Protokoll:
15027

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 27

  • date_rangeDatum: 19. Februar 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:13 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Eckwerte für ein Gesetz zur Förderung der Steuer- ehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2069 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2069 B Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 2070 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2070 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 2070 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2070 D Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2070 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2071 A Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 2071 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2071 C Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . . 2071 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2071 D Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 2072 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2072 A Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 2072 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2072 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 2072 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2073 A Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2073 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2073 B Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 2073 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2073 C Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 2074 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2074 B Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . . 2074 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075 A Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2075 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2075 C Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 2075 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2076 A Sonstige Fragen an die Bundesregierung Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2076 B Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA 2076 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 15/438, 15/460) . . . . . . . . . 2076 D Information der Bundesregierung hinsichtlich Lagerung und möglicher Herstellung von Plenarprotokoll 15/27 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 27. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 I n h a l t : Pockenviren und weiteren biologischen Kampf- stoffen DringlAnfr 1 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2076 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 2077 A ZusFr Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . 2077 D ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . . 2078 A ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 2078 B ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . 2078 C ZusFr Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . 2078 D ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . 2079 B ZusFr Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2079 C ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . . 2079 D ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 2080 A ZusFr Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . 2080 C ZusFr Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . 2080 D ZusFr Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU 2081 A ZusFr Hilde Mattheis SPD . . . . . . . . . . . . . . . 2081 C ZusFr Gerald Weiß (Groß Gerau) CDU/CSU 2081 D ZusFr Gerold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . 2082 A ZusFr Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . 2082 C ZusFr Hildegard Müller CDU/CSU . . . . . . . . 2082 D ZusFr Bernd Schmidbauer CDU/CSU . . . . . . 2083 B ZusFr Dr. Erika Ober SPD . . . . . . . . . . . . . . . 2083 C ZusFr Reinhard Grindel CDU/CSU . . . . . . . . 2084 A ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . . 2084 C ZusFr Karsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . 2084 D ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 2085 B ZusFr Dr. Michael Bürsch SPD . . . . . . . . . . . 2086 A ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2086 C ZusFr Hartwig Fischer (Göttingen) CDU/CSU 2087 A Informationen der Länder über die Bedrohung durch Pockenviren und weitere biologische Kampfstoffe DringlAnfr 2 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2087 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 2087 C Zur Geschäftsordnung: Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2088 B Beantwortung der Frage nach dem Grund für die Überschreitung der Wochenfrist für die Be- antwortung schriftlicher Fragen gemäß Nr. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Fragestunde MdlAnfr Jens Spahn CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . . 2088 D ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 2088 D Novellierung des Berufsbildungsgesetzes; Hal- tung der Bundesregierung gegenüber gewerk- schaftlichen Forderungen MdlAnfr 7, 8 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF 2089 B, D ZusFr Werner Lensing CDU/CSU 2089 C, 2090 A ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 2090 B Tod von Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen MdlAnfr 11 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr’in Ute Vogt BMI . . . . . . . . . . . 2090 D ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . 2090 D Dual-Use-Geschäfte deutscher Firmen mit ira- kischen Geschäftspartnern; Kontrolle über deutsch-arabische Gesellschaften mit Verbin- dungen zum Irak MdlAnfr 1, 2 Dr. Klaus Rose CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . 2091 B, C ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . . 2091 D ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . 2092 D ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . . 2093 A ZusFr Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU 2093 B Entbindung der Bundesanstalt für Arbeit von sachfremden Aufgaben MdlAnfr 12 Uwe Schummer CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 2093 C ZusFr Uwe Schummer CDU/CSU . . . . . . . . . 2093 D Höhe der in den vergangenen zwei Jahren durch das Bundeskartellamt verhängten Buß- gelder, insbesondere gegen Unternehmen der Zementindustrie MdlAnfr 13, 14 Martin Hohmann CDU/CSU Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003II Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . 2094 A, B ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 2094 C Veränderung bzw. Aufgabe von Bundeswehr- standorten, unter anderem des Marineflieger- geschwaders 2 in Tarp/Eggebek und der Mi- nensuchflottille in Kappeln/Olpenitz MdlAnfr 15 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg 2095 A ZusFr Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2095 B Sparmaßnahmen des BMVg in den nächsten Jahren, Schließung von Standorten in Schles- wig-Holstein MdlAnfr 16 Dr. Ole Schröder CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg 2095 D Zahl der Anträge auf Gewährung von Grund- sicherungsleistungen MdlAnfr 19 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS . . . . . . . 2096 B ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . 2096 C Auswirkungen des mit dem Beitragssatzsiche- rungsgesetz in Kraft getretenen Rabatteinzugs- verfahrens, insbesondere auf die wirtschaft- liche Situation der Apotheken; Verhinderung einer Abwälzung des Großhandelsrabatts auf die Apotheken MdlAnfr 20, 21 Dr. Wolf Bauer CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers- Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2096 D, 2098 C ZusFr Dr. Wolf Bauer CDU/CSU 2097 B, 2098 D ZusFr Barbara Lanzinger CDU/CSU . . . . . . . 2097 D ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . 2098 A, 2099 C ZusFr Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . 2099 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der CDU/ CSU: Pockenviren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2100 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 2100 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . . 2101 C Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2102 D Petra Selg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 2103 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 2105 A Karsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 2106 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 2107 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2108 B Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2109 B Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 2110 B Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 2111 A Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2112 A Gerold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 2112 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 2114 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 2115 B Dr. Michael Bürsch SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 2117 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2118 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2119 A Anlage 2 Steuerbegünstigung für Hollywood-Filmpro- duktionen durch Lücken im deutschen Steuer- recht bezüglich Filmförderung; Schließung der Lücken durch das Steuervergünstigungs- abbaugesetz MdlAnfr 3, 4 Rudolf Bindig SPD Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 2119 B Anlage 3 Zahl der für die Zuweisung von Mitteln erfor- derlichen eingereichten Konzepte für Ganz- tagsschulen; Bewertungskriterien MdlAnfr 5, 6 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . 2120 A Anlage 4 Schulung von Feuerwehrleuten auf ABC-Er- kundungsfahrzeugen in bisher nicht berück- sichtigten Gebieten; Kosten für die Nichtbe- nutzung der Fahrzeuge wegen Fehlens einer wichtigen Komponente MdlAnfr 9, 10 Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU Antw PStSekr’in Ute Vogt BMI . . . . . . . . . . . 2120 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 III Anlage 5 Weitergabe der durch NATO-AWACS-Flug- zeuge bei Flügen über der Türkei gewonnenen Informationen an die USA; Einsatz deutscher Soldaten bei AWACS-Einsätzen in der Türkei MdlAnfr 17, 18 Jürgen Koppelin FDP Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . . 2120 D Anlage 6 Abbau des Defizits in der gesetzlichen Kran- kenversicherung und Stabilisierung der Ein- nahmen MdlAnfr 22, 23 Andreas Storm CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2121 A Anlage 7 Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversi- cherung; Auswirkungen des Nebeneinanders von Einzel- und Kollektivverträgen auf den Si- cherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Ver- einigungen MdlAnfr 24, 25 Wolfgang Zöller CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2121 C Anlage 8 Aufgaben und Ausstattung des geplanten Insti- tuts zur Sicherung der Qualität in der Medizin MdlAnfr 26, 27 Dr. Hans Georg Faust CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2122 A Anlage 9 Kosten sowie Einsparvolumen bei der Ein- führung einer elektronischen Gesundheitskarte MdlAnfr 28, 29 Barbara Lanzinger CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2122 B Anlage 10 Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzent- wurfs zu einer Positivliste bei Arzneimitteln; Freistellung von Mitarbeitern des BfArM zur Erstellung der Positivliste MdlAnfr 30, 31 Annette Widmann-Mauz CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2122 C Anlage 11 Einführung einer zusätzlichen Überprüfungs- instanz für die Pflegeheime in Deutschland; Si- cherstellung der Qualität von Pflegeheimen MdlAnfr 32, 33 Matthäus Strebl CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2123 A Anlage 12 Konsequenzen aus dem Prozess gegen den früheren Polizeipräsidenten von Bielefeld für die zukünftige Drogenpolitik; Erfahrungen mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2000, insbesondere im Hinblick auf die Arbeit in den Drogenkonsumsräumen MdlAnfr 34, 35 Jens Spahn CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2123 C Anlage 13 Ablehnende Haltung der Bundesregierung ge- genüber der EU-Richtlinie zum Tabakwerbe- verbot vor dem Hintergrund des vom BMGS gestarteten Anti-Raucher-Programms für Kin- der und Jugendliche MdlAnfr 36 Gerlinde Kaupa CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 2124 A Anlage 14 Standorte für Notliegeplätze und Nothäfen im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge MdlAnfr 37 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr’in Angelika Mertens BMVBW 2124 C Anlage 15 Auswirkungen der Ökopunkteregelung in Ös- terreich auf deutsche Unternehmen mit wirt- schaftlichen Kontakten oder Zweigbetrieben in Ungarn; vorzeitige Beendigung der Kontin- gentierung durch Auslaufen des Ökopunktesys- tems bis spätestens 2006 MdlAnfr 38, 39 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr’in Angelika Mertens BMVBW 2125 A Anlage 16 Ausgaben für die Gemeinschaftsaufgaben aus dem Solidarpakt II für die neuen Bundesländer in den letzten vier Jahren und für das Jahr 2003 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003IV MdlAnfr 40, 41 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 2125 B Anlage 17 Baumaßnahmen im Bundesamt für Strahlen- schutz im Jahr 2003 und deren Kosten MdlAnfr 42, 43 Albrecht Feibel CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMU . . . . . 2125 D Anlage 18 Marktanalyse der Niedersächsischen Ener- gie-Agentur GmbH in Hannover zur Errich- tung von geplanten Anlagen für die Strom- erzeugung aus Biomasse; Import von Altholz aus anderen Staaten, zum Beispiel den Nie- derlanden MdlAnfr 44, 45 Dr. Christian Eberl FDP Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMU . . . . . 2126 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 V (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 2069 27. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 Beginn: 13.00 Uhr
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    (A) (C) 2118 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 2119 (C) (D) (A) (B) Bahr (Münster), Daniel FDP 19.02.2003 Bodewig, Kurt SPD 19.02.2003** Dobrindt, Alexander CDU/CSU 19.02.2003 Dr. Faust, Hans Georg CDU/CSU 19.02.2003 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 19.02.2003 Göbel, Ralf CDU/CSU 19.02.2003 Heubaum, Monika SPD 19.02.2003** Hochbaum, Robert CDU/CSU 19.02.2003 Hofmann (Volkach), SPD 19.02.2003 Frank Jäger, Renate SPD 19.02.2003* Kauder (Bad Dürrheim), CDU/CSU 19.02.2003 Siegfried Körper, Fritz Rudolf SPD 19.02.2003 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 19.02.2003 DIE GRÜNEN Scharping, Rudolf SPD 19.02.2003 Schmidt (Eisleben), SPD 19.02.2003 Silvia Simm, Erika SPD 19.02.2003 Thiele, Carl-Ludwig FDP 19.02.2003 Volquartz, Angelika CDU/CSU 19.02.2003 Welt, Jochen SPD 19.02.2003 Wettig-Danielmeier, SPD 19.02.2003 Inge Widmann-Mauz, CDU/CSU 19.02.2003 Annette * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Fragen des Abgeordneten Rudolf Bindig (SPD) (Druck- sache 15/438, Fragen 3 und 4): entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht Treffen Meldungen des ARD-Magazins „Monitor“ vom 13. Februar 2003 zu, wonach dem deutschen Fiskus durch „Steu- erschlupflöcher“ bei der Filmförderung rund 12 Milliarden Euro entgangen sind und inzwischen rund 20 Prozent der Hollywood- Filmproduktion über deutsche Steuerspargelder finanziert wird, während zu gleicher Zeit die deutsche Filmförderung weitgehend danieder liege, und wie lauten gegebenenfalls die richtigen Zah- len für die letzten 5 Jahre? Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die ein- schlägige Steuersparbranche im US-Filmfördergeschäft Modelle entwickelt, die es praktisch unmöglich machten, die entsprechen- den Steuerschlupflöcher des deutschen Steuerrechts zu schließen, und gedenkt die Bundesregierung, dennoch diese Lücken, mög- lichst sogar noch im laufenden Beratungsprozess um das Steuer- vergünstigungsabbaugesetz, wirkungsvoll zu schließen? Zur Frage 3: Derartige Meldungen treffen so nicht zu. Richtig ist, dass deutsche Filmfonds ihr Kapital vor allem in ameri- kanische Produktionen einbringen, da hier mit besseren Vermarktungschancen des fertigen Films zu rechnen ist. Das Steuerrecht bietet keine zulässigen Mittel, den Fluss solcher Investitionen zu lenken. Die aus diesen Anlagen entstehenden anfänglichen Verluste können im Rahmen der geltenden Beschränkungen der Verlustver- rechnung mit anderen positiven Einkünften des Anlegers ausgeglichen werden. Dies mindert dessen Einkommen- steuerlast maximal mit dem Spitzensteuersatz. Ob die Medienfonds die allgemeine Bilanzierungsregel zu „selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern“ im Lichte neuester BFH-Rechtsprechung generell weiter nutzen können, wird derzeit von Bund und Ländern ge- prüft. Wirft der Film in der Verwertungsphase Gewinne ab, so sind diese in Deutschland zu versteuern. Insofern besteht hier kein wesentlicher Unterschied zu anderen In- vestitionen mit Anlaufverlusten, deren steuerliche Ab- zugsfähigkeit durch eine spätere Besteuerung erzielter Gewinne kompensiert wird. Die Filmförderung aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern ist in den vergangenen Jahren zusehends ausgebaut worden bis zur Obergrenze dessen, was die EU-Kommission im Rahmen ihrer Beihilfekontrolle zur- zeit akzeptiert. Produktionen wie „Duell – enemy at the gates“ oder „Der Pianist“ wurden mit deutschen Koproduzenten weit- gehend im Studio Babelsberg gedreht. Zu Frage 4: Über ein derartiges Modell liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung hat alle Möglichkeiten ge- nutzt, Steuerschlupflöcher zu schließen. Ich erinnere hier nur an die Mindestbesteuerung und die Regelung des § 2 b EStG, die einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung unerwünschter Steuersparmodelle geleis- tet haben. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christoph Matschie auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) (Drucksache 15/438, Fragen 5 und 6): Für wie viele Ganztagsschulen wurden bisher die für die Zu- weisung von Mitteln erforderlichen Konzepte eingereicht? Welche Kriterien werden bei der Evaluierung der Konzepte für Ganztagsschulen angelegt? Zu Frage 5: Die Bundesminsterin für Bildung und Forschung, Frau Edelgard Bulmahn, hat den Entwurf einer Verwaltungs- vereinbarung für den Auf- und Ausbau von Ganztags- schulen am 10. Februar 2003 vorgestellt und an die Länder übersandt. Bevor eine Zuweisung der dafür im Bundes- haushalt vorgesehenen Mittel erfolgen kann, ist der Ab- schluss der Vereinbarung mit allen Ländern erforderlich. Sobald dies erfolgt ist, können entsprechende Konzepte bei den Ländern nach Maßgabe der jeweiligen landes- rechtlichen Bestimmungen eingereicht werden. Zu Frage 6: Die Bewertung der einzureichenden pädagogischen Konzepte für Ganztagsschulen und die Auswahl der zu fördernden Schulen obliegt den Ländern. Inwieweit und nach welchen Kriterien die geförderten Ganztagsschul- konzepte anschließend bzw. laufend evaluiert werden, entscheiden wiederum die Länder. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ute Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 9 und 10): Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu tref- fen, damit für die 367 vom Bund an die Feuerwehren in ganz Deutschland verteilten ABC-Erkundungsfahrzeuge eine flächen- deckende Einweisung und Ausbildung auch in den von der Spre- cherin des Bundesministeriums des Innern als „Posemuckel“ be- zeichneten, bisher nicht berücksichtigten Gebieten ermöglicht wird, und trifft es zu, dass diese Fahrzeuge wegen des Fehlens einer wichtigen Komponente „geraume Zeit herumgestanden“ (Salzgitter Zeitung vom 25. Januar 2003) haben sollen? Wenn ja, um welchen Zeitraum handelt es sich, und wie hoch sind die dadurch entstandenen Mehrkosten zu veranschlagen? Zu Frage 9: Die Bundesregierung hat im Rahmen aktueller Be- schaffungen in den Jahren 2001 und 2002 338 ABC-Er- kundungskraftwagen den Ländern zugewiesen, das Land Niedersachsen hat hiervon 19 Fahrzeuge erhalten. Aus Sondermitteln des Antiterrorprogramms wurden weitere 27 ABC-Erkunder beschafft, die im I. Quartal ausgeliefert werden sollen. Die Fahrzeuge werden nach ihrer Anliefe- rung im Lager Bonn-Dransdorf mit ihrer Einsatzbeladung bestückt und danach an die Länder ausgeliefert. Zeitgleich mit der Beschaffung der Einsatzfahrzeuge hat die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr-Ahrweiler die Ausbil- dung der Multiplikatoren (Ausbilder) der Landesfeuerwehr- schulen durchgeführt, die im Sommer vergangenen Jahres abgeschlossen werden konnte. Das Bundesministerium des Innern hat ferner mit Rundschreiben vom 14. Juni 2002 die Mitglieder des Arbeitskreises V der Innenministerkon- ferenz gebeten, die fachspezifische Ausbildung der Fahr- zeugbesatzungen an dem neuen ABC-Erkundungskraft- wagen an ihren Landesfeuerwehrschulen aufzunehmen. Es handelt sich um eine vom Bund finanzierte ergänzende Zivilschutzausbildung. Das Land Niedersachsen wird in diesem Jahr an seiner Landesfeuerwehrschule die Ausbil- dung mit zwei Lehrgängen (24. bis 28. März 2003 und 27. bis 31. Oktober 2003) aufnehmen. Ein früherer Be- ginn war wegen laufender Baumaßnahmen an dieser Aus- bildungseinrichtung nicht möglich. Der Schlagzeile in der Salzgitter Zeitung vom 25. Ja- nuar 2003 „Keine Ausbildung für Posemuckel“ ist die Pressesprecherin des Bundesministeriums des Innern am 14. Februar 2003 mit einem Leserbrief entgegengetreten und hat darin klargestellt, dass sie weder Salzgitter mit Posemuckel verglichen habe noch „vor Wut geschäumt“ habe. Zu Frage 10: Diese Durchlaufstation im Bestückungslager Bonn- Dransdorf diente dazu, an dem ABC-Erkunder die Mess- technik, Regale und die sonstige Ausstattung zu installie- ren. Die Dauer des Aufenthaltes ist bei jedem Fahrzeug in Abhängigkeit von der jeweiligen Anlieferung und dem Abschluss der vorgenannten Arbeiten unterschiedlich. Mehrkosten sind durch diese Standzeiten nicht entstanden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die Fra- gen des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) (Druck- sache 15/438, Fragen 17 und 18): Werden Informationen, die durch NATO-AWACS-Flugzeuge bei Flügen über der Türkei gewonnen werden, im Falle eines mi- litärischen Vorgehens der USA gegen den Irak auch den USA zur Verfügung gestellt? Beabsichtigt die Bundesregierung, im Falle einer Auseinan- dersetzung mit dem Irak die deutschen Soldaten bei AWACS- Einsätzen in der Türkei nicht einsetzen zu lassen? Zu Frage 17: Am NATO-AWACS-Programm sind 13 NATO-Natio- nen, darunter auch die USA, beteiligt. Die durch NATO- AWACS-Flugzeuge gewonnenen Informationen stehen durch Einbindung in die Integrierte Luftverteidigung der Allianz allen NATO-Nationen und insbesondere auch den am AWACS-Programm beteiligten Nationen zur Verfü- gung. Die Bundesregierung wird einem Einsatz deutscher Soldaten in NATO-AWACS-Flugzeugen nur zustimmen, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 20032120 (C) (D) (A) (B) wenn der Einsatzauftrag der NATO-AWACS-Flugzeuge ausschließlich auf den Schutz des Bündnisgebietes be- schränkt ist. Die im Rahmen der vorgesehenen AWACS- Überwachungsflüge im türkischen Luftraum gewonnenen Daten werden nur zum Zweck der Luftraumüberwachung, Frühwarnung und des Erhalts der Integrität des türkischen Luftraumes erhoben. Eine darüber hinausgehende Ver- wendung der Daten durch die NATO oder NATO-Mit- gliedstaaten zu anderen Zwecken ist nicht freigegeben. Zu Frage 18: Die Bundesregierung hat mehrfach, zuletzt der Bun- deskanzler in seiner Regierungserklärung zur aktuellen internationalen Lage am 13. Februar 2003, deutlich ge- macht, dass die deutschen AWACS-Besatzungsmitglieder für den Schutz der Türkei zur Verfügung stehen. Zugleich hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, dass es keine Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen den Irak geben wird. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen des Abgeordneten Andreas Storm (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 22 und 23): Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab- zubauen und die Einnahmen der GKV zu stabilisieren? Ab welchem Zeitpunkt werden diese Maßnahmen sich positiv auf die Finanzen der GKV auswirken? Zu Frage 22: Mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz wurden bereits kurzfristig wirksame Maßnahmen zur finanziellen Entlas- tung und Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversi- cherung ergriffen. Durch die Maßnahmen dieses Gesetzes wird die gesetzliche Krankenversicherung in diesem Jahr in einer Größenordnung von circa 2,8 Milliarden Euro entlastet. In dem Maßnahmepaket sind neben ausgaben- begrenzenden Regelungen, die sich insbesondere auf den Arzneimittelbereich konzentrieren, mit der Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auch Maßnahmen enthalten, die die in den letzten Jahren zu beobachtende verstärkte Abwanderung günstiger Risiken in die private Kranken- versicherung reduzieren und damit auch die Einnahme- seite der GKV stabilisieren. Weiteren finanzwirksamen Vorschlägen – enthalten im 12. Änderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch V – hat der Bundesrat zunächst nicht zugestimmt. Der Vermittlungsausschuss hat es in der Hand, dafür Sorge zu tragen, dass auch bei den Ver- waltungskosten der Krankenkassen die notwendigen Einsparungen erzielt werden können. Die kurzfristigen Maßnahmen zur Beitragssatzstabili- sierung und die Verbreitung der Finanzgrundlagen der ge- setzlichen Krankenversicherung schaffen Spielraum für die jetzt anstehenden strukturellen Reformen. Mit den Re- formmaßnahmen, die in diesem Jahr auf den Weg ge- bracht werden, wird die Qualität, Wirtschaftlichkeit und Transparenz der gesundheitlichen Versorgung in der ge- setzlichen Krankenversicherung entscheidend verbessert. Dadurch können zusätzliche Einsparungspotenziale er- schlossen werden, die ab dem Jahr 2004 schrittweise wirksam werden. Ausgehend von den Vorschlägen der „Rürup-Kommission“, die im Mai vorgelegt werden sol- len, wird die Bundesregierung weitere geeignete Maß- nahmen ergreifen, die die Finanzgrundlagen der gesetzli- chen Krankenversicherung stabilisieren. Zu Frage 23: Die Maßnahmen des Beitragssatzentlastungsgesetzes werden sich bereits seit Anfang dieses Jahres, die noch konkret zu beschließenden Maßnahmen der Modernisie- rung des Gesundheitswesens und der Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung erst schrittweise nach In-Kraft-Treten positiv auf die Fi- nanzen der gesetzlichen Krankenversicherung auswirken. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Zöller (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 24 und 25): Was meint die Bundesregierung, wenn sie davon spricht, den Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöhen zu wollen? Wie soll bei einem Nebeneinander von Einzel- und Kollektiv- verträgen der Sicherstellungsauftrag von den Kassenärztlichen Vereinigungen erfüllt werden? Zu Frage 24: Mit der Erweiterung der Rechte der Versicherten zur Wahl ihrer Krankenkasse und der Einführung des Risiko- strukturausgleichs durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 hat der Gesetzgeber die Grund- lagen für Kassenwettbewerb im Rahmen der solidari- schen Wettbewerbsordnung der gesetzlichen Kranken- versicherung geschaffen. Mit der im RSA-Reformgesetz vom 10. Dezember 2001 beschlossenen Weiterentwick- lung des Risikostrukturausgleichs wurde dieser Weg kon- sequent fortgesetzt. Der Wettbewerb soll auf das Ziel der Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit hin aus- gerichtet sein. Der Risikostrukturausgleich schafft dafür die Voraussetzungen, indem er verhindert, dass Kranken- kassen allein durch die Selektionen günstiger Versiche- rungsrisiken, das heißt durch die Versicherung junger und gesunder Mitglieder, erhebliche Beitrags- und Wettbe- werbsvorteile erlangen können. Es gilt darüber hinaus, den Krankenkassen weitere Spielräume für einen Wettbe- werb untereinander einzuräumen, damit sie ihre Anstren- gungen für eine optimale, qualitativ gesicherte und pati- entenorientierte Versorgung der Versicherten fortsetzen. Hierfür bietet sich beispielhaft der die im Gesetz vorgese- henen Möglichkeiten zur Schaffung innovativer Versor- gungsformen an, die einen zielgenauen Einsatz der zur Verfügung stehenden Finanzmittel fördern. Zudem besteht nunmehr auch die Aufgabe, den Wett- bewerb unter den Leistungserbringern zu fördern. Bislang Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 2121 (C) (D) (A) (B) stehen die kollektivvertraglich zementierten Strukturen bei der Erbringung insbesondere der ärztlichen Leistun- gen einem solchen Wettbewerb entgegen. Auch verhin- dern starre sektorengebundene Zulassungssysteme und sektorale Budgets einen Wettbewerb zwischen den Leis- tungserbringern. Diese Hürden müssen abgebaut werden. Dabei darf der Wettbewerb kein Selbstzweck sein. Viel- mehr soll er der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsre- serven und der Beschleunigung von Innovationen die- nen. Zu Frage 25: Bei einem Nebeneinander von Einzel- und Kollektiv- verträgen wird der Sicherstellungsantrag nicht mehr von den Kassenärztlichen Vereinigungen allein, sondern ge- meinsam mit den Krankenkassen und ihren Verbänden er- füllt, das heißt der Sicherstellungsauftrag geht für den Be- reich, für den Einzelverträge der Krankenkassen mit Ärzten abgeschlossen werden, auf die Krankenkassen über. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fagen des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust (CDU/ CSU) (Drucksache 15/438, Fagen 26 und 27): Welche Aufgaben soll das vom Bundesministerium für Ge- sundheit und Soziale Sicherung geplante Institut zur Sicherung der Qualität in der Medizin haben? Wie soll das Institut personell und sachlich ausgestattet sein? Nach den Vorstellungen der Koalition soll ein unab- hängiges Zentrum für Qualität in der Medizin eingerich- tet werden mit dem Ziel, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern. Dazu soll es den medizini- schen Nutzen, die Qualität sowie die Wirtschaftlichkeit medizinischer und pflegerischer Leistungen bewerten. Zu den wesentlichen Aufgaben soll die Bereitstellung der best verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse für Versicherte sowie die Abgabe von Empfehlungen an die Bundesausschüsse über die beste vorliegende Evidenz gehören. Es ist vorgesehen, dass sich die personelle und sachliche Ausstattung des Zentrums auf das zwingend Notwendige beschränkt. Bei der Arbeit des Zentrums soll überwiegend externer wissenschaftlicher Sachstand ge- nutzt werden. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen der Abgeordneten Barbara Lanzinger (CDU/ CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 28 und 29): Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung generell die Kos- ten, die mit der von ihr geplanten Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte verbunden sind? Welche Einsparsumme glaubt die Bundesregierung durch eine freiwillige Nutzung der Gesundheitskarte erzielen zu können? Eine genaue Kostenschätzung kann erst vorgenommen werden, wenn die Funktionalitäten der Gesundheitskarte im Einzelnen feststehen. Einsparungen sind vor allem im Hinblick auf die Er- leichterung der administrativen Abwicklung der Abrech- nungen von Rezepten, die beabsichtigte Reduzierung ungerechtfertigter Zuzahlungsbefreiungen und die ange- strebte Verminderung behandlungsbedürftiger Wechsel- und Nebenwirkungen bei Arzneimitteln zu erwarten. Hinzu kommen Kostenreduzierungen durch die Verringe- rung von Doppelbehandlungen und die schnellere Ver- fügbarkeit von Notfall- und sonstigen Behandlungsdaten. Des weiteren wird die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen insgesamt dazu beitragen, dass Gesundheitsleistung effi- zienter erbracht werden können. Patientenverbände sind bei den konzeptionellen Arbei- ten zur Einführung der Gesundheitskarte eng eingebun- den. Nach bisherigen Erörterungen ist davon auszugehen, dass gerade chronisch kranke Patienten die effiziente Nut- zung moderner Informations- und Kommunikationstech- nologien im Gesundheitswesen als Chance für eine Qua- litätsverbesserung der medizinischen Behandlung sehen. Die Bundesregierung geht daher von einer breiten Nut- zung der geplanten Gesundheitskarte aus. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 30 und 31): Hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Siche- rung dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Referenten- entwurf für ein Gesetz über die Verordnungsfähigkeit von Arznei- mitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Positivliste) zur Rechtsprüfung vorgelegt, und wenn ja, zu welchem Ergebnis kommt das BMJ hinsichtlich der Frage der Zustimmungsbedürf- tigkeit des Gesetzentwurfs? Sind zur Erstellung der Positivliste vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Mitarbeiter abgezogen wor- den? Zu Frage 30: Der Referentenentwurf wurde dem Bundesministe- rium der Justiz im November 2002 vorgelegt. Das Bun- desministerium der Justiz gelangte in seiner Stellung- nahme zu dem Ergebnis, dass das Gesetzesvorhaben bei Beibehaltung der jetzigen Regelungskonstruktion der Zu- stimmung des Bundesrates bedürfe. Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bun- desministeriums der Justiz so ausgestaltet werden, dass er nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Zu Frage 31: Vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung sind zum 1. Februar 2003 zwei Stellen für das Referat Positivliste ausgeschrieben worden. Nach erfolg- reicher Bewerbung wurden zwei bis zu diesem Zeitpunkt im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 20032122 (C) (D) (A) (B) Beschäftigte ins BMGS versetzt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann die dadurch va- kant gewordenen Positionen umgehend nachbesetzen. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen des Abgeordneten Matthäus Strebl (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 32 und 33): Plant die Bundesregierung die Einführung einer zusätzlichen Überprüfungsinstanz für die Pflegeheime in Deutschland, wie sie der Vorstand der Innungskrankenkassen beim Landesverband Niedersachsen, Heinz-Günther Macherey, fordert (vergleiche Dingolfinger Anzeiger vom 6. Januar 2003)? Wie will die Bundesregierung die Qualität sicherstellen, wenn die Pflegekassen ein Rekorddefizit von jährlich bis zu 500 Milli- onen Euro aufweisen? Zu Frage 32: Nach dem geltenden Recht wird die Leistungsqualität von Pflegeheimen durch die staatliche Heimaufsicht nach dem Heimgesetz sowie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach dem SGB XI überprüft. Durch die am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Regelungen des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes sollten Qualitätsprü- fungen durch unabhängige Sachverständige und Prüfstel- len hinzutreten. Leider hat der Bundesrat dem zur Um- setzung der Neuregelungen von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf der Pflege-Prüfverordnung am 27. September 2002 trotz vorheriger Übereinstimmung in der Sache nicht zugestimmt. Derzeit wird an Nachfolgeregelungen gearbeitet. Sie werden an der Zielsetzung des Pflege-Qualitätssiche- rungsgesetzes festhalten, dass der Vergütungsanspruch ei- ner zugelassenen Pflegeeinrichtung an den Nachweis der Qualität der in der Einrichtung erbrachten Leistungen ge- knüpft sein soll. Dieser Nachweis setzt eine erfolgreich durchgeführte Qualitätssicherung voraus. Grundsätzlich sollte jedoch im Blick behalten werden, dass Leistungsqualität nachhaltig nicht primär durch ex- terne Prüfungen der Pflegeeinrichtungen erhalten oder er- höht werden kann. Erfolgversprechend sind auf Dauer nur einrichtungsinterne Ansätze, die daher intensiviert wer- den müssen. Zu Frage 33: Die Fragestellung geht offensichtlich von einem un- mittelbaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Leis- tungen der Pflegeversicherung sowie den Vergütungen für erbrachte Pflegeleistungen und ihrer Qualität aus. Hier ist darauf hinzuweisen, dass die Höhe der Vergütungen von Pflegeleistungen – anders als in der GKV – nicht an die Höhe der Leistungen der Pflegeversicherung gekoppelt ist. Deshalb hat die Finanzsituation der Pflegeversiche- rung keine unmittelbare Rückwirkung auf die Entgelte und die Qualität der Pflegeleistungen – und umgekehrt. Bei der Analyse der Ursachen für pflegerische Defizite und Mängel zeigt sich eine ähnliche Vielfalt wie beim Standard der Einrichtungen. Hier können beispielsweise Managementfehler in den Einrichtungen ebenso eine Rolle spielen wie das Qualifikationsniveau der Pflege- und Betreuungskräfte. Hinzu kommt, dass die Instru- mente der internen und externen Qualitätssicherung noch nicht überall im gebotenen Umfang entwickelt sind. Hinzu kommt, dass es den Einrichtungsträgern in der Vergangenheit oft nur unzureichend gelungen ist, in den Vergütungsverhandlungen mit den Kostenträgern ihre Ansprüche auf leistungsgerechte Vergütungen wirksam durchzusetzen. Genau an diesen Punkten hat das im letzten Jahr in Kraft getretene Pflege-Qualitätssicherunggesetz ange- setzt. Es gilt nun, die mit dem Gesetz verankerten Maß- nahmen in der Praxis umzusetzen und die vorgesehenen Instrumente auch tatsächlich anzuwenden. Hier sind die Partner der Pflegeselbstverwaltung in der Pflicht. Im Übrigen steht die Pflegeversicherung trotz eines Defizits von knapp 400 Millionen Euro im Jahr 2002 mit einem Mittelstand von fast 5 Milliarden Euro nach wie vor auf einem soliden finanziellen Fundament. Auf dieser Basis kann sie auch die derzeit konjunkturbedingt etwas höheren Defizite verkraften, die sich bei wieder beserer Wirtschaftslage deutlich reduzieren werden. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Fragen des Abgeordneten Jens Spahn (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 34 und 35): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es bei dem vor dem Bielefelder Landgericht laufenden Prozess gegen den frühe- ren Polizeipräsidenten von Bielefeld über die strafrechtlichen Vor- würfe hinaus „um die Zukunft der Drogenpolitik in Deutschland“ (General-Anzeiger vom 4. Februar 2003) gehe, und welche Schlüsse zieht sie daraus für ihre zukünftige Drogenpolitik? Wie beurteilt die Bundesregierung die bisher gemachten Er- fahrungen mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 2000, und welche Erkenntnis gibt es dazu insbesondere zu Art und Rechtssicherheit der Arbeit in den Drogenkonsum- räumen? Zu Frage 34: Nein. Die Drogenpolitik der Bundesregierung beruht auf den vier Säulen Prävention, Therapie, Überlebenshilfe sowie Repression und Angebotsreduzierung. Diese Poli- tik hat sich bewährt, insbesondere die daraus abgeleiteten Maßnahmen der Überlebenshilfe wie zum Beispiel die er- weiterte Substitutionsbehandlung und Unterstützung der niedrigschwelligen Drogenhilfen. Die Zahl der Drogen- toten ist in 2002 im zweiten Jahr in Folge deutlich gesun- ken. Die Bundesregierung wird diese Politik im Interesse der Verhütung des Drogenkonsums und des Überlebens der abhängigen Menschen fortführen. Zu Frage 35: Die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes führte zur Einführung eines bundesweiten Substitutionsregisters, um Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 2123 (C) (D) (A) (B) die bisher oft zu beobachtende und gesundheitsgefähr- dende Doppelverschreibung von Ersatzdrogen, zum Beispiel Methadon, zu verhindern. Außerdem wurden die bereits seit vielen Jahren von einigen deutschen Städten – zum Beispiel Frankfurt – finanzierten so ge- nannten Drogenkonsumräume unter strengen Vorausset- zungen auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage ge- stellt. Die Bundesregierung hat die Arbeit dieser Einrichtun- gen im Jahre 2002 wissenschaftlich evaluieren lassen. Die durch das Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt und Sozialforschung (ZEUS) durchgeführte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Drogenkonsumräume er- heblich dazu beitragen, Drogentodesfälle zu vermeiden und den betroffenen Abhängigen weiterführende Hilfen zu vermitteln. Außerdem tragen sie dazu bei, öffentliche Drogenszenen zurückzudrängen. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die Frage der Abgeordneten Gerlinde Kaupa (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Frage 36): Wie begründet die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung gegenüber der EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot vor dem Hintergrund, dass die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Marion Caspers-Merk, ein Anti-Raucher-Programm für Kinder und Ju- gendliche gestartet hat? Die Bundesregierung hat die Tabakwerberichtlinie der EU abgelehnt, weil die Gemeinschaft keine Kompe- tenz hat, Werbung in Presseerzeugnissen zu verbieten, die nicht grenzüberschreitend vertrieben werden. Die Gemeinschaft greift damit in nationale Kompetenzen ein. National wird Deutschland die gesundheitspolitische Zielsetzung, den Tabakkonsum zu senken, konsequent weiter führen. Sie setzt dabei im Rahmen ihrer Verant- wortung auf weitere strukturelle und präventive Maß- nahmen sowie auf eine Ausweitung der Maßnahmen zur Raucherentwöhnung. Eine wesentliche strukturelle Präventionsmaßnahme für Kinder und Jugendliche wurde bereits in der letzten Legislaturperiode mit dem Abgabeverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendli- che unter 16 Jahren und den Werbeeinschränkungen im Kino für Tabakwaren und alkoholische Getränke von 18 Uhr erreicht. Zigarettenautomaten müssen nach einer Übergangsfrist so gesichert werden, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Zigaretten nicht möglich ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass einseitig orientierte Maßnahmen zum Nichtrauchen nicht zu dem Ziel führen, den Tabakkonsum wirksam zu reduzieren. Dazu bedarf es eines „Policymix“ verschiedener Ele- mente. In der Koalitionsvereinbarung vom Oktober 2002 hat die Bundesregierung eine nationale Anti-Tabak-Kam- pagne beschlossen. Diese Anti-Tabak-Kampagne wird fe- derführend vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung umgesetzt. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/438, Frage 37): Ist die Bundesregierung – anders als in der Antwort der Parla- mentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Angelika Mertens, vom 7. Februar 2003 auf meine schriftliche Frage vom 31. Januar 2003 mit der Ar- beitsnummer 1/277 (Bundestagsdrucksache 15/477) – mittler- weile in der Lage mitzuteilen, an welchen konkreten Standorten die Bundesregierung im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge Notliegeplätze sowie Nothäfen vorgesehen hat und von welchen Küstenländern es zu der an die Küstenländer zur Abstimmung übergebenen Richtlinie (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP zur Sicherheit des Schiffsverkehrs auf Bundestagsdrucksache 15/343) bereits eine Stellungnahme gibt, und wenn ja, wie beantwortet die Bun- desregierung dies nunmehr? Entsprechend dem deutschen Notliegeplatzkonzept werden keine Notliegeplätze ausgewiesen, sondern eine Datensammlung mit den Eigenschaften aller infrage kom- menden Liegeplätze für Schiffe in komplexer Schadens- lage angelegt und vom Havariekommando gepflegt. Die Zuweisung eines Notliegeplatzes für Schiffe (einschließlich Tanker) mit einer unmittelbar bevorste- henden oder bereits eingetretenen komplexen Schadens- lage erfolgt immer aufgrund einer Einzelfallentschei- dung, die zum einen das konkrete Gefährdungspotenzial, zum anderen die für den speziellen Fall geeigneten in- frage kommenden Notliegeplätze im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit berücksichtigt. Daher werden alle infrage kommenden Notliege- plätze, (wie zum Beispiel Reeden, Häfen, Schleusen etc.) systematisch mit den erforderlichen Informationen er- fasst und für derartige Entscheidungen von der zuständi- gen Stelle, dem Havariekommando, als Entscheidungs- hilfe herangezogen. Bei einer konkreten, anstehenden Einzelfallentscheidung über den anzulaufenden Notlie- geplatz sind immer alle örtlich zuständigen Stellen vor Ort beteiliegt. Eine Anhörung der EU-Kommission am 31. Januar 2003 in Brüssel hat ergeben, dass ebenso wie Deutschland auch die anderen Mitgliedstaaten nicht beabsichtigen, be- stimmte Häfen als Notliegehäfen auszuweisen und be- kannt zu machen, sondern immer von Fall zu Fall zu ent- scheiden. Lediglich Norwegen will Nothäfen bekannt geben. Den Küstenländern liegen Entwürfe für: – eine „Vereinbarung über die Zuweisung eines Notlie- geplatzes im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge“ sowie – ein Richtlinienentwurf „für die Zuweisung eines Not- liegeplatzes im Rahmen der maritimen Notfallvor- sorge“ vor. Die Küstenländer haben grundsätzlich Zustimmung zu den Entwürfen signalisiert, wobei sie in Einzelfällen um Präzisierung der Texte bitten. Die Abstimmung über die vorgeschlagenen Änderungen wird zurzeit durchgeführt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 20032124 (C) (D) (A) (B) Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Fra- gen des Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Drucksache 15/438, Fragen 38 und 39): Welche Auswirkungen für deutsche Unternehmen, die mit Ungarn ständige Wirtschaftskontakte unterhalten beziehungs- weise Zweigbetriebe in Ungarn besitzen, sieht die Bundesregie- rung durch die Ökopunkteregelung in Österreich? Sieht die Bundesregierung im Vorschlag des Europäischen Parlaments vom 31. Dezember 2002, das Ökopunktesystem bis spätestens 2006 auslaufen zu lassen, eine Möglichkeit, die Kon- tingentierung vorzeitig zu beenden? Zu Frage 38: Das bestehende Ökopunktesystem, das im Jahre 1992 eingeführt wurde, hat in den letzten Jahren teilweise die Transporte deutscher Unternehmer, die Österreich im Transit durchfahren müssen, behindert. Das gilt für Un- garn gleichermaßen wie für alle anderen Länder, die im Transit durch Österreich zu erreichen sind. Zu Frage 39: Das mit dem Beitritt Österreichs beschlossene Öko- punktesystem sollte grundsätzlich Ende 2003 auslaufen. Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und der damit von Österreich befürchteten Zunahme des Transit- verkehrs, hat Österreich eine Verlängerung dieses Sys- tems gefordert. Die Kommission hat deshalb, in Vollzug einer Anforderung des Europäischen Rates vom Dezem- ber 2001, bereits Ende 2001 einen Vorschlag eingebracht, der im Wesentlichen eine Verlängerung des Systems bis Ende 2006 zum Inhalt hat. Nach der Sonderratstagung (Verkehr) am 31. Dezem- ber 2002 zeichnet sich auf der Grundlage eines Kompro- missvorschlages der dänischen Präsidentschaft mit inhalt- lichen Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag eine Entscheidung ab, die das Ökopunktesystem 2006 auslaufen lässt. Das Europäische Parlament seinerseits hat in seiner Sitzung am 12. Februar 2003 Abänderungen des Kom- missionsvorschlages beschlossen, die zu einer weiteren Liberalisierung führen sollen. Auch nach diesen Vor- schlägen soll das System Ende 2006 auslaufen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Michael Luther (CDU/CSU) (Druck- sache 15/438, Fragen 40 und 41): Wie addieren sich im Einzelnen die Ausgaben für die Ge- meinschaftsaufgaben, die Finanzhilfen, die EU-Strukturfondsmit- tel und die Investitionszulage des Bundes zur Summe von 5 Mil- liarden Euro jährlich, die im Solidarpakt II für die neuen Länder, siehe dazu Ziffer 5 des Entschließungsantrags auf Bundestags- drucksache 14/6577, festgeschrieben sind, aufgeschlüsselt für die letzten vier Jahre und für das Jahr 2003? Welche Leistungen werden darüber hinaus aus dem Korb II fi- nanziert, und wie hoch sind diese Leistungen im Einzelnen? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 2003 2125 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 40: Wie ich Ihnen auf Ihre verschiedenen dahin gehenden Informationsbitten bereits mitgeteilt habe, werden keine besonderen Auflistungen über die Leistungen aus dem Bundeshaushalt in die neuen Länder geführt. Eine voll- ständige und detaillierte Darstellung der Zusammenset- zung der Leistungen des so genannten Korbs II ist deshalb nicht möglich. Ich bin aber gerne bereit, die in Ihrer Frage angespro- chenen Ausgaben der Gemeinschaftsaufgaben für die neuen Länder sowie das Aufkommen der Investitionszu- lage zu nennen. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben „Verbesse- rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und „Verbesse- rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ flossen folgende Mittel in die neuen Länder: Der Bundesanteil am Aufkommen der Investitionszulage betrug: Angaben zu den Ausgaben der Bundesprogramme im Rahmen der EU-Strukturfondsmittel für die neuen Länder sind nicht möglich, weil diese – insbesondere für den Eu- ropäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für Land- wirtschaft (EAGFL) – nicht regionalisiert sind. Zu Frage 41: Ich verweise auf meine Antwort zu Frage 32. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragen des Abgeordneten Albrecht Feibel (CDU/CSU) (Druck- sache 15/438, Fragen 42 und 43): Welche Baumaßnahmen sind im Bundesamt für Strahlen- schutz im Jahr 2003 geplant (einschließlich solcher, die in 2003 begonnen werden sollen)? Welche Kosten sind für die einzelnen oben genannten Maß- nahmen zu erwarten? Zu Frage 42: Beim Bundesamt für Strahlenschutz ist im Jahr 2003 der Beginn der großen Baumaßnahme (Titel 712 01) „Sa- nierung des Dienstgebäudes in Berlin-Karlshorst (Ring- bau)“ geplant. 1999 2000 2001 2002 2003 in Millionen Euro 1 611 1 450 1 249 1 157 1 061 1999 2000 2001 2002 2003 in Millionen Euro 218 717 1 187 1 111 1 136 Zu Frage 43: Für die unter Nummer 1 genannte Maßnahme sind im Haushaltsjahr 2003 Ausgaben in Höhe von 2 173000 Euro veranschlagt. Die Gesamtkosten der Baumaßnahme be- tragen 3 963 000 Euro. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Christian Eberl (FDP) (Drucksa- che 15/438, Fragen 44 und 45): Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der Marktana- lyse der Niedersächsischen Energie-Agentur GmbH in Hannover, wonach die Hälfte der von der Bundesregierung geplanten rund 60 Anlagen für die Erzeugung von Strom aus Biomasse wegen Altholzmangels nicht errichtet werden können, und welche Alter- nativen gibt es, um die Anlagen wie geplant trotz eines solchen Altholzmangels zu errichten? Hält die Bundesregierung die in diesem Zusammenhang in der Studie der Ecofys GmbH aus Köln gemachten Aussagen für wahr- scheinlich, wonach der in Deutschland nicht zu deckende Alt- holzbedarf mit Importen von Altholz aus anderen Staaten, bei- spielsweise den Niederlanden, gedeckt werden kann, und wie steht die Bundesregierung bei Würdigung des nationalen Ziels des Gesetzes über die Förderung Erneuerbarer Energien einem sol- chen Import von ausländischem Abfall gegenüber? Zu Frage 44: Die Bundesregierung plant keine Anlagen zur Erzeu- gung von Strom aus Biomasse. Nach Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – EEG – vom März 2000 und der Biomasse-Verordnung – BiomasseV – vom Juni 2001 plant allerdings eine Reihe von Unternehmen solche Anlagen. Dabei zeichnen sich derzeit zwei Schwerpunkte ab: Biogasanlagen und Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse mit einem hohenAnteil an Altholz. Soweit es sich um den Einsatz von belastetem Altholz handelt, sind in der BiomasseV besonders hohe Umweltanforderungen und ein Zeitfenster von drei Jahren bis zur Genehmigung vorgegeben. Im Zuge der von BMU/UBA vergebenen Studien zum Bereich der erneuerbaren Energien wird insbesondere auch ein Monitoring der BiomasseV umgesetzt. Zum Be- reich „Biomasse-Heizkraftwerke/Altholzanlagen“ wird dabei mit Stand Ende 2002 berichtet, dass Altholzver- brennungsanlagen geplant werden, deren Brennstoffvolu- men etwa dem Doppelten des deutschen Altholzmarktes entspricht. Dies deckt sich zunächst mit dem Ergebnis der Studie der Niedersächsischen Energieagentur. Allerdings gehen nach den Ergebnissen des Vorhabens zum Monito- ring des BiomasseV des BMU/UBA die Anlagenplaner davon aus, dass nur etwa 20 bis 30 Prozent der geplanten Anlagen realisiert werden. Ein Großteil der zunächst ge- planten Anlagen geht danach also nicht in Betrieb, sei es aus Gründen der Akzeptanz am geplanten Standort, einer nicht zustande kommenden Genehmigung nach den Bun- des-Immissionsschutz-Recht, nicht zustande kommender Finanzierung durch die potenziellen Betreiber oder nicht vorhandener langfristiger Lieferverträge mit Altholzliefe- ranten. Es ist derzeit davon auszugehen, dass mittelfristig eine Anzahl von Anlagen realisiert wird, die etwa der Menge des hiesigen Altholzmarktes entspricht. Derzeit – Stand Ende 2002 – sind etwa 80 Biomasse- (Heiz)-Kraftwerke mit einer installierten elektrischen Leistung von über 300 MW in Betrieb; ihre Stromerzeu- gung wird auf etwa 1,25 Terawattstunden (TWh) p. a. ab- geschätzt. Bis zum Jahr 2004 wird etwa mit einer Ver- dopplung gerechnet. Zu Frage 45: Eine Studie der Ecofys GmbH ist der Bundesregierung nicht bekannt. Was den Import und Export von Altholz zur energetischen Verwertung betrifft, so überwiegt derzeit der Export. Ein beträchtlicher Teil des hiesigen Altholz- angebots wird derzeit noch deponiert oder exportiert. Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Realisierung von neuen Biomasse-Heizkraftwerken ein Zustand erreicht wird, in dem etwa die Größenordnung des hiesigen Alt- holzaufkommens in hiesigen Anlagen energetisch genutzt wird. Import und Export dürften sich dabei künftig etwa die Waage halten. Der Handel mit Altholz über die Gren- zen hinweg dürfte sich aus wirtschaftlichen Gründen im grenznahen Bereich einspielen. Die aktuellen Ergebnisse des Monitoring BiomasseV macht deutlich, dass gerade in den Bundesländern Nieder- sachsen und Nortrhein-Westfalen in der Nachbarschaft der Niederlanden die gegenwärtige Nutzung des technischen Altholzpotenzials im Vergleich mit anderen Bundesländern gering ist. Auch die Planungen für neue Altholzkraft- werke sind gemessen am technischen Altholzpotenzial nicht so hoch wie in einigen anderen Bundesländern (Hes- sen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und andere). Berücksichtigt man, dass voraussichtlich ei- nige Planungen auf der Strecke bleiben, so dürfte die An- zahl der Biomasse-Heizkraftwerke in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eher gering ausfallen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass in Zukunft im großen Umfang Altholz aus den Niederlanden nach Niedersachsen und NRW importiert wird. Importe in weiter entfernte Bun- desländer sind aus Kostengründen noch unwahrschein- licher. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Februar 20032126 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502700000

