Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Siealle herzlich und wünsche uns gute und konstruktive Be-ratungen. Ich bitte um Nachsicht, dass wir nicht ganzpünktlich beginnen konnten: Wie bekannt ist, beginnenwir die Tagesordnung am Mittwochmittag grundsätzlichmit der Befragung der Bundesregierung, der für die Be-richterstattung vorgesehene Minister konnte aber nichtrechtzeitig hier sein. Wir freuen uns, dass Sie jetzt hiersind, Herr Minister. Ich hatte in der Zwischenzeit schoneinmal informell mit einem gewissen Hauch von Fröh-lichkeit verkündet, dass der Verkehrsminister Problememit der Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs habe.Das trifft den Sachverhalt aber nicht ganz präzise: Viel-leicht machen Sie bei künftigen ähnlichen Gelegenheitendarauf aufmerksam, dass der legitime Informations- undFragebedarf der deutschen Presse sicher keinen Vorrangvor dem des Deutschen Bundestages hat.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigendGdBSMiwtsjnvtEkeOnWsRedetKabinettssitzung mitgeteilt: Jahresbericht der Bundes-regierung zum Stand der deutschen Einheit 2004.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister Manfred Stolpe. Wir verfahrendann nach den üblichen, bekannten Regelungen. DieZeiten laufen also selbstverständlich ab jetzt netto mitden sich daraus ergebenden kleineren Verschiebungenfür die Fragestunde. Bitte schön, Herr Minister.Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-kehr, Bau- und Wohnungswesen:Herr Präsident! Es ist unentschuldbar. Wer mich einwenig kennt, weiß, dass ich eine starke NPünktlichkeit habe. Es tut mir außerordentliches heute schief gegangen ist. Ich weiß gar nicdas wieder gutmachen kann. Vielleicht kann
Metadaten/Kopzeile:
11388 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11389
)
)
Metadaten/Kopzeile:
11390 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Mit Blick auf die Rednerliste möchte ich mir die An-
regung erlauben, dass ihre Abwicklung aussichtsreicher
ist, wenn die Fragen und Antworten etwas knapper ge-
fasst werden. Andernfalls werden die Fragen zwar aus-
führlicher beantwortet, aber es können insgesamt weni-
ger Fragen beantwortet werden.
Jetzt hat der Kollege Kuhn das Wort zu einer Frage.
Herr Minister Stolpe, Sie teilen sicherlich meine Auf-fassung, dass die Verkehrsinfrastruktur eine der Grund-voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung ist.Die Dienstleistungen sind bereits erwähnt worden. Ichmeine aber, dass als wichtiger Punkt noch das produzie-relWaSs2OdrzdSmdiudnuukkmImwgswzEwnASssdZlutiteeWdgwnsmrte
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11391
)
)
Metadaten/Kopzeile:
11392 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11393
)
Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpeworden, bei denen etwas gestaltet werden sollte und beidenen wir aufgrund unserer – beschränkten – Möglich-keiten, einschließlich der finanziellen Möglichkeiten,Hilfe versagen mussten.Wir haben durchgesetzt, dass die GA weitergeführtwird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass sie, wenn einentsprechender Bedarf besteht, auch in Zukunft weiter-geführt wird, weil sie Möglichkeiten bietet, mit denenman vor Ort richtig etwas entwickeln kann.Bei der Verbesserung der Situation im verarbeiten-den Gewerbe spielt immer auch ein Modernisierungs-prozess eine große Rolle. Jemand, der erweitert oderneu anfängt, ist bemüht, modernste Technologie einzu-setzen, und hat damit einen relativ geringen Bedarf anArbeitskräften. Das ist ein Zusammenhang, unter demwir alle leiden. Wenn vor Ort etwas aufblüht, dann freutman sich darüber, muss aber leider feststellen, dass sichdie Zahl der Arbeitslosen in der Umgebung kaum ver-ändert.
Ich habe mir die Wortmeldungen der Kollegin Pau so-
wie der Kollegen Scheffler und Vogel notiert. Die würde
ich gern auch noch aufrufen. Ich bitte aber um knappe
Fragen und möglichst knappe Antworten. Danach wer-
den wir die Zeit sicherlich zumindest ausgeschöpft ha-
ben.
Frau Pau.
Herr Minister Stolpe, Sie sagten in Ihrer kurzen Ein-
führung, dass sich das Kabinett auch mit Schlussfolge-
rungen aus den aktuellen Debatten und Auseinanderset-
zungen der letzten Wochen und Monate befasst hat, und
erwähnten in dem Zusammenhang auch den Wahlsonn-
tag vom vergangenen Wochenende. Mich würde schon
interessieren, um welche Schlussfolgerungen es sich
handelt, da Sie hierzu vorhin nichts ausgeführt haben.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Abgeordnete, wir haben das Wahlergebnis sehr
ernst diskutiert; auch ich persönlich nehme das außeror-
dentlich ernst und tröste mich nicht damit, dass es sich
nur um einige Prozente handelt und große Mehrheiten
anders denken und zur Stabilisierung des demokrati-
schen Rechtsstaates beitragen. Die Ergebnisse, die Nazis
sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg erzielt ha-
ben, wenn auch in gewissen Nuancen unterschieden,
müssen uns sehr wachsam werden lassen und fordern
uns auch heraus. Mit „uns“ meine ich die gesamte demo-
kratische Öffentlichkeit, die Gesellschaft und selbstver-
ständlich auch Bund, Länder und Kommunen.
Ich kann hier nur aus eigenem Erleben sagen, dass es
nicht viel Sinn macht, zu warten, bis sich die Situation
irgendwann einmal bessert, und an gewisse Wellenbewe-
gungen zu glauben, die sich auch in westdeutschen Län-
dern schon gezeigt hätten. Es ist ja nicht so, dass Neona-
zis jetzt erstmalig in Sachsen und Brandenburg solch
a
h
a
a
i
E
t
n
N
n
h
u
S
s
d
g
E
d
s
w
w
b
i
J
u
V
d
c
s
d
s
h
w
t
g
i
s
r
E
i
a
m
h
B
s
r
w
k
d
t
d
J
Metadaten/Kopzeile:
11394 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11395
)
)
Ich denke, Herr Koppelin, dass wir diese Präzisierung
vornehmen sollten.
d
d
i
d
h
d
r
K
s
n
i
h
v
h
g
t
z
d
k
I
E
f
r
n
r
d
c
a
s
s
w
r
B
s
Metadaten/Kopzeile:
11396 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11397
)
)
Herr Staatssekretär, ich erlaube mir, festzustellen,
dass das Bundesverfassungsgericht aus Verfassungs-
richterinnen und Verfassungsrichtern besteht. Diese zu-
sammen machen zwar das Organ Bundesverfassungsge-
richt aus; aber sie selbst müssen Urteile aussprechen.
Man greift sie also an, wenn man Entscheidungen kriti-
siert.
Ich habe aber eine andere Frage an Sie. Herr Staats-
sekretär, können Sie mit einem einfachen Ja bestätigen,
dass die Anträge von Bundestag und auch Bundesrat im
Wesentlichen zu fast 100 Prozent auf die Unterlagen und
Informationen zurückzuführen sind, die die Bundes-
regierung, die Exekutive, den anderen Verfassungsorga-
nen zur Verfügung gestellt hat?
F
Selbstverständlich haben wir diese Unterlagen den
anderen Verfassungsorganen zur Verfügung gestellt.
Dass dies zu einem großen Teil der Fall war, stellt, wie
ich glaube, niemand in Abrede.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundes-
regierung letztendlich nur das an Unterlagen zur Verfü-
gung stellen konnte, was sie dem Bundesverfassungsge-
richt gegeben hat, und der Bundestag auf dieser
Grundlage bei der Entscheidung davon ausgegangen ist,
es sei alles korrekt?
F
Frau Leutheusser-Schnarrenberger, es ist im Leben
so, dass man nur das zur Verfügung stellen kann, was
man hat. Was man nicht hat, kann man nicht zur Verfü-
gung stellen.
Was die Frage der Korrektheit des Zustandekom-
mens dieser Information angeht, so haben wir da
schlichtweg andere Auffassungen. Ich glaube, dass dem
Bundesverfassungsgericht im Verfahren sehr deutlich
dargelegt wurde, auf welche Quellen man sich bezogen
hat. Deswegen war es richtig und auch keine „Majes-
tätsbeleidigung“, die Entscheidung so zu interpretieren
und sich so zu äußern, wie es der Bundesinnenminister
getan hat.
Letzte Zusatzfrage, Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, ich möchte auf Ihre schlichte Er-
kenntnis zurückkommen, dass es um die Entscheidung
und nicht die Richter des Bundesverfassungsgerichts
ging. Stimmen Sie mir zu, dass die Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts von den Richterinnen und
Richtern des Bundesverfassungsgerichts getroffen wer-
den?
d
R
s
d
u
l
S
r
F
i
f
E
S
a
d
r
s
e
e
B
a
d
m
H
G
B
m
v
w
Nach unseren Regelungen ist damit eine Aktuelle
tunde zu diesem Thema vereinbart. – Ich will mit Blick
uf die Zeitkalkulation der Fraktionen darauf hinweisen,
ass nach unseren vereinbarten Regelungen über die An-
echnung der durch Regierungsbefragung und Frage-
tunde jeweils verbrauchten Zeit die Aktuelle Stunde
twa um 15.40 Uhr beginnen wird.
Wir können nun mit der Beantwortung der übrigen
ingereichten Fragen für diese Fragestunde fortfahren.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
undesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Re-
ktorsicherheit.
Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Barbara Wittig wer-
en schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
ier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris
leicke zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 3 der Kollegin Veronika
ellmann auf:
Ist es möglich, dass trotz erfolgter Einordnung in den Bun-
desverkehrswegeplan und Detailabsprachen zwischen dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
BMVBW, und dem Sächsischen Staatsministerium für Wirt-
schaft und Arbeit Nutzen-Kosten-Verhältnisse für Baumaß-
nahmen von Bundesstraßen als unzureichend bewertet wer-
den, und welche Konsequenzen hätte dies für die weitere Bau-
und Kostenplanung dieser Maßnahmen?
I
Frau Kollegin Bellmann, nicht die Einstufung in denom Bundeskabinett beschlossenen Bundesverkehrs-egeplan ist maßgeblich, sondern die Einstufung des
Metadaten/Kopzeile:
11398 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Parl. Staatssekretärin Iris GleickeGesetzgebers bei der Verabschiedung des Fünften Geset-zes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes ent-scheidet über den Status eines Projekts im Bedarfsplanund dessen weitere Behandlung im Planungsablauf.Dabei ist mit der Bedarfseinstufung „vordringlicherBedarf“ kein Realisierungszwang, aber ein Planungsauf-trag verbunden. Ein Planungsrecht wird bestimmtenVorhaben des „weiteren Bedarfs“ eingeräumt. Beurtei-lungskriterien des gesamtwirtschaftlichen Bewertungs-verfahrens sind neben dem Nutzen-Kosten-Verhältnisdie Ergebnisse der Raumwirksamkeitsanalyse sowie derUmweltrisiko- und der FFH-Verträglichkeitseinschät-zungen. In besonderen Fällen können auch Vorhaben mitvergleichsweise geringem Nutzen-Kosten-Verhältnis indie Dringlichkeitsstufen „vordringlicher Bedarf“ und„weiterer Bedarf“ aufgenommen werden, zum Beispielwenn das Ergebnis der Raumwirksamkeitsanalyse sehrgünstig ist. Für alle Vorhaben muss allerdings die Bau-würdigkeit gegeben sein.
Zusatzfrage.
Da Sie sagten, es bestehe keinerlei Realisierungs-
zwang, schließt sich für mich folgende Frage an: Sie
können also, wenn ich das richtig verstanden habe, die
Maßnahmen, wenn sie zu viel Kosten verursachen,
durchaus noch abändern, auch wenn sie in den bisher be-
sprochenen Planungsverfahren sind? Ich möchte konkret
folgende Situation ansprechen: Es haben schon Detailab-
sprachen zwischen Bund und Land stattgefunden und
Sie stellen fest, dass die Kosten immer noch zu hoch
sind. Wenn dann neue Planungsaufträge ausgereicht
werden, gibt es ja eine zeitliche Verzögerung.
I
Frau Kollegin Bellmann, in den Bedarfsplan haben
wir im Rahmen der Erarbeitung und der Diskussion um
das Ausbaugesetz nicht ganz genau geplante Vorhaben
eingestellt; vielmehr haben wir Maßnahmen eingestellt,
die erst anschließend in einen Planungsauftrag münden.
Sie wissen, wie Planungen ablaufen; Sie kennen die Bei-
spiele, wo wir überlegt haben, welche der möglichen Va-
rianten die günstigste ist, die realisiert werden kann.
Selbstverständlich sind wir als Ministerium auch daran
interessiert, die optimale, kostengünstigste Variante he-
rauszufinden. Das ist die ganz klare Praxis beim Pla-
nungsauftrag.
Zweite Zusatzfrage.
Sie sprachen auch die Unterlagen zur FFH-Richtlinie
an. Welchen Einfluss auf den zeitlichen Ablauf hat es,
wenn Unterlagen nachgereicht werden?
m
E
z
K
w
I
n
l
h
–
u
a
d
d
a
B
w
d
g
te
d
N
p
K
i
z
n
g
m
P
W
a
D
j
d
r
Dann sollten wir das klären. Ich schlage vor, dass wir
ns anschließend zusammensetzen und versuchen, das
ufzuklären.
Danke für das Angebot.
Herr Kollege Nitzsche.
Frau Staatssekretärin, Sie sprachen zu Recht davon,
ass, wenn eine Maßnahme als vordringlicher Bedarf in
en Bundesverkehrswegeplan eingestellt wird und sie
nschließend in den entsprechenden Ausbaugesetzen
erücksichtigung findet, ein Planungsauftrag ausgelöst
ird.
