zung auf den Gesundheitsstatus von circa 250 000 Stu- dienteilnehmern aus Dänemark, Schweden, England und Deutschland dokumentiert werden. Zum anderen wurde in den vergangenen Jahren mehrfach nach einer Fortset- zung der Flachsmeer-Studie gefragt. Demnach soll die von einigen Anwohnern beobachtete Verschlechterung ihrer Schlafqualität in der Nähe von Mobilfunk-Basis- stationen untersucht werden. Unter Berücksichtigung von Empfehlungen der Strahlenschutz-Kommission wird dieses Projekt derzeit vergeben. In einer dreimona- tigen Pilotphase haben die Forschungsnehmer die Gele- genheit, die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel geeignete Standorte und definierte Expositionsbedingun- gen, mit den Netzbetreibern festzulegen. In den Mach- barkeitsstudien soll unter anderem auch die konstruktive Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern fortgesetzt wer- den. Die Bundesregierung möchte noch offene Fragen zur gesundheitlichen Bewertung des Mobilfunks durch wis- senschaftliche Studien klären. Dabei ist ein Studiende- sign unverzichtbar, das eindeutige und aussagekräftige Ergebnisse liefert. Erfüllt ein Studiendesign diese Vo- raussetzung jedoch nicht, wie dies bei anderen Studien zum Teil vorkommt – ich denke hier zum Beispiel an die so genannte Naila-Studie –, führen kleinräumig beo- bachtete Assoziationen möglicherweise zu schwer- wiegenden Fehlinterpretationen. Das BMU und das BfS fordern für die Projekte des Deutschen Mobilfunk-For- schungsprogramms einen hohen wissenschaftlichen Standard – und haben daher dem Wunsch einer Naila- Wiederholungsstudie nicht entsprochen. Im dritten Fach- gespräch zum DMFP am 28. April diesen Jahres wurde mit breiter wissenschaftlicher Beteiligung eine erste Zwischenbilanz gezogen. Es scheint, dass der einge- schlagene Weg auf große Zustimmung trifft. Ein Ausblick zum Schluss: Eine große Zahl an Ein- zelergebnissen kommt auf uns zu. Wenn alle Ergebnisse vorliegen, sind sie jeweils einzeln, aber auch in einer Ge- samtschau zu bewerten. Anschließend ist zu prüfen, wel- che politischen Konsequenzen daraus folgen. Bis zum A d d D w l A t S s d i e d h v e c a s n A P g H S t p R k s s n S s d E d S t d n Ü L D N S r S (C (D bschluss des Programms – voraussichtlich 2007 – wer- en wir weiterhin besonderen Wert auf Transparenz bei er Projektvergabe und der Ergebnisdarstellung legen. er nächste Bericht über den Fortschritt des Programms ird dem Deutschen Bundestag im Frühjahr 2006 zuge- eitet werden. nlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahn- gesetzes (Tagesordnungspunkt 22) Karin Rehbock-Zureich (SPD): Wir reden am heu- igen Tag über einen weiteren wichtigen Schritt für den chienenverkehr in Europa. Mit dem vorliegenden Ge- etz setzen wir die Richtlinie 2004/51/EG um und stellen ie Weichen für einen europaweiten offenen Wettbewerb m Schienengüterverkehr. Deutschland liegt mitten im rweiterten Europa, ist das Transitland Nummer eins und ie Verkehrsdrehscheibe Europas. Das ist bereits eute die Realität. Bis zum Jahr 2015 sind Zuwächse on 64 Prozent im Güterverkehr prognostiziert. Solch ine Steigerung kann nicht allein auf der Straße abgewi- kelt werden. Die Schiene wird einen wichtigen Teil des Zuwachses ufnehmen müssen und so Mobilität für uns alle sicher- tellen müssen. Die deutschen Unternehmen im Schie- engüterverkehr, allen voran die Konzerntöchter der DB G, sind gut positioniert. Schon heute werden über 30 rozent der Verkehrsleistung im europäischen Schienen- üterverkehr von deutschen Unternehmen geleistet. eute geschieht dies hauptsächlich auf dem deutschen chienennetz, das mit seiner Länge von 36 000 Kilome- ern das größte der EU ist. Damit die Unternehmen euro- aweit operieren können, werden jetzt die gesetzlichen egelungen zur schrittweisen Öffnung umgesetzt. So önnen die Gütertransporte auf der Schiene ihre wirt- chaftlichen Stärken mit lang laufenden, grenzüber- chreitenden Transporten voll ausspielen. Ab dem 1. Ja- uar 2006 besteht ein vollständiger Zugang zu allen trecken öffentlicher Eisenbahnen für den grenzüber- chreitenden Güterverkehr. Ab dem 1. Januar 2007 ist er Eisenbahngüterverkehr dann vollständig liberalisiert. Ich bin überzeugt davon, dass die Richtlinie 2004/51/ G, die wir mit dem vorliegenden Gesetz umsetzen wer- en, eine sehr positive Auswirkung auf den europäischen chienengüterverkehr haben wird. Für die Eisenbahnun- ernehmen erhöhen sich die Chancen am Markt deutlich, a sich auch die Schienennetze der Nachbarländer in den ächsten Jahren für den Güterverkehr öffnen müssen. Im brigen gilt für das deutsche Netz bereits heute ein hoher iberalisierungsgrad. Der europaweite Vergleich zeigt: eutschland muss sich beim diskriminierungsfreien etzzugang überhaupt nicht verstecken. Die zentrale tudie für den Bereich Liberalisierung im Schienenbe- eich stammt von IBM und der Humboldt-Universität. ie hebt Deutschland eindeutig hervor: Die deutsche und 16570 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) englische Netzregulierung gilt als Benchmark für diesen Bereich. Wir alle wollen ein flächendeckendes Schienennetz, das alle Wettbewerber auf der Schiene hinsichtlich Tras- senvergabe und Trassenpreise gleich behandelt. Diskri- minierung von Wettbewerbern darf es nicht geben. Dafür haben wir vor einigen Wochen die europäischen Richtli- nien 2001/12, 13 und 2001/14/EG umgesetzt bzw. das Vermittlungsverfahren dazu erfolgreich beendet. Die Wettbewerbsaufsicht wurde neu aufgestellt, die Kon- troll- und Eingriffsmöglichkeiten wurden verstärkt. Um in dieser Richtung weiterzugehen, dafür dient jetzt die, wie ich denke, unstrittige Gesetzesregelung, über die wir heute debattieren. Die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedin- gungen für die Schiene ist ein fortdauernder Prozess. Und es gilt nach wie vor, dass seitens dieses Parlaments und auch seitens der Europäischen Union weitere Schritte folgen, um den Schienenverkehr in Deutschland und in Europa voranzubringen. Gerade angesichts der europäischen Erweiterung und der prognostizierten Zu- nahme des weltweiten Güterumschlags können wir auf einen wettbewerblich organisierten, gut aufgestellten und leistungsfähigen Schienengüterverkehr nicht ver- zichten. Die Kapazitäten der Straße allein reichen jeden- falls nicht. Dieses Gesetz wird zusammen mit der Richt- linienumsetzung bei unseren europäischen Partnern dazu beitragen, europaweit die Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr zu befördern. Eduard Lintner (CDU/CSU): „Was lange währt, wird endlich gut!“, könnte man meinen, wenn wir jetzt zur parlamentarischen Beratung des so genannten Ersten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahnge- setzes kommen. Lange haben wir die Bundesregierung und die Europäische Union, vor allem Frankreich, drän- gen müssen, um bei der Liberalisierung des Zugangs zu den nationalen Schienenwegenetzen vorwärts zu kom- men. Jetzt soll das Schienennetz öffentlicher Eisenbah- nen in der EU ab 1. Januar 2007 für den Güterverkehr geöffnet werden, und zwar für den nationalen und inter- nationalen Güterverkehr und für die Kabotage! Aber we- gen der über die Jahre hin mit der EU und einzelnen Mit- gliedstaaten gemachten Erfahrungen glaube ich an den Erfolg erst, wenn er am 1. Januar 2007 auch tatsächlich eingetreten ist. Immer wieder haben wichtige Länder in der EU – hier ist in erster Linie Frankreich zu nennen – Wege und Mittel gefunden, die verbal bejahte Liberali- sierung durch diverse Tricks und kleinlich errichtete Hürden in der Praxis zu behindern oder gar zu unterbin- den. Das jüngste Beispiel für ein solches Manöver ist, ge- gen die Absicht der EU-Kommission, die von den europäischen Bahnen, CER, mit den europäischen Transportarbeitergewerkschaften ausgehandelte Verein- barung über die Einsatzbedingungen des fahrenden Per- sonals im grenzüberschreitenden Schienenverkehr als Richtlinie der EU für alle Betreiber von Schienenverkehr verbindlich zu machen. Die Personalkosten der privaten Konkurrenten der nationalen Staatsbahnen würden da- d D t i W k G p u w l l w F d d d d i d s b a m S K w i b b g W – t h u b k s I n m h Ö k t n A s d P d w b a n S 1 (C (D urch um – sage und schreibe – 20 Prozent verteuert. anach müssten nämlich Lokführer nach einer „auswär- igen Ruhezeit“, das heißt zum Beispiel Übernachtung m Ausland, die nächste „Ruhezeit“ am heimischen ohnort verbringen. Für die nationalen Staatsbahnen ein Problem, denn sie wechseln das Personal nach dem renzübertritt. Die privaten aber, die in Transportzyklen lanen, müssten ihr Personal nach Hause transportieren nd neues Personal aus der Heimat herbeikarren, um eiterfahren zu dürfen. So will man sich offenbar un- iebsame Konkurrenten auch nach der offiziellen Libera- isierung vom Halse schaffen. Warten wir es also ab, ob ir unser Ziel tatsächlich in den im Gesetz enthaltenen risten erreichen werden. Diese Erfahrungen lehren auch: Die Bundesregierung arf sich mit dem auf dem Papier Erzielten nicht zufrie- en geben, sondern sie muss ständig darüber wachen, ass trotz des jetzt erreichten Stadiums nicht neue Hin- ernisse ersonnen werden, die das erstrebte Ziel wieder nfrage stellen bzw. wieder hinausschieben sollen. In iesem Zusammenhang dürfen wir nicht übersehen, was ich bisher trotz prinzipieller Öffnung des Zugangs in estimmten Schienenverkehrsbereichen, tut. Da nutzen usländische Eisenbahnunternehmen oft über Tochterfir- en durchaus die Möglichkeit, auf dem deutschen chienennetz der Deutschen Bahn AG wirkungsvoll onkurrenz zu machen. Dagegen ist gar nichts einzu- enden, wenn das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt st. Wenn aber – wie eben beim französischen Nach- arn – das eigene, nationale Netz praktisch abgeschottet leibt, müssen wir uns alle, vor allem aber die Bundesre- ierung mit allen ihr gebotenen Mitteln, dagegen zur ehr setzen. Das hat sie in der Vergangenheit leider wir haben es hier schon oft beklagt – nicht mit der nö- igen Verve getan, sondern sie war auf mancherlei Kuh- andel bedacht und hat nur halbherzig beim EU-Partner nd bei der Kommission protestiert. Ich bin der Überzeugung: Wir hätten das jetzt in sicht- are Nähe gerückte Teilziel schon viel früher erreichen önnen, wenn das Anliegen von der Bundesregierung tets mit dem nötigen Nachdruck verfolgt worden wäre. ch hoffe nur, dass die Bundesregierung dieses Mal die ationalen Interessen in dieser Sache, ohne Abstriche zu achen, zu verfolgen bereit ist. In diesem Zusammen- ang sei auch erwähnt, dass sich der politische Wille zur ffnung der Netze für alle Betreiber von Schienenver- ehr auch darauf richten muss, die noch vorhandenen echnischen, administrativen und faktischen Hinder- isse zügig zu beseitigen. Dazu gehört zum Beispiel die ngleichung der verwendeten Technik, mindestens aber, ie untereinander kompatibel zu machen. Dazu gehört ie gegenseitige Anerkennung von Ausbildungen beim ersonal, das Akzeptieren von Zulassungen beim rollen- en Material, die Standardisierung von Hard- und Soft- are im Bereich Leit- und Versorgungssysteme sowie ei der Signal- und Sicherheitstechnik. Dazu gehört vor llem auch die mentale Schulung des nationalen Perso- als, nicht durch vorurteilsbehaftete Verhaltensweisen, and ins Getriebe der Liberalisierung zu streuen. Man darf die praktische Bedeutung des für den . Januar 2007 angekündigten Liberalisierungsschrittes Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16571 (A) ) (B) ) wahrlich nicht unterschätzen. Der Systemvorteil des Gü- terverkehrs auf der Schiene liegt in der langen Trans- portstrecke, möglichst über 300 Kilometer. Optimale Beförderungsweiten sind im kleinräumigen Mittel- und Westeuropa meist nur, beim grenzüberschreitenden Gü- terverkehr zu erreichen. Die Grenzen der EU-Staaten müssen – wie beim LKW-Verkehr – ohne Halt oder nur mit kurzem, technisch bedingtem Aufenthalt passiert werden können. Noch heute sind leider Klagen über un- nötig lange Wartezeiten oder gar das tagelange Ver- schwinden von Güterzügen auf dem Netz europäischer Staaten keineswegs selten. Die häufig abgegebenen küh- nen Prognosen über einen deutlich wachsenden Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr haben sich alle- samt bislang nicht bewahrheitet. Sie können wohl erst erreicht werden, wenn die Liberalisierung der Schienen- netze innerhalb der EU tatsächlich Platz gegriffen hat. Das würde dann zum Beispiel auch im Bereich der Um- welt eine wirksame Entlastung von den Auswirkungen eines immer dichter werdenden Straßenverkehrs bedeu- ten, um nur ein damit verbundenes Sekundärziel zu er- wähnen. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, wünschen dem Libera- lisierungsprozess auf Europas Schienennetzen daher ein durchschlagendes, künftig unbehindertes Fortkommen. Darauf wird sich unsere ständige Aufmerksamkeit rich- ten. Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziel der erneuten Änderung des Eisenbahn- gesetzes ist die Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/51 in nationales Recht. Zum 1. Januar 2007 soll der gesamte Güterverkehr auf der Schiene in Europa liberalisiert wer- den. Ein notwendiger Schritt um die ehrgeizigen Ziele der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene zu erreichen. Die Gesetzesän- derung erlaubt es sowohl staatlichen als auch privaten Güterverkehrsbahnen aus den Mitgliedstaaten, innerhalb Deutschlands und im Verkehr nach und von Deutschland Güter auf der Schiene zu transportieren. Mit der zu er- wartenden zeitgleichen Umsetzung in den anderen Mit- gliedstaaten wird im Gegenzug auch deutschen Güterver- kehrsbahnen der lückenlose und diskriminierungsfreie Zugang zu den Netzen der europäischen Nachbarn ermög- licht. Durch die bereits relativ weit fortgeschrittene Öff- nung des nationalen Schienengüterverkehrsmarktes in Deutschland können wir sehr gut beobachten, dass Wett- bewerb auf der Schiene zu wachsenden Marktanteilen der Schiene führt: Im Vergleich der Jahre 2003 und 2004 stieg der Anteil von DB-Wettbewerbern gefahrenen Schienengüterverkehre von circa 5 Prozent auf circa 10 Prozent, gleichzeitig stieg die Gesamtmenge der auf der Schiene beförderten Güter um rund 8,2 Prozent auf 86 Milliarden Tonnenkilometer. Die Schiene konnte so- mit im Jahr 2004 ihren Marktanteil im Gesamtgüterver- kehrsmarkt um circa 2,7 Prozent steigern. Wettbewerb im Güterverkehr wirkt und bringt die Schiene nach vorne. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich den vor- liegenden Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Güter- v e U b w b z s d W k t v n s d d w m t w D G a V n m b t s a Z d d d S B k s w n J r k a V d w G g w g n (C (D erkehrs und erwarten und fordern von den anderen uropäischen Mitgliedstaaten eine ebenso pünktliche msetzung der EU-Richtlinie. Die darüber hinausgehenden vom Bundesrat einge- rachten Änderungsvorschläge zum Eisenbahnrecht erden wir in der zweiten Lesung intensiv prüfen und ewerten. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Wir beraten heute u zugegebenermaßen nachtschlafender Zeit – wahr- cheinlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit – eine für en europäischen Eisenbahngüterverkehr entscheidende eichenstellung, nämlich die Öffnung aller Güterver- ehrsnetze ab dem 1. Januar 2006 für grenzüberschrei- ende Verkehre und ab dem 1. Januar 2007 für alle Güter- erkehre. So weit, so schlecht! Wie in allen Fällen ist Richtli- ienentwürfen der Europäischen Union erst dann tat- ächliche Geltung verschafft, wenn sich auch alle Länder er Europäischen Union in der praktischen Umsetzung ieses Gesetz zu Eigen machen. Es hat hohe Bedeutung, eil Zuwachsraten des Güterverkehrs auf der Schiene ehr und mehr – völlig zu Recht – im grenzüberschrei- enden langläufigen Schienengüterverkehr stattfinden erden. Es ist höchst ärgerlich, dass nach wie vor das enken der alten Staatsbahnen gilt, die an der jeweiligen renze sowohl das Personal als auch die Lokomotive uswechseln und damit einen im Verhältnis zu anderen erkehrsträgern nicht hinzunehmenden Wettbewerbs- achteil erleiden. Erst durch den Einsatz innovativer neuer Unterneh- en, die mit Mehrsystemlokomotiven und hoch ausge- ildetem Personal grenzüberschreitend Güterverkehr be- reiben, und durch eine von der EU vorangetriebene chrittweise Öffnung bestimmter Netze ist es gelungen, uch denn Verkehrsträger Schiene wieder Potenzial und uwächse zu verschaffen. Die politische Aufgabe wird eshalb sein, dafür einzutreten, dass insbesondere Län- er wie Frankreich und Spanien ebenfalls in der Praxis ie jetzt vorgegebenen Normen umsetzen, und der chiene zum Durchbruch zu verhelfen. Es mutet etwas seltsam an, dass im Gesetzentwurf der undesregierung lediglich auf die finanziellen Auswir- ungen der öffentlichen Haushalte insbesondere des Ei- enbahnbundesamtes als Kontrollbehörde eingegangen ird. Von einer Bundesregierung, die sich unter rot-grü- er Mehrheit auf die Fahne geschrieben hat, bis zum ahre 2015 100 Prozent Zuwachs auf der Schiene im Be- eich des Güterverkehrs zu erzielen, hätte man erwarten önnen, im Vorblatt eines solchen Gesetzentwurfes auch uf die tatsächlichen Möglichkeiten im Wettbewerb der erkehrsträger untereinander einzugehen. Wenn dies die erzeitige Opposition macht, zeigt das überdeutlich, dass ir mehr als die reinen Verwaltungskosten bei diesem esetzentwurf sehen und hoffen, dass die durch Europa eschaffenen Möglichkeiten nun auch zügig ausgenutzt erden. Das gilt sowohl als Aufforderung an die bisheri- en Staatsbahnen als auch als Bekräftigung an neue in- ovative Unternehmen. 16572 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Überhaupt nicht in dieses Bild passt deshalb der auf der europäischen Ebene ebenfalls beschlossene Gesetzent- wurf. Zwischen den europäischen ehemaligen Staatsbah- nen und der Europäischen Transportgewerkschaft wurde vereinbart, dass Lokomotivführer, die grenzüberschrei- tend fahren, am zweiten Tag nach Grenzübertritt wieder in ihrem Heimatland zurück sein müssen. Hier wird aus fadenscheinigen und durchsichtigen Gründen offensicht- lich ein Wettbewerbsvorteil innovativer Privatunterneh- mer beschränkt. Wenn auch alle Staatsunternehmen end- lich dann nach dem neuen Gesetz der allgemeinen Eisenbahngesetzgebung ebenfalls grenzüberschreitend tätig werden, besteht Hoffnung, dass auch dieses unsin- nige Gesetzeswerk wieder aufgehoben wird. Die Libera- len unterstützen den Sinn dieser Gesetzesänderung, freuen sich auf die entsprechende sachliche Debatte in den Ausschüssen und kündigen bereits jetzt ihre Zustim- mung an. Achim Großmann, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen: Der internationale Eisenbahnverkehr ist eine der großen Wachstumschancen der Eisenbahnen. Er führt bisher im Verhältnis zu seinen Möglichkeiten ein Schattendasein. Die Konkurrenten, allen voran LKW und Flugzeug, sind der Eisenbahn auf dem Weg zu einem liberalisierten eu- ropäischenVerkehr weiterhin voraus. Im zurückliegenden Jahrzehnt sind daher große An- strengungen unternommen worden, um der Eisenbahn einen wesentlichen Platz im Rahmen einer integrierten europäischen Verkehrspolitik einzuräumen. Die bürokra- tischen und technischen Schranken im europäischen Bahnnetz müssen daher so bald wie möglich fallen. Er- klärtes Ziel der Bundesregierung ist die zügige Verwirk- lichung eines einheitlichen europäischen Eisenbahn- marktes. Hierfür haben wir auch immer in der Europäischen Union geworben und das Entstehen der zwei bislang verabschiedeten Eisenbahnpakete tatkräftig unterstützt. Ein erster Schritt nach der Bahnreform war die Um- setzung der Richtlinien des l. Eisenbahnpaketes, mit der der diskriminierungsfreie Zugang aller nationalen Eisen- bahnen zur Eisenbahninfrastruktur festgeschrieben wurde. Die Zugangsrechte im grenzüberschreitenden Verkehr wurden ebenfalls erweitert, allerdings zunächst beschränkt auf das transeuropäische Schienengüternetz. Ein vollständiger Zugang zu allen Strecken öffentlicher Eisenbahnen war erst für das Jahr 2008 vorgesehen. Dies reicht jedoch nicht aus, um der Bahn in Europa die Bedeutung zu verschaffen, die ihr in einem integrier- ten Verkehrssystem zukommen sollte. Dabei ist gerade auch der internationale Verkehr mit seinen langen Beför- derungswegen und seinem Wachstum die Chance für die Zukunft der Schiene. Erst wenn es gelingt, die Bahnen vollständig von ihrer Bindung an die nationalen Schie- nennetze zu lösen, kann man von einem echten interna- tionalen Verkehrsmittel sprechen. Vor Ihnen liegt ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Marktöffnung im Eisenbahnbereich: Das Erste Än- derungsgesetz zum Allgemeinen Eisenbahngesetz, über d t s k G e c 1 r w l d k t v l d V e u s c A C n v v n V C n s A f k u m n h h w g d (C (D as wir heute beraten, ist Teil der Umsetzung des „Zwei- en Eisenbahnpaketes" der EU und bringt uns die voll- tändige Öffnung der Eisenbahnnetze für den Güterver- ehr zum l. Januar 2007. Das Ihnen jetzt vorliegende esetz legt die dafür notwendigen weiteren Schritte fest: rstens vollständiger Zugang zu allen Strecken öffentli- her Eisenbahnen im grenzüberschreitenden Verkehr ab . Januar 2006 und zweitens vollständige Liberalisie- ung des Eisenbahngüterverkehrs ab 1. Januar 2007. Und enn ich vollständig sage, dann meine ich den nationa- en Güterverkehr, den internationalen Güterverkehr und ie Kabotage. Dies ist die einzige Chance, dem Eisenbahngüterver- ehr die Bedeutung zu verschaffen, die ihm in einem in- egrierten Verkehrssystem zukommen sollte. Und noch etwas: Wir sollten dieses Gesetzgebungs- erfahren nicht dazu benutzen, Diskussionen wieder auf- eben zu lassen, die wir bereits im Zusammenhang mit em Dritten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher orschriften geführt und im Vermittlungsverfahren zu inem guten Ende gebracht hatten. Konzentrieren wir ns jetzt auf die Umsetzung der Richtlinie zur Liberali- ierung des Schienengüterverkehres. Er kann es brau- hen. nlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Mehr Verbraucher- schutz durch eindeutigere Kennzeichnung und sendungsbezogene Rückstandsuntersuchungen von Geflügelfleischimporten in die EU aus Drittländern (Tagesordnungspunkt 23) Manfred Zöllmer (SPD): Mit ihrem Antrag will die DU/CSU den Verbraucherschutz durch die Kennzeich- ung und sendungsbezogene Rückstandsuntersuchungen on Geflügelfleischimporten aus Drittländern in die EU erbessern. Dabei suggeriert sie, dass es sich um eine eue Problematik handelt, derer sie sich im Sinne der erbraucherinnen und Verbraucher annehmen muss. Offenbar wird der Verbraucherschutz von der CDU/ SU immer mehr als wichtiges Politikfeld entdeckt – so eu, wie dies jedoch für sie ist, ist das für uns nicht. Auch die Problematik von Importen speziell von ge- alzenem Geflügelfleisch aus Drittländern und deren uswirkungen auf den europäischen und deutschen Ge- lügelmarkt sind der Bundesregierung seit Jahren be- annt. Es handelt sich im Übrigen um ein europäisches nd nicht nur um ein nationales Problem. Doch wenn an den Antrag genau liest, wird man den Eindruck icht los, dass sie nicht den Verbraucherschutz im Auge at, sondern ihn lediglich als Mäntelchen benutzen, um ier Schutz- und Lobbyarbeit für die deutsche Geflügel- irtschaft zu betreiben, die vor ausländischen Importen eschützt werden soll. Es gibt niemanden hier im Saal, der nicht will, dass es er deutschen Wirtschaft und auch der deutschen Geflü- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16573 (A) ) (B) ) gelwirtschaft gut geht. Was aber eindeutig missfällt, ist die Tatsache, dass die CDU/CSU die wichtigen Interes- sen der Verbraucherinnen und Verbraucher als Ausweg benutzt, um andere Ziele zu verfolgen. Damit bringt sie einmal mehr zum Ausdruck, wie wenig ernst es ihr mit dem Verbraucherschutz wirklich ist. Sie nutzt ihn nur als Spielball zur Durchsetzung ganz anderer Interessen. Worum geht es hier eigentlich? Wir reden hier sowohl über Handelsfragen als auch über gesundheitlichen Ver- braucherschutz. Bereits vor Jahren war festzustellen, dass die Importe von gesalzenem Geflügelfleisch in die EU deutlich zugenommen hatten. Dabei handelte es sich in erster Linie um leicht gesalzenes Geflügelfleisch. Im Jahr 2001 waren dies über 226 000 Tonnen, wovon zwei Drittel aus Brasilien und ein Drittel aus Thailand stamm- ten. Der größte Anteil der importierten Menge ging mit gut 117 000 Tonnen nach Deutschland. Fünf Jahre zu- vor, 1996, waren dies im Vergleich lediglich 3 600 Ton- nen. Dies belegt eine immense Steigerung. Diese zunehmenden Importe und auch die Zunahme der eigenen Geflügelproduktion als Folge der BSE-Krise führten in der Tat zu einem deutlichen Preisdruck auf den europäischen Märkten für Geflügelfleisch. Als Hauptursache für die dramatische Entwicklung der Ein- fuhren von gesalzenem Geflügelfleisch in die EU – und mithin nach Deutschland – wurde auf EU-Ebene die er- heblich geringere Zollbelastung von gesalzenem Geflü- gelfleisch gegenüber frischem und gefrorenem Geflügel- fleisch ausgemacht. Im Juli 2002 hat die EU-Kommission eine Einrei- hungsverordnung in Kraft gesetzt, wonach entbeinte, tiefgefrorene und gesalzene Teile von Hühnern mit ei- nem Kochsalzgehalt von 1,2 bis 1,9 GHT – Gewichts- hundertanteile – als „gefrorenes Fleisch“ eingereiht wur- den. Damit verbunden war dieses Fleisch nunmehr auch mit höheren Importzöllen belegt als lediglich gesalzenes Fleisch. In der Folge sanken die Importe dramatisch. Gegen diese Regelung beantragten die größten Im- portländer Brasilien und Thailand jedoch die Einsetzung eines WTO-Panels. Dieses endete erwartungsgemäß zu- gunsten der Antragsteller mit dem Ergebnis, dass die EU die Einreihung des gesalzenen Geflügelfleischs als „tief- gefroren“ nicht mehr vornehmen darf. Die Einreihungs- verordnung wurde als unzulässige Beschränkung des Marktzuganges und Verletzung von WTO-rechtlichen Verpflichtungen der EU gewertet. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Deutsch- land bereits frühzeitig zoll- und WTO-rechtliche Beden- ken gegen die Einreihungsverordnung angemeldet hatte, aber keine Unterstützung durch andere Mitgliedstaaten fand. Ob die EU-Kommission die genannte Entschei- dung vor dem Appellate-Body anfechten wird, ist derzeit noch unklar. Insoweit stellt sich die Problematik neu und muss nunmehr auch neu diskutiert werden. Es muss sicher auch damit gerechnet werden, dass die Geflügelfleisch- importe wieder deutlich ansteigen werden. Die CDU/CSU schlägt nun vor, die Kennzeichnung der Drittlandimporte auch für gesalzenes, gewürztes o b V b a S is C k f g k S s K g W g d n f n f le u r b P e F g s N P ih g b m z m A d s s d s s V – n 9 1 (C (D der thermisch behandeltes Fleisch vorzunehmen, ferner ei Verarbeitungserzeugnissen aus Geflügelfleisch. Der orschlag klingt nur auf den ersten Blick griffig, pro- lemlösend und verbraucherfreundlich, entpuppt sich ber bei genauerem Hinsehen als unpraktikabel, als eine cheinlösung, die zudem handelsrechtlich bedenklich t. Wie soll beispielsweise Hühnerfleisch, das gerade in onvenience-Produkten verschwindet, gesondert ge- ennzeichnet werden? Die Verarbeitungsketten für Ge- lügelfleisch werden immer länger, wie soll da was wo ekennzeichnet werden? Der Antrag gibt an dieser Stelle einerlei konkrete Antworten. Wenn wir über Kennzeichnung reden, dann ist sie aus icht der Verbraucherinnen und Verbraucher nur dann innvoll, wenn sie auf ein konkretes Produkt bezogen ist. Aber die CDU/CSU suggeriert nicht nur, dass die ennzeichnung das Allheilmittel zum Schutz der Geflü- elwirtschaft sei, sondern vermengt auch in unzulässiger eise die Handelsproblematik mit der Lebensmittelhy- iene. Sie tut in ihrem Antrag gerade so, als wenn die Bun- esregierung die in der Vergangenheit bekannt geworde- en teilweisen hygienischen Probleme mit Geflügel- leischimporten – etwa die Nitrofuran-Kontaminatio- en – nicht ernst nehme und die Lebensmittelsicherheit ür die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht gewähr- istet sei. Und sie tut so, als ob dieser gesamte Bereich ngeregelt sei. Dies ist falsch und diese Bundesregie- ung braucht keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Le- ensmittelsicherheit. Diese Bundesregierung hat das rinzip des vorsorgenden Verbraucherschutzes immer rnst genommen. Insoweit ist es wichtig, sachlich auf olgendes hinzuweisen: Bereits jetzt müssen nach dem eltenden allgemeinen Lebensmittelrecht der Gemein- chaft – nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) r. 178/2002 – die Lebensmittelunternehmer auf allen roduktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den rer Kontrolle unterstehenden Unternehmen dafür sor- en, dass die Lebensmittel die Anforderungen des Le- ensmittelrechts erfüllen. Ferner enthält Art. 11 dieser Verordnung die allge- eine Verpflichtung für den Lebensmittelhandel, dafür u sorgen, dass in die Gemeinschaft eingeführte Lebens- ittel, also auch das Geflügelfleisch, die entsprechenden nforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen. Zudem ürfen nach Art. 14 Abs. 1 Lebensmittel, die nicht sicher ind, nicht in Verkehr gebracht werden. Im Hinblick auf Lebensmittel aus tierischer Herkunft chreibt die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zudem vor, ass Lebensmittelunternehmer, die Erzeugnisse tieri- chen Ursprungs aus Drittländern einführen, sicherzu- tellen haben, dass die Einfuhr nur unter den in dieser erordnung hierfür festgelegten Bedingungen erfolgt Art. 6 –. Eine dieser Bedingungen ist, dass das Erzeug- is den Anforderungen der Rückstandskontrollrichtlinie 6/23/EG entspricht. Diese Verordnung muss ab dem . Januar 2006 angewandt werden. 16574 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) Daher sind auf EG-Ebene ausreichende rechtliche In- strumentarien vorhanden, um einen angemessenen Ver- braucherschutz in Bezug auf Rückstände in importiertem Geflügelfleisch zu gewährleisten. Es liegt in der Verant- wortung jedes Beteiligten im Lebensmittelhandel, seiner Verpflichtung zur Sicherheit von Lebensmitteln nachzu- kommen. Ich will betonen, dass natürlich auch in der Vergan- genheit Geflügelfleisch und Geflügelfleischerzeugnisse stichprobenweise auf Rückstände untersucht wurden. Das In-Verkehr-Bringen von Geflügelfleisch und Geflü- gelfleischerzeugnissen etwa mit antibiotischen Stoffen ist nach geltendem Recht verboten. Bei entsprechenden Einstufungen kann bereits jetzt jede Partie, die geliefert wird, untersucht werden. Werden der Europäischen Kommission konkrete Sachverhalte bekannt, zum Beispiel durch Inspektionen des Lebensmittel- und Veterinäramtes der Europäischen Kommission in einem Drittland, die die Einhaltung die- ser Vorschriften fraglich erscheinen lässt, so kann sie ge- genüber diesem betroffenen Drittland eine Schutzklau- selentscheidung erlassen. Solche Entscheidungen beinhalteten in der Vergangenheit zum Beispiel Einfuhr- beschränkungen in der Form, dass die Sendungen aus Drittländern systematisch auf das Vorhandensein von Rückständen untersucht werden mussten. Dies zeigt: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, den mit der gegenwärtigen Rechtslage die Lebensmittelsicher- heit zu gewährleisten. Mit den Vorschlägen der CDU/ CSU wird die Lebensmittelsicherheit jedoch nicht er- höht. Ihre Forderungen sind nicht praktikabel und WTO- konform. Sie missbraucht den Verbraucherschutz. Das Problem des zunehmenden Wettbewerbs auf dem Geflügel- fleischmarkt kann nicht durch die Hintertür gelöst wer- den. Mit einer Vielzahl von Anträgen und Wortbeiträgen im Deutschen Bundestag hat die CDU/CSU-Fraktion das Hohe Lied des Freihandels und des Abbaus von Han- delsschranken gesungen. Die Bundesregierung wurde kritisiert, dies nicht entschieden genug in den internatio- nalen Verhandlungen vertreten zu haben. Wer wie die CDU/CSU so engagiert Handelserleichterungen fordert, ist dann auch für die Konsequenzen mit verantwortlich. Gitta Connemann (CDU/CSU): Schon Wilhelm Busch wusste um den Wert guten heimischen Geflügel- fleisches. So lässt er Max und Moritz mehr als einen Streich spielen, um in den Genuss eines Hühnerschmau- ses auf Kosten der Witwe Bolte zu kommen. Ich zitiere: „Durch den Schornstein mit Vergnügen sehen sie die Hühner liegen, die schon ohne Kopf und Gurgeln lieb- lich in der Pfanne schmurgeln.“ Wir wissen nicht, ob Max und Moritz, wenn sie heute leben würden, dicke Kinder wären. Aber eines wissen wir: Wenn Max und Moritz heute in eine Pfanne greifen würden, könnten sie nicht sicher sein, woher das Geflü- gel stammt. Dieses Problem stellt sich nämlich allen Verbrauchern in Deutschland, die gebratenes, gesalze- nes, gewürztes oder anderweitig behandeltes Geflügel- f n z V d S u K P f E n a f D t v g s l A d k d k i d m u ß e r P t F t K d f v f w z a w c s g s z a n b n d (C (D leisch kaufen. Denn die Herkunft dieses Fleisches muss icht angegeben werden. Ein zu vernachlässigendes Ein- elproblem? Keineswegs. Viele ernährungsbewusste erbraucher entscheiden sich hierzulande bewusst für en Verzehr von Geflügelfleisch, insbesondere Eltern. ie können es täglich in Supermärkten sehen: Mütter nd Väter mit ihren Kindern gehen zielstrebig auf die ühltheke zu, in der Hähnchenschenkel, Entenkeulen, utenbrüste küchenfertig und abgepackt liegen. Sie kau- en dieses Weißfleisch insbesondere aus zwei Gründen: rstens: Geflügelfleisch ist gesund. Schließlich weiß icht nur die Bundesministerin um die Bedeutung einer usgewogenen, proteinreichen und fettarmen Ernährung ür unsere Kinder. Zweitens: Das Fleisch kommt aus eutschland. Dafür scheint jedenfalls das Veterinärkon- rollkürzel „DE“ auf der Verpackung zu stehen. Die Verbraucher, insbesondere Eltern, sind nämlich orsichtig geworden. Die Probleme der jüngeren Ver- angenheit wie BSE oder Geflügelpest haben sie verun- ichert. Nach dem BSE-Skandal verwenden sie vor al- em Geflügelfleisch. Und angesichts der immer noch in sien grassierenden Geflügelpest achten sie darauf, dass as Fleisch aus Europa, am besten aus Deutschland ommt. Sicher ist sicher. Geflügelfleisch insbesondere aus Deutschland gibt en Verbrauchern dieses sichere Gefühl – zu Recht. Wir aufen bewusst hiesige Produkte. Denn wir wissen um hre ausgezeichnete Qualität. In Deutschland bestehen ie weltweit schärfsten Anforderungen an die Nahrungs- ittelsicherheit. Es werden höchste Ansprüche an Tier- nd Umweltschutz gestellt. Und dies wird auch regelmä- ig kontrolliert. Diese Sicherheit hiesiger Produkte trägt ntscheidend zu der gesunden und ausgewogenen Ernäh- ung bei, die wir ja alle wollen. Nicht zuletzt wegen des lus an Frische, da die Transportwege bis zur Vermark- ung bei uns kurz sind. Diese Qualität, Sicherheit und rische unserer Nahrungsmittel ist nicht nur Eltern wich- ig, sondern der Mehrzahl der deutschen Verbraucher. Und was müsste die zuständige Ministerin Frau ünast, nun all diesen Verbrauchern sagen, wenn sie iese ausreichend informieren wollte? Dass diese sich älschlicherweise in Sicherheit wiegen! Dass allein im ergangenen Jahr annähernd 100 000 Tonnen Geflügel- leisch allein aus Brasilien nach Deutschland importiert orden sind – von Ländern wie Thailand etc. pp. ganz u schweigen! Dass dieses Fleisch hier allerdings im Falle einer Ver- rbeitung als deutsches Produkt gekennzeichnet verkauft erden darf! Dass eine Lücke im deutschen Verbrau- herschutz klafft! Dies alles müsste die zuständige Frau Ministerin un- eren Verbrauchern sagen, wenn ihr an einer vollständi- en Information gelegen wäre. Allein, die Ministerin chweigt. Sie weist nicht darauf hin, dass nach der der- eitigen Rechtslage die Herkunft von Geflügelfleisch us Drittländern wie Brasilien, Thailand, Vietnam, Indo- esien, China, Chile usw. nur anzugeben ist, wenn es un- ehandelt ist. So sagt es die einschlägige EWG-Verord- ung Nr. 1906/90 des Rates. Sie weist nicht darauf hin, ass als unbehandeltes Fleisch nur solches gilt, das nicht Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16575 (A) ) (B) ) haltbar gemacht worden ist. Sie weist nicht darauf hin, dass nur bei frischem oder kältebehandeltem Geflügel- fleisch das Herkunftsland anzugeben ist. Das heißt: eine Prise Salz – Simsalabim – schon spielt die Herkunft keine Rolle mehr. Denn sobald ein leichtes Salzen oder Würzen erfolgt, ist das Fleisch behandelt und fällt damit unter die Kategorie „Geflügelfleischzubereitung“. Folge: Es muss keine Auskunft über die ursprüngli- che Herkunft des Produktes gegeben werden. Dasselbe geht im Fall der thermischen Behandlung: einmal in die Pfanne und kurz gebraten – Simsalabim –, eine Kenn- zeichnung ist nicht mehr erforderlich. Der Verbraucher, die Mutter oder der Vater, können also nicht mehr erkennen, woher das Fleisch stammt. Schlimmer noch: In den meisten Fällen müssen sie sogar den Eindruck gewinnen, dass das Fleisch aus Europa, aus Deutschland kommt. Denn Geflügelfleisch aus Dritt- ländern wie Brasilien wird in aller Regel in Großpackun- gen in die EU und nach Deutschland importiert. Eine Portionierung und Verpackung erfolgt erst in Betrieben in der EU und in Deutschland. Nach der einschlägigen EU-Hygienevorschrift muss dieser Betrieb die Packung mit seiner Veterinärkontrollnummer kennzeichnen. Er- folgt die Portionierung in Deutschland, erhält das Pro- dukt das Kürzel DE. Das heißt: einmal verpackt – Sim- salabim –, das Herkunftsland scheint in Europa zu liegen. Die Verbraucher, die sich über Kürzel, Siegel, Kenn- zeichnungen informiert haben, werden nämlich davon ausgehen, dass es sich um ein europäisches, gegebenen- falls auch deutsches Produkt handelt. Sie verbinden mit dem Kürzel „DE“ gerade kein brasilianisches Geflügel, das nur behandelt und portioniert worden ist. Unsere Verbraucher halten es für ein deutsches Huhn. Hier wird mit der Gutgläubigkeit unserer Verbraucher und dem Vertrauen in deutsche Qualitätsstandards gespielt. Und dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache verwerflich, dass die immer größeren Geflügelfleisch- importe aus Drittländern im Hinblick auf die Nahrungs- mittelsicherheit durchaus problematisch sind. Dies hat der Bundesrat bereits im Jahr 2002 festge- stellt. In seiner Entschließung 250/02 weist er darauf hin, dass im Rahmen der Einfuhruntersuchungen in Sendun- gen aus Drittländern wie China, Indonesien und Vietnam verbotene Stoffe wie Nitrofurane, Chloramphenicol und andere pharmakologische Zusätze entdeckt wurden. Daraus folgert der Bundesrat – ich zitiere –: „Die Ge- samtheit dieser Feststellungen legt den Verdacht nahe, dass in einer Vielzahl von Drittländern die rechtlichen und administrativen Maßnahmen hinsichtlich der Ver- wendung pharmakologisch wirksamer Stoffe und der Durchführung von Rückstandskontrollen nicht oder nicht hinreichend implementiert sind und die gegebenen Garantien nicht eingehalten werden.“ Wenn in unserem Land Geflügel aus Drittländern zum Kauf angeboten wird, muss aber doch gewährleistet sein, dass auch dieses importierte Fleisch den europäischen und deutschen Standards entspricht. Es muss doch gesi- chert sein, dass die von Drittländern gegebenen Rück- s d v n s G s g s d g c s i S b w e V e b w A H n v m t l f i f n v W N U h 2 g v t V c g t t r d f d d (C (D tandskontrollgarantien eingehalten werden. Insbeson- ere müssen unsere Verbraucher, müssen wir uns darauf erlassen können, dass alle für den Kauf eines Produktes ötigen Informationen ausgewiesen sind und dann auch timmen. Denn unsere Kaufentscheidung findet auf der rundlage dieser Informationen statt. Deshalb muss ge- ichert sein, dass die Angaben auf einer Packung Geflü- elfleisch wahr und vollständig sind. Die Verbraucher, die Kunden im Supermarkt müssen ich bei ihrem Geflügelkauf darauf verlassen können, ass die stimmt, was auf der Verpackung steht. Die ge- enwärtige Kennzeichnungspflicht wird diesen Verbrau- heranforderungen aber nicht gerecht. Dies ist umso erstaunlicher, als die Bundesregierung onst an jeder Stelle auf die Bedeutung der Verbraucher- nformation und Lebensmittelkennzeichnung hinweist. o heißt es im Agrarbericht 2003 – ich zitiere –: Bei Le- ensmitteln sind die Kennzeichnungsverpflichtungen ein ichtiges Instrument der Verbraucherinformation und ine unverzichtbare Voraussetzung für Transparenz und ertrauen“. Richtig. Aber es bleiben leere Worte, wenn s um die Kennzeichnung von Geflügelfleisch geht. Die Bundesregierung stellt weiter fest, dass die Ver- raucherinnen und Verbraucher – ich zitiere – „daher ein eit reichendes Informationsbedürfnis“ haben. Richtig. llein, diese Feststellungen reichen nicht. Es bedarf der andlung. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern reicht es icht, dass ihr Bedürfnis bemerkt wird. Sie verlangen, öllig zu Recht, eine gründliche, wahrheitsgetreue Infor- ation. Und ein in Brasilien gezüchtetes und verarbeite- es Huhn ist noch lange kein deutsches, weil es hierzu- ande gewürzt wurde! Im Agrarbericht wird auch die Wichtigkeit der Wahl- reiheit angesprochen. So heißt es – ich zitiere –: „Um hnen“ den Verbraucherinnen und Verbrauchern „Wahl- reiheit zu ermöglichen, müssen geeignete Informatio- en bereitgestellt und für Transparenz der Produktions- erfahren gesorgt werden.“ Ich kann diesen schönen orten erneut nur zustimmen. Allein, wo bleibt die Tat? icht reden, sondern handeln, ist das Gebot der Stunde. nd daran fehlt es. Wenn die zuständige Ministerin diese ehren Ansprüche bereits im Agrarbericht des Jahres 003 formuliert, warum hat sich dann bis heute nichts etan? Hat die Ministerin ihre Feststellungen vielleicht ergessen? Oder erschienen sie ihr nicht mehr so wich- ig? Welche Antworten gibt die Ministerin denn nun den erbraucherinnen und Verbrauchern, die ein weit rei- hendes Informationsbedürfnis haben und denen sie ei- entlich Wahlfreiheit ermöglichen will? Ich kann die Bundesregierung, die zuständige Minis- erin nur auffordern, ihren Worten nun endlich auch Ta- en folgen zu lassen. Dies setzt voraus, dass die Ministe- in sich endlich auf europäischer Ebene dafür einsetzt, ie Kennzeichnungspflicht auf behandeltes Geflügel- leisch und auf Verarbeitungserzeugnisse auszudehnen. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen er CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordere ich eine ein- eutige Kennzeichnung von Geflügelfleisch. Es geht 16576 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 (A) ) (B) ) dabei keineswegs darum, Produkte aus Drittländern zu verunglimpfen. Erst recht geht es nicht darum, unsere Produkte vor denen anderer Erzeugerländer abzuschot- ten. Es muss unseren Verbrauchern allerdings möglich sein, die Herkunft der Produkte zweifelsfrei nachvollzie- hen zu können. Dazu müssen sendungsbezogene Rück- standsuntersuchungen generell vorgeschrieben werden. Wir fordern deshalb, dass diese Untersuchungen ent- weder vor Abgang aus den Drittländern bzw. seitens und auf Kosten des Importeurs in Verbindung mit der Ein- fuhr aus den Drittländern erfolgen sollen. Denn es muss verhindert werden, dass sich in Deutschland nicht er- laubte Rückstände in Geflügelfleisch befinden und hier- zulande verkauft werden – ohne dass der Verbraucher über die Herkunft des Fleisches und die verminderte Le- bensmittelsicherheit informiert ist. Schon Johann Wolfgang von Goethe wusste – ich zi- tiere –: „Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Meine Damen und Her- ren von der Koalition, sorgen Sie dafür, dass dieser Aus- spruch endlich wieder stimmt. Sorgen Sie dafür, dass un- sere Verbraucher ihre Produkte wohl informiert und bedenkenlos nach Hause tragen können. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor- sorgender und risikoorientierter Verbraucherschutz ge- hört zu den Grundpfeilern bündnisgrüner Politik und der rot-grünen Regierungspolitik. Dabei legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Rechts- position des Verbrauchers und eine angemessene Berück- sichtigung von Verbraucherinteressen. Die Marktchancen sollen fair verteilt werden und ein funktionierender Wettbewerb mit sozialverträglichen, ökologischen, ge- sunden und wirtschaftlichen Angeboten schafft die größ- ten Wahlmöglichkeiten und die besten Angebote für Konsumenten. Gleichzeitig sind das Vorsorgeprinzip und der Schutz vor Irreführung und Täuschung wichtige Leitlinien unserer Verbraucherpolitik. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion setzt sich mit einem wichtigen Thema auseinander. Geflügel, das unter unzureichenden Haltungsbestimmungen und mit verbotenen Stoffen produziert wurde, darf den Weg in die Lebensmittelgeschäfte nicht finden. Allerdings – das ist schon auffällig – schimmert im vorliegenden Antrag doch eher die Perspektive der durch Importe aus Drittländern stark unter Druck stehenden einheimischen Geflügelwirtschaft durch die Zeilen. Das ist partiell nachvollziehbar, zumal sich mit der Entscheidung des entsprechenden WTO-Panels vom 24. März gegen eine höhere Verzollung von gesalzenem und gefrorenem Ge- flügelfleisch die entsprechenden Importe vermutlich er- höhen werden. Obendrein kann auch ein solcher höherer Zoll durch die Umstellung auf den Import von gegartem oder gewürztem Fleisch wieder umgangen werden. Die Verbände der Geflügelwirtschaft erarbeiten der- zeit einen auf europäischer Ebene abgestimmten Vor- schlag zur Herkunftsbezeichnung. Für die Kaufentschei- dung vieler Verbraucher ist dies jedoch nicht so ausschlaggebend, wie es im Unionsantrag erscheint. V Q R z d h d W z g s s d d l G g h l f c V m g l v n f s s V g v v r S n K a r l c e t d d f b „ s d T 2 z – (C (D ielmehr legen deutsche Konsumenten großen Wert auf ualität und Sicherheit. Ich gebe der CDU-Fraktion echt, dass die hohen deutschen Produktionsstandards, u denen vor allem beim Tier- und Verbraucherschutz ie grüne Fraktion einen erheblichen Beitrag geleistet at, vom Kunden sehr geschätzt werden. Besonders eutlich zeigt sich das an den Absatzzahlen in einigen achstumsbereichen des Einzelhandels. Ökologisch er- eugte Lebensmittel, Eier aus Freilandhaltung und fair ehandelte Produkte verzeichnen Zuwachs in einer an- onsten durch Umsatzrückgang gezeichneten Wirt- chaftsbranche. Eine umfassende Kennzeichnung hilft, iese Kriterien zu erkennen. Auch wir sind dafür, dass urch anerkannte und transparente Kennzeichnung deut- ich wird, welche Qualität jeder Konsument für sein eld erhält und welchen Preis die Ware wert ist. Hier ibt es auch noch Potenziale, die auszuschöpfen sind. Eine Antwort auf Probleme bei der Kennzeichnung at uns der Bericht des TABs zum Projekt „Entwick- ungstendenzen bei Nahrungsmittelangebot und -nach- rage und ihre Folgen“ gegeben. Er empfiehlt Gütezei- hen, zum Beispiel Biosiegel und QS-Zeichen, die eine ielzahl von Informationen zur Qualität von Nahrungs- itteln zusammenfassen und deren Kriterien und Hinter- ründe transparent gemacht werden müssen. Die Mög- ichkeiten von Gütesiegeln, die bestimmte Qualitäten on Nahrungsmitteln deutlich machen, sind bei weitem och nicht ausgeschöpft. Dies gilt unter anderem auch ür die Kennzeichnung regionaler Lebensmittel, wo bei- pielsweise geschützte Ursprungsbezeichnungen und ge- chützte geographische Herkunftsangaben nach der EU- erordnung 92/2081/EWG in Deutschland bisher kaum enutzt werden. Noch eines gilt es bei neuen Kennzeichnungsinitiati- en zu bedenken: In den letzten Jahren ist eine Vielzahl on Kennzeichen für regionale und ökologische Nah- ungsmittel sowohl von staatlicher als auch von privater eite entwickelt worden. Die Vielzahl von Kennzeich- ungen, der teilweise geringe Informationswert von ennzeichnungen und insgesamt die Vielfältigkeit der ngebotenen Informationen über die Qualität von Nah- ungsmitteln fuhren tendenziell zum „Information-Over- oad“ und zu zusätzlicher Verunsicherung der Verbrau- her. Auch deshalb gilt: Nicht jede Kennzeichnung ist ine gute Orientierung. Ein weiterer Punkt muss zum Antrag der Union kri- isch angemerkt werden: Der Antrag erweckt implizit en Eindruck, das BMVEL und Renate Künast wären in ieser Angelegenheit untätig, wenn sich darin die Auf- orderung an die Bundesregierung findet, sich in der EU ezüglich der Herkunftsbezeichnung bei Geflügelfleisch initiativ“ einzusetzen. Als wüsste die Union nicht, dass olches längst geschehen ist! Ich zitiere – mit Erlaubnis es Präsidenten – aus dem Bericht des BMVEL über die agung des Rates für Landwirtschaft und Fischerei am 8. Februar 2005 in Brüssel Punkt V, „Herkunftskenn- eichnung von Lebensmitteln“: Unterstützt von mehreren Mitgliedstaaten bekräf- tigte also nicht zum ersten Mal und nicht ohne Verbündete – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 16577 (A) (C) (B) ) Bundesministerin Künast im Rat ihre Forderung nach umfassenderen Herkunftsangaben bei Lebens- mitteln. Immer mehr Verbraucherinnen und Ver- braucher wollten die Auswahl ihrer Lebensmittel auch nach der Herkunft der Lebensmittel treffen können. Und weiter: Die Angabe des Herkunftslandes ermögliche insbe- men bei der Einfuhr und Verarbeitung solcher Produkte sind. Die Agrarwirtschaft muss sich – ebenso wie alle an- deren Branchen – dem globalen Wettbewerb stellen. Ich komme bekanntlich aus dem Emsland, wo die Geflügel- wirtschaft ein sehr wichtiger Zweig der Agrarwirtschaft ist. Ich kann Ihnen versichern, dass die Geflügelzüchter schon längst im globalen Wettbewerb stehen. Sie stellen sich dieser Herausforderung – und bestehen mit ihrer gu- sondere, bei der Kaufentscheidung Umwelt- oder Entwicklungsaspekte zu berücksichtigen. So könn- ten die Konsumenten zum Beispiel auf Produkte zurückgreifen, die nur kurze Wege bis zur Vermark- tung zurückgelegt hätten oder aus Entwicklungslän- dern stammten. Das alles ist zum Beispiel auf der Website des Ministeri- ums nachzulesen. Das BMVEL und Renate Künast sind hier also – und zwar schon seit längerem – am Ball und wir alle wissen um ihre Durchsetzungsfähigkeit auf EU-Ebene. Ein ehrlicher Antrag ohne parteipolitische Hinterge- danken ist der Antrag der Union deshalb nicht. Ein sol- cher Antrag müsste nämlich den bisherigen Einsatz von Renate Künast würdigen und ihr Unterstützung zusagen, anstatt wie hier den völlig unzutreffenden Eindruck zu erwecken, die Regierung müsse quasi erst zum Jagen ge- tragen werden. Hans-Michael Goldmann (FDP): Was ist wichtig für die Verbraucher? Das ist doch die eigentliche Frage, die hier im Raum steht. Die Verbraucher wollen sicher sein, dass die Lebensmittel, die sie erwerben, unseren hohen Qualitätsstandards entsprechen. Sie wollen sicher sein, dass in den Lebensmitteln keine Rückstände von gesundheitsschädigenden Substanzen enthalten sind. Eine Geflügelwurst – zum Beispiel Geflügel-Morta- della –, die in deutschen Geschäften verkauft wird, muss bestimmte Qualitätsstandards erfüllen. Die Wurst darf die Grenzwerte für pharmakologisch wirksame Stoffe nicht überschreiten; gesundheitsschädigende Substanzen dürfen nicht enthalten sein. Dies gilt für Produkte, die Ausgangsmaterial aus deutscher Produktion wie auch aus ausländischer Produktion enthalten, gleichermaßen. Umfassende Kontrollen der hier verarbeiteten Lebens- mittel stellen dies sicher. Der Verbraucher kann also si- cher sein, dass er hier nur solche Wurst und andere ver- arbeitete Produkte erwerben kann, die entsprechend kontrolliert wurden. Die Funde von Nitrofuranen in Im- portgeflügelfleisch zeigen, dass der zentrale Punkt des Verbraucherschutzes funktionierende Kontrollmechanis- t n f h v L t d d g b d t t T A s A b D d s I K p t A w E t n m R c t s (D en Qualität am Markt. Die Geflügelwirtschaft leidet dabei vor allem an ei- em: an nationalen Alleingängen, die ihre Wettbewerbs- ähigkeit im europäischen und weltweiten Vergleich be- indern. Durch eine ideologische Blockadehaltung erhindert Ministerin Künast einen Kompromiss bei der egehennenhaltung mit dem Ergebnis, dass die Produk- ion ins Ausland abwandert. Für den Tierschutz bringt as nichts – für den Verbraucherschutz ebensowenig. Es ist richtig, dass viele Verbraucher es schätzen, eutsches Geflügelfleisch zu kaufen. Es ist bestimmt ein anz wichtiges Vermarktungsinstrument, hervorzuhe- en, dass das Fleisch aus Deutschland stammt und dass ie Produktionsstandards sozusagen vom Ei an bestimm- en Kriterien genügen, beispielsweise bei der artgerech- en Haltung oder bei der Fütterung. Verbraucherinformation ist ein sehr wichtiges hema – auch bezüglich der Herkunft der Lebensmittel. ufgeklärte Verbraucher müssen eine mündige Ent- cheidung treffen können in Kenntnis der Faktenlage. ber wir dürfen nicht unter dem Deckmantel des Ver- raucherschutzes eine Abschottung der Märkte in eutschland und Europa vorantreiben. Mehr Bürokratie, ie den globalen Handel hemmt, bringt den Verbraucher- chutz nicht voran. Die Verbraucher verlangen nach nformation, um eine Abwägung zu treffen, um ihre aufentscheidung anhand bestimmter Kriterien zu über- rüfen. Ich habe großes Zutrauen zu unserer Lebensmit- elindustrie, die den Verbraucher durch entsprechende ngaben ausreichend informieren kann und dies auch ill. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht bei jeder ntscheidung der WTO – der wir uns im Übrigen ver- raglich verpflichtet haben und die auch uns und nicht ur die Entwicklungs- und Schwellenländer einmal zu ehr Marktoffenheit zwingt – gleich aufschreien und die egeln verschärfen. Die FDP-Bundestagsfraktion steht zu mehr Verbrau- herinformation. Die Verbraucher müssen alle Informa- ionen erhalten, um eine mündige und aufgeklärte Ent- cheidung treffen zu können. 175. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 12. Mai 2005 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Eidesleistung des Wehrbeauftragten
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 169. Sitzung

am 14. April 2005 Reinhold Robbe zum Wehrbeauftrag-
ten gewählt. Gemäß § 14 Abs. 4 des Gesetzes über den
Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages leistet
dieser vor dem Bundestag den in Art. 56 des Grundge-
setzes vorgesehenen Eid.

Herr Robbe, ich bitte Sie, zur Eidesleistung zu mir zu
kommen. – Herr Robbe, ich bitte Sie jetzt, den Eid zu
sprechen.


(Die Anwesenden erheben sich)


Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen
Bundestages:

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des
deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Scha-
den von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze
des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten ge-
wissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann

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üben werde. So wahr mir Gott helfe.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500100

Herr Wehrbeauftragter, Sie haben dem Gesetz ent-

sprechend den Eid gesprochen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute für Ihr verantwortungsvolles Amt.

Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen
Bundestages:

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunäch

noch vor Beginn unserer Diskussionen dem

(C (D ung en 12. Mai 2005 0 Uhr ochen Borchert gratulieren, der am 25. April seinen 5. Geburtstag feierte. Sehr herzlichen Glückwunsch! Sodann teile ich mit, dass der Kollege Peter Harry arstensen am 20. April sein Mandat niedergelegt hat nd als sein Nachfolger Carl Eduard von Bismarck am 5. April 2005 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundesag erworben hat. Herzlich willkommen, lieber Kollege on Bismarck! Der Kollege Dietrich Austermann hat am 4. Mai auf eine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichet. Als Nachfolger hat der Abgeordnete Roland ieckmann am 6. Mai 2005 die Mitgliedschaft im Deutchen Bundestag erworben. Herzlich willkommen, Kolege Dieckmann! Für den Kollegen Reinhold Robbe, der am 11. Mai uf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verichtete, hat mit Wirkung von heute, dem 12. Mai 2005, er uns aus der 14. Wahlperiode bereits bekannte Kolege Hans Forster die Mitgliedschaft im Deutschen undestag erworben. Auch Sie, Kollege Forster, herzich willkommen! ext Die Fraktion der SPD teilt mit, dass der Kollege Ulrich Kelber als stellvertretendes Mitglied aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausscheidet. Nachfolgerin soll die Kollegin Doris Barnett werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Kollegin Doris Barnett als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: tunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU ge 5 Nr. 1 Buchstabe b GO BT: Umstellung des ermins für die Sozialversicherungsbeiträge . Sitzung)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)

st will ich
Kollegen

ZP 1 Aktuelle S
gem. Anla
Zahlungst

(siehe 174 Präsident Wolfgang Thierse ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a)





(A) )


(B) )


(Ergänzung zu TOP 30)


BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatz-
steuergesetzes
– Drucksache 15/5444 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gem. § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christa Reichard

(Dresden), Dr. Christian Ruck, Arnold Vaatz, weiterer Ab-

geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Trinkwasser-
management in Entwicklungs- und Schwellenländern
durch die verstärkte Einbeziehung der Privatwirtschaft
verbessern
– Drucksache 15/5451 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

c) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsame Position
der Europäischen Union zum Waffenembargo gegen-
über der Volksrepublik China
– Drucksache 15/5467 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 31)

a) – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der

Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über
die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitglied-
staaten der Europäischen Union
– Drucksache 15/4233 –

(Zweite und dritte Beratung 154. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung
des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die
Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitglied-
staaten der Europäischen Union
– Drucksache 15/4232 –

(Erste Beratung 154. Sitzung)


– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Protokoll vom 16. Oktober 2001 zu dem
Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union
– Drucksache 15/4230 –

(Erste Beratung 154. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschus-
ses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/5487 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Simm
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)

Jerzy Montag
Sibylle Laurischk

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (15. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregie-

(C (D rung: Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Drucksachen 15/5218, 15/5288 Nr. 2.1, 15/5483 – Berichterstattung: Abgeordnete Petra Bierwirth Marie-Luise Dött Winfried Hermann Birgit Homburger ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Kritik des FDP-Vorsitzenden an Gewerkschaftsfunktionären in Deutschland ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Erfolge in der Politik für behinderte Menschen nutzen – Teilhabe und Selbstbestimmung weiter stärken – Drucksache 15/5463 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster)

ter und der Fraktion der FDP: Diskriminierung von Men-
schen mit Behinderung beim Fahrkarten- und Ticketkauf
verhindern – Teilhabe ermöglichen
– Drucksache 15/5460 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Marion Seib,
Katherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU: Reibungslose Umsetzung
der Ziele des Bologna-Prozesses in Deutschland gewähr-
leisten – Länderkompetenzen beachten
– Drucksache 15/5449 –

ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes
– Drucksache 15/5445 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

ZP 9 Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Karl-Josef
Laumann, Dagmar Wöhrl, Veronika Bellmann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Sozialdumping
durch osteuropäische Billigarbeiter
– Drucksache 15/5168 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

ZP 10Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU einge-

brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Unter-
nehmensnachfolge
– Drucksache 15/5448 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gem. § 96 GO

ZP 11Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Michael Meister,
Heinz Seiffert, Otto Bernhardt, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU: Herausforderungen der Globali-
sierung annehmen, Unternehmensteuern modernisieren,
Staatsfinanzen durch mehr Wachstum sichern
– Drucksache 15/5450 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

ZP 12Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Steuervereinfachung im
Vollzug – Vorteil für Bürger, Betriebe und Verwaltung
– Drucksache 15/5466 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

ZP 13Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Äuße-
rungen des Bundesministers der Finanzen zu Haushalts-
risiken für den Bundeshaushalt 2005 und zur Mehrwert-
steuer

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – so-
weit erforderlich – abgewichen werden.

Ferner wurde vereinbart, die Tagesordnungspunkte 24
und 26 abzusetzen. Die Vorlagen unter Punkt 28, die
Freibetragsregelungen, Hinzuverdienstmöglichkeiten und
den Zusatzpunkt „Arbeitnehmer-Entsendegesetz“ betref-
fen, sollen am Freitag bereits um 9 Uhr und die Vorlagen
unter Punkt 29 – Klimaschutz – nach der Debatte zum
Steuerrecht beraten werden.

Schließlich mache ich auf nachträgliche Überweisun-
gen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

Der in der 169. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich
dem Ausschuss für Tourismus zur Mitberatung überwie-
sen werden.

Gesetzentwurf der Abgeordneten Dirk Fischer

(Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W.

Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung
des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungs-
gesetzes
– Drucksache 15/5102 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Tourismus

Der in der 172. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Ausschuss für Tourismus zur Mitberatung überwiesen
werden.

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(C (D Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg)

weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU: Notwendige Investitionen in die
deutsche Verkehrsinfrastruktur bereitstellen
– Drucksache 15/5325 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Der in der 172. Sitzung des Deutschen Bundestages
berwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich
em Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
enabschätzung zur Mitberatung überwiesen werden.

Entwurf eines von den Fraktionen der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Vierzehnten Gesetzes zur Änderung
des Arzneimittelgesetzes
– Drucksache 15/5316 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
ch höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c auf:
a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundes-

kanzlers zur Ratifizierung der europäischen Ver-
fassung
Für ein starkes und soziales Europa

b) – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom
29. Oktober 2004 über eine Verfassung für
Europa
– Drucksachen 15/4900, 15/4939 –

(Erste Beratung 160. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union (20. Ausschuss)

– Drucksache 15/5491 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Rainder Steenblock
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Michael Roth (Heringen), Günter
Gloser, Dr. Angelica Schwall-Düren, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie
den Abgeordneten Rainder Steenblock, Volker
Beck (Köln), Ulrike Höfken, weiteren Abge-
ordneten und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes über die Ausweitung






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

und Stärkung der Rechte des Bundestages
und des Bundesrates in Angelegenheiten der
Europäischen Union
– Drucksache 15/4925 –

(Erste Beratung 160. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Peter Hintze, Dr. Wolfgang Schäuble,
Dr. Gerd Müller, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der
Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundes-
tages in Angelegenheiten der Europäischen
Union
– Drucksache 15/4716 –

(Erste Beratung 160. Sitzung)


Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union (20. Ausschuss)

– Drucksache 15/5492 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Rainder Steenblock
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (20. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Stärkung der Rolle des Deutschen Bundesta-
ges bei der Begleitung, Mitgestaltung und
Kontrolle europäischer Gesetzgebung

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer,
Dr. Claudia Winterstein, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP
Für mehr Mitsprache des Deutschen Bun-
destages bei der Rechtsetzung der Europäi-
schen Union nach In-Kraft-Treten des Ver-
fassungsvertrags

– Drucksachen 15/4936, 15/4937, 15/5492 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Rainder Steenblock
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Über den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregie-
rung zu dem Vertrag über eine Verfassung für Europa
werden wir später namentlich abstimmen.

Zu einem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen liegt ein interfraktionel-
ler Entschließungsantrag vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-

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(C (D ung zweieinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen iderspruch. Dann ist so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat un der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschand, Gerhard Schröder. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1517500300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die vergangenen Tage standen nicht nur in
eutschland, sondern in der ganzen Welt im Zeichen
es Erinnerns und des Gedenkens an das Ende des
weiten Weltkriegs vor 60 Jahren.
Ein besonders bewegendes Erlebnis war für mich die

eilnahme an den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag in
oskau. Ich habe die von Präsident Putin ausgespro-
hene Einladung als Ehre und als Auszeichnung unseres
andes verstanden, so wie ich auch die Einladungen von
räsident Chirac im vergangenen Juni in die Normandie
nd von Ministerpräsident Miller im vergangenen Au-
ust zur Erinnerung an den Warschauer Aufstand als
eichen der Verbundenheit und des Vertrauens in unser
and empfunden habe. In der Teilnahme des deutschen
undeskanzlers an diesen Gedenkveranstaltungen
rückt sich die Wertschätzung aus, die das demokrati-
che und vereinte Deutschland in der Staatengemein-
chaft genießt. 60 Jahre nach dem Ende des von
eutschland begonnenen Krieges sind wir ein geachteter
nd geschätzter Partner in der Welt. Diese Tatsache
ollte uns mit Dankbarkeit erfüllen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Meine Damen und Herren, mit der Kennzeichnung
historisch“ sollten wir einen sparsamen, einen vernünf-
igen Umgang pflegen. Aber die Verfassung der Euro-
äischen Union, über die wir heute zu beschließen ha-
en, verdient dieses große Wort. Sie ist, wie könnte es
nders sein, nur Menschenwerk. Sie erfüllt naturgemäß
icht alle Hoffnungen und sie bannt nicht alle Ängste.
er Verfassungstext ist aber ein sehr guter und fairer
ompromiss, in harter Arbeit vom Konvent formuliert,
nter der umsichtigen Leitung von Valéry Giscard
’Estaing. Ich spreche wohl für Sie alle, meine Damen
nd Herren, wenn ich Giscard d’Estaing und sämtlichen
itgliedern des Verfassungskonvents, vor allen den
eutschen Vertretern, unseren Dank und unseren Re-
pekt für die geduldige, schwierige, aber eben alles in al-
em erfolgreiche Arbeit ausspreche.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich stellvertretend für alle nur zwei deut-
che Namen nennen: Erwin Teufel, bis vor wenigen Ta-
en noch Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
on dessen Sachkunde in Brüssel mit Respekt gespro-
hen wurde,


(Beifall im ganzen Hause)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

und Joschka Fischer,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– ich glaube, Sie lernen es nie –


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


der in den entscheidenden Monaten des Konvents mit
Energie und Begeisterung, aber auch durch großes Ver-
handlungs- und Vermittlungsgeschick maßgeblich zum
Gelingen des Verfassungswerkes beigetragen hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Alle, die mit ihnen zusammenwirkten, haben in vielen
Tagen und Nächten in der Tat das Bestmögliche geleis-
tet. Durch die Vertretung der Mitgliedstaaten, der Euro-
päischen Kommission, des Europäischen Parlaments
und aller nationalen Parlamente im Konvent hat die neue
Verfassung eine breite demokratische Legitimation.

Durch die Verfassung wird die Europäische Union ent-
scheidungsfähiger und zugleich politisch führbar bleiben.
Durch die Verfassung wird die Europäische Union demo-
kratischer, auch bürgernäher. Das Europäische Parlament
wird gestärkt und erhält mehr Mitwirkungsrechte. Die
nationalen Parlamente erhalten zusätzliche Informations-
und Kontrollrechte. Die Bundesregierung ist bereit, dem
auch in einer Vereinbarung mit dem Deutschen Bundes-
tag Rechnung zu tragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Zuständigkeiten zwischen der nationalen und der
europäischen Ebene werden in der europäischen Verfas-
sung klarer getrennt. Und die Verfassung trägt mit dem
Entscheidungsmodus der doppelten Mehrheit dem
urdemokratischen Prinzip „Ein Bürger, eine Stimme“
wirklich Rechnung. Deshalb kann es auch insoweit kei-
nen Zweifel geben: Wer in Europa mehr Demokratie
will, der muss für diese Verfassung stimmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, in
diesem Augenblick nicht allzu kleinlich und detailver-
sessen auf den einen oder anderen Halbsatz in diesem
oder jenem Paragraphen des Gesamtwerks zu starren
– einen Halbsatz, der unseren Erwartungen vielleicht
nicht völlig entspricht –, sondern einmal innezuhalten,
vielleicht sogar ein paar Schritte zurückzutreten, um un-
sere Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, mit
den Augen der Älteren unter uns zu betrachten, jener, die
Zeugen und Opfer der Verheerungen des 20. Jahrhun-
derts waren, also aus der Sicht unserer Väter und Mütter,
unserer Großmütter und Großväter, die uns – 60 Jahre
nach dem Ende der europäischen Katastrophen – gerade
in diesen Tagen des Gedenkens wieder so nahe gerückt
sind.

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(C (D Wer von ihnen hätte damals von einer europäischen erfassung, von einem in Frieden, Freiheit und Wohltand vereinten Europa auch nur zu träumen gewagt, daals, in den Trümmern der Städte, damals, als die Tore er Konzentrationslager endlich aufgesprengt wurden nd der Blick der Völker entsetzt die Leichenberge und ie ausgemergelten Skelette wahrnahm, damals, als sich inter Millionen deutscher Soldaten die Tore der Kriegsefangenenlager für bittere Monate und Jahre schlossen, amals, als sich ein Gefühl der Erlösung einstellte, aus em sich allmählich, wie es Richard von Weizsäcker 0 Jahre später in einer mutigen und wegweisenden ede ausgesprochen hat, ein Gefühl der Befreiung zu ntwickeln begann, weil den Mörderkommandos der SS nd der Feldgendarmerie das blutige Handwerk gelegt urde, weil die von Anhängern und Mitläufern getraene Nazidiktatur, die Leid, Tod und Zerstörung über uropa gebracht hatte, endlich gebrochen war? Nein, den Überlebenden war es damals nicht in den inn gekommen, von einer europäischen Verfassung für ie Völker des Kontinents auch nur zu träumen, Völker, ie als gute Nachbarn friedlich zusammenleben. Keiner agte zu hoffen, dass jener Menschheitstraum von rieden, Solidarität und Freiheit jemals unsere Realiät bestimmen und unseren Alltag formen würde. Wirkich keiner? Nicht ganz. In Buchenwald, in Dachau, in lossenbürg und Mauthausen, also in den Zellen des Wierstandes der Lager und der Zuchthäuser, wurde von er Notwendigkeit der Einheit Europas – wenn auch nur lüsternd – gesprochen. Ich nenne stellvertretend die Naen Eugen Kogon, Jorge Semprún, Joseph Rovan, Fritz rler, Helmuth von Moltke und Eugen Gerstenmaier. Im iderstand der europäischen Völker gegen den Faschisus leuchtete das Licht des vereinigten Europas eben in en dunkelsten Jahren unserer Geschichte zum ersten al und ganz, ganz zaghaft auf. Europa – so viel ist lar – wurde aus der Not geboren, aus der Notwendigeit – im wahrsten Sinne des Wortes –, einer Notwendigeit, der schließlich auch die Vernunft gehorchte. Aus em Elend des Seins wuchs ein neues Bewusstsein, ein euer Geist. Der Krieg war noch nicht beendet, als drüben in ashington Jean Monnet – damals der Beauftragte des reien Frankreichs für die Versorgung der Armeen, die enseits des Atlantik kämpften – die ersten Pläne für den usammenschluss Europas zu entwerfen begann, zuammen mit seinen amerikanischen Kollegen, unter ihen George Ball, den wir später als den Architekten der ußenpolitik von John f. Kennedy kennen und auch chätzen lernten. Vergessen wir nicht – jetzt erst recht icht –, dass die besten Köpfe der amerikanischen Nachriegsdiplomatie zu den Vätern Europas gehörten: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


eorge F. Kennan und Dean Acheson, die Konstrukteure
es Marshallplans. Sie bestanden darauf, dass die Euro-
äer in einem gemeinsamen Gremium die Verwaltung
er amerikanischen Milliarden verantworteten, das west-
iche Deutschland eingeschlossen, das zunächst von






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Besatzungsmächten vertreten wurde. Das Monnetprojekt
für die gemeinsame Kontrolle der deutschen und franzö-
sischen Montanindustrie trat später unter dem Namen
Schumanplan ins Leben. Jean Monnet und Robert
Schuman fanden ihre kongenialen Partner in Konrad
Adenauer, dem italienischen Christdemokraten de
Gasperi und dem belgischen Sozialisten Paul-Henri
Spaak – die Gründerväter Europas.

Charles de Gaulle hat 1954 als leidenschaftlicher Re-
präsentant des klassischen Nationalstaates Monnets
Konzept der europäischen Verteidigungsunion zu Fall
gebracht. Es war ein Glücksfall, dass er sich nach der
Rückkehr ins Amt der historischen Logik gebeugt hat:
De Gaulle erkannte die französisch-deutsche Koopera-
tion als produktive Keimzelle Europas und er setzte sie
als Motor in der europäischen Einigung ins Werk – ein
bewundernswerter Wandel, der die Größe dieser unge-
wöhnlichen Persönlichkeit bezeugt. Ohne die deutsch-
französische Aussöhnung und Partnerschaft wäre das
europäische Einigungswerk nicht möglich gewesen.
Auch das ist Verpflichtung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Verständigung zwischen de Gaulle und Konrad
Adenauer und das gemeinsame Werk des Élysée-Ver-
trags haben wir gemeinsam mit unseren französischen
Freunden und Partnern zum 40. Jahrestag in einer ge-
meinsamen Sitzung gefeiert. Auch das ist ein Ereignis,
das sich 1945 kein Deutscher und wohl auch kein Fran-
zose vorstellen konnte. Und auch das gehört zu einer
Verpflichtung, die wir alle miteinander haben. Alle
Nachfolger von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer
haben übrigens entsprechend dem Gesetz der europäi-
schen Einheit und der Logik der deutsch-französischen
Zusammenarbeit politisch gehandelt. Diese besondere
Bindung zwischen Deutschland und Frankreich ist für
unsere und für alle nachkommenden Generationen Erbe,
aber eben auch zugleich Verpflichtung.

Meine Damen und Herren, viele sehen Willy Brandt
allzu einseitig nur als Strategen der Ostpolitik. Ich wäre
der Letzte, der diese historische Zäsur und diese groß-
artige Leistung unterschätzte. Denn die Entspannungs-
politik der damaligen sozial-liberalen Koalition war der
eigentliche Anfang des gesamteuropäischen Wandels
und Umbruchs.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Willy Brandt hat aus tiefer Überzeugung wieder und
wieder betont, dass sich seine Ostpolitik konsequent aus
der Westpolitik Konrad Adenauers ergeben hat, dass sie
ohne das Fundament der Europäischen Gemeinschaft
nicht denkbar gewesen wäre und dass sie freilich auch
niemals die Einbindung in die Atlantische Allianz ent-
behren konnte. Helmut Schmidt, aber auch Helmut Kohl
führten das Werk Brandts konsequent fort. Willy Brandt
hat – man vergisst es allzu oft – mit Präsident Pompidou
1970 in Den Haag die Entwicklung der Europäischen

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(C (D emeinschaft zur Europäischen Union, einer Wirtchaftsund Währungsunion samt Europäischer Zentralank, beschlossen. Als Zielpunkt wurde übrigens das ahr 1980 ins Auge gefasst. Das war ein wenig zu optiistisch, wie wir wissen. Die Entwicklung nahm unsere eduld etwas länger in Anspruch. Indes: Es waren randt und Pompidou, denen es gelang, Großbritannien nter der Führung des konservativen Edward Heath, der in bekennender Europäer war und ist, ins gemeinsame oot zu holen. Sie waren es auch, die für Spanien, Portual und Griechenland nach der Befreiung aus ihren autoitären Regimes das Tor zu Europa aufgeschlossen haen. Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt und der Liberal onservative Giscard d’Estaing haben in ihrer Zeit das uropäische Werk aus Passion und Überzeugung fortgeetzt. Sie bahnten dem Euro mit der so genannten Wähungsschlange den Weg. Der Christdemokrat Helmut ohl und der Sozialist Francois Mitterand waren es chließlich, die mit dem Vertrag von Maastricht das ahmenwerk der Europäischen Union geschaffen haben, nd zwar den Rahmen für das ganze Europa, das auch ne Völker und Staaten einschließt, die im vergangenen ahr der Europäischen Union beigetreten sind, und das uch jene willkommen heißt, die im Jahr 2007 dazukomen werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Übrigens – das sollten wir bei einer Würdigung politi-
cher Leistungen nicht unterschlagen –: Francois
itterand und Helmut Kohl haben die deutsche Einheit
Europa eingebunden. In dieser Tradition und Konti-
uität wollen Jacques Chirac und ich die deutsch-franzö-
ische Partnerschaft weiter vertiefen und ausbauen.
ein Zusammenwirken mit dem französischen Staats-
räsidenten – lassen Sie mich das voller Dankbarkeit
ier anmerken – steht in seiner Intensität, seiner Aufrich-
gkeit, seiner Zuverlässigkeit und auch seiner Herzlich-
eit dem unserer Vorgänger nicht nach.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, bei den Beratungen zur
uropäischen Verfassung hat sich die deutsch-französi-
che Partnerschaft im Interesse unserer Völker und im
nteresse der gesamten Europäischen Union einmal mehr
ewährt. Diese Verfassung, über die wir heute abstim-
en, ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses,
er in der Geschichte der europäischen Integration
ahrlich ohne Beispiel ist. Historisch steht die Verfas-
ung in der Kontinuität eines Europas, das seine Lehren
us der leidvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts gezo-
en hat. Insoweit ist die Verfassung sowohl ein Doku-
ent der Selbstvergewisserung als auch ein Ausdruck
ür das Selbstverständnis des vereinigten Europas im
1. Jahrhundert.
Es ist ein Europa, das sich als Wertegemeinschaft ver-

teht und auf den universellen Werten und den unveräu-
erlichen Rechten des Menschen beruht. Es ist ein
uropa, das Demokratie mit wirtschaftlicher Produktivi-






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

tät und sozialer Solidarität zu einem ganz eigenen Ge-
sellschaftsmodell verknüpft. Es ist ein Europa, das sich
als soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Ge-
meinschaft begreift, das ganz bewusst mehr sein will als
eine bloße geographische Einheit, mehr als Binnenmarkt
und Freihandelszone. Es ist ein Europa, das als innere
Einheit auftreten und handeln will – nach der festen
Überzeugung, dass wir Europäer gemeinsam mehr errei-
chen können, als jeder für sich je erreichte. Es ist ein
Europa, das eine Stimme für Frieden und Multilateralis-
mus und ein starker Partner für eine gerechte und koope-
rative Weltordnung sein will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dazu gehört ausdrücklich auch eine stabile Partnerschaft
mit den Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Verfassung schafft dieses Europa nicht. Aber sie
bietet den Rahmen, die Institutionen und die Verfahren,
damit das erweiterte Europa seinen Weg weitergehen
kann. Sie wird dem europäischen Integrationsprozess ei-
nen neuen Schub, eine neue Dynamik verleihen. Mit der
Verfassung geben wir Europäer uns in freier Selbstbe-
stimmung ein neues System der Ordnung, das die
Fragmente der bisherigen europäischen Verträge in ver-
besserter und harmonisierter Form zusammenfügt.

Die europäische Verfassung steht auch einer Vertie-
fung der Europäischen Union nicht im Wege. Im Gegen-
teil: Gerade im erweiterten Europa stellt sich die Not-
wendigkeit vertiefter Formen der Zusammenarbeit
besonders dringlich. Dies gilt aus meiner Sicht vor allem
für eine gemeinsame europäische Außen-, Sicherheits-
und Verteidigungspolitik, aber nicht minder für eine
europäische Ausländer- und Zuwanderungspolitik.

Die Verfassung verändert auch nicht die Statik oder
gar die Architektur im gemeinsamen Europa. Sie kennt
keine Dominanz und sie schafft auch kein französisches
Europa, erst recht kein deutsches Europa, sondern ein
wahrhaft europäisches Europa.

Meine Damen und Herren, die europäische Eini-
gung ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, natürlich
mit Zweifeln und Rückschlägen versehen. Aber trotz
aller Zweifel, Rückschläge und Krisen, die es seit den
50er-Jahren immer wieder gegeben hat, sind wir doch
weit vorangekommen. Vor allem hat der europäische
Einigungsprozess zusammen mit der atlantischen
Allianz unseren Völkern seit nunmehr 60 Jahren
Frieden beschert. Dieses Glück ist den Völkern unseres
Kontinents niemals zuvor zuteil geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber nicht nur Frieden: auch einen in der Geschichte
einmaligen Wohlstand, wie ihn die Menschen auf diesem
Kontinent – trotz der akuten ökonomischen Probleme –
so nie zuvor gekannt haben.

Meine Damen und Herren, die Kontinuität in der
Europapolitik gehört zum Grundkonsens aller deutschen

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(C (D egierungen und aller deutschen Demokraten. Ich kann uropa unser aller Raison d’Être nennen: die Garantie ines Lebens in Freiheit und in Würde. Diese Garantie ringt die europäische Verfassung auf vortreffliche eise zum Ausdruck. Diese Verfassung ist das vorläufig rönende Werk der politischen Arbeit von zwei oder drei enerationen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


it der heutigen Abstimmung legen wir auch ein Zeug-
is darüber ab, dass wir uns ihrem Vermächtnis würdig
rweisen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500400

Ich erteile das Wort der Vorsitzenden der Fraktion der
DU/CSU, Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1517500500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/
SU-Bundestagsfraktion wird mit großer Mehrheit der
atifizierung des EU-Verfassungsvertrages zustimmen.
uch wenn sich eine Reihe von Kolleginnen und Kolle-
en meiner Fraktion dieser Mehrheit nicht anschließen
ird – ihre Zweifel sind geblieben –, bringen wir als
raktion in unserer großen Mehrheit unser Ja zum Ver-
rag über die Verfassung in Europa eindrucksvoll zum
usdruck.
Wir sagen Ja dazu, mit diesem Vertrag die Einigung

uropas institutionell weiter zu festigen; denn wir ver-
essen nicht die Lehren von denen, die vor uns politi-
che Verantwortung trugen, von Konrad Adenauer über
illy Brandt bis Helmut Kohl, die Lehren aus den Kata-
trophen der beiden Weltkriege auf europäischem Bo-
en. Europa als Friedens- und Wertegemeinschaft
tärken, dazu gibt es keine Alternative.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als ich nach der deutschen Einheit Jugendministerin
urde, rief mich im Sommer 1991 Bundeskanzler
elmut Kohl an und sagte mir: Sie müssen Joseph
ovan kennen lernen, einen der großen Befürworter des
eutsch-Französischen Jugendwerkes, 1918 in Mün-
hen geboren, 1933 nach Frankreich emigriert, Kriegs-
ienst auf französischer Seite, Mitarbeiter der Résis-
ance, 1944 verhaftet und nach Dachau deportiert, 1945
olitischer Berater des Ministers Edmond Michelet und
lühender Befürworter des Jugendaustauschs zwischen
eutschland und Frankreich.
Als ich ihn traf, übergab er mir sein Buch „Geschich-

en aus Dachau“ und drückte in so unbeschreiblicher






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Weise gleichzeitig die Freude über die deutsche Einheit
und das Ende des Kalten Krieges aus, dass mir klar
wurde, welche Kraft die Visionäre am Ende des
Zweiten Weltkrieges aufgebracht hatten, dieses ge-
meinsame Europa zu bauen. Das werden und dürfen wir
niemals vergessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Winston Churchill sagte schon 1946 in einer Rede an
die akademische Jugend an der Universität Zürich: „Da-
rum sage ich Ihnen: Lassen Sie Europa entstehen!“

Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen.
Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute
eine Notwendigkeit für alle.

Das sagte Konrad Adenauer. Europa kann und darf kein
wirtschaftliches und technisches Unternehmen bleiben.
Europa braucht eine Seele, das Bewusstsein seiner histo-
rischen Affinitäten, seiner gegenwärtigen und künftigen
Aufgaben, einen politischen Willen im Dienste eines sel-
ben menschlichen Ideals, so Robert Schuman.

Einen politischen Willen im Dienste eines selben
menschlichen Ideals – dieser Wille hält heute immer
noch an. Das ist nach sechs Jahrzehnten, nach dem Zer-
fall alter Ordnungsmuster und alter Gewissheiten, nach
der Vervielfachung der Zahl der Mitgliedstaaten und an-
gesichts ganz neuer Herausforderungen nicht selbstver-
ständlich. Europa hat seit 1945 eine wechselvolle Ge-
schichte erlebt: stürmischer Beginn – darüber ist heute
gesprochen worden – mit der Montanunion, den Römi-
schen Verträgen, die Politik des leeren Stuhls von Frank-
reich 1965, Phasen des Leerlaufs und dann auch wieder
eine große Renaissance der Integrationsgeschichte durch
das Binnenmarktprojekt, durch das Schengener Abkom-
men, neue Perspektiven, neue Herausforderungen nach
dem Ende des Kalten Krieges, jetzt der Verfassungsver-
trag 2005.

Immer waren Deutschland und Frankreich als Mo-
tor an dieser europäischen Einigung beteiligt. Es ist inte-
ressant, dass Papst Johannes Paul II. am Anfang dieses
Jahres, am 10. Januar, beim Empfang des Diplomati-
schen Corps beim Heiligen Stuhl noch einmal darauf
hingewiesen hat – ich zitiere –: Und Europa kann sehr
wohl als ein sicherlich privilegiertes Beispiel für die
Möglichkeiten des Friedens angeführt werden. Nationen,
die sich einst als erbitterte Feinde bekämpften, sind
heute in der Europäischen Union vereint, die sich im
vergangenen Jahr zum Ziel gesetzt hat, durch den Ver-
fassungsvertrag von Rom noch enger zusammenzuwach-
sen.

Die Ratifizierung dieses Verfassungsvertrages am
Anfang des 21. Jahrhunderts heute hier in Deutschland
– gestern haben Österreich und die Slowakei zuge-
stimmt; ich hoffe, dass das französische Referendum er-
folgreich sein wird – ist ein weiterer historischer Schritt.
Auch ich möchte allen danken, die daran mitgewirkt ha-
ben, dass dieses Projekt ein Erfolg wurde, allen voran
dem Präsidenten des Verfassungskonvents, Valéry
Giscard d’Estaing, und allen Mitgliedern dieses Kon-

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(C (D ents, Roman Herzog und den Mitgliedern des Vorgänerkonvents, die sich mit der Grundrechte-Charta bechäftigt haben, und ich möchte danken, dass Wolfgang chäuble und Karl Lamers bereits Anfang der 90er-Jahre avon gesprochen haben, dass es die Notwendigkeit eies solchen Projekts gibt, weil sich Europa vor allen ingen seiner gemeinsamen geistigen Grundlagen beusst werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich bin froh – ich sage voraus, dass das weitergehen
ird und es intensiver werden wird –, dass sich Europa
it seinen geistigen Grundlagen befasst. Was sind die
erte, was ist die Würde des Menschen? Freiheit,
leichheit, Solidarität als Grundsätze der Demokratie
nd Rechtsstaatlichkeit – das alles ist als Identität der
uropäischen Union jetzt im Verfassungsvertrag festge-
chrieben. Wir hätten uns gewünscht, dass auch über die
urzeln unseres Erbes, über das jüdisch-christliche
rbe, in diesem Verfassungsvertrag eine deutlichere
uskunft gegeben worden wäre. Ein klarer Gottesbezug
ätte uns mit Sicherheit geholfen, unsere Identität klarer
u definieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


s ist immerhin zum ersten Mal gelungen, in diesem
erfassungsvertrag den Status der Kirchen vertraglich
bzusichern. Das ist ein Erfolg. Wir werden weiter da-
um streiten, dass wir ohne Bekenntnis zu unseren Wur-
eln den interkulturellen Dialog nicht werden führen
önnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Erwin Teufel hat in der ersten Lesung zu der Ratifi-

ierung des Verfassungsvertrages hier von der Bundes-
atsbank aus sehr deutlich gemacht, dass es all denen, die
olitische Verantwortung tragen, bei allem Bekenntnis
u Europa aber auch zu denken geben muss, dass wir in
en letzten zehn Jahren in den monatlichen Umfragen
ur Akzeptanz Europas, die die Europäische Union in
llen Mitgliedstaaten durchführt – ich zitiere aus seiner
ede –,

im Unterschied zu früheren Zeiten, als wir in
Deutschland bei einer Zustimmung von 70 und
mehr Prozent lagen, bei den Werten der anderen
Länder, bei 45 bzw. 47 Prozent, angekommen sind.

rwin Teufel sagte dann:
Ich glaube, es gibt dafür einen einzigen Grund. Der
Bürger in Europa erlebt die Europäische Union als
ein fernes, technokratisches Gebilde. Es gibt so gut
wie keine europäische Öffentlichkeit. Es gibt ein
Geflecht von Zuständigkeiten. Der Bürger hat keine
Übersicht. Der Bauer, der Handwerksmeister, der
Kommunalpolitiker erleben aber fast tagtäglich
europäische Gesetzgebung, von der sie der Über-
zeugung sind, dass sie bürgerfern und problemfern
ist, dass sie sehr viel besser auf nationaler Ebene,
auf Landesebene, ja sogar auf kommunaler Ebene
erfolgen sollte.






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

So weit Erwin Teufel bei der ersten Lesung. Deshalb, so
glaube ich, ist es wichtig, dass wir uns vergegenwärti-
gen, dass sich Europa um die richtigen Aufgaben küm-
mern muss. Die richtigen Aufgaben sind die, die über die
Kraft des Nationalstaates hinausgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dietmar Nietan [SPD])


Ich halte es für einen großen Fortschritt, dass in die-
sem Verfassungsvertrag zum ersten Mal ganz eindeutig
die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips verankert ist.
Es sind neue Aufgaben definiert. Zu denen muss man
sich und zu denen werden wir uns bekennen: die Außen-
und Sicherheitspolitik als gemeinsame Politik der Euro-
päischen Union. Dass die europäische Außenpolitik Ge-
sicht und Stimme durch einen europäischen Außen-
minister bekommt, ist gut. Allerdings wird die Aufgabe
dieses Außenministers nicht ganz einfach sein, weil dies
auch voraussetzt, dass er eine einheitliche Haltung ver-
künden kann. Das heißt, ich hoffe sehr, dass es gelingt,
in den wichtigen außenpolitischen Fragen auch eine ge-
meinsame europäische Identität zu finden. Ich halte es
für außerordentlich wichtig, dass im Verfassungsvertrag
deutlich verankert ist, dass Sicherheitspolitik keine Poli-
tik gegen die NATO, sondern eine Politik in Überein-
stimmung mit der NATO sein sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In Fortführung des Vertrages von Amsterdam ist jetzt

auch deutlich, dass angesichts der Bedrohungen des
21. Jahrhunderts die Rechts- und Innenpolitik stärker
als bisher eine Gemeinschaftsaufgabe sein wird. Auch
hier halte ich es für richtig, dass wir diese Politik in
Europa gemeinsam betreiben. Jeder, der einmal Europol
besucht hat, weiß, wie wichtig Verbrechens- und Terror-
bekämpfung auf europäischer Ebene sind. Ich sage aller-
dings auch, dass in diesem Zusammenhang die Fragen
der demokratischen Legitimation weiter diskutiert wer-
den müssen. Ich darf wohl für alle hier Anwesenden sa-
gen, dass die mündliche Verhandlung zum europäischen
Haftbefehl noch kein Ruhmesblatt für das Parlament
war.


(Zuruf von der SPD: Oh ja!)

Da müssen wir besser werden, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Weil das notwendig ist, ist es gut, dass in diesem Ver-
fassungsvertrag die Stärkung des Demokratieprinzips
in vielfältiger Weise deutlich wird.

Die Rechte des Europäischen Parlaments werden ge-
stärkt. Meine Damen und Herren, die Geschichte Euro-
pas ist lang und wir vergessen manchmal, dass das Euro-
päische Parlament erst 1979 zum ersten Mal gewählt
wurde. Dieses Parlament ist noch heute auf einem Weg,
den andere nationale Parlamente natürlich längst hinter
sich gelassen haben. Es ist gut, dass die Rechte des
Europäischen Parlaments jetzt denen des Rates annä-

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(C (D ernd gleichgestellt werden, wenngleich das immer noch icht vollkommen geschehen ist. Die CDU und CSU und auch die Europäische Volks artei haben dafür gekämpft, dass sich die Ergebnisse er Wahlen zum Europäischen Parlament zum Schluss uch in der Besetzung der Kommission niederschlagen üssen. Sonst verstehen die Menschen in den Nationaltaaten doch gar nicht, warum sie ein Europäisches Parament wählen. Ich halte das für einen großen Fortchritt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben die Demokratie mit diesem Verfassungs-
ertrag durch das Prinzip der doppelten Mehrheit ge-
tärkt, was gerade für Deutschland von extrem großer
edeutung ist. Die Tatsache, dass in Zukunft nicht nur
ie Stimmengewichtung der Länder – Deutschland 29,
olen 27 Stimmen – entscheidend ist, sondern bei euro-
äischen Beschlüssen zusätzlich auch die Mehrheit der
evölkerung erreicht werden muss, ist ein notwendiger,
ichtiger und wichtiger Schritt, von dem insbesondere
eutschland profitiert. Andere Länder haben sich damit
chwer getan. Trotzdem halte ich ihn für richtig. Er be-
eutet für uns einen großen Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Kommission ist es jetzt notwendig und mei-

es Erachtens auch dringlich, die Kompetenzen zur Er-
rbeitung von Richtlinien, in Zukunft Gesetze genannt,
irklich zu überprüfen. Sie muss sie begründen vor dem
intergrund der Subsidiarität. Nicht mehr allgemeine
ielbestimmungen in den europäischen Verträgen sind
ompetenz begründend, sondern die Kompetenz muss
urch Einzelermächtigungen konkret nachgewiesen wer-
en. Es ist gut, dass es die Subsidiaritätskontrolle und
ie Subsidiaritätsklage und damit ein Frühwarnsystem
ibt. Ich sage für unsere Fraktion zu: Wir werden von
iesen Instrumenten dann, wenn wir es für notwendig
alten, regen Gebrauch machen, damit gerade dieses
ubsidiaritätsprinzip, das ich im Zusammenhang mit
ürgernähe in Europa für essentiell halte, in Zukunft
esser durchgesetzt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, nicht jeden, der einmal in
inem Rat in Europa gesessen hat, wird das freuen, aber
n Zukunft müssen die Ratssitzungen, die sich mit Ge-
etzgebung befassen, öffentlich sein. Das ist notwendig
nd wird auch eine Veränderung der Diskussion mit sich
ringen. Dadurch wird einmal mehr deutlich gemacht
erden, dass darüber nachgedacht werden muss, wie oft
esetzgebung in Europa notwendig ist. Ich verhehle
icht, dass einem gewisse Zweifel kommen, wenn
00 Richtlinien noch schlummern und zur Beratung an-
tehen. Wenn alle diese Sitzungen öffentlich sein wer-
en, werden wir sehr viel mehr hinschauen können und
as ist gut so.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat dann im Zu-

sammenhang mit der Diskussion über den Verfassungs-
vertrag einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich damit
befasst, wie wir seitens des Bundestags eine bessere
parlamentarische Kontrolle gewährleisten können. Ich
möchte ganz besonders Peter Hintze danken, der zum
Schluss in den Verhandlungen nun doch gute Ergebnisse
erreicht hat.

Herr Bundeskanzler, ich spüre die Bereitschaft, dass
auch die Bundesregierung mit dem Parlament eine Ver-
einbarung darüber schließt, dass unsere Kontrollrechte
gestärkt werden, das heißt, dass europäische Angelegen-
heiten, die später in nationales Recht umgesetzt werden
müssen, frühzeitig diskutiert werden können, dass die
Bundesregierung ihre Position in den Verhandlungen
darlegen muss und dass auch Abweichungen von dieser
Position, die die Integrationskraft der Europäischen
Union notwendig macht, schnellstmöglich dem Parla-
ment mitgeteilt werden, sodass wir nicht von Richtlinien
überrascht werden, die sieben Jahre nach Verabschie-
dung in Kraft treten. Es geht vielmehr darum, dass wir
dann, wenn etwas ansteht, mitdiskutieren können. Das
ist die Voraussetzung dafür, dass wir Europa auch zu den
Menschen in unseren Wahlkreisen tragen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei verhehle ich nicht, dass wir nicht alle Wünsche

durchsetzen konnten. Wir hätten es gerne gehabt, dass
bei den Beitrittsverhandlungen auch eine Zweidrittel-
mehrheit notwendig gewesen wäre. Aber wir haben eini-
ges erreicht. Auf alle Mitglieder dieses Hauses kommt
viel zusätzliche Arbeit zu. Ich hoffe, dass jeder Kollege
gerne von seinen Kontrollrechten Gebrauch macht,


(Beifall der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


sodass es nicht nur zu Mehrarbeit für die Regierung,
sondern auch für die Parlamentarier kommt.

Ich glaube, dass wir an einem solchen historischen
Tag, an dem wir ein solches Projekt verabschieden, auch
sehen müssen – das hat etwas mit der Zustimmung zu
Europa zu tun –, dass wir in zweierlei Hinsicht am
Scheideweg stehen: zum einen, was die Integrationstiefe
anbelangt, und zum anderen, was die Ausdehnung der
Europäischen Union anbelangt. Es ist – jedenfalls aus
meiner Sicht – für das Funktionieren der Europäischen
Union von größter Bedeutung, dass es uns gelingt, Euro-
pa als Wertegemeinschaft, aber auch als ein Modell für
das, was wir soziale Marktwirtschaft nennen, nämlich
als Sozialstaatsmodell durchzusetzen. Dies werden wir
im globalen Wettbewerb nur dann schaffen, wenn wir
wirtschaftlich stark sind.

Deshalb unterstütze ich alles, was mit der Lissabon-
Strategie zusammenhängt. Aber wir werden in Zukunft
weiter überlegen müssen, was dem Ziel der wirtschaftli-
chen Stärke und der Schaffung von Arbeitsplätzen dient
und worauf wir vielleicht verzichten müssen. Dabei
könnte es sein, dass die Bestückung von Biergärten mit
Sonnenschirmen ein wenig zurücktreten muss und dass
dafür Richtlinien, die die wirtschaftliche Kraft in Europa
wieder anfeuern, in den Vordergrund treten.

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(C (D Wir werden in den nächsten Jahren Diskussionen daüber führen, ob nicht Kompetenzen, die Europa schon inmal hatte und die in dem viel gelobten Acquis ommunautaire verankert sind, wieder an die Nationaltaaten zurückgegeben werden, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


o wie wir es in der Föderalismuskommission zwischen
undes- und Länderebene derzeit miteinander diskutie-
en. Das bedeutet keine Schwächung von Europa; es be-
eutet vielmehr, dass das Subsidiaritätsprinzip immer
ieder der Punkt sein muss, an dem wir überprüfen, wel-
he Aufgabe wo am besten geleistet werden kann. Das
edeutet dann auch, dass wir die Richtlinien, die wir aus
uropa bekommen, in Deutschland nicht im Übermaß
msetzen sollten, indem wir immer noch 20 Prozent
raufsatteln; vielmehr sollten wir den fairen Wettbewerb
wischen Deutschland und anderen ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

enn wir sind uns doch alle einig, dass mit Deutschlands
irtschaftlicher Prosperität auch Europas wirtschaftliche
rosperität in ganz wesentlichen Bereichen zusammen-
ängt.
Wir müssen uns der Frage stellen, welche Balance wir
dem Spannungsverhältnis zwischen Vertiefung und
rweiterung schaffen. Ich glaube, wir müssen sehr red-
ch und zum Teil auch leidenschaftlich darüber diskutie-
en, welche Erweiterungskapazitäten Europa hat. Der
undeskanzler hat am 7. Mai gesagt, es gebe Grenzen
er Erweiterung Europas, die sich nicht abstrakt festle-
en ließen, sondern sich konkret aus der Aufnahmefä-
igkeit der Europäischen Union ergäben. Beitrittsfähig-
eit und Aufnahmefähigkeit seien die zwei Seiten einer
edaille. Ich kann das hundertprozentig unterschreiben.

ch sage allerdings auch: Es wird immer wieder vorkom-
en, dass wir, wie zum Beispiel im Fall der Türkei, un-
erschiedlicher Meinung darüber sind, ob die Aufnahme-
ähigkeit – das ist mein Bezugspunkt – zu einem
estimmten Zeitpunkt wirklich da ist, ohne dass wir das
uropäische Einigungswerk gefährden. Lassen Sie uns
arüber fair, aber auch intensiv und leidenschaftlich
treiten! Es wird Europa gut tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe eine letzte Bitte. Wir müssen auch darauf

chten, dass wir mit einer Sprache sprechen, und zwar
ußerhalb unseres Landes bei dem, was wir verhandeln,
nd innerhalb unseres Landes, wenn wir Wahlkämpfe
aben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ja, meine Damen und Herren, ich sage das in aller
üchternheit. – Ich glaube, man darf nicht – wie es über
onate geschehen ist – über eine Richtlinie wie die
ienstleistungsrichtlinie, die von Grund auf richtig ist,
lötzlich in Situationen, in denen es zu bestimmten Ent-
cheidungen kommt, etwas nuanciert und anders spre-
hen, als man das vorher getan hat.