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-

binettssitzung mitgeteilt: Eckwerte für ein Gesetz zur
Förderung der Steuerehrlichkeit.

Das Wort für einen einleitenden Kurzbericht hat die
Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium
der Finanzen, Frau Dr. Hendricks.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502700100


Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit wollen
wir die Zinsbesteuerung ab 2004 neu regeln. Zinsen sollen
dann pauschal mit 25 Prozent besteuert werden. Bürger mit
geringerem persönlichen Steuersatz erhalten die Möglich-
keit, im Rahmen ihrer Veranlagung auch die Zinsen diesem
geringeren Steuersatz zu unterwerfen und gegebenenfalls
den Sparerfreibetrag berücksichtigen zu lassen. Die natio-
nale Neuregelung der Zinsbesteuerung wird im europä-
ischen Rahmen durch die EU-Zinsrichtlinie flankiert.

Mit diesen Maßnahmen wird die Kapitalanlage in
Deutschland wesentlich attraktiver als bisher. Dazu trägt
nicht nur der geringe Steuersatz bei, sondern auch das
großzügige Angebot, das Bürgern unterbreitet wird, die in
der Vergangenheit ihre steuerlichen Pflichten nicht immer
erfüllt haben. Ihnen soll befristet die Möglichkeit geboten
werden, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Die vor-
gesehene Regelung wird deutlich attraktiver sein als die
Straf- und Abgabenbefreiung im Rahmen der Steuer-
reform 1990, weil diesmal nicht nur das angesparte Kapi-
tal und die dadurch erzielten Zinsen begünstigt werden
sollen, sondern auch die Quellen dieses Kapitals, also das
so genannte Schwarzgeld. Die vorgesehene Brücke zur
Steuerehrlichkeit dürfte daher zu mehr Erfolg führen als
die Regelung von 1990, die immerhin zu nacherklärten Ka-
pitaleinkünften von rund 2,4 Milliarden DM geführt hat.

Wer in der Vergangenheit Steuern verkürzt hat, soll
durch Abgabe einer Erklärung und gleichzeitige Entrich-
tung einer pauschalen, als Einkommensteuer zu behan-
delnden Abgabe Strafbefreiung bzw. Befreiung von Geld-
bußen erlangen können. In der strafbefreienden Erklärung
ist das Vermögen anzugeben, das bei der Besteuerung bis-
her zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde. Die Erklärung
soll als Steueranmeldung ausgestaltet werden und damit
ohne weiteres Zutun der Finanzbehörden als Steuerfest-
setzung wirken. Der Staat verzichtet auf Nachweise des
Bürgers und auf Ermittlungen der Finanzbehörden.

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei später ent-
deckten Steuerverkürzungen allein der Bürger wissen
kann, ob er in seiner Erklärung diese Verkürzungen ange-
geben hat. Daher trifft ihn als Preis für den Verzicht auf
Nachweise und Prüfungen bei Abgabe der strafbefreien-
den Erklärung die Beweislast. Ich weise jedoch ausdrück-
lich darauf hin, dass diese Vorgehensweise allgemeinen
Beweislastregeln entspricht und keine Beweislastumkehr
darstellt.

Mit Zahlung der pauschalen Abgabe erlöschen alle An-
sprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, soweit sich die
strafbefreiende Erklärung auf diese Ansprüche bezieht.
Der Bürger hat es damit in der Hand, durch umfassende
Erklärung vollständig steuerehrlich und damit straffrei zu
werden.

Die Eckwerte gehen davon aus, dass der Bürger wirk-
lich steuerehrlich werden will und in Zukunft bleiben
möchte. Das ist auch die rechtliche Grundlage, auf der
verfassungsrechtlich eine Besserstellung Steuerunehr-
licher für die Vergangenheit basiert. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat in seinen Entscheidungen zur Amnestie
im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990 betont, dass
eine derartige Besserstellung steuerunehrlicher Bürger
gegenüber steuerehrlichen Bürgern nur gerechtfertigt ist,
wenn sie geeignet ist, die Steuerehrlichkeit in der Zukunft
zu gewährleisten.

Hinzu kommt, dass eine steuerliche Besserstellung für
die Vergangenheit, die auch nur eine geringfügige Nach-
versteuerung vorsieht, wirtschaftlich immer schlechter ist
als weitere erfolgreiche Steuerhinterziehung. Um eine
Brücke zur Steuerehrlichkeit überhaupt attraktiv zu ma-
chen, ist es deshalb erforderlich, die Möglichkeit weiterer




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Steuerhinterziehungen in der Zukunft möglichst zu ver-
bauen. Zugleich effiziente und möglichst bürokratiearme
Kontrollmöglichkeiten sind daher unabdingbar. Im weite-
ren Gesetzgebungsverfahren wird der Steueranspruch des
Staates mit dem Recht des Bürgers auf informationelle
Selbstbestimmung in Einklang zu bringen sein.

Die gesamte Maßnahme wird den Ehrlichen allerdings
nur dadurch vermittelbar, wenn sie dazu dient, Bürger in
die Steuerehrlichkeit zurückzuführen. Die Gewährleis-
tung der Steuerehrlichkeit aller Bürger ist ein Gebot der
Steuergerechtigkeit. Dies ist ein Begriff, den man in die-
ser Debatte bisher nur selten gehört hat, den man aber
nicht vergessen sollte.

Es ist ein Erfahrungswert, dass die Neigung zur Steuer-
ehrlichkeit wächst, je gerechter die Besteuerung empfun-
den wird. Dieser Satz gilt allerdings auch umgekehrt und
findet Ausdruck in dem Schlagwort: Die Ehrlichen sind
wieder die Dummen. Es sollte nicht Ziel der Steuerpolitik
sein, dieses Schlagwort zu bestätigen.

Diejenigen, die meinen, bei einer so genannten Abgel-
tungsteuer sei mit dem Einbehalt der Steuern auf die Zin-
sen alles erledigt, täuschen sich. Nehmen wir den Begriff
Abgeltungsteuer so, wie er sowohl von der Bundesregie-
rung als auch von der Opposition tatsächlich verstanden
wird, dann handelt es sich bei der künftig vorgesehenen
Zinsbesteuerung gerade nicht um eine reine Abgeltung-
steuer. Unstreitig sehen die Bundesregierung und die Op-
position nämlich vor, den Bürgern bei der Einkommen-
steuerveranlagung das Recht einzuräumen, die Zinsen mit
ihrem niedrigeren persönlichen Steuersatz zu berücksich-
tigen. In diesen Fällen haben die Bürger in ihrer Steuer-
erklärung, die von Verfassungs wegen auf Richtigkeit und
Vollständigkeit überprüfbar sein muss, sämtliche Zinsen
anzugeben.

Darüber hinaus müssen wir die europäischen und in-
ternationalen Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche
und anderer organisierter Kriminalität beachten. Schmutzi-
ges Geld darf auch in Zukunft nicht reingewaschen werden.

Herzlichen Dank.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502700200

Vielen Dank für den Bericht.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu

stellen, zu dem der Bericht erstattet worden ist. Die erste
Wortmeldung stammt vom Kollegen Meister.


Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1502700300

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, ich möchte

zunächst zu Ihrem Vortrag nachfragen: Habe ich es rich-
tig verstanden, dass die Bundesregierung beabsichtigt, im
Rahmen der Zinsabgeltungsteuer die Sparerfreibeträge
– es geht um die Freistellungsaufträge – abzuschaffen?
Wenn dem so ist, frage ich Sie: Was bedeutet das für die
Sparerfreibeträge jener, die die Zinsabgeltungsteuer in
Höhe der geplanten 25 Prozent in Anspruch nehmen?
Habe ich es richtig verstanden, dass der Sparerfreibetrag
für die Menschen, die die Zinsabgeltungsteuer in An-
spruch nehmen, entfällt?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502700400


Herr Kollege Meister, das würde sich logisch betrach-
tet sicherlich ergeben. Darauf will ich hier allerdings noch
nicht näher eingehen, weil dies dem Gesetzgebungsver-
fahren vorbehalten bleibt. Das Kabinett hat sich damit
heute nicht befasst.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502700500

Herr Dr. Solms.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1502700600

Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass die FDP diesen

Vorschlag mit einer gewissen Sympathie verfolgt. Wir ha-
ben dies bereits vor zwei Jahren öffentlich gefordert. Das
steht in Zusammenhang damit, dass das Vertrauen der
Sparer und möglichen Anleger in den Kapitalmarkt
Deutschland insgesamt wieder hergestellt werden muss.

Deswegen frage ich Sie, warum Sie diesen vernünftigen
Vorschlag mit der flächendeckenden Einführung von Kon-
trollmitteilungen und der Aufhebung des Bankgeheimnis-
ses – all dies ist gar nicht notwendig, wenn die Steuer an
der Quelle erhoben wird – verbinden. Warum verbinden
Sie das nicht mit einer Entscheidung für die endgültige Ab-
schaffung der Vermögensteuer und die Nichterhöhung der
Erbschaftsteuer, um die leidige Diskussion zu beenden?
Dann hätten Sie sehr viel mehr Erfolg zu erwarten.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502700700


HerrKollegeSolms, zumerstenTeil IhrerFrage: Ichhatte
eben ausgeführt, dass es darum geht, sowohl effiziente als
auchbürokratiearmeKontrollmöglichkeitenvorzusehen,die
den Steueranspruch des Staates mit dem Recht des Bürgers
auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang bringen.

Zur Abschaffung der Vermögensteuer: Es gibt zurzeit
einen Antrag auf Ebene des Bundesrates. Dieser beinhal-
tet den Vorschlag, man möge den Ländern das Hoheits-
recht für die Vermögensteuer geben. Wie Sie wissen, hat
sich die Bundesregierung dem nicht zuneigen können;
dies wurde im Plenum bereits behandelt. Ob in der nächs-
ten Zeit weitere Initiativen zur grundsätzlichen Abschaf-
fung der Vermögensteuer, die ja nicht mehr erhoben wird,
erfolgen, vermag ich nicht zu beurteilen.

Was die Erbschaftsteuer anbelangt, so wissen Sie so
gut wie ich, dass beim Bundesverfassungsgericht ein Vor-
lagebeschluss liegt. Infolgedessen kann der Gesetzgeber,
wohl wissend dass ein Bundesverfassungsgerichtsurteil
zu erwarten ist, keine endgültige Aussage treffen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502700800

Herr Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1502700900

Frau Staatssekretärin, als wir vor zwei Jahren diesen

Vorschlag gemacht haben, ist er von der Koalition noch


(A)



(B)



(C)



(D)


2070


(A)



(B)



(C)



(D)






kritisiert worden. Ich habe den Eindruck, Sie haben sich
gezwungen gesehen, diesen Gesetzentwurf vorzuberei-
ten, weil Sie die Einnahmen benötigen.

Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass
das Finanzministerium am Dienstagmorgen bekannt
gegeben hat, man gehe von zusätzlichen Einnahmen von
etwa 1 Milliarde Euro aus. Am Dienstagabend wurde
über eine Agenturmeldung eine Schätzung von 2 Milliar-
den Euro genannt. Mittwochmorgen wurde vom Finanz-
ministerium eine Schätzung von 5 Milliarden Euro ver-
öffentlicht. Jetzt wollen Sie zum Ausgleich des Haushalts
2 Milliarden Euro an Einnahmen in den Bundeshaushalt
einstellen. Darf ich Sie einmal fragen, von welchen
Schätzungen Sie ausgehen, und was berechtigt Sie zu
der Hoffnung, dass es diese Einnahmen – gehen wir
einmal von 2 Milliarden Euro aus – tatsächlich geben
wird, wenn Sie dieses Amnestiegesetz verabschieden
werden?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502701000


Die Deutsche Bundesbank geht nach vorsichtigen
Schätzungen davon aus, dass im Ausland Kapital von
deutschen Steuerpflichtigen in der Größenordnung von
150 Milliarden Euro lagert. Darüber hinaus gibt es natür-
lich Schwarzgeld in der Bundesrepublik Deutschland, das
nacherklärt werden soll. Unsere Schätzungen beziehen
sich nicht nur auf ausländisches Kapital.

Deswegen sind wir in einer vorsichtigen Schätzung da-
von ausgegangen, dass sich die Einnahmen aus nacherklär-
tem Kapital zum Ende dieses Jahres in einer Größenord-
nung von 20 Milliarden Euro bewegen werden. 25 Prozent
davon sind 5 Milliarden Euro. Dieses Geld verteilt sich
selbstverständlich auf die drei Ebenen des Staates: präter-
propter 2 Milliarden Euro für den Bund, 2 Milliarden
Euro für die Länder und eine knappe Milliarde Euro für
die Kommunen. Auf der Basis dieser Schätzung, ange-
lehnt an die Schätzungen der Deutschen Bundesbank,
können wir unter Einhaltung des Prinzips der Vorsicht bei
der Aufstellung des Haushaltes mit Einnahmen von 2 Mil-
liarden Euro rechnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502701100

Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich bei dem Auf-

ruf der Fragesteller nach der Reihenfolge der Wortmel-
dungen vorgehe; denn es gibt relativ viele Wortmeldun-
gen.

Als Nächster erhält der Kollege Michelbach das Wort.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1502701200

Frau Staatssekretärin, wie wollen Sie Ihre umfassende

Schwarzgeldamnestie mit einem wesentlichen Kapital-
rückfluss durchsetzen, wenn Sie gleichzeitig, wie heute
im Finanzausschuss vorgetragen, 40 Steuererhöhungen
mit einem Belastungsumfang von 42 Milliarden Euro be-
schließen? Ist damit ein Rückfluss von 20 Milliarden
Euro, wie Sie ihn annehmen, überhaupt möglich und wie
kommen Sie auf diesen Betrag?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502701300


Wie ich auf diesen Betrag komme, habe ich gerade
dem Herrn Kollegen Koppelin erläutert. Ich glaube, ich
kann mir mit Ihrem Einverständnis die Wiederholung er-
sparen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht nachlesen!)


Ich weise aber die in Ihrer Frage enthaltene Unterstel-
lung zurück, wir würden 40 Steuererhöhungen vorneh-
men. Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, eine un-
technische Formulierung.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Die aber leider stimmt! Sie ist vielleicht untechnisch, aber sie stimmt!)


Sie als Mitglied des Finanzausschusses müssten eigent-
lich eine bessere Formulierung finden.

Nehmen wir uns einmal einige der Maßnahmen vor,
die Sie als Steuererhöhung bezeichnen, zum Beispiel die
im Bereich der Einführung des Regelsteuersatzes auf
landwirtschaftliche Vorprodukte. Unter den 40 Punkten,
die Sie als Steuererhöhungen anführen, sind das, wie ich
glaube, zwölf Maßnahmen. Ich gehe nicht davon aus, dass
zum Beispiel die Landwirte oder aber die Endverbraucher
von landwirtschaftlichen Produkten, in die landwirt-
schaftliche Vorprodukte eingegangen sind, in nennens-
wertem Umfang zu denjenigen gehören, die bisher
Schwarzgeld gebunkert haben. In diesem Bereich ist also
kein Zusammenhang festzustellen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502701400

Herr Pinkwart.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1502701500

Frau Staatssekretärin, ich möchte gerne im Nachgang

zu den Beratungen im Finanzausschuss von heute Morgen
im Hinblick auf Ihre Ausführungen zum Thema Kontroll-
mitteilungen nachfragen, welche Ausgestaltung sich die
Bundesregierung einfallen lassen wird, nachdem heute
Morgen Anträge der FDP- wie auch der CDU/CSU-Frak-
tion, die den Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftrag-
ten Rechnung tragen, abgelehnt worden sind. In diesem
Zusammenhang wäre es gerade im Kontext der von Ihnen
vorgesehenen Brücke zur Steuerehrlichkeit und Erhöhung
der Steuerakzeptanz sehr interessant, zu erfahren, in wel-
cher Form die Bundesregierung meint, die Kontrollmit-
teilungen ersetzen zu können, bzw. inwiefern sie sie für
verzichtbar hält, um die von Ihnen erwähnte, letztlich
auch fiskalische Wirkung erzielen zu können.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502701600


Herr Kollege Pinkwart, die weitere Ausgestaltung
bleibt dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Wie ich
bereits ausgeführt habe, hat das Kabinett – ich habe ja aus
der heutigen Kabinettssitzung zu berichten –, heute nicht
darüber entschieden. Ich darf aber noch einmal darauf

Jürgen Koppelin




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
hinweisen, dass im Zuge der Erarbeitung des Gesetzent-
wurfs selbstverständlich ein Abwägungsprozess zwischen
dem Steueranspruch des Staates und dem Recht der Bür-
ger auf informationelle Selbstbestimmung stattfinden
wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502701700

Herr Kollege Dautzenberg.


Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1502701800

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, Sie führten aus,

dass die vorgeschlagenen Eckpunkte in Form der Zinsbe-
steuerung eine relative Abgeltungsteuer darstellen, weil
Sie dem einzelnen Steuerpflichtigen auch die Möglichkeit
eröffnen, dass die Besteuerung nach seinem individuellen
Steuersatz erfolgt. Macht es aber Sinn, wenn Sie, wie be-
tont wurde, Bürokratieabbau anstreben und gleichzeitig
für die Erhebung der Abgeltungsteuer auf Kapitalein-
künfte direkt an der Quelle – dann ist die lückenlose Er-
fassung bereits gegeben – nach wie vor auf Kontrollmit-
teilungen bestehen? Dies ist doch nur dann sinnvoll, wenn
Sie die Kontrollmitteilungen noch für andere Elemente
nutzen, die im Grunde wenig mit steuerlichen Überlegun-
gen zu tun haben.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502701900


Herr Kollege Dautzenberg, ich habe eben schon mehr-
mals auf den Abwägungsprozess zwischen dem Recht des
Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung und dem
Steueranspruch des Staates hingewiesen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Bürokratieabbau!)


Ich darf betonen, dass ich das Wort „Kontrollmitteilun-
gen“ bis jetzt als Antwort auf Ihre Frage heute noch nicht
in den Mund genommen habe. Ich denke, dass es nicht
zielführend ist, wenn Sie versuchen, mich hier heute fest-
zunageln. Dies wird dem weiteren Gesetzgebungsverfah-
ren, also zunächst der Formulierung des Gesetzentwurfs
der Bundesregierung, vorbehalten sein.

Ich darf aber auf Folgendes hinweisen. Sie haben ein-
gangs zu Recht festgestellt: Wenn dem Bürger weiter er-
möglicht werden soll, im Einzelfall auch weniger als
25 Prozent Steuern auf die Kaptitaleinkünfte zu zahlen,
weil sein persönlicher Steuersatz niedriger ist, dann kann
es keine vollständige Abgeltungsteuer geben. Im Zusam-
menhang mit Österreich wird immer wieder angeführt,
dass alle 25 Prozent zahlen und es niemals einen Sparer-
freibetrag gab. Das ist eine sehr einfache Regelung.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist relativ!)


Es gibt aber immer einen Widerstreit zwischen Einfach-
heit und Gerechtigkeit. Wenn im Zuge der Einführung ei-
ner vollständigen Abgeltungsteuer eine Entlastung derje-
nigen, die bisher einen höheren Steuersatz zahlen,
erfolgen würde, während zukünftig diejenigen, die bisher
einem niedrigeren Steuersatz unterworfen sind, belastet
würden, würden wohl weder Sie als Volkspartei noch wir

das akzeptieren. Es ist sicherlich in unserem gemeinsamen
Interesse, so zu verfahren wie vorgesehen. Deswegen kann
keine vollständige Abgeltungsteuer eingeführt werden.

Aus diesem Grunde sind für die Zukunft Verifikations-
möglichkeiten notwendig. Wie diese ausgestaltet werden,
bleibt dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Aber
wir sind von Verfassungs wegen dazu veranlasst, die Ve-
rifikation bzw. Nachprüfbarkeit des Besteuerungsan-
spruchs des Staates vorzusehen, auch wegen der mögli-
chen Option, weiterhin unter die bestehende niedrige
Besteuerung zu fallen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502702000

Herr Kollege Seiffert.


Heinz Seiffert (CDU):
Rede ID: ID1502702100

Frau Staatssekretärin, insbesondere die 20 Milliarden

Euro, die Sie an Kapitalrückflüssen erwarten, sind auch in
der Öffentlichkeit relativ stark umstritten. Meinen Sie
nicht, dass dieser Betrag eher durch die Einführung eines
anonymisierenden Verfahrens, das auch stärker vertrau-
ensbildend wirken würde, zu erreichen wäre? Das würde
bedeuten, dass diese Gelder ohne Kontrollmitteilungen
und ohne Einzelnachweis anonym zurückgebracht wer-
den könnten. Es ist schließlich zu befürchten, dass die de-
klarierten Gelder als Bemessungsgrundlage für alle mög-
lichen Zwecke herangezogen werden.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502702200


Eine strafbefreiende Erklärung ist schon deswegen
notwendig, weil wir natürlich auch die internationalen
Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und der or-
ganisierten Kriminalität einhalten müssen. Mit einer sol-
chen Erklärung – das hatte ich Ihnen schon zu Beginn
meiner Ausführungen gesagt – gibt es keine weiteren
Nachforschungstatbestände für die Finanzbehörden mehr.
Außerdem könnte es sein, dass man irgendwann später
von der Finanzbehörde gefragt wird, woher man das Geld
habe. Dann muss man doch in der Lage sein, zu sagen:
Das habe ich damals erklärt. Sonst ist man doch hinterher
der Dumme. Wie soll man denn Vertrauen entwickeln,
wenn man in Zukunft nicht nachweisen kann, wie das
Geld in den Besitz gekommen ist? Gerade im Interesse
desjenigen, der sich steuerehrlich macht, ist es notwendig,
dass er im Zweifelsfall sagen kann: Das war doch Gegen-
stand meiner Erklärung von Dezember 2003. Diese Si-
cherheit braucht er doch auf jeden Fall. Eine reine ano-
nyme Nacherklärung ist schon aus diesem Grund nicht
möglich. Das sollten wir einvernehmlich so sehen, weil
sonst der Bürger in Unsicherheit bleibt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502702300

Frau Dr. Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502702400

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin Hendricks, das,

was als Rückkehr in die Steuerehrlichkeit bezeichnet


(A)



(B)



(C)



(D)


2072


(A)



(B)



(C)



(D)






wird, ist ja eigentlich – das Wort ist schon gefallen – ein
Amnestiegesetz. Gibt es denn in der Geschichte der Bun-
desrepublik bzw. in den anderen europäischen Ländern
Erfahrungen mit solchen Amnestiegesetzen und, wenn ja,
welche Effekte hatten solche Gesetze?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502702500


In der Geschichte der Bundesrepublik – darauf hatte
ich schon eben hingewiesen – gab es ein ähnliches Gesetz
im Jahr 1990. Das bezog sich allerdings ausschließlich auf
die hinterzogenen Kapitalzinsen, also auf solche Zinsen,
die nicht der Besteuerung unterlegen haben. Unser Vor-
schlag ist weiter gehend; denn er bezieht sich auch auf das
„Schwarzgeld“. Dass ein 25-prozentiger Steuersatz für
das nacherklärte Kapital fällig wird, ist ein außerordent-
lich günstiges Angebot. Es gibt selbstverständlich auch in
anderen europäischen Ländern Erfahrungen mit solchen
Amnestiegesetzen. Italien, Spanien, aber auch andere
Länder haben in jüngerer Vergangenheit ihren Steuerbür-
gern solche Angebote gemacht. Sie sind natürlich – das
gilt auch für die Steuersätze – immer unterschiedlich aus-
gestaltet gewesen. Aber im Prinzip sind solche Angebote
immer von Erfolg gekrönt gewesen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502702600

Herr Kollege Spiller.


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1502702700

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf den

Prozess der Abwägung zwischen Datenschutzbelangen
und dem Anspruch, das Steuerrecht in der Praxis durch-
zusetzen, zurückkommen. Können Sie bestätigen, dass
das hier angesprochene Problem nicht erst bei den ge-
planten Kontrollmitteilungen über Kapitaleinkünfte auf-
taucht, sondern dass es beispielsweise bereits seit langem
auch bei Grundstücksveräußerungen und Grundstücks-
käufen Mitteilungen an das örtliche Finanzamt gibt? Kön-
nen Sie auch bestätigen, dass es bereits heute Mitteilun-
gen an das örtliche Finanzamt gibt, in denen wesentlich
mehr Daten offenbart werden, als es bei den geplanten
Kontrollmitteilungen vorgesehen ist? Ich möchte das
näher erläutern: Es gibt Schriftstücke an das Finanzamt,
in denen nicht nur die Höhe des Einkommens, sondern
auch die familiären Verhältnisse, die Anzahl der Kinder
und die Religionszugehörigkeit verzeichnet sind. Die
Schutzbedürftigkeit dieser Angaben, die unter das Per-
sönlichkeitsrecht fallen, bewerte ich sehr hoch. Diese
Schriftstücke nennen sich Lohnsteuerkarten.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502702800


Herr Kollege Spiller, ich kann Ihnen das bestätigen. Es
ist in der Tat so, dass in der Öffentlichkeit gerade bei Ka-
pitalerträgen normalerweise ein anderer Maßstab ange-
legt wird, wenn es um das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung geht, als beim übrigen Besteuerungs-
verfahren; das ist einfach so. Manchmal hat man in der Tat
den Eindruck, dass es viele Verbände gibt, die Steuerhin-
terzieher schützen wollen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502702900

Herr Kollege Dr. Meister.


Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1502703000

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, wenn man das,

was Sie vorgetragen und geantwortet haben, mit dem ver-
gleicht, was in der Pressekonferenz des Bundeskanzlers
und des Bundesfinanzministers geäußert worden ist, dann
stellt man fest, dass die Darstellungen an zwei Stellen weit
auseinander liegen. Meine Frage ist: Wie hoch schätzen
Sie den Verlust an Vertrauen in den Kapitalmarkt ein, der
durch die Diskrepanz zwischen dem, was heute im Bun-
deskabinett verabschiedet worden ist, und dem, was Bun-
deskanzler und Bundesfinanzminister in einer gemein-
samen Pressekonferenz vorgestellt haben, entsteht? In der
gemeinsamen Pressekonferenz wurde mitgeteilt, dass
auch nach Einführung einer relativen Zinsabgeltungsteuer
alle Steuerpflichtigen ihre Freibeträge und auch ihren per-
sönlichen Steuersatz in Anspruch nehmen können. Das,
was dort mitgeteilt wurde, scheint nicht mehr zu gelten.
Das heißt, man sorgt für eine massive Verunsicherung im
Kapitalmarkt und bei den Anlegern.

Was die Kontrollmitteilungen und das von Ihnen hier
vorgestellte Wahlverfahren angeht: Damit geht ein massi-
ver Bürokratiezuwachs in Deutschland einher. Wie brin-
gen Sie das mit dem Ziel dieser Regierung, Bürokratie ab-
zubauen, in Einklang?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502703100


Herr Kollege Meister, es gibt keinen Unterschied zu
dem, was der Bundeskanzler und Bundesfinanzminister
Eichel in ihrer Pressekonferenz im Dezember des vergan-
genen Jahres gesagt haben, nämlich dass der Sparerfrei-
betrag erhalten bleibt. Das ist auch so. Ich sage noch ein-
mal: Es wird dem weiteren Gesetzgebungsverfahren
vorbehalten bleiben, die Ausgestaltung im Einzelnen vor-
zunehmen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was wir vor-
haben, zu einer Verunsicherung des Kapitalmarktes führt.
Wir ergreifen diese Maßnahme insbesondere aus folgenden
Gründen – Kollege Solms und vor allem die Banken-
verbände haben uns seit Jahren, zu Recht, darauf hin-
gewiesen –: Es gibt, insbesondere im Ausland, in nen-
nenswertem Umfang Schwarzgeld, welches von Unter-
nehmern nicht als Eigenkapital vorgezeigt werden kann.
Angesichts der schwieriger werdenden Bedingungen der
Kapitalmarktfinanzierung möchten Betriebsinhaber ihr
irgendwann ins Ausland gebrachtes Schwarzgeld gern
nach Deutschland zurückbringen, um ihre Eigenkapital-
quote zu stärken. Außerdem gibt es vermehrt Menschen,
die Schwarzgeld erben.