Die Niederschlesische Magistrale wurde in den vor-
ringlichen Bedarf eingeordnet und im Schienenwe-
eausbauänderungsgesetz berücksichtigt. Aber wir muss-
n vor etwa sechs Wochen zur Kenntnis nehmen, dass
er Bund sämtliche Planungsaufträge storniert hat. Diese
iederschlesische Magistrale befindet sich im transeuro-
äischen Korridor Nr. 4 und geht hinein bis in das
iewer Kohlerevier; sie erfüllt also eine hervorragende
nfrastrukturelle Aufgabe. Wie ist das damit in Einklang
u bringen, dass die Bundesregierung, obwohl ein Pla-
ungsauftrag vorhanden ist, sämtliche Planungsmittel
estrichen hat?
I
Es entspricht nicht den Tatsachen, dass wir sämtlichelanungen eingestellt hätten. Dem ist nicht so.
enn es an dieser Stelle ein Problem gibt, können wiruch das gern bilateral klären.
as Problem ist mir im Moment allerdings nicht präsent.Ich will noch einmal sehr deutlich machen: Wir sindetzt mitten in der Erarbeitung der Fünf-Jahres-Pläne fürie Straßenbaumaßnahmen, damit wir einfach auch Prio-itäten setzen können. Das wird in enger Absprache mit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11399
)
)
Parl. Staatssekretärin Iris Gleickeden Ländern geschehen. Sie wissen, dass dann die Pla-nungsrechte eine Konkretisierung erfahren.
In welcher Höhe sind die Kosten für den Abriss des Palas-
tes der Republik und die Kosten für die Anlage der gärtneri-
schen Übergangsgestaltung des Areals in den Entwurf zum
Bundeshaushaltsplan 2005 eingestellt und inwieweit werden
diese Kosten mit dem Berliner Senat geteilt?
I
Herr Kollege Otto, ich möchte gern Ihre beiden Fra-
gen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beant-
worten.
Dann rufen wir auch noch Frage 5 des Abgeordneten
Otto auf:
In welcher Höhe sind die Planungskosten zur Vorbereitung
und Durchführung eines internationalen öffentlichen Archi-
tektenwettbewerbs, die laut Beschluss des Deutschen Bundes-
tages vom 13. November 2003 zu der Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Kultur und Medien auf Bundestagsdruck-
sache 15/2002 aus einem Investitionstitel des BMVBW vor-
zufinanzieren sind, in den Entwurf zum Bundeshaushaltsplan
2005 eingestellt und inwieweit sind die Planungen bislang
fortgeschritten?
I
Im aktuellen Finanzierungsplan 2004 der städtebauli-
chen Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin – Par-
laments- und Regierungsviertel“ sind für den Abriss des
Palastes der Republik und für die Anlage der gärtneri-
schen Übergangsgestaltung Mittel in einem Prognose-
wert von 20 Millionen Euro angesetzt; für die Vorberei-
tung und Durchführung eines Architektenwettbewerbs
ist ein Prognosewert von 400 000 Euro angesetzt. Diese
Maßnahmen werden als Zuweisungen für Investitionen
an das Land Berlin mit einem Anteil von 64 Prozent aus
dem Bundeshaushalt gefördert. Das Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen bereitet diesen
Wettbewerb in Abstimmung mit dem Land Berlin vor.
Zusatzfragen? – Bitte.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Würden Sie mir
sagen, unter welchem Titel diese Ausgaben in den Haus-
haltsplan für das Jahr 2005 eingestellt worden sind?
I
Der allgemeine Titel dieser städtebaulichen Entwick-
lungsmaßnahme lautet „Hauptstadt Berlin – Parlaments-
und Regierungsviertel“. Dieser Titel ist im Rahmen des
Bonn/Berlin-Beschlusses entstanden. Darin enthalten ist
zum Beispiel die Baufeldberäumung am Paul-Löbe-
H
m
b
r
d
k
o
s
u
m
w
r
z
s
d
r
A
n
g
e
A
d
w
a
m
A
ü
h
v
n
h
t
d
s
m
L
Metadaten/Kopzeile:
11400 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11401
)
)
Metadaten/Kopzeile:
11402 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11403
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
11404 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11405
)
)
D
d
c
h
s
d
a
d
d
w
E
s
m
S
d
S
w
D
F
e
T
B
g
z
w
e
a
c
I
u
t
t
t
s
t
b
N
s
Metadaten/Kopzeile:
11406 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Zur privaten Wirtschaft gehören auch Finanzinstitute.
Eine weitere Zusatzfrage.
Könnten Sie uns allen mitteilen, welche Finanzinsti-
ute sich an Herrn Koch-Weser mit der Frage gewandt
aben, ob er Wechselabsichten hat?
Ka
Ich denke, das ist seine Privatangelegenheit.
Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Rupprecht wer-en schriftlich beantwortet.Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.ielen Dank, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-iums für Wirtschaft und Arbeit auf. Für die Beantwor-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11407
)
)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammerttung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekre-tär Gerd Andres zur Verfügung.Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Dirk Niebel auf:Wie hoch ist der Beitrag, aufgeschlüsselt nach Arbeitneh-mer- und Arbeitgeberanteil, den die Bundesregierung als bis-heriger Dienstherr des Staatssekretärs im Bundesministeriumfür Wirtschaft und Arbeit, BMWA, Dr. Alfred Tacke, der mitseinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst auf seineAnsprüche als Beamter verzichtet, bei der Nachversicherungin der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen hat, undwird sie, wie im Gesetz vorgesehen, beide Anteile bezahlen?G
Herr Präsident! Herr Niebel, für den Fall, dass Herr
Dr. Tacke einen Antrag auf Entlassung aus dem öffentli-
chen Dienst stellt, ist er in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung nachzuversichern. Nach § 181 Abs. 5 SGB VI
werden die Beiträge zur Nachversicherung allein vom
Arbeitgeber getragen. Eine Aufteilung in Arbeitgeber-
und Arbeitnehmeranteile entfällt. Weitere Zahlungen
sind nicht erforderlich. Für den Bund würde dies – bezo-
gen auf die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze, die in
den Jahren 1999 bis 2001 bei 104 400 DM lag und im
Jahre 2004 bei 61 800 Euro liegt – Zahlungen in Höhe
von 19,5 Prozent der jeweiligen Beträge bedeuten.
Nachzuzahlen sind Beträge für die Zeit vom 30. Oktober
1998 bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Herr Tacke den An-
trag auf Entlassung stellt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Niebel.
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, wie
hoch die Altersrente von Herrn Tacke aufgrund dieser
Nachzahlung ausfallen würde und wie hoch die Diffe-
renz zu seiner potenziellen Beamtenversorgung wäre?
G
Nein, das kann ich nicht.
Können Sie das gegebenenfalls nachreichen?
G
Das kann ich gegebenenfalls nachreichen. Das Pro-
blem dabei ist: Herr Tacke wird die Entlassung aus dem
öffentlichen Dienst beantragen. Von daher fällt keine
Pensionszahlung an.
Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Niebel auf:
Werden durch die Verzögerungen bei der EDV für die Da-
tenerfassung und Auszahlung des Arbeitslosengeldes II,
ALG II, Kostensteigerungen bei der Bundesagentur für Ar-
beit, BA, oder dem BMWA zu erwarten sein und, wenn ja, in
welcher Höhe?
m
g
d
2
t
s
d
d
g
e
H
n
d
W
g
d
d
J
k
i
S
t
c
m
a
B
2
k
n
w
g
v
f
f
d
r
d
w
n
z
c
d
t
j
d
A
n
Metadaten/Kopzeile:
11408 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
G
Ich weiß nicht, ob das in der freien Wirtschaft nicht so
der Fall ist. Das behaupten Sie einfach. Bei dem Groß-
projekt der Mauteinführung hat es – das ist vielen be-
kannt – vielfältige Zusagen der beteiligten Wirtschaft
gegeben, die nicht eingehalten wurden. Im Zusammen-
hang mit diesem Projekt der Bundesagentur ist festzu-
stellen, dass es schwierig ist, Softwareprogramme zu
erstellen, die die Datenerfassung usw. relativ zügig mög-
lich machen. Das ist mit Schwierigkeiten verbunden. Ich
kann daran feststellen, dass es offensichtlich Probleme
gibt, wenn größere Softwarepakete herzustellen sind,
dass man dafür Zeit braucht.
Wir gehen davon aus – ich habe eben darauf hinge-
wiesen –, dass wir den Zeitplan zum 1. Januar 2005 rea-
lisieren können. Auf alle Fälle werden alle, die ihren
Fragebogen abgeben und sich vernünftig erfassen lassen
– ich will die Gelegenheit nutzen, noch einmal darauf
hinzuweisen –, im Januar ihre Leistung bekommen. Wei-
tere Rückschlüsse möchte ich nicht ziehen. Ich kann ver-
stehen, dass Sie ein Interesse daran haben, nachzuwei-
sen, dass immer alles irgendwie an der Bundesregierung
liegt. Ich kann Ihnen aber versichern, Herr Niebel: Das
ist nicht so.
Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Manfred Grund
auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass es im Zuge
der anstehenden Arbeitsmarktreform auch optierenden Kom-
munen und Kreisen, insbesondere solchen, die – wie in den
neuen Ländern – künftig eine im Vergleich zu den bisherigen
Leistungsempfängern von Sozialhilfe große Anzahl von
Langzeitarbeitslosen zu betreuen haben, ermöglicht werden
sollte, vorübergehend und in begrenztem Umfang erfahrenes
Personal der BA im Wege von Dienstleistungsüberlassungs-
verträgen zu übernehmen, um in der Startphase das dort vor-
handene Know-how bei den neuen Aufgaben der Arbeitsver-
mittlung einbringen und ihnen insoweit zu vergleichbaren
Startbedingungen gegenüber den Arbeitsgemeinschaften ver-
helfen zu können?
m
s
s
M
m
g
d
w
z
3
k
l
A
d
D
T
a
t
n
b
E
z
n
A
z
s
d
S
O
s
e
a
E
d
d
d
g
g
z
u
d
z
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11409
)
)
Meine Argumentation ist das zumindest nicht.
Wer ist näher dran? Wer kann das besser leisten? Da-
auf kommt es an. Wenn in einer Art Strafaktion diejeni-
en, die optieren, schlechter ausgestattet werden und
chlechtere Voraussetzungen in Bezug auf die Vermitt-
ung von Langzeitarbeitslosen in überregionale Jobs ha-
en, dann laufen wir Gefahr, dass dieses Gesetz weiter
chaden nimmt.
G
Ich weise das ganz entschieden zurück. Ich sage noch
inmal: Wer wollte, hatte rechtlich die Möglichkeit, zu
ptieren. Wer optiert, bekommt die gleiche finanzielle
usstattung, die gleiche sachliche Ausstattung und die
leichen Personalaufwendungserstattungen wie in dem
egelfall, den wir vorgesehen haben: der Arbeitsge-
einschaft zwischen Kommunen und Bundesagentur.
usätzlich haben wir eine Übergangsfrist eingebaut. Ich
iederhole das; es ändert sich ja nicht.
Aber wer optiert hat, muss es machen. Viele werden
och darauf kommen, dass dazu nicht nur die bundes-
eite Vermittlung, sondern auch die berufliche Rehabili-
ation und alles Drum und Dran gehören. Wer optiert,
uss sich darüber im Klaren sein, dass er das machen
uss. Er bekommt von der Bundesregierung, von der
gentur, von der Gesetzgebung die gleichen Bedingun-
en wie alle anderen. Er kann aber nicht sagen: Jetzt
uss die Bundesagentur mit ihrem Personal kommen
nd die Aufgaben übernehmen. Das geht nicht.
Keine Fragen mehr?
Nein.
Beide Fragen sind also beantwortet.Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Kolbe sollenchriftlich beantwortet werden.Wir kommen zur Frage 30 des Kollegen Günteraumann:Können ALG-II-Empfänger nach der ab 1. Januar 2005geltenden Rechtslage die ihnen für Geldvermögen einerseitsund für nicht kündbare Altersvorsorgeprodukte andererseitszustehenden Schonvermögensgrenzen zu einem Gesamt-schonvermögensbetrag addieren und wird somit eine Lebens-versicherung, deren aktueller Wert das Doppelte des persön-lichen Altersvorsorgeschonvermögens beträgt, von einerAnrechnung auf das ALG II ausgenommen, wenn kein weite-res Geldvermögen vorhanden ist?
Metadaten/Kopzeile:
11410 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Ge
Herr Präsident! Herr Kollege! Auch hier würde ich,
wenn Sie einverstanden sind, gerne beide Fragen ge-
meinsam beantworten, weil sie in einem inhaltlichen Zu-
sammenhang stehen.
Dann rufe ich auch die Frage 31 des Abgeordneten
Baumann auf:
Wenn ja, ist garantiert, dass die Arbeitsagenturen dieses
Additionsverfahren auch einheitlich umsetzen werden?
G
Herr Kollege Baumann, erwerbsfähigen Hilfebedürf-
tigen und den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft le-
benden Partnern werden geldwerte Ansprüche, die der
Altersvorsorge dienen, in Höhe von 200 Euro je Lebens-
jahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines
Partners, höchstens jedoch 13 000 Euro vom Vermögen
abgesetzt, wenn diese Altersvorsorge, zum Beispiel eine
private Rentenversicherung, aufgrund einer vertragli-
chen Vereinbarung nicht vor dem Eintritt in den Ruhe-
stand verwertet werden kann. Außerdem wird dem er-
werbsfähigen Hilfebedürftigen und seinem mit ihm in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner für Vermö-
gen jeder Art ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro
je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebe-
dürftigen, mindestens aber 4 100 und höchstens
13 000 Euro eingeräumt.
Ist zum Beispiel bei einem bestehenden privaten Le-
bensversicherungsvertrag vereinbart, dass ein Teil des
verfügbaren Rückkaufwertes nicht vor Eintritt in den
Ruhestand verwertet werden kann, so wird dieser Teil
dem speziellen Absetzbetrag für geldwerte Ansprüche,
die der Altersvorsorge dienen, zugerechnet. Der über-
steigende, verwertbare Teil der Lebensversicherung
kann dem allgemeinen Grundfreibetrag für Vermögen je-
der Art zugerechnet werden. Ist kein anderes Geldver-
mögen vorhanden, wäre diese Lebensversicherung in der
Summe bis 400 Euro je Lebensjahr des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen geschützt: in der Höhe von 200 Euro
pro Lebensjahr als besonderes Altersvermögen, in Höhe
von weiteren 200 Euro pro Lebensjahr nach dem allge-
meinen Grundfreibetrag.