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Man wird jeden Tag schlauer!)

Ich glaube, man muss bei den Beitrittsverhandlungen
ganz klar Position beziehen. Die Bundesregierung hat es
formal auch getan. – Darüber brauchen Sie sich gar nicht
aufzuregen. Der Bundeskanzler hat zum Beispiel in Wei-
den – in fünf Punkten – gesagt: Wir dürfen nicht nur die
Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
beschränken, sondern wir müssen auch bei der Freizü-
gigkeit im Bereich der Dienstleistungen Einschränkun-
gen vornehmen. Er hat damals das Baugewerbe – dort ist
es geschehen – und Bereiche des Handwerks – dort ist es
so gut wie nicht geschehen – als Beispiele genannt.

Wenn wir uns heute die Statistiken ansehen und uns
über die stark angestiegene Zahl der Neugründungen
von Handwerksbetrieben freuen, dann dürfen wir nicht
vergessen, dass Realität ist, dass zum Beispiel in Köln
50 Fliesenlegerbetriebe aus den mittel- und osteuropäi-
schen Staaten in einer Wohnung ansässig sind, weil die
Fliesenleger – anders als in Österreich – nicht von der
Dienstleistungsfreiheit ausgenommen wurden.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das ist doch illegal!)


– Bleiben Sie ganz ruhig! Ich bin gar nicht auf Polemik
gestimmt.


(Lachen bei der SPD)

– Ich bin überhaupt nicht auf Polemik gestimmt.

Ich sage Ihnen nur in aller Ruhe: Wenn Sie in einem
Jahr die Handwerksordnung so ändern, dass der Zugang
der Fliesenleger zum Arbeitsmarkt vereinfacht wird, und
gleichzeitig die Dienstleistungsfreiheit ermöglichen,
dann dürfen Sie zumindest zum Schluss über den Sach-
verhalt nicht Klage führen. Wir hätten das anders ge-
macht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich sage dies deshalb, und zwar in tiefem Ernst, weil
es mir und meiner Fraktion darum geht, dass Europa aus
den heute genannten historischen Gründen auch in den
nächsten Jahrzehnten die notwendige Akzeptanz, die
notwendige Bürgernähe aufbringt, damit die Menschen
in diesem Lande Europa als eine Chance begreifen, als
eine Chance in der globalen wirtschaftlichen Auseinan-
dersetzung, als eine Chance in der kulturellen Auseinan-
dersetzung, als eine Chance, ein Partner zu sein, der für
Freiheit und Demokratie in der Welt streitet. Um das
nicht aufs Spiel zu setzen, müssen wir auch in dem, was
vielleicht wie ein Detail erscheint, was die Menschen
aber betrifft, ernsthaft miteinander ringen.

Ich glaube – damit lassen Sie mich schließen –, der
vorliegende Verfassungsvertrag hat unsere Möglichkei-
ten erheblich erweitert. Deshalb kann ich aus vollem
Herzen Ja sagen, auch wenn mir nicht alles gefällt. Aber
der Streit um Europa muss im 21. Jahrhundert unter
neuen Bedingungen im Sinne der Bürgerinnen und Bür-
ger genauso leidenschaftlich geführt werden, wie das die
Gründungsväter der Europäischen Union getan haben.

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(C (D Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500600

Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der SPD-Frak-

ion, Franz Müntefering.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1517500700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ibt Wochen, die haben es in sich. Dies ist so eine Wo-
he.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sonntag in einer Woche wird es noch schlimmer!)


eshalb will ich ein bisschen dabei verweilen; denn die
inge gehören zusammen.
8. Mai: Zehntausende demonstrieren am Brandenbur-

er Tor Demokratie und für Demokratie, darunter Ver-
eter der Aktion Sühnezeichen, des Anne-Frank-
entrums, der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, der
rbeiterwohlfahrt, des Türkischen Bunds in Berlin-
randenburg, von Mehr Demokratie e. V., des DGB,
on „Zivilcourage zeigen“ und von „Gesicht zeigen“.
as waren ein sympathisches Gesicht und ein gutes Ge-
ühl in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn man auf der Straße, an den Ständen oder in den
elten dabei war, dann sah man: Die ist dabei, der ist da-
ei, fröhlich locker, aber auch entschlossen. Die Bot-
chaft war eindeutig: Diese deutsche Demokratie ist
elbstbewusst und sie ist sich ihrer Verantwortung be-
usst; Nazis und Extremisten jedweder Art haben in
eutschland keine Chance – nie wieder!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich richte unseren Dank an Klaus Wowereit und alle
erantwortlichen in Berlin. Dies gilt ganz besonders für
ie Polizistinnen und Polizisten, die in diesen Tagen in
orbildlicher Weise mitgewirkt haben. Wir waren und
ind auf unsere Hauptstadt richtig stolz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


9. Mai: Russland gedenkt des Kriegsendes vor
0 Jahren und lädt dazu den Bundeskanzler der Bundes-
epublik Deutschland als Freund ein. Das Land, das
ehr als jedes andere unter der Aggression Deutsch-
nds gelitten hat, zeigt Versöhnung. Der Bundeskanzler
at in seiner Rede heute die gute Geschichte Europas seit
denauer und de Gaulle skizziert. Ich füge hinzu: Dass
räsident Putin, Bundeskanzler Gerhard Schröder und
iele Staatsmänner in Moskau gemeinsam Friedfertig-
eit und Freundschaft demonstriert haben, gehört in die






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Kette einer großartigen, hoffnungsvollen Entwicklung
Europas und hoffentlich weit darüber hinaus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


10. Mai: Eröffnung des Denkmals für die ermorde-
ten Juden Europas für die Öffentlichkeit. 2711 Stelen
und das darunterliegende Informationszentrum machen
dieses Mahnmal in der Gegenwart und für die Zukunft
zu einer Stätte dauerhafter Erinnerung an eine grausame,
entsetzliche deutsche Vergangenheit. Gedenkstunden
gibt es viele. Wer die Zeitzeugin Sabine van der Linden
in der Gedenkstunde vorgestern miterlebte, der wird sie
nie vergessen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


12. Mai, heute: Vor 40 Jahren, am 12. Mai 1965, nah-
men Israel und die Bundesrepublik Deutschland
diplomatische Beziehungen auf. Das waren und das
sind keine einfachen Beziehungen; aber sie haben zur
Wiederannäherung zwischen dem deutschen und dem
jüdischen Volk geführt. Damals, 1965, wurde ein Ab-
grund überwunden, wie es ihn tiefer zwischen zwei Völ-
kern in der Menschheitsgeschichte wohl nicht gab.

Die Überlebenden, die Angehörigen der Ermordeten,
haben nach dem Ende des Schreckens vielfach Zuflucht
in Israel gefunden. Sie haben den jungen Staat mit auf-
gebaut, der den Juden aus aller Welt eine sichere Heimat
bieten soll. Vielen von ihnen war der Gedanke, normale
Beziehungen zu Deutschland und zu Deutschen zu un-
terhalten, zu Anfang unerträglich. Es bedurfte einer un-
geheuren Kraft und eines großen Herzens, sich im Licht
dieser Vergangenheit trotzdem der Zukunft zuzuwenden.
Diese Kraft hatten die Menschen in Israel. Dafür sind
wir dankbar.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dieser 12. Mai 2005 wird aber auch als derjenige Tag
in den Geschichtsbüchern stehen, an dem der Deutsche
Bundestag den Vertrag über eine Verfassung für Europa
beschließt. Eine Verfassung beschließen heißt, Grund-
werte zu benennen und sich Regeln zu geben. Eine Ver-
fassung ist keine Garantie für eine richtige Politik; aber
sie erleichtert richtige Politik. Sie ist ein Kompass, weist
also den Weg. Sie kann keine Steine aus dem Weg räu-
men – Steine wird es wahrlich genug geben und wir sto-
ßen jeden Tag auf welche –; aber sie gibt Orientierung.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist ein gutes
Beispiel und eine Erfolgsgeschichte. Theoretisch könnte
in Deutschland heute auch ohne Grundgesetz alles so
sein, wie es heute ist; aber eben nur theoretisch. Jean
Monnet hat sich zu dieser Problematik einmal so geäu-
ßert: „Es kommt nicht darauf an, aufzuschreiben, was
sein soll, sondern es kommt darauf an, aufzuschreiben,
was sein kann.“ Richtig!

Was kann Europa sein? Eine Region, in der die Men-
schenrechte und die Grundrechte gesichert sind. Die

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(C (D U-Charta der Grundrechte ist integraler Bestandteil er europäischen Verfassung. Sie wird rechtsverbindlich. ie Grundrechte werden individuell einklagbar. Die harta ist Kern einer gemeinsamen europäischen Werterdnung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht, jeder ürger und jede Bürgerin. Dieses Dokument fortschrittcher Menschenrechte und Grundrechte enthält neben en politischen und bürgerlichen auch weit gehende soiale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte und hat sich ereits heute zu einem Dokument mit weltweiter Strahlraft entwickelt. Die europäische Geschichte mit all ihren Irrungen nd Tragödien ist auch geprägt von der Nächstenliebe hristlicher Gesinnung, von der Mitmenschlichkeit der ufklärung und des Humanismus, von der Solidarität ozialdemokratischer und sozialistischer Ideen. Die rundrechte, die sich damit verbinden, garantieren die reiheit des Einzelnen, die Gerechtigkeit im staatlichen andeln und die Solidarität in der Gesellschaft. Für die erfassung stimmen heißt Zustimmung zu diesen Weren. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansMichael Goldmann [FDP])


Was kann Europa sein? Eine Region der Demokra-
ie. 25 souveräne Staaten – bald mehr als 25 – bilden
ine Union. Wir lernen, diese Union demokratisch zu ge-
talten. Wie geht und wie lebt Demokratie, wenn es Ge-
einden und Länder und einen Bundesstaat und die
nion gibt, und dies in Variationen und 25-mal? Wir alle
üssen wohl üben. Aber Üben ist keine Schande. Eine
chande wäre es, wenn sich die Demokratie mutlos in
ationalstaatliche Selbstvergessenheit und Verzagtheit
urückfallen ließe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen dieses Europa als eine Region der Demo-
ratie. Einfach ist das nicht; das wissen wir alle. Die EU-
erfassung steht allerdings nicht dagegen; sie hilft, mehr
emokratie zu wagen in Europa. Mehr Teilhabe der
ürgerinnen und Bürger unmittelbar, das ist ein Anlie-
en sozialdemokratischer Politik. In unserem Grundge-
etz steht das noch nicht. Das ist bislang am Widerstand
on CDU und CSU gescheitert. Bei der EU-Verfassung
aren wir erfolgreicher. Sie sieht die Möglichkeit eines
uropäischen Bürgerbegehrens vor.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


s ist nicht leicht, aber es ist ein Angebot an die Men-
chen in Europa.
Das geht im Übrigen auf die Initiative des sozialde-
okratischen Vertreters des Bundestages im Konvent,
rofessor Dr. Jürgen Meyer, zurück. Das freut uns. Ich
egrüße ihn heute hier ganz herzlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Mehr Teilhabe der Parlamente, des Europäischen Par-

laments und der nationalen Parlamente. Auch der Deut-
sche Bundestag ist direkt in die Rechtsetzung der euro-
päischen Ebene einbezogen. Das ist prinzipiell nicht neu.
Diese Rechte des Bundestages werden jedoch bald kon-
kretisiert. Dazu liegen Gesetzentwürfe vor. Das Früh-
warnsystem zur Subsidiaritätsrüge und die Möglichkeit
zur Klage stärken unsere Mitwirkungsrechte bei europäi-
schen Entscheidungen. Sie sind aber weder ein Ersatz
für die parlamentarische Kontrolle und Legitimation des
europäischen Handelns der Bundesregierung noch dür-
fen sie als Instrumente gegen die europäische Integration
missbraucht werden.

Der Bundestag hat bereits heute ein breites Instru-
mentarium, um Regierungshandeln demokratisch zu
kontrollieren. Wenn wir jetzt neue Rechte für den Bun-
destag vereinbaren, dann in erster Linie deshalb, um be-
reits bestehende Rechte besser nutzen zu können, um sie
für die parlamentarische Arbeit handhabbarer zu ma-
chen. Was für Deutschland nicht geht, will ich auch an-
sprechen. Das sind Regelungen, die die Europapolitik
Deutschlands zum Stillstand bringen würden. Eine Kne-
belung deutscher Europapolitik durch den Bundestag
wird es mit uns nicht geben. Wir wollen eine handlungs-
fähige deutsche Europapolitik im Dienst der Vertretung
der Interessen unseres Landes und seiner Bürgerinnen
und Bürger auf EU-Ebene. Wir wollen eine jederzeit
handlungsfähige Bundesregierung. Sie muss in Europa
jederzeit agieren und mit führen können; auch das gehört
zur Wahrheit dazu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mir sei der Hinweis erlaubt: Wir müssen in der De-
batte um die Föderalismusreform in Deutschland klar-
stellen, dass wir in Europa nicht mit 17 Wirtschafts- und
Finanzministern unterwegs sein wollen, sondern dass es
im Hinblick auf den Einfluss Deutschlands in Europa
nötig ist, die Interessen unseres Landes zu bündeln und
sie durch die Bundesregierung verantwortlich vertreten
zu lassen. Deutsche Kleinstaaterei hat in Europa keinen
Platz. Peer Steinbrück, der Ministerpräsident von Nord-
rhein-Westfalen, hat dazu Vernünftiges gesagt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was kann Europa sein? Ein soziales Europa. Soziale
Marktwirtschaft, Vollbeschäftigung, sozialer Fort-
schritt, Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialer
Schutz, Gleichstellung von Frauen und Männern, Solida-
rität zwischen den Generationen und der Kampf gegen
soziale Ausgrenzung und Diskriminierung werden mit
dieser Verfassung zu erklärten Zielen europäischer Poli-
tik. Wir wollen, dass auch in Zeiten von Globalisierung
und Entgrenzung der Märkte und des Geldes Europas
Politik von dem Anspruch bestimmt wird, sozial zu sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Albert Einstein: „Der Staat ist für die Menschen und
nicht die Menschen für den Staat.“ Das gilt auch für die
Ökonomie.

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(C (D Soziale Marktwirtschaft heißt auch: gerechte und anemessene Arbeitsbedingungen, Schutz vor ungerechtertigter Entlassung, Anspruch auf Elternurlaub, das echt auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung, esundheits-, Umweltund Verbraucherschutz, das echt, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreen, das Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der ihrer Vertreter auf rechtzeitige Unterrichtung und nhörung, das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und ei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Vereidigung der Interessen zu ergreifen, einschließlich des echts auf – hoffentlich selten vorkommende – Streiks. as sind unveräußerliche Bestandteile sozialer Marktirtschaft. Soziale Marktwirtschaft ist auch in diesen eiten wettbewerbsfähig gegenüber einer puren Marktirtschaft, denn sie wird von der Verantwortung aller für as Gelingen getragen und sichert den sozialen Frieden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Unsere Botschaft ist klar: Dass die EU-Dienstleis-
ungsrichtlinie nicht nur den Idealen liberaler Wettbe-
erbspolitik entsprechen darf, sondern auch sozialen In-
eressen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in
nserem Lande genügen muss, das ist ein klares Wort
nd das vertreten wir auch so.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ass europäische Steuerpolitik mindestens im Bereich
er Bemessungsgrundlagen kompatibel sein muss und
icht zu Steuerdumping führen darf, auch das ist ein kla-
es Wort. Das wollen wir so.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist anstren-
end, aber bietet eine große und zugleich die einzige
hance. Wir Europäer müssen es in den nächsten beiden
ahrzehnten schaffen, aus Europa eine stabile Region
es dauerhaften Wohlstandes für alle zu machen, der so-
ialen Gerechtigkeit und des Friedens. Wir können das
chaffen.
Kleinkarierte Populisten und Wortverdreher helfen

ns da nicht.
Ich will auf den Schlenker, den Sie, Frau Merkel, ge-
acht haben, eingehen; ich hatte dieses Thema sowieso
orgesehen. Wenn Sie Näheres über die 50 Fliesenleger
n Köln wissen, auf die Sie eingegangen sind, dann bitte
ch Sie sehr herzlich: Geben Sie mir die genaue Adresse.
ch sorge dafür, dass morgen dort Besuch erscheint, der
larstellt, dass dieses Verhalten illegal ist. Reden Sie also
icht nur darüber, sondern helfen Sie mit, dass solch ein
erhalten bekämpft wird! Damit kämen wir der Lösung
chon ein Stück näher.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])







(A) )



(B) )


Franz Müntefering

– Ja, das sind ja Geschichten, von denen wir in den letz-
ten Tagen und Wochen immer mehr hören.

Der Kanzler hat vorhin die letztjährige Erweiterung
und die geplante Erweiterung zum 1. Januar 2007 ange-
sprochen. Alle wussten, dass Bulgarien und Rumänien
gemeint sind. Keiner von Ihnen hat die Hand gerührt.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Ich lese einmal vor, was Wolfgang Schäuble am 3. Juli
2003 gesagt hat:

Europa erweitert sich nicht, sondern Europa über-
windet seine Teilung. Der Prozess ist übrigens noch
nicht zu Ende. Auch Sofia, Bukarest, Zagreb oder
Belgrad sind schließlich Europa.

Damit ist gesagt: Auch Bulgarien, Rumänien, Kroatien
und Serbien gehören zu Europa dazu.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage nur: Man muss sich hüten, welche Botschaft
man an welcher Stelle gibt.

Im Zehnpunktepapier zur Erweiterung der Europäi-
schen Union von Anfang 2001 macht die Union deut-
lich, dass sie die Zuwanderung von Arbeitskräften als
Gewinn betrachtet. Diese werden „keine großen Verwer-
fungen verursachen“, so heißt es.


(Jörg Tauss [SPD]: Aha!)

Deutschland sei bereits jetzt in bestimmten Bereichen
immer stärker auf eine größere Zahl von ausländischen
Arbeitskräften angewiesen. Die Erweiterung werde die
Wirtschaft und den Euro stärken und die Arbeitsplätze in
Deutschland sichern und stärken. Auch die innere Si-
cherheit werde zunehmen. – Was man da nicht alles so
liest!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Über Peter Hintze, Ihren Sprecher für europapoliti-
sche Fragen, heißt es am 15. Februar 2001 in der „Süd-
deutschen Zeitung“:


(Er) plädiert in der Frage der Arbeitnehmerfreizü-

gigkeit im Zuge der EU-Osterweiterung für deut-
lich kürzere Übergangsfristen als die Bundesregie-
rung.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Diese sieben Jahre seien eindeutig zu lang.

Er halte eine Frist von drei Jahren für ausrei-
chend …


(Heiterkeit bei der SPD)

Die zu erwartende Zahl der Arbeitnehmer aus den
Beitrittsstaaten liege unter den Bedürfnissen des
deutschen Arbeitsmarktes …


(Zurufe von der SPD: Oh!)


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(C (D ch lasse das alles so stehen. Fröhliches Wiedersehen bei iesen Themen im Wahlkampf, kann ich Ihnen nur saen! Wir haben da gutes Material. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was kann Europa sein? Eine Region des Friedens.
er Frieden in Deutschland und in Europa, nach dem
iedergang des Kommunismus gefestigt, ist ein Segen.
as wissen wir alle. Viele von uns haben 60 Jahre Frie-
en erlebt. Das gab es über Jahrhunderte an dieser Stelle
n Europa nicht. Aus verfeindeten Völkern sind Freunde
eworden. Das soll heute noch einmal betont sein, ganz
Sinne Willy Brandts: „Wir wollen gute Nachbarn

ein, nach innen und nach außen.“

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frieden ist ein hohes Gut. Im tagtäglichen Klein-
lein der europäischen Integration gerät das leicht in
ergessenheit. Die europäische Integration dient auch
em Ziel, den Frieden in Europa zu erhalten. Europäi-
che Politik muss auch künftig dem Friedensziel dienen.
as ist Grundvoraussetzung für eine Teilhabe der Bürge-
innen und Bürger an der Einigung Europas. Friedenser-
alt im Innern bedeutet auch, dass Europa sein wirt-
chaftliches und politisches Gewicht nutzt, um für eine
ktive Friedenspolitik nach außen einzutreten. Es wer-
en große Erwartungen an die EU gerichtet, beispiels-
eise von den Vereinten Nationen. Sie fordern mehr
uropäisches Engagement in den Bereichen humanitäre
ilfe sowie Konfliktvorbeugung und -bewältigung welt-
eit; denn sie wissen, dass Europas einmalige Erfahrung
der Schaffung von friedlicher Zusammenarbeit und
ohlstand von unschätzbarem Wert ist. Auch diese Auf-
abe hat Europa zu erfüllen und wir wollen uns ihr stel-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Werden wir heute hier und am 27. Mai im Bundesrat
ie nötige Zweidrittelmehrheit erreichen? Wir dürfen
ohl sicher sein. Ich sage aber auch in alle Richtungen:
s wäre gut, wenn alle dabei wären. Die bayerische Spe-
ialität, damals gegen das Grundgesetz zu stimmen,
uss hier nicht zur Tradition weiterentwickelt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich war, wie viele im Hause, in den vergangenen Ta-
en in Frankreich und habe dort die Anstrengungen er-
ebt, unter denen viele unterwegs sind und für die EU-
erfassung werben. Ich weiß, es ist ungewöhnlich, sich
n solche Angelegenheiten einzumischen. Aber ich sage
rotzdem: Es ist – da bin ich gewiss – der Sache dienlich.
ch wünsche mir und uns allen in Deutschland und im
eutschen Bundestag von Herzen, dass wir in diesem
ai 2005 in Deutschland und in Frankreich das gute,
lare Signal geben: Wir wollen dieses Europa – demo-
ratisch, sozial und friedfertig.
Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517500800

Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der FDP-Frak-

tion, Wolfgang Gerhardt.

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1517500900

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Zunächst einmal aus dem Wahlkampf ein
Stück zurück zum Thema des Tages.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es geht um den europäischen Verfassungsvertrag. Er
bringt, um es kurz zu sagen, ein Stück Stärkung des
Europäischen Parlaments. Er bringt Klärungsmechanis-
men für die nationalen Parlamente beim Thema Subsi-
diarität. Er verankert unter unserer großen Wertschät-
zung eine Grundrechte-Charta in der europäischen
Verfassung. Er ermöglicht qualifizierte Mehrheitsent-
scheidungen und eröffnet die Chance zur Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik.

Er hat aber auch Schwächen. Im Rahmen des Defizit-
verfahrens wird die Kommission nicht so gestärkt, wie
wir es möchten. Die Konstruktion der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik ist ein Potenzial für die
Zukunft. Es kommt aber auf die Persönlichkeit an, die
sie unternimmt. Wenn sie sich zwischen den Institutio-
nen zerreiben lässt, wird diese Politik scheitern. Wenn es
ihr gelingt, zwischen den Institutionen zu arbeiten, wird
diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die
unsere Hoffnung ist, gelingen.

Der Verfassungsvertrag führt bei dem Institutionen-
gefüge noch nicht zu der Klarheit, die wir uns wünschen.
Aber um es ganz deutlich zu sagen: Es gibt keine Alter-
native zu diesem Vertrag. Er beschreibt das jetzt Erreich-
bare; er zeigt in die richtige Richtung. Die Bundestags-
fraktion der FDP wird heute mit Ja stimmen.


(Beifall bei der FDP)

Ich will nicht länger über den Verfassungsvertrag ar-

gumentieren. Die entscheidende Aufgabe ist nämlich
eine andere. Es geht um die Frage, ob es uns gelingt, mit
politischer Überzeugung in den Gesellschaften – auch in
der deutschen Gesellschaft – zu verankern, dass dieser
Weg alternativlos und richtig ist und aus welchen Grün-
den er gegangen werden muss.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die eigentliche Aufgabe liegt nicht darin, auf Semina-
ren den Verfassungsvertrag – durch wen auch immer –
groß zu beschreiben. Die eigentliche Aufgabe liegt zwi-
schen dem Pathos der ganzen europäischen Bewegung,
das sie mit Recht anführen kann und das sich durch
weite Teile der Aussprache zieht, und dem Alltag der
Menschen in Europa. Wenn uns das nicht gelingt, nutzt
uns eine geschriebene und verabschiedete Verfassung
nichts.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für die Verabschiedung ist der heutige Tag gewählt
worden – wir dürfen nicht darüber hinweg diskutieren,

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(C (D ass er aus guten Gründen gewählt worden ist –, um ein ignal an unseren befreundeten europäischen Nachbarn rankreich zu senden. In diesem Land findet ein Refeendum statt. Da spielt all das hinein, was wir auch in eutschland spüren: Unmut. Nur schwer begreifen die enschen das Tempo der Erweiterung. Sie kommen an renzen der Nachvollziehbarkeit europäischer Entscheiungen. Sie haben von den politischen Führungen in uropa schon lange nicht mehr klar, überzeugend, deutich und mutig die Frage beantwortet bekommen, worauf ir denn jetzt in der Tat hinaus wollen. Dass wir Deutschen nach den Katastrophen, die wir rlebt haben, Europa brauchen, ist gar keine Frage. Aber ohin wir jetzt mit Europa gehen wollen, das muss neu rundgelegt werden. Wer das verdrängt – zu einem Teil er Verdrängung gehörte die Diskussion hier im Haus, b wir zu einem Volksentscheid kommen sollten –, der uss sich fragen lassen, ob er nur aufgrund von europäichen Gipfeltreffen glaubt, europäische Gesellschaften on dieser Verfassung überzeugen zu können. Wir spüen, dass das so nicht funktionieren kann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die europäische Nachkriegsgeschichte hat in allen
eteiligten europäischen Ländern große Namen hervor-
ebracht. Aber Europa kann nicht nur eine Sache der
olitischen Eliten sein. Europa muss auch eine Sache
einer eigenen Gesellschaften sein: im Umfang, in den
ielen und im Credo.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deshalb kommt es mir darauf an, unseren Mitbürge-

innen und Mitbürgern, denen, die hier sind, und denen,
ie an den Fernsehgeräten zusehen, klar zu sagen: Es
ibt kein Land in Europa, das Europa selbst, eine hand-
ungsfähige Europäische Union, aber auch ihre Durch-
chaubarkeit und ihre Überzeugung so dringend braucht
ie die Bundesrepublik Deutschland.
Es gibt im Übrigen auch kein Land in Europa, das wie

ie Bundesrepublik Deutschland gleichzeitig so drin-
end und notwendig das transatlantische Bündnis
raucht. Deshalb sollten wir niemals den Sirenenklängen
achgeben und so tun, als ob wir Europa mit einem klei-
en Gegengewicht zu Amerika aufbauen könnten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir müssen nicht der Auffassung sein, dass die amerika-
ische Administration jedes Mal Recht hat. Auch
onrad Adenauer und Helmut Schmidt haben sich in
inzelfragen heftig mit der amerikanischen Führung
useinander gesetzt. Das ist nicht die Frage. Aber wir
eutschen müssen genau wissen, wer unsere Sicherheit
m Ende garantiert, mit wem wir Wohlstand erreicht ha-
en und zu wem wir gehören.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eshalb ist das Gerüst Europäische Union und trans-
tlantische Partnerschaft so wichtig.






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt

Nun zu den Zielen. Wenn Europa mit seinen Erfolgen,

die es zweifellos hat, Gestaltungsanspruch erheben will,
dann darf es nicht in dieser Lethargie verbleiben, in der
es sich gegenwärtig trotz Verfassungsvertragsentwurfs
befindet.
Wir sind von den Zielen des Lissabon-Unternehmens
weit entfernt. Wir wollten in wenigen Jahren der wirt-
schafts- und wissenschaftsstärkste Raum der Welt sein.
Wir hatten den Bürgern vorgegeben, dass wir ihnen
mehr Chancen als Risiken anbieten. Aber wir sind noch
nicht einmal auf der Hälfte der Strecke. Herr Kollege
Müntefering, ich bezweifle für meinen Kolleginnen und
Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion, ob wir dieses
Ziel mit einem europäischen Modell, wie Sie es zeich-
nen, das staatlichen Regelungen einen sehr starken Vor-
rang einräumt, erreichen.

Lassen Sie mich einmal vorlesen, was uns Alexis de
Tocqueville, der großartige französische Nachbar, schon
1835 ganz erfrischend ins Stammbuch geschrieben hat:

Der Europäer ist gewohnt, ständig einen Beamten
vorzufinden, der sich so ziemlich in alles ein-
mischt …
Der Bürger in den Vereinigten Staaten lernt von
klein auf, dass er sich im Kampf gegen mancherlei
Schwierigkeiten des Lebens auf sich selbst verlas-
sen muss. Er hat für die Obrigkeit nur einen miss-
trauischen und unruhigen Blick und ruft die Macht
nur zur Hilfe, wenn er es gar nicht vermeiden kann.

Es mag einen Weg zwischen diesen beiden Positionen
geben; aber eine Prise angloamerikanischen Denkens in
Wirtschaftsbeziehungen, in eigener Tatkraft und in der
Vitalität der Gesellschaften täte uns ganz gut.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube nicht, dass wir in der Bundesrepublik
Deutschland mit einem durchregulierten europäischen
Sozialmodell à la Frankreich und Rot-Grün weiterkom-
men. Nicht ohne Grund schwächeln diese beiden Länder
gegenwärtig am stärksten, obwohl sie als dynamische
Tandemfigur Zugpferde sein müssten. Irgendetwas
stimmt hier also nicht.

Wir brauchen eine Revitalisierung Europas. Aber das
wird nur gelingen, wenn wir die Kraft der Gesellschaften
entfalten und ihnen staatliche Rahmenbedingungen ge-
ben, die sie dazu befähigen.


(Beifall bei der FDP)

Wenn wir sie hinwegregulieren, werden wir dazu nicht
kommen.

Meine Damen und Herren, was ist der innere Zusam-
menhalt Europas? Sloterdijk sagt:

Wer die Äneis von Vergil liest, weiß, wo Europa
liegt. Europa, das ist ein Punkt auf der Karte der
Hoffnung. Wo besiegte Menschen eine zweite
Chance bekommen.

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(C (D s gibt dafür keine bessere Ausdrucksform. Wenn wir an den 8. Mai denken, wissen wir, dass wir eutsche diesen Satz dreimal unterstreichen können. Es st unstreitig, dass Europa nach den Katastrophen eine chlichte Überlebensfrage für seine Bürger war. Europa st für uns nicht nur Wirtschaft. Europa ist mit der Ideeneschichte der Menschheit, mit Pluralismus, individueler Freiheit, der Aufklärung, der Französischen Revoluion und den Bürgerrechten verbunden. Ob ein Gottesbezug in der Verfassung steht oder icht: Europa hat christlich-jüdische Wurzeln. Sie gehöen zu uns, ob man nun Mitglied der Evangelischen Kirhe oder Katholik ist. Wenn der berühmte Satz: „Vor ott sind alle Menschen gleich“ stimmt – ich bin übereugt, dass er stimmt; dafür muss man nicht jeden onntag in die Kirche gehen –, dann gilt dieser Satz icht nur für Katholiken und Protestanten, sondern für lle Menschen. Er gilt auch für die anderen. Wenn wir icht in Toleranz gegenüber religiösen Überzeugungen eben, wird Europa nicht gelingen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as sind die Wurzeln, die wir ohne Hineinschreiben des
ottesbezugs in die Verfassung kennen müssen. Sie sind
ehr als katholisch oder evangelisch; sie sind unsere
ulturellen europäischen Wurzeln.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir brauchen, wenn wir Menschen Ziele geben wol-
en und ihnen sagen wollen: „Die Risiken sind geringer
ls die Chancen“, neue Dynamik, neue Vitalität. Nur
enn wir selbst dies ausstrahlen, werden wir am Ende
in Europa aufbauen können, in dem die Menschen
erne leben, das sie nicht ängstlich beschauen und in
em sie keine neuen Wettbewerber fürchten, sondern in
em sie sich wohl fühlen und ihre Lebenschancen su-
hen.
Wir wollen – damit will ich abschließen –, dass Euro-

as Stimme gehört wird. Dann muss man sich aber erst
ei sich selbst Gewicht verschaffen. Die Stimme eines
chwächelnden Kontinents ohne Wachstumsraten, ohne
eue wirtschaftliche Dynamik und ohne internationale
trategische Vorstellungen wird kaum gehört werden. Sie
uss noch viel kräftiger entwickelt werden, sei es nur,
ass wir sagen müssen: Die Nationen, die wie wir und
nsere europäischen Nachbarn in Freiheit leben, haben
ine besondere Verpflichtung den Menschen in der Welt
egenüber, die weiter in Unfreiheit leben müssen.
Das ist die Aufgabe, die wir wahrnehmen müssen,

nd das ist die Botschaft an andere. Das setzt aber vo-
aus, dass wir eine eigene Überzeugung von unserem
ontinent und seinen Aufgaben haben.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517501000

Ich erteile das Wort Bundesaußenminister Joseph

Fischer.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517501100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner

letzten Rede vor dem Europaparlament – das war eine
große Rede – hat der bereits vom Tod gezeichnete dama-
lige französische Staatspräsident François Mitterrand in
einem, wie ich finde, bewegenden und zugleich beden-
kenswerten Satz den eigentlichen Grund für die Grün-
dung der Europäischen Union zusammengefasst.
François Mitterrand hat damals gesagt: Der Nationalis-
mus, das ist der Krieg. Die Überwindung des Nationalis-
mus durch den Gedanken der europäischen Integration
– der Bundeskanzler hat die Geschichte dieses Gedan-
kens heute noch einmal sehr beeindruckend vor Augen
geführt – bedeutete für Europa die Überwindung des
Kriegs.

Ich war gestern im Wahlkampf für das Referendum in
Lyon. Dort bin ich auf französische Politiker meiner Ge-
neration getroffen. Wir sind die erste Generation, die
nicht gegeneinander ins Feld gezogen ist, die nicht ge-
geneinander gekämpft hat, die sich nicht gegenseitig
umgebracht hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Daran muss sich das europäische Einigungswerk mes-
sen.

Es geht nicht nur um die Frage der Vergangenheit, auf
die der Bundeskanzler heute völlig zu Recht hingewie-
sen hat. Erinnern wir uns doch an den Beginn einer
neuen europäischen Ordnung, an die Rückkehr des
Krieges in Jugoslawien 1990/91! Erinnern wir uns doch
daran, dass in dem Moment, in dem die europäische In-
tegration als Angebot nicht greift, die Gefahr des Rück-
falls in einen blutigen, Menschen verachtenden Nationa-
lismus in Europa nach wie vor eine konkrete war und
bleiben wird! Deswegen appelliere ich an alle, noch ein-
mal darüber nachzudenken, wenn jetzt versucht wird, im
Wahlkampf kurzfristig eine populistische Münze zu
schlagen: Die Politik der europäischen Erweiterung war
immer Bestandteil europäischer Friedenspolitik. Das
heißt, das Angebot, zum Europa der Integration zu gehö-
ren, ist ein entscheidender friedenspolitischer Ansatz,
den wir seit der Idee der europäischen Integration und
ihrer Umsetzung verfolgt haben und auch in Zukunft
weiter verfolgen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn wir ein friedliches Europa wollen, können wir
nicht ein Europa wollen, das sich in ein Europa der Inte-
gration und in ein Zwischeneuropa teilt, in dem sich mit
Blick auf Brüssel und die Integration die Gefühle zwi-
schen Sehnsucht und Frustration bewegen. Nein, das
wird nicht funktionieren; das ist die Botschaft, die wir

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(C (D 991 aus dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens zu leren haben. Wenn wir – trotz aller Lösungen bis hin zum osovo – die Perspektive der europäischen Integration appen würden, drohten die Probleme, die Konflikte, ber auch die Barbarei zurückzukehren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Die europäische Verfassung ist daher eine der zentra-
en Konsequenzen der erweiterten Europäischen Union.
ll die Probleme, mit denen wir zu tun haben, auf dem
rbeitsmarkt und in vielen anderen Bereichen, und die
ngste, die unsere Menschen haben, zum Beispiel, ob
ie das größere Europa noch verstehen werden, sind
icht die Konsequenz der Erweiterung der Europäischen
nion, sondern die Konsequenz des Falls von Mauer
nd Stacheldraht. Die künstliche Teilung Deutschlands
ing am 9. November 1989 zu Ende, auch die künstliche
eilung Europas ging am 9. November 1989 zu Ende.
er ein friedliches Europa will, der wird zum erweiter-

en Europa Ja sagen müssen, und wer zum erweiterten
uropa Ja sagt, der muss auch zu dieser Verfassung Ja
agen, weil das erweiterte Europa auf der Grundlage der
lten Verträge schlicht und einfach nicht mehr demokra-
isch genug und nach außen nicht mehr handlungsfähig
nd effizient genug ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


eswegen, meine Damen und Herren, kommt dieser
erfassung eine überragende Bedeutung zu. Ich freue
ich, dass Vertreter aller Fraktionen breiteste Zustim-
ung signalisiert haben.
Nun komme ich zu einem entscheidenden Punkt: Die

rage der Verstehbarkeit europäischer Politik wird
urch einen Verfassungsvertrag natürlich nicht aus sich
eraus gelöst. Die Frage, inwieweit die Bürgerinnen und
ürger in Deutschland und in den anderen Mitgliedstaa-
en den europäischen Gesetzgebungsprozess – partei-
olitisch orientiert, wie das in einer Demokratie sein
uss – als den ihren verstehen, hängt ganz entscheidend
avon ab, wie diese Verfassung vom Deutschen Bundes-
ag und vom Bundesrat mit Leben erfüllt wird.
Es gibt drei Elemente, die für mich einen entscheiden-

en Schritt nach vorne bedeuten: Der erste Aspekt ist die
emeinsame Außenpolitik. Ich finde, sie ist ein ganz
entraler Punkt für die Handlungsfähigkeit und die Rolle
nseres Landes in der Welt des 21. Jahrhunderts. Wer
eint, Europa würde uns gefährden und nicht schützen,
er erzählt den Menschen schlicht und einfach die Un-
ahrheit;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


enn wären wir auf uns allein gestellt, hätten wir in der
elt der Globalisierung keine Chance mehr.
Der zweite Punkt sind die europäischen Grund-

echte. Ich kann nur sagen: Dabei handelte es sich im
esentlichen um eine Initiative Deutschlands, die nicht
ur von Rot-Grün, sondern auch von allen anderen Frak-
ionen getragen wurde. Darin, dass wir die Grundrechte






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

als Teil II verbindlich in die Verfassung aufgenommen
haben – hinzu kommt noch der gesonderte Teil der so-
zialen Grundrechte, in dem es unter anderem um die Ge-
schlechtergleichstellung geht –, sehe ich angesichts des
gleichzeitig wachsenden Raums der Freiheit und der Si-
cherheit in Europa den zweiten ganz großen Erfolg. Ich
sage Ihnen: Als Abgeordneter wäre für mich persönlich
allein der Grundrechtsteil Grund genug, dieser Verfas-
sung zuzustimmen;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


denn dafür, dass dies Wirklichkeit wird, haben viele von
uns weit über ein Jahrzehnt gekämpft.

Das dritte Element ist die Demokratisierung der
Institutionen. Ich wünsche mir – das ist von entschei-
dender Bedeutung; denn das hieße, Europa auszufül-
len –, dass die großen politischen Lager bei der nächsten
Europawahl mit Spitzenkandidaten antreten und Kandi-
daten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufstel-
len. Ebenfalls wünsche ich mir – und zwar nicht nur auf
nationaler, sondern auch auf gesamteuropäischer
Ebene –, dass bei der nächsten Europawahl die jeweili-
gen Politikprogramme vorgelegt werden. Es muss gesagt
werden, welche Politik man betreiben will: eine eher
wirtschafts- bzw. neoliberale, eine eher soziale, eine eher
ökologische oder was auch immer.

Diese Wahl muss auf der Grundlage von Spitzenkan-
didaturen und einer klaren programmatischen Alterna-
tive gesamteuropäisch durchgeführt werden, damit auch
klar wird, dass das Mehr an Rechten des Europäischen
Parlaments – das muss sich in einer Demokratie auch im
Wahlkampf durchsetzen – zu mehr Verantwortung führt,
sodass die Bürgerinnen und Bürger wissen, wen sie an
der Nase zu greifen haben, wenn in Europa gerade wie-
der einmal etwas nicht sehr Lichtes und Sinnvolles be-
schlossen wird; denn das kann man dann nicht mehr auf
der nationalen Ebene abladen.

Meine Damen und Herren, genauso entscheidend
wird es auf die Subsidiaritätskontrolle und die Subsidia-
ritätsklage ankommen. – Das sind furchtbare Wörter;
wer versteht darunter schon etwas? – Das bedeutet, dass
die nationalen Parlamente aufgrund dieser neuen Kon-
trollbefugnis jetzt Elemente einer zweiten Kammer auf-
weisen und entscheiden können: Muss und darf Europa
über diese oder jene Frage entscheiden oder gehört die
Kirche in diesem Fall nicht ins Dorf? Diese Entschei-
dung liegt in Zukunft in den Händen des Deutschen Bun-
destages und des Bundesrates. Hier müssen wir den Bür-
gerinnen und Bürgern das Mehr an Transparenz in der
Gesetzgebung der nationalen Parlamente sichtbar ma-
chen.

Da kann ich Ihnen nur sagen: Man darf sich schon die
Frage stellen, ob die bereits heute existierenden Rechte
immer optimal ausgenutzt wurden oder nicht. Deswegen
hat die Bundesregierung wirklich großes Interesse daran,
dass wir den Teil der europäischen Gesetzgebung, der
auf uns – sowohl auf die Regierung als auch auf die na-
tionalen Parlamente – zukommt, so transparent wie

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(C (D öglich gestalten und dass wir in diesem Zusammenang durch das Angebot des Bundeskanzlers, einen Verrag mit Bundestag und Bundesrat zu schließen, wirklich u guten Lösungen kommen. Entscheidend ist auch die Gleichstellung von Bundesg und Bundesrat bei den Informationsrechten. Ich enke, das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. Auf dieer Grundlage können wir wirklich gemeinsam voranommen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nein, meine Damen und Herren, wenn ich hier höre,
as Parlament sei nicht beteiligt worden, dann kann ich
as nicht nachvollziehen. Ich bitte doch, zu bedenken,
ass dieser Verfassungsvertrag nicht das Ergebnis einer
egierungskonferenz war – sie war nachgeschaltet –,
ondern dass wir das institutionelle Viereck der Europäi-
chen Union versammelt hatten, und zwar die Mitglieder
er nationalen Parlamente – die im Übrigen die Mehrheit
m Konvent gestellt haben –, die Vertreter des Europa-
arlaments, die Vertreter der Regierungen und der Kom-
ission. Die Tagungen waren voll transparent. Es gibt
ine Reihe von Initiativen; es gab in den zweieinhalb
ahren im Europaausschuss permanent Diskussionen
nd Informationen. Die Vertreter des Bundestages
Kollege Altmaier und Professor Meyer, der bereits
ühmend erwähnt wurde; ich möchte mich dem anschlie-
en – waren initiativ, gemeinsam mit anderen Kollegen
us anderen Parlamenten, aus nationalen wie auch aus
em Europaparlament. Nein, verehrte Damen und Her-
en, an Transparenz hat es im Verfahren wirklich nicht
emangelt. Das hat meines Erachtens diese Verfassung
uch geprägt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen bedeutet diese Verfassung aus meiner
icht ein Mehr an Demokratie in Europa. Sie bedeutet
icht, dass wir Kompetenz abgeben, die nicht irgendwo
m Europäischen Parlament oder im Europäischen Rat
nkommen wird. Die Vorstellung, das Initiativrecht dem
uropäischen Parlament zu geben und es dem Europäi-
chen Rat zu nehmen, dazu – gestatten Sie mir diese Be-
erkung – ist es schlicht und einfach zu früh gewesen:
ch sehe nicht, dass es dazu Mehrheiten in Europa gege-
en hätte; es hat sie dafür nicht gegeben. Deswegen – bei
ller grundsätzlichen Sympathie als überzeugter europäi-
cher Integrationist – stand dieses nun wirklich nicht zur
ebatte.
Diese Verfassung wird Europa ein Mehr an Demokra-

ie, ein Mehr an Handlungsfähigkeit bringen. Ich habe
chon vorhin darauf hingewiesen, wie wichtig es ist,
ass wir einen Kontinent des Friedens haben, dass wir
en Erweiterungsprozess mit der Vertiefung, die durch
ie Verfassung stattfindet, weiter voranbringen. Wir dür-
en nicht darauf verzichten, unseren Menschen zu erklä-
en, dass die Probleme, die sich durch den Fall von
auer und Stacheldraht ergeben haben – Gott sei Dank
aben wir diese Probleme und nicht mehr die Probleme,






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

die es davor gegeben hat; Gott sei Dank müssen wir uns
heute diesen Herausforderungen stellen –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


nichts mit der Verfassung zu tun haben. Im Gegenteil:
Wir müssen das Erbe, das wir von unseren Vorgängern
übernommen haben, wirklich fortentwickeln, wir müs-
sen uns der historischen Herausforderung, ein Europa
des Friedens, das heißt, ein Europa der Integration, der
Demokratie und der Solidarität, auf unserem Kontinent
zu schaffen, stellen. Wir dürfen nicht in kleine populisti-
sche Wahlkämpfe abrutschen. Wir müssen den Men-
schen zu erklären versuchen, was der Fall ist und was
schlicht und einfach nicht. Es gab ja schon damals Kriti-
ker, die bezüglich Maastricht voller Skepsis waren. Wir
werden wieder „Die Menschen haben Sorgen“ und Ähn-
liches mehr hören; dabei werden diese Sorgen natürlich
nach oben getrieben.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Was ist denn aus der ganzen Kritik an der Euroeinfüh-
rung tatsächlich geworden? Da sollte man sich die Re-
den von gestern noch einmal anschauen und die Realitä-
ten von heute!


(Beifall der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir müssen begreifen, welche Bedeutung Maastricht
hatte. Ich sage: Seien wir doch froh angesichts der welt-
wirtschaftlichen Verwerfungen und der Herausforderun-
gen der Globalisierung, dass es Maastricht gegeben hat,
dass wir hier eine eindeutige Mehrheit – eine Zweidrit-
telmehrheit – gehabt haben und dass wir damals eben
nicht auf die Kritiker gehört haben! Dasselbe wird für
die Verfassung gelten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte Sie alle bitten – auch diejenigen, die sich
vielleicht noch nicht dazu entschließen können, heute
zuzustimmen –, nochmals nachzudenken: Die Alterna-
tive zu dieser Verfassung ist der Nizzavertrag. Es wird
nicht irgendeine andere Verfassung geben. Als jemand,
der den Konvent mitbekommen hat – Kollege Altmaier,
da werden Sie mir sicher zustimmen –, kann man sagen:
Wenn es ein Nein bei der Ratifikation gäbe, wird man
nicht zu Verhandlungen zurückkehren und eine bessere
Verfassung bekommen. Die Alternative ist der Nizzaver-
trag, ein Vertrag, der, wie ich finde, funktioniert hat, um
die Erweiterung zu ermöglichen. Aber das erweiterte,
das größere Europa, ein Mehr an Demokratie, ein Mehr
an Solidarität, ein Mehr an Nachhaltigkeit, ein Mehr an
Handlungsfähigkeit wird der Nizzavertrag niemals leis-
ten, sondern dazu brauchen wir die Verfassung. Ich bitte
Sie alle um Ihre Zustimmung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Ich erteile dem Ministerpräsidenten des Freistaates ayern, Edmund Stoiber, das Wort. Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Mit em Verfassungsvertrag – ich spreche nicht von der Verassung, sondern von einem Verfassungsvertrag – gibt ich Europa eine neue Grundordnung. Sie wird für das olitische, das wirtschaftliche und das gesellschaftliche usammenleben der Völker und der Menschen in uropa von weit reichender Bedeutung sein. Sie berührt ie Menschen in unserem Land bis weit in den Alltag hiein. Dieser Verfassungsvertrag ist natürlich auch ein austein im großen europäischen Friedenswerk, das eute oft angesprochen worden ist. Hier gibt es keine einungsverschiedenheiten; das ist ja auch gut so. Die istorische Dimension dieses Verfassungsvertrages ist nbestritten. Seinen wirklichen Wert für Europa wird ieser Verfassungsvertrag aber nur entfalten, wenn er uropa handlungsfähiger macht und die Menschen hierulande spüren, dass er ihren Interessen entspricht. Die enschen müssen spüren: Ihre Probleme, die Probleme ines Landes in Deutschland und die Probleme Deutschands – ob sie ökonomischer oder anderer Art sind –, önnen zu einem großen Teil nicht mehr allein in eutschland und auch nicht mehr allein in Europa gelöst erden. Deswegen ist es natürlich notwendig, dass in en globalen internationalen Zusammenschlüssen unsere timme über Europa kommt; denn nur dann können wir m Konflikt vielleicht mit China oder im Konflikt bzw. n der Auseinandersetzung mit Indien oder mit den Verinigten Staaten von Amerika etwas erreichen. Das ist den Menschen heute sicherlich noch nicht so ewusst. Es ist uns insgesamt nicht gelungen, den Menchen klar zu machen, dass unsere Position zum Beispiel ei den WTO-Verhandlungen natürlich nur mit einem ewissen Nachdruck über Europa eingebracht werden ann. Es wäre sicherlich schöner, wenn wir sie lupenreier einbringen könnten, aber wir können sie nur über uropa einbringen. Deswegen gibt es zum europäischen usammenschluss natürlich keine Alternative. Ich laube, darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheien. Das will ich auch von meiner Seite aus sehr deutlich nterstreichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517501200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517501300

Europa hat als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
egonnen. Wir haben sie zu einer politischen Union in
inem Staatenverbund – zu mehr aber auch nicht – fort-
ntwickelt. Mit der Aufnahme der Grundrechte-Charta
n dieses Vertragswerk verpflichtet sich die Europäische
nion im Interesse der Menschen auf das große gemein-
ame Wertefundament unserer christlich-abendländi-
chen Kultur.






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


Der Verfassungsvertrag ist das erste europäische Ver-

tragswerk, das von allen 25 Mitgliedstaaten gemeinsam
gestaltet wurde. Es ist damit ein echtes Bindeglied zwi-
schen den alten und den neuen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union. Gleichzeitig ist der Verfassungsvertrag
– darauf möchte ich abheben, weil sich das Bundesver-
fassungsgericht demnächst damit befassen wird – nicht
die Verfassung eines neu entstandenen Staates. Wäre er
das, wäre er nicht verfassungsgemäß. Das ist er aber
nicht. Einige meinen das; ich bin völlig anderer Mei-
nung. Deswegen sage ich das hier deutlich: Die Europäi-
sche Union ist kein Staat


(Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU])


und soll es nach dem Willen der Bürger in Europa auch
nicht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch künftig bleibt die Europäische Union ein Staaten-
verbund. Die Mitgliedstaaten – das ist in diesem Verfas-
sungsvertrag entscheidend verankert – bleiben die „Her-
ren der Verträge“. Das heißt, die nationalen Parlamente
entscheiden auch künftig darüber, auf welchen Feldern
die Europäische Union tätig werden darf.

Meine Damen, meine Herren, ich sage ein klares Ja
zu diesem Verfassungsvertrag. Auch die überwältigende
Mehrheit meiner Partei steht nach einer reiflichen Dis-
kussion und Abwägung zu diesem Verfassungsvertrag.
Ich sage aber auch: Es genügt auf Dauer nicht, eine
Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat zu haben.
Hier stimme ich Ihnen völlig zu. Wir müssen auch die
Menschen überzeugen. Dafür reicht es nicht aus, pathe-
tisch an den Idealismus der Menschen, der Bevölkerung,
zu appellieren. Wir müssen die konkreten Auswirkungen
dieses Vertrages auf die Menschen benennen. Sie sind
manchmal gravierend. Wir müssen sie nennen und dann
abwägen, ob wir in der Lage sind, das zu akzeptieren
oder nicht.

Wer die Bürger gewinnen will, darf Fragen der Bürger
nicht mit pathetischer Geste als kleinlich und detailver-
sessen wegwischen oder gar demjenigen, der darauf hin-
weist, sagen, das sei billiger Populismus. Nein, meine
sehr verehrten Damen und Herren, damit kommen Sie
auf die Dauer nicht zu einer größeren Akzeptanz Euro-
pas.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Inhaltlich wurde mit dem Verfassungsvertrag vieles

erreicht: Die EU wird vor allem durch eine mutige, aber
auch notwendige Ausweitung der Mehrheitsentschei-
dungen handlungsfähiger. Die EU wird bürgernäher und
demokratischer; denn die Abstimmung nach Bevölke-
rungsgröße wird zum Regelfall. Die Kontrollrechte des
Europäischen Parlaments werden gestärkt. Die sehr weit
und allgemein gefassten Ziele des Vertrages begründen
ausdrücklich keine weiteren Handlungskompetenzen der
Europäischen Union.

Mit dem hier bereits angesprochenen Frühwarnsys-
tem und der Subsidiaritätsklage – diese Instrumente

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(C (D ind natürlich schwer verständlich – erhalten die natioalen Parlamente erstmals unmittelbare Rechte im euroäischen Meinungsbildungsprozess. as Recht der Subsidiaritätsrüge bindet die nationalen arlamente in den europäischen Gestaltungsprozess ein nd mit der Subsidiaritätsklage können nun auch die arlamente ihre eigenen Rechte bei unzulässigen Einriffen der Europäischen Union schützen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ih en noch einmal, warum ich dies für so bedeutsam halte darüber haben wir uns oft auseinander gesetzt –: Die enschen in Deutschland – dies gilt sicherlich auch für ie Menschen in anderen Ländern – bekommen viele euopäische Entscheidungen etwa über Richtlinien, wenn ie im Rat getroffen worden sind, letzten Endes nicht it. Oft gibt es über das Pro und Kontra in Bezug auf iese Richtlinien nicht den notwendigen öffentlichen einungsstreit. Das entscheidende Problem ist, dass es ine europäische Öffentlichkeit nicht gibt; das Europäiche Parlament wird nie ein klassisches Parlament sein. ie deutsche Öffentlichkeit kann daher nur über Bunestag und Bundesrat – im besonderen Maße über den undestag – erreicht werden. Hier muss gestritten weren, bevor die Entscheidung getroffen wird, ob einer euopäischen Richtlinie zugestimmt oder nicht zugestimmt ird. Dann bekommen wir auch die Verbände, die Meien und die Menschen in diesen Entscheidungsprozess inein. So, wie es gegenwärtig der Fall ist, gelingt uns ies nicht. Der Verfassungsvertrag eröffnet zudem erstmals auch ine klare Alternative zur Vollmitgliedschaft. Er sieht usdrücklich vor, Nachbarstaaten ohne Vollmitgliedchaft an die Europäische Union heranzuführen, beipielsweise über eine privilegierte Partnerschaft. Er chafft damit unseres Erachtens das richtige Instrument ür die Beziehungen mit der Türkei. Meine Damen, meine Herren, der Verfassungsvertrag eist damit im Vergleich zur geltenden Rechtsgrundage, dem Vertrag von Nizza, erhebliche Fortschritte auf. ie positiven Elemente wurden von vielen entwickelt; ch hebe hier Wolfgang Schäuble und Erwin Teufel ervor. Erwin Teufel hat sich von Anfang an ungeheuer n diesen Konvent eingebracht. Er hat es fast zu seiner ebensaufgabe gemacht, Fragen der Subsidiarität und er Kompetenzverteilung in die Vertragsdiskussion einubringen. Ich hätte mir gewünscht, dass vieles von em, was er eingebracht hat, vom Bundesaußenminister ufgegriffen worden wäre. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ja, das ist gar keine Frage. Der Bundesaußenminister
at die Debatte im Konvent relativ spät verfolgt. Ein
reivierteljahr lang war er überhaupt nicht dabei und hat
ie Arbeit anderen überlassen; das will ich an dieser
telle auch einmal vermerken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


Der Verfassungsvertrag ist ein Kompromiss von

25 Staaten. Kompromiss bedeutet Geben und Nehmen.
Ich bin davon überzeugt, dass beim Verfassungsvertrag
das Ergebnis stimmt, auch wenn ich in aller Offenheit
sage, dass er nicht in allen Punkten unseren Vorstellun-
gen entspricht. Die Grundrechte-Charta ist ein wichtiges
Bekenntnis zu unseren Werten; aber es muss auch darauf
hingewiesen werden, dass sich viele in diesem Haus ei-
nen klaren Gottesbezug – zumindest in der Fassung der
polnischen Verfassung – gewünscht hätten.


(Erika Lotz [SPD]: Es sind 25!)

Es wäre eine weitaus stärkere Konzentration auf die

eigentlichen Kernaufgaben der Europäischen Union not-
wendig gewesen. Die Europäische Union macht immer
noch zu viel Überflüssiges und zu wenig Notwendiges.
Es ist ein Unsinn, sich Gedanken zu machen, wie Kell-
ner in Biergärten vor Sonneneinstrahlung geschützt wer-
den können. Also arbeitet man an einer Richtlinie, mit
der dann letzten Endes der Wirt verpflichtet wird, ent-
sprechende Schutzmechanismen in einer bestimmten Art
und Weise zu installieren. Es ist Unsinn, so etwas über
Europa zu lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ähnlich verhält es sich mit der Übertragung neuer
Kompetenzen auf die Europäische Union, etwa bei der
Daseinsvorsorge. Es ist in der Tat für viele Kommunen
ein entscheidender Punkt, die Daseinsvorsorge, den Ka-
tastrophenschutz, den Fremdenverkehr oder den Sport
plötzlich im europäischen Kompetenzgeflecht zu sehen.
Ich halte das für falsch. Immerhin sind die Kompetenzen
eng begrenzt. Aber es ist dann immer ein Abwägungs-
prozess.

Besonders wir in der CSU haben uns die Entschei-
dung nicht leicht gemacht. Vielleicht haben wir mehr
darüber diskutiert als in anderen Parteien. Wir haben seit
Jahren darüber intensiv diskutiert und damit gerungen.
Ich sage ausdrücklich: Ich komme nach dieser Abwä-
gung zu einem ganz klaren Ja. Ich werbe natürlich auch
für ein ganz klares Ja, für die Zustimmung zu diesem
Verfassungsvertrag. Aber ich respektiere auch, wenn ei-
nige Kollegen aus den genannten Gründen heute nicht
zustimmen können. Meine Überzeugung ist: Zur Lösung
der bevorstehenden Herausforderungen ist Europa mit
diesem Verfassungsvertrag besser gewappnet als mit
dem bestehenden Vertrag von Nizza.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Verfassungsvertrag stößt die Tür für eine stärkere

Einbindung der nationalen Parlamente auf. Das ist für
mich der entscheidende Punkt. Der Bürger, aber auch
viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus fühlen
sich von Brüssel bevormundet. Die nationalen Abgeord-
neten wollen zu Recht gefragt werden, wenn Europa
Vorgaben für ihre Mitgliedstaaten macht. Es muss end-
lich aufhören, denjenigen oder diejenigen, die auf be-
stimmte europäische Vorgänge innenpolitischer Art hin-
weisen und Kritik üben, immer gleich mit dem
Populismusvorwurf oder als Europagegner zu diffamie-
ren.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Hier in diesem Hause wird oft genug über den richti-
en Weg der deutschen Politik gestritten. Aber noch nie
st jemand auf die Idee gekommen, einem Kritiker der
teuerpolitik der Regierung vorzuwerfen, er sei gegen
eutschland. Das ist absoluter Unsinn und deswegen
uss man damit aufhören. Die europäische Politik ist
eine Außenpolitik mehr, sondern europäische Politik ist
lassische Innenpolitik geworden. Deswegen muss hier
n diesem Haus und darüber hinaus über europäische
ntscheidungen ein intensiverer Streit geführt werden.
enn wir das nicht schaffen, wird Europa bei aller Pa-

hetik, die man in diesem Zusammenhang aufbringen
ann, scheitern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will auf Folgendes hinweisen: Wenn Deutschland

zw. Sie darüber entscheiden würden, ob beispielsweise
er Bereitschaftsdienst bei Ärzten als Arbeitszeit ange-
ehen wird, dann würde hier darüber eine lebhafte Dis-
ussion stattfinden. Wenn es aber so kommt, wie es der
uropäische Gerichtshof oder das Europäische Parla-
ent haben will, dann bedeutet das für Deutschland die
instellung von etwa 20 000 bis 30 000 Ärzten oder die
ersorgung der Kranken muss an den Krankenhäusern
eduziert werden. Über diese Thematik wird in Deutsch-
nd nicht diskutiert. Wenn es aber eine Entscheidung
er Regierung wäre, würde sie hier diskutiert werden. Es
üssen künftig Entscheidungen diskutiert werden, damit
ie Landräte, die Bürgermeister, die Patienten und die
rankenkassen wissen, was auf sie zukommt, wenn eine
olche Entscheidung getroffen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Am Ende kommt es wieder zu einer solchen Diskus-

ion wie bei der Antidiskriminierungsrichtlinie. Sie
urde 1996 ähnlich wie die Feinstaub-Richtlinie von
999 von niemandem zur Kenntnis genommen. Als sie
ann aber umgesetzt wurde, gab es Riesenärger. Dieses
arlament muss der Regierung vorher sagen, was seines
rachtens richtig ist. Ich gebe allerdings auch zu – Herr
ollege Fischer, Sie haben völlig Recht –: Das bedeutet
atürlich auch eine gewaltige Arbeit, weil von den
00 Richtlinien mindestens 600 im Laufe der nächsten
ahre auf dem Tisch liegen werden. Aber es hilft nichts;
enn dazu sind wir und Sie in besonderer Weise da.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich den „Spiegel“ zitieren, der letzte
oche geschrieben hat: „Das Pathos hat ausgedient.“

ch bin heute ein bisschen daran erinnert worden. Statt
uropapolitischer Sonntagsreden erwartet der Bürger bei
er Ausarbeitung von Gesetzen in Brüssel eine innen-
olitische Diskussion. Darum geht es. Deswegen, so
laube ich, ist das Begleitgesetz, das wir vorgelegt ha-
en, richtig. Ich halte es für eine absolute Notwendig-
eit. Ich weiß, dass Sie, Herr Bundeskanzler, anderer
einung sind. Wir haben oft darüber geredet. Ich halte
s für notwendig. Wenn wir die Möglichkeit haben, wird
ieser Entwurf Gesetz. Im Moment haben wir nicht die
öglichkeit, dass er Gesetz wird. Ich wundere mich,






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


dass die SPD-Fraktion sich da so einbinden lässt. Ich
halte es für notwendig, dass die Bundesregierung Stel-
lungnahmen des Bundestages grundsätzlich für verbind-
lich erachtet.


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Das ist unser Gesetzentwurf! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das haben wir verfasst!)


Das wäre genau das Recht, das sich der Bundesrat be-
reits erarbeitet hat. Dort müssen diese Dinge auch be-
rücksichtigt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben uns angenähert. Aber ich sage Ihnen auch,
dass dieser wichtige Fortschritt,


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Er hat keine Ahnung von Parlamentarismus!)


dass die Bundesregierung das Parlament unterrichten
muss, wenn sie von der Stellungnahme des Parlamentes
abweicht, nicht in einer Entschließung abschließend ge-
regelt sein kann. Dazu braucht es eine gesetzlich ver-
bindliche Regelung, wie das auch beim Bundesrat der
Fall ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bedauere es außerordentlich, dass Sie nicht so weit
gehen wollen wie die CDU/CSU-Fraktion mit ihrem Ge-
setzesvorschlag.

Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Herr Müntefering
hat Herrn Hintze zitiert, der wiederum andere zitiert hat.
Ich glaube, Herr Müntefering, wir müssen über die Frage
der Integrationsfähigkeit der Europäischen Union,
wenn wir sie als eine politische Union mit weit reichen-
den außenpolitischen und innenpolitischen Kompeten-
zen haben wollen, intensiv nachdenken, insbesondere
darüber,


(Jörg Tauss [SPD]: Aber ehrlich!)

ob die Integrationsfähigkeit der Europäischen Union ge-
genwärtig durch die Aufnahme von acht osteuropäischen
Ländern, die ich durchaus begrüße, weil das die Wieder-
vereinigung Europas ist, gewährleistet ist. Es ist eine viel
größere Schwierigkeit, diese Länder zu integrieren als
vielleicht Schweden, Finnland oder Österreich. Da be-
durfte es keiner Anpassungskriterien.


(Widerspruch bei der SPD)

Ich will die heutige Situation in aller Kürze anspre-

chen. Es hat lange gedauert, bis man die einheitliche
Meinung hatte, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die
ein Wesensmerkmal der Europäischen Union ist, aus-
nahmsweise für eine Übergangszeit gegenüber den acht
osteuropäischen Ländern eingeschränkt werden muss.


(Jörg Tauss [SPD]: Sie wollten noch mehr!)

– Ja, ich wollte noch mehr. Ich wollte so viel wie die
Österreicher. Die Österreicher haben eine wirklich gute
Regelung erreicht. Ich muss Sie fragen: Warum haben
Sie das nicht erreicht?

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(C (D ie Dienstleistungsfreiheit ist auch ein wesentliches ut. Die Dienstleistungsfreiheit hätte genauso für eine bergangszeit eingeschränkt werden müssen, weil diese änder einfach andere Strukturen haben. Wenn Polen och nicht einmal 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts er Europäischen Union erwirtschaftet, die Slowakei 0 Prozent und Ungarn beim Beitritt noch nicht einmal 0 Prozent, dann kann man einen bedingungslosen Wettewerb der Arbeitnehmer nicht zulassen. ie lassen das aber über die Dienstleistungsfreiheit zu. ie gehört viel mehr eingeschränkt, genauso wie das die sterreicher vorgemacht haben. Lassen Sie mich ein Letztes zur Frage der Konsolidie ung sagen. Sie kennen unsere unterschiedlichen Meiungen hinsichtlich der Türkei. Ich will das jetzt nicht och einmal aufbereiten. Wir werden, wenn wir eine eue Regierung haben, alles im Rahmen der legalen öglichkeiten tun, dass der Beitritt zur Vollmitgliedchaft niemals stattfinden wird. ch sage das ganz deutlich. Herr Bundeskanzler, Sie hören nicht auf die Opposi ion und Sie hören nicht auf die überwältigende Mehreit der Bürgerinnen und Bürger, die einen Beitritt der ürkei als Vollmitglied nicht wollen. Sie sollten dann enigstens auf Ihren Vorvorgänger hören. Ich will elmut Schmidt zitieren: Die EU würde sich mit einer Aufnahme der Türkei und weiterer Staaten ökonomisch und finanziell übernehmen … r fährt fort: Monnet und Schuman, Adenauer und de Gasperi, Churchill und de Gaulle waren Staatsmänner von ungewöhnlichem Weitblick – keiner von ihnen hat die europäische Integration bis über die kulturellen Grenzen Europas ausdehnen wollen. aran sollten wir uns halten, meine sehr verehrten Daen und Herren. ir sollten diese großen Europäer nicht nur zitieren, enn es uns passt, sondern wir sollten sie auch dann itieren, wenn es uns nicht passt. Deswegen sage ich Ihnen ganz deutlich: Wir sind da an interessiert, dass die Europäische Union bürgernäher ird, dass sie von den Menschen stärker angenommen ird und der Abwärtstrend bei der Akzeptanz der Euroäischen Union in der deutschen Bevölkerung nachlässt. azu beizutragen ist mit unsere Aufgabe. Ich sage ganz deutlich: Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber Erstens. Es gehört zu unserem Beitrag, leidenschaft liche Debatten in diesem Hohen Hause zu führen, bevor auf europäischer Ebene darüber entschieden wird. Damit können wir zu einem Abbau des Demokratiedefizits beitragen und die Situation etwas verbessern. Zweitens. Wir brauchen eine Phase der Konsolidierung. (Dietmar Nietan [SPD]: Die brauchen Sie persönlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Widerspruch bei der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Deswegen meine ich, man sollte hinsichtlich Serbien
und Montenegro relativ zurückhaltend sein. Herr Bun-
deskanzler, Sie machen den Menschen nur Angst, wenn
gesagt wird, ein Beitritt sei morgen oder übermorgen
möglich.

Drittens. Nicht jedes Problem in Europa muss von
Europa gelöst werden. Ansonsten führt das zu der Rege-
lungssucht, die Europa gegenwärtig hat.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine merkwürdige Haltung!)


Ich bin der festen Überzeugung, dass der Regelungs-
sucht mit diesem Verfassungsvertrag etwas Einhalt ge-
boten werden kann.

Deswegen glaube ich, dass wir heute eine Riesen-
chance haben, Europa ein Stück nach vorne zu bringen.
Ich werbe für die Zustimmung.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517501400

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege

Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Stoiber, ich gebe Ihnen in einigen Punkten

durchaus Recht.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: So weit ist es schon gekommen!)

Aber bei der Diskussion über die Dienstleistungsrichtli-
nie haben Sie einfach vergessen zu erwähnen, dass es
diese Bundesregierung war, die den Prozess in Brüssel
gestoppt hat, die verhindert hat, dass die Dienstleistungs-
richtlinie jetzt in Deutschland so wirksam wird, wie es
ursprünglich vorgesehen war.

Herr Stoiber, ich gebe Ihnen auch Recht, dass das
deutsche Parlament intensiv beteiligt werden muss, und
zwar nicht erst dann, wenn der Europäische Rat bereits
Rahmenbeschlüsse oder andere Beschlüsse gefasst hat.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

– Auch wenn Sie jetzt „Hört! Hört!“ rufen, müssen wir
uns hier allerdings alle, auch ich mich, selbstkritisch fra-
gen: Warum haben wir die Möglichkeiten, die es in die-
sem Bereich gibt, bisher nicht ausreichend genutzt?
Wieso ist es zu Situationen gekommen wie der, die zur

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(C (D erhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über en EU-Haftbefehl geführt hat? Herr Stoiber, Sie haben auch Recht, wenn Sie sagen, ass wir die Diskussion in der Bevölkerung aufnehmen üssen. Wenn es schon keine Volksabstimmung über die U-Verfassung gibt, müssen wir doch zumindest die Arumente, die Bedenken, die Kritik und die Probleme, die n der Bevölkerung geäußert werden, hier im Deutschen undestag diskutieren. Das kann sich aber nicht in der iskussion über die Fragen erschöpfen, die Sie angeprochen haben: wer wie lange in welchen europäischen remien anwesend war oder wer wie über Regelungen eim Einfall von Sonnenlicht in bayerische Biergärten ntschieden hat. Wir müssen die tatsächliche, die fundaentale Kritik, die es in Deutschland genauso wie in rankreich gibt und die außerhalb dieses Parlaments an ns herangetragen wird, aufnehmen und uns intensiv arüber Gedanken machen. Wir müssen uns fragen: Was ist an dem Vorwurf dran, ass die europäische Verfassung eine Pflicht zur Aufrüsung auferlegt? Was ist an dem Vorwurf dran, dass die uropäische Verfassung die Möglichkeit schafft, internaionale Militärinterventionen und -missionen auch ohne NO-Mandat durchzuführen? Herr Kollege Ströbele, denken Sie bitte daran, dass ich eine Kurzintervention von einer Regierungserkläung auch durch die deutlich kürzere Redezeit untercheidet. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517501500


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Präsident, ein letzter Punkt: Was ist an dem Vor-
urf dran, dass die europäische Verfassung eine neolibe-
ale Verfassung sein soll,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: „Verfassen“ Sie sich kurz!)


ie die sozialen Rechte, die soziale Bindung des Eigen-
ums und den Sozialstaat nicht ausreichend berücksich-
igt und in den Grundrechten verankert hat? Damit soll-
en wir uns auch hier auseinander setzen, sonst klinken
ir uns aus der Diskussion in Frankreich und Deutsch-
and aus. Dann hätten wir dieses Thema auch in der heu-
igen Debatte nicht ernst genug behandelt.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517501600

Zur Erwiderung Herr Ministerpräsident Stoiber.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517501700

Herr Abgeordneter Ströbele, ich gehe davon aus – um

hre letzte Frage zu beantworten –, dass Sie den Verfas-
ungsvertrag, dem Sie heute hoffentlich zustimmen wer-
en, sehr sorgfältig gelesen haben. Wenn das der Fall ist,
ann beantwortet sich Ihre Frage: Europa wird nicht
eoliberal; vielmehr wird Europa ein starkes Sozial-
odell darstellen.






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


Dass die Verfassung eine Pflicht zur Aufrüstung auf-

erlegt, ist absoluter Unsinn. Dazu werden Sie weder in
dem Verfassungsvertrag noch in einer politischen Erklä-
rung irgendeiner Regierung etwas finden. Insofern ist,
glaube ich, die Frage sehr leicht zu beantworten.

Ihre erste Frage hinsichtlich der Dienstleistungen
zeigt – mit Verlaub, nehmen Sie es mir nicht übel –, dass
das alles sehr kompliziert ist. Sie verwechseln die
Dienstleistungsrichtlinie mit der Dienstleistungsfreiheit.
Zwischen beidem besteht ein sehr großer Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe nicht die Dienstleistungsrichtlinie, sondern die
Dienstleistungsfreiheit angesprochen. Dazu darf ich aber
auch Ihnen gegenüber auf Folgendes hinweisen, Herr
Abgeordneter Ströbele: Die Bundesregierung wollte
– anders als bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit – die
Dienstleistungsfreiheit in keiner Weise einschränken.
Dass die Dienstleistungsfreiheit mit entsprechenden
Auswirkungen für Deutschland in insgesamt drei Berei-
chen – darunter das Baugewerbe und der Gartenbau –
eingeschränkt worden ist, verdanken wir allein der Inter-
vention des österreichischen Bundeskanzlers beim ent-
scheidenden Gipfeltreffen. Ich bin froh, dass wir wenigs-
tens das erreicht haben.

Ich hätte erwartet, dass die Bundesregierung – wenn
sie schon die Arbeitnehmerfreizügigkeit wegen der be-
stehenden Anpassungsschwierigkeiten richtigerweise
einschränkt – dafür eintritt, gleichermaßen die Dienst-
leistungsfreiheit einzuschränken. Dann wären manche
Probleme mit Scheinselbstständigkeit und anderen For-
men von Missbrauch in unserem Lande nicht aufgetre-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


Deswegen meine ich, dass man diesen Vorwurf aufrecht-
erhalten sollte: In den weiteren Verhandlungen muss
besser verhandelt werden. Gegenüber den Österreichern,
die sich sowieso als die besseren Deutschen empfinden,
sollten wir ein bisschen Nachsicht üben und vielleicht
auch das übernehmen, was sie besser machen als wir.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517501800

Das Wort hat nun der Kollege Michael Roth, SPD-

Fraktion.

Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1517501900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

bitte um Nachsicht, aber ich möchte schnell wieder von
den Sonnenschirmen und bayerischen Biergärten weg-
kommen und stattdessen das Thema behandeln, das uns
heute Morgen vereinigt.


(Beifall bei der SPD)

Vielleicht sollten wir öfter einmal über die historische

Dimension Europas sprechen; einige haben das offen-

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(C (D ichtlich noch nicht richtig verstanden. Sie haben natürich Recht, Herr Ministerpräsident Stoiber: Man muss er Wirklichkeit ins Auge blicken. Auf der einen Seite reuen wir uns heute über die europäische Verfassung, ie uns mit Dankbarkeit erfüllt; auf der anderen Seite üssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die ngst in Europa und vor allem in Deutschland umgeht. nsere Antwort kann aber nicht darin bestehen, dass wir en Kleinkrämern, den Kleinmütigen und den Ängstlihen Europa überlassen; wir müssen uns vielmehr an die pitze derjenigen stellen, die aufzuklären versuchen und ie etwas Positives mit Europa verbinden. Denn gerade ür uns in Deutschland ist das vereinigte Europa alternaivlos. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für Aufkläung zu sorgen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Heute ist – wie ich meine, zu Recht – viel über die
eschichtlichen Wurzeln der wunderbaren Idee Europa
esprochen worden. Es sind diejenigen genannt worden,
ie der Generation meiner Großeltern oder Eltern ange-
ören. Ich habe in den vergangenen Wochen viele Schu-
en besucht und kann feststellen, dass dieses Gefühl der
ankbarkeit auch in meiner Generation und bei den
och Jüngeren vorhanden ist. Sie wissen, dass dieses
uropa auf einem Trümmerberg, einem Berg von Millio-
en Leichen, errichtet wurde und dass wir in Deutsch-
and dafür dankbar sein können, dass dieser Akt der Ver-
öhnung sechs Jahrzehnte lang gelungen ist. Das ist eine
rfolgsgeschichte, auf die wir zu Recht stolz sein kön-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Altbundespräsident Johannes Rau hat in den vergan-

enen Tagen gefragt: Haben wir in Deutschland verlernt
u staunen? Haben wir verlernt, darüber zu staunen, dass
ns dies gelungen ist, dass Frieden und Freiheit herr-
chen, wozu die Europäische Union maßgeblich bei-
etragen hat? Ich glaube nicht, dass die europäische In-
egration alleine eine Frage der Staatsräson ist. Sie
ehört aus meiner Sicht zu unserer nationalen Identität.
eutsche wissen, dass wir gute Europäerinnen und
uropäer zu sein haben. Gerade meine Generation weiß
as; denn wir haben gelernt, dass Europa grenzenlos ist,
ass man in Europa studieren und sich ausbilden lassen
ann und dass man Partnerschaften und Freundschaften
ber nationale Grenzen hinweg pflegen kann.
Natürlich sind manche Sorgen und Ängste der Bürger

erechtigt. Gelegentlich taucht der Vorwurf auf, die Vor-
errschaft des Neoliberalismus sei auf der Tagesordnung
n Europa ganz oben. Aus meiner Sicht brauchen wir in
uropa ein neues Leitbild; denn alleine die Friedens-
acht Europa hilft uns nicht dabei, das Vertrauen der
ürgerinnen und Bürger zu steigern. Deswegen müssen
ir den Menschen die Angst nehmen und deutlich ma-
hen, dass wir in Europa das Sozialmodell verteidigen
nd zukunftsfest machen, dass wir soziale und ökologi-
che Standards sichern und dass wir die Menschen
chützen. Dieses Europa kann dafür sorgen, dass die
lobalisierung sozial, menschlich und fair gelingt. Das
chaffen wir allein auf nationalstaatlicher Ebene nicht.






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)


Deswegen müssen wir für ein starkes und solidarisches
Europa streiten. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe.
Die europäische Verfassung schafft dafür eine Grund-
lage.


(Beifall bei der SPD)

Ich bitte ebenso um Fairness bei der Beurteilung der

europäischen Verfassung. Das Wesen Europas ist der
Kompromiss. 25 Mitgliedstaaten haben diesen Kom-
promiss in einem Konvent zustande gebracht. Ich will
nur daran erinnern: Bislang ist es uns in der Bundesrepu-
blik Deutschland nicht gelungen, den Föderalismus, die
bundesstaatliche Ordnung, zu reformieren. Umso dank-
barer und respektvoller sollten wir denjenigen gegenüber
sein, die das zumindest auf der europäischen Ebene ge-
schafft haben. Parlamentarierinnen und Parlamentarier
aus 25, 28 Mitgliedstaaten haben sich zusammengesetzt
und ihnen ist ein großer Wurf gelungen, der auf keinem
einzigen Politikfeld einen Rückschritt, sondern aus-
schließlich Fortschritte darstellt. Dies sollten wir den
Bürgerinnen und Bürgern verständlich machen.


(Beifall bei der SPD)

Ich danke deshalb all denjenigen, die dazu beigetra-

gen haben. Sie mögen es nachvollziehen können: Für
uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist dies
eine besondere Geschichte, die 1923 mit dem Heidelber-
ger Grundsatzprogramm begonnen hat. Schon damals ist
vom Traum der Vereinigten Staaten von Europa ge-
schrieben und gesprochen worden. Deswegen werden
wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns im-
mer als Sachwalter derjenigen verstehen, die Europa
nach vorne bringen wollen.

Ich will auf den wesentlichen Punkt eingehen, der uns
dazu veranlasst hat, auf das Ergebnis stolz zu sein: Die
europäische Verfassung orientiert sich nicht allein am
Wünschenswerten, sondern vor allem am Machbaren in
der Europäischen Union. Die Grundrechte-Charta be-
inhaltet mehr soziale Grundrechte als unser deutsches
Grundgesetz. Das macht deutlich, dass Solidarität in
Europa keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass
alle EU-Institutionen dazu verpflichtet sind, der sozialen
Gerechtigkeit und der Solidarität zu dienen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die europäischen Parlamente, nicht allein das Euro-

päische Parlament, sondern auch unsere nationalen Par-
lamente, sind gestärkt worden. Wir haben etwas auf den
Weg gebracht, wozu wir Sie, Herr Ministerpräsident
Stoiber, wahrlich nicht brauchten. Das Begleitgesetz, das
die Stärkung des Deutschen Bundestages in Europaange-
legenheiten vorsieht, ist in der Mitte des Deutschen Bun-
destages gestaltet worden, und zwar von Bundestagsab-
geordneten aller Fraktionen.

Wenn Sie schon versuchen, eine Lanze für den Parla-
mentarismus zu brechen, dann sollten Sie einmal da-
rüber nachdenken, ob nicht auch die Landtage gestärkt
werden müssten. Ihnen geht es im Hinblick auf den Fö-
deralismus doch nur darum, dass die Ministerpräsiden-
ten nicht nur im Bundesrat sitzen, sondern am besten am
großen europäischen Tisch, um dort mitentscheiden und

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(C (D itgestalten zu können. Wo sollen denn da unsere Kolleinnen und Kollegen in den Landesparlamenten bleiben? Ich will aber auch deutlich sagen: Wir sollten mit die er unsäglichen Jammerei endlich aufhören. Man muss icht bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um ich erklären zu lassen, dass es im Bereich „Justiz und nneres“ als dritter Säule der Europäischen Union kein ertragsverletzungsverfahren gibt. Das kann man sich chon von den Europapolitikerinnen und Europapolitiern aller Fraktionen hervorragend erklären lassen. ass wir hier nicht nur uns selber blamieren, sondern uch dieses Parlament, ist ein Armutszeugnis. Unser arlament, der Bundestag, sollte uns so viel wert sein, ass wir hier keine Legenden stricken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Das stimmt!)


Einige selbst ernannte Europapolitiker haben in den
ergangenen Wochen gesagt, hier würden parlamentari-
che Debatten abgewürgt und der Verfassungsentwurf
erde einfach so durchgewinkt. Hier wird überhaupt
ichts durchgewinkt. Über dieses Projekt wird seit drei
ahren gestritten und wir haben Übereinstimmung in ho-
em Maße erzielt. Wir haben Arbeitsgruppen eingerich-
et. Wir haben im Plenum des Bundestags mehrfach pro
ahr gestritten, wir haben Meinungen und Erfahrungen
usgetauscht. Wir haben mit unseren Konventsdelegier-
en, Jürgen Meyer und Peter Altmaier, und vielen ande-
en zusammengesessen. Das, was unsere Konventsdele-
ierten erarbeitet haben, ist auch unser Erfolg. Darauf
önnen wir stolz sein. Wir sollten das nicht kleinreden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will mich bei allen Fraktionen bedanken, bei Frau
eutheusser-Schnarrenberger, bei Herrn Hintze, bei
errn Altmaier, bei Rainder Steenblock, bei Günter
loser und bei Angelica Schwall-Düren. Wir haben ge-
einsam dafür gesorgt, dass dieses Parlament stärker
ird. Diese neue Härte ist aber kein Blockadeinstru-
ent, sondern verpflichtet uns, die Europagesetzgebung
rühzeitiger und umfassender zu begleiten und mit dem
eschrei nicht erst dann anzufangen, wenn es zu spät ist.
ir dürfen die Verantwortung nicht nur bei der Bundes-

egierung abladen, sondern wir müssen unserer eigenen
erantwortung gerecht werden. Das nimmt uns keiner
b.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch etwas zum Bundesverfassungsgericht
agen – alle blicken etwas nervös in diese Richtung –: Der
nerkannte Staatsrechtler Bogdandy hat einen bemer-
enswerten Aufsatz geschrieben, in dem er eine Lanze für
ie Macht der Parlamente in Europa bricht. Er stellt die
rage, ob der Deutsche Bundestag durch die zu engen
orgaben des Bundesverfassungsgerichts in den vergan-
enen Jahren nicht stärker als durch manche europäische






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)


Gesetzgebung beschnitten wurde. Wir sollten auch diese
Frage in den Mittelpunkt rücken und die Bösen nicht im-
mer nur in Brüssel vermuten. Auch die innerstaatliche
Perspektive ist wichtig: Wo bleibt der Bundestag und
welche Vorgaben – zum Teil bis ins Detail – macht uns
beispielsweise das Bundesverfassungsgericht?

Herr Stoiber, Sie haben in den vergangenen Wochen
eine Verschnaufpause für Europa gefordert; das sei jetzt
alles zu viel; wir hätten in den vergangenen Jahren viel
zu viele heiße Eisen angepackt. Ich gebe Ihnen in einem
Punkt Recht: Das, was wir seit der Wiedervereinigung
Europas und Deutschlands auf den Weg gebracht haben,
ist eine ganze Menge.

Aber ist es nicht faszinierend, was sich auf unserem
Kontinent tut? Da wird für Demokratie, für Rechtsstaat-
lichkeit, für mehr Wohlstand und für mehr Sicherheit ge-
kämpft. Das erstreiten sich Staaten, die noch vor weni-
gen Jahren diktatorisch regiert wurden. Wollen wir
denen wirklich sagen: „Wir haben keine Zeit für euch;
wir müssen uns um unsere eigenen Probleme küm-
mern!“ und die Hände in den Schoß legen? Unsere
Hauptaufgabe muss doch sein, denjenigen in Europa zu
helfen, die zu diesem Kontinent der Freiheit, der De-
mokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Sicherheit ge-
hören wollen. Dabei müssen wir uns anstrengen. Wir
müssen die Ärmel hochkrempeln, anstatt uns mit uns
selbst zu beschäftigen. Alles andere wäre verantwor-
tungslos.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ist es nicht wunderbar, dass diese Europäische Union,
über die wir gar nicht mehr mit Freude und Dankbarkeit
zu reden in der Lage sind, von außen so fasziniert be-
trachtet wird? Da sind Menschen, die sich nach dem seh-
nen, was wir in Jahrzehnten mühsam haben erstreiten
müssen. Sie wollen dazugehören. Sie haben auch einen
Anspruch darauf, finde ich, dass wir ihnen dabei helfen
und dass wir ihnen Perspektiven aufzeigen.

Herr Stoiber, Sie haben des Weiteren gesagt, die Bun-
desregierung müsse im Hinblick auf ein mögliches,
wenn auch hoffentlich nicht eintretendes Scheitern der
europäischen Verfassung endlich einen Plan B vorlegen.
Ich erwarte von der Bundesregierung und von allen Bun-
destagsabgeordneten, dass sie sich überall dort in
Europa, wo ein Referendum zu scheitern droht, an die
Spitze der Bewegung stellen und helfen; denn es geht
nicht nur darum, ob die Franzosen oder die Deutschen
scheitern; es geht um uns Europäerinnen und Europäer.
Angesichts dessen sollten wir uns anstrengen, jetzt nicht
fordern, dass ein Plan B oder mehrere solcher Pläne mit
irgendwelchen Krisenszenarien vorgelegt werden, son-
dern helfen, dass diese europäische Verfassung Wirk-
lichkeit wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Noch etwas zum Föderalismus, weil der Föderalis-
mus nicht nur eine faszinierende Idee für Deutschland,
sondern auch für das Europa ist, wie wir es uns wün-
schen, wie zumindest ich es mir wünsche. Sie haben mit

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(C (D inigen, aus meiner Sicht übertriebenen Forderungen azu beigetragen – das sage ich in Richtung mancher inisterpräsidenten –, dass die Grundlagen des Föderasmus in Deutschland einen dramatischen Vertrauenserlust erlitten haben. Sägen Sie bitte nicht an dem Ast, uf dem Sie selber sitzen! Natürlich bin auch ich darüber enttäuscht, dass in eutschland eine öffentliche Debatte über dieses große rojekt kaum stattgefunden hat. Sind aber wirklich nur ie vermeintlich unwilligen Politikerinnen und Politiker aran schuld? Tragen dafür nicht auch die Medien Verntwortung, die in der Regel überhaupt nicht bzw. wenig erichtet haben? Meine persönliche Auffassung dazu ist: ei all den Risiken, die damit verbunden sind – ein eferendum hätte uns zumindest dazu gezwungen, eine ebatte zu führen. Auch nach diesem Tag sollten wir diese Debatte nicht en Nationalisten, den hinlänglich bekannten Europaegnern und Globalisierungsgegnern überlassen, die mit alschen Argumenten die Ängste der Menschen schüren. ch habe manchmal das Gefühl, dass es auch hier Menchen gibt, die diese Ängste schüren, die den Vorwurf es Populismus zwar immer sehr weit von sich weisen, ber die sich doch in Populismus ergehen. Das finde ich chade. Da sollte man dann schon ehrlich sein. Wenn diese EU-Verfassung scheitert, sind viele in rankreich oder auch in Deutschland darüber traurig. ie ersten Champagnerflaschen werden, glaube ich, geffnet bei Monsieur Le Pen, bei den Rechtsextremisten, ei denjenigen in Großbritannien, die von diesem Prokt noch nie viel gehalten haben. Vielleicht wird sich uch der eine oder andere in den Vereinigten Staaten von merika die Hände reiben und sagen: Die kommen mit rer Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik doch icht so weit, wie sie es immer wieder eingefordert haen. Deswegen: Bescheidenheit ist angesagt. Die europäi che Verfassung ist keine Eier legende Wollmilchsau, die uch noch auf alle drängenden Fragen eine ausreichende ntwort hat. Sie gibt uns hier im Deutschen Bundestag ber Gelegenheit, diese Antworten zu finden. Wer für in demokratischeres und solidarischeres Europa eintritt, er muss heute für diese Verfassung stimmen und sich in en nächsten Wochen in die Gruppe derjenigen einreien, die auch in den anderen Mitgliedstaaten dazu beiagen, dass dieses großartige Verfassungsprojekt gengt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502000

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
erd Müller, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach, der Chefpopulist!)







(A) )



(B) )



Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1517502100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe

dem Kollegen Roth Recht. Ich habe die Rede von Herrn
Bundeskanzler Schröder nachgelesen – ich habe sie mir
angehört und konnte es kaum glauben – und muss ange-
sichts des Gegenstands der heutigen Debatte – wir debat-
tieren über die Verabschiedung der europäischen Verfas-
sung – sagen, dass ich eine solch inhaltslose und
perspektivlose Rede vom deutschen Bundeskanzler ei-
gentlich nicht erwartet hätte.


(Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich hätte mir wirklich ge-

wünscht, dass wir alle diese europapolitische Debatte zu
einer großen Stunde des deutschen Parlamentarismus
machen. Sie aber, Herr Müntefering, haben eben die
Fliesenleger in die Debatte eingeführt.


(Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Frau Merkel war das!)


Es geht bei der europäischen Verfassung schließlich um
ein Projekt, das in der Perspektive der nächsten zehn
Jahre das deutsche Grundgesetz ablösen wird.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe in der Kurzintervention die Möglichkeit, auf
ein paar Punkte einzugehen. Einer der Hauptpunkte ist
– der Außenminister nimmt an der Debatte überhaupt
nicht mehr teil –, dass dieser Verfassungsvertrag aus
deutscher Sicht ausgesprochen schlecht verhandelt
wurde. Wir übertragen substanzielle Rechte in 20 weite-
ren Politikbereichen auf Brüssel und höhlen die Rechte
des Deutschen Bundestages ein Stück weit aus.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben wohl keine Redezeit bekommen, oder was?)


Dies kommt deshalb einer Entparlamentarisierung
gleich, weil nicht das Europäische Parlament diese
Rechte erhält,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist keine Kurzintervention!)


sondern wir die Rechtsetzung auf die Bürokratie und die
Exekutive übertragen und den Parlamenten nicht einmal
ein Gesetzesinitiativrecht geben. Wenn es um europäi-
sche Rechtsetzung geht, können in Brüssel Gesetze nicht
aus dem Parlament heraus entwickelt werden. Das ist ein
großes Manko.

Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag
und die Landtage geben substanzielle Rechte auf. Des-
halb haben CDU und CSU das Mitwirkungsgesetz zur
Stärkung der Rolle des Deutschen Bundestages einge-
bracht. Mit diesem Mitwirkungsgesetz hätten wir euro-
päische Rechtsetzung wieder in die Parlamente zurück-
geholt und Gesetze hier legitimiert. Durch einen
Parlamentsvorbehalt, durch Debatten und Entscheidun-
gen des Deutschen Bundestages hätten wir dazu beige-
tragen, dass mehr Legitimation geschaffen und wieder
eine Brücke zum Bürger gebaut wird. Wenn Sie, meine

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(C (D amen und Herren, so feixen, wie es Herr Müntefering n seiner Rede getan hat, (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nun reicht es!)


ann können Sie doch nicht im Ernst glauben – das ist
ehr bedauerlich für das Projekt Europa –, dass Sie die
ürgerinnen und Bürger mitnehmen. Ich glaube das
icht. Ich bedauere es sehr, dass wir ebenso wie auf ein
eferendum auch auf eine breit angelegte Debatte ver-
ichtet haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502200

Herr Kollege Müller, Sie müssen bitte zum Schluss

ommen.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1517502300

Ich komme zum Schluss. – Es hätte uns gut getan,
enn wir in den Fraktionen und im Deutschen Bundes-
ag versucht hätten, einen breiten und offenen Dialog mit
er Bevölkerung aufzunehmen und zu führen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da müssen Sie wirklich was verpasst haben! Das ist Ihre Schuld!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502400

Ich erteile das Wort der Kollegin Sabine Leutheusser-

chnarrenberger für die FDP-Fraktion.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1517502500

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Ich bin ja begeistert und überrascht davon, wie sich
etzt, wo es zu spät ist, immer mehr Kolleginnen und
ollegen für ein Referendum über die europäische Ver-
assung aussprechen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter Dreßen [SPD])


ie hatten hier mehrere Gelegenheiten, über einen Ge-
etzentwurf abzustimmen, mit dem das ermöglicht wor-
en wäre.


(Zuruf von der SPD: Nein, ihr!)

ie haben mit ganz wenigen Ausnahmen – Herr Müller,
ch nehme Sie aus – das abgelehnt, und zwar unisono.
enn Sie sich heute hier hinstellen und sagen, Sie woll-

en ein Volksreferendum, dann ist das einfach unehrlich
nd heuchlerisch.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und den Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] und Petra Pau [fraktionslos])


Ich finde es auch bemerkenswert, dass über die feh-
ende parlamentarische Beratung geklagt wird. Neunmal
aben wir hier im Plenum des Bundestages über die
uropäische Verfassung diskutiert.






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben im Europaausschuss zweieinhalb Jahre lang
intensiv den gesamten Prozess gestaltend begleitet. Das
heißt, es gab viele Möglichkeiten und Gelegenheiten,
sich einzubringen. Wir haben noch nie bei einem Prozess
der Beratung und der Weiterentwicklung der europäi-
schen Verträge so wie bei diesem die Parlamentarierin-
nen und Parlamentarier einbezogen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Von daher ist es vordergründig und falsch, wenn Sie dem
entgegenstehende, falsche Botschaften von dieser De-
batte des Deutschen Bundestages aussenden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es muss auch ehrlicherweise gesagt werden, dass der
Bundestag selbst – das sollten wir sehr selbstkritisch sa-
gen – die bestehenden Rechte, auch die sich aus unserem
Grundgesetz ergebenden Rechte nach Art. 23, viel zu
wenig genutzt hat


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

und viele leider gar nicht wissen, dass es sie gibt. Das
finde ich erschütternd. Wenn hier beklagt wird, dass man
sich nicht im Rahmen eines europäischen Gesetzge-
bungsverfahrens einbringen könne, zeigt das, dass noch
nicht einmal Kenntnis über das Grundgesetz vorhanden
ist. Dann kann ich natürlich auch nicht erwarten, dass
Kenntnis über Grundzüge des europäischen Verfas-
sungsvertrages vorhanden ist, den wir den Bürgerinnen
und Bürgern zu erklären haben. Da kann ich nur froh
sein, wenn diejenigen, die sich hier mit solchem Nicht-
wissen äußern, nicht die sind, die ihn den Bürgerinnen
und Bürgern erklären. Überlassen Sie das uns, die mit
Herzblut hinter dieser Verfassung stehen, weil es keine
Alternative dazu gibt!


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn was wäre die Alternative? Die Alternative wäre,
dass wir uns wieder auf Binnenmarkt und Wettbewerb
reduzieren. Binnenmarkt und Wettbewerb sind wichtig;
aber das ist doch längst nicht alles. Wenn wir die Grund-
rechte-Charta nicht bekommen, nehmen wir den Bürge-
rinnen und Bürgern etwas, was ihre Rechte stärken
würde. Außerdem würde das dazu führen, dass wir im
Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungs-
politik kein stärkeres, handlungsfähiges Europa bekom-
men, das wir aber dringend brauchen; denn es muss ein
Gleichgewicht hergestellt werden. Es gibt die Vereinig-
ten Staaten von Amerika als eine handlungsfähige
Macht, als eine Weltmacht. Da muss doch Europa stark
werden – nicht gegen Amerika; aber Europa muss seine
eigenen Aufgaben bei sich selbst und in seiner Nachbar-
schaft wahrnehmen können,

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


atürlich immer vor dem Hintergrund der internationa-
en Einbettung, des Multilateralismus, den wir wollen,
nd auf der Grundlage der Charta der Vereinten Natio-
en.
Von daher warne ich davor, hier mit kurzen Schlag-
orten ein falsches Licht auf die Inhalte der europäi-
chen Verfassung zu werfen. Dort ist keine Pflicht zur
ufrüstung und Beteiligung an Kriegen enthalten. Im
egenteil, die Krisenprävention mit eigenen Möglich-
eiten soll endlich gestärkt und verbessert werden. Das
alte ich für überfällig und dringend notwendig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein letztes Wort, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
en. Ich möchte noch einmal betonen, dass es dank der
achhaltigkeit der FDP gelungen ist, ein Fraktionskla-
erecht zur Durchführung der Subsidiaritätskontrolle
inzuführen. Viele hier waren zu Beginn der Debatte
icht so sehr davon begeistert. Ich denke, es ist gut, dass
ir uns jetzt, am Ende der Beratungen, im Begleitgesetz
emeinsam darauf verständigt haben, dass eine Fraktion
ls Minderheit geltend machen kann, dass die Subsidia-
ität verletzt worden ist. Denn wie sieht die Realität aus?
ie sieht so aus, dass Koalitionsfraktionen im Zweifel
och wohl kaum klagen werden, wenn ihre Regierungs-
ertreter im Rat einem Vorhaben zugestimmt haben, das
ie Subsidiarität nach Auffassung einer Fraktion im
undestag verletzt. Deshalb ist es wichtig, dass es diese
öglichkeit gibt, von der natürlich verantwortungsbe-
usst und nicht aus euroskeptischen Gründen, sondern
m Sinne einer Stärkung der Rechte des Parlamentes Ge-
rauch gemacht werden soll.
Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502600

Das Wort hat nun der Kollege Rainder Steenblock,
ündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
iese Woche ist eine wahrhaft historische Woche, eine
ewegende Woche für Deutschland gewesen und der
eutige Tag ist ein guter Tag für Deutschland; denn die
erfassung für Europa, die wir heute mit großer Mehr-
eit verabschieden werden, ist ein Meilenstein auch für
nser Land. Ich bin sehr froh darüber, dass wir dem Ver-
assungsvertrag hier im Deutschen Bundestag mit so
berwältigender Mehrheit zustimmen. Es ist auch aus
nserer historischen Verantwortung ein hervorragendes
ignal, dass keine politische Kraft im Deutschen Bun-
estag, wie zum Teil in anderen Ländern, versucht hat,






(A) )



(B) )


Rainder Steenblock

das Thema des Verfassungsvertrages für innenpolitische
Zwecke zu instrumentalisieren. Das ist ein ausgespro-
chen positiver Vorgang, auf den wir alle stolz sein kön-
nen und für den ich mich bei allen Fraktionen bedanken
möchte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass die
Mehrheit, die sich heute im Bundestag darstellen wird,
keine Eins-zu-eins-Entsprechung in der deutschen Be-
völkerung hat. Ich glaube, dass wir alle aufgrund unserer
Verantwortung für die europäische Zukunft aufgerufen
sind, den Menschen in Deutschland sehr genau zu erklä-
ren, warum diese Verfassung für Europa alternativlos ist.
Ich möchte dazu gerne ein paar Stichworte nennen.

Diese Verfassung – das ist für mich einer der zentra-
len Kernpunkte – macht Europa demokratischer. Wer zu
dieser Verfassung Nein sagt, der sagt auch Nein zu ei-
nem demokratischer werdenden Europa, der sagt Nein
zu mehr Beteiligungsrechten des Europäischen Parla-
ments und zu mehr Transparenz. Wer zu dieser Verfas-
sung Nein sagt, der sagt auch Nein zu einem handlungs-
fähigeren Europa. Was wir aber brauchen und wollen, ist
ein Europa, das die Entscheidungen schnell und transpa-
rent treffen kann. Die Abstimmungsmechanismen, die
wir schaffen, machen dieses Europa handlungsfähiger.