Wenn man Schwarzgeld erbt, das in der Schweiz liegt,
dann kann man damit zwar vielleicht wunderschöne Ur-
laube in Sankt Moritz finanzieren; aber man kann es
schlecht in seinen heimischen Finanzkreislauf einbezie-
hen. Drei Wochen Urlaub in Luxemburg – ich möchte
dem luxemburgischen Regierungschef Juncker nicht zu
nahe treten – macht eigentlich niemand. Was soll man
also mit dem geerbten Schwarzgeld machen? Vor diesem

Dr. Gesine Lötzsch




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Hintergrund verfolgt unsere Politik das Ziel, die Eigenka-
pitalquote derjenigen, die in früherer Zeit auf nicht steuer-
ehrliche Weise Schwarzgeld erworben oder ohne ihr Zu-
tun Schwarzgeld geerbt haben, zu erhöhen.

Ich glaube, dass der Kapitalmarkt damit deutlich stabi-
lisiert wird, weil Deutschland ab dem nächsten Jahr in
Verbindung mit der dann erhobenen Kapitalertragsteuer
in Höhe von 25 Prozent auch im internationalen Vergleich
äußerst moderat besteuert, sodass auch aus diesem Grund
kein Interesse mehr daran bestehen kann, sein Geld im
Ausland anzulegen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502703200

Mir liegen noch Wortmeldungen der Kollegen Schindler,

Pinkwart, Kolbe und Michelbach vor. Danach möchte ich
diesen Komplex gerne abschließen, damit hoffentlich
noch ein wenig Zeit für andere Fragen zur heutigen Kabi-
nettssitzung verbleibt.

Herr Kollege Schindler.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502703300

Frau Staatssekretärin, dieser Ansatz ist allgemein zu

begrüßen. Aber was wollen Sie gegen das Misstrauen, das
auch in Ihren Formulierungen zum Ausdruck kommt, tun?
Sie benutzen die Begriffe „informelle Gleichstellung“
und „Verifikation“. In diese Begriffe kann man viel hinein-
interpretieren. Welche vertrauensbildenden Maßnahmen
wollen Sie – ich erinnere an den Vorschlag der Banken-
verbände – ergreifen? Ich rate Ihnen, Unternehmern nicht
noch einmal zu unterstellen, sie hätten ihr Geld im Aus-
land deponiert, nur weil das einige Banker vielleicht an-
nehmen. So weit sollten Sippenhaft und Verdächtigungen
nicht reichen; sonst erweckt man den Eindruck, alle Un-
ternehmer in diesem Staat würden so handeln.

Wie wollen Sie das Vertrauen, dass totale Anonymität
besteht, herstellen, wenn Sie gleichzeitig Kontrollmittei-
lungen wollen? Wenn das, was Sie vorhaben, kommt,
dann wird es keinen Kapitalrückfluss geben. Ohne das
nötige Vertrauen werden diejenigen, die gewillt sind, ihr
Kapital in zwei oder drei Jahren nach Deutschland
zurückzuholen, das nicht tun. Anders gesagt: Aufgrund
der Kontrollmitteilungen werden diese Personen fürch-
ten, dass man sie rechtlich noch belangen kann.

Wie hoch wird der staatliche Aufwand für die Kontroll-
mitteilungen sein? Ihr Ansatz als solcher ist doch voll-
kommen irrelevant, weil er nicht die nötige Wirkung er-
zielt. Man traut Ihnen doch nicht.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502703400


Herr Kollege Schindler, zu Beginn Ihrer Frage haben
Sie zwei Begriffe genannt, die – wie Sie es ausdrücken –
zum mangelnden Vertrauen beitragen bzw. sogar Miss-
trauen schüren. Ich will diese beiden Begriffe aufgreifen.

Zunächst komme ich auf den Begriff der „informatio-
nellen Selbstbestimmung“ zu sprechen. Dieser Begriff
stammt aus dem Datenschutzrecht – dazu gibt es auch ein

Urteil des Bundesverfassungsgerichts; das wurde im Zu-
sammenhang mit der Volkszählung erstritten –, der im
Wesentlichen beinhaltet, dass der Bürger das Recht an sei-
nen eigenen Daten hat und sie auch gegenüber Verwal-
tungsbehörden nicht vollständig öffnen muss. Es werden
also Grenzen gezogen. Wie aus diesem Sachverhalt man-
gelndes Vertrauen erwachsen soll, verstehe ich nicht.
Möglicherweise haben Sie meine Aussagen nicht richtig
verstanden.


(Zuruf des Abg. Norbert Schindler [CDU/CSU])


– Ja. Der Begriff des „informationellen Selbstbestim-
mungsrechts“ wurde vom Datenschutzbeauftragten in die
Debatte eingebracht, um das einmal deutlich zu sagen.
Dieses Grundrecht der Bürger haben wir selbstverständ-
lich mit den Ansprüchen des Staates abzuwägen.

Den Begriff „Verifikation“ haben nicht wir, sondern
das Bundesverfassungsgericht gebraucht. Verifikation
heißt im Übrigen nichts anderes als Nachprüfbarkeit.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das haben Sie anders interpretiert! Veränderung!)


– Nein. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts besagt
Folgendes: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, dafür zu sor-
gen, dass die Gesetze, die er erlässt, auch in gleicher
Weise für alle Steuerbürger angewandt werden. Wenn der
Gesetzgeber nicht zugleich die Handhabe für eine gleiche
Anwendung für alle Bürger schafft, dann ist das Gesetz
verfassungswidrig.

Gerade deswegen gibt es einen Vorlagebeschluss, der
von Professor Tipke initiiert worden ist. Er hält das jetzige
Kapitalertragsbesteuerungssystem unter dem Gesichts-
punkt der Verifikation für verfassungswidrig, weil die
Nachprüfung eben nicht ausreichend ist. Das ist uns also
von Verfassungs wegen aufgegeben.

Ich bitte Sie als Mitglied dieses Hohen Hauses sehr
herzlich, die Prinzipien unserer Verfassung – das tun Sie
gewiss – zusammen mit uns zu beachten und nicht anzu-
nehmen, dass man daraus eine Verunsicherung der Bürger
ableiten könnte.

Ich füge hinzu: Der Bürger, der sein bisher nicht er-
klärtes Kapital nacherklärt, muss, wenn die Finanzver-
waltung zukünftig Fragen bezüglich der Herkunft des
Geldes stellt, nachweisen können, dass er das bereits er-
klärt hat. Beispielsweise muss er sagen können: Das habe
ich doch damals, im Dezember 2003, erklärt. Ein total
anonymisiertes Nacherklärungsverfahren würde dem
Bürger diese Möglichkeit nehmen und ihn für die Zukunft
in einer Position der Unsicherheit belassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502703500

Herr Kollege Pinkwart.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1502703600

Frau Staatssekretärin, inwieweit kann der von Ihnen

vorgesehene pauschalierte Nachversteuerungssatz, den
Sie in zwei Stufen einführen wollen, vor dem Hintergrund
der Erfahrungen, die mit derartigen Maßnahmen im Aus-


(A)



(B)



(C)



(D)


2074


(A)



(B)



(C)



(D)






land bereits gesammelt werden konnten, tatsächlich zu
dem von Ihnen angestrebten Erfolg führen, den Steuer-
widerstand zu überwinden und damit zu mehr Steuerehr-
lichkeit und zu erhöhten Staatseinnahmen zu kommen?
Meine Frage bezieht sich auf die Höhe des pauschalierten
Nachversteuerungssatzes wie auf die Fristigkeit. Wir ha-
ben es nicht nur mit Geldvermögen zu tun, sondern auch
mit Sachvermögen. Dabei stellt sich die Frage der Liqui-
dierung dieser Werte, damit die Steuerschuld überhaupt
entrichtet werden kann.

Mir erscheinen die in Ihrem Eckpunktepapier genann-
ten Zahlen – bis Jahresende 25 Prozent, bis Sommer des
nächsten Jahres 35 Prozent – sowohl hinsichtlich des Zeit-
raums als auch hinsichtlich der Höhe des Nachversteu-
erungssatzes zu eng bemessen zu sein.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502703700


Was die Höhe des Nachversteuerungssatzes anbetrifft,
möchte ich auf Folgendes hinweisen: Es geht nicht nur um
die Frage „Sind Kapitalerträge der Steuer nicht unterwor-
fen worden?“ Vielmehr gehen wir davon aus, dass es sich
um bisher überhaupt nicht versteuertes Kapital handelt,
dass also schon die Quelle schwarz ist. Wenn der Bürger
nachweisen kann, dass das nicht so ist und er – in An-
führungszeichen – lediglich die Kapitalertragszinsen der
Steuer bisher nicht unterworfen hat, so kann er dies natür-
lich nachträglich anmelden. Er wird dann entsprechend be-
steuert. Dann wird selbstverständlich nicht davon ausge-
gangen, dass bereits die Quelle des Geldes schwarz war.

Wenn Sie im Übrigen bedenken, dass es sich um bisher
unversteuertes Geld gehandelt hat und möglicherweise
auch Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen wurden,
müssen Sie davon ausgehen, dass normalerweise Steuer-
und Sozialabgaben in einer Größenordnung von 65 und
70 Prozent fällig gewesen wären. Vor diesem Hintergrund
ist eine Nachbesteuerung in Höhe von 25 bzw. 35 Prozent
ein generöses Angebot.

Was die kurze Frist anbelangt, so ist es dem Gesetzge-
ber aufgegeben, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen:
Du hast eine Chance, aber ergreife sie auch! – Die Frist
für solche Chancen kann man nicht beliebig verlängern
und solche Chancen kann man auch nicht beliebig ver-
mehren. Wiederkehrende Amnestien, also solche, die alle
paar Monate neu aufgelegt werden, würden bei den Bür-
gerinnen und Bürgern sicherlich noch mehr Rechtsunsi-
cherheit schaffen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502703800

Herr Kollege Kolbe.


Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1502703900

Frau Staatssekretärin, worauf bezieht sich die ange-

dachte Strafbefreiung, nur auf das Steuerdelikt, die Steuer-
hinterziehung oder Steuerverkürzung, oder auch auf das
möglicherweise davor begangene Grunddelikt?

Die Frage darf ich an einem Beispiel deutlich machen:
Nicht versteuertes Geld kann völlig legal erwirtschaftet

worden sein, kann unter Begehung von Ordnungswidrig-
keiten – Verstöße gegen Arbeitszeitbestimmungen oder im
Zusammenhang mit Aufenthaltserlaubnissen – erwirt-
schaftet worden sein, kann unter Missachtung der Sozial-
versicherungsvorschriften erwirtschaftet worden sein, kann
aber auch unter Begehung schwerster Verbrechen – ge-
werblicher Menschenhandel oder gewerblicher Drogen-
schmuggel – erwirtschaftet worden sein.

Worauf bezieht sich also die Strafbefreiung, nur auf das
Steuerdelikt, die Steuerhinterziehung oder die Steuerver-
kürzung, oder darüber hinaus auch auf das möglicher-
weise vorhergehende Grunddelikt? Wenn das Grunddelikt
erfasst wird, ist die weitere Frage: Wird zwischen den
möglichen Grunddelikten differenziert und, wenn ja, wie?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502704000


Sie bezieht sich auf das Delikt Steuerverkürzung oder
Steuerhinterziehung und auch auf die damit möglicher-
weise in Verbindung stehende Hinterziehung von Sozial-
versicherungsbeiträgen.

Ich habe eingangs schon ausgeführt, dass selbstver-
ständlich die nationalen, europäischen und internationa-
len Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und der
organisierten Kriminalität beachtet werden müssen. Wir
würden uns sonst im internationalen Rahmen nicht
pflichtgemäß verhalten. Wir haben die Geldwäschericht-
linie der Europäischen Union in nationales Recht umge-
setzt und wir müssen auch die Vereinbarungen in der
OECD zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
berücksichtigen.

Selbstverständlich gilt die Strafbefreiung nicht für sol-
che Grunddelikte. Auch aus diesem Grund ist es nicht
möglich, ein rein anonymisiertes Rückkehrverfahren zu
installieren; denn dann würden wir die organisierten Kri-
minellen aller Welt gleichsam auffordern, ihr Geld jetzt in
Deutschland reinzuwaschen. Wenn man weiß, wie müh-
sam Kriminelle ihr Geld normalerweise waschen – sie ge-
hen meinetwegen in ein Spielkasino, wobei für sie die
große Gefahr besteht, eine ganze Menge zu verlieren;
trotzdem scheint es sich für sie immer noch zu lohnen, mit
dem Gewinn, der dabei herauskommt und der dann weiß
ist, wegzugehen –, dann kann man ermessen, wie attrak-
tiv es wäre, nur 25 Prozent abgeben zu müssen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502704100

Letzte Frage, Kollege Michelbach. Auch wenn allen

Beteiligten klar ist, dass die Materie nun einmal sehr kom-
plex ist, bitte ich mit Blick auf die für die Regierungsbe-
fragung festgelegte Zeitdauer um eine möglichst knappe
Frage und eine ebenso knappe Antwort.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1502704200

Frau Staatssekretärin, werden Sie bei Ihrer Schwarz-

geldamnestie nicht von einem doch sehr einfach struktu-
rierten fiskalischen Wunschdenken geleitet? Ein Steuer-
satz von 25 Prozent bzw. 35 Prozent ist im internationalen
Vergleich doch sehr hoch. Mich würde dann noch interes-
sieren: Ist das inklusive oder exklusive Kirchensteuer und

Dr. Andreas Pinkwart




Hans Michelbach
Soli? Ferner: Warum haben Sie diesen Einnahmewunsch-
betrag gleich in den Haushalt eingestellt? Daraus ergibt
sich der Eindruck, dass Sie damit den Haushalt retten wol-
len. Ist das eigentlich die einzige Grundlage?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502704300


Es entspricht dem Grundsatz von Haushaltswahrheit
und Haushaltsklarheit, dass absehbare Einnahmen in den
Haushalt eingestellt werden. Da die Bundesregierung be-
absichtigt, dieses Gesetz bald auf den Weg zu bringen – es
soll noch in der ersten Jahreshälfte verabschiedet wer-
den –, und deswegen heute diese Eckpunkte so beschlos-
sen hat, ist das eine vollständige und zutreffende Grund-
lage für die Aufnahme dieses erwarteten Betrages in den
Haushalt. Natürlich ist es interessant, in diesem Jahr noch
mit 25 Prozent davonzukommen. Daher ist unsere Erwar-
tung sicherlich nicht zu hoch angesetzt.

Sie haben das Spezialproblem Solidaritätszuschlag
und Kirchensteuer angesprochen. Ja, dafür müssen wir im
Gesetzgebungsverfahren noch eine Lösung finden. Das
ist bei einer Abgeltungsteuer gar nicht so einfach. Dieses
Problem wird noch zu lösen sein. Das haben wir den Kir-
chen auch zugesagt. Rein gesetzestechnisch ist das aller-
dings nicht so leicht. Darüber müssen wir uns noch einige
Gedanken machen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Plus Kirchensteuer?)


– Soli und Kirchensteuer, beides; selbstverständlich.
Wir dürfen den Steueranspruch der Kirchen und natür-

lich auch den Solidaritätszuschlag nicht einfach unter den
Tisch fallen lassen. Dafür müssen wir eine Lösung finden;
das werden wir auch. Ich kann Ihnen aber die Lösung
noch nicht präsentieren, weil es, wie bereits gesagt, rein
gesetzestechnisch nicht so einfach ist. Selbstverständlich
wird aber darüber nachgedacht und der Steueranspruch
der Kirchen gewährleistet bleiben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502704400

Zu sonstigen Fragen an die Bundesregierung über den

behandelten Themenbereich hinaus gibt es eine Wortmel-
dung des Kollegen Grund.


(Peter Dreßen [SPD]: Wie lange geht das denn noch?)



Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1502704500

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage geht an

Herrn Staatssekretär Schlauch. Herr Staatssekretär, in den
letzten Tagen berichteten verschiedene Tageszeitungen in
Deutschland von der Absicht des Bundeswirtschaftsminis-
ters, innerhalb Deutschlands Sonderwirtschaftszonen,
also Gebiete minderen Rechtes, einzurichten. Darüber
wollte er das Kabinett in der letzten oder in dieser Woche
informieren. Aufgrund dieser Mitteilung, der auch nicht
widersprochen wurde, haben sich verschiedene Industrie-
und Handelskammern in Deutschland insbesondere aus
den neuen Bundesländern gemeldet, die gerne in ihrem
Bereich eine Sonderwirtschaftszone hätten.

Meine Frage lautet: War dieser Ministervorstoß Gegen-
stand der heutigen Kabinettssitzung? Wenn nicht, gibt es
überhaupt Denkansätze des Ministeriums in diese Rich-
tung und wie gedenkt man, diese umzusetzen?


(Peter Dreßen [SPD]: So kann man es auch versuchen! – Ute Kumpf [SPD]: Über jedes Denken wird nicht berichtet!)


R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502704600


Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die
Errichtung von Innovationsregionen oder Sonderwirt-
schaftszonen war heute nicht Gegenstand der Beratungen
des Kabinetts. Wir haben aber im Wirtschaftsausschuss
dieses Thema heute ausführlichst besprochen, unter star-
ker Beteiligung auch von Kolleginnen und Kollegen der
Opposition.


(Ute Kumpf [SPD]: Wo war denn Herr Grund?)


Es würde jetzt zu weit führen, wenn ich diese Diskussion
zusammenfassen oder wiederholen würde.

Es gibt auch einen schriftlichen Bericht des Wirtschafts-
ministeriums, der heute Gegenstand der Beratungen des
Wirtschaftsausschusses war und in dem der Stand der Dinge
aufgeführt ist. Ansonsten bin ich und ist selbstverständlich
auch das Haus gerne bereit, weitere Fragen zu beantworten.
Jetzt würde das aber, wie ich glaube, den Rahmen sprengen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er sollte erst einmal den Bericht lesen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502704700

Das ist jedenfalls mit Blick auf die Zeit zutreffend.
Ich beende damit die Regierungsbefragung und rufe

den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 15/438, 15/460 –

Gemäß Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde
sind zunächst dringliche Fragen aufzurufen. Sie liegen auf
Drucksache 15/460 vor und betreffen den Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Gesundheit und So-
ziale Sicherung. Zur Beantwortung steht uns die Parlamen-
tarische Staatssekretärin Frau Caspers-Merk zur Verfügung.

Wir kommen zunächst zur dringlichen Frage 1 des
Kollegen Hartmut Koschyk:

Aufgrund welcher Erkenntnisse hat das Bundesministerium
für Gesundheit im August 2002 auf die illegale Lagerung von
Pockenviren in Russland, Nordkorea und vor allem im Irak
hingewiesen – vergleiche „Frankfurter Allgemeine Sonntags-
zeitung“ vom 16. Februar 2003 – und über welche Informationen
verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der Lagerung und mög-
lichen Herstellung von weiteren biologischen Kampfstoffen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502704800


Herr Kollege Koschyk, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden


(A)



(B)



(C)



(D)


2076


(A)



(B)



(C)



(D)






waren und sind Anschläge in Deutschland mittels Pocken-
viren weiterhin eher unwahrscheinlich. Gesicherte Er-
kenntnisse darüber, dass Terroristen im Besitz von Pocken-
viren sind bzw. über entsprechende Anschlagsplanungen,
lagen und liegen nicht vor. Eine konkrete Bedrohung ist
insofern nicht gegeben.

Nach unbestätigten nachrichtendienstlichen Informatio-
nen, die der Bundesregierung vorliegen, besteht die Mög-
lichkeit, dass Erreger der Humanpocken auch noch außer-
halb der beiden legalen Hinterlegungsstellen – das sind die
Laboratorien in Atlanta, USA, und Koitsovo, Russland –
existieren. Der Irak hat Mitte der 90er-Jahre bezüglich sei-
nes Biowaffenprogramms gegenüber der Überwachungs-
kommission der Vereinten Nationen UNSCOM ein so ge-
nanntes Camel-Pox Project deklariert, also ein Projekt mit
Kamelpocken. Gesicherte Erkenntnisse, dass er über Er-
reger von Humanpocken verfügt, liegen nicht vor.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502704900

Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk?


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502705000

Frau Staatssekretärin, über welche Erkenntnisse ver-

fügte dann die Bundesgesundheitsministerin, als sie be-
reits im Mai 2002 bei der Jahrestagung der Weltgesund-
heitsorganisation, WHO, in Genf öffentlich davon sprach,
es werde vermutet, dass auch im Irak Pockenviren gela-
gert würden, weshalb vorsorglich Impfdosen für alle
Menschen in Deutschland angeschafft würden?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502705100


Herr Kollege, die WHO hat in einer ersten Pressemit-
teilung vom 2. Oktober 2001 ihre Mitgliedsnationen auf-
gefordert, Pockenimpfstoff anzuschaffen, weil sich die
Bedrohungslage nach dem 11. September weltweit verän-
dert hat. Diesem Vorschlag der WHO sind wir unverzüg-
lich nachgekommen. Eine konkrete Bedrohung lag nicht
vor; aber eine Bedrohung ist niemals auszuschließen. Das
heißt, hier handelt es sich um eine vorsorgende Politik.
Deshalb haben wir mit der Beschaffung von entsprechen-
dem Impfstoff nicht erst im Zusammenhang mit dem Irak-
konflikt, sondern bereits Ende des Jahres 2001 begonnen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502705200

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk?


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502705300

Frau Staatssekretärin, kann denn die Bundesregierung

eine Analyse des Bundesnachrichtendienstes bestätigen,
über die die Tageszeitung „Die Welt“ vom 19. November
des vergangenen Jahres berichtet hat, wonach der Ver-
dacht besteht, dass der Irak noch immer einen Teil seiner
in Munition abgefüllten biologischen Kampfstoffe besitzt
und der Irak den Besitz von Anthrax, Botulinustoxin und
Aflatoxin in munitionierter Form zugegeben hat und an
der Forschung und Entwicklung von Mykotoxinen, Rota-
viren, ebenso an Pocken, getarnt als Kamelpocken, arbei-

tet, woraus der BND laut Tageszeitung „Die Welt“
schlussfolgert:

„Die verwendeten Produktionsmethoden und hohen
Ausbeuten deuten auf eine fortgeschrittene Techno-
logie hin.“ Es müsse befürchtet werden, dass der Irak
„innerhalb von mehreren Monaten sein B-Waffen-
Programm wieder aufleben lassen könnte“.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502705400


Sehr geehrter Herr Kollege, zunächst einmal will ich
festhalten, dass wir zu dieser Pressemitteilung nicht Stel-
lung nehmen. Zu der Gefährdungslage habe ich ausführ-
lich Stellung bezogen. Der 11. September 2001 und die
Folgeanschläge haben verdeutlicht, dass islamistische
Terroristen durch ihre Anschläge den Tod Tausender Un-
schuldiger herbeiführen wollen. Das Bundeskriminalamt,
das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundes-
nachrichtendienst beurteilen übereinstimmend, dass kei-
ne Anzeichen für eine kurz- oder mittelfristige Entspan-
nung dieser insgesamt hohen Gefährdungslage gesehen
werden. Es dürfte daher klar sein, dass die Bundesregie-
rung für alle möglichen Gefahren Vorsorge zu treffen hat.

Ich weise allerdings nochmals darauf hin, dass keine
gesicherten Hinweise auf konkrete Anschläge mit Pocken
in Deutschland oder gegen deutsche Interessen im Aus-
land vorliegen. Insofern sage ich ausdrücklich, dass es
sich hier um eine abstrakte und nicht um eine konkrete
Gefährdungslage handelt. Aber auch auf abstrakte Ge-
fährdungslagen muss die Bundesregierung vorbereitet
sein. Eine abstrakte Gefährdungslage haben Sie zum Bei-
spiel, wenn Sie in einem Haus mit Feuer rechnen müssen.
Für diesen Fall haben wir eine Feuerwehr und Brandmel-
der. Eine konkrete Gefährdungslage bestünde, wenn ein
Brandstifter unterwegs wäre. Wir halten daran fest, dass
wir derzeit eine abstrakte Gefährdungslage haben.

Wir sollten in der Diskussion über das Thema Pocken,
über das sich die Menschen draußen Sorgen machen, auch
klar sagen, dass wir zwar für einen eher unwahrschein-
lichen Eventualfall Vorsorge treffen, aber dass wir gut da-
ran tun, auf diesen Eventualfall vorbereitet zu sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502705500

Die nächste Wortmeldung ist von Frau Kühn-Mengel.


Helga Kühn-Mengel (SPD):
Rede ID: ID1502705600

Da
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502705700
Hätte die Bundesregierung also in je-
dem Fall, auch bei noch so geringer Wahrscheinlichkeit,
dass Pockenviren freigesetzt werden, diese Maßnahme er-
griffen und befinden Sie sich hier auch im Einklang mit
Fachleuten im In- und Ausland?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502705800


Frau Kollegin Kühn-Mengel, wir befinden uns in voll-
ständigem Einklang mit den Fachleuten im In- und Aus-
land. Alle betreiben Vorsorge durch die Vorhaltung von

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk




Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
Pockenimpfstoff. Es ist ja so, dass die Pocken Ende der
70er-Jahre international als ausgerottet galten. Aus die-
sem Grunde stand praktisch nirgendwo mehr Impfstoff zur
Verfügung oder es gab nur noch Restbestände. Insofern war
es vorsorgende Politik, diesen Impfstoff zu besorgen und
die Bestände Zug um Zug aufzufüllen. Wir befinden uns
damit auch in Übereinstimmung mit den Bundesländern; es
handelte sich um eine gemeinsame Beschaffungsaktion.

Wir hätten in jedem Fall, auch bei einer geringeren Be-
drohung, so handeln müssen; denn bei diesem Erreger ist die
einzige Vorsorgemöglichkeit das Impfen. Auch bei einem
sehr viel kleineren Restrisiko hätten wir im Sinne einer vor-
ausschauenden Gesundheitspolitik immer so gehandelt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502705900

Frau Kollegin Mantel.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1502706000

Frau Staatssekretärin, hat die Bundesregierung ihre

Verbündeten und vor allem auch die UNO-Inspektoren
über ihre Erkenntnisse hinsichtlich der Gefährdungslage
informiert?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502706100


Frau Kollegin, ich habe gerade erläutert, dass es keine
konkrete, sondern nur eine abstrakte Gefährdungs- und
Bedrohungslage gibt. Wir haben also keine anderen Er-
kenntnisse als die, die es international gibt. Ich will noch
einmal deutlich sagen, dass wir nicht mehr wissen als die
Waffeninspekteure. Um mehr Informationen zu bekom-
men, sollen sie im Irak ihre Arbeit tun.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502706200

Herr Kollege Dreßen.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1502706300

Frau Staatssekretärin, wir haben im Ausschuss über das

Problem sehr intensiv und sehr offen diskutiert. Ich hatte
dort das Gefühl, dass die Opposition mit dem, was wir ge-
tan haben, einverstanden war. Deswegen verstehe ich
nicht – das kann man verschiedenen Pressemeldungen
entnehmen –, dass das jetzt anders gesehen wird.

Meine Frage an Sie: Erfolgte die Einschätzung hin-
sichtlich der Gefährdung durch Pockenerreger im Ein-
klang mit den Ländern oder gab es bei den Vorgesprächen
andere Meinungen? Halten Sie das, was derzeit abläuft,
nämlich dass man versucht, sozusagen eine Panik los-
zutreten, nicht für etwas wirr? Ich bin wirklich schockiert,
wie die Opposition zum Teil unsere Maßnahmen kritisiert.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502706400


Herr Kollege Dreßen, wir haben im Gesundheitsaus-
schuss und auch im Haushaltsausschuss in mehreren Sit-
zungen in der Tat sehr umfangreich über die Beschaffung

des Pockenimpfstoffs informiert. Darüber hinaus gab es
seit dem 15. Oktober 2001 in diesem Hohen Hause elf
schriftliche und mündliche Fragen von Kolleginnen und
Kollegen an die Bundesregierung. Auch diese Fragen sind
umfassend beantwortet worden.

Ich glaube, es muss einen Grundkonsens darüber geben,
dass die Beschaffung des Pockenimpfstoffs in unser aller
Interesse liegt und dass es am besten wäre, wir müssten ihn
niemals einsetzen. Deswegen halte ich die haarspalterische
Debatte über die Gefährdungslage für wenig zielführend.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört! Eine haarspalterische Debatte! Das ist ja interessant!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502706500

Herr Kollege Storm.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1502706600

Frau Staatssekretärin, Sie haben ausgeführt, es gebe

nur eine abstrakte, aber keine konkrete Bedrohungslage.
Es gibt aber einen Vermerk aus Ihrem Ministerium vom
9. August, in dem von dokumentierten Erkenntnissen die
Rede ist, dass der Irak über Biokampfstoffe verfügt. Die
Ministerin hat in einer Sitzung des Haushaltsausschusses
am 13. November vergangenen Jahres erklärt, es sei da-
von auszugehen, dass Staaten wie Nordkorea oder Irak
über Pockenvirenstämme verfügten, weshalb es eine po-
tenzielle Bedrohung gebe. Deshalb sei auch die Gefahr
nicht auszuschließen, dass sich jemand selbst infizieren
könne, um als Selbstmordattentäter zu fungieren.

Dieses widerspricht klar Ihrer Aussage, es gebe nur
Hinweise auf eine abstrakte, aber nicht auf eine konkrete
Gefahr. Hat die Ministerin im Haushaltsausschuss in die-
sem Punkt wissentlich die Unwahrheit gesagt?


(Lachen des Abg. Peter Dreßen [SPD])


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502706700


Herr Kollege Storm, ich weise das in aller Form zu-
rück. Mir liegt das Protokoll der Sitzung des Haushalts-
ausschusses vom 13. November vor. Wenn Sie genau
nachlesen, können Sie Formulierungen finden wie die, es
werde allerdings vermutet, dass es Pockenviren gebe, die
in Staaten wie dem Irak oder Nordkorea gelagert werden
könnten. Aus einem Konjunktiv einen Indikativ und aus
Hinweisen Nachweise zu machen ist nicht statthaft.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Er hat grammatische Probleme, keine Gefährdungsprobleme!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502706800

Frau Kollegin Sonntag-Wolgast.


Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD):
Rede ID: ID1502706900

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich die zuneh-

mende öffentliche Aufregung angesichts der Tatsache,


(A)



(B)



(C)



(D)


2078


(A)



(B)



(C)



(D)






dass bereits im August diese Maßnahmen intern bekannt
waren und dass sie im November sowohl im Ausschuss
als auch in Pressemeldungen – es wurde eben die „Welt“
zitiert – aufgegriffen wurden? Es gab damals ein ver-
gleichsweise geringes Echo. Wie erklären Sie sich, dass es
zu einer deutlichen Zunahme der öffentlichen Aufregung
gekommen ist?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502707000


Frau Kollegin, ich erkläre mir das so, dass die Be-
schaffungsaktion in den Zusammenhang mit der innen-
politischen Auseinandersetzung um den Irakkonflikt ge-
bracht wird, was nicht zutreffend ist. Wenn man die
gesamte Entwicklung zurückverfolgt – das hatte ich ein-
gangs erläutert –, dann stellt man fest, dass wir schon
Ende des Jahres 2001 die ersten 6 Millionen Impfstoff-
dosen, die damals noch verfügbar waren, gekauft haben.
Es handelte sich dabei um Bestände des Impfstoffes, der
früher von der WHO eingesetzt worden ist.

Das heißt, wir haben damals auf die aktuelle Bedro-
hungssituation nach dem 11. September 2001 reagiert.
Alle unsere Maßnahmen sind in den Zusammenhang mit
der allgemeinen Vorsorge für unsere Bevölkerung zu brin-
gen. Jetzt wird versucht, das Ganze in einen innenpoliti-
schen Zusammenhang zu stellen, der damals nicht gege-
ben war.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502707100

Herr Binninger.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1502707200

Frau Staatssekretärin, Ihr Haus spricht von einem

Szenario mit bis zu 25 Millionen Toten in einem Fall, der
hoffentlich nie eintritt und gegen den man alles Erdenk-
liche tun muss. Ich frage Sie: Welche konkreten Erkennt-
nisse, die zu einem solchen Szenario Anlass geben, haben
Sie? Inwiefern können vor dem Hintergrund, dass wir
zwischen konkreter und abstrakter Gefahr unterscheiden,
infizierte Selbstmordattentäter das Pockenvirus hier wirk-
lich verbreiten?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502707300


Herr Kollege, wir können dies nicht ausschließen, da
es in den USA und in Russland jeweils ein Laboratorium
gibt, in denen entsprechende Virenstämme gelagert wur-
den, wobei nicht auszuschließen ist, dass aus diesen Be-
ständen Virenstämme abhanden gekommen und verbrei-
tet worden sind. Wir wissen es nicht. Nicht wissen heißt
in diesem Falle, dass man auf alles Erdenkliche vorberei-
tet sein muss. Die einzige Möglichkeit, Vorsorge zu be-
treiben, besteht darin, Impfstoffe einzulagern. Das tun wir
auch.

Ich darf Sie daran erinnern, dass gerade von Ihrer Frak-
tion bzw. von Ministerpräsident Koch im November letz-
ten Jahres vehement gefordert wurde, eine Versorgung mit
Impfstoff für die gesamte Bevölkerung vorzusehen. Wir

haben dies eingeleitet. Sie wissen, dass es eine Verabre-
dung der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler
gab. Wir setzen dieses gemeinsam abgesprochene Vor-
gehen Zug um Zug um. Deswegen verstehe ich diese De-
batte und diese Auseinandersetzung darum nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502707400

Frau Kollegin Lotz.


Erika Lotz (SPD):
Rede ID: ID1502707500

Frau Staatssekretärin, Sie hatten vorhin auf die Frage

des Kollegen Dreßen berichtet, dass Sie diese Vorsorge im
Einklang mit Fachleuten im In- und Ausland getroffen ha-
ben. Meine Frage lautet konkret: Welche Erkenntnisse la-
gen diesen Planungen zugrunde?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502707600


Frau Kollegin Lotz, wir haben unmittelbar nach der
Warnung durch die WHO und nach dem 11. September
reagiert, indem zwischen Bund und Ländern zum Thema
Gesundheitsschutz eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein-
gerichtet wurde. Dort waren die Fachleute der Länder und
des Bundes für die Innen- und die Gesundheitspolitik un-
ter Moderation des Robert-Koch-Instituts beisammen. Im
Hinblick auf alle möglichen Formen bioterroristischer
Angriffe wurden dort Szenarien entwickelt. Eines der Er-
gebnisse war, dass wir in Bezug auf die Bedrohung durch
Pockenviren am schlechtesten geschützt sind, weil diese
Krankheit als ausgerottet galt und wir keine Impfstoffe
mehr eingelagert hatten.

Aus dieser Situation heraus haben wir gehandelt. Denn
bei einem Ausbruch dieser Krankheit ist das Bedrohungs-
szenario in der Tat enorm. Wir sind zudem der Auffas-
sung: Wenn man ein Risiko nicht ausschließen kann, muss
man Vorsorge betreiben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502707700

Herr Kollege Schröder.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1502707800

Frau Staatssekretärin, Sie sagen, dass Sie Vorsorge

treffen. Deshalb meine Frage: Was hat die Bundesregie-
rung bisher veranlasst und was wird die Bundesregierung
noch veranlassen, um die bei Pockenimpfungen entste-
henden Nebenwirkungen, die gefährlich sind, zu verhin-
dern?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502707900


Herr Kollege, Sie sprechen damit eine sehr schwierige
Frage an. Denn der derzeit eingelagerte Impfstoff hat
keine Zulassung mehr – dies ist im Übrigen weltweit so –,
weil diese Krankheit als ausgerottet galt. Vor diesem
Hintergrund haben wir in Deutschland auch Ende der
70er-Jahre die Reihenpockenimpfungen eingestellt. Bei

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast




Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
der Pockenimpfung gibt es ja Nebenwirkungen. Man
spricht von ungefähr 50 bis 100 Nebenwirkungsfällen und
ein bis zwei Todesfällen pro 1 Million Impfungen. Des-
wegen verbietet es sich auch, prophylaktisch zu impfen. Aus
diesem Grund haben wir in der damaligen Situation, als die
Krankheit als ausgerottet galt, eben nicht mehr geimpft.

Der heutige Impfstoff, der von uns eingelagert wird, ist
im Labor getestet. Er ist stabil und kann auch nach Auf-
treten eines ersten Falles noch bis zu fünf Tage eingesetzt
werden. Die Impfungen sind dann noch voll wirksam. Es
ist Aufgabe der Hersteller, einen nebenwirkungsärmeren
Impfstoff zu entwickeln. Im Moment bemühen sich zu-
mindest zwei Hersteller, zunächst einmal die Zulassung
für den Impfstoff zu erwerben und als nächsten Schritt ei-
nen nebenwirkungsärmeren Impfstoff zu entwickeln. Aber
wir haben seit über 20 Jahren keine Erfahrungen mehr mit
diesem Impfstoff. Deshalb haben wir auch keine gesicher-
ten Erkenntnisse, ob andere Formen, zum Beispiel eine
Vorimpfung mit MVA – darüber wurde in Bayern einmal
diskutiert –, wirklich wirksam sind und den vollen Impf-
schutz bieten. Es gibt eben keine Erfahrungen an geteste-
ten Menschen. Deswegen haben wir uns in der Logik so
wie alle anderen Nachbarländer verhalten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502708000

Herr Kollege Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1502708100

Frau Staatssekretärin, man hat aus Ihrem Hause, von

Ihrer Ministerin, und vom Herrn Bundesinnenminister
durchaus unterschiedliche Bewertungen des ganzen Sach-
verhaltes gehört. Wie erklären Sie sich diese unterschied-
lichen Bewertungen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502708200


Ich glaube nicht, dass es zu unterschiedlichen Erklä-
rungen gekommen ist, sondern es wurde ein interner Ver-
merk hochgespielt. Es ist im Übrigen auch in den vier
Pressemitteilungen des BMGS zum Thema Pocken nach-
zulesen, dass die Einschätzung des BMGS vollständig der
Einschätzung entspricht, die auch der Bundesinnenminis-
ter vorgetragen hat. Wir sprechen von einer angespannten
Gefährdungslage, von einer Situation, in der es eine Ge-
fährdung geben kann, in der wir es aber nicht wissen und
aus diesem Grund Vorsorge betreiben. Ich verstehe nicht
ganz, weshalb wir kritisiert werden. Ich glaube, bei der
derzeitigen weltweiten Situation wäre es unverantwort-
lich, keine Vorsorge zu betreiben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502708300

Da es zwischendurch immer wieder Signale gibt, die

die Frage beinhalten, ob wir Wortmeldungen registriert
haben: Ich hoffe, dass wir die allermeisten tatsächlich re-
gistriert haben. Die Zahl der Zusatzfragen hält sich ziem-
lich stabil bei einem Dutzend. Diesen Hinweis gebe ich,
damit jeder weiß, mit welchem Zeitaufwand noch zu rech-
nen ist.