Die vorgenannten Anrechnungsregelungen wird die
Bundesagentur für Arbeit in die internen Durchfüh-
rungshinweise zum § 12 SGB II aufnehmen. Eine ein-
heitliche Umsetzung ist damit sichergestellt.
Zusatzfrage? – Bitte schön, Kollege Baumann.
Dort, wo die Durchführung in Arbeitsgemeinschaften
erfolgt, ist die einheitliche Umsetzung geregelt. Die
Frage ist, ob dies auch bei Kommunen und Landkreisen
der Fall ist, in denen das Optionsmodell angewandt wer-
den soll.
m
l
–
Wie ist der derzeitige Verhandlungsstand bezüglich eines
Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union,
EU, und dem Mercosur, gemeinsamer südamerikanischer
Markt, und wie bewertet die Bundesregierung diesen?
G
Wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich in
iesem Zusammenhang auch die Frage 33 beantworten.
Dann rufe ich noch die Frage 33 des Kollegen Peter
eiß auf:
Wird das Freihandelsabkommen zwischen der EU und
dem Mercosur wie geplant bis Oktober 2004 abgeschlossen
sein und, wenn ja, mit welchen inhaltlichen Ergebnissen ist
nach Einschätzung der Bundesregierung zu rechnen?
G
Herr Kollege Weiß, das in Ihren Fragen ange-prochene Freihandelsabkommen ist Bestandteil einesmfassenden Assoziierungsabkommens der EU mitercosur. Die Verhandlungen befinden sich derzeit ininer entscheidenden Phase. Das Gespräch von EU-ommissar Lamy mit dem brasilianischen Außenminis-er Amorim am 12. September 2004 in Brasilia hat deneit dem letzten Austausch schriftlicher Marktzugangs-ngebote am 21. Mai 2004 ins Stocken geratenen Ge-prächen neue Impulse verliehen.Zwar wurde die zunächst für die Woche vom 20. bis4. September 2004 geplante 16. Verhandlungsrunde ab-esagt, ein neuer Termin wurde jedoch für die Woche abem 27. September 2004 und dem 4. Oktober 2004 inussicht genommen. Zuvor hatte die Europäische Kom-ission in der vergangenen Woche in Brüssel vom3. bis 17. September technische Gespräche mit demercosur geführt. Nachdem der Mercosur mündlich dieereitschaft geäußert hat, sich in dem Bereich mit offen-iven EU-Interessen – dazu gehören vor allem die Berei-he Marktzugang für Güter, Dienstleistungen, Investi-ionen und öffentliches Auftragswesen – flexibler zueigen, wurde ein schriftlicher Austausch verbesserterarktzugangsangebote für Ende dieser Woche oder fürnfang kommender Woche ins Auge gefasst.Wenn beide Seiten in den kommenden Wochen weiterufeinander zugehen und wenn sich vor allem die vonercosur mündlich angekündigte Bereitschaft zu weite-en Zugeständnissen bestätigt, ist es aus Sicht der Bun-esregierung nach wie vor möglich, die Verhandlungen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11411
)
)
Parl. Staatssekretär Gerd Andresbis Ende Oktober erfolgreich abzuschließen. Aussagenüber die Wahrscheinlichkeit hierfür wären aus Sicht derBundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aller-dings spekulativ. Die Chancen sind nach den ermutigen-den technischen Gesprächen, die die Europäische Kom-mission in der vergangenen Woche mit dem Mercosurgeführt hat, jedenfalls höher, als zunächst nach der Ab-sage der für diese Woche geplanten 16. Verhandlungs-runde zu vermuten war.Die Bundesregierung würde einen erfolgreichen Ab-schluss der Verhandlungen bis Ende Oktober im Hin-blick auf die Chancen der deutschen Exportwirtschaftund aus politischen Gründen sehr begrüßen. Angestrebtwerden eine weit gehende gegenseitige Marktöffnungfür Güter, Dienstleistungen, Investitionen und öffentli-ches Auftragswesen sowie Vereinbarungen unter ande-rem zum Schutz der Rechte auf geistiges Eigentum undVereinbarungen zu Ursprungsregeln, zu sanitären undphytosanitären Maßnahmen und zur nachhaltigen Ent-wicklung.
Nachfrage, Kollege Weiß.
Herr Sta
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Steht bei den Verhandlungen
das Einhalten des Datums oder eine substanzielle An-
näherung in den bislang noch unterschiedlichen Positio-
nen zwischen dem Mercosur und der Europäischen
Union im Vordergrund?
G
Beides. Sie wissen sicherlich, dass die Bundesregie-
rung nichts unversucht gelassen hat, bei den Mitglied-
staaten des Mercosur zu werben und die Kommission zu
ermutigen, Bewegung in die Verhandlungen zu bringen.
Sie wissen sicherlich auch, dass wir als das zentrale
europäische Land mit einem sehr großen Außenhandels-
anteil ein großes Interesse daran haben, dass es Verabre-
dungen auf den von mir genannten Gebieten gibt.
Deswegen sind wir guter Hoffnung, dass wir bis Okto-
ber zu einem inhaltlich sehr guten Ergebnis kommen, das
man vorzeigen kann und das im Interesse von Mercosur
und der EU liegt.
Herr Staatssekretär, da immer wieder die Befürchtung
geäußert worden ist, dass bei Einhaltung des beim letz-
ten EU-Lateinamerika-Gipfel gegebenen Versprechens
eines Abschlusses des Abkommens bis Oktober 2004 die
Gefahr besteht, dass man sich bei einer nicht möglichen
Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte zu einem
A
m
e
r
d
s
g
m
d
s
b
m
s
B
r
d
V
i
m
e
I
d
b
r
d
p
a
r
B
s
s
S
d
m
a
m
u
u
m
s
z
b
A
G
G
v
d
A
w
Metadaten/Kopzeile:
11412 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11413
)
)
Ich habe dargestellt, dass die Sozialhilferegelsätze und
die Leistungen nach SGB II miteinander korrespondie-
ren. Ich habe Ihnen erklärt, wie das zustande gekommen
ist. Das kann übrigens auch gar nicht aufgehoben wer-
den. Um Ihr praktisches Beispiel aufzugreifen: Im Zwei-
felsfall kann eine Frau aus Ostdeutschland eine höhere
Unterstützung bekommen als eine Frau aus manchen Re-
gionen in Westdeutschland. Das kann sehr unterschied-
lich sein. Wie es zustande gekommen ist, ist erklärt wor-
den; dass es unterschiedliche Regelkreise gibt, ist
ebenfalls erklärt worden und auch die Rechtsgrundlagen
habe ich genannt.
Wir kommen dann zur Frage 35 der Kollegin
Lötzsch:
Wie viele illegale Preisabsprachen zwischen Unternehmen
wurden 2003 und 2004 in der Bundesrepublik Deutschland
aufgedeckt und geahndet und wie hoch waren die durch-
schnittlichen Strafzahlungen?
m
J
a
7
li
n
I
f
g
n
d
h
k
w
S
t
S
n
m
n
d
m
d
d
r
n
T
Z
s
Metadaten/Kopzeile:
11414 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Ja, das war eine Antwort; das denke ich auch.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben dargestellt,
ass die so genannte 58er-Regelung, also die Vereinba-
ung, die zwischen dem früheren Arbeitsamt bzw. der
eutigen Arbeitsagentur und den über 58-jährigen Ar-
eitslosen geschlossen wurde, zwei Bestandteile hat:
er erste Bestandteil ist, dass die Arbeitslosen darauf
erzichteten, vermittelt zu werden, womit sie erklärten,
ass sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung ste-
en. Der zweite Teil der Vereinbarung ist sehr wohl, dass
ie bis zu ihrem schnellstmöglichen Eintritt in die Rente
ntweder Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe in
iner gewissen Höhe beziehen. Wie beabsichtigt die
undesregierung, genau diese Verträge – ich spreche
on Verträgen, weil es sich um schriftliche Vereinbarun-
en mit den Betroffenen handelt – aufzulösen?
G
Ich teile Ihre Auffassung nicht. Es gibt weder zwei
usagen noch gibt es Verträge.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Meine zweite Nachfrage: Bundesminister Clementird in der Presse zitiert, dass er besondere Härtefall-egelungen überprüfen lassen werde. Wie sollen dieseegelungen konkret aussehen? Wer kann wie und woerausfinden, ob er ein solcher Härtefall ist und werein Ansprechpartner bei der Lösung dieses Problemst?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11415
)
)
Ge
Der 428er-Regelung können ganz unterschiedliche
Tatbestände zugrunde liegen. Wenn es beispielsweise
vertragliche Verabredungen mit Firmen gibt, dann kann
eine Änderung der Rechtsgrundlage auch zu veränderten
Rechtsfolgen – unter anderem hinsichtlich einer Sozial-
plan- oder Altersruhestandsvereinbarung, die es in man-
chen Firmen gibt – führen. Das bedeutet praktisch, dass
dann der ehemalige Arbeitgeber für diese Rechtsfolgen
aufkommen muss. Solche Beispiele sind mir bekannt;
man muss sich mit ihnen auseinander setzen.
Aber ich möchte noch einmal sagen, worin der Irrtum
besteht: § 428 SGB III regelt den Bezug von Arbeits-
losengeld unter erleichterten Bedingungen. Diese er-
leichterte Bedingung ist, dass man dem Arbeitsmarkt
nicht zur Verfügung stehen muss. Alle anderen recht-
lichen Grundsätze gelten weiter.
Auch bisher war die Situation so, Frau Kollegin Pau,
dass bei jemandem, der nach der 428er-Regelung Ar-
beitslosengeld bezogen hat und dann, weil sein An-
spruch auf Arbeitslosengeld ausgelaufen war, daraufhin
überprüft wurde, ob er Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
hat, die Voraussetzungen für die Gewährung von Ar-
beitslosenhilfe wegen zu hohem Vermögen oder zu ho-
hem Einkommen des Partners nicht mehr erfüllt sein
konnten. Das ist auch bisher, ohne dass Hartz IV in Kraft
ist, der Fall; daran hat sich bis jetzt nichts geändert.
Diese Regelung hat bedeutet, dass man zwar dem Ar-
beitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen musste, dass
man aber auch keine Leistungen bekam, weil die Vo-
raussetzung für die Leistungsgewährung nicht erfüllt
war.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.
Ich rufe Frage 39 des Kollegen Jens Spahn auf:
Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Antwort der
Parlamentarischen Staatssekretärin bei der Bundesministerin
für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk,
vom 2. August 2004 auf meine schriftlichen Fragen 64 und 65
auf Bundestagsdrucksache 15/3638 und das darin genannte
Urteil des Landgerichts Münster hinsichtlich des § 7 des Heil-
mittelwerbegesetzes in Verbindung mit § 1 des Gesetzes ge-
gen den unlauteren Wettbewerb einen Änderungsbedarf und,
wenn nicht, wie sieht sie die Auswirkungen auf den Handel
mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln?
M
Herr Kollege Spahn, Sie fragen im Hinblick auf ein
Urteil des Landgerichts Münster nach Möglichkeiten der
Rabattgewährung beim Versandhandel mit Arzneimit-
teln. Mit dem In-Kraft-Treten des GKV-Modernisie-
rungsgesetzes am 1. Januar 2004 ist die Preisbindung für
apothekenpflichtige, jedoch nicht verschreibungspflich-
tige Arzneimittel weggefallen. Die Apotheken können
s
v
W
k
w
h
d
P
b
s
g
p
M
d
A
R
d
d
b
m
b
e
u
s
d
D
d
G
z
O
g
c
d
a
j
d
m
d
s
U
w
Z
U
–
l
r
B
r
Metadaten/Kopzeile:
11416 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
ir glauben, dass es vernünftig ist, eine Belieferung mit
edikamenten durch den Versandhandel auch bis zum
rankenbett zu ermöglichen, und dass Wettbewerbs-
nstrumente im Gesundheitswesen überfällig sind. Des-
egen sollte man nicht Einzelfälle dazu heranziehen,
as Funktionieren des Versandhandels grundsätzlich in-
rage zu stellen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sie haben mir offensichtlich nicht zugehört; denn Sie
aben auf meine Frage keine Antwort gegeben.
M
Das stimmt natürlich nicht.
Sie waren während meiner Frage gerade anderweitig
eschäftigt und standen in Kommunikation mit dem Prä-
identen.
M
Frauen beherrschen in aller Regel das Multitasking.ch habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11417
)
)
Dann ziehe ich den ersten Teil meiner Aussage zu-
rück, Herr Präsident, und sage, dass zumindest meine
Frage nicht beantwortet worden ist.
Herr Kollege Spahn, Sie haben jetzt das Recht, eine
Frage zu stellen, und nicht, Aussagen zu treffen.
Ja, das wollte ich gerade tun.
Ich frage also noch einmal: Sehen Sie kartellrechtli-
che Probleme in dem Umstand, dass der Großhandel ins-
gesamt – ob abgesprochen oder nicht, bleibt dann zu
prüfen – ausländische Versandapotheken nicht mit Arz-
neimitteln versorgt?
M
Wir haben dies geprüft und prüfen weiter, weil wir ein
großes Interesse am Funktionieren des Versandhandels
haben. Deswegen gibt es hier auch keine Widersprüche.
Einzelfällen werden wir nachgehen. Grundsätzlich funk-
tioniert der Versandhandel.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Die Fragestunde ist damit beendet.