Auch das muss deutlich werden: Wer Nein zu dieser
Verfassung sagt, der sagt auch Nein zum Beitritt der Eu-
ropäischen Union zur Europäischen Menschenrechts-
konvention. Wer Nein zu dieser Verfassung sagt, der sagt
auch Nein dazu, dass die Europäische Grundrechte-
Charta für alle Bürgerinnen und Bürger Europas rechts-
verbindlich wird, und der beraubt sich einer guten
Grundlage für die Wahrung und Durchsetzung der un-
veräußerlichen Menschenrechte und der individuellen
Bürgerrechte. Ich kann für meine Fraktion feststellen:
Wir sagen Ja zu Europa, weil wir, was den Schutz der
Grundrechte und der Menschenrechte angeht, diese Ver-
fassung für einen großen Fortschritt halten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang dankbar an den
Kollegen Wolfgang Ullmann erinnern, der als Mitglied
des Europäischen Parlaments für die Entwicklung der
Europäischen Grundrechte-Charta Hervorragendes ge-
leistet hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wer Nein zu dieser Verfassung sagt, sagt auch Nein
zu einem sozialeren Europa. Denn in dieser Verfassung
wird zum ersten Mal die Wirtschaft Europas als soziale
Marktwirtschaft und nicht als freie Marktwirtschaft de-
finiert. Auch das ist ein großer Fortschritt. In der Euro-
päischen Union werden jetzt sozialere Ziele angestrebt.
Wir sollten nicht dem plumpen Populismus einiger
Leute auf den Leim gehen, die uns einreden wollen, dass
mit dieser Verfassung Europa unsozialer und kälter wird.
Diese Verfassung bietet die Grundlage dafür, dass das
europäische Gesellschaftsmodell ein soziales Modell ist,
das sich fortentwickelt, blüht, wächst und gedeiht. Diese
Chance haben wir. Aber wir müssen sie wahrnehmen.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch die friedenspolitische Dimension ist in der öf-
entlichen Debatte häufiger angesprochen worden. Wer
ein zu dieser Verfassung sagt, der sagt auch Nein dazu,
ass zivile und militärische Fähigkeiten, die für die
onfliktlösung eingesetzt werden können, zum ersten
al in einer Verfassung nebeneinander gestellt werden.
er Nein dazu sagt, der will anscheinend nicht die zivi-

en Fähigkeiten zur Konfliktbewältigung einsetzen, die
ns diese Verfassung an die Hand gibt. Daher ist es
ichtig, dass wir zu dieser Verfassung Ja sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte noch ein zentrales Ziel dieser Verfassung
eutlich machen. In der Verfassung wird als Ziel formu-
iert:

Sie leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, glo-
baler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität … unter
den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur
Beseitigung der Armut und zum Schutz der Men-
schenrechte …

ch glaube, eine so progressive nationalstaatliche Verfas-
ung muss erst noch geschrieben werden. Deshalb sind
ir für diese Verfassung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da wir für diese Verfassung sind – das haben heute
lle Redner deutlich gemacht –, haben wir allerdings
uch die Verantwortung, das Bild von Europa, das in der
ffentlichkeit gezeichnet wird, mit Leben zu erfüllen.
uch das ist etwas, was mir in dieser Debatte gefehlt
at – auch in Ihrer Rede, lieber Herr Kollege Stoiber, ob-
ohl ich ansonsten vielen Teilen Ihrer Rede zustimme.
ch glaube, wir haben die Verantwortung, die Ängste in
er Bevölkerung aufzunehmen. Aber wir haben auch die
erantwortung, nicht zusätzlich Ängste zu schüren, son-
ern real und rational über die Herausforderung zu dis-
utieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ie Erweiterung der EU, die wir alle hier im letzten
ahr gefeiert haben und über die wir uns gefreut haben,
arf nicht als Instrument genutzt werden, um Ängste in
er Bevölkerung zu schüren.
Denn wir müssen uns immer klar machen: Was ist

enn die Alternative dazu? Was wäre denn, wenn Polen
eute nicht in der EU wäre, oder was wäre, wenn Bulga-
ien und Rumänien keine Beitrittsperspektive hätten?
as würde das ökonomisch bedeuten, wenn diese Län-
er nicht nach den Spielregeln der Europäischen Union
erfasst wären? Es mag sich jeder, der an Wettbewerbs-
leichheit interessiert ist, vorstellen, was es bedeuten
ürde, wenn wir an unseren Ostgrenzen Länder hätten,
ie nach völlig anderen ökonomischen, sozialen, ökolo-
ischen und demokratischen Spielregeln funktionieren
ürden. Wir haben sozial, demokratisch, aber auch






(A) )



(B) )


Rainder Steenblock

ökonomisch und natürlich ökologisch ein eigenes Inte-
resse daran, dass die Erweiterung der Europäischen
Union voranschreitet und die Spielregeln, die wir wol-
len, auch in diesen Ländern greifen. Deshalb sollte man
keine Ängste vor der Erweiterung schüren, sondern rea-
listische Mechanismen einbauen.

Das hat diese Bundesregierung in der Frage der
Dienstleistungsfreiheit getan. Deshalb ist Ihr Hinweis
auf die Dienstleistungsfreiheit völlig falsch, weil die
Bundesregierung hier ihrer Verantwortung nachgekom-
men ist und Übergangsregelungen eingeführt hat, die
sich vernünftig realisieren lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der zweite Teil dieser Diskussion umfasst die Debatte
um unsere nationale Verantwortung im Deutschen Bun-
destag. Dazu ist von meinen Vorrednerinnen und Vorred-
nern vieles gesagt worden. Der Hinweis ist richtig, dass
der Deutsche Bundestag durch die europäische Verfas-
sung und die Subsidiaritätsklage bzw. Subsidiaritäts-
rüge, wie sie vorgesehen ist, eine deutlich größere Ver-
antwortung bekommt. Wir können jetzt – ob zu Recht
oder nicht – nicht mehr mit dem Finger nach Brüssel zei-
gen und sagen: Was die da alles für einen Unsinn, für
komplizierte Regelungen, für überflüssigen Quatsch rea-
lisieren! Vielmehr sind wir selber in unserem nationalen
Parlament jetzt ein Stück weit mehr verantwortlich. Das
ist ein Riesenfortschritt; aber das ist auch eine riesige
Verantwortung, die wir damit tragen.

Ich glaube, dass wir dieser Verantwortung mit den
Strukturen, so wie wir sie bisher haben, nicht gerecht
werden können. Wir brauchen in diesem Hohen Hause
andere, zusätzliche Arbeitsstrukturen. In dem vorlie-
genden Entschließungsantrag ist auf eine Fragestunde zu
Themen europäischer Politik hingewiesen worden. Auch
die Arbeit in den Fachausschüssen muss sich sehr viel
stärker an dem, was in Brüssel tatsächlich zur Entschei-
dung ansteht, orientieren. Wir sollten nicht nur europäi-
sche Beschlüsse der Vergangenheit zur Kenntnis neh-
men, sondern selber in einem sehr viel umfangreicheren
Maße unsere Initiativrechte nutzen, um uns in die Ent-
scheidungsstrukturen auf der Brüsseler Ebene einzuklin-
ken, und nicht mit Debatten nachklappen, wie sie jetzt
zum Teil über die Verfassung geführt werden. Ich ver-
stehe überhaupt nicht, dass keiner gewusst haben will,
worum es eigentlich geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Über diese Verfassung ist so breit wie über kein anderes
Projekt diskutiert worden.

Lassen Sie uns deshalb die Verantwortung annehmen,
die wir in unserem Parlament haben! Lassen Sie uns die
Arbeit in den Ausschüssen ernsthaft umstrukturieren!
Lassen Sie uns eine neue Fragestunde beschließen, um
hier im Parlament über europäische Themen zu debattie-
ren! Dann werden wir mit Sicherheit einen großen
Schritt vorankommen.

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(C (D Jacques Delors hat einmal gesagt: „Europa ist nur eier wirklichen Gefahr ausgesetzt: der Gefahr des Stilltandes.“ Wenn wir das, was heute zur Entscheidung anteht, nicht realisieren würden, dann würden wir uns ieser Gefahr tatsächlich aussetzen. Diese Verfassung icht anzunehmen, die Umsetzung in nationales Recht icht zu realisieren wäre nicht nur ein großer Fehler, ondern für den Deutschen Bundestag auch historisch erantwortungslos. Dazu wird es nicht kommen. Robert Schuman hat in seiner historischen Erklärung om 9. Mai 1950 gesagt: Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, … ie Tatsachen, die wir heute schaffen, sind im Sinne von obert Schumans europäischem Traum ein ganz großer chritt, konkret nach vorne zu kommen und unserer Verntwortung gegenüber den Menschen in Europa gerecht u werden, insbesondere unserer Verantwortung gegenber den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502700

Ich erteile das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517502800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Wenn ich Sie heute fragen würde, wie der erste Satz

er Verfassung für Europa lautet, könnten – da bin ich
ir sicher – die meisten von Ihnen das nicht sagen. Ei-
entlich müssen Sie diesen Satz auch nicht kennen; denn
r ist bürokratisch, nichtssagend und falsch. Er lautet:

Geleitet von dem Willen der Bürgerinnen und Bür-
ger und der Staaten Europas, ihre Zukunft gemein-
sam zu gestalten, begründet diese Verfassung die
Europäische Union, der die Mitgliedstaaten Zustän-
digkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen
Ziele übertragen.

ieser Satz ist falsch, weil der Wille der Bürgerinnen
nd Bürger in unserem Land überhaupt nicht gefragt ist.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

ur durch eine Volksabstimmung könnte man diesen
atz und die ganze Verfassung legitimieren.
Meine Damen und Herren, Sie stimmen heute im
undestag über die Verfassung Europas ab, die Sie teil-
eise nicht kennen und die Sie auf keinen Fall in ihrer
irkungsmacht einschätzen können. Dazu war die Zeit
u kurz. Viele haben sich auch nicht ausreichend damit
eschäftigt.
Ich finde, das ist ein sehr schlechter Start für eine Ver-

assung, die das Zusammenleben der Europäer auf Jahr-
ehnte bestimmen soll. Sie verweigern sich einem






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch

Volksentscheid zur EU-Verfassung und wollten doch
einmal mehr Demokratie wagen. Sie wollen still und
heimlich, an den Bürgern vorbei, die Verfassung durch
Bundestag und Bundesrat winken. Heute werden Sie
eine Mehrheit für die Verfassung bekommen; doch das
ist ein Pyrrhussieg. Sie tun damit Europa und den Euro-
päern keinen Gefallen. Sie verkennen nämlich, dass
Identifikation mit Europa nur entstehen kann, wenn sich
die Menschen mit Europa auseinander setzen, über Euro-
pa diskutieren und leidenschaftlich streiten, wie wir es
jetzt in Frankreich erleben.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Doch warum sollen sich die Bürger unseres Landes

mit der Verfassung auseinander setzen, wenn ihre Mei-
nung gar nicht gefragt ist? Ich frage all diejenigen, die
heute von ihren Reisen nach Frankreich und ihrem Ein-
satz dort berichtet haben: Warum haben Sie sich nicht
mit gleichem Einsatz für einen Volksentscheid in der
Bundesrepublik Deutschland eingesetzt?


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Diejenigen Europäer, die sich gegen die europäische

Verfassung aussprechen, als Europagegner zu disqualifi-
zieren ist böswillig und dumm. Laurent Fabius, ehemali-
ger französischer Premier, sagte gegenüber dem franzö-
sischen Fernsehen, dass es Millionen Franzosen gebe,
die wie er überzeugte Europäer seien, aber mit Nein
stimmen wollen, einfach deshalb, weil sie ein unabhän-
giges und soziales Europa wollen.

Die PDS hat vor allem drei gute Gründe, die Verfas-
sung abzulehnen: Erstens. Die Verfassung ist nicht durch
eine Volksabstimmung legitimiert. Zweitens. Die Verfas-
sung setzt auf militärische Stärke, auf Aufrüstung und
weltweite militärische Konfliktlösungen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Quatsch!)


Drittens. Die Verfassung setzt auf freien Markt – nicht
auf soziale Marktwirtschaft –, freien Geldverkehr und
freie Konkurrenz.

Wir wissen, dass Wettrüsten und militärische Kon-
fliktlösungen in Europa nie funktioniert haben.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Unsere Erfahrungen zeigen im Gegenteil, dass Europa
unter dieser Logik in den letzten tausend Jahren nur ge-
litten hat. Wir wollen dieser Logik nicht länger folgen.

Es geht aber nicht nur um den äußeren Frieden, son-
dern auch um den inneren. Der Verfassungsentwurf setzt
auf eine, wie es dort heißt, „offene Marktwirtschaft mit
freiem Wettbewerb“. Hat die Europäische Union zusam-
men mit der Bundesregierung schon in den letzten Jah-
ren alles getan, um – ich zitiere Herrn Müntefering –
„Heuschrecken“ Tür und Tor zu öffnen, so wird mit der
vorliegenden Verfassung diesen „Heuschrecken“ neue
Nahrung gegeben.

Im Entwurf der Verfassung für Europa gibt es selbst-
verständlich Aussagen und Passagen, die wir unterstüt-
zen, die sinnvoll sind, die eine wirkliche Verbesserung

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(C (D arstellen würden. Doch die Ablehnungsgründe wiegen m ein Vielfaches schwerer. Einer Verfassung, die in iesen drei entscheidenden Punkten hinter den Erwarungen der Bürger zurückbleibt, kann nicht Grundlage ines zukunftsgerichteten Europas sein. Ich bin mir sicher, dass die meisten Bürgerinnen und ürger in unserem Land wissen, dass das Grundgesetz er Bundesrepublik mit dem Satz beginnt: „Die Würde es Menschen ist unantastbar.“ Das ist ein kräftiger und irkungsvoller Satz, tausendmal besser als der erste Satz er europäischen Verfassung. Jeder von Ihnen, meine amen und Herren, der noch zum Bücherlesen kommt, eiß, dass der erste Satz eines Buches sehr viel über das anze Buch sagen kann. So ist es auch bei dieser Verfasung. Wir als PDS werden heute aus den genannten Grün en gegen diese Verfassung stimmen. Vielen Dank. Ich erteile dem Kollegen Martin Hohmann das ort. – Wenn er nicht da ist, kann er nur schwer reden. Dann erteile ich dem Kollegen Dietmar Nietan für die PD-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In er Tat muss man über Europa streiten. Es muss auch öglich sein, über die europäische Verfassung sehr hart iteinander zu ringen und zu streiten; denn sie ist nicht rgendetwas, sondern eine Verfassung, die zum Wohle er Menschen Weichen stellen soll. Erlauben Sie mir diese etwas zugespitzte Bemerkung: ch habe den Eindruck, dass viele – ich sage ausdrückich: nicht alle – Kritikerinnen und Kritiker dieser Verassung dem Kleinmut verfallen sind. enjenigen, der ernsthaft behauptet, dieser Entwurf eies Verfassungsvertrags, der eine Grundrechte-Charta die übrigens mit dem Satz anfängt, dass die Würde des enschen unantastbar ist – und auch einen expliziten inweis auf die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Areitnehmern enthält, sei das Einfallstor des weltweit perierenden Kapitalismus, frage ich: Wo war er, als der ertrag von Nizza verabschiedet wurde? Damals hätten ll die Menschen, die das behaupten, durch unser Land nd durch ganz Europa Demonstrationszüge organisieen müssen; denn der Verfassungsentwurf, der uns jetzt orliegt, ist zehnoder 20-mal besser als der Vertrag von izza. Wo waren all diese Kritiker damals? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517502900

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1517503000

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dietmar Nietan

Ich erlaube mir – auch wenn er jetzt nicht mehr auf

seinem Platz sitzt –, Folgendes zu sagen: Eine besondere
Art des Kleinmuts hat der bayerische Ministerpräsident
demonstriert. Ich muss sagen, es ist schon eine Kunst,
sich mit so viel Wehleidigkeit und Missgunst für diese
Verfassung auszusprechen. Ich habe die ganze Zeit, als
ich gehört habe, wie er genörgelt und gekrittelt hat, ge-
dacht, dieser Mann sei gegen die Verfassung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Dann haben Sie aber nicht aufgepasst!)


Wenn Herr Stoiber seine Sorge um die Fähigkeit der
Europäischen Union, neue Mitgliedstaaten aufzuneh-
men, ernst meint – dieses Problem wird zu Recht ange-
sprochen –, dann frage ich mich in der Tat, warum er
heute, wenn wir mit der EU-Verfassung einen weiteren
Schritt unternehmen wollen, um die Aufnahmefähigkeit
der EU sicherzustellen, erklärt, dass er mit der Tradition
von Adenauer bis Kohl bricht, die der Türkei immer eine
Perspektive geboten haben. Sein Ziel ist wohl, bis an
sein Lebensende – koste es, was es wolle – zu verhin-
dern, dass die Türkei der EU beitritt. Das war wahrlich
nicht europäisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Und entlarvend!)


Ich möchte darauf eingehen, dass gesagt wird, die
EU-Verfassung sei militaristisch; denn ich glaube, sie ist
das Gegenteil. Das möchte ich in einigen Punkten erläu-
tern. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir mit dieser
Verfassung die Grundlage für eine Gemeinsame Au-
ßen- und Sicherheitspolitik schaffen, die Grundlage,
um noch viel mehr zu tun, als wir bereits bisher auf dem
Weg hin zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheits-
politik erreicht haben.

Ich will nur darauf hinweisen: In Art. I-41 des Verfas-
sungsentwurfs wird ausdrücklich unterstrichen, dass
Friedenssicherung, Konfliktverhütung und die Stärkung
der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit
den Grundsätzen der Charta der VN die Leitlinien für die
europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik sein sollen. Ich finde, das sind deutliche Worte. Wer
das als Militarisierung bezeichnet, der scheint diese Ver-
fassung nach dem Motto zu lesen: Ich lese nur das, was
ich lesen will, und nehme nur das zur Kenntnis, was ich
hören und sehen will. Wer so verfährt, nimmt allerdings
nicht die Realität zur Kenntnis.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube, dass diese Verantwortung für eine Ge-
meinsame Außen- und Sicherheitspolitik auch deshalb
so wichtig für uns ist, weil die Menschen in der ganzen
Welt auf das europäische Modell schauen. Ich finde, die
Worte, die der Bundeskanzler gesagt hat, sind richtig:
Wir müssen dankbar sein für die europäische Einigung,
die uns so weit gebracht hat, die dafür gesorgt hat, dass
es in Europa keine Kriege mehr gegeben hat und dass
sich niemand mehr vorstellen kann, dass die Staaten, die

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(C (D etzt Mitglied in der Europäischen Union sind, jemals ieder Krieg gegeneinander führen werden. Aber wenn dem so ist, brauchen wir nicht nur Dank arkeit, wir müssen uns auch verantwortlich zeigen für as, was in der Welt geschieht. Dann darf man nicht wegehen, dann brauchen wir zivile und – ich betone das – uch militärische Fähigkeiten, zur Not denjenigen, die enschenrechte missachten, die Völkermord begehen, in en Arm zu fallen. Wer davor die Augen verschließt und laubt, alles nur zivil regeln zu können, lässt die Menchen, die von Unrecht und Verfolgung bedroht sind, im tich. Das wollen wir jedenfalls nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass mich die
ritik von ganz links außen an dem so genannten Mili-
arismus schon etwas wundert, wenn ich mir einmal vor-
telle, dass die gleichen Leute, die davon träumen – das
st nicht mein Traum; ich sage das deutlich –, Europa
üsse ein Gegengewicht zu den USA sein, dass all die
eute, die sagen, die USA agieren nur unilateral und sie
gieren militaristisch, es sich haben gefallen lassen, dass
s die Amerikaner waren, die uns Europäern in den 90er-
ahren geholfen haben, die Konflikte auf dem Balkan zu
ösen, weil wir dazu nicht in der Lage waren. Das muss
ich ändern und das müssen wir aus eigener Kraft schaf-
en. Das aus eigener Kraft schaffen zu wollen ist kein
ilitarismus, sondern das ist das Ernstnehmen der Ver-
ntwortung, die auch wir für den Frieden in der Welt ha-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die europäische Verfassung bietet Instrumente für die
emeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: einen ge-
tärkten Außenminister Europas, der gleichzeitig auch
izepräsident der Kommission und Vorsitzender des Au-
enministerrates ist; eine ständige strukturierte Zusam-
enarbeit; die Rüstungsagentur, die es uns erlaubt, die
üstungsanstrengungen koordiniert und effizient zu ge-
talten und damit am Ende weniger Geld für Rüstung
insetzen zu müssen. Das ist keine Aufrüstung, das ist
ffizienz und angesichts der knappen Budgets ist diese
rt von Rüstungskooperation auch richtig.
Wer all dies will, trägt auch zur Festigung der transat-

antischen Beziehungen bei. Denn eins habe ich gelernt:
n Amerika ist man es satt, immer wieder von Europäern
u hören, man wolle endlich mit den Amerikanern auf
leicher Augenhöhe reden usw. Wir sollten nicht darüber
amentieren, sondern wir sollten zeigen – indem wir die
ähigkeiten zu ziviler und militärischer Konfliktpräven-
ion, aber auch zur Konfliktlösung haben –, dass wir
icht nur über die gleiche Augenhöhe reden, sondern sie
uch haben. Ich glaube, das ist wichtig für die transatlan-
ischen Beziehungen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich ist es richtig, dass wir das alles den Men-
chen in unserem Land besser erklären müssen; ich






(A) )



(B) )


Dietmar Nietan

schließe mich da ausdrücklich ein. Aber ich glaube
– ohne jetzt dem Unkritischen, Pathetischen das Wort re-
den zu wollen –, entscheidend ist in einem solchen Pro-
zess, dass die Menschen merken: Derjenige, der ihnen
Europa erklären will, ist nicht jemand, der daran herum-
mäkelt und -nörgelt, sondern jemand, der von Europa
überzeugt ist. Ich finde, da kann der eine oder andere
von uns noch etwas lernen. Man braucht auch etwas
Herzblut und Enthusiasmus, um den Menschen Europa
nahe zu bringen.


(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich mit der Präambel unseres Grundge-

setzes schließen. Dort heißt es:
Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und
den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleich-
berechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem
Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche
Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt die-
ses Grundgesetz gegeben.

Was könnte eindrucksvoller zu dem heutigen Tag passen
als dieser nun wirklich mit viel Weitsicht und Klugheit
formulierte Satz der Mütter und Väter unseres Grundge-
setzes? Denn er macht eins deutlich: Unsere Verfassung,
unser Grundgesetz können wir nur in einem europäi-
schen Zusammenhang sehen. Die Präambel unseres
Grundgesetzes verpflichtet uns, „als gleichberechtigtes
Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt
zu dienen“. Ich bin der festen Überzeugung: Mit der Ver-
fassung für Europa kommen wir auch diesem Auftrag
unseres Grundgesetzes einen großen Schritt näher.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ohne die Probleme und Dinge, die im Verfassungs-
entwurf hätten besser sein können, wegdiskutieren zu
wollen, sage ich deshalb für mich und, wie ich glaube,
auch für meine Fraktion: Heute ist ein guter Tag für
Europa. Weil es ein guter Tag für Europa ist, ist es auch
ein guter Tag für unser Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517503100

Nächster Redner ist der Kollege Peter Hintze, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1517503200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Gerne knüpfe ich an die Worte meines Vorredners
an und sage: Der heutige Tag ist auch ein guter Tag für
den Deutschen Bundestag.


(Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU])


Wir sagen Ja zu dem Vertrag über eine Verfassung für
Europa und wir sagen Ja zu einer Stärkung der Rechte

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(C (D ieses Parlaments. Nie hat der Deutsche Bundestag ehr Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten bekomen, als sie ihm durch diese Verfassung und durch die emeinsame Vereinbarung der Fraktionen eingeräumt erden. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Kollegen loser und Roth von der SPD, beim Kollegen teenblock von den Grünen und bei der Kollegin eutheusser-Schnarrenberger von der FDP bedanken. ch bedanke mich auch beim Bundeskanzler – das tue h selten – dafür, dass er heute in seiner Regierungserlärung zur Ratifizierung zugesagt hat, die Vereinbaung, die wir zwischen den Fraktionen gemeinsam geoffen haben, umzusetzen und einzuhalten. Herzlichen ank dafür! Nun hatte ich beschlossen, heute nur freundlich zu prechen. er Kollege Müntefering hat aber zwei Fragen gestellt (Jörg Tauss [SPD]: Um Gottes willen, bleib, wie du bist!)


(Beifall im ganzen Hause)


(Zurufe von der SPD: Oje!)

nd er hat natürlich auch das Recht, die Antworten zu
ören. Ich hoffe, er sitzt jetzt irgendwo am Bildschirm
nd bekommt es mit, sonst wird es ihm Herr Benneter
Zweifelsfall mitteilen.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sofort!)

Er hat sich hier vorne ans Pult gestellt und unsere

orsitzende, Frau Merkel, mit strenger Stimme aufgefor-
ert, wenn denn das mit den Mehrfachanmeldungen


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Hören Sie zu, Herr Eichel!)


on Firmensitzen an einer Adresse stimme – es stimme
ahrscheinlich nicht; es sei eine typische Wahlkampf-
ache –, dann möge sie doch bitte die Adresse nennen.


(Jörg Tauss [SPD]: Hausnummer!)

Auch die Hausnummer.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ich schreibe mit!)


Herr Benneter schreibt mit. – Frau Merkel hat gesagt,
s hätten sich 50 Firmen an einer Adresse angemeldet.
ch muss Ihnen sagen: Das war falsch, es sind nämlich
6 Firmen an einer Adresse. Herr Müntefering bzw. Herr
enneter, die Adresse zum Mitschreiben: Es ist die Gör-
itzer Straße 2 in Neuss.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Ja, passen Sie auf.

(Dietmar Nietan [SPD]: Ich wusste, dass es so etwas in Köln gibt!)

Es geht noch weiter, passen Sie mal auf.






(A) )



(B) )


Peter Hintze

Die Handwerkskammer Düsseldorf, die dafür zustän-

dig ist, teilt uns dazu mit: Im Jahre 2004 hat es im Be-
reich der Handwerkskammer 1799 Registrierungen in
den zulassungsfreien Handwerken gegeben. Das ist
ein Anstieg gegenüber 2003 um 550 Prozent. Von den
1799 Registrierungen entfallen zwei Drittel auf den Flie-
senlegerberuf. – Dass da irgendetwas schief läuft, wird
doch jedermann einsehen. Sie haben jetzt die Adresse
und können der Sache nachgehen. Wir erkundigen uns in
einer Woche, ob Sie es getan haben.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das war aber erst Teil eins. Sie müssen Herrn
Müntefering noch etwas mitteilen, nämlich den Teil
zwei.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Telefonnummer!)


Es geht um das Thema Rumänien. Es wird noch besser.

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Bisher ist doch alles freundlich!)

Ich finde es schon bemerkenswert, dass die Bundesre-
gierung ihren Verhandlungsfehler aus dem Jahre 2005
mit einer Rede von Peter Hintze aus dem Jahre 2001 ent-
schuldigt. Herr Müntefering, es ist ein Unterschied, et-
was zu zitieren und das Zitat auch richtig zu verstehen.
Herr Müntefering hat mich richtig zitiert, aber er hat es
falsch verstanden. Ich will es ihm gerne erläutern.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Alles nur ein Missverständnis!)


– Sehen Sie, am Schluss der Debatte werden Sie viel-
leicht noch einen Erkenntnisgewinn haben.

2001 habe ich vor einem Konstruktionsfehler der Ver-
träge gewarnt, der heute offen zutage tritt. Bei der
Osterweiterung der EU hat die Bundesregierung sehr
lange Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizü-
gigkeit und die sofortige Dienstleistungsfreiheit für fast
alle Arbeitsfelder vereinbart. Daraus entsteht ein über-
großer Druck, der sich im Dienstleistungssektor entladen
hat. Jetzt erkennen Sie diesen Konstruktionsfehler. Was
tun Sie? Sie reparieren, wie so oft, an der falschen Stelle.

Sie haben es in den Verhandlungen mit Rumänien und
Bulgarien schlicht vergessen, diese Erkenntnisse aufzu-
nehmen und die Übergangsfristen im Dienstleistungsbe-
reich entsprechend zu ändern. Heute reden Sie stattdes-
sen von Sozialdumping und betreiben die Ausweitung
des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen.
Damit greifen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber
wieder voll ins Leere; denn die Dienstleister, die hier an-
treten – ich habe Ihnen eben die Zahlen der Handwerks-
kammer Düsseldorf genannt – sind keine Arbeitnehmer,
die unter die Allgemeinverbindlichkeit fallen würden,
sondern Selbstständige, für die es keine Arbeitslöhne mit
Tarifbindung gibt. Sie präsentieren uns also wieder eine
Scheinlösung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D ch erwarte ja nicht, dass jeder dies weiß; aber ich kann s doch vom Fraktionsvorsitzenden der SPD erwarten. r hat damit heute ganz unbeabsichtigt die Regierung in ie Bredouille gebracht. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie wissen doch auch, dass das Scheinselbstständige sind!)


Jetzt bekomme ich den freundlichen Zwischenruf
Scheinselbstständige“. Wer ist denn nach der bundes-
taatlichen Ordnung dafür zuständig?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

er ist denn für die Missbräuche in den Schlachthöfen
uständig?


(Widerspruch des Abg. Ottmar Schreiner [SPD])


uständig ist die Bundesfinanzverwaltung. Es wäre also
ehr positiv, wenn Sie auch diesen Fehler noch in Ihrer
egierungszeit ausräumten. Darum bitte ich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Ströbele – auch er hat versucht, uns aufzuklären;
er bayerische Ministerpräsident hat darauf bereits prä-
ise geantwortet – hat davon gesprochen, dass die Bun-
esregierung die Dienstleistungsrichtlinie gestoppt
abe, womit quasi alles im grünen Bereich sei. Mein
ollege Arnold Vaatz nennt so etwas, wenn die Dinge
omplett durcheinander geworfen werden, normaler-
eise eine kategoriale Verwirrung. Mit der Dienstleis-
ungsrichtlinie verhält es sich nämlich vollkommen an-
ers. Der Herr Bundeskanzler, der im Moment leider
icht anwesend sein kann, feierte sie noch im Dezember
ls das wichtigste Instrument für mehr Wachstum und
eschäftigung in Europa. Jetzt hat er sie angeblich aus
em Verkehr gezogen. Das, worüber wir uns unterhalten,
eschieht aber gar nicht auf dem Boden dieser Richtli-
ie, die ja noch nicht in Kraft getreten ist, sondern auf
em Boden der bestehenden Verträge und der Rechtspre-
hung des Europäischen Gerichtshofes. Alle Fehler, die
ich dort eingeschlichen haben, sind zum einen Verhand-
ungsfehler, die Sie bei den Beitrittsverträgen begangen
aben, und zum anderen Aufsichtsfehler der Verwaltung,
ür die Sie Verantwortung tragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Verfassung, die wir heute verabschieden, ist ein
chlüssel für ein starkes Europa im 21. Jahrhundert. In
en letzten Tagen bin ich oft gefragt worden, ob ich ver-
tehen könnte, dass man gegen diese Verfassung sei.
uch wenn es vielleicht den einen oder anderen Kolle-
en schmerzt, sage ich: Ich kann es nicht verstehen, weil
ch diese Verfassung wirklich als einen Fortschritt emp-
inde. Gerade das, was uns an Europa zu schaffen macht
dass es nämlich neben den vielen guten und erfolgrei-
hen Dingen immer wieder auch unsinnige Rechtsetzun-
en gibt, gegen die wir hinterher mit Mühe ankämpfen
üssen und die durch unsere Bundesregierung manch-
al noch unsinniger gemacht werden –, überwinden wir
adurch, dass wir, die Parlamentarier, nach In-Kraft-Tre-
en dieser Verfassung früher eingeschaltet werden. Diese






(A) )



(B) )


Peter Hintze

Parlamentarisierung Europas stellt den großen Fort-
schritt in dieser Verfassung dar.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In mancher Zeitung ist jetzt zu lesen, dass zu wenig
über die Verfassung gesprochen worden sei. Ich unter-
richte die Journalisten hiermit davon, dass wir in diesem
Saal sehr oft darüber gesprochen haben, wenn auch zu-
gegebenermaßen in einem sehr überschaubaren Kreis
von Kolleginnen und Kollegen. Manche, die sich heute
erregen – nicht alle; ich nehme einen Kollegen, der eine
Kurzintervention gemacht hat, ausdrücklich aus, er war
immer dabei –, haben die Möglichkeiten zur Erörterung
des Verfassungsvertrags überhaupt nicht wahrgenom-
men. Dies bedauere ich sehr.


(Beifall der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Ich spreche jetzt hoffentlich für alle Fraktionen dieses
Hauses: Die beiden Vertreter des Bundestages im Kon-
vent, Jürgen Meyer von der SPD und Peter Altmaier von
der CDU/CSU, haben uns über zweieinhalb Jahre in
Ausschüssen und anderen Gremien, aber auch hier im
Plenum so unterrichtet, dass jeder, der guten Willens ist,
wirklich voll in der Materie sein und sich auch einbrin-
gen konnte, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall im ganzen Hause)

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Wertebezug sa-

gen, der den allermeisten in diesem Hause sehr am Her-
zen liegt. Diese Verfassung ist von einem klaren Werte-
bezug geprägt. Was anderes ist es denn, wenn die
unverletzliche Würde des Menschen, so wie wir sie im
Grundgesetz beschreiben, auch hier in dieser neuen Ver-
fassung beschrieben ist? Was ist denn ein besserer Aus-
druck des christlichen Verständnisses vom Menschen
als die unverletzliche Würde des einzelnen Menschen?


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Völlig richtig!)


Was ist denn anderes Ausdruck unserer Werte als die
rechtsstaatliche Ordnung, die wir uns auch für dieses
Europa wünschen? Diese Verfassung hat mehr Wertebe-
zug als jede europäische Vertragsgebung zuvor.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dem ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuss, ei-
nem großen Liberalen, verdanken wir den wunderschö-
nen Gedanken, dass Europa auf drei Hügeln errichtet ist.
Er nannte die Akropolis in Athen, das Kapitol in Rom
und Golgatha bei Jerusalem. Das geistige Fundament
Europas ist die griechische Philosophie, das römische
Recht und das jüdisch-christliche Erbe. Von diesem
Geist – ich nehme alle Mütter und Väter dieser Verfas-
sung in Schutz, die sie vorbereitet haben – ist die Ver-
fassung für Europa geprägt. Wir können stolz sein, als
Abgeordnete heute darüber entscheiden und diese Ver-
fassung auf den Weg bringen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D Was unterscheidet sie noch von den bisherigen Verragswerken? Wir haben in Deutschland und in Europa ute und fähige Diplomaten. Sie haben das Geschäft in er Vergangenheit gemacht. Aber diese Verfassung – das ann man ihr ansehen – ist zum ersten Mal das Werk der arlamentarier in Europa. Deswegen hat die Verfassung in ganz deutliches parlamentarisches Plus. Das macht ie demokratischer. Eben hat hier eine Kollegin den rt. I zitiert; es lohnt sich immer wieder, ihn zu hören nd auch zu lesen. Dieser Art. I leitet nach der Präambel ine Verfassung ein, die mehr Transparenz, mehr Effizinz, mehr Demokratie und mehr Beteiligung des Euopaparlaments und auch des Deutschen Bundestages sihert als jede Verfassung zuvor. Dieses Plus an emokratie und parlamentarischer Beteiligung veranken wir denen, die diese Verfassung vorbereitet haen. Dass wir heute zu ihr Ja sagen können, ist eine gute ache. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich freue mich, dass es uns in intensiven Gesprächen
elungen ist – diese haben die Beteiligten in vielen Stun-
en genervt und haben vielleicht auch die eine oder an-
ere Diskussion zu Hause mit sich gebracht, sodass man
ag und Nacht nichts anderes machen konnte –, diesem
nspruch der neuen Verfassung gerecht zu werden und
nsere Mitwirkung als Bundestag im Rahmen dieser
euen Verfassung gut vorzubereiten. Es gibt eine Idee in
er europäischen Verfassung, die den europäischen Ver-
rägen bisher fremd war, nämlich die Idee, dass die Kon-
rolle über das Subsidiaritätsprinzip nicht bei denen
erbleibt, die für die Rechtsetzungsakte selbst verant-
ortlich sind, sondern bei denen liegt, die als Parlamen-
arier in den Nationalstaaten die Verantwortung für die
uswirkungen europäischer Rechtsetzungsakte zu tra-
en haben. Das ist ein ganz großes Plus.
Wir haben die Chance, am Beginn eines europäischen
echtsetzungsaktes seine Sinnhaftigkeit und Notwen-
igkeit zu unterstreichen oder entsprechende Änderun-
en zu verlangen. Dieses Instrument wollen wir wahr-
ehmen. Dazu sind wir gut gerüstet.


(Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU])


ch freue mich, dass der Vorsitzende des Europaaus-
chusses, Matthias Wissmann, bei uns ist. Wir haben uns
m Europaausschuss – damit meine ich auch die vielen
nderen Kollegen aus allen Parteien – darauf verstän-
igt, dass wir als Europaausschuss die Last auf uns
ehmen, auch in den sitzungsfreien Zeiten dafür zu sor-
en, dass im Rahmen der Fristen, die die europäische
erfassung setzt, zu jeder Zeit und zu jeder Stunde das
olle Mitwirkungsrecht des Deutschen Bundestages
ewährleistet ist. Das haben wir Kollegen uns im Euro-
aausschuss auferlegt. Das werden wir auch tun. Wir
erden das Plenum auch rechtzeitig unterrichten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir brauchen ein Weiteres. Wir brauchen das Thema
er europäischen Rechtsetzungsakte, der europäischen
esetzgebung auch hier in der Mitte unseres Plenums.






(A) )



(B) )


Peter Hintze

Wir wünschen uns regelmäßige Fragestunden mit dem
Schwerpunkt Europa. Wir wünschen uns, dass in all den
Fachausschüssen dieses Deutschen Bundestages die gro-
ßen Europathemen nicht an den Schluss der Tagesord-
nung geschoben werden, wo die Erschöpfung eintritt
und wo man dann unter „ferner liefen“ eine Sammelliste
abhakt, sondern wir wünschen uns, dass sich jeder Kol-
lege und jede Kollegin bei der Arbeit über die europäi-
sche Dimension des eigenen Handelns klar ist und sie
auch mit einbringt.


(Beifall der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU])


Wir treffen diese Entscheidung heute unter zwei Flag-
gen, unter der Flagge der Bundesrepublik Deutschland
und unter der Flagge Europas, die zwölf Sterne trägt, um
die Verschiedenheit der europäischen Völker und die
wachsende Zahl der Mitgliedstaaten auszudrücken. Wir
tun das als nationales Parlament in einer europäischen
Verantwortung. Wir tun das für uns, wir tun das für un-
sere Kinder und für zukünftige Generationen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517503300

Das Wort erhält nun der Kollege Martin Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1517503400

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Gegen den Verfassungsvertrag sprechen
drei große Bedenken. Zum Ersten: Es entscheidet nicht
der Souverän, das deutsche Volk. Bei ihm aber muss die
unmittelbare Letztentscheidung liegen. Gewiss kann
man einwenden, das sehe unser Grundgesetz nicht vor.
Andererseits schließt Art. 20 Abs. 2 diese Entscheidung
gerade nicht aus. Der Respekt vor dem Willen des deut-
schen Volkes hätte es verlangt, eine Entscheidung von
solch eminenter Wichtigkeit für die Zukunft des gesam-
ten politischen Lebens unmittelbar in die Hände der
Wahlbürgerschaft zu legen. Außerdem zeigt die Termi-
nierung dieser Sitzung, mit welchem relativen Unernst
das Verfahren betrieben wird. Die heutige vorgezogene
Bundestagsentscheidung muss nach dem Willen des
Bundeskanzlers als Lockmittel für die als widerspenstig
eingeschätzten Franzosen herhalten.

Zum Zweiten: Es wurde versprochen, die Zuständig-
keiten innerhalb der Gemeinschaft klar, durchsichtig
und insbesondere nach dem Subsidiaritätsprinzip zu
regeln. Gehalten wurde das nicht. Zur Frustbekämpfung
der EU-Bürger wäre es aber sehr wichtig gewesen; denn
viele Bürger fühlen sich von anonymen Mächten und
nicht greifbaren Verantwortlichkeiten geradezu bedroht.


(Zuruf von der SPD)

Europa wirkt für sie nicht mehr wie eine politische Ver-
heißung, wie das in der Nachkriegszeit und lange danach
war, sondern wie ein undurchschaubarer Moloch, gera-
dezu wie eine Bedrohung. Viele Menschen haben nicht
mehr den Eindruck, dass Europa ihnen dient, sondern

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(C (D mpfinden sich als Spielmaterial für weit entfernte, anoyme Bürokraten. Gegen das Gefühl des Ausgelieferteins hätte eine glasklare Kompetenzverteilung geholen. Diese Chance wurde weitgehend ausgeschlagen. ie EU weitet stattdessen ihre Kompetenzen aus. Keiner eschreibt die Methode besser als Jean-Claude Juncker. r sagt: Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt. enn zukünftig 80 Prozent der Entscheidungen in Brüsel und Straßburg fallen, dann sollte der Bundestag daaus Konsequenzen ziehen. Er könnte sich entsprechend erkleinern, er könnte 80 Prozent seiner Kosten einspaen. Vielleicht könnte man hn in eine Beschäftigungsgesellschaft für entmachtete bgeordnete umwandeln. Mit drastisch reduzierten Beugnissen bei gleichem Aufwand weiterzuarbeiten, das st politische Hochstapelei. Zum Dritten: Es fehlt ein klarer Gottesbezug. Europa st ohne seine christlichen Wurzeln nicht denkbar. uropa braucht mehr denn je ein Wertegefüge. Dieses ann aufgrund der zweitausendjährigen europäischen eschichte und Kultur nur die Botschaft von Jesus hristus sein. us dieser Botschaft erwuchsen die Aufklärung und die ugend der Toleranz. Zur Stärkung und Rückbindung er Toleranz sind christliche Werte unabdingbar, für die er Gottesbezug symbolisch steht. Ohne Gott geht uropa zum Teufel. Die riesige Aufgabe, rund 30 euroäische Völker zu einem harmonischen und friedlichen usammenleben zu einen, übersteigt menschliches Verögen. Dazu braucht es Gottes Segen. Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Axel chäfer für die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ach dem Beitrag zum Thema „Fundamentalismus“ etzt ein Beitrag zum Thema „Europa – in Vielfalt geint“. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Jörg Tauss [SPD]: Bei Ihnen anfangen!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517503500
Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1517503600

enn wir heute die Verfassung ratifizieren, dann haben
ir in der EU die Demokratisierung durch Parlamen-
arisierung im hohen Maße erreicht. Ich erinnere an das,
orum es geht:
„Als wir vor sieben Jahren hier die Römischen Ver-

räge ratifizierten, wussten wir, dass die parlamentari-
che Institution der zu schaffenden Gemeinschaften un-






(A) )



(B) )


Axel Schäfer (Bochum)


terentwickelt sein würde und dass auf dem Weg von den
nationalen Parlamenten zu den europäischen Institutio-
nen parlamentarische Rechte verloren gehen würden.“
So Karl Mommer, Vizepräsident des Bundestages, bei
der Einbringung eines Gesetzentwurfes der SPD für die
Direktwahl des Europäischen Parlaments im Jahr 1964.

Die Direktwahlakte wurde schließlich 1976 in der EG
beschlossen. Bundeskanzler damals: Helmut Schmidt,
SPD. Die Forderung nach „einer europäischen Födera-
tion mit demokratischer Verfassung“ steht im Wahlpro-
gramm von 1978. Spitzenkandidat: Willy Brandt. Der
europäische Konvent, der erst zur Grundrechte-Charta
und dann zum „Vertrag über eine Verfassung für Eu-
ropa“ führte, wurde von Gerhard Schröder als EU-Rats-
präsident auf den Weg gebracht. So viel zum besonderen
Beitrag der deutschen Sozialdemokratie zum Gelin-
gen des heutigen Tages.


(Beifall bei der SPD)

Was heißt „Demokratisierung durch Parlamentaris-

mus in Europa“ konkret? Das Europäische Parlament
entscheidet bei circa 95 Prozent aller Gesetze gleichbe-
rechtigt mit dem Rat. Nur zur Erinnerung: Bis 1999 hatte
bei allen strittigen Gesetzen der Ministerrat immer das
letzte Wort, heute haben wir gleiche Augenhöhe erreicht.

Das Europäische Parlament hat, entgegen vielen Äu-
ßerungen von Europaskeptikern und -gegnern, natürlich
auch das Initiativrecht. Lieber Kollege Müller, lesen Sie
in den Art. 330 und 332 nach.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Europäische Parlament wählt die Kommission und
hat schon vor der Investitur 2004 gezeigt, was das be-
deutet. Die Mitgliedstaaten werden niemals mehr Kandi-
datinnen oder Kandidaten vorschlagen, bei denen die
Abgeordneten in Straßburg nur aufstehen und klatschen.
Alle künftigen Kommissare werden vor der Wahl einer
Anhörung unterzogen und dann beurteilt – eine Mög-
lichkeit der Volksvertretung, von der wir in Deutschland
allerdings nur träumen können.

Die Parlamentarisierung Europas geht einher mit der
Europäisierung des Bundestages. Sie bedeutet andere
Verfahren und erfordert von uns allen eine andere Men-
talität. Europa ist nicht mehr nur ein großes Haus mit
Büro und Telekommunikation. Europa, das sind wir,
Idee und Realität einer Gemeinschaft, die in unseren
Köpfen denkt und in unseren Herzen lebt. Deshalb müs-
sen wir schneller und besser werden, wenn es um die Be-
teiligung an der europäischen Rechtsetzung geht, und
gründlicher, was die Umsetzung auf nationaler Ebene
anbelangt. Deshalb müssen wir die Subsidiaritätskon-
trolle verantwortungsbewusst handhaben. Das bedeutet
eben nicht, dass wir künftig möglichst viele EU-Initiati-
ven strikt anhalten und konsequent einwenden, sondern
wir wollen europäisches Gemeinschaftsrecht strikt ein-
halten und konsequent anwenden. Wir müssen auch als
Bundestag in Brüssel stärker präsent sein.

Als Abgeordneter weise ich in diesem Zusammen-
hang selbstkritisch darauf hin, dass wir in Deutschland
noch von Elementen europäischer Demokratie lernen
können. Das Bürgerbegehren ist ein neues Instrument

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(C (D uf EU-Ebene, das auf nationaler Ebene fehlt. Den mbudsmann gibt es in der Europäischen Union und in ahlreichen Mitgliedstaaten; bei uns ist er hingegen eitgehend unbekannt. Öffentliche Ausschusssitzunen, wie sie im Europäischen Parlament selbstverständich sind, gehören im Bundestag leider und unverständliherweise heute noch zur Ausnahme. Es gibt also noch viel zu tun. Aber – das merke ich ur deshalb kritisch an, weil ich selber früher Mitglied es Europäischen Parlaments war – unsere Kolleginnen nd Kollegen in Brüssel und Straßburg müssen sich fraen, ob es auf Dauer zu verantworten ist, 40 Sitzungswohen im Jahr durchzuführen. Das entspricht nicht mehr en heutigen Notwendigkeiten. Europaabgeordnete üssen stärker hier vor Ort präsent sein. Als Bundestagsfraktion betonen wir heute unsere eu opäische Identität, als Angehörige von europäischen arteifamilien können wir in EU-Angelegenheiten desalb nicht mehr nationalstaatlich argumentieren. Lassen ie mich ein Beispiel anführen – an dieser Stelle ist die DU/CSU gefordert –: Der tschechische Präsident áclav Klaus, Mitglied der christdemokratisch-konserativen Parteifamilie Europas und der ODS, beurteilt die U-Verfassung – ich zitiere wörtlich – als „leer und chlecht“ und preist zugleich „die größtmögliche Erweierung: Türkei, Marokko, Ukraine, Kasachstan – je ehr, desto besser“. Ich erwarte jetzt von der CDU/CSU, dass sie mit die er Position in der Öffentlichkeit kritisch umgeht und hre heute von der Kollegin Dr. Merkel und von Miniserpräsident Stoiber dargelegte Position nicht nur in dieem Hause, sondern auch in ihrer eigenen Parteifamilie eutlich macht. Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an der Geschichte, nd zwar an Helmut Schmidt, dem früheren sozialdemoratischen Bundeskanzler. Er hat auf dem Parteitag der abour Party 1977, als es in Großbritannien um die rage „Europa – ja oder nein?“ ging, eine begeisternde nd fulminante Rede gegen die Europaskeptiker und Euopakritiker in der Labour Party gehalten. Das war mutig nd es war keine Einmischung in innere Angelegenheien; es war vielmehr eine praktizierte – wenn auch chwierige – sozialdemokratische „Familienpolitik“. Diese Form von öffentlicher Rede und Gegenrede ist ichtig, weil über die EU-Verfassung in Tschechien beanntlich vom Volk abgestimmt wird. Bei uns ist das leier nicht der Fall. Viele in der SPD-Fraktion betrachten ies als schwerwiegenden Fehler. Ich sage noch einmal, n die Kollegin Dr. Merkel und Herrn Ministerpräsident toiber gewandt: Es lag im vergangenen Oktober in Ihen Händen, die Initiative von SPD und Rot-Grün aufzureifen, (Widerspruch bei der FDP – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Ihr habt mit Nein gestimmt!)


(Beifall bei der SPD und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


m gemeinsam mit der FDP und uns zu einer Lösung zu
ommen, auch hier plebiszitäre Elemente in die Verfas-






(A) )


)

Axel Schäfer (Bochum)


sung aufzunehmen. Sie haben das nicht gewollt, weil Sie
intern zerstritten waren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie wollten die Abstimmung nicht! Das trifft nicht zu!)


Den meisten – selbst den Gegnern von Referenden in
Deutschland – ist heute klar, wie wichtig es gewesen
wäre, eine breite Debatte zu führen. Wir hätten die deut-
sche Gretchenfrage beantworten müssen: Wie hältst du
es mit der Integration? Spanien war ein gutes Beispiel
für eine freiwillige, nicht bindende Abstimmung.
Gerhard Schröder hat sich dort erfolgreich für ein Ja ein-
gesetzt, wie er es auch zurzeit in Frankreich tut. Dieser
deutsche Bundeskanzler agiert als Europäer. Dafür sollte
ihm der gesamte Bundestag ausdrücklich danken.


(Beifall bei der SPD)

Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen

Mauern und die anderen Windräder. Wir wollen hier
Windräder bauen. Wir bauen an einem offenen, demo-
kratischen, freien und solidarischen Europa. Nur Natio-
nalisten bauen noch Mauern, und zwar in den Köpfen.
Die reale Mauer in Europa ist am 9. November 1989 ge-
fallen. Wir wollen heute dazu beitragen, dass Europa
auch durch unsere Entscheidung in Deutschland in Viel-
falt geeint wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517503700

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am

Schluss der Debatte.
Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, teile ich

mit, dass zwei Kollegen nach § 31 unserer Geschäftsord-
nung um das Wort zu einer mündlichen Erklärung zu ih-
rem Abstimmungsverhalten gebeten haben. Das sind die
Kollegen Dr. Peter Gauweiler und Manfred Carstens, de-
nen ich anschließend das Wort erteile. Darüber hinaus
liegen etwa 80 persönliche Erklärungen zur Abstim-
mung vor, die zu Protokoll genommen werden.1)

Ich gebe nun das Wort dem Kollegen Dr. Peter
Gauweiler.


Dr. Peter Gauweiler (CSU):
Rede ID: ID1517503800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren Kollegen! Ich gebe gemäß § 31 der Geschäfts-
ordnung des Bundestags folgende Erklärung zu meinem
Abstimmungsverhalten ab. Mit dem Gesetzentwurf soll
ein Verfassungsvertrag in Kraft gesetzt werden, der in
Art. I-6 folgende Regelung enthält:

Die Verfassung und das von den Organen der Union
in Ausübung der der Union übertragenen Zustän-
digkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem
Recht der Mitgliedstaaten.

Damit wird erstmalig – und erstmalig zu einer entspre-
chenden 40-jährigen Rechtsprechung des Europäischen

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m1) Anlagen 2 bis 5

(C (D erichtshofs, der die Bundesrepublik Deutschland bis um heutigen Tage immer widersprochen hat – mit Zutimmung des Deutschen Bundestages kraft Zustimungsgesetzes nicht nur der Vorrang des neuen Verfasungsvertrags als solcher, sondern ausdrücklich und neingeschränkt auch der Vorrang des von den EU-Orgaen erlassenen Sekundärund Tertiärrechts vor allem eutschen Recht einschließlich des Grundgesetzes mitamt den Grundrechten postuliert. Es bestehen erhebliche weifel, ob die Mitglieder des Deutschen Bundestags beechtigt sind, das Grundgesetz wie die Landesverfasungen zur Disposition der EU-Organe zu stellen. Namhafte Verfassungsrechtler haben in den letzten ochen eingehend darauf hingewiesen, dass die mit der erabschiedung des Gesetzes vom Bundestag ausgesprohene Zustimmung zur europäischen Verfassung nicht ehr als normale Grundgesetzänderung bewertet werden arf, sondern als Ersetzung und Verdrängung des Grundesetzes durch ein anders strukturiertes und verfasstes ystem angesehen werden muss. Dafür gibt das Grundesetz den Bundestagsabgeordneten keine Handreiche. ielmehr bestimmt das Grundgesetz, dass Änderungen es Grundgesetzes, die seine Basis auch nur „berühren“, nzulässig sind. Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes gibt em Bundestag nicht das Recht, sich im Namen der und nter Berufung auf die grundgesetzliche Legitimation ber das Grundgesetz hinwegzusetzen. Das Grundgesetz at die Verfahrensweise für den Fall, dass eine neue, dem rundgesetz übergeordnete Verfassung in Kraft treten oll, in Art. 146 ausdrücklich und klar geregelt. Dort eißt es: Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Damit besteht heute die begründete Gefahr, dass urch das soeben zur Abstimmung vorgelegte Gesetz as demokratische Fundamentalprinzip verletzt wird, ass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Ein derartig eit reichendes Verfassungsgesetz kann nur auf einem eferendum des deutschen Volkes über ein neues Verassungsgesetz beruhen. Dass der Bundestag, der unserer evölkerung eine Volksabstimmung über den Verfasungsvertrag ausdrücklich verweigert, mit seiner heutien Abstimmung auch noch auf unser Nachbarland rankreich Einfluss nehmen will, wo in wenigen Tagen ine Volksabstimmung stattfindet, wirkt vor diesem Hinrgrund besonders unangebracht. Es gibt eine Reihe vielfältiger inhaltlicher Einwen ungen gegen den Verfassungsvertrag, die mich an der ustimmung hindern und die ich im Einzelnen schriftch zu Protokoll gebe. Diese Einwände gegen das Zutimmungsgesetz machen eine Verfassungsbeschwerde nd eine Organklage unumgänglich, um dem Bundeserfassungsgericht die Gelegenheit zu geben, nach Maßabe seines Beschlusses vom 28. April 2005 die Verfasungsmäßigkeit dieses Zustimmungsgesetzes und der it der Verabschiedung verbundenen Vorgänge in einem Dr. Peter Gauweiler Hauptsacheverfahren zu überprüfen. Dies wird geschehen. Ich erteile dem Kollegen Manfred Carstens das Wort. Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meiner Fraktion gegenüber habe ich bereits dargelegt, was ich jetzt noch vor dem Deutschen Bundestag sagen möchte: weswegen ich mich nicht imstande sehe, dem Vertrag über eine Verfassung für Europa zuzustimmen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass dieses Vertragswerk nach meiner Einschätzung eine Verbesserung des Vertrages von Nizza, also ein Fortschritt, ist. Daher möchte ich mich bei denen bedanken, die über diesen Vertrag verhandelt haben. Dass ich gegen diesen Verfassungsvertrag stimme, liegt nicht daran, dass ich irgendetwas gegen Europa habe. Mir liegt sehr an einer gedeihlichen Weiterentwicklung Europas. Es gibt aber einen Aspekt, der für mich so bedeutsam ist, dass ich nicht zustimmen kann. Obwohl man sich sehr bemüht hat, hat man nach all den Beratungen in dem Verfassungsvertrag keinen Platz für Gott und die Verantwortung vor ihm gefunden. Damit meine ich Gott den Dreifaltigen, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Man könnte sagen: Auch in vorherigen europäischen Verträgen war die Bezeichnung „Gott“ nicht enthalten, also ist es nicht schlimm, wenn sie auch in diesen Vertrag nicht aufgenommen ist. Wer das sagt, der hat nicht die Bedeutung dieses Verfassungsvertrages vor Augen: Es ist das erste Mal in der Geschichte der EU, dass man sich durch einen Vertrag eine Verfassung gibt. Diese Verfassung ist von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass der Begriff „Gott“ nicht versehentlich nicht aufgenommen wurde; man hat IHN also nicht vergessen. Vielmehr hat es erhebliche Anstrengungen gegeben, nicht zuletzt seitens der CDU/CSU-Fraktion, hier im Deutschen Bundestag und auf europäischer Ebene, das nachträglich zu heilen. Diejenigen aber, die sich dagegengestellt haben, Gott in das Verfassungsgesetz aufzunehmen, haben sich durchgesetzt, sodass Gott – aus welchen Gründen auch immer – wissentlich und gewollt nicht in die Verfassung gekommen ist. Aufgrund dieses Tatbestandes kann ich diesem Verfassungsgesetz nicht zustimmen. Das hat vor allen Dingen damit zu tun, dass ich zuinnerst davon überzeugt bin, dass das große Werk, Europa in den nächsten Jahrzehnten – und hoffentlich länger – in Frieden und Freiheit, in gegenseitiger Rücksichtnahme und partnerschaftlich zusammenzuführen, ohne Gottes Hilfe nicht zu vollbringen ist. Da das, was in diesem Vertrag fehlt, derartig nachhaltig ist, kann ich meine Zustimmung einfach nicht geben. e m z e 2 H u d e w i A t z m S P D d w s ß s o s s g n r d d t ü V E b m D M (C (D Ich wünsche diesem Europa, zu dem wir alle gehören, ine gute Zukunft, obwohl ich hier jetzt Nein sagen uss. Danke schön. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun ur Abstimmung über den von der Bundesregierung ingebrachten Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 9. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa. ierbei handelt es sich um die Drucksachen 15/4900 nd 15/4939. Der Ausschuss für die Angelegenheiten er Europäischen Union empfiehlt in seiner Beschlussmpfehlung auf Drucksache 15/5491, den Gesetzenturf anzunehmen. Ich weise darauf hin, dass nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 n Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes zur nnahme dieses Gesetzentwurfs bei der zweiten Beraung und der Schlussabstimmung die Zustimmung von wei Dritteln der Mitglieder des Bundestages, das heißt indestens 401 Stimmen, erforderlich ist. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Haben die chriftführerinnen und Schriftführer die vorgesehenen lätze eingenommen? – Das scheint der Fall zu sein. ann eröffne ich die Abstimmung. Ich darf während dieser namentlichen Abstimmung arauf hinweisen, dass unmittelbar im Anschluss daran eitere, mit diesem Verfassungsvertrag verbundene Entcheidungen zu Begleitgesetzen und zu einem Entschlieungsantrag anstehen. Ich bitte um entsprechende Präenz. Gibt es noch einen Kollegen oder eine Kollegin, der der die die Stimme nicht abgeben konnte? – Das cheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abtimmung. Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen des Er ebnisses der namentlichen Abstimmung. Unmittelbar ach Bekanntgabe des Ergebnisses führen wir die weiteen Abstimmungen zu diesem Tagesordnungspunkt urch. Die Sitzung ist unterbrochen. Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe Ihnen as von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermitelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung ber den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem ertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für uropa bekannt. Abgegebene Stimmen 594. Mit Ja haen gestimmt 569, it Nein haben gestimmt 23; es gibt zwei Enthaltungen. amit ist der Gesetzentwurf mit der erforderlichen ehrheit angenommen. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 594; davon ja: 569 nein: 23 enthalten: 2 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel Klaus Barthel Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Elvira Drobinski-Weiss Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Hans Forster Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich Iris Gleicke Günter Gloser U R A D M K G A W K H B K A M N H R R D G P M G G S G J W Ir F E K C L B R K J U D U H K L H A D D W F K R A E N V D A H H U D C C we Göllner enate Gradistanac ngelika Graf ieter Grasedieck onika Griefahn erstin Griese abriele Groneberg chim Großmann olfgang Grotthaus arl-Hermann Haack ans-Joachim Hacker ettina Hagedorn laus Hagemann lfred Hartenbach ichael Hartmann ina Hauer ubertus Heil einhold Hemker olf Hempelmann r. Barbara Hendricks ustav Herzog etra Heß onika Heubaum isela Hilbrecht abriele Hiller-Ohm tephan Hilsberg erd Höfer elena Hoffmann alter Hoffmann is Hoffmann rank Hofmann ike Hovermann laas Hübner hristel Humme othar Ibrügger runhilde Irber enate Jäger laus-Werner Jonas ohannes Kahrs lrich Kasparick r. h. c. Susanne Kastner lrich Kelber ans-Peter Kemper laus Kirschner ars Klingbeil ans-Ulrich Klose strid Klug r. Bärbel Kofler r. Heinz Köhler alter Kolbow ritz Rudolf Körper arin Kortmann olf Kramer nette Kramme rnst Kranz icolette Kressl olker Kröning r. Hans-Ulrich Krüger ngelika Krüger-Leißner orst Kubatschka elga Kühn-Mengel te Kumpf r. Uwe Küster hristine Lambrecht hristian Lange C W D E G G E D D T L C H M U P U A U M C F D V D D H H J J D F D K G D C W R D K M G O M T A A G R B S H H U S D W H C W O K F W hristine Lehder altraud Lehn r. Elke Leonhard ckhart Lewering ötz-Peter Lohmann abriele Lösekrug-Möller rika Lotz r. Christine Lucyga irk Manzewski obias Marhold othar Mark aren Marks ilde Mattheis arkus Meckel lrike Mehl etra-Evelyne Merkel lrike Merten ngelika Mertens rsula Mogg ichael Müller hristian Müller ranz Müntefering r. Rolf Mützenich olker Neumann ietmar Nietan r. Erika Ober olger Ortel einz Paula ohannes Pflug oachim Poß r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe arin Rehbock-Zureich erold Reichenbach r. Carola Reimann hristel RiemannHanewinckel alter Riester ene Röspel r. Ernst Dieter Rossmann arin Roth ichael Roth erhard Rübenkönig rtwin Runde arlene Rupprecht homas Sauer nton Schaaf xel Schäfer udrun Schaich-Walch udolf Scharping ernd Scheelen iegfried Scheffler orst Schild orst Schmidbauer lla Schmidt ilvia Schmidt agmar Schmidt ilhelm Schmidt einz Schmitt arsten Schneider alter Schöler laf Scholz arsten Schönfeld ritz Schösser ilfried Schreck O G B R S D D R E D D W D J D L R C R D J J J D W F H R S J U D H H A P R G G D H L In D A J H D B E B D V W H U M D C U Il P A (C (D ttmar Schreiner erhard Schröder rigitte Schulte einhard Schultz wen Schulz r. Angelica Schwall-Düren r. Martin Schwanholz olf Schwanitz rika Simm r. Sigrid Skarpelis-Sperk r. Cornelie SonntagWolgast olfgang Spanier r. Margrit Spielmann örg-Otto Spiller r. Ditmar Staffelt udwig Stiegler olf Stöckel hristoph Strässer ita Streb-Hesse r. Peter Struck oachim Stünker örg Tauss ella Teuchner r. Gerald Thalheim olfgang Thierse ranz Thönnes ans-Jürgen Uhl üdiger Veit imone Violka örg Vogelsänger te Vogt r. Marlies Volkmer ans Georg Wagner edi Wegener ndreas Weigel etra Weis einhard Weis unter Weißgerber ert Weisskirchen r. Rainer Wend ildegard Wester ydia Westrich ge Wettig-Danielmeier r. Margrit Wetzel ndrea Wicklein ürgen Wieczorek eidemarie Wieczorek-Zeul r. Dieter Wiefelspütz rigitte Wimmer ngelbert Wistuba arbara Wittig r. Wolfgang Wodarg erena Wohlleben altraud Wolff eidi Wright ta Zapf anfred Helmut Zöllmer r. Christoph Zöpel DU/CSU lrich Adam se Aigner eter Altmaier rtur Auernhammer Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner Cajus Julius Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Roland Dieckmann Vera Dominke Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Anke Eymer Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer Dirk Fischer Axel E. Fischer (KarlsruheLand)


(B)





(A) )


(B) )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517503900
Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1517504000

(Zuruf von der SPD: Wir verzichten!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517504100

(Unterbrechung von 12.44 bis 12.50 Uhr)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517504200

(Anhaltender Beifall im ganzen Hause)





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(Hildesheim)


(Extertal)


(Wackernheim)


(Darmstadt)


(Tuchenbach)


(Nürnberg)


(Everswinkel)


(Wiesloch)


(Wolmirstedt)





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(B) )


(Reutlingen)


(Bönstrup)


(Schönebeck)


Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel

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elmut Heiderich
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iegfried Helias
da Carmen Freia Heller
ichael Hennrich
ürgen Herrmann
ernd Heynemann
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laus Hofbauer
oachim Hörster
ubert Hüppe
usanne Jaffke
r. Peter Jahr
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
mgard Karwatzki
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(VillingenSchwenningen)

erlinde Kaupa
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ürgen Klimke
ulia Klöckner
ristina Köhler (Wiesbaden)

orbert Königshofen
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r. Martina Krogmann
r. Hermann Kues
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r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

r. Norbert Lammert
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rsula Lietz
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r. Klaus W. Lippold

(Offenbach)

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r. Michael Luther
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(Recklinghausen)

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r. Conny Mayer (Freiburg)

r. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)

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r. Michael Meister
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tefan Müller (Erlangen)

ernward Müller (Gera)

ernd Neumann (Bremen)

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r. Georg Nüßlein
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duard Oswald
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r. Peter Paziorek
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
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r. Friedbert Pflüger
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r. Peter Ramsauer
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hrista Reichard (Dresden)

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r. Heinz Riesenhuber
annelore Roedel
ranz-Xaver Romer
r. Klaus Rose
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r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
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lbert Rupprecht (Weiden)

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nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
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ndreas Schmidt (Mülheim)

r. Andreas Schockenhoff
r. Ole Schröder
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(A) )


(B) )

Plenarsitzung, aber auch
Rundfunkzuhörer darauf
cheidung ein monatelan-
sprozess zum Abschluss
tzende von Sitzungen in
undestages, in Arbeits-
in Fachkonferenzen und
Deutschen Bundestages

en Hause)
eiteren Abstimmungen in
spunkt 4 b. Abweichend
vorgesehenen Reihen-
r Abstimmung über den
r CDU/CSU auf Druck-
g der Mitwirkungsrechte
Angelegenheiten der Eu-
huss für die Angelegen-
n empfiehlt unter Nr. 2
uf Drucksache 15/5492,
en. Ich bitte diejenigen,

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eiten der Europäischen Union
er Beschlussempfehlung auf D
esetzentwurf in der Aussch
ch bitte diejenigen, die dem
usschussfassung zustimmen
hen. – Wer stimmt dagegen?
timme? – Damit ist der Geset
ung einstimmig angenommen.


(Beifall bei Abgeord Dritte Bera nd Schlussabstimmung. Ich b esetzentwurf zustimmen wo er stimmt dagegen? – Wer en er Gesetzentwurf ist einstimm estag angenommen. (Beifall im ganz Wir stimmen nun über de chließungsantrag auf Drucks timmt für diesen Entschließun agegen? – Wer enthält sich de instimmig so beschlossen. empfiehlt unter Nr. 1 seirucksache 15/5492, den ussfassung anzunehmen. Gesetzentwurf in dieser wollen, um ihr Handzei – Wer enthält sich der zentwurf in zweiter Bera neten der SPD)

tung
itte diejenigen, die dem
llen, sich zu erheben. –
thält sich der Stimme? –
ig vom Deutschen Bun-

en Hause)
n interfraktionellen Ent-
ache 15/5493 ab. Wer
gsantrag? – Wer stimmt
r Stimme? – Auch dies ist
Europa fort. Drucksache 15/4925. Der Ausschuss für die Angelegen-
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Ingolstadt)

Werner Schulz (Berlin)

Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)

FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr (Münster)

Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke

Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns allen ist be-
wusst, dass dies keine Routineentscheidung gewesen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mit dieser überwältigenden Zustimmung zum europäi-
schen Verfassungsvertrag setzt der Deutsche Bundestag
die Serie seiner eindrucksvollen Voten zum europäi-
schen Integrationsprozess und zur Rolle Deutschlands in

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(C (D berhard Otto etlef Parr ornelia Pieper isela Piltz r. Andreas Pinkwart r. Hermann Otto Solms r. Max Stadler r. Rainer Stinner arl-Ludwig Thiele r. Dieter Thomae ürgen Türk r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing ein DU/CSU anfred Carstens lexander Dobrindt homas Dörflinger lbrecht Feibel erbert Frankenhauser r. Hans-Peter Friedrich r. Peter Gauweiler Klaus-Jürgen Hedrich Ernst Hinsken Robert Hochbaum Manfred Kolbe Hartmut Koschyk Rudolf Kraus Barbara Lanzinger Doris Meyer Dr. Gerd Müller Franz Obermeier Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Marion Seib Johannes Singhammer Fraktionslose Abgeordnete Martin Hohmann Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau Enthalten SPD Dr. Hermann Scheer Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker ie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das andzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält ich der Stimme? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter eratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Gechäftsordnung die weitere Beratung. Nun kommen wir zur Abstimmung über den von den raktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ingebrachten Gesetzentwurf über die Ausweitung und tärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesraes in Angelegenheiten der Europäischen Union auf Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp fehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union auf Drucksache 15/5492 fort. Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/4936 zur Stärkung der Rolle des Deutschen Bundestages bei der Begleitung, Mitgestaltung und Kontrolle europäischer Gesetzgebung durch die getroffenen Entscheidungen für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Diese Empfehlung ist einstimmig so angenommen. Unter Nr. 4 empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4937 mit dem Titel „Für mehr Mitsprache des Deutschen Bundestages bei der Rechtsetzung der Europäischen Union nach InKraft-Treten des Verfassungsvertrags“ ebenfalls für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Damit sind wir am Schluss dieses Tagesordnungspunktes. Ich bedanke mich bei allen für die disziplinierte Mitwirkung. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ute Granold, Siegfried Kauder (VillingenSchwenningen)


(Hof)





(A) )


(B) )

Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU
eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechts-
änderungsgesetzes – §§ 232 a, 233 c StGB

(… StrÄndG)

– Drucksache 15/5326 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Kollegin Ute Granold für die CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1517504300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir haben bereits im letzten Jahr das Thema
Menschenhandelsdelikte im Deutschen Bundestag bera-
ten und darüber abgestimmt. Dabei haben wir im We-
sentlichen den Rahmenbeschluss der EU vom Juli 2002
zur Bekämpfung des Menschenhandels umgesetzt. In
den Beratungen konnte die Union wesentliche Verbesse-
rungen gegenüber dem Entwurf der Koalition erreichen.

Wir hatten schon damals einen Antrag eingebracht,
die Freier von Zwangsprostituierten unter Strafe zu stel-

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(C (D en. Mit Rücksicht auf die bereits abgelaufene Umsetungsfrist und im Hinblick auf die Zusicherung der Bunesregierung, unseren Antrag ergebnisoffen zu beraten, aren wir einverstanden, unseren Antrag abzukoppeln. eute ist unser Gesetzentwurf, der noch um die Überwahung der Telekommunikation erweitert wurde – hier seen wir weiteren Handlungsbedarf –, in der Beratung. Die jüngst durchgeführte Sachverständigenanhörung u den Menschenhandelsdelikten hat ergeben, dass der enschenhandel typischerweise konspirativ verübt ird. Deshalb kommt der Telefonüberwachung nicht nur ei den schwersten Fällen des Menschenhandels höchser Stellenwert zu. Menschenhandel – das heißt im Kern: Frauenund ädchenhandel – war und ist für die Union ein Thema, as ständig auf der Agenda ist. Ich kann beim besten illen die Aufgeregtheit von Bündnis 90/Die Grünen icht verstehen. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich habe mich doch gar nicht aufgeregt! Ich bin ganz ruhig!)


ffenbar geht es Ihnen mehr um die Bekämpfung der
nion als um die Rechte der geschändeten Frauen.
Dank des Visa-Untersuchungsausschusses steht der
enschenhandel im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Da
esteht Betroffenheit. Es geht um die Verletzung der
enschenrechte und um die Verletzung der Menschen-
ürde in übelster Form. Die Union fordert die Bekämp-
ung des Menschenhandels – konsequent mit allen Mit-
eln und in allen Bereichen. Dazu gehören nicht nur die
üngst beschlossene Verschärfung der Gesetze gegen
enschenhändler und die notwendige Verbesserung des
pferschutzes, sondern auch die Bestrafung der Freier
on Zwangsprostituierten. Sie sind die wahren Ausbeu-
er. Erst die Kunden schaffen den Markt. Ohne Nach-
rage kein Angebot und damit auch kein Leid der
rauen! Die Frauen-Union hat bereits auf ihrem Bundes-
elegiertentag 2003 ein Maßnahmenpaket zur Bekämp-
ung des Menschenhandels beschlossen und dabei eben-
alls gefordert, dass die Freier von Zwangsprostituierten
estraft werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich war im Mai letzten Jahres mit meinem Kollegen
iegfried Kauder – er wird unseren Gesetzentwurf
leich im Detail erläutern – in Tschechien im Grenzge-
iet zu Bayern. Wir haben die Situation in Domazlice,
inem kleinen Landkreis mit dem größten Bordell
uropas – 40 Bordelle mit 800 Prostituierten –, angese-
en und Gespräche mit der dortigen Polizei und auch mit
ilfsorganisationen geführt. Frauen und Mädchen vor-
ehmlich aus Tschechien, der Ukraine, Rumänien, der
lowakei und Moldawien werden hier gesammelt, ein-
earbeitet und dann quer durch Europa verkauft.
eutschland ist dabei sowohl Transit- als auch Zielland.
as ist Sklavenhandel im 21. Jahrhundert – mitten in
uropa, mitten unter uns.


(Beifall der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU])







(A) )



(B) )


Ute Granold

Nach Schätzungen der UN werden allein in Europa

Jahr für Jahr 500 000 Frauen und Mädchen verschleppt
und zur Prostitution gezwungen. Damit werden etwa
10 Milliarden Euro umgesetzt. Weltweit sind es 60 Mil-
liarden Euro und etwa 4 Millionen Frauen, die als Ware
gehandelt werden. Frauenhandel ist heute das lukra-
tivste, das expansivste und das risikoärmste Geschäft der
organisierten Kriminalität und hat längst den Waffen-
und Drogenhandel abgelöst.

Wie sieht es bei uns in Deutschland aus? Berlin ist
längst – so der Bundesaußenminister im Oktober 2001
auf der OSZE-Konferenz „Europa gegen den Menschen-
handel“ – zur Drehscheibe des internationalen Men-
schenhandels geworden. Es gibt unterschiedliche Zah-
len. Als gesichert gilt, dass in Deutschland etwa
250 000 Prostituierte leben und arbeiten. 80 Prozent da-
von sind Migrantinnen. Jede zweite davon ist in der
Zwangsprostitution. Das heißt, bei uns sind etwa
100 000 Frauen in der Zwangsprostitution und dabei ist
jede Frau eine Frau zu viel. Es wird weiter davon ausge-
gangen, dass von etwa 34 Millionen männlichen Volljäh-
rigen in Deutschland täglich bis zu 1,2 Millionen die
Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen.

Ich habe dieser Tage die Diplomarbeit einer Studentin
der Sozialwissenschaften der FH Potsdam erhalten. Sie
ist vom März 2005 und befasst sich mit der Prostitution,
einer Bestandsaufnahme und einer Handlungsaufforde-
rung – auch an die Politik. Ich habe die Arbeit sehr inte-
ressiert, aber auch erschüttert gelesen. Sie endet mit den
Worten:

Es ist, wenn wir Glück haben, fünf vor zwölf.
Das sind klare Worte.

Wir alle sind aufgefordert, den Opfern von Men-
schenhandel, den Zwangsprostituierten mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln zu helfen. Dies betrifft im
Übrigen Frauen aus allen Bevölkerungsschichten mit
den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen.

Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt. Das heißt,
nur durch polizeiliche Razzien können Zwangsprostitu-
ierte überhaupt gefunden und befreit werden. Ich erin-
nere an die jüngste Großrazzia im Raum Hannover mit
230 Einsatzkräften und 31 Festnahmen. Dabei konnten
15 Zwangsprostituierte aufgegriffen werden.

Frau Schewe-Gerigk, auch wenn Sie es immer wieder
heftigst bestreiten: Das Prostitutionsgesetz aus dem
Jahre 2002 hat dazu geführt, dass kaum noch erfolgrei-
che Razzien


(Joachim Stünker [SPD]: Stimmt doch nicht! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wiederholen es immer wieder, auch wenn es falsch ist!)


durchgeführt werden können. Ihr Verweis auf die poli-
zeiliche Generalklausel in den Ländern hilft da wenig.
Geldnot und mancherorts auch der fehlende politische
Wille spielen sicherlich eine Rolle, aber Hauptgrund ist
das Prostitutionsgesetz.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie in den Ländern dafür sorgen, dass die Polizei besser ausgestattet ist!)


Mit dem Prostitutionsgesetz wurde die Prostitution,
ür die in den Medien stark geworben wird, hoffähig ge-
acht. Sie ist eine legale Dienstleistung wie jede andere
eworden und führt bei konsequenter Anwendung von
artz IV sogar so weit, dass Leistungskürzungen bei
erweigerung der Arbeitsaufnahme entstehen können.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh, jetzt erzählen Sie schon wieder so einen Blödsinn! Das gibt es doch gar nicht!)


en Frauen wurde damit nicht geholfen, ganz im Gegen-
eil: Kaum eine hat sich zwischenzeitlich sozialversi-
hern lassen. Die Förderung der Prostitution ist nicht
ehr strafbar. Die Polizei spricht hier sogar von einem
uhälterschutzgesetz.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das ist die Realität!)


Sie wissen, dass sich der Bundesrat derzeit auf Initia-
ive Bayerns ebenfalls mit der Bestrafung der Freier bei
wangsprostitution befasst und darüber hinaus das Pros-
itutionsgesetz auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wir
erden über dieses unsägliche Gesetz noch zu reden ha-
en.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ich empfehle im Übrigen die Lektüre der eingangs er-
ähnten Diplomarbeit. Prostitution ist ein Verstoß gegen
ie Menschenwürde. Sie ist keine Dienstleistung wie
ede andere. Das zu meinen oder zu verbreiten ist meines
rachtens zynisch. Die Diplomandin war – ich zitiere –
über die Abgründe des Themas fassungslos“. In ihrem
nschreiben an mich heißt es unter anderem:

Die Recherche hat mich in meinen politischen
Grundfesten erschüttert – denn bis dato war ich
treue Grünen- und PDS-Wählerin.

Ich erwähne an dieser Stelle auch Alice Schwarzer, si-
herlich keine Sympathisantin der Union. Sie äußerte
ich gleich lautend. Ich könnte die Reihe beliebig fort-
etzen.
Viele Zwangsprostituierte – zu 80 Prozent Migrantin-

en, wie eingangs erwähnt – sind in den vergangenen
ahren nicht mehr über die grüne Grenze, sondern mit-
els Visa vermeintlich legal nach Deutschland gekom-
en.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist das in der EU!)


ie „Lageberichte Menschenhandel“ des BKA von 1999
is 2003 bestätigen dies. Für die Schlepper bestand
eine Gefahr mehr, aufzufliegen; der Preis für die
chleusung konnte erhöht werden und die Gewinne wur-






(A) )



(B) )


Ute Granold

den noch satter. Der Handel blühte und blüht, solange
ihm nicht Einhalt geboten wird.

Der EU-Justizkommissar Frattini ist bekanntlich mit
der Überprüfung der Visapraxis befasst; denn davon ist
der gesamte Schengen-Raum betroffen. Nach einer ers-
ten Bewertung liegt ein Verstoß Deutschlands gegen EU-
Recht vor.


(Joachim Stünker [SPD]: Reden Sie doch mal über Ihren Gesetzentwurf!)


Da Menschenhandel ein Delikt ist, das keine Grenzen
kennt, und die mafiosen Verbrecher weltweit agieren,
muss nicht nur auf europäischer, sondern auch auf inter-
nationaler Ebene eng zusammengearbeitet werden. Dazu
gehört auch, dass die entsprechenden Rechtsvorschriften
zeitnah umgesetzt werden. Hier bestehen in Deutschland
erhebliche Defizite: Der EU-Rahmenbeschluss zur Be-
kämpfung des Menschenhandels wurde erst nach Ablauf
der Umsetzungsfrist verabschiedet. Die Richtlinie zur
Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Be-
kämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durch-
reise ist trotz Fristablaufs bis heute nicht umgesetzt. Die
UN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organi-
sierte Kriminalität sowie die Zusatzprotokolle gegen
Menschenhandel und Schleusungen von Migranten aus
dem Jahr 2000 sind ebenfalls noch nicht umgesetzt.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weil die Gesetze schon so sind, dass da nichts mehr umgesetzt werden muss!)


Wenn die Bekämpfung des Menschenhandels und der
Zwangsprostitution ganz oben auf der Agenda steht,
dann ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass die
Rechtsetzung zeitnah erfolgt.

Das gilt auch in diesem Fall. Die strafrechtliche Be-
kämpfung der Zwangsprostitution kann erst dann ihre
volle Wirkung entfalten, wenn sie nicht länger allein auf
Zuhälter und Menschenhändler ausgerichtet ist. Diese
Drahtzieher haben erst durch die Freier die Basis für
ihre Verbrechen, die die Notlage der Frauen schamlos
ausnutzen. Das sieht nicht nur die Union so. Auch die
Kirchen und die Opferschutzorganisationen sehen das
Erfordernis, die Freier von Zwangsprostituierten unter
Strafe zu stellen. Die Union hat erst vor einigen Tagen
ein Symposium zur Situation der Zwangsprostituierten
durchgeführt, auf dem insbesondere die Freierbestrafung
diskutiert wurde.

Der von uns eingeschlagene Weg hat sich als der rich-
tige erwiesen. Es besteht eine Gesetzeslücke. Dies wird
im Übrigen von namhaften Professoren bestätigt; Profes-
sor Renzikowski war Sachverständiger bei der Anhö-
rung zur Verschärfung der Vorschriften zur Bekämpfung
des Menschenhandels. Die Versuche gerade vom Bünd-
nis 90/Die Grünen, die Unionsinitiative mit dem Hin-
weis auf bestehende Gesetze zu Fall zu bringen, sind un-
tauglich. Ich erwähne hier die unterlassene Hilfeleistung,
die Vergewaltigung oder die Nichtanzeige einer geplan-
ten Straftat; all diese Vorschriften sind nicht einschlägig,

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(C (D m die Verhinderung von Zwangsprostitution und die reierbestrafung auf den Weg zu bringen. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Meine Damen und Herren Kollegen der Koalitionsfrak-
onen, Ihre Kollegin Helmhold hat im November 2004 im
iedersächsischen Landtag gesagt: Auch für die Freier-
estrafung wird in Kürze eine Regelung gefunden. Sie
elbst haben in den vergangenen Wochen in verschiede-
en Presseerklärungen geäußert: Über die Strafwürdig-
eit eines solchen Verhaltens besteht für uns kein Zwei-
el. Geben Sie sich einen Ruck! Zwar steht auf dem
ntrag „CDU/CSU“, aber dennoch ist er richtig und
ichtig. Die geschändeten Frauen warten auf ein Zei-
hen.
Dr. Lea Ackermann hat in ihrer 20-jährigen Tätigkeit

ei Solwodi mit vielen Zwangsprostituierten gespro-
hen, sie betreut und bei Prozessen begleitet. Sie hat sie
ach einer möglichen Bestrafung ihrer Freier befragt.
ie Frauen haben ausnahmslos gesagt, dass sie sich eine
estrafung dieser Freier wünschen. Recht haben sie.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich muss mehr getan werden, als die Freier zu

estrafen; das allein reicht nicht. Der Opferschutz muss
usgebaut werden. Beim Bundesfrauenministerium wurde
997 die Arbeitsgruppe „Frauenhandel“ eingerichtet, die
ute Arbeit geleistet hat und weiter leisten wird. Mit
em Zuwanderungsgesetz wurden Möglichkeiten ge-
chaffen, den Aufenthaltsstatus der leidgeprüften Frauen
u verbessern. Es gibt eine EU-Richtlinie über die Ertei-
ung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatenangehörige,
ie nur umgesetzt werden muss. Die Opfer und auch die
pferhilfsorganisationen brauchen dringend finanzielle
nterstützung. Die Profite aus den Straftaten müssen ab-
eschöpft, die Telefonüberwachung muss ausgeweitet
nd die internationale Zusammenarbeit muss intensiviert
erden.
Ich appelliere abschließend an alle Fraktionen in die-

em Hause, an die Opfer von Zwangsprostitution zu den-
en und die anstehenden Diskussionen nicht mit ideolo-
ischen Scheuklappen zu führen. Dieses Thema ist zu
ichtig und das Leid der vielen Frauen ist zu groß. Es
ibt in Deutschland über 100 000 Frauen, die wie Tiere
ehalten werden, die keine Freiheit und keine Men-
chenwürde mehr haben. Wir würden uns freuen, wenn
en Frauen, die schon hier sind, geholfen wird und wenn
urch die Gesetzgebung erreicht wird, dass keine Frauen
inzukommen, sodass ihnen dieses Schicksal erspart
leibt.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Frauen lassen Sie doch immer abschieben!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517504400

Das Wort hat jetzt die Kollegin Erika Simm von der

PD-Fraktion.






(A) )



(B) )



Erika Simm (SPD):
Rede ID: ID1517504500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Granold, wenn man Ihnen zuhört, hat man das Ge-
fühl, dass Sie hier zwar über vieles, nicht aber über den
Anlass der heutigen Aussprache, den von Ihnen vorge-
legten Gesetzentwurf, geredet haben.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie im Untersuchungsausschuss! – Zuruf von der CDU/CSU: Von uns kommen ja zwei Redner!)


Ich allerdings werde mich bemühen, das, soweit es in
der mir zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist, zu
tun. Allerdings kann ich mich nicht des Eindrucks er-
wehren – vielmehr wird er durch einiges von dem, was
Sie gesagt haben, noch bestätigt –, dass es der Union bei
diesem Thema eher darum geht, den unbewiesenen Vor-
wurf zu untermauern, dass durch die so genannte Visaaf-
färe massenhaft Frauen in die Zwangsprostitution getrie-
ben worden seien, statt darum, eine angemessene
gesetzliche Regelung zu finden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was sie im Visa-Ausschuss machen, wird hier im Bundestag wiederholt! – Zuruf von der CDU/CSU: Woher kommt denn dieser Vorwurf?)


– Ich habe mir die Mühe gemacht, im Protokoll des Bun-
desrates die Rede von Frau Merk nachzulesen, die auch
in diese Richtung ging.

Ich selbst komme aus Ostbayern und kenne die Pro-
bleme mit dem Sextourismus, die es dort seit der Grenz-
öffnung gibt. Unsere Polizei schätzt, dass täglich etwa
2 000 Freier die Grenze überqueren, um in Tschechien
die Dienste von Prostituierten zu nutzen. Ständig gibt es
auch entsprechende Veröffentlichungen in regionalen
Zeitungen. Man kann davon ausgehen, dass die Freier
aufgrund dieser Veröffentlichungen wissen, dass unter
diesen Prostituierten auch eine ganze Reihe von Frauen
sind, die Opfer eines Menschenhandels geworden sind
und Prostitution nur unter Zwang ausüben.

Auch können wir davon ausgehen – hier gebe ich Ih-
nen Recht –, dass es das Angebot der Prostitution – je-
denfalls das der Zwangsprostitution – ohne die Nachfrage
der Freier nicht in dem Ausmaß gäbe, wie es gegenwärtig
der Fall ist. Ich persönlich unterstütze – auch aufgrund
meiner Antipathie gegen diese zum Teil biederen Bür-
ger, die dort regelmäßig hinfahren – Bestrebungen, nach
einem Weg zu suchen, wie wir Freier – zumindest dieje-
nigen, die erkennbar nach Zwangsprostituierten su-
chen – strafrechtlich belangen können.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie Ih-
ren Antrag im Rahmen der Beratungen über die neuen
Menschenhandelstatbestände erst sehr spät einge-
bracht haben. Dabei waren wir übereingekommen, dass
es doch nicht ganz so einfach ist, diesen Straftatbestand
praktikabel auszugestalten, dass wir dieses Vorhaben da-
her zurückstellen und uns um gemeinsame Lösungen be-
mühen werden.

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(C (D Nun sind Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vorgeprescht. r ist so gestrickt, dass ich nicht das ernsthafte Bemühen rkennen kann, zu einer Lösung dieses Problems zu ommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch kann das nicht in allen Details begründen. Wir wer-
en darüber im Ausschuss beraten und sicherlich auch
nhörungen dazu durchführen. Aber sehen Sie sich al-
ein die Konstruktion des Grundtatbestandes in § 232 a
bs. 1 des Strafgesetzbuches an: Die Vorsatztat setzt
ine Vortat nach § 232 des Strafgesetzbuches voraus.
ie Frau muss also Opfer eines Menschenhandels ge-
orden sein. Das Gericht muss das als erwiesene Vortat
eststellen. Inwieweit muss das Gericht dann eigentlich
ie Vortat erforschen? Die Vortat muss vom Vorsatz des
äters umfasst werden. Aufgrund meiner Strafrechtspra-
is beurteile ich diese Regelung als in der Praxis nicht
andhabbar. Sie wird zu keinen Verurteilungen führen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben das Problem auch erkannt – wir hatten ja

m Vorfeld darüber geredet – und haben in einem Fahr-
ässigkeitstatbestand Ausflucht gesucht, wonach ein
äter auch strafbar ist, wenn er sexuelle Beziehungen zu
inem solchen Opfer eines Menschenhandels aufnimmt
nd leichtfertig die Lage des Opfers nicht erkennt. Ich
age Ihnen aus meiner Erfahrung heraus: Leichtfertigkeit
st im Strafrecht mitnichten einfacher nachzuweisen als
inen Vorsatz oder gar einen bedingten Vorsatz. Leicht-
ertigkeit ist ein gesteigertes Maß an Sorgfaltspflichtver-
etzung, das Außer-Acht-Lassen all dessen, was man je-
andem im Auge zu haben und bei einem bestimmten
organg zu beachten zumuten kann. Sie werden – das
age ich Ihnen voraus – auch damit zu keinen Verurtei-
ungen kommen, machen aber gerade für die Freier ein
reites Feld von Ausflüchten auf. Möglicherweise wer-
en geschickte Verteidiger Gutachten beantragen, um
en Beweis zu führen, dass der Angeklagte aufgrund sei-
er Vorbildung nicht intelligent genug war zu erkennen,
n welcher Situation er sich befindet. In meinen Augen
st das völlig untauglich.
Der Bundesrat hat diesen Teil Ihrer Strafvorschrift,

ie insoweit identisch ist mit dem Gesetzentwurf von
ayern im Bundesrat, in seinen Beratungen zu Recht ge-
trichen. Aber Sie sind unbeeindruckt; es geht Ihnen in
ahrheit wohl nicht um eine sachgerechte Lösung.
enn unverdrossen haben Sie das hier trotzdem so ein-
ebracht und halten es erkennbar aufrecht.
Mir ist noch einiges aufgefallen, auf das Sie hinzu-
eisen ich der Boshaftigkeit halber nicht unterdrücken
ann, weil es für mich ein Hinweis darauf ist, dass Sie
hren Gesetzentwurf nicht mit letzter Konsequenz zu
nde gedacht haben, dass Sie insbesondere die Konse-
uenzen aus diesem Fahrlässigkeitstatbestand nicht be-
acht haben. Das hat nun zur Folge, dass plötzlich in § 5,
n dem die Auslandstaten aufgelistet sind – Taten, die
ach unserem Recht bestraft werden können, auch wenn
ie im Ausland begangen worden sind –, ein Fahrlässig-
eitstatbestand auftaucht, nämlich mit § 232 a Abs. 2.






(A) )



(B) )


Erika Simm

Ferner ist nach Ihrer Konstruktion künftig eine Fahrläs-
sigkeitstat mit einer Kronzeugenregelung bedacht und
auch eine Telekommunikationsüberwachung kann we-
gen einer Fahrlässigkeitstat anordnet werden. Ich bitte,
noch einmal zu überlegen, ob Sie da nicht ein Stück weit
über das hinausgeschossen sind, was – unter Juristen je-
denfalls – diskutabel ist. Denn alle diese Dinge – Aus-
landsstrafbarkeit, Kronzeugenregelung, Telekommuni-
kationsüberwachung – sehen wir in unserem Strafgesetz
bisher nur bei schweren Taten, bei Vorsatztaten und auch
dabei nur bei solchen mit einigem Gewicht vor. Sie se-
hen das alles jetzt für eine Fahrlässigkeitstat vor, die Sie
im Höchstmaß mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedrohen
– das heißt im Regelfall: Geldstrafe – und die Sie damit
selber am untersten Rand der Strafbarkeit überhaupt an-
gesiedelt haben. Die Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens
bitte ich noch einmal zu bedenken.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Scheinheilig!)


Wir haben uns dem Thema seriös genähert: Wir haben
eine Expertenanhörung durchgeführt. Wir sind durch die
Expertenanhörung noch nicht so ganz schlau geworden;
da gibt es noch eine ganze Reihe Fragen zu beantworten.
Wir werden aber weiter an dem Thema bleiben und uns
um eine angemessene Lösung bemühen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517504600

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Jörg van Essen von

der FDP-Fraktion.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1517504700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist schon mehrfach daran erinnert worden: Wir hatten bei
der gemeinsamen Verabschiedung der verschärften Be-
stimmungen zum Menschenhandel verabredet, das
Thema der Bestrafung von Freiern anzugehen. Wir ha-
ben heute die erste Lesung. Erste Lesung bedeutet, dass
man einen Vorschlag vorläufig bewertet und dass man
deutlich macht, wo man Fragezeichen sieht und wie die
eigene Position am Beginn der Beratungen im Plenum
ist.

Bevor ich zu Einzelheiten komme, möchte ich auf
zwei Gesichtspunkte hinweisen, die mir außerordentlich
wichtig sind:

Die erste Bemerkung. Viel bedeutender noch als mög-
liche strafrechtliche Änderungen ist für mich, dass wir
ein allgemeines gesellschaftliches Klima schaffen,
durch das wir deutlich machen, dass wir Zwangsprosti-
tution nicht akzeptieren.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich will in diesem Zusammenhang nicht verschweigen,
dass es mich ganz außerordentlich ärgert, dass uns eine
prominente Person, die dadurch aufgefallen ist, dass sie
auf entsprechende Anzeigen sexuelle Dienstleistungen
in Anspruch genommen hat, nach kürzester Zeit schon

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(C (D ieder auf dem Bildschirm begegnet, dass es keinen rotest dagegen gibt (Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/ CSU)


nd dass es ganz offensichtlich als selbstverständlich
ingenommen wird, dass jemand, der sich so verhalten
at, wieder durch Fernsehsendungen führen kann. Ich
alte das für nicht erträglich.


(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/ CSU)


Die zweite Bemerkung. Zu den Dingen, die wir in der
etzten Zeit feststellen mussten und durch die die Situa-
ion von Zwangsprostituierten nach meiner Meinung zy-
isch aufgegriffen wurde, gehörten auch die Bemerkun-
en der nordrhein-westfälischen Ministerin Bärbel
öhn, die aus ihrer Sicht deutlich gemacht hat, dass
wangsprostituierte mit Visum besser dastehen als ohne.
uch das bagatellisiert das Unrecht, das es in diesem
ereich gibt. Auch das halte ich für nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben uns verabredet, dass wir die Probleme
orgfältig prüfen werden. Dass wir sie sorgfältig prüfen
üssen, haben insbesondere die Staatsanwälte bei den
isherigen Beratungen deutlich gemacht. Die Staatsan-
älte kennen die Situation, die Frau Kollegin Granold
eschildert hat und die auch Frau Simm in ihrem Beitrag
ufgezeigt hat. Sie haben uns deutlich gemacht, wie
chwierig es ist, in diesem Bereich zu ermitteln. Ich
enke, dass wir dies berücksichtigen müssen. Es hilft
icht, dass wir hier im Bundestag eine Bestimmung ver-
bschieden, die hinterher in der Praxis nicht wirklich
auglich ist.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ine praxistaugliche Bestimmung ist für mich ein ganz
ichtiges Ziel, das wir erreichen müssen.
Auch bezogen auf einen zweiten Punkt möchte ich

ie Position der Freien Demokraten deutlich machen.
rau Granold, Sie haben sich sehr kritisch zum Prostitu-
ionsgesetz geäußert. Wir halten es für richtig, dass wir
ieses Gesetz verabschiedet haben.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir bleiben dabei. Es wird für uns kein Zurück geben.
uch das ist in diesem Zusammenhang eine wichtige
arkierung.
Bei Ihrem Gesetzentwurf, den Sie heute vorstellen,

ibt es sehr viele rechtliche Fragezeichen. Frau Simm
at ein Thema angesprochen, das mir persönlich sehr
ichtig ist. Sie wissen, dass ich mich den Telefonüber-
achungen, deren Zahl immer mehr zunimmt, widme.
ir müssen dort zu einer Neuordnung kommen. Ich for-
ere die Bundesregierung nachdrücklich auf, ihre Vor-
tellungen in diesem Bereich endlich vorzulegen.






(A) )



(B) )


Jörg van Essen

Es kann aber nicht sein, dass wir dann, wenn wir alle

wissen, dass wir in diesem Zusammenhang nachsteuern
müssen, auf einmal den Bereich der Fahrlässigkeitstaten
mit aufnehmen. Das kann nicht sein.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Insgesamt bin ich im Übrigen sehr skeptisch. Wir haben
im Bereich der Sexualdelikte bisher zu Recht keine
Fahrlässigkeitstaten. Wenn Ihr Vorschlag Gesetz werden
würde, wäre das der Einstieg dafür, dass es auch hier
Fahrlässigkeitstaten gäbe. Ich bin dort sehr zurückhal-
tend.

Insgesamt werden wir eine Lösung finden müssen.
Das ist auch der Wille der Freien Demokraten. Ich er-
kläre ausdrücklich die Bereitschaft, dass wir uns an den
Gesprächen beteiligen. Ich habe aber das Gefühl, dass
das, was Sie bisher vorgelegt haben, eher mehr Fragezei-
chen aufwirft als Antworten gibt. Damit möchte ich mei-
nen Beitrag heute hier schließen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517504800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe-

Gerigk vom Bündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über eines sind wir uns hier im Hause einig: Menschen-
handel ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverlet-
zung, ein Verbrechen an der Würde und der Freiheit der
Opfer, das mit allen Mitteln und auf allen Ebenen be-
kämpft werden muss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei den Opfern handelt es sich größtenteils um
Frauen, die meist mit falschen Jobversprechen als Au-
pairmädchen oder Bardame nach Deutschland geholt
und zur Prostitution gezwungen werden. Hier werden ih-
nen die Pässe abgenommen, sie werden verkauft und
physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Diesem
Menschen verachtenden Geschäft, das für die Men-
schenhändler nicht nur lukrativ, sondern auch risikoarm
ist, müssen wir den Boden entziehen.

Darum hat Rot-Grün eine Vielzahl von Gesetzen zum
Schutz der Opfer, aber auch zur besseren Verfolgung der
Täter beschlossen. Die Situation, die wir 1998 vorgefun-
den haben, war für die Frauen katastrophal: Wurden sie
bei Razzien ohne Papiere angetroffen, behandelte man
sie nicht etwa als Opfer von Menschenhandel, sondern
als Täterinnen, die gegen das Ausländerrecht verstoßen
hatten. Abschiebehaft oder sofortiger Rückflug war die
Folge. Die Täter blieben unerkannt, weil die Opfer nicht
mehr aussagen konnten, und konnten ihr schmutziges
Geschäft weiterführen. Sogar jetzt noch gibt es CDU-re-
gierte Länder, die den vierwöchigen Abschiebeschutz

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(C (D icht gewähren und damit eine Aufklärung der Verbrehen verhindern. Ich nenne dies Täterschutz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das von den Grünen!)


Auch heute habe ich das Gefühl, dass es Ihnen, ver-
hrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
icht wirklich um die Opfer geht, sondern um ein
hema, das sich wunderbar zu einer höchst emotionali-
ierenden und polemischen Hetze gegen die Regierungs-
arteien missbrauchen lässt. Frau Granold, ich wollte es
icht ansprechen. Aber heute sind die Zeitungen voll da-
on, dass die ILO gestern in ihrem Jahresbericht mitge-
eilt hat, dass es keinen Zusammenhang zwischen der
isapraxis und einem erhöhten Anteil von Opfern des
rauenhandels gebe. Sie aber wollen dieses Problem in-
trumentalisieren. Ihnen ist dies im Ausschuss nicht ge-
ungen; jetzt tragen Sie es hier in den Bundestag hinein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/ CSU])


u dieser Annahme führen mich vor allem die Unsach-
ichkeit und Undifferenziertheit, mit der einige – ich be-
one: einige – an dieses Thema herangehen.
Das beste Beispiel dafür – wir haben es vorhin schon
ieder gehört – ist die anhaltende Vermischung des
rauenhandels mit dem Prostitutionsgesetz. Dieses
esetz verbessert die Situation der Prostituierten, die
reiwillig und legal in Deutschland tätig sind. An den
olizeilichen Ermittlungsmöglichkeiten hat es überhaupt
ichts geändert. Noch gestern habe ich vom LKA Berlin
ehört, dass die Razzien in gleicher Intensität weiterge-
ührt werden, wie es vor dem In-Kraft-Treten des Prosti-
utionsgesetzes der Fall war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Jörg van Essen [FDP])


ie häufig Razzien durchgeführt werden, liegt also al-
ein in der Länderzuständigkeit. Daher bitte ich Sie,
iese bewusste Täuschung zu unterlassen und keine Ver-
indung zwischen Prostitutionsgesetz und Ermittlungs-
ätigkeit mehr herzustellen.
Aber nun zu Ihrem Antrag: Schon im Vermittlungs-

usschuss hatten wir Ihnen zugesagt, einen Straftatbe-
tand für jene Freier zu prüfen, die die Zwangssituation
on Menschenhandelsopfern vorsätzlich ausnutzen. Für
ich ist das ein strafwürdiges Verhalten; ich stehe daher
iner solchen Strafbarkeit offen gegenüber. Aber, liebe
olleginnen und Kollegen, gut gemeint ist ja oft nicht
ut.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Nichts gemacht ist noch schlechter!)


elbst unter den Opferverbänden, der Polizei und der
echtswissenschaft gibt es keine einheitliche Bewer-
ung.






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk

Nach einer intensiven Anhörung, die wir gemeinsam

mit der SPD durchgeführt haben, habe ich viel mehr Fra-
gen als vorher: Führte ein Straftatbestand dazu, dass die
Schleuser die Mauern um die Opfer erhöhen und diese
dadurch für die Außenwelt noch weniger sichtbar wer-
den? Könnte auch weiterhin jede fünfte Frau durch Hin-
weise eines Freiers als Opfer von Frauenhandel identifi-
ziert werden – so ist es jetzt; 20 Prozent der Freier geben
den Behörden eine Nachricht – oder würden die Männer
schweigen, weil sie sich strafbar machen? Käme es mög-
licherweise wie im Jahre 2003 in Schweden, wo ja alle
Freier bestraft werden, zu keiner Verurteilung?

Für mich steht nur eines fest: Eine gesetzliche Rege-
lung könnte durch ein klares Verbot die wichtige Signal-
wirkung entfalten, dass dieses menschenverachtende
Verhalten vom Staat nicht toleriert wird. Wir müssen
also darüber nachdenken, wie wir zu einer solchen
Generalprävention gelangen können. Ihr Antrag ist für
uns aber in der hier vorliegenden Form nicht zustim-
mungsfähig. Wir sehen auch, dass es schwer ist, einem
Freier nachzuweisen, dass er um die Zwangssituation ei-
nes Menschenhandelsopfers wusste. Es ist allerdings
kein gangbarer Weg, dies dadurch aufzufangen, dass
auch fahrlässiges Nichterkennen bestraft werden soll.

Viel zu umstritten ist unter Fachleuten die Frage, ob
die Zwangssituation der Opfer für die Freier erkennbar
ist. Wenn Sie dann auch noch als einen der Umstände,
die auf Opfer von Menschenhandel hindeuten, die feh-
lende Arbeitserlaubnis oder Drogenabhängigkeit nen-
nen, dann macht das wirklich deutlich, dass Sie diese
Problematik nicht verstanden haben. Auch wenn es nicht
in Ihr Bild passt: Außer der Zwangssituation des Men-
schenhandels kann es noch ein paar andere Umstände
geben, die Migrantinnen dazu bringen, ihren Lebensun-
terhalt und vielleicht auch den ihrer Familie mit Prostitu-
tion zu verdienen.

Sie fordern weiterhin eine Kronzeugenregelung für
Menschenhandelsdelikte. Das lehnen wir auch in die-
sem speziellen Deliktbereich ab. Eine solche Regelung
würde doch geradezu dazu einladen, die Zwangslage ei-
nes Opfers von Menschenhandel zunächst auszunutzen,
die Tat erst danach zur Anzeige zu bringen und dafür
auch noch straffrei zu bleiben.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Das ist eine Ermessensvorschrift! Das ist doch kein Muss! Das entscheidet das Gericht!)