Die nächste Wortmeldung ist die des Herrn Kollegen
Wodarg.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1502708400

Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie die von Bayern

in die Diskussion gebrachte Nutzung des bei München
hergestellten MVA-Impfstoffes angesichts der Tatsache,
dass dort wahrscheinlich mit weniger Nebenwirkungen
zu rechnen ist, dass aber auch wahrscheinlich die Schutz-
wirkung nicht so stark ist, dass also nicht sicher zu sagen
ist, ob überhaupt eine Schutzwirkung durch diesen Impf-
stoff besteht, und wie halten Sie es damit, dass wir die Be-
völkerung bundesweit möglichst in gleichem Maße schüt-
zen wollen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502708500


Herr Kollege Wodarg, ich kann das fachlich nicht
selbst beurteilen, sondern wir stützen uns hierbei auf die
Beurteilung durch das Robert-Koch-Institut. Dort wird
gesagt: Wenn es wirklich eine Bedrohungslage gibt, kön-
nen wir es uns nicht leisten, mit einer Vorimpfung zu be-
ginnen, ohne zu wissen, ob diese Vorimpfung nur die Ne-
benwirkungen oder auch die Impfwirkung reduziert. Aus
diesem Grunde haben wir uns für den konventionellen
Weg entschieden, im Übrigen gemeinsam mit den Bun-
desländern und den europäischen Partnern. Damit eine
Vorimpfung irgendwann einmal erfolgreich sein kann,
müssten die Impfstoffe weiterentwickelt und getestet wer-
den. Dies wäre Aufgabe der Herstellerfirma, die daran ja
auch ein großes Interesse haben müsste.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502708600

Herr Kollege Luther.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1502708700

Frau Staatssekretärin Casper-Merk, im Zusammen-

hang mit der Aufstellung des Bundeshaushalts für 2002,
also im Jahr 2001, wurden vor dem Hintergrund des
11. September 6 Millionen Dosen Pockenimpfstoff ange-
schafft. Das geschah sicherlich vor dem Hintergrund der
„allgemeinen abstrakten Gefahr“, wie es Bundesminister
Schily bezeichnet hat. Für die Haushaltsvorlage, die im
August zur Beschaffung von weiteren Dosen geführt hat,
ist ausgeführt worden – ich zitiere aus einem Informa-
tionspapier für den Haushaltsausschuss –: „Neue Erkennt-
nisse der Nachrichtendienste über die Wahrscheinlichkeit
eines bioterroristischen Angriffs mit Pockenviren zwan-
gen angesichts des hohen Gefährdungspotenzials für die
Bevölkerung zu sofortigem Handeln.“ Können Sie mir
erläutern, welcher Unterschied in der Betrachtung der
derzeitigen Gefahrenlage gegenüber der allgemeinen, ab-
strakten Gefahrenlage, also im November 2001 gegen-
über dem Sommer 2002, besteht?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502708800


Zunächst, Herr Kollege Luther: Mein Name ist Caspers-
Merk.


(A)



(B)



(C)



(D)


2080


(A)



(B)



(C)



(D)






Zweitens weiß ich gar nicht, ob Sie hier aus internen
Protokollvermerken oder Vorlagen zitieren dürfen. Es be-
fremdet mich immer etwas, wenn ich diese in der Zeitung
wiederfinde; gerade dann, wenn man im Haushaltsaus-
schuss Vertraulichkeit vereinbart.

Nun möchte ich aber drittens gern Ihre Frage beant-
worten. Es handelt sich bei den dokumentierten Erkennt-
nissen um Vermerke, die alle von Mai 2002 und August
2002 stammen. Sie müssen sehen: Wir diskutieren dies al-
les jetzt vor einem anderen Hintergrund. Damals gab es
im Prinzip keine Waffeninspektionen und keine gesicher-
ten Erkenntnisse, sondern man hat gemutmaßt. Vor dem
Hintergrund dieser abstrakten Gefährdungssituation wur-
de Impfstoff beschafft.

Ich erinnere mich, dass damals von allen Seiten gefor-
dert wurde, den Pockenimpfstoff auf eine Vollversorgung
der Bevölkerung aufzustocken. Auch von Ihrer Seite gab
es laute Stimmen, dass wir die Vollbevorratung sehr schnell
und sehr zügig vornehmen sollten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502708900

Herr Kollege Strobl.


Thomas Strobl (CDU):
Rede ID: ID1502709000

Frau Staatssekretärin, wir sind uns sicher einig, dass

wir wegen der Gefahr terroristischer Angriffe wachsam
sein und bleiben müssen, aber gleichzeitig nicht durch un-
gerechtfertigte Übertreibungen zu einer Panikmache in
der Bevölkerung kommen dürfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Dreßen [SPD]: Dann fasst euch mal an die eigene Nase!)


Deswegen ist meine Frage: Wie ist es eigentlich vor
diesem Hintergrund zu verantworten, dass in Ihrem Hause
Sprechzettel für die Ministerin und amtliche Vermerke ge-
fertigt werden, auf denen die Rede von 40 Prozent Todes-
fällen, das heißt 25Millionen Menschen allein in der Bun-
desrepublik Deutschland, im Falle eines terroristischen
Angriffs ist?

In diesem Zusammenhang frage ich auch: Wie beurtei-
len Sie es dann eigentlich, dass solche Sprechzettel aus
Ihrem Hause an die Presse lanciert werden, und wer trägt
dafür die politische Verantwortung?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502709100


Herr Kollege, auch ich finde, dass man mit den Sorgen
der Menschen nicht spielen sollte. Deswegen hat mich die
Art und Weise, wie diese Diskussion geführt wird, etwas
befremdet, weil wir uns doch einig sein sollten,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


dass es eine richtige Politik war, den Impfstoff anzulegen,
zu bevorraten und Zug um Zug aufzustocken. Es war
zweitens richtig, dies vor dem Hintergrund der weltpoliti-
schen Gefährdungslage zu tun. Es ist auch richtig, dass

man hier durch eine innenpolitische Debatte nicht weiter-
hin zur Verunsicherung beitragen sollte.

Darüber hinaus will ich Ihnen gern noch einmal sa-
gen – ich habe hier vorhin aus dem Protokoll zitiert –:
Wenn Sie Hinweise haben, sind es keine Nachweise, und
eine Gefährdungssituation ist keine aktuelle, konkrete
und sichere Gefährdung. Deswegen sollten wir froh sein,
dass wir nicht über eine konkrete Gefährdungssituation in
Deutschland reden müssen, sondern für abstrakte Gefähr-
dungssituationen Vorsorge betreiben. Genau dies haben
wir getan.

Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie die Presse an
diese internen Dokumente kommt. Dies führt natürlich
dazu, dass wir unsere sehr offene Informationspolitik ge-
genüber Haushalts- und Gesundheitsausschuss noch ein-
mal überdenken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Arrogant!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502709200

Es besteht ja voraussichtlich noch Gelegenheit zur

Diskussion, sodass wir uns jetzt bei den zahlreichen an-
gemeldeten Wortmeldungen vielleicht zunächst auf diese
konzentrieren sollten.

Bitte schön, Frau Mattheis.


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1502709300

Frau Staatssekretärin, teilt die Bundesregierung die

Einschätzung von Fachleuten, dass ohne Vorsorge und im
Falle des Ausbruchs von Pocken in Deutschland mit un-
gefähr 30 Millionen Toten zu rechnen wäre?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502709400


Diese Zahl, die uns die Fachleute nennen, ist bei der
Pockenerkrankung leider Realität. Deswegen wäre der
Ausbruch der Pocken eben auch ein Super-GAU. Pocken
gehören zu den wenigen Krankheiten, die man nicht mit
Antibiotika, sondern nur durch Impfen in den Griff be-
kommen kann. Aus diesem Grunde ist die Vorsorge so
wichtig. Deswegen haben wir genau dies getan.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502709500

Herr Kollege Weiß.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Staatssekretärin, können Sie mir bitte noch einmal

erläutern – ich habe es nicht recht verstanden –, wie ein
M-Sprechzettel aus Ihrem Hause, der in die Redaktion der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gelangt ist, als Be-
gründung dafür dienen kann, dass Sie Ihren Informati-
onspflichten gegenüber dem Gesundheitsausschuss und
dem Haushaltsausschuss nicht mehr in dem gleichen Um-
fang wie bisher genügen wollen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk





M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502709600


Herr Kollege, ich habe mich in meinen Ausführungen
nicht nur auf den Sprechzettel, sondern auch auf ausführ-
liche interne Aktenvermerke bezogen, die ausgedruckt
worden sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese kamen nicht aus unserem Hause. Sie wurden an die
Mitglieder des Haushaltsausschusses zur Vorbereitung
der Beratung über die zusätzliche Ausgabe für den Impf-
stoff verteilt. Wie diese an die Presse gelangen konnten,
wissen wir nicht. Es kann auch nicht in unserem gemein-
samen Interesse liegen, dass so etwas an die Presse ge-
spielt wird. Die dadurch entstehende Verunsicherung liegt
sicher nicht im Interesse des Hauses.


(Rainer Brüderle [FDP]: Wie war es bei den Blauhelmen? Wie haben Sie es da gemacht? War es Schwanitz oder war es doch Herr Schröder?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502709700

Herr Kollege Reichenbach.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1502709800

Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund, dass be-

reits im August des letzten Jahres unter anderem in der
„FAZ“ auf Hinweise rekurriert wurde, dass unter Um-
ständen in Nordkorea, im Irak, aber auch möglicherweise
in anderen Ländern Biokampfstoffe und entsprechende
gefährliche Erreger existieren – neben Anthrax waren
auch Pocken genannt –, frage ich Sie: Ist es richtig, dass
diese allgemeinen Gefährdungshinweise bis heute allge-
mein geblieben sind, und ist es richtig, dass eine abstrakte
Gefährdung genauso von Korea wie von einem anderen
potenziellen Träger solcher Waffen ausgehen könnte, der
sich diese Waffen beschafft und irgendwo in dieser Welt
in Umlauf bringt?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502709900


Herr Kollege, es ist zutreffend, dass wir die Gefahr
nicht an einem bestimmten Staat und einer bestimmten Si-
tuation festmachen können. Wir müssen vielmehr davon
ausgehen, dass sich Pockenerreger in den Labors irgend-
welcher anderen Staaten befinden. Wir wissen es eben
nicht genau. Wir müssen deshalb auf diese Gefährdung
vorbereitet sein.

Sie wissen, dass es Aufgabe der Waffeninspekteure ist,
die Frage nach biologischen und chemischen Kampfstof-
fen zu beantworten. Wir erhoffen uns durch die Weiter-
arbeit der Waffeninspekteure mehr Klarheit.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es gibt schon Klarheit! Lesen Sie einmal den Bericht von Blix vom 27. Januar! Darin steht alles!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502710000

Herr Kollege Bosbach.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1502710100

Frau Staatssekretärin, wir stimmen Ihnen ausdrücklich

zu, dass streng zwischen Vermutungen, über die und de-
ren politische Wertung man streiten kann, und Tatsachen-
behauptungen, die stimmen müssen, unterschieden wer-
den muss. Für den Fall, dass sie nicht stimmen, haben wir
einen Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Ich möchte Sie nur mit Tatsachenbehauptungen und
nicht mit Mutmaßungen konfrontieren. In dem Schreiben
vom 9. August 2002 zur Erlangung der Haushaltsmittel
zum Erwerb der Impfdosen heißt es unter anderem wört-
lich:

Den deutschen Sicherheitsdiensten liegen dokumen-
tierte Erkenntnisse vor, dass Pockenerreger außer-
halb der offiziellen Labore in Atlanta und Koitsovo
illegal, z. B. in Russland, Irak und Nordkorea, gela-
gert werden. Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass
sich Terrorgruppen um die Herstellung biologischer
Kampfstoffe bemühen.

Dies sind Tatsachenbehauptungen. Stimmt diese Bedro-
hungsanalyse? Stimmen die Sachverhalte oder stimmen
sie nicht? Ist das, was hier steht, richtig oder falsch? Eine
andere Möglichkeit gibt es nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502710200


Herr Kollege Bosbach, dieser Vermerk ist im August
letzten Jahres und nicht vor einer zugespitzten innenpoli-
tischen Debatte über den Irak verfasst worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Das heißt doch gar nichts! – Es geht um die Frage „dokumentierte Erkenntnisse“!)


– Die Frage beantworte ich gern. Ich glaube, dass es rich-
tig ist, zum Thema „dokumentierte Erkenntnisse“
nochmals festzuhalten: Der Begriff „dokumentierte Er-
kenntnisse“ bezeichnet Hinweise auf das Vorliegen von
Informationen in aufbereiteter Form, denen eine Wahr-
scheinlichkeitsanalyse zugrunde liegt. Mit dokumen-
tierten Erkenntnissen sind aber keineswegs eindeutige
Beweise oder Erkenntnisse zur absoluten Sicherheit ge-
meint. Dieser Begriff beschreibt lediglich eine Gefähr-
dungslage.


(Dirk Niebel [FDP]: Sicher ist nur der Tod!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502710300

Frau Müller, bitte schön.


Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1502710400

Fra
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502710500
Kann
die Bundesministerin ausschließen, dass Personen, die
nicht geheimschutzermächtigt sind, in ihrem Haus an Un-


(A)



(B)



(C)



(D)


2082


(A)



(B)



(C)



(D)






terlagen gelangen können, die dem Geheimschutz unter-
liegen?


(Rainer Brüderle [FDP]: Gärtner zum Beispiel!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502710600


Frau Kollegin, wir gehen natürlich davon aus, dass bei
uns alle Regelungen des Geheimschutzes eingehalten
werden. Allerdings wurde gerade, obwohl wir uns hier in
einer öffentlichen Fragestunde befinden, aus einem inter-
nen Aktenvermerk zitiert, der eigentlich nur Mitgliedern
des Haushaltsausschusses zugänglich war. So etwas wird
nach wie vor gemacht.

Wir werden dafür Sorge tragen, dass diese Diskussion
nicht weiter geführt wird, weil sie zur Verunsicherung der
Bevölkerung beiträgt. Die Menschen haben Sorge, ob
eine konkrete Gefährdung vorliegt. Eine solche konkrete
Gefährdung liegt – das betone ich noch einmal – nicht vor.
Es handelt sich um eine abstrakte Gefährdung, auf die wir
vorbereitet sind. Eine Debatte, wie wir sie führen, verste-
hen die Menschen außerhalb dieses Hauses sicherlich
nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502710700

Herr Kollege Schmidbauer, bitte.


Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1502710800

Frau Kollegin, angesichts dessen, was der Kollege

Bosbach eben hier zitiert hat, will ich nachfragen. In einer
Kurzinformation ohne Klassifizierung vom September,
an der Ihr Haus beteiligt war, wurde vermerkt,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ohne Klassifizierung!)


dass geheime Informationen vorliegen, wonach die sofor-
tige Beschaffung des Impfstoffes ohne Rücksicht auf die
Rechtslage zu fordern sei, dass aber weitere Einzelheiten
wegen der Geheimhaltungsverpflichtung nicht mitgeteilt
werden könnten. Die Beschaffung von arzneimittelrecht-
lich nicht zugelassenem Pockenimpfstoff in dieser Situa-
tion ist nicht zu kritisieren. Aber wenn bei der Beschaf-
fung erklärt wird, dass geheime Informationen vorliegen,
dann kann es nicht nur „Hinweise“ gegeben haben; dann
müssen schon Fakten vorgetragen worden sein, mit denen
die Notwendigkeit dieser Schritte untermauert wurde.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502710900


Herr Kollege Schmidbauer, es handelt sich – das sage
ich nochmals – um Vermerke vom Sommer letzten Jahres.
Es gab damals weder Waffeninspektoren im Irak noch de-
ren Erkenntnisse. Wir hatten aus den 90er-Jahren nur ein-
zelne Hinweise – das habe ich vorhin vorgetragen –, dass
im Irak zum Beispiel mit Kamelpocken experimentiert

wurde. Das war angemeldet. Es war aber nicht auszu-
schließen, dass diese Kamelpocken weiterentwickelt wur-
den. Deswegen haben wir uns entschieden, Vorsorge zu
betreiben.

Hinweise sind allerdings keine Nachweise und auch
keine gesicherten Erkenntnisse. Alles, was wir damals
hatten, waren einzelne Hinweise, die von den Diensten
zusammengetragen wurden. Es gab schon im Okto-
ber 2001 ein ausdrückliches Votum der WHO – das mit
der Irakdebatte überhaupt nichts zu tun hatte –, Impfstoff
zu besorgen, um im Eventualfall die eigene Bevölkerung
zu schützen. Unsere europäischen Nachbarn haben dies
Zug um Zug getan. Auch wir in der Bundesrepublik
Deutschland verfügen heute über nahezu 50 Millionen
Dosen Impfstoff. Bis Ende März werden wir nahezu eine
Vollversorgung erreicht haben. Es besteht mit allen Bun-
desländern die Absprache – das wird von ihnen geteilt –,
dass wir bis zum September über 100 Millionen Dosen
verfügen werden. Auch hier waren sich alle in der Ge-
fährdungseinschätzung und bei dem, was zu tun ist, einig.
Auch der Phasenplan zur Abwehr wurde in Bund-Länder-
Arbeitsgruppen gemeinsam erarbeitet.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502711000

Frau Dr. Ober, bitte.


Dr. Erika Ober (SPD):
Rede ID: ID1502711100

Frau Staatssekretärin, Anfang November letzten Jahres

forderte der hessische Ministerpräsident Roland Koch
eine volle Bevorratung mit Pockenimpfstoff,


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

weil – ich zitiere –

alles fachlich Notwendige zum Schutz unserer Be-
völkerung getan werden muss.

Wie war damals die Position der Bundesregierung dazu?
Und wie wird die Abstimmung mit den Partnern in Europa
und in Übersee gehandhabt?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502711200


Zunächst einmal: Als die Forderung des hessischen
Ministerpräsidenten gestellt wurde, hatte die Bundes-
regierung bereits gehandelt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!)

Ich hatte vorhin bereits gesagt, dass bis Ende 2001 auf-
grund einer neuen Impftechnik – es geht um den Einsatz
von neuem Nadelmaterial – sechs Millionen Dosen auf
24 Millionen Dosen weiterentwickelt werden konnten.
Bis Oktober 2002, bevor also diese Forderung gestellt
wurde, hatten wir weitere 11,3 Millionen Dosen allein aus
Bundesmitteln angeschafft. Am 19. Dezember fand die Mi-
nisterpräsidentenkonferenz statt, auf der abgesprochen
wurde, eine Vollbevorratung durchzuführen. Am 21. Januar
und am 7. Februar haben wir dann die restlichen Dosen be-
schafft, sodass wir Ende März – das habe ich bereits aus-
geführt – eine Bevorratung von rund 70 Millionen Dosen

Hildegard Müller




Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
erreicht haben werden. Als diese Forderung aufkam, hat-
ten wir also längst gehandelt.

Im internationalen Bereich befinden wir uns im Einklang
mit unseren Partnern. Es gab die so genannte Ottawa-
Gruppe – dazu gehören die G7-Staaten, die WHO und die
EU-Kommission –, die genau dieses, nämlich das Anle-
gen einer Vollbevorratung, für die Bevölkerung gefordert
hat. Dabei wurde überhaupt nicht über Details der Sicher-
heitslage gestritten. Nach dem 11. September hat sich die
Welt verändert. Auf diese neuen Gefährdungssituationen
müssen wir vorbereitet sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502711300

Herr Kollege Grindel.


Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1502711400

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf den

Vermerk vom 9. August mit dem Hinweis auf dokumen-
tierte Erkenntnisse zurückkommen. Trifft es zu, dass dieser
Vermerk das Bundesfinanzministerium über das Bundes-
innenministerium erreicht hat und dass das Bundesinnen-
ministerium keinerlei Veränderungen vorgenommen hat,
dass sich die Erkenntnisse, die dort bestanden, also offen-
bar mit der Einschätzung, die in diesem Vermerk wieder-
gegeben worden ist, decken?


(Peter Dreßen [SPD]: Mein Gott!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502711500


Sie haben bezogen auf das Bundesinnenministerium
gefragt. Deshalb bitte ich das Bundesinnenministerium,
dazu Stellung zu nehmen.

Ich kann nur wiederholen: Wir haben es nochmals
überprüft. Die Ministerin hat im Haushalts- und im Ge-
sundheitsausschuss immer gesagt, dass zwar keine ge-
sicherten Erkenntnisse vorliegen, man es aber nicht aus-
schließen kann. Aus dieser Situation heraus werde der
Pockenimpfstoff beschafft. Deswegen weiß ich auch
nicht, was zu kritisieren ist. Egal, ob die Gefährdungslage
niedrig oder anders einzuschätzen gewesen wäre: Wir hät-
ten in jedem Fall Impfstoff besorgt, weil es immer die bes-
sere Strategie ist, Vorsorge zu betreiben, als sich hinterher
in einer Situation zu befinden, in der keine Vorräte ange-
legt wurden.


(Beifall bei der SPD)

Deshalb noch einmal: Wir haben es so verstanden, dass

im August Hinweise in Berichten – dort wurden sie zu-
sammengetragen – vorgelegen haben. Aus diesen Berich-
ten ist zitiert worden. Die Ministerin hat im Haushalts-
ausschuss aber eindeutig und klar gesagt, dass wir es nicht
sicher wissen. Aus diesem Grunde wollten wir Vorsorge
betreiben und haben um Unterstützung gebeten. Dieser
Bitte ist der Haushaltsausschuss dann auch nachgekommen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502711600

Herr Kollege Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1502711700

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie ständig versuchen,

das Wort „abstrakt“ zu verwenden sowie von Vorbeugung
zu reden, und sich dann wundern, dass es in der Innenpo-
litik derzeit eine größere Diskussion gibt, frage ich Sie:
Möchten Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass der Bun-
desaußenminister auf der Sicherheitskonferenz in Mün-
chen im Zusammenhang mit Irak und Saddam Hussein
wörtlich davon gesprochen hat, dass er versucht, in den
Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen?

Ein Bundesminister äußert so etwas öffentlich und es
tauchen noch andere Meldungen auf, die von dem spra-
chen, was unter einem gewaltigen Druck damals – sicher-
lich lag dies einige Monate zurück – sowohl vom Bundes-
gesundheitsministerium als auch – dies hat der Kollege
Schmidbauer gesagt – vom Bundesverteidigungsministe-
rium geäußert wurde. Es ging um außerplanmäßige Aus-
gaben und erhebliche Forderungen an den Haushaltsaus-
schuss, der das sofort genehmigen möge. Glauben Sie
dann nicht, dass es sich nicht nur um eine hochgespielte
innenpolitische Diskussion, sondern um eine schwere
Sorge der Bevölkerung handelt, die endlich wissen will,
was hier gespielt wird?


(Zuruf von der SPD: Sie sollten damit sorgfältiger umgehen!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502711800


Herr Kollege, ich glaube, dass hier nochmals auf eines
hinzuweisen ist: Wir hätten, egal wie die Gefährdungslage
auch aussieht, immer Impfstoff besorgt, weil dies von der
WHO schon im Oktober 2001 ausdrücklich gefordert
wurde.


(Beifall bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: Zum fünften Mal gesagt! Sie kapieren es immer noch nicht! Sie wollen es nicht kapieren!)


Auf eine Bedrohung mit Pocken gibt es nämlich nur eine
Antwort: impfen.

Der zweite Punkt ist: Wir haben immer gesagt, dass wir
nicht sicher wissen, ob aus den beiden Labors Pockenviren
entwendet oder illegal weiterverbreitet worden sind. Da wir
das nicht wissen, kann ich Ihnen auch keine eindeutige Ant-
wort geben. Wir sind nicht im Besitz einer höheren Weisheit
als die Waffeninspekteure der UN. Wir verlassen uns auf de-
ren Berichte. Deswegen halten wir deren Arbeit für wichtig,
weil nur ein Bericht letzte Sicherheit bringen kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502711900

Herr Kollege Schönfeld.


Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1502712000

Frau Staatssekretärin, aufgrund der Art und Weise, wie

vonseiten der Opposition die Fragen gestellt werden, hat
man den Eindruck, dass eine konkrete Gefahr herbeigere-
det werden soll.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wollen Sie die Opposition abschaffen?)



(A)



(B)



(C)



(D)


2084


(A)



(B)



(C)



(D)






Stimmen Sie mir zu, dass die Antiterrorgesetze, die von
der Bundesregierung in diesem Hohen Hause nach dem
11. September 2001 gemeinsam auf den Weg gebracht
wurden, in erster Linie aufgrund einer sehr abstrakten Ge-
fährdungssituation und weniger aufgrund einer konkreten
Gefahr für Deutschland entstanden sind? Verhält es sich
mit der jetzigen Situation der Versorgung mit dem Pocken-
impfstoff durch die Bundesregierung nicht genauso?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502712100


Herr Kollege Schönfeld, ich will Ihnen ausdrücklich
zustimmen. Wir hätten dies immer getan – das habe ich
hier wiederholt geäußert –, weil es keine andere Mög-
lichkeit gibt, sich zu schützen, und weil die Pocken die
schlimmste Krankheit sind, die wir kennen. Deswegen
war es ein großer Erfolg der WHO, dass die Pocken-
krankheit als ausgerottet galt. Eines der Probleme aber
ist, dass man nicht genau weiß, ob die Labore, wo die
letzten Stämme gelagert werden, lückenlos überwacht
worden sind. Deswegen ist es in diesem Fall wichtig,
Vorsorge zu betreiben. Die einzige Möglichkeit ist hier
das Impfen.

Wir haben auch in anderen Bereichen der Terrorab-
wehr reagiert. Zur Einschätzung der Sicherheitslage ist
das Innenministerium hier vertreten. Zu diesem Punkt
will ich nichts sagen. In unserer Verantwortung liegt das
Thema Bioterrorismus. Wir haben nicht nur beim Thema
Pocken gehandelt, sondern mit der Bevorratung von
Antibiotika und der Entwicklung eines Stufenplanes ha-
ben wir zum Beispiel auch auf mögliche Anschläge mit
Anthrax reagiert. Insofern sind wir das Thema Bioterro-
rismus in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Anlei-
tung des Robert-Koch-Instituts neu angegangen, um un-
sere Bevölkerung besser zu schützen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502712200

Herr Kollege Schockenhoff.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1502712300

Frau Staatssekretärin, wie verträgt sich Ihre wiederholt

geäußerte Behauptung, dies sei eine abstrakte Bedrohung,
die nicht im Zusammenhang mit einem bestimmten Staat
stehe,


(Peter Dreßen [SPD]: Sie wiederholen sich!)

mit dem schriftlichen Vermerk Ihres Hauses an die ande-
ren Ressorts der Bundesregierung vom 9. August 2002,
den der Kollege Bosbach bereits zitiert hat und in dem es
heißt:

Die Anzeichen für einen möglicherweise kurzfristig
bevorstehenden Angriff der USA auf den Irak ver-
dichten sich.

Dies war ein schriftlicher Vermerk. Weiter heißt es:
Es steht zu befürchten, dass der Irak in einem solchen
Falle mit den ihm zur Verfügung stehenden biologi-
schen Kampfstoffen, also auch Pockenviren, rea-
giert.

Frau Staatssekretärin, hat Ihr Haus die Bundesregierung
falsch informiert oder sagen Sie hier die Unwahrheit?


(Peter Dreßen [SPD]: Herrschaften, ist das eine Frechheit!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502712400


Herr Schockenhoff, bleiben Sie bitte stehen. Das ge-
hört zu den Gepflogenheiten dieses Hauses.


(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU/ CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat der Präsident und nicht Sie zu rügen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502712500

Frau Staatssekretärin, in aller Regel kümmert sich das

Präsidium darum, die Gepflogenheiten des Hauses zu si-
chern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502712600


Ich bedanke mich beim Präsidenten für die Fürsorg-
lichkeit.


(Rainer Brüderle [FDP]: Jetzt verlieren Sie mal nicht die Nerven!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502712700

Das Problem tritt bei allen Flügeln dieses Hauses im-

mer mal wieder auf. Es handelt sich in aller Regel nicht
darum, mit diesem Verhalten etwas zu demonstrieren,
sondern es wird schlicht und ergreifend nicht daran ge-
dacht stehen zu bleiben.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502712800


Herr Schockenhoff,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Dr. Schockenhoff!)

ich habe bereits vorhin auf diese Frage geantwortet. Ich
habe erläutert, dass der Begriff der dokumentierten Er-
kenntnisse Hinweise auf das Vorliegen von Informationen
in aufbereiteter Form bezeichnet, denen eine Wahrschein-
lichkeitsanalyse zugrunde liegt. Er bezeichnet keines-
wegs einen eindeutigen Beweis oder eine eindeutige Si-
cherheit.


(Peter Dreßen [SPD]: Manchen Kollegen muss man das buchstabieren!)


Ich weise Ihren Versuch, Unterschiede in der Einschät-
zung zwischen Innenministerium und dem Ministerium
für Gesundheit und Soziale Sicherung zu konstruieren
oder uns eine falsche Informationspolitik anzuhängen,
ausdrücklich zurück. Wir haben vollständig und ausführ-
lich informiert.

Karsten Schönfeld




Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

Alle Beschlüsse zur Beschaffung des Impfstoffs sind in
großem Konsens gefasst worden. Wir haben auch im Auf-
trag und mit Zustimmung der Länder gehandelt. Denn
ohne die Länder wäre es nicht zu dem Beschluss der Voll-
bevorratung gekommen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Die Anschaffung kritisieren wir auch nicht!)


Die Einschätzung der Gefährdungslage ist doch damals
von allen geteilt worden.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Ja, dann war sie doch wohl richtig!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502712900

Herr Dr. Bürsch.


Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1502713000

Frau Staatssekretärin, alle Fachleute – von der WHO bis

zu allen Experten in Deutschland – stimmen darin überein,
dass Vorsorge sein muss, um etwaigen Gefahren zu be-
gegnen. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem
Hintergrund die Aussage des Gesundheitsexperten Horst
Seehofer


(Ute Kumpf [SPD]: Hört! Hört! Experte!)

in der „Aachener Zeitung“ vom 18. Februar 2003, dass es
ohne eine konkrete Bedrohungslage keine ausreichende
Grundlage gebe, Millionen für Impfstoffe auszugeben?
Heißt das, dass die Union nicht dafür ist, dass jetzt Vorsorge
in dem von Ihnen geschilderten Sinne betrieben wird?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Da wird die Bevölkerung im Stich gelassen! So ist das! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Es weiß doch die Frau Staatssekretärin nicht, ob wir dafür sind oder nicht!)


– Entschuldigung, wir lesen auch Zeitung, so wie Sie
Vermerke lesen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie müssen aber auch alles lesen und alles vorlesen! Das wäre gut!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502713100


Herr Kollege Bürsch, wenn das wirklich die Haltung
des Kollegen Seehofer wäre, müsste ich sie als verant-
wortungslos zurückweisen, weil wir auf alle Fälle Vor-
sorge betreiben müssen, auch wenn es nur ein Restrisiko
geben sollte.


(Beifall der Abgeordneten der SPD – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Warum war es dann nicht im Haushalt?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502713200

Herr Kollege Niebel.


(Ute Kumpf [SPD]: Seit wann ist der Gesundheitsexperte? Herr Niebel weiß alles!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1502713300

Frau Staatssekretärin, zunächst stimme ich Ihnen zu,

dass es richtig war, den Impfstoff zu besorgen. Deswegen
haben auch alle Bundesländer zugestimmt. Das ist aber
nicht das Thema der heutigen Befragung; es geht vielmehr
um die Informationspolitik der Bundesregierung.


(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

Hierbei geht es in erster Linie um die Frage, ob die

Gefährdungslage, die diesen Vermerken zugrunde gele-
gen hat – Sie haben mehrfach darauf angespielt, dass die
entsprechenden und verlesenen Vermerke aus dem Au-
gust und September des vergangenen Jahres stammen –,
vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse anders be-
urteilt wird als damals und um welche Erkenntnisse es
sich handelt. Deswegen ist die Frage, die der Kollege
Schockenhoff vorgebracht hat, durchaus nicht unbe-
gründet. Haben Sie das Parlament oder die Regierung
falsch informiert?


(Peter Dreßen [SPD]: Weder noch, Herr Niebel! Sie unterstellen etwas!)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502713400


Herr Kollege, ich will die Frage beantworten: Wir haben
weder das eine noch das andere getan. Wenn Sie sich die elf
Fragen ansehen, die die Kolleginnen und Kollegen im
Laufe der Zeit – beginnend mit dem 15. Oktober 2001 –
zum Thema Pocken gestellt haben, dann werden Sie mer-
ken, dass sich die Einschätzung der Gefährdungslage kon-
tinuierlich durch diese Fragen hindurch gezogen hat und
dass auch die Antworten immer auf einer Linie gelegen
haben. Wenn Sie die vier Pressemitteilungen aus unserem
Haus lesen, werden Sie dasselbe feststellen.

Wir wiederholen immer wieder, dass wir nicht aus-
schließen können, dass jemand über Pockenviren in
ausreichender Menge und der notwendigen Form ver-
fügt. Wir wissen auch nicht, ob er gegebenenfalls bereit
ist, diese einzusetzen und ob er über die dafür erforder-
lichen Kapazitäten verfügt. Da es aber nicht auszu-
schließen ist, müssen wir für diesen Fall gerüstet sein.
Aus diesem Grund haben wir in unserer Argumentation
durchgängig eine Linie verfolgt. Das werden Sie sicher-
lich bestätigen, wenn Sie das über den betreffenden Zeit-
raum hinweg verfolgen. Mir liegt eine Frage des Kolle-
gen Bonitz


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das war eine Frau Bonitz!)


vom 9. November 2001 vor, in der die Situation in glei-
cher Weise beschrieben wurde wie heute. Insofern trifft
der Vorwurf, dass wir falsch oder unvollständig informiert
haben, nicht; vielmehr wird durch die Auswahl von
Bruchstücken und einzelnen Sätzen fälschlicherweise
dieser Eindruck erweckt. Man muss die Sätze aber im Zu-
sammenhang lesen.

Ich verweise auf das Protokoll des Haushaltsausschus-
ses vom 13. November, in dem ausdrücklich nur von Hin-
weisen und einer Möglichkeit geredet wird, aber nicht von
Erkenntnissen.


(A)



(B)



(C)



(D)


2086


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502713500

Eine letzte Zusatzfrage zur ersten dringlichen Frage

stellt der Kollege Fischer.


Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1502713600

Frau Staatssekretärin, Sie haben festgestellt, dass Hin-

weise keine Nachweise sind. Dokumentierte Erkenntnisse
erhält man aber doch nicht durch Hinweise, sondern nur
durch Nachweise. Deshalb frage ich die Bundesregierung
u
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502713700
Wie haben sich beim Bundesinnenministe-
rium die dokumentierten Erkenntnisse geändert? So et-
was ändert sich doch nicht durch den Ablauf der Zeit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502713800

Die Fragen, die an die Bundesregierung gerichtet wer-

den, werden von dem Vertreter oder der Vertreterin des
zuständigen Ministeriums beantwortet.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Oder auch nicht!)


– Oder auch nicht. Das obliegt in der Tat der Souveränität
der Fragesteller wie derjenigen, die Antworten zu geben
haben. Aber es kann jetzt nicht gezielt das eine oder das
andere Ministerium befragt werden. Das ist innerhalb der
Bundesregierung abzustimmen, unabhängig von dem
Reiz, den eine solche Konstellation zugegebenermaßen
haben könnte.

Bitte, Frau Kollegin Caspers-Merk.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502713900


Die eben gestellte Frage richtet sich eigentlich an das
Bundesinnenministerium. Ich kann Ihnen diese Frage
nicht beantworten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502714000

Dann schließe ich jetzt die Befragung zu der ersten der

zwei eingereichten dringlichen Fragen ab.
Ich rufe die zweite dringliche Frage des Kollegen

Koschyk auf:
Warum hat die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt nicht die

für Katastrophenschutz zuständigen Länder im erforderlichen
Umfang unterrichtet, wenn, wie in der „Frankfurter Allgemeinen
Zeitung“ vom 17. Februar 2003 zitiert, die Bundesministerin für
Gesundheit, Ulla Schmidt, bereits in einem Brief vom 17. Mai
2002 an die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin von
dokumentierten Erkenntnissen, die eine grundsätzliche Bedro-
hung weltweit begründen, spricht?

Zur Beantwortung steht ebenfalls Frau Staatssekretärin
Caspers-Merk zur Verfügung.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502714100


Herr Kollege Koschyk, in Ihrer zweiten dringlichen
Frage spielen Sie auf das Verhältnis zwischen Bund
und Ländern an. Die Länder werden seit dem 11. Sep-

tember 2001 in den einschlägigen Bund-Länder-Gremien
fortlaufend über alle sicherheitsrelevanten Erkenntnisse
informiert. Dies gilt auch für die Bund-Länder-Arbeits-
gruppe „Gesundheitsschutz“, an der sowohl die für Ge-
sundheit wie auch für den Bereich Inneres und Kata-
strophenschutz zuständigen Ministerien der Länder
teilnehmen. Die Innenministerien und die Gesundheits-
ministerien arbeiten also Hand in Hand. Bund und Länder
haben über diese Arbeitskontakte hinaus einen gemeinsa-
men Stufen- und Phasenplan erstellt, der am 24. Oktober
letzten Jahres beschlossen wurde. Dies ist in Kooperation
zwischen Bund und Ländern erfolgt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502714200

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502714300

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich dann die

heute in den Medien zu lesende Kritik der sächsischen
Gesundheitsministerin Christine Weber? Sie kritisiert,
dass die Länder vom Bund nicht eher in die Lage versetzt
worden seien, ihre vorbereitende Pflicht zu tun.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502714400


Herr Kollege, ich dachte mir schon, dass Sie danach
fragen werden. Deswegen habe ich mich vergewissert, ob
der Freistaat Sachsen ausreichend informiert und einge-
bunden war. Ich möchte Ihnen wie folgt antworten: Un-
verzüglich nach dem 11. September 2001 wurde mit den
Ländern eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gesundheits-
schutz“ auf Ebene der Innen- und Gesundheitsminister
einberufen. Diese sorgt seitdem für einen kontinuierli-
chen Informationsabgleich und hat einen gemeinsamen
Stufenplan entwickelt. Im Rahmen der Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe wurden unter Moderation des Robert-Koch-
Instituts Unterarbeitsgruppen für eine dezidierte Logis-
tikplanung zum Pockenschutz eingerichtet, die ihren
Abschlussbericht am 24. Oktober 2002 vorgelegt haben.
Dieses Abschlussdokument beinhaltet die Punkte Organi-
sation von Schutzimpfungen, Hygieneplan, Diagnostik
und Therapiefragen. Das Land Sachsen hat an allen die-
sen Planungen und an allen Sitzungen der Unterarbeits-
gruppen teilgenommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502714500

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502714600

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf den

Vermerk aus Ihrem Haus vom 9. August des vergangenen
Jahres zu sprechen kommen. Nachdem wir zur Kenntnis
nehmen müssen, dass auf die mehrfach gestellten Fragen
nach der Mitbefassung des Innenministerium nicht geant-
wortet worden ist, obwohl die Parlamentarische Staats-
sekretärin des Innenministeriums anwesend ist, möchte
i
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502714700
Ist Ihnen bekannt, ob das Bundesministerium des




Hartmut Koschyk
Innern im Rahmen seiner Mitbefassung der in dem Ver-
merk vom 9. August wiedergegebenen Gefahreneinschät-
zung widersprochen hat oder ob das Bundesinnenminis-
terium sie geteilt hat?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502714800


Das ist mir nicht bekannt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502714900

Damit an dieser Stelle keine formalen Irritationen ent-

stehen, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Dass die an-
wesende Staatssekretärin des Innenministeriums dazu
nicht Stellung nimmt, hängt mit unseren Regelungen zur
Befragung der Bundesregierung zusammen und nicht
etwa mit einer möglichen Weigerung, auf gestellte Fragen
zu antworten.


(Dirk Niebel [FDP]: Wenn wir das doch alle wollen!)


– Ich muss jetzt ganz sicherlich keine zweckdienlichen
Hinweise geben, wie man – zwar nicht in dieser, aber in
der nächsten Plenarwoche – gegebenenfalls den gleichen
Effekt erzielen kann. Es spricht schon manches dafür,
dass wir uns an die Verfahrensregeln, die wir einver-
nehmlich beschlossen haben, im konkreten Fall halten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich sehe, dass es dazu keine weiteren Fragen gibt.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Grund ge-

meldet.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1502715000

Die Antworten der Bundesregierung bleiben wider-

sprüchlich, ausweichend und unbefriedigend.