Die Fraktion der FDP hat eine Aktuelle Stunde auf-
grund der Antworten der Bundesregierung auf die
Dringlichkeitsfragen beantragt. Diesem Verlangen ist
nach Anlage 5 I 1 b unserer Geschäftsordnung stattzuge-
ben. Diese Aktuelle Stunde muss unmittelbar im An-
schluss an die Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Äußerungen von Bundesminister Schily zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zum Antrag auf Verbot der NPD
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dr. Guido Westerwelle von der FDP-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom heu-tigen Tage wird der Vorsitzende der rechtsradikalen,rechtsextremistischen NPD zitiert: Er bedanke sich zu-nächst beim Bundesinnenminister Schily, der das Schei-tern des Verbotsverfahrens gegen die NPD selbst ver-schuldet und damit die NPD bekannt gemacht habe.
dbvseadMtSggwnrssWtwewsSbeWrMdtgrPsBnsvE
Wir wissen, dass es im Laufe des Verbotsverfahrensine V-Leute-Problematik nach der anderen gegeben hat.ir wissen, dass auch einzelne Kollegen der Regie-ungsfraktionen in diesem Hause – sie haben wie ich alsitglied des Innenausschusses die Akten gelesen – Sieamals gewarnt haben, dass das Verfahren bei dieser Ak-enlage scheitern wird. Es ist aus unserer Sicht ein ganzroßer Fehler, wenn jetzt nicht nur das Verfassungsge-icht kritisiert wird, sondern wenn an dieser Stelle einingpongspiel der Schuldzuweisungen zwischen Verfas-ungsorganen stattfindet.
esser wäre es, wir würden uns der politischen Ausei-andersetzung mit den rechtsextremen Parteien gemein-am sachlich stellen.
Deswegen halten wir es für erforderlich, dass wir unsor allen Dingen mit den Ursachen dieser gefährlichenntwicklung auseinander setzen.
Metadaten/Kopzeile:
11418 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Dr. Guido WesterwelleEs ist ein Fehler, wenn beispielsweise in einer Fernseh-diskussion am Sonntagabend – das soll klar gesagt wer-den – denen, die sich in ihrer Falschheit und – Herr Prä-sident, ich darf mir diesen Ausdruck vielleichterlauben – in ihrer Dämlichkeit durch ihre Worte selbstentlarven, das Wort abgeschnitten wird.
Wir halten es für sinnvoller, wenn eine politisch sachli-che Auseinandersetzung stattfindet. Deswegen sind wirder Überzeugung, dass es die beste Politik gegen Rechts-extremismus ist, dafür zu sorgen, dass durch eine wirt-schaftsfreundliche Politik Arbeits- und Ausbildungs-plätze entstehen. Diese Politik schlagen wir vor.
Sie hingegen, Herr Minister, haben erst mit einemhandwerklich schlechten und unzureichenden Verbots-verfahren dafür gesorgt, dass die NPD eine Bühne be-kam und sich die rechtsradikale Szene sortieren konnteund auch sortiert hat.
Jetzt machen Sie ausgerechnet das Bundesverfassungs-gericht für Ihre eigene handwerkliche Unzulänglichkeitverantwortlich. Das akzeptieren wir in keiner Weise. Daswollen wir Ihnen als Fraktion im Deutschen Bundestagnicht durchgehen lassen.
Das zeigt eben, dass Sie trotz Ihrer unzweifelhaft gu-ten Absichten, die Sie mit dem Verbotsverfahren gehabthaben – das haben wir nie bestritten; lesen Sie dazu dieProtokolle der damaligen Debatte nach –, genau das Ge-genteil bewirkt haben. Es zeigt auch, dass wir uns umandere Dinge kümmern müssen, um die politische Bil-dung, die bessere Ausstattung der politischen Stiftungenund der Bundeszentrale für politische Bildung. Das istder Ansatz, den wir suchen sollten.Wir von der Freien Demokratischen Partei können imDeutschen Bundestag in keiner Weise akzeptieren – undwenden uns in aller Schärfe dagegen –, dass Sie, HerrInnenminister, das Bundesverfassungsgericht öffentlichbeschimpfen, anstatt zuzugestehen, dass Sie selbst inWahrheit mit Ihrer Politik falsch lagen.Vielen Dank, Herr Präsident.
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck vom
Bündnis 90/Die Grünen.
W
s
l
m
v
e
H
v
w
M
V
W
d
m
l
W
v
S
m
d
i
s
M
d
Z
f
m
f
w
g
W
m
g
f
z
s
g
Ich finde, es ist eine traurige Stunde für dieses Parla-ent, wenn der Deutsche Bundestag nach dem Einzugon rechtsextremistischen Parteien in zwei Landtage ininer Aktuellen Stunde ein kleines parteipolitischesickhack über eine Äußerung des Bundesinnenministerseranstaltet, die vielleicht von manchen missverstandenorden ist.
ir fehlt für diese Art der Auseinandersetzung jeglicheserständnis.Vorhin in der Fragestunde – da waren Sie, Herresterwelle, noch nicht da – hat Staatssekretär Körperargelegt, wie dieses Statement zu verstehen war. Icheine, dass man nicht leugnen kann, dass es eine Kausa-ität zwischen dem nicht erfolgten Verbot und demahlsieg gibt. Dass diese Äußerung in manchen Presse-eröffentlichungen ein bisschen anders klang, kennenie von Ihren Äußerungen auch. Das hat man nicht im-er ganz in der Hand.Wenn ich manches von Ihnen über diese Entschei-ung des Bundesverfassungsgerichts höre, dann kommech zu dem Schluss, dass nicht korrekt geredet wird. Sieagen, Herr Schily und Herr Beckstein seien laut einereldung der Nachrichtenagentur ddp für das Erstarkener NPD verantwortlich. Das finde ich einfach schäbig.udem: Den Bund trifft bei den Fehlern in diesem Ver-ahren am wenigsten die Schuld. Es hat an der Zusam-enarbeit der Landesämter für Verfassungsschutz ge-ehlt. Sie müssen auf eine ganz andere Bank zeigen,enn Sie es für sinnvoll halten, über Schuldzuweisun-en zu reden.
ir kommen nicht weiter, wenn wir so debattieren.Der Kollege Koppelin hat laut einer anderen Agentur-eldung behauptet, das Bundesverfassungsgericht habeesagt, dass der Verdacht entstanden sei, es seien Gründeür das Verbotsverfahren erst durch die V-Leute produ-iert worden. Das ist nachweislich falsch. In der Ent-cheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt es, vor-etragen von einer Minderheit von drei Richtern:In einem Parteiverbotsverfahren schwächen Mit-glieder der Führungsebene, die mit einander entge-gengesetzten Loyalitätsansprüchen des staatlichenAuftragsgebers und der observierten Partei kon-frontiert sind, die Stellung der Partei als Antrags-gegner vor dem BVerfG im Kern.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11419
)
)
Volker Beck
Es gebe das Problem der Information der Antragstellerüber die Prozessstrategie der Partei. Deshalb hat dieMinderheit dieses Verbotsverfahren zu Fall gebracht.Die Mehrheit war übrigens anderer Auffassung. Ichmeine auch, dass das im Verfahren noch hätte geheiltwerden können. Das aber ist alles vergossene Milch.Was wir jetzt brauchen, ist eine Auseinandersetzungmit dem Rechtsextremismus im Land. Wir müssen auchdie Defizite benennen.
Reden Sie mit Polizisten und Leuten aus der Jugendar-beit! Es gibt in Sachsen Städte, in denen ein Jugendli-cher, der mit dem rechtsextremen Gesocks nichts zu tunhaben will, nirgendwo hingehen kann, um sich mit ande-ren Jugendlichen zu treffen. Diese müssen eine erhebli-che Zivilcourage haben und eine Kraftanstrengung auf-bringen. Wir, die Politiker im Bund und die im LandSachsen, haben die Aufgabe, die Zivilgesellschaft zustärken und Räume für Jugendliche zu öffnen, die mitdiesem Gedankengut nichts zu tun haben wollen. Daswollen wir mit den Programmen Entimon und Civitastun. Das ist der richtige Ansatzpunkt. Dass die CDU/CSU in jeder Haushaltsdebatte Streichungsanträge ein-bringt, mit denen sie diese bescheidenen Ansätze, diewir eigentlich stärken sollten, völlig abschaffen will,
ist ein Armutszeugnis. Ich hoffe, dass das jetzt ein Endehat.
Wenn sich die Helden von der FDP in dieser Debattefür die geistige Auseinandersetzung mit den Rechts-extremen aussprechen, dann frage ich Sie: Wie sind Siein Sachsen-Anhalt mit dem Verein „Miteinander“ umge-gangen? Dort haben Sie als schwarz-gelbe Regierungunmittelbar nach der Regierungsübernahme das einzigeProjekt, das sich mit diesem Problem befasste, kaputt-gekürzt und abgeschafft. Das ist die falsche Politik.
Wir brauchen eine geistige Auseinandersetzung undwir müssen uns die Lümmel von der NPD aggressiv vor-nehmen und ihre Argumente zerlegen. Dabei hilft esnicht – das hat mich wirklich erschreckt –, diesen Leutenmit ihrer Ideologie noch hinterherzulaufen, wie es offen-bar gestern in der Unionsfraktion diskutiert wurde,
wenn die Meldung in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“ stimmt, derzufolge die Kollegin Bellmann in derUnionsfraktion unter Beifall gesagt haben soll, der Aus-schluss des Abgeordneten Hohmann wegen seiner anti-semitischen Äußerungen sei mitverantwortlich für dieVerluste der CDU in Sachsen.SmkkWdinghMvlisRnddkChgarluksnuktsPtw
Die Frage ist doch: An wen gingen die verlorenentimmen? Von wem bekommt denn die NPD ihre Stim-en? Die NPD hat ihre Stimmen aus zwei Lagern be-ommen: zum größten Teil von der Union und zu einemleineren Teil von der PDS. Das ist die Wahrheit zurählerwanderung. Wir werden diese Menschen nichtadurch für die Demokratie zurückgewinnen, dass wirhnen nachplappern, sondern indem wir unsere Positio-en beibehalten und klar argumentieren. Das gilt übri-ens auch für die Auseinandersetzung im Zusammen-ang mit Hartz IV. Die Doppelzüngigkeit von Herrnilbradt in diesem Zusammenhang hat die Menschenerständlicherweise nicht überzeugt.Die Kampagne „Herz statt Hartz“ der FDP hat sicher-ch auch keinen Beitrag dazu geleistet, dass die Men-chen verstehen konnten, an welchen Stellen im Landeformbedarf besteht und dass die Reformpolitik ver-ünftig ist. In solchen Auseinandersetzungen muss manen Menschen die Notwendigkeit der Reformen auchann nahe bringen, wenn dies politisch ein bisschen wasostet.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Bosbach von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Be-auptung von Minister Schily, das Bundesverfassungs-ericht sei für die Wahlerfolge der NPD in Sachsen ver-ntwortlich, ist erstens in der Sache falsch, zweitens eineines Ablenkungsmanöver, das von seinen eigenen Feh-ern im NPD-Verbotsverfahren ablenken soll,
nd zeugt drittens von einer erstaunlichen Respektlosig-eit gegenüber dem Verfassungsorgan Bundesverfas-ungsgericht.
Damit wir uns richtig verstehen: Wir alle haben kei-en Zweifel daran, dass die NPD verfassungswidrig istnd unsere demokratische Grundordnung aggressiv be-ämpft. Wir alle hätten es begrüßt, wenn die NPD verbo-en worden wäre. Aber dass das Verbotsverfahren ge-cheitert ist, ist nicht zuletzt auf die dilettantischerozessführung des Bundes zurückzuführen. Hierfürrägt der Innenminister zumindest die politische Verant-ortung.
Metadaten/Kopzeile:
11420 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Wolfgang BosbachAls das Verbotsverfahren ins Trudeln geraten ist, hatMinister Schily gesagt: „Jeder muss zu seiner Verant-wortung stehen, niemand darf sich seitwärts in die Bü-sche schlagen.“ Das muss dann aber auch für den Urhe-ber dieses Textes selber gelten. Im Januar 2002 hat HerrSchily nämlich selber hauseigene – ich zitiere wörtlich –„krasse Fehler“ eingestanden.
An diesen krassen Fehlern ist das NPD-Verbotsverfahrengescheitert und nicht deshalb, weil die Richter in Karls-ruhe rechtsblind wären und in unverantwortlicher Weisedie Verfassungsfeindlichkeit und Aggressivität der NPDverkannt hätten.Man muss es nicht gleich so hart formulieren wie das„Hamburger Abendblatt“ – ich zitiere –:
Stattdessen macht er– Schily –die höchsten Verfassungsrichter für sein eigenespolitisches Versagen verantwortlich und liefertschon mal im Vorwege den Schuldigen für dieWahlergebnisse von Sonntag. Das ist schäbig.Aber die Verantwortung einfach Karlsruhe zuzuschiebenist schon ein starkes Stück!
Herr Minister, das sehen nicht nur wir, sondern auchalle anderen Kommentatoren so. Denn schließlich sinddie Reporter zur Erforschung der Ursachen für dasWahlverhalten in Sachsen dorthin und nicht nach Karls-ruhe gereist.
Nicht Karlsruhe ist für das Erstarken der NPD inSachsen verantwortlich, sondern es sind diejenigen, diedie NPD dort gewählt haben. Das waren am vergange-nen Sonntag 191 000. Schlimm genug! Aber das ist un-ter keinem Gesichtspunkt ein Grund zu behaupten, Sach-sen sei nunmehr braun geworden. Das ist eine grobeBeleidigung für die überwältigende Mehrheit der Men-schen in Sachsen,
die mit der NPD überhaupt nichts am Hut haben und mitdem braunen Spuk auch nichts zu tun haben wollen.