Selbst auf Ihrem eigenen Symposium hat die Staatsan-
wältin Leister die Frage gestellt, warum die CDU/CSU
die Freier besser stellen möchte als die Opfer. Darüber
können Sie ja einmal nachdenken. Im Übrigen ist eine
solche Regelung auch nicht nötig, da die Gerichte bereits
nach dem geltenden Recht die Bereitschaft zur Aufklä-
rung bei der Strafzumessung der Tat berücksichtigen
können.

Handlungsbedarf sehen wir wie Sie bei der Telekom-
munikationsüberwachung, wenn es sich um Verbre-
chen handelt. Auch wir halten es bei der Strafverfolgung
für wichtig, die Strukturen organisierter Kriminalität

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(C (D urch geeignete Ermittlungsmethoden aufzubrechen. ies werden wir im Rahmen der Reform der Telefonberwachung, an der die Koalition derzeit arbeitet, beücksichtigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: ei all Ihren Vorschlägen zum Frauenhandel fällt mir mmer wieder auf, dass strafrechtliche und polizeiliche nstrumente in einem absolut unausgeglichenen Verhältis zu Opferschutz und Opferrechten stehen. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)


en Frauenhandel werden wir nur wirksam bekämpfen
önnen, wenn wir auf Prävention, Opferschutz und
trafverfolgung setzen.


(Ute Granold [CDU/CSU]: Genau das haben wir gesagt!)


Ich habe die große Sorge, dass die Maßnahmen, die
en Frauen wirklich helfen, wie sichere Unterkünfte, ein
esserer Aufenthaltsstatus, qualifizierte Betreuung in
pezialisierten Beratungsstellen, die Sie in Ihren Län-
ern mit Ihrer Mehrheit beschließen können, nicht
urchgeführt werden, auch weil sie Geld kosten, und
ass man sein Gewissen dadurch entlasten will, dass
an lediglich im Strafrecht etwas ändert. Das finde ich
cheinheilig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


inen kleinen Vorgeschmack hat uns die bayerische
ustizministerin gegeben, die sagt, sie wisse gar nicht,
oher sie das Geld für die Beratungsstellen nehmen
olle. Ich frage Sie: Wie wäre es mit einem Opferfonds
Herr Kauder, wir haben gestern Abend darüber disku-
iert – à la Rheinland-Pfalz?
Herr Kauder, ich möchte Ihnen einen Vorschlag ma-

hen. Sie wissen, Rot-Grün hat im Bundesrat keine
ehrheit, kann also keine aufenthaltsrechtlichen Ände-

ungen durchsetzen, die als Opferschutz dringend not-
endig sind. Die CDU/CSU hat im Bundestag keine
ehrheit und kann keine Strafrechtsänderung durchset-
en. Wir sollten uns zu einem Berichterstatter- und Be-
ichterstatterinnengespräch zusammensetzen und beides
achen, nämlich in einem Paket einen gemeinsamen
ntrag sowohl zum Aufenthaltsrecht als auch zum Straf-
echt. Dann könnten wir den Menschenhandel wirkungs-
oll bekämpfen.
Ich freue mich schon auf die Debatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Wenn Sie Ihre Arbeit auch machen, geht es weiter! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich mache meine!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517504900

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
lfred Hartenbach.






(A) )



(B) )


Al
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1517505000

Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Der Bundesrat hat in der letzten Wo-
che beschlossen, einen Gesetzesantrag des Landes
Bayern unter der Überschrift „Bekämpfung des Men-
schenhandels“ mit einigen Änderungen einzubringen.
Diesen Entwurf wird der Bundestag in Kürze beraten.
Die Union legt nun heute einen Gesetzentwurf vor, der
mit dem bayerischen Entwurf weitgehend identisch ist.

Ich verstehe nicht ganz, was das soll. Ich kann es mir
eigentlich nur so erklären, dass Sie meinen, ausgerechnet
mit diesem Thema Wahlkampf machen zu müssen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wenn das so ist, wofür viel spricht, dann instrumentali-
sieren Sie die Not und das Elend der Opfer von Men-
schenhändlern für Ihre Kampagnen gegen uns, die Re-
gierung und die Koalition.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Hast du heute die falsche Rede rausgeholt?)


Es wird Ihnen aber nichts nützen. Ihre Aufgeregtheit
zeigt mir, dass ich Recht habe.


(Beifall bei der SPD)

In einem Punkt geht Ihr Entwurf sogar über die Vorla-

gen des Freistaates Bayern und des Bundesrates hinaus,
nämlich bei der Freierstrafbarkeit auch bei Fahrlässig-
keit. Diesen Vorschlag hat schon der Bundesrat gestoppt.
Wie gestern der Presse zu entnehmen war, wird er auch
von Opferverbänden und der Gewerkschaft der Polizei
kritisch gesehen. Zu Recht. Ich gehe davon aus, dass die-
ser Vorschlag auch im Bundestag abgelehnt wird. Das,
was Sie da machen, ist nichts anderes als vordergründi-
ger gesetzgeberischer Aktionismus.

Das gilt letztlich auch für den Vorsatztatbestand, wie
Sie ihn vorschlagen. Der Vorschlag ist vielleicht gut ge-
meint, den Kern des Unrechts trifft er aber nicht. Eine
Strafe ist doch nur dann berechtigt, wenn ein Freier eine
gegenwärtige, also eine noch wirksame Zwangslage aus-
nutzt. Ihr Entwurf stellt ebenso wie der Gesetzentwurf
des Bundesrates nicht auf die gegenwärtige Situation des
Opfers ab, sondern knüpft an ein vorgelagertes Gesche-
hen an, also an eine Zwangslage, die möglicherweise
zum Tatzeitpunkt gar nicht mehr besteht.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was?)

Damit Sie sich aber jetzt nicht aufregen müssen, lasse
ich keinen Zweifel an folgender Feststellung: Wenn ein
Freier bewusst die Zwangslage einer Frau ausnutzt, ist
das nicht hinnehmbar. Das sollten wir nicht dulden. Das
werden wir nicht dulden und da werden wir gemeinsam
mit der Koalition ein deutliches Zeichen setzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU]: Wann?)


– Dann, wenn wir es vernünftig beraten haben, aber
nicht mit Schnellschüssen, wie Sie das zu machen pfle-
gen.


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(C (D (Beifall bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Das geht wie mit Graffiti, DNA-Analyse und den ganzen anderen Sachen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Bevor Sie jetzt HB-Männchen spielen, beruhigen Sie
ich etwas.
Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag hat mit

em Bündnis 90/Die Grünen auch in Erfüllung einer
rüfzusage aus dem Vermittlungsverfahren zum
7. Strafrechtsänderungsgesetz vor kurzem eine Exper-
enanhörung durchgeführt. Über das Ergebnis haben
rau Schewe-Gerigk und Frau Simm bereits berichtet.
s ist nicht richtig, wenn Sie, Frau Granold, sagen, Sie
ätten das zurückgezogen, weil wir über die Frist hinaus
ewesen seien.


(Ute Granold [CDU/CSU]: Sie war im August abgelaufen! Natürlich!)


ir haben die Frist auch deshalb überschritten, weil Ihre
onservativ geführten Regierungen den Vermittlungs-
usschuss angerufen haben und dadurch eine weitere
erzögerung eingetreten ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ute Granold [CDU/CSU]: Weil das Gesetz erheblich nachgebessert werden musste! – Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


enn Sie ein bisschen Vernunft hätten, dann wüssten
ie, dass wir vereinbart haben, dass wir die Praxis befra-
en wollen. Wir haben die Praxis noch nicht befragt, Sie
chon ganz und gar nicht.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Wann wollen Sie die denn befragen?)


Das überlassen Sie einmal mir, Herr Kauder, jedenfalls
icht bei Nacht und Nebel und nicht im Schlafanzug,
ie Sie das machen.


(Lachen des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU])


Wenn man nicht nur symbolische Gesetzgebung be-
reiben möchte, dann muss man sich auch mit den mögli-
hen Folgen eines solchen Straftatbestandes auseinander
etzen. Es kommt gar nicht so selten vor – auch das ist
chon erwähnt worden –, dass Freier Anzeige erstatten
nd damit den Frauen aus der Zwangslage heraushelfen.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Das ist doch gut!)


iese Anzeigebereitschaft hätte sicher ein Ende, wenn
ie Freier selbst eine Bestrafung befürchten müssten.
aran wird auch keine Kronzeugenregelung etwas än-
ern. Die Freierstrafbarkeit – vor allem, wenn sie, wie
ie das wollen, schon bei Fahrlässigkeit eintreten soll –
önnte dazu führen, dass sich die Szene in der Illegalität
bschottet. Gerade das würde den Opfern nicht helfen.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach

Erstaunlich und erfreulich finde ich, dass Sie das ur-

bayerische Anliegen, das Prostitutionsgesetz wieder ab-
zuschaffen, wenigstens heute nicht auf die Tagesordnung
gebracht haben.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das kommt noch!)


– Ich wollte Sie gerade loben und sagen, dass das zeigt,
dass Sie doch nicht die kleine Filiale des bayerischen
Justizministeriums sind.


(Ute Granold [CDU/CSU]: Armselig!)

Aber die Rede von Frau Granold lässt mich da schwei-
gen. Sie sind die Filiale des bayerischen Justizministeri-
ums.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist nicht schön, was Sie sagen!)


– Ich freue mich, dass Sie sich aufregen.
Ich muss jetzt noch auf die Kronzeugenregelung ein-

gehen. Sie schlagen eine bereichsspezifische Kronzeu-
genregelung für Menschenhandelsdelikte vor, nachdem
Sie in den vergangenen Jahren gebetsmühlenartig frü-
here Vorschläge des Bundesrates mit weiteren Kronzeu-
genregelungen als eigene Ideen verkauft haben. Wenn
ich richtig gezählt habe, wären wir jetzt bei der
24. Kronzeugenregelung angelangt:


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Innenausschuss haben wir noch eine!)


drei bereits bestehende, 20 weitere aus der konservativen
Ecke in den Vorjahren und nunmehr dieser Vorschlag ei-
nes § 233 c StGB. Über die Schwächen dieser Unmenge
von bereichsspezifischen Regelungen sind wir uns ei-
gentlich einig. Diese Schwächen bestehen nach wie vor.
Sie sollten langsam einmal erkennen, dass Sie hier nicht
auf dem richtigen Weg, sondern vielmehr auf dem Holz-
weg sind, und auf einem morschen noch dazu. Ich ver-
pflichte mich hier: Wenn im nächsten Jahr Ihre
25. Kronzeugenregelung kommt, werde ich hier Wein-
essig und Zitronen spendieren.


(Erika Simm [SPD]: Für uns Wein!)

– Nein, nur für die.

Auch bei der Telekommunikationsüberwachung
setzen Sie auf den alten Hut konservativer Denkweise.
Wir haben für die Fälle, in denen es richtig ist, bereits
eine Telefonüberwachung und wir werden – das ist ange-
sprochen worden – die Probleme der Telekommunika-
tionsüberwachung anders regeln müssen als durch eine
ständige Erweiterung des Straftatenkatalogs.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)

Kommen wir also auf den Kern des Anliegens, das

Sie hier mit treuem Augenaufschlag vorgetragen haben
und welches Herr Kauder jetzt noch in allen Einzelheiten
erläutern wird, zurück.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das war jetzt persönlich!)



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(C (D Nein, das war nicht persönlich. Sie alle haben mich mit euem Augenaufschlag angeguckt. – Kommen wir daauf zurück: Im Kern lautet Ihr Anliegen, dem auch wir ns nicht verschließen werden, sondern das wir genauso ktiv verfolgen werden und zu dem wir vernünftige Reelungen vorlegen werden: Schutz der Frauen, die geen ihren Willen zur Prostitution gezwungen werden. Es ann nicht lauten, so wie es Frau Granold gesagt hat, die eint, man würde damit einen Sumpf austrocknen: trafbarkeit der Freier um jeden Preis. Das, meine lieben olleginnen und Kollegen, hat schon der biblische Köig David nicht gewollt. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517505100

Das Wort hat jetzt der Kollege Siegfried Kauder von

er CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Emo-

ionalität, mit der diese Debatte teilweise geführt wurde,
at mich erschüttert. „Ich werde dir Europa zeigen. Du
irst in Deutschland für mich arbeiten. Du wirst eine
undervolle Zukunft haben.“ So wurde eine ukrainische
rau vom Schleuser Boris B. mit einem gefälschten Rei-
epass und einem erschlichenen Visum nach Berlin ver-
racht.


(Joachim Stünker [SPD]: Zum Thema bitte, Herr Kollege!)


ort wandelte sich das Gesicht von Boris B. sehr
chnell. „Ab jetzt bin ich dein Direktor, dein Vater und
ein Gott“ – und auf dem Schreibtisch lag eine Sexpos-
ille als Anweisung für die zukünftige Berufstätigkeit.


(Erika Simm [SPD]: Das ist doch strafbar!)

rina C. wurde mit drei weiteren Damen in einem Ein-
immer-Appartement untergebracht; zwei schliefen in
tockbetten, eine auf dem Sofa, eine auf dem Boden. Sie
aren kaserniert.


(Erika Simm [SPD]: Alles strafbar!)

n einschlägigen Postillen wurde angeboten: „Naturgeile
krainische junge Frau, zu allem bereit.“ Bei Boris B.
and man 3 500 Adressen, an die diese Mädchen ver-
chachert worden sind. Meine Damen und Herren, einen
olchen Zustand kann man nicht anstehen lassen.


(Joachim Stünker [SPD]: Wollen wir auch nicht! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will das denn? Das ist doch eine Unterstellung!)


Irina C. wurde auf der Straße angetroffen, sie wurde
ei der Polizei vernommen. Sie wurde angeklagt und
egen Urkundenfälschung und eines Verstoßes gegen






(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)


das Ausländergesetz zu einer Bewährungsstrafe verur-
teilt.


(Joachim Stünker [SPD]: Der einzige Polemiker hier ist Herr Kauder!)


Boris B. wurde ebenfalls – und er zu Recht – zu einer
Haftstrafe verurteilt. Der Freier läuft frei herum, auch
wenn er die Situation des Mädchens erkannt hat.

Das hat dieses Hohe Haus im Jahr 1993 besser ge-
macht. Damals ging es um eine Änderung der Vor-
schriften zur Kinderpornographie. Fraktionsübergrei-
fend war man zu Recht der Meinung, auch der Besitz
von kinderpornographischen Schriften solle unter Strafe
gestellt werden,


(Erika Simm [SPD]: Das war damals sehr schwer durchzusetzen, Herr Kauder!)


weil nämlich der Besitz von Kinderpornographie mittel-
bar den sexuellen Missbrauch von Kindern begünstigt.
Nicht anders ist es beim Freier.

Nun kann man sich natürlich fragen: Hat es einen
Sinn, ein Gesetz zu beschließen, das den Besitz von Kin-
derpornographie bestraft? Wie will ich denn den Besitz,
der zu Hause stattfindet, nachweisen? Es gelingt der
Polizei immer wieder, denn der Besitz von Kinderporno-
graphie ist ein Kontrolldelikt. Nicht anders ist es beim
Menschenhandel und beim Missbrauch von Frauen.
Auch dort handelt es sich um Kontrolldelikte.


(Erika Simm [SPD]: Das macht die Sache ja so schwierig!)


Meine Damen und Herren, entsprechend haben wir
den Straftatbestand der Freierstrafbarkeit ausgebaut.
Der Freier, der die durch Menschenhandel geschaffene
Situation entweder erkennt oder sie leichtfertig – das ist
die höchste Stufe der Fahrlässigkeit – nicht erkennt und
der diese Situation ausnützt, macht sich strafbar.

Nun wird der Einwand erhoben: Wo gibt es denn so
etwas wie die Bestrafung von Fahrlässigkeit bei Sexual-
delikten? Das ist im System nicht bekannt. Dieses Argu-
ment hat ein Professor aufgebracht; es ist aber falsch. Ich
empfehle, in § 178 des Strafgesetzbuches nachzulesen:

Verursacht der Täter durch … Vergewaltigung …
wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist
die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Frei-
heitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Vorsatz!)


Wir haben es also mit einer Kombination aus Vorsatz
und Fahrlässigkeit zu tun. Das macht deutlich, dass der
formale Einwand nicht richtig ist.


(Widerspruch bei der SPD)


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(C (D Wir haben uns sehr wohl auch Gedanken darüber geacht, wie eine Tataufklärung möglich sein soll. Das ist weifellos ein Problem. Wir haben uns entschlossen, ine Kronzeugenregelung einzuführen, deren Sinnhafigkeit von der Regierungskoalition offensichtlich nicht rkannt worden ist. Der Freier, der eine Frau in ihrer Siuation missbraucht, wird in aller Regel diese Kronzeuenregelung nicht in Anspruch nehmen müssen. Ihm ann man schon nach derzeitigem Recht mit den §§ 153 der 153 a der Strafprozessordnung helfen. Wir wollen aber auch, dass der Menschenhändler die hance hat, sich zu offenbaren und eine Strafmilderung u bekommen; denn nur so bekommt man Zugang zu eiem mafiosen System. Beim Betäubungsmittelrecht ist s auch nicht anders. Dort können wir entsprechende Erolge zeitigen. (Beifall bei der CDU/CSU – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen, dass Menschenhändler straffrei sind! Das ist unglaublich! Sollen wir die auch noch laufen lassen?)


ie Sie sehen, haben wir zu unserem Gesetzentwurf
urchaus sinnvolle Überlegungen angestellt.
Nun darf ich Sie persönlich ansprechen, Frau

chewe-Gerigk. Wir haben gestern gemeinsam eine Ver-
nstaltung des Deutschen Instituts für Menschenrechte
esucht. Sie wissen sehr wohl, dass es derzeit auf euro-
äischer Ebene schon Überlegungen gibt, ob nicht genau
as, was wir in unserem Gesetzentwurf vorsehen, auf
uropäischer Ebene festgelegt werden sollte, nämlich
ass der Missbrauch von Menschenhandelsopfern durch
en Freier unter Strafe gestellt wird.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber nur, wenn es Vorsatz ist! Das haben Sie hier unterschlagen!)


Also darf ich festhalten: Bei der Bestrafung vorsätz-
ichen Handelns machen Sie mit. Es geht Ihnen um die
eichtfertigkeit. Darüber können wir im Ausschuss dis-
utieren. Damit kommen wir zu unserem Thema. Wenn
ie die Regelungen zu vorsätzlich begangenen Taten
ittragen, dann müssen Sie das hier auch gegenüber der
ffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Darüber können
ir reden.
Nun lässt sich einwenden, wie man dem Freier nach-
eisen soll, dass er die Situation des Menschenhandels-
pfers erkannt oder leichtfertig verkannt hat. Diese
rage höre ich allerdings überwiegend von Männern; das
önne man doch gar nicht belegen. „Frauenrecht ist
enschenrecht e.V.“ hat einen Zwölfpunktekatalog ent-
ickelt, nach dem man indiziell die Zwangssituation ei-
es Menschenhandelsopfers feststellen kann: Sie kann
um Beispiel kein Deutsch; sie kann die sexuelle Dienst-
eistung und deren Dauer nicht selbst aushandeln; sie
immt das Geld nicht in Empfang; sie hat möglicher-
eise Verletzungsspuren. Die Indizien insgesamt er-
öglichen sehr wohl einen Tatnachweis.






(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)


Auch Ihre Kritik an der Kronzeugenregelung ist

nicht berechtigt. Lesen Sie nach, was der Vorsitzende der
Gewerkschaft der Polizei dazu sagt. Er ist ebenso wie
wir der Meinung, dass dies eine sehr gute Möglichkeit
ist, Zugang zu der Struktur des meist mafios durchge-
führten Menschenhandels zu bekommen.


(Erika Simm [SPD]: Wir reden nicht über Menschenhandel, sondern über Freierbestrafung!)


Sie sehen also, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ei-
nes fällt bezeichnenderweise auf. Sie bringen außer der
Kritik hinsichtlich der Leichtfertigkeit keine sachliche
Kritik an unserem Gesetzentwurf vor, weil Ihnen offen-
kundig nichts einfällt.


(Widerspruch bei der SPD)

Sie sind aber auch nicht bereit – obwohl Sie das Problem
erkannt haben –, aktiv und zum Schutz dieser Opfer da-
ran mitzuarbeiten.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie meine Rede vorhin eigentlich gehört?)


Ich hätte mir vorgestellt, dass Sie in die heutige Diskus-
sion Vorschläge zum Bleiberecht dieser Opfer einbrin-
gen. Wir müssen uns dieses Themas zweifellos anneh-
men. Es geht aber nicht an, dass Sie sagen: Wir machen
schon beim ersten Schritt nicht mit; dann müssen wir
uns den zweiten nicht überlegen. Das Bleiberecht ist ein
Thema, das wir sehr wohl gemeinsam diskutieren kön-
nen. Wir müssen uns aber erst darüber einig werden, ob
die Freierstrafbarkeit eingeführt werden soll oder nicht.

Dieses Thema, das Frauen, die nach Deutschland ein-
geschleust werden, auf der Seele liegt und auf das Frau-
enverbände zu Recht beharrlich und beständig hinwei-
sen, haben Sie gar nicht im Blickfeld. Wir haben gestern
bei der Veranstaltung des Deutschen Instituts für Men-
schenrechte auch gehört, dass wir nicht länger warten
dürfen. Wir sehen einen Sachverhalt, der kriminogen ist,
den wir aber schleifen lassen, weil Sie nichts tun und
noch nicht einmal bereit sind, den ersten Schritt mitzu-
machen. Das ist – ich sage bewusst nicht: eine Schande –
schade. Ich hoffe, dass wir in der sachlichen Zusammen-
arbeit im Ausschuss doch noch einiges bewegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Wohltuende Sachlichkeit! Hohe Kompetenz!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517505200

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

hat nun das Wort die Kollegin Angelika Graf von der
SPD-Fraktion.


Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1517505300

Sehr geehrte Damen und Herren! In der

14. Legislaturperiode, also vor knapp vier Jahren, haben
wir von den Regierungsfraktionen einen Antrag einge-

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(C (D racht, der sich mit der Situation von Frauen beschäftigt, ie als Opfer von Menschenhandel vorwiegend aus den ändern des ehemaligen Ostblocks hierher verschleppt erden. Der Titel dieses Antrags lautet „Prävention nd Bekämpfung von Frauenhandel“. Wir haben ihn ier im Dezember 2001 einstimmig verabschiedet. In iesem Antrag wird sehr genau die Tatsache beschrieben das hat Frau Granold schon wiedergegeben –, dass twa 120 000 Frauen zum Zweck der sexuellen Ausbeuung nach Westeuropa verbracht werden und dass der ahresgewinn aus diesem „Geschäft“ höher ist als aus em Drogenhandel. In diesem Antrag werden aber auch die Ziele unserer emeinsamen Politik in diesem Bereich beschrieben. ir beschritten damit – ich spreche für diejenigen, die iesen Antrag damals erarbeitet haben – keineswegs euland. Es gab bereits damals aus der Ära Kohl den unden Tisch „Frauenhandel“ und den Bundesweiten oordinierungskreis. Ich kann mich gut erinnern, dass ie Recherchen zu diesem Antrag trotzdem mühsam waen. Ich hätte mir gewünscht, dass nicht so viel von den undesländern geregelt werden muss. Das betrifft insbeondere den Opferschutz. Ich habe damals oft mit gerinem oder sogar fehlendem Problembewusstsein meiner esprächspartner aus den Bundesländern zu kämpfen ehabt. Ich rate Ihnen allen sehr zur Lektüre des Antrags; enn er hat in den letzten vier Jahren an Aktualität, was ie Situation der Opfer betrifft, nichts verloren. Noch eute gibt es zu wenige Beratungsstellen für Opfer von enschenhandel in den Bundesländern. Infolge der Mit elkürzungen in den Bundesländern – auch das ist schon ngesprochen worden – werden existierende Beratungstellen nicht mehr bezuschusst und müssen oft geschlosen werden. Noch heute fehlen dort oft die Mittel für die etreuung der Opfer von Menschenhandel. Einzig heinland-Pfalz hat – auch das ist schon angesprochen orden – einen Opferfonds eingerichtet. Noch heute wird jungen Frauen, die als illegale Pros ituierte bei einer Razzia oder einer Kontrolle aufgegrifen werden, trotz der Aufklärungsarbeit des BKA und er Beratungsstellen oft nicht die Vierwochenfrist eingeäumt, die ihnen bis zu einer freiwilligen Ausreise eientlich zusteht. Das fördert bedauerlicherweise nun ieder den Drehtüreffekt und verhindert oft Ermittlunen gegen die Schlepper. Noch heute erhalten sehr weige Frauen, die großen Mut bewiesen haben und durch hre Aussage zur Aufdeckung und Zerschlagung der etze der Schlepperbanden beigetragen haben, Abschieeschutz oder sogar ein Bleiberecht oder eine neue Idenität. Wie grau der Themenbereich noch immer ist, zeigt ie Tatsache, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf die Vorchläge nicht mit den entsprechenden Zahlen unterlegen onnten, mit Zahlen, die für den Beweis zum Beispiel er Nützlichkeit des Unterfangens der Freierbestrafung ichtig wären. Angelika Graf Seit der Verabschiedung unseres Antrags im Jahr 2001 haben wir vonseiten des Bundes eine Reihe der darin enthaltenen Forderungen erfüllt. Ich denke dabei zum Beispiel an die jüngste, schon öfter angesprochene Änderung des Strafrechts in §§ 232 und 233. Dies wird das Vorgehen gegen die Täter, die Schlepper, erleichtern. Aber auch die Opferrechtsreform möchte ich in Erinnerung rufen. Sie hat die Situation der Opfer von Menschenhandel deutlich verbessert. Ich erwähne außerdem noch einmal den runden Tisch und möchte bitten, die Arbeit des BMZ bei der Bekämpfung der Armut in den Herkunftsländern nicht zu vergessen. Wurde damit das Problem an sich bekämpft? Es ist richtig: Ohne die Kunden, die Männer, die Sex möglichst billig kaufen wollen, gäbe es das Phänomen der Ausbeutung der illegalen Prostituierten bei uns nicht. Man muss natürlich nicht erst seit dem Fall Friedman fragen, welche Mittel wir haben, um denen, die als Kunden diese Frauen wissentlich ausbeuten, das Handwerk zu legen. Wie groß der „Bedarf“ an derart billigem Sex ist, beschreibt die Aussage einer bayerischen Polizistin aus dem Gebiet der Grenze zu Tschechien – auch Frau Simm hat das zitiert –, die von täglich 2 000 Freiern aus Deutschland berichtet, die auf der anderen Seite der Grenze billige Sexdienstleistungen einkaufen. Da geht es wohl noch billiger und noch einfacher als bei uns. Frauenhandel ist also ein transnationales Problem. Ich rate jedem, sich die armen jungen Frauen auf dem tschechischen Straßenstrich hinter dem Grenzübergang Philippsreut anzusehen, die dort ihre Dienste freiwillig oder nicht freiwillig anbieten, um zu überleben. Man begreift, dass Frauenhandel mit der Armut in den Herkunftsländern direkt zu tun hat. Man erkennt aber auch, wie schwach entwickelt das Mitleid und das Schuldbewusstsein vieler Kunden offensichtlich ist. Ich denke, da packt einen zu Recht die Wut. Ich verstehe deswegen, dass man sich über die Bestrafung von Freiern Gedanken macht. Wir haben uns bei dem fraktionsübergreifenden Berichterstattergespräch damals im Zusammenhang mit der Änderung des StGB bezüglich Menschenhandels darauf geeinigt, den Punkt Freierstrafbarkeit mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen. Fest steht für mich: Nichts wäre – auch im Hinblick auf die Situation und die Gefühlslage der Opfer, die wir bei aller Diskussion über die Täter nicht aus dem Auge verlieren dürfen – fataler als Regelungen, die in Wahrheit nicht greifen, die Situation der Opfer eher verschlechtern (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


oder die illegale Prostitution noch mehr in den Unter-
grund verdrängen


(Beifall der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und damit die Lage der betroffenen Frauen noch uner-
träglicher und noch auswegloser machen. Das soll hei-

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(C (D en: Ich will keine mit heißer Nadel gestrickte Änderung es StGB, die sich populistisch gut vermarkten lässt, ondern eine Regelung, die insbesondere die Situation er Opfer im Blick hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dabei sollte man bedenken, dass in Italien – Frau
chewe-Gerigk, dort sind die aufenthaltsrechtlichen Re-
elungen für die Opfer von Frauenhandel nämlich we-
entlich besser als bei uns und dort ist das Netz der
eratungsstellen dichter – 20 Prozent aller registrierten
älle von illegaler Prostitution von den Freiern aufge-
eckt werden, die sich an die Beratungsstellen wenden.
Zur Polizei gehen in Italien wie hier in Deutschland

ie wenigsten der Freier. Eine Ermittlung der Polizei
ürde nämlich aufdecken, dass der Mann eine Prosti-
uierte aufgesucht hat – ein Umstand, der bei Frau oder
reundin sicherlich nicht unbedingt auf Gegenliebe oder
erständnis stößt. Ich denke, da ist der logische Fehler in
hrem Ansatz. Eine Kronzeugenregelung würde nicht
elfen.
Herr Kauder, zu der von Ihnen ins Spiel gebrachten
ronzeugenregelung für Schlepper möchte ich sagen:
arüber müssen wir noch intensiv reden. Ich persönlich
in im Augenblick eher dagegen.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])

ine Freierstrafbarkeit, die sich auch auf die Fahrlässig-
eit erstreckt, würde zudem nach Ansicht der Beratungs-
tellen jede präventive Arbeit im Freiermilieu zunichte
achen.


(Jörg van Essen [FDP]: Richtig!)

as Ziel sollte meines Erachtens nicht sein, die Freier
enerell zu kriminalisieren – sie würden generell krimi-
alisiert, wenn dieser Vorschlag umgesetzt wird –, son-
ern ihnen zu helfen, zu erkennen, wann eine Frau in die
rostitution gezwungen wurde, und dann richtig zu han-
eln.


(Jörg van Essen [FDP]: Genau das muss das Ziel sein!)


Wir weisen Ihre Angriffe auf das Prostitutionsgesetz
eutlich zurück. Dazu ist schon im Vorfeld vieles gesagt
orden.
Ich möchte auf den eingangs erwähnten Antrag der
egierungsfraktionen aus dem Jahre 2001 zurückkom-
en. In ihm wird dieses Thema unter dem Aspekt der
enschenrechte der Opfer behandelt. Eines der großen
iele, die mit der Verabschiedung des Antrages verbun-
en waren, war die Verbesserung des Opferschutzes.
ei aller Diskussion über die Freier wäre es gut, wenn
ir dieses Ziel nicht aus dem Auge verlören.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


irken Sie doch bitte auf die von Ihnen regierten Länder
in, das Ihre in diesem Bereich zu tun und zum Beispiel
ie Beratungsstellen weiterhin entsprechend zu finanzie-
en! Wenn das geschieht, wäre schon viel gewonnen.






(A) )



(B) )


Angelika Graf (Rosenheim)



(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517505400

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 15/5326 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 c sowie
Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf:
30 a) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der
internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo
zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes
für die Flüchtlingsrückkehr und zur militäri-
schen Absicherung der Friedensregelung für
das Kosovo auf der Grundlage der Resolution
1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militä-
risch-Technischen Abkommens zwischen der
internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR)

und den Regierungen der Bundesrepublik Ju-

(jetzt: Serbien und Montenegro)

– Drucksache 15/5428 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus
W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Bürgernähe durch Vereinfachung des Kfz-Zu-
lassungsverfahrens
– Drucksache 15/4505 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Innenausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus
W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Bereitstellung von Informationen über Allge-
meine Betriebserlaubnisse (ABE) und EG-
Typgenehmigungen auch für nationale und in-
ternationale Behörden
– Drucksache 15/4930 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

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(C (D ZP 2 a)

SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Zwanzigs-
ten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteu-
ergesetzes
– Drucksache 15/5444 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christa Reichard (Dresden), Dr. Christian
Ruck, Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Trinkwassermanagement in Entwicklungs-
und Schwellenländern durch die verstärkte
Einbeziehung der Privatwirtschaft verbes-
sern
– Drucksache 15/5451 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

c) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Gemeinsame Position der Europäischen
Union zum Waffenembargo gegenüber der
Volksrepublik China
– Drucksache 15/5467 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
en Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an

ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
berweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis 31 m so-
ie Zusatzpunkte 3 a und 3 b auf. Es handelt sich um die
eschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aus-
prache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 31 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Novellierung des Verwaltungszustellungs-
rechts
– Drucksache 15/5216 –

(Erste Beratung 169. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)

– Drucksache 15/5475 –






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Berichterstattung:
Abgeordnete Siegmund Ehrmann
Stephan Mayer (Altötting)

Silke Stokar von Neuforn
Gisela Piltz

Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/5475, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist da-
mit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 31 b:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Durchführung der Verordnung (EG)

Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstre-

(EGVollstreckungstitel-Durchführungsgesetz)

– Drucksache 15/5222 –

(Erste Beratung 169. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/5482 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Thomas Silberhorn
Jerzy Montag
Sibylle Laurischk

Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/5482, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 31 c:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtli-
nie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der

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(C (D Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen – Drucksache 15/5220 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Drucksache 15/5443 – Berichterstattung: Abgeordnete Heinz Schmitt Marie-Luise Dött Dr. Antje Vogel-Sperl Birgit Homburger Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktoricherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf rucksache 15/5443, den Gesetzentwurf in der Auschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen ollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Entaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung instimmig angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zutimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angeommen. Tagesordnungspunkt 31 d: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hochbaustatistikgesetzes – Drucksache 15/4738 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen – Drucksache 15/5241 – Berichterstattung: Abgeordneter Ernst Kranz Der Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungsween empfiehlt auf Drucksache 15/5241, den Gesetzenturf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzntwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSUund DP-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer eschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 31 e: – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. August 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kirgisischen Republik über die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4978 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 28. März 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Nigeria über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4980 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Guatemala über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4981 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Oktober 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Angola über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4982 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. Dezember 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4983 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. Januar 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen – Drucksache 15/4984 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit – Drucksache 15/5362 – u D W s e f w s e s W p e s s g d F n (C (D Berichterstattung: Abgeordneter Christian Müller Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt nter Nrn. 1 bis 6 seiner Beschlussempfehlung auf rucksache 15/5362, die Gesetzentwürfe anzunehmen. enn Sie damit einverstanden sind, lasse ich über die echs Gesetzentwürfe gemeinsam abstimmen. – Dazu rhebt sich kein Widerspruch. Dann können wir so verahren. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Gesetzentürfen zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegentimmen? – Enthaltungen? – Die Gesetzentwürfe sind instimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 31 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer ter und der Fraktion der CDU/CSU LKW-Sonntagsfahrverbot in Deutschland beibehalten – Drucksachen 15/1876, 15/2374 – Berichterstattung: Abgeordneter Uwe Beckmeyer Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druckache 15/1876 in der Ausschussfassung anzunehmen. er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenrobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist instimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 31 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen der Abgeordneten Horst Friedrich Sibylle Laurischk, Joachim Günther weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Gesamtverkehrskonzept Südbaden – Bündelung von Schiene und Straße im Rheingraben – Drucksachen 15/2470, 15/4015 – Berichterstattung: Abgeordnete Karin Rehbock-Zureich Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druckache 15/2470 abzulehnen. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FDPraktion bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angeommen. Tagesordnungspunkt 31 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bauund Wohnungswesen der Abgeordneten Gero Storjohann, Dirk Fischer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ter und der Fraktion der CDU/CSU Führerscheinbürokratie verhindern – Führerscheintourismus beenden – Drucksachen 15/3716, 15/4484 – Berichterstattung: Abgeordnete Heidi Wright Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3716 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/ CSU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 31 i bis 31 m. Tagesordnungspunkt 31 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 201 zu Petitionen – Drucksache 15/5349 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 201 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 31 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 202 zu Petitionen – Drucksache 15/5350 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 202 ist ebenfalls einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 31 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 203 zu Petitionen – Drucksache 15/5351 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 203 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 31 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 204 zu Petitionen – Drucksache 15/5352 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 204 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP angenommen. h d d g 2 s D u a w m m (C (D Tagesordnungspunkt 31 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 205 zu Petitionen – Drucksache 15/5353 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich? – Sammelübersicht 205 ist mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen ie Stimmen der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Zusatzpunkt 3 a: – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Drucksache 15/4233 – – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Drucksache 15/4232 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Oktober 2001 zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Drucksache 15/4230 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 15/5487 – Berichterstattung: Abgeordnete Erika Simm Siegfried Kauder Jerzy Montag Sibylle Laurischk Abstimmung über den von der Bundesregierung ein ebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen vom 9. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwichen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, rucksache 15/4233. Der Rechtsausschuss empfiehlt nter Nr. 1 auf Drucksache 15/5487, den Gesetzentwurf nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzenturf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimig angenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Abstimmung über den von der Bundesregierung ein gebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Drucksache 15/4232. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Nr. 2 auf Drucksache 15/5487, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Protokoll vom 16. Oktober 2001 zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Drucksache 15/4230. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Nr. 3 auf Drucksache 15/5487, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 3 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Verordnung der Bundesregierung Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Drucksachen 15/5218, 15/5288 Nr. 2.1, 15/5483 – Berichterstattung: Abgeordnete Petra Bierwirth Marie-Luise Dött Winfried Hermann Birgit Homburger Der Ausschuss empfiehlt, der Verordnung auf Drucksache 15/5218 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die Beratung von zwei Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses erweitert werden. Diese Punkte sollen jetzt gleich als Zusatzpunkte 14 a und 14 b aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. e d V n B m e d W s s a g i C a d c f W D f d – (C (D Zusatzpunkt 14 a: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)


(Erste Beratung 169. Sitzung)


(Erste Beratung 160. Sitzung)


(14. Ausschuss)





(A) )


(B) )


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Erste Beratung 166. Sitzung)


(Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordne-





(A) )


(B) )


(Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordne-


(Zweite und dritte Beratung 154. Sitzung)


(Erste Beratung 154. Sitzung)


(Erste Beratung 154. Sitzung)





(A) )


(B) )

rung einer Strategischen Umweltprüfung und
zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG

(SUPG)

– Drucksachen 15/3441, 15/4119, 15/4236,
15/4501, 15/4540, 15/4922, 15/5479 –
Berichterstatter im Bundestag:
Abgeordneter Michael Müller (Düsseldorf)

Berichterstatter im Bundesrat:
Senator Dr. Roger Kusch

Mir ist mitgeteilt worden, dass das Wort zur Bericht-
rstattung und zur Erklärung nicht gewünscht wird. Ist
as richtig? – Wir kommen dann zur Abstimmung. Der
ermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 sei-
er Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen
undestag über die Änderungen gemeinsam abzustim-
en ist. Dies gilt auch für die noch folgende Beschluss-
mpfehlung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung
es Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/5479? –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
chlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Zusatzpunkt 14 b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

zung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau
und Deregulierung aus den Regionen
– Drucksachen 15/4231, 15/4673, 15/4938,
15/5178, 15/5480 –
Berichterstatter im Bundestag:
Abgeordneter Ludwig Stiegler
Berichterstatter im Bundesrat:
Staatsminister Geert Mackenroth

Wir kommen wiederum gleich zur Abstimmung. Wer
timmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses auf Drucksache 15/5480? – Wer stimmt da-
egen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung
st mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
DU/CSU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion
ngenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

esregierung eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksa-
he 15/4533 zur Umsetzung des Urteils des Bundesver-
assungsgerichts vom 3. März 2004 zur akustischen
ohnraumüberwachung.


(Joachim Stünker [SPD]: Was?)

er Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
ehlung auf Drucksache 15/5486, den Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung anzunehmen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Der liegt nicht vor! – Abg. Joachim Stünker [SPD] meldet sich zu Wort)


Bitte.






(A) )



(B) )



Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1517505500

Das muss ein Irrtum sein. Die Debatte soll heute

Abend gegen 17 Uhr noch geführt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517505600

Ich bestätige, dass das ein Irrtum ist, und stelle das

zurück.

(Joachim Stünker [SPD]: Gut, dass ich hier war!)

Dann kommen wir jetzt gleich zum Zusatzpunkt 4:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Kritik des FDP-Vorsitzenden an Gewerk-
schaftsfunktionären in Deutschland

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Klaus Uwe Benneter von der SPD-Fraktion das
Wort.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1517505700

Ich sehe, es sind alle vollständig.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir sind sogar vollzählig!)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns ist
mit Interesse aufgefallen, dass die FDP nach vielen Jah-
ren das Thema Bürgerrechte, das sie lange Jahre offen-
sichtlich vernachlässigt hatte, wieder entdeckt hat. Dies
ist gut so; denn die Wahrung der demokratischen Rechte
der Bürgerinnen und Bürger ist ein ganz wichtiges
Thema.


(Dirk Niebel [FDP]: Das sollten Sie einmal Herrn Schily sagen!)


Sie wissen am besten, dass dies für die FDP früher ein
sehr wichtiges Thema war, zu dem sie damals mehr zu
sagen hatte als heute.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie witzeln, Herr Benneter!)


Der Haken ist nur: Ihr Bekenntnis zu den Bürgerrech-
ten ist dann unglaubwürdig, wenn Sie im gleichen Atem-
zug einen ganz wichtigen Bereich dieser Bürgerrechte,
nämlich die demokratische Selbstorganisation der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den deutschen
Gewerkschaften, als – Herr Westerwelle, ich darf Sie zi-
tieren – „Plage“ bezeichnen. Das ist unglaubwürdig. Da-
mit werden Sie dem Anspruch nicht gerecht, den Sie
hinsichtlich der Wahrung der Bürgerrechte an sich selber
stellen.

Ihre Haltung ist auch deshalb unglaubwürdig, weil
Sie, wie Herr Niebel sagte, die Gewerkschaften, in de-
nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusammen-
geschlossen sind, entmachten wollen. Das ist Ihr neues
Konzept.


(Dirk Niebel [FDP]: Das habe ich so nicht gesagt!)

– Gut, Sie machen da einen feinen Unterschied zwischen
den Gewerkschaften einerseits und den Gewerkschafts-
funktionären andererseits.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D uch ich weiß, dass die Vertreter von Verbänden nicht mmer die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. (Beifall bei der FDP – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das gilt für alle Verbände!)


ch denke dabei an die plumpen Attacken des Herrn
undt. Auch über manche Äußerungen von Interessen-
erbänden der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ärgere
ch mich gelegentlich.
Die Art und Weise, wie Sie Ihre grundsätzliche Kritik

n demokratisch gewählten Repräsentanten formulie-
en, ist ganz schön nahe an einem wirklich antidemokra-
ischen Populismus.


(Beifall des Abg. Dr. Rainer Wend [SPD] – Zurufe von der FDP: Oh!)


azu gehört auch die Behauptung, die demokratischen
arlamentarier würden nicht die Interessen des Volkes
epräsentieren.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das glaubt ihr doch wohl selber nicht!)


Walter Scheel, ein großer Liberaler und ehemaliger
orsitzende der FDP, hat als Bundespräsident auf dem
GB-Bundeskongress 1975 noch formuliert, freie Ge-
erkschaften, freie Wirtschaft und freier Staat würden
inander bedingen. Ginge die Freiheit in einem dieser
ereiche verloren, bräche das sorgsam Ausgewogene in-
inander und miteinander zusammen.


(Beifall bei der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt heute noch!)


on diesem freiheitlichen Gesellschaftsverständnis ist
ie FDP heute weit entfernt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Doris Barnett [SPD]: Meilenweit!)


Diese Agitation gegen die demokratischen Interessen-
ertretungen der Arbeitnehmer ist Ausdruck einer neuen
eisteshaltung der FDP, die letztlich auf die Verachtung
es gesamten Sozialstaates hinausläuft.


(Widerspruch bei der FDP)

ie, Herr Westerwelle, sind noch bemüht, diese Geistes-
altung mit faulen Bekenntnissen zum Gemeinwohl ein
enig zu kaschieren. Die wahre Geisteshaltung der FDP
ommt aber bei Ihrer Parteijugend zum Ausdruck. Die
berschrift „Alte, gebt den Löffel ab!“ einer entspre-
henden Veröffentlichung zeigt dies deutlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Geisteshaltung spiegelt sich in all Ihren Pro-
rammschriften, Diskussionsbeiträgen und Parteitagsbe-
chlüssen wider. Ich will nur einige Punkte nennen: Sie
ordern die Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit.
ie fordern die Privatisierung der gesetzlichen Kranken-
ersicherung. Sie fordern außerdem die Einführung ei-
es einheitlichen Einkommensteuersatzes für Normal-
erdiener und für Spitzenverdiener.






(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter

Was Sie so flott als „Flat Tax“ in Ihrem Wahlpro-

gramm in Nordrhein-Westfalen fordern, hat – das müss-
ten Sie eigentlich wissen – ganz üble Konsequenzen. Sie
sagen aber noch nicht einmal, wie hoch dieser einheitli-
che Steuersatz sein soll. Weil Sie behaupten, er müsse in
der Größenordnung des Körperschaftsteuersatzes liegen,
gehen wir einmal von 25 Prozent aus. Die Konsequenz
daraus wäre, dass die Normalverdiener diese Entlastung
der Spitzenverdiener bezahlen müssten.


(Dirk Niebel [FDP]: Er hat es einfach nicht kapiert!)


Ganz konkret: Für Verheiratete mit einem Jahreseinkom-
men von 50 000 Euro würde das eine zusätzliche Steuer-
belastung von 4 000 Euro bedeuten.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie können noch nicht einmal rechnen!)


Ein Ehepaar mit einem Einkommen von 1 Million Euro
würde mit 150 000 Euro entlastet werden. Das sind die
Berechnungen der Länderfinanzminister zu diesem
Punkt. Die massiven Steuerausfälle, die hierdurch zwei-
tens zu verzeichnen wären, würden sich auf
42 Milliarden Euro summieren. Auch das sind, wie ge-
sagt, Zahlen und Berechnungen der Länderfinanzminis-
ter dazu. Das sind die Konsequenzen Ihrer – frei über-
setzt – „Flach-Steuer“, ein Name, der passt, soweit dies
Ihren ökonomischen Sachverstand betrifft.

Mit politischem Liberalismus hat diese Verachtung
des Sozialstaates jedenfalls nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: So ein Quatsch!)


Da sind Sie in guter Gesellschaft mit der Union. Die for-
dert im Gesundheitswesen eine Kopfpauschale und Sie
fordern eine Kopfsteuer auf Einkommen.


(Dirk Niebel [FDP]: Kopfpauschale hat Westerwelle nicht eingefordert! Das müssen Sie eingestehen!)


Sie wollen alles durchökonomisieren. Das ist Ihr Pro-
gramm.

Die Menschen müssen wissen: Die FDP schickt sich
an, mit ihrem Spitzenkandidaten Florida-Wolf in Nord-
rhein-Westfalen die Regierung übernehmen zu wollen –
und das mit einem Programm, das den sozialen Zusam-
menhalt in unserer Gesellschaft bekämpft und nur noch
den Reichen dienen soll.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517505800

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1517505900

Der Kampf gegen die Gewerkschaften, gegen die de-

mokratisch gewählten Repräsentanten der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer richtet sich gegen die Grund-
festen unserer sozialen Ordnung. Weil das so ist, –

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(C (D Herr Kollege Benneter, Sie sind fast zwei Minuten ber Ihrer Redezeit. – gehe ich davon aus, dass Sie in Nordrhein-Westfa en die Quittung dafür bekommen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Was macht eigentlich Ihr Bauherrenmodell?)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517506000
Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1517506100


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517506200

Das Wort hat der Kollege Karl-Josef Laumann von

er CDU/CSU-Fraktion.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1517506300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Ich persönlich finde es, um es ganz klar zu sa-
en, schon ein bisschen beschämend,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja! – Dirk Niebel [FDP]: Peinlich!)


ass wir heute eine Aktuelle Stunde zum Thema Klas-
enkampf haben,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist Müntefering?)


on dem ich eigentlich geglaubt hätte, dass wir ihn nach
ast 60 Jahren sozialer Marktwirtschaft überwunden hät-
en.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das wäre schön! – Dagmar Freitag [SPD]: Was für eine Einleitung!)


Schauen Sie, da gibt es einen Herrn Müntefering, der
on Heuschreckenschwärmen redet. Da kontert die FDP,
ewerkschaftsfunktionäre seien die wahre Plage, und
agt dann sofort: Wir haben natürlich nichts gegen Ge-
erkschaften.


(Dirk Niebel [FDP]: Stimmt! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie haben uns verstanden!)


ir müssen zugeben: Verbände sind natürlich ohne
unktionäre nicht denkbar. Selbst die FDP wäre ohne
unktionäre nicht denkbar.


(Dagmar Freitag [SPD]: Oh doch! Das können wir uns gut vorstellen! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das wird bei uns bestritten!)


tellen Sie sich einmal vor, wir würden sagen: Die FDP
st eigentlich ganz nett, aber ihre Funktionäre!


(Dagmar Freitag [SPD]: Sie hat nichts anderes!)


Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass uns eine
olche Debattenlage überhaupt nicht weiterbringt. Wenn
s in Deutschland eine Plage gibt, dann ist es die






(A) )



(B) )


Karl-Josef Laumann

Heimsuchung in unserem Land, dass über 5 Millionen
Menschen arbeitslos sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist die wahre Plage, die wir in diesem Land haben.

Deswegen kann ich nur an alle Seiten appellieren,
keine Nebelkerzen zu werfen und sich nicht im nord-
rhein-westfälischen Landtagswahlkampf auf Neben-
kriegsschauplätzen auszutoben, sondern sich damit aus-
einander zu setzen, wie wir in unserem Land zu mehr
Beschäftigung und zu einer Politik kommen können, die
sich schlicht und ergreifend an dem Grundsatz orientiert:
Vorfahrt für Arbeitsplätze!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Eine großartige Idee!)


Das ist das Wichtigste, das wir tun müssen.
Wir alle wissen doch – ich weiß, dass dies auch in der

FDP nicht anders gesehen wird –, dass zu dieser Gesell-
schaft natürlich auch Gewerkschaften gehören, und zwar
starke.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Unstreitig!)


Die Gewerkschaften haben sehr viel mit dem Grün-
dungskonsens der Bundesrepublik Deutschland zu tun.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Als ob es darum geht!)


Das wird in unserer Verfassung durch die grundgesetzli-
che Absicherung der Koalitionsfreiheit und der Tarifau-
tonomie festgeschrieben und von niemandem in diesem
Hause infrage gestellt.


(Beifall bei der FDP)

An die Adresse der SPD gerichtet – denn in Nord-

rhein-Westfalen wird viel erzählt –: Dies wird auch nicht
von einer CDU/FDP-Regierung – weder in Nordrhein-
Westfalen noch auf Bundesebene – infrage gestellt; das
ist doch völlig klar.


(Beifall bei der FDP)

Auch eine CDU/FDP-Regierung weiß, dass die soziale
Partnerschaft in unserem Land ihren Ausdruck in der Ta-
rifautonomie, der Mitbestimmung und im Betriebsver-
fassungsgesetz findet. Dies steht im Grundsatz für nie-
manden infrage. Deswegen sollten Sie mit dieser
Debatte aufhören.

Wir haben schon das Problem, dass sich Gewerk-
schaftsfunktionäre, wenn sie auf großen Gewerkschafts-
veranstaltungen mit Massenmedien kommunizieren, an-
ders artikulieren, als es vor Ort gehandhabt wird.


(Zuruf von der FDP: Richtig!)

In Nordrhein-Westfalen gibt es doch ganze Gebiete, in
denen die 35-Stunden-Woche in der Metallindustrie in
der Realität nicht mehr vorhanden ist und wir uns
aufgrund des Konkurrenzdrucks mächtig in Richtung
40-Stunden-Woche bewegen. Die Wahrheit ist – das
habe ich auch in einem Artikel für die „Wirtschaftswo-

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(C (D he“ so geschrieben –, dass die Gewerkschaften erhebich an Glaubwürdigkeit gewännen, wenn es zwischen en Reden der Funktionäre und dem Handeln vor Ort icht einen so großen Unterschied gäbe. Ich gehöre seit 30 Jahren der IG Metall an. Ich sage hnen eines: Für das Titelblatt der IG-Metall-Mitgliedereitschrift in dieser Woche schäme ich mich. (Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU] sowie bei der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


in solches Titelblatt ist nicht Stil einer normalen politi-
chen Artikulation. Solche Titelblätter hat es zu ganz an-
eren Zeiten gegeben, die der Grund waren, warum wir
or einigen Tagen den 60. Jahrestag des Endes einer
iktatur gefeiert haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP – Zuruf von der SPD: Unsinn!)


Das ist schon wahr und damit muss man auch umge-
en.
Ich sage Ihnen: Ich schäme mich dafür, dass ein sol-

hes Titelblatt entworfen, vervielfältigt und unter die
eute gebracht worden ist, und das finanziert durch Ge-
erkschaftsgelder. Das ist nicht in Ordnung.


(Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU] sowie bei der FDP)


Ich glaube – damit will ich dann auch schließen –,
ass es mehr Glaubwürdigkeit gäbe, wenn das Handeln
nd die Reden der Gewerkschaftsfunktionäre mehr zu-
ammenpassen würden und wenn die Funktionäre zu
em stünden, was vor Ort vereinbart worden ist. Dann
ürden sie an Attraktivität gewinnen


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

nd so manche Debatte über die Tarifautonomie würde
n diesem Hause anders geführt, als sie zurzeit geführt
ird.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Gut, dass das mal gesagt worden ist!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517506400

Das Wort hat der Kollege Markus Kurth vom Bünd-

is 90/Die Grünen.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517506500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß

icht, wer oder was in Deutschland die wahre Plage ist.
ch weiß nur, was hier eine Plage ist: die permanente Ab-
enkung des Niveaus der politischen Debatte durch Sie,
err Westerwelle,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der FDP – Zuruf von der FDP: Er hat doch gar nicht geredet!)







(A) )



(B) )


Markus Kurth

dies weniger wegen Ihrer aggressiv-vulgären Rhetorik,
sondern wegen des ideologischen Zerrbilds, das hinter
dieser Wortwahl steckt. Sie vermitteln das Zerrbild: Es
gibt die treue Belegschaft und den braven Betriebsrat,
die sich nach nichts anderem sehnen als nach Lohn- und
Urlaubsverzicht. Auf der anderen Seite steht der finstere
Funktionär der Gewerkschaft, der auf die Einhaltung der
Flächentarifverträge pocht und die Unternehmen zu Ent-
lassungen zwingt.


(Dirk Niebel [FDP]: Haben Sie das lange auswendig gelernt?)


Diese ideologische Konstruktion entspricht erstens nicht
der Realität und ist zweitens ökonomischer Unfug.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Was hat die grüne Partei eigentlich mit produktiven Arbeitsplätzen zu tun?)


Erstens. Innerhalb des Systems der Flächentarif-
verträge – das haben Sie gerade auch gesagt, Herr
Laumann – existiert eine Vielfalt von abweichenden Lö-
sungen. Sie wissen, dass es Sanierungstarifverträge, Be-
schäftigungssicherungsverträge, Öffnungsklauseln, Re-
visionsklauseln und die Pforzheimer Lösung vom
Februar 2004 gibt. All dies wirkt wie ein Ventil, über das
der Druck von Tarifnormen entweichen kann, wenn die
Tarifverträge nicht der wirtschaftlichen Lage der Be-
triebe entsprechen. Ich weiß nicht, wie oft wir von die-
sem Pult aus in letzter Zeit Karstadt und Opel als Bei-
spiele angeführt haben, um darzustellen, wozu
Gewerkschaften bereit und willens sind, wenn es die
Lage der Unternehmen erfordert. Man fragt sich schon,
woran es liegt, dass Sie diese Realität nicht zur Kenntnis
nehmen. Vielleicht nehmen Sie ein geheimes Medika-
ment zu sich, das zu selektivem Gedächtnisschwund
oder dergleichen führt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zweitens: zur ökonomischen Wirklichkeit. Gerade
aus Unternehmersicht bietet ein Flächentarifvertrag mit
flexiblen Lösungen unschätzbare Vorteile. In Zeiten, in
denen die Zahl der Risikoquellen ständig wächst – Roh-
stoffpreise, Kapitalbeschaffung unter Basel II, Innova-
tionswettbewerb –, wollen die Unternehmen zumindest
auf der Seite der Lohnkosten Sicherheit und Verlässlich-
keit, Sicherheit und Planbarkeit haben. Das betrifft auch
die Mittelständler. Das wird von diesen Unternehmern
– fragen Sie sie einmal – nicht bestritten. Planbarkeit ist
für Unternehmen nicht nur auf der betrieblichen Ebene
von Bedeutung. In diesem Falle könnte man ja sagen,
dass das unter Umständen auch ein Firmentarifvertrag
erfüllen könnte. Aber für die Branchenstabilität einer
vernetzten Wirtschaft sind der Flächentarifvertrag und
funktionierende Gewerkschaften enorm wichtig.

Jetzt zitiere ich Hans Werner Busch, den Hauptge-
schäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall:

In einem weit verzweigten Netz von Lieferbezie-
hungen, wie es die deutsche Industrie darstellt, ist



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(C (D die ökonomische Friedenssicherung besonders wertvoll. Ein Mehrfaches an Kapitalbindung und Zinskosten wäre nämlich fällig, wenn beispielsweise die Automobilhersteller zu einer Lagerhaltung gezwungen würden, die das Risiko eines zweiwöchigen Arbeitskampfes ihrer Zulieferer ausschalten sollte. (Dirk Niebel [FDP]: Die haben doch gar keine Lager mehr! Das ist doch alles auf der Autobahn!)


Genau, das ist jetzt auf der Autobahn.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist doch altes Lagerdenken, was Sie da machen! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


ürden die Zulieferer allerdings unkontrolliert streiken
gäbe es also keine Friedenspflicht –, müsste wiederum
on der Autobahn in die Betriebe verlagert werden.
ann müssten Lager geschaffen werden und dann wäre
ine zweiwöchige Lagerhaltung notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

ie haben keine Ahnung von der betriebswirtschaftli-
hen Realität und den Abläufen.
Ein letztes ökonomisches Argument:


(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])

Hören Sie lieber zu, statt so zu brüllen, Herr Niebel.
as können Sie. –

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

ie Eingrenzung des Lohnwettbewerbs und die Verrin-
erung der Transaktionskosten durch Verträge schätzen
nternehmen sehr. Wenn man sich das einmal ansieht,
tellt man fest: Selbst Firmen, die nicht tarifgebunden
ind, sondern Haus- und Firmentarifverträge abschlie-
en, orientieren sich an den Flächentarifverträgen. Diese
nternehmer haben nämlich gar keine Lust, in jedem in-
ividuellen Fall eine Auseinandersetzung im Betrieb zu
ühren und den Betriebsfrieden zu riskieren, sondern sie
ehmen den Tarifvertrag als Mustertarifvertrag und wei-
hen lediglich in dem einen oder anderen Punkt davon
b.
Je differenzierter die tarifliche Wirklichkeit wird – je
ehr Alterssicherungsmodelle und Langzeitkonten ein-
ebaut werden und je mehr Qualifizierung Bestandteil
on Tarifverträgen ist, wie es in der Chemieindustrie der
all ist –, desto wichtiger sind kompetente Verhand-
ungspartner, die das vernünftig abwickeln können; das
ind die Gewerkschaften. Vor diesem Hintergrund sollte
s uns eher Sorgen machen, dass der Organisationsgrad
owohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite
inkt.
Kurzum, Herr Westerwelle, kann das Fazit dieser

leinen Reise in die Wirklichkeit nur lauten: Wer be-
auptet, dass Gewerkschaften in Deutschland die wahre






(A) )



(B) )


Markus Kurth

Plage sind, kennt weder die betriebliche Realität noch
die Erfolgsfaktoren des Standorts Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517506600

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Guido Westerwelle

von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1517506700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Erstens bedanken wir Freien Demokraten uns bei
Ihnen, der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion,
dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben;


(Beifall bei der FDP – Dr. Rainer Wend [SPD]: Das war die Revanche für letzte Woche!)


das war eine kluge Entscheidung. Und: Herr Kollege
Benneter, in Ihrer Einführung in diese Debatte haben Sie
uns in weiten Teilen aus dem Herzen gesprochen.


(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Herr Kollege Kurth, wir bedanken uns

außerordentlich bei Ihnen, dass Sie uns aus der betriebli-
chen Praxis des wahren Arbeitslebens berichtet haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gern geschehen! – Zuruf von der SPD: Das war auch notwendig!)


Daraufhin habe ich gemeinsam mit dem Kollegen
Laumann in Ihrem im Amtlichen Handbuch des Deut-
schen Bundestages veröffentlichten Lebenslauf nachge-
schaut und festgestellt: Das Einzige, was Sie bisher mit
dem normalen Arbeitsleben zu tun hatten, war Ihre Zi-
vildiensttätigkeit beim Caritasverband.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unverschämtheit! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU], zu Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Ist das etwa wirklich wahr? – Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Das ist doch ein frecher Kerl!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir an die-
ser Stelle zur Sache. Wir halten es für einen unmögli-
chen Vorgang, dass die Gewerkschaften in ihrer Politik
zunehmend eine funktionärische Sicht einnehmen. Da-
mit stehen wir gar nicht allein. Vielmehr ist das auch die
Meinung der Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer in Deutschland. Nur noch 23 Prozent der ar-
beitenden Bevölkerung sind überhaupt in Gewerkschaf-
ten organisiert.


(Doris Barnett [SPD]: Das sind aber mehr als in der FDP!)


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(C (D llein in den letzten Jahren sind über 800 000 Mitglieer aus den Gewerkschaften ausgetreten. (Detlef Dzembritzki [SPD]: Wie viele Mitglieder hat denn die FDP?)


enau darum geht es. Wir als Freidemokraten wollen
tarke Gewerkschaften. Aber wir sagen: Gewerkschaften
ind dann stark, wenn sie die Interessen der Arbeitneh-
er, nicht aber dann, wenn sie die Interessen ihrer Funk-
ionäre vertreten.


(Beifall bei der FDP)

Ich nenne Ihnen zwei aktuelle Beispiele. Vor einiger

eit haben wir hier im Deutschen Bundestag eine De-
atte darüber geführt, dass der Streik für die 35-Stunden-
oche in Ostdeutschland, in Sachsen und Brandenburg,
on westdeutschen Gewerkschaftsfunktionären vom
aun gebrochen wurde. Dieser Streik für die 35-Stun-
en-Woche – von westdeutschen Gewerkschaftsfunktio-
ären ersonnen; mit westdeutschen Bussen wurden die
treikposten herüber nach Sachsen gefahren – ist nicht
n Arbeitgebern zusammengebrochen. Er ist zusammen-
ebrochen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,
ie es sich nicht länger bieten lassen wollten, so bevor-
undet zu werden – zulasten ihrer eigenen Arbeits-
lätze.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dasselbe haben wir derzeit wieder: Im sicheren öf-
entlichen Dienst – wo kein Arbeitsplatzrisiko besteht
ie für Millionen andere – holt Verdis grüner Chef
sirske jetzt wegen 18 Minuten längerer Arbeitszeit die
treikkeule heraus. Das ist eine Politik, die die Arbeits-
osigkeit in Deutschland vergrößert und die wir Freien
emokraten immer und immer wieder kritisieren wer-
en, weil wir Arbeitnehmerinteressen wahrnehmen und
s für falsch halten, wenn das nur noch funktionärisch
esehen wird.


(Beifall bei der FDP)

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, kom-
en wir zu den konkreten Dingen: Wir wollen nicht an-
telle von Gewerkschaften mehr entscheiden, sondern
ir wollen, dass die Arbeitnehmer selbst mehr entschei-
en können. Das ist unsere Politik: Wenn 75 Prozent
iner Belegschaft sich in einer geheimen Abstimmung
arauf verständigen, vom Flächentarifvertrag abzuwei-
hen, dann soll das auch gelten, ohne dass ein Funktio-
är – sei es auf der Gewerkschaftsseite, sei es auf der Ar-
eitgeberseite – dagegen ein Veto einlegen kann. Nicht
ehr wollen wir, aber auch nicht weniger.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir halten es für eine Groteske unserer Zeit, dass ausge-
echnet der stellvertretende Aufsichtsratschef der Luft-
ansa, Herr Bsirske, den Streik gegen das Unternehmen
rganisiert, für dessen Wohl er in dieser Funktion eigent-
ich arbeiten sollte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

Das akzeptieren wir nicht länger und das wird von uns,
wenn wir Regierungsverantwortung bekommen, in die
Verhandlungen eingebracht werden, weil es notwendig
ist, die Arbeitnehmerinteressen und die Interessen von
Betriebsräten und von betrieblichen Bündnissen zu stär-
ken.

Das ist die Realität heute: Diese IG-Metall-Zeit-
schrift, die ich Ihnen hier zeige, wird von Herrn Peters
offiziell herausgegeben – Herr Müntefering ist Mitglied
der IG Metall –; die Ausgabe ist von diesem Monat, vom
Mai. Investoren werden als Aussauger und Blutsauger,
mit Goldzahn und mit einem Hut in den Farben der ame-
rikanischen Flagge dargestellt.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das ist eine Sauerei!)


Wir Liberale sind gegen jede Form von Ausländerfeind-
lichkeit, auch wenn sie von links kommt, meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das schadet unseren wirtschaftlichen Interessen massiv;
auch darauf muss hingewiesen werden. Das ist keine Pe-
titesse, das ist ein kapitaler Vorgang, der Arbeitsplätze in
Deutschland kostet, weil Investoren wegbleiben. Denn
dieses Bild ist nicht nur in Deutschland erschienen, son-
dern es ist millionenfach in der Weltpresse verbreitet
worden.

Das, was ich Ihnen nun zeige, ist die neue Ausgabe
von „BusinessWeek“, einer der wichtigsten international
erscheinenden Wirtschaftszeitungen, allgemein in die-
sem Hause bekannt. Allein über 1 Million Mal wird
diese Zeitschrift in den Vereinigten Staaten von Amerika
verkauft. Darin finden Sie das Titelblatt mit der Heu-
schrecke abgedruckt. Wir werden „Bloodsuckers“ ge-
nannt; das ist es, worum es geht. Dazu sage ich: Es ist
ein Fehler, wenn man die Investoren beschimpft, die hier
Arbeitsplätze durch ihre Investitionen schaffen sollen.
Wir wollen eine Politik zugunsten von Arbeitnehmern,
zugunsten von betrieblichen Bündnissen. Deswegen sind
wir für weniger funktionärische Fremdbestimmung
durch die Gewerkschaftsfunktionäre und für mehr
Selbstbestimmung in den Betrieben; und das werden wir
auch durchsetzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517506800

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär

Dr. Ditmar Staffelt.

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Dr. Ditmar Staffelt (SPD):
Rede ID: ID1517506900


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zunächst einige kurze Vorbemerkungen. Herr
Kollege Westerwelle, ich finde, es ist kein guter Stil,
wenn man einen Kollegen hier auf diese Weise diffa-
miert, der im Übrigen – auch ich habe jetzt einmal im
Volkshandbuch nachgeschaut – sehr viel mehr in seinem

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(C (D erufsleben getan hat, als Sie ihm hier mit seinem Zivilienst beim Caritasverband zugebilligt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


issen Sie, wenn wir auf dieser Ebene miteinander dis-
utieren, dann machen wir das, was das Parlament aus-
acht, gemeinsam kaputt. Das sollten wir wirklich ver-
eiden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus!)


Punkt zwei. Herr Westerwelle, Sie haben mit der Zu-
pitzung Ihrer hier ausgebreiteten Position sicherlich
azu beigetragen – das war ja wohl auch beabsichtigt –,
ine Diskussion über Sinn und Unsinn von Gewerk-
chaften in unserem Lande loszutreten.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Überhaupt nicht!)


Oh ja, so ist es von den Medien übrigens auch allent-
alben verstanden worden. – Ich finde, dass wir auch
ier nur mit differenzierten Bildern weiterkommen.
Ihr Fraktionsvorsitzender in Schleswig-Holstein hat
der Chemnitzer „Freien Presse“ Ihre Äußerungen ja
icht umsonst als „postpubertäre Äußerungen“ bezeich-
et.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


m Übrigen ist in „Spiegel Online“ nachzulesen, er habe
esagt, Westerwelle habe der FDP keinen Gefallen ge-
n. Die Debatte um den Arbeitsmarkt und die Zukunft
er sozialen Sicherungssysteme müsse mit dem Kopf
nd nicht mit dem Kehlkopf gewonnen werden. – Auch
a hat der Mann in Schleswig-Holstein absolut Recht.


(Beifall bei der SPD – Dr. Rainer Wend [SPD]: Das finde ich aber ein bisschen hart!)


Weil ich Ihre Parteitagsrede verfolgt habe,

(Beifall bei der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenigstens einer! – Dirk Niebel [FDP]: Sehr gute Rede!)


rinnere ich mich darüber hinaus daran, dass der von uns
llen sehr geschätzte Freidemokrat Burkhard Hirsch auf
hre Intervention, die er eben auch so versteht wie viele
Land, klar gesagt hat: Wir brauchen, um den sozialen
rieden in diesem Lande aufrechtzuerhalten und die so-
iale Marktwirtschaft auszubauen, starke Gewerkschaf-
n. – Ich höre mit Befriedigung, dass sich viele in die-
em Hause wieder auf diese Basis zurückbegeben haben.
nsofern sind wir durch diese Debatte beim Selbstver-
tändnis vielleicht schon ein Stückchen vorangekom-
en.
Ich sage darüber hinaus, dass der Vorsitzende der

G Bergbau, Chemie, Energie, Herr Schmoldt, ja nicht
msonst gesagt hat: Mit solchen diffamierenden Äuße-
ungen schaden Sie der demokratischen Kultur in






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt

unserem Lande. Wir müssen einfach aufpassen, dass wir
mit derartig platten Argumentationen und Zuspitzungen
am Ende nicht tatsächlich etwas heraufbeschwören, was
wir nicht gebrauchen können, nämlich die Verhärtung
der Fronten gerade im Bereich von Wirtschaft und Ar-
beitsmarkt, obwohl wir eigentlich das Aufeinanderzuge-
hen als das Konzept verstehen, das wir brauchen, um
diesen Standort Deutschland zu modernisieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt viele Beispiele – ich denke, wenn Sie ehrlich
sind, dann müssen Sie dem auch Ihre Zustimmung
geben –, die wir hier anführen könnten, bei denen Ge-
werkschaften wesentlich dazu beigetragen haben, die
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verbessern zu hel-
fen. Im Bereich der Luft- und Raumfahrt hatten wir
kürzlich N3 Engine Overhaul Services, eine Investition
von Rolls-Royce Deutschland und Lufthansa Technik.
Wettbewerber war ein Standort in Tschechien. Es ist
ganz ausdrücklich den Gewerkschaften zu danken, die
sich auf langfristige Vereinbarungen mit den Investoren
verständigt haben, dass die Entscheidung zur Investition
nicht zugunsten von Tschechien, sondern eben von Ost-
deutschland getroffen wurde. Dies muss man bei solchen
Debatten doch auch einmal sagen. Das waren Entschei-
dungen von so genannten Gewerkschaftsfunktionären, in
diesem Falle der IG Metall.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nichts anderes hat sich zum Beispiel auch bei Opel
ereignet. Der gesamte Zukunftsvertrag ist am Ende ne-
ben den Betriebsräten auch von den hauptamtlichen Mit-
streitern der IG Metall gestaltet worden. Ich denke, es
hat eine tragfähige Lösung gegeben, die gezeigt hat, dass
die Gewerkschaften sehr wohl verstanden haben, dass
wir unsere Tarifpolitik in diesem Lande nicht mehr sozu-
sagen in einem abgeschotteten Raum miteinander gestal-
ten können, sondern dass wir heute in globalen Zusam-
menhängen denken und unsere Unternehmen auch durch
eine sinnvolle Politik der Gewerkschaften selbst wettbe-
werbsfähig im globalen Sinne halten müssen. Das muss
doch unser gemeinsames Bestreben sein. So verstehe ich
jedenfalls viele in den Gewerkschaften.

Meine Damen und Herren, im Übrigen zeigen doch
gerade auch die Entwicklungen in der Tarif- und Lohn-
politik, wo wir stehen. Es gibt doch nicht einen aus ir-
gendeinem wirtschaftswissenschaftlichen Institut, der
etwa den Gewerkschaften vorwerfen würde, sie hätten
an der Tariffront und an der Lohnpolitikfront Fehler ge-
macht. Nein, wir sind hier auf einem außerordentlich
niedrigen Niveau. Als Folge dessen sind wir bei den
Lohnstückkosten hoch wettbewerbsfähig. Auch hier ist
ein Stück Verantwortung von den Gewerkschaften und
den Arbeitgebern gemeinsam getragen worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist der Weg, der in unserem Lande in die richtige
Richtung führt.

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(C (D An dieser Stelle weise ich auf die Vereinbarungen anz moderner Art hin, die letztendlich schwere Einchnitte in den Besitzstand der Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer gebracht haben. Dies gilt etwa für Sieens, Daimler-Chrysler, Karstadt-Quelle, Opel und olkswagen. Meine Damen und Herren, niemand wird sagen, die ewerkschaften hätten einen Heiligenschein. Auch dort erden mit dem einen und anderen in manchen Fällen ichtige Diskussionen zu führen sein; das ist gar keine rage. Aber viele in den Gewerkschaften haben verstanen, dass die Zeiten hart und Bewegung und Flexibilität efordert sind. Dies zeigen übrigens auch die Arbeitseitmodelle: 50 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer in unserem Lande sind in einem System lexibler Arbeitszeiten beschäftigt, 40 Prozent arbeiten uf der Basis von Arbeitszeitkonten. Auch diese Schritte in die richtige Richtung zeigen, ass das System in Ordnung ist. Wir müssen es weiterntwickeln, weiter modernisieren und weiter an die Heausforderungen anpassen. Dann werden wir unsere olkswirtschaftlichen Daten verbessern können. Dies ird sich dann auch an der Front auswirken, die Sie, err Laumann, zu Recht benannt haben: beim Abbau on Arbeitslosigkeit und der Schaffung neuer Arbeitslätze. Hier sitzen wir am Ende alle wieder in einem oot. Ich persönlich – dies darf man als frei gewählter Ab eordneter einmal sagen – empfinde als IG-Metall-Mitlied die vorhin gezeigte Karikatur auf der ersten Seite er Zeitung als – ich drücke es mit aller Vorsicht aus – icht gelungen. uch die Gewerkschaft sollte einmal darüber nachdenen, ob uns solche Kampfpositionen wirklich weiterringen. Mich mobilisieren sie jedenfalls nicht; eher ist as Gegenteil der Fall. Vor diesem Hintergrund müssen ir solche Diskussionen führen, allerdings innerhalb eies Rahmens, der uns in die Lage versetzt, miteinander u reden, und nicht dazu führt, dass wir sprachlos weren. Wir dürfen nicht dazu beitragen, dass eine gute Bais gemeinschaftlichen Handelns, die sich 50 Jahre lang ewährt hat, aufgekündigt wird. Dies kann und darf icht Sinn einer solchen Diskussion sein. Die Damen und Herren der FDP sollten mit ihrem orsitzenden noch einmal hart ins Gericht gehen. Jedenalls sollte er seinen sehr zugespitzten Vorwurf relativieen und ihn auf die Sachkritik zurückführen, die ihm am erzen liegt. Danke. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517507000

Das Wort hat jetzt der Kollege Hartmut Schauerte von

er CDU/CSU-Fraktion.






(A) )



(B) )



Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1517507100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Welch eine gespenstische Debatte führen wir hier
eigentlich? Der Vorsitzende der größten Partei in
Deutschland, Müntefering, spricht von Heuschrecken-
plage und meint damit amerikanische und andere auslän-
dische Investoren.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Dabei ist das gar nicht die größte!)


– Nein, die SPD ist in Nordrhein-Westfalen lange nicht
mehr die größte,


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das wollte ich gehört haben!)


aber auf Bundesebene ist sie es noch.
Die IG Metall, eine der größten Gewerkschaften in

Europa und in der Welt, stellt die Amerikaner in dem Ti-
telbild ihrer Zeitschrift als einen hässlichen Blutsauger
mit amerikanischem Hut dar.


(Dagmar Freitag [SPD]: Das hatten wir schon! Sie sind spät dran!)


Die FDP nennt die Gewerkschaften, die wir in unserer
sozialen Marktwirtschaft brauchen, eine Plage.


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, die Funktionäre! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)


Diese Kombination ist in der Tat eine große Plage. All
das können wir nämlich nicht gebrauchen. Das ist so
überflüssig wie ein Kropf. Wir sind keine Bananenrepu-
blik und hier muss auch nicht die Revolution ausgerufen
werden. Wir müssen keine alten Lagerkämpfe auffri-
schen, sondern wir müssen Lösungen für seit langem be-
kannte Probleme anbieten. Genau das passiert aber nicht.

Zur FDP kann ich nur eines zur Entschuldigung sa-
gen: Sie hat als Echo auf das reagiert, was Müntefering
erklärt hat. Aber wer auf ein falsches Signal Echo spielt,
vergrößert das Problem, Herr Westerwelle. Besser ist,
man lässt es sein und kehrt zur Sacharbeit zurück. Die
Union ist bei dieser künstlichen Art, die Dinge so hoch-
zutreiben, dass sich die Menschen verwundert die Augen
reiben und sich fragen, in welchem Land sie eigentlich
leben, nicht dabei und lässt sich dafür in keiner Weise in
die Pflicht nehmen. Wir lehnen diese Art von Diskussion
als Ersatz zur Lösung schwerwiegender volkswirtschaft-
licher und sozialpolitischer Probleme entschieden ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich empfehle allen Dreien: Entschuldigen Sie sich für

diese Art der Diskussion, sodass wir wieder zur sachli-
chen Arbeit zurückkommen können. Das wäre in Ord-
nung und ein tolles Zeichen. 5 Millionen Menschen su-
chen eine Arbeit und wir führen solche Debatten! Diese
Menschen müssen sich doch wirklich auf den Arm ge-
nommen fühlen. Überlegen Sie einmal, ob Sie sich nicht
in einem Spitzentreffen einigen können, diese Debatte
zurückzuziehen, um zur Sachlichkeit zurückzukehren,
die dringend nötig ist.

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(C (D Auch der Wahlkampf rechtfertigt das nicht. Sie stehen n Nordrhein-Westfalen mit dem Rücken an der Wand. as, was Müntefering losgetreten hat, ist erkennbar ein irklicher Rohrkrepierer und hat ihn selber beschmutzt. (Rolf Stöckel [SPD]: Das sehen die Leute aber anders, Herr Schauerte!)


Nein, Ihre Umfragewerte für die Wahl in Nordrhein-
estfalen sind gerade gestern noch einmal um
Prozentpunkt gesunken. Sie sind weder stabil geblie-
en noch haben sie sich erhöht. Das ist ein Rohrkrepie-
er. Schade um der Sache willen!
Wissen Sie, wo die Probleme wirklich liegen?


(Zuruf von der SPD)

Ich kann es auch noch vertiefen. – Ich kann Ihnen vor-
esen, was Ihre Ministerien in Ihrer Regierungszeit an so
enannte Aussaugerunternehmen verkauft haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Machen Sie mal!)


uf diesem Gebiet sind Sie Weltklasse, Spitze. Den ers-
en großen Geschäftsabschluss, der mit Apax gemacht
orden ist, hat Herr Müntefering persönlich unterschrie-
en.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!)

s geht um Milliardenunternehmen. Sie haben sogar
ensionsansprüche der Post an diese angeblich so unso-
ialen und unvernünftigen internationalen Finanzie-
ungsgruppen verkauft. Machen Sie damit Schluss! Das
ilft nicht weiter. Das Problem ist ein anderes. Wir brau-
hen Antworten auf die Frage nach der Bekämpfung der
rbeitslosigkeit. Sie machen mit dieser Art von verbaler
ufrüstung Folgendes: Die Investoren, die wir nach
eutschland holen wollen, schrecken Sie ab. Die Inves-
oren, die wir in Deutschland haben, vertreiben Sie zu-
ätzlich. Es geht schief, wenn Sie so weitermachen.
Was ist nötig? Wir brauchen Politik, die zum Beispiel

en Verkaufsdruck vermindert. Häufig wird ja aus der
ot heraus verkauft. Was machen Sie diese Woche, Herr
end? Wir wollten morgen über Steuersenkungen im
nternehmensbereich diskutieren.


(Rolf Stöckel [SPD]: Kommen Sie mal zum Thema!)


Wir sind gerade beim Jobgipfel; das ist nämlich die
ntwort. Wir wollten die Körperschaftsteuer senken.
as können wir morgen nicht diskutieren. Ich befürchte
chlimmes nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen.


(Dagmar Freitag [SPD]: Da haben Sie auch allen Grund zu!)


ie haben heute nicht umsonst gewarnt. Ich vermute,
ass Sie selber vermuten, dass in Ihren eigenen Reihen
ersucht wird, diese Sache gänzlich zu stoppen.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Vermuten Sie nicht zuviel, Herr Schauerte!)


Ich will ein weiteres Beispiel nennen, die Erbschaft-
teuerreform. Wenn wir bei der Erbschaftsteuerreform






(A) )



(B) )


Hartmut Schauerte

nicht die Probleme lösen, die wir uns vorgenommen ha-
ben und die verabredet waren, bleibt die Frage: Was pas-
siert dann? Bevor die Erbschaftsteuer gezahlt wird, wird
das Unternehmen an solche Institutionen verkauft, die
Sie in Deutschland nicht haben wollen.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Kann ich daraus schließen, dass Sie der Erbschaftsteuerreform zustimmen werden?)


– Natürlich, wir haben den Vorschlag doch eingebracht.
Sie haben doch den bayerischen Gesetzentwurf abge-
schrieben. Wir sind mit Edmund Stoiber völlig einer
Meinung.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Dann wird es doch kein Problem sein, dass Sie zustimmen!)


– Sie haben das gleiche Problem wie ich an dieser Stelle.
Das Ganze muss solide finanziert sein. Deswegen haben
Sie wohl die Diskussion über diese Reform zum zweiten
Mal verschoben.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: War das von Stoiber nicht solide finanziert?)


Machen wir eine konkrete Politik zur Verhinderung
eines Verkaufs von Unternehmen in Deutschland. Am
besten ist es, die Unternehmen bleiben im Familienbe-
sitz. Am besten ist, die Arbeitsplätze bleiben hier. Ma-
chen wir eine Modernisierung unseres Landes und rüsten
wir verbal ab! Alles andere ist nur schädlich und vergif-
tet das Klima. Unsere Probleme in Deutschland sind
wahrlich zu groß, als dass wir auf solche Nebenkriegs-
schauplätze, die peinlich sind, ausweichen dürfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Rainer Wend [SPD]: Ist der Vorschlag von Stoiber solide finanziert oder nicht?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517507200

Das Wort hat die Kollegin Petra Selg von Bündnis 90/

Die Grünen.

Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517507300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Westerwelle, Ausführungen über Ihre
beruflichen oder auch gewerkschaftlichen Berührungs-
punkte oder Ihr Engagement möchte ich mir ersparen.
Aber die Art und Weise, wie Sie die Debatte hier geführt
haben, nämlich polemisch, persönlich verletzend und
ohne ein Wort zur Sache, spricht für sich.


(Zurufe von der FDP: Oh!)

Herr Westerwelle, Sie bezeichnen die Gewerkschaf-

ten und damit auch Menschen wie mich – ich bin seit 25
Jahren bei Verdi – als wahre Plage, als Totengräber des
deutschen Wohlstands und als Verräter der Arbeiter-
klasse.


(Rolf Stöckel [SPD]: Reine Ideologie!)

Das ist ein abenteuerliches Kraftsprüchesammelsurium,
das Sie uns hier anbieten, das mich zutiefst erschreckt.
Sie haben vorhin auch gesagt, dass es im öffentlichen

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(C (D ienst Arbeitsplatzsicherheit gibt. Dazu möchte ich Ihen meine Erfahrungen nennen. Ich habe vor über drei ahren ein Krankenhaus schließen und einen Sozialplan rstellen müssen. Das war die bitterste Erfahrung in meiem beruflichen Leben. 120 Menschen waren von Areitslosigkeit bedroht und ohne Verdi hätten wir keinen ernünftigen Sozialplan zustande gebracht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie betonen, wo Sie gehen und stehen, die Bürger-
echte. Sie prügeln auf uns, auf Rot-Grün, ein und be-
aupten, dass wir diese einschränken wollten.


(Beifall bei der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Das ist wahr!)


ie verträgt sich denn das mit Ihrer Forderung, die Pari-
t in der betrieblichen Mitbestimmung abzuschaffen
nd zu einer Drittelparität zu kommen?


(Dirk Niebel [FDP]: Hat keiner gefordert!)

ie verträgt sich das mit Ihrer Forderung nach betriebli-
hen Bündnissen, von denen Sie eigentlich wissen müss-
n, dass es sie längst gibt? Ich frage Sie auch: Enden
enn die Bürgerrechte für Sie an den Betriebstoren? Die
ewerkschaften, sehr geehrter Herr Westerwelle, sind
it der verfassungsrechtlich verankerten Tarifautonomie
utiefst Ausdruck der Wahrnehmung dieser Bürger-
echte. Ihre Vorschläge aber sprechen eben diesen Bür-
errechten Hohn. Seien Sie lieber so ehrlich und sagen
ie, dass Sie nur auf sozialen Kahlschlag aus sind. Be-
ennen Sie sich dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmer und somit auch ihre Interessenvertreterinnen
nd Interessenvertreter für Sie keine vollwertigen Bür-
erinnen und Bürger sind.


(Erika Lotz [SPD]: So ist es!)

Ein anderes Thema, nämlich dass sich auch die Ge-
erkschaften wandeln müssen, hat Herr Laumann vor-
in angesprochen. Ich bestreite das gar nicht. Kein Ge-
erkschafter wird das heute mehr bestreiten. Viele
aben es bereits getan. Deshalb, sehr geehrter Herr
esterwelle, sollten Sie sehr vorsichtig sein, was Ihre

gnoranz und Arroganz gegenüber den Leistungen der
ewerkschaften betrifft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


ir haben und wir brauchen weiterhin starke Gewerk-
chaften in Deutschland. Sie sollten nicht vergessen,
elch ungeheuren Beitrag die Gewerkschaften beim
iederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute ge-

eistet haben: die geordnete friedliche Organisation der
rbeiterschaft, gerade eben die Vermeidung einer zer-
plitterten Gewerkschaftsstruktur, wie wir sie vor der fa-
chistischen Diktatur in Deutschland hatten, die Modera-
on des industriellen Wandels zum Beispiel im
uhrgebiet oder die Vermeidung von Streiks und mögli-
hen Unruhen. Der Abschluss in der Stahlindustrie zeigt
ies.






(A) )



(B) )


Petra Selg

Ihr eigener Parteifreund Burkhard Hirsch hat Sie auf

dem FDP-Parteitag vor einem allzu scharfen Ton gegen-
über den Gewerkschaften gewarnt und deren unverzicht-
bares Verdienst für den sozialen Frieden Deutschlands
ausdrücklich gewürdigt. All das ignorieren Sie nun und
tun so, als wäre in Deutschland alles ohne diese „lästi-
gen“ Gewerkschaften besser. Das zeigt einmal mehr,
dass Sie nicht wissen, wovon Sie reden.


(Dirk Niebel [FDP]: Das hat er nie gemacht!)

– Lieber Herr Niebel, was heißt es denn dann, wenn Sie
sagen: Das hat er nie gesagt, dass die Gewerkschaften
eine wahre Plage, Totengräber des deutschen Wohl-
stands und Verräter der Arbeiterklasse sind? Hören Sie
bitte einmal zu, was Ihr Vorsitzender sagt, und sagen Sie
nicht: Das hat er nicht gesagt.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie sollten vernünftig zuhören und richtig zitieren!)


Was glauben Sie eigentlich, wie Deutschland heute
ohne die Leistungen der Gewerkschaften aussähe? Ihre
Antworten kann ich mir denken. Das wäre ein Deutsch-
land nach Ihrem Geschmack. Sie haben es vorhin gesagt.
Aber ich möchte es mir nicht vorstellen. Ich muss es mir
auch nicht vorstellen; denn unter Rot-Grün – da können
Sie sicher sein – wird es das nicht geben.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517507400

Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel von der FDP-

Fraktion.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt der Nebelwerfer!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1517507500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich muss schon zugeben: Ich habe lange mit mir
gerungen, ob ich meine Redezeit vielleicht dem Kolle-
gen Benneter zur Verfügung stellen sollte.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie es getan, wäre es besser gewesen!)


Das war ein bemerkenswerter Vortrag, den wir hier ge-
hört haben. Vielleicht kann ich meinen Vorsitzenden da-
von überzeugen, dass wir diese Rede als Wahlwerbespot
für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen bringen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das Geld lohnt nicht; glaub’ mir das!)


Nur unterscheidet die Aktuelle Stunde, die Sie hier bean-
tragt haben, natürlich leider nicht zwischen Ursache und
Wirkung.


(Der Redner hält ein Bild hoch)

– Das hier ist aus dem Inhaltsverzeichnis des „Focus“
dieser Woche.


(Ute Kumpf [SPD]: Sind Sie unter die Zeitungsverkäufer gegangen?)


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(C (D ie Frage nach Ursache und Wirkung hat etwas damit zu n, wer zuerst biblische Vergleiche gezogen hat. Es war hr Vorsitzender, der Investoren in diesem Land mit Tieen verglichen hat. (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sind die Heuschrecken rot?)


Die Heuschrecken sind hier aus künstlerischen Grün-
en rot. Eigentlich wissen wir: Heuschrecken sind grün.
as ist keine Frage.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Es gibt nur rote und grüne Heuschrecken! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Und schwarz sind Ameisen; die sind fleißig!)


s war Ihr Vorsitzender, der Vorsitzende der SPD-Frak-
on, der eine Debatte vom Zaun gebrochen, in der man
uf den groben Klotz auch mit einem groben Keil reagie-
en muss, weil dieses Land sonst das Problem von fast
Millionen registrierten Arbeitslosen niemals überwin-
et.


(Beifall bei der FDP)

Ihre Parteizeitung „Vorwärts“, Herr Benneter – ich

laube, Sie sind der Herausgeber –, titelt: „Nackte Pro-
it-Maximierung gefährdet die Demokratie.“


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Was ist daran falsch?)


as Bild aus der Zeitschrift der IG Metall ist hinrei-
hend bekannt und ausreichend verwendet worden. Sie
üssen sich vorwerfen lassen, dass Sie unhistorisch und
eschichtslos sind. Was wäre aus der Bundesrepublik
eutschland geworden, wenn vor 60 Jahren nicht ameri-
anisches Investitionskapital in dieses Land gekommen
äre?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heute werden noch gerade einmal knapp 20 Prozent
er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Gewerk-
chaften vertreten. Die Gewerkschaftsfunktionäre tun al-
rdings so, als seien sie in der Lage und legitimiert, die
ichtlinien der Politik zu bestimmen. Wir wissen: Das
üsste eigentlich der Herr Bundeskanzler tun; aber of-
enkundig regiert der ja schon gar nicht mehr.
Gewerkschaftsfunktionäre drangsalieren den deut-

chen Mittelstand mit immer neuen Ideen. Ich möchte
ier als Beispiel das Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage
ennen, das immer noch in der Schublade liegt und in
em eine Ausbildungsquote von 6 Prozent festgeschrie-
en ist.


(Doris Barnett [SPD]: So ist es!)

eim DGB betrug die Ausbildungsquote im letzten Jahr
,3 Prozent, bei Verdi 0,4 Prozent, bei der IG Metall
,9 Prozent. So viel zu Anspruch und Wirklichkeit.


(Beifall bei der FDP – Doris Barnett [SPD]: Und bei der FDP?)


Nun wollen wir alle nicht, dass unsere jungen Men-
chen nur bei Gewerkschaften ausgebildet werden. Aber






(A) )



(B) )


Dirk Niebel

wenn Funktionäre eine gewisse Messlatte vorgeben,
dann müssen sie sich auch selbst danach richten. Wir alle
wissen, dass gerade die Gewerkschaftsfunktionäre nicht
die besten Arbeitgeber sind. Was bei Verdi im Zuge des
Personalabbaus passiert, wird von den Mitgliedern der
Gewerkschaft, die keinen eigenen Betriebsrat haben dür-
fen, weil sie sich ja quasi selbst vertreten, zu Recht mas-
siv kritisiert.

Es kann nicht sein, dass Sie so tun, als würden be-
triebliche Bündnisse für Arbeit längst bestehen.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich tun sie das, Herr Niebel!)


Es gibt Öffnungsklauseln in Tarifverträgen. Ich kann Ih-
nen auch erklären, weshalb die Funktionäre der Arbeit-
geberverbände und die der Gewerkschaften so sehr ge-
gen eine gesetzliche Regelung sind: weil dadurch die
Verbändemacht eingeschränkt werden würde zugunsten
der Möglichkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer im Betrieb.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Petra Selg [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In welcher Realität leben Sie? Sie haben keine Ahnung!)


Die Öffnungsklauseln in Tarifverträgen greifen nämlich
immer nur dann, wenn die Funktionäre der einen oder
der anderen Seite zustimmen. Überall dort, wo Betriebs-
rätinnen und Betriebsräte auf der einen Seite und Unter-
nehmerinnen und Unternehmer oder die Geschäftslei-
tung auf der anderen Seite in freier Selbstbestimmung, in
freier und geheimer Wahl mit 75 Prozent der Belegschaft
etwas anderes entscheiden, als im Flächentarifvertrag
steht, kommt die Keule des Verbändestaates dazwischen,
um die Verbändemacht zu sichern.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In keiner Weise! Wissen Sie, dass Sie Unsinn reden?)


Wir haben das mehrfach gesehen, zum Beispiel bei
Viessmann und bei Burda. Mit der Fahne der Tarifauto-
nomie in der Hand sind die Beschäftigten in die Arbeits-
losigkeit gegangen, weil einige Gewerkschaftsfunktio-
näre verhindert haben, die Betriebe zukunftssicher zu
gestalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen in diesem Land dafür sorgen, dass es
gute, funktionsfähige Gewerkschaften gibt. Kein
Mensch, ganz besonders nicht in der FDP, möchte, dass
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgebeutet wer-
den. Wir müssen aber verhindern, dass Funktionäre ihre
eigenen Funktionärsinteressen vertreten auf Kosten der
Menschen, deren Interessen sie eigentlich vertreten soll-
ten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Petra Selg [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sind doch Sonntagsreden, die Sie hier von sich geben! Völlig unqualifizierte Sonntagsreden!)


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(C (D enn in 29 von 30 DAX-Unternehmen Gewerkschaftsunktionäre im Aufsichtsrat sitzen, haben die etwas mit er wirtschaftlichen Situation in Deutschland zu tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


pätestens dann, wenn sich der grüne Vorsitzende von
erdi, Herr Bsirske, als stellvertretender Aufsichtsrats-
orsitzender der Lufthansa selbst bestreikt, müssen Sie
och zur Kenntnis nehmen, dass hier etwas falsch läuft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Benneter hat vorhin bestimmte Formulierungen
ritisiert. Herr Benneter ist für andere Formulierungen
inmal aus der SPD ausgeschlossen worden.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Herr Benneter, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass

hr Parteivorsitzender Tank & Rast an Apax verkauft
at. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass Ihr Finanzmi-
ister die Bundesdruckerei an Apax verkauft hat, an eine
irma, die auf Ihrer „Heuschrecken-Liste“ steht. Und Sie
ollten zur Kenntnis nehmen, dass Frau Schmidt die
ohnungen der BfA ebenfalls an eine Fondsgesellschaft
erkauft hat. Seien Sie doch nicht so scheinheilig und
treuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517507600

Herr Kollege Niebel, Ihre Redezeit ist leider abgelau-

en.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1517507700

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wenn
ultifunktionäre so tun, als seien sie in der Lage und be-

ugt, dieses Land an sich zu reißen, dann muss es einen
eben, der sich dagegen erhebt. Das werden die Freien
emokraten sein.


(Beifall bei der FDP – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ich dachte schon, es käme was Schlimmeres!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517507800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Walter Riester.


Walter Riester (SPD):
Rede ID: ID1517507900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch war nicht überrascht über das Anpöbeln des Herrn
esterwelle gegenüber gewählten Vorsitzenden einzel-
er Gewerkschaften. Das stand in einer Kontinuität zu
einen sonstigen Äußerungen. Ich glaube auch nicht,
ass sie bei den Gewerkschaften große Überraschung
usgelöst haben.
Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass seine Äuße-

ung große Ängste auslöst, wenn er von der Opposition
efreit sei, dann wolle er Gewerkschaftsfunktionäre ent-
achten. Denn die Gewerkschaftsvorsitzenden werden
n demokratischen Prozessen gewählt; sie werden nicht






(A) )



(B) )


Walter Riester

vom Vorsitzenden der FDP eingesetzt. Darin sehe ich
nicht das Problem.

Das Problem liegt vielmehr in den Inhalten, die er
vertreten hat. Er hat gesagt: Wenn wir an die Macht
kommen, dann werden wir das Tarifrecht aufbrechen.


(Dirk Niebel [FDP]: Nein! Das Tarifkartell!)

– Im „Focus“ sagt er: das Tarifrecht aufbrechen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das Tarifkartell! – Gegenruf des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD]: Beantragen Sie doch eine Gegendarstellung beim „Focus“!)


Was er unter „Aufbrechen“ versteht, hat er hier erläu-
tert. Er möchte nicht, dass die letzte Entscheidung bei
den Gewerkschaften liegt, sondern dass die Vorgabe der
Geschäftsleitung in geheimer Abstimmung von den Be-
schäftigten akzeptiert werden muss.

Als Jurist müsste er eigentlich wissen, dass das Tarif-
vertragsgesetz noch vor der deutschen Verfassung ge-
schaffen worden ist. In Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz wurde
die Koalitionsfreiheit bewusst so stark verankert,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Lieber Kollege, bauen Sie bitte keinen Popanz auf!)


weil man wusste, wie erpressbar Menschen in bestimm-
ten Situationen sind.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Wissen Sie es nicht besser oder warum reden Sie so?)


Es kann durchaus sein, dass Ihnen in diesem Zusam-
menhang der allgemeine Hintergrund fehlt. Ich will Ih-
nen deshalb die aktuelle Situation eines großen, renom-
mierten Unternehmens, nämlich Siemens, schildern.


(Dirk Niebel [FDP]: Reden Sie doch mal über den Mittelstand!)


– Ich rede nicht mit Ihnen, sondern ich schildere jetzt die
Situation von Siemens, einem Unternehmen, das auch
Handys fertigt. Der Anteil der Lohnkosten bei der Ferti-
gung eines Handys schwankt inzwischen zwischen
2 Prozent und 6 Prozent der Fertigungskosten. Trotzdem
ist die Belegschaft hier erpresst worden: Bei Zugeständ-
nissen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie bei der
Anhebung der Arbeitszeit könne die Fertigung dort wei-
tere zwei Jahre gehalten werden. Der Belegschaft blieb
nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Das ist die Erpressungssituation. Wissen Sie, warum
das zurzeit geradezu tödlich ist? Wir werden morgen
über das Entsenderecht diskutieren. Dabei geht es um
die Frage, wie sich Menschen verhalten müssen, für die
es keine Tarifverträge gibt, und welche Konkurrenz-
situation in unserem Land auftritt. Es geht nicht darum,
ob weitere Zuwanderung gewollt ist; wenn Ihr Vorhaben
verwirklicht wird, dann wird dies zur Basis in Deutsch-
land.

Werfen Sie einen Blick in die Bereiche in Ostdeutsch-
land, in denen es schwache Strukturen gibt.


(Dirk Niebel [FDP]: Klassenkämpfer!)



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(C (D Da spricht jemand von einem „Klassenkämpfer“, der eine Ahnung hat, dass inzwischen Menschen bereit ind, sich für 3 bis 4 Euro zu verdingen, weil ihnen ichts anderes übrig bleibt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich komme zu einem weiteren Punkt. Er erklärt, dass
ie Mitbestimmung abgeschafft werden soll.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wer sagt das?)


Herr Westerwelle. Das ist im „Focus“ nachzulesen. Er
öchte, dass die Mitbestimmung abgeschafft wird.


(Dirk Niebel [FDP]: Was hat er gesagt?)

Das können Sie ja nachlesen. Sie müssen das nicht mit
ir diskutieren; das sind die Fakten. Ich habe in der Pra-
is erlebt – von dieser haben Sie wahrscheinlich keine
hnung –,


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Aber jede Menge!)


ie es in deutschen Aufsichtsräten zugeht, und kenne
ie Kompetenz beider Seiten. Ich kann Ihnen deshalb sa-
en: Die dort vertretenen Gewerkschafter und Betriebs-
äte stehen den Vertretern, die für eine Bank oder eine
ersicherung in drei oder vier Aufsichtsräten miteinan-
er konkurrierender Unternehmen sitzen, in der sachli-
hen Kompetenz in nichts nach. Sie sind insbesondere
äher an der Praxis dran.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun tut es mir Leid, dass Herr Westerwelle aus Zeit-
ründen, wie er mir gesagt hat, nicht weiter an der De-
atte teilnehmen kann.


(Dirk Niebel [FDP]: Er hat sich bei Ihnen dafür entschuldigt!)


ber ich finde, dass er sehr viel Chuzpe bewiesen hat;
enn das, was er Ihnen gesagt hat, entspricht genau dem,
as er sonst offen erklärt. Er erklärt: Wir leben im So-
ialismus, über 50 Prozent Staatsquote! Vergisst er, dass
eine Partei diejenige ist, die die längste Zeit in dieser
epublik an der Regierung war, und dass die Staatsquote
998, als die FDP aus der Regierung ausgeschieden ist,
ei 52 Prozent lag? Das sagt uns jemand, der die meiste
eit seines Lebens in staatlichen, mit Steuermitteln fi-
anzierten Schulen und Hochschulen gelernt hat


(Dirk Niebel [FDP]: Sind Sie demnach auch für Studiengebühren?)


nd nun seit drei Legislaturperioden – finanziert mit
teuergeld – Politikfunktionär ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


a verstehe ich die Menschen, die sagen: Mit vollen Ho-
en ist gut stinken!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Walter Riester Niebel [FDP]: Was sind Sie denn hier: Politikfunktionär oder Abgeordneter? Eine Unverschämtheit! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wenn ich als Minister so gescheitert wäre, hätte ich den Mund nicht so voll genommen!)





(A) )


(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508000

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Johannes

Singhammer.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1517508100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Welches ist die wahre Plage in Deutschland?
Die wahre Plage ist, dass – offiziell gemeldet – 5 Millio-
nen Arbeitsplätze in diesem Land fehlen und dass tat-
sächlich 8 Millionen Arbeitsplätze benötigt werden. Die
wahre Plage ist, dass wir jeden Tag 1 000 sozialversiche-
rungspflichtige Arbeitsplätze in Deutschland verlieren,
und zwar auch heute, am 12. Mai 2005. Die wahre Plage
in unserem Land ist, dass die rot-grüne Bundesregierung
kein Rezept findet, um diesen Untergang von Arbeits-
plätzen nachhaltig zu stoppen.

Diese Aktuelle Stunde ist sicherlich überflüssig. Aber
auch in einer überflüssigen Aktuellen Stunde dürfen
Selbstverständlichkeiten gesagt werden. Selbstverständ-
lich haben die Gewerkschaften ihren Anteil am Wohl-
stand in der Bundesrepublik Deutschland und ihrer
Geschichte. Selbstverständlich brauchen wir auch
Funktionäre, genauso wie bei jedem anderen Verband.
Selbstverständlich wollen wir ernsthaft, gut und eng zu-
sammenarbeiten. Selbstverständlich gibt es auch Mei-
nungsunterschiede.