(Lachen bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: Wo waren Sie denn?)

Das wurde auch durch die vielen Nachfragen, die von Ab-
geordneten der Koalitionsfraktionen gestellt wurden,
deutlich. Namens meiner Fraktion beantrage ich deshalb
zum Thema „Gefährdung in Deutschland durch Pocken“
eine Aktuelle Stunde im Anschluss an diese Fragestunde.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502715100

Dem Verlangen der Fraktion der CDU/CSU auf Durch-

führung einer Aktuellen Stunde aufgrund der Antworten
der Bundesregierung auf die Dringlichkeitsfragen ist nach
Anlage 5 I 1 b unserer Geschäftsordnung stattzugeben.
Diese Aktuelle Stunde muss unmittelbar im Anschluss an
die Fragestunde durchgeführt werden.

Für die Fragestunde verbleibt die Zeit von einer knap-
pen Stunde. In dieser Zeit behandeln wir die anderen Fra-
gen der Fragestunde.

Nach den dringlichen Fragen rufe ich nun gemäß
Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde vier schriftliche
Fragen des Kollegen Jens Spahn auf:

1/282
Wie viel Prozent derjenigen, die eine Ausbildung in einer der

Ausbildungswerkstätten der Bundeswehr durchlaufen haben, stel-
len sich danach als Zeit- oder Berufssoldaten zur Verfügung?

1/283
Gibt es eine nachvollziehbare Begründung, warum mit dem

Fluglehrzentrum F-4F in Rheine die angegliederte Ausbildungs-
werkstätte geschlossen werden soll, obgleich sie inhaltlich über-
haupt nichts mit dem Waffensystem zu tun hat?

1/284
Ist eine Angliederung der Ausbildungswerkstätte an einen an-

deren Standort der Bundeswehr in Rheine geprüft worden, insbe-
sondere mit Blick auf das Gerätehauptdepot, und, wenn ja, mit
welchem Ergebnis?

1/285
Ist geprüft worden, ob für 2003 noch einmal Auszubildende in

der Ausbildungswerkstatt beim Fluglehrzentrum F-4F für die drei-
jährige Ausbildung aufgenommen werden können, da diese ja un-
abhängig von der Standortschließung im Jahr 2006 beendet wäre?

Diese Fragen wurden nicht in der dafür vorgesehenen
Frist beantwortet. Da diese Fragen inzwischen schriftlich
beantwortet wurden, kann der Fragesteller nun nicht mehr
nach der Sache, wohl aber nach dem Grund für die Über-
schreitung der Wochenfrist fragen.

Für die Beantwortung steht der Kollege Wagner vom
Bundesministerium der Verteidigung zur Verfügung. Herr
Kollege Spahn, bitte.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1502715200

Ich frage hiermit nach dem Grund für die Überschrei-

tung der Wochenfrist.

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502715300


Lieber Herr Kollege, an der Beantwortung der vier Fra-
gen, die Sie zu den Themenkomplexen „Ausbildung“,
„Übernahme als Berufs- und Zeitsoldat“, „Schließung einer
Ausbildungswerkstatt“ und„Standortfragen“gestellt haben,
waren mehrereAbteilungen des Verteidigungsministeriums
beteiligt. Wegen der verschiedenen Zuständigkeiten in den
EinzelfragenundderdamitverbundenenKomplexitäthatdie
notwendige Abstimmung einen über das übliche Maß hin-
ausgehenden Zeitrahmen inAnspruch genommen.

Erschwerend und eigentlich entscheidend kam die
dienstlich bedingte Abwesenheit des für die Beantwor-
tung zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärs, un-
seres Kollegen Walter Kolbow, hinzu – er war dienstlich
in Brüssel und anschließend auf der Sicherheitskonferenz
in München –, sodass Sie unser Antwortschreiben leider
erst am 11. Februar erreicht hat. Für dieses Versäumnis
bitte ich um Ihr Verständnis.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502715400

Herr Kollege Spahn, bitte.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1502715500

Abgesehen davon dass mich dieses Antwortschreiben

nicht am 11. Februar erreicht hat, sondern dann erst abge-


(A)



(B)



(C)



(D)


2088


(A)



(B)



(C)



(D)






sandt wurde – es erreichte mich am 14. Februar –, also ab-
gesehen davon, dass Sie zu spät geantwortet haben, finde
ich es noch viel unbefriedigender, dass Sie falsche, zu-
mindest nicht mehr aktuelle Behauptungen in der Antwort
aufgestellt haben. Der als Begründung für den fachlichen
Zusammenhang genannte mehrwöchige Einsatz in der In-
standsetzungseinrichtung des Fluglehrzentrums F-4F in
Rheine erfolgt seit zwölf Jahren nicht mehr und ist damit
gar nicht mehr aktuell. Da Sie für Ihre Antwort schon so
lange brauchten, interessiert es mich, warum Sie nicht auf
aktuelle Tatsachen eingehen.

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502715600


Sie verlangen zu Recht eine Antwort auf Ihre Frage.
Ich kann Ihnen jetzt nicht antworten, weil ich diesbezüg-
lich nicht Bescheid weiß. Ich lasse das prüfen. Wir werden
selbstverständlich die Antwort schriftlich nachreichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502715700

Nachdem die Fragen des Kollegen Spahn nach dem

Grund der Fristüberschreitung bei der Beantwortung sei-
ner schriftlichen Fragen beantwortet worden sind, kom-
men wir nun zu den Fragen auf Drucksache 15/438.

Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amts. Abweichend von der Reihenfolge der Fra-
gen auf der Drucksache werden die Fragen 1 und 2 des
Abgeordneten Dr. Klaus Rose später durch einen Vertre-
ter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit be-
antwortet.

Die Fragen 3 und 4 des Kollegen Bindig werden schrift-
lich beantwortet. Ebenso werden die Fragen 40 und 41 des
Kollegen Dr. Luther schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christoph
Matschie zur Verfügung. Die Fragen 5 und 6 der Kollegin
Dr. Lötzsch werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Lensing auf:
Welche konkreten Änderungen des Berufsbildungsgesetzes,

BBiG, plant die Bundesregierung, um die Ankündigung aus dem
Koalitionsvertrag von 2002 umzusetzen, das BBiG zu novellieren
sowie dessen Geltungsbereich zu erweitern, und welchen genauen
Zeitplan gedenkt sie für die Novellierung vorzusehen und einzu-
halten?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502715800


Herr Kollege Lensing, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die Bundesregierung hat bereits in einem ersten
Schritt im Zusammenhang mit dem Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die Berufsausbildungs-
vorbereitung als eigenständigen Teil der Berufsbildung
in das Berufsbildungsgesetz eingefügt. Das ist seit dem
1. Januar dieses Jahres in Kraft.

Das Berufsbildungsgesetz soll darüber hinaus mit dem
Ziel novelliert werden, die duale Ausbildung zu stärken,
mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen zu
schaffen, die berufliche Bildung weiter zu internationali-

sieren, das Prüfungswesen zu modernisieren und den Gel-
tungsbereich des Gesetzes zu erweitern. Zur Vorbereitung
der Reform befindet sich die Bundesregierung in einem
intensiven Dialog mit Experten und Sozialpartnern. Im
Anschluss wird sie einen Gesetzentwurf erarbeiten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502715900

Zusatzfrage, Herr Kollege Lensing.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1502716000

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie glauben, dass

all das, was Sie gerade ausgeführt haben, lediglich durch
die Novellierung oder totale Änderung des Berufsbil-
dungsgesetzes denkbar ist? Glauben Sie, dass hierdurch
verhindert wird, dass wir ein weiteres Maß an Regulie-
rungssucht und Bürokratie zu ertragen haben?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502716100


In der Diskussion im Zusammenhang mit der Novelle
des Berufsbildungsgesetzes geht es vor allem darum, das
Berufsbildungsgesetz den aktuellen Anforderungen anzu-
passen. Ich verweise nochmals darauf, dass wir beispiels-
weise Maßnahmen zur stärkeren Internationalisierung der
Berufsbildung einarbeiten müssen. Darüber werden Ge-
spräche auf internationaler Ebene geführt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502716200

Weitere Zusatzfrage?


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1502716300

Ich warte die Antwort auf meine nächste Frage ab und

werde dann eine Zusatzfrage stellen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502716400

Dann rufe ich die Frage 8 des Kollegen Lensing auf:

Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber ge-
werkschaftlichen Forderungen nach einer Umlagefinanzierung,
einem Rechtsanspruch auf berufliche Ausbildung sowie einer
Übertragung der Aufgaben der für die Berufsbildung zuständigen
Stellen auf eine „neutrale Institution“?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502716500


Herr Kollege Lensing, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Die Bundesregierung sieht die Entwicklung auf
dem Arbeitsmarkt mit Sorge. Sie befindet sich mit den
Sozialpartnern in einem Dialog über die notwendigen
Maßnahmen. Wir halten nach wie vor am Ausbildungs-
konsens fest und werden die Wirtschaft verstärkt in die
Pflicht nehmen, ein ausreichendes betriebliches Ausbil-
dungsplatzangebot sicherzustellen. Das Hauptziel muss
sein, bisher noch nicht ausbildende Betriebe – auch im
wohlverstandenen Eigeninteresse – für die Berufsausbil-
dung zu gewinnen. Wir wollen eine Allianz für Ausbil-
dung, in der alle Verantwortlichen ihre Anstrengungen

Jens Spahn




Parl. Staatssekretär Christoph Matschie
bündeln und neue Initiativen für mehr betriebliche Aus-
bildungsplätze verabreden und starten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502716600

Zusatzfrage, Herr Kollege Lensing.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1502716700

Nicht zuletzt die Gewerkschaften haben sich mit der

Frage der Umlagefinanzierung, einem Rechtsanspruch
auf berufliche Ausbildung sowie einer Übertragung von
Aufgaben auf eine neutrale Institution befasst und ent-
sprechende Forderungen gestellt. Vor diesem Hintergrund
möchte ich wissen, ob Sie den Gewerkschaften Hoffnung
machen, dass ihre Forderungen durch die Novellierung
des Gesetzes erfüllt werden. Wie hat man sich eine „neu-
trale Institution“ vorzustellen?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502716800


Herr Kollege Lensing, ich will zunächst noch einmal
betonen, dass wir uns auf der Grundlage des Ausbil-
dungskonsenses bewegen wollen. Die von Ihnen abge-
fragten Punkte sind nicht Teil des Konsenses und werden
deshalb im Moment auch nicht verfolgt.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Meine Zusatzfrage bezog sich auch darauf, wie die Institution ausgestaltet werden soll!)


– Welche Institution? Jetzt muss ich zurückfragen.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1502716900

Wir haben den Eindruck, dass Sie nach der Verabschie-

dung des Berufsbildungsgesetzes eine Institution schaffen
wollen, die das im Einzelnen zu überwachen, zu überprü-
fen und zu kontrollieren hat.

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502717000


Von einer solchen Absicht ist mir bisher nichts bekannt.
Wir befinden uns in der Anfangsphase der Diskussion mit
den Sozialpartnern über eine Novellierung des Berufsbil-
dungsgesetzes. Sie kennen diese Diskussion. Vor dem
Hintergrund dieser Diskussion werden die notwendigen
Änderungen verabredet und dann natürlich auch im zu-
ständigen Ausschuss diskutiert werden.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1502717100

Gut. Vielen Dank.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502717200

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1502717300

Herr Staatssekretär, wir sprechen hier über die Ausbil-

dung von jungen Menschen. Dafür ist von allen gesell-

schaftlich verantwortlichen Gruppen alles zu tun. Frage:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Ausbildungs-
stellen durch die desolate wirtschaftliche Entwicklung der
letzten vier Jahre weggefallen sind?

C
Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1502717400


Herr Kollege, in den letzten vier Jahren hat es auf dem
Ausbildungsstellenmarkt eine Entwicklung gegeben, die
zu einer zunehmenden Anzahl von Ausbildungsplätzen
geführt hat. Im Jahr 2001 beispielsweise standen mehr
Ausbildungsplätze zur Verfügung, als es Ausbildungs-
platzsuchende gab. Es gibt im abgeschlossenen Ausbil-
dungsjahr 2002 noch einen ganz kleinen Bestand an un-
vermittelten Bewerbern. Diesen Personen – es handelt
sich um etwa 0,5 Prozent der Bewerber – werden weitere
Angebote gemacht werden.

Was das neue Ausbildungsjahr angeht, so kann man im
Moment noch keine konkreten Aussagen machen. Aller-
dings – deshalb habe ich gesagt: Wir beobachten die Ent-
wicklung mit Sorge – ist im Vergleich zum Vorjahr im
Moment eine geringere Anzahl betrieblicher Ausbil-
dungsplätze gemeldet. Deshalb wollen wir alles daranset-
zen, dass mehr betriebliche Ausbildungsplätze gemeldet
und zur Verfügung gestellt werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502717500

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht die Par-
lamentarische Staatssekretärin Frau Vogt zur Verfügung.

Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Fromme sollen
schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Petra Pau auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass jährlich Hunderte

Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen umkommen, und welche
Schritte gedenkt sie zu unternehmen, die insoweit fatalen Wir-
kungen dieser EU-Außengrenzen zu prüfen?

U
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1502717600


Sehr geehrte Frau Kollegin Pau, der Bundesregierung
sind statistische Erhebungen zu Ihrer Fragestellung nicht
bekannt. Ich verweise zudem auf die Antwort, die wir Ih-
nen im Rahmen der Fragestunde im Deutschen Bundestag
am 12. Februar 2003 auf Ihre Frage – das war die Fra-
ge 40 – gegeben haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502717700

Zusatzfrage, Frau Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502717800

Selbst wenn Ihnen die Zahlen nicht bekannt sind, so

gibt es ja öffentlich zugängliche Presseberichte. Gerade
erst haben wir wieder von der Festnahme von Schleppern
an der deutsch-polnischen Grenze gehört. Insofern inte-


(A)



(B)



(C)



(D)


2090


(A)



(B)



(C)



(D)






ressiert mich, welche Anstrengungen die Bundesregie-
rung auch im Rahmen der Europäischen Union unter-
nimmt, um diese Zustände an den EU-Außengrenzen an-
ders und erträglicher zu gestalten.

U
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1502717900


Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, sind für uns die
Daten zu Todesfällen zum Beispiel an der deutsch-polni-
schen Grenze und an der deutsch-tschechischen Grenze er-
fassbar. Es handelt sich um vier Fälle an der deutsch-polni-
schen und einen Fall an der deutsch-tschechischen Grenze.

Wir sind insgesamt bemüht, im Rahmen der Krimina-
litätsbekämpfung auf internationaler und auf europäischer
Ebene das Schleuserunwesen zu bekämpfen und die ille-
gale Migration einzugrenzen, möglichst zu verhindern. In
diesem Sinne sind wir tätig. Aber es gibt keine statistisch
erfassten Daten. Unsere Bemühungen auf internationaler
und europäischer Ebene richten sich darauf, solche ille-
galen Wanderungen zu verhindern.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502718000

Weitere Zusatzfrage?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502718100

Danke.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502718200

Dann haben wir auch diesen Geschäftsbereich abge-

handelt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-

teriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Rezzo Schlauch zur
Verfügung.

Ich rufe zunächst die beiden Fragen des Kollegen Rose
zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, die
– darüber besteht Einvernehmen – durch das Wirtschafts-
ministerium beantwortet werden sollen.

Frage 1 des Kollegen Rose:
Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit nach wie vor deut-

sche Firmen mit irakischen Geschäftspartnern Dual-use-Ge-
schäfte betreiben, also mit Gütern, die auch militärischen Zwecken
dienen können?

Frage 2 des Kollegen Rose:
Falls ja, beabsichtigt die Bundesregierung eine stärkere Kon-

trolle von wirtschaftlichen, politischen oder anderen deutsch-ara-
bischen Gesellschaften, soweit in deren Reihen Firmenvertreter
Kontakte auch mit irakischen Unternehmen unterhalten?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502718300


Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Rose, mit Ihrer Zu-
stimmung beantworte ich beide Fragen zusammen.

Zu Frage 1: Seit dem Irakembargo von 1990 finden ge-
nehmigte Exporte in den Irak nur noch in der Form von

humanitären Lieferungen in begrenztem Umfang sowie
von Gütern statt, die im Rahmen des seit 1996 bestehen-
den „Oil for Food“-Programms geliefert werden. Der Ex-
port solcher Güter setzt im Regelfall sowohl eine Geneh-
migung der zuständigen VN-Gremien als auch des
Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA,
voraus.

Die Vereinten Nationen haben eine Goods Review List
erstellt, auf der die von Ihnen angesprochenen Dual-use-
Güter im Einzelnen gelistet sind. Ausfuhren der von die-
ser Liste erfassten Güter bedürfen der Zustimmung des
Sanktionsausschusses der Vereinten Nationen. Dem BAFA
liegen keine Anträge deutscher Firmen vor, die Güter ent-
halten, die unter diese Goods Review List fallen. Im Übri-
gen würde es der deutschen Genehmigungspolitik zu Aus-
fuhren an den Irak entsprechen, bei Zweifeln über die
erforderliche zivile Verwendung der Ware die im Rahmen
des Totalembargos nur ausnahmsweise mögliche Geneh-
migung nicht zu erteilen.

Zu Frage 2: Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen
zum Irak unterhalten, ist das umfassende Handelsem-
bargo bekannt. Auch wirtschaftliche, politische oder an-
dere deutsch-arabische Gesellschaften kennen diese Em-
bargobestimmungen, die auch alle Tätigkeiten zur
Förderung verbotener Ausfuhren, Einfuhren und Dienst-
leistungen untersagen. Verstöße gegen die Embargobe-
stimmungen werden von den zuständigen Strafverfol-
gungsbehörden verfolgt und können mit Freiheitsstrafen
bis zu 15 Jahren geahndet werden. Sie sind mit Sicherheit
darüber informiert, dass vor kurzem ein solches Verfahren
vor dem Landgericht Mannheim stattgefunden hat. So-
weit die Embargovorschriften eingehalten werden, sind
Geschäftskontakte mit irakischen Unternehmen, zum
Beispiel zur Erlangung von Aufträgen für genehmigungs-
fähige Ausfuhren im Rahmen des Oil-for-Food-Programms
zulässig.

Vor dem Hintergrund der umfassenden Embargorege-
lungen erscheinen der Bundesregierung weitere Vor-
schriften zur Beschränkung derartiger Geschäftskontakte
nicht erforderlich.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502718400

Zusatzfrage, Herr Kollege Rose?


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1502718500

Trügt mich der Eindruck, Herr Staatssekretär, dass Sie

zwar die offizielle Linie ordnungsgemäß vorgetragen ha-
ben, aber, wenn nicht der „Spiegel“ und Sendungen wie
„Report“ die Unwahrheit berichten, Verschiedenes ge-
schieht, an dem auch Organe der Bundesregierung betei-
ligt sind, und solche Geschäftskontakte stattfinden?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502718600


Nach meiner Kenntnis trügt dieser Eindruck, und zwar
deshalb, weil die Gesetzeslage so eindeutig ist, dass ei-
gentlich keine Grauzonen möglich sind. Denken Sie ins-
besondere daran, dass hier in erster Linie UN-Gremien

Petra Pau




Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch
zuständig sind und es dann, wenn etwas gegen diese Ge-
setzeslage geschieht, Sache der Strafverfolgungsbehör-
den ist. Vonseiten der Bundesregierung jedenfalls werden
Genehmigungen, die nicht der gesetzlichen Regelung ent-
sprechen, nicht erteilt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502718700

Zweite Zusatzfrage.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1502718800

Teilt dann die Bundesregierung die Erkenntnisse des

Kölner Zollkriminalamtes, wonach auf Reisen von deut-
schen Geschäftsleuten, die von der deutschen Regierung
ja stark unterstützt werden, illegale Kontakte, so möchte
ich das einmal nennen, mit Geschäftspartnern im Irak an-
gebahnt werden, bei denen durchaus auch illegale Rüs-
tungsexporte angestrebt werden? Das ist, wie gesagt, an
vielen Stellen nachzulesen.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502718900

Mir ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung Reisen
von Geschäftsleuten in den Irak unterstützt; schon gar
nicht Reisen, auf denen illegale Geschäfte angebahnt wer-
den sollen. Diesbezüglich gibt es vonseiten der Bundes-
regierung keine Aktivitäten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502719000

Weitere Zusatzfrage.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1502719100

Ich möchte noch nachhaken. Natürlich kann man, wie

es in diesem Umfeld üblich ist, nicht von Hause aus je-
mandem unterstellen, dass er, wenn er ein Visum erhält
und bei Pass- und Zollformalitäten sowie bei der Bagdad-
Messe die Unterstützung der Botschaft bekommt, etwas
Illegales treibt. Das ist schon klar.

Trotzdem stehen wir gerade gegenüber dem Irak in ei-
ner engen Front in Bezug auf das Waffen- und Handels-
embargo, sodass ich mich als Mitglied einer Bundes-
regierung noch nicht einmal dem Verdacht aussetzen
würde, Kontakte zu unterstützen, die man hinterher auf-
grund anderer Quellen feststellen kann.

Ich frage Sie deshalb konkret – obwohl ich das lieber
das Auswärtige Amt gefragt hätte –: Warum unterstützt
man dann solche Kontakte oder Institutionen – die vom
Auswärtigen Amt Mittel erhalten –, in denen die Bedeu-
tung des irakischen Diktators ganz offiziell herunterge-
spielt wird – völlig anders als im Fall des Chefs des Aus-
wärtigen Amtes, der ihn als Diktator bezeichnet – und die
Leute beschäftigen, die diesen Diktator als eigentlich fast
liebenswerten Menschen bezeichnen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502719200


Herr Kollege Dr. Rose, Sie benutzen den Ausdruck
„unterstützen“. Unterstützen bedeutet juristisch, wenn

mich meine juristischen Kenntnisse nicht im Stich lassen,
Beihilfe, sozusagen tätige Hilfe.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Ich vermag nicht zu erkennen, warum die Erteilung eines
Visums, auf die möglicherweise Anspruch besteht, eine
Unterstützungshandlung sein soll. Eine Form der Unter-
stützung ist auch in dem Fall, auf den Sie sich beziehen,
mit Sicherheit keinesfalls gegeben.

Deshalb kann ich Ihnen deutlich sagen – in dieser Be-
ziehung bin ich mit Ihrer Analyse vollkommen einver-
standen und einig –: Selbstverständlich stehen wir dem
System von Saddam Hussein als Diktator in einer klar ab-
lehnenden Haltung gegenüber. Deshalb gibt es seitens der
Bundesregierung jedenfalls keine Unterstützung für Men-
schen, die illegale Geschäfte anbahnen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502719300

Herr Kollege Rose, Sie haben eine weitere Zusatz-

frage.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1502719400

Ich möchte meine vierte Zusatzfrage dazu nutzen, Sie

zu fragen, ob Sie als Wirtschaftsministerium, vielleicht in
Zusammenarbeit mit anderen Stellen, wenigstens bereit
sind, den in der Sendung „Report“ von Montagabend
doch ziemlich massiv vorgetragenen Vorwürfen nachzu-
gehen. Wenn es anonyme Anzeigen gibt, muss man sie
verfolgen. Hier sind in einem großen öffentlichen Bericht
Unterstellungen oder vielleicht sogar Fakten aufgetaucht,
denen man nachgehen muss. Können Sie mir zusagen,
dass Sie als Bundesregierung das tun?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502719500


Mir persönlich ist dieser Bericht von „Report“ nicht
bekannt. Ich kenne einen Bericht des „Spiegel“, auf den
Sie sich möglicherweise ebenfalls beziehen. Wenn es sich
in beiden Fällen um denselben Akteur handelt, dann bin
ich selbstverständlich gerne bereit, Ihrer Anregung nach-
zukommen und Ihnen unsere Erkenntnisse und unsere
Haltung bezüglich der Aktivitäten dieser Person darzule-
gen und zu dem Stellung zu nehmen, was sowohl im
„Spiegel“-Bericht wie auch in der Sendung „Report“ vor-
getragen worden ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502719600

Nächste Nachfrage, bitte schön.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1502719700

Herr Staatssekretär, ich möchte an die letzte Zusatz-

frage anknüpfen. Können Sie mit Ihrem heutigen Wis-
sensstand denn ausschließen, dass es stimmt, was in den
Medienberichten offen diskutiert wird, nämlich dass von
deutschen Firmen in der Vergangenheit acht mobile La-
bors, die auch zur Herstellung von Pockenviren genutzt


(A)



(B)



(C)



(D)


2092


(A)



(B)



(C)



(D)






werden können – ich zitiere aus dem Medienbericht –, an
den Irak geliefert wurden?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502719800


Herr Kollege, ich kann überhaupt nichts ausschließen.
Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass das – das war so-
zusagen die ursprüngliche Fragestellung – in jedem Fall
illegal und damit Sache der Strafverfolgungsbehörden
wäre und dass dafür selbstverständlich keine Genehmi-
gung der Bundesregierung vorliegen würde.

Aber ich bin gerne bereit – diese Zusage wiederhole
ich –, diese Vorwürfe zu prüfen und die diesbezüglichen
Erkenntnisse der Bundesregierung den Fragestellern zu-
kommen zu lassen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502719900

Es gibt eine weitere Zusatzfrage, und zwar des Kolle-

gen Schröder.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1502720000

Kann ich davon ausgehen, dass Sie nicht ausschließen

können, dass diese acht Labors, von denen in dem „Re-
port“-Bericht von Montagabend konkret berichtet wurde,
noch genutzt werden?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502720100


Man muss zunächst einmal recherchieren, ob dieser
Bericht zutreffend ist. Wenn er zutreffend ist, dann muss
man klären, auf welchem Weg und von welcher Quelle
diese Labors geliefert worden sind. Wenn man diese Er-
kenntnisse hat, dann ist es – ich sage dies noch einmal –
eine Angelegenheit der Strafverfolgungsbehörde und
nicht der Bundesregierung.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502720200

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schockenhoff.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1502720300

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkennt-

nisse, dass diese Labors auf der vom Irak an Chefinspek-
teur Blix übermittelten Liste stehen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502720400


Ich habe diese Erkenntnisse nicht.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502720500

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Die übrigen Fra-

gen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit werden nun in der vorgesehenen
Reihenfolge aufgerufen.

Wir kommen zunächst zur Frage 12 des Abgeordneten
Uwe Schummer:

Hat die Bundesregierung Pläne, die Bundesanstalt für Arbeit
von sachfremden Aufgaben, wie zum Beispiel „Bekämpfung ille-
galer Beschäftigung“ und der „Kindergeldkasse“, zu entbinden, so
wie sie es in der 14. Wahlperiode vorgesehen hat, und gibt es Be-
strebungen, die bisherige Aufgabe „Bekämpfung illegaler Be-
schäftigung“ auf den deutschen Zoll zu übertragen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502720600


Lieber Herr Kollege Schummer, die Bundesregierung
prüft derzeit in enger Abstimmung mit allen Beteiligten,
welche gesetzlichen Änderungen im Bereich der Organi-
sation der Bundesanstalt erforderlich sind, um die Dienst-
leistungsqualität nachhaltig zu verbessern. Sie wissen si-
cherlich, dass die Struktur der Bundesanstalt für Arbeit
von Grund auf überprüft wird und reformiert werden soll,
was eine ziemliche Herkulesarbeit darstellt. Bei dieser
Prüfung wird natürlich auch der von Ihnen genannte
Aspekt berücksichtigt.

Die Prüfung, ob die Bundesanstalt für Arbeit von den
genannten Aufgaben entlastet werden soll, ist noch nicht
abgeschlossen. Die Kommission „Moderne Dienstleis-
tungen am Arbeitsmarkt“ hat sich grundsätzlich für eine
Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit von sachfremden
Aufgaben ausgesprochen. Hinsichtlich der Bekämpfung
der illegalen Beschäftigung hat sie jedoch vorgeschlagen,
die Aufgabe zumindest vorübergehend bei der Bundesan-
stalt für Arbeit zu belassen. Hinsichtlich der Auszahlung
des Kindergeldes durch die Familienkassen der Ar-
beitsämter hat die Kommission ausdrücklich eine wirt-
schaftliche Arbeitsweise festgestellt und dargelegt, dass
gegenwärtig dazu keine sinnvolle Alternative gegeben ist.


Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1502720700

Herr Staatssekretär Schlauch, wie viele Beschäftigte

hat die Bundesanstalt für Arbeit aktuell und wie viele da-
von sind in der Vermittlung tätig? Hat sich die Relation
zugunsten der Vermittlungstätigkeit in den Arbeitsämtern
im letzten Jahr verändert?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502720800


Herr Kollege, entschuldigen Sie vielmals, dass ich kein
wandelndes Statistisches Bundesamt bin. Deshalb kann
ich Ihnen nicht die konkreten Beschäftigtenzahlen darle-
gen. Ich kann Ihnen auch nicht das genaue Verhältnis der
Zahl der Mitarbeiter, die in der Vermittlung tätig sind, zu
der Zahl der Mitarbeiter, die andere Aufgaben wahrneh-
men, nennen. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen die konkre-
ten Zahlen nachzureichen.

Klar ist jedoch – insofern sind Sie auf der richtigen
Fährte –, dass auch nach unserer Ansicht die Zahl der Be-
schäftigten, die in der Vermittlung tätig sind, unzurei-
chend ist und dass es Gegenstand der Reform sein muss,
die Vermittlungstätigkeit in erheblichem Umfang auszu-
bauen. Die Vermittlung war zwar schon bisher eine Kern-
aufgabe; aber ihr muss eine noch sehr viel größere Be-
deutung zukommen.

Ich bin, wie gesagt, gerne bereit, Ihnen die konkreten
Zahlen nachzureichen.

Clemens Binninger






Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1502720900

Unterstützt die Bundesregierung die Möglichkeit, Job-

center zu schaffen, die in enger Zusammenarbeit mit den
Arbeitsämtern, aber in kommunaler oder privater Träger-
schaft stehen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502721000


Diese Frage wird ebenfalls geprüft. Wir sind der Auf-
fassung, dass es wahrscheinlich gar keine andere Mög-
lichkeit gibt, als die Institutionen, die derzeit auf kommu-
naler Ebene bei der Vermittlung von besonders schwer zu
vermittelnden Arbeitskräften teilweise sehr erfolgreich
arbeiten, mit ihrer Erfahrung und ihrem Know-how in die
Jobcenter zu integrieren. Deshalb werden die bereits be-
stehenden Projekte mit Sicherheit in diese Jobcenter inte-
griert werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502721100

Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Martin

Hohmann auf:
Wie hoch sind die geschätzten Einnahmen des Bundes durch

die vom Bundeskartellamt gegen die Unternehmen der Zement-
industrie für möglich gehaltenen Bußgelder – „Frankfurter Allge-
meine Zeitung“ vom 3. Februar 2003 – und in welche Haushalts-
titel werden diese gegebenenfalls eingestellt?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502721200


Herr Kollege Hohmann, darf ich auch Ihre beiden Fra-
gen zusammen beantworten?


(Martin Hohmann [CDU/CSU]: Ja!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502721300

Dann rufe ich auch die Frage 14 des Abgeordneten

Martin Hohmann auf:
In welcher Höhe sind in den letzten zwei Jahren Bußgelder

durch das Bundeskartellamt verhängt worden und in welche
Haushaltstitel wurden diese Einnahmen eingestellt?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502721400


Zur Frage 13: Das Bundeskartellamt hat bereits drei
großen Unternehmen der Zementindustrie die voraus-
sichtlich zu verhängenden Geldbußen mitgeteilt. Sie
belaufen sich insgesamt auf 200 Millionen Euro. Die Ver-
fahren sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Bußgeldbe-
scheide wurden noch nicht verschickt. Über die Höhe der
gegen die übrigen Zementhersteller zu verhängenden
Geldbußen kann zurzeit noch keine abschließende Aus-
sage getroffen werden.

Ob gezahlte Bußgelder im Bundeshaushalt ver-
einnahmt werden, hängt insbesondere davon ab, ob die
betroffenen Unternehmen Rechtsmittel gegen die Buß-
geldbescheide einlegen. Akzeptieren sie die Bußgeldbe-
scheide und legen sie keine Rechtsmittel ein, fließt dem
Bund das gezahlte Bußgeld als Einnahme direkt zu.

Kommt es jedoch zu einem Verfahren vor dem zuständi-
gen Oberlandesgericht in Düsseldorf und wird der Buß-
geldbescheid von diesem Gericht rechtskräftig bestätigt,
so fließt das Geld dem Landeshaushalt zu.

Fließen gezahlte Bußgelder dem Bundeshaushalt zu, so
werden die Einnahmen bei Kap. 0908 Tit. 112 01 – Geld-
strafen, Geldbußen und Gerichtskosten – vereinnahmt.

Zu Ihrer zweiten Frage, zur Frage 14: Die Bußgeldein-
nahmen betrugen im Jahre 2001 37,554 Millionen Euro
und im Jahre 2002 8,052Millionen Euro. Die Einnahmen
wurden, wie ich bereits erwähnte, bei Kap. 0908
Tit. 112 01 vereinnahmt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502721500

Herr Kollege Hohmann, Ihre Zusatzfrage.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1502721600

Herr Staatssekretär, dann muss es das Interesse des

Bundes sein, dass die betroffenen Unternehmen mög-
lichst keine Rechtsmittel einlegen, sondern zahlen. Er-
leichtern Sie die Entscheidung, an die Bundeskasse zu
zahlen, vielleicht dadurch, dass Sie Ratenzahlungen an-
bieten? Denn es geht ja zum Teil um recht hohe Summen,
um insgesamt 200 Millionen Euro; das ist ja kein Pap-
penstiel.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502721700


Das kann ich so ohne weiteres nicht sagen. Ich weiß
aus meiner Praxis als Rechtsanwalt, dass einer Ratenzah-
lung, sofern solche Anträge gestellt und entsprechend be-
gründet werden, nichts entgegensteht. Ich teile Ihre Auf-
fassung: Der Bund wäre selbstverständlich gut beraten,
solche Ratenzahlungen zu akzeptieren, wenn das Geld in
seine Kasse fließt.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1502721800

Herr Staatssekretär, mir sind auf der einen Seite sogar

Einnahmen aus solchen Bußgeldern in Höhe von 700Mil-
lionen Euro – ich darf Sie auch bitten, diese Zahl zu be-
stätigen – genannt worden. Auf der anderen Seite heißt es,
nur 150Millionen Euro seien verbucht worden. Sie haben
jetzt eine Zahl von 200 Millionen Euro angegeben. Zwi-
schen diesen 700 und den 150 Millionen Euro besteht ja
eine erhebliche Differenz. Man könnte daran denken, dass
für den Herrn Finanzminister eine Art schwarze Kasse
entsteht.

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502721900


Wenn das Wirtschaftsministerium schwarze Kassen
hätte, dann, so glaube ich, hätten wir ein Problem. Eine
solche schwarze Kasse gibt es nicht.

Die Diskrepanz, die Sie benennen, kann ich mir
schlecht vorstellen. Denn, wie gesagt, die 200 Millionen
Euro, die ich Ihnen im Hinblick auf die laufenden Verfah-
ren genannt habe, sind eine klare Zahl. Ob möglicher-


(A)



(B)



(C)



(D)


2094


(A)



(B)



(C)



(D)






weise darüber hinaus etwas verhängt wird, kann ich nicht
sagen. Jedenfalls ist mir eine Zahl von insgesamt 700Mil-
lionen Euro nicht geläufig.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502722000

Herr Kollege Hohmann, Sie hätten noch zwei Zusatz-

fragen. – Sie verzichten darauf.
Vielen Dank. Dann sind wir am Ende des Geschäftsbe-

reichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums

der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht der Herr
Parlamentarische Staatssekretär Hans Georg Wagner zur
Verfügung.

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Wolfgang
Börnsen (Bönstrup) auf:

Gibt es bereits eine Vorschlagliste für die Veränderung bzw.
Aufgabe von Bundeswehrstandorten und könnten das Marineflie-
gergeschwader 2 in Tarp/Eggebek und die Minensuchflottille in
Kappeln/Olpenitz kurz- oder mittelfristig dazugehören?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502722100


Herr Kollege Börnsen, Bundesminister Dr. Struck hat
am 5. Dezember 2002 erklärt, dass die Bundeswehrre-
form weiterentwickelt wird und hierzu einen konzeptio-
nellen Rahmen in Form neuer Verteidigungspolitischer
Richtlinien erhält. Diese werden bis zum Frühjahr 2003
erarbeitet. Parallel dazu sollen bestimmte Handlungsop-
tionen weiterverfolgt und ausgeplant werden. Ergebnisse
sollen dem Bundesminister zum Frühjahr 2003 zur Ent-
scheidung vorgelegt werden.

Die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die
Strukturen der Bundeswehr und auf die Stationierung sind
dann vorbehaltlos und besonders sorgfältig zu prüfen. Da-
bei ist es nicht das primäre Ziel, die Stationierung nur un-
ter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimie-
ren. Vielmehr wird ein umfassender Kriterienkatalog zur
Vorbereitung und Bewertung von Stationierungsentschei-
dungen angewandt werden, der seit dem Jahre 2000 für
alle Stationierungsentscheidungen herangezogen wird.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen noch keine Er-
kenntnisse vor, inwieweit sich Anpassungen der Statio-
nierung für die Standorte Tarp/Eggebek und Kappeln/Ol-
penitz ergeben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502722200

Bitte schön, Herr Kollege Börnsen.


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1502722300

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, bedeu-

tet Ihre Erklärung, dass Sie in Ihren Verteidigungspoliti-
schen Richtlinien weggehen von den bisherigen Konzep-
tionen, die auch die Weizsäcker-Kommission am 25. Mai
2000 vorgelegt hat, nach denen bestimmte Teilstreit-
kräfte, zum Beispiel die Marine, aufgestockt und nicht ab-
gebaut werden sollen?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502722400


Sie wissen ja, dass die Verteidigungspolitischen Richt-
linien, die seit 1992 gelten, fortgeschrieben werden, und
dabei werden diese Fragen natürlich mit berücksichtigt
werden. Ich kenne den Entwurf der Richtlinien, die dem
Minister zur Entscheidung vorgelegt werden, noch nicht,
kann also Ihre Frage in diesem Punkt nicht beantworten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502722500

Sie haben noch eine Zusatzfrage.


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1502722600

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, wann

rechnen Sie damit, dass der Verteidigungsminister die
neue Konzeption, die ja auch die Standorte direkt betref-
fen wird, vorlegen wird?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502722700


Es ist vorgesehen, dass die Verteidigungspolitischen
Richtlinien bis Ende Februar/Anfang März vorliegen. Die
daraus zu ziehenden Konsequenzen wird der Generalin-
spekteur vornehmen; das wird sich bis Mitte März hin-
ziehen. Ob Standorte überhaupt betroffen sind, vermag
ich nicht zu sagen, weil ich den Entwurf dieser Richtlinie
nicht kenne.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502722800

Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Ole

Schröder auf:
Mit welchen Sparmaßnahmen sieht sich das Bundesministe-

rium der Verteidigung, BMVg, in den nächsten Jahren konfron-
tiert und plant das BMVg zur Einhaltung der Sparpläne auch die
Aufgabe von Standorten in Schleswig-Holstein?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1502722900


Herr Kollege Schröder, wie eben schon gesagt, hat
Bundesminister Dr. Struck am 5. Dezember 2002 erklärt,
dass die Bundeswehrreform weiterentwickelt wird und
hierzu einen konzeptionellen Rahmen in Form neuer Ver-
teidigungspolitischer Richtlinien erhält. Diese sollen bis
zum Frühjahr 2003 – auch das habe ich eben ausgeführt –
erarbeitet werden. Parallel dazu sollen bestimmte Hand-
lungsoptionen weiterverfolgt und ausgeplant werden.