Man wird auch nicht sagen können, dass ausnahmslosalle, die am vergangenen Sonntag NPD gewählt haben,Rechtsextreme oder Neonazis sind. Das wird eine Mi-schung aus Ewiggestrigen, Neonazis und jenen gewesensein, die sozusagen als schärfsten Ausdruck ihres Protes-tes diese Partei gewählt haben. Dafür gibt es viele Ursa-chen: Perspektivlosigkeit, Armutsängste – ganz gleich,ob berechtigt oder nicht – und Frustration über „die daonudewwimjekaKnWfbNuetägTsdcsnmnZkkesSsesfdfnm
Was ist zu tun? Dagegen helfen jedenfalls weder Dra-atisierung noch Verharmlosung. Wir müssen vielmehrde Form des politischen Extremismus entschieden be-ämpfen, ganz gleich, ob unsere Demokratie von linksußen oder von rechts außen aggressiv bekämpft wird.eine Toleranz für jene, die selber jede Toleranz ableh-en!
egducken hilft nicht! Zivilcourage ist gefragt. Ich be-ürchte zwar, dass politische Überzeugungsarbeit nichtei allen fruchten wird, die am vergangenen SonntagPD gewählt haben. Aber wir müssen uns zumindestm diejenigen bemühen, die nicht aufgrund einer rechts-xtremen Einstellung oder deshalb, weil sie Gesinnungs-ter sind, sondern aus Frust und Enttäuschung die NPDewählt haben. Wenn es uns gelingt, zumindest eineneil dieser Wählerinnen und Wähler für das demokrati-che Parteienspektrum zurückzugewinnen, dann hat sichie Mühe gelohnt.Herr Minister Schily, abschließend ein ganz persönli-hes Wort. So etwas passiert uns allen doch einmal: Managt etwas aus Wut oder Enttäuschung. Wenn man es amächsten Tag in der Zeitung liest, dann denkt man, dassan es besser nicht gesagt hätte. Vermutlich wird es Ih-en auch so gehen. Sie sind stark in vielen Disziplinen.u diesen Disziplinen gehört allerdings nicht die Selbst-ritik. Geben Sie sich doch einmal einen Ruck und er-lären Sie heute hier – Herr Beck hat Ihnen ja bereitsine Vorlage geliefert –: Ich habe es so gesagt, aber nichto gemeint.Danke für das Zuhören.
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Bürsch von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befas-en uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit den Wahl-rgebnissen vom letzten Sonntag und – rückblickendcheint das gewollt zu sein – mit dem NPD-Verbotsver-ahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Es liegt nahe,en Vorsitzenden der FDP hier zum Zeugen für das Ver-ahren zu machen, wie wir darüber reden sollten. Er hatämlich dafür plädiert, über dieses sensible Thema mitehr Verstand und mit weniger Bauch zu diskutieren,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11421
)
)
Dr. Michael Bürschdas heißt aus meiner Sicht: mit Sachlichkeit und Seriosi-tät statt mit künstlicher Erregung.Herr Westerwelle, Sie haben nach meinem Wissenwie Herr Bosbach Jura studiert. Schon damals galt beimJurastudium die Erkenntnis: Ein Blick ins Gesetz erspartviele Irrtümer.
In diesem Fall kann man sagen: Ein Blick auf das, wasder Bundesinnenminister tatsächlich gesagt hat, erspartkünstliche Erregung. Es lässt sich sehr leicht belegen,dass das, was Sie daraus gemacht haben und als Zitatausgegeben haben, mit der Wahrheit nicht überein-stimmt. Nach Herrn Westerwelle soll Herr Schily wört-lich gesagt haben: Das Bundesverfassungsgericht hat einErstarken der Rechtsradikalen mitbewirkt. Herr Bosbachhat daraus gemacht – auch das soll ein Zitat von HerrnSchily sein –: Das Bundesverfassungsgericht ist für dieWahlerfolge der Rechtsextremen in Sachsen und Bran-denburg verantwortlich. Nichts davon hat Herr Schilygesagt.
Schauen wir doch einfach einmal nach, was er in der„Financial Times“ wortwörtlich gesagt hat:Eine Partei mit deutlich ausländerfeindlicher undantisemitischer Propaganda kommt in die Parla-mente.Das stößt bei Ihnen allen sicherlich auf breite Zustim-mung. Jetzt kommt der Zusatz:Das ist das Ergebnis einer sehr problematischenEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
– Liebe entrüstete FDPisten, ich sage Ihnen als Bericht-erstatter für das NPD-Verfahren: Die Auffassung, dass essich um eine sehr problematische Entscheidung handelt,ist durchaus richtig.
Diese Entscheidung haben viele Kommentatoren undfünf von acht Richtern des Bundesverfassungsgerichts,also die Mehrheit des entsprechenden Senats, für höchstproblematisch gehalten. Wenn Sie sich dieses Urteilnoch einmal anschauen, dann werden Sie wissen, wasdaran problematisch ist: Das Gericht hat sich aus reinformalen Gründen einer Entscheidung entzogen.
Das ist es, was der Innenminister, unsere Fraktion undich als Berichterstatter zu Recht kritisieren. Das Gerichthat sich einer Entscheidung in der Sache entzogen.Eine Entscheidung in der Sache – auch auf diesenPunkt kommt es an, Herr Westerwelle – hätte zur Wahr-hhtdZhsmVbgvgslSdPMhfNrtensprGnDtsiifbssNzmT
ass diese Partei verfassungswidrig ist und dass sie ihreiele auch unter Anwendung von Gewalt verfolgt. Dasätte – für jeden erkennbar; es wäre aktenkundig gewe-en – klargestellt werden können.Sie von der FDP haben sich einen weißen Fuß ge-acht. Sie haben sich nämlich am Klärungsprozess beimerfassungsgericht, also an der Wahrheitsfindung, nichteteiligt und jetzt nehmen Sie ein an den Haaren herbei-ezogenes Zitat – mit einer Überschrift aus der „Welt“ersuchen Sie, es in die gewünschte Richtung zu brin-en – zum Anlass, dem Innenminister, der auch Verfas-ungsminister ist, am Zeug zu flicken. Das wird nicht ge-ingen.
Sie sind nur einer Deutung dieser Äußerung in Ihreminne zugänglich. Es bleibt aber dabei: Natürlich sindiese Wahlerfolge nur möglich gewesen, weil sich dieseartei noch bewerben konnte und weil keiner mit deracht und der Autorität des Verfassungsgerichts gesagtat: Liebe Leute, ihr müsst wissen, dass diese Partei ver-assungswidrig ist; sie verfolgt Ziele, die denen derSDAP wesensverwandt sind. Sie haben diese Äuße-ung nach meiner Interpretation bewusst missinterpre-iert. Wie die große Zeitung „Die Welt“ haben Sie sichine Steilvorlage gemacht, um entrüstet sagen zu kön-en: Der Innenminister übt Kritik am Bundesverfas-ungsgericht.Nach dem, was Sie hier an künstlicher Entrüstungroduziert haben, lautet mein Fazit:Erstens. Die Entscheidung des Bundesverfassungsge-ichts zum NPD-Verfahren war aus den geschildertenründen in der Tat problematisch. Das Gericht ist ebenicht zu einer Entscheidung in der Sache gekommen.amit hat es nicht für alle Zeiten klargestellt: Diese Par-ei ist verfassungswidrig. – Das ist keine Urteilsschelte,ondern eine sachliche Feststellung, die aus meiner Sichtm Übrigen auch von Art. 5 des Grundgesetzes gedecktst. Sie lässt sich – so haben es fünf Richter dieses Ver-assungsgerichts gemacht – mit sachlichen Argumentenegründen.Zweitens. Wir können nicht darauf vertrauen – datimme ich mit Herrn Bosbach überein –, dass sich die-es Problem von allein erledigt.
icht Karlsruhe ist für die Wahlergebnisse in Sachsenuständig. Sie wissen ganz genau, dass auch der Innen-inister mit seinem hohen Intelligenzquotienten diesehese nie im Leben vertreten würde.
Metadaten/Kopzeile:
11422 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Dr. Michael BürschDie entscheidende Auseinandersetzung mit diesemPhänomen müssen tatsächlich wir Politiker mit den Mit-teln der Politik und mit der Zivilgesellschaft führen. DasGanze ist auch eine Frage zivilgesellschaftlichen Enga-gements. Darauf hat Herr Beck völlig zu Recht hinge-wiesen.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Norbert Geis von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es ist zweifellos richtig, dass wir uns mit demExtremismus im Land auseinander setzen müssen. Dasgilt für links genauso wie für rechts. Hartz IV ist denMenschen nicht genug erklärt worden. Es ist nicht ge-lungen, den Menschen zu vermitteln, dass Reformennotwendig sind. Daher hatten die Rattenfänger links au-ßen und rechts außen leichtes Spiel. Das ist das Ergebnisdes letzten Sonntags.Es geht auch darum, dass wir die Diskussion um na-tionale Themen nicht allein den Rechtsextremisten über-lassen dürfen.
Auch dann hätten Rattenfänger leichtes Spiel.
Auch das war am letzten Sonntag der Fall.Aber heute geht es nicht um diese Frage. Heute gehtes um eine Äußerung des Innenministers, die nach mei-ner Auffassung Schaden angerichtet hat und deswegenhier heute diskutiert werden muss. Wenn die Oppositioneine solche Äußerung des Ministers nicht aufgreifenwürde, dann – das muss man verstehen; das gehört zurparlamentarischen Auseinandersetzung – wäre sie keinerichtige Opposition.
Ich will Ihnen zugeben, Herr Minister, dass das Ver-botsverfahren meines Erachtens richtig gewesen ist. Ichhabe dafür gestimmt. Die Parteien haben in unseremLand eine herausgehobene Stellung. Das kommt in derVerfassung zum Ausdruck. Sie müssen und sollen an derMeinungsbildung des Volkes mitwirken. Sie haben einengroßen Einfluss auf die institutionalisierte Staatlichkeit.Jede Regierung muss sich bei ihren Koalitionsparteienrückversichern, wenn sie ein politisches Vorhabendurchsetzen will. Also haben die Parteien eine Macht imLand, die von der Verfassung auch gewollt ist.dgsDuum„zbnfwrsK–rDeadEinÄdDEVPsvEVssgzSbkka
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11423
)
)
Norbert GeisDas war so aufzufassen. Sicherlich haben es auch vieleim Land so verstanden.Das Verfassungsgericht lebt fast nur von seiner Auto-rität. Das haben alle wichtigen Verfassungsrechtler ver-sichert. Einer der wichtigsten, Konrad Hesse, hat dazugeschrieben: Es lebt von seiner Autorität. – Die Autoritätdarf nicht untergraben werden. Wir müssen vielmehr da-für sorgen, dass die Akzeptanz steigt. Das haben Sie ver-säumt, Herr Minister. Jeder macht Fehler. Ich schließemich Herrn Bosbach an und sage: Nehmen Sie Ihre Äu-ßerung einfach zurück! Meine Güte! Es nützt dochnichts! Man kann sich doch mal korrigieren.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelie Sonntag-
Wolgast von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!Niemand hat behauptet, dass die – gescheiterten – An-träge auf ein Verbot der NPD als einzige Waffe im Kampfgegen den Rechtsextremismus infrage kämen. Aber nie-mand sollte auch über die Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts – mit drei von acht Stimmen – klamm-heimliche Freude empfinden, auch nicht die FDP.Die NPD kämpft – das ist erwiesen – aggressiv gegenunsere Verfassung. Sie bedient sich der NS-Ideologien.Sie rekrutiert ihren Nachwuchs aus der Skinhead- undNeonaziszene. Das sollte Sie doch umtreiben und nichteine leider eingetretene Prognose des Bundesinnen-ministers zu diesem Wahlsonntag.
Wir sollten die Wahlergebnisse vom vergangenenSonntag weder dramatisieren noch beschönigen. Wirsollten uns auch davor hüten, rechtsextreme Bewegun-gen allein zum ostdeutschen Thema zu machen. Frust,Trotz, Desinformation und die Suche nach Sündenbö-cken sind Motive für Wahlentscheidungen, aber auchGeschichtslosigkeit und das Schwinden der Scham, sichantisemitischer, fremdenfeindlicher Parolen und Nazi-symbole zu bedienen. Dass es an vielen Orten eine dif-fuse Jugendszene am äußersten rechten Rand gibt, mussuns eigentlich mehr Sorgen machen als die Prozentzah-len von NPD und DVU. Unsere Demokratie ist deswe-gen nicht aus den Fugen; aber es knirscht schon im Ge-bälk.Was setzen wir dem entgegen, Herr KollegeBosbach? Nicht lavieren, sondern standfest bleiben, Un-bequemes beim Namen nennen, Beschlüsse und Gesetzeerklären, zur Teilhabe ermuntern, Repression und Prä-vention gleichermaßen verstärken.
EgdtgI„ztK„lPkggPdDkBLDddElpedmPmuSKfbrBCFsJhN
räventionsarbeit, Herr Kollege, ist keine Blitzkur, son-ern braucht Hartnäckigkeit und einen langen Atem.eshalb müssen wir alle gemeinsam auch angesichtsnapper Kassen auf eine feste finanzielle und dauerhafteasis für diese Aufgabe hinsteuern. Dazu sind auch dieänder aufgerufen.
ies schreibe ich besonders ins Stammbuch Sachsens,as sich aus diesen Programmen heraushält.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt weiterhinas „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegenxtremismus und Gewalt“. Unter seinem Dach sind mitt-erweile 1 000 Gruppen und Vereine quer durch die Re-ublik vereint: Leute, die etwas tun, statt nur zu mosern,ine Allianz der Willigen ganz besonderer Art. Im Beirates Bündnisses stützen und fördern wir solches Engage-ent, schreiben Wettbewerbe aus, schwärmen aus, umreisträger zu loben und ihre Arbeit anzuerkennen. Vomultikulturellen Kinderzirkus bis zur Jugendfeuerwehrnd zur Seniorengruppe reicht da das Spektrum.chauen Sie sich in einmal Ihren Wahlkreisen um, liebeolleginnen und Kollegen, machen Sie sich schlau; Sieinden solche Initiativen. Die brauchen Ihren Besuch, sierauchen Ihren Respekt und Ihre Anerkennung. Im Bei-at des Bündnisses sind übrigens alle Fraktionen diesesundestages mit einem Mitglied vertreten. Die CDU/SU glänzt seit Monaten durch Abwesenheit; auch dieDP ist leider selten anwesend. Das lässt sich, das mussich, liebe Kollegen, ändern.
Ändern – das möchte ich zum Schluss als ehemaligeournalistin sagen – muss sich allerdings auch das Ver-alten mancher Medien. Wer am Wahlabend einemPD-Kandidaten das Mikrofon hinhält, ihm aber das
Metadaten/Kopzeile:
11424 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Dr. Cornelie Sonntag-WolgastWort abschneidet, ehe er überhaupt zu einer Antwort an-setzen kann, muss sich wahrhaftig nicht wundern, wenngenau dieses Verfahren den Rechtsextremen wieder neueAnhänger zutreibt.