Welches ist der Sinn dieser Aktuellen Stunde? Sie
wollen eigentlich das enge Verhältnis zwischen den Re-
gierungsfraktionen und dem DGB sowie ein eher distan-
ziertes Verhältnis zu den anderen Fraktionen im Deut-
schen Bundestag demonstrieren. Nun wäre ich mir darin
nicht so ganz sicher. Ich habe den Eindruck gewonnen,
dass sich gerade die Regierungsfraktionen sehr plagen
– zumal in ihrem Verhältnis zum DGB –, als ich vor kur-
zem gelesen habe: DGB-Chef Sommer attackiert den
Bundeskanzler. Schröder versuche, mit einer Mischung
„aus Zuckerbrot und Peitsche Gunst und Ehre zu vertei-
len, Menschen unter Druck zu setzen“. So „Stern.de“
vom 24. August 2004. Oder der Chef des DGB in seiner
Rede zum 1. Mai 2005 in Mannheim: Es ist

ein Unding, dass der Vorsitzende der größten Re-
gierungspartei … die inhumanen Auswüchse des
Ellenbogenkapitalismus beim Namen nennt und der
stellvertretende Parteivorsitzende und Wirtschafts-
minister dazu lapidar erklärt, die Kritik seines Vor-
sitzenden habe keinerlei Auswirkungen auf das
konkrete Regierungshandeln.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Schließlich – wieder „Stern.de“ vom 24. August 2004 –
werde es mit ihm „keine Wahlauftritte, keine Wahlauf-
rufe und keine Wahlempfehlungen geben“. Denn die

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(C (D PD habe „viele Positionen geräumt und wir sind heute chlauer als 1998 und 2002“. Uns ist an einer guten, konstruktiven Zusammenarbeit elegen. Es gibt eine Reihe von Meinungsverschiedeneiten. Eine davon nenne ich: Anders als Sie fordern wir etriebliche Bündnisse für Arbeit. Diese Bündnisse sind mstritten. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir hier orankommen und dass wir mehr Rechte auf die betriebiche Ebene verlagern. Sie selbst haben davon gesprohen, dass dies teilweise mit großem Erfolg geschieht. ir sollten übereinkommen, dass dieser Weg fortgesetzt ird. In den Zusammenhang mit den sieben Plagen bibli chen Ausmaßes gehört die Geschichte von den sieben etten und den sieben mageren Jahren. (Dirk Niebel [FDP]: Die sieben mageren sind bald um!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ngesichts der letzten fast sieben Jahre unter dieser rot-
rünen Bundesregierung kann niemand in diesem Hohen
ause behaupten, es seien sieben fette Jahre gewesen. Es
aren für die Arbeitnehmer sieben magere Jahre; sie ha-
en Einkommens- und Wohlstandsverluste hinnehmen
üssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ir wollen, dass für die Arbeitnehmer und für die Wirt-
chaft sieben fette Jahre folgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508200

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Doris Barnett.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Rüsten Sie ab, gnädige Frau!)



Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1517508300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir sind in der Tat an einer Art Scheideweg. Herr
esterwelle hat zum letzten Gefecht aufgerufen: Er will
ie Arbeitnehmerschaft in Deutschland endlich so kurz
nd klein schlagen, dass sie in sein Weltbild der Markt-
irtschaft passt. Das ist bei ihm – nebenbei gesagt, auch
ei der CDU – die Ordnung der Freiheit.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)


eshalb steht für ihn und seine Partei die Freiheit über
er Gleichheit. Die Gleichheit ist zwar im Grundgesetz
estgeschrieben; aber sie gilt für ihn eben nur vor dem
esetz. Nach ihm herrscht in der Wirtschaft aber die
reiheit und wer das nicht versteht, den muss man mit
ewalt zu seinem Glück zwingen.
Diese Beglückung soll dann – wenn die FDP je wie-

er in Regierungsverantwortung kommt –

(Dirk Niebel [FDP]: Das geht schneller, als Sie sich vorstellen können!)







(A) )



(B) )


Doris Barnett

durch die Zerschlagung der Gewerkschaften erfolgen.
Die CDU/CSU soll da mitmachen und sie wird es wohl
auch; denn außer einem Bekenntnis zur Gewerkschaft
als solcher haben wir keine wirkliche Distanzierung zu
Westerwelles Ausfällen gehört.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Die Erde ist eine Scheibe!)


Die zerschlagenen Gewerkschaften müssen nach
Westerwelles Lesart von ihren Hauptamtlichen befreit
werden, weil sie die Arbeitnehmerschaft angeblich ver-
raten mit ihren Tarifabschlüssen, die in der Fläche gelten
und somit auch den anständigen Mittelständler vor Dum-
pingkonkurrenz schützen. Offensichtlich ist es der FDP
und den Arbeitgeberfunktionären lieber, die Tarifkon-
flikte zukünftig in die Betriebe hineinzutragen; schließ-
lich können die Arbeitnehmer vor Ort und allein doch
viel freier entscheiden.

Die FDP ist bestimmt überzeugt, dass der einzelne
freie Betriebsrat bzw. der einzelne freie Arbeitnehmer
stark genug ist, seine berechtigten Forderungen auf den
Tisch des Arbeitgebers zu legen und sie auch durchzu-
setzen. Herr Westerwelle zweifelt sicherlich keine Se-
kunde daran, dass der Betriebsrat ebenso wie der ein-
zelne Mitarbeiter „im global agierenden Multi“ auf
gleicher Augenhöhe mit seinem Chef verhandelt.

Nun, von ausgeprägtem Realitätssinn bleibt die FDP
in letzter Zeit sowieso verschont. Dafür hat sie das Zer-
schlagungssyndrom befallen. Ich erinnere nur an die
Zerschlagungsgelüste von Ihnen, Herr Niebel, bezüglich
der Bundesagentur für Arbeit.


(Dirk Niebel [FDP]: Auflösen!)

Durch Regierungsabstinenz offensichtlich blackout-

geschädigt hat die FDP vergessen, welche Kraftanstren-
gungen die Gewerkschaften und ihre Repräsentanten in
den Jahren seit Kriegsende geschultert haben, um dieses
Land nach vorne und zu Wohlstand zu bringen: vom
Strukturwandel über Mehrarbeit, betriebliche Bündnisse,
Vorruhestand mit und ohne Wiederbesetzungsgarantie
bis hin zu Lohnzurückhaltung, Verzicht auf Urlaubsgeld,
Weihnachtsgeld usw., und das alles, um Arbeitsplätze zu
sichern, um Unternehmen vor der Insolvenz dank unfä-
higer Manager zu retten,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist unerträglich!)


um den sozialen Frieden zu wahren, um als Investitions-
standort attraktiv zu bleiben und um Ausbildungs- und
Arbeitsplätze schaffen zu können.


(Dirk Niebel [FDP]: Wer rettet das Land vor unfähigen rot-grünen Regierungen?)


Leider ist es aber auch wahr, dass die ganzen Anstren-
gungen von der anderen Tarifvertragsseite so gut wie
nicht honoriert wurden: Arbeitsplätze wurden abgebaut;
Ausbildungsplätze fallen weg bzw. werden nicht in aus-
reichender Anzahl angeboten; Unternehmen verlagern
den Standort wegen kurzfristig höherer Gewinne.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wer regiert denn hier, gnädige Frau?)


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(C (D Für die FDP geht das wohl in Ordnung; denn schließich haben wir Marktwirtschaft und leben in der Ordung der Freiheit. Wer wagt, das als unsozial anzupranern, wird als Plage in der Wertewelt der FDP bgestempelt. Ich sage: Wer so wie Herr Westerwelle arumentiert, hat nicht nur eine verquere Wertewelt, der at sich selbst als regierungsunfähig und -unwürdig disualifiziert. Seine – angebliche – Neutralität stellt Herr esterwelle und mit ihm die FDP her, indem sie nicht ur die hauptamtlichen Gewerkschafter, sondern auch ie Funktionäre der Unternehmensverbände abschaffen ollen. Nun frage ich mich, wie zukünftig – das wurde chon gesagt – Tarifvertragsverhandlungen zwischen wei Organisationen, die nur noch als leere Hüllen betehen würden, funktionieren sollen. Gar nicht! Das ist ja uch das Ziel. Dass das den Unternehmen wirklich nutzt, leibt die Behauptung von Herrn Westerwelle. Lassen ir es dabei. Allerdings mache ich mir schon Gedanken darüber, elches Menschenbild und welche Menschenwürde in ie Vorstellung von Freiheit von Herrn Westerwelle geören. Da prangert er an, dass die Gewerkschaften in den nteren Lohngruppen prozentual bessere Lohnzuwächse rzielt haben. Nebenbei gesagt: Den gleichen Vorwurf ibt es in einer nicht unbedeutenden Rede vom 15. März ieses Jahres. (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Frau Kollegin, merken Sie eigentlich, dass nicht mal Ihre eigenen Leute klatschen? – Gegenruf des Abg. Dirk Niebel [FDP]: Das ist das BenneterNiveau! Das gehört dazu!)


(Beifall bei der SPD)


In der Ordnung der Freiheit scheint der Mensch nur
ls Kostenfaktor betrachtet zu werden, weil Vertragsfrei-
eit, Wettbewerb, offene Märkte, freie Preisbildung
ichtiger zu sein scheinen als Menschenwürde. Deshalb
assen auch die Gewerkschaften und ihre Vertreter, die
icht nur Löhne und andere Arbeitsbedingungen bundes-
eit vereinbaren, nicht in dieses Bild.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja, Abschied nehmen ist schwer!)


ündigungsschutz, Tarifvertragsrecht, Mitbestimmung,
etriebsverfassung, Jugendschutz – das alles sind Stör-
aktoren in dieser Ordnung der Freiheit. Spätestens da
ekommt die FDP auch kräftigen Beifall von der CDU/
SU,


(Dirk Niebel [FDP]: Da haben Sie sich mal richtig Gedanken gemacht!)


ie das alles schon selbst aufgeschrieben hat.
Zu Recht haben unsere Altvorderen begriffen, welch
ichtige Rolle Gewerkschaften in einer Demokratie mit
ozialer Marktwirtschaft spielen. Sie wären auch nie auf
ie Idee gekommen, Gewerkschaften oder ihre Vertreter
ls Verräter der Arbeitnehmerschaft zu bezeichnen; im
egenteil.
Lassen Sie mich zum Schluss ein Zitat bringen:






(A) )



(B) )


Doris Barnett

Ich halte es für sehr gefährlich, die großen Zusam-
menschlüsse der gesellschaftlichen Elemente als
Vermassung, als anonyme Mächte, die den einzel-
nen manipulieren, zu bezeichnen. Es ist das grund-
gesetzlich verbriefte Recht jedes Bürgers, die Ver-
tretung seiner Interessen einer Vereinigung seiner
Wahl zu übertragen. Und das Urteil darüber, ob die
beauftragten Führer dieser Vereinigung mit ihren
Aktionen die Interessen der Mitglieder vertreten,
kann man getrost den Vertretenen überlassen.

So Bundespräsident Walter Scheel 1975.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: „Hoch auf dem gelben Wagen“ sage ich nur!)

Dem ist nichts hinzuzufügen, selbst 30 Jahre danach

nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben den Geschwindigkeitspreis gewonnen! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Es stellt sich schon die Frage, wer hier regiert!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508400

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerald Weiß.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich bin eigentlich an dieses Rednerpult getreten,
um den Kollegen Westerwelle in dem konkreten Punkt
der Gewerkschaftsschelte – bei ansonsten viel Überein-
stimmung – maßvoll zu kritisieren. Frau Barnett, ange-
sichts dessen, wie Sie hier als Münteferings Maschinen-
gewehr aufgetreten sind,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] – Unruhe bei der SPD)


die Intentionen der FDP und des Vorsitzenden der FDP
dargestellt haben und gesagt haben: „Man will die Zer-
schlagung der Gewerkschaften; man will die Tarifauto-
nomie zerstören“, muss ich aber zunächst feststellen:
Das war so starker Tobak, dass es ans Verleumderische
grenzt. Was Sie ausgeführt haben, muss man wirklich
zurückweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn man im Interesse größerer Dezentralisierung

und Flexibilisierung, die diese Volkswirtschaft, diese
Wirtschaftsgesellschaft brauchen, betriebliche Bünd-
nisse für Arbeit will, wenn man dafür bei Aufrechterhal-
tung der Schutzrechte für die Arbeitnehmerinnen und die
Arbeitnehmer und der Tarifautonomie, die wir brauchen,
gewisse Regeln will, dann legt man doch nicht die Axt
an die Grundlagen dieses Sozialstaats. Was Sie darge-
stellt haben, war wirklich sehr überzogen, Frau Kollegin.
Das diente nicht der Klarstellung politischer Positionen.
Das war, glaube ich, auch nicht die Absicht und nicht die
Funktion dieser Debatte.

Diese Debatte, die den Wettbewerb in der polemi-
schen Überbietung in Sachen Heuschrecken wie eine alt-

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(C (D estamentarische Plage nun leider auch über den Deutchen Bundestag gebracht hat, hatte nur einen einzigen olitischen Zweck, nämlich den, von der Arbeitsmarktisere abzulenken, wie sie im Jahr sieben der Schröderegierung, der rot-grünen Regierung, besteht. s war ein Ablenkungsmanöver und ein kläglich gecheitertes dazu. Das ändert allerdings nichts daran – das sage ich bei iel Übereinstimmung ansonsten, Herr Niebel –, dass die rt und Weise, in der Herr Westerwelle über die Geerkschaften gesprochen hat, nach Form, Stil und Inhalt icht akzeptabel war. Ich sage noch einmal: Wir brauchen die Gewerk chaften. Alfred Dregger hat einmal gesagt: Wenn wir ie nicht hätten, müssten wir sie erfinden. Recht hat er. Wir brauchen starke Gewerkschaften. Ich glaube, wir rauchen diese starken Gewerkschaften in einer europäiierten und globalisierten Welt mehr denn je. Wir brauhen sie in der offenen Gesellschaft so notwendig, wie ir die Verbände der Wirtschaft, die Arbeitgeberverände, brauchen. Die Gewerkschaften sollen und müssen das ist wohl wichtiger als jemals zuvor – die Interessen er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten – die nteressen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und icht parteipolitische Interessen; das muss man allerings manchen Gewerkschaftlern auch ins Stammbuch chreiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schauen wir uns einmal an, wie viele Streiktage wir
n Deutschland hatten: im Zeitraum von 1993 bis 2002
m Durchschnitt pro 1 000 Beschäftigte fünf Arbeits-
age. Im Vergleich dazu waren es in Großbritannien
5 Arbeitstage, in den Vereinigten Staaten 45 Tage, in
rankreich 92 Tage. Da muss man doch sagen, das Mo-
ell der entwickelten Sozialpartnerschaft in der Bundes-
epublik Deutschland ist gelungen. Das zeigt sich gerade
n diesen Benchmarkwerten, dass wir uns hier sehen las-
en können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Staffelt hat vorhin auf Opel in meiner Heimat-

tadt Rüsselsheim hingewiesen. Da ist es doch nicht nur
usammen mit den Betriebsräten – das war ein wahres
o-Management, ein modernes Management –, sondern
uch im engstem Schulterschluss mit den Gewerkschaf-
en gelungen, Erhebliches zur Sicherung und Schaffung
on Arbeitsplätzen beizutragen.


(Beifall des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])

as war nicht nur das Werk der Betriebsräte, sondern
uch das Werk der Gewerkschaften.
Man muss noch eines zu Herrn Westerwelle sagen:
ie Leute an der Spitze der Gewerkschaften wie Frank
sirske und Ursula Engelen-Kefer haben sich nicht an
ie Spitze geputscht, sondern sind in ihr Amt gewählt
orden.






(A) )



(B) )


Gerald Weiß (Groß-Gerau)



(Beifall des Abg. Dr. Rainer Wend [SPD] – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sind die wirklich gewählt worden?)


Auch wenn man manche Aussagen und gewisse politi-
sche Inhalte in den Programmen der Gewerkschaften
kritisieren muss, darf es nicht dazu kommen, dass diese
Kritik in persönliche Hetze ausartet. Das gilt aber natür-
lich wechselseitig: im Verhältnis der Politik zu den Ge-
werkschaften wie auch der Gewerkschaften zur Politik.
Die Art und Weise, Frau Barnett, wie Sie eben heuschre-
ckenartig über Herrn Westerwelle hergezogen sind,


(Doris Barnett [SPD]: Na, na!)

ist nicht anders als persönliche Hetze zu bezeichnen. Das
ist nicht zu akzeptieren und nicht zu vertreten. Das muss
man wirklich sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sollten die persönliche Integrität und die Lauterkeit
der Motive –


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508500

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit!
Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
– wechselseitig nicht infrage stellen.
Insbesondere sollten wir uns wieder um die Haupt-

frage kümmern. Hauptproblem sind nicht die Heuschre-
cken auf dieser oder jener Seite des Arbeitsmarktes, son-
dern die Hauptsache ist die Bekämpfung der elenden
Arbeitslosigkeit in Deutschland. In diesem Bereich wa-
ren Sie extrem erfolglos. Diesen Misserfolg versuchen
Sie deshalb durch solche Debatten wie heute zu bemän-
teln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ablenkung und Nebelkerzen bei der SPD!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508600

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Wend.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1517508700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser

Partei- und Fraktionsvorsitzender, Franz Müntefering,
wurde mehrfach angesprochen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist er eigentlich?)


Ich möchte zu dieser Thematik zwei Sätze vorab sagen,
weil ich davon ausgehe, dass Sie inzwischen ein gewis-
ses Differenzierungsvermögen besitzen. Es geht um Fol-
gendes: Mit ihm stimme ich völlig in der Auffassung
überein, dass wir privates Beteiligungskapital, übrigens
auch von Kapitalbeteiligungsgesellschaften – die Frage,
ob aus dem Inland oder dem Ausland, ist dabei völlig
gleichgültig –, in Deutschland nicht nur gut gebrauchen
können, sondern sogar froh sein können, wenn sie hier
investieren. Sie haben manches Unternehmen, das sich

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(C (D n einer schwierigen Situation befand, übernommen, ach fünf bis acht Jahren, als es am Markt wieder besser ositioniert war, wieder veräußert, damit Arbeitsplätze erettet bzw. sogar noch geschaffen. Eine solche Vorgeensweise kann – das will ich mit aller Deutlichkeit saen – durchaus vernünftig sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt aber auch eine andere Seite: Dieser Frage wei-
hen Sie aus. Ich werde sehr konkret und nenne die
irma Grohe. Die Firma Grohe, Hersteller von Sanitär-
nstallationen – Sie kennen sie alle –, wurde im letzten
erbst zum zweiten Mal von Finanzinvestoren über-
ommen. Sie haben als Erstes McKinsey eingesetzt
das ist modern und üblich – und Folgendes festgestellt:
rohe hat eine Gewinnmarge von 20,8 Prozent. Das
eichte den neuen Eigentümern nicht; sie hätten gerne
8 Prozent Gewinnmarge gehabt. Um diese zu erreichen,
m kurzfristig statt 20,8 Prozent Rendite 28 Prozent zu
aben, müssen Tausende von Arbeitsplätzen in Deutsch-
and abgebaut und verlagert werden.
An der Stelle sage ich: Diese Auswüchse des Kapita-

ismus, die ausschließliche Fixierung auf kurzfristige
ewinne, sind wir nicht bereit zu akzeptieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU])


as ist die Debatte, die wir führen; da werden Sie nicht
usweichen können. Das ist keine pauschale Kritik, son-
ern eine sehr konkrete Kritik bezüglich der Auswüchse.
lles andere ist hochwillkommen.
Die Gewerkschaften: Meine Damen und Herren, ich

in ganz sicher, dass sich die, die auf der linken Seite in
iesem Raum sitzen, über die Gewerkschaften teilweise
ehr geärgert haben als Sie; denn wenn die eigenen
reunde einen hart und, wie ich finde, oft auch ungerecht
ritisieren und Dinge tun, die nicht akzeptabel sind
darüber ist hier schon gesprochen worden –, dann trifft
inen das am meisten. Darüber muss man kritisch disku-
ieren.
Aber wir diskutieren heute über etwas viel Grundsätz-

icheres, Herr Niebel, und das werfe ich Ihnen vor. Sie
aren so freundlich, eben an diesem Pult zu sagen, es
ehe nicht nur um bestimmte Funktionäre; auch dazu ist
chon etwas gesagt worden. Sie haben gesagt – ich habe
s mir extra aufgeschrieben –: Wir wollen die Verbän-
emacht, wenn wir an die Regierung kommen, beschrän-
en. Es geht also doch um die Verbände, die Gewerk-
chaften, die Arbeitgeberverbände. Damit diskutieren
ir über etwas Konstitutives, was unsere Nachkriegs-
rdnung und unsere Verfassung betrifft.
Ich möchte aus dem Grundgesetzkommentar von
aunz-Dürig-Herzog-Scholz – alle bekanntlich keine
er Sozialdemokratie nahe stehenden Verfassungsrecht-
er und Politiker – zitieren. Dort heißt es:

Denn das Grundgesetz betraut Gewerkschaften und
Arbeitgeberverbände … mit zentralen Zuständig-
keiten innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsord-
nung sowie der rechtlichen Arbeitsverfassung.






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend

Weiter:

Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dient … der
Aufgabe, im Verein mit dem sozialen Gegenspieler
das Arbeitsleben zu ordnen und zu befrieden.

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben durch
die Verfassung den Auftrag erhalten, unser Arbeitsleben
zu ordnen und zu befrieden.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Deswegen kann es vernünftigerweise nicht Ziel sein, den
Einfluss dieser Verbände zu beschränken, sondern wir
müssen das Ziel haben, diese Verbände stark zu halten,
damit sie unser Arbeitsleben auch in Zukunft ordnen und
befrieden. Eine verfassungsrechtliche Aufgabe, zu der
wir stehen, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mein Vorwurf an Sie ist, dass Sie diese Dimension
der Rolle der Verbände, der Gewerkschaften und der Ar-
beitgeberverbände, bei der Befriedung unserer Gesell-
schaft nicht verstehen.

Aber es ist noch mehr. Ich darf noch ein Zitat bringen,
Herr Niebel:

Die aus der Kritik des kapitalistischen Systems ent-
sprungene Arbeiterbewegung und die zunächst von
liberaldemokratischer wie später von sozialdemo-
kratischer Seite initiierte Gewerkschaftsbewegung
hat das … Verdienst, die Perversion des kapitalisti-
schen Systems nicht nur aufgehalten, sondern in
einen evolutionären Prozess der ständigen Steige-
rung … umgekehrt zu haben. Arbeitsschutzgesetz-
gebung, Arbeitslosenversicherung, Lohnvereinba-
rung der Sozialpartner und … Mitbestimmung des
Arbeitnehmers sind die Stadien dieser stetigen Sys-
temreform.

Freiburger Thesen der FDP von 1971, Herr Niebel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Völlig richtig!)


Deswegen behaupte ich: Sie sind nicht nur dabei, so-
zusagen Säulen unserer Verfassung infrage zu stellen,
sondern Sie entkleiden sich an der Stelle auch Ihrer eige-
nen Geschichte, Herr Niebel. Das ist etwas, worüber Sie
noch einmal ganz in Ruhe nachdenken sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Gewerkschaften – ich sage es noch einmal – ma-
chen es einem nicht immer ganz leicht. Gleichwohl ist,
wie ich finde, eine Menge Bewegung eingetreten. Des-
wegen zum Abschluss noch ein Zitat, diesmal von
Berthold Huber, dem stellvertretenden Vorsitzenden der
IG Metall. Ich zitiere:

Die IG Metall hat sich Mitte der 80er Jahre gegen
Leiharbeit und Befristungen gewandt, weil sie der
Erosion der so genannten Normalarbeitsverhält-
nisse entgegentreten wollte. … Jetzt sind wir 15,
20 Jahre weiter und die Frage von Flexibilität, Un-

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(C (D gesichertheit und Sicherheit stellt sich neu. Unser Problem scheint mir mit zu sein, dass die Gewerkschaften und ihre prägenden Meinungsträger eher aus Normalarbeitsverhältnissen kommen und sich mit der Gestaltung dieser neuen Arbeitsverhältnisse schwer tun. Die existieren aber. Deswegen hat es keinen Zweck, sentimental an dem Vertrauten festzuhalten. Man muss den Blick auf die Zukunft der Arbeitswelt richten. Sie gilt es im Interesse der Beschäftigten zu gestalten und zu zivilisieren. ... Wir müssen bereit sein, auf die vielfältige Arbeitswelt zu reagieren und differenzierte Antworten zu geben. Herr Kollege! „Differenzierte Antworten“ ist richtig. Wenn Sie bei en differenzierten Antworten auf schwierige Fragen so eit wären wie die IG Metall und ihr stellvertretender orsitzender, wären wir alle ein Stück weiter. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517508800
Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1517508900


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517509000

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c sowie

usatzpunkte 5 und 6 auf:
6 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-

gierung
Bericht der Bundesregierung über die Lage
behinderter Menschen und die Entwicklung
ihrer Teilhabe
– Drucksache 15/4575 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Antje
Blumenthal, Hubert Hüppe, Andreas Storm, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
am öffentlichen Leben konsequent sichern
– Drucksache 15/4927 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Antje

Blumenthal, Hubert Hüppe, Andreas Storm, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Sexuelle Übergriffe gegen Menschen mit Be-
hinderung wirksam unterbinden und Hilfsan-
gebote für Betroffene verbessern
– Drucksache 15/4928 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die Erfolge in der Politik für behinderte Men-
schen nutzen – Teilhabe und Selbstbestim-
mung weiter stärken
– Drucksache 15/5463 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel
Bahr (Münster), Dr. Karl Addicks, Rainer
Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Diskriminierung von Menschen mit Behinde-
rung beim Fahrkarten- und Ticketkauf ver-
hindern – Teilhabe ermöglichen
– Drucksache 15/5460 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes.

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Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1517509100


Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir beraten heute den Bericht der Bundesregie-
rung über die Lage behinderter Menschen und die Ent-
wicklung ihrer Teilhabe. Der Bericht ist im Dezember
des letzten Jahres vorgelegt worden. Aber er hat nichts

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(C (D n Aktualität verloren. Er beschreibt die Politik für Menchen mit Behinderung in den letzten Jahren und zeigt eutlich, dass es seit 1998 in einem erheblichen Umfang eue Grundlagen für die Politik für Menschen mit Beinderung gegeben hat. Gemeinsam mit Organisationen und Verbänden der ehinderten sowie mit Selbsthilfegruppen hat der esetzgeber – in vielen Bereichen mit breiter Zustimung dieses Hauses – einen Paradigmenwechsel vollzoen: weg von der allumfassenden Fürsorge und hin zu iner Politik, die mehr Selbstbestimmung und Eigenverntwortung fördert und die die Möglichkeiten schafft, ass Behinderte besser in die Gesellschaft integriert weren. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn wir ie behinderten Menschen dabei unterstützen, Barrieren us dem Weg zu räumen, und wenn wir ihnen helfen, ihr eben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu getalten. Dies waren im Kern gute Reformentscheidunen. Der Paradigmenwechsel war richtig und wichtig. ber es bleibt eine ständige Aufgabe von uns allen, die oraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Ziele ereicht werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


Grundstein war und ist das SGB IX mit einem bür-
ernahen Rehabilitations- und Teilhaberecht, mit der
inführung gemeinsamer Servicestellen, mit kürzeren
earbeitungsfristen, mit der Verhinderung von Mehr-
achbegutachtungen, mit dem Auftrag an die Rehabilita-
ionsträger, gemeinsame Empfehlungen zu verabschie-
en, und mit der Einführung des persönlichen Budgets.
etzten Endes geht es um die Zusammenarbeit aller Be-
eiligten. Denn die gesetzlichen Regelungen sind das
ine. Sie aber im täglichen Leben umzusetzen und dafür
u sorgen, dass entsprechend dem Willen des Gesetzge-
ers vor Ort gehandelt wird, ist die Aufgabe von uns al-
en.
Natürlich gibt es Probleme bei der Umsetzung. Natür-

ich gibt es ein Beharrungsvermögen – auch im Behör-
enbereich –, weil der eine oder andere die Umstellung
icht will. Wir müssen den Verantwortlichen klar
achen, dass es darum geht, eigenständigen Persönlich-
eiten zu helfen, ihren Platz in der Gesellschaft zu
inden und ein selbstständiges Leben zu führen. Wir
üssen auch mithelfen, vorhandene Barrieren
inzureißen – nicht nur Barrieren im Alltag, sondern
anchmal auch Barrieren in den Köpfen.
An dieser Stelle ist es notwendig, darauf hinzuweisen,

ass der Gesetzgeber und die Bundesregierung eine
ielzahl von Brücken geschaffen haben, die es den Men-
chen ermöglichen, den Weg in Richtung eines selbstbe-
timmten Lebens zu gehen. Neben dem SGB IX gibt es
as Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
chwerbehinderter, das Gesetz zur Förderung der Aus-
ildung und Beschäftigung schwerbehinderter Men-
chen und das Behindertengleichstellungsgesetz, das wir
emeinsam geschaffen haben und das die Barrierefrei-
eit gewährleisten soll.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

Mit diesen Gesetzen und Regelungen wurden die Ver-

bände und Organisationen der Behinderten – ich will in
diesem Zusammenhang auf drei Punkte hinweisen – viel
stärker in den Gesetzgebungsprozess und in die Umset-
zung einbezogen. Ich erinnere an die Vorbereitung ge-
meinsamer Empfehlungen, an die Arbeit der gemeinsa-
men Servicestellen, an verbesserte Anhörungsrechte und
an die zusätzliche Beteiligung im Gemeinsamen Bun-
desausschuss, als es um die Modernisierung des Gesund-
heitswesens ging, sowie die Stärkung der Schwerbehin-
dertenvertretung in den Betrieben. Ferner sind in diesem
Zusammenhang der Beirat für Teilhabe von behinderten
Menschen und der Behindertenbeauftragte der Bundes-
regierung zu nennen.

Das SGB IX hat mit dazu beigetragen, dass die Mög-
lichkeiten, die die Leistungen zur Teilhabe bieten, mit-
hilfe des persönlichen Budgets erheblich verbessert wor-
den sind. Das gibt den Menschen die Chance, die
Leistungen, die sie bislang sehr kompakt bekommen ha-
ben – ich nenne beispielsweise eine ambulante, teilsta-
tionäre oder stationäre Unterbringung in einer Einrich-
tung –, nun eigenverantwortlich in Anspruch zu nehmen.
Damit erhalten sie mehr Autonomie und können die
Hilfe nach ihren persönlichen Wünschen gestalten. Auch
das ist Teilhabe, auch das ist Eigenverantwortung, auch
das ist mehr Integration.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben für diesen Fall 16 Modellregionen vorge-
sehen. Modelle brauchen wir aber nicht mehr, wenn es
darum geht, mehr Arbeit für Menschen mit Behinde-
rungen zu schaffen. Denn dabei geht es im Kern um die
Einstellung, und zwar nicht nur um die Einstellung an
sich, sondern auch um die Einstellung in den Köpfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn es darum geht, jemanden zu beschäftigen, darf die
Frage nicht lauten: Behindert oder nicht behindert? Die
Frage muss vielmehr lauten: Geeignet oder nicht geeig-
net?

An dieser Stelle will ich an die guten Ergebnisse erin-
nern, die wir gemeinsam errungen haben: Die Arbeitslo-
sigkeit konnte im Zeitraum von 1998 bis 2003 um gut
13 Prozent gesenkt werden.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Und heute? – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Und danach?)


– Danach ist sie wie in anderen Bereichen auch gestie-
gen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Deutlich!)

Das stellt uns überhaupt nicht zufrieden.

Deswegen haben wir bei den Mitteln zur Integration
in Beschäftigung auch nicht nachgelassen. Wir haben
von 1998 bis 2004 dazu beigetragen, dass die besonde-
ren Leistungen und die allgemeinen Leistungen zur För-
derung der Teilhabe an Arbeit bei der Bundesagentur für
Arbeit um 68 Prozent erhöht worden sind.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir haben dazu beigetragen, dass die Pflichtleistungen
ur beruflichen Rehabilitation von 1999 bis 2004 um
0 Prozent gestiegen sind. Dieser Kurs wird heute mit
inem Volumen von 2,7 Milliarden Euro fortgesetzt,
enn es darum geht, Maßnahmen zur beruflichen Reha-
ilitation zu finanzieren.
Die Initiative „50 000 Jobs für Schwerbehinderte“
ar nicht ohne Erfolg. Sie war von der Gemeinsamkeit
er Wirtschaft, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften
eprägt, zu handeln. Genau diesen Kurs setzen wir jetzt
ort, wenn es darum geht, jungen Menschen und Schwer-
ehinderten eine Möglichkeit zur Integration in das Ar-
eitsleben zu verschaffen.
Wir haben vor einiger Zeit im Rahmen unserer Job-

nitiative „Jobs ohne Barrieren“, die wir gemeinsam
it den Behindertenverbänden, den Gewerkschaften, der
irtschaft und den Unternehmen ergriffen haben – orga-
isiert vom Unternehmensforum, also einem Zusam-
enschluss von Unternehmen in Frankfurt –, eine Ver-
nstaltung durchgeführt. Dabei hat es mich sehr
eeindruckt, wie uns ein Besitzer eines kleinen Unter-
ehmens im EDV-Bereich erklärt hat, wie ein blinder
unger Mensch in diesem Unternehmen zum EDV-Kauf-
ann bzw. Programmierer ausgebildet wird. Es war fas-
inierend, zu erleben, wie jemand, der blind ist, einen
aptop bedient. Das, was wir mit den Augen sehen, sieht
r mithilfe technischer Unterstützung. Bei ihm sind be-
timmte Kompetenzen durch andere Sinneswahrneh-
ungen stärker ausgebildet. Da beweist sich: Er ist für
iesen Beruf, für diese Ausbildung geeignet.
Diese Beispiele weiterzuführen und deutlich zu ma-

hen, dass das geht, ist ein wesentliches Ziel dieser Ini-
iative. Es geht darum, mit daran zu arbeiten, dass Unter-
ehmen und Personalverantwortliche dies wahrnehmen
nd den Menschen eine Chance geben, sich entspre-
hend ihren Fähigkeiten in die Arbeitswelt einzubringen
nd die Brücken, die wir gebaut haben, zu nutzen, um in
rbeit und Beschäftigung zu kommen.
Wir haben mit der Initiative „Jobs ohne Barrieren“
it dazu beigetragen, dass sich nun eine Vielzahl von
nternehmen an Projekten und Initiativen beteiligt, mit
enen vor Ort Beispiele praktischer Beschäftigung und
usbildung geschaffen werden. Die 90 000 Broschüren,
ie wir hergestellt haben, sind mittlerweile abgerufen
orden. Diese gezielte Information, dieser Abbau von
orurteilen und teilweise von Berührungsängsten tragen
azu bei, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Men-
chen, die Behinderungen haben, erheblich zu verbes-
ern.
Aber es geht nicht allein darum, Gesetze zu verab-

chieden, sondern auch darum, dass die Gesetze vor Ort
it Leben erfüllt werden müssen. Deswegen ist es wich-
ig, dass wir alle gemeinsam mit denjenigen, die vor Ort,
ei den Sozialhilfeträgern, in den Kommunen, in Verei-
en und Verbänden, im Familienbetrieb, im weltweit
gierenden Konzern oder im Bürgeramt, Verantwortung
ragen, daran arbeiten, dass auf die Pfeiler, die wir hier






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Franz Thönnes

setzen, Brücken kommen, die den Menschen den Über-
gang zur Teilhabe an Arbeit und zur Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft ermöglichen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der vorliegende
Bericht und unsere Arbeit mit dazu beitragen können,
dass dann, wenn wir dies vor Ort kooperativ umsetzen,
Chancengleichheit und Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen nicht nur als Gesetzesziel formuliert
werden, sondern auch schrittweise in der Alltagspraxis
Realität werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517509200

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubert Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1517509300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer ge-

rade die Rede von Herrn Thönnes gehört und wer den
Bericht ausführlich gelesen hat, der müsste eigentlich
den Eindruck gewonnen haben: Alles ist gut; es gibt
noch ein paar Umsetzungsprobleme, ansonsten aber ist
die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Le-
ben in der Gesellschaft gesichert.


(Erika Lotz [SPD]: Nicht richtig zugehört!)

– Es gibt, wie gesagt, vielleicht noch ein paar Umset-
zungsprobleme.

Wer aber die Realität sieht, der weiß, dass sich die Si-
tuation für Menschen mit Behinderungen vor allem in
der Arbeitswelt verschlechtert hat. Die Bundesregierung
spricht in ihrem Bericht von einem modernen und leis-
tungsfähigen System der Teilhabe, von Chancengleich-
heit und sozialer Integration, von der Eröffnung berufli-
cher Perspektiven für behinderte Menschen und von
freier Selbstbestimmung. Rot-Grün beschwört immer
wieder – Herr Thönnes hat das gerade wieder getan –
den so genannten Paradigmenwechsel. Abgesehen da-
von, dass wir uns vielleicht einmal die Einfachsprache
angewöhnen sollten, können angesichts der realen Situa-
tion viele Menschen dieses Wort nicht mehr hören und
empfinden es eher als Hohn.

Wenn ich mit den Betroffenen spreche, stellt sich mir
ein dramatisches Bild dar: Immer mehr Menschen mit
Behinderungen haben keinen Arbeitsplatz. Selbst
Rechtsansprüche werden vor Ort nicht eingelöst, weil
kein Geld vorhanden ist.


(Zuruf von der SPD: Stimmt nicht!)

Eltern mit behinderten Kindern haben Angst vor der Zu-
kunft. Die medizinische und pflegerische Versorgung be-
kommt immer mehr Risse, die nur notdürftig gekittet
werden. Einrichtungen der Behindertenhilfe kämpfen
um ihre Standards und um ihre Existenz.

Wenn wir heute über die gesellschaftliche Teilnahme
von Menschen mit Behinderungen sprechen, dann unter-
scheiden wir uns in diesem Hause nicht im Ziel. Viele
gesetzliche Grundlagen wie das SGB IX und das Bun-

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(C (D esgleichstellungsgesetz haben wir gemeinsam im Bunestag beschlossen. ch möchte an dieser Stelle betonen, dass ich es gut inde, dass wir bei diesen Themen über die Fraktionsrenzen hinweg zusammenarbeiten. Es ist richtig, dass ir diese Menschen vor Augen haben und ihnen in allen ereichen Chancengleichheit eröffnen wollen. Das größte Hindernis bei der Umsetzung dieses Ziels das müssen Sie nun einmal zugeben – ist allerdings die atastrophale Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik der undesregierung; denn sie trifft gerade die Benachteiligen am härtesten. Das zeigt wieder einmal, dass Wirtchaftsund Sozialpolitik keine Gegensätze sind, sonern einander bedingen. Ohne wirtschaftlichen ufschwung, ohne mehr Beschäftigung wird es immer chwieriger, unser vergleichsweise immer noch gutes ozialsystem zu sichern und Menschen mit Behinderunen in das Arbeitsleben zu integrieren. Deswegen müsen wir jedes, aber auch wirklich jedes Gesetz – das gilt uch für das Antidiskriminierungsgesetz – daraufhin rüfen, ob es zu mehr oder weniger Arbeitsplätzen führt. as ist die entscheidende, auch soziale Frage. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das hat der Bundespräsident auch gesagt!)


(Erika Lotz [SPD]: Jawohl!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Bericht der Bundesregierung vermittelt die Wei-
erung, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Na-
ürlich finden sich im SGB IX gute Ansätze. Deswegen
aben wir ihm im Jahr 2001 zugestimmt. Heute aber,
ier Jahre später, muss festgestellt werden, dass die Um-
etzung in vielen Bereichen nicht gelungen ist. So
pricht die Bundesregierung – Herr Thönnes hat dies
uch getan – gleich auf der ersten Seite ihres Berichts
on den eingerichteten so genannten gemeinsamen Ser-
icestellen, die zwischen den verschiedenen Reha-Trä-
ern vermitteln und so den behinderten Antragstellern zu
inem schnelleren Verfahren verhelfen sollen. Wer aber
n der Anlage des Berichts die Zusammenfassung über
ie wissenschaftliche Begleitforschung zur Einrichtung
ieser Stellen liest, muss eine ernüchternde Bilanz zie-
en. Die Studie beweist, dass diese Stellen kaum be-
annt sind und deswegen auch kaum genutzt werden.
ehr als die Hälfte der Servicestellen, die geantwortet
aben, hatte im Jahr 2003 – im ganzen Jahr 2003! – we-
iger als 13 Beratungsfälle. Da 30 Prozent der Service-
tellen gar nicht geantwortet haben, muss laut der Studie
m schlimmsten Fall davon ausgegangen werden, dass
ast ein Drittel gar keinen Fall hatte. Was nutzt es, wenn
m Bericht stolz darauf verwiesen wird, dass fast in allen
reisen Deutschlands Servicestellen eingerichtet wur-
en, aber keiner weiß, dass es diese überhaupt gibt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein weiteres Beispiel für die mangelhafte Umsetzung

er Regelungen des SGB IX ist die Frühförderung von
indern. Der Frühförderung im Kindesalter muss aus
einer Sicht – ich glaube, da stimmen wir überein – die






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe

größte Bedeutung zukommen; denn je früher die Förde-
rung von Kindern mit Beeinträchtigungen erfolgt, desto
größer ist der Erfolg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Deswegen wurde die Frühförderung als Komplexleis-
tung in das SGB IX aufgenommen. Es ist aus meiner
Sicht eine Katastrophe, wenn die Hilfe für Kinder zu
spät oder gar nicht einsetzt, weil sich die Kostenträger
nicht einigen können.


(Zuruf von der SPD: Nordrhein-Westfalen hat die erste Rahmenvereinbarung!)


– Ja, gleichzeitig müssen Sie aber auch sagen, dass in
Nordrhein-Westfalen alle Mittel für die Frühförderung in
den gegenwärtigen Haushalt eingestellt worden sind.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Erika Lotz [SPD]: Stellen Sie doch hier keine falschen Behauptungen auf!)

Das ergibt sich aus der Antwort auf die Anfrage der
CDU-Landtagsfraktion. Auf dieses Thema war ich vor-
bereitet und bin dankbar, dass Sie es angesprochen ha-
ben.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517509400

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Schmidbauer?


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1517509500

Gern.


Horst Schmidbauer (SPD):
Rede ID: ID1517509600

Herr Kollege Hüppe, ist Ihnen entgangen, dass die

Bundesregierung bei der Umsetzung hilfreich war, in-
dem sie in diesem Fall eine Rechtsverordnung auf den
Weg gebracht hat, und ist Ihnen entgangen, dass es aus-
gerechnet das Land Bayern war, das diese Rechtsverord-
nung entkernt hat, damit sich ihre Wirkung ja nicht ent-
falten kann?


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1517509700

Herr Schmidbauer, ich bin dankbar, dass Sie diese

Frage stellen. Tatsächlich ist die Frühförderungsverord-
nung seit dem 1. Juli 2003 in Kraft. Seitdem sind fast
zwei Jahre vergangen. Wenn wir diesen Bereich gesetz-
lich hätten regeln können, dann hätten die Kinder einen
Anspruch auf Förderung und dann wüssten auch die
Kostenträger, was sie zu zahlen haben.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Sagen Sie jetzt einmal etwas zu Ihrer Mehrheit im Bundesrat!)


Wir dürfen nicht noch länger warten;

(Ute Kumpf [SPD]: Das ist eine Wischi waschi-Antwort!)


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(C (D enn, liebe Kollegin, inzwischen sind bereits fast zwei ahre vergangen. Das bedeutet, dass viele Kinder, die eientlich einer Frühförderung bedurft hätten, heute schon n der Schule sind und deswegen leider Gottes vielleicht ogar auf eine Sonderschule gehen müssen. Meine Damen und Herren, der größte Teil des Be ichts der Bundesregierung beschäftigt sich – ich sage: u Recht – mit der Teilhabe behinderter Menschen am rbeitsleben. Dort heißt es – ich zitiere –: „Teilhabe am rbeitsleben ist … von elementarer Bedeutung“ und ist Grundlage für eine selbstbestimmte und gleichberechigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“. Dieser ussage wird wohl jeder hier im Hause zustimmen; enn wer im Arbeitsbereich ausgesondert ist, wird wangsläufig auch in allen gesellschaftlichen Bereichen ie Wohnen, Bildung, Kultur und Freizeit ausgesondert. (Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: „Ausgesondert“? Na, na!)


Was dann in Ihrem Bericht erfolgt, ist allerdings eher
einlich. Anstatt sich den aktuellen Problemen der
rbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen zu stel-
en – das ist auch heute leider nicht erfolgt –, wird haupt-
ächlich Selbstbeweihräucherung betrieben. Wer die
irklichkeit zur Kenntnis nehmen will, sollte nicht den
ericht der Bundesregierung, sondern den Mikro-
ensus 2003 des Statistischen Bundesamtes lesen. Ihm
ann man entnehmen, dass die Erwerbsquote erwerbsfä-
iger Menschen mit Behinderungen wesentlich niedriger
st als die des Bevölkerungsdurchschnitts. Nur etwas
ehr als die Hälfte der behinderten Menschen zwischen
5 und 45 Jahren können ihren Lebensunterhalt durch
rwerbstätigkeit finanzieren.
Anstatt diese Situation, die sich in den letzten zwei

ahren noch dramatisch zugespitzt hat, selbstkritisch zu
interfragen, stellen Sie in Ihrem Bericht fest, dass die
undesregierung sehr erfolgreich gewesen sei. Sie
ühmt sich, den Trend der steigenden Arbeitslosigkeit
chwerbehinderter Menschen nicht nur gestoppt, son-
ern sogar umgekehrt zu haben. Sie schwärmt uns jetzt
eit Jahren – wie auch Herr Thönnes das gerade wieder
etan hat – von der Kampagne „50 000 Jobs für
chwerbehinderte“ vor, durch die die Zahl arbeitsloser
chwerbehinderter in der Zeit von Oktober 1999 bis
ktober 2002 um 24 Prozent gesenkt worden sei.
Ich muss die Bundesregierung wirklich einmal fra-

en: Wie lange wollen Sie uns das eigentlich noch erzäh-
en? Sie mussten diese 24 Prozent erreichen – eigentlich
ätten Sie sogar 25 Prozent erreichen müssen –, weil Sie
ie Beschäftigungspflichtquote für Betriebe sonst nicht
on 6 Prozent auf 5 Prozent hätten senken können.
ängst ist bewiesen, dass Sie in diesem gesamten Zeit-
aum keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen haben,
ondern dass diese Zahlen einzig und allein durch Berei-
igungen der Statistik entstanden sind.


(Erika Lotz [SPD]: Wo war denn Ihr Antrag?)

as wird in Ihrem eigenen Bericht bewiesen.
Warum diese statistische Zahl gesunken ist, steht dort

ämlich: Die Abgänge aus der Statistik waren Abgänge






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe

in die Nichterwerbstätigkeit. Das heißt, dass die Men-
schen in die Frührente gingen oder als Hausmann bzw.
Hausfrau aus der Statistik herausfielen. Dieser Trend
stieg konsequent bis auf 62 Prozent der Abgänge. Von
1998 bis 2003 – nur so weit reicht Ihr Bericht – stieg die
Zahl der Abgänge in die Nichterwerbstätigkeit damit um
37 Prozent. Das, meine Damen und Herren, ist der „Er-
folg“ der Bundesregierung.

Interessanterweise gab es ausgerechnet im Stich-
jahr 2002 einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Be-
schäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen. Der
Zuwachs an Werkstattmitarbeitern – hören Sie genau zu –
ist 2002 mit über 25 000 Personen mehr als dreimal so
hoch gewesen wie in den Vorjahren. Nach 2002 wurde
dieser Zuwachs nie wieder erreicht; Gleiches gilt übri-
gens auch für die Berufsförderungsmaßnahmen. Ich
halte es, nicht für richtig – weder volkswirtschaftlich
noch menschlich –, nur um diese Zahlen zur erreichen
Menschen in Einrichtungen zu stecken, die eigentlich
nicht dahin gehören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Brunhilde Irber [SPD]: Woher wissen Sie denn das?)


– Das sind die Zahlen von der Bundesarbeitsgemein-
schaft Werkstätten für behinderte Menschen; Sie können
sie gern von mir bekommen.

Die Kampagne war ein Strohfeuer, bei dem viel Geld
verbrannt wurde, das wir heute dringend bräuchten. Ich
hoffe, dass die neue Aktion „Jobs ohne Barrieren“ nicht
ebenso ein Strohfeuer wird. Heute steht die Bundesre-
gierung im Bereich beruflicher Teilhabe für Menschen
mit Behinderung vor einem Scherbenhaufen: Mit über
194 000 arbeitslosen Schwerbehinderten im April halten
wir uns auf Rekordhöhe.

Was die berufliche Reha und die Vermittlung behin-
derter Menschen angeht, ergibt sich ein katastrophales
Bild: Zahlreiche Betroffene und Träger der beruflichen
Reha haben sich an mich gewandt – ich weiß: an andere
Kollegen auch – und über Missstände informiert. Die
Kassen der Bundesagentur für Arbeit sind im Rehabe-
reich leer, und das, obwohl noch nicht einmal ein halbes
Jahr vergangen ist. Der Vater eines behinderten Sohnes
hat mir noch vor zwei Wochen gesagt, dass ihm die örtli-
che Bewilligungsbehörde gesagt hat: Ja, sein Sohn habe
zwar einen Rechtsanspruch auf einen Platz, aber im Ge-
setz stehe nicht, wann dieser erfüllt werden müsse.
Meine Damen und Herren, das ist das zynische Ergebnis
der Politik der Bundesregierung.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! – Erika Lotz [SPD]: Ungeheuerlich!)


– Das ist so.
Die Wirklichkeit ist: Eingliederungszuschüsse an Ar-

beitgeber, die behinderte Menschen beschäftigen wollen,
werden kaum noch bewilligt. Integrationsprojekte und
Firmen bangen um ihre Existenz. Träger von Berufsbil-
dungs- und Berufsförderungswerken melden, dass im-
mer weniger Anmeldungen von der BA getätigt werden,

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(C (D bwohl der Bedarf eher höher als niedriger ist. Die beufliche Reha im Rahmen von Hartz IV wird erst gar icht betrieben. Bei den optierenden Gemeinden ist die age noch völlig ungeklärt. (Erika Lotz [SPD]: Wer wollte denn die Option?)


erkstätten für behinderte Menschen schlagen Alarm,
a zwar der Rechtsanspruch auf einen Werkstattplatz
on der BA anerkannt wird, aber keine Kostenzusage für
ieses Jahr mehr erteilt wird. Es ist klar – und da stim-
en wir mit den Regierungsparteien überein –, dass be-
ufliche Reha wirtschaftlich und effizient sein muss.
ber die BA hat nach eigenen Angaben ja nicht einmal
das steht auch in ihrem Bericht – gesicherte Erkennt-
isse über die Wirkung von Teilhabemaßnahmen.
Wir als CDU/CSU-Fraktion haben durch verschie-

ene Initiativen versucht, hier zur Aufklärung beizutra-
en. Wir haben vor drei Wochen eine Kleine Anfrage ge-
tellt, in der es um berufliche Teilhabe geht. Man hat für
ie Antwort um Fristverlängerung gebeten und diese ha-
en wir auch erteilt: um eine Woche. Die Antwort sollte
estern kommen. Noch gestern wurde mir mitgeteilt, sie
omme spät abends. Sie war auch spät abends nicht da.
ch habe heute Morgen noch einmal anrufen lassen: Sie
st immer noch nicht da.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nach der Debatte erst! – Zuruf von der CDU/CSU: Unmöglich!)


an hat mir aber zugesichert: Zwei Stunden nach der
ebatte werden wir die Zahlen bekommen. Meine Da-
en und Herren, wer so lange Zeit braucht, nur damit
ie Zahlen nicht mehr rechtzeitig zu dieser Debatte vor-
iegen, der hat etwas zu verschweigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsere Kleine Anfrage zur Zukunft der beruflichen

rsteingliederung und Wiedereingliederung gesundheit-
ich beeinträchtigter und behinderter Menschen hat ans
icht gebracht, dass die Bundesagentur für Arbeit die
tellenzahl für Mitarbeiter im Rehabereich von 2003 auf
004 halbiert hat, und zwar nicht nur auf Bundesebene,
ondern auch auf Landesebene. Trotzdem geht die Bun-
esregierung in ihrer Antwort davon aus, dass schon al-
es in Ordnung sei – ich zitiere –:

Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine Er-
füllung der gesetzlichen Aufgaben auch im Bereich
der Förderung der beruflichen Teilhabe behinderter
Menschen personell sichergestellt ist.

Meine Damen und Herren, ich habe in verschiedenen
odiumsdiskussionen erlebt, wie Kolleginnen und Kol-
egen der SPD und der Bündnisgrünen so taten, als hät-
en sie damit nichts zu tun


(Erika Lotz [SPD]: Einfach nicht wahr!)

nd als würden sie ja auch bedauern, dass das bei der BA
lles so falsch laufe. Aber so kommen Sie nicht davon.
owohl das Gesundheitsministerium als auch das Bun-
eswirtschaftsministerium haben gemeinsam die Fach-
ufsicht über die BA. Wenn sogar Rechtsansprüche nicht






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe

erfüllt werden, dann reicht kein Lamentieren, dann reicht
auch kein Entschließungsantrag, sondern dann muss
endlich durchgegriffen werden, damit den Menschen ge-
holfen werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte nun noch auf das Schul- und Bildungs-

system eingehen. Auch ich bin der Meinung, dass wir
hier mehr tun müssen, und zwar nicht erst in der Schule,
sondern, wenn möglich, schon in den Tageseinrichtun-
gen für Kinder. Ich glaube, darin sind wir uns auch einig.
Viel zu selten gibt es heute noch einen gemeinsamen Un-
terricht und eine gemeinsame Erziehung von behinder-
ten und nicht behinderten Kindern. Ich glaube – das zei-
gen übrigens auch alle Studien –, dass viele Vorurteile
abgebaut werden könnten, wenn behinderte Menschen
schon von klein auf mit nicht behinderten Menschen zu-
sammenleben könnten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Sagen Sie das mal Ihren Ländern, besonders Hessen!)


– Ja, gut, wir können darüber reden. Sehen Sie sich die
Statistik an. Ihr Land ist da auch nicht viel besser.


(Erika Lotz [SPD]: Wer regiert denn da?)

– Ich meine, Nordrhein-Westfalen ist auch nicht viel bes-
ser.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es nutzt doch

nichts, dass wir uns jetzt gegenseitig Vorwürfe machen.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Unglaublich! – Erika Lotz [SPD]: Sie haben zehn Minuten nichts anderes gemacht! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch die Vorwürfe!)


– In dieser Frage, meine ich. – Wichtig ist doch, dass wir
in Zukunft das verhindern, was in der Vergangenheit ge-
schehen ist, dass nämlich, so Ihr Bericht, die Zahl der
Sonderschüler von 1994 bis 2002 um 12 Prozent gestie-
gen ist. In meinem Wahlkreis Unna ist die Zahl um
8 Prozent in einem Jahr gestiegen. Das dürfen wir ein-
fach nicht akzeptieren. Wir müssen zusehen, dass wir es
gemeinsam schaffen, dass diese Kinder gemeinsam mit
nicht behinderten Kindern leben und lernen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt noch viele Punkte, die man erläutern könnte.

Wir werden weiter mit Ihnen zusammenarbeiten. Zum
Schluss bitte ich Sie aber einfach: Seien Sie wenigstens
etwas selbstkritischer und kommen Sie nicht mit irgend-
welchen Dingen, die Jahre zurückliegen; denn nicht das
Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


Wenn wir wieder dazu kommen, dann werden wir die
Dinge gemeinsam anpacken, wie wir es in der Vergan-
genheit auch getan haben.

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(C (D Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517509800

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Markus Kurth.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517509900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Herr Hüppe, eigentlich wollte ich meine Rede ja
it einem Loblieb auf das Sozialgesetzbuch IX begin-
en. Das, was Sie jetzt hier abgeliefert haben, und die
rt, mit der Sie sämtliche Mängel, die ja unstreitig auch
n der Gesetzesumsetzung bestehen,


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Dann sprechen Sie sie mal an!)


er Regierungskoalition und der Bundesregierung anlas-
en wollen, bringt mich aber schon dazu, bereits zu Be-
inn der Rede mal zu schauen, wer von denjenigen, die
as Gesetz umsetzen müssen, das überhaupt tut und wie
r es tut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schichten wir das mal Stück für Stück ab.

(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Fangen wir mit der BA an!)

Nein, wir fangen mit dem Bundesland Bayern und der
rühförderung, über die Sie geredet haben, an. – Wer hat
enn die Rechtsverordnung, die schließlich kommen
usste, abgelehnt? Das war das Land Bayern, das von
er CSU regiert wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen wir mal, wer noch in der Verantwortung
teht. Die überörtlichen Sozialhilfeträger stehen in der
erantwortung, das mit umzusetzen. Darauf haben wir
icht ohne weiteres einen direkten Zugriff. Wir haben
it dem Sozialgesetzbuch IX den gesetzlichen Rahmen
eschaffen. Was macht jetzt etwa der Bezirk Schwaben
m Zuge der Änderung des Bundessozialhilfegesetzes?
r streicht den Werkstattbeschäftigten das Mittagessen.
as wäre auch ein Punkt.


(Erika Lotz [SPD]: Wo liegt Schwaben? – Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Das hat aber nichts mit Frühförderung zu tun!)


Schauen wir uns mal Hessen an, das von der CDU re-
iert wird. Die Sozialministerin Lautenschläger stellt
ich hin und sagt, die Optionskommunen hätten über-
aupt nichts mit Reha zu tun.


(Erika Lotz [SPD]: Ja! Hört! Hört!)

abei muss man doch nur einmal im Gesetz nachlesen,
as da steht. Hessen ist eine rehafreie Zone.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Reden Sie doch mal darüber, was die Bundes Markus Kurth regierung gemacht hat! Wir sprechen über den Bericht der Bundesregierung!)





(A) )


(B) )


Auch hier: Sie reden von Optionskommunen und versu-
chen, uns als Regierungskoalition das aufs Butterbrot zu
schmieren.


(Rolf Stöckel [SPD]: Niedersachsen!)

– Der Kollege Stöckel gibt das Stichwort Nieder-
sachsen. – Ich nenne als ein weiteres Beispiel das Blin-
dengeld in Niedersachsen und Thüringen. Auch das
sind CDU-geführte Landesregierungen.

Als ob das Ganze nicht genug wäre: Schauen wir uns
mal etwas an, was über den Bundesrat, und zwar indi-
rekt wiederum über die Bundesländer Bayern und Ba-
den-Württemberg kommt, nämlich das so genannte
Kommunale Entlastungsgesetz.


(Erika Lotz [SPD]: Hört! Hört!)

Was finden wir darin? Dort finden wir eine Finanzkraft-
klausel, durch die die Leistungen für Menschen mit Be-
hinderungen von der aktuellen Kassenlage abhängig ge-
macht werden sollen.


(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Sauerei!)


Das sind der Hintergrund, vor dem das Ganze stattfindet,
und die Orchestrierung.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510000

Herr Kollege – –


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510100

Einen Moment. – Das müssten Sie auch mit erwäh-

nen, bevor es hier losgeht und Sie anfangen, alles zusam-
men, einschließlich der Schulpolitik, die Sie in der Föde-
ralismuskommission doch so krampfhaft in den Händen
der Länder halten wollten, in den großen Sündensack der
Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen zu schip-
pen. So läuft es nicht.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510200

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Heiderich?


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510300

Ja, gerne.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1517510400

Herr Kollege Kurth, da Sie eben auf die Bundesländer

Bezug genommen und das Land Hessen genannt haben,
frage ich zurück, ob Ihnen bekannt ist, dass in Hessen
die Bundesagentur für Arbeit und damit letztlich auch
die verantwortliche Bundesregierung zurzeit nicht mehr
in der Lage sind, für behinderte und benachteiligte Ju-
gendliche die berufliche Ausbildung und Qualifizie-
rung zu gewährleisten, und dass ausweislich der Ant-
worten auf meine gestrigen Fragen hier im Plenum die

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(C (D undesregierung offensichtlich auch nicht bereit ist, hier achzusteuern und die den Jugendlichen gesetzlich zutehenden Leistungen zu erbringen. Mir ist natürlich bekannt, dass wir im Bereich der be ufsvorbereitenden Maßnahmen sowie der Zuweisungen n Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke im oment Mängel auch bei der Bundesagentur für rbeit zu verzeichnen haben. Dies streite ich überhaupt icht ab. Ich habe hier aber gerade von den Optionsommunen geredet. Die Probleme speziell im Bereich er Berufsförderungswerke rühren daher, dass die Opionskommunen keine Zuweisungen in diese Richtung ehr vornehmen. (Zuruf von der SPD: So ist es! – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510500

Natürlich. Ich war erst in der letzten Woche beim Be-
ufsförderungswerk Dortmund, zu dessen Einzugsbe-
eich allein drei Kreise gehören, die optiert haben. Von
hnen kommen überhaupt keine Zuweisungen mehr.
Die Bundesagentur für Arbeit steht, wie Sie wissen,

ufgrund der Arbeitsmarktreformen derzeit in einem
chwierigen Umbauprozess. Auch wir kritisieren es
atürlich, wenn dort die Mittel, die für Eingliederung
inzusetzen sind und die zum Teil aus der Ausgleichsab-
abe stammen, nicht zweckentsprechend verwandt wer-
en. Selbstverständlich kritisiere auch ich, wenn dort so
etan wird, als reiche statt einer berufsvorbereitenden
aßnahme eine Trainingsmaßnahme. Im Hinblick auf
iese Kritik gehen wir doch Hand in Hand.
Aber die Bundesagentur für Arbeit ist schließlich ein
rgan der Selbstverwaltung, wo je zu einem Drittel Ar-
eitgeber, Arbeitnehmer und die Bundesregierung, auch
as Bundeswirtschaftsministerium, sitzen.


(Erika Lotz [SPD]: Und Länder und Kommunen!)


Hier greife ich den Appell von Herrn Hüppe gern auf,
ass wir auf diesem Gebiet möglichst gemeinsam poli-
isch handeln müssen, damit die gesetzlichen Leistungen
uch erbracht werden. Das ist ganz klar.
Was das Land Hessen angeht, so agiert es nicht in der
eise, dass dort die Optionskommunen mit gutem Bei-
piel vorangingen. Wir haben ihnen ja noch gesondert
teuergelder zur Verfügung gestellt, damit in Hessen die
ufgabe der beruflichen Rehabilitation bewältigt wer-
en kann. Jetzt behaupten Optionskommunen, dass sie
afür einfach kein Geld hätten.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510600

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle-

en Hüppe?


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510700

Ja.






(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517510800

Mit Blick auf unsere irrsinnig lange Tagesordnung

bitte ich die Kollegen, dann aber etwas zurückhaltend zu
sein.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1517510900

Die Frage kann man auch mit Ja oder Nein beantwor-

ten.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511000

Das geht meistens schief.


(Heiterkeit)


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1517511100

Das glaube ich. – Ich will den Kollegen Kurth auch

gar nicht in seinem Bericht über die Länder unterbre-
chen, sondern ihn nur fragen, ob er zur Kenntnis nimmt,
dass die Finanzkraftklausel keine Idee der Länder ist,


(Erika Lotz [SPD]: Doch!)

sondern dass die Bundesregierung bereits im SGB XII
diese Finanzkraftklausel selbst eingeführt hat und dass
diese Klausel erst nach vielen Verhandlungen im Ver-
mittlungsausschuss herausgenommen worden ist.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr! – Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie einfach Ja!)



Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511200

Ich verstehe diese Darstellung nicht. Im SGB XII gibt

es keine Finanzkraftklausel. Können wir uns darauf ver-
ständigen? Sie steht aber sehr wohl im Kommunalen
Entlastungsgesetz, das jetzt von den Ländern Baden-
Württemberg und Bayern eingebracht worden ist. Das
sind die Fakten, auf die wir uns doch wohl verständigen
können.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Das sind alles CDUoder CSU-geführte Länder!)


Nun möchte ich die mir verbleibende Redezeit dazu
nutzen, die Leuchttürme darzustellen, die im Gefolge
des SGB IX aufgewachsen sind. Man muss auch erwäh-
nen, dass, obgleich noch viel zu tun ist, eine Menge
erreicht worden ist: Wir haben eine Stärkung der ambu-
lanten Versorgungsstrukturen zu verzeichnen, die bei-
spielsweise vom Landschaftsverband Rheinland in
vorbildlicher Weise umgesetzt werden. Dort gibt es mitt-
lerweile fast flächendeckend Kontakt-, Koordinierungs-
und Beratungsstellen für Menschen mit geistiger Behin-
derung, die diese gezielt auf das Leben in der eigenen
Wohnung statt im Heim vorbereiten und ihnen bei der
Wohnungssuche, aber auch bei Verrichtungen des tägli-
chen Lebens helfen. Wir haben die Möglichkeit der per-
sönlichen Assistenz geschaffen.

Trotz der Defizite, die Sie angesprochen haben, gehö-
ren zu den Leuchttürmen zweifellos auch die Instru-
mente zur Verbesserung der Integration in den Arbeits-
markt. Wir haben die Informationsfachdienste mit dem
Beratungsangebot für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
aufgebaut und das Förderinstrumentarium für Arbeitge-

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(C (D er verbessert. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Einliederungszuschüsse bis zu 70 Prozent in Anspruch zu ehmen. Wenn das die BA nicht macht und diese Mögichkeit nicht nutzt, dann ist das zu kritisieren. Aber wir ls Gesetzgeber haben einen hervorragenden Rahmen eschaffen. Dann gibt es noch die Arbeitsassistenz, die s vielen Menschen mit Behinderung überhaupt erst eröglicht, eine Arbeit aufzunehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


An dieser Stelle darf auch das ganze Engagement der
rbeitgeber gerade in Großbetrieben nicht verschwiegen
erden. Das setzt sich mit der Kampagne „job – Jobs
hne Barrieren“ auch in den Betrieben des Mittelstandes
ort. Bemerkenswert ist auch der Boom der Integra-
ionsbetriebe. Nach nur wenigen Jahren sind es jetzt
00 Integrationsbetriebe mit 15 000 Beschäftigten, die
m ersten Arbeitsmarkt tätig sind. Das Instrument des
ezielten finanziellen Nachteilsausgleichs für die Arbeit-
eber in solchen Integrationsprojekten hat sich derart be-
ährt, dass ich der Ansicht bin, man müsste einmal da-
über nachdenken, dies auch auf dem allgemeinen
rbeitsmarkt anzuwenden.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Sehr gut!)

All diese Anstrengungen, die auf diesen verschiede-

en Feldern gebündelt sind, verfolgen ein Ziel: Schluss
it den Sonderwegen! So weit wie möglich soll mit dem
erstecken in Heimen, dem Verfrachten in Werkstätten
der Sonderschulen Schluss sein, quasi mit der Existenz
iner Parallelgesellschaft, die sich de facto teilweise im-
er noch behauptet. Das immer noch verkrampfte Ver-
ältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und denjenigen,
ie die Mehrheitsgesellschaft als Behinderte bezeichnet,
ird sich nicht ändern, wenn wir nicht auf dem Weg, den
ir eingeschlagen haben, voranschreiten und Menschen
it psychischen, körperlichen und geistigen Beeinträch-
igungen oder Sinneseinschränkungen die Teilhabe am
esellschaftlichen Leben ermöglichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


avon profitiert auch die Mehrheitsgesellschaft.
Wir haben bereits weiter gehende Schritte eingeleitet,

twa mit dem persönlichen Budget. Damit haben wir
ine entscheidende sozialpolitische Neuerung auf den
eg gebracht, die noch in der Modellphase steckt, aber
b 2008 dann endlich einen Anspruch darauf darstellen
ird, dass Menschen die verschiedenen Einzelleistungen
ls ein Budget erhalten und sich als Arbeitgeber die
ienstleistungen einkaufen können, die sie brauchen,
nd zwar in der Zusammensetzung, die sie für sinnvoll
alten. Dieses persönliche Budget wird auch einen ganz
euen Markt an ambulanten Dienstleistungen hervor-
ringen und dazu führen, dass der Kostenanstieg bei der
ingliederungshilfe gedämpft wird.
Im Zusammenhang mit dem persönlichen Budget
uss ich am Schluss noch einen Kritikpunkt ansprechen.
ir wissen, dass sich dieses Budget aus vielen verschie-
enen Einzelleistungen zusammensetzt: hier etwas von






(A) )



(B) )


Markus Kurth

der Krankenkasse und dort etwas von der Kommune.
Dabei hat sich gezeigt, dass die einzelnen Leistungsträ-
ger, also diejenigen, die die Leistungen zur Verfügung
stellen, besser zusammenarbeiten müssen. Im Moment
besteht das Problem, dass die einzelnen Reha-Träger im-
mer noch versuchen, nur ihr Feld zu bestellen, und nicht
bereit sind, übergreifend zusammenzuarbeiten und sich
miteinander zu verzahnen.

Das beste Beispiel sind in der Tat die Servicestellen,
die nicht so funktionieren, wie sie sollen. Das liegt aber
nicht daran, dass etwa die Regierung oder der Gesetzge-
ber versagt hätte. Wir als Gesetzgeber haben vielmehr
ausdrücklich die Selbstverwaltung respektiert und die
Träger gebeten, sich untereinander zu einigen. Wir ha-
ben das gesetzliche Instrumentarium geschaffen. Wir
wollten aber nicht jedes Detail regeln und jede Einzel-
heit vorschreiben, sondern die Servicestelle sollte zu ei-
ner Anlaufstelle für alle Leistungen werden, die auch die
Reha-Leistungen bündelt. Der Betroffene sollte auf diese
Weise die Leistungen aus einer Hand erhalten und nicht
von Pontius zu Pilatus laufen müssen.

Man muss jedoch sagen: Die Selbstverwaltung hat an
dieser Stelle zwar nicht überall, aber weitgehend ver-
sagt; vieles lässt noch zu wünschen übrig. Aber das spre-
chen wir ganz offen an. Sie hätten doch die Zahlen über
die Servicestellen gar nicht nennen können, wenn es die
wissenschaftliche Begleitforschung des Bundes nicht ge-
geben hätte, wenn kein offener Bericht vorläge, wenn
wir als Koalitionsfraktionen und Regierung das Ganze
nicht von vornherein als Prozess der lernenden Gesetz-
gebung angelegt hätten. Das haben wir extra gemacht,
um eventuelle Mängel aufzudecken und Verbesserungen
möglich zu machen. Diese sind in dem Antrag, den die
Koalitionsfraktionen begleitend eingebracht haben, dar-
gelegt. Das zeigt, dass auf diesem Wege noch eine
Menge zu tun ist, aber dass wir in den letzten vier Jahren
einen richtigen Quantensprung bei der Beteiligung von
Menschen mit Behinderung getan haben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Daniel Bahr.

Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1517511400

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Ich möchte zu Anfang eine Anregung geben: Ein
solcher Bericht wie der, der hier vorliegt, lebt von dem
großen Detailwissen der Verbände. Das ist unverzicht-
bar, um ein aussagekräftiges Bild der Situation von Men-
schen mit Behinderungen zu zeichnen. Wir bedauern da-
her, dass den Verbänden nur eine zweiwöchige Frist
eingeräumt wurde, um den Arbeitsentwurf zum vorlie-
genden Bericht der Bundesregierung zu kommentieren
und eine Stellungnahme abzugeben. So stellt der Deut-
sche Schwerhörigenbund zu Recht fest, dass es ange-
sichts des Umfangs von immerhin 220 Seiten ein zu gro-
ßes und schweres Unterfangen sei, eine fundierte
Stellungnahme binnen zwei Wochen zu erstellen. Ich

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(C (D öchte deshalb ganz konkret anregen, dass man diese rist verlängert und sich den Sachverstand der Verände für diesen Bericht holt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eines, lieber Kollege Kurth, fand ich toll, nämlich
ass Sie sagten, uns allen seien die Probleme von Men-
chen mit Behinderungen bekannt. Wenn ich mir aber
en Bericht von 220 Seiten anschaue, dann habe ich den
indruck, dass das eine reine Lobhudelei und Selbstbe-
eihräucherung ist,


(Widerspruch bei der SPD)

eil die Probleme, die Sie zu Recht ansprechen und die
ir hier diskutieren, in dem Bericht gar nicht enthalten
ind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ines der Fehlkonstrukte in diesem Bericht ist doch im
egensatz zum Altenbericht der Bundesregierung, der
on einer unabhängigen Kommission erstellt wird, dass
ie wirklichen Probleme, die hier bestehen, in dem Be-
icht gar nicht auftauchen, sondern dass häufig im Jahr
003, wie auch in der Rede des Staatssekretärs, geendet
ird, obwohl ab dem Jahr 2003 zum Beispiel auf dem
rbeitsmarkt die wirklichen Probleme erst entstanden.
Deswegen möchte ich mich zu Anfang auf die Pro-

leme auf dem Arbeitsmarkt konzentrieren. Es fehlt
ine kritische Betrachtung und ein Anprangern von
issständen in diesem Bericht. So ist im Abschnitt „Ar-
eitsmarktpolitik und Bundesagentur für Arbeit“ zu le-
en, dass sich die Bundesagentur nochmals nachdrück-
ich zur Förderung der Teilhabe behinderter und
chwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bekannt
abe. Natürlich ist dies sehr erfreulich. Allerdings sieht
ie Realität anders aus. Ich denke, keine Fraktion würde
s Ihnen verübeln, wenn nicht nur Erfolge, sondern auch
chwierigkeiten klar benannt würden. So fehlt mir eine
ritische Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten,
ie es bei der beruflichen Rehabilitation von Men-
chen mit Behinderungen im Jahr 2003 gab.


(Beifall bei der FDP)

war habe ich keinerlei Zweifel daran – wir kennen die
ußerungen der Ministerin, des Staatssekretärs und vie-
er anderer –, dass die Bundesregierung diese Schwierig-
eiten genauso gesehen und sie auch kritisiert hat, aber
as Verhalten der Bundesagentur ist weiterhin kritikwür-
ig und gehört in diesen Bericht hinein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Tage erreichen mich nämlich wieder Zuschrif-
en, die befürchten lassen, dass Schülerinnen und Schü-
er aufgrund fehlender Mittel in diesem Jahr nicht mehr
n das Eingangsverfahren für den Berufsbildungsbereich
zw. berufsvorbereitende Maßnahmen übernommen
erden.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist ganz schlimm! Darum sollten die sich mal kümmern!)







(A) )



(B) )


Daniel Bahr (Münster)


Auch gibt es Berichte, dass die Bundesagentur teilweise
versucht, sehr schwer vermittelbare Arbeitsuchende mit
Handicaps, die nichts mit Behinderung im eigentlichen
Sinne zu tun haben, in die Werkstätten für Behinderte
abzuschieben. Vielen Werkstätten sind solche Fälle be-
kannt und damit werden vermeintliche Einzelfälle zu ei-
nem echten Problem, vor allem aus Sicht der Werkstät-
ten. Ich erwarte, dass die Bundesregierung ein solches
Verhalten nicht duldet. Allerdings frage ich mich, warum
ein solcher Bericht nicht als Plattform genutzt wird, das
Verhalten der Bundesagentur kritisch zu beleuchten und
die interessierte Öffentlichkeit darauf hinzuweisen.


(Beifall bei der FDP)

Es steht auch in Ihrer Verantwortung, der Verantwortung
der Bundesregierung, die Einfluss auf das Handeln der
Bundesagentur nehmen kann, dazu etwas in diesen Be-
richt aufzunehmen.

Auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Ar-
beitslosigkeit Schwerbehinderter sucht man im Bericht
vergebens. Alle hier im Hause vertretenen Parteien wa-
ren sich Anfang 2003 darüber einig, die Beschäfti-
gungspflichtquote schwerbehinderter Menschen bei
5 Prozent zu belassen und nicht auf 6 Prozent zu erhö-
hen, weil der Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehin-
derter fast punktgenau die politische Zielvorgabe von
25 Prozent erreicht hatte. Nur, die Meldungen, die uns
ab Mitte 2003 erreichten, hörten sich doch ganz anders
an. Plötzlich war von einem erschreckenden Anstieg der
Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter die Rede und seitens
des Ministeriums wurden hierfür die Arbeitgeber verant-
wortlich gemacht. Die Ministerin ist lautstark an die Öf-
fentlichkeit getreten. Dem vorliegenden Bericht wie-
derum können Sie nur entnehmen, dass dieser Anstieg
„im Zuge des Anstieges der allgemeinen Arbeitslosig-
keit“ erfolgte, was die Frage aufwirft, warum die Arbeit-
geber derart heftig attackiert wurden.


(Zuruf von der SPD)

Der Anteil Schwerbehinderter an der Gesamtar-

beitslosigkeit betrug im Oktober 2004 4,1 Prozent. Das
ist im Bericht enthalten. Die eigentlich interessante Ver-
gleichszahl nennt der Bericht aber nicht. Diese können
Sie allerdings in einem älteren Bericht der Bundesregie-
rung gemäß § 160 SGB IX finden. Im Januar 2003 be-
trug diese Zahl 3,6 Prozent, was belegt, dass die spezifi-
sche Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter in diesem
Zeitraum weit überproportional gestiegen ist. Es sollte
uns doch bedenklich stimmen, dass die Arbeitslosigkeit
von Schwerbehinderten weit über der normalen Arbeits-
losigkeit liegt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Statt nur Erklärungsversuche oder Entschuldigungs-
gründe für diese bedauerliche Entwicklung zu suchen,
hätte ich mir klare Aussagen zu Handlungsoptionen ge-
wünscht. Die Lage ist erkannt, aber wie soll sie behoben
werden? Interessant ist, dass die Erstellung des Berichts
auf der Grundlage des § 66 SGB IX basiert. Der Para-
graph sieht unter anderem vor, dass die Bundesregierung
in ihrem Bericht „zu treffende Maßnahmen“ vorschlägt,

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(C (D ie im Zusammenhang mit der Umsetzung des SGB IX tehen, wenn dies erforderlich ist. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit schwerbe inderter Menschen müssen wir über zu treffende Maßahmen und nicht nur über eine Feststellung in diesem ericht diskutieren. Mir fehlen in dem Bericht vollkomen die Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreifen ill, um die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter wieder u senken. Ich weiß – es war ja auch der Presse zu entnehmen –, ass im Ministerium über Maßnahmen diskutiert wurde, m Einstellungshemmnisse für Schwerbehinderte zu eseitigen. Dazu zählte das Ministerium den besonderen ündigungsschutz für Schwerbehinderte sowie den Zuatzurlaub für diesen Personenkreis. Das Ministerium cheint nach sehr negativen Rückmeldungen von Geerkschaften und Verbänden von der Diskussion über iese Vorstellungen vollkommen abgerückt zu sein. Ich abe mir ebenso wie die FDP-Fraktion keine abschlieende Meinung hierzu gebildet, bin aber der Meinung, ass wir hier im Deutschen Bundestag eine Diskussion ber Maßnahmen zur Verminderung von Einstellungsemmnissen brauchen, um die Arbeitslosigkeit Schwerehinderter senken zu können. Nur so können wir chwerbehinderten wieder einen Zugang zum geregelten rbeitsmarkt bieten. Aussagen dazu fehlen im Bericht ollkommen. Ich habe den Eindruck, die Bundesregieung will sich dieser Diskussion angesichts der nahenden undestagswahl nicht mehr stellen. Ich finde das bedaurlich, denn immerhin bleibt noch ein Jahr Zeit, hier etas zu tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


Gleiches gilt für die Eingliederungshilfe. Zu Beginn
er Legislaturperiode habe ich das Thema hier im Bun-
estag angesprochen und die Bundesministerin hat er-
lärt, sie wolle die steigenden Fallzahlen bei der Einglie-
erungshilfe in diesem Jahr thematisieren und über
ösungswege diskutieren. Mittlerweile sind drei Jahre
ieser Legislaturperiode vergangen und wir haben von-
eiten der Bundesregierung bis heute noch nicht gehört,
ie sie den steigenden Fallzahlen bei der Eingliede-
ungshilfe begegnen will. Ich kann kein Konzept erken-
en, wie sie die finanziell klammen Kommunen und
undesländer bei diesem Problem unterstützen will. Wir
erden weiterhin warten müssen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511500

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Silvia Schmidt.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1517511600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bahr, ich hoffe

icht, dass wir hier im Deutschen Bundestag über die
ufhebung des Kündigungsschutzes und des Zusatz-






(A) )



(B) )


Silvia Schmidt (Eisleben)


urlaubs für behinderte oder schwerbehinderte Menschen
diskutieren müssen. Mit mir wird es eine Diskussion
darüber jedenfalls nicht geben.

Zwei weitere Bemerkungen zu Ihren Ausführungen:
Sie sagten unter anderem, wir hätten mit diesem Bericht
Schönfärberei betrieben.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Das habe ich auch gedacht!)


Bei den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs hatte
ich nicht das Gefühl. Sie haben auch gesagt, der Bericht
würde einiges verschleiern. Im Gegensatz zu Ihnen hat
Herr Hüppe hier versucht – wie er es getan hat, kann
man infrage stellen –, die Aussagen des Berichts sehr le-
bendig darzustellen. Das sollte man nicht vergessen und
deshalb sind Ihre Aussagen für mich sehr schwer nach-
zuvollziehen.

Der zweite Bereich: Sie sprachen über den Einsatz
von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen wie
beispielsweise Werkstätten. Wenn Sie die Statistiken
verfolgt haben, wissen Sie wahrscheinlich, dass jetzt
verstärkt auch ältere behinderte Menschen in diesen Ein-
richtungen aufgenommen werden. Auch über diese Aus-
sage sollte man einmal nachdenken.

Herr Kurth hat die Schwierigkeiten mit der Bundes-
agentur angesprochen. In Teilen stimme ich den Ausfüh-
rungen zu, aber so gravierende Probleme, wie Sie sie
darstellen, sehe ich nicht. Ich hatte vorgestern ein Ge-
spräch mit dem Regionaldirektor von Sachsen-Anhalt/
Thüringen, Herrn Dähne, in dem er mir ausdrücklich ge-
sagt hat, man komme dieser Pflichtaufgabe sehr gewis-
senhaft nach.


(Ina Lenke [FDP]: In meinem Wahlkreis hat es aber andere Bescheide gegeben!)


Wenn es in dem einen oder anderen Bereich Schwierig-
keiten geben sollte – ich weiß, dass es sie gibt –, werden
wir den Problemen nachgehen.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Aber schnell!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben

verschiedene Bereiche aufgezählt und gesagt: Hier wer-
den Leistungen gekürzt. Ich mache es heute einmal et-
was anders, als Sie es gewohnt sind, und sage einfach:
Da haben Sie Recht.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Allerdings muss ich hier auch die Länder ansprechen,
die teilweise ihren Aufgaben beim Paradigmenwechsel
bzw. beim Umkehrgedanken in der Behindertenpolitik
nicht nachkommen. Auch sie haben eine Pflicht und eine
Verantwortung. Zwischen den einzelnen Ländern gibt es
deutliche Unterschiede. Wir müssen feststellen, dass der
politische Wille des Bundesgesetzgebers von den CDU/
CSU-geführten Landesregierungen einfach gebrochen
wird. Dafür gibt es hervorragende Beispiele.

Ich möchte aber positive Beispiele nennen: Das so-
zialdemokratisch geführte Rheinland-Pfalz hat als erstes
Bundesland Modellprojekte zum persönlichen Budget

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(C (D urchgeführt und zur Barrierefreiheit ist von den soialdemokratisch geführten Ländern auch einiges getan orden. In Brandenburg gibt es trotz knapper Kassen das möchte ich besonders betonen – bis zu maximal 0 000 Euro für die behindertengerechte Anpassung von ohnraum. Ebenfalls in Brandenburg ist die Barriere reiheit auch für Behördenneubauten der Kommunen flicht. (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Vergleichen wir mal die Arbeitslosenzahlen zwischen den Ländern!)


Anders in Hessen: Hier zeichnet sich die Barrierefrei-
eit dadurch aus, dass sie für die Kommunen nicht ver-
flichtend ist. Behindertengerechte Schwimmbäder in
essen sind also nicht verpflichtend.
Bei der Frühförderung gab es – das wurde auch

chon mehrmals erwähnt – immer wieder Abstimmungs-
robleme. Hier hat Nordrhein-Westfalen – auch dank
egina Schmidt-Zadel, die dabei Vorreiter war – vor-
ildlich reagiert. Dort wurde die bundesweit erste Lan-
esrahmenempfehlung zur Umsetzung der Frühförde-
ungsverordnung geschaffen. Dabei ist es zu keinerlei
inanziellen Einbußen gekommen. Das war eine Falsch-
ussage, Herr Hüppe, die man nicht so stehen lassen
ann.
Das SGB IX hat zu vielen spürbaren Verbesserungen

ür Menschen mit Behinderungen geführt. Ich möchte
hnen hier nur einige positive Beispiele nennen. Wir
önnen zwar alles schlechtreden, aber das bringt uns
icht weiter. Wir müssen auch aufzeigen, was das
GB IX bewirkt hat.
Frauen sind doppelt belastet und behinderte Frauen

reifach. Das wissen wir und das will sicherlich niemand
estreiten. Aber § 9 im SGB IX fordert, die Bedürfnisse
er Mütter und Väter zu berücksichtigen. So hat eine
einamputierte Mutter gegen ihre Krankenkasse geklagt,
ie sich geweigert hatte, bessere, gangsichere Prothesen
u finanzieren. Schließlich bekam die Mutter zweier
inder vor dem Bundessozialgericht Recht. Das Gericht
ezog sich ausdrücklich auf die „Bedürfnisse behinder-
er Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungs-
uftrages“ im Sinne des SGB IX. Das Wunsch- und
ahlrecht des § 9 SGB IX beinhaltet auch das Recht
uf Pflegekräfte des eigenen Geschlechts, das gerade
on Frauen immer wieder gefordert wird.
Das Wunsch- und Wahlrecht wirkt sich auch bei der
inderbetreuung aus. Dadurch bekam eine behinderte
utter vom Sozialamt Jena ein höhenverstellbares Kin-
erbett mit Schiebetüren finanziert, das sie mit dem
ollstuhl unterfahren kann. Das von Bayern in den Bun-
esrat eingebrachte Kommunale Entlastungsgesetz
KEG – würde dazu führen, dass dieses Wunsch- und
ahlrecht unter einem Finanzierungsvorbehalt steht.
er will der Mutter die Erfüllung dieses Wunsches ver-
ehren?
Auch über § 54 SGB IX, der vorsieht, dass Kinderbe-

reuungskosten berücksichtigt werden, ist vom Bundes-
erband behinderter und chronisch kranker Eltern posi-
iv berichtet worden. Der Verband hat aber auch die






(A) )



(B) )


Silvia Schmidt (Eisleben)


Erfahrung gemacht, dass die Behörden SGB IX entwe-
der nicht kennen oder nicht kennen wollen. Die Förde-
rung von Frauen und Familien ist aber wichtig.

Wir haben einiges gewollt und auch sehr gut gemacht
und wir haben alles gemeinsam beschlossen. Sie von der
CDU/CSU weisen stets auf Ihr behindertenpolitisches
Engagement hin. Das ist auch richtig. Aber dann sorgen
Sie bitte dafür, dass dieser Paradigmenwechsel auch in
den CDU/CSU-regierten Ländern umgesetzt wird!

Damit möchte ich noch einmal auf das KEG zurück-
kommen, das in Bayern ganz großgeschrieben wird. Mit
der Einführung der so genannten generellen Finanz-
kraftklausel findet aber praktisch keine Sozial- und Be-
hindertenpolitik mehr statt. Denn wie Sie zu Recht er-
wähnt haben, gibt es in den Kommunen und auch in den
Ländern große Haushaltslöcher.

Obwohl selbst die Fachausschüsse des Bundesrates
gegen den Gesetzentwurf waren, haben ihre Länder zu-
gestimmt. Das ist ein Rückschlag für die gesellschaftli-
che Teilhabe für Menschen mit Behinderungen. Er be-
deutet – das ist sogar noch schlimmer – einen
Rückschritt auf den Stand vor dem In-Kraft-Treten des
Bundessozialhilfegesetzes 1962.

Die Rückverlagerung des § 35 a vom KJHG in das
Sozialhilferecht wollen Sie ebenfalls. Das würde bedeu-
ten, dass seelisch behinderte Kinder und Jugendliche er-
neut zwischen die Leistungsträger geraten. Sie wissen
auch, was das bedeutet: Keiner übernimmt die Kosten
und das geht zulasten der Kinder.

Nun komme ich zu meinem eigenen Bundesland
Sachsen-Anhalt, dessen Sozialminister sein Amt mit Si-
cherheit verfehlt hat. Sozusagen über Nacht wurden die
Eltern behinderter Kinder darüber in Kenntnis gesetzt,
dass der Umfang der vom Arzt festgesetzten ambulanten
Fördereinheiten gekürzt wird. Damit dürfen die Einrich-
tungen nur noch 90 Minuten statt bisher 150 Minuten für
Vorbereitung, Anfahrt, Therapie und Elternberatung ab-
rechnen. Die Kosten sollten von circa 85 Euro auf
50 Euro reduziert werden. Abgesehen davon, dass die
ambulante Frühförderung geschwächt wird, handelt das
Land gegen die Frühförderungsverordnung.

Dass der Sozialminister, Herr Kley, das Kürzen der
Vorbereitungszeit mit dem Vergleich abtat, dass man
auch bei einer Autoreparatur nur die Reparaturkosten
und nicht die Vorbereitungszeit zahlen müsse, ist er-
schreckend. Herr Kley hat sich mit diesem Vergleich für
das Amt des Sozialministers disqualifiziert. Ich kann
deshalb nur seinen Rücktritt fordern.

In Sachsen-Anhalt wurde aber auch der Tagessatz für
ambulant betreute Wohnformen auf 10,96 Euro redu-
ziert. In der Lutherstadt Eisleben bekam ein freier Träger
vorher 15 Euro, nun nur noch knapp 11 Euro. Damit ist
die Existenz des Trägers bedroht, ebenfalls der Grund-
satz: ambulant vor stationär. Diesen Grundsatz wollen
wir aber alle hier im Deutschen Bundestag. Die einsei-
tige, ohne Verhandlungen mit den Trägern vorgenom-
mene Sparpolitik zeigt, was CDU/CSU-Behinderten-
politik heißt. Es wurde bereits erwähnt, dass
Weihnachten 2004 in Niedersachsen blinden Menschen

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(C (D er Beitrag zu ihren Mehraufwendungen vollständig getrichen worden ist. Ich kann Sie nur auffordern, sehr geehrte Kolleginnen nd Kollegen von der CDU/CSU: Bleiben Sie bei der ahrheit und fordern Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen or Ort auf, Behindertenpolitik tatsächlich zu betreiben nd für eine entsprechende Umsetzung zu sorgen! Ich laube, nur so kommen wir ein Stück weiter. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511700

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Antje
lumenthal.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Antje Blumenthal (CDU):
Rede ID: ID1517511800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir beraten heute nicht nur über den Bericht der Bun-
esregierung über die Lage behinderter Menschen und
ie Entwicklung ihrer Teilhabe, sondern auch über zwei
nträge meiner Fraktion, deren Ziel es ist, genau diese
age zu verbessern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ls wichtigste Aufgabe der Behindertenpolitik werden
m Bericht die Teilhabe, die Eigenverantwortlichkeit und
ie Selbstbestimmung genannt. Bei der Selbstbestim-
ung denken wir – hier schließe ich mich nicht aus –
och immer zuerst an Bereiche wie Arbeit, gesundheitli-
he Versorgung und Bildung. Erst ganz allmählich wer-
en auch Themenbereiche angesprochen, die in Verbin-
ung mit Menschen mit Behinderung lange Zeit tabu
aren: Partnerschaft und Sexualität. Gerade hier handelt
s sich um Erfahrungen, die ganz wesentlich zur Persön-
ichkeitsentwicklung, zur Identitätsfindung und auch zur
elbstbestimmtheit beitragen können. Aber gerade im
ereich der sexuellen Selbstbestimmung klaffen Lü-
ken, die von der Bundesregierung offenbar noch nicht
inmal erkannt, geschweige denn auch nur in Ansätzen
eschlossen worden sind. Das wird an der Antwort der
undesregierung auf die Kleine Anfrage meiner Frak-
ion zum Thema „sexuelle Gewalt gegen Menschen mit
ehinderung“ deutlich.
Menschen mit Behinderung werden deutlich häufiger
pfer sexueller Gewalt als nicht behinderte Menschen.
esonders betroffen davon sind geistig behinderte Men-
chen. Untersuchungen gehen davon aus, dass bis zu
0 Prozent der behinderten Frauen einmal oder mehr-
als Opfer sexueller Gewalt wurden. Erst seit wenigen
ahren wird dieses Thema überhaupt im Zusammenhang
it sexueller Selbstbestimmung erwähnt. Weitgehend
edoch wird es nach wie vor tabuisiert, und zwar sowohl
n der Forschung als auch in der öffentlichen Diskussion.
ementsprechend existieren zu diesem Problem kaum
ussagefähige Studien, erst recht nicht in Bezug auf die
ituation in Deutschland.






(A) )



(B) )


Antje Blumenthal

Die rot-grüne Bundesregierung selbst hat überhaupt

keine Ahnung, weder von den Ausmaßen und den Fol-
gen noch von den Ursachen und den Präventionsmög-
lichkeiten bei sexueller Gewalt gegen Menschen mit Be-
hinderung. Kein Wort hierzu von Ihnen, meine Damen
und Herren von Rot-Grün, jedenfalls nicht in Ihren bis-
herigen Reden, und kein Wort hierzu von Staatssekretär
Thönnes!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das eine möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen:
Wenn Sie sich die Antworten auf unsere Kleine Anfrage
durchlesen, die Sie aus gutem Grund sogar in Ihrem Be-
richt zitieren, werden Sie buchstäblich bei jeder zweiten
Antwort sinngemäß den Satz finden: Der Bundesregie-
rung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Angesichts
dieser massiven Unkenntnis trauen Sie sich heute mit ei-
nem hastig zusammengeschusterten Antrag ins Plenum,
in dem zwar großspurig von Erfolgen geredet wird, in
dem dieses Thema aber nicht mit einem Wort erwähnt
wird. Ich frage Sie: Wie gehen Sie mit unseren Anträgen
bzw. mit den Problemen der betroffenen Menschen um?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dieser Schande können Sie eigentlich nur dadurch ent-
gehen, dass Sie unseren Anträgen zustimmen.


(Erika Lotz [SPD]: Frau Kollegin, wir beraten das doch noch!)


In der Tat ist es so, dass die Antwort der Bundesregie-
rung auf unsere Kleine Anfrage ganz erhebliche Defizite
in den Bereichen „Erkennung“, „Therapie“ und „Präven-
tion von sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinde-
rung“ offenbart hat. Das, was über die Situation bekannt
ist, wissen wir entweder durch ausländische Studien, die
in Bezug auf die hiesigen Verhältnisse natürlich nur sehr
begrenzt aussagefähig sind, oder aus Kontakten zu Inte-
ressenvertretungen und Institutionen. Wissenschaftlich
fundierte Studien existieren schlicht und ergreifend
nicht. Offenbar hat Rot-Grün dieses Informationsdefizit
zumindest erkannt, aber, wie so oft, nicht angemessen
reagiert. Das einzige Modellprojekt zum Umgang mit
sexueller Gewalt in Wohneinrichtungen hatte eine Lauf-
zeit von 1999 bis 2003. Auf den Abschlussbericht war-
ten wir allerdings noch heute.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wenn Ihnen
dieses Thema so am Herzen liegt, dann hätten Sie Druck
machen müssen, damit uns dieser Bericht endlich vor-
liegt. Wir haben das Jahr 2005!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es sind aber nicht nur die fehlenden wissenschaftli-

chen Daten und Untersuchungen, die dieses erschre-
ckende Bild kennzeichnen, sondern es ist auch die offen-
sichtliche Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung im
Hinblick auf die Bereiche „Therapie“ und „Prävention“,
in denen es wirklich katastrophal aussieht. Kenntnisse
der Bundesregierung über die Verfügbarkeit und Qualität
niedrigschwelliger Betreuungsangebote für Menschen
mit Behinderung, die Opfer sexueller Gewalt geworden

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(C (D ind – Fehlanzeige. Kenntnisse der rot-grünen Regieung über Weiterbildungsund Qualifizierungsangebote ür Mitarbeiter von Beratungsund Betreuungseinrichungen, um den Umgang mit den Opfern zu verbessern – ehlanzeige. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Man könnte natürlich denken, dass die Bundesregie ung zumindest beabsichtigt, in Zukunft geeignete Maßahmen zu fördern. Aber auch diesbezüglich gilt ganz ffensichtlich: Fehlanzeige. Es ist wirklich bedauerlich, ass im Bereich der sexuellen Gewalt gegen Menschen it Behinderung ein solch eklatanter Mangel an Inforationen und Konzepten vorzufinden ist. Skandalös ist allerdings, dass Rot-Grün offenbar kein nteresse zeigt, hier Abhilfe zu schaffen. Aus diesem rund haben wir unseren Antrag eingebracht. Wir wolen die Situation von behinderten Menschen, die Opfer ines sexuellen Übergriffs geworden sind, verbessern. ir fordern, dass wissenschaftliche Studien in Auftrag egeben werden, die den Umfang, die Besonderheiten nd die Folgen sexueller Übergriffe repräsentativ analyieren und aus den Erkenntnissen Ansatzpunkte für Präention und Therapie entwickeln. Die Betreuer und in der Behindertenhilfe tätige Per onen müssen endlich besser über den Umfang, die Beonderheiten und die Erkennungs-, Präventionsund herapiemöglichkeiten in Bezug auf sexuelle Gewalt, nsbesondere in familiären Strukturen, informiert weren, sei es durch Seminare und Schulungen oder zuächst durch Informationsmaterialien und Veranstaltunen. Das Bewusstsein dafür muss geschärft werden, wo exuelle Übergriffe gegenüber behinderten Menschen eginnen, welche Folgen sie haben und welche strafechtlichen Konsequenzen den Tätern drohen. Aber Sie on der Koalition haben schon im Rechtsausschuss veragt, als Sie sich weigerten, den sexuellen Missbrauch iderstandsunfähiger Menschen als Verbrechen einzutufen. (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: So ist es! Das war unser Antrag!)


ie haben das dringend notwendige Signal an die Täter
icht gesetzt. Sie haben damit nicht nur die behinderten
enschen enttäuscht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch einige wenige Worte zu weite-

en Aspekten der Selbstbestimmung sagen, mit denen
ir uns in unserem zweiten Antrag befassen.
Zum einen: die Mobilität im öffentlichen Nah-

erkehr. Die Schwerbehindertenausweisverordnung
ieht zurzeit noch vor, dass Menschen, die das Recht auf
nentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr
aben, über einen Ausweis verfügen, auf dem ein Merk-
eichen „B“ und der Satz „Die Notwendigkeit ständiger
egleitung ist nachgewiesen“ aufgedruckt sind. Der Satz
eutet damit die Notwendigkeit im Gegensatz zum
echt an, Begleitpersonen mitzuführen. Worauf es hier-
ei aber ankommt, ist das Recht und nicht die Notwen-
igkeit.






(A) )



(B) )


Antje Blumenthal

Wir sind keineswegs kleinkariert, wenn wir feststel-

len: Diese Formulierung führt zu solchen Missverständ-
nissen, dass den Betroffenen ohne Begleitperson die Be-
förderung in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Teil
verwehrt wird.


(Widerspruch bei der SPD)

– Sie sollten darüber nicht hämisch lachen, sondern Sie
sollten sich mit den behinderten Menschen unterhalten,
die zurückgewiesen werden, zum Beispiel weil sie keine
Begleitperson bei sich haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der zweite Aspekt der selbstbestimmten Lebensfüh-

rung, den wir in unserem Antrag aufgreifen, ist die
Gewährung von Parkerleichterungen unter bestimm-
ten festgelegten Kriterien auch für schwerbehinderte
Menschen, die nicht als außergewöhnlich gehbehindert
gelten, die aber aufgrund der Schwere ihrer Behinderung
solchen Personen hinsichtlich der Notwendigkeit von
Parkerleichterungen gleichgesetzt werden sollten. Dazu
zählen zum Beispiel contergangeschädigte Ohnarmer
und Morbus-Crohn-Kranke. Eine bundeseinheitliche Re-
gelung für alle Schwerbehinderten, die wir in unserem
Antrag fordern, ist im Sinne dieser Menschen daher
dringend angezeigt.

Meine Damen und Herren, Sie haben einen eigenen
Antrag vorgelegt, der sehr viel Lob für die von Ihnen ge-
tragene Bundesregierung enthält, der aber ansonsten
sehr schwammig ist und keine konkreten Forderungen
enthält. Wir haben Ihnen konkrete und praktikable Vor-
schläge für die Verbesserung der Situation behinderter
Menschen vorgelegt.


(Erika Lotz [SPD]: Wir beraten das doch!)

Deshalb bitten wir Sie herzlich um Ihre Zustimmung
bzw. darum, dass das in Ihre Beratungen Eingang findet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517511900

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Beauftragte

der Bundesregierung für die Belange behinderter Men-
schen, Karl Hermann Haack.

Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundes-
regierung für die Belange behinderter Menschen:

Guten Tag! Meine sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der
Letzte in dieser Runde. Ich habe mir einiges aufgeschrie-
ben, will meine Rede aber zunächst zur Seite legen.

Als Erstes möchte ich etwas sagen, was uns gemein-
sam betrifft. Ursprünglich war die Debatte angesetzt auf
Donnerstag, Kernzeit, 14 Uhr. Wir haben uns gedacht:
Wir wollen einmal richtig über dieses Thema reden und
die Menschen in der Republik sollen die Möglichkeit ha-
ben zuzusehen. – Das wurde sehr ernst genommen.

Mich rief dann jemand an, der nicht hören kann, und
fragte: Wird diese Debatte durch einen Gebärdendolmet-
scher begleitet? Darauf habe ich geantwortet: Nein. –
Mehrfach habe ich als Behindertenbeauftragter die Bun-

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(C (D estagsverwaltung aufgefordert und aus unterschiedlihen Fraktionen wurden ebenfalls Anträge gestellt, dies n der Kernzeit zu gewährleisten. Dem ist bis heute nicht ntsprochen worden. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Das kann wohl nicht sein! – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Doch, das ist so!)


araufhin sagte er zu mir: Warum machen Sie eigentlich
esetze, die für Sie nicht gelten?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP)


Ich habe noch eine schöne Botschaft bekommen. Er
agte: Ich sehe fern. Inzwischen gucke ich mir Cowboy-
ilme an. Die werden durch einen Gebärdendolmetscher
egleitet. Ich empfehle Ihnen: Gehen Sie doch einmal
uf das Niveau von Cowboyfilmen!


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das ist manchmal ähnlich!)


a fiel mir die Kinnlade herunter.
Egal wie diese Debatte heute ausgeht, sollten wir uns

uf einen gemeinsamen Antrag an die Bundestagsver-
altung verständigen mit dem Ziel, den Bundestag bar-
ierefrei zu machen.


(Beifall im ganzen Hause)

Das war der gemeinsame Teil.


(Heiterkeit)

etzt kommt das Trennende. Frau Blumenthal, da
öchte ich mit Ihnen anfangen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Highnoon!)

ie haben einen Bereich sehr deutlich dargestellt, der zu
en erschütterndsten zählt und sehr respektvoll zu be-
andeln ist. Darum sage ich sehr respektvoll: Wir haben
emeinsam mit dem Weibernetz, der Interessenvertre-
ung behinderter Frauen, einiges in das SGB IX hinein-
eschrieben. Als Ergebnis ist am 1. Januar 2004 das Se-
ualstrafrecht in dem Sinne, wie Sie es hier beklagt
aben, geändert worden. Das Weibernetz war mit der
ormulierung einverstanden gewesen.
Des Weiteren gibt es Kurse für behinderte Frauen und
ädchen zur Selbstverteidigung und zur Stärkung des
elbstvertrauens auch in dieser Richtung.