Die laufenden Untersuchungen hierzu sind von folgen-
den Leitgedanken bestimmt:

Erstens. Altes und im Betrieb besonders aufwendiges
und teures Material ist so frühzeitig wie möglich und ver-
antwortbar aus der Nutzung zu nehmen.

Zweitens. Beim Betrieb und bei der Beschaffung ist
eine Konzentration auf dasjenige Material erforderlich,
das für die wahrscheinlichsten Einsätze gebraucht wird.

Drittens. Wo immer möglich und sinnvoll, sind multi-
nationale Kooperationslösungen zu verfolgen.

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch




Parl. Staatssekretär Hans Georg Wagner

Viertens. Redundanzen sind grundsätzlich zu vermei-
den und der Betrieb ist effizienter zu gestalten.

Die Ergebnisse sollen, wie eben ausgeführt, dem Herrn
Bundesminister bis zum Frühjahr zur Entscheidung vor-
gelegt werden. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen
auf die Strukturen der Bundeswehr und auf die Stationie-
rung sind dann vorbehaltlos und besonders sorgfältig zu
prüfen. Dabei ist es, wie eben schon gesagt, nicht das
primäre Ziel, die Stationierung nur unter betriebswirt-
schaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Vielmehr
wird der umfassende Kriterienkatalog zur Vorbereitung
und Bewertung von Stationierungsentscheidungen ange-
wandt werden, der seit dem Jahre 2000 für alle Stationie-
rungsentscheidungen heranzogen wird und der den Kol-
leginnen und Kollegen ja auch bekannt ist. Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt liegen noch keine Erkenntnisse
vor, inwieweit sich Anpassungen der Stationierung auch
für die Standorte in Schleswig-Holstein ergeben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502723000

Herr Kollege, Sie hätten noch Zusatzfragen.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Danke!)

– Sie verzichten also darauf.

Die Fragen Nr. 17 und 18 des Abgeordneten Jürgen
Koppelin werden schriftlich beantwortet.

Damit verlassen wir den Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Zur Beant-
wortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär
Franz Thönnes zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 19 der Abgeordneten Petra Pau auf:
Wie viele Anträge auf Gewährung von Grundsicherungsleis-

tungen wurden bisher gestellt?

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1502723100


Frau Kollegin Pau, Ihre Frage beantworte ich wie folgt:
Über die Zahl der bei den zuständigen Trägern der Grund-
sicherung eingegangenen Anträge liegen der Bundesre-
gierung bisher keine Angaben vor.

Das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung ist erst seit 1. Ja-
nuar dieses Jahres in Kraft. Es gewährleistet für Personen
ab 65 Jahren sowie für medizinisch bedingt dauerhaft voll
erwerbsgeminderte Personen ab 18 Jahren eine Absiche-
rung ihres notwendigen Lebensunterhaltsbedarfs. Für die
Durchführung des Gesetzes sind nach § 4 Abs. 1 Grund-
sicherungsgesetz die Kreise oder kreisfreien Städte als
Träger vorgesehen und auch zuständig. Nach § 8 Abs. 1
Grundsicherungsgesetz werden Erhebungen über die
Empfänger sowie die Ausgaben und die Einnahmen der
bedarfsorientierten Grundsicherung als Bundesstatistik
durchgeführt. Die Erhebung erfolgt jährlich zum 31. De-
zember als Bestandserhebung.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502723200

Ihre Zusatzfrage, Frau Kollegin.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502723300

Ich habe eine Nachfrage. Liegen der Bundesregierung

Erkenntnisse vor, dass Anspruchsberechtigte diesen An-
trag nicht stellen, da sie durch die Bürokratie bzw. auch
die Antragsformulare, welche zum Beispiel über die Ver-
mögensverhältnisse der nächsten Angehörigen sehr genau
Auskunft verlangen, hiervon abgehalten werden?

F
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1502723400


Nein, derartige Erkenntnisse liegen uns bislang nicht
vor. Wir hatten seitens des Hauses vorweg eine intensive
Beratungstätigkeit veranlasst. Es hat Formulare, Broschü-
ren und Schulungen gegeben, auch für diejenigen, die vor
Ort arbeiten. Es ist klar, dass vor dem Hintergrund eines
neuen Gesetzes und der Formulare viele Fragen auftreten.
Aber wir gehen davon aus, dass dies mit den engagierten
Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern vor Ort in den
Grundsicherungsämtern oder in den Sozialämtern schnell
und zügig behandelt werden kann. Im Übrigen stehen
auch die Rentenversicherungsträger für Beratung und
Hilfen zur Verfügung.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502723500

Keine weitere Zusatzfrage.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502723600

Der Geschäftsbereich für Gesundheit wird beantwortet

von der Frau Parlamentarischen Staatssekretärin Marion
Caspers-Merk.

Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr.Wolf Bauer
auf:

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Aus-
wirkungen des zum 1. Januar 2003 mit dem Beitragssatzsiche-
rungsgesetz in Kraft getretenen Rabatteinzugsverfahrens insbe-
sondere auf die wirtschaftliche Situation der Apotheken?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502723700


Herr Kollege, die Entlastung der gesetzlichen Kranken-
versicherung durch das Beitragssatzsicherungsgesetz
wird durch folgende Regelungen erreicht – Sie haben sich
ja insbesondere nach der Situation der Apotheken und der
Rabattsituation erkundigt –: erstens einen Herstellerrabatt
bei den Arzneimitteln in der Größenordnung von 420Mil-
lionen Euro pro Jahr, zweitens einen Großhandelsab-
schlag in der Größenordnung von 600 Millionen Euro pro
Jahr und drittens eine Erhöhung des so genannten Apo-
thekenrabatts in der Größenordnung von 350 Millionen
Euro pro Jahr.

Die Einzelheiten der Umsetzung der Abschlagsrege-
lungen werden von den beteiligten Verbänden im Rahmen
von Verträgen geregelt. Bisher ist nicht bekannt, ob diese


(A)



(B)



(C)



(D)


2096


(A)



(B)



(C)



(D)






Abschläge bereits in den Abrechnungen für den Monat Ja-
nuar vollständig berücksichtigt worden sind. Die Vertrags-
parteien können vereinbaren, dass die endgültige Höhe
der Abschläge in den folgenden Abrechnungen nachträg-
lich ermittelt wird. Der Herstellerabschlag soll von den
Apothekenrechenzentren direkt mit Herstellern einerseits
und Krankenkassen andererseits abgerechnet werden.

Nach einem Bericht der „Deutschen Apotheker Zeitung“
vom 23. Januar 2003 ist davon auszugehen,

dass im Februar eine weit gehend reibungslose Ab-
wicklung der Rabattverrechnungen nach den neuen
gesetzlichen Regelungen sowohl mit den Kranken-
kassen als auch den Herstellern erfolgen kann.

Der Herstellerabschlag bezieht sich auf den Hersteller-
abgabepreis und nicht auf den Apothekenabgabepreis. Er
vermindert damit nicht die Handelsspanne der Apotheken.

Den Großhandelsabschlag erhalten die Krankenkassen
im Rahmen der Apothekenabrechnungen über die Apothe-
kenrechenzentren. Der Großhandel ist vom Gesetzgeber
verpflichtet worden, den Abschlag bereits bei Lieferung der
Arzneimittel an die Apotheken zu gewähren. Damit wird si-
chergestellt, dass die Apotheken den gesetzlich vorge-
schriebenen Abschlag auch tatsächlich erhalten. Sollte der
Großhandel den Apotheken diesen Abschlag bei den Ab-
rechnungen nicht gewähren, ist die Apotheke befugt, die
Rechnung des Großhändlers um diesen Betrag zu kürzen.

Der Herstellerabschlag und der Großhandelsabschlag
sind gesetzliche Vorgaben. Die Beteiligten haben zuge-
sagt, die entsprechenden Angaben in die Preislisten der
Apotheken für die Arzneimittel aufzunehmen. Hierfür
sind allein die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker-
verbände und die Verbände der pharmazeutischen Indus-
trie verantwortlich. Die Eintragungen in die Preisliste und
die Gestaltung dieser werden von ihnen in Selbstverwal-
tung eigenverantwortlich und eigenständig auf privatwirt-
schaftlicher Grundlage vorgenommen.

Der Apothekenrabatt wird bei der Abrechnung von den
Apothekenrechenzentren ermittelt und mit den Kranken-
kassen verrechnet. Diesen Rabatt haben die Apotheken
selbst zu tragen. Zusätzlich belastet werden nur die höher-
preisigen Arzneimittel in der Größenordnung von über
52,46 Euro.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502723800

Herr Kollege Bauer, Ihre Zusatzfragen, bitte.


Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1502723900

Frau Staatssekretärin, zu dieser Abwicklung ist ein ge-

waltiger bürokratischer Apparat erforderlich. Dieser büro-
kratische Apparat zieht natürlich auch Kosten nach sich.
Sind diese Kosten in Ihrem Hause überhaupt schon einmal
ermittelt worden und wer soll diese Kosten übernehmen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502724000


Herr Kollege, die Apothekenrechenzentren existieren
bereits. Ich glaube, mittlerweile sind alle Apotheken in
Deutschland an die Apothekenrechenzentren angeschlos-

sen. Bereits jetzt gibt es Rabattierungen und Abschläge,
die über die Apothekenrechenzentren ermittelt werden.
Insoweit entsteht kein neuer Aufwand, sondern es ist le-
diglich eine neue Rabattregelung vereinbart worden, die
über die bewährten Strukturen der Apothekenrechenzen-
tren abgewickelt werden.


Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1502724100

Frau Staatssekretärin, Sie sehen mir bitte nach, dass ich

das nicht nachvollziehen kann. Es sind für die Apothe-
kenrechenzentren viele neue Aufgaben hinzugekommen.
Bisher waren die Rechenzentren nur für die Abrechnung
im Innenverhältnis zwischen Krankenkasse und Apotheke
verantwortlich. Nun erstreckt sich dies vom Hersteller
über den Großhandel bis hin zur Apotheke. Diese zusätz-
lichen Aufgaben verursachen hohe zusätzliche Kosten.
Über die Höhe dieser Kosten und darüber, wer diese Kos-
ten tragen soll, muss man sich Gedanken machen.

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502724200


Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die neuen
Preislisten, auf denen die unterschiedlichen Preise, also
der Apothekenabgabepreis, der Verkaufspreis, der Her-
stellerpreis und der Großhandelspreis, basieren, bisher
schon von den Beteiligten in eigener Verantwortung er-
stellt worden sind. Für preisliche Änderungen gilt der-
selbe Mechanismus. Alles andere erfolgt maschinell über
die Apothekenrechenzentren.

Auch bisher wurde den gesetzlichen Krankenkassen
vonseiten der Apotheken ein Rabatt gewährt. Dieser Ra-
batt ist nochmals angehoben worden, insbesondere für die
hochpreisigen Arzneimittel. Insofern wurden keine neuen
Tatbestände geschaffen, sondern es wurde praktisch auf
bestehende Rabattierungs- und Abschlagsstrukturen auf-
gesattelt. Natürlich ist jede Umstellung mit einem Auf-
wand verbunden. Das will ich nicht bestreiten. Ich kann
aber nicht erkennen, dass völlig neue Tatbestände ge-
schaffen worden wären.

Probleme gibt es in der Tat bei den Großhandelsrabat-
ten. Sie wissen, dass der Großhandel versucht, keinen ei-
genständigen Beitrag zu leisten. Aus diesem Grunde ha-
ben wir mit PHAGRO Gespräche geführt. Es geht nicht,
dass man vereinbarte Rabatte mit dem gesetzlichen Ra-
batt, den der Großhandel zu leisten hat, verrechnet. Ich bin
froh, dass in die Gespräche zwischen Apotheken und
Großhandel wieder Bewegung gekommen ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502724300

Eine Zusatzfrage der Kollegin Lanzinger.


Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1502724400

Es gibt einen internern Vermerk mit der Aussage, dass

die Apotheken durch diese Umstellung mit 50 000 Euro
jährlich belastet würden. Äußerungen der Bundessozial-
ministerin stehen dagegen, die lauten, die Apotheken wür-
den mit nur 16 000 Euro jährlich belastet. Wie sieht nach
Auffassung der Bundesregierung die tatsächliche Belas-
tung der Apotheken durch diese Umstellung aus?

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk





M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502724500


Es handelt sich hierbei um Durchschnittszahlen. Diese
Zahlen besagen, dass der Durchschnittsumsatz der deut-
schen Apotheke bei 1,3 bis 1,4 Millionen Euro liegt. Da-
raus errechnet sich – auch das geschieht nach bestimmten
Listen – ein durchschnittlicher Gewinn. Anhand dessen
haben wir ausgerechnet, wie hoch die finanziellen Aus-
wirkungen im Durchschnitt für die Apotheken sind, und
sind auf die Größenordnung von 16 000 Euro gekommen,
die Sie eben genannt haben.

Das sagt aber nichts darüber aus, wie hoch die Auswir-
kung für die Apotheke vor Ort ist, weil der Anteil von Me-
dikamenten, die über die GKV abgerechnet werden, von
Apotheke zu Apotheke sehr unterschiedlich ist. Eine
Größenordnung von 50 000 Euro ist allerdings nicht kor-
rekt. Sie würde nur dann zutreffen, wenn am Ende die
Apotheken alle Rabattierungsvorgänge zu tragen hätten.
Damit das nicht geschieht, wurde dafür gesorgt, dass jede
Stufe ihre Rabattstrukturen selber tragen muss.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502724600

Eine Zusatzfrage des Kollegen Spahn.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1502724700

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich die große

Diskrepanz zwischen dem internen Vermerk im Gesund-
heitsministerium, der im Rahmen des Gesetzgebungsver-
fahrens erstellt wurde und in dem offensichtlich schon da-
von ausgegangen wird, dass die Belastung aus den
Rabatten vom Großhandel an die Apotheker durchgege-
ben wird – es werden 50 000 Euro genannt –, und den
Äußerungen der Frau Ministerin gegenüber der Öffent-
lichkeit und der Presse, aber auch gegenüber dem Parla-
ment und den Abgeordneten ihrer Partei, die ganz offen-
sichtlich – das zeigen 59 Erklärungen von Abgeordneten
der SPD – zu anderen Entscheidungen geführt haben?

Ma
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502724800


Ich kenne diesen internen Vermerk. Er wurde nicht zu-
treffend wiedergegeben. In diesem Vermerk wird von dem
Worst-Case-Szenario ausgegangen, dass alle Rabatte am
Ende von den Apotheken zu tragen sind. Dem ist durch
Veränderungen, die wir während des Gesetzgebungsver-
fahrens vorgenommen haben, und durch Absprache mit
den Beteiligten begegnet worden. Dieses Szenario wird
also nicht zutreffen. Insofern ist die Durchschnittszahl,
die ich eingangs genannt habe und die die Ministerin öf-
fentlich genannt hat, korrekt.

Durchschnittszahlen spiegeln – das sage ich nochmals –
nicht die Situation der einzelnen Apotheken wider. Es
gibt, wie Sie wissen, Apotheken mit einem GKV-Anteil
von 70 bis 80 Prozent und Apotheken mit einem GKV-
Anteil von 50 Prozent. Je nach Größe dieses Anteils fällt
die Auswirkung der Rabattstrukturen, wodurch sich der
Gewinn schmälert, sehr unterschiedlich aus.

Im Übrigen liegen uns erste Briefe von Apothekern
vor, die sich bei uns ausdrücklich bedanken, dass wir mit
dem Großhandel gesprochen haben. Seither ist Bewegung
in die Front zwischen Großhandel und Apotheken ge-
kommen, weil der Großhandel in der Tat versucht hat, sei-
nen Beitrag über andere Rabattierungsvorgänge abzuwäl-
zen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Können wir die Briefe sehen? – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir bekommen ganz andere!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502724900

Wir kommen zu Frage 21 des Abgeordneten Dr. Wolf

Bauer:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um

eine Abwälzung des Großhandelsrabatts auf die Apotheken zu un-
terbinden?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502725000


Herr Kollege, der Großhandel ist durch Gesetz ver-
pflichtet worden, den Großhandelsabschlag in Höhe von
3 Prozent auf die Apothekenabgabepreise zu gewähren.
Der Abschlag hat insgesamt ein Volumen von 600 Milli-
onen Euro. Damit wird der erkennbar weit überhöhte
Großhandelszuschlag der Arzneimittelpreisverordnung
korrigiert, durch den der Großhandel bisher nachweislich
eine Handelsspanne von rund 1,1 Milliarden Euro pro
Jahr mehr zulasten der Endverbraucher erhalten hat, als er
tatsächlich für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.

Die Bundesregierung erwartet vom Großhandel, dass
dieser seinen Einsparbetrag erbringt. Der Großhandel hat
erklärt, dass er einen spürbaren eigenen Einsparbeitrag er-
bringen werde. Die pauschale Verweigerung eines eigenen
Konsolidierungsbeitrags seitens des pharmazeutischen
Großhandels gebe es nicht. Die Schreiben des pharma-
zeutischen Großhandels vom Dezember 2002 an die Apo-
theken hinsichtlich der Lieferkonditionen seien nur eine
erste kurzfristige Reaktion auf das Beitragssatzsicherungs-
gesetz gewesen. Eine Verweigerung von Verhandlungen
über Lieferkonditionen sei nicht beabsichtigt. Diese Ver-
handlungen würden nunmehr mit den Apotheken geführt.

Die Verhandlungen sind offenbar noch nicht abge-
schlossen, sie sind aber bereits im Januar aufgenommen
worden.


Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1502725100

Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich die letzten

Äußerungen des Großhandels, wonach er das Einsparvo-
lumen aus eigener Kraft nicht erbringen könne, sodass das
an die Apotheken weitergegeben werden müsse?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502725200


Zunächst einmal war es für uns interessant, dass in den
Gesprächen die eigenen Gewinnspannen korrigiert wur-
den; die früheren Aussagen wurden also relativiert. Ich


(A)



(B)



(C)



(D)


2098


(A)



(B)



(C)



(D)






kenne keinen am Wirtschaftsgeschehen Beteiligten, der
dem Gesetzgeber, der von ihm einen Rabatt erwartet, frei-
willig sagen würde, dass er ihn gerne zahlt und dass er
dies ohne Probleme kann.


Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1502725300

Frau Staatssekretärin, wir haben uns über Einsparvolu-

mina unterhalten. Können Sie uns in diesem Zusammen-
hang Auskunft darüber geben, welche Einsparvolumen
Sie bei der Einführung eines Versandhandels erwarten?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502725400


Diese Frage hat mit Ihrer Ausgangsfrage eigentlich
nichts mehr zu tun.

Zum Thema Versandhandel können wir keine sicheren
Abschätzungen geben. Sie wissen, dass die Arzneimittel-
ausgaben in den letzten vier Jahren – von 1998 bis 2002 –
um über 25 Prozent gestiegen sind. Das heißt, in diesem
Bereich gab es deutliche Zuwächse bei den Ausgaben.
Deswegen greifen unsere Maßnahmen insbesondere bei
den Arzneimitteln. Durch die drei Rabattstrukturen ver-
sprechen wir uns bei den Arzneimitteln – so habe ich es
eben auch vorgetragen – ein Einsparvolumen in der
Größenordnung von insgesamt 1,3 Milliarden Euro.

Sie wissen, dass der zustimmungspflichtige Teil des
Beitragssatzsicherungsgesetzes derzeit noch im Bundes-
rat liegt. Ich appelliere an Sie, mit den Ländern zu reden,
sodass wenigstens die Nullrunde bei den Verwaltungskos-
ten der Kassen und die Erweiterung der Optionsmodelle
für die Kliniken durchkommen. In diesem Bereich gibt es
aber auch noch die Festbeträge. Dies wäre eine weiteres
Einsparvolumen bei den Arzneimitteln.

Eine sichere Zahl bezüglich des Versandhandels kann
ich Ihnen nicht nennen. Das hängt von vielen anderen
Konditionen ab. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die
Apotheken – zum Beispiel durch die so genannten Haus-
apothekenmodelle, wie sie in Niedersachsen praktiziert
werden – die Chance erhalten können, sich an modernen
Marketingstrukturen zu beteiligen. Dies könnte für die
Apotheken vielleicht die Eröffnung einer neuen Struktur
bedeuten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502725500

Es gibt eine weitere Zusatzfrage, und zwar des Kolle-

gen Storm.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1502725600

Frau Staatssekretärin, sind die Berichte, wonach das

Bundesgesundheitsministerium die Aufhebung des Fremd-
und Mehrbesitzverbotes von Apotheken beabsichtigt, zu-
treffend?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502725700


Lieber Herr Kollege Storm, in der letzten Sitzung des
Gesundheitsausschusses haben wir ein Papier mit den

Eckpunkten der Gesundheitsstrukturreform verteilt und
die Diskussion darüber angeboten. Dort gab es auch Aus-
führungen zum Thema Mehrbesitzverbot. Als dieser Ta-
gesordnungspunkt in der letzten Woche aufgerufen wurde,
waren Sie leider nicht mehr anwesend.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Böse, böse!)

Wir hätten die Diskussion damals gerne vertiefen können.

Zum Mehrbesitzverbot haben wir erste Überlegungen
vorgestellt. Sie wissen auch, dass sich das Gesundheits-
strukturgesetz noch in der Diskussion befindet. Wir haben
acht Eckpunkte vorgestellt. Dazu gehören auch die Libe-
ralisierungen im Bereich des Arzneimittelmarktes. Eine
mögliche Maßnahme wäre das Mehrbesitzverbot. Ob man
einen „Deckel“ einführen wird, wo er gegebenenfalls lie-
gen wird und inwieweit man moderne Hausapotheken-
modelle einbeziehen wird, wird das weitere Gesetzge-
bungsverfahren zeigen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502725800

Bevor wir zum Schluss der Fragestunde kommen, lasse

ich noch die Zusatzfrage des Kollegen Spahn zu.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1502725900
Können

Sie uns – das hatte ich vorhin ja zugerufen – die Schrei-
ben der Apotheker, die sich bedanken, übersenden? Ich er-
halte täglich ganz andere Schreiben. Es wäre schön, auch
diese vorliegen zu haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


M
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502726000


Ich räume ein, dass diejenigen, die sich bedanken, we-
niger sind als die anderen. Die Schreiben schicke ich Ih-
nen aber gerne zu.


Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502726100

Ich komme jetzt zu meiner Frage – Sie haben gerade

selbst die Festbeträge und andere Dinge angesprochen –:
Wird die Arzneimittelpreisverordnung geändert und wenn
ja: in welche Richtung?

M
Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1502726200


Sie wissen, dass innerhalb der Gesundheitsstruktur-
reformen auch die Arzneimittelpreisverordnung ein The-
ma sein wird. Es gibt verschiedene Modelle. Auch die
Vorstellungen beteiligter Wirtschaftskreise wollen wir
prüfen. Sie wissen, dass insbesondere die ABDA für eine
Veränderung eintritt. Aber auch andere am Wirtschafts-
geschehen Beteiligte im Bereich Arzneimittel wünschen
Änderungen.

Wir werden diese Wünsche im Gesetzgebungsverfah-
ren prüfen und im Fachausschuss über die einzelnen
Punkte reden. Wir können uns sehr wohl vorstellen, dass

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk




Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
diese Verordnung in Zukunft auch die Beratungsleistung
des Apothekers abbildet und damit Schluss macht, dass
besonders viel im oberen Preissegment verdient wird.


Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1502726300

Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Alle Fragen,

die jetzt noch nicht zur Beantwortung gekommen sind, wer-
den nach unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.

Die Fraktion der CDU/CSU hat zur Antwort der Bun-
desregierung auf die eingebrachte Dringlichkeitsfrage
eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Nr. 1 b der
Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aussprache wird
im Anschluss an die Fragestunde durchgeführt. Ich rufe
nun den neuen Zusatzpunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der CDU/CSU
Pockenviren

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kol-
lege Hartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502726400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der auf offener Bühne ausgetragene Streit innerhalb der
Bundesregierung über das Ausmaß der Gefahr von Mas-
senvernichtungswaffen in Händen von Terroristen für un-
ser Land und unsere Bürger und eine in diesem Zusam-
menhang miserable Informationspolitik haben zu einer
großen Verunsicherung unserer Bevölkerung geführt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wovon reden Sie eigentlich? Vor uns steht der Oberverunsicherer!)


Hierfür trägt allein die Bundesregierung die Verantwor-
tung, nicht etwa die Medien, die über dieses Kompetenz-
und Auskunftswirrwarr innerhalb der Bundesregierung
berichten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber streiten wir uns wirklich nicht!)


Die Bundesgesundheitsministerin hat bereits im Mai
des Jahres 2002 bei der Jahrestagung der Weltgesund-
heitsorganisation WHO in Genf öffentlich von Vermutun-
gen gesprochen, dass auch im Irak Pockenviren gelagert
würden, weshalb vorsorglich Impfdosen für alle Men-
schen in Deutschland angeschafft würden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch vernünftig!)


Gegenüber ihrer nordrhein-westfälischen Amtskollegin
schreibt die Gesundheitsministerin am 17. Mai 2002, dass
es „dokumentierte Erkenntnisse“ gebe, die eine grundsätz-
liche Bedrohungslage weltweit durch bioterroristische At-
tentate begründen. In dem am Wochenende durch die
„Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ bekannt ge-
wordenen Vermerk des Gesundheitsministeriums vom
9. August 2002 heißt es:

Den deutschen Sicherheitsdiensten liegen dokumen-
tierte Erkenntnisse vor, dass Pockenerreger außer-

halb der offiziellen Labore in Atlanta und Koitsovo
illegal, z. B. in Russland, Irak und Nordkorea gela-
gert werden. Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass
sich Terrorgruppen um die Herstellung biologischer
Kampfstoffe bemühen.

Auch wird die Befürchtung geäußert, dass der Irak im
Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit den
USA„mit den ihm zur Verfügung stehenden biologischen
Kampfstoffen, also auch Pockenviren, reagiert.“ So weit
der Vermerk des Bundesgesundheitsministeriums.

Diese Gefahreneinschätzung haben Sie, Frau Ministe-
rin Schmidt, im Haushaltsausschuss des Deutschen Bun-
destages am 13. November des vergangenen Jahres wie-
derholt. Dieses Lagebild deckt sich mit einer Analyse des
Bundesnachrichtendienstes BND, worüber die Tageszei-
tung „Die Welt“ am 19. November 2002 berichtet hat. Da-
nach besteht laut BND der Verdacht, dass der Irak noch
immer einen Teil seiner in Munition abgefüllten biologi-
schen Kampfstoffe besitze. Auch habe der Irak, so der
BND, die Verfügbarkeit über Anthrax, Botulinustoxin und
Aflatoxin in munitionierter Form zugegeben.

Des Weiteren zitiert „Die Welt“ aus der ihr vorliegen-
den BND-Analyse, dass der Irak auch an Forschung und
Entwicklung von Mykotoxinen und Rotaviren gearbeitet
habe und „ebenso an Pocken, getarnt als Kamelpocken-
Projekt“. Der BND schlussfolgerte damals:

Die verwendeten Produktionsmethoden und hohen
Ausbeuten deuten auf eine fortgeschrittene Techno-
logie hin.

Es müsse befürchtet werden, dass der Irak „innerhalb von
mehreren Monaten sein B-Waffen-Programm wieder auf-
leben lassen könnte“.

In seinem Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat am
27. Januar dieses Jahres hat UN-Chefinspekteur Hans
Blix ebenfalls über nachhaltige Hinweise gesprochen,
nach denen der Irak über Anthrax verfüge und auch das
Nervengas VX in Waffen eingebaut habe. US-Außenmi-
nister Powell hat vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Fe-
bruar dieses Jahres ausgeführt:

Saddam Hussein hat Dutzende von biologischen
Stoffen untersucht, die Krankheiten hervorrufen,
zum Beispiel Gasbrand, Pest, Typhus, Wundstarr-
krampf, Cholera, Kamelpocken und hämorrhagi-
sches Fieber, und

– so der amerikanische Außenminister weiter –
er verfügt auch über die Ausrüstung, um Pockenviren
zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang frage ich mich, Herr Bun-
desminister Schily, warum Sie im Hinblick auf den Haus-
haltsvermerk vom 9. August des vergangenen Jahres von
einem Dokument sprechen, aus dem Geschichten gezim-
mert werden, die mit dem wahren Sachverhalt nichts zu
tun haben, da doch Ihr Haus, das seinerzeit bei diesem Haus-
haltsvermerk des Gesundheitsministeriums mitbefasst war,
der Gefahreneinschätzung nicht widersprochen hat.

Die deutsche Öffentlichkeit fragt sich, ob die Bundes-
gesundheitsministerin über Monate hinweg die Bedro-


(A)



(B)



(C)



(D)


2100


(A)



(B)



(C)



(D)






hungslage überdramatisiert hat, um an die notwendigen
Haushaltsmittel heranzukommen – was ein Skandal wä-
re –, oder ob jetzt die Gefahr, die von biologischen und
chemischen Massenvernichtungswaffen ausgeht, die sich
in den Händen des Iraks befinden, bagatellisiert wird.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Sie müssen sich mal für eine Richtung entscheiden! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Überhaupt nicht! Er kann fragen!)


Herr Bundesminister Schily, Sie verweisen immer wie-
der auf Ihre guten Kontakte zum amerikanischen Justiz-
minister Ashcroft,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt müssen Sie zum Ende kommen mit Ihren guten Beziehungen!)


zum neuen Minister für Homeland Security Tom Rice

(Otto Schily, Bundesminister: Tom Ridge!)


– Entschuldigen Sie, Herr Minister, dass mir der Name
nicht parat war, aber Sie verkehren ja ständig mit Tom
Ridge. – Wenn Sie ständig mit amerikanischen Fachleu-
ten wie dem Minister für Homeland Security und dem Jus-
tizminister verkehren und auch Gespräche mit dem FBI-
Chef und dem CIA-Chef geführt haben, dann sollten Sie
dem deutschen Parlament und auch der deutschen Öffent-
lichkeit mitteilen, über welche Erkenntnisse die Amerikaner
verfügen und ob sich die Erkenntnisse Ihrer Gesprächspart-
ner mit denen decken, die Außenminister Powell vor dem
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dargelegt hat.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt sind Sie aber deutlich über der Zeit! Es ist genug!)


Jedenfalls hilft es nicht, Herr Minister – –


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502726500

Herr Kollege Koschyk, schauen bitte einmal auf die

Uhr vor Ihnen!


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502726600

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind am Schluss!)


Jedenfalls hilft es nicht, jetzt plötzlich ein anderes Lage-
bild zu entwickeln.


(Peter Dreßen [SPD]: Das macht doch bloß ihr! Das macht doch sonst niemand!)


Die Bevölkerung in Deutschland hat Anspruch auf um-
fassende Auskunft der Bundesregierung über die beste-
hende Gefährdungslage.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie überziehen wirklich dramatisch, sowohl in der Zeit als auch in der Argumentation!)



Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1502726700

Nächste Rednerin ist die Bundesministerin Frau Ulla

Schmidt.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Was die Opposition hier heute veranstaltet, ist ein Stück
aus dem Tollhaus,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


das mit der nationalen Verantwortung für die Sicherheit
der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande nichts zu tun
hat, auch wenn Sie das anders darstellen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Vermerk kommt aus Ihrem Haus!)


Es sagt vielleicht mehr über den Zustand Ihrer eigenen
Partei und über die Art und Weise aus, in der dort die
Kommunikation stattfindet. Denn Tatsache ist das, was
der Herr Kollege Koschyk vorgetragen hat. Um welche
Informationen darüber hinaus geht es Ihnen denn?


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Herr Schily weiß es!)


Wann gab es in der Zeit seit dem 11. September 2001
eine Situation, Herr Kollege Luther, in der wir nicht im
Haushaltsausschuss und im Gesundheitsausschuss sehr
intensiv beraten haben? Mein Ministerium hat direkt nach
dem 11. September 2001 gemeinsam mit dem Innenmi-
nisterium und dem Bundeskanzleramt eine Bund-Länder-
Koordinierung eingerichtet und gemeinsam mit den Ver-
tretern auch Ihrer Partei in den Landesregierungen
darüber geredet, wie wir mit potenziellen Gefährdungen
in diesem Lande umgehen.

Unabhängig davon, ob Ihnen Erkenntnisse vorliegen
oder nicht, kann ich Ihnen versichern: In Bezug auf die
Gefährdung mit Pockenviren hilft nur eines, nämlich die
Beschaffung von Impfstoff. Das ist das Entscheidende.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Klasse Erkenntnis!)


Wenn Sie in den Protokollen nachlesen, was in den ein-
zelnen Ausschüssen gesagt wurde, werden sie feststellen,
dass immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass eine
allgemeine Bedrohungslage besteht. Weil wir nicht wis-
sen, ob irgendwo auf dieser Welt außerhalb der offiziellen
Stellen Pockenviren vorhanden sind und gelagert werden,
ist eine allgemeine Bedrohung gegeben. So wie für den
Erhalt der Gesundheit generell gilt: „Vorbeugen ist besser
als heilen“, gilt für den Fall einer Bedrohung mit Pocken-
viren: Impfen ist notwendig, weil es nach dem heutigen
Kenntnisstand der Medizin keine Heilungsmöglichkeiten
gibt. Danach haben wir gehandelt.

Ich bedauere die jetzt entstandene Diskussion; denn
wir haben seit anderthalb Jahren in den entsprechenden
Ausschüssen darüber diskutiert – ich spreche jetzt auch
die Kollegin an –, dass wir handeln müssen, weil die
Pocken zwar ausgerottet waren und weil – mit Ausnahme
der offiziellen Labore in den USA und der Sowjetunion –
jedes Land seine Virusstämme vernichten sollte. Wir

Hartmut Koschyk




Bundesministerin Ulla Schmidt
wissen aber nicht – darüber gibt es weltweit keine Er-
kenntnisse –, ob es außer den Kamelpockenviren – diese
sind nicht so gefährlich; denn man kann zwar sich, aber
keine anderen Menschen anstecken – noch andere
Pockenvirenstämme gibt. Wir haben jetzt gehandelt.

Ich kann Ihnen gerne die ganze Liste an Maßnahmen
vorlesen, die wir gemeinsam mit den Ministern und Mi-
nisterinnen der von Ihnen geführten Länder sowie mit den
von SPD und Grünen geführten Ländern aufgestellt ha-
ben. Wir haben in den letzten anderthalb Jahren versucht,
sowohl Zugriff auf vorhandenen Pockenimpfstoff zu be-
kommen, der qualitativ hochwertig ist, als auch mit dem
Haushaltsausschuss eine Regelung zu finden, die es uns
ermöglicht, Pockenimpfstoff dort, wo wir Zugriff auf ihn
haben, aufzukaufen. Zu dem Vorwurf, wenn es keine kon-
krete Gefährdung gebe, dann dürfe man das Geld auch
nicht ausgeben, sage ich Ihnen: Wenn es konkret geworden
wäre und wir hätten vorher kein Geld für Impfstoffe ausge-
geben, dann wäre es zu spät gewesen. Das wäre verantwor-
tungslos! Wollen Sie das etwa sein? Das ist jedenfalls nicht
die Politik, die die Bundesregierung in dieser Frage macht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir hier tatsächlich Geld für Impfstoffe ausgegeben
hätten, ohne sie zu brauchen, dann wäre die Bundesregie-
rung sehr glücklich darüber; denn das wäre die beste Fehl-
investition, die je getätigt wurde. Schließlich würde das
bedeuten, dass die Bürger und Bürgerinnen nicht nur in
unserem Land, sondern weltweit sicher und geschützt da-
vor sind, sich mit Pockenviren zu infizieren, also vor ei-
ner Krankheit, die nicht heilbar ist. Das ist unser Ziel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie in dieser Frage nur ein bisschen nationales Ver-
antwortungsbewusstsein hätten,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


dann würden Sie ein solches Thema, über das wir seit an-
derthalb Jahren gemeinsam diskutieren


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wer schreibt denn die Vermerke?)


und bei dem es zwischen uns keine unbeantworteten Fra-
gen gibt,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir wollen über Ihr miserable Informationspolitik reden!)


zum jetzigen Zeitpunkt – man muss sich fragen, warum Sie
das gerade jetzt tun – nicht hochziehen. Sie wollen damit
nur von Ihren innerparteilichen Schwierigkeiten ablenken


(Lachen bei der CDU/CSU)

sowie die Menschen in diesem Land verunsichern und ih-
nen Angst und Bange machen, um eine Diskussion anzu-
zetteln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie leben hinter dem Mond!)


Als hätte es irgendwem in diesem Land genutzt, wenn
Herr Luther, Frau Schmidt, Herr Küster – oder wer auch
immer – etwas mehr wüssten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Rosenmontag ist erst in 14 Tagen!)


Wir haben internationale Kontakte und tun das, was auch
andere Länder tun:


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Keine Büttenrede!)


Wir tun alles, um unsere Bevölkerung zu schützen. Das ist
das Entscheidende. Deshalb war es richtig, dass wir den
Impfstoff geordert haben. Wir setzen alles daran, dass im
Falle eines Falles – wir hoffen, dass er niemals eintreten
wird – die Menschen in diesem Land durch entsprechende
Impfungen geschützt sind und dass keine Gefahren ent-
stehen. Daran sollten Sie mitarbeiten und dafür sollten Sie
uns dankbar sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Andreas Storm [CDU/CSU]: Büttenrede! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr verantwortungsvoll! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lieber Büttenrede als Kriegstreiberrede! Nächster Redner ist der Kollege Dr. Max Stadler, FDP Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich finde, Sie haben am Thema vorbeigeredet. Es geht doch nicht darum, ob die Beschaffung von Impfstoffen richtig war, sondern um die Informationspolitik der Bundesregierung. Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, warum sie die Bedrohung durch Pockenviren einmal als massiv darstellt, ein anderes Mal aber lediglich als abstrakte Gefährdung. Nicht die Beschaffungsaktion wird von uns kritisiert, sondern die unterschiedliche Tendenz in der Darstellung der Gefahr. (Peter Dreßen [SPD]: Sie wollen einfach Dreck schmeißen!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502726800
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502726900

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


In dem Vermerk für den Haushaltsausschuss, der öf-
fentlich bekannt geworden ist, als es also um die Bewilli-
gung von Haushaltsmitteln ging, war von einer akuten
Verschärfung der Gefährdungslage, von der Befürchtung,
dass der Irak „mit den ihm zur Verfügung stehenden bio-
logischen Kampfstoffen, also auch Pockenviren“ reagie-
ren werde, die Rede. Heute wird dies deutlich relativiert.


(A)



(B)



(C)



(D)


2102


(A)



(B)



(C)



(D)






Das passt nicht zusammen. Entweder ist einmal übertrie-
ben worden oder die Gefahr wird jetzt untertrieben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben vorhin in der Fragestunde erlebt, dass die

Staatssekretärin Caspers-Merk angekündigt hat, künftig
werde das Parlament nur noch restriktiver und zurückhal-
tender informiert. Das ist natürlich genau der falsche Weg.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ein Skandal ist das!)