– Ja, man muss es so sagen. – Hier sind die Medien ge-fordert, Leitlinien für ihren Umgang mit Rechtsextremenzu erarbeiten.
Wer weiterhin – auch das gilt für einige Medien – jedeGelegenheit nutzt, das demokratisch gewählte Parlamentzuschanden zu schreiben, der hat auch eine Mitschuldam Erstarken antidemokratischer Kräfte. Darüber solltenwir uns länger unterhalten, als es jetzt hier geschehenkann.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die Äußerungen, die Anlass für die heutige Aktu-elle Stunde sind, mögen anders gemeint gewesen sein.Die interessierte Öffentlichkeit hat sie jedenfalls eindeu-tig verstanden.
Sie hat sie als Schuldzuweisung an das Bundesverfas-sungsgericht und eben auch als Beschimpfung dieseshöchsten Verfassungsorgans verstanden, das im Ver-gleich zu allen anderen Verfassungsorganen das größteAnsehen genießt. Eben dieses Vertrauen in die staatli-chen Institutionen brauchen wir zur Entwicklung einesVerfassungspatriotismus.Wie auch immer Sie, Herr Schily, es gemeint habenmögen: Die heutige Aktuelle Stunde ist eine gute Gele-genheit, diese Äußerungen in diesem Haus klarzustellenund zu korrigieren.
Diese Einlassungen erwecken den falschen Eindruck,dass nach einem Verbot der NPD ausländerfeindliche,fremdenfeindliche und rechtsradikale Organisationenkeinen Zulauf bekommen hätten.
Das ist falsch und durch das Ergebnis der DVU in Bran-denburg wie auch durch früheres Abschneiden der Repu-blikaner auf regionaler und Landesebene widerlegt. EsiNsDteteNnvsgRwngDdkedwmuttmSlasnwKksShfaiBpdimfvscNg
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11425
)
)
Ich möchte anmerken: Es wiederholen sich Rituale inder Politik.
Damit kommen wir nicht weiter. Nach Wahlentscheidun-gen wird kritisiert, es gebe ein Wiedererstarken vonRechtsextremisten und rechtsradikalen Gruppierungen.Dann folgt eine kurze Auseinandersetzung mit diesemThema und danach ist es erst einmal vorbei. Nach einpaar Jahren wird mit der Debatte wieder angefangen.Die FDP-Fraktion hat im Jahr 2000 im Bundestag ei-nen Antrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismusvorgelegt. Seitdem hat keine Debatte über dieses Themamehr stattgefunden.
Den Aufstand der Anständigen muss es aber dauernd ge-ben und nicht nur ein einziges Mal.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar vonNeuforn vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! AuchDresden ist jetzt eine Landeshauptstadt mit Faschistenim Parlament. Das ist nicht allein das Problem des Lan-des Sachsen, sondern ein Problem aller Demokraten inDeutschland.Ich halte es für richtig, bei der Betrachtung der Wäh-lerinnen und Wähler, die NPD gewählt haben, zu diffe-renzieren. Wir müssen uns aber auch mit den zwölfNPD-Abgeordneten auseinander setzen, bei denen wirnicht differenzieren können. Sie kommen aus der Mitteder Gesellschaft. Sie sind weder arbeitslos noch habensie eine schlechte Ausbildung. Bei ihnen handelt es sichbeispielsweise um Ärzte und Unternehmer, also umMenschen, die in Sachsen in der Gesellschaft verankertsind. Zum Teil kommen sie aus Niedersachsen. Dersächsische Parteivorsitzende Apfel ist mir aus Hildes-heim sehr wohl bekannt.Ich möchte noch zur Rolle des Verfassungsschutzes indem Verbotsverfahren eine Bemerkung machen. Ichhoffe, dass keiner dieser zwölf Abgeordneten jemals aufeiner Gehaltsliste des Verfassungsschutzes gestandenhat.nIknhvssVguAItambgwfhmnPaidzvtdmhcdgstdgrjCPdsJtd
ch habe damals gesagt: Wenn man zu der Einschätzungommt, die damals dem Verbotsantrag zugrunde lag,ämlich dass die NPD gewaltorientiert ist, Gewalt ver-errlicht, rassistisch ist und volksverhetzende Inhalteertritt, dann ist es nicht eine Ermessensentscheidung,ondern eine Verpflichtung der Demokraten, den Ver-uch zu machen, ein Verbot durchzusetzen.Ich möchte nicht verhehlen, dass mir von den dreierbotsanträgen der Antrag des Bundestages am bestenefallen hat. Diesen Antrag hätte auch ich damals vollnterstützen können. Ich will Ihnen sagen, warum. Derntrag des Bundestages war der einzige, der nicht aufnformationen der verschiedenen Verfassungsschutzäm-er zurückgegriffen hat. Ich erinnere mich noch sehr gutn die Debatte in Niedersachsen. Insbesondere der da-alige niedersächsische Innenminister hat neben demayerischen Innenminister Beckstein die Bundesebeneeradezu gedrängt, einen Verbotsantrag einzubringen. Esurde versichert, dass es in den Ländern genug Materialür einen Verbotsantrag gibt.Als wir im Niedersächsischen Landtag nachgefragtaben, mussten wir allerdings feststellen, dass der Innen-inister schlecht informiert war und dass die Informatio-en des Verfassungsschutzes nur scheibchenweise an dasarlament weitergeleitet wurden. Wir mussten uns damituseinander setzen, dass fast täglich ein neuer V-Mannn der NPD aufgedeckt wurde. Irgendwann sind wir zuem Ergebnis gekommen, dass der Vorstand der NPDur Hälfte aus Leuten bestand, die in irgendeiner Weiseom Verfassungsschutz bezahlt wurden. An dieser Situa-ion hat nicht nur einer Schuld. Wir alle müssen uns nachem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren Gedankenachen, ob die Strukturen des Verfassungsschutzeseute noch richtig sind oder ob wir nicht sehr umfangrei-he Debatten über eine Neuordnung führen müssen.
Ich gebe Frau Leutheusser-Schnarrenberger Recht,ie einen neuen und anhaltenden Aufstand der Anständi-en fordert. Ich möchte hier aber auch sagen, dass es,eitdem es die rot-grüne Bundesregierung gibt, zum ers-en Mal auf Bundesebene so etwas wie eine Verstetigunger Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismusibt. Es gibt das „Bündnis für Demokratie und Tole-anz“. Wir haben zusammen mit Civitas zahlreiche Pro-ekte ermöglicht; das wurde bereits angesprochen. Überivitas hinaus ist es gerade der Bund, der in den Ländernrojekte gegen rechte Gewalt finanziert. Ich bedauere,ass Sie im Land Sachsen mit daran beteiligt gewesenind – ich habe all diese Projekte in den vergangenenahren besucht –, diesen Projekten die finanziellen Mit-el zu entziehen.Ich denke, dass wir uns einigen sollten. Nur das kannie Antwort sein. Ich hätte mir nicht so schnell eine
Metadaten/Kopzeile:
11426 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Silke Stokar von NeufornAktuelle Stunde zu diesem Thema gewünscht. Ich hättemir gewünscht, dass sich der Bundestag so verhält, wieer das in der Auseinandersetzung mit dem Antisemitis-mus getan hat, dass wir uns zusammengesetzt und ge-fragt hätten: Wo liegen die Gemeinsamkeiten? Wie kön-nen wir mit einer gemeinsamen Entschließung eineAntwort auf den Rechtsextremismus geben?
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir solltenuns verständigen und uns darin einig sein, dass die Strei-chung der Mittel für die Projektarbeit gegen rechteGewalt
und die Senkung der Mittel für andere in diesem Zusam-menhang wichtige Bereiche falsch sind. Die Fraktionensollten im Haushalt 2005 ein anderes Signal setzen.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bundesinnenminister Schily hat das Verfassungsgericht
dafür verantwortlich gemacht, dass die NPD heute im
Sächsischen Landtag sitzt.
Als ich diese Meldung der Agenturen las, fragte ich
mich: Was ist das? Hat einer der wichtigsten Bundesmi-
nister, der Bundesinnenminister, einen Blackout? Leidet
er an Erinnerungsschwäche oder ist das nur ein typischer
Otto Schily in Zuspitzung?
Denn es gab einen Hauptverantwortlichen dafür – wir
sollten uns daran erinnern –, dass das NPD-Verbotsver-
fahren so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist: Es
wurde eingestellt. Zur Erinnerung: Am Anfang stand
eine gemeinsame Verbotsklage des Bundestages, des
Bundesrates und der Bundesregierung. Die erste Klage-
schrift der Bundesregierung war schlecht; auch darüber
haben wir miteinander debattiert. Dann wurde auf Bun-
desebene und in mehreren Bundesländern eine V-Mann-
Affäre nach der anderen ruchbar. Schließlich waren die
Alternativen übersichtlich: Entweder werden die V-Leute
in der NPD gedeckt, dann droht das Verbotsverfahren zu
scheitern. Oder man will, dass das Verbotsverfahren zu
Ende geführt und in der Sache entschieden wird, dann
musste das Agieren der V-Leute vor Gericht belegt wer-
den. Bundesinnenminister Otto Schily und seine Länder-
k
S
u
f
n
K
u
R
v
n
t
A
t
r
m
d
D
a
w
d
t
v
D
b
d
w
e
I
t
r
r
a
w
S
Die aktuelle Debatte und das Zitat ärgern mich aber
och aus einem anderen Grund: Sie verkürzen den
ampf gegen den Rechtsextremismus auf ein Gerichts-
rteil und auf eine Hülle.
ichtig ist: Die NPD genießt im Moment als Partei Pri-
ilegien. Ebenso richtig ist: Gäbe es die NPD als Partei
icht, dann hätte sie auch nicht in den Sächsischen Land-
ag gewählt werden können.
ber um das zu erkennen, muss man nicht Bundesminis-
er sein. Entscheidend ist: Der NPD und den anderen
echtsextremen Parteien, Kameradschaften und Vereinen
uss der Nährboden und die Gefolgschaft entzogen wer-
en.
as ist die eigentliche demokratische Herausforderung
n die Zivilgesellschaft.
Deshalb möchte ich Ihnen hier im Plenum einen Vor-
urf nicht ersparen: Die NPD und die PDS wurden in
er vergangenen Haushaltsdebatte, aber auch in der ak-
uellen Auseinandersetzung beispielsweise um Hartz IV
on fast allen Fraktionen in einen Topf geworfen.
amit haben Sie die Menschen, die im KZ gesessen ha-
en und jetzt der PDS nahe stehen, schwer beleidigt und
ie NPD in den Auseinandersetzungen verharmlost. Das
ichtige Bündnis der Anständigen und Zuständigen, wie
s noch vor wenigen Jahren hieß, ist dadurch gefährdet.
ch finde, so kurzfristig darf man auch in Wahlkampfzei-
en und harten politischen Kontroversen nicht denken.
Insofern sollten wir, wenn es um die Schlussfolge-
ung geht, nicht nur den Aufstand der Anständigen he-
aufbeschwören, sondern uns als Zuständige nicht nur,
ber auch in den Haushaltsberatungen zu dieser Verant-
ortung bekennen.
Das Wort hat der Kollege Sebastian Edathy von derPD-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11427
)
)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sonntag war kein guter Tag für die Demokratie inDeutschland. Das erste Mal seit 36 Jahren ist mit derNPD die wohl radikalste Partei im rechtsextremistischenSpektrum der Bundesrepublik wieder in einen Landtaggewählt worden.Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ich bin Ihnen fürIhren Wortbeitrag sehr dankbar, weil Sie damit den Ein-druck zurechtgerückt haben, der bei der Rede von HerrnWesterwelle entstehen musste. Es kann doch nicht ernst-haft sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir dreiTage nach einem solchen Wahlergebnis, das uns als De-mokraten nicht unberührt lassen kann, Schuldzuweisun-gen vornehmen.
Es kann doch nicht sein, dass wir hier Kleinkariertheit anden Tag legen. Wir sollten vielmehr eine Debatte überdie Konsequenzen aus dem, was dort geschehen ist, füh-ren.
Ganz kurz etwas zu dem, was Sie, liebe Kolleginnenund Kollegen von der FDP, als Kritik äußern: Natürlichist die Feststellung, dass im Falle eines Verbotes derNPD diese nicht in einen Landtag hätte gewählt werdenkönnen, richtig.
Ich weiß nicht, was daran zu kritisieren ist, wenn derBundesinnenminister eine solche, logische Feststellungtrifft. Es gibt etwas, das uns viel mehr beschäftigen mussals dieser untergeordnete Nebenaspekt, wie er im Titeldieser Aktuellen Stunde zum Ausdruck kommt, zumaldas Scheitern des Verbotsverfahrens schon anderthalbJahre her ist. Vielleicht wäre dieses Thema damals ehergeeignet gewesen für eine Aktuelle Stunde als am heuti-gen Tage. Wir haben uns nicht mit der Frage zu beschäf-tigen, ob es bedauerlich oder weniger bedauerlich ist,dass das Verbotsverfahren gescheitert ist. Die FDP hat javon vornherein die Position vertreten, man möge dieAuseinandersetzung mit der NPD nicht über ein Verbots-verfahren führen, sondern auf politischer Ebene. DieFrage, mit der wir uns beschäftigen müssen, ist doch:Wie bekommen wir alle gemeinsam als Demokratinnenund Demokraten es hin, dass bei einer Landtagswahl9 Prozent der Wählerinnen und Wähler nicht einer Par-tei, von der bekannt ist, dass sie antidemokratisch ist,ihre Stimme geben?
Insofern will ich das, was Frau Leutheusser-Schnarrenberger gesagt hat, gerne aufgreifen. Wenn wiruns die Wahlergebnisse und die Analysen dazu an-slmEggkSSlNhsgdtbuwKkdswDdtdutiszKedPzmuemhwg
Da heißt es natürlich, zu schauen, dass in den Schulennd im Bereich der politischen Bildung dafür Sorge ge-ragen wird. Wir müssen gerade auf Kommunen achten,n denen es demokratische Jugendliche schwer haben,ich gegen einen rechtslastigen Mainstream durchzuset-en. Das heißt übrigens auch für uns Demokraten, liebeolleginnen und Kollegen von der CDU und CSU, dasss natürlich keine Strategie sein kann, Rechtsradikaleadurch zu bekämpfen, dass man sich einen Teil ihrerositionen zu Eigen macht. Wir müssen uns klar abgren-en. Es darf da keine Zweideutigkeiten geben; vielmehruss es Eindeutigkeit geben.