(Antje Blumenthal [CDU/CSU]: „Widerstandsunfähig“ habe ich gemeint!)


iese Kurse werden nach dem SGB IX finanziert und
ntsprechend gut angenommen.
Ebenso gilt das für die Selbsthilfegruppenförderung.
as Weibernetz e.V. erhält ebenfalls entsprechende För-
ermittel. Ich denke, dass wir uns in dieser Hinsicht
ichts vorwerfen lassen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Kollege Hüppe, wenn es 2006 für die rot-grüne Koali-

tion schief geht, werden Sie eventuell mein Nachfolger.
Da würde ich an Ihrer Stelle ein bisschen vorsichtiger
sein. Ich sage Ihnen auch, warum. Es war Ihre Fraktion
auf Bundesebene, die in der gemeinsamen Beratung zu-
nächst die Positivliste abgelehnt und dann in das Ge-
sundheitsmodernisierungsgesetz hineingeschrieben hat:
Alle OTC-Mittel, also alle nicht verschreibungspflichti-
gen Mittel, müssen zu 100 Prozent vom Betreffenden
selber bezahlt werden. Es gibt keine Ausnahmeregelung
für Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke
usw.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Das ist schlicht die Unwahrheit! – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Der Vorschlag kam von einer anderen Fraktion!)


Wenn wir das nicht mitgemacht hätten, wäre das Ganze
geplatzt.

Der Herr Stoiber und der Herr Teufel, jetzt Oettinger
genannt, haben uns ein Kommunales Entlastungsgesetz
vorgelegt. Zur Eingliederungshilfe heißt es dort: je nach
Kassenlage.

In Baden-Württemberg hat eine Kommunalreform
stattgefunden.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Da ist die Kassenlage aber besser!)


Die Regierungspräsidien wurden abgeschafft. Zuständig
sind die Landratsämter. Ich war kürzlich in verschiede-
nen Kommunen und Einrichtungen in Baden-Württem-
berg. Dort wurde mir geschildert, dass behinderte Men-
schen je nach dem Verständnis, das der Landrat für sie
aufbringt, ihre Eingliederungshilfe und andere Leistun-
gen erhalten. Das haben wir nicht gewollt.

Wir haben doch gemeinsam auch mit Ihnen gegen den
Irrsinn gekämpft, den Herr Stoiber vorhatte, sowohl die
Kinder- und Jugendhilfe als auch die Eingliederungs-
hilfe zu 100 Prozent auf die Landesebene zu verlagern,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


weil wir nicht wollten, dass die Lebenssituation von
Menschen mit Behinderungen je nach Kassenlage der
Länder bis zu 16-mal unterschiedlich gestaltet wird.
Stellen Sie sich einmal vor, im Saarland, in Branden-
burg, in Thüringen, in Nordrhein-Westfalen oder auch in
Bayern würde jeder nach seinem Gusto darüber ent-
scheiden. Das haben wir verhindert.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Das haben Sie im SGB XII drin!)


Wenn wir jetzt beklagen, was Menschen mit Behinde-
rungen auf dem Arbeitsmarkt erleben, dann ist doch zu
fragen, wer den Irrsinn mit den Optionsmöglichkeiten
für die Kommunen und der Gründung von Arbeitsge-
meinschaften angefangen hat, was dazu führte, dass dort,
wo Kommunen optiert haben oder Arbeitsgemeinschaf-
ten gegründet wurden, die Bundesagentur für Arbeit sich
quasi nur noch um den Restbestand kümmern darf. Das
war doch Herr Koch. Schauen Sie sich das doch einmal

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(C (D n! Die Kommunen, die optiert haben, erzählen Ihnen, ass sie für die Eingliederung von Menschen mit Behinerungen nicht zuständig seien. Auch die Arbeitsgeeinschaften sagen, dass sie dafür nicht zuständig seien. enn man sie aber dann darauf hinweist, dass ihnen da ür das entsprechende Budget zugewiesen wurde und sie ieses Geld erhalten haben, streiten sie das ab. Ich enke, dass wir an diesem Punkt noch einmal ganz gealtig nachzuarbeiten haben. Herr Hüppe, ich mache Ihnen ein Angebot: Wenn Sie as verstanden haben, was ich Ihnen hier erzählt habe, nd sich daher in Zukunft vorsichtiger ausdrücken, erläre ich mich bereit, Ihre Rede, die Sie hier gehalten haen, zehnmal in Schönschrift abzuschreiben. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie müssen ja viel Zeit haben! – Zurufe von der CDU/CSU)

ch sage das, weil ich denke, dass wir Abstand von
chuldzuweisungen nehmen sollten, die ja nur deswegen
orgenommen werden, weil, wie jetzt in Nordrhein-
estfalen, eine Wahl ansteht. Das im SGB IX enthaltene
undesgleichstellungsgesetz haben wir gemeinsam mit
en Betroffenen, insbesondere mit den Behindertenver-
änden, erarbeitet und im Bundestag und im Bundesrat
instimmig verabschiedet. Wir haben somit auch ge-
einsam dafür zu sorgen, dass es in unserem Land um-
esetzt wird. In diesem Zusammenhang komme ich zu
en drei wichtigsten Problemen:


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Aber die Regierung muss die Verordnungen machen! Die Regierung hat die Fachaufsicht!)


Es gibt das operative Geschäft. Bezüglich der Bun-
esagentur haben wir das schon beredet.
In der Frühförderung wird das Hilfsangebot derzeit

on 15 der 16 Bundesländer nicht realisiert, weil es
eine Rahmenvereinbarungen gibt. 40 000 junge Men-
chen sind betroffen. Nur weil sich örtliche und überört-
iche Sozialhilfeträger und Krankenversicherungen nicht
erständigen können und die Länder nicht entsprechend
andeln und sie zwingen, etwas zu tun, bekommen
0 000 junge Menschen die ihnen zustehenden Leistun-
en nicht.
Ähnliches gilt für die Servicestellen. In der Anhörung

aßen doch die Vertreter der Reha-Träger und sangen das
ohelied der Selbstverwaltung und haben davon gere-
et, dass sie innovativ seien und in diesem Bereich mit-
elfen würden. Was haben sie denn gemacht? Mit den
ervicestellen geschah das Gleiche wie damals im Zuge
es Reha-Angleichungsgesetzes. Man lässt sie austrock-
en, stellt sich aber gleichzeitig hin und sagt, sie funktio-
ierten nicht. Das ist die Strategie. In diesem Bereich
erden wir also nachzuarbeiten haben.
Es gibt auch ein positives Beispiel; das habe ich mit-

ebracht: das „Programm der Deutschen Bahn AG“. Die
eutsche Bahn AG legt in Kürze ein Programm vor, in
em sie beschreibt, wie das Behindertengleichstellungs-
esetz in den nächsten zehn Jahren in ihrem Bereich eins
u eins umgesetzt werden soll. Wenn das die Deutsche
ahn kann, die einen Strukturwandel durchmacht und






(A) )



(B) )


Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

finanzielle Schwierigkeiten hat, frage ich mich, warum
das die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenversiche-
rungsträger und die Träger der örtlichen und überörtli-
chen Sozialhilfe usw. nicht umsetzen können.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517512000

Herr Kollege Haack, denken Sie ein bisschen an die

Zeit.
Karl Hermann Haack, Beauftragter der Bundes-

regierung für die Belange behinderter Menschen:
Sofort. – Wenn die „Interessenvertretung Selbstbe-

stimmt Leben“ ein Netzwerk von Nutzern des persönli-
chen Budgets gründet, warum können dann nicht auch
die Reha-Träger etwas Ähnliches machen?

Mein Ziel ist: Wir müssten – da ist Zivilcourage ge-
fordert – eine Enquete-Kommission „Institutionelle Re-
formen sozialer Sicherungssysteme“ einsetzen, die die
Aufgabe haben sollte, das operative Geschäft von Bund,
Ländern und Gemeinden sowie der sozialen Sicherungs-
systeme zu durchleuchten.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517512100

Wir sind ja alle Zeuge einer interessanten Wette ge-

worden. Aber, Herr Kollege Haack, Sie waren nicht der
Letzte in der Reihe der Rednerinnen und Redner, son-
dern das ist die Kollegin Petra Pau.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517512200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren heute über zweierlei: über den Bericht
der Bundesregierung zur Lage behinderter Menschen,
also über Politik, und über den Alltag von Menschen mit
Behinderungen, also über das richtige Leben. Dass bei-
des nicht dasselbe ist, belegt auch der vorliegende Be-
richt: Er ist lang, anspruchsvoll und zielt auf Verbesse-
rungen, aber er trifft nicht die reale Lebenssituation.

Das beginnt schon mit der Einleitung. Die Bundesre-
gierung schreibt, sie habe einen politischen Paradigmen-
wechsel eingeleitet, und lobt, dass ihre Agenda 2010
neue Chancen für Menschen mit Behinderungen eröff-
ne. – Eines stimmt: Die Agenda 2010 ist ein Paradig-
menwechsel; denn sie ist der Gegenentwurf zu einem
modernen, bürgerrechtlichen Sozialstaat.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Gerade Menschen mit Behinderungen aber brauchen den
Sozialstaat besonders. Sie haben ein Recht auf demokra-
tische Teilhabe und auf aktive Solidarität.

Damit spreche ich überhaupt nicht gegen Einzeler-
folge, die im Bericht ebenfalls aufgeführt sind. Ich spre-
che auch nicht gegen einzelne Vorhaben, die aufgelistet

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(C (D urden. Aber ich widerspreche Ihrer Generaleinschätung. Fördern und Fordern, so nennen Sie ein zentrales Eleent Ihrer Politik, auch in diesem Bericht. Nur mal ganz ebenbei: „Fördern und Fordern“ ist eine literarische nleihe bei Makarenko, einem sowjetischen Pädagogen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Ute Kumpf [SPD]: Wir haben Makarenko schon diskutiert, da waren Sie noch gar nicht auf der Welt, Frau Pau!)


Machen wir den Praxistest: Bundesweit sind
7 Prozent aller Menschen mit Behinderungen arbeits-
os. Das sind überdurchschnittlich viele. Sie spüren also
och stärker: Das rot-grüne Fordern greift, aber das rot-
rüne Fördern nicht.
Dieselben Defizite zeigen sich bei der so genannten
esundheitsreform. Diese trifft vor allem Menschen,
ie ganz besonders auf medizinische Leistungen ange-
iesen sind. Menschen mit Behinderungen gehören
azu. Deshalb ein Wort an den Kollegen Haack: Da kön-
en Sie sich nicht allein mit der Union und ihren Vor-
chlägen herausreden; Sie von der Koalition hätten
nach einem Jahr so genannter Gesundheitsreform –
lle Möglichkeiten gehabt,


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


ovellierungen vorzuschlagen, die beispielsweise bein-
alten, Kinder von 13 bis 17 Jahren oder eben auch
enschen mit Behinderungen von der Medikamenten-
ezahlung zu befreien.
Wir sind immer noch beim Praxistest. Sie kennen die
ritik der PDS an der Steuerpolitik. Diese geht unter an-
erem zulasten der Kommunen. Vieles, was Menschen
it Behinderungen vor Ort helfen könnte, scheitert auch
aran.
Zum Schluss ein Erlebnis aus der vergangenen Wo-

he. Ich war im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und
ernte dort eine engagierte Frau kennen. Sie war vor Jah-
esfrist von Bundespräsident Horst Köhler zur „Tafel der
emokratie“ eingeladen worden und fand bei ihrem ers-
en Berlin-Besuch, dass Rollstuhlbewegte es hier viel
eichter als bei ihr zu Hause in Herne hätten. Ich weiß,
ass Menschen mit Behinderungen aus Berlin, von de-
en einige auch heute hier der Debatte folgen, das sehr
iel kritischer sehen. Aber sie berichtete mir, dass sie zu
ause an keinen Geldautomaten herankomme, dass das
eu errichtete Gerichtsgebäude für Menschen wie sie
aum erreichbar sei, dass der Nahverkehr neue Hürden
ufbaue und die viel gelobten Servicestellen überlastet
eien.
Kurzum: Die PDS im Bundestag erwartet von der
undesregierung einen realistischen Bericht und keine
chönfärberei. Vor allem aber fordern wir einen Politik-
echsel – auch im Sinne der Menschen mit Behinderun-
en.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])







(A) )



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517512300

Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 15/4575, 15/4927, 15/4928, 15/5463
und 15/5460 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlagen auf den Druck-
sachen 15/4927 und 15/4928 sollen zusätzlich an den
Ausschuss für Tourismus überwiesen werden. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
40 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Israel –
Im Wissen um die Vergangenheit die Zukunft
gestalten
– Drucksache 15/5464 –

Da ich den Herrn Botschafter Stein auf der Tribüne
gesehen habe, möchte ich ihn im Namen von uns allen
zu dieser Debatte begrüßen.


(Beifall)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die

Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Gert Weisskirchen.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1517512400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach der „dunkelsten aller dunklen Nächte“ dämmerte
der Morgen. Mit diesem Bild hat Zalman Shazar, damals
Staatspräsident Israels, die Aufnahme der diplomati-
schen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern
gekennzeichnet.

David Ben-Gurion und Konrad Adenauer, beide hat-
ten mit eigenen Augen gesehen, wie Deutsche die dünne
Haut der Zivilisation aufbrachen und dem Willen Hitlers
folgten. Die Schoah ist präsent in Israel und auch in
Deutschland. Der Holocaust war der monströse Riss, den
die Nationalsozialisten in die Zivilisation und zugleich
in die Zeit mit ungeheuerlichem Einsatz von Terror ge-
schlagen haben. Hitler – das muss immer wieder verge-
genwärtigt werden – wollte die Juden dazu verdammen,
in diesem Riss zu verschwinden. Für immer sollte es für
die Juden keine Zukunft geben, keinen Ort – nirgends.
Diese Vergangenheit und die Erinnerung daran werden
nicht vergehen. Die Nazidiktatur und mit ihr alle, die sie
gestützt haben, haben in den Namen Deutschland ein
Mal eingebrannt und dieses Mal heißt Holocaust. Es
wird bleiben bis an das Ende aller Zeiten.

Amos Oz hat es vor zwei Tagen gesagt, als er Ihnen,
sehr geehrter Herr Außenminister, zur Verleihung des
Leo-Baeck-Preises gratulierte. Seinen Worten schließe
ich mich ausdrücklich an. Er sagte:

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(C (D Sie verdienen diese Ehre, lieber Joschka Fischer, für Ihre Integrität und Ihre Vision, für Ihre Phantasie und für Ihren Mut, für Ihre tiefe Empathie mit allen Opfern von Ungerechtigkeit und, nicht zuletzt, für Ihre warme, unbeirrbare Empathie für das jüdische Volk und für Israel. ir schließen uns dieser Gratulation an, lieber Joschka ischer. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU] und des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])


och einmal Amos Oz in der gleichen Rede:
Das jüdische Volk hat … ein langes und schmerz-
volles historisches Gedächtnis.

Das Gedenken an den Holocaust, die Eröffnung des
ahnmals wenige Schritte von hier – das haben wir alle
iterlebt – und die Debatte darüber, wie der, der es be-
eht, beim Gehen in ihm seinen Sinn aufschließt, ma-
hen deutlich – jeder wird es in seinem Gedächtnis be-
ahren –: Vom Holocaust geht eine ungeheure Macht
us. Sein Schrecken schwindet nicht. Diese Wunde wird
ie Zeit nicht heilen.
Schimon Perez hat heute in der „Welt“ geschrieben:
Je mehr wir über den Mord an den Juden erfahren,
desto weniger wissen wir über ihn.

r fordert heraus, auf die Frage „Warum?“ eine Antwort
u finden: Warum konnten Deutsche das banal Böse ver-
örpern? Warum haben sie den Nachbarn verraten? Wa-
um haben sie sich zu wenig aufgebäumt?
Diese Fragen werden nie ein Ende nehmen und sie

ürfen kein Ende nehmen. Denn sie zwingen uns immer
ieder neu, genau das zu tun, worauf es ankommt, näm-
ch Tugenden zu festigen, die jeder Einzelne braucht
nd die wir alle in jenem Moment brauchen, in dem sich
as Böse zeigt. In diesem Augenblick müssen wir als
inzelne und als Kollektiv, als Deutsche und als Euro-
äer den Mut und die Kraft haben, uns gegen das neu
ntstehende Böse, in welcher Gestalt auch immer es er-
cheint – ob in altem oder in neuem Antisemitismus –,
u wehren. Das ist das historische Vermächtnis. Ge-
ade der Bundestag muss darüber wachen. Dies darf nie
ergessen werden.


(Beifall im ganzen Hause)

Es werden neue Fragen hinzukommen: Wird die Erin-

erung ausreichen, um die Beziehungen neu zu festigen?
ie verändert sich das Geschichtsverständnis, wenn es
ereinst einmal keine Zeitzeugen mehr geben wird? Was
üssen wir, Israelis und Deutsche, gemeinsam tun, da-
it die Zeugenschaft weitergegeben wird?


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Manche von uns waren dabei, als in der letzten Wo-
he March of the Living daran erinnerte, wie die Überle-
enden von Auschwitz damals ihren Weg in die Freiheit
ngetreten haben. Zum ersten Mal durften Deutsche
)






(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


Juden auf diesem Weg begleiten. Das war, liebe Kollegin
Müller und alle anderen, die dabei waren, ein wunderba-
res Zeichen der Zuneigung und des Vertrauens in uns
Deutsche. Dieses Vertrauen müssen wir bei uns und in
uns bewahren.


(Beifall im ganzen Hause)

Aber was wird eigentlich – das ist eine wichtige

Frage – in 20, 30 Jahren geschehen? Was werden dann
die Inhalte des historischen Bewusstseins sein? Driften
dann die Verständnisse auseinander, beispielsweise in Is-
rael das fast partikulare Wissen darum, dass die Schoah
mit der Judenheit zu tun hat, und in Deutschland der im-
mer wieder stattfindende Versuch, dieses Gedenken zu
universalisieren? Besteht dann nicht die große Gefahr,
dass etwas auseinander driftet, was doch zusammenge-
hört?

Ich würde herzlich darum bitten, dass in das Kultur-
abkommen, das hoffentlich bald unterzeichnet wird, der
Gedanke aufgenommen wird, die Historiker darum zu
bitten, genau diesen Punkt gemeinsam zu erörtern, um
uns Hinweise zu geben, wie ein gemeinsames Gedenken,
das Wissen und das Bewahren des Wissens um den Ho-
locaust und die Schoah uns Deutsche auch künftig in ei-
nem kulturellen Gedächtnis verbinden könnten. Ich
finde, das wäre eine gute Aufgabe für Historiker. Es gibt
viele Historiker, die an diesem Thema arbeiten. Es wäre
klug, wenn beide Regierungen die Historiker bitten wür-
den, gemeinsam an diesem großen Projekt zu arbeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Normalität hieße, das einzigartig Herausra-
gende unserer Beziehungen werde eingeebnet, dann
muss dem Einhalt geboten werden. Wenn Normalität al-
lerdings heißen soll – das hoffe ich –, Israelis und Deut-
sche sollten einander besser verstehen lernen und häufi-
ger das jeweils andere Land besuchen, dann sollten wir
dazu aufrufen. Die praktische Zusammenarbeit in wis-
senschaftlicher, wirtschaftlicher, technologischer und
übrigens auch in sicherheitspolitischer Hinsicht hat sich
erstaunlich rasant und positiv entwickelt. Deutschland
ist für Israel der wichtigste Partner in der Europäischen
Union und der zweitwichtigste Partner nach den USA.
Auch das ist ein wunderbares Zeichen für das Vertrauen,
das Israel in uns setzt.

Die kulturellen Verbindungen sind außerordentlich
fest. Der Wunsch, die deutsche Sprache zu lernen, wird
immer stärker, besonders bei jungen Menschen. Viele
Projekte stiften Freundschaft und helfen, dass Vertrauen
gefestigt wird. Ich will ein solches Projekt nennen und es
herausheben: Aktion Sühnezeichen. Diese Aktion arbei-
tet an den Werken, die uns versöhnen helfen. Sie lindern
Schmerzen. Sie bauen an einer gemeinsamen Zukunft.

Ich möchte darüber hinaus eine Initiative nennen, die
fast im Verborgenen arbeitet. Sie ist wunderbar. Rudi
Pahnke – der eine oder andere wird ihn kennen –
kämpfte schon in der DDR als evangelischer Pfarrer für
die Freiheit. Seit einigen Jahren widmet er sich dem
Austausch deutscher und israelischer Jugendlicher, bis

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(C (D nde letzten Jahres vom Jugendministerium, jetzt durch ie Mittel für das Civitas-Programm gefördert. Das sind underbare Beispiele. Diese müssen wir mehren, erweiern und verstärken, damit junge Menschen einander ennen lernen und Missverständnisse, die es bei manhen Selbstverständnissen zwischen Israel und Deutschand gibt, abgebaut werden können. Was wir beide, eutschland und Israel, brauchen, ist genau das, was chimon Stein von uns erwartet, fordert und wünscht: assen wir uns das Trennende überwinden und wir weren feststellen, dass uns viel mehr vereint als trennt. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen war ein utes, ein ermutigendes Ereignis. Wir sind als Deutscher undestag aufgerufen, diese Kontinuität fortzusetzen nd zu verstärken. Das wünsche ich mir. Ich bin auch siher, dass der Bundestag das tun wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517512500

Das Wort hat der Kollege Hermann Gröhe, CDU/
SU-Fraktion.


Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1517512600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Vor vier Tagen haben wir des Endes des Zweiten
eltkrieges und der Befreiung Deutschlands und Euro-
as von der Nazibarbarei vor 60 Jahren gedacht. Vor
wei Tagen wurde in eindrucksvoller Weise das Denk-
al für die ermordeten Juden Europas eröffnet. Heute
rinnern wir an die Aufnahme der diplomatischen Bezie-
ungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
em Staat Israel, die am 12. Mai 1965 bekannt gegeben
urde.
Wer durch das von Peter Eisenman gestaltete Stelen-

eld geht und wer am „Ort der Information“ die Namen
nd Schicksale der von Deutschen ermordeten jüdischen
inder, Frauen und Männer hört, der kann etwas erah-
en von der Größe jener Staatsmänner – ich nenne die
amen Nahum Goldmann und David Ben Gurion –, die
rotz allen Schmerzes, tiefer Zweifel, ja verständlicher
mpörung im eigenen Land Schritte auf die junge west-
eutsche Demokratie zugingen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


In der Bundesrepublik Deutschland hatte sich Bun-
eskanzler Konrad Adenauer in seiner Regierungserklä-
ung vom 27. September 1951 unmissverständlich und
it einhelliger Zustimmung des gesamten Deutschen
undestages zur Verantwortlichkeit Deutschlands für die
ationalsozialistischen Verbrechen sowie zur Pflicht mo-
alischer und materieller Wiedergutmachung gegenüber
en Vertretern des Judentums und dem Staat Israel be-
annt. Nach der Unterzeichnung des Luxemburger
iedergutmachungsabkommens von 1952 markiert
ie Begegnung von Ben Gurion und Adenauer 1960 in
ew York einen weiteren entscheidenden Schritt auf
em Weg zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen.






(A) )



(B) )


Hermann Gröhe

Die Bereitschaft israelischer Staatsmänner, über den

Abgrund der Schoah, jenes in der Menschheitsge-
schichte einzigartigen Verbrechens, Brücken zu bauen,
war, wie Schimon Peres einmal formulierte, „kein Sieg
des Vergessens über die Erinnerung, sondern ein Sieg
der Hoffnung über die Verzweiflung, ein Sieg des Ver-
trauens“.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

So wie uns der kalt und perfektionistisch ins Werk ge-
setzte Mord an 6 Millionen Juden sowie der Massen-
mord an Hunderttausenden anderer Opfer des NS-Re-
gimes die niedrigste Gesinnung vor Augen führt, zu der
Menschen fähig sind, Angehörige unseres Volkes fähig
waren, so führt uns diese Haltung der Hoffnung und des
Vertrauens die höchste Gesinnung vor Augen, zu der
Menschen fähig sind. Beides dürfen wir nicht vergessen.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich denke, in den Worten von Sabine van der Linden, je-
ner Holocaust-Überlebenden, die heute in Australien
lebt und die vorgestern bei der Denkmaleröffnung
sprach, war etwas von dieser Größe, von dieser höchsten
Gesinnung zu spüren.

Wahr ist aber auch, dass die Transparente, auf denen
am 8. Mai auf dem Alexanderplatz gegen eine angebli-
che Befreiungslüge und einen vermeintlichen Schuldkult
gewettert wurden, zeigen: Der Ungeist, der so unermess-
liches Leid über ganz Europa und in besonderer Weise
über die Juden Europas brachte, ist nicht verschwunden.
Er muss täglich aufs Neue und mit ganzer Entschieden-
heit bekämpft werden.


(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, in unserem gemeinsamen

Antrag ist beschrieben, in welcher Weise die Beziehun-
gen zwischen Deutschland und Israel in den letzten vier
Jahrzehnten gewachsen sind, sodass Deutschland heute
engere Beziehungen zu Israel unterhält als zu jedem an-
deren Land außerhalb Europas und Nordamerikas. Kein
verantwortlicher Mensch in Deutschland will einen
Schlussstrich unter die Erinnerung an die NS-Vergan-
genheit ziehen. Zu Recht hat Bundespräsident Horst
Köhler am 2. Februar dieses Jahres vor der Knesset er-
klärt, dass die – ich zitiere ihn – „Verantwortung für die
Schoah Teil der deutschen Identität“ ist.

Gerade deshalb konnten den Beziehungen zum Ju-
dentum und damit auch den Beziehungen zum Staat Is-
rael neue Kapitel hinzugefügt werden. Viele Menschen
in Deutschland wie in Israel haben in zahllosen Part-
nerschaften in allen Bereichen des gesellschaftlichen
Lebens tatkräftig an diesen Kapiteln mitgeschrieben. In
diesem dichten Netz, das unter anderem über 100 Städte-
partnerschaften, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Bil-
dungseinrichtungen, Sportvereine, die Freiwilligen von
„Aktion Sühnezeichen“ und „Pax Christi“ sowie zahl-
lose Künstler und Wissenschaftler miteinander geknüpft
haben, entstanden zahllose Freundschaften.

Mit Israel verbinden uns gemeinsame demokratische
Überzeugungen sowie Werte, die im Judentum und im
Christentum, im Humanismus und in der Aufklärung

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(C (D erankert sind. Der eindrucksvoll entwickelte Forchungsstandort Israel ist für uns ein wichtiger Partner ei der gemeinsamen Gestaltung der Zukunft. Wir wolen einen Beitrag zur Lösung des Nahostkonflikts leisen. Israels Bevölkerung muss endlich ohne Angst vor error leben können. ugleich bekennen wir uns zum Recht des palästinensichen Volkes auf einen demokratischen und lebensfähien Staat. Aufgrund des historischen Erbes haben die eutsch-israelischen Beziehungen bleibend einen besoneren Charakter. Dankbar denken wir an das in den letzten vier Jahr ehnten Erreichte. Zur Selbstzufriedenheit besteht indes ein Anlass. Denn wenn bei einer Allensbach-Umfrage, ie im März 2005 durchgeführt wurde, 25 Prozent der in eutschland Befragten Israel als größte Bedrohung für en Frieden in der Welt nannten und wenn Deutschland ei jugendlichen Israelis in der Beliebtheitsskala der taaten auf den hinteren Rängen – in der Nachbarschaft on Russland, Iran und Syrien – rangiert, dann zeigt ies: Die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten u vertiefen und in den Herzen und Köpfen der Menchen, gerade der jüngeren Menschen, zu verankern ist ine bleibende Aufgabe. Auch dazu verpflichten wir uns mit unserer heutigen eschlussfassung, die erneut eindrucksvoll belegt, welch ohen Stellenwert alle Fraktionen dieses Hauses den Beiehungen zwischen Deutschland und Israel einräumen nd auch in Zukunft beimessen werden. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, ündnis 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eutsche haben 6 Millionen europäische Juden mit der alten, industriellen Logik der Konzentrationslager erordet. Der Tod war für diese Menschen „ein Meister us Deutschland“, wie es in dem berühmten Gedicht Todesfuge“ von Paul Celan heißt. Aus diesem Grund ist eute, 40 Jahre, nachdem Israel und Deutschland bzw. eutschland und Israel diplomatische Beziehungen zuinander aufgenommen haben, nichts normal und selbsterständlich. Ich sage klar: Wir hatten auf das, was wir n diesen 40 Jahren erleben und aufbauen konnten, keien wirklichen Anspruch. Wenn es stimmt – wir teilen diese Auffassung –, dass ie Verantwortung für die Schoah, wie es Bundespräident Köhler sagte, „Teil der deutschen Identität“ ist, ann möchte ich klar sagen: Verantwortung ist für mich in Begriff, der nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit irkungskraft hat. Wenn Verantwortung nicht auch auf egenwart und Zukunft wirkt, bleibt sie eine leere hrase. Fritz Kuhn Deswegen möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, was diese Verantwortung in Bezug auf unsere heutige politische Gegenwart eigentlich ausmachen kann. Der erste Punkt ist: Wir haben eine Mitverantwortung dafür, dass der Staat Israel in international anerkannten Grenzen existiert und dass seine Menschen ohne Angst, Sorge und Terror leben können. Der zweite Punkt, den ich nennen möchte, ist, dass wir eine Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Erinnerungskultur haben. Das schreckliche Morden an den europäischen Juden muss auch weiterhin erinnert werden, und zwar umso mehr, je weniger Zeitzeugen – Menschen, die uns etwas erzählen können – noch leben. Es geht um die Frage, wie wir die Erinnerung tatsächlich praktizieren und wie wir an die heute 40oder 50-Jährigen weitergeben, wie sie diese Erinnerung für ihre Kinder oder Enkel tradieren können. Geschichte und gerade so grausame Geschichte besteht übrigens nicht nur aus Episoden und den Erzählungen von Einzelschicksalen, sondern wir müssen uns auch immer wieder – auch in 20, 30 Jahren – analytisch die Frage stellen, was die Ursachen für diese Entwicklung waren. Ich sage dies ganz bewusst, weil ich gegenwärtig sehen kann, dass manche in Deutschland doch eine Neigung haben, die Geschichte in Einzelschicksale und Einzelgeschichten aufzulösen. Diese gehören dazu – ich will es nicht negieren –; oft wird Geschichte plastischer und transparenter, wenn man dies tut. Aber wir müssen auch die Frage nach den Ursachen, die weiter zurückreichen können als bis 1933, weiter stellen; auch das ist für mich ein Aspekt einer aktiven und vernünftigen Erinnerungskultur. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517512700
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517512800

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


Der dritte Punkt – was Verantwortung heute heißen
kann –: Sinnvollerweise heißt Verantwortung für mich,
dass wir in der Gegenwart Antisemitismus und Rassis-
mus in unserem Land und überall auf der Welt, wo wir
es können, aktiv bekämpfen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Ich glaube, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist; nie-
mand wird sagen: Nein, das ist nicht so. Aber wir müs-
sen uns schon fragen, ob wir dies politisch auch wirklich
ausreichend tun, ob – ich will ein willkürliches Beispiel
nehmen – die von den Ländern finanzierten Programme
für Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene gekürzt
werden sollen oder nicht. Das sind Fragen, an denen
deutlich wird, wie ernst wir es mit der Bekämpfung von
Rassismus und Antisemitismus meinen. Damit will ich
sagen: Das kann nicht nur am Sonntag stattfinden oder in
Parlamentsdebatten dieser Art, sondern es entscheidet
sich überall – kommunal, auf der Ebene der Länder und
natürlich auch des Bundes –, ob wir wirklich bereit sind,
diesen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus auf-
zunehmen.

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(C (D An die CDU und die FDP eine Bemerkung zum achdenken: Ich fand es nicht so gut, dass am Montag ei der Veranstaltung des Zentralrates der Juden zur bergabe des Leo-Baeck-Preises an Joschka Fischer on der Unionsfraktion und von der FDP-Fraktion – soeit das sichtbar war – niemand da war. Sie müssen sich berlegen: Sie haben da nicht nur Joschka Fischer boyottiert – was Ihr politisches Recht ist –, sondern Sie haen eine Veranstaltung des Zentralrates der Juden nicht esucht. Frau Merkel, vielleicht war es nur eine Panne, ber ich finde, Sie sollten noch einmal darüber nachdenen, ob es klug ist, in Deutschland bei solchen Preisvereihungen als Fraktion nicht vertreten zu sein. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


s war jemand von der Konrad-Adenauer-Stiftung da,
ber niemand von Ihren Fraktionen; darüber sollten Sie
achdenken.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich möchte noch einen weiteren Punkt nennen, der
it Verantwortung zu tun hat. Vielleicht haben wir auch
ine politische Mitverantwortung – ich bin sicher, dass
ir sie haben – dafür, den heutigen Konflikt zwischen
en Israelis bzw. dem Staat Israel und den Palästinen-
ern, die noch keinen eigenständigen Staat haben, mit zu
ntschärfen. Ich finde, es gehört zu unserer Verantwor-
ung, dabei zu helfen – mit den Mitteln der Politik, mit
en Mitteln der wirtschaftlichen Unterstützung und mit
en Mitteln der Diplomatie –, diesen Konflikt zu ent-
chärfen. Der Weg ist mit der Roadmap, mit der Vorstel-
ung der Völkergemeinschaft, dass wir zwei Staaten
rauchen, die auch lebensfähig sind, vorgezeichnet. Ich
inde, dass vieles, was von dieser Regierung in der Ver-
angenheit getan wurde, aber auch, was in den nächsten
onaten und im nächsten Jahr zu tun ist, in diese Rich-

ung weisen muss.
Da sind wir bei der spannenden Frage, ob Deutsche

eute eigentlich – Johannes Rau hat gestern etwas dazu
esagt – israelische Politik kritisieren dürfen. Ich will
eine klare Antwort geben, von der ich weiß, dass viele
n meiner Fraktion sie teilen: Aus der Perspektive von
reundschaft und aus der Perspektive der genannten Ver-
ntwortung kann man dies tun – aber als Deutscher nicht
it dem Gestus der Anklage, sondern als jemand, der
ragen stellt, der Besorgnisse artikuliert, der eben genau
inschauen will und am Existenzrecht Israels und der Si-
herheit seiner Menschen orientiert Vorschläge macht.
enn ich zur aktuellen Situation in Israel und in Paläs-

ina etwas sagen sollte, würde ich sagen: Es gibt eine
eue Chance für Frieden dort. Das ist eine ganz zarte
flanze und wir müssen einen Beitrag leisten, dass sie
achsen und gedeihen kann. Es gibt so etwas wie einen
affenstillstand. Es gibt den Gaza-Rückzug, den man
ls positives Zeichen sehen kann. Ich habe die Hoffnung,
ass weitere Zeichen auf beiden Seiten folgen werden,
uf der israelischen wie auch auf der palästinensischen
eite, die uns endlich konsequent auf den in der
oadmap vorgezeichneten Weg bringen werden.






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn

Ich habe Verständnis dafür, dass Zäune – ich denke an

die Zäune, die jetzt in der Westbank errichtet werden –
wirklich vor Terror schützen können. Deshalb verstehe
ich, dass solche Zäune aufgebaut werden. Ich möchte
aber doch die Warnung bzw. Besorgnis zum Ausdruck
bringen, dass die Zäune so liegen müssen, dass sie die
Entfaltungsmöglichkeiten der Palästinenser nicht so ein-
schränken, dass ein möglicher künftiger palästinensi-
scher Staat insgesamt nicht lebensfähig ist.

Ich finde, in dieser Spannung kann die deutsche Poli-
tik mit aller Vorsicht, also nicht mit dem Gestus der An-
klage, auch dazu beitragen, dass der Weg zum Frieden
dort wirklich gegangen wird. Das ist jedenfalls die Hoff-
nung, die meine Fraktion hat. Ich glaube, das ganze
Haus teilt diese Hoffnung, dass wir jetzt am Neuanfang
eines friedlichen Weges stehen. Er wird schwierig sein
und viele Rückschläge bringen, aber 40 Jahre deutsch-
israelische diplomatische Beziehungen sollten natürlich
auch von der Hoffnung der Menschen in Israel und Pa-
lästina auf Stabilität, Frieden und Sicherheit in der gan-
zen Region für die Zukunft getragen sein.

Wir müssen die Beziehungen zu Israel vertiefen. Sie
sollen sich nicht automatisieren, routinisieren oder nor-
malisieren. Die Besonderheit muss bestehen bleiben. Ich
hoffe, dass ein solches Gedenken bzw. eine solch erin-
nernde Debatte, wie wir sie heute führen, ein Beitrag
dazu ist, dass dies bestätigt wird und dass wir die Bezie-
hungen in den nächsten Jahren vertiefen können, sodass
wir in zehn Jahren mit einem noch positiveren Bild als
heute dastehen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517512900

Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel, FDP-Fraktion.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1517513000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Beziehungen zwischen Deutschland und Is-
rael sind einzigartig und sie werden es auch immer blei-
ben. Es war in den letzten 40 Jahren nicht vorbestimmt,
dass sie sich so entwickeln würden, wie sie es taten.

20 Jahre nach Ende der Schoah hatten wir das große
Glück, zwei Staatsmänner zu haben, Konrad Adenauer
und David Ben Gurion, die die mutige Entscheidung ge-
troffen haben, dass unsere Länder aufeinander zugehen.
Von daher glaube ich gar nicht mal, dass es heute ein Tag
des Erinnerns sein sollte, sondern ein Tag, um in die Zu-
kunft zu schauen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich war damals zwei Jahre alt und mich interessieren ei-
gentlich mehr die nächsten 40 Jahre der deutsch-israeli-
schen Beziehungen, die auf uns zukommen.

Man muss hier auch sagen, dass heute nicht nur über
40 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehun-
gen debattiert wird, sondern heute ist auch Yom
Ha’atzma’ut. Herr Botschafter, 57 Jahre Unabhängig-

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(C (D eit des Staates Israels: Ich gratuliere Ihnen ganz herzich dazu. as bedeutet aber auch 57 Jahre, in denen man immer ieder um das Existenzrecht des Staates Israels kämpfen usste: in fünf Nahostkriegen, in einer Situation, in der och lange nicht alle islamischen Staaten das Existenzecht Israels anerkennen, in einer Situation, in der wir uf einem guten Weg sind, die aber noch lange nicht geichert ist, in einer Situation, in der durchaus auch miliärische Stärke vonnöten ist, um das uneingeschränkte xistenzrecht des Staates Israel als jüdischer Staat in siheren Grenzen ohne Angst und ohne Terror für die Zuunft zu gewährleisten. Den Zusatz „als jüdischer Staat“ hätte ich mir auch in em gemeinsamen Antrag gewünscht; denn die Feierichkeiten der vergangenen Tage zeigen, dass es notwenig ist, dass Israel als jüdischer Staat in den nächsten 0 Jahren und darüber hinaus Existenzmöglichkeiten in icherheit hat. (Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/ CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)


eswegen hätten wir auch hier darauf eingehen sollen.
Nichtsdestotrotz ist vieles genannt worden, was rich-

ig ist, zum Beispiel gute wirtschaftliche Beziehungen
wischen Deutschland und Israel – der zweitwichtigste
andelspartner für Israel ist die Bundesrepublik
eutschland – und hervorragende wissenschaftliche Be-
iehungen. Ich hatte das Glück, im Februar mit dem
undespräsidenten in Israel sein zu dürfen. Wir haben
ine zukunftsgerichtete Reise gemacht. Der Bundesprä-
ident hat insbesondere die Themen Forschung, Zu-
unftsentwicklung und Jugendaustausch angesprochen
nd sich entsprechende Projekte angeschaut. Wir haben
ier ein ungeahnt großes Gebiet von Möglichkeiten, auf
em wir uns gegenseitig befruchten und voneinander ler-
en können.
Ich glaube, wir sollten überlegen, wie wir unsere ge-
einsamen Interessen in den nächsten 40 Jahren neu de-
inieren.
Unser gemeinsames Interesse liegt darin, Forschung

oranzutreiben, weil beide Länder in der globalen Welt
iemals über Niedriglöhne, sondern nur über die besse-
en Ideen, Produkte und Dienstleistungen konkurrieren
önnen. Da gibt es Bereiche, in denen wir Deutsche
chon die Lernenden geworden sind. Dies haben wir in
srael auf den Feldern Nanotechnologie, Hirnforschung,
tammzellenforschung und Gentechnik erlebt. Es gibt
ber auch Bereiche, in denen Israel sehr gut von uns ler-
en kann. Beides zusammen führt zu zukunftssicheren
rbeitsplätzen in beiden Ländern.
Auch können wir von Israel lernen, wie Integration

elingt. Integration wird eines der Zukunftsthemen der
eutschen Innenpolitik werden. Es täte uns gut, wenn
ir uns vergegenwärtigten, wie es dieses kleine, mutige
and geschafft hat, so viele unterschiedliche Kulturen
nd so viele unterschiedliche Menschen aus vielen






(A) )



(B) )


Dirk Niebel

Ländern zu integrieren und dazu zu bringen, für den
Fortschritt und den Wohlstand aller in diesem Lande zu
arbeiten.

Des Weiteren haben beide Länder ein gemeinsames
Interesse daran, zu diskutieren, wie wir den Terrorismus
in der Welt und die Verbreitung von Massenvernich-
tungswaffen bekämpfen können und wie wir es schaffen,
in einer friedlicheren Zukunft zu leben. Über diese The-
men sollten wir uns in den nächsten 40 Jahren der
deutsch-israelischen Beziehungen unterhalten.

Ich freue mich, dass die Bundesrepublik Deutschland
und Israel nach der schwierigen Geschichte einen Weg
gefunden haben, in Kenntnis dessen, was passiert ist,
nach vorn zu schauen. Ich freue mich, dass der Bundes-
präsident deutlich gemacht hat, dass wir dies für die
kommenden Jahre vorhaben. Deswegen bin ich Ihnen,
Herr Botschafter, sehr dankbar, dass Sie uns immer als
kritischer Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Ges-
tern hat Professor Lahnstein bei der Verleihung des Frie-
denspreises der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ge-
sagt, Sie machten es sich und auch uns nicht immer
leicht. Dies ist wohl wahr. Aber nur so kommt man zu
einem guten Dialog. Freunde müssen miteinander im
Wettstreit der Meinungen über das Beste für die Zukunft
gemeinsam entscheiden können. Hier sind wir für die
nächsten 40 Jahre deutsch-israelischer Beziehungen auf
einem guten Wege.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517513100

Das Wort hat der Kollege Dietmar Nietan, SPD-Frak-

tion.


Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1517513200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute ist ein bedeutender Tag. Ich bin der festen Über-
zeugung, dass wir in der Art und Weise, in der wir hier
auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrags debattie-
ren, zeigen, dass allen Fraktionen in diesem Hause und
allen demokratischen Parteien Israel im wahrsten Sinne
des Wortes am Herzen liegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Willy Brandt, der 1973 als erster Bundeskanzler Is-
rael besuchte, sagte damals:

Was insbesondere diese deutsch-israelischen Bezie-
hungen angeht, so wird jedermann verstehen, wenn
ich auch hier sage, dass sie einen besonderen Cha-
rakter haben. Diese Charakteristik bleibt unangetas-
tet. Für uns kann es zumal keine Neutralität des
Herzens und des Gewissens geben.

Besser kann man, wie ich glaube, diese Beziehungen
nicht beschreiben.

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(C (D Dirk Niebel hat Recht: Wir müssen so, wie es auch in nserem Antrag steht, im Wissen um die Vergangenheit ine Brücke schlagen, um gemeinsam mit Israel die ukunft zu gestalten. Dies ist mir auch als ein Vertreter er jüngeren Generation in diesem Hause ein großes Aniegen. Es ist wichtig, dass jede Generation ihren Weg indet, die Vergangenheit zu verinnerlichen und Verantortung für sie zu übernehmen. Ich werde es nie vergesen, wie ich mit einer Gruppe von jungen Kolleginnen nd Kollegen des Bundestages im Mai 1999 in Yad ashem ein Gespräch mit dem großen Yehuda Bauer atte, der uns immer wieder Mut zusprach und uns sagte, ir sollten uns nicht schuldig fühlen, aber auch nie veressen, dass wir Verantwortung trügen. Dies gilt es zu erinnerlichen und in die Tat umzusetzen. Hier ist viel zum weiteren Ausbau der bilateralen Be iehungen gesagt worden. Ich erinnere an den deutschsraelischen Jugendaustausch, der eine hervorragende rbeit leistet. Es ist auch schon viel zu unserer Verantortung bei der Bekämpfung des Antisemitismus gesagt orden. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, zu sagen, dass nser Haus stolz darauf sein kann, dass wir mit Gert eisskirchen einen Kollegen haben, der zusammen mit em Congressman Chris Smith in der OSZE dafür georgt hat, dass Antisemitismus ganz oben auf die genda gesetzt worden ist. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)


Die Förderung jüdischer Kultur und jüdischen
ebens in unserem Land muss uns am Herzen liegen;
enn der Vernichtungsfeldzug der Nazis, der Holocaust,
at mit der jüdischen Kultur einen Teil unserer eigenen
uropäischen Kultur auszuradieren versucht. Was gibt es
chöneres zu sehen, als dass jetzt in Deutschland wieder
üdisches Leben blüht? Das sollten wir mit allen Mitteln
nterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir in die Zukunft schauen, heißt das auch,
eute, an dem Tag, an dem wir mit großer Mehrheit die
U-Verfassung ratifiziert haben, konkret zu überlegen:
as kann Deutschland in der Europäischen Union tun,
m Israel und Europa stärker zusammen zu bringen?
srael gehört für mich zur euro-atlantischen Gemein-
chaft! Deshalb sind die Vorschläge im Rahmen der
euen Nachbarschaftspolitik, die wir auf dem Tisch lie-
en haben, gute Vorschläge. Ich finde es bemerkenswert,
ass der israelische Botschafter bei der EU, Oded Eran,
iese Vorschläge nicht nur sehr positiv aufgenommen,
ondern auch deutlich gemacht hat, dass Israel bereit ist,
arüber hinaus mit der Europäischen Union zu kooperie-
en. Da sollten wir den israelischen Botschafter in Brüs-
el beim Wort nehmen und ihn gerade als Deutschland in
er EU auf diesem Weg zu einer engeren Kooperation
it Europa unterstützen.






(A) )



(B) )


Dietmar Nietan


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Aber auch die Unterstützung und Ausweitung der
Kooperation zwischen Israel und der NATO über das
Mittelmeerdialogprogramm und über die Istanbul-Initia-
tive hinaus sind wichtig. Dirk Niebel hat es gesagt: Zu-
sammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung, der Be-
kämpfung von Massenvernichtungswaffen, maritime
Kooperation oder auch Kooperation in Bereichen wie
Search and Rescue bieten sich hier einfach aufgrund ge-
meinsamer Interessen und großer Fähigkeiten Israels auf
diesen Gebieten an.

Deshalb begrüße ich in diesem Zusammenhang die
vielen Initiativen, die es in Israel gibt. Ich nenne die Ini-
tiative von Uzi Arad, der Berater des Auswärtigen Aus-
schusses der Knesset ist und langjähriger Sicherheitsbe-
rater von Herrn Netanjahu war, der deutlich gemacht hat,
dass auch in diesem Teil des politischen Spektrums in Is-
rael das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Europa
und auch mit der NATO wächst. Ich finde, wir sollten
das unterstützen und zeigen, dass wir als Deutsche nicht
nur in der EU, sondern auch in der NATO ein Motor für
diese stärkere Zusammenarbeit sind.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage das auch deshalb, weil wir mit Blick auf den
Nahost-Friedensprozess – wir lassen uns den Optimis-
mus nicht nehmen – für die Zeit, wenn es dort Frieden
gibt, ein Angebot haben müssen, und zwar nicht nur für
Israel und die Palästinenser in Bezug auf die konkrete
Arbeit in diesem Friedensprozess und die Zeit danach,
sondern auch für Israel, damit es weiß, dass es sich wei-
terhin in unserer Gemeinschaft aufgehoben fühlen kann.
Auch aus diesem Grund sind solche Initiativen der ver-
stärkten Zusammenarbeit zwischen der Europäischen
Union, der NATO und Israel eine Chance, die Kräfte in
Israel zu stärken, die den Mut finden, für Israel schmerz-
hafte Konzessionen auf dem Weg zum Frieden zu ma-
chen. Da sollten wir sie nicht alleine lassen.

Wir müssen unsere Rolle bei der Gestaltung des
Nahost-Friedensprozesses ernst nehmen. Wir müssen
die Chance, die sich jetzt durch den Abzugsplan im
Gazastreifen ergibt, nutzen. Auch hier müssen wir als
Europäer dafür sorgen, dass der Abzug aus dem Gaza-
streifen nicht in eine Sackgasse führt, sondern ein Er-
folgsmodell ist: über die Roadmap hin zu einem lebens-
fähigen Zweistaatenmodell für Israel in Sicherheit, aber
auch für Palästina mit gesicherten Perspektiven.

Unser Botschafter Rudolf Dreßler hat gesagt: Die ge-
sicherte Existenz Israels liegt im nationalen Interesse un-
seres Landes. Sie ist somit ein Teil unserer Staatsräson.
Ich möchte das ergänzen und ausdrücklich unterstrei-
chen, was Dirk Niebel gesagt hat: Ich hätte mir ge-
wünscht, dass in diesem gemeinsamen Antrag auch ste-
hen würde, dass sich die Sicherheitsgarantie für Israel
auf Israel als einen Staat mit jüdischem Charakter be-
zieht.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Ich stelle fest – ich hoffe, die Kollegin Hildegard
üller verzeiht mir das, weil Hildegard Müller, Dirk
iebel, ich und auch andere jüngere Kolleginnen und
ollegen mit dieser Formulierung keine Probleme
aben –, dass dies vielleicht eine Frage von politischen
enerationen ist. Vielleicht steht diese Formulierung
um 45. Jahrestag unserer Beziehungen im Antrag, weil
ann eine andere Generation politische Verantwortung
rägt.
Zum Schluss möchte ich unseren ehemaligen Bundes-

räsidenten Johannes Rau zitieren. Er hat, so glaube ich,
as gezeigt, worauf es ankommt, wenn wir an die nächs-
en Generationen denken. Er hat zum Abschluss seiner
ede vor der Knesset im Februar 2000 gesagt:

Ich bin überzeugt davon: Wenn wir der Jugend die
Erinnerung weitergeben und sie zu Begegnungen
ermutigen, dann brauchen wir uns um die Zukunft
der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland
nicht zu sorgen.
Ich wünsche Ihnen und uns diese Zuversicht. Das
beginnende Jahrhundert soll ein Jahrhundert des
Friedens werden: für die Söhne und Töchter
Abrahams und für unsere Welt.

Ich finde, wir sollten uns diese Worte von Johannes
au zu Herzen nehmen.
Vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517513300

Das Wort hat die Kollegin Hildegard Müller, CDU/
SU-Fraktion.

Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1517513400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Wer hätte es angesichts der Verbrechen, die von
eutschen und im deutschen Namen millionenfach an
uden begangen worden sind, für möglich gehalten, dass
eutschland und Israel heute als Partner und Freunde
iteinander verbunden sind? Nach der Gründung des
taates Israel und der Bundesrepublik Deutschland gab
s anfangs nur wenige Kontakte zwischen beiden Staa-
en. Die Initiativen in den 50er-Jahren scheiterten noch
nd es war sehr schwierig in den Anfangsjahren. Doch
onrad Adenauer und David Ben Gurion setzten den
eg einer offiziellen Wiederannäherung zwischen
eutschland und Israel gegen Widerstände in beiden
ändern durch.
Betrachtet man die Beziehungen heute, kann man zu

er Auffassung gelangen, die Beziehungen seien normal.
unge Israelis besuchen in großer Zahl das Goethe-Insti-
t. Sie lernen Deutsch, weil sie in Deutschland studieren
ollen, sich beruflich etwas davon versprechen oder ge-
chäftliche Kontakte pflegen, die vertieft werden sollen.
ie Zahl der israelischen Aussteller auf Messen wächst,
ie Zahl der Kooperationen und Joint Ventures auch. Glei-
hes gilt für das Engagement von Deutschen in Israel.






(A) )



(B) )


Hildegard Müller

Doch trotz dieser erfreulichen Entwicklung gilt es,

vor der Begrifflichkeit „normal“ zu warnen, auch wenn
wir uns noch so sehr danach sehnen. Normal im Sinne
von „der Norm entsprechend“ oder – anders ausge-
drückt – „üblich“ oder „durchschnittlich“ können die
deutsch-israelischen Beziehungen niemals sein. Die
Beziehungen werden stets durch die Singularität der
Schoah gekennzeichnet sein. Es ist zugleich wichtig,
dass nachwachsende Generationen das Bewusstsein und
den Wunsch nach besonderen Beziehungen zu Israel ent-
wickeln. Dies erscheint umso dringlicher, wenn die Op-
fer und Zeitzeugen des Holocausts, der Aussöhnung und
des Neubeginns die besondere Qualität der Beziehungen
zwischen Deutschland und Israel zukünftig nicht mehr
mit Leben erfüllen und gestalten können.

Ein besonderes Augenmerk müssen wir stets dem
Kampf gegen jegliche Form des Antisemitismus wid-
men, ob er aus rechtsextremen, islamistischen, anti-
amerikanischen oder antizionistischen Motiven heraus
entsteht. Antisemitismus ist ein Verbrechen gegen die
Menschenwürde und hat keinen Platz in Deutschland.


(Beifall im ganzen Hause)

Es ist und bleibt unsere Verpflichtung, ihn in allen Aus-
prägungen gesellschaftlich zu ächten und mit der ganzen
Härte des Gesetzes zu verfolgen. Deutschland muss in
diesem Sinne auch eine starke Stimme in die Europäi-
sche Union einbringen.

Vielen Menschen in Deutschland, aber auch in ande-
ren europäischen Ländern fällt es schwer, zu begreifen,
in welcher Gefahr die Menschen in Israel seit Jahrzehn-
ten leben. Wir kennen nicht diese Erfahrung, jederzeit
auf dem Weg zur Arbeit, im Café oder Restaurant Opfer
eines Terroranschlags werden zu können. So trauern wir
mit unseren israelischen Freunden um die Opfer des
Terrors. Auch ist uns fremd, dass die Existenz unseres
Staates ernsthaft infrage gestellt wird. Israel hat seit sei-
ner Gründung 1948 immer wieder seine Existenz vertei-
digen müssen. Bis zum heutigen Tage haben etwa
21 000 Soldaten ihr Leben gelassen. Ihrer hat Israel ges-
tern am Gefallenengedenktag Yom Hazikaron gedacht.
Bis zum heutigen Tag wird Israels Existenz von den
meisten seiner Nachbarländer nicht akzeptiert. Deshalb
ist für Israel die militärische Stärke zur Sicherung seiner
Existenz unverzichtbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutschlands Beziehungen zum jüdischen Staat grün-
den auf unserer Verantwortung für die Schoah und des-
halb sind unsere Beziehungen durch unser unerschütter-
liches Eintreten für das Existenzrecht des Staates Israel
und die Sicherheit seiner Bürger bestimmt. Israel wird
sich in dieser Hinsicht stets auf Deutschland als Freund
und Partner verlassen können. Die besondere Verantwor-
tung, die wir für die Sicherheit Israels haben, werden wir
auch in der internationalen Staatengemeinschaft immer
einsetzen.


(Beifall im ganzen Hause)

Israel ist die einzige Demokratie im Nahen

Osten – ein Rechtsstaat, eine starke Wirtschaft und eine

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(C (D estliche Zivilgesellschaft, die unsere Werte teilt. eutschland und Israel sind Partner, die wesentliche geeinsame Interessen teilen. Das ist eine gute und belastare Grundlage für eine gemeinsame Zukunft. Für diese Zukunft denke ich neben dem Ausbau der olitischen Beziehungen – dazu ist heute schon vieles esagt worden – an einen Ausbau der Partnerschaften wischen Städten, Vereinen und Schulen, an eine Vertieung des Jugendaustauschs und der Jugendbegegnung owie an eine Intensivierung der Zusammenarbeit im ereich Wissenschaft und Forschung. Im Februar durfte auch ich den Bundespräsidenten uf seiner Israelreise begleiten. Durch die Besuche im eizmann-Institut, im Technion in Haifa oder in dem ntwicklungslabor eines deutschen Softwareherstellers abe ich den Eindruck gewonnen, dass wir von Israel, as in der europäischen Forschung und im Hightechereich eine wichtige Rolle spielt, sehr viel lernen könen. Als rohstoffarme Länder sollten wir daher verstärkt emeinsame Forschungsvorhaben in der Biound Nanoechnologie und zwischen Unternehmen aus der Inforationsund Kommunikationstechnik sowie der Pharazeutik und Medizintechnik anstoßen. Über die Jahre sind in Wissenschaft und Forschung owie in Wirtschaft und Kultur auf gemeinsamen Inteessen beruhende nachhaltige, enge, ja, ich darf sagen, reundschaftliche Beziehungen entstanden. Sie sind leendig, belastbar und zukunftsorientiert. Meine Damen und Herren, es mag unter diesen Part ern auch tagespolitische Meinungsverschiedenheiten eben, jedoch lassen beide Partner keinen Zweifel an der ntegrität und Verlässlichkeit des anderen aufkommen. eide Seiten stellen den anderen nicht infrage und die eziehungen müssen sich auch in Krisenzeiten weiter erlässlich zeigen. Ich würde mich freuen, wenn mehr Deutsche Israel esuchen würden. Es ist ein wunderbares Land. Stellt och ein persönlicher Kontakt die unvoreingenomenste Möglichkeit einer engeren Beziehung zwischen eutschen und Israelis dar. Für die Zukunft sollten wir die besondere Beziehung u Israel neu beleben. Wir sollten es als unsere gemeiname Aufgabe betrachten und Bereiche und Projekte dentifizieren; denn unseren Beziehungen nützen weder onntagsreden noch Lippenbekenntnisse an solchen Taen, meine Damen und Herren. Oder, um es mit dem ranzösischen Sprichwort auszudrücken: Rien n’est jaais acquis – nichts ist jemals endgültig erreicht und geichert. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Bötsch, DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Das Ereignis, das wir heute würdigen wollen, ist nicht dem politischen Alltagsgeschäft entsprungen. Es lag nicht in der Logik der Dinge. Diplomatische Beziehungen mit Deutschland schienen für viele Israelis in den Jahren nach Kriegsende undenkbar zu sein. 1949 rief der Herausgeber der israelischen Zeitung „Ha’aretz“, Gershon Schocken, dazu auf, alle gesellschaftlichen Kontakte zu Deutschland abzubrechen. Hier wiederum gab es jahrelang keine intensive Auseinandersetzung mit der Schoah. Ewig und endgültig schien der Graben zwischen Israel und dem Land des Holocaust zu sein. Ihn zu überwinden, dazu bedurfte es des Mutes, der Führungsstärke und nicht zuletzt des historischen Verantwortungsbewusstseins zweier herausragender Staatsmänner: Konrad Adenauer und David Ben Gurion; sie wurden schon erwähnt. Bei ihrem legendären Treffen im New Yorker Hotel „Waldorf Astoria“ im Jahre 1960 gelang es ihnen, gegen große Widerstände in ihren Heimatländern (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Besonders in der CDU!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517513500




(A) )


(B) )

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID1517513600

– ja, Sie haben Recht – einen Weg fortzusetzen, der 1952
mit dem Luxemburger Wiedergutmachungsabkommen
begonnen hatte und bis zur Aufnahme voller diplomati-
scher Beziehungen 1965 führen sollte. Ben Gurion war
überzeugt davon, dass zwar die Schuldigen zu bestrafen
seien, aber nicht deren Kinder.

Es war allerdings ein Weg – auch daran muss erinnert
werden –, den der sozialistische Teil Deutschlands nicht
mitging. Die DDR Ulbrichts und Honeckers folgte viel-
mehr einem demonstrativ antiisraelischen Kurs und
wurde dafür mit der offiziellen diplomatischen Anerken-
nung durch Ägypten 1967 belohnt.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Leider wahr!)


Die einzige Auslandsreise Walter Ulbrichts außerhalb
des Ostblocks führte ihn nach Kairo.

Im Westen jedoch begann eine zaghafte Annäherung
zwischen der Bundesrepublik und dem jüdischen Staat,
die bald alle Ebenen umfasste. Selbst Adenauer und Ben
Gurion hätten sich nicht träumen lassen, dass Deutsch-
land heute mit kaum einem Land so viele Kontakte un-
terhält wie mit Israel. Davon zeugt die außerordentliche
Dichte politischer Besuche – beispielhaft seien nur die
hervorragenden Beziehungen zwischen Franz Josef
Strauß und Schimon Peres genannt. Davon zeugen auch
mehr als hundert Städtepartnerschaften, zahlreiche Ju-
gendaustauschprogramme sowie ein enger wirtschaftli-
cher und wissenschaftlicher Austausch.

Wir wollen aber nicht vergessen, dass die gegensei-
tige Wahrnehmung von Deutschen und Israelis auch
weiterhin sehr komplex ist und bleibt und – das wurde
schon festgestellt – vielleicht nie ganz normal werden
wird.

Paradoxerweise ist es gerade die Erlebnisgeneration
der aus Deutschland nach Israel eingewanderten Juden,

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(C (D ie – trotz anfangs größter Vorbehalte – Wegbereiter der eziehungen wurde. Sie wussten, wie sehr sich Deutschand gewandelt hat. Bei allen guten Kontakten ist die instellung jüngerer Israelis gegenüber Deutschland fast keptischer als die der älteren. Mit Sorge werden in Israel zu Recht antisemitische endenzen jeglicher Art und ein sich verschlechterndes ild Israels in der deutschen Öffentlichkeit registriert. orderungen nach der Existenz eines Palästinenserstaaes müssen genau abgewogen werden, damit nicht überehen wird, dass radikale Palästinensergruppen nicht für inen Staat neben Israel, sondern für einen eigenen Staat nstelle Israels kämpfen. Aus diesem Grund kommt es uch zu Terrormaßnahmen. Viele Israelis fühlen sich so ls Bürger eines demokratischen Staates im Kampf geen undemokratische Systeme um sich herum manchmal uch von uns im Stich gelassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diesen Anzeichen einer Entfremdung gilt es entschie-
en zu begegnen. Wer die deutsch-israelischen Bezie-
ungen bereits für selbstverständlich hält, sollte beden-
en: Die besonderen Bedingungen, unter denen sie
estehen, verbieten es, aus Nachlässigkeit Stereotypen
orschub zu leisten. Dass die NPD ihren Aufmarsch in
erlin am vergangenen Sonntag absagen musste, weil
ie Bürger ihn durch Zivilcourage verhinderten, sollte
abei genauso bedacht werden wie der Mut, den die
sraelische Regierung in letzter Zeit bei ihren friedens-
tiftenden Maßnahmen nach innen aufbringt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Am 27. September 1951 sagte Konrad Adenauer im
eutschen Bundestag:

Es ist die vornehmste Pflicht des deutschen Volkes,
im Verhältnis zum Staat Israel und zum jüdischen
Volk den Geist wahrer Menschlichkeit wieder le-
bendig und fruchtbar werden zu lassen.

ieser Satz verpflichtet niemanden, Fehler der israeli-
chen Politik zu beschönigen oder zu rechtfertigen. Ich
öchte mich ausdrücklich dem anschließen, was Sie,
err Kollege Kuhn, ausgeführt haben: Es kommt dabei
or allen Dingen auf die Form an. Es kann durchaus
uch Mahnung sein, sich zuverlässig den aus der eigenen
eschichte erwachsenden Verantwortlichkeiten zu stel-
en. Die CDU/CSU wird sich diesen Verantwortlichkei-
en auch in heutiger Zeit und in Zukunft stellen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall im ganzen Hause)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517513700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der

raktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/
ie Grünen und der FDP auf Drucksache 15/5464 mit
em neu gefassten Titel „40 Jahre diplomatische Bezie-
ungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Israel – Im Wissen um die Vergangenheit die Zukunft
gestalten“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfas-

(akustische Wohnraumüberwachung)

– Drucksache 15/4533 –

(Erste Beratung 152. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/5486 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Stünker
Hermann Bachmaier
Olaf Scholz
Daniela Raab
Hans-Christian Ströbele
Rainer Funke

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-
ministerin der Justiz, Brigitte Zypries.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517513800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren Abgeordnete! Es gibt im Moment wohl kein an-
deres Gesetzgebungsverfahren – zumindest nicht im
Bereich des Strafprozessrechts –, das auf so unterschied-
liche Beurteilungen stößt. Auf der einen Seite wird ge-
fordert, dass man die Wohnraumüberwachung nunmehr
ganz sein lassen solle. Auf der anderen Seite wird gefor-
dert, dass man die Vorgaben, die das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Urteil vom 3. März 2004 ge-
macht hat, nun doch nicht allzu wörtlich nehmen solle
und ruhig einmal ein bisschen darüber hinausgehen
könne. Lassen Sie mich deshalb vorweg auf zwei Vo-
raussetzungen hinweisen, von denen ich meine, dass sie
der Beratung des Gesetzentwurfes zugrunde liegen soll-
ten.

Erstens. Die akustische Wohnraumüberwachung ist
ein Instrument zur Bekämpfung schwerer Formen von
Kriminalität, auf das wir nicht verzichten können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das belegt nicht nur das von der Bundesregierung in
Auftrag gegebene Gutachten des Max-Planck-Instituts,
mit dem nachgewiesen wurde, dass zum Beispiel
87 Prozent der Fälle aus dem Bereich der Betäubungs-
mittelkriminalität, in denen bisher eine Wohnraumüber-
wachung angeordnet war, der organisierten Kriminalität

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(C (D uzurechnen sind. Das erhellt sich vielmehr auch aufrund der Tatsache, dass sich Kriminelle nicht in der Geissheit wiegen dürfen, dass sie nur eine Wohnung aufuchen müssen und ihnen dann in diesem Staate nichts ehr geschehen kann. Ich glaube nicht, dass das ein Sinal ist, das wir senden sollten. Die zweite Prämisse ist, dass die Wohnraumüberwa hung selbstverständlich die Gefahr schwerer Grundechtseingriffe birgt. Deshalb sind wir als Gesetzgeber erpflichtet, die Maßnahmen in dem Maße zu berenzen, wie es die Wahrung der Grundrechte erfordert. Die Einsicht in diese beiden Voraussetzungen scheint icht von allen in diesem Hohen Hause geteilt zu weren. Ich habe den Eindruck, dass sich die FDP nicht anz schlüssig ist, welche Position sie eigentlich bezieen soll. (Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD] – Rainer Funke [FDP]: Doch!)


(Beifall bei der SPD)


ch habe nicht verstanden, warum Sie, meine Damen und
erren von der FDP, nach Ihrer Entscheidung auf dem
undesparteitag, auf dem Sie erklärt haben, wir bräuch-
en das alles gar nicht mehr und die Wohraumüberwa-
hung sei ganz abzuschaffen, gestern im Rechtsaus-
chuss einen Änderungsantrag gestellt haben, der im
ergleich zu unserem Gesetzentwurf sogar Erweiterun-
en vorsieht. Aber das können Sie nachher noch aufklä-
en.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ich wohne in Kassel, da heißt es: Da geht’s emme so wie emme!)


ielleicht ist das auch nur ein Missverständnis.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit der schon

rwähnten Entscheidung wertvolle Orientierungshilfen
egeben, an denen wir uns bei der Erarbeitung des Ge-
etzentwurfes ausgerichtet haben. Wir haben intensiv
ber die Frage diskutiert, wie man es richtig macht, wie
an den Ansprüchen sowohl der Strafverfolgungsbehör-
en als auch der Grundrechtsträger Rechnung tragen
ann. Ich meine jedenfalls, dass wir einen Gesetzentwurf
orgelegt haben, der über alle unterschiedlichen Mei-
ungen hinweg einen Kompromiss darstellen kann.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


as hat die Sachverständigenanhörung meiner Meinung
ach ergeben.
Im Zentrum des Gesetzentwurfes stehen zwei Rege-
ngen, die für das Spannungsfeld, in dem wir uns bewe-
en, sinnfällig sind. Das ist zum einen die negative
ernbereichsprognose als Anordnungsvoraussetzung
nd das ist zum anderen die Unterbrechungsregelung,
u der, wie ich gerade erfahren habe, die CDU/CSU-
raktion einen Änderungsantrag eingebracht hat.
Die negative Kernbereichsprognose ist Anordnungs-

oraussetzung jeder Überwachungsmaßnahme. Mit ihr
uss nämlich erst einmal prognostiziert werden, dass






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries

nicht die Gefahr eines Eingriffs in die unantastbare Pri-
vatsphäre besteht. Diese Kernbereichsprognose gewähr-
leistet damit, dass die Strafverfolgungsbehörden jeden
Einzelfall sehr sorgfältig prüfen. Auch Sie wissen, dass
das Gericht darüber entscheiden muss.

Diese Prüfung muss im Anordnungsbeschluss doku-
mentiert werden, damit bei einer späteren Überprüfung
im Wege des Rechtsschutzes durch das erkennende Ge-
richt die gemachten Erwägungen nachvollziehbar sind.
Wir haben damit sichergestellt, dass der Rechtsschutz,
den auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ge-
fordert hat, nicht im Einzelfall durch den Hinweis auf
praktische Bedürfnisse ausgehebelt werden kann.

Die mit dieser Kernbereichsprognose verbundenen
Anforderungen an die Praxis sind hoch. Ich glaube aber
nicht, dass sie deshalb dazu führen, dass man die Wohn-
raumüberwachung künftig als unpraktikabel verwerfen
und nicht mehr anwenden wird. Eine automatische Auf-
zeichnung bleibt weiterhin möglich, beispielsweise
– diese Fälle sind zahlreich – beim Abhören von Ge-
schäfts- und Betriebsräumen.

Ein weiterer Punkt betrifft die Unterbrechungsrege-
lung. Wir meinen, dass wir dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts lediglich mit der von uns vorgeschlage-
nen Regelung wirklich Folge leisten können; denn nur so
stellen wir sicher, dass der Kernbereich nicht angetastet
wird. Es wurde eindeutig festgestellt, dass eine Auf-
zeichnung nicht stattfinden darf, sobald der Kernbereich
berührt wird.

Das heißt konkret: Wenn man künftig mithört und
feststellt, dass ein Gespräch die Privatsphäre berührt,
dann muss man die Aufzeichnung beenden. Man darf
dann also nicht sagen – ich beziehe mich auf den Ände-
rungsantrag der CDU/CSU-Fraktion –: Das nehmen wir
jetzt einmal auf ein Tonband auf; später dürfen das der
Richter und im Zweifel auch der Dolmetscher, der das
Ganze übersetzen muss, abhören; über die Rechtmäßig-
keit der Aufzeichnung wird hinterher entschieden.

Der Kern der Karlsruher Entscheidung – wenigstens
ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Entscheidung
nur so verstanden werden kann, auch im Hinblick auf die
abweichenden Meinungen – besteht darin, dass in die
Privat- und Intimsphäre nicht eingegriffen werden darf,
auch nicht durch den Richter.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Wann darf man denn dann wieder einschalten?)


– Herr Abgeordneter, wieder einschalten darf man dann,
wenn man Anhaltspunkte dafür hat, dass sich die Situa-
tion geändert hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Das versteht der Herr Gehb nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist auch schwer zu verstehen!)


– Das ist natürlich nicht ganz einfach; deswegen habe
ich eingangs festgestellt, dass die Frage der Unantastbar-
keit des Kernbereichs ein echtes Problem ist.

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(C (D Aber es gibt natürlich Anhaltspunkte: Die Freundin at die Wohnung verlassen; es sind neue Personen in die ohnung gekommen; vielleicht veranlasst einen auch ur der Zeitablauf, anzunehmen, dass ein Gespräch bendet sein könnte, um dann die Entscheidung zu treffen, ie Aufzeichnung wieder fortzusetzen. Ich gestehe Ihnen u: Diese Entscheidung zu treffen ist nicht einfach. Aber us dieser Tatsache kann man nicht die Schlussfolgerung iehen, es generell anders zu machen (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


nd auf eine vollständige Aufzeichnung zurückzugrei-
en, die in einer großen Anzahl von Fällen von mindes-
ens zwei Personen abgehört werden muss.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen

önnen deshalb Ihrem Änderungsantrag – Sie haben ihn
on den Ländern inhaltlich übernommen –, nicht zustim-
en. Was da geplant ist, kann nicht funktionieren.
Gerade in Bezug auf diese beiden Punkte möchte ich

eutlich machen, dass unser Gesetzentwurf ein ausge-
ogenes, ein in sich geschlossenes und auch ein insge-
amt vernünftiges Regelungskonzept enthält. Das gilt
icht nur für die angesprochenen Fragen, sondern – si-
herlich zur Freude des ganzen Hauses – auch für die
egelung zum Schutz der Berufsgeheimnisträger. Das
ilt für die Verwendung der erlangten Daten zur Gefah-
enabwehr – wir haben festgestellt, dass man solche Er-
enntnisse zur Gefahrenabwehr nutzen darf – und auch
ür die datenschutzrechtlichen Vorschriften. Schließlich
ilt es für die Pflicht, dem Parlament Bericht zu erstat-
en. Mit der Tatsache, dass diese Berichtspflicht kon-
retisiert und verstärkt wird, geht die Möglichkeit des
arlaments einher, rechtzeitig zu kontrollieren, ob die
trafverfolgungsbehörden keinen unbotmäßigen Ge-
rauch machen.
Vor allem im Hinblick auf den Zeitablauf und darauf,

ass das Gesetz außer Kraft tritt und wir bis zum Juni
ine Regelung haben müssen, würde ich mich freuen,
enn die Tonbandalternative verworfen werden könnte
nd wenn auch die Oppositionsfraktionen bei den Län-
ern für die Auffassung werben könnten, dass das Rich-
erband nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen
ntspricht und dass es deshalb keinen Sinn macht, in die-
em Punkt den Vermittlungsausschuss anzurufen, um zu
ersuchen, da noch etwas zu erreichen; es käme nur zu
iner Zeitverzögerung, die uns allen nichts nützt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517513900

Das Wort hat die Kollegin Daniela Raab, CDU/CSU-

raktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1517514000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

rau Ministerin, erneut und sicherlich auch abschließend






(A) )



(B) )


Daniela Raab

debattieren wir heute die Umsetzung des Bundesverfas-
sungsgerichtsurteils vom 3. März 2004 zur akustischen
Wohnraumüberwachung. In diesem Urteil wurde zwar
der Art. 13 Abs. 3 des Grundgesetzes als Grundlage für
die akustische Wohnraumüberwachung für verfassungs-
gemäß erklärt, jedoch hielt das Gericht die dazugehöri-
gen Ausführungsbestimmungen in der Strafprozessord-
nung für zum Teil grundgesetzwidrig. Es normiert einen
absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensge-
staltung. Ein Abhören des gesprochenen Wortes soll dort
zukünftig nur noch unter äußerst engen Voraussetzungen
möglich sein.

Wie ich schon in der ersten Lesung betont habe, kann
ich nicht nachvollziehen, weshalb das Gericht derartige
Einschränkungen bei der akustischen Wohnraumüber-
wachung überhaupt für notwendig gehalten hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Das sagt die Verfassung!)


Wir alle wissen – das kam bereits in der ersten Lesung
sowie in der Sachverständigenanhörung danach zum
Ausdruck –, dass Abhörmaßnahmen in Privaträumen
schon bisher immer nur als allerletztes Mittel eingesetzt
wurden, um Ermittlungen zum Abschluss zu bringen
oder anderweitig nicht zu erlangende Erkenntnisse zu er-
halten. Dies geschieht stets – die Frau Ministerin hat es
in ihrem heutigen Interview in der „taz“ ausgeführt – im
Bewusstsein dessen, dass mit dem Abhören in Privaträu-
men natürlich auch immer in das Persönlichkeitsrecht
eingegriffen wird und eine umso sensiblere Handhabung
des Instruments notwendig ist. Wir alle wissen auch,
dass genau daraus die seltene Anwendung in der Praxis
resultiert.

Das Horrorszenario, das damals bei der Einführung
des so genannten großen Lauschangriffs an die Wand ge-
malt wurde, dass nun ständig irgendwelche privaten
Räume von angeblich unbescholtenen Bürgern verwanzt
würden,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es aber! Nicht „angeblich“! – Gegenruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: 30 Fälle im Jahr, Herr Ströbele!)


ist ganz offensichtlich und Gott sei Dank nicht eingetre-
ten; etwas anderes, Herr Ströbele, ist mir nicht bekannt.
Vor diesem Hintergrund fällt es mir nach wie vor schwer
– das muss man in diesem Rahmen auch sagen dürfen –,
das Urteil des Verfassungsgerichts zu verstehen und um-
zusetzen.

Es liegt aber nun in unserer Verantwortung als Ge-
setzgeber, das Beste aus diesen engen Voraussetzungen
zu machen. Zunächst zu § 100 c Abs. 5 der Strafprozess-
ordnung in der Fassung Ihres Gesetzentwurfs; darum
geht es in unserem Änderungsantrag. Wir sind der Mei-
nung, dass Sie insoweit nicht das Beste daraus machen.
Hier gelangen wir, Frau Ministerin, leider zu unter-
schiedlichen Interpretationen des Verfassungsgerichtsur-
teils, obwohl wir uns in der Beurteilung der einzelnen
Vorschriften sonst relativ nahe sind.

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(C (D Nach Ihrem Entwurf ist das Abhören und Aufzeichen unverzüglich abzubrechen, soweit sich Anhaltsunkte dafür ergeben, dass Äußerungen aus dem ernbereich privater Lebensgestaltung erfasst weren. Natürlich mag es Situationen geben, in denen der auschende Beamte auf eine Verletzung dieses Kernbeeichs schließen kann, so zum Beispiel, wenn der Verächtige mit engen Vertrauten oder Familienangehörigen ber eigene Erkrankungen, über seine Gesundheit oder ar über sein Liebesleben spricht. In diesen Fällen kann er Beamte natürlich sofort abschalten und muss es auch ach unserer Meinung tun. Was wäre aber, wenn der erdächtige – das wurde uns in der Sachverständigenanörung mehrfach vorgetragen – in Kenntnis der neuen echtslage unter Anwendung seiner sämtlichen krimiellen Energie jedes Gespräch zunächst mit einem privaen Inhalt beginnt, um das Abschalten sozusagen zu proozieren und um dann zum wirklich Wichtigen zu ommen, was die Polizei dann leider nicht mehr mithöen kann? ie Erfahrungen im Bereich der Telefonüberwachung aben gezeigt, dass Straftäter mit Überwachungsmaßahmen rechnen und sich Gegenstrategien überlegen. lso ist das nicht von allzu weit hergeholt. Gerade Verächtigen aus der organisierten Kriminalität sind die Erittlungsmethoden und deren rechtliche Grenzen durchus bekannt. Stellen Sie sich weiter bitte Folgendes vor: Häufig erden in einer Wohnung mehrere Räume überwacht. atürlich werden dort mehrere Gespräche geführt; es ind auch mehrere Gesprächsteilnehmer anwesend. Die onqualität der Aufnahmen ist oftmals mäßig oder gar anz schlecht. Dadurch ist es schwierig, die Gesprächseilnehmer eindeutig zu identifizieren und die Redebeiräge überhaupt zuzuordnen. Gänzlich unpraktikabel wird es dann, wenn die abge örte Unterhaltung in einer oder mehreren fremden prachen geführt wird. Es kann im Einzelfall dann nämich sehr schwierig oder unmöglich sein, über Tage hineg einen Dolmetscher an der Hand zu haben, der abgeörte Gespräche simultan übersetzt. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, wie unsinnig die Maßnahme ist!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie Wertung, ob der Kernbereich betroffen ist, würde
ann entscheidend von der Qualität der Übersetzung ab-
ängen.
All das erschwert zusätzlich die Entscheidung der Be-

mten vor Ort, eine Aktion sofort abzubrechen oder viel-
eicht unter Kenntnis der schwierigen Rechtslage den-
och weiterzuführen, weil sie wissen, dass
eweiserhebliches Material nach dem Abbruch verloren
ehen kann.
All das hat uns bewogen, unseren Änderungsantrag

inzubringen. Wir sind der Meinung, dass er die verfas-
ungsrechtlichen Grenzen noch nicht überschreitet und
as Beste aus der Sache herausholt. Ich teile leider nicht,






(A) )



(B) )


Daniela Raab

Frau Ministerin, Ihren Optimismus, dass es vielleicht
trotzdem in der Praxis halbwegs vernünftig weitergehen
würde, wenn wir Ihrem Entwurf folgten. Auch wir for-
dern natürlich, das Abhören unverzüglich zu unterbre-
chen, sobald Äußerungen aus dem höchstpersönlichen
Lebensbereich erfasst werden. Wir sagen jedoch, dass
die Aufzeichnungsgeräte weiterlaufen dürfen und nur
die Ermittlungsbeamten nicht mehr zuhören sollen.


(Lachen des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese technische Aufzeichnung wird dann dem zuständi-
gen Gericht vorgelegt, dieses prüft die Aufzeichnung auf
ihre Zulässigkeit hin und entscheidet über den Fortgang
der Überwachungsmaßnahme. So stellen wir uns das
vor. Damit wird unserer Ansicht nach sichergestellt, dass
der Schutz des Kernbereichs weiterhin erhalten bleibt.
Sollte der Richter nämlich entscheiden, dass kernbe-
reichsrelevante Äußerungen enthalten sind, sind diese
unverzüglich zu löschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Richter soll das auch nicht hören!)


Wir nehmen so – das wissen wir aus der Sachverstän-
digenanhörung – den Druck von den Ermittlungsbeam-
ten vor Ort. Auch das ist für uns ein entscheidender
Punkt. Ihr Entwurf, meine Damen und Herren, fordert
diesen nämlich wirklich schier hellseherische Fähigkei-
ten bezüglich der Frage ab, wann die Fortsetzung der
Überwachung wieder zulässig ist.

Unsere Lösung steht auch nicht – das habe ich soeben
schon gesagt – im Widerspruch zum Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat
nämlich ausdrücklich das Abhören des Gesprächs zum
Zweck der Überprüfung zugelassen, ob eventuell eine
Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 des
Grundgesetzes zu befürchten ist. Das Gericht sagt zwar,
bereits die Ermittlungspersonen vor Ort sollen diese
hoch qualifizierte Entscheidung treffen, wir aber sagen,
das ist nicht der einzig mögliche Weg, das könnte auch
ein Richter tun. Ich denke, eine Entscheidung dieses
Ausmaßes gehört nun einmal auch in richterliche Hände.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es spielt keine Rolle, welcher Staatsdiener zuhört!)


So ist zumindest sichergestellt, dass keine beweisrele-
vanten Daten verloren gehen.

Uns als Unionsfraktion ist durchaus bewusst, dass den
übrigen Fraktionen in diesem Hohen Haus das Verfas-
sungsgerichtsurteil gerade recht kommt.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Die akustische Wohnraumüberwachung war noch nie die
Sache von Rot-Grün.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind eben verfassungskonform!)


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(C (D uch die FDP schleicht sich nun, flankiert von einem ntsprechenden Parteitagsbeschluss, rückwärts wieder us der Geschichte heraus. Die akustische Wohnraumberwachung sollte nach ihrem Willen wieder komplett bgeschafft werden. Wohltuend hebt sich hier die Meinung der Frau inisterin ab, die heute ausdrücklich in dem von mir chon zitierten Interview gesagt hat, dass sie die akustiche Wohnraumüberwachung nicht abschaffen würde nd sich auch dagegen wehrt, die Erfolge dieses Mittels leinzureden. In diesem Punkt stehen wir voll auf ihrer eite. Wir sind der Meinung – die Statistiken, die die Frau inisterin bereits angeführt hat, belegen das zuverläsig –, dass sich die akustische Wohnraumüberwachung ewährt hat, dass sie in den Fällen, in denen sie angeandt wurde, zu guten Erfolgen geführt hat und oftmals en entscheidenden Hinweis geben konnte und dass sie uch wirklich nur da eingesetzt wurde, wo es kein andees Mittel gab. Im Sinne einer effizienten Verbrechensekämpfung und Verbrechensvorbeugung wollen wir, im egensatz zu Ihnen, die akustische Wohnraumüberwahung praktikabel halten. Dem soll unser Änderungsanag dienen. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele, ündnis 90/Die Grünen. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ist das Fahrrad wieder da?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514100


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ass wir uns hier erneut wie schon vor Jahren mit dem
roßen Lauschangriff und der akustischen Wohnraum-
berwachung beschäftigen, verdanken wir unter ande-
em der Freien Demokratischen Partei. Sie hat nämlich
einerzeit dieses Gesetz in ihrer großen Mehrheit mit
erabschiedet, auch unter Mitwirkung des Kollegen
unke. Das soll man nicht vergessen, wenn er sich gleich
annhaft dafür einsetzen wird – so vermute ich –, den
eschluss des Parteitages der FDP umzusetzen, der ja
iesen großen Lauschangriff insgesamt ablehnt.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Rolle rückwärts! – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Aber eure Rolle rückwärts ist bestimmt akrobatischer!)


Ebenso verdanken wir aber – auch das wollen wir
icht vergessen; das meine ich durchaus lobend – einzel-
en Abgeordneten der FDP, dass sie nach dem damals
eschlossenen großen Lauschangriff vor das Bundesver-
assungsgericht gezogen sind – da hatten Sie Recht, Frau
eutheusser-Schnarrenberger – und die Änderungen des






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

Grundgesetzes und der Strafprozessordnung angegriffen
haben. Das Bundesverfassungsgericht hat ihnen zu ei-
nem erheblichen Teil Recht gegeben.

Jetzt können wir – das ist das Positive – aus diesem
Gesetz, das damals verabschiedet und lange Jahre ange-
wandt worden ist, ein verfassungskonformes Gesetz
machen. Wir dürfen dabei natürlich nicht vergessen, dass
schon all die Jahre abgehört worden ist und Wohnraum-
überwachung stattgefunden hat und dass davon sehr
viele – der ganz überwiegende Teil offensichtlich – be-
troffen waren, die nichts ausgefressen hatten. Es heißt ja
immer, wer nichts gemacht habe, brauche das auch nicht
zu fürchten. Es waren aber offenbar viele Menschen sol-
chen Angriffen des Staates ausgesetzt, die entweder nie
Beschuldigte oder Verdächtige waren – sie haben sich le-
diglich in einer solchen Wohnung aufgehalten oder die
Wohnraumüberwachung wurde auch auf sie angewen-
det – oder bei denen sich später herausstellte, dass sie
nicht die Täter waren und zu Unrecht verdächtigt wor-
den sind. So etwas gibt es ja auch.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das gibt es auch beim normalen Ermittlungsverfahren!)


Das heißt, sehr viele waren betroffen, wahrscheinlich
auch in der Form, Herr Gehb, dass sich eine normale
Unterhaltung aus ihrem ganz persönlichen Kernbereich
auf Tonbändern wiedergefunden hat.

Wenn ich mir diese Eingriffe in den Intimbereich von
sehr vielen Menschen über Jahre hinweg vor Augen
führe, dann kann ich nur sagen: Das Gesetz, wie Sie es
damals gemacht haben, war falsch. Die Grünen hatten
damals, sowohl in ihrer Fraktion als auch in ihrer Partei,
zu Recht gefordert, diesen großen Lauschangriff nicht
ins Gesetz zu schreiben.

Die Wohnung ist etwas Besonderes. In England sagt
man: My home is my castle. Das soll zum Ausdruck
bringen: Da hat kein anderer etwas zu suchen, da will ich
ungestört sein. – Ich kann Ihnen ein anderes Beispiel
nennen. Als ich einmal, unmittelbar nachdem dort die
Militärdiktatur zu Ende gegangen war, in Griechenland
war, habe ich eine große Demonstration erlebt, bei der es
auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam. An-
schließend hat die Polizei einige Demonstranten ver-
folgt, mehrere Straßen entlang, wie man sehen konnte,
bis sie plötzlich vor einem Haus stand. Aber sie ging
nicht durch die Tür. Ich habe mich gewundert und ge-
dacht: Wenn die verdächtigt sind, strafbare Handlungen
begangen zu haben, warum verfolgt die Polizei sie dann
nicht weiter? Mir wurde gesagt: Wir haben gerade eine
Diktatur überwunden und für uns ist die Wohnung ein
heiliger Raum. Wenn die Polizei jetzt, nach den Erfah-
rungen, die wir mit der Verletzung des Rechts auf den
Schutz der eigenen Wohnung gemacht haben, hier hi-
neingehen würde, dann gäbe das einen Riesenskandal in
der Gesellschaft und die Polizeibeamten, die das tun
würden, würden entlassen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Schlagen Sie die Regelung jetzt auch für Deutschland vor? Auf den Gesetzentwurf sind wir gespannt!)


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(C (D Aus diesem Grunde steht in Art. 13 unseres Grundgeetzes der Schutz der Wohnung, übrigens auch ein beonderer Schutz vor Durchsuchungen und Eindringen taatlicher Gewalt. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Und wie ist es bei Gefahr im Verzug?)


Das ist der Hintergrund. Wissen Sie, Herr Kollege
ehb, ich habe hin und wieder, wenn ich mit Betroffe-
en zu der Behörde gegangen bin oder im Rahmen von
trafprozessen, die nicht immer angenehme Beschäfti-
ung gehabt, alte Stasiakten zu lesen. Mit das Unange-
ehmste und Abscheulichste darunter waren Berichte
nd Protokolle über staatliche Eingriffe in den Kernbe-
eich der Familien, des Privaten, sei es, dass das Berichte
on Verwandten, Verlobten oder Ehepartnern waren, sei
s, dass es Berichte über Eingriffe waren, die mit techni-
chen Mitteln erfolgten. Weil das nicht sein darf und
eil möglichst viele Menschen in Deutschland sicher
ein sollen, dass sie sich in ihrer Wohnung ungestört
ber persönliche Probleme und über ihre intimsten Be-
eiche austauschen können, ist der Schutz der Wohnung
o wichtig. Das Bundesverfassungsgericht hat ein neues
rundrecht hinzugefügt, indem es gesagt hat: Auch die
ürde des Menschen ist zusätzlich erheblich beeinträch-
gt, wenn der Staat in den Kernbereich der privaten
ebensgestaltung eingreift. – Dies ist ein Fortschritt.
iesen wichtigen Satz sollten wir uns für andere Gesetz-
ebungsvorhaben merken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir haben nach einigen Diskussionen ein Gesetz vor-
elegt, das deutliche Einschränkungen des bisherigen
roßen Lauschangriffs darstellt. Viele beklagen – darun-
r auch die Union –, dass damit die Arbeit der Polizei in
inzelnen Fällen schwieriger wird. Es wird eine ganze
eihe von Fällen geben, in denen ein Richter in der Ver-
angenheit eine Wohnraumüberwachung anordnen
onnte, in denen das in Zukunft aber nicht der Fall sein
ird. Der Richter darf in Zukunft eine Anordnung zur
ohnraumüberwachung nicht treffen, wenn es keine
nhaltspunkte dafür gibt, dass der Kernbereich privater
ebensgestaltung nicht betroffen ist.
Es wird natürlich auch die Fälle geben, in denen der
ichter eine Wohnraumüberwachung anordnet, weil er
er irrigen Meinung ist, dass es Anhaltspunkte dafür
ibt, dass es sich nur um geschäftliche Gespräche oder
öglicherweise um Gespräche, die kriminelle Handlun-
en betreffen, handelt. Die Gespräche werden dann auf-
enommen; die Aufnahme muss anschließend aber ver-
ichtet werden.
Wir haben in diesem Gesetzentwurf – das finde ich

ichtig – über das hinaus, was das Bundesverfassungsge-
icht gesagt hat, eine Festlegung getroffen – sie war auch
der ursprünglichen Fassung des Gesetzes enthalten;
ir haben sie sozusagen gerettet –, dass die Berufsge-
eimnisträger, also die Rechtsanwälte, die Ärzte, die
eistlichen, aber auch die Journalisten, besonders ge-
chützt werden und dass in ihren Berufsausübungsbe-






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

reich der Staat nicht eingreifen darf, sodass sie ihren Be-
ruf wirksam ausüben können.

Wir haben eine weitere wichtige Marke, die das Bun-
desverfassungsgericht gesetzt hat, gerettet. Wir wollen
nämlich auch nicht, dass die Strafzumessung erhöht
wird, nur damit ein Straftatbestand weiterhin im Katalog
dieses Gesetzes enthalten ist. Ich nenne beispielsweise
§ 129 Abs. 4 des Strafgesetzbuches. Man kann also eine
Höchststrafe von fünf Jahren nicht auf zehn Jahre he-
raufsetzen, um Lauschangriffe anordnen zu können. Wir
haben verhindert, dass es eine entsprechende Regelung
gibt.

Jetzt liegt ein Gesetz vor, das verfassungskonform
und rechtlich in Ordnung ist. Dieses Gesetz garantiert
weitgehend den Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Die
Bereiche, in denen das Gesetz noch angewendet werden
kann, sind einigermaßen vertretbar, auch wenn ich mich
persönlich weiterhin dafür einsetzen werde – ich denke,
diese Position ist bei den Grünen nach wie vor zu
Hause –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass wir irgendwann aufgrund weiterer Fakten und Eva-
luierungen zu dem Ergebnis kommen, dass wir eine sol-
che Strafvorschrift überhaupt nicht brauchen, und dass
wir sie deshalb aus dem Gesetz und dem Grundgesetz
streichen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514200

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu brauchen wir aber eine Zweidrittelmehrheit, die
wir erst noch erkämpfen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Wie ist das mit Fahrraddiebstahl?)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514300

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Funke, FDP-

Fraktion.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1517514400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der

13. Legislaturperiode haben wir heftig um geeignete Maß-
nahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
und anderer besonders schwerer Formen von Kriminalität
gerungen. Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundes-
tag dabei die akustische Wohnraumüberwachung be-
schlossen und das Grundgesetz entsprechend geändert.

Aufgrund der grundrechtssensiblen Auswirkungen
dieser Maßnahmen hat sich keine Fraktion des Bundes-
tages die Entscheidung leicht gemacht. Insbesondere
meine Partei hat sich sehr intensiv mit den Argumenten,
die für und gegen die Einführung der akustischen Wohn-
raumüberwachung sprechen, auseinander gesetzt.

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(C (D Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen ahr in einem Aufsehen erregenden Urteil die Änderunen des Grundgesetzes zur Einführung der akustischen ohnraumüberwachung für grundsätzlich verfassungsemäß anerkannt. Eine andere Bewertung hat das Geicht bezüglich der Ausführungsbestimmungen in der trafprozessordnung vorgenommen. Diese wurden vom ericht überwiegend als verfassungswidrig angesehen. as Gericht hat daraufhin dem Gesetzgeber aufgegeben, ine Novellierung der Ausführungsbestimmungen bis um 30. Juni 2005 herzustellen. Frau Ministerin, es ist zunächst anzuerkennen, dass an sich grundsätzlich bemüht, die Grundsätze des Bunesverfassungsgerichts in die neue Gesetzesfassung aufunehmen. (Joachim Stünker [SPD]: Nicht nur grundsätzlich!)


us Sicht der FDP gehen die Bemühungen der Bundes-
egierung jedoch nicht weit genug.


(Beifall bei der FDP)

ir haben uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
ehr genau angesehen und den Gesetzentwurf anschlie-
end daraufhin überprüft, ob die klaren und eindeutigen
ussagen des Bundesverfassungsgerichts Eingang in
en Gesetzentwurf gefunden haben. Dabei sind wir zu
er Überzeugung gekommen, dass dies in zentralen Fra-
en nicht der Fall ist.


(Beifall bei der FDP)

Eine ganz zentrale Forderung an den Gesetzgeber ist,

ass die akustische Wohnraumüberwachung von vorn-
erein dort unterbleiben muss, wo das Abhören des nicht
ffentlich gesprochenen Wortes mit Wahrscheinlichkeit
ur Verletzung des Kernbereichs privater Lebensge-
taltung führen wird. Dieses absolute Erhebungs- und
berwachungsverbot findet sich in dem Gesetzentwurf
n dieser Klarheit leider nicht.


(Joachim Stünker [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


ach dem Willen der Bundesregierung kann die Über-
achungsmaßnahme grundsätzlich in jedem Fall ange-
rdnet werden, soweit und solange sie vermutlich den
ernbereich privater Lebensführung nicht erfasst. Ein-
eutig ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
uch zu entnehmen, dass regelmäßig eine Vermutung da-
ür besteht, dass Gespräche in Privatwohnungen grund-
ätzlich dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
uzurechnen sind. Auch diese Aussage lässt der Gesetz-
ntwurf offen.
Des Weiteren benennt das Urteil konkret die Art der

erhältnisse der Personen, die eine kernbereichsrele-
ante Kommunikation indizieren können. Dazu führt das
rteil aus:

Eine solche Wahrscheinlichkeit ist typischerweise
beim Abhören von Gesprächen mit engsten Fami-
lienangehörigen, sonstigen engsten Vertrauten und
einzelnen Berufsgeheimnisträgern gegeben.






(A) )



(B) )


Rainer Funke

Diese ausdrückliche Vermutung einer Kernbereichsrele-
vanz bei Gesprächen unter Familienangehörigen kommt
in dem Gesetzentwurf nicht zum Ausdruck.


(Beifall bei der FDP)

Besonders wichtig sind aus Sicht der FDP die Aus-

führungen des Gerichts zur Zuständigkeit der Ge-
richte. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass es
zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes ei-
ner Regelung bedarf, nach der eine Verwertung von In-
formationen, die durch eine akustische Wohnraumüber-
wachung erlangt worden sind, nur dann zulässig ist,
wenn die Verwertbarkeit der Informationen zuvor von
einem Gericht überprüft worden ist. Das Bundesverfas-
sungsgericht verlangt damit die Überprüfung jeder Ver-
wertung einer Aufnahme.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: So ist das!)

Diese Vorgabe wird in dem Gesetzentwurf schlicht über-
gangen.


(Beifall bei der FDP)

Unsere Änderungsanträge haben wir den Berichter-

stattern bereits am 19. April zur Verfügung gestellt. Die
aktuelle Beschlusslage des vergangenen FDP-Bundes-
parteitages, die angesprochen worden ist, hat nicht zu ei-
ner Umkehr unserer bisherigen Meinung geführt. Dies
ist auch nicht notwendig.

In den letzten Tagen ist von rot-grüner Seite Kritik an
unseren Vorschlägen geübt worden: Einmal seien sie zu
weitgehend; einmal seien sie zu restriktiv.


(Joachim Stünker [SPD]: Inkonsequent! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu weitgehend!)


Um es klar zu sagen: Uns geht es bei diesen Änderungs-
anträgen einzig und allein darum, den Gesetzestext zu
präzisieren und ihn so eng wie möglich an den Wortlaut
des Urteils des Bundesverfassungsgerichts anzulehnen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Ihnen aber auf dem Parteitag keiner geglaubt!)


Mehr ist damit nicht gewollt – ich komme gleich dazu –,

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sollen wir es Ihnen glauben?)


aber auch nicht weniger. Wenn Sie das Urteil sorgfältig
gelesen hätten, würde Ihre Kritik an unseren Vorschlä-
gen schnell verstummen. Herr Kollege Ströbele, Sie ha-
ben zu Recht gesagt: Die Vorschläge der FDP gefallen
mir sehr gut.

Für die FDP darf es mit der heutigen Entscheidung
des Bundestages keinen Schlussstrich unter die Debatte
um die akustische Wohnraumüberwachung geben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514500

Herr Kollege Funke, Ihre Redezeit ist zu Ende.

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(C (D Ja, sofort. Zwei Sätze, bitte. – Wir werden rechtzeitig ine Evaluierung des Gesetzes verlangen, um feststellen u können, ob und inwieweit die neuen Eingriffsbefugisse sich in der Praxis bewährt haben. Die gesetzlichen Hürden für die Anordnung einer berwachungsmaßnahme sind künftig sehr hoch. In der ergangenheit ist mit der akustischen Wohnraumüberachung sehr verantwortungsvoll umgegangen worden, ie die geringe Zahl der Maßnahmen deutlich zeigt. Herr Kollege Funke, es tut mir Leid. Sie müssen jetzt irklich zum Ende kommen. Ja, komme ich auch. – Dennoch ist es rechtspolitisch erechtigt, die Frage nach der Zukunft der akustischen ohnraumüberwachung zu stellen. Vielen Dank. Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem ollegen Ströbele. (Joachim Stünker [SPD]: Der hat schon geredet!)

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1517514600
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514700
Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1517514800

(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517514900


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Kollege Stünker, ich möchte doch nur etwas

larstellen. Ich habe nicht gesagt: Der Vorschlag der
DP ist der richtige. Vielmehr habe ich gesagt, das höre
ich schlüssig an, nachdem Sie, Herr Kollege Funke, zu
er Auffassung des Bundesjustizministeriums, die dahin
ing, dass Ihr Vorschlag den großen Lauschangriff wei-
er öffne als der Regierungsentwurf, gesagt hatten, sie
cheine Ihnen schlüssig zu sein.


(Rainer Funke [FDP]: „Nicht unschlüssig“ habe ich gesagt!)


araufhin habe ich gesagt, dass Ihr Vorschlag schlüssig
ewesen ist. Sie müssen das vollständig berichten, damit
ch hier nicht in ein falsches Licht komme.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das wäre ja furchtbar!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517515000

Herr Kollege Funke, Sie können antworten.

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1517515100

Herr Kollege Ströbele, Sie haben, glaube ich, doch et-
as unvollständig berichtet.


(Heiterkeit)

s kommt im Ergebnis auch nicht darauf an.
Wir haben uns in der Tat die Auffassung des Bundes-

ustizministeriums angehört. Da habe ich gesagt, wir






(A) )



(B) )


Rainer Funke

würden sie gerne schriftlich haben. Das haben wir be-
kommen. Dann haben wir festgestellt, dass dieser Vor-
schlag des Bundesjustizministeriums sich eben nicht an
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ori-
entiert und sich insbesondere nicht restriktiv an dem
Wortlaut des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ori-
entiert. Dann sind wir auch bei unserer Meinung verblie-
ben.

Man muss bei diesen schwierigen Rechtsfragen die
Möglichkeit haben, sich den Text anzusehen und dann
seine Meinung zu bilden. Das haben wir getan. Wir ar-
beiten in dieser Fraktion eben so gründlich.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. MarieLuise Dött [CDU/CSU])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517515200

Das Wort hat der Kollege Hermann Bachmaier, SPD-

Fraktion.

(Beifall bei der SPD)



Hermann Bachmaier (SPD):
Rede ID: ID1517515300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Funke, die Versuchung wäre groß, den Disput, den wir
schon im Rechtsausschuss hatten, fortzusetzen. Ich
dachte, Sie hätten einmal darüber nachgedacht, ob das
alles seine Richtigkeit und auch seine juristische Stim-
migkeit hat, was Sie uns da vorgelegt haben.

Eines ist auf jeden Fall klar: Mit Ihrem jüngsten Par-
teitagsbeschluss hat das, was Sie uns im Rechtsaus-
schuss vorgelegt haben, herzlich wenig zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber die Anträge waren ja auch schon vor dem Sonntag
geschrieben. Sie wurden da halt überrascht.


(Zuruf von der FDP: Waren Sie da?)

Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde … gehört
die Anerkennung eines absolut geschützten Kern-
bereichs privater Lebensgestaltung.