Nur, wie von Guido Westerwelle gefordert, die Offenle-
gung aller Fakten, auch der Erkenntnisse des Bundes-
nachrichtendienstes, ist der einzig richtige Weg.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nur wenn Sie die Bevölkerung offensiv informieren, wer-
den Sie auch Ängsten vorbeugen. Deshalb hat die „Frank-
furter Rundschau“ der Bundesregierung in ihrem gestri-
gen Kommentar, in dem – das räume ich ein – durchaus
auch die Opposition mit Kritik bedacht worden ist,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das war ungerecht!)


zutreffend vorgehalten:
Mit ihrem Informationsdesaster hat sie aber einen
großen Anteil an der unangebrachten Hysterie zu
verantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Über den konkreten Einzelfall hinaus wirft dieser Vor-
gang in Wahrheit eine zentrale Frage einer Demokratie
auf: Wie und in welchem Umfang muss eine Regierung in
Krisenzeiten Parlament und Bevölkerung informieren?
Auch uns ist klar: Es darf keine unnötige Panik erzeugt
werden. Selbstverständlich gibt es Erkenntnisse, die aus
militärischen, geheimdienstlichen oder polizeilichen Er-
wägungen geheim bleiben müssen.

Aber die Demokratie lebt vom öffentlichen Diskurs
über die maßgeblichen politischen Themen. Ein solcher
Diskurs setzt, um ein berühmtes Buch von Karl Steinbuch
zu zitieren, „Die informierte Gesellschaft“ voraus. Des-
wegen gilt: So viel Information wie möglich, sowohl für
das Parlament als auch für die Öffentlichkeit.

Im konkreten Fall Irak ist seit langem bekannt, dass
dieser Staat Kamelpockenviren hatte, die für Menschen
ungefährlich sind. Denkbar ist aber, dass sie als Modell
für die Produktion von Pockenviren dienen, die auch als
biologische Waffen gegen Menschen eingesetzt werden
können. Deswegen ist es für die öffentliche Meinungsbil-
dung von zentraler Bedeutung, das konkrete Ausmaß der
Bedrohung genau zu kennen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Daher reichen auch vertrauliche Unterrichtungen von ein-
zelnen Parlamentariern oder von Parlamentsausschüssen
nicht aus.

Übrigens war es gerade ein Versprechen der rot-grünen
Regierung und der rot-grünen Koalition, für größtmögli-
che Transparenz einzutreten.


(Peter Dreßen [SPD]: Das machen wir auch!)


In der Koalitionsvereinbarung wird zum Beispiel ein In-
formationsfreiheitsgesetz versprochen, das – ich zitiere
wörtlich – „dem Grundsatz des freien Zugangs zu öffent-
lichen Daten und Akten Geltung verschafft“.


(Dirk Niebel [FDP]: Alles Luftblasen!)

Insbesondere die Grünen haben die Forderung nach ei-
nem Informationsfreiheitsgesetz in ihr Grundsatzpro-
gramm vom 17. März 2002 aufgenommen. Als dieses Ge-
setz in der letzten Legislaturperiode an der SPD
gescheitert war, wurde dies von den Grünen als ein – ich
zitiere eine Pressemitteilung der Grünen – „Rückschlag
für Demokratie und Transparenz“ bewertet.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb bringen wir es neu ein!)


Akteneinsichtsrechte seien mittlerweile Standard in der
demokratischen Gesellschaft. Das muss dann aber auch in
Krisensituationen gelten.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Nach dem angeführten Gesetzentwurf soll das Recht
auf Informationszugang freilich nicht bestehen, wenn der
Akteninhalt dem Wohle des Staates schwerwiegende
Nachteile bereitet. Ich behaupte: In Bezug auf den Fall,
um den es heute geht, liegt der schwerwiegende Nachteil
nicht in der Information der Bevölkerung, sondern im
Verschweigen dieser Information.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine letzte Bemerkung ist losgelöst von diesem kon-

kreten Fall und – ich betone dies ausdrücklich – gilt allge-
mein. In Zeiten wie diesen wird oft ein berühmtes Wort aus
der Antike zitiert, nämlich der Satz Aischylos’: Das erste
Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit. In Kurzform:
Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst. Über eines sollten wir
uns alle in diesem Haus einig sein: Es darf nie die Situation
eintreten, dass schon vor dem Krieg die Wahrheit stirbt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1502727000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Selg, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502727100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-

ren! Im Gegensatz zu Ihnen wissen wir, was Informa-
tionspolitik ist.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie Gescheitmacherin!)


Bei uns besteht sie aus Sachpolitik und nicht aus irgend-
welchen demagogischen Phrasen.

Die von der Opposition jetzt losgetretene Diskussion um
das von Pockenviren ausgehende Gefahrenpotenzial ist ein
Akt größtmöglicher politischer Verantwortungslosigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Max Stadler




Petra Selg
Ohne jegliche Not wird von der Opposition medienwirk-
sam ein Schmierentheater initiiert.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das wird letztlich nur dazu führen, dass die Bürgerinnen
und Bürger unseres Landes grundlos verunsichert und
überflüssige Ängste geschürt werden.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Parlamentstheater! Sie haben eine Auffassung!)


Was soll diese Spekulation über angebliches Geheim-
wissen der Regierung über geplante terroristische An-
schläge mit Pockenviren? Dafür fehlt jegliche Grundlage.
Wir führen hier eine absolute Geisterdiskussion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Argument der Opposition lautet ungefähr so: Einer-
seits sagt die Regierung, es gebe keine Gefahr, anderer-
seits bestellt sie größtmögliche Mengen Pockenimpfstoff;
also muss es ja eine Gefahr geben. Bei allem Respekt, was
ist denn das für eine Logik? Verzichten Sie bei Ihrem
Haus etwa auf eine Brandschutzversicherung, nur weil
gerade niemand mit Streichhölzern am Vorhang zündelt?
Anders gefragt: Folgt aus der Tatsache, dass Sie heute Ihr
Haus versichern, dass Ihnen morgen die Bude abbrennt?
Natürlich nicht. Die Gefahr, dass Ihnen das Haus nieder-
brennt, ist zwar prinzipiell gegeben, tritt aber nur mit ge-
ringer Wahrscheinlichkeit ein. Nichts anderes tut die Bun-
desregierung im Moment: Sie versichert die Bevölkerung
der Bundesrepublik gegen die abstrakte Gefahr eines An-
schlages mit Pockenviren. Sie hat den Impfstoff beschafft,
um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Dies geschah übrigens in völligem Einklang mit den
Ländern. Bereits nach dem 11. September haben gerade der
bayerische Gesundheitsminister Eberhard Sinner und vor
allem Ihr geschätzter Herr Koch die Auffassung vertreten,
es wäre fahrlässig und gefährlich, jetzt nicht zu reagieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Heute weiß man angeblich nichts mehr davon.
Momentan kann niemand völlig ausschließen, dass es ir-

gendwo auf der Welt Pockenviren gibt und dass sie in
falsche Hände geraten könnten. Es könnte durchaus mög-
lich sein, dass auch Staaten wie der Irak oder Nordkorea im
Besitz solcher Viren sind. Das sind aber nur Möglichkeiten.
Das heißt noch lange nicht, dass dies auch wirklich so ist.

Um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen: Wir
haben keine Kenntnis von einer akuten Bedrohungssitua-
tion. Nichts anderes hat Frau Ministerin Schmidt schon in
der Sitzung des Haushaltsausschusses am 13. November
klipp und klar gesagt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Und Ihr Vermerk?)


– Der Vermerk – das wurde in dieser Sitzung des Haus-
haltsausschusses auch gesagt – –


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie kam er zur „FAZ“?)


– Fragen Sie sich das einmal selber. Die Meldung der
„FAZ“ wird heute von der Opposition als Beweis für
das angebliche Geheimwissen der Regierung miss-
braucht.


(Dirk Niebel [FDP]: Pfui! Das ist eine unverschämte Unterstellung!)


Vorgestern wurde genau die Bewertung, welche die
Ministerin im Haushaltsausschuss vorgenommen hat, von
einer Sprecherin des Ministeriums erneut vorgetragen.
Die Rede war auch hier nur von einer abstrakten Gefah-
renlage. Es wurde unmissverständlich klargestellt, dass es
keine Erkenntnisse über biologische Kampfstoffe im Irak
oder Hinweise für eine konkrete Bedrohung durch
Pockenviren gibt. Ich frage mich: Was will die Opposition
eigentlich?


(Zurufe von der SPD: Ja! Was wollen sie eigentlich? – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wir wissen, was sie wollen! Angst machen!)


Die Aussagen der Ministerin und von Vertretern des
Ministeriums sind eindeutig: Es gibt keinen konkreten
Anlass zur Beunruhigung. Nach Einschätzung der Sicher-
heitsbehörden war und ist ein Anschlag mit Pockenviren
weiterhin eher unwahrscheinlich.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?)


Diese klaren Aussagen sollte die Opposition endlich ak-
zeptieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie auf mit Ihren kleinkarierten Wortklaubereien!
Alles andere wirkt zunehmend lächerlich.

Auf einer Ministerpräsidentenkonferenz, die kurz vor
Weihnachten gemeinsam mit dem Bundeskanzler statt-
fand, wurde über das Problem der Beschaffung ausrei-
chender Mengen Impfstoffes und dessen Finanzierung er-
neut geredet. Man vereinbarte einvernehmlich – auch Ihre
Ministerpräsidenten waren dabei –,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die haben der Regierung erst Dampf gemacht!)


dass von der Bundesregierung unverzüglich 100 Milli-
onen Chargen beschafft werden, um im Ernstfall den bis-
lang nicht gewährleisteten Vollschutz der Bevölkerung si-
cherstellen zu können.

Deshalb appelliere ich an Sie: Hören Sie endlich auf,
mit billiger Effekthascherei Stimmung machen zu wollen!
Hören Sie auf, bei der Bevölkerung unnötigerweise Angst
zu schüren!

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502727200

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Bosbach,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



(A)



(B)



(C)



(D)


2104


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502727300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrte Frau Ministerin, Max Stadler hat Recht: Das war
eine fulminant vorgetragene Rede. Sie hatte nur den ent-
scheidenden Nachteil, mit dem Thema des Nachmittags
nichts zu tun zu haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es geht nicht um die Frage: War es richtig oder war es
falsch, Impfdosen anzuschaffen?


(Ulla Schmidt, Bundesministerin: Doch!)

Die Frage ist vielmehr, ob diese Bundesregierung das tut,
was sie tun müsste, nämlich die Bevölkerung zeitnah, um-
fassend und wahrhaftig über die Bedrohung durch den in-
ternationalen Terrorismus zu informieren. Wir haben be-
gründete und erhebliche Zweifel daran, dass diese
Regierung das tut.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Schönfeld [SPD]: Das ist schon wieder eine Falschaussage!)


Der Vorwurf der Panikmache

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Der trifft Sie! – Karsten Schönfeld [SPD]: Der trifft genau zu!)

ist geradezu absurd. Er ist aber nicht nur absurd, er ist pa-
radox; denn Sie fallen in Ohnmacht und werfen uns Pa-
nikmache vor, wenn wir wortwörtlich aus regierungsamt-
lichen Dokumenten zitieren. Sie warnen ja vor Ihrer
eigenen Regierung!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP – Karsten Schönfeld [SPD]: Wir warnen vor Pocken!)


Möglicherweise haben Sie damit sogar Recht. Möglicher-
weise ist diese Warnung vor Ihrer Regierung sogar richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Karsten Schönfeld [SPD]: Auch hier irren Sie!)


Wir sprechen hier nicht über Mutmaßungen und Ein-
schätzungen, sondern wir sprechen über Tatsachenbe-
hauptungen.


(Zuruf von der SPD: Nennen Sie die mal!)

Hartmut Koschyk hat das richtig zitiert. In einem regie-
rungsamtlichen Dokument vom 9. August heißt es: „Den
deutschen Sicherheitsdiensten liegen dokumentierte Er-
kenntnisse vor, dass Pockenerreger außerhalb der offi-
ziellen Labore ... gelagert werden. Als möglicher Standort
wird der Irak genannt.“ Gibt es diese dokumentierten Er-
gebnisse oder gibt es sie nicht?


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist die Frage!)


Entweder es gibt sie oder es gibt sie nicht. Nur eines von
beiden ist möglich. Diese Regierung verweigert standhaft
die Beantwortung der Frage, ob diese Behauptung richtig
ist oder falsch ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist keine Tatsachenbehauptung, sondern die Darstellung einer Möglichkeit! Begreifen Sie es doch! Das wollen Sie aber nicht!)


Ich zitiere wieder aus dem Schreiben vom 9. August:
„Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass sich Terrorgruppen
um die Herstellung biologischer Kampfstoffe bemühen.“
Gibt es diese Hinweise oder gibt es sie nicht?


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Auch das ist alles schon mehrmals beantwortet!)


Es kann nicht beides gleichzeitig richtig sein.
Ist die Darstellung der Gefahrenlage durch die Bun-

desgesundheitsministerin richtig oder ist sie falsch? Sagt
Frau Schmidt die Wahrheit oder sagt Herr Schily die
Wahrheit?


(Zurufe von der SPD: Beide!)

Jedenfalls können nicht beide gleichzeitig Recht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Schönfeld [SPD]: Und Sie sagen die Unwahrheit, Herr Bosbach!)


Herr Schily sagt: Wir haben keine Erkenntnisse darüber,
dass der Irak über Lager mit Pockenviren verfügt. Das ist
ziemlich präzise das Gegenteil von dem, was die Bundes-
gesundheitsministerin zumindest in der Vergangenheit
behauptet hat.

Das Entscheidende ist doch wohl eine einheitliche Be-
drohungsanalyse durch die Bundesregierung. Es kann
nicht sein, dass verschiedene Ministerien unterschiedli-
che Bedrohungsanalysen vornehmen und die Bundesre-
gierung insgesamt die Bevölkerung im Hinblick auf die
Frage: Wie groß ist eigentlich die Gefahr durch den inter-
nationalen Terrorismus?, ratlos lässt.

Diese einheitliche Bedrohungsanalyse wurde für mich
erkennbar erstmals gestern in der „Bild“-Zeitung unter
der Überschrift „Jetzt reden die Minister“ vorgenommen.
Dass die einheitliche Bedrohungsanalyse in der „Bild“-
Zeitung vorgenommen wird, und zwar zur Vorbereitung
auf diese Aktuelle Stunde,


(Zuruf von der SPD: Aha!)

ist eher besorgniserregend als beruhigend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der „Bild“-Zeitung steht immer die Wahrheit! Das wissen wir! – Zuruf von der SPD: Das zeigt, dass Sie die falsche Zeitung lesen!)


Wir haben in dieser Debatte, insbesondere bei dem,
was Max Stadler Ihnen völlig zutreffend vorgehalten hat,
auf die eigentlich entscheidenden Fragen bis jetzt über-
haupt keine Antwort bekommen.

Frau Caspers-Merk, es hat mir gefallen, dass Sie die
Sprachbilder „abstrakte Gefahr“ und „konkrete Gefahr“
benutzt haben und ein Beispiel aus dem Bereich Feuer-
schutz angeführt haben. Sie haben sinngemäß – nicht
wortwörtlich – gesagt: Bei der abstrakten Gefahr gilt: Wir
wissen nicht, ob es brennt. Wir hoffen, dass es nicht




Wolfgang Bosbach
brennt. Wir gehen davon aus, dass es nicht brennt, aber
wir kaufen uns mal einen Feuerlöscher. – Richtig so! Zur
konkreten Gefahr haben Sie gesagt: Es ist ein Brandstif-
ter unterwegs.

Den eigentlich entscheidenden Punkt haben Sie dabei
unterschlagen. Einmal Folgendes unterstellt: Es gibt ei-
nen Brandstifter, der schon Hundertausende auf dem Ge-
wissen hat. Wir wissen, dass er Feuerzeuge hat. Wir wis-
sen, dass er Brandbeschleuniger hat. Wir wissen, dass die
Weltgemeinschaft ihn aufgefordert hat, den Nachweis
dafür zu erbringen, dass er diese Mittel vernichtet hat.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir wissen auch, dass dieser Nachweis bis heute nicht ge-
führt worden ist. Die Frage ist dann: Ist das eine abstrakte
Gefahr oder ist das eine konkrete Gefahr? Auf die Beant-
wortung dieser Frage bin ich gespannt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Kommen Sie jetzt nicht auf die Idee, zu sagen, dass der
Vermerk vom 9. August das Werk übermotivierter Mit-
arbeiter im Bundesgesundheitsministerium gewesen ist.
Diese Ausrede kennen wir aus dem Verfahren zum Verbot
der NPD. Sie war damals nicht tauglich und sie ist es
heute nicht. Die politische Verantwortung tragen die bei-
den Minister und sie werden ihr erkennbar nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1502727400

Nächster Redner ist der Kollege Karsten Schönfeld,

SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502727500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist das Recht der Opposition, in Fragestunden die Bundes-
regierung über bestimmte Sachverhalte zu befragen, wie
es eben auch zu dem Problem der Pockenviren geschehen
ist. Aber, meine Damen und Herren, es ist durchsichtig
und scheinheilig, was Sie hier veranstalten und welchen
Popanz Sie aufführen. Nichts anderes geschieht auch in
dieser Aktuellen Stunde; wir haben es jetzt wieder bei den
drei Oppositionsrednern, die bisher gesprochen haben, er-
lebt.

Herr Kollege Bosbach, Sie haben uns gerade gesagt,
dass Sie Ihre Erkenntnisse offensichtlich aus der „Bild“-
Zeitung beziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Sie sollten sich auf Dinge konzentrieren, die den Tatsa-
chen entsprechen, und nicht auf diese Art und Weise vor-
gehen. Sie entlarven sich ja selbst. Es ist absurd, was hier
immer wieder behauptet wird.

In der „Süddeutschen“ von heute lesen wir:
Erst die Pockenviren, jetzt Langstrecken-Raketen,
morgen vielleicht ein ganzes Atomwaffenarsenal …

Was Sie hier veranstalten, ist Panik- und Angstmache. Das
widert einen wirklich an. Anders kann ich das nicht be-
zeichnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die entscheidende Frage ist doch: Können die Men-
schen in Deutschland sicher sein, dass alles getan wird,
um sie vor einem möglichen Pockenvirenangriff zu schüt-
zen? Hier lautet die klare Antwort: Es wird von der Bun-
desregierung alles getan. Hier hilft kein Reden, hier hilft
nur, entsprechende Impfdosen anzuschaffen. Das passiert.

Es wäre gut, wenn Sie sich hier nicht nur darauf zu-
rückziehen würden, uns zu kritisieren, sondern vielleicht
auch einmal Ihre Stimme in Richtung der Länder erheben
würden, die nur die kleinkarierte Diskussion darüber
führen, wer das am Ende alles bezahlen soll. So heißt es
dort: Der Ernstfall hat etwas mit Krieg zu tun, das ist Zivil-
schutz und damit Bundessache. Wir sind dagegen der
Meinung, Pockenschutz ist auch Katastrophenschutz.
Hier sind also die Länder mit im Boot. Ich richte die herz-
liche Bitte in Richtung Opposition: Sprechen Sie mit den
von Ihnen regierten Ländern und fordern Sie sie auf, sich
an der Finanzierung zu beteiligen. Bis heute ist alles vom
Bund bezahlt worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Selten genug!)


Es ist erstaunlich: Erst wollen Sie, meine Damen und
Herren von der CDU/CSU, wissen, warum die für den
Katastrophenschutz zuständigen Länder angeblich zu spät
informiert wurden. Wenn es dann aber konkret wird und
um die Finanzen geht, möchten die Ländervertreter am
liebsten gar nichts mehr von einer Bedrohung hören. Da
ist dann zu hören: Ist überhaupt so schnell so viel nötig?
Hier besteht doch, wie ich denke, ein großer Widerspruch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In Sachen Pockenviren gibt es keinen Grund, eine sol-
che Panik zu schüren, wie Sie sie in den letzten Tagen zu
schüren versucht haben. Wir laden Sie ein: Kommen Sie
mit, unterstützen Sie uns bei der Information der Öffent-
lichkeit!


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Welche Informationen?)


Hören Sie endlich mit der Verunsicherungskampagne auf,
die Sie betreiben! Es wäre schön, wenn auch Sie zu die-
ser Einsicht kämen und endlich auf den Boden der Tatsa-
chen zurückkehrten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Karsten Schönfeld (SPD):
Rede ID: ID1502727600

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Friedbert Pflüger,

CDU/CSU-Fraktion.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh! Stellvertretender Bundespräsident!)



(A)



(B)



(C)



(D)


2106


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502727700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Erlauben Sie mir aus gegebenem Anlass eine
kurze Vorbemerkung. Wir hatten am vergangenen Montag
einen EU-Gipfel, auf dem eine eindrucksvolle Erklärung
abgegeben wurde, der wir in allen Teilen zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist aber neu!)


In dieser Erklärung wird für den Frieden geworben. Dort
steht, man wolle versuchen, den Irak friedlich zu entwaff-
nen. Dort steht allerdings auch, dass vom Irak und seinen
Massenvernichtungswaffen die eigentliche Bedrohung
ausgehe.


(Peter Dreßen [SPD]: Das steht auch in der Erklärung, die von Deutschland, Frankreich und Russland unterzeichnet worden ist!)


In diesem Papier der Europäischen Union steht, dass der
Irak besser kooperieren müsse und dass er jetzt eine letzte
Chance habe, sofort und vollständig abzurüsten. Dann
heißt es dort: Krieg als ein letztes Mittel zur Durchsetzung
der Entwaffnung wird nicht ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren, all dies steht im Zusam-
menhang: der Versuch, den Frieden zu erreichen mit allen
möglichen Mitteln, aber, um die Arbeit der Inspektoren
durchführen zu können, auch die Drohung mit militäri-
scher Gewalt. Wenn die Bundesregierung das bereits im
Sommer gesagt hätte, dann hätten wir nie eine Störung des
Grundkonsenses in außenpolitischen Fragen in unserem
Land gehabt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Halten Sie sich mal an die Thematik!)


Bedauerlich ist nur, dass, wie man heute Morgen in den
Nachrichtenagenturen liest, der Herr Bundeskanzler die
Androhung der Gewalt als letztes Mittel in dieser Erklärung
nur als eine generelle und abstrakte Erklärung bezeichnet.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Thema! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Mit der Rede wären Sie durchgefallen! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: „Abstrakt“ ist das neue Lieblingswort der Bundesregierung!)


Wie europafähig ist eigentlich eine Bundesregierung,
die zu einem Sondergipfel fährt, über Stunden mit allen
europäischen Staats- und Regierungschefs eine Erklärung
vereinbart, nach Hause fährt und sagt, dass dieser Teil
aber nur abstrakt gemeint sei? So kann man in Europa
nicht Politik machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus solchen Äußerungen ergibt sich für die Europäische
Union schwerer Schaden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Pocken zu tun?)


Meine Damen und Herren, hier ist mehrfach angespro-
chen worden, dass nur Angst- und Panikmache erfolge.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Nichts anderes machen Sie!)


Ich kann nur sagen: Die Papiere, die wir zitiert haben, sind
keine Papiere von George Bush, auch nicht von der
CDU/CSU-Opposition, sondern Papiere aus Ihrem Haus.
Wenn Panikmache erfolgt ist,


(Karsten Schönfeld [SPD]: Um nichts anderes geht es Ihnen!)


dann aus dem Gesundheitsministerium und von Ihrer
Ministerin; von niemandem anders.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es geht nicht um Panikmache und Hysterie.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um was geht es denn?)


Man darf in der Tat nicht mit solchen schrecklichen Din-
gen wie Pockenviren und Massenvernichtungswaffen Pa-
nik und Hysterie erzeugen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie es dann?)


Aber man darf ebenfalls nicht – darum geht es uns – ver-
harmlosen und vernebeln. Sie vernebeln und verharmlo-
sen die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP– Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind ein Aufspieler!)


Zum Thema der Pocken ist von den Kollegen Koschyk
und Bosbach bereits das meiste gesagt worden.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Schweigen Sie und treten Sie ab!)


Der amerikanische Außenminister Powell hat vor der
Weltöffentlichkeit einen sehr eindrucksvollen Vortrag ge-
halten – jedenfalls habe ich ihn als eindrucksvoll emp-
funden – und mitgeteilt, wie sich die Bedrohungslage
wirklich darstellt. Der Herr Bundesaußenminister Fischer
hat das mit den Worten kommentiert: Das ist doch nichts
Neues, das wissen wir schon aus eigenen Erkenntnissen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Wir hätten gerne, dass die Bundesregierung einmal nicht

verharmlost, nicht mit einem Nebensatz, wie in der letzten
Regierungserklärung des Bundeskanzlers, das Thema Mas-
senvernichtungswaffen behandelt, sondern dass sie das,
was Herr Powell sagt, in groben Zügen unter Berufung auf
das, was deutsche Quellen erforscht und erarbeitet haben,
der deutschen Öffentlichkeit übermittelt. Darauf hat die
deutsche Öffentlichkeit ein Recht. Sie hat ein Recht darauf,
zu erfahren, wie die Bundesregierung diese Bedrohung ein-
schätzt. Die Bundesregierung sollte nicht so tun, als ob die
Frage der Massenvernichtungswaffen ein Hirngespinst von
George Bush sei. Das ist nämlich nicht der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist Hans Blix und nicht George Bush, der am 27. Ja-

nuar vor dem UNO-Sicherheitsrat gesagt hat, dass es
nachhaltige Hinweise darauf gebe, dass der Irak mehr
Anthrax produziert habe, als er gegenüber den UN-In-
spektoren angegeben habe. Einiges davon habe er ver-
steckt. Zudem habe der Irak 650 Kilogramm Nährmittel
zur Herstellung von Milzbrandbakterien nicht deklariert.
Blix sagte dann wörtlich:




Dr. Friedbert Pflüger

Ich stelle fest, dass die Menge der fraglichen Nährmit-
tel ausreichend wäre, um beispielsweise circa 5000 Li-
ter konzentriertes Anthrax herzustellen.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber Theorie!)

Das ist keine kleine Menge. Mit dieser Menge kann man
Millionen von Menschen umbringen.


(Zuruf von der SPD: Aber die Schlussfolgerung ist eine andere, Herr Pflüger!)


Ich sage Ihnen: Die große Bedrohung der Zukunft ist
die Verbindung von Terrorismus und Massenvernich-
tungswaffen. Meine Fraktion will sich später nicht vor-
werfen lassen – wir wollen alle hoffen und beten, dass es
niemals zu solchen Anschlägen kommt –: Ihr habt doch
alles gewusst, ihr habt den Zugang zu den Dokumenten
gehabt und seid gebrieft worden.


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1502727800

Herr Kollege Pflüger, Sie müssen zum Ende kom-

men.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Auch für Sie ist jetzt Ende!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502727900

Aber ihr habt es vorgezogen, einfach nur Bekenntnisse

zum Frieden in die Welt zu setzen und nichts konkret ge-
gen diese fundamentale Bedrohung und Herausforderung
zu unternehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1502728000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar von

Neuforn, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der
Rede von Herrn Pflüger ist mir deutlich geworden, dass
das Thema dieser Aktuellen Stunde zwar ein ernstes An-
liegen der CDU/CSU ist, dass sie aber offensichtlich nach
wie vor ein großes Problem damit hat. Es geht hier näm-
lich nicht um Vermerke aus Ministerien.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Doch!)


Es geht hier auch nicht um Informationspolitik.

(Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)


Mir ist jetzt sehr deutlich geworden – dafür bin ich Herrn
Pflüger dankbar –, dass Sie seit Tagen versuchen, den
Beweis zu führen, dass eine akute Gefahr vom Irak aus-
geht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Steht im Vermerk!)


Ihre Spitze hat bis heute keine Antwort auf die erfolg-
reichen Friedensbemühungen der rot-grünen Bundes-
regierung gefunden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Das ist aber billig!)


Sie haben auch noch keine Antwort auf die gemeinsame
Erklärung der EU-Staaten gefunden.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie haben darauf keine Antwort gefunden!)


Es geht Ihnen hier weder um Innenpolitik noch um Ge-
sundheitspolitik, sondern es geht Ihnen darum, mit der
amerikanischen Regierung gegen den Irak Krieg zu führen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Sie trauen sich aber nicht, dies zu sagen. An den unter-
schiedlichen Redebeiträgen wird deutlich, dass Sie sich
uneins sind.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Frechheit!)


Sie trauen sich nach wie vor nicht, die Position, die Herr
Pflüger dargelegt hat, offen zu vertreten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unterstes Niveau, was Sie hier ablassen!)


Sie suchen verzweifelt nach einem Rechtfertigungs-
grund für einen Militärschlag gegen den Irak.


(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt reicht es aber!)


Der friedlichen Stimmung in unserer Bevölkerung setzen
Sie eine Angstkampagne mit Pockenviren entgegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich nenne dies psychologische Kriegsführung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Ich bin sehr froh, dass diese rot-grüne Bundesregie-
rung am 22. September gerade in diesen schwierigen in-
nen- und außenpolitischen Zeiten das Vertrauen der Be-
völkerung erneut bekommen hat. Sie hat dieses Vertrauen
bekommen, weil die Bevölkerung nicht möchte, dass In-
nenpolitik mit Hysterie gemacht wird und dass mit Fik-
tionen gearbeitet wird.

Wenn man den Pressespiegel gelesen hat, dann kann
man es nur für absurd halten, wie innerhalb weniger Tage
einzelne Politiker aus Ihren Reihen, insbesondere Herr
Westerwelle, zu selbst ernannten Pockenvirenspezialisten
geworden sind, die meinen, dass sie mehr wissen als die
Experten des Robert-Koch-Instituts und der neu einge-
richteten Akademie für Krisenmanagement.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wie kann man in fünf Minuten nur so viel Unsinn reden!)



(A)



(B)



(C)



(D)


2108


(A)



(B)



(C)



(D)






Dort gibt es den Sachverstand, auf den sich die rot-grüne
Bundesregierung stützt. Sie aber ignorieren diesen Sach-
verstand, weil Sie eine andere Stimmung in der Bevölke-
rung produzieren wollen. Sie wollen den großen Frie-
densdemonstrationen etwas entgegensetzen. Sie brauchen
eine Gesellschaft in Angst, damit Sie sich als Problem-
löser anbieten können. Ihre Motivation ist mir hier deut-
lich geworden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja unanständig, was Sie erzählen!)


Sie alle hätten schon vor dem 11. September die Mög-
lichkeit gehabt, das zur Kenntnis zu nehmen.


(Dirk Niebel [FDP]: Jetzt weiß ich, weshalb wir den Adel abgeschafft haben!)


Auf einer Innenministerkonferenz wurde einstimmig, un-
ter Zustimmung aller Länder – auch der CDU- und der
CSU-regierten Länder, also auch Bayerns –, eine neue
Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland
entwickelt. Wir haben im Bereich des Zivil- und Kata-
strophenschutzes einmütig Entscheidungen getroffen.
Nun tun Sie hier so, als seien Sie daran nicht beteiligt
gewesen und als seien Sie nicht darüber informiert wor-
den.

Ich glaube, dass die Bevölkerung am 22. September
2002 ein richtiges Gefühl hatte. Es war richtig, dieser
Bundesregierung das Vertrauen auszusprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir stehen für zwei Dinge: für eine Friedenspolitik in
Europa und für eine Innenpolitik mit Augenmaß,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Halleluja! – Dirk Niebel [FDP]: Alles wird gut!)


bei der wir das zum Schutz der Bevölkerung Notwendige
und Erforderliche tun, es aber ablehnen, mit Panik Stim-
mung zu machen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502728100

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Storm,

CDU/CSU-Fraktion.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ein Sturm bricht los!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502728200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schmidt, Sie
haben vorhin von einem Tollhaus gesprochen. Das trifft
mit Blick auf die Informationspolitik auf Ihr Bundesmi-
nisterium und, wenn ich an die letzte Rede denke, ein
Stück weit auf die grüne Bundestagsfraktion zu.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Bei dieser Debatte geht es einzig und allein um die In-
formationspolitik oder, besser gesagt, um die Desinformati-
onspolitik der Bundesregierung in diesem Zusammenhang.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Kein vernünftig denkender Mensch wird die Notwen-

digkeit von Pockenschutzmaßnahmen leugnen. Der Aus-
gangspunkt dieser Debatte ist der Vermerk des Gesund-
heitsministeriums vom 9.August des vergangenen Jahres.
Der Kollege Bosbach und der Kollege Koschyk haben aus
einer Stelle, die die Überschrift „Wahrscheinlichkeit eines
Angriffs“ trägt, zitiert. Dort, wo es um dokumentierte Er-
kenntnisse geht, heißt es weiter – ich zitiere wörtlich –:

Die Anzeichen für einen möglicherweise kurzfristig
bevorstehenden Angriff der USA auf den Irak ver-
dichten sich. Es steht zu befürchten, daß der Irak in
einem solchen Falle mit den ihm zur Verfügung ste-
henden biologischen Kampfstoffen, also auch Pocken-
viren, reagiert.

Das ist nicht von irgendeiner nicht amtlichen Organisa-
tion, sondern steht in einem Vermerk des Bundesgesund-
heitsministeriums.

Es heißt dort weiter, dass im Falle eines solchen An-
griffs und wenn kein zusätzlicher Impfstoff angeschafft
werde, mit 30 bis 40 Prozent Todesfällen, also mit etwa
25 Millionen Toten, zu rechnen sei.

Nun hat der Sprecher des Gesundheitsministeriums zu
diesen Opferzahlen wörtlich erklärt: Das war etwas zuge-
spitzt; ich bedauere das.


(Erika Lotz [SPD]: Sie sollten mal etwas Neues bringen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist schon einmal vorgelesen worden!)


Uns haben alle Fachleute gesagt: Ohne einen umfassen-
den Impfschutz ist diese Beschreibung ein realistisches
Szenario. Genau deswegen dringen alle Gesundheitspoli-
tiker darauf, diesen Impfstoff so schnell wie möglich zu
beschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, dieser Vermerk war nicht ir-
gendein interner Vermerk. Denn das Bundesinnenmi-
nisterium hat diese Einschätzung im August 2002 geteilt
und unverändert an das Bundesfinanzministerium weiter-
geleitet.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Frau Ministerin, Sie selbst haben bereits im Mai des ver-
gangenen Jahres auf der Jahrestagung der WHO in Genf
erklärt, es müssten vorsorglich Impfstoffe für alle Men-
schen in Deutschland angeschafft werden. Auch da hat
das Stichwort Irak eine Rolle gespielt.

Es ist die Frage, welche Bedrohungslage die Regierung
denn nun wirklich sieht. Vorhin in der Fragestunde hat der
Kollege Schmidbauer aus einem Bericht des Bundes-
wehrbeschaffungsamtes in Köln vom 6. September zitiert.
Ich beziehe mich darauf noch einmal auszugsweise. Da
heißt es, es lägen geheime Informationen vor, wonach die
sofortige Beschaffung des Impfstoffes ohne Rücksicht auf

Silke Stokar von Neuforn




Andreas Storm
die Rechtslage zu fordern sei. Weitere Einzelheiten könne
die betreffende Stelle aufgrund der Geheimhaltungsver-
pflichtung nicht mitteilen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So ist es!)

Auch das zitiere ich aus einer Vorlage, die sowohl dem
Bundesinnenministerium als auch dem Bundesgesund-
heitsministerium vorgelegen hat.

Wenn das, was darin steht, richtig ist, dann wollen wir
wissen, was Sache ist. Die Desinformationspolitik des
Gesundheitsministeriums ist das große Problem. Wenn
diese Dinge so brisant sind, wie es in diesem Dokument
dargestellt wird, müsste man sich fragen, weshalb nicht
unverzüglich der Fachausschuss damit konfrontiert
wurde, vielleicht sogar noch vor der Wahl am 22. Sep-
tember. Das hat nicht stattgefunden. Nun könnte man er-
warten, dass dieses Thema in einer der ersten Sitzungen
des neuen Gesundheitsausschusses auf die Tagesordnung
gekommen wäre. Das war aber weder im Oktober noch im
November noch im Dezember der Fall, sondern es hat bis
Januar gedauert, bis wir im Gesundheitsausschuss erst-
mals umfassend über dieses Thema diskutiert haben, fünf
Monate, nachdem dieser Vermerk im Gesundheitsminis-
terium angefertigt worden ist.

Meine Damen und Herren, diese Art der Informations-
politik ist völlig inakzeptabel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deswegen muss man feststellen: Frau Ministerin Schmidt,
Sie haben die Bedrohung durch Pockenviren im Zuge der
Haushaltsberatungen bewusst sehr offensiv dargestellt. Nun
wollen Sie gemeinsam mit Ihrem Kollegen, dem Innenmi-
nister, davon nichts mehr wissen und sprechen von einer ab-
strakten Gefahr, als sei da realistisch überhaupt nichts zu er-
warten. Kein Mensch geht davon aus oder würde auch nur
im Traum daran denken, dass wir unmittelbar vor einer sol-
chen Gefährdung stehen. Aber wir als Parlamentarier wür-
den unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir nicht in
dieser Hinsicht Vorsorge träfen. Deswegen muss die Ge-
fährdungslage deutlich gemacht werden.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Aber deswegen muss man keine Panikmache betreiben!)


Darauf haben das Parlament und die Öffentlichkeit ein
Anrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Verpflichtung sind Sie nicht nachgekommen. Ich
rate Ihnen sehr dringend, Frau Ministerin: Ändern Sie Ihre
Informationspolitik, und zwar umgehend!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1502728300

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg,

SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502728400

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Diese Debatte erscheint mir nach der langen Be-

fassung in der Fragestunde mit diesem Thema, in der wir
von der Bundesregierung bereits viele Antworten gehört
haben, überflüssig wie ein Kropf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das, was wir hier gehört haben, hat nichts mit dem zu tun,
wofür wir hier sitzen. Wir sitzen hier, um die Bevölkerung
zu schützen. Wir sitzen hier, um die richtigen Maßnahmen
einzuleiten. Ich stelle fest: Diese Bundesregierung hat
rechtzeitig eine gute Analyse des Risikos vorgenommen,
hat die Schwerpunkte notwendiger Maßnahmen identifi-
ziert,


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Darum geht es nicht!)


hat sofort gehandelt und wir sind mit dem, was die Bun-
desregierung zum Schutze der Bevölkerung gemacht hat,
einverstanden.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir auch! – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Darum geht es nicht!)


Es gibt keinen Dissens in diesem Hause über die Maß-
nahmen. Ich halte diese Feststellung für wichtig. Der
Deutsche Bundestag ist einig mit den von der Bundes-
regierung getroffenen Maßnahmen und er will und muss
der Bevölkerung gemeinsam mit der Regierung klar ma-
chen, dass sie sich zu Recht so sicher fühlen kann, wie
man es in der Situation, in der wir uns befinden, nur sein
kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Aussage droht in diesem Hause fast verloren zu ge-
hen, aber das ist es, was die Leute von uns wissen wollen.

Jetzt kommen wir zu unseren Interna. Wir haben hier
darüber gestritten, wer wann welches Papier vorgelegt hat,


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Über den Inhalt vor allem!)


ob die Bundesregierung rechtzeitig gleiche oder wider-
sprüchliche Formulierungen gewählt hat. Das hört sich al-
les ganz interessant an, und wir verbringen damit jetzt
schon zwei Stunden. Sie sagen, das sei für Sie wichtig,
und beantragen eine Aktuelle Stunde. Ich kann nur sagen:
Ich finde es schade, dass wir auf diese Weise unser Ver-
trauen verspielen, das wir benötigen und das wir in die-
sem Fall zu Recht haben.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Ministerin verspielt Vertrauen!)


Das hat damit zu tun, dass Sie dieses Thema für andere
Zwecke missbrauchen wollen. Meine Vorrednerin von
den Grünen hat sehr schön dargestellt,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: So schön war das aber nicht!)


dass Ihre Aktion etwas mit einem anderen Politikfeld zu
tun hat, nämlich mit der Außenpolitik und mit der Haltung
der Bundesregierung in Bezug auf einen möglichen Krieg
im Irak. Sie haben offenbar Schwierigkeiten, in dieser Sa-
che der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen.