Deswegen ist meine große Bitte, hier an dieser Stellend in dieser Debatte, dass wir uns nach Ende der Aktu-llen Stunde mit Schuldzuweisungen im Zusammenhangit dem Umgang mit dem Rechtsextremismus zurück-alten und stattdessen gemeinsam Strategien entwickeln,ie wir als Demokraten Rechtsextremisten zurückdrän-en können, um diese Demokratie dauerhaft zu sichern.Ich danke Ihnen.
Metadaten/Kopzeile:
11428 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Baumann von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wahl-erfolg der NPD vom vergangenen Wochenende in Sach-sen kam nicht vollkommen unerwartet. Bereits bei denKommunal- und Europawahlen im Juni hatten die rech-ten Parteien in Sachsen zusammen 6,7 Prozent erreicht,in einigen Kommunen lag der Wert wesentlich höher.Der Schock bei allen Demokraten darüber sitzt tief,dass trotz intensiver Aufklärungsarbeit in den letztenWochen vor der Wahl insbesondere Jugendliche auf diebraunen Stimmenfänger hereingefallen sind. Von derWahl geht ein negatives Signal für Sachsen und auch fürDeutschland aus. Die internationale Presse – Sie habenes alle verfolgt – hat auf den Titelseiten intensiv darüberberichtet. Das positive Ansehen, das Sachsen eigentlichaufgrund der Wirtschaftspolitik in der letzten Zeit hatte,ist damit ein ganzes Stück zunichte gemacht worden.Wir alle in Berlin haben es vor wenigen Tagen erlebt,dass der Ministerpräsident von Sachsen aufgrund derWirtschaftsdaten der letzten zwei Jahre zum Minister-präsidenten des Jahres erklärt wurde. Ohne in Panik zuverfallen, müssen wir eine selbstkritische und offene Ur-sachenanalyse vornehmen.Herr Bundesminister Schily, Sie haben bereits vor derWahl am vergangenen Sonntag mit der Ursachenfor-schung begonnen und das Bundesverfassungsgericht füreinen Einzug der Rechtsextremen in den SächsischenLandtag verantwortlich gemacht. Das war, glaube ich,kein Beitrag zur Ursachenforschung.
Der NPD-Verbotsantrag ist schließlich im März 2003an Verfahrensfehlern gescheitert, die Ihr Haus selbst mitzu verantworten hat. Aus der damaligen mangelhaftenAbstimmung zwischen Bund und Ländern, insbesondereder fehlerhaften Abstimmung zwischen dem Bundesamtfür Verfassungsschutz und den Landesämtern, hätten Sieals Verfassungsminister längst Konsequenzen ziehenmüssen.Den Verfahrensfehlern zum Trotz war der Verbotsan-trag inhaltlich gut begründet und hat den Nachweis derverfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD, ihresAntiparlamentarismus und des Rassismus erbracht.
Dennoch kommen mir persönlich heute Zweifel, ob dasVerbotsverfahren prinzipiell eine angemessene Strategiegegen die NPD gewesen ist. Die Kehrseite war doch– wie auch schon bei der ersten Verbotsdiskussion1968 – die außerordentliche Aufmerksamkeit der Me-dien, die die NPD plötzlich bekam.Ich werfe diese Frage besonders deshalb auf, weil ichwährend des sächsischen Wahlkampfs das Gefühl hatte,dass die NPD nicht unerheblich von der Berichterstat-tung und der öffentlichen Diskussion über diese Parteiprofitiert hat.–vAmantLddhdDAAgDknfSLtmssmstSHdsiHDdtwd
Ich bringe dazu ein Beispiel, Frau Abgeordnete.So hat die Sendung „Tagesthemen“ am 6. Septemberon einer NPD-Kundgebung in meiner Heimatstadtnnaberg-Buchholz berichtet. Es handelte sich um einenehrminütigen Hauptbeitrag, durch den die NPD-Demouf dem Annaberger Marktplatz zu einem Ereignis vonationalem Nachrichtenwert wurde. Der Tenor des Bei-rages war: NPD in Sachsen auf dem Sprung in denandtag. Diese Aussage wurde durch ein Interview mitrei NPD-Anhängern unterstrichen.
Durch einen Anruf in meinem Wahlkreisbüro konnteie Sache aufgeklärt werden: Maximal zehn NPD-An-änger hatten sich versammelt und maximal 20 Bürger,ie vorbeigingen, waren als Zuhörer stehen geblieben.arüber hätte man eigentlich nicht berichten müssen.ber durch diese Form der Berichterstattung wurde dieufmerksamkeit für diese Partei künstlich in die Höheetrieben.
amit hat sie – gewiss ungewollt; das ist vollkommenlar – Werbung bei all denjenigen betrieben, die nach ei-em radikalen Angebot suchten.
Ich komme zu einer weiteren Ursache des NPD-Er-olgs in Sachsen. Warum haben so viele Menschen ihretimme einer Partei gegeben, die keine sachpolitischenösungen, sondern nur Hass auf unsere Republik anbie-et? Der größte Teil der NPD-Wähler in Sachsen – neh-en Sie das bitte zur Kenntnis – ist nicht rechtsextrem,ondern er hat mit seiner Stimme seinen Unmut undeine Wut zum Ausdruck gebracht.Diese Wut hat in Sachsen einen ganz konkreten Na-en: Hartz IV. Durch Hartz IV wurde im Osten, ganzpeziell bei Langzeitarbeitslosen, ein Gefühl der Stagna-ion und Aussichtslosigkeit hervorgerufen, das nun seinepitze erreicht hat. Ich sage ganz deutlich: Wenn ich vonartz IV spreche, dann meine ich nicht das Gesetz, son-ern die Art und Weise, wie in der Öffentlichkeit übereinen Inhalt diskutiert wurde und wie seine Umsetzungm Osten erfolgt.Die Informationspolitik der Bundesregierung zuartz IV war ein einziges Desaster.
ieses Desaster wiederum war die Voraussetzung dafür,ass andere ihr Geschäft mit der Panik betreiben konn-en. Zu diesem Kreis zählen für mich einige Medien so-ie Links- und Rechtsextreme. Hieraus müssen wir ein-eutige Konsequenzen ziehen, Reformen frühzeitig und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11429
)
)
Günter Baumannbesser erklären und vor allem den neuen Ländern ar-beitsmarkt- und wirtschaftspolitisch endlich wieder einePerspektive geben. Nur das ist eine angemessene Ant-wort auf den NPD-Erfolg vom letzten Sonntag, nichtaber eine Richterschelte, Herr Bundesinnenminister.
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Meiner Ansicht nach ist die Fragestellung dieserAktuellen Stunde, die von der FDP aufgeworfen wurde,fragwürdig;
denn es kann doch in der jetzigen Situation, die wir ge-meinsam erleben und erleiden, nicht darum gehen, Vor-würfe an den Bundesinnenminister zu formulieren.
Wir müssen vielmehr gemeinsam besorgt sein über denEinzug der Rechten in die Landtage.Sehr geehrter Herr Bosbach, sehr geehrter HerrBaumann, aus Ihren Worten war, wenn man Ihr Geplän-kel, das meinethalben auch dazu gehören mag, außerAcht lässt, Besorgtheit und Nachdenklichkeit zu spüren.Diesen Faden möchte ich gerne aufnehmen; denn esstünde uns allen gut zu Gesicht, in der jetzigen Situationnicht zu verharmlosen oder zu dramatisieren und keinenPopanz aufzubauen, sondern ein gemeinsames demokra-tisches Signal gegen rechts zu setzen. Das ist das Erfor-dernis der Stunde.
– Gegen rechts.
Lieber Herr Strobl, man muss sich wirklich überlegen– das meine ich sehr ernst –, ob wir mit einer Fragestel-lung und Debatte wie dieser nicht jenen einen Gefallentun, gegen die wir gemeinschaftlich antreten.
Lassen Sie diese Frage doch einmal einen Moment imRaum stehen und denken Sie darüber nach. Dass wir unsdamit beschäftigen müssen, ist klar. Klar und wahr istübrigens auch: Wenn die NPD verboten wäre, hätte siebukkdfsStVHsüaD–dtalfe4EnAsBWdrafsjkuDfundK
Sie haben Recht: Es war kein Urteil. Aber Sie wissen,ass die Hürden, die das Verfassungsgericht für ein Par-eienverbot und vielleicht auch ein Organisationsverbotufgestellt hat, jetzt sehr viel höher, vielleicht zu hochiegen. Das muss uns besorgt machen.Wahr ist ein Weiteres: Die Rechten hatten jetzt Er-olge in Sachsen und in Brandenburg. Aber es gab auchine Wahl im Saarland: Da ist die NPD bei beachtlichenProzent gelandet, also knapp vorbeigeschrammt aminzug in den saarländischen Landtag.Was sagen Sie zu dem, was der bayerische Innenmi-ister Beckstein laut „Focus“ erklärt hat?Nur weil vor dem Bundesverfassungsgericht dieVerbotsanträge scheiterten, kann die NPD über-haupt noch auf Stimmenfang gehen.lso, meine Damen und Herren: Die Selbstgerechtigkeitollten wir uns schenken, die anderen kritisieren, denalken im eigenen Auge aber nicht sehen!
orauf es ankommt, wurde mehrfach gesagt: Es gehtarum, die NPD politisch zu bekämpfen, und es geht da-um, damit umzugehen, dass diese Parteien sich nunuch noch erdreisten, in einem Bündnis eine Kandidaturür den Bundestag anzustreben. Wenn wir einmal genauchauen, wer diese Figuren, die wir auf der Straße undetzt leider auch in den Parlamenten sehen, finanziert,ommen wir sehr schnell wieder zu einer Debatte übernsere nachrichtendienstlichen und polizeilichen Mittel.enn manches, was uns allen beim NPD-Verbots-Ver-ahren nicht gefallen hat, hängt damit zusammen, dassnsere Sicherheitsarchitektur in Deutschland da und dorticht so ist, wie wir alle es uns wünschen würden. Auchiese Frage muss erlaubt sein und muss gestellt werden.Es geht also darum, meine Damen und Herren, liebeolleginnen und Kollegen insbesondere der FDP,
Metadaten/Kopzeile:
11430 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Michael Hartmann
erstens wehrhaft zu sein – wir brauchen eine wehrhafteDemokratie, das zeigen die Wahlergebnisse – und zwei-tens den demokratischen Konsens zu suchen. Deshalbsind sich wie so oft – manchem zur Freude, manchemzum Leid – der Bundesinnenminister und der bayerischeInnenminister anscheinend einig in ihrer Bewertung:Wichtig ist, dass wir aus unserer Verantwortung herausnicht öffentliche Aufgeregtheiten schaffen oder hoch-pusten, sondern wehrhaft und mit demokratischer Ent-schlossenheit gegen die rechten Parteien in den Land-tagen und außerhalb der Landtage vorgehen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Mantel von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Die Wahlergebnisse des ver-gangenen Sonntags sind heute bereits aus den verschie-denen Blickwinkeln betrachtet worden. Wir alle sind unsdarüber einig, dass dieses Wahlergebnis eine Herausfor-derung für die Demokratie ist. Wählerschelte ist hier fehlam Platz. Wir müssen nicht nur nach den Ursachen for-schen, sondern diese auch abstellen. Das Wahlergebnisder DVU, der NPD und der PDS drückt nicht den Zu-spruch für diese Parteien aus, sondern es drückt vielmehrden Protest der Menschen gegen die augenblickliche Po-litik aus. Eine aktuelle Zahl, die ich hier nennen möchte:86 Prozent aller Stimmen für die NPD kamen von Pro-testwählern. Insbesondere viele junge Menschen inSachsen und in Brandenburg haben sowohl die rechts-extremen Parteien als auch die linksextreme PDS dazugenutzt, ihren Protest zu äußern.
Genau das sollte uns Sorgen machen: dass sich jungeMenschen für diese Form des Protests entschieden ha-ben.Eine Erkenntnis des Wahlergebnisses muss deswegensein, dass NPD und DVU nicht mehr ausschließlich Alt-nazi-Parteien sind: Beide Parteien ziehen ihre Wähler-schaft als Protestparteien aus allen Alters- und Gesell-schaftsschichten. So kam die NPD bei den Erstwählernauf erschreckende 20 Prozent, die PDS auf 17 Prozent.Auch in Brandenburg sieht man ein ähnliches Bild: Beiden Erstwählern erreichte die DVU 15 Prozent, bei denunter 30-Jährigen 14 Prozent.Wir müssen daher härter an uns und an der Art arbei-ten, wie wir Politik vermitteln und wie wir vor allemjunge Menschen für unsere Politik begeistern können.Das gilt für alle Parteien gleichermaßen. Als aktive Poli-tiker ist es nämlich unsere Aufgabe, ein Vorbild auch da-hin gehend abzugeben, dass Politik in etablierten Par-teien die einzig sinnvolle Alternative ist, sich politischzgGDemesvsfssEBoshggSeUfzewtsndKRBehSP–
nter anderem durch diese Arbeit wird die Konflikt-ähigkeit geschult und Mut gemacht, Zivilcourage zueigen. Nur so wird jungen Menschen bewusst, was fürin demokratisches und tolerantes Land wir sind undas uns auszeichnet.Ich glaube, allen ist bewusst, dass demokratische Par-eien ihre Vergangenheit aufarbeiten sollten. Die PDSollte genauso wenig wie die rechtsextremen Parteienicht in der Vergangenheit leben. Deswegen ist es anieser Stelle wenig hilfreich, wenn diese Parteien durchoalitionen aufgewertet werden.