Mit diesem Leitsatz in seinem Urteil vom März vergan-
genen Jahres hat uns das Bundesverfassungsgericht ei-
nen Kerngedanken des Grundgesetzes wieder nachhaltig
ins Gedächtnis gerufen. Die Entscheidung ist auch für
uns eine deutliche Mahnung. Deshalb ist es richtig und
notwendig, dass wir uns immer wieder der Grenzen
staatlicher Eingriffsmöglichkeiten vergewissern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind auch in gefährlichen Situationen und bei der
Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität nicht
frei in der Wahl unserer Mittel, sondern begrenzt durch
unsere Verfassung und durch das unantastbare und un-
veräußerliche Gebot, die Menschenwürde zu achten
und zu schützen. Wir alle brauchen Räume, in denen wir
unbehelligt sind. Wir brauchen Orte, an denen wir un-
sere Ruhe haben können, jedenfalls unsere Ruhe vor
dem Staat, und an denen unsere private Lebensgestal-

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(C (D ung und unsere persönliche Entfaltung vom Staat unbeingt und uneingeschränkt beachtet werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die CDU will da aber dran!)


azu hätte ich auch von der CDU/CSU gerne einen Satz
ehört; aber dazu hört man von Ihnen gar nichts.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was soll ich Ihnen denn sagen?)


Viele von Ihnen wissen, dass ich nie ein Freund der
kustischen Wohnraumüberwachung, also des so ge-
annten großen Lauschangriffs, war. Als Bundestag und
undesrat im Jahr 1998 nach langjährigen Auseinander-
etzungen das Grundgesetz geändert haben, um die
kustische Wohnraumüberwachung zur Verfolgung be-
onders schlimmer Straftaten und zur Abwehr besonders
roßer Gefahren zu ermöglichen, gehörte ich zu den
itgliedern der SPD-Fraktion, die dieser Verfassungsän-
erung nicht zugestimmt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch habe nicht daran geglaubt, dass wir dieses Instru-
entarium zur effektiven Bekämpfung der organisierten
riminalität wirklich benötigen. Wenn ich ehrlich bin,
abe ich daran nach wie vor meine Zweifel.
Manfred Kanther, der 1998 Bundesminister des In-

ern war – man mag es heute fast nicht glauben –, hat
einerzeit wahre Schreckensszenarien vor uns ausgebrei-
et: Nur mithilfe des großen Lauschangriffs könne das
rganisierte Verbrechen wirksam bekämpft werden.
anfred Kanther glaubte offensichtlich zu wissen, wo-
on er sprach. Heute verstehen wir das.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Funke [FDP]: Was macht denn Herr Schily?)


Herr Funke, ich verbitte mir, dass Sie unseren ge-
chätzten Innenminister mit Herrn Kanther vergleichen.
as verbitte ich mir wirklich. – Aufgrund der mittler-
eile vorliegenden Erfahrungen und der begrenzten
ahl der erfolgreichen Lauschangriffe wird dieses Er-
ittlungsinstrument inzwischen etwas nüchterner be-
ertet.
Nun komme ich zu unserer heutigen Aufgabe. Die

erfassungsänderung vom März 1998 wurde im
ai 1998 durch die Strafprozessordnung umgesetzt. Da-
ei ging es vor allem um den damals neuen § 100 c der
trafprozessordnung. Die entsprechenden Regelungen
urden später mehrfach geändert.
Heute haben wir ein Urteil des Bundesverfassungs-

erichts aus dem vergangenen Jahr umzusetzen, das
ankenswerterweise unter anderem von Frau
eutheusser-Schnarrenberger und unserem ehemaligen
ollegen Burkhard Hirsch als Einzelkämpfern erstritten
orden ist. Dabei habe ich keine große Unterstützung
urch die FDP-Fraktion festgestellt.






(A) )



(B) )


Hermann Bachmaier

Wir müssen die Regelungen der Strafprozessordnung

diesem Urteil zufolge nachbessern und sie verfassungs-
fest machen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns
hierzu folgende Vorgaben gemacht: Der große Lausch-
angriff ist nur dann verfassungsrechtlich möglich, wenn
es um die Aufklärung besonders schwerer Straftaten
geht, wobei sich die besondere Schwere aus dem ange-
drohten Strafmaß ergeben muss. Deshalb haben wir den
Straftatenkatalog des § 100 c Abs. 2 der Strafprozess-
ordnung überarbeitet.

Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht ver-
langt, dass diese Maßnahme nur dann angeordnet wer-
den darf, wenn dadurch Äußerungen aus dem so genann-
ten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung nicht
erfasst werden, wie es jetzt in § 100 c der Strafprozess-
ordnung wörtlich heißt, einem Paragraphen, den Sie,
Herr Funke, noch immer nicht verstanden haben oder
nicht verstehen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wenn sich während der
Überwachung entsprechende Anhaltspunkte dafür erge-
ben, dass Äußerungen aus dem Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung erfasst werden, dann ist das Mithören
und Aufzeichnen sofort zu unterbrechen. Wenn Anhalts-
punkte dafür vorliegen, dass eine nicht abhörfähige Si-
tuation eintreten könnte, dann darf kein Mitschnitt des
Gesprächs erfolgen. Dann muss live, in so genannter
Echtzeit – erforderlichenfalls unter Herbeiziehung eines
Dolmetschers –, mitgehört werden, damit die Aufzeich-
nung jederzeit abgebrochen werden kann. Frau Raab,
das ist der Inhalt des Urteils, nicht aber das, was Sie ver-
suchen, in Ihrem Interesse in das Urteil hineinzulesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aufzeichnungen über solche Äußerungen, die dennoch
erfolgen, müssen gelöscht werden; Erkenntnisse daraus
dürfen nicht verwertet werden –


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das steht drin, aber nicht „Aufzeichnungen abbrechen“! – Daniela Raab [CDU/CSU]: Schier unglaublich!)


ein sicherlich in der Praxis schwieriges Verfahren; das
will ich nicht leugnen. Schließlich bewegen wir uns ja
im sensiblen Grenzbereich des verfassungsrechtlichen
Schutzes der Privatsphäre und der Bekämpfung schwe-
rer Kriminalität, was zum Beispiel die Amerikaner in ih-
rer Regelung schon lange verstanden haben. Sie aber
weigern sich hartnäckig, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Sehr wichtig war uns, dass der Schutz der in
§ 53 Strafprozessordnung – die Frau Ministerin und Herr
Ströbele haben es erwähnt – aufgezählten Berufsge-
heimnisträger – also Ärzte, Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte, Verteidiger, Journalistinnen und Journa-
listen, Geistliche – unangetastet bleibt. Darauf haben wir
großen Wert gelegt; das war uns ein großes Anliegen.
Deshalb ist mit § 100 c Abs. 6 Strafprozessordnung ge-
regelt, dass in den Fällen des § 53 Strafprozessordnung

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(C (D as Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen in Wohungen grundsätzlich nicht zulässig ist, wenn es um iese Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisräger geht, weil sie den absoluten Vertrauensschutz beötigen wie die Luft zum Atmen – sonst können sie iese Berufe nicht ausüben und ihren jeweiligen Geprächspartnern nicht die Sicherheit gewähren, die notendig ist. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das hatte doch Ihre Ministerin anders vor!)


eshalb haben wir diese Regelung so getroffen. Auch
enn sich ein Zeugnisverweigerungsrecht von Berufsge-
eimnisträgern in Bezug auf ein Gespräch erst während
es Gesprächs ergibt, muss abgeschaltet werden.
Schließlich ist mit § 100 d Abs. 4 Strafprozessord-

ung eine laufende Unterrichtung des anordnenden Ge-
ichts über den Verlauf und die Ergebnisse der Wohn-
aumüberwachung vorgeschrieben, sodass ständig
orrigierend eingegriffen werden kann.
Zusammenfassend darf ich festhalten: Der Rechtszu-

tand, den wir heute schaffen, ist eine eindeutige Verbes-
erung gegenüber der Rechtslage, die wir vor dem Urteil
es Bundesverfassungsgerichts hatten.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für Täter: Ja!)


Dabei möchte ich es aber heute nicht belassen. Lassen
ie mich deshalb abschließend noch auf die in § 100 e
trafprozessordnung verankerten Berichtspflichten der
undesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag
ingehen. Alle Verfahren, in denen es zu einer akusti-
chen Wohnraumüberwachung gekommen ist, sind nach
ieser neuen Regelung detailliert auszuwerten. Anzuge-
en ist zum Beispiel jeweils, ob ein Bezug zur organi-
ierten Kriminalität besteht, anzugeben sind die Anzahl
er überwachten Personen und die Anzahl von betroffe-
en nicht beschuldigten Personen, angegeben werden
uss, wie häufig eine Maßnahme unterbrochen werden
usste, weil der Kernbereich privater Lebensgestaltung
erührt wurde usw. Es ist eine Fülle von Daten auszu-
erten, denen wir uns danach zu widmen haben, um
ann zu evaluieren, welche Abhilfemaßnahmen getrof-
en werden müssen. Ich meine, wir können uns von die-
en Kriterien aussagefähige Berichte erhoffen, mit denen
ir uns auseinander zu setzen haben.
Akustische Wohnraumüberwachung, das klingt rela-

iv abstrakt und technisch. Wenn man aber näher hin-
chaut, muss man feststellen, dass sich hinter diesem Be-
riff ein Staat verbirgt, der sich – bisweilen fast wie ein
inbrecher – heimlich Zutritt zu fremden Wohnungen
erschafft und dort Wanzen installiert, um abzuhören
Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss –, ein
icht gerade schöner Vorgang, auf den wir uns nur in äu-
erster Not einlassen sollten.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass die

rkenntnisse, die wir in Zukunft gewinnen, uns auch ir-
endwann einmal die Kraft geben – wenn die Verhält-
isse so sind –, dass wir auf dieses schwierige Instru-






(A) )



(B) )


Hermann Bachmaier

ment, das wir unseren Bürgerinnen und Bürgern und
auch vielen Unbeteiligten zumuten, auch wieder ver-
zichten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rainer Funke [FDP]: Da haben Sie doch einen Bundesparteitagsbeschluss!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517515400

Das Wort hat der Kollege Dr. Günter Krings, CDU/

CSU-Fraktion.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1517515500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren Kollegen! Wir debattieren heute in der Tat über
ein verfassungsrechtlich hoch brisantes Thema. Wir be-
finden uns mitten in einer Verfassungskontroverse zwi-
schen dem Gesetzgeber und dem Verfassungsgericht.
Aber als gewählte Volksvertreter müssen wir zu allererst
bei einer solchen Diskussion auch einmal festhalten, wo-
rum es dem Bundestag 1998 gegangen ist und worum es
hoffentlich auch heute der Mehrheit dieses Hauses noch
geht: nämlich um eine effektive Bekämpfung schwerster
Kriminalität. Die wirklich überschaubare Zahl der Fälle,
in denen die Wohnraumüberwachung stattgefunden hat,
belegt ja auch: Es waren Fälle schwerer organisierter
Kriminalität, Mord, Totschlag und Völkermorddelikte,
Taten, die in ganz besonderem Maße den Rechtstaat und
seine Strafverfolgungsbehörden auf den Plan rufen müs-
sen.

Wenn wir das effektiv tun wollen, haben wir zur
Kenntnis zu nehmen, dass organisierte Gewaltkriminali-
tät und terroristische Verbrechen eben nicht nur in Büro-
räumen, sondern auch schon mal im Wohnzimmer ver-
abredet werden. Wer die Opfer solcher Verbrechen nicht
nur beklagen will, sondern diese Verbrechen möglichst
verhindern und die Täter ausfindig machen will, der
muss auch bereit sein, im mutmaßlich privaten Bereich
abzuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Schauen wir uns den Gesetzentwurf der Koalition

an, so müssen wir leider feststellen, dass dieser Gesetz-
entwurf den Strafverfolgungsbehörden, den Staatsanwäl-
ten, den Polizisten, Steine statt Brot gibt.


(Joachim Stünker [SPD]: Das müssen Sie dem Verfassungsgericht sagen!)


Nach der vorgeschlagenen Regelung des § 100 c Abs. 5
Strafprozessordnung muss das Tonband praktisch schon
beim ersten intimen Wort während einer Unterhaltung
abgeschaltet werden. Mit dieser Vorschrift ist die akusti-
sche Wohnraumüberwachung faktisch erledigt und tot.


(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU] – Joachim Stünker [SPD]: Das hat das Gericht entschieden, Herr Kollege!)


– Zum Urteil komme ich gleich noch.

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(C (D Rot-Grün liest das Urteil offenbar so, dass schon das loße Laufenlassen eines Tonbandes – das ist ja wohl hre Aussage – eine Verletzung der Menschenwürde dartellen kann. Meines Erachtens muss man das keinesegs so lesen. Ich finde, das ist eine viel zu weitgehende nterpretation dieses Urteils. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wenn der Richter das anordnet?)


enn Sie diesen Ansatz konsequent zu Ende denken,
ann erkennen Sie, dass deutsche Behörden zumindest
m Bereich der Überwachung ausländischer Straftäter
berhaupt nicht mehr tätig werden können. Der Dolmet-
cher muss ständig mit in der Abhörkabine sitzen. Fehlt
r oder wird auf einmal eine Sprache gesprochen, für die
r nicht ausgebildet worden ist, muss schon vorsorglich
bgeschaltet werden, weil ja irgendetwas Privates in ei-
er fremden Sprache gesprochen werden könnte.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ja, richtig!)

an kann das keinesfalls nachvollziehen. Nur weil et-
as Privates gesprochen werden könnte, ohne dass man
nhaltspunkte dafür hat, muss nach Ihrer Lösung abge-
chaltet werden.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Im Zweifel abschalten!)


as ist, wenn man so will, eine Fremdsprachenprivile-
ierung. Ich finde, das ist ein fatales Signal bei der Be-
ämpfung des internationalen Terrorismus und der
renzüberschreitenden Kriminalität.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hermann Bachmaier [SPD]: Ausgerechnet die Amerikaner sehen das ganz anders!)


Der linken Seite dieses Hauses kann ich die mitunter
erauskommenden Krokodilstränen für diese angeblich
numgängliche Gängelung der Strafverfolger nicht so
anz abnehmen. Das wurde auch in den Debattenbeiträ-
en gerade deutlich. Die Wahrheit ist eben, dass die Grü-
en 1998 gegen die Wohnraumüberwachung waren,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind immer noch dagegen!)


ass weite Teile der SPD dagegen waren und dass der
est der SPD zähneknirschend zugestimmt hat, weil der
ruck durch die Bevölkerung gewachsen war. Die Men-
chen in diesem Land wünschen und wollen eben eine
ffektive und wirksame Bekämpfung von Straftaten. Die
enschen in diesem Lande haben es eben nicht verstan-
en, dass die Verabredung zu schwersten Verbrechen im
rgebnis durch ein Grundrecht geschützt werden soll.
Nachdem man vor sieben Jahren unter diesem Druck

ingebrochen ist – im positiven Sinn; das befürworte ich
m Nachhinein natürlich sehr –, versuchen Sie jetzt, die
ohnraumüberwachung auf kaltem Wege wieder auszu-
ebeln.


(Joachim Stünker [SPD]: Er ist gegen das Verfassungsgericht! Dabei ist er Anwalt! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Verfassungsgericht ist kein kalter Weg!)







(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings

Sie wollen das wieder rückgängig machen, wozu Sie
sich damals unter dem öffentlichen Druck bereit erklärt
haben.

Herr Bachmaier, es gab gestern noch ganz erfreulich
offene Worte von Ihnen. Sie haben gesagt, Sie seien
nicht enttäuscht über das Urteil.


(Hermann Bachmaier [SPD]: Nein!)

Herr Stünker hat gesagt, man hätte das Urteil besonders
eng – wörtlich haben Sie „sehr eng“ gesagt – umgesetzt.
Wenn das so ist, dann muss man sich die Frage stellen,
ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gegeben hätte.
Wenn man es sehr eng umgesetzt hat – so haben Sie es
gestern gesagt –, dann frage ich mich, warum man es
denn so eng umsetzen muss. Das sind in der Tat keine
beruhigenden Töne für die Menschen, die zu Recht
Sorge haben, dass die Kriminalität in dieser Form in
Deutschland weiter um sich greift.

Das genau ist der Punkt, an dem sich die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion bei der akustischen Wohnraumüber-
wachung von den übrigen Fraktionen dieses Hauses un-
terscheidet. Wir sind enttäuscht über das Karlsruher
Urteil,


(Joachim Stünker [SPD]: Das merkt man!)

wir halten es in seiner Tendenz für höchst problematisch
und wir wollen seine Vorgaben eben nicht eng umsetzen,


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie missachten es!)


sondern im Interesse der Sicherheit aller Bürger wollen
wir alle Handlungsspielräume, die hier verbleiben – ich
gebe gern zu, dass das nicht viele sind –, konsequent und
intensiv ausnutzen, um möglichst im Zweifelsfalle für
die Sicherheit einzustehen und den Handlungsspielraum
für die Sicherheit im Interesse der Menschen in diesem
Lande auszunutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Zweifelsfall gegen die Menschenwürde!)


Ich glaube, dass es sich alle übrigen Fraktionen dieses
Hauses zu leicht machen, wenn sie sich diesen Hand-
lungsspielraum als Gesetzgeber selbst absprechen.

Bundestag und Bundesrat haben 1998 den Art. 13 un-
seres Grundgesetzes um den Abs. 3, über den wir hier
sprechen, ergänzt, durch den die akustische Wohnraum-
überwachung dezidiert zugelassen wird. Das Bundesver-
fassungsgericht hat in seinem Urteil selbst klargestellt,
dass dieser Art. 18 Abs. 3 Grundgesetz nicht der Ewig-
keitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes wi-
derspricht bzw. zuwiderläuft.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Art. 13! Sie haben Art. 18 gesagt!)


– Genau, Art. 13 Abs. 3 Grundgesetz. Danke schön für
diesen Hinweis! – Er widerspricht eben nicht der Ewig-
keitsgarantie von Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz. Es wäre
geradezu grotesk, anzunehmen, dass das Verfassungsge-
richt nur eine leere Hülle übrig lassen, also ein Instru-

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(C (D ent im Grundgesetz belassen wollte, das gar nicht ehr handhabbar ist. Die Entscheidung des Verfassungsebers und ihre prinzipielle Bestätigung durch das Verassungsgericht sollten wir als Abgeordnete des Deutchen Bundestages selbst ernst nehmen. Auch die Strafprozessordnungsregelungen, die auf rund des Art. 13 Abs. 3 des Grundgesetzes – – Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Stünker? Ja, gerne. Herr Kollege Krings, vor drei, vier Wochen bin ich in ashington gewesen und habe einem amerikanischen bersten Richter, der sich täglich mit diesen Problemen eschäftigt, die Frage gestellt, ob es nach der amerikanichen Verfassung erlaubt wäre, ein Band mitlaufen zu assen, damit hinterher ein Richter die Aufzeichnung abören könnte. Diese Lösung wollen Sie hier ja ins Geetz hineinschreiben. Er hat kurz nachgedacht und geagt, er hielte dies nach der amerikanischen Verfassung ür undenkbar. Wie beurteilen Sie dies? (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Bei uns gilt doch das Grundgesetz, oder nicht?)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517515600
Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1517515700
Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1517515800


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1517515900

Lieber Herr Kollege Stünker, ich empfinde es immer

ls sehr erfrischend, wenn sich auch die SPD-Fraktion
elegentlich einmal auf amerikanisches Recht und im
eitesten Sinne auch auf amerikanische Politik beruft.
as ist ein guter Beitrag.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist aber keine Antwort!)


Dann lassen Sie mich jetzt in der Sache antworten.
Wir haben ein Gesetz im Lichte unseres Grundgeset-

es zu beschließen. Die amerikanische Verfassung ist
ier nicht maßgeblich. In unserem Land hat der Verfas-
ungsgeber die akustische Wohnraumüberwachung aus-
rücklich in Art. 13 Abs. 3 des Grundgesetzes hineinge-
chrieben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Würde des Menschen, Art. 1! Das haben Sie nicht verstanden!)


In der letzten Entscheidung des Verfassungsgerichts
inden Sie keine Aussage, dass Art. 13 Abs. 3 GG gegen
rt. 1 oder Art. 79 GG verstieße. Das Gegenteil ist der
all; es wurde in diesem Urteil ausdrücklich festgehal-
en, dass Art. 79 GG nicht betroffen sei. Dies sollten Sie
itte zur Kenntnis nehmen, anstatt hier nur amerikani-
ches Verfassungsrecht heranzuziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings

Ich komme zu einem letzten Aspekt. Auch die Straf-

prozessregelungen, die aufgrund des Art. 13 Abs. 3 GG
ergehen konnten und die wir heute diskutieren, sind
nicht aus einer politischen Laune heraus entstanden. Sie
sind Ausfluss und Ausfüllung der grundrechtlichen
Schutzpflicht unseres Parlaments, des Gesetzgebers.
Wir haben auch gegenüber den Opfern eine Schutz-
pflicht. In der Debatte wird oft vergessen, dass Grund-
rechte nicht nur Täter, sondern auch Opfer schützen sol-
len. Auch dies sollten wir beachten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517516000

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.


Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1517516100

Dies war bereits mein Schlusssatz. Ich muss zum

Ende kommen, aber leider ist nach dem heutigen Tag
auch die akustische Wohnraumüberwachung am Ende.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517516200

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517516300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bürgerrechtsorganisationen, Rechtsanwälte und Initiati-
ven registrieren seit langem, dass die Überwachungspra-
xis in Deutschland rasant zunimmt. Dies ist kein Zufall,
es war gewollt: von der CDU/CSU ohnehin, aber auch
von SPD und Grünen. Die PDS hat vor einer solchen
Entwicklung gewarnt und sie abgelehnt.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann doch nicht wahr sein!)


Inzwischen hat sogar das Bundesverfassungs-
gericht die Überwachungspraxis gerügt und rechtliche
Änderungen angemahnt. Es hat unmissverständlich klar-
gestellt, dass es einen Kernbereich privater Lebensfüh-
rung gibt, in dem weder der Staat noch seine Dienste et-
was zu suchen haben: die Wohnung. Ausnahmen müssen
wohl begründet und genehmigt sein. Darum geht es in
der laufenden Debatte.

Nun hat Rot-Grün ein geändertes Gesetz vorgelegt.
Heute stellt sich daher die Frage, ob es den Auflagen des
Bundesverfassungsgerichts entspricht. Für die PDS
muss ich diese Frage leider mit Nein beantworten.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Rot-Grün versucht, sich am Urteil des Gerichts vorbei-
zumogeln. Aus dem Bayerischen Wald hallt sogar der
Ruf nach noch mehr Überwachung. Genau dies wollen
wir aber nicht.

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(C (D In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die ntiterrorgesetze aus dem Jahre 2001, die so genannten tto-Pakete, nach zwei, spätestens drei Jahren überrüft werden sollten. Darauf warten wir im Bundestag nd die interessierte Öffentlichkeit noch immer. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


tattdessen durften wir gestern hören, dass Bundes-
nnenminister Schily ihre Entfristung, also unbefristete
ültigkeit, anstrebt. Bündnis 90/Die Grünen signalisier-
en schon einmal Kompromissbereitschaft. Auch dafür
at die PDS im Bundestag kein Verständnis.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie ist doch gar nicht im Bundestag!)


Nun hat die FDP-Fraktion einige Änderungen bean-
ragt. Sie zielen darauf, mit dem Gesetz zur Wohnraum-
berwachung wenigstens den Vorgaben des Bundesver-
assungsgerichts zu genügen. Das ist uns als PDS zu
enig; denn wir sind weder für den großen noch für den
leinen Lauschangriff.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie haben ja genug gelauscht!)


Nun noch eine Schlussbemerkung. Die FDP hat auf
hrem jüngsten Parteitag einen Beschluss zu Bürger-
echten gefasst. Die Vorsitzende der Grünen, Claudia
oth, hat danach gefrotzelt, die FDP wolle sich plötzlich
in bürgerrechtliches Image zulegen. Sie wissen: Ich bin
n vielen Fragen mit der FDP über Kreuz. Aber eine Er-
ahrung habe ich in den letzten zweieinhalb Jahren sam-
eln müssen: Immer wenn es hier um den Schutz der
ürgerrechte und auch die Abwehr in ihre Eingriffe
ing, standen FDP und PDS allein gegen eine Allianz
on CDU/CSU bis hin zu den Grünen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Glückwunsch!)


as ist nicht gut für die Bürgerinnen und Bürger, nicht
ut für die Demokratie und, wie ich finde, auch nicht gut
ür die Zukunft Deutschlands.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal Herrn Modrow, was er vom Lauschangriff hält! Herr Krings sagt, es würde gar nicht mehr gelauscht, Frau Pau sagt, es würde zuviel gelauscht! Was stimmt denn nun? Ich bin verwirrt!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517516400

Das Wort hat der Kollege Frank Hofmann, SPD-Frak-

ion.






(A) )



(B) )



Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1517516500

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Krings hat mich
durch seinen Beitrag daran erinnert, wie das 1997/98
war. Auch damals gab es Leute, die eine Situation aufge-
zeigt haben, um dann zu sagen: Wir brauchen zum
Schutze der Bevölkerung und zur Bekämpfung der orga-
nisierten Kriminalität unbedingt den großen Lausch-
angriff.

Ich bin dankbar, dass wir heute in einer anderen Si-
tuation sind. Diese Bundesregierung und die Koalition
aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben als verant-
wortliche Politiker auf einer sachlichen Grundlage und
in einer sachlichen Atmosphäre das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichtes umgesetzt. Ich glaube, wir haben
eine gute Grundlage für eine sachgerechte Beurteilung.
Diese war 1997/98, als Sie Verantwortung trugen, nicht
gegeben.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])

Man fragt sich wirklich, wie Herr Krings damit um-

geht. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden,
dass es einen Bereich der privaten Intimsphäre gibt, der
sich jedem staatlichen Eingriff entzieht. Er aber stellt
sich hier hin und erklärt: Eigentlich gilt für mich diese
Entscheidung nicht, ich würde sie völlig anders umset-
zen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist eine ungeheuerliche Unterstellung! Das habe ich nicht gesagt!)


Ich erinnere an den Beitrag von Herrn Norbert Geis im
Ausschuss. Dazu kann ich nur sagen: Norbert Geis ist im
Vergleich zu dem, was Sie gesagt haben, eine „lame
duck“.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das muss ich ändern!)


Der Änderungsantrag der CDU/CSU nimmt aus mei-
ner Sicht wesentliche Teile des Bundesverfassungsge-
richtsurteils nicht zur Kenntnis. Ihr Änderungsantrag ist
verfassungsrechtlich mehr als bedenklich. Ihm kann man
sicherlich nicht zustimmen. Ich muss Sie fragen: Wollen
Sie, dass der Gesetzgeber ein verfassungswidriges Ge-
setz verabschiedet? Haben Sie aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nichts gelernt?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die FDP hingegen verfällt in das genau andere Ex-
trem. Ihr geht die Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts nicht weit genug. Herr Funke, ich möchte Sie
bitten: Schauen Sie sich § 100 c Abs. 4 StPO an. Dort
wird nicht der Begriff „Privatwohnung“ verwendet. Ich
halte diesen Begriff auch für falsch. Wie soll im Einzel-
fall beurteilt werden, was eine Privatwohnung ist? Wird
ein Arbeitszimmer in einer Privatwohnung auch zur Pri-
vatwohnung?


(Rainer Funke [FDP]: Lesen Sie einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts!)



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(C (D Das habe ich gelesen. – Oder wie sieht es mit der KW-Kabine aus, die teilweise zum Privatraum werden ann? Ihr Änderungsantrag ist zwar plakativ, aber nicht andhabbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


r ist auch nicht notwendig. Gerade unter sicherheitspo-
itischen Aspekten darf der Gesetzgeber aus meiner
icht dieses Feld nicht völlig räumen.
Mit dem Antrag der Regierungskoalition erfüllen wir

ie Ansprüche, die die Mehrheit des Bundesverfassungs-
erichts für notwendig erachtet. Die akustische Wohn-
aumüberwachung ist im Einzelfall weiterhin möglich.
ie ist aus meiner Sicht auch notwendig und sie ist prak-
ikabel.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich bin guter Hoffnung!)


rotz hoher Anforderungen wird sie in den wirklich he-
ausragenden Fällen erfolgreich eingesetzt werden kön-
en.
Die Exekutive hat die akustische Wohnraumüberwa-

hung angewandt und muss jetzt vom Bundesverfas-
ungsgericht hören, dass es so nicht weitergeht. Dass
ann Kritik aus der Exekutive kommt, ist etwas völlig
ormales. Ich hätte mich gewundert, wenn keine Kritik
ekommen wäre. Nur, wir sollten uns vielleicht auch
inmal vergegenwärtigen, dass wir seit 1998 die Instru-
ente für die Strafverfolgung erweitert und modernisiert
aben. Es gibt ein Arsenal, gerade zur Bekämpfung der
chwerstkriminalität, das wir seit 1998 neu geschaffen
aben. Dieses Arsenal wird von der Polizei verantwor-
ungsvoll, nicht ausufernd, sondern zurückhaltend und
ffizient eingesetzt.
In der Gesamtschau der rechtsstaatlichen Möglichkei-

en hat sich die Situation der Strafverfolgungsorgane
erbessert und sie wird sich weiter verbessern, wie diese
oalition mit dem Gesetzentwurf zum vereinfachten
NA-Test unter Beweis stellen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mir vorstelle, dass nach Ihrer Aussage auf

em FDP-Parteitag, Herr Funke, eine gemeinsame
oalition mit der CDU/CSU gebildet werden soll, dann
ann ich nur sagen: Für den Bereich der Innen- und
echtspolitik wird das niemals zu schaffen sein.


(Joachim Stünker [SPD]: Das schaffen sie immer! Das vergessen sie alles wieder!)


der Sie müssen im Prinzip alles über den Haufen wer-
en.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das werden wir euch überlassen! – Rainer Funke [FDP]: Was der sich für Sorgen macht! Der scheint sich aufgegeben zu haben!)


ch sage Ihnen: Dieser Gesetzentwurf ist in einer guten
nd sachlichen Atmosphäre entwickelt worden. Er ver-
eidet die Extrempositionen der CDU/CSU und der






(A) )



(B) )


Frank Hofmann (Volkach)


FDP. Er ist gut für die Bürgerrechte und gut für die Si-
cherheit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517516600

Das Wort hat der Kollege Norbert Geis, CDU/CSU-

Fraktion.

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Von wegen „lame duck“!)



Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1517516700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Arbeitsgruppe, die den Gesetzentwurf 1998
vorbereitet hat, gehörten der damalige und der heutige
Innenminister an, der damalige Justizminister und seine
Nachfolgerin. Es gehörten ihr auch Herr Körper, ich und
einige andere an. Es war damals eine gemeinschaftliche
Anstrengung und diese gemeinschaftliche Anstrengung
ist von der ganz großen Mehrheit dieses Hauses getragen
worden. Davon wollen wir nicht abgehen; das wollen
wir heute einmal festhalten.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)


Zweite Vorbemerkung: Ich wende mich gegen den
Begriff „Lauschangriff“. Der Verbrecher greift an und
der, der versucht, die Tat zu ermitteln und den Verbre-
cher bloßzustellen, der verteidigt die Rechtsordnung.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Von wegen Lauschangriff!)


Deshalb ist „Lauschangriff“ ein falscher Begriff und wir
sollten ihn nicht verwenden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat in unserer

Kultur eine lange Tradition. Sie steht in engem Zusam-
menhang mit der Gestaltung der privaten Lebenssphäre
und der Wahrung der menschlichen Würde. Darauf hat
auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Ent-
scheidungen hingewiesen. Es hat dies in seiner Entschei-
dung vom 3. März 2004 noch einmal klargestellt und ge-
sagt, dass die Wohnung als Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung den absoluten Schutz genießt.

Aber wie jedes Grundrecht wird auch das Grundrecht
des Art. 13 des Grundgesetzes nicht schrankenlos ge-
währt. Die Wohnung ist kein exterritorialer Raum. Die
Hausdurchsuchung ist möglich, wenn der Richter sie an-
ordnet und wenn sie auf gesetzlicher Grundlage ge-
schieht. Sie trifft sehr oft den engsten, den intimsten Be-
reich des jeweils Betroffenen, des Wohnungsinhabers.

Wenn es darum geht, Gefahren für das Leben abzu-
wenden, haben wir überhaupt keine Hemmung und dür-
fen auch gar keine Hemmung haben, den privatesten Be-
reich mit technischen Mitteln zu überwachen und dazu
akustische und sogar visuelle Mittel einzusetzen. Da gibt

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(C (D s keine Schranken. Insofern ist dieses Recht auf Unveretzlichkeit der Wohnung sehr aufgedröselt, wenn man as von dieser Seite sieht. Das gibt es heute schon und as Verfassungsgericht hat mitnichten daran gerüttelt. Es äre auch schlimm, denn es geht darum, durch akustiche oder visuelle Wohnraumüberwachung rechtzeitig ingreifen zu können und einen Verbrecher zum Beispiel avon abzuhalten, ein entführtes Kind zu Tode zu brinen. Auch im Rahmen der Strafverfolgung besteht die öglichkeit, jetzt auch vom Verfassungsgericht bestä igt, akustische Mittel zur Überwachung des Wohnaumes einzusetzen. Das bestreitet niemand. Das Verassungsgericht hat Art. 13 Abs. 3 noch einmal usdrücklich als verfassungskonform gekennzeichnet. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Genau! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht die Umsetzung!)


Als wir 1998 darangegangen sind, die Wohnraum-
berwachung im Falle der Strafverfolgung durch eine
erfassungsänderung zu ermöglichen, ging es uns da-
um, in den innersten Bereich der organisierten Krimina-
ität vorzudringen. Wir wollten endlich die Drahtzieher,
ir wollten die Finanziers, wir wollten an die Verbrecher
m feinen Anzug und im teuren Auto herankommen, die
ich selber die Hände nicht schmutzig machen, aber an-
ere beauftragen, zu morden und zu töten. Das war unser
nliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das denn gelungen?)


atürlich wollten wir den Wohnraum selbst nicht ver-
etzten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie aber!)


Das war nicht unsere Absicht. – Uns ging es damals
icht um reine Strafverfolgung, uns ging es nicht um die
urchsetzung des staatlichen Strafanspruches, sondern
ns ging es darum, durch eine konsequente Strafverfol-
ung künftig Verbrechen zu vermeiden. Der Verbrecher
ichtet sich nicht nach dem geschriebenen Gesetz; er
ümmert sich nicht um das, was im Strafgesetzbuch
teht.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann aber auch für den Staat gelten!)


ür ihn ist allein die Frage entscheidend: Wird meine Tat
ntdeckt oder nicht? Deswegen haben wir versucht, auch
ithilfe der Wohnraumüberwachung eine bessere Auf-
lärung von Schwerstverbrechen zu ermöglichen. Das
ilt für alle Länder um uns herum – für Frankreich, für
ngland – und das gilt auch für die USA.


(Beifall bei der CDU/CSU)

s war richtig, dass wir damals die Wohnraumüberwa-
hung eingeführt haben.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)







(A) )



(B) )


Norbert Geis

Weil meines Erachtens Strafverfolgung und Gefah-

renabwehr nicht scharf voneinander zu trennen sind,
sondern in engem Zusammenhang stehen, halte ich die
scharfe Unterscheidung des Verfassungsgerichts, wel-
ches bei der Abwehr von Strafen alles ermöglicht, aber
die Strafverfolgung eng begrenzt, für sehr bedenklich.
Das muss hier einmal in Ruhe gesagt werden dürfen,
denn hier ist nichts sakrosankt. Wir dürfen auch dem
Verfassungsgericht sagen, dass wir bestimmte Entschei-
dungen nicht voll akzeptieren.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jawohl! – Daniela Raab [CDU/CSU]: Genau!)


Ich akzeptiere diese Entscheidung insoweit nicht. Ob-
wohl das Verfassungsgericht in seinem Urteil deutlich
sagt, die Wohnraumüberwachung solle auch im Bereich
der Strafverfolgung möglich sein, schafft es gleichzeitig
Begrenzungen, die der Bundesregierung praktikable und
handhabbare gesetzliche Regelungen dieses Instruments
schier unmöglich machen.

Dennoch meine ich, Frau Ministerin, dass eine Rege-
lung in unserem Sinne möglich gewesen wäre. Vielleicht
hätten Sie die Vorschläge, die aus dem Bundesrat ge-
kommen sind, mehr beachten sollen, vielleicht hätten Sie
auch die Vorschläge der Sachverständigen in der Anhö-
rung des Bundestages aufnehmen sollen, zum Beispiel
den Vorschlag, in den Katalog der Anlasstaten die
schwere Form der kriminellen Vereinigung nach § 129
Abs. 4 mit aufzunehmen. Man hätte den Strafrahmen für
diese schwere Form auf zehn Jahre erhöhen können, wie
es ein Sachverständiger ausdrücklich vorgeschlagen hat.
Es wäre möglich gewesen, diese klassische OK-Tat mit
in den Katalog der Anlasstaten aufzunehmen.

Auch die schweren Bestechungsdelikte hätte man mit
aufnehmen müssen,


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben wir doch drin!)


denn alle Praktiker sagen uns: Gerade in Fällen von Be-
stechung ist die akustische Wohnraumüberwachung ein
wichtiges Mittel, weil die Täter sich so abschotten, dass
eine Aufklärung anders nicht möglich ist. Ich bedaure
sehr, dass diese schweren Bestechungsdelikte nicht darin
enthalten sind.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Die schwere Bestechung haben wir drin, Herr Geis!)


– Nein, sie sind nicht darin enthalten. Der Sachverstän-
dige schlägt das ja ausdrücklich vor.

Lassen Sie mich abschließend etwas zu der im Ge-
setzentwurf vorgesehenen Unterbrechung der Abhör-
maßnahmen anmerken. Es ist richtig, was Herr Krings
und Frau Raab ausgeführt haben: Die Unterbrechung ist
jetzt in einer Weise geregelt, dass die akustische Wohn-
raumüberwachung praktisch ad nullum geführt wird. Sie
wird nicht mehr möglich sein. Denn wie soll der abhö-
rende Beamte, wenn die Überwachung abgestellt wor-
den ist, wissen, wann die private Unterhaltung wieder
beendet ist und wann unter Umständen die Chance be-

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(C (D teht, dass die Abzuhörenden über ein Verbrechen reen? Das ist nicht vorstellbar. Er müsste schon hellseheische Fähigkeiten haben. Deswegen meine ich, dass der Vorschlag der CDU/ SU-Fraktion, zwei Bänder zu ermöglichen – nämlich in Richterband und eines, das der ermittelnde Beamte bhört –, durchaus einer genauen Prüfung wert wäre. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der Richter ist auch ein staatliches Organ!)


er Beamte schaltet aus, sobald ein Gespräch den priva-
esten Kernbereich berührt. Das Richterband wird dem
ichter vorgelegt und ein unabhängiger Richter ent-
cheidet darüber, ob der Inhalt verbrecherischen Gehalt
at und in die Ermittlungen einbezogen wird oder ob das
bgehörte Band vernichtet werden muss.
Ich bin der Auffassung, dass dieser Gesetzentwurf ein

ermittlungsverfahren durchlaufen muss. Ich hoffe sehr,
ass wir im Vermittlungsausschuss eine vernünftige Lö-
ung finden. Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorge-
ehenen Regelungen sind nicht praktikabel. Dann kön-
en wir das Vorhaben auch gleich lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517516800

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

esregierung eingebrachten Gesetzentwurf auf Druck-
ache 15/4533 zur Umsetzung des Urteils des Bundesver-
assungsgerichts vom 3. März 2004 zur akustischen
ohnraumüberwachung. Der Rechtsausschuss empfiehlt
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5486,
en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
ierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
SU vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für
en Änderungsantrag auf Drucksache 15/5489? – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
ntrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen der Koali-
ionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung
er CDU/CSU-Fraktion.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
usschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzei-
hen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-
ntwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/
SU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Kollegin Pau
ngenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st damit mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartmut
Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), Bernhard






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Kaster, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der
Großstädte in Deutschland sichern
– Drucksache 15/5332 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es dage-
gen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Bernhard Kaster von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1517516900

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Heute existieren weltweit 40 so genannte
Megastädte. Dabei handelt es sich um Städte mit jeweils
über 10 Millionen Einwohnern. In den nächsten zehn
Jahren wird erwartet, dass die Zahl dieser Städte auf ins-
gesamt 60 steigen wird.

In Deutschland haben wir – das ist historisch und
strukturell begründet – keine Megacitys und wir werden
sie auch nicht bekommen. Das bedeutet: Wir haben zwar
nicht die riesigen Probleme der Megastädte, wir haben
allerdings auch nicht die sich aus diesen Metropolen er-
gebenden Chancen. Gleichwohl muss sich der Standort
Deutschland in einer globalisierten Welt mit seinen Be-
dingungen in den großen Städten dem harten Wettbe-
werb mit den Weltmetropolen stellen. Aktuell findet in
Berlin eine Tagung des Städtenetzwerkes „Metropolis“
mit 500 Teilnehmern aus aller Welt statt. Hier geht es ge-
nau um die angesprochenen Fragen. Dies ist ein Wettbe-
werb um Wirtschaftsinvestitionen, Konzernzentralen
und damit auch um Arbeitsplätze und attraktive Lebens-
bedingungen. Wir konkurrieren mit europäischen und
weltweiten Metropolen und Metropolregionen.

Kern der heutigen Krise unserer Großstädte ist das im
europäischen wie im weltweiten Vergleich viel zu nied-
rige Wirtschaftswachstum.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was für die Volkswirtschaft insgesamt gilt, trifft erst
recht auf die Großstädte zu: Geht es ihnen schlecht, lei-
det das ganze Land. Und umgekehrt: Was unseren Groß-
städten gut tut, das hilft auch unserem Land. Fehlent-
wicklungen, Fehlentscheidungen und Fehlsteuerungen

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(C (D ot-grüner Bundespolitik haben dazu geführt, dass sich erade in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für ie Zukunftsund Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte n Deutschland zunehmend verschlechtert haben. Augenblicklich kumuliert sich in unseren Städten eine ielzahl unserer wirtschaftspolitischen, haushaltspolitichen und gesellschaftspolitischen Probleme. Die komunalfeindliche Politik der letzten Jahre hat viele Städte n den Rand des finanziellen Ruins gebracht. Dringend otwendige, das Stadtbild prägende und infrastrukturelle nvestitionen bleiben auf der Strecke. Landauf, landab ntsteht ein Investitionsstau ohnegleichen. In ganz ordrhein-Westfalen etwa kommen in diesem Jahr von 3 Großstädten ganze drei ohne ein Haushaltssicheungskonzept aus. on den übrigen 20 müssen mindestens 14 sogar mit eier vorläufigen Haushaltsführung vorlieb nehmen, weil hr Sicherungskonzept erst gar nicht genehmigt wurde. ier bleiben nicht nur Investitionen auf der Strecke. ein, hier steht viel mehr auf der Kippe, und zwar auch as, was großstädtische Lebensattraktivität erst ausacht, wie Bibliotheken, Theater oder Kulturzentren, lso das, was für die Menschen vor Ort wichtig ist. Soziale Brennpunkte hat es schon immer in unseren tädten gegeben. Heute sprechen wir aber nicht nur von ozialen Brennpunkten. Nein, wir müssen vielmehr om „Kippen“ ganzer Stadtteile sprechen. Wir erleben egelrechte Wanderungsbewegungen, beispielsweise in erlin oder in Köln – viele Städte wären hier zu nenen –, von einem zum anderen Stadtviertel: Flucht vor rastisch sinkenden Eigentumswerten, Flucht vor Krimialität, Flucht auch vor den Folgen einer fehlgeschlageen Integrationspolitik und mangelnder Integrationsereitschaft. Das muss als Wahrheit ausgesprochen erden. Jeder spricht gerne von Entbürokratisierung. Aber leichzeitig beraten wir über ein Antidiskriminierungsesetz oder wir reagieren auf die Feinstaubdebatte mit orschlägen wie der Citymaut. Politisches Handeln ist ielmehr dort angesagt, wo die Städte keine oder nur geinge Handlungsmöglichkeiten haben, etwa bei der Beämpfung des Graffitiunwesens – was tut man sich hier chwer! – oder in einer die Integration und die Integraionsbereitschaft fördernden Ausländerpolitik. Unsere Großstädte stellen sich dennoch kreativ und ynamisch der Situation, um Impulsgeber von Wirtchaft und Gesellschaft zu bleiben, seien es die alternatien Finanzierungswege für Großprojekte wie den Jungernstieg in Hamburg, sei es eine vorbildliche inanzpolitik wie in Düsseldorf, sei es die beispielgeende Kooperation einer Großstadtregion wie der Reion Stuttgart oder sei es die Vorreiterrolle vieler Städte m Hinblick auf E-Government, betriebswirtschaftliche aushaltsführung oder innovative Kooperationsmodelle. nsere großen Städte versuchen trotz großer Probleme, us eigener Initiative und Kraftanstrengung noch vieles u realisieren. Hier gilt: Not macht eben erfinderisch. Bernhard Kaster Im Mittelalter hieß es „Stadtluft macht frei“. Jeder kennt diesen Ausspruch. Seit 1998 müssen wir ihn ergänzen: Rot-Grün drückt diese Luft ab. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unter Niveau!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hört! Hört!)





(A) )


(B) )


Frei atmen in unseren Städten, das heißt, endlich wieder
die Finanzspielräume zu geben, damit die Städte die not-
wendigen Investitionen nach eigener Prioritätensetzung
in Angriff nehmen können. Bitte nicht schon wieder die
alte Leier von zinsverbilligten KfW-Krediten anstim-
men!

Frei atmen in unseren Städten, das heißt auch, keine
einseitigen Vorgaben für die bessere Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu machen. Haben wir hier doch den
Mut, örtliche, das heißt auch ganz unterschiedliche Vari-
anten – ob Kinderbetreuung im Quartier oder ob Tages-
müttermodelle – sich frei entwickeln zu lassen!

Frei atmen, das heißt auch, dass die europäische
Ebene nicht immer neue Überregulierungen schafft. Un-
sere Städte müssen im Einklang mit dem Wettbewerbs-
prinzip und im Sinne echter Verantwortung weiterhin
selbst entscheiden können, wie sie ihre Aufgaben erfül-
len.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Unsere Städte müssen deshalb im Vorfeld europapoliti-
scher Entscheidungen an der nationalen Willensbildung
auch institutionell beteiligt werden. Das ist ganz wichtig.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist fünf vor
zwölf. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit, die Chancen
und Entwicklungsmöglichkeiten, das heißt die Zukunfts-
und Wettbewerbsfähigkeit unserer Großstädte viel stär-
ker als bisher auch in den bundespolitischen Blick zu
nehmen. Unser heutiger Antrag weist dazu den Weg.
Stimmen Sie ihm daher zu! Geben Sie den Großstädten
die notwendige Luft zum Atmen zurück!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517517000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marga Elser von der

SPD-Fraktion.


Marga Elser (SPD):
Rede ID: ID1517517100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Zeitpunkt Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der Union, verwundert mich sehr. Wenn ich mir
Ihre Forderungen so anschaue, dann habe ich schon den
Eindruck, dass Sie so manches, was bereits in den letzten
Jahren auf den Weg gebracht wurde, überhaupt nicht
mitbekommen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D ie Bundesregierung hat die Probleme, die Sie schilern, bereits vor Jahren erkannt und sie arbeitet sehr onsequent an ihrer Lösung. Einige Maßnahmen waren bereits erfolgreich. s ist mir unverständlich, warum sich Ihr Antrag nur auf roßstädte konzentriert. Wir haben mehr als 3 000 Kommunen. Es ist absolut unseriös, große gegen leine Städte auszuspielen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer tut das denn? – Peter Götz [CDU/CSU]: Lesen!)


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Zum Beispiel?)


Sie fordern, Großstädte finanziell zu entlasten.
Nur mit einer umfassenden und durchgreifenden
Gemeindefinanzreform kann die kommunale Fi-
nanzkrise bewältigt werden.

(Peter Götz [CDU/CSU]: Seit wann sind Sie denn an der Regierung? – Gisela Piltz [FDP]: Warum machen Sie sie nicht?)


o der Wortlaut in Ihrem Antrag. Ich frage Sie: Wer hat
enn verhindert, dass die Gemeindefinanzreform 2003
mfassend verabschiedet wird, so wie wir es wollten?
Die rot-grüne Bundesregierung hatte eine Kommis-

ion zur Reform der Gemeindefinanzen eingesetzt.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis!)


iese hat im Wesentlichen zwei Maßnahmen in den Vor-
ergrund gestellt: die Reform der Gewerbesteuer und die
usammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Der
undesrat hat dieses Vorhaben blockiert. Im Vermitt-
ungsausschuss war es dann möglich, wenigstens einen
eil dieser Maßnahmen auf den Weg zu bringen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Der Patient sollte gesund gemacht und nicht getötet werden!)


Den Anstieg der kommunalen Schulden haben wir
amit insgesamt stark abgebremst. Dazu beigetragen ha-
en im Wesentlichen die Gewerbesteuerumlage und die
nderung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbe-
teuer, zum Beispiel durch die Mindestgewinnbesteue-
ung. Die Steuereinnahmen der Gemeinden und der Ge-
eindeverbände erhöhten sich im Jahr 2004 um
,4 Prozent auf 51 Milliarden Euro.
Hier wird auch klar, dass Ihr Antrag alles andere als

ktuell ist. Sie hantieren mit veralteten Zahlen: Sie bezif-
ern das Defizit der Kommunen 2003 auf fast
Milliarden Euro. Diese Zahl ist nur fast richtig. Es wa-
en 8,5 Milliarden Euro. Im Übrigen liegen auch schon
ie Zahlen für 2004 vor. Diese müssten Sie eigentlich
ennen. Die waren bei der Abfassung Ihres Antrags be-
eits bekannt. Offensichtlich kennen Sie sie aber nicht.
Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich Ihnen hier

ine gute Nachricht überbringen kann. Der Schuldenberg






(A) )



(B) )


Marga Elser

der Kommunen hat sich innerhalb eines Jahres halbiert,
und zwar von 8,5 auf 3,8 Milliarden Euro.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Und darauf sind Sie stolz? – Gisela Piltz [FDP]: Das ist doch nicht der Schuldenberg!)


Sicherlich sähe die Finanzlage noch besser aus, wenn
auch die freien Berufe im Rahmen einer Gemeindewirt-
schaftsteuer ihren Anteil leisten würden. Eine umfas-
sende Reform, so wie wir sie gefordert haben, wurde von
Ihnen damals leider blockiert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517517200

Frau Kollegin Elser, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Götz?


Marga Elser (SPD):
Rede ID: ID1517517300

Bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517517400

Bitte schön, Herr Götz.


Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1517517500

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die kommuna-

len Kassenkredite in Ihrer Regierungszeit von
5,8 Milliarden auf den Höchststand von 20 Milliarden
Euro im vergangenen Jahr gestiegen sind? Wenn Sie das
als Erfolg betrachten, dann muss ich Sie wirklich fragen,
ob Sie auf dem richtigen Weg sind.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weder der Anstieg noch das Absinken ist ein Erfolg der Bundespolitik!)



Marga Elser (SPD):
Rede ID: ID1517517600

Wir haben in der Gemeindefinanzreform getan, was

wir tun konnten,

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das haben wir gemerkt, was Sie tun können! Unfähig sind Sie! Hochgradig unfähig!)


was Sie uns haben machen lassen. Weder der Anstieg
noch das Absinken dieser Schulden sind, denke ich, al-
lein vom Bund zu verantworten. Daran sind noch viele
andere Bereiche beteiligt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dazu kann ich Ihnen auch einiges vorrechnen. So kom-
men wir nicht weiter, denke ich.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wann treten Sie eigentlich freiwillig ab, bei 40 Milliarden?)


Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung. Nach der Fi-
nanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland sind
die Länder für die finanzielle Ausstattung der Kommu-
nen zuständig. Die Adressierung Ihres Antrags verwun-
dert mich deshalb.

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(C (D In diesem Jahr werden die Kommunen durch die Zuammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe entlaset. (Gisela Piltz [FDP]: Was noch zu beweisen wäre! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das behauptet nicht mal mehr Ihre Regierung!)


ch möchte das nicht weiter ausführen;

(Peter Götz [CDU/CSU]: Das ist auch besser so!)

as wissen wir alle.
Ihre Vorschläge zur Lösung der kommunalen Finanz-

rise sind also offensichtlich bereits umgesetzt.
Sie fordern weiter, dass die Städte darin unterstützt
erden sollen, sich an die Veränderungen durch den
emographischen Wandel anzupassen. Auch hierzu hat
ie rot-grüne Bundesregierung bereits viele Maßnahmen
rgriffen. Sie haben das offensichtlich übersehen.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Nennen Sie doch mal ein paar!)


ir kennen die Daten. Immer mehr älteren Menschen
tehen immer weniger junge Menschen gegenüber. Die
otenziale der älteren Menschen müssen in Zukunft bes-
er genützt werden.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Nennen Sie mal ein paar Fakten!)


as ist in der Wirtschaft so – dazu vermisse ich Anträge
on Ihnen allerdings –; das ist aber auch beim bürger-
chaftlichen Engagement so.
Ich darf daran erinnern, dass wir in unserer Regie-

ungszeit schon einiges getan haben. Ich nenne nur das
rogramm „Soziale Stadt“.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Ja, ja! Uralt ist das!)

tädtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnah-
en, städtebaulicher Denkmalschutz, Stadtumbau Ost,
tadtumbau West – alles das haben wir in Gang gesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Die Kommunen
ind voll gerüstet. Sie können die Herausforderungen an-
ehmen.
Sie fordern kinder- und familienfreundliche Struk-

uren. Sie fordern, die Familien einzubeziehen und ei-
en kommunalen Familientisch zu gründen. Dieser Vor-
chlag freut mich natürlich außerordentlich; denn damit
reifen Sie nichts anderes auf als die Initiative unserer
amilienministerin zu lokalen Bündnissen für Familie.


(Beifall der Abg. Dr. Cornelie SonntagWolgast [SPD])


eit Januar 2004 sind 145 solcher Bündnisse geschlos-
en worden, vor Ort angepasst usw. Es ist also alles be-
eits gemacht.






(A) )



(B) )


Marga Elser


(Beifall bei der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wenn alles gemacht ist, dann treten Sie ab! Abtreten!)


Wir haben zum 1. Januar 2005 das Tagesbetreuungs-
ausbaugesetz auf den Weg gebracht. Auch das wollte der
Bundesrat nicht haben.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie haben sich bemüht und alles gemacht! Dann sollten Sie abtreten!)


Mit diesem Gesetz haben wir nicht nur guten Willen be-
kundet, sondern auch Geld für die Kommunen gegeben.
Wenn die Länder die Gelder nicht an die Kommunen
weitergeben,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Gegenruf der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein zentrales Problem!)


dann ist das nicht unsere Sache. Ich weiß, dass das Land
Baden-Württemberg nur einen Bruchteil des Geldes an
die Kommunen weitergegeben hat.

Für den Ausbau von Ganztagsschulen haben wir
4 Milliarden Euro an die Kommunen weitergegeben. Ich
bin nicht wie die Frau Kultusministerin Schavan der
Meinung, dass dieses Geld nur für Schulen an sozialen
Brennpunkten ausgegeben werden soll. Ich finde, jede
Schule müsste profitieren.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das reicht ja gerade für die Suppenküche!)


Damit entspräche man auch dem Wunsch der Väter und
Mütter nach intensiver Betreuung ihrer Kinder. Wir hel-
fen den Kommunen, kinder- und familienfreundliche
Strukturen zu schaffen. Dieses Ganztagsschulprogramm


(Peter Götz [CDU/CSU]: Reicht für die Suppenküche!)


ist aber noch aus einem anderen Grund sehr wichtig.
Dort, wo Familien gerne leben, steigen nicht nur die
kommunalen Steuereinnahmen. Nein, sie sind auch des-
halb ein wichtiger Faktor, weil durch sie die Investitions-
dynamik und die Wettbewerbsfähigkeit der Städte stei-
gen.

Deutschland spielt mit seinem Halbtagsschulsystem
international eine Sonderrolle. Wenn wir im Wettbewerb
standhalten wollen, müssen wir diese Sonderrolle able-
gen. Die Initiative „Zukunft Bildung und Betreuung“ ist
für uns deshalb der beste Weg.

Sie fordern, dass die bundespolitischen Rahmenbe-
dingungen für Sicherheit und Ordnung geschaffen wer-
den. Sie fordern, dass soziale Spannungsfelder gelöst
werden. Dazu gehört natürlich auch – das ist schon von
Ihnen gesagt worden – die Bekämpfung des Graffiti-
unwesens. Wir wissen doch – wir diskutieren darüber ja
schon viele Jahre –, dass dieses Problem nicht mit einer
Änderung im Strafgesetzbuch erledigt werden kann. Die
Schwierigkeit besteht doch darin, dass die Sprayer auf
frischer Tat ertappt werden müssen. Das ist doch das
Problem.

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(C (D (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer so eine Politik macht, muss eingesperrt werden!)


Sie fordern eine bessere Integration. Meine sehr ge-
hrten Damen und Herren, ist Ihnen wirklich entgangen,
ass wir gerade mit dem Zuwanderungsgesetz eine bes-
ere Integration von Auswanderern und Zuwanderern er-
eicht haben?


(Beifall bei der SPD)

ir haben die Grundlagen dafür geschaffen, dass Aus-

änder und Zuwanderer sprachlich, beruflich und auch
ozial integriert werden. Der Grundstein ist gelegt. Die
ntegration selbst kann letztendlich jedoch nur dadurch
rreicht werden, dass die Zuwanderer selbst und die
eutsche Bevölkerung aufeinander zugehen.
Zum Schluss möchte ich noch einen Satz dazu sagen,

ass Sie von der Bundesregierung einen jährlichen Be-
icht zur Lage und zur Entwicklung der Zukunfts- und
ettbewerbsfähigkeit der Großstädte fordern. Auf der
inen Seite schimpfen Sie immer über die Bürokratie.
ier fordern Sie nun ein Mehr an Bürokratie. Da frage
ch Sie schon: Wie passt dies zusammen?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist Ihnen peinlich, wenn Sie so etwas vorlegen müssen!)


Insgesamt bleibt mir nur eines übrig, nämlich Ihnen
on der CDU/CSU zu danken. Mit Ihrem Antrag haben
ie wunderbar, wenn auch etwas unstrukturiert, darge-
tellt, was die rot-grüne Bundesregierung in den letzten
ahren für die kommunalen Haushalte getan hat.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das glauben Sie selber! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das erzählen Sie zu Hause einmal im Kreistag oder im Stadtrat!)


och viel mehr machen Sie mit Ihrem Antrag deutlich,
ass Sie selbst keine besseren Ideen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517517700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz von der

DP-Fraktion.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1517517800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

on der FDP-Bundestagsfraktion freuen uns außeror-
entlich, dass auch die Kollegen von der Union jetzt die
ommunalpolitik entdeckt haben. Man freut sich immer
ber Mitstreiter auf diesem Gebiet.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Danke schön!)

ir haben immer darauf hingewiesen, dass es wichtig

st, die Kommunen hier im Haus wichtiger zu nehmen
nd auch besser zu behandeln, wenn entsprechende
inge beraten werden. Aus unserer Sicht sollte sich der
ntrag aber nicht nur mit Großstädten beschäftigen,
uch wenn das ein wichtiges Thema für uns alle ist, son-
ern mit den Kommunen insgesamt. Das Problem trifft






(A) )



(B) )


Gisela Piltz

nämlich Großstädte und die normalen Städte gleicher-
maßen.


(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich auch darüber, dass Sie in Ihrem Antrag

einen Bericht zur Lage der Großstädte fordern; denn die
FDP hat schon vor längerer Zeit hier einen Antrag einge-
bracht, in dem ein Bericht über die Lage der Kommu-
nen eingefordert wurde. Nach der Diskussion im Innen-
ausschuss habe ich eine dunkle Ahnung davon – das hat
Frau Elser hier jetzt auch bestätigt –, dass sich die Koali-
tionsfraktionen diesem Antrag verweigern werden.

Wenn Sie einmal die Berichtsliste 2004 zur Hand neh-
men, dann sehen Sie, dass es 158 Berichte gibt, darunter
– ich möchte jetzt keinem Kollegen zu nahe treten – so
spannende wie den Bericht über die Möglichkeit des
weiteren Ausbaus der Nord-Süd-Schienenverbindung
unter Wahrung der Verkehrsbedürfnisse des Freistaates
Thüringen und auf möglichst kostengünstige Weise – ich
will das Deutsch gar nicht kommentieren – oder auch
den Bericht über das gesamte Saatgutrecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün,
mal ganz im Ernst: Wir diskutieren hier über die dritte
Säule unseres Staates, über das, was Bürgerinnen und
Bürger jeden Tag erfahren, und Sie sagen angesichts von
158 Berichten, das bedeute zusätzliche Bürokratie und
Sie wollten sich nicht darum kümmern. Das finde ich ei-
nen Skandal, ehrlich gesagt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn man davon absieht, dass der Antrag der CDU/
CSU vom Antidiskriminierungsgesetz über Graffiti bis
hin zum Zebrastreifen alles an Politikfeldern abräumt,
dann unterstützen wir Sie in der Zielsetzung Ihres Antra-
ges. Ohne eine Gemeindefinanzreform wird es den
Städten und Gemeinden – das ist ja der Kern Ihres An-
trages – langfristig niemals besser gehen können.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer verhindert sie denn bisher? Das muss man doch einmal ganz klar sehen!)


Die finanzielle Ausstattung funktioniert nicht, wenn wir
nicht endlich eine ordentliche Gemeindefinanzreform
auf den Weg bringen. Auch daran ändern die heute vor-
gelegten Zahlen des Arbeitskreises Steuerschätzung
nichts. Denn selbst wenn es den Gemeinden besser ge-
hen sollte: Der Patient ist krank und nur weil es ihm ein
wenig besser geht, ist er noch nicht geheilt.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter Götz [CDU/CSU])


Deshalb mein Appell: Bringen Sie endlich eine Ge-
meindefinanzreform auf den Weg! 20 Milliarden Euro
Kassenkredite sind ein Unding; davon können die Städte
und Gemeinden nicht leben.

Eines allerdings fehlt uns – das vielleicht noch als
Hinweis –: das Konnexitätsprinzip. Wenn Sie es mit
den Kommunen ernst meinen, dann müssen Sie auch da-
für sorgen, dass wir hier nicht länger etwas beschließen,

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(C (D as die Gemeinden auszubaden haben. Deshalb würde ch mich freuen, wenn Sie das noch aufnehmen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Georg Schirmbeck [CDU/ CSU]: In Niedersachsen ist das gerade beschlossen worden!)


Das ist in fast allen Ländern beschlossen worden; aber
ch rede vom Bundestag. Wir sind hier im Bundestag
nd Sie haben sich dieser Abstimmung verweigert.
Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, den Kommunen

u helfen. In diesem Sinne würden wir Sie gerne unter-
tützen, wenn Sie uns da ein Stück entgegenkommen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517517900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-
ohlig vom Bündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

rstes, lieber Kollege Kaster und Frau Kollegin Piltz:
nfang Juni führt unsere Fraktion eine große Konferenz
um Thema „Stadt Aktiv“ durch.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Es ist ja nie zu spät, auf den Weg der Besserung zu kommen!)


ie sind herzlich eingeladen. Kommen Sie; ich glaube,
a können Sie einiges lernen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss sagen: An sich finde ich es toll, dass die
DU/CSU das Thema aufgegriffen hat, egal ob mit dem
chwerpunkt Großstädte oder Städte generell; denn ich
laube schon, dass es wichtig ist, dass wir hier intensiver
nd öfter über Kommunalpolitik generell und durchaus
uch über die stadtspezifischen Probleme reden. So weit
in ich absolut d’accord.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU)


ch fand es aber schon eine Enttäuschung, dass wir diese
nappe halbe Stunde


(Peter Götz [CDU/CSU]: Frau Kollegin, sagen Sie das mal Ihrem Koalitionspartner!)


nein, da muss ich schon in Ihre Richtung zeigen –, die
ier zur Diskussion zur Verfügung steht und eigentlich
u wenig ist, für Polemik nutzen; denn das ist dem
hema überhaupt nicht angemessen. Die Städte haben
atsächlich eine Reihe von Problemen, die nicht mit ei-
er Verschärfung von Graffitigesetzen, Strafgesetzen ge-
erell oder dem Thema Antidiskriminierung zu lösen
ind.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Auch das gehört dazu!)







(A) )



(B) )


Franziska Eichstädt-Bohlig

Insofern wünsche ich mir, dass das Thema intensiver
aufgegriffen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte ein paar Punkte ansprechen. Einige sind

von Ihnen aufgegriffen worden, aber leider sehr unsyste-
matisch.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das können wir ja ändern!)


Der Antrag ist leider sehr inkonsistent, obwohl er auch
Richtiges enthält. Ich glaube schon, dass das Thema De-
industriealisierung und Globalisierung – enorme wirt-
schaftliche Umbrüche, mit denen die Städte zu tun
haben – ein ganz wichtiger Punkt ist, bei dem wir alle
keine Lösung haben, dem wir uns aber in der Auseinan-
dersetzung stellen müssen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sehen Sie! – Peter Götz [CDU/CSU]: Steht im Antrag!)


– Deswegen sage ich ja, dass einiges Richtige drinsteht.
Sie haben ja auch einiges von unserer Fachkommission
bei der Böll-Stiftung abgeschrieben.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Insofern kenne ich einige Sätze sogar im O-Ton. Aber
egal.

Wichtige Themen sind: demographischer Wandel, Al-
terung, Kinderlosigkeit, Singularisierung, das zuneh-
mende soziale Auseinanderdriften unserer Gesellschaft,
Migration und Integration. Über die Herausforderungen,
vor denen die Städte angesichts des multikulturellen und
multiethnischen Zusammenlebens stehen, ist schon im
Rahmen des Zuwanderungsgesetzes intensiv diskutiert
worden.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Zum Beispiel Berlin!)


Wir haben schon erste Schritte zur Unterstützung einge-
leitet. Wir wissen alle, dass die Städte in diesem Bereich
mehr Hilfe brauchen.

Was Sie überhaupt nicht gerne diskutieren, ist das
Thema Suburbanisierung. Die Städte werden dadurch
geschwächt, dass der Einzelhandel in die Außenbereiche
abwandert. In diesem Zusammenhang muss man erwäh-
nen, dass Sie mit großer Lust für das Wohnen an der Pe-
ripherie eintreten.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Von wem sprechen Sie eigentlich, wenn Sie „Sie“ sagen?)


Die Städte können nicht gestärkt werden, wenn bei sta-
gnierenden Bevölkerungszahlen nur die Umlandgemein-
den profitieren. Sie wissen auch, welche großen finan-
ziellen Probleme für die Städte damit verbunden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch mit Blick auf die Ökologie und auf den Flä-
chenverbrauch ist es nicht sinnvoll, diese Entwicklung
weiter zu fördern. Ich nenne in diesem Zusammenhang

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(C (D ie Stichworte Eigenheimzulage und Entfernungspauchale. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr wichtiges Stichwort! – Peter Götz [CDU/CSU]: Das musste jetzt kommen! Das ist klar!)


Ja, auch das gehört dazu.
Ich erwähne weiterhin die Herausforderungen in Be-

ug auf den Klima- und Umweltschutz und auf die Ge-
undheit. Damit sind die Stichworte Feinstaub, Lärm,
otorisierung und Belastung der Städte verbunden. Ich
age ganz klar: Wer eine kinderfreundliche Stadt will
dafür engagieren wir uns im hohen Maße; die Kollegin
lser hat eben ein Beispiel aus unserem Kinderbetreu-
ngs- und Ganztagsschulenkonzept vorgestellt –,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das habe ich gar nicht gehört!)


er muss auch dafür eintreten, dass die Mobilität stadt-
erträglich wird.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Siehe Berlin!)

ieser großen Herausforderung muss sich Ihre Fraktion
enauso stellen wie wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Weil meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich nur
anz kurz über das sprechen, was getan werden muss.
ie Städte selbst müssen mehr Mut zur Innovation ha-
en


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Und mehr Geld!)


nd die Fähigkeit zur Kommunikation mit der ansässi-
en Wirtschaft und den Hausbesitzern entwickeln. Ohne
ie Mithilfe der Hausbesitzer werden wir keine kinder-
reundlichen Wohnungen und kein kinderfreundliches
ohnumfeld schaffen können.
Aber auch die Länder – ich nenne nur die Stichworte
aumordnung und Regionalplanung – müssen sich an-
esichts des demographischen Wandels und der wirt-
chaftlichen Umbrüche um dieses Thema intensiv küm-
ern. Die Wirtschaftsförderung darf nicht immer nur die
egionen an der Peripherie stärken und die Städte außen
or lassen. Auch auf der Länderebene ist also viel zu tun.
Als letzten Punkt will ich die Finanzfrage erwähnen.
ir unterstützen nach wie vor eine Gemeindefinanzre-

orm,

(Peter Götz [CDU/CSU]: Sehr gut!)


ber in der Form, wie sie von den Kommunen gefordert
urde, und nicht in der Form, wie Sie das wollen. Sie
ewirken eine Schwächung der Städte, indem Sie die
ewerbesteuer abschaffen wollen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das will doch keiner! – Peter Götz [CDU/CSU]: Deshalb wolltet ihr die Gewerbesteuerumlage um 1 Milliarde Euro erhöhen!)







(A) )



(B) )


Franziska Eichstädt-Bohlig

Das kann nicht die richtige Form einer Gemeindefinanz-
reform sein. Im Gegenteil: Was an Vorschlägen vorliegt
und von uns unterstützt wird, muss vom Bundesrat mit-
getragen werden. Das hilft den Kommunen weiter. Dann
können wir die Finanzfragen anders angehen, als Sie das
bisher wollen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517518000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1517518100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zu-

kunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte in
Deutschland sichern: Warum sollte uns das überhaupt in-
teressieren, wo doch nur die wenigsten Menschen in
Deutschland in großen Städten leben? Es geht dabei
nicht nur um die Zukunft großer Städte, sondern im
Grunde um Ballungsräume, Regionen oder Metropolen,
in deren Zentren sich große Städte befinden. In Deutsch-
land sind das zum Beispiel die Metropolregion Berlin/
Brandenburg, Frankfurt/Rhein-Main oder die Metropol-
region Rhein-Ruhr mit dem Ruhrgebiet. Hier konzen-
trieren sich Wirtschaft, Verwaltung und Kultur.

In diesen Metropolen wird unter Mithilfe der Infor-
mations- und Kommunikationstechnologie die Weltwirt-
schaft gemacht. Mit anderen Worten: Die Metropolre-
gionen konkurrieren weltweit miteinander um die besten
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Standortbedin-
gungen. Aufgrund dieser Entwicklung gilt es, die Metro-
polen in Deutschland zu unterstützen. Genau dazu for-
dern wir die Bundesregierung in unserem Antrag „Die
Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte in
Deutschland sichern“ auf.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Herausforderungen, vor die wir in Deutschland
und Europa im Zeitalter der Wissens- und Informations-
gesellschaft gestellt sind, lauten daher: Wie schaffen wir
gute Rahmenbedingungen? Welches Management-
Know-how brauchen wir, das es einer Metropolenregion
ermöglicht, weltweit gut aufgestellt zu sein, um damit
seinen Bürgern und den ansässigen Unternehmen die
besten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedin-
gungen bieten zu können?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Am Beispiel der modernen Informationstechnologie

wird deutlich, wie wichtig die Metropolen für die An-
siedlung von Unternehmen geworden sind. Dazu hat
eine Ökonomengruppe des Kieler Instituts für Weltwirt-
schaft analysiert, wo in Deutschland junge börsenno-
tierte Technologieunternehmen ihren Sitz haben bzw.
ihren Sitz nehmen. Das Ergebnis ist eindeutig: Junge, in-

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(C (D ovative Technologiefirmen konzentrieren sich deutlich tärker auf einzelne Standorte als Unternehmen aus traitionellen Branchen. Rund die Hälfte der betrachteten nternehmen hat ihren Sitz in München, Berlin, Hamurg oder im Rhein-Main-Gebiet. Der mit Abstand wichtigste Standort ist dabei Mün hen. Dort sind fast so viele junge börsennotierte Techologiefirmen zu Hause wie in den drei anderen Metroolregionen zusammen. Das bedeutet: Hightechfirmen ind räumlich stark konzentriert. Hauptgrund dafür ist: e mehr Unternehmen aus dem Bereich der modernen nformationstechnologie in einer Stadt angesiedelt sind, esto attraktiver wird diese für andere Firmen aus dieser ranche. Denn die Unternehmen sind auf einen inforellen Know-how-Transfer angewiesen. Zudem benötien gerade Technologiefirmen einen großen und gut unktionierenden Arbeitsmarkt ebenso wie eine breite nfrastruktur an unternehmensnahen Dienstleistern. Auerdem spiele die Nähe zu Kunden und Kapitalgebern ei Firmen aus dem Bereich der modernen Informaionstechnologie eine wichtige Rolle. Die Internetrevolution bzw. der Wandel zur Informa ionsgesellschaft ist folglich nicht spurlos an den Städten orbeigegangen – auch nicht am Immobilienmarkt. enn wissensintensive Tätigkeiten drängen stärker ins entrum, während die einfache Arbeit an die Peripherie erlagert wird. Hieraus resultiert zum Beispiel eine Zuahme der Nachfrage nach qualitativ hochwertigem ohnraum in den Großstädten. Allein dieses Beispiel eigt bereits, wie wichtig ein gut funktionierendes Maagement für eine Metropolenregion ist und in Zukunft ein wird. Meine Damen und Herren, um die Zukunftsund ettbewerbsfähigkeit von Großstädten und Metropolen m globalen Wettbewerb zu erhalten, ist es daher unerässlich, erstens zu entbürokratisieren, um Genehmiungsverfahren zu beschleunigen, weitens für familiengerechte Wohnund Arbeitsplätze owie kinderund familienfreundliche Strukturen zu soren nd drittens die Kommunen finanziell und organisatoisch – Stichwort Gemeindefinanzreform – in die Lage u versetzen, über ihre eigene Grundversorgung selbst u entscheiden. Das heißt, selbst zu entscheiden, ob sie eistungen in kommunaler Eigenverantwortung anbieen möchten oder ob sie zusammen mit privaten Anbieern eine öffentlich-private Partnerschaft eingehen wolen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aus diesem Grund fordern wir die Bundesregierung
nter anderem auf, erstens entsprechende Management-
onzepte zu unterstützen, zweitens Investitionsentschei-
ungen im weltweiten Wettbewerb der Metropolen um
rbeitsplätze zu fördern,






(A) )



(B) )


Marie-Luise Dött


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Investment in Deutschland ist Ihnen wohl völlig unbekannt! Sie müssen sich informieren, bevor Sie so einen Quatsch reden!)


drittens die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Kommunen
zu ermöglichen und viertens den Bundestag jährlich über
die Entwicklung der Zukunfts- und Wettbewerbsfähig-
keit der Großstädte zu informieren.

Unterstützen Sie daher diesen Antrag, um die Zu-
kunftsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Groß-
städte in Deutschland zu sichern!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517518200

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/5332 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen (14. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe
Beckmeyer, Reinhold Robbe, Gerd Andres,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD sowie der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Michaele Hustedt, Albert Schmidt

(Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der

Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Maritimen Standort Deutschland stärken –
Innovationskraft nutzen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg),
Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
„Meer für morgen“ – Impulse für die mari-
time Verbundwirtschaft

– zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-

(Bayreuth)

und der Fraktion der FDP
Seeschifffahrt und Küstenschutz in Deutsch-
land stärken

– Drucksachen 15/4862, 15/5099, 15/4847,
15/5417 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Uwe Beckmeyer
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)


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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red erin der Kollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion as Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eeschifffahrt und Globalisierung, das sind zwei Beriffe, die unzertrennlich zusammengehören. Denn sprehen wir über Seeschifffahrt, dann sprechen wir immer uch über Globalisierung. Global denken ist nicht neu ür die Seeschifffahrt. Globaler Wettbewerb, globales enken, das sind Themen, an die sich so mancher Wirtchaftszweig in Deutschland erst gewöhnen muss. Die eeschifffahrt dagegen kennt die Herausforderungen nd den harten Wettbewerb. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dieser ettbewerb gerecht geführt wird. Wir müssen dafür soren, dass internationale Wettbewerbsverzerrungen, aber uch Harmonierungsdefizite auf europäischer Ebene abebaut werden. Das gilt für die Seeschifffahrt ebenso ie für die deutsche Werftindustrie, für die Meerestechik und für die Seehafenwirtschaft. Deshalb setzen wir ns mit allen Mitteln dafür ein, den maritimen Standort eutschland zu sichern und zu stärken, um für die komenden Herausforderungen gut gewappnet zu sein. 272 Millionen Tonnen haben die deutschen Seehäfen 004 umgeschlagen – eine Rekordzahl. Das ist ein Umchlagsplus von 8 Prozent. Rund 300 000 Arbeitsplätze ängen direkt oder indirekt an der deutschen Seeschiffahrt. Damit sind die deutschen Häfen Verkehrsdrehcheibe und Jobmaschine zugleich. Auf der 4. Nationalen Maritimen Konferenz in Breen Ende Januar haben die Teilnehmer eine umfassende estandsaufnahme in vier Workshops vorgenommen. ie haben konkrete Handlungsempfehlungen für alle Beeiligten des maritimen Bündnisses erarbeitet. Das Ziel st klar benannt worden: Es geht um die weitere Stärung des maritimen Standortes Deutschland; es geht arum, einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der ettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft zu eisten. Hafenpolitik und die maritime Wirtschaft sind keine egionalen, norddeutschen Themen. Die Häfen sind im nterkontinentalen Warenaustausch die Schnittstellen wischen Landund Seeverkehr. 90 Prozent der Waren, ie wir exportieren, gehen über unsere Häfen. Viele Unernehmen in Bayern und Baden-Württemberg profitieen davon. Das sollten alle Mitglieder dieses Hauses icht vergessen. (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das sollte man immer wieder sagen!)

Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1517518300

(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wasserweg
ird in Zukunft eine wichtigere Rolle einzunehmen ha-
en. Den maritimen Standort zu stärken bedeutet Siche-






(A) )



(B) )


Annette Faße

rung von Wertschöpfung, Beschäftigung und Ausbil-
dung.

In diesem Zusammenhang müssen wir allerdings fest-
stellen, dass die gestiegenen Ausbildungszahlen immer
noch nicht ausreichen. In der aktuellen Ausgabe der
„DVZ“ war zu lesen, dass die deutschen Reeder wieder
mehr Ausbildungsplätze anbieten. Sie werben auch
pressewirksam für die Berufssparte. Jahrelang hatten wir
Defizite in der Ausbildung zu verzeichnen. Das hat ein-
deutig zu einem Mangel an Leitungskräften, aber auch
an Schiffsmechanikern geführt. Auch der Anstieg von
über 41 Prozent im Vergleich zu 2003 reicht noch nicht
aus, um den künftigen Bedarf der Seeschifffahrt, aber
auch der Landbetriebe decken zu können.

Um Anreize zur Steigerung der Ausbildungsbereit-
schaft in den Reedereien zu schaffen, fördert der Bund
seit Jahren jeden Ausbildungsplatz. Auch die Reeder ha-
ben Geld in die Hand genommen, weil sie erkannt ha-
ben, dass wir die Ausbildung unbedingt verstärken müs-
sen. Verdi stimmte einer so genannten konditionierten
Öffnungsklausel zur Schiffsbesetzung mit ausländischen
Seeleuten als Übergangsregelung zu. Es ist ganz klar
mehr Einsatz gefragt. Es muss mehr ausgebildet werden,
damit der Nachwuchs gesichert wird. Auch die Schulen
sind hier gefordert.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im Bereich Schifffahrt haben die Tonnagesteuer, der
Lohnsteuereinbehalt, die Ausbildungsplatzförderung, die
neue Schiffsbesetzungsverordnung und die Schiffsicher-
heitsanpassung für den Schifffahrtsstandort Deutsch-
land positive Wirkungen gezeigt. Bei Rückflaggung von
netto mindestens 100 Schiffen bis Ende 2005 müssen die
Finanzhilfen des Bundes fortgeschrieben werden. Das
fordern wir in unserem Antrag. Auch erwarten wir, dass
die Reeder bis Jahresende ihr Versprechen einlösen, so-
dass dann insgesamt 400 Handelsschiffe unter deutscher
Flagge sein werden. Zum jetzigen Zeitpunkt beläuft sich
der Bestand auf rund 380 Schiffe.

Bei den Seehäfen konnten insbesondere im Contai-
nerbereich deutliche Marktanteile hinzugewonnen wer-
den. Wichtig ist für uns der gezielte und koordinierte
Ausbau der land- und seeseitigen Zufahrt zu unseren
Seehäfen.

Ich appelliere noch einmal an Sie alle, Fragen der
Deichsicherheit und des Schutzes der Küste nicht hintan-
zustellen. Wir wissen, dass von der Planungsvereinfa-
chung insbesondere die Hinterlandanbindungen und da-
mit die deutschen Seehäfen profitieren werden. Auch
wissen wir, dass von den für dieses Jahr zusätzlich be-
reitgestellten Mitteln in Höhe von 2 Milliarden Euro be-
reits 500 Millionen Euro auf dem Konto der VIFG sind.
Auch davon werden unsere Seehäfen profitieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Wolfgang Börnsen von der DU/CSU-Fraktion. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aber! Seit 14 Tagen geht es den Werften gut!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517518400


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1517518500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

war stimmen wir in vielen Punkten, die Annette Faße
orgetragen hat, überein, aber als Opposition sehen wir
as ein wenig anders und setzen andere Schwerpunkte;


(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


afür müssen Sie Verständnis haben.
Mit unserem Antrag „Meer für morgen“ – Impulse für

ie maritime Verbundwirtschaft“ wollen wir das Augen-
erk aller politisch Verantwortlichen – aller Handeln-
en, aber auch der Bundesregierung – auf das Können,
ie Kraft und die Kompetenz dieses bedeutenden Wirt-
chaftsbereichs lenken. Ob in den Häfen, dem Schiffbau,
er Schifffahrt oder der Aquakultur, überall stecken
offnungsvolle Perspektiven für die Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das setzt jedoch voraus, dass die maritime Verbund-
irtschaft konzeptionell, umfassend und nachhaltig be-
rieben wird. Sie muss aus ihrer sektoralen Betrachtung
nd Bedeutung herausgeführt werden und darf nicht auf
rei Ministerien verteilt sein. Sie muss langfristig, ver-
etzt, europäisch und noch internationaler angelegt wer-
en, als es bisher geschehen ist. Maritime Konferenzen
llein bringen noch keinen Frühling in der Meerespoli-
ik. Aber sie schaffen dem Kanzler – ganz in Wallen-
tein-Manier – eine passende Plattform. So heißt es bei
riedrich Schiller: „Ich hab hier bloß ein Amt und keine
einung.“


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was? Hast du das nicht falsch nachgeschlagen?)


Konferenzen sind Schlaglichter einer durchaus be-
ühten Branchenpolitik. Fast 5 Millionen Menschen in
eutschland sind ohne Arbeit. Pro Jahr kommt es zu fast
0 000 Betriebsinsolvenzen. Die Staatsverschuldung hat
inen Umfang von über 1,4 Billionen Euro. Seit Anfang
ieses Jahrhunderts haben wir eine Wirtschaftskrise, wie
ir sie in dieser Form in den letzten 60 Jahren nicht
ehr hatten. Das sind klare Versäumnisse der amtieren-
en Regierung. Zugleich ergibt sich daraus für alle poli-
isch Verantwortlichen aber auch die Herausforderung,
iesen Abwärtstrend zu stoppen und für einen Auf-
chwung zu sorgen. Arbeit zu schaffen muss unsere zen-
rale Aufgabe sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Sag auch einmal etwas zu eurem Antrag!)


Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion legt dafür ein
0-Punkte-Konzept vor. Darin beschreiben wir nicht nur
ie Chancen, die in der maritimen Verbundwirtschaft






(A) )



(B) )


Wolfgang Börnsen (Bönstrup)


stecken. Vielmehr schaffen wir die Voraussetzungen für
konkretes Handeln.

Unser Antrag unterscheidet sich von dem der Regie-
rungskoalition, obwohl beide Anträge in manchen Sach-
gebieten durchaus deckungsgleich sind, darin: Während
SPD und Grüne von Wünschen und Erwartungen an die
maritime Politik ausgehen, sagen wir, was erforderlich,
notwendig und entscheidungsreif ist.


(Lachen bei der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: He lücht!)


Allein das Wort „prüfen“ kommt im Antrag von Rot-
Grün fünfmal vor; denn Handeln funktioniert bei Ihnen
nicht.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Da biegen sich ja die Balken und das Haus wird zum Klapphaus!)


Zugegeben, als Opposition haben wir es auch leichter,
Klartext zu sprechen. Doch wir entziehen uns mit unse-
ren 20 Festlegungen nicht der gemeinsamen Verantwor-
tung. Wir wollen, dass die maritime Verbundwirtschaft
einen Schub für die Zukunft erhält. Wir wollen, dass die
gesamte Palette der maritimen Verbundwirtschaft in
Meeren, Ozeanen und Küsten entwickelt wird, das heißt
der Seeverkehr, die Fischerei, Aquakulturen, die Öl- und
Gasförderung, Wind- und Gezeitenkraftwerke, der
Schiffbau, der Tourismus und die Meeresforschung. Wir
wollen, dass Küstenschutz, Gefahrenabwehr auf See,
aber auch der Schutz des maritimen Ökosystems und die
Fischereiressourcen eine europäische Dimension erhal-
ten. Wir wollen eine abgestimmte, langfristige Steuer-
politik für die Kernbereiche der maritimen Verbundwirt-
schaft und eine Entrümpelung der vielen Vorschriften,
Richtlinien und Auflagen. Lassen Sie uns mit einer mari-
timen Taskforce beginnen, die die Kräfte bündelt, Ver-
netzung schafft und Reglementierung abbaut! Auch die
EU plant eine solche Eingreiftruppe.

Doch neben den Strukturfragen sind auch Untiefen zu
umschiffen. Untiefe Nummer eins: Wettbewerbsnach-
teile. Einen Leuchtturm in der maritimen Wirtschaft stel-
len – noch – unsere Häfen, die Beschäftigungszentren
von über 300 000 Menschen, dar: steigende Zahlen im
Güterumschlag seit über zehn Jahren, das Resultat zu-
verlässiger und kompetenter Mitarbeiter und eines quali-
fizierten Managements. Das Wasser aber, auf dem die
Seehafenpolitik treibt,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: „Treibt“?)

ist flach und voller Untiefen. Von den Ostseehäfen be-
richten nur Lübeck, Sassnitz und Rostock von Wachs-
tum. Die Krise unserer Wirtschaft hat die anderen Häfen
voll erfasst. Nur der Nordseehafen Hamburg befindet
sich unter den sechs größten Häfen Europas. Allein Rot-
terdam schlägt jährlich 70 Millionen Tonnen mehr um
als alle deutschen Häfen zusammen.

Der Kostendruck wächst, weil der faire Wettbewerb
innerhalb Europas fehlt. Das gilt für die Trassenentgelte,
für die Auswirkungen der Maut und für die Mineralöl-
steuer. Die Bundesregierung – das ist unsere Auffas-
sung – nutzt nicht die vorhandenen Harmonisierungs-
pläne, sie nutzt nicht die Möglichkeit, hier einzugreifen.

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(C (D ür Herrn Stolpe besteht Handlungsbedarf: Dieser Stolerstein muss weg. Die Zögerlichkeit des Bundesverkehrsministers zeigt ich auch beim Ausbau des Hinterlandverkehrs. 15 notendige Ausbaumaßnahmen warten auf ihre Finanzieung. Die Seehafenwirtschaft geht von 900 Millionen uro Kosten aus. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Mein lieber Börnsen, dir ist der Leuchtturm auch schon ausgegangen!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir gehen davon aus, dass alle Häfen-, Hinterland- und
usbaggerungsprojekte in das angekündigte 2-Milliar-
en-Sonderprogramm übernommen werden. Doch dafür
uss die Bundesregierung ihre Pläne auf den Tisch le-
en.
Untiefe Nummer zwei: die Selbstblockade. Noch im-
er uneinig ist die Bundesregierung über den Ausbau
er deutschen Nordseehäfen, um der neuen Container-
eneration gerecht zu werden. Während der Verkehrs-
inister für Hamburg plädiert, setzt der Umweltminister
uf Wilhelmshaven, den Jade-Weser-Port. Während
tolpe den notwendigen Ausbau von Außenelbe und Au-
enweser erwartet, verlangt Trittin ein Gutachten über
ie Naturverträglichkeit, will mehr FFH und ein nationa-
s Hafenkonzept. Er bremst, er blockiert, er spielt auf
eit und die Zeit läuft uns davon. Andere europäische
roßhäfen laufen Hamburg, Bremen und Wilhelmsha-
en den Rang ab. Absichtserklärungen des Kabinetts
elfen nicht weiter, sondern klare Entscheidungen; auch
ieser Stolperstein muss weg.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Untiefe Nummer drei ist die Lange-Bank-Politik.
ier komme ich zunächst zum Teil eins: Von nationaler,
ber auch von weltweiter Bedeutung ist der notwendige
usbau des Nord-Ostsee-Kanals, mit über
4 000 Schiffen pro Jahr die meistbefahrene Wasser-
traße der Welt. Aber auch die Schiffsgrößen nehmen zu,
eile des Kielkanals werden zum Nadelöhr. Für die neue
eneration der Post-Panamax-Containerschiffe wird es
ng. Der zuständige Staatssekretär aus dem Bundesver-
ehrsministerium, der leider jetzt nicht mehr dabei ist,
at sich im Januar dazu vor Ort geäußert. Der „shz“-Ver-
g zitierte den von mir geschätzten Ralf Nagel wörtlich:

Diese Bundesregierung sitzt mit dem Gesicht zur
Küste, nicht zuletzt deshalb, weil der Bundeskanz-
ler aus Niedersachsen kommt.

inen konkreteren Zeitplan für den Ausbau dieser Was-
erstraße könne er nicht nennen, weil es für diese kom-
lizierte Sache keine gesetzliche Grundlage gebe.
ögliche Maßnahmen müssten zuvor sehr genau ausge-
rbeitet werden.
Abgesehen davon, dass die Bayern, Anhaltiner und
aden-Württemberger nur mit der Rückseite des Kanz-
rs vorlieb nehmen müssen, da er ja ständig die Küste
Auge behält, ist die Feststellung des Staatssekretärs

ugespitzt eine Bankrotterklärung an eine zukunftsge-






(A) )



(B) )


Wolfgang Börnsen (Bönstrup)


wandte maritime Politik: kein Gesetz, kein Ausbau,
keine Finanzierungsvorschläge. Die Folge: Die Schiffe
werden die Route über den Skagerrak nehmen, weil der
NO-Kanal im Wettbewerb der Wasserstraßen ins Hinter-
treffen gerät. Dazu darf es nicht kommen. Der Kiel-Ka-
nal braucht eine Perspektive.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Untiefe Nummer vier: die Lange-Bank-Politik Teil 2.

Offen, ungeklärt und doch seit Jahren mit Absichtsbe-
kundungen garniert, dümpelt ein weiteres maritimes
Projekt der Bundesregierung im Brackwasser: die feste
Fehmarnbeltquerung. Sie wurde 1991 in einem Ver-
trag zwischen Dänemark und Schweden angestoßen und
Ende der 90er-Jahre durch eine Machbarkeitsstudie prä-
sentiert. Doch erst im Frühjahr 2000 begann das Interes-
senbekundungsverfahren. Kopenhagen drängt, Berlin
schiebt auf die lange Bank. Obwohl die Beltquerung seit
Jahren Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes
ist und Brüssel dem Projekt strategische Bedeutung bei-
misst, tritt das Vorhaben weiter auf der Stelle; denn es
hat nicht den Segen der Bündnisgrünen; die mauern wie-
der mal. Die Bundesregierung ist auch hier zerstritten.
Seit Jahren kommt man nicht zu Potte, verärgert unsere
dänischen Nachbarn und schadet dem Wirtschaftsstand-
ort Deutschland, der auf gute Verkehrswege angewiesen
ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Untiefe Nummer fünf: die Lange-Bank-Politik Teil 3.

Mehr Courage wünschen wir uns auch vonseiten des
Wirtschaftsministers in Sachen Erdöl- und Erdgasför-
derung im deutschen Teil der Nordsee. Die größte Ener-
giequelle unseres Landes ist in Gefahr, trockengelegt zu
werden, weil Umweltminister Trittin gerade hier Natur-
schutzbelangen eine Zukunft geben will. England, Däne-
mark und die Niederlande fördern im gleichen Territo-
rium, doch die Bundesregierung hat Teile ihres Gebietes
als Schutzfläche nach Brüssel gemeldet.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Um Gottes Willen!)


Dort schmort die Sache. 5 Millionen Arbeitslose und
hohe Energiekosten scheinen noch nicht Mahnung ge-
nug für wirtschaftliches Handeln oder, um mit Schiller
zu sprechen: Ein Augenblick gelebt im Paradiese wird
nicht zu teuer mit dem Tod gesühnt.


(Zuruf von der SPD: Was hat das damit zu tun? – Annette Faße [SPD]: Es wird langweilig!)


Die deutschen Werften sind Flaggschiffe der mariti-
men Wirtschaft. Bedingt durch Tüchtigkeit, Technik und
Tatkraft aller Beteiligten stehen deren Schiffe trotz hoher
Kosten hoch im Kurs. Deutsche Reeder haben von
500 Aufträgen, die sie in diesem Jahr weltweit geordert
haben, 80 in Deutschland geordert.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie daran jetzt kritisieren?)


Die Umstellung von Wettbewerbshilfe auf Innova-
tionsmittel halten wir für richtig. Dabei machen wir mit.

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(C (D as ist eine europäische Lösung bei all den Auflagen, ie wir inzwischen für die Schiffbaufinanzierung haben, nd ein vertretbarer Teil. Wir sehen nur Probleme darin, (Zuruf von der SPD: Ihr habt immer Probleme!)


ass man 6 Millionen Euro ausgewiesen hat, einschließ-
ch der IG Metall aber der Auffassung ist, dass man
0 Millionen Euro für die Innovationsförderung benö-
gt.
Bei uns in Schleswig-Holstein,

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh, Herr Börnsen! Der Märchenerzähler! – Weitere Zurufe von der SPD: Oi! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Ochsenzungen!)


uf der schönen Halbinsel Eiderstedt, steht eine alte Ta-
el mit der Aufschrift: Gott schuf das Meer, der Friese
ie Küste. Welch ein Gottvertrauen, aber auch welch ein
laube an die Gestaltungsfähigkeit, den Mut, die Tat-
raft und die Tüchtigkeit von uns Menschen stecken da-
inter!
An die hier beschriebene Zuversicht sollte die mari-

me Politik anknüpfen. Sie sollte das Meer noch mehr
ür die Menschen nutzen, ohne es zu missbrauchen,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Noch mehr Meer!)

nd sie muss richtige Rahmenbedingungen dafür setzen.
nser Antrag geht dafür in die richtige Richtung.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517518600

Das Wort hat jetzt der Kollege Rainder Steenblock

om Bündnis 90/Die Grünen.


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517518700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Wolfgang Börnsen, wer versucht hat, durch die
rrungen und Wirrungen dieser Rede hindurch zu finden,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

er muss doch feststellen: Der Küste, dem maritimen
tandort Deutschland, geht es ausgezeichnet. Die mari-
ime Wirtschaft in Deutschland ist ein erfolgreicher,
ightechorientierter Wirtschaftszweig, ein Wirtschafts-
weig mit hoher Innovationskraft, ein Wirtschaftszweig,
er die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Volks-
irtschaft insgesamt stärkt und ein wesentlicher Faktor
ür Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen ist.
Trotz aller Versuche, etwas Negatives herauszufin-

en, muss man, lieber Wolfgang Börnsen, doch sagen:
n der Küste – sei es im Bereich Windenergie, sei es in
en Häfen, sei es in den Werften – brummt es,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: 20 Prozent Arbeitslosigkeit, Rainder!)







(A) )



(B) )


Rainder Steenblock

im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen unserer Wirt-
schaft. Es ist doch absurd, zu sagen, diese Bundesregie-
rung habe gerade im maritimen Bereich versagt. Ganz
im Gegenteil: Hier haben wir einen Wirtschaftsbereich,
auf den wir stolz sein können, über den wir alle positiv
reden könnten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein unverzichtbarer Bestandteil der maritimen Wirt-
schaft – das ist überhaupt keine Frage – sind die deut-
schen Seehäfen. Sie dienen als Drehscheibe des natio-
nalen, insbesondere des internationalen Güterverkehrs.
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und weiter
auszubauen, haben wir den gezielten und koordinierten
Ausbau der land- und seeseitigen Zufahrten zu diesen
Seehäfen durchzuführen. Das haben wir zu einem zen-
tralen Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans ge-
macht. Nicht Ihre Regierung, unsere Vorgängerregie-
rung, sondern diese rot-grüne Regierung hat dies zum
zentralen Bestandteil ihrer Politik gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das haben wir vorher schon gemacht!)


Die Seehäfen – darin sind wir uns alle einig – mit ih-
ren unterschiedlichen Profilen müssen kooperieren; das
ist überhaupt keine Frage. Dies ist auch im Rahmen der
„Gemeinsamen Plattform des Bundes und der Küsten-
länder zur deutschen Seehafenpolitik“ festgehalten wor-
den. Wir setzen uns dafür ein, dass dies umgesetzt wird.

Ein anderer wichtiger Bereich sind die Werften. Der
Welthandel boomt und die Globalisierung im Bereich
des Warenaustausches findet im Wesentlichen auf den
Meeren statt. Die Nachfrage nach Schiffen ist exorbitant
hoch. Lieber Wolfgang Börnsen, als Schleswig-Holstei-
ner müsstest du wissen, dass die deutschen Werften
– Lindenau in Kiel oder HDW mit dem Marineschiff-
bau – durch die hohe Kompetenz, die in ihnen steckt, in
Europa führend sind. Im Spezialschiffbau sind wir sogar
weltweit führend. Das ist keine Branche, die niedrig ge-
hängt werden müsste.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Bei 3,4 Prozent!)


– Ja. Im Spezialschiffbau haben wir aber viele Arbeits-
plätze, die sicher, zukunftsorientiert und hightech sind.
Auf diese Arbeitsplätze sind wir durchaus stolz. Wir
wollen sie erhalten und ausbauen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: 35 000 verloren in den letzten zehn Jahren!)


Ein weiterer Bereich, der von uns massiv unterstützt
worden ist, in dem auch und gerade an der Küste sehr
viele Arbeitsplätze geschaffen worden sind, ist die
Windenergie. Deutschland ist dank der Politik dieser
rot-grünen Bundesregierung und der sie tragenden
Koalition in diesem Bereich weltweit führend. „Erneuer-
bare Energien – made in Germany“ ist ein weltweit aner-
kanntes Siegel. Deutschland ist nicht umsonst der mit
Abstand größte Markt und Anbieter für die Nutzung der

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(C (D indenergie. Die Bundesregierung hat mit ihrer Strateie zur Förderung der Windenergienutzung neue Maßtäbe in Sachen umweltfreundlicher Stromerzeugung geetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das kostet den Steuerzahler 3 Milliarden Euro!)


ir werden diese Strategie weiter fortführen. Offshore-
nergie hat ein enormes Potenzial.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die anderen sind schon viel weiter!)


as, was wir auf der See an Megawatt installieren kön-
en, hat ein Investitionsvolumen von 45 Milliarden
uro.


(Birgit Homburger [FDP]: Und wer zahlt?)

Das rechnet sich mittlerweile von selbst. Die Investi-
onen, die Sie in die Atomkraft gesteckt haben und noch
tecken können, sind ein Klacks gegen das, was hier an
nschubfinanzierung geleistet wurde. Sie wissen doch
anz genau, wie die Finanzierung von Windenergie ge-
egelt ist. Die Windenergie ist im Gegensatz zu anderen
nergien, die Sie massiv unterstützt haben, volkswirt-
chaftlich ausgesprochen sinnvoll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Zukunftsträume! – Klaus Minkel [CDU/CSU]: Das ist blühender Unsinn!)


Aufgrund von Zwischenrufen werden wir unsere Poli-
ik mit Sicherheit nicht ändern. Mit den Rahmenbedin-
ungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde der
instieg in diese innovative Technologie geschaffen.
lle Länder Europas sind dabei, ihren Anteil an regene-
ativen Energien auszubauen. Der Bau von Windkraftan-
gen auf hoher See ist die konsequente Fortsetzung ei-
er nachhaltigen Energiepolitik, die an der deutschen
üste sehr viele Arbeitsplätze schaffen wird.
Wenn Sie die vorliegenden Anträge vergleichen, dann
erden Sie feststellen, dass der Antrag von SPD und
ündnis 90/Die Grünen die richtigen Fragestellungen
ufgreift und Lösungsvorschläge anbietet, um die Wett-
ewerbsfähigkeit unserer Küste zu erhalten bzw. auszu-
auen. Gleiches gilt für die Zahl der Arbeitsplätze. Das
t in unserem Antrag beispielhaft dargestellt. Ich bitte
ie alle, diesem Antrag zuzustimmen. Damit hat die
üste eine Zukunft.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das glaubst du doch nur im Traum!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517518800

Das Wort hat jetzt der Kollege Eberhard Otto von der

DP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )



Eberhard Otto (FDP):
Rede ID: ID1517518900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

Mensch von der Küste aus Mecklenburg-Vorpommern
und ehemaliger Seemann – ich bin mehrere Jahre als
Boots- und Steuermann zur See gefahren –


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Oh, das wussten wir noch gar nicht!)


ist mir dieses Thema natürlich besonders wichtig.

(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Er weiß, wovon er redet!)

Die Schifffahrt und die Häfen sind für uns Nordländer

von elementarer Bedeutung. Sie sind die Lebensader und
die wirtschaftliche Zukunft unserer Region. Beispiels-
weise wäre ein Mecklenburg-Vorpommern ohne mari-
time Entwicklung und ohne die Entwicklung der Werf-
ten unvorstellbar; das würde eine große wirtschaftliche
Schwächung bedeuten. Ohne einen leistungsfähigen und
kostengünstigen Seeverkehr gibt es keine wirtschaftliche
Entwicklung und keine Sicherheit der Handelsverbin-
dungen. 95 Prozent des interkontinentalen Handels und
62 Prozent des innereuropäischen Handels werden über
die See abgewickelt. Ein freier und ungestörter See-
verkehr ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich
die deutsche Wirtschaft weiterentwickeln kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jeder, der schon einmal im Norden war, weiß, wie
schön unsere Region ist. Städte wie Rostock, Wismar
und Lübeck sowie endlose Strände sind einzigartig. Die
Küstenländer haben ein besonderes Flair. Sie haben
große Chancen, aber sie sind auch besonders bedroht.
Schutz tut Not. Ohne Not wurde das öffentliche See-
amtsverfahren abgeschafft, und zwar gegen alle Wider-
stände von unseren Küsten. Noch heute leiden wir unter
dieser falschen Entscheidung.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


So haben wir bei der Bekämpfung des Alkoholmiss-
brauchs auf See ein echtes Problem, da der Sofortvoll-
zug des Patententzuges abgeschafft wurde. Wir fordern
die Bundesregierung deshalb auf, die Verhandlungen mit
der Russischen Föderation über mehr Seeverkehrssicher-
heit in der Ostsee zu intensivieren.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Die deutschen Reeder gehören zu den weltweit er-
folgreichsten. Sie besitzen circa ein Drittel der weltwei-
ten Containerkapazität. Die 1998 von der FDP durchge-
setzte Tonnagesteuer


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Ihr seid dabei gewesen!)


wurde von der Bundesregierung weitergeführt. Auch be-
züglich der Lohnnebenkosten und der Ausbildungsför-
derung hat es gute Regelungen gegeben. Durch diese
Maßnahmen wird die deutsche Flagge gestärkt. Es er-
folgte bereits – das wurde vorhin schon gesagt – eine

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(C (D ückflaggung von 100 Schiffen. Ich hoffe und gehe daon aus, dass weitere noch in diesem Jahr hinzukommen erden. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU] – Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie werden unserem Antrag zustimmen, oder?)