(Beifall bei der SPD)



(A)



(B)



(C)



(D)


2110


(A)



(B)



(C)



(D)






Ich glaube, wir müssen uns vorsehen, wir müssen auf-
passen, dass wir, wenn wir etwas für die Gesundheit der
Menschen tun wollen, nicht in die Rolle von Ärzten kom-
men, die sich im Angesicht des Patienten über das Datum
und die Modalitäten ihrer Abrechnungen streiten. Wir er-
leben solche Aktionen von Ihnen auch in der Gesund-
heitspolitik: Patienten werden zu Geiseln gemacht. Ich
denke, das dürfen Sie nicht schon wieder tun, schon gar
nicht, wenn es um ein so ernstes Thema geht wie das, wel-
ches wir hier heute behandeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1502728500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Luther,

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502728600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin Schmidt, Sie ha-
ben mich in Ihrer Rede mehrmals auf den Verlauf der
Haushaltsberatungen angesprochen. Deshalb möchte ich
einiges dazu sagen. Ich beginne mit einem Zitat aus der
„FAZ“:

Das Gesundheitsministerium bestätigte die Existenz
der Vorlage,

– also der Vorlage vom 9. August 2002 –
wies aber darauf hin, dass man eine drastische Spra-
che gewählt habe, um im Haushaltsausschuss „zügig
Gelder für Impfstoffe freizubekommen“.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unmöglich!)

Ich habe noch nie aus Sprechzetteln zitiert, Frau

Caspers-Merk, aber hier geht es darum: Was hat denn ei-
gentlich der Haushaltsausschuss gewusst und was ist im
Haushaltsausschuss behandelt worden? Deshalb möchte
ich aus dem Sprechzettel, der mir als Berichterstatter vor-
lag, zitieren.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Noch einmal ein vertrauliches Papier zitieren, wie Sie es vorhin schon gemacht haben, Herr Luther!)


– Das ist nicht vertraulich. – In der Begründung des Pa-
piers für die Sitzung des Haushaltsausschusses am
13. November 2002 steht:

Neue Erkenntnisse der Nachrichtendienste über die
Wahrscheinlichkeit eines bioterroristischen Angriffs
mit Pockenviren zwangen angesichts des hohen Ge-
fährdungspotenzials für die Bevölkerung zu soforti-
gem Handeln.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wissen wir ja, wie es an die „FAZ“ gekommen ist!)


Ich möchte daran erinnern: Bei den Beratungen für den
Haushalt 2002, also im November 2001, ist beschlossen
worden, 6 Millionen Dosen Pockenimpfstoff zu bestellen.
Das geschah unter dem Eindruck der Geschehnisse am

11. September 2001. Da konnte man tatsächlich davon
sprechen, dass es eine allgemeine, abstrakte Gefahrensi-
tuation gab, die zum Handeln anregte.

Der Genehmigung einer außerplanmäßigen Ausgabe
im August 2002 lagen dann – so die Information des Haus-
haltsausschusses – neue Erkenntnisse von Nachrichten-
diensten über eine besondere Gefahrenlage zugrunde. Das
Papier, das heute mehrfach zitiert wurde und auf das sich
das gründet, was der Haushaltsausschuss dann vorgelegt
bekommen hat, weist nicht nur auf eine allgemeine, son-
dern auf eine sehr konkrete Gefahr hin. Den Nachrichten-
diensten liegen also dokumentierte Erkenntnisse vor, dass
Pockenerreger zum Beispiel im Irak existieren. Das heißt,
der Irak verfügt über biologische Massenvernichtungs-
mittel.

Ich will es noch einmal festhalten: Diese Vorlage lag
dem Haushaltsausschuss nicht vor. Wenn es nun vonsei-
ten des Gesundheitsministeriums heißt, man habe diese
drastische Sprache gewählt, um im Haushaltsausschuss
zügig Gelder für Impfstoffe freizubekommen, dann muss
man noch einmal den Zeitablauf darstellen: Am 16. Au-
gust 2002 wurde dem Bundesgesundheitsministerium die
außerplanmäßige Ausgabe durch das Bundesfinanzminis-
terium genehmigt. Der Haushaltsausschuss wurde am
13. November 2002 damit befasst, also einige Monate
später. Es war daher nicht notwendig, für den Haushalts-
ausschuss diese drastische Sprache zu verwenden. Der
Sachverhalt ist anders: Das Gesundheitsministerium
musste sich gegenüber dem Finanzminister durchsetzen.
Aber bedarf es dafür einer drastischen Sprache? Bislang
ging ich davon aus, dass man sich im Kabinett unter Zu-
stimmung des Bundeskanzlers gemeinsam mit dem Bundes-
innenministerium letztendlich entschlossen hat, Pocken-
impfstoffe zu bestellen. Also gehe ich davon aus, dass
dieses Papier vom 9. August 2002 richtig ist, nicht über-
treibt und der Wahrheit, der tatsächlichen Situation, ent-
spricht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man entsprechend dem, was auch die WTO nach

dem 11. September 2001 empfohlen hatte, eine Vollver-
sorgung der Bevölkerung mit Pockenimpfstoffen hätte
vornehmen wollen, dann hätte man nicht drei Mal den
Haushaltsausschuss damit befassen müssen, nämlich im
November 2001, im November 2002 und im Januar 2003.
Immer wieder kam scheibchenweise noch etwas dazu und
immer wieder wurde es damit begründet, dass es jetzt so-
fort unbedingt notwendig sei aufgrund neuer Erkennt-
nisse und was auch immer. Das macht die ganze Sache für
mich sehr unglaubwürdig.

Ich will noch einmal festhalten:

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Nur kurz!)


Ich bin der Meinung, dass die Bundesgesundheitsministe-
rin richtig gehandelt hat. Angesichts der vorliegenden In-
formationen musste sie auch so handeln. Der Haushalts-
ausschuss hat diesem außergewöhnlichen Verfahren
richtigerweise zugestimmt, nämlich die Entscheidung
ohne Ausschreibung und ohne vorher den Haushaltsaus-
schuss damit zu befassen, zu treffen. Die Bevölkerung
muss geschützt werden. Deswegen ist die Anschaffung

Dr. Wolfgang Wodarg




Dr. Michael Luther
von Pockenimpfstoffen richtig. Das stellt auch niemand in
diesem Hause infrage.

Warum aber gibt es diesen Kurswechsel der Bundesge-
sundheitsministerin, die plötzlich die Gefahr herunterspielt?
Ich kann es Ihnen sagen: Im August 2002, kurz vor der Bun-
destagswahl, wäre es nicht opportun gewesen, wenn diese
Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangt wären. Damals
wurde mit einem von den USA inszenierten Krieg gegen
den Irak gedroht, um die Wahl zu gewinnen. So kann man
nicht Politik machen. So zerstört man das Verhältnis zur
UNO, zur EU und zu den Vereinigten Staaten von Amerika.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich fordere Sie auf: Ändern Sie Ihre Politik an dieser

Stelle und informieren Sie die Bevölkerung zukünftig or-
dentlich!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1502728700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, fraktions-

los.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502728800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die PDS im Bundestag hält die heute angezettelte Debatte
für höchst verlogen und die Position der CDU/CSU oben-
drein für kreuzgefährlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Die Frage des Schutzes vor terroristischen Verbrechen
diskutieren wir seit dem 11. September 2001 sehr inten-
siv, auch die nach biologischen Angriffen im Allgemeinen
und die nach Pockengefahren im Besonderen. Ich habe
mich damals für meine Fraktion im Robert-Koch-Institut
über deren Einschätzung und über Vorsorgemöglichkeiten
informiert. Deshalb halte ich es für richtig, wenn nun vor-
sorglich Impfstoffe in diesem Umfang bereitstehen. Ich
kann mich erinnern, dass mir der Präsident des Robert-
Koch-Instituts die Prognose gab, dass man bis zum Be-
ginn des Jahres 2003 so weit sein könnte, diesen Gefah-
ren prophylaktisch zu begegnen.

Allerdings sollten wir uns daran erinnern: Damals war
von Bin Laden und seinem Netzwerk die Rede. Heute dra-
matisieren CDU/CSU und leider auch die FDP die
Pockenfrage, und zwar im Kontext mit dem Irak, und das,
obwohl es dafür keinerlei Belege gibt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Frau Schmidt!)

Deshalb sage ich Ihnen: Sie instrumentalisieren das
Pockenthema für Ihre Außenpolitik und versuchen, sich
durch Ihre Zustimmung zum Kriegskurs aus der gesell-
schaftlichen Isolation zu holen. Das ist schäbig und wird
Ihnen auch nicht gelingen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Ich möchte an das Kurzzeitgedächtnis der Kolleginnen
und Kollegen von CDU/CSU appellieren. Sie haben im

Sommer Zeter und Mordio geschrieen, als im Bundes-
tagswahlkampf das Thema Krieg und Frieden eine Rolle
spielte. Frau Merkel empörte sich damals und sagte, man
dürfe nicht mit den Ängsten der Menschen spielen. Rich-
tig, aber genau das machen heute CDU/CSU in der aktu-
ellen Pockendebatte. Dasselbe tun Sie übrigens auch bei
anderen brisanten innenpolitischen Themen, zum Beispiel,
wenn es um oder besser gegen Ausländer geht. Es fehlt nur
noch, dass Sie den Papst verteufeln, weil der nicht auf
CDU/CSU-Linie, sondern auf dem Friedenspfad ist.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Mit dem Papst können wir gut leben!)


Nun noch ein Wort zu Ihnen, liebe Kolleginnen und
Kollegen von Rot-Grün. Seit vorgestern gibt es eine ge-
meinsame Erklärung der EU zum drohenden Irakkrieg.
Die Opposition zur Rechten spricht von einem Kurs-
wechsel, Kanzler und Außenminister sprechen von einem
guten Kompromiss,


(Ulrich Kelber [SPD]: Da haben sie Recht!)

Diplomaten sprechen vom kleinsten gemeinsamen Nenner.
Das mag sein, aber selbst dieser kleinste gemeinsame
Nenner liegt neben dem Friedensgebot des Grundgeset-
zes. Er widerspricht der EU-Charta und auch dem Völker-
recht, denn er stellt Krieg in Aussicht. Der Kompromiss
ist folglich nicht gut, sondern faul. Millionen Menschen
haben am vergangenen Wochenende europaweit für etwas
anderes demonstriert. Das möchte ich namens der PDS
klarstellen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502728900

Nächster Redner ist der Kollege Gerold Reichenbach,

SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502729000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lassen Sie mich vorweg eine persönliche Be-
merkung machen. Ich selbst bin Mitglied eines Katastro-
phenstabes.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist doch jeder, der in der Koalition mitmacht!)


Die Art und Weise, wie die Opposition in diesem Hause
– Ihr Zwischenruf spricht für sich –


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


mit den Vorbereitungen und der Analyse, die von verant-
wortlichen Stellen zu verschiedenen Bedrohungsszenarien
vorgenommen wird, und mit der Planung der Gefahrenab-
wehr umgeht, ist schlicht und einfach steinerweichend.
Wenn ich in meinem Stab wäre, würde ich ein anderes
Wort benutzen, nämlich eines, das mit „K“ anfängt.

Sie betreiben eine systematische Verunsicherung der
Bevölkerung. Nicht die Bundesregierung verunsichert,
sondern Sie. Sie behaupten, es würden Bedrohungsszena-
rien verschwiegen. Dazu möchte ich mit Genehmigung


(A)



(B)



(C)



(D)


2112


(A)



(B)



(C)



(D)






der Präsidentin einige Zeitungsausschnitte aus dem ver-
gangenen Jahr zitieren. Die „Frankfurter Allgemeine Zei-
tung“ schreibt: „Pocken als Waffe“. Die „Welt am Sonn-
tag“ titelte am 13. Oktober 2002: „Deutschland kauft
Pockenimpfstoff“. Die „Frankfurter Rundschau“ schrieb
am 5. November 2002: „Rückkehr zur Pockenschutzimp-
fung“. Dieses Thema ist also schon fast ein Jahr alt. Nicht
die Lesart des Bedrohungsszenarios in den Ministerien
hat sich geändert, sondern Ihre Interpretation, weil es Ih-
nen politisch zupass kommt, dies hochzuspielen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie behaupten, es gebe in dieser Frage keine Zusam-
menarbeit zwischen Bund und Ländern.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wer hat das denn behauptet?)


Sie haben vorhin die unterschiedlichsten Haushalts-
ansätze genannt. Seit Sommer dieses Jahres wird unter an-
derem darüber verhandelt, wer die Kosten zu tragen hat.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Also gibt es doch eine Zusammenarbeit!)


– Ja, die gibt es. Aber wir haben die betreffende Behaup-
tung doch nicht aufgestellt, Herr Bosbach. Sie, Herr Kol-
lege Koschyk, haben das vorhin in der Fragestunde als
Anlass Ihrer Frage genommen.

Das Ziel ist erreicht. Es kommt in den Medien so an,
als wäre die Gefahr durch den Einsatz von Pockenviren
oder durch andere Terroranschläge neu. Sie wird hochge-
spielt. Horrorszenarien können kolportiert werden. Aber
das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, kein verantwort-
licher Bevölkerungsschutz. Bevölkerungsschutz ist eine
nationale Aufgabe, die von allen getragen werden muss.
Dieses Thema ist denkbar ungeeignet, um damit partei-
politische Spielchen zu machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Seit dem Terroranschlag vom 11. September arbeitet
die Bundesregierung systematisch die Aufgaben ab, die
sich aus dieser neuen Bedrohungslage ergeben haben. Das
gilt zum Beispiel für die Bedrohung mit Biowaffen – bei-
spielsweise mit Milzbrand-, Pocken- oder anderen Erre-
gern –, die für einen Terroranschlag verwendet werden
könnten. So haben wir seit September 2001 insgesamt
367 moderne ABC-Erkundungsfahrzeuge – dies sind Fahr-
zeuge, die zur Erkundung von atomaren, biologischen
und chemischen Gefahrenlagen eingesetzt werden kön-
nen und diese beseitigen können – an die Länder ausge-
liefert. Insgesamt wurden damit 852 Fahrzeuge für den
Katastrophenschutz zusätzlich zur Verfügung gestellt.


(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hat mit dem Thema nichts zu tun!)


Das gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund
und Ländern wurde mit den Ländern zusammen aufge-
baut. Auch in diesem Bereich gab es eine Abstimmung.


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu welchem Thema reden Sie?)


Das deutsche Notfallinformationssystem ist auf den Weg
gebracht worden. Die Bevorratung mit Pockenimpfstof-
fen – das wurde schon genannt – läuft bereits seit dem
Jahr 2001. Dies ist in Kooperation mit den Bundesländern
geschehen. Auch sie waren über Ihre Landesregierung von
Anfang an an diesen Sicherheitsentscheidungen beteiligt.


(Beifall bei der SPD)

In die Bedrohungsanalyse wurde natürlich auch die

Möglichkeit einbezogen, dass Biowaffen in die Hände
von Terroristen fallen könnten oder dass Länder wie Irak
oder Nordkorea, von dem heute bezeichnenderweise nie-
mand spricht, darüber verfügen könnten. Das Thema ist
allerdings nicht neu. Darüber wird seit Sommer letzten
Jahres diskutiert. Damals ist, aufbauend auf dem, was wir
im Jahr 2001 veranlasst haben, auch die grundsätzliche
Entscheidung gefallen, im Ernstfall Seren für den Impf-
schutz der gesamten Bevölkerung bereitzuhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Thema wird von der Union allerdings aufgehübscht

und aufgebauscht; denn sie möchte etwas ganz anderes
erreichen. Das scheint mir durchsichtig zu sein. Seit Wo-
chen versuchen Sie, die Thematik Massenvernichtungs-
waffen hochzuziehen. Es wird darüber geredet, der BND
habe mögliche Erkenntnisse. Gerade deshalb möchten
wir, dass die Erkenntnisse, die an die UNO-Inspektoren
weitergegeben wurden, weiter überprüft werden und dass
die Inspektoren weiterarbeiten können. Die Union lässt al-
lerdings nichts unversucht, um die Friedenspolitik der Bun-
desregierung mit Panikmache in Misskredit zu bringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo liegt Ihr Problem?
Liegt es darin, dass sich die Bundesregierung seit dem
11. September systematisch auf mögliche Bedrohungs-
lagen einrichtet? Liegt es darin, dass die Bundesregierung
die Überprüfung der Arsenale und die Entwaffnung
Saddam Husseins durch die UNO-Inspektoren anstrebt
und vorantreiben will? Die Rede von Herrn Pflüger vor-
hin war verräterisch. Ihr Problem liegt darin, dass Sie in
der deutschen Bevölkerung mit Ihrer positiven Haltung
zum Irakkrieg völlig isoliert sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Unglaublich! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das haben wir gerade an den Wahlen gesehen!)


80 Prozent der Bevölkerung sind auf einer Linie mit der
Bundesregierung.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1502729100

Herr Kollege, schauen Sie bitte ein wenig auf die Uhr.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502729200

Sie wollen eine Entwaffnung mit friedlichen Mitteln.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Union versucht, auf

diese Weise aus der Defensive beim Thema Irakkrieg

Gerold Reichenbach




Gerold Reichenbach
herauszukommen. Wir haben bisher alles getan, um
Deutschland sicher zu machen, und wir werden dies auch
in Zukunft tun. Dort, wo es um den Schutz der Bevölke-
rung geht, hat Parteitaktik nichts zu suchen. Wir nehmen
unsere Verantwortung wahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1502729300

Herr Kollege Reichenbach, ich gratuliere Ihnen sehr

herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und
wünsche Ihnen alles Gute.


(Beifall)

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Peter

Hintze, CDU/CSU-Fraktion.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh! – Dirk Niebel [FDP], zu Abg. Dr. Uwe Küster [SPD] gewandt: Ist das die Vorfreude bei Ihnen?)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502729400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Die heutige Fragestunde und auch diese Debatte
sind deutliche Belege dafür, dass innerhalb der Bundesre-
gierung eine ziemliche Konfusion darüber herrscht,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)

wie die Bedrohungsanalyse aussieht und – viel schlimmer
und wichtiger – welche Schlüsse man daraus zu ziehen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Falls wir in der Debatte den Eindruck erweckt haben

sollten, es ginge hier vornehmlich um eine Kritik an der
Bundesgesundheitsministerin,


(Zuruf von der SPD: Dann stimmt das!)

dann möchte ich das klarstellen:


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ob Ihnen das gelingt? Da habe ich Zweifel!)


Wir sind der Meinung, dass die Bundesgesundheitsmi-
nisterin richtig handelt, wenn sie angesichts kritischer Er-
kenntnisse sagt, dass sie zum Schutz der Bevölkerung vor
gefährlichen Massenvernichtungswaffen Vorsorge trifft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich glaube auch nicht, dass Otto Schily die richtige
Adresse für die zentrale Kritik des heutigen Nachmittags
ist – er spricht leider erst am Schluss dieser Debatte –;
denn man kann dem Bundesinnenminister nichts vorwer-
fen, wenn er eine solche Bedrohung erkennt und durch
sein Haus darauf hinweist. Wir kritisieren ein wichtiges
Mitglied der Bundesregierung, das heute leider nicht hier
ist, nämlich den Herrn Bundeskanzler; denn er zieht aus
den Erkenntnissen des Bundesinnenministers, der Bun-
desgesundheitsministerin und seiner Nachrichtendienste
nicht die notwendigen sicherheitspolitischen Konsequen-
zen zum Schutz der eigenen Bevölkerung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Jetzt plustern Sie sich aber richtig auf! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch lächerlich!)


Kollege Bosbach hat hier sehr schön dargelegt,

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wer ist Bosbach?)


dass aus einer abstrakten Bedrohung sehr rasch eine kon-
krete Bedrohung werden kann.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Aber noch nicht geworden ist!)


D
Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1502729500
Wenn man von einem Brandstifter weiß,
muss man Feuerlöscher beschaffen. Ich fände es wesent-
lich sinnvoller, den Brandstifter präventiv festzusetzen
und sicherzustellen, dass er nichts anzünden kann, was
man hinterher mühsam löschen muss.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das ist es doch, was wir in diesen Tagen und Wochen
erleben: Wir erleben einen Bundeskanzler, der diese Er-
kenntnisse ignoriert, wir erleben Bundesminister, die de-
monstrieren. Demonstrieren ist das Recht eines jeden
Menschen und auch eines jeden Ministers. Aber ich frage
mich: Ist es Fahrlässigkeit oder Naivität? Massenvernich-
tungswaffen lassen sich nicht durch eine pazifistische
Ohne-mich-Haltung oder durch Demonstrationen besei-
tigen. Nur durch die Entschlossenheit der freien Welt
können sie vernichtet werden. Das ist eine wichtige Er-
kenntnis unserer Geschichte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie zündeln! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie, was Sie wollen!)


Der Kollege Pflüger ist gerade dafür kritisiert worden,
dass er den europäischen Gipfel angesprochen hat. Dass
Sie sich darüber aufgeregt haben, zeigt Ihre Engstirnig-
keit. Wir müssen doch die Zusammenhänge sehen. Solche
Gefahren, seien sie nun potenziell oder konkret
– wir alle hoffen, dass sie nicht konkret werden –, muss
man gemeinsam bannen. Sie lassen sich aber nicht durch
gute Worte, sondern nur durch entschiedene Taten bannen.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Wenn keine Gefahr da ist, dann machen Sie sich eine!)


Wie ist denn Afghanistan, wo Frauen unterdrückt und
Menschen gefoltert und ermordet wurden, befreit wor-
den? Wie ist denn dem Balkan die Freiheit gebracht wor-
den? – Nicht durch Demonstrationen oder durch Kritik an
der Opposition, sondern durch die Bereitschaft der Ver-
einigten Staaten und anderer Völker, ihr Leben dafür ein-
zusetzen, dass Freiheit und Recht in dieser Welt einen
dauerhaften Platz haben!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublich!)


Aus diesem Grunde ist es bedauerlich, dass heute Nach-
mittag der entscheidende Stuhl in diesem Hohen Hause
nicht besetzt ist. Es ist gut – Herr Pflüger hat darauf hin-


(A)



(B)



(C)



(D)


2114


(A)



(B)



(C)



(D)






gewiesen und auch ich möchte das unterstreichen –, dass
sich der Bundeskanzler dazu durchgerungen hat, die Er-
klärung von Brüssel zu unterschreiben. Ich hoffe nur, dass
es nicht eine seiner Finten war, sondern dass dies auch für
die deutsche Haltung im Sicherheitsrat gilt. Wenn wir
aber erkennen müssen, dass Saddam Hussein nicht nach-
gibt – um in Ihrem Bild zu bleiben: Der Brandstifter plant,
ein Feuer zu legen –, dann stellt sich für uns die Frage:
Was machen wir?


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie legen einen Flächenbrand!)


Kaufen wir einen weiteren Feuerlöscher oder gehen wir,
solange wir noch die Kraft dazu haben, gegen diesen
Menschen vor?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb sage ich zum Schluss: Es ist richtig, dass die
Regierung Vorsorge gegen einen möglichen Pocken-
angriff auf Deutschland trifft. Ich werde mich in fünf oder
zehn Jahren nicht darüber beklagen, dass diese Maß-
nahme 200 Millionen Euro gekostet hat, wenn der Ernst-
fall glücklicherweise nicht eingetreten ist. Diese Ent-
scheidungen sind richtig; denn sie entsprechen dem
Schutzauftrag einer Bundesregierung. Das will ich einmal
klar sagen. Wir aber kritisieren die Widersprüche. Den
Kopf in den Sand stecken und sich dann Schnorchel be-
sorgen, damit man atmen kann, ist keine geeignete Politik.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502729600

Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Otto

Schily.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Note vier! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Für Herrn Hintze!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502729700

Wenn es noch eines Nachweises bedurft hätte, dass Sie

heute eine ganz andere Debatte als die führen wollen, die
Sie als Thema der Aktuellen Stunde angemeldet haben,
dann war das der Beitrag des Kollegen Hintze.


(Beifall bei der SPD)

Sie wollen eine außenpolitische Debatte führen. Ich emp-
fehle Ihnen, dafür den richtigen Zeitpunkt zu wählen, und
schlage die Kernzeit am Donnerstag vor. Dann werden
wir sehen, wie gewichtig Ihre Argumente sind.

Sie haben eine Aktuelle Stunde zur möglichen Bedro-
hung durch Pockenviren angemeldet. Nur zu diesem The-
ma werde ich mich äußern.

Ich will einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte
leisten, indem ich zunächst einmal mit Zufriedenheit fest-
stelle, dass eine Bevorratung mit Impfstoffen von allen Sei-
ten des Hauses für sinnvoll gehalten wird. Das ist ein er-
freulicher Sachverhalt. Die Bundesregierung hat bereits im
Oktober 2001 mit diesen Maßnahmen begonnen; darauf hat

Frau Kollegin Schmidt mit Recht hingewiesen. Sie wissen,
dass die Irakkrise zu diesem Zeitpunkt noch nicht das heu-
tige Ausmaß hatte. Dieser Erkenntnis sind wir wohl alle.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja!)

Sie aber argumentieren, dass dies nicht das Thema sei.

Es gehe vielmehr um die Informationspolitik; das hat
auch der Kollege Bosbach angesprochen. Ich will Ihnen
nun ganz offen etwas zum Thema Irak sagen: Der Ver-
merk, auf den Sie sich berufen, ist unglücklich formuliert;
das ist gar keine Frage.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Er ist übrigens nicht zur Information der Öffentlichkeit
verfasst worden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr Ministerium hat ihm nicht widersprochen!)


– Das ist die Frage, die Sie zu Recht stellen. Wenn Sie
mich dafür haftbar machen wollen, dann müssten Sie vor-
bringen: Das ist eine Leitungsvorlage gewesen. – Dann
würde ich die Haftung dafür übernehmen. Es handelt sich
aber um eine interne Vorlage.

Zu dem Zeitpunkt, als über eine mögliche Gefährdung
diskutiert wurde, hat unser Ministerium klar zum Aus-
druck gebracht, dass nur eine abstrakte Gefährdung be-
steht. Das ist auch dem Bundesgesundheitsministerium
mitgeteilt worden. Frau Kollegin Schmidt hat alles, was
dazu zu sagen ist, richtig vorgetragen.

Ich will Ihnen eine Passage – anderes ist bereits in der
Fragestunde angesprochen worden; das kann ich mir er-
sparen – vortragen. Wir sollten uns besser darauf stützen
statt auf irgendwelche Sprechzettel. Ich muss wohl dem-
nächst meine Sprechzettel anketten, wenn ich in den Aus-
schuss gehe, damit sie nicht in fremde Hände gelangen.


(Zurufe von der CDU/CSU)

– Lassen Sie mich doch fortfahren! Ich zitiere:

Frau Schmidt erklärt, es gebe grundlegend keine
neuen Erkenntnisse, die sich auf den Irak oder ande-
res bezögen und die bisherige Vorgehensweise erfor-
derlich gemacht hätten.

Sie sehen, dass der Sachverhalt von Frau Kollegin
Schmidt an dieser Stelle völlig klar dargestellt wurde.

Ich möchte Folgendes ausführen – hören Sie von der
Opposition jetzt einmal gut zu! –:


(Zurufe von der CDU/CSU: Das tun wir gern!)

Wie wir bereits dargestellt haben, ist uns bekannt, dass der
Irak mit Kamelpocken experimentiert hat. Daraus können
durchaus Schlussfolgerungen gezogen und es kann ge-
fragt werden, warum diese Experimente durchgeführt
werden. Die Erkenntnisse hinsichtlich der Pockenviren
sind den Nachrichtendiensten und damit auch Ihrer alten
Regierung seit Mitte der 90er-Jahre zugänglich gewesen.
Wenn Sie daraus eine abstrakte Gefährdung herleiten,
dann frage ich Sie: Wann hat die alte Bundesregierung mit
der Bevorratung von Impfstoffen begonnen? Diese Frage
muss ich Ihnen dann stellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Peter Hintze




Bundesminister Otto Schily
Seien Sie deshalb vorsichtig mit einem solchen Vorwurf!
Ich kann dann auch die Frage stellen, was Sie der Öffent-
lichkeit dazu mitgeteilt haben.


(Zuruf von der FDP: Dasselbe wie Sie ab 1998!)


Ich will Sie aber gleich wieder entlasten, damit Sie
nicht in Unruhe geraten. Dieses Thema ist damals öffent-
lich diskutiert worden, weil es auch Gegenstand der In-
spektionen war. Auch der Kollege Pflüger hat die Zusam-
menhänge völlig durcheinandergebracht.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht er bewusst! Das ist seine Masche!)


Es tut mir Leid, das sagen zu müssen. Ich habe seinerzeit
die Rede des Secretary of State Colin Powell bei meinem
Besuch in den Vereinigten Staaten von Amerika am Fern-
sehschirm verfolgt. Lesen Sie das einmal nach! Auch
darin ist nur von Versuchen mit Kamelpocken die Rede,
aber nicht etwa von Vorratslagern an biologischen
Kampfstoffen in Form von Pockenviren.

Sie können ganz sicher sein: Unsere amerikanischen
Freunde sind bei der Informationsgewinnung so gut, dass
sie sich, wenn solche Erkenntnisse vorlägen, nicht einen
Vermerk – entschuldige bitte, Ulla – –


(Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU] meldet sich zu Wort)


– In der Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen,
Herr Kollege Koschyk. Das sollte Ihnen bekannt sein.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ich wollte Ihnen nur Powell geben! Ich habe Powell hier!)


– Ja, ich kenne das. Da ist aber nicht von Lagern die Rede.
Ich will jetzt nicht in eine solche Debatte eintreten. Das
wäre eine außenpolitische Debatte, die wir an anderer
Stelle führen sollten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber dann müssen Sie korrekt zitieren, Herr Minister!)


Ich will nur Folgendes anmerken, Herr Koschyk, weil Sie
auch in dieser Frage die Dinge durcheinander gebracht
haben.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ich habe die Powell-Rede hier liegen!)


– Hören Sie doch einen Moment zu! Ich habe Ihnen
doch auch geduldig zugehört. Ich kann Sie auf die Aus-
sagen der beiden Inspektoren Blix und el Baradei hin-
weisen, die wörtlich festgestellt haben – das können Sie
nachlesen –: Es gibt keine belastenden Hinweise auf die
Fortführung von nuklearen, biologischen oder chemi-
schen Waffenprogrammen. Was die beiden Inspektoren
in der Tat festgestellt haben – das hat Herr Pflüger rich-
tig erwähnt – ist, dass ein Nachweis fehlt, was aus be-
stimmten Anthrax- und anderen Beständen geworden
ist. Dabei handelt es sich aber um ein völlig anderes
Thema.


(Zurufe von der FDP: Nein!)


Das hat mit dem Thema, über das Sie heute mit uns spre-
chen wollten, wahrlich nichts zu tun. Bringen Sie die
Dinge nicht durcheinander!


(Zuruf von der CDU/CSU: Die bringen Sie durcheinander!)


Ich habe in irgendeiner Pressemeldung gelesen – in der
jemand Milzbranderreger mit Pockenerregern verwech-
selt hat –,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Powell hat von Pockenviren gesprochen!)


dass man sich aber mit Antibiotika gegen Milzbrand-
erreger schützt. Bitte bringen Sie die Dinge nicht durch-
einander.

Ich habe den Eindruck, dass Sie – das ist Ihnen von den
Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen
zu Recht vorgeworfen worden – etwas anzetteln wollen.
Sie wollen in der Öffentlichkeit Unruhe stiften und auf-
wiegeln.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Nein, das wollen Sie. Das zeigt der ganze Debattenver-
lauf am heutigen Tag.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Sehr schwach!)


– Was schwach oder was nicht schwach ist, beurteilen
noch immer andere, Herr Koschyk. Das, was Sie heute
vorgetragen haben, war in meinen Augen sehr schwach.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie haben Herrn Powell nicht richtig zitiert! Das ist bemerkenswert!)


– Nein, ich glaube, ich habe ihn richtig zitiert. Auch Sie
selber haben ihn zitiert. Es gibt jedenfalls keine Hinweise
– ich stütze mich dabei auf die Aussagen von Herrn Blix
und Herrn el Baradei – auf die Fortführung von Waffen-
programmen. Im Übrigen, wenn wir über Herrn Powell
reden wollten, dann müssten wir natürlich auch die Frage
stellen, ob alle Erkenntnisse wirklich übereinstimmen.
Das ist aber ein anderes Thema. Lassen Sie uns bei ande-
rer Gelegenheit darüber diskutieren.

Das, was Sie heute gemacht haben, ist der untaugliche
Versuch, wider besseres Wissen durch den Umgang mit
diesem Thema wieder einmal Unruhe in der Bevölkerung
zu stiften. Das ist schändlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist nicht schändlich, für Frieden und gegen Krieg zu
demonstrieren. Es ist aber schändlich, auf diese Weise
Unruhe in der Bevölkerung zu stiften.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe heute gelesen – das ist eine gute Nachricht –,
dass der bayerische Ministerpräsident jetzt – er hat lange
dafür gebraucht – seine Kandidatur offiziell für beendet
erklärt hat. Nun sollten auch Sie – dann hätten Sie eben-


(A)



(B)



(C)



(D)


2116


(A)



(B)



(C)



(D)






falls lange gebraucht – endlich mit dem Wahlkampf auf-
hören. Dann kämen wir wieder zu einer guten sachlichen
Diskussion über die Probleme unseres Landes. Das wäre
sinnvoll.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Das war aber eine sehr sachliche Rede des Bundesinnenministers! Jetzt haben Sie die Bevölkerung gut informiert!)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1502729800

Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Dr. Michael

Bürsch, SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502729900

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Das Ende der Debatte gibt die Möglichkeit,
rhetorisch abzurüsten, Aufregungen aus der Diskussion
herauszunehmen und auf die Kernfrage zurückzukom-
men, die Herr Stadler am Anfang gestellt hat. Es geht ei-
nerseits um das Recht auf Information und andererseits
um Panikmache und Hysterie, die wir vermeiden wollen.
Ich stelle am Ende der Debatte fest, dass wir uns in zwei-
erlei Hinsicht einig sind:

Erstens. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen An-
spruch darauf, über drohende Gefahren für ihre Gesund-
heit seriös informiert zu werden. Das gilt natürlich insbe-
sondere für schwerwiegende Gefahren wie drohende
Seuchen.

Zweitens. Panikmache und Hysterie dürfen keine Mit-
tel der Politik werden. Sie dürfen nicht eingesetzt werden,
um Stimmung zu machen oder um auf billige Weise für
die eigenen Ziele zu werben. Das schadet insbesondere
bei dem Thema der Gesundheitsvorsorge sowohl der Vor-
sorge selbst als auch der Vermeidung von Gefahren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie schwierig die Gratwanderung zwischen seriöser
Information einerseits sowie Panikmache und Hysterie
andererseits – einen gewissen Anflug gibt es ja schon – ist,
hat sich meiner Ansicht nach an der Berichterstattung der
Medien in den letzten Tagen und an dem gezeigt, was sie,
insbesondere die Zeitungen, aus der Veröffentlichung ei-
nes Haushaltsvermerks vom letzten August gemacht ha-
ben. Ich möchte nur einen kleinen Überblick über die
Schlagzeilen geben, die deutlich machen, was daraus in
den Zeitungen gemacht worden ist: „Bioterror“, „Pocken-
warnung“, „Der Tag X“, „Pockenviren, Selbstmordter-
roristen, Sabotageakte – Deutschlands Sicherheitsstäbe
bereiten sich auf einen Irakkrieg vor“, „Pockenalarm –
Experten rechnen mit Millionen Toten“ – das ist die Über-
schrift der Zeitung mit den großen Buchstaben gewesen –,
„Tödliche Pocken – So groß ist die Gefahr wirklich“. Herr
Grindel, das sind Ihre ehemaligen Kollegen aus den Me-
dien, die so etwas daraus machen. Ich frage Sie: Muss das
so sein? Ist es gottgegeben, dass man durch das Heraus-
filtern bestimmter Sätze aus einem internen Haushalts-
vermerk, der als solcher auch deutlich gekennzeichnet ist

und der nie im Leben von Sicherheitsexperten zum Bei-
spiel des BND, die etwas über Gefährdungslagen sagen
können, quer geschrieben wurde, einen solchen Inhalt
konstruiert?

Für mich ist das ein Lehrstück dafür, welche Verant-
wortung wir Politiker, und zwar sowohl Vertreter der Op-
position als auch der Koalition, aber auch die Medien
dafür haben, wie Informationen vermittelt werden. Wir
Politiker, aber auch die Medien haben die Verantwortung,
Panik und Hysterie zu vermeiden. Insofern gebe ich dem
Autor Recht, der vor zwei Tagen in der „Süddeutschen
Zeitung“ zu diesem Thema geschrieben hat – das war aus-
drücklich ein Kommentar; die Trennung zwischen Nach-
richt und Kommentar wird nicht in allen Zeitungen ein-
gehalten; diese Trennung ist eine alte Tugend, die
vielleicht mehr Zeitungen wieder entdecken sollten –:

Im Journalismus gilt mittlerweile die Regel, dass
jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben
werden muss.


(Unruhe bei der CDU/CSU)

– Ich zitiere einen Autor der „Süddeutschen Zeitung“.

Die Herde der Schweine wird dabei immer größer.
An diesem Wochenende wurde wieder mal nach
Kräften getrommelt: Anschläge mit Pockenviren
drohten, die Bundesregierung verharmlose die Ge-
fahr, geheimste gesicherte Erkenntnisse des Bundes-
nachrichtendienstes würden ignoriert. Der normale
hysterische Katastrophismus also.

Jetzt kommt ein wunderbarer Schlenker zu Herrn
Westerwelle – er wird sich erinnern –:

Erfahrene Trittbrettfahrer wie der FDP-Bundesvor-
sitzende Guido Westerwelle erklärten, die Darstel-
lung der Lage durch die Bundesregierung sei ver-
harmlosend und daher „unverantwortlich“.

Der Vorsitzende einer kleinen Partei, also keiner Volks-
partei, hat sich auf dieses Trittbrett hinaufbegeben und
dafür gesorgt, dass diese Panik verstärkt wurde.

Ich plädiere dafür, dass wir uns das zu Eigen machen,
was auch im Journalismus im Wege der freiwilligen
Selbstverpflichtung im Kodex des Presserates geschrie-
ben steht. Wir Politiker können uns das wirklich zu Eigen
machen, wir könnten das verinnerlichen. Im Kodex des
Presserates heißt es zum Beispiel zu den Grundsätzen:

Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und In-
formationen in Wort und Bild sind mit der nach den
Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheits-
gehalt zu prüfen.

Diesen Maßstab legen die Medien an ihre Arbeit an, auch
wenn sie ihm nicht immer gerecht werden. Wir Politiker
sollten ihn mindestens genauso beherzigen wie die Medien.

Ich füge ausdrücklich hinzu: Das ist keine Medien-
schelte, sondern es soll ein Appell an die Verantwortung
von uns allen, aber auch der Journalisten sein. Die Jour-
nalisten mögen das, worüber sie berichten, mit dem nöti-
gen Verantwortungsgefühl vermitteln; denn sonst kommt
genau das zustande, was wir hier erlebt haben: eine Panik

Bundesminister Otto Schily




Dr. Michael Bürsch
und Hysterie erzeugende Berichterstattung. Das soll nicht
mehr passieren.

Ich bin der Meinung, wir sollten es mit George Bernard
Shaw halten. Er hat einmal sinngemäß gesagt: Viele Men-
schen fürchten die Freiheit; denn sie bedeutet Verantwor-
tung. – Verantwortung müssen wir tragen. Wenn wir das
tun, dann brauchen wir die Freiheit, vor allem die Presse-
freiheit, nicht zu fürchten.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1502730000

Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-

nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf morgen, Donnerstag, den 20. Februar 2003,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502730100