Im Gegensatz zu uns, die wir uns klar von denechtsradikalen distanzieren, erwägen Sie, namentlichundestagspräsident Wolfgang Thierse,
inen erneuten Pakt mit der linksextremen PDS einzuge-en.
o machen Sie diese Partei salonfähig, die immer nochrobleme mit der deutschen Einheit hat.
Sie können die Wahrheit nicht vertragen; das ist es.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11431
)
)
Dorothee Mantel– Ich weiß, dass es wehtut, wenn man den Bundestags-präsidenten an dieser Stelle anspricht.
Es kann meines Erachtens aber nicht angehen, dass hierschon wieder versucht wird, mit der PDS zu koalierenund sie salonfähig zu machen. Alle SPDler, die dieserAnsicht sind, sollten sich schämen.
Wir alle müssen versuchen, junge Menschen einzu-binden, damit sie nicht links- oder rechtsextrem wählen.Wir müssen versuchen, das Verbreiten des Gedanken-guts dieser extremen Parteien zu verhindern, bevor sichdiese politische Einstellung in den Köpfen verfestigt. Inden Ergebnissen der jüngsten Wahlen liegt die Gefahr,dass eine junge Generation nur die Möglichkeit sieht,sich durch extreme Parteien auszudrücken. Darin liegtfür uns alle aber auch eine Chance; denn diese jungenMenschen sind noch begeisterungsfähig und sie werdenihre Meinung ändern, wenn wir ihnen eine echte Alter-native bieten.Es ist unsere Aufgabe, diese jungen Menschen zu-rückzugewinnen, ohne aber, wie gesagt, einen Pakt mitExtremisten einzugehen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Otto Schily.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!Die FDP hat mich hier im Hohen Hause so oft gelobt,
dass ich es verstehen kann, dass sie das irgendwann ein-mal kompensieren will und sich in Kritik an dem Bun-desinnenminister versucht.Meine Aussagen in der „Financial Times“ wurdenhier mehrfach kundgetan. Einer hatte die Liebenswür-digkeit, sie hier zu verlesen.
Ich muss Ihnen die Frage stellen: Was ist, wenn man lo-gisch denkt, an dieser Feststellung falsch?Dass das Bundesverfassungsgericht eine Entschei-dung gefällt hat, durch die das Parteiverbot nicht zu-stande kommen konnte, ist eine schlichte Tatsache; daskann man nicht bestreiten. Dass es auf diese Weise derNPD ermöglicht worden ist, in den Landtag einzuziehen,ist auch eine schlichte Tatsache; das kann man ebenfallsnicht bestreiten. Man kann schließlich nicht gegen dieFakten argumentieren. Dass diese Entscheidung proble-mwsEnssZdDGkhdsdi–meABbandnpSbUGnfgldIvfa
ie sollten sich aber davor hüten, sich ungewollt – ichetone: ungewollt – an die Seite des NPD-Vorsitzendendo Voigt zu begeben, der Ähnliches von sich gibt.Wir können das NPD-Verbotsverfahren bei andererelegenheit – ich komme gerne in den Innenausschuss –och einmal erörtern. Sie haben mir pauschal vorgewor-en – Herr Westerwelle hat hier mächtig auf die Paukeehauen –, das Verbotsverfahren sei schlampig und di-ettantisch vorbereitet worden. Ich frage Sie: Wo war dasenn der Fall?
ch habe nur die Begründung des Verbotsantrages zuerantworten, den die Bundesregierung gestellt hat. Ichrage Sie wirklich ganz konkret; ich komme im Innen-usschuss gerne darauf zurück.
Metadaten/Kopzeile:
11432 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
)
)
Bundesminister Otto Schily– Herr Stadler, wir können gern darüber reden, ich werdeSie daran erinnern. Wir können auch gern in der Öffent-lichkeit stundenlang darüber debattieren. Dabei werdenSie entdecken: Wir haben bei diesem Verbotsantrag kei-nen einzigen Fehler gemacht.
– Ich bin für die Prozessführung anderer Beteiligter nichtverantwortlich. Ich bin auch nicht der Oberherr der Lan-desämter für Verfassungsschutz; auch das muss ich ein-mal sagen. Ich habe einmal den Vorschlag gemacht, denVerfassungsschutz dem Bund zu unterstellen. Das habenSie aber sofort abgelehnt.
– Ich war dafür, Herr Strobl. Ich bin der Meinung, dassdie Angriffe gegen die verfassungsmäßige Ordnung derBundesrepublik Deutschland, sprich: das Grundgesetz,eine Bundesangelegenheit sind. Wir können in der Föde-ralismuskommission gerne darüber reden, den Schutzder Ordnung in die Bundesverantwortung zu überneh-men.
– Auch Frau Stokar hat in ihrer Rede ein paar merkwür-dige Passagen gehabt. Aber damit will ich mich jetztnicht auseinander setzen. Frau Stokar, darüber müssenwir bei Gelegenheit miteinander reden.
– Wir in der Koalition sind immer im lebhaften Ge-spräch miteinander. Dadurch langweilen wir uns nicht.
Eine Kleinigkeit, die Ihnen vielleicht verdeutlicht,dass die Minderheitsmeinung im Senat wirklich auf demHolzweg war: Es ist nämlich die Behauptung aufgestelltworden – für Ihre Meinungsbildung hat das offenbareine Rolle gespielt –, in die NPD seien Verfassungs-schutzagenten eingeschleust worden. Daran ist nicht einWörtchen wahr. Man hat vielmehr nur versucht, von denNPD-Angehörigen Informationen zu erhalten. Das mussder Verfassungsschutz tun. Die Minderheitsmeinung hatuns vor die fatale Wahl gestellt, entweder zu versuchen,ein Parteienverbot ohne Beobachtung durchzusetzen– dann wird uns das Bundesverfassungsgericht vielleichtvorwerfen, wir hätten nicht genügend Material – oder zubeobachten und dann scheitert das Verfahren auch. Dasist das Dilemma, vor das wir gestellt worden sind. Des-halb sage ich mit Günther Beckstein, dass wir in derschwierigen Lage sind, dass ein Verbotsverfahren für ab-sehbare Zeit nicht mehr möglich ist.Ich erinnere jetzt an eine Zeit, die wir hinter uns ha-ben. Auch die NSDAP ist aus kleinen Anfängen entstan-den. Damals hat sie vielleicht der eine oder andere unter-stvkdDbDdvsu–rawInFAsndmmmIPmbDdmnDsaLLmü
Herr Strobl, Sie haben gleich noch die Gelegenheit zueden. Sie werden das Übliche rekapitulieren. Ich nehmen, dass Sie dann zu Günther Beckstein Stellung nehmenerden.
ch bin gespannt, was Sie sagen werden.Ich bin der Meinung, dass wir eine Gefahr dieser Articht unterschätzen dürfen. In einem Punkt bin ich mitrau Leutheusser-Schnarrenberger einig. Ich habe Ihreuffassung immer respektiert. Ich habe diese Auffas-ung übrigens am Anfang auch vertreten. Ich habe mei-en Standpunkt später geändert. Das ist wahr. Man kannen Standpunkt vertreten, ein Parteiverbot sei falsch undan müsse sich politisch auseinander setzen. Das kannan vertreten und eine solche Auffassung werde ich im-er respektieren. Ich habe aber eine andere gewonnen.ch bin nach wie vor der Meinung, dass man eine solcheartei nicht zulassen sollte. Das geht jetzt aber nichtehr.Womit Sie aber Recht haben, ist, dass wir eine De-atte ganz anderer Art über dieses Thema führen sollten.as sollten wir schleunigst nachholen. Wir sollten überie wirklichen Gefahren und Ursachen des Rechtsextre-ismus und darüber sprechen, was wir dagegen tun kön-en und welche Maßnahmen richtig sind.
ann muss auch die Partei, die sonst immer für Steuer-enkungen und damit für Mindereinnahmen eintritt, jetztber fröhlich Mehrausgaben fordert, ihre Auffassung insot bringen.
assen Sie uns über diese Fragen gemeinsam unter De-okraten so reden, wie es sich gehört.Wir haben einmal eine wirklich beachtliche Debatteber Antisemitismus geführt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004 11433
)
)
Bundesminister Otto SchilyIch wünsche mir eine Debatte in diesem Stil im Bundes-tag. Ich werde mich gerne daran beteiligen. Lassen Sieden Klein-Klein-Streit über diese Äußerung beiseite.Das führt uns nicht weiter. Dann können wir etwas fürdie Festigung der Demokratie tun.
Ich nehme für mich als Bundesinnenminister in An-spruch, eine ganze Menge dazu beigetragen zu haben,die Menschen, auch junge Menschen, gegen Rechtsex-tremismus, Antisemitismus und Faschismus zu immuni-sieren. Da kann ich nach sechs Jahren auf eine ganz guteBilanz zurückblicken. Es war die Bundesregierung– Frau Sonntag-Wolgast hat sich, als sie seinerzeitStaatssekretärin bei mir war, große Verdienste erwor-ben –, die das „Bündnis für Demokratie und Toleranz –gegen Extremismus und Gewalt“ gegründet hat. Das isteine Initiative, die in der Gesellschaft stattfindet. Wir ha-ben auch den Victor-Klemperer-Preis geschaffen. Wirbemühen uns auch in anderer Weise darum, uns poli-tisch-geistig mit diesem Unheil auseinander zu setzen.Lassen Sie uns an der Stelle weiterarbeiten, anstatt unsin kleinlichen Zwistigkeiten zu verstricken.Vielen Dank.
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der
Kollege Thomas Strobl von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Da das Zi-tat nicht von mir stammt, darf ich hinzufügen: Vielleichtist es auch für den Bundesinnenminister hilfreich. Ich zi-tiere:Der Bundesinnenminister trägt von jeher stolz denTitel des Verfassungsministers, soll sagen, dieserMinister habe über die Einhaltung der Verfassungzu wachen. Diese Sonderstellung in der Bundesre-
Überzeugungen und Launen als von Geist undBuchstaben des Grundgesetzes leiten zu lassen.So weit und so richtig war dies in einem Kommentarzum Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“ am 18. September dieses Jahres zu lesen.Es entspricht dem Geist unseres Grundgesetzes, denVerfassungsorganen mit Respekt und Achtung zu begeg-nen. Nur dann, wenn die Bürgerinnen und Bürger dieStaatsorgane auch achten, können diese ihre Aufgabenund Pflichten erfüllen. Aber wie sollen die Bürgerinnenund Bürger den Verfassungsorganen diese Achtung ent-gtVdeNitaeBs„mHKdbdsAindrfWwlänhsB
iemand anders als das Ministerium von Otto Schily hatm NPD-Verbotsverfahren die heikle V-Mann-Problema-ik unterschätzt und stümperhaft gehandhabt. Ich zitiereus der „tageszeitung“ vom 1. März 2003: „Der Miss-rfolg hat einen Namen: Otto Schily“.
Nachdem das Verfahren schief gegangen war, Herrundesinnenminister, hatten Sie für das Bundesverfas-ungsgericht und dessen Entscheidung Prädikate wiefalsch“, „abwegig“ und „rechtsirrig“ übrig. Dazu fälltir ein Zitat aus Goethes „Torquato Tasso“ ein: „Durcheftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit undräften fehlt“.
Um der Unangemessenheit Ihres Tadels gegenüberem Bundesverfassungsgericht die Krone aufzusetzen,eschimpften Sie am vergangenen Sonntagabend nochie Wähler, indem Sie ihnen schlicht die Vernunft abge-prochen haben.
ber Sie werden sich entscheiden müssen, Herr Bundes-nenminister, wer nun Schuld daran ist, dass die NPD inen Landtag eingezogen ist: das Bundesverfassungsge-icht oder die Unvernunft der Wähler. – Beides ist aberalsch.
Gerade der Verfassungsminister hat die Pflicht, dieürde und den Respekt vor den Verfassungsorganen zuahren. Dagegen haben Sie mit Ihrer Äußerung in fahr-ssiger Weise verstoßen.Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass Sie mitachgerade rohen Mitteln mit unserer Verfassung umge-en. Ich darf daran erinnern, dass das Zuwanderungsge-etz auf eindeutig verfassungswidrige Art und Weise imundesrat durchgepaukt wurde.
Metadaten/Kopzeile:
11434 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. September 2004
(C)
)
Thomas Strobl
Hierbei sind Sie – das ist eine Tatsache – vom Bundes-verfassungsgericht in die Schranken verwiesen worden.
Zeigen Sie ein wenig mehr Demut vor unserer Verfas-sung und ihren Organen, Herr Bundesinnenminister!Weniger Überheblichkeit würde Ihnen wohl anstehenund unserem Land ausgesprochen gut tun.
Ich darf einen letzten Punkt ansprechen: der Umgangdes Innenministers mit Mitarbeitern seines Ministe-riums.
Dass Frau Marianne Birthler sein jüngstes Opfer ist, hatsich schon herumgesprochen. Die Äußerung des Minis-ters Schily „In meinem Ministerium kann jeder machen,was ich will!“ ist ja allgemein bekannt.
Aber beim Bundesverfassungsgericht handelt es sichnicht um eine nachgeordnete Behörde des BMI, HerrBundesinnenminister. Die höchsten deutschen Richtersind nicht die Lakaien des Bundesinnenministers. Das
Auch dem Bundesinnenminister kann man dummeSprüche nicht durchgehen lassen, schon gar nicht ein fal-sches Verfassungsverständnis.
Offensichtlich hat auch er sich nicht immer im Griff. EinBundesinnenminister, der sich nicht im Griff hat, derdurch seine Unbeherrschtheit Schaden an Verfassungs-organen anrichtet, muss sich die Frage stellen lassen, ober, trotz auch unbestreitbarer Befähigungen und Qualitä-ten, für das Amt des Bundesinnenministers, für das Amtdes Verfassungsministers, der richtige Mann ist.Besten Dank für das Zuhören bei denjenigen, die zu-gehört haben.
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
muss dem Bundesinnenminister leider erneut und öffent-
lich gesagt werden.
Die damalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin
musste wegen eines Vergleichs des amerikanischen Prä-
sidenten mit Hitler den Hut nehmen. Das war ein dum-
mer Spruch. Sie ist nicht mehr im Amt.
d
2
(D
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 23. September
004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.