Ich möchte noch zur Problematik der Notfallschlep-
erausschreibung kommen. Es muss kritisch hinter-
ragt werden, warum der Steuerzahler für den Schutz
on Havaristen in Nord- und Ostsee in Zukunft mehr als
as Doppelte bezahlen soll. Dies ist nur zu rechtfertigen,
enn mit den neuen Schleppern auch ein deutliches Plus
n Sicherheit verbunden ist. Aber genau das ist nicht der
all. Die Leistungsfähigkeit der neuen Schlepper würde
aum über der der alten liegen. Das rechtfertigt nicht
ine Ausgabensteigerung von mehr als 120 Prozent.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517519000

Herr Kollege Otto, kommen Sie bitte zum Schluss.

Eberhard Otto (FDP):
Rede ID: ID1517519100

Letzter Satz: In diesem Zusammenhang möchte ich

bschließend noch werten, dass durch eine erhöhte Prä-
enz von Einsatzkräften im Bereich der so genannten
adetrinne in der Ostsee die Häufigkeit von Unfällen,
uch von Beinaheunfällen, bis zum heutigen Tage deut-
ich zurückgegangen ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517519200

Das Wort hat der Kollege Uwe Beckmeyer von der

PD-Fraktion.

Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1517519300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en!

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Noch einer von der Waterkant!)

ch wollte den beiden Kollegen von der Opposition ein
erk zeigen, von dem ich meine, dass sie es vorher hät-

en lesen sollen, und zwar die Dokumentation der Vier-
en Maritimen Nationalen Konferenz aus Bremen. Man
at aber an ihren Reden gemerkt, dass sie nicht ein einzi-
es Mal hineingeschaut haben,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Nichts über Diskriminierung, gar nichts!)


m nachzulesen, was dort von der gesamten Küste inklu-
ive aller Länder und der dort ansässigen Wirtschaft ge-
ordert worden ist.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Die Abschaffung der Opposition ist dort gefordert worden!)


nsofern darf ich einfach einmal ein Zitat aus dem Ver-
ehrsausschuss, dem Fachausschuss, dem werten Publi-
um vorlesen. Da heißt es, man lehne die Anträge der






(A) )



(B) )


Uwe Beckmeyer

Fraktionen der CDU/CSU und der FDP aufgrund von
Qualitätsmängeln ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesen Anträgen würden Vorschläge unterbreitet, die
bereits in Angriff genommen oder bereits abgearbeitet
worden seien bzw. es seien Vorschläge, die in die falsche
Richtung gingen. Ich denke, dieser fachlichen Wertung
ist nichts entgegenzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie schildert genau das, was wir hier eben gehört haben.
Ich möchte etwas in Erinnerung rufen – eigentlich ist

es nicht meine Art zurückzublicken, Herr Börnsen, aber
Sie sind schon etwas länger in diesem Parlament als
ich –: 1996 haben Sie Ihre Regierung in einer Großen
Anfrage gefragt, wie sie es mit der maritimen Wirtschaft
hält. Was hat diese Regierung damals geantwortet? Ein
umfassendes maritimes Konzept, so lautete seinerzeit
die Devise der Kohl-Regierung, sei wegen der Heteroge-
nität der maritimen Wirtschaft nicht möglich.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Lies mal ein bisschen weiter!)


Das Argument: Wesentliche Bestimmungsfaktoren der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit entzögen sich dem
staatlichen Einfluss. Stattdessen verfolgte die damalige
Bundesregierung nach eigener Aussage im Wesentlichen
eine sektorübergreifende Strukturpolitik, die die Wettbe-
werbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft stärkt.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sie hatte ein Programm!)


Was war die Folge? Den Werften ging es schlecht, der
Schifffahrt ging es schlecht und bei den Häfen hatten wir
Mühe, dagegenzuhalten.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die Tonnagesteuer ist unser Werk!)


Was ist seitdem passiert?

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Seitdem geht es aufwärts!)

Seitdem Rot-Grün regiert, haben wir jetzt zum vierten
Mal eine nationale Konferenz, initiiert durch den Bun-
deskanzler.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben einen maritimen Koordinator des Bundes-
ministers für Wirtschaft und Arbeit. Wir haben 15 priori-
täre Projekte bei den Hafenzufahrten im neuen Bundes-
verkehrswegeplan verankert und wir haben ein
Maßnahmenpaket zur Stärkung der maritimen
Standorte vorgelegt. Ich denke, mehr als das, was hier
jetzt auch mit der Wirtschaft verabredet worden ist, kann
man gar nicht für die maritime Wirtschaft tun.

Die Erfolge liegen auf der Hand. Die Kollegin Faße
hat gesagt, 272 Millionen Tonnen seien 2004 in den

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(C (D eutschen Seehäfen umgeschlagen worden. Das ist ein ekordergebnis. as haben wir in der Geschichte Deutschlands nie geabt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Annette Faße [SPD]: Jawohl!)


eutsche Reeder disponieren von deutschen Standorten
580 Handelsschiffe mit rund 41 Millionen Bruttoregis-
ertonnen modernster Tonnage. Das hat es niemals in
eutschland gegeben. Das ist ein Erfolg von Rot-Grün,
er in der maritimen Konferenz erarbeitet wurde. Die
erften, also die deutschen Schiffbauer, haben 2004
um ersten Mal ein geschätztes Auftragsvolumen von
,4 Milliarden Euro gehabt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as ist ein Erfolg, der für die Branche Gold wert ist,
eil er Stabilität in die Aufträge bringt. Herr Börnsen,
err Otto, das sind Trümpfe, an denen Sie nicht vorbei-
eden können.
Ihr Antrag mit dem Titel „Meer für morgen“ ist ein
eer von Tränen, weil Sie im Grunde nichts anderes
ennen als Schlechtreden, Schlechtreden, Schlechtreden.
as lassen wir hier nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Die können nichts anderes!)


ie Beispiele in der zusammen mit der deutschen mariti-
en Wirtschaft erarbeiteten Dokumentation zeigen,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Reine Propaganda!)


ass Sie mit allem, was Sie hier aufführen, völlig hinter
em Mond sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch etwas zu drei aktuellen Punkten sa-
en, die neben den bereits angesprochenen Bereichen
ichtig sind: Infrastrukturpolitik, Ordnungspolitik sowie
örderung innovativer technischer Entwicklung.
In der Infrastrukturpolitik haben wir es geschafft,

ie Weichen neu zu stellen.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wo?)

ch nenne als Beispiele die Maßnahmen Rostock–Berlin
nd Hamburg–Lübeck


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wo denn genau?)


owie die Hinterlandanbindungen und die seewärtigen
ufahrten.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Alle sind nicht finanziert! Bisher ist gar nichts passiert!)







(A) )



(B) )


Uwe Beckmeyer

Wir sind in diesen Bereichen im Konsens mit der mariti-
men Wirtschaft einen Riesenschritt vorangekommen.
Das lasse ich mir auch von Ihnen nicht klein reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Kein konkreter Punkt liegt vor!)


In der Ordnungspolitik haben wir bei der Schifffahrt
mit der Tonnagesteuer – Frau Faße hat es erwähnt –,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das sind alles Absichtserklärungen!)


mit dem Lohnsteuereinbehalt, mit der Ausbildungsplatz-
förderung, mit der Schiffsbesetzungsverordnung und mit
der Schiffssicherheitsanpassung eine komplett neue
Struktur erarbeitet. Die Kohl-Regierung hat während ih-
rer 16-jährigen Amtszeit nicht einmal daran gedacht,
dass so etwas zustande kommen könnte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Alles europäische Auflagen!)


Ich komme zum Bereich Häfen, zu dem schon einiges
gesagt wurde.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Was die Bundesregierung in Brüssel zum Thema Häfen getan hat!)


Hier wollen wir vor allen Dingen die Konkurrenzfähig-
keit unserer deutschen Seehäfen erreichen, indem wir
Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Markt besei-
tigen. Wir haben dazu passende Vorschläge gemacht.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das sag’ mal in Brüssel! Das musst du in Brüssel vorstellen!)


Wir haben im Bereich Werften die Exzellenzstrategie
mit der entsprechenden Branche erarbeitet. Wir werden
uns auf die Fortsetzung der strategischen Allianz für die
Meerestechnik und auf die weitere Unterstützung des
Short Sea Promotion Centers konzentrieren.

Der Kollege Steenblock hat bereits auf unser Engage-
ment im Bereich der Windenergie hingewiesen. Ich will
dazu nichts weiter ausführen, weil er es ausreichend er-
klärt hat.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517519400

Herr Kollege Beckmeyer, kommen Sie bitte zum

Schluss.


Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1517519500

Ich glaube, am Ende des Tages kann man sagen, dass

wir einige Zeit gebraucht haben, um die Fehler der Kohl-
Regierung zu korrigieren und den Standortinteressen ge-
rade der maritimen Wirtschaft im Norden unserer Repu-
blik, die keine Regionalfrage darstellen, sondern für die
gesamte Ökonomie unseres Staates von höchster Wich-
tigkeit sind, wieder die Bedeutung beizumessen, die sie
verdienen.

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(C (D Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517519600

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-

chusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf
rucksache 14/5417. Der Ausschuss empfiehlt unter
r. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des An-
rags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
en auf Drucksache 14/4862 mit dem Titel „Maritimen
tandort Deutschland stärken – Innovationskraft nut-
en“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
ung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
ie Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.
Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung

es Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
4/5099 mit dem Titel „Meer für morgen – Impulse für
ie maritime Verbundwirtschaft“. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit
en Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-
en der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-

er Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
er Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4847 mit dem
itel „Seeschifffahrt und Küstenschutz in Deutschland
tärken“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
chlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/
SU- und der FDP-Fraktion.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer
Funke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Daniel
Bahr (Münster), weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes
– Drucksache 15/3097 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
DP fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
erspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-

er dem Kollegen Hans-Joachim Otto von der FDP-
raktion das Wort.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1517519700

Herr Präsident! Liebe nicht maritime Kolleginnen

nd Kollegen! Die Freiheit und die Unabhängigkeit der






(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (Frankfurt)


Medien sind Grundvoraussetzungen einer funktionieren-
den Demokratie. Ohne Pressefreiheit ist eine freiheitli-
che Demokratie nicht vorstellbar. Es ist eine der zentra-
len Aufgaben der Presse, die Politik und die Parteien zu
kontrollieren. Jeder von uns weiß, wie zentral wichtig
diese Kontrollfunktion ist. Nicht umsonst gibt es den Be-
griff der vierten Gewalt. Diese wichtige Kontrollfunk-
tion schließt aus, dass diejenigen, die kontrolliert werden
sollen – nämlich die politischen Parteien –, wirtschaftli-
che Macht auf die Kontrolleure – nämlich die Presse –
ausüben können.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dorothee Mantel [CDU/CSU])


Geschieht dies dennoch, liegt eine strukturelle Störung
der demokratiestaatlichen Funktion der Presse vor.

Wir sind der Überzeugung, dass sich die Parteien zur
Sicherung der Unabhängigkeit der Medien eine wirt-
schaftliche Selbstbeschränkung auferlegen müssen.
Daher sieht unser Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
des Parteiengesetzes vor, dass Parteien zukünftig nicht
mehr an Rundfunk- und Presseunternehmen beteiligt
sein dürfen. Bis zum Jahr 2009 sind Übergangsregelun-
gen für den Abbau bestehender Beteiligungen – diese
gibt es nur bei einer Partei – vorgesehen.

Neben diesen grundsätzlichen demokratietheoreti-
schen Erwägungen sehen wir eine spezifische Problema-
tik, über die wir heute sprechen müssen. Die Über-
nahme der „Frankfurter Rundschau“ durch die SPD-
eigene Beteiligungsgesellschaft DDVG, die vor fast ge-
nau einem Jahr erfolgte, ist dabei nur der bekannteste
Fall.


(Jörg Tauss [SPD]: Sichere Arbeitsplätze!)

Die SPD ist zurzeit an immerhin 14 Zeitungs- und Zeit-
schriftenverlagen und 27 Hörfunksendern beteiligt.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Hört! Hört! – Jörg Tauss [SPD]: Springer, SAT.1?)


Hinsichtlich der „Frankfurter Rundschau“ mögen viel-
leicht noch manche Leser wissen, dass zwar das Wort
„unabhängig“ vorne draufsteht, dass die „FR“ aber tat-
sächlich zu 90 Prozent von der 100-prozentigen SPD-
Tochter DDVG abhängig ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Na und?)

– Lieber Herr Tauss, Sie sollten Ihre Zwischenrufe ein
bisschen besser dosieren. Ich will Sie an Ihren Partei-
freund Michael Naumann erinnern, der Ihnen noch gut
bekannt ist. Er hat nämlich kürzlich in seiner Wochen-
zeitung „Die Zeit“ geschrieben: „Eine Partei kauft sich
ihre Leser.“ Ich meine, die eine Partei kauft sich auch
ihre Wähler, und das halte ich für eine sehr problemati-
sche Entwicklung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Bei vielen anderen Zeitungen, Zeitschriften und auch
Radiostationen sind die Eigentumsverhältnisse nicht so
bekannt und ich bin davon überzeugt, dass viele Leser
und Hörer nicht wissen, dass die SPD an der Zeitung, die

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(C (D ie jeden Tag lesen, oder an dem Radiosender, den sie jeen Tag hören, in einem erheblichen Maße beteiligt ist. ie von der SPD mit herausgegebenen Zeitungen erreihen eine tägliche Auflage von rund 2 Millionen. as Problem ist, dass eine ganze Reihe von Zeitungen in ebietsmonopolen dazugehört. Es geht meiner Ansicht nach auch nicht darum, ob in er täglichen Redaktionsarbeit Einfluss ausgeübt wird. ber ich erinnere an ein altdeutsches Sprichwort, lieber err Tauss, das sogar bei Ihnen in Karlsruhe bekannt ist: an beißt nicht die Hand, die einen füttert. Insofern ist ie Befürchtung schon sehr groß. Liebe Freunde von der SPD, die lauten Zwischenrufe eweisen, dass hier ein getroffener Hund bellt. ie sollten sich in dieser Debatte ein bisschen zurückhaln. Mir fällt auf, dass sich die Grünen in dieser Sache ehr klug zurückhalten. Das ist offenbar ein Spezifikum er SPD. Es ist unbestreitbar, dass die Gefahr besteht, dass auf ersonalentscheidungen Einfluss genommen wird. Die PD hat nämlich direkten Einfluss nicht nur auf den Gechäftsführer der jeweiligen Organe, sondern sie besetzt uch den Chefredakteursposten. Es ist ja bekannt, welhen starken Einfluss man auf dieser Position auf die gliche Arbeit hat. Wir Liberale haben zwar generell ichts gegen eine wirtschaftliche Betätigung von Parien. (Jörg Tauss [SPD]: Heuchler! Das ist ja unglaublich!)


(Jörg Tauss [SPD]: Und Springer?)


(Jörg Tauss [SPD]: Na, na!)


(Zurufe von der SPD)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


enn sie dabei erfolgreich sind, dann sei es ihnen ge-
önnt. Aber es ist nicht einzusehen, warum sich Parteien
usgerechnet in der Branche betätigen müssen, die eine
beraus wichtige Kontrollfunktion hat. Die historische
egründung, die Sie nachher wahrscheinlich anführen
erden, ist jedenfalls inzwischen obsolet geworden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir verkennen nicht – auch das wird wahrscheinlich

leich von Ihnen angeführt werden –, dass es hier verfas-
ungsrechtlich schwierige Fragen gibt. Ich schlage Ihnen
eshalb vor: Lassen Sie uns im federführenden Aus-
chuss und in den mitberatenden Ausschüssen eine An-
örung zu den verfassungsrechtlich relevanten Fragen
urchführen! Ich will Ihnen aber eines sagen: Es gibt ein
rteil des Bundesverfassungsgerichts, in welchem das
erbot von Rundfunkbeteiligungen der Parteien in Nie-
ersachsen für verfassungsgemäß erklärt wird. Das Bun-
esverfassungsgericht hat das interessanterweise wie
olgt begründet: Die Notwendigkeit dieser Beschrän-
ung liegt darin, dass die Staatsferne und die Überpartei-
chkeit des Rundfunks gesichert werden müssen. Es ist
berhaupt nicht einzusehen, dass diese Entscheidung des






(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (Frankfurt)


Bundesverfassungsgerichts betreffend den Rundfunk
nicht in gleicher Weise für die Presse gelten soll.


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU])


Abschließendes Wort. Ich appelliere an Sie, die So-
zialdemokraten: Wenn Sie Ihre Beteiligungen an den
Presseunternehmen freiwillig veräußerten, dann könnten
wir uns den ganzen Spaß hier sparen. Sie sind diejeni-
gen, die einer problematischen Entwicklung weiterhin
Vorschub leisten. Ich fordere Sie auf, selbst zu erkennen,
welches Problem in der Beteiligung der SPD an Zeitun-
gen besteht.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Unverschämtheit!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517519800

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Fograscher von

der SPD-Fraktion.


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1517519900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die FDP unternimmt mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf zum wiederholten Mal den Versuch,


(Jörg Tauss such! – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Der ist ganz neu!)


die SPD und ihre erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit
zu diffamieren,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jetzt kommt es!)


die Chancengleichheit der Parteien mit ihren historisch
gewachsenen Strukturen der Finanzierung abzuschaffen


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ich habe es gewusst!)


und die SPD erneut zu enteignen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Novellierung des Parteiengesetzes infolge des CDU-
Schwarzgeldskandals wurde mithilfe von Sachverständi-
gen vorgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat
– auch hier stimmt Ihre Aussage nicht – keine Einwände
gegen die Unternehmensbeteiligungen der Parteien
und damit auch nicht gegen die der SPD erhoben. Die
SPD befolgt die Vorgaben des Parteiengesetzes. Sie hat
in ihren Finanzen die größtmögliche Transparenz. Die
Rechenschaftsberichte, die Finanzberichte und die Ge-
schäftsberichte der Deutschen Druck- und Verlagsgesell-
schaft, also jenes Unternehmensbereichs der SPD, legen
alle Einnahmen und Ausgaben sowie die Beteiligungen
uneingeschränkt offen.

Die FDP scheint hingegen kein Verfechter der Trans-
parenz zu sein; denn vor Ort in den Bundesländern sind
Sie es, die sich weigern, im Impressum von Tageszeitun-

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(C (D en die Eigentumsverhältnisse und somit die Beteiligunen offen zu legen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: In welchem Land weigern wir uns?)


ie haben außerdem wenig Vertrauen in die Urteilsfähig-
eit der Bürgerinnen und Bürger. Sie suggerieren, dass
ie SPD über ihre Beteiligungen Einfluss auf die Me-
ienberichterstattung nimmt. Dafür können Sie aber
eine Beweise oder Belege vorlegen.


(Jörg Tauss [SPD]: Im Gegenteil! – Lachen der Abg. Dorothee Mantel [CDU/CSU] und des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])


a Sie wissen, dass Sie für Ihren Gesetzentwurf keine
ehrheit im Bundestag finden, versuchen Sie über die
undesländer und eine Änderung der Landesmedienge-
etze – darauf bezieht sich das angesprochene Urteil des
undesverfassungsgerichts hinsichtlich der Beteiligung
n Rundfunkanstalten –, die SPD erneut zu schädigen.
agegen läuft ein Normenkontrollverfahren vor dem
undesverfassungsgericht, das bislang nicht entschieden
st.
In der 14. Wahlperiode wurde eine Kommission zur
eform der Parteienfinanzierung vom Bundespräsi-
enten einberufen. Diese überparteiliche Kommission
nd ihr Beirat waren mit Personen besetzt, die sich mit
iesem Thema auskannten, praktisch und rechtlich. In
en abschließenden Empfehlungen dieser Kommission
u den Beteiligungen von Parteien im Medienbereich
eißt es – ich zitiere –:

Die Kommission empfiehlt keine gesetzlichen Re-
gelungen zur Begrenzung der unternehmerischen
Tätigkeit von Parteien, auch nicht im Medienbe-
reich. Ein etwaiger beherrschender Einfluss von
Parteien auf die Presse aufgrund von Beteiligungen
im Bereich der Printmedien wäre im Übrigen vor-
rangig mit den Mitteln und nach den allgemeinen
Maßstäben des Kartellrechts und des Presserechts
einzudämmen. Dass ein solcher Zustand derzeit
von irgendeiner Partei in Deutschland erreicht
wäre, ist nicht ersichtlich. Die Möglichkeit der Par-
teien, an der Entwicklung der neuen Medien teilzu-
nehmen, insbesondere des Internets, sollte nicht be-
schnitten werden.

aran hat sich auch in der 15. Legislaturperiode nichts
eändert. Falls Sie an diesem Thema ernsthaft und ob-
ektiv interessiert sind, können und sollten Sie die Er-
ebnisse der Kommissionsarbeit nachlesen.


(Inge Wettig-Danielmeier [SPD]: Richtig!)

Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die das
rundrecht auf Meinungs-, Presse- und Rundfunkfrei-
eit ebenso ausüben wie ihr Grundrecht auf Eigentum.
it Ihrem Gesetzentwurf schaffen Sie nicht mehr
resse- und Meinungsfreiheit;


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Natürlich!)







(A) )



(B) )


Gabriele Fograscher

vielmehr wollen Sie damit gezielt eine Partei schädigen,
die in ihrer 140-jährigen Geschichte gerade für Mei-
nungsfreiheit, für die Vielfalt und für die Unabhängig-
keit der Presse gekämpft hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ihr Gesetzentwurf ist ein untauglicher Vorschlag,
mehr Transparenz, Meinungsvielfalt und Unabhängig-
keit in den Medien zu schaffen. Er richtet sich einseitig
gegen die SPD und ist ein durchsichtiger Versuch, die
Chancen der SPD im Parteienwettbewerb massiv zu
schädigen. Wir lehnen diesen verfassungswidrigen Ge-
setzentwurf ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Fantastisch!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Mantel von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Jörg Tauss [SPD]: Noch so eine Presse spezialistin!)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1517520100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hält
Anteile an 14 Verlagen, an 30 Tageszeitungen, an 40 An-
zeigenblättern und an knapp 30 Hörfunkstationen. Damit
erreicht sie mit einer Gesamtauflage von über 6 Millio-
nen Exemplaren 12 Millionen Leser. Um Ihnen dieses
Schreckensszenario zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen
eine Übersicht zeigen:


(Die Abgeordnete hält ein großes Schriftstück hoch – Zurufe)


Die pink markierten Felder zeigen die Beteiligungen der
SPD.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])

– Statt hier herumzuschreien, könnte Herr Tauss diese
Übersicht halten. Das wäre eine gute Idee.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das wäre endlich einmal eine tragende Rolle für Herrn Tauss!)


– Ja, das wäre einmal eine tragende Rolle für Herrn
Tauss.

Um dieser Manipulation ein Ende zu setzen, hat die
FDP einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die CDU/CSU-
Fraktion unterstützt diesen FDP-Gesetzentwurf einstim-
mig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein Verbot von Medienbeteiligungen von Parteien ist nur
zu befürworten.


(Abg. Jörg Tauss [SPD] nimmt das Schriftstück der Abg. Dorothee Mantel [CDU/CSU] an sich und hält es hoch)



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(C (D Herr Tauss, schauen Sie es sich nur genau an, damit ie wissen, woran die SPD überall beteiligt ist. Ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Herr Tauss, setzen Sie sich bitte hin und legen Sie das eg! Bitte schön, Frau Mantel. Aber Sie wissen es ja eigentlich, Herr Tauss, weil bei hnen alles angeblich so wahnsinnig transparent ist. Ich uss ganz ehrlich sagen: Jetzt haben Sie es gesehen und etzt kann die SPD ihre Medienbeteiligungen aufgeben. (Jörg Tauss [SPD]: Warum das denn? Springer, Sat.1!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520200

(Jörg Tauss [SPD]: Es war so schlecht lesbar!)

Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1517520300

o witzig das Ganze von Ihnen gerade gemeint war: Die-
es Thema ist leider viel zu ernst.


(Jörg Tauss [SPD]: Kohl hat jede Pförtnerstelle beim ZDF besetzt! So war das! – Gegenruf des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Taussiboy, jetzt halt dich doch mal zurück hier!)


Wie aktuell die Debatte ist, die wir heute führen,
onnte man am Montag im „Focus“ lesen. Demnach
usste der Chefredakteur der „Hannoverschen Allge-
einen Zeitung“ nach 16 Jahren vorzeitig seinen Platz
äumen, da er mit der Berufung seines Nachfolgers nicht
inverstanden war. Das ist auf den ersten Blick vielleicht
eine ungewöhnliche Nachricht. Das kann vorkommen.
pannend wird diese Tatsache erst dann, wenn man
eiß, dass die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ zu
inem Fünftel der SPD-eigenen Deutschen Druck- und
erlagsgesellschaft gehört, der so genannten DDVG.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, richtig!)

ie DDVG griff massiv in die Entscheidung über einen
euen Chefredakteur ein. Sie besetzte den Posten mit ei-
em SPD-nahen Redakteur.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Hört! Hört! Jetzt kaufe ich die nicht mehr!)


er Mitbewerber galt als zu CDU-nah und hatte deshalb
eine Chance.
Das ist ein völlig inakzeptabler Eingriff in die Ent-

cheidungshoheit einer Redaktion und zeigt, dass die
PD bei Personalentscheidungen gezielt manipuliert.
ie Redaktionen werden systematisch so besetzt, dass
a nur Genossen sitzen.


(Jörg Tauss [SPD]: Eine Unverschämtheit!)

Wie direkt die SPD über die DDVG in die Redaktio-

en der Zeitungen hineinregiert, zeigt sich auch darin,
ass Redakteure in ihren Arbeitsverträgen dazu ver-
flichtet werden,


(Jörg Tauss [SPD]: Mitglied zu werden?)







(A) )



(B) )


Dorothee Mantel

SPD-freundlich zu berichten.


(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Die sozial-liberale politische Einstellung, die explizit in
jedem Redakteursvertrag der „Frankfurter Rundschau“
steht, ist so ein Beispiel.


(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Unsere Demokratie lebt von Meinungsvielfalt und

Pressefreiheit. Die SPD zerstört diese durch ihre unsägli-
chen Unterwanderungen.


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP] – Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Berühmtestes Beispiel ist die „Frankfurter Rund-
schau“, an der die DDVG im vergangenen Jahr eine
Mehrheitsbeteiligung von 90 Prozent übernommen hat;
der Kollege Otto hat es bereits angesprochen.


(Jörg Tauss [SPD]: Kommt die aus Bayern?)

So ist die „Frankfurter Rundschau“ zu einem Kampfblatt
der SPD geworden.


(Lachen bei der SPD)

Kann es richtig sein, dass in einem demokratischen

Rechtsstaat eine Partei umherzieht und Zeitungen auf-
kauft, gerade wie es ihr gefällt?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Nein! Nein! Gebt die Presse frei!)


Ich meine: Nein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Eine weitere Strategie der SPD zielt darauf ab, regio-
nale Meinungsführerschaften zu gewinnen. Anfang
2003 kaufte die DDVG beispielsweise dem Süddeut-
schen Verlag seinen Anteil von 70 Prozent an der „Fran-
kenpost“ in Hof ab und besaß somit 100 Prozent. Wer
wie ich aus Franken kommt, der weiß, dass die „Fran-
kenpost“ in der Stadt und im Landkreis Hof die einzige
lokale Tageszeitung ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Die haben alle SPD gewählt! So richtig!)


Gemeinsam mit der „Neuen Presse“, Coburg, kommt die
SPD bei den Lokalzeitungen in Oberfranken auf einen
Marktanteil von über 70 Prozent. Dadurch werden ge-
zielt Monopolregionen gebildet.

Die Realität ist doch bereits heute so, dass es in vielen
unserer Landkreise nur noch eine einzige lokale Tages-
zeitung gibt. Wenn diese einzige lokale Tageszeitung der
SPD gehört, dann besitzt diese nicht nur das Zeitungs-,
sondern auch – das finde ich viel schlimmer – das Mei-
nungsmonopol in dieser Region.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das ist ja Kabarett! Der Gründer der CDU Nordbaden hat meine Zeitung gegründet! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Die SPD hat das Zentralorgan!)


Die Freiheit von Rundfunk und Presse ist ein Wert,
der nicht überall auf der Welt selbstverständlich ist. Das

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(C (D st etwas, was wir in Deutschland Gott sei Dank wieder aben. Die Freiheit von Rundfunk und Presse bedeutet uch Kontrolle staatlichen Handelns. Kontrollieren ann aber nur, wer unabhängig ist. (Erika Lotz [SPD]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)


inanzielle Abhängigkeit von einer Partei zerstört die
ontrollfunktion. Übernimmt eine Partei eine Zeitung
uch noch in einer finanziell angeschlagenen Situation,
ie das beispielsweise bei der „Frankfurter Rundschau“
ar, ist die Abhängigkeit natürlich unermesslich.
Ich erinnere mich noch gut an den 3. August im letz-

en Jahr. Da hat die „Frankfurter Rundschau“ an einem
inzigen Tag einmal ihre Maske fallen lassen. Da stand
ämlich statt „Unabhängige Tageszeitung“ „Abhängige
ageszeitung“ als Unterüberschrift. Ich möchte mich
eute bei dem bedanken, der das veranlasst hat.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Der so mutig war!)


r hat die Wahrheit in Druck gegeben und hat den Mut
ewiesen, die SPD-Repressalien nicht länger still-
chweigend zu erdulden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wer so was aufschreibt, der zertrampelt auch Gentechnikfelder!)


Da wir schon beim Thema Wahrheit sind: Es mutet,
elinde gesagt, schon etwas merkwürdig an, wenn sich
usgerechnet die rot-grüne Regierung, die die Kenn-
eichnungspflicht bis zum Exzess betreibt, weigert, ihre
oten Produkte zu kennzeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ngeblich ist Ihrer Regierung der Verbraucherschutz so
ichtig. Alle Lebensmittelprodukte müssen über Gebühr
ekennzeichnet sein. Verträge müssen bis ins Letzte so
ekennzeichnet sein, dass sie nicht diskriminieren. Sie
aben also eine wahre Kennzeichnungswut. Nur rot ge-
ärbte Informationen müssen nicht gekennzeichnet sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wenn schwarze Blätter schwarz werden, dann könnte man nichts mehr lesen!)


ier möchte ich dringend an den von Ihnen so viel be-
chworenen Verbraucherschutz appellieren. Auch hier
eigt sich mal wieder: Sonntagsreden der rot-grünen Re-
ierung in jedem Politikbereich.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh Gott, das war eine Donnerstagsrede!)


Woher beziehen die Bürger in unserem Land ihre In-
ormationen? Natürlich aus den Medien und besonders
us den Printmedien. Unsere Bürger verlassen sich auf
ie Informationen. Das müssen sie auch. Wenn man früh
ie Zeitung liest, hat man nicht die Möglichkeit, jeden
rtikel noch einmal gegenzuprüfen.


(Gabriele Fograscher [SPD]: Siehe „Bild“Zeitung!)







(A) )



(B) )


Dorothee Mantel

Nicht umsonst sagt man: Das habe ich schwarz auf weiß
gelesen.

Wenn die Bürger aber nur auf Medien zurückgreifen
können oder zurückgreifen müssen,


(Jörg Tauss [SPD]: Von Springer! – Gegenruf des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist kein CDU-Blatt! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Hausblatt von Doris Schröder-Köpf ist das!)


die von Parteien über verwobene Beteiligungen gehalten
werden, dann kann man doch nicht allen Ernstes davon
sprechen, dass hier noch freie Meinungsbildung gewähr-
leistet wird. Denn das ist doch der springende Punkt in
dieser Debatte: Darf jemand eine Zeitung besitzen, der
eigentlich der Kontrolle durch die Presse ausgesetzt sein
müsste?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: So ist es!)


Die SPD missbraucht so das Vertrauen der Leser, die
sich in einer Zeitung informieren wollen und darauf ver-
trauen, dass die Informationen in ihrer Zeitung stimmen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist Chuzpe, was Sie hier vortragen!)


Ein besonderes Vertrauen haben die Menschen in ihre
Lokalzeitung. Die Lokalzeitungen sind die meistgelese-
nen Presseprodukte. Deshalb finde ich es besonders per-
fide, dass sich die SPD hauptsächlich in Lokalzeitungen
einkauft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie geben ja auch offen zu, dass Sie mit Ihren Beteili-

gungen den Inhalt bestimmen. Ihre Schatzmeisterin – sie
werden wir ja nachher noch hören –, Frau Wettig-
Danielmeier,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wir freuen uns schon!)


sagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

(Jörg Tauss [SPD]: Die brauchen Sie gar nicht!)

Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben,
kann in der Regel nichts ohne uns passieren.

Ich glaube, diese Aussage spricht für sich, Frau Wettig-
Danielmeier.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einen Tipp ge-
ben, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie auch ohne
finanziellen Einsatz die Titel aller Tageszeitungen be-
herrschen können. Geben Sie einfach eine Pressemittei-
lung heraus, in der steht: SPD trennt sich von all ihren
Medienbeteiligungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das würde Ihnen gefallen! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist unter „Bild“-Zeitungs-Niveau!)


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(C (D Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von euforn, Bündnis 90/Die Grünen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich

ufgewachsen bin, bin ich, als ich einmal in Berlin war,
uf die Straße gegangen mit dem Slogan: Enteignet
pringer! Es gab einen guten inhaltlichen Grund dafür.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Manfred Grund [CDU/CSU]: Enteignet die SPD!)


Angesichts der Medienlandschaft, die Sie in Ihrem
ntrag beschreiben, habe ich mich gefragt, welche Zei-
ung ich jeden Tag lese und wo ich überhaupt lebe.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Bleiben Sie doch einmal beim Thema, Frau Stokar!)


ie Frau Kollegin Mantel aus Bayern, CSU-Mitglied
nd auch irgendwie Journalistin,


(Jörg Tauss [SPD]: Journalistin? Parteischreiberin!)


öchte mir hier offensichtlich erläutern, dass die Me-
ienvielfalt in Bayern sichergestellt sei. Ich könnte hier
enauso wie Sie eine Liste aufstellen und Ihnen darle-
en, in wie vielen Bereichen das nicht stimmt.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Wir haben keine eigene Medienbeteiligung!)


ass hier der „Bayernkurier“ als Organ der Pressefrei-
eit dargestellt wurde,


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Das ist eine Parteizeitung!)


eigt doch, wie absurd diese Debatte ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dorothee Mantel [CDU/ CSU]: Schämen Sie sich nicht für diese Aussage?)


Herrn Kollegen Otto möchte ich sagen: Wir haben
ier in diesem Hause einmal eine seriöse Debatte über
as Problem der Medienbeteiligungen von Parteien ge-
ührt. An dieser Debatte war unter anderem Herr Hans-
ietrich Genscher beteiligt. Vielleicht sollten Sie einmal
achlesen, welch kluge Dinge Herr Genscher damals zu
ieser Problematik gesagt hat


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg Tauss [SPD]: Lange vorbei!)


nd zu welcher Empfehlung er damals gekommen ist.

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Niveau der FDP sinkt von Jahr zu Jahr!)


ir setzen uns – darin sind wir uns einig – für eine viel-
ältige Presselandschaft und für Vielfalt in den Medien
in. Herr Genscher hat damals zu Recht angeregt, im
artellrecht etwas zu ändern. Es ist damals zu Recht an-






(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn

geregt worden, dass im Impressum der Zeitung alle Be-
teiligungen, also nicht nur Beteiligungen von Parteien,
sondern auch wirtschaftliche Verflechtungen, öffentlich
und transparent gemacht werden. Aber diese Form von
Transparenz, die wir damals gefordert haben, ist hier un-
ter anderem auch von der FDP-Fraktion abgelehnt wor-
den.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wo haben wir was abgelehnt? Jetzt einmal ganz konkret! Das ist das zweite Mal, dass hier so was behauptet wird! Das stimmt überhaupt nicht!)


Ich will hier auch gar nicht darüber reden – obwohl
ich mich sehr gut daran erinnere –, dass es eine Freund-
schaft zwischen einem Herrn Bundeskanzler Kohl und
einem Leo Kirch gegeben hat. In diesem Fall konnte
man doch von Medienkonzentration sprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich hier auch etwas zur historischen Ent-
wicklung der Sozialdemokratie –


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Aber bei der Wahrheit bleiben!)


ich denke, das ist ein sehr ernstes Thema – und der Me-
dienlandschaft in Deutschland sagen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520500

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Otto?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr souverän!)


Meine Damen und Herren, es gab Zeiten in diesem
Deutschland, da hatten Abgeordnete aus der Sozialde-
mokratie nicht den Hauch einer Chance, ihren Lebens-
unterhalt durch Arbeit in einem bürgerlichen Beruf oder
in der Wirtschaft zu verdienen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Aber das ist doch vorbei!)


Mit diesen Journalisten und Schriftstellern begann die
Verflechtung von Sozialdemokratie und Medien.

Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass nach dem
Ende des Faschismus – wir haben hier viele Reden dazu
gehalten – die Alliierten sehr bewusst Widerstandsleute
aus der SPD geholt haben, dass sie diesen Leuten zuge-
traut haben, in Deutschland eine demokratische Presse
aufzubauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D as sind die historischen Gründe für die besondere Verlechtung zwischen der Sozialdemokratie und den edien, (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Und was sind die aktuellen Gründe?)


ründe, die damals, als seriös in einer Kommission über
as Thema geredet wurde, gewürdigt worden sind.
Ich nehme die SPD in Schutz, weil die Sozialdemo-

ratie einen Beitrag dazu geleistet hat, gegen die rechte
ressekonzentration ein inhaltliches Gegengewicht zu
etzen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie ihr
orzuwerfen versuchen. Die SPD hat einen großen Bei-
rag in Deutschland dazu geleistet, dass wir in der Pres-
elandschaft eine demokratische Vielfalt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Und die FDP stellt sich hier hin und fordert ein Total-
erbot der Beteiligung von Parteien an Medien. Sie wis-
en doch, dass es entsprechende Verfassungsgutachten
ibt, dass damals in der Kommission – unter Ihrer Betei-
igung – Gutachten erstellt worden sind. Wenn Sie hier
eute einen Antrag auf Totalverbot stellen, dann ist das
urer Populismus.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Das ist notwendig!)


hnen geht es darum, die SPD anzugreifen; Ihnen geht es
icht um Pressefreiheit. Sie wissen sehr wohl, dass Ihr
ntrag verfassungswidrig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Dann lassen Sie uns eine Anhörung machen!)


Wir sind bereit – ich muss zum Schluss kommen –,
ine Anhörung dazu zu machen, wie wir Medienvielfalt,
edienfreiheit und Pressefreiheit in Deutschland weiter
tärken können. Dazu gehört auch, dass die Journalisten,
ie zum Beispiel für große Zeitungen als freie Journalis-
en arbeiten, offen legen, von wem aus der Wirtschaft sie
onst noch bezahlt werden. Wir haben zum Beispiel eine
ußfilterdebatte in den Medien gehabt, die gezielt zur
erhinderung einer wichtigen Innovation geführt hat.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist aber nicht das Thema heute!)


ie Journalisten, die sich an der Diffamierung von Ruß-
iltern wesentlich beteiligt haben, hatten auch Verbin-
ungen zu Autokonzernen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520600

Kommen Sie bitte zum Schluss.

(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Das Thema haben Sie verfehlt. Pressefreiheit und

ressevielfalt sind mit uns zu machen, aber nicht auf






(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn

diese populistische Art und Weise, wie Sie das hier heute
versuchen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dorothee Mantel [CDU/ CSU]: Themaverfehlung, Frau Stokar!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517520700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Inge Wettig-

Danielmeier von der SPD-Fraktion.

Inge Wettig-Danielmeier (SPD):
Rede ID: ID1517520800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie ernst

sind politische Initiativen einer Partei und einer Parla-
mentsfraktion zu nehmen, die wenige Tage nach einem
Parteitag offen gegen Erklärungen dieses Parteitags ver-
stoßen?


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Die FDP hat sich auf ihrem Parteitag zur Rechtsstaats-
partei ernannt.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Rechts“ hätte gereicht!)


Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Parteiengeset-
zes verstößt sie ohne jedes Bedenken gegen eine wich-
tige Bestimmung des Grundgesetzes.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Aber die SPD ist die Verkörperung des Rechtsstaats, oder?)


– Nein, wir haben Grundrechte, wie Sie auch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie verletzen das Grundrecht, dass kein Eigentum auf
der Grundlage eines Einzelfallgesetzes entzogen werden
kann.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wer redet hier von Einzelfallgesetzen? Das ist doch kein Einzelfallgesetz!)


– Dies ist ein Einzelfallgesetz. Es gehört viel verfas-
sungsrechtliche Blindheit dazu, ausschließlich unsere
Grundrechte im Feld wirtschaftlicher Tätigkeit beseiti-
gen zu wollen


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das gilt für alle Parteien!)


und dabei völlig zu übersehen, dass das nur mit einem
Einzelfallgesetz möglich ist.

Ich möchte es nicht bei diesem prinzipiellen, verfas-
sungsrechtlichen Einwand belassen. Ich möchte eben-
falls den politischen Hintergrund ausleuchten, auch
wenn Sie sich darüber mokieren. Ich bitte die Kollegin-
nen und Kollegen der anderen Fraktionen des Hauses zu
verstehen, dass wir Sozialdemokraten auf jeden offenen
und versteckten Enteignungsversuch empfindlich reagie-
ren.


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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dorothee Mantel [CDU/ CSU]: Das gilt für jede Partei!)


Das gilt für jede Partei. Aber wir wollen Sie ja auch
icht enteignen.
Wir sind dreimal enteignet worden. Die deutschen

ozialdemokraten sollten mit dem Sozialistengesetz we-
en ihres Kampfes für politische und soziale Grund-
echte im Kaiserreich vernichtet werden. Die Partei ist
amals nicht untergegangen. Aber sie verlor ihr Eigen-
um – entschädigungslos.
Noch härter trafen sie die Verfolgung und das Verbot

urch das nationalsozialistische Deutschland.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ach du meine Güte! Das ist jetzt eine Linie! Mir kommen die Tränen! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: In dieser unsäglichen Tradition seid ihr!)


s ist richtig: Es hat dafür nach 1945 Wiedergutmachung
egeben. Aber diese Entschädigung hat bei weitem nicht
ie verloren gegangenen Werte ersetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Durch die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD
ur SED wurde uns die Nutzung unseres Eigentums in
er SBZ bzw. in der DDR für 50 Jahre entzogen. Es gab
lso eine dritte Enteignung in einem Teil Deutschlands.
er finanzielle Ausgleich, der geflossen ist, konnte die
atsächlichen Verluste bei weitem nicht ersetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Wer hat denn das SPD/ SED-Papier gemacht?)


Es mag sein, dass für eine Partei, die erst knapp
0 Jahre besteht, diese Argumente unbeachtliche histori-
che Reminiszenzen sind.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517520900

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Tauss?


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Unbedingt! – Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Darauf hat die Welt gewartet! – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Redet doch in der Fraktion miteinander!)



Inge Wettig-Danielmeier (SPD):
Rede ID: ID1517521000

Ja, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517521100

Frau Kollegin Wettig-Danielmeier, würden Sie mir

estätigen, dass ein Großteil der Beteiligungen, die uns
orhin durch unsere Kollegin Mantel auf dem Transpa-
ent vorgestellt worden sind, genau die Beteiligungen
mfassen, die nach der Zeit des nationalsozialistischen
nrechts und nach dem Ende der SED-Diktatur zurück-
egeben wurden?






(A) )



(B) )


Jörg Tauss


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ach du meine Güte! Die „Rundschau“ gehört nicht dazu! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Die „Sächsische Volkszeitung“ auch nicht! – Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Die „Frankenpost“ auch nicht!)



Inge Wettig-Danielmeier (SPD):
Rede ID: ID1517521200

Ich konnte diese Übersicht leider nicht genau studie-

ren. Sie enthält eine Reihe von Fehlern. Ich kann Ihre
Aussage im Moment weder bestätigen noch dementie-
ren.


(Jörg Tauss [SPD]: Aber es ist so!)

– Wenn Sie das so genau gelesen haben, dann wird es
schon stimmen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sie können doch ganz einfach verkaufen! Da muss niemand enteignet werden! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist doch eine Zwangsveräußerung! Die hatten wir in Deutschland schon einmal! Mit dem Rechtsstaat haben Sie nichts am Hut!)


Wir hatten in unserer 142-jährigen Geschichte immer
Medien. Wir haben unser Medieneigentum über die Ka-
tastrophen der deutschen Geschichte hinaus bewahrt.
Wir waren in der Lage, uns unternehmerisch dem wirt-
schaftlichen und technologischen Wandel im Medien-
sektor anzupassen.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Unser Antrag scheint Sie nicht zu bewegen! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Vergessen Sie nicht, was in den Zeiten 33 bis 45 passiert ist! Auf so dünnem Eis bewegen Sie sich!)


Wir haben – das müssen Sie sich auch einmal sagen
lassen – durchweg Minderheitsbeteiligungen.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: 100 Prozent! 90 Prozent!)


– Lassen Sie mich darauf antworten. Wir haben keine
Beteiligungen in Höhe von 100 Prozent. Die haben wir
nur beim „Vorwärts“ und nirgendwo anders. Sie sollten
sich genauer informieren, ehe Sie Ihre Reden halten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Was ist mit der „Rundschau“?)


Wir haben die journalistische Freiheit immer gewahrt
und ihre Chancen gefördert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das tun wir auch in Frankfurt, und zwar kontrolliert
durch die hessische Landesregierung,


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Kontrolliert durch die SPD!)


die uns durch die Stiftungsaufsicht des Landes Hessen
– das ist einmalig unter unseren Beteiligungen – aufer-

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(C (D egt hat, eine unabhängige linksliberale Zeitung zu gaantieren. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist doch nicht die Landesregierung! Das steht in der Satzung drin!)


as tun wir sonst nirgends.

(Beifall bei der SPD)


Wir haben, wie Sie sehr wohl wissen, eindeutig ge-
agt, dass wir nach der Sanierung die Minderheitsbeteili-
ung an der „Frankfurter Rundschau“ anstreben und
icht bei der 90-prozentigen Beteiligung bleiben wollen.
Sie haben sich auch in Bezug auf Hof nicht sorgfältig

enug erkundigt. Wir haben für die Zeitung in Hof – da
aben Sie Recht – für zwei Jahre eine Beteiligung von
00 Prozent übernommen, weil die „Süddeutsche Zei-
ung“ in Schwierigkeiten gekommen war und kartell-
echtliche Probleme sie daran gehindert haben, einen
usätzlichen Gesellschafter aufzunehmen, der die Sanie-
ung hätte garantieren können.


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Ein Samariterakt sozusagen!)


ir haben die Beteiligung in Hof inzwischen wieder zu-
ückgegeben. Das ist kartellrechtlich ein Problem; das
issen Sie genauso gut wie ich.
Sie werden natürlich lebhaft bestreiten, dass Sie den

ntwurf eines Enteignungsgesetzes vorgelegt haben.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist richtig! Da haben Sie jetzt wirklich mal Recht!)


er die in diesem Gesetzentwurf genannten Fristen be-
rachtet – sie sind zum Teil schon abgelaufen –, wird mir
ustimmen: In diesen Zeiträumen können Unterneh-
ensbeteiligungen nur unter hohen Verlusten verkauft
erden.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Über diese Fristen könnten wir uns unterhalten!)

ch nehme an, dass einige Freie Demokraten dies auch
o wollen.


(Erika Lotz [SPD]: So ist es!)

ie deutliche finanzielle Schwächung der SPD ist ein
eabsichtigter Kollateralschaden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


ch kann auch nicht ausschließen, dass Sie verdeckt Inte-
essen von Medienkonzernen verfolgen,


(Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch nicht ernsthaft!)


ie unser Medieneigentum seit langem interessiert um-
reisen. Müssten wir verkaufen, könnten diese Interes-
enten zugreifen; sie müssten es sogar. Ihren Gesetzent-
urf könnten wir deshalb durchaus wie ein verdecktes
ressekonzentrationsfördergesetz wirken lassen.






(A) )



(B) )


Inge Wettig-Danielmeier


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feindliche Übernahme nennt man so etwas!)


Den i-Punkt auf Ihre verdeckten Absichten setzt Ihre
Behauptung in der Gesetzesbegründung, dass durch die
Annahme Ihrer Vorschläge keine Mehrkosten entstehen.
Selbstverständlich müssten die Enteignungen entschä-
digt werden;


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist doch keine Enteignung!)


denn nach wie vor, geschätzte Fraktion einer Rechts-
staatspartei, gilt Art. 14 des Grundgesetzes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden also die Ausschussberatungen zu einem
– ich weiß nicht, wievielten – historischen und verfas-
sungsrechtlichen Repetitorium benutzen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Vielleicht hilft Ihnen dies, von der selbst ernannten zur
realen Rechtsstaatspartei zu werden. Diese Mühen wür-
den wir nicht scheuen, um Ihnen dabei zu helfen, sich
von der Spaßpartei endlich zu einer Nachdenkpartei zu
entwickeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517521300

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-

fes auf Drucksache 15/3097 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung auch so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b so-
wie Zusatzpunkt 7 auf:
12 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute

Berg, Jörg Tauss, Klaus Barthel (Starnberg), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so-
wie der Abgeordneten Monika Lazar, Volker
Beck (Köln), Grietje Bettin, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN
Kooperation von Bund und Ländern in der
Hochschulpolitik verstärken – Umsetzung des
Bologna-Prozesses in Deutschland beschleuni-
gen
– Drucksache 15/5465 –

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht zur Realisierung der Ziele des Bolo-
gna-Prozesses
– Drucksache 15/5286 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union P 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Marion Seib, Katherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Reibungslose Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses in Deutschland gewährleisten – Länderkompetenzen beachten – Drucksache 15/5449 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Widerpruch höre ich keinen. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst er Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kasparick. U Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute ormittag hatten wir eine wichtige Stunde für Europa. ie europäische Verfassung ist eindrücklich durch den eutschen Bundestag bestätigt worden. Heute Abend beschäftigen wir uns wieder mit einem uropäischen Thema. Allerdings ist meine Sorge, dass ir an die Qualität des Vormittags nicht heranreichen erden, weil der Antrag, der uns von der Union vorliegt, ur in einem Satz zu unterstützen ist. Diesen darf ich ziieren. In dem Antrag der Union zum Bologna-Prozess ird formuliert: Die ehrgeizigen Ziele des Bologna-Prozesses und der enge Zeitrahmen zur Umsetzung erfordern … auch in Zukunft eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Diese Zusammenarbeit kann nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens geschehen. Ich will an dieser Stelle sagen: Diese Position untertützen wir ausdrücklich. Allerdings macht der dann folende Text des Antrages nicht so recht deutlich, ob der ben zitierte Satz auch wirklich ernst gemeint ist, weil ieser Text in eine andere Richtung geht. Der Bologna-Prozess ist eines der wichtigsten Theen für unsere Hochschulen. 1999 haben die Minister in ologna diesen Prozess in Gang gesetzt. Die Universitäen in Europa befinden sich seitdem in dem wahrscheinich größten Veränderungsprozess ihrer Geschichte. ichtig ist: Deutschland begreift zunehmend, wie ich offe, dass die Umstellungen unserer Universitäten und ochschulen im Rahmen des Bologna-Prozesses eine irklich nationale Aufgabe sind und von kleinstaatlihem Denken nicht wirklich befördert werden. Es ist ine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern otwendig. Wir stehen unmittelbar vor der Bergen-Konferenz, iner Folgekonferenz, die eine Zwischenbilanz ziehen ird. Über diese Zwischenbilanz gibt ein Bericht Aus Parl. Staatssekretär Ulrich Kasparick kunft, der interessanterweise und, wie ich finde, erfreulicherweise gemeinsam von Bund und Ländern formuliert worden ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ulrich Kasparick (SPD):
Rede ID: ID1517521400




(A) )


(B) )


Es ist gelungen, diesen Zwischenbericht gemeinsam zu
erstellen. Ich habe selber Gelegenheit gehabt, bei der
Bildungsministerkonferenz in Brüssel, bei der ich
Deutschland zu vertreten hatte, diese Position zu über-
reichen. Das war eine schöne Situation, weil die anderen
europäischen Staaten wahrgenommen haben, dass Bund
und Länder in dieser wichtigen Frage auch einmal ge-
meinsam agieren können.

Wichtig ist, dass wir an dieser Zusammenarbeit fest-
halten. Wir machen uns allerdings große Sorgen, ob
diese große Gemeinsamkeit, die wir im Bologna-Prozess
bisher hatten, auch künftig gehalten werden kann. Sie
wissen, dass der Bund die Universitäten bei der Umset-
zung des Bologna-Prozesses unterstützen wollte. Es gibt
leider zurzeit Klagen aus Hessen. Die Eilklage ist abge-
wiesen. Die Begründung der neuen Klage haben wir
noch nicht gelesen. Das Ziel dieser Veranstaltung besteht
offensichtlich darin, den Bologna-Prozess zu verlangsa-
men.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Das kann nicht im Interesse Deutschlands sein.
Im Übrigen wundert mich, Herr Rachel, wie sich in

diesem Antrag Bundespolitiker als Landespolitiker ge-
rieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Mutieren!)


Bundespolitiker stellen hier einen Antrag im Interesse
der Länder. Ich weiß nicht recht, wo Sie sich selber
politisch einordnen. Wenn Sie Landespolitik machen
wollen, dann sollten Sie das im Landtag tun, aber nicht
im Deutschen Bundestag.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir über ein so wichtiges Thema wie den Bolo-
gna-Prozess reden, wünschte ich mir – ich bin da mit den
Mitarbeitern im Hause und mit der Fraktion sehr einig –,
dass wir an dem guten Stand, den wir in den gemeinsa-
men Bemühungen von Bund und Ländern im Bologna-
Prozess bisher hatten, im Interesse unserer Hochschulen
festhalten.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Den habt ihr doch gerade gefährdet!)


Ich kann überhaupt nicht verstehen, weshalb Sie neuer-
dings diese Rolle rückwärts versuchen, indem Sie sagen,
möglicherweise sollen sogar die Länder in Europa ver-
handeln. Ich kenne diese Verhandlungen. Ich wünsche
da viel Glück. Sie haben zwei Minuten Redezeit für
16 Länder. Da werden Sie ausführlich argumentieren
können.

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(C (D Wir kommen glücklicherweise in Deutschland voran. ch will Ihnen kurz ein paar Reformen nennen, die im usammenhang mit der Internationalisierung wichtig ind. Wir haben mit der BAföG-Reform sichergestellt, dass tudierende den Schritt ins Ausland leichter gehen könen. Im Jahr 2003 haben 16 000 BAföG-Empfänger ein uslandssemester eingelegt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist ein Anstieg von 70 Prozent innerhalb von drei
ahren. Das ist der richtige Weg. Wir wollen, dass junge
eute sich selbstverständlich in Europa ausbilden lassen.
Die OECD-Studie „Education at a glance“ zeigt, dass
eutschland in Europa mittlerweile den zweiten Platz
ls Zielland für Studierende belegt. Eine viertel Million
tudierende aus dem Ausland waren im Wintersemester
003/2004 an deutschen Hochschulen eingeschrieben.
eutschland wird international attraktiver. Dem soll
uch die Exzellenzinitiative dienen. Wir wollen unsere
ochschulen noch attraktiver machen. Wir wollen die
pitzenleistungen, die wir haben, in Europa noch sicht-
arer machen. Deswegen appelliere ich an dieser Stelle
och einmal ausdrücklich an die Länder, endlich ihre un-
ägliche Blockadehaltung bei diesem Projekt aufzuge-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Herr Koch!)


Bei Studienleistungen und -abschlüssen sind wir gut
orangekommen. Die Akkreditierungssysteme funktio-
ieren. Wir sind darauf angewiesen, dass wir noch an
empo zulegen. Dazu ist – Herr Rachel, da appelliere ich
infach an Ihre Vernunft als Forschungspolitiker;


(Jörg Tauss [SPD]: Schwierig!)

ch weiß, dass das zu später Stunde bei diesem Thema
in schwieriges Unterfangen ist – eine gemeinsame An-
trengung von Bund und Ländern erforderlich, um den
ohen Standard, den wir in Europa haben, halten und
usbauen zu können.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das ist allerdings richtig!)


erlassen Sie den Weg der Kleinstaaterei! Ziehen Sie Ih-
en Antrag zurück!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517521500

Der Kollege Rachel erhält jetzt das Wort.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1517521600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

iebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Woche vor der in
ergen stattfindenden Bologna-Nachfolgekonferenz
tellen wir fest: Insgesamt ist der Bologna-Prozess eine
rfolgsgeschichte. Insbesondere die unter der christlich-






(A) )



(B) )


Thomas Rachel

liberalen Regierung begonnene Einführung der Bache-
lor- und Masterstudiengänge ist auf gutem Wege.
Mittlerweile machen diese Studiengänge über ein Viertel
des gesamten Studienangebots aus. Ich denke, über die
Ziele der Schaffung eines einheitlichen europäischen
Wissenschaftsraums und einer größeren Mobilität der
Studierenden in Europa besteht zwischen allen Fraktio-
nen Einigkeit.

Verantwortlich für die Umsetzung der Bologna-Ziele
sind die Bundesländer. Die meisten von ihnen haben die
Bachelor- und Masterstudiengänge bereits in ihren Lan-
deshochschulgesetzen verankert. Förderprogramme und
Modellversuche wurden bislang einvernehmlich zwi-
schen Bund und Ländern in der BLK begleitet.

Nun jedoch hält Bundesbildungsministerin Bulmahn
den Ländern einen vergifteten Apfel hin:


(Jörg Tauss [SPD]: 4 Millionen Euro sind vergiftet?)


Mit Bundesmitteln in Höhe von 4 Millionen Euro will
sie über die Hochschulrektorenkonferenz ein Konfe-
renzzentrum für die Bologna-Reform einrichten.
Auch wenn dieser Vorschlag auf den ersten Blick ver-
führerisch erscheint, ist er ein klarer Verstoß gegen die
Aufgabenverteilung des Grundgesetzes.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach!)

Eine Rücksprache mit den Bundesländern ist nicht er-

folgt. Dabei sind gerade die Einrichtung und Ausgestal-
tung von Studiengängen und Studienabschlüssen sowie
die Finanzierung dieser Vorhaben eine Kernaufgabe der
Bundesländer.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Das ist für Sie also die Freiheit der Hochschulen! Diese Bevormundung!)


Wieder plant Bildungsministerin Bulmahn, die Länder-
zuständigkeit im Hochschulbereich auf kaltem Wege
auszuhebeln.


(Jörg Tauss [SPD]: Meine Herren!)

Dabei sind Sie gerade erst mit dem Verbot von Studien-
gebühren und bei der Einführung der Juniorprofessur vor
dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.


(Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär: Alle Länder haben sie eingeführt!)


Nun droht Ihnen die nächste Niederlage. Das Land
Hessen hat gegen Ihr Bundesprogramm Klage einge-
reicht.


(Jörg Tauss [SPD]: Prozesshansel!)

Ich will klarstellen: Die Landesregierung von Hessen hat
sich damit nicht gegen die Einführung von Bachelor-
und Masterabschlüssen gewandt.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh nein! – Marion Seib [CDU/CSU]: Richtig!)


Im Gegenteil: Das Bundesland Hessen hat die meisten
akkreditierten Bachelor- und Masterstudiengänge. Ihre

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(C (D nzahl hat sich in Hessen von 1999 bis 2003 versechsacht. Da werden Sie blass. Aber wie sieht die Realität im rot-grün regierten Land ordrhein-Westfalen aus? Die dortige Wissenschaftsinisterin Kraft hat im Februar 2002 einen Erlass heausgegeben, in dem sie eindeutig festlegt, dass künftig ur noch ein Anteil von 20 Prozent des Lehrangebots an niversitäten und ein Anteil von 10 Prozent an den achhochschulen für das konsekutive Masterstudium zuelassen werden sollen. (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn das bloß funktioniert!)


olge dessen ist: Nur etwa 50 Prozent der Bachelorstu-
enten werden zum Masterstudium zugelassen, an den
achhochschulen sogar nur ein Drittel. Das verstehen
ie unter Durchlässigkeit. Meine Damen und Herren,
as ist – gelinde gesagt – eine Frechheit. Anders kann
an das nicht bezeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die von Frau Kraft in diesem Erlass der nordrhein-
estfälischen Landesregierung vorgesehene Quotierung,
a Kontingentierung der Masterstudiengänge war und
st im Bologna-Prozess nicht vorgesehen und schon gar
icht gefordert.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ieser Erlass, in dem die rot-grüne Landesregierung in
üsseldorf derartige Kontingente festlegt, widerspricht
indeutig der Hochschulautonomie.
Diese Einschränkung der Wahlfreiheit erfolgt ohne

rkennbare Rechtsgrundlage. In § 19 des Hochschulrah-
engesetzes sind die neuen Studiengänge keinen Ein-
chränkungen unterworfen. Die Möglichkeit der Weiter-
ualifizierung darf dem Bachelor nicht entzogen
erden. Das müssen wir ernst nehmen. Durch Ihr Vorge-
en sinkt die Attraktivität der neuen Bachelor- und Mas-
erstudiengänge. Das verträgt sich überhaupt nicht mit
en Leitlinien des Bologna-Prozesses, nach denen bis
um Jahre 2010 alle Studiengänge in Bachelor- und
asterstudiengänge überführt werden sollen.
Wer den Masterstudiengang kontingentiert, der zer-

chlägt den Aufbau der neuen, modularisierten Stu-
ienstruktur. Das wollen wir nicht.


(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist wahr! – Das ist die Wahrheit! – Genauso ist es!)


ber so sieht die Realität aus. Das ist die Konsequenz
er rot-grünen Hochschulpolitik, sowohl in Nordrhein-
estfalen als auch in anderen rot-grün regierten Bundes-

ändern.

(Marion Seib [CDU/CSU]: Das sind die ei gentlichen Störer des Prozesses!)

Meine Damen und Herren, wir müssen für die Bache-

or- und Masterstudiengänge gemeinsam noch einiges
un.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, klagen!)







(A) )



(B) )


Thomas Rachel

Es gibt noch Probleme im Bereich der Studienangebote
– hier sind die Unternehmen gefordert – und hinsichtlich
der Akzeptanz der Studierenden. Immerhin haben sich
83 Prozent der Unternehmen, der Konzerne in Deutsch-
land bei einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirt-
schaft dafür ausgesprochen, Bachelorabsolventen einzu-
stellen. Die Stimmungslage bei den kleinen und
mittelständischen Unternehmen ist allerdings noch dif-
fus. Dies kann uns nicht zufrieden stellen. Auch war bei
einem Viertel der Studienanfänger im Jahre 2004 der
Studienwunsch in Richtung Bachelor noch nicht vorhan-
den. Dies zeigt: Wir brauchen eine strategische Allianz
zwischen Hochschulen, Berufs- und Arbeitgeberverbän-
den sowie öffentlichen und privaten Arbeitgebern, um
ein gemeinsames Bündnis für Bachelor und Master zu
schmieden.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion begrüßt den Bologna-Prozess. Wir
fordern, dass er weiter vorangetrieben wird, dass aber
auch die Qualität der neuen Studienfächer und Studien-
gänge abgesichert wird. Deshalb fordern wir von der
Bundesregierung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
und eine Abstimmung mit den Bundesländern. Hier kön-
nen Bundesländer und Bundesregierung nur gemeinsam
arbeiten. Was wir nicht brauchen, ist ein Dirigismus und
eine Profilierungssucht der Bundesregierung auf Kosten
der Länder. Wir brauchen Gemeinsamkeit und dazu for-
dern wir Sie hiermit auf.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517521700

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Monika Lazar.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517521800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wissen macht nicht an Landesgrenzen Halt. Interna-
tional, flexibel, mobil, so soll unsere Studienlandschaft
aussehen. Qualität, Modernisierung, Transparenz, das
macht unsere Hochschulen wettbewerbsfähig in der
Welt. Zusammen mit unseren europäischen Nachbarn
wollen wir mit dem Bologna-Prozess bis 2010 einen ge-
meinsamen europäischen Hochschulraum schaffen.

Wettbewerb um die besten Köpfe bedeutet nicht,
Marktinteressen über alles andere zu stellen.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Wer tut denn das?)


Bildung ist ein öffentliches Gut. Vorbei sind glücklicher-
weise die Zeiten der Klassentrennung, als sich arme Fa-
milien für ambitionierte Kinder die Bildung vom Mund
absparen mussten. Wissen darf nicht wieder zur Ware
werden, die keinen anderen Wert als den Geldwert
kennt. Nicht dass Sie mich missverstehen: Wir begrüßen
neue, internationale Angebote und Ansätze im deutschen
Bildungssystem. Wir treten grundsätzlich für die Öff-
nung des Bildungssektors für private Anbieter ein: So
kann viel Innovatives ins Rollen gebracht werden. Dabei
steht aber für Bündnis 90/Die Grünen Qualitätssiche-
rung im Vordergrund.

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(C (D ualität kann nur gesichert und gesteigert werden, wenn as Akkreditierungssystem für die Studiengänge noch erbessert wird. Ohne verbindliche qualitative Stanards können Studienleistungen nicht verglichen weren. Die verbesserte Vergleichbarkeit von Studienleisungen sollte zu erhöhter Durchlässigkeit führen, nicht ur im Hochschulbereich allein, sondern im gesamten ildungssystem. Wer von uns würde schon für einen ildungsabschnitt ins Ausland gehen, wenn er keine Zuage hätte, dass diese Phase auch in Deutschland anerannt wird? Würde Herr Koch das tun? Wahrscheinlich icht. Dennoch machen Sie sich, liebe Kolleginnen und ollegen von der Union, mit Ihrem Antrag zum Erfülungsgehilfen von Roland Koch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der hat studiert, aber keine Bildung!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ch sage Ihnen, wohin das führt: zu Kleinstaaterei statt
uropa. Der Föderalismusstreit ist ein großes Hinder-
is auf dem Weg zu einer attraktiven europäischen Wis-
enschaftslandschaft.
Dass dadurch auch moderne Arbeitsplätze entstehen
ürden, interessiert Sie bei Ihren machttaktischen Spiel-
hen wohl weniger. Bei Arbeitgebern und Studienabgän-
ern führt diese Haltung zu Verunsicherung. Für Bache-
or- und Masterstudiengänge beispielsweise fehlen
erbindliche Qualitätsrichtlinien. Die gegenseitige Aner-
ennung dieser Studiengänge wollen wir sicherstellen.
ußerdem zeigt ein Blick auf die Qualifikationsstufen,
ass die Zahl der Frauen auf dem Weg nach oben immer
eringer wird.


(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Was? Haben die Höhenangst?)


eshalb müssen wir unbedingt dafür sorgen, dass die
tufe zwischen Bachelor und Master nicht zu einer wei-
eren Hürde wird. Das Gleiche gilt für finanziell schwä-
here Studierende. Das bringt mich zur sozialen Dimen-
ion des Bologna-Prozesses: Weshalb nehmen viele
tudierende heute kein Auslandsstudium auf? Weil ih-
en die finanzielle und soziale Absicherung fehlt. Im
ologna-Prozess sollen solche Barrieren verschwinden.
ir wollen die Mobilität von der europäischen Ebene
us für alle Studierenden sichern, ganz egal, aus wel-
hem Land sie kommen.
Die Bundesregierung hat mit der BAföG-Reform in

er letzten Legislaturperiode die Weichen bereits richtig
estellt. Deutsche Studierende können ihr BAföG viel
eichter als früher mit ins Ausland nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ede Form von sozialer Auslese im Bildungssystem
uss endlich beseitigt werden. Alle Menschen, nicht nur
ie Besserverdienenden, sollen die Chance haben, ihre
alente zu verwirklichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Monika Lazar

Wir müssen so viele Akademikerinnen und Akademiker
in Deutschland ausbilden, wie unser Land braucht. Das
wird aber erst möglich, wenn die Hürden für den Hoch-
schulzugang geringer werden.

Mit unserem Koalitionsantrag werden die notwendi-
gen Schritte klar benannt. Wir wollen Vergleichbarkeit
und Transparenz im europäischen Hochschulraum
schaffen, ohne die Vielfalt an akademischen Bildungs-
möglichkeiten einzuschränken. Dazu gehört auch die
fachkundige Beratung, die das Bologna-Kompetenzzen-
trum anbieten soll. Mit großem Interesse und reger
Nachfrage haben Hochschulen und Universitäten bei der
Umstellung auf die gestufte Studienstruktur auf diese
Hilfe reagiert. Wir bekräftigen unser Interesse an bun-
desweiter Koordination auch mit finanzieller Unterstüt-
zung aus dem Bundeshaushalt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bologna-Pro-
zess ist eine riesige Chance für alle deutschen Hochschu-
len und Studierenden. Wenn wir uns den globalen He-
rausforderungen der Wissensgesellschaft stellen, können
wir im europäischen Verbund wieder Weltspitze werden.


(Beifall bei der SPD)

Das Modell der Kleinstaaterei hat ausgedient. Die Zu-
kunft der Bildung liegt in Europa.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: „Die Zukunft der Bildung liegt in Europa“ – da gebe ich Ihnen völlig Recht!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517521900

Danke schön. – Das Wort hat jetzt die Abgeordnete

Cornelia Pieper.

Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1517522000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Hinblick auf die dritte Bologna-Nachfolgekonfe-
renz am 19. und 20. Mai 2005 in Bergen ist es sinnvoll,
dass sich der Bundestag mit dem Stand und dem weite-
ren Fortgang des Bologna-Prozesses beschäftigt.

Ich will hier einmal festhalten: Ich finde, die Tatsa-
chen, dass dies heute der letzte Tagesordnungspunkt ist


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Mein Gott, Frau Pieper!)


und dass ich, Herr Küster, für meine Fraktion nur drei
Minuten zu diesem Thema reden darf, sind keine guten
Zeichen für Europa und für das Thema Bildung und For-
schung.


(Beifall bei der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Darf ich das noch einmal hören? – Jörg Tauss [SPD]: Wo ist denn die FDP? – Birgit Homburger [FDP], zu Abg. Jörg Tauss [SPD] gewandt: Hier!)


Ich denke, wir sollten uns einig darin sein, dass das
Thema Bildung und Forschung die Zukunftsfähigkeit
unseres Landes unter Beweis stellen wird. Deswegen
müssten wir das eigentlich zum Kernthema dieser Bun-
destagssitzung machen.


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(C (D (Erika Lotz [SPD]: FDP ist mit Frau Pieper und Frau Homburger vertreten!)


An Ihrem lauten Schreien höre ich schon, dass es Ih-
en gar nicht mehr um die Sache geht.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Die da drüben sind doch alle besoffen!)


Meine Damen und Herren, der Bologna-Prozess ist
ichtig. Ziel war die Schaffung eines europäischen
ochschulraums – den wir natürlich unterstützen –, in
em die verbindliche Einführung der gestuften Bache-
or- und Masterstudiengänge und ein europaweit gültiges
unktesystem für erbrachte Leistungen, für die freie
ahl des Studienortes und die Anerkennung der Ab-
chlüsse für alle europäischen Studierenden gewährleis-
et werden.
Deutschland hat aufgeholt.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)

ast 3 000 Bachelor- und Masterstudiengänge werden
un angeboten. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahr
iner Steigerung von circa 60 Prozent. Das ist eine posi-
ive Entwicklung. Das darf man an dieser Stelle doch
uch mal deutlich machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Trotzdem habe ich heute bei dieser Debatte große
auchschmerzen. Ich finde es nämlich beschämend,
ass wir angesichts der Herausforderung, vor der wir
tehen, einen europäischen Bildungsraum zu schaffen,
mmer noch die alten ideologischen Grabenkämpfe des
ergangenen Jahrhunderts führen.
Was meine ich damit?


(Jörg Tauss [SPD]: Der Koch! Sagen Sie was dazu!)


Herr Tauss, bitte schreien Sie nicht so laut.

(Beifall bei der FDP – Thomas Rachel [CDU/ CSU]: Am besten gar nicht!)

ch denke, dass auch Sie einen ideologischen Graben-
ampf führen.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich? Nichts liegt mir ferner!)


n dem Antrag der Regierungskoalition führen Sie unnö-
igerweise wieder die Diskussion um Studiengebüh-
en, sozusagen von hinten durch die Brust ins Auge. Mit
er für uns an sich völlig selbstverständlichen Forde-
ung, dass auch im Hochschulbereich die emanzipative
unktion von Bildung gewahrt sein muss, wird unter-
tellt, dass dies bei sozialverträglichen Studiengebühren-
odellen nicht gegeben sei. Wir sind dafür, dass es so-
ialverträgliche Studiengebührenmodelle gibt. Wir
erden dafür sorgen, dass Studierende aus allen sozialen
chichten ein Studium antreten können.


(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren von der SPD und den Grü-

en, ich finde es falsch – das will ich betonen –, dass in






(A) )



(B) )


Cornelia Pieper

Nordrhein-Westfalen bezüglich der Quotierungsversu-
che beim Übergang vom Bachelor zum Master unseren
Vorstellungen von der Autonomie der Hochschule zuwi-
der gehandelt worden ist. Da gebe ich dem Kollegen
Rachel durchaus Recht.

Gerichtet zur Union muss ich sagen: Ich finde, dass
wir die ideologischen Grabenkämpfe, das ständige Ge-
rangel um Bund- und Länderkompetenzen, beenden soll-
ten.


(Beifall bei der SPD)

Darüber lachen sich die anderen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union doch wirklich kaputt. So kommen
wir auch nicht voran. Herr Gaehtgens, der Präsident der
Hochschulrektorenkonferenz, hat zu Herrn Koch ganz
klar gesagt:

Der Föderalismuskonflikt wird hier an der absolut
falschen Stelle ausgetragen. Koch torpediert ein
sinnvolles Programm aus Gründen, die mit den
Hochschulen nichts zu tun haben.

(Beifall bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt haben Sie etwas Falsches gesagt! Wenn Sie von den Sozialdemokraten Beifall bekommen, müssen Sie etwas falsch gemacht haben!)


Ich gebe Herrn Dr. Gaehtgens durchaus Recht.
Meine Forderung an die SPD, die Grünen, aber auch

an die Union lautet: Lassen wir endlich die ideologi-
schen Grabenkämpfe


(Jörg Tauss [SPD]: Nur dort hin!)

bei der Bildung, bei der Forschung beiseite.


(Beifall bei der SPD)

Wir wollen den Wettbewerb gewinnen. Wir wollen als
deutsche Nation in den Bereichen Bildung und For-
schung wieder an die Spitze. Nur so kommt Europa
voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517522100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Dieter

Rossmann.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1517522200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die letzte Bologna-Nachfolgekonferenz fand
am 18. und 19. September 2003 in Berlin statt. Dieses
Parlament hat es damals fertig gebracht, ein paar Tage
nach der Konferenz eine Debatte zum Thema zu führen.
Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus. Wir
haben uns damals vorgenommen, dass das Parlament vor
der nächsten Bologna-Nachfolgekonferenz, die in Ber-
gen stattfinden wird, zusammenkommen soll, um zu sa-
gen, was es will. Das ist Parlamentarismus im besten
Sinne. Es wäre gut gewesen, wenn wir auch von der
FDP, die bemerkenswerterweise mit einer Person anwe-

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(C (D end ist, uns aber vorwirft, dass wir mit zu wenig Abgerdneten vertreten seien – die CDU sagt im Übrigen, sie ill es konstruktiv begleiten –, Vorschläge gehört hätten: as will man in Bezug auf Bergen erstens, zweitens, rittens, viertens, fünftens? Was erwartet dieses Parlaent von der Bundesregierung, von der Bundesministein als einer der Beteiligten? Was soll dort im Sinne des arlaments vertreten werden und was nicht? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Cornelia Pieper [FDP]: Das war ein Appell an das ganze Haus!)


Deshalb machen wir es diesmal besser. Wir sagen vor
er Konferenz in Bergen, was dieses Parlament will. Das
st übrigens schon die Umsetzung dessen, was wir heute
it großem Getöse im Rahmen der Debatte über die EU-
erfassung beschlossen haben: Wenn man Subsidiarität
nd demokratische Beteiligung will, dann müssen wir
ns die Sache auch zu Eigen machen, müssen wir unse-
er Regierung etwas mitgeben. Ansonsten nehmen wir
ns als Parlament nicht ernst.


(Beifall bei der SPD)

Nun drei Feststellungen zur Sache. Der erste Punkt:

s ist gut, wenn wir zusammen Erfolge verzeichnen
önnen. Wir stehen gar nicht an zu sagen, dass das im-
er gemeinsame Erfolge sind. An erster Stelle sind es
ie Erfolge der Hochschulen –


(Marion Seib [CDU/CSU]: Richtig!)

ie setzen das nämlich um –; an zweiter Stelle sind es die
rfolge der Länder; an dritter Stelle Erfolge des Bundes.
assen Sie uns das in dieser Gemeinsamkeit festhalten,


(Beifall bei der SPD)

enn dadurch gewinnt man mehr Studiengänge, mehr
tudenten in diesen Studiengängen, mehr ausländische
tudierende bei uns und mehr deutsche im Ausland.
Auch die Akkreditierungsagentur, die jetzt auf eine

tiftungsbasis umgestellt worden ist, ist ein großer Er-
olg. Das Bündnis für Akkreditierung bedeutet die
ortführung des Bologna-Prozesses. Es gibt eine Reihe
on Erfolgen, die wir fantastisch finden. Man muss aber
mmer die Reihenfolge beachten: Hochschulen, Länder,
und. Sie setzen sich gemeinsam ein.
Die zweite Bemerkung: Wir setzen klare Ziele. Ich

enne für unsere Seite – SPD und Grüne – fünf Punkte.
um Ersten: In Bergen muss darauf gedrungen werden,
ass es Anstrengungen für noch mehr wechselseitige
nerkennungen von Studienleistungen gibt. In Deutsch-
and muss die Lissabon-Konvention endlich – nachdem
ie Justizminister grünes Licht gegeben haben – verab-
chiedet werden. Wir machen den Vorschlag, dass man,
enn man schon Akkreditierungssysteme hat, vor allem
inen Austausch der daran Beteiligten braucht. Sie müs-
en sich zusammenfinden können, damit sie ein Hand-
ungsniveau, ein Qualitätsniveau verabreden können.
Zum Zweiten wünschen wir uns: Die soziale Dimen-

ion des Bologna-Prozesses wird immer wichtiger, je
ehr Teilnehmerstaaten es gibt und je mehr Studierende
eilnehmen; deshalb muss die soziale Dimension in






(A) )



(B) )


Dr. Ernst Dieter Rossmann

Bergen intensiver behandelt werden, als es in Berlin
noch der Fall war. Wir fordern, erst einmal eine Daten-
basis zu schaffen, damit auf dieser Grundlage Förderpro-
gramme wie BAföG, ERASMUS, ERASMUS Mundus
und die anderen Förderprogramme der EU endlich an die
Menschen herangeführt werden können. Das wird im
Übrigen auch mehr Mittel erfordern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Wenn es in diesem gestuften System zu ver-

stärkter Mobilität von Studierenden kommt, was wir
wollen, müssen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter
mithalten können. Wir wünschen uns für die Konferenz
in Bergen eine Initiative, bei der auch für das wissen-
schaftliche Personal im europäischen Hochschul- und
Forschungsraum ein erkennbarer klarer Handlungsrah-
men für mehr Mobilität und Austausch gefunden wird.

Viertens. Die duale Struktur setzt sich bisher aus Ba-
chelor- und Masterstudiengang zusammen. Aber sie er-
streckt sich auch auf Promotionen; das haben wir schon
in der damaligen Debatte im September 2003 gesagt.
Auch für den Promotionsraum muss es eine Strukturie-
rung geben, die in Deutschland mit rund 400 Einrichtun-
gen dieser Art in Form von Graduiertenkollegs bis hin zu
Research Schools gefunden ist. Aber das muss sich auch
im Bologna-Raum abspielen.

Fünftens. Wir sehen einen neuen Gedanken darin,
dass auch die Anerkennung von beruflicher Qualifi-
kation, von Vorleistungen, Zertifikaten und Diplomen,
die erreicht worden sind, im Hochschulsystem stärker
berücksichtigt werden muss.

Hierzu eine kleine Anmerkung: Der Kollege
Schummer und ich waren neulich beim Technikertag in
Deutschland. Die Techniker haben Sorge, wo in der ge-
stuften Bachelor- und Masterstruktur ihre Qualifikation
bleibt. Das ist eine hohe Qualifikation. Wenn wir das
nicht national thematisieren und international möglich
machen, versündigen wir uns an einem ganz wichtigen
Qualifikationsweg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit komme ich zum dritten und letzten Teil. Dies
können und sollten wir hoffentlich gemeinsam konstruk-
tiv weiterdiskutieren. Alles, was man zu Herrn Koch sa-
gen kann, ist schon gesagt worden. Ich bitte um eines:
Wenn sich dieses Parlament ernst nimmt, dann kann es
mit dem Antrag der CDU/CSU in fairer Abstimmung so
umgehen, dass wir ihn wegstimmen. Dann findet er Platz
in der Chronik polemisch-parlamentarischer Anträge.
Wir bitten umgekehrt darum: Stimmen Sie dem Antrag
von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, in dem
wirklich konkrete Forderungen für die Konferenz von
Bergen genannt sind.

Denn der Unterschied zwischen unseren Anträgen ist:
Ihren Antrag könnte man auf der Konferenz in Bergen
nicht auf den Tisch legen, weil ihn niemand verstehen
und sich jeder fragen würde: Was spielen sich in
Deutschland für Krähwinkeleien, für Rangeleien ab?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D iemand der 40 Teilnehmerstaaten würde nachvollzieen können, was wir uns da parlamentarisch leisten. Der ntrag von SPD und Grünen würde dagegen als ein Doument des Parlaments aufgenommen werden, das im orwege der Regierung klar macht, was auf der Konfeenz in Bergen vertreten werden soll. Das ist guter Parlaentarismus. Je breiter die Zustimmung zu diesem Anrag ist, desto mehr Nachdruck gibt es für das, was auf er Konferenz in Bergen für die Studierenden in eutschland und in 40 anderen Ländern erreicht werden uss. (Thomas Rachel [CDU/CSU]: Peinlich, peinlich! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Peinlich sind Sie!)


n diesem Sinne hoffen wir auf Sachlichkeit, Konstrukti-
ität und ein gutes Arbeiten für die Konferenz von Ber-
en.
Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Rachel [CDU/ CSU]: Zu Nordrhein-Westfalen haben Sie gar nichts gesagt!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517522300

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marion Seib.


Marion Seib (CSU):
Rede ID: ID1517522400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
amen und Herren! An deutschen Hochschulen vergeht
aum eine Woche, in der nicht eine Tagung zum Thema
ologna-Prozess stattfindet. Das macht deutlich, welche
tellung der Bologna-Prozess in Deutschland mittler-
eile einnimmt.
Wie kaum ein anderes Schlagwort hat der Bologna-

rozess die Debatte um die Reform der deutschen Hoch-
chulen mitbestimmt. Die Nachfolgekonferenz in Ber-
en in gut einer Woche bietet nun die Gelegenheit, ein
esümee zu ziehen und die Aufgaben für die nächsten
wei Jahre bis zur Nachfolgekonferenz in London abzu-
tecken. Geplant ist, dass weitere fünf Länder am Bolo-
na-Prozess teilnehmen sollen. Mit der Ukraine, Arme-
ien, Aserbaidschan, Georgien und Moldawien werden
ich dann 45 Staaten am Bologna-Prozess beteiligen.
Hier kann ich nur meine Skepsis wiederholen, die ich

ereits vor zwei Jahren vorgebracht habe. Die Heteroge-
ität der Bologna-Staaten nimmt erheblich zu, ver-
tärkt damit die Anpassungsschwierigkeiten und stellt
en langfristigen Erfolg infrage. Wir müssen auch in Zu-
unft aufpassen, dass der Bologna-Prozess und damit die
dee eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes
icht durch ungeeignete Teilnehmerstaaten verwässert
erden.
Wenn wir heute über die Umsetzung des Bologna-

rozesses in Deutschland debattieren, dann geht es vor
llem um zwei Dinge: die erfolgreiche Einführung des
estuften Systems und den Aufbau der Qualitätssiche-
ung in Form des Akkreditierungswesens. Über
900 Studiengänge werden im Sommersemester 2005






(A) )



(B) )


Marion Seib

an den deutschen Hochschulen angeboten. Dies ent-
spricht einem Viertel des gesamten Studienangebotes.
Allerdings gibt es noch ein ganz erhebliches Akzeptanz-
problem – auch Sie haben davon gesprochen – bei der
gestuften Studienstruktur.

Die letzten verfügbaren Zahlen aus dem Winterse-
mester 2003/2004 weisen nur 5,3 Prozent der Studieren-
den in den neuen Studiengängen aus. Dies hängt sicher-
lich auch damit zusammen, dass die Diskussion über den
Bologna-Prozess lange Zeit nur ein Erfahrungsaustausch
unter Experten war, der am Parlament vorbeilief und von
der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wurde.
Dieses Versäumnis ist nur schwer wieder aufzuholen.
Die Unsicherheit ist an vielen Stellen groß, sowohl bei
den Studierenden und Professoren als auch bei den Ar-
beitgebern.

Mit der Bundestagsanhörung zum Bologna-Prozess
im vergangenen Jahr haben wir einen wichtigen Beitrag
geleistet, auf diese Unsicherheit einzugehen und die Öf-
fentlichkeit auf die anstehenden Umwälzungen hinzu-
weisen. Der Aufklärungsbedarf bleibt allerdings groß.
In den vergangenen Jahren gab es daher zahlreiche ein-
vernehmliche Modellversuche von Bund und Län-
dern, die sich mit der Umsetzung des Bologna-Prozes-
ses beschäftigten. Darüber hinaus unterstützen
zahlreiche Bundesländer die Umsetzung der Bologna-
Ziele durch eigene Programme und Fördermaßnahmen.
Bayern beispielsweise hat im vergangenen Jahr eine
breit angelegte Informationsoffensive zu Bachelor und
Master gestartet.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Sehr vorbildlich!)


Angesichts des bisherigen Modus Vivendi ist das
Handeln des BMBF mehr als befremdend. Ohne Ab-
sprache und Einverständnis der Länder unterstützt das
Ministerium mit Bundesmitteln die Bologna-Service-
stelle bei der Hochschulrektorenkonferenz.


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)

Bei aller Begeisterung für den Bologna-Prozess müssen
wir die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes be-
achten.


(Jörg Tauss [SPD]: Kompetenzen vor Inhalte! Das könnt ihr! Nicht zu fassen!)


Eine Neuordnung der Kompetenzen durch die Hintertür
ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen auch die Klage der Länder Hessen und Bay-
ern vor dem Bundesverfassungsgericht. Wir sind nicht
bereit, nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Rich-
ter“ stillzuhalten und den Geldfluss contra legem an die
HRK zu dulden. Denn die Methode der rot-grünen Bun-
desregierung hat System. Seit 1998 versuchen Sie unent-
wegt, mit einer Politik des goldenen Zügels Abhängig-
keiten zu schaffen und die Länder zu hintergehen. So
erreichen Sie keine beschleunigte Umsetzung des Bolo-
gna-Prozesses in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Kehren ie wieder auf den Weg einer geordneten Kooperation urück. Die Achillesferse für eine reibungslose Umsetzung er Ziele des Bologna-Prozesses ist und bleibt ie Qualitätssicherung der neuen Studienabschlüsse. rst dann, wenn Bachelor und Master mindestens den leichen, wenn nicht sogar einen höheren Standard als ie bisherigen Abschlüsse aufweisen, verschwindet die kepsis. iesem Anliegen muss die Akkreditierung in vollem mfang Rechnung tragen. Wenn wir heute über die Bechleunigung des Bologna-Prozesses debattieren, dann üssen wir auch ganz klar herausstreichen: Das bisheige Akkreditierungsverfahren erwies sich in den letzten ahren als Flaschenhals. Sechs Agenturen stehen 2 000 Studiengängen gegenüber. omentan sind erst 800 Studiengänge akkreditiert. 300 befinden sich im laufenden Verfahren. In wenigen ahren steht die Reakkreditierung der Studiengänge an. elbst mit der verstärkten Clusterakkreditierung von tudiengängen kann dieser Andrang nicht dauerhaft beältigt werden. Ebenso stellt sich die Frage, woher eientlich die vielen Sachverständigen kommen sollen, die ie Begutachtung vor Ort durchführen können und müsen. Einen richtigen Lösungsansatz bietet hier die institu ionelle Akkreditierung ganzer Hochschulen. Der issenschaftsrat praktiziert dieses Verfahren bereits seit inigen Jahren bei privaten Fachhochschulen mit Erfolg. ie in dieser Woche gelaufene Anhörung zu den Geiss-, Sozialund Kulturwissenschaften hat ganz einrucksvoll bestätigt, dass die institutionelle Akkreditieung in diesen Fächern von erheblichem Vorteil wäre. ch appelliere deshalb an alle Verantwortlichen, diesen eg zu forcieren und damit den Geisteswissenschaften ürokratieabbau und damit Zeit zu gewähren. Das sind inge, die dort vorrangig benötigt werden. Mit der Überführung des Akkreditierungsrates in ine Stiftung des öffentlichen Rechts zum 1. Januar 005 haben die Länder einen wichtigen Eckstein zur tablierung eines anerkannten Akkreditierungssystems esetzt. Zusammen mit den Akkreditierungsagenturen ann der umstrukturierte Akkreditierungsrat dazu beitraen, die neue Studienstruktur in Deutschland zu veranern, die Akkreditierungsverfahren effizienter zu gestaln und in der Öffentlichkeit die Akzeptanz der neuen bschlüsse zu verstärken. Die ehrgeizigen Ziele des Bogna-Prozesses und der enge Zeitrahmen zur Umsetung erfordern auch in Zukunft eine vertiefte Zusamenarbeit zwischen Bund und Ländern. Besten Dank. Danke schön. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen jetzt zu einer ganzen Reihe von Abstim mungen. Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen, Drucksache 15/5465, mit dem Titel „Kooperation von Bund und Ländern in der Hochschulpolitik verstärken – Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland beschleunigen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/5286 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Zusatzpunkt 7: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5449 mit dem Titel „Reibungslose Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses in Deutschland gewährleisten – Länderkompetenzen beachten“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU abgelehnt. Die FDP hat sich enthalten. Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Ländliche Räume durch eine moderne und innovative Landwirtschaft stärken und damit Arbeitsplätze sichern – Drucksache 15/5249 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Die Abgeordneten Drobinski-Weiß, Wolff, Mortler, Schulte-Drüggelte, Ostendorff und Happach-Kasan haben gebeten, die Reden zu Protokoll geben zu dürfen.1)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517522500

(Jörg Tauss [SPD]: Herr Koch!)


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: So ist es!)


(Jörg Tauss [SPD]: Deswegen fördern wir!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





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Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517522600
Sie sind einverstanden. Dann verfahren wir so und kön-
nen gleich zur Überweisung kommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/5249 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

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1) Anlage 8 2)

(C (D Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes – Drucksache 15/4641 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – Drucksache 15/5468 – Berichterstattung: Abgeordnete Gustav Herzog Bernhard Schulte-Drüggelte Cornelia Behm Dr. Christel Happach-Kasan Hier haben die Abgeordneten Hiller-Ohm, Herzog, aesar, Schulte-Drüggelte, Behm und Happach-Kasan ebeten, die Reden zu Protokoll geben zu dürfen.2)


(Erste Beratung 151. Sitzung)

ind einverstanden.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den von der
undesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än-
erung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatz-
ondsgesetzes, Drucksache 15/4641. Der Ausschuss für
erbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft emp-
iehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/5468, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in dieser Ausschussfassung zustim-
en wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/
ie Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
ngenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn
ie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer stimmt
agegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der
all. Der Gesetzentwurf ist damit mit dem eben festge-
tellten Stimmenverhältnis angenommen: SPD und
ündnis 90/Die Grünen dafür, CDU/CSU und FDP da-
egen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-

ache 15/5468 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschlie-
ung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
ehlung? – Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? –
ie Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des gan-
en Hauses einstimmig angenommen worden.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter
Paziorek, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Klaus W.

Anlage 9






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Langfristiges Gesamtkonzept zur Reduzie-
rung der Schadstoffbelastung in der Luft not-
wendig
– Drucksache 15/5330 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Hier bitten die Abgeordneten Klug, Flachsbarth,
Hermann, Homburger und der Staatsminister Dr. Werner
Schnappauf aus Bayern, die Reden zu Protokoll geben
zu dürfen.1)


(Zurufe: Oh!)

Wir verfahren so. Trotz geäußerten Bedauerns erkenne
ich Zustimmung.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/5330 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukul-
tur“
– Drucksache 15/4998 (neu)

(Erste Beratung 163. Sitzung)

a)Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen (14. Ausschuss)

– Drucksache 15/5485 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Renate Blank


(8. Ausschuss)

– Drucksache 15/5490 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckhardt Barthel (Berlin)

Walter Schöler
Franziska Eichstädt-Bohlig
Otto Fricke

Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP vor.

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1) Anlage 10
2)
3)

(C (D Hier haben die Abgeordneten Weis, Blank, Sowa, tto und der Staatssekretär Großmann gebeten, die Reen zu Protokoll zu nehmen.2)

erfahren wir so.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den von der
undesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Er-
ichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“. Der Aus-
chuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen empfiehlt
n seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5485,
en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
en. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
usschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
hen. – Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltun-
en? – Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist da-
it in zweiter Beratung einstimmig mit den Stimmen
es gesamten Hauses angenommen worden.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.
Auch das scheint das ganze Haus zu sein. – Gibt es
egenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.
er Gesetzentwurf ist damit einstimmig in der dritten
eratung angenommen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-

ntrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5495. Wer
timmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
agegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Entschließungs-
ntrag ist abgelehnt mit den Stimmen von SPD, vom
ündnis 90/Die Grünen und von der CDU/CSU gegen
ine Stimme aus der FDP und bei Enthaltung der beiden
bgeordneten Pau und Lötzsch.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, Stefan
Müller (Erlangen), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Einführung von Real Estate Investment Trusts
in Deutschland
– Drucksache 15/4929 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Die Abgeord-
eten Hauer, Müller (Erlangen), Krüger-Jacob und
ricke bitten, ihre Reden zu Protokoll3) zu nehmen. – Sie
ind einverstanden. Dann verfahren wir so.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/4929 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Anlage 11
Anlage 12






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten
Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes
– Drucksache 15/5314 –

(Erste Beratung 172. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit und Soziale Sicherung

(13. Ausschuss)

– Drucksache 15/5488 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Maria Michalk

Die Abgeordneten Lotz, Michalk und Bender haben
gebeten, ihre Reden zu Protokoll1) zu nehmen. Wir ver-
fahren auch so.

Die Abgeordnete Pau wird aber sprechen und erhält
damit jetzt das Wort.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517522700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am 23. Juli 2004 hat das Bundesverfassungsgericht
geurteilt: Das geltende Recht für zahlreiche Bürgerinnen
und Bürger der DDR in der Bundesrepublik ist verfas-
sungswidrig. Das Ganze hat eine Vorgeschichte, an der
alle bisherigen Bundesregierungen beteiligt waren. Der
gewollte Kardinalfehler war: Das Rentensystem sollte
als Strafsystem missbraucht werden. Die PDS hat immer
gemahnt, dass das sachfremd und politisch falsch ist.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Es ist auch rechtlich falsch, wie das Verfassungsgericht
festgestellt hat.

Nun soll es erneut geändert werden. Aber auch mit
der heute zur Abstimmung stehenden Vorlage bleibt der
Kardinalfehler erhalten. Auch das neue Gesetz bricht
nicht mit dem eingeführten Rentenstrafrecht. Es ver-
schärft es sogar. Mit dem von Ihnen eingefügten Stichtag
sollen auch Mitglieder der so genannten Regierung der
nationalen Verantwortung, der Modrow-Regierung, wie
auch die DDR-Bürgerrechtler Sebastian Pflugbeil oder
posthum der unbequeme bündnisgrüne Demokrat
Wolfgang Ullmann und übrigens auch der Kollege
Eppelmann mit Rentenentzug bestraft werden. Wer so
etwas vorlegt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er
als inkompetent und unsozial kritisiert wird.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Aber es geht heute nicht nur um Inkompetenz. Es geht
auch um Vorsatz und um Unrecht. Im aktuellen Ände-

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1) Anlage 13

(C (D ungsgesetz steht die Rente aus staatsnahen Versorungssystemen der DDR und für damalige Abteilungseiter im Staatsapparat zur Diskussion. Das muss eändert werden. Aber das verfügte Unrecht geht viel eiter. So haben zum Beispiel Ingenieure und weitere eschäftigte der Interflug – der DDR-Luftfahrtgesellchaft – Beiträge für eine Zusatzrente gezahlt, die ihnen ach der Vereinigung schlicht aberkannt wurden. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo sind denn die Beiträge hin?)


Ich könnte weitere Beispiele zum Rentenunrecht nen-
en. Sie erinnern sich vielleicht, dass sich Balletttänze-
innen und -tänzer in der DDR versichern konnten, weil
re Berufsperspektive überschaubar und altersbegrenzt
ar. Es ging dabei nie um unangemessene Reichtümer.
s ging vielmehr um bezahlte soziale Sicherheiten im
lter.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


uch diese wurden nach der Wiedervereinigung getilgt.
Alle, die das Rentenunrecht nicht hinnehmen wollten,
ussten sich durch die Instanzen klagen. Die PDS hat
ie dazu ständig ermutigt. Zumeist haben sie vor dem
undesverfassungsgericht Recht bekommen. Das
pricht gegen die Politik der Bundestagsmehrheit; denn
ast alle Fraktionen in diesem Haus haben das Renten-
trafrecht befürwortet. Die PDS war und ist dagegen,
eil wir es ablehnen, dass ein Versicherungssystem poli-
sch missbraucht wird.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie verdrehen die Tatsachen!)


ch bin ebenfalls dagegen, dass DDR-Bürger länger dis-
riminiert werden, nur weil sie Bürger der DDR waren.
o wird zum Beispiel in Bayern auf Fragebögen noch
mer als verfassungsfeindlich verdächtigt, wer zu
DR-Zeiten Bienen gezüchtet hat oder mit Mitmen-
chen solidarisch war.
Deshalb abschließend: Ich verteidige hier heute
bend nicht die DDR, sondern ich rede gegen den Blöd-
inn, der nun in der Bundesrepublik verzapft wird.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


as Rentenstrafrecht gehört dazu; es ist Unrecht. Des-
alb bin ich dagegen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Zurufe von der SPD)


Noch so viel zu Ihren Zurufen: Reden Sie einmal mit
en Opferverbänden! Sie werden sich vielleicht erin-
ern, dass wir den Anträgen der konservativen Oppo-
ition auf eine angemessene und erleichterte Entschädi-
ung von Opfern der SED stets zugestimmt und hier
elber entsprechende Anträge eingebracht haben. Aber
an kann nicht eines gegen das andere aufrechnen. Das
ind zwei unterschiedliche Dinge.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])







(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517522800

Ich schließe damit die Aussprache.
Die Abgeordneten Hacker und Lohmann haben nach

§ 31 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung zur Ab-
stimmung zu Protokoll gegeben1).

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände-
rung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsge-
setzes. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Siche-
rung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/5488, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-
ratung mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die
Stimmen der Abgeordneten Lötzsch und Pau angenom-
men.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmen-
verhältnis wie zuvor angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Conny Mayer (Freiburg), Dr. Christian Ruck,
Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Frauen in den Krisenregionen Subsahara-
Afrikas stärken
– Drucksache 15/4390 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Die Abgeordneten Schmidt (Meschede), Groneberg,
Eymer, Mayer (Freiburg) und Heinrich sowie die Par-
lamentarische Staatssekretärin Uschi Eid haben gebeten,
ihre Reden zu Protokoll zu nehmen2). Wir verfahren so.

Wir kommen zur Abstimmung. Interfraktionell wird
Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4390 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)


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1) Anlage 7
2) Anlage 14 3)

(C (D – zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Sören Bartol, Dr. Herta DäublerGmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Cornelia Behm, Volker Beck Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Wälder naturnah bewirtschaften – Waldschäden vermindern – Gemeinwohlfunktionen sichern und Holzabsatz steigern – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Cajus Julius Caesar, Peter H. Carstensen weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Daniel Bahr ter und der Fraktion der FDP Bessere Rahmenbedingungen für die Charta für Holz – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Waldzustandsbericht 2004 – Ergebnisse des forstlichen Umweltmonitorings – – Drucksachen 15/4516, 15/4502, 15/4431, 15/4500, 15/5356 – Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm Cajus Julius Caesar Cornelia Behm Dr. Christel Happach-Kasan Hier haben die Abgeordneten Hiller-Ohm, uernhammer, Caesar, Behm und Happach-Kasan geeten, ihre Reden zu Protokoll zu nehmen3)

en mit Ihrer Zustimmung so.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschluss-

mpfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Er-
ährung und Landwirtschaft, Drucksache 15/5356. Unter
r. 1 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Aus-
chuss in Kenntnis des Waldzustandsberichts 2004 der
undesregierung auf Drucksache 15/4500 die Annahme
es Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnis-
es 90/Die Grünen auf Drucksache 15/4516 mit dem
itel „Wälder naturnah bewirtschaften – Waldschäden
ermindern – Gemeinwohlfunktionen sichern und Holz-
bsatz steigern“. Wer stimmt für diese Beschluss-
mpfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
eschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und

Anlage 15






(A) (C)



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/
CSU und FDP angenommen.

Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss in Kenntnis des
Waldzustandsberichts 2004 die Ablehnung des Ent-
schließungsantrags der Fraktion der CDU/CSU auf

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

Hier nehmen wir mit Ihrer Zustimmung die Reden der
Abgeordneten Rehbock-Zureich, Lintner, Schmidt
Drucksache 15/4502 zum genannten Waldzustandsbe-
richt. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Opposition angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-
ner Beschlussempfehlung in Kenntnis des
Waldzustandsberichtes 2004 die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der FDP, Drucksache 15/4431, mit dem Ti-
tel „Bessere Rahmenbedingungen für die Charta für
Holz“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/
Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung
der CDU/CSU angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht der Bundesregierung über die For-
schungsergebnisse in Bezug auf Emissionsmin-
derungsmöglichkeiten der gesamten Mobil-
funktechnologie und in Bezug auf
gesundheitliche Auswirkungen
– Drucksache 15/4604 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Die Abgeordneten Jäger, Braun, Wittlich, Kauch und
die Parlamentarische Staatssekretärin Probst haben da-
rum gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ist so beschlossen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/4604 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
– Drucksache 15/5408 –


( r w n a i G b s D f v s n u u d g s 1)

2)

(D Ingolstadt)

ischen Staatssekretärs Großmann zu Protokoll1).
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 15/5408 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
nderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
st die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Gitta
Connemann, Marlene Mortler, Ursula Heinen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Mehr Verbraucherschutz durch eindeutigere
Kennzeichnung und sendungsbezogene Rück-
standsuntersuchungen von Geflügelfleischim-
porten in die EU aus Drittländern
– Drucksache 15/5247 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

Die Abgeordneten Zöllmer, Connemann, Höfken und
oldmann haben gebeten, ihre Reden zu Protokoll ge-
en zu dürfen.2) – Mit Ihrer Zustimmung verfahren wir
o.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/5247 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Wenn wir eine Aussprache zu sämtlichen Tagesord-

ungspunkten durchgeführt hätten, wären wir ungefähr
m 3.30 Uhr fertig gewesen. So sind wir nun am Schluss
nserer heutigen Tagesordnung.


(Beifall bei der SPD)

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estages auf morgen, Freitag, den 13. Mai – nicht ver-
essen! –, 9 Uhr, ein. Ich wünsche den Kollegen einen
chönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.