Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröff-
net.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesord-
nungspunkt 1, Befragung der Bundesregierung, von der
heutigen Tagesordnung abzusetzen. – Dagegen erhebt
sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/576 –
Ich gebe bekannt, daß die Fragen zum Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung – beide Fragen vom Kollegen Binding – schrift-
lich beantwortet werden.
Deshalb rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bun-
deskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Be-
antwortung steht Herr Staatssekretär Dr. Frank-Walter
Steinmeier zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Johannes
Singhammer auf:
Schließt die Bundesregierung aus, daß nach der beschlosse-nen Verlegung der Auswertungsabteilung des Bundesnachrich-tendienstes mit annähernd 1 000 Mitarbeitern weitere Mitarbei-ter und Organisationseinheiten von München nach Berlin verlegtwerden?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die bisherige
Planung der Bundesregierung für die Teilverlegung des
BND von Pullach nach Berlin wird sich auf die von Ih-
nen erwähnte Größenordnung beschränken. Ich darf hin-
zusetzen, daß der gewählte Standort in Berlin, die
Roosevelt-Kaserne, auch nicht dafür ausgelegt ist, über
diese Größenordnung hinauszugehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Singham-
mer, Ihre Nachfrage.
Herr Staats-
sekretär, erhalten die vom Umzug betroffenen Mitar-
beiter des BND beim Umzug nach Berlin einen Aus-
gleich, wie ihn Mitarbeiter der Bundesregierung beim
Umzug von Bonn nach Berlin erhalten?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Genau diese Frage habe ich dieser
Tage zur Beantwortung in Auftrag gegeben. Wir wollen
sehen, daß wir dieselben Rechtsgrundlagen zur Anwen-
dung bringen. Die rechtliche Prüfung ist aber noch nicht
abgeschlossen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Staats-
sekretär, wann ist denn zu erwarten, daß mit dem kon-
kreten Umzug dieser ersten Abteilung – der Auswer-
tungsabteilung – begonnen wird, und wann wird dieser
Umzug abgeschlossen sein?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Beantwortung Ihrer Frage ist
Teil der Beantwortung der nächsten Frage dieser Frage-
stunde. Ich will aber gerne auch Ihnen direkt antworten.
Wir haben nach den bisherigen Planungen vorgesehen,
daß im laufenden Jahr 1999 ab 1. September zirka 50 bis
60 Mitarbeiter von Pullach nach Berlin ziehen werden.
Im Verlaufe des Jahres 2000 werden es weitere 50 bis
60 Mitarbeiter sein. Die Auswertungsabteilung – das
war, glaube ich, der Kern Ihrer Frage – wird im Laufe
des Jahres 2001 von Pullach nach Berlin ziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 4 des Ab-geordneten Hans-Joachim Otto wird schriftlich beant-wortet.Deshalb rufe ich jetzt bereits die Frage 5 des Abge-ordneten Dr. Martin Mayer auf:Ist die Bundesregierung bereit, durch eine verbindliche Aus-sage über den Verbleib des Bundesnachrichtendienstes in Pul-lach, Landkreis München, die gegenwärtig herrschende Unsi-cherheit bei den Beschäftigten zu beseitigen, zumal die laufen-den Verbesserungen der Kommunikationstechnik für einen Ver-bleib am gegenwärtigen Standort sprechen?
Metadaten/Kopzeile:
2366 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Mayer, Ihre Fra-
ge habe ich zum Teil gerade beantwortet. Ihre Frage
betonte besonders den Aspekt, ob durch die bisher be-
kanntgewordenen Umzugsplanungen eine Verunsiche-
rung der Mitarbeiter vorhanden sei. Ich will Ihnen aus-
drücklich sagen, daß das nicht der Fall ist. Der Präsident
des Bundesnachrichtendienstes hat seine Mitarbeiter am
9. März von der Ihnen eben mitgeteilten Umzugspla-
nung unterrichtet. Die Bundesregierung hat die Öffent-
lichkeit am 11. März 1999 durch Pressemitteilung unter-
richtet. Aus unserer Sicht sind das klare und verbindli-
che Aussagen über den Zeitplan und die Größenordnung
des beabsichtigten Umzugs.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage.
Bitte, Kollege Mayer.
Herr
Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß mit diesem
Umzug hohe Kosten für Investitionen in Berlin verbun-
den sind, die in Pullach bereits getätigt sind?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Teilumzug des BND von Pul-
lach nach Berlin in der Größenordnung von etwa 1 000
Mitarbeitern wird – wie auch in Einheiten, die von Bonn
nach Berlin ziehen werden – nicht ganz kostenfrei zu
haben sein. Das ist richtig. Die Ausgangsbasis für die
Verlegung der Auswertungsabteilung nach Berlin ist so-
gar besonders günstig, weil dort mit der Roosevelt-
Kaserne eine Liegenschaft vorhanden ist, die für Zwek-
ke des Bundesnachrichtendienstes genutzt werden kann.
Wir sind dabei, die endgültigen Umbaukosten zu ermit-
teln. Jedenfalls wird sich das im Rahmen dessen halten,
was man verantworten kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Zusatz-
frage, bitte Herr Kollege.
Herr
Staatssekretär, gibt es nach der jetzigen Planung für die
etwa 4 000 Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes,
die in Pullach bleiben, auch die Sicherheit, daß sie dort
bleiben können? Ich gehe damit auf den zweiten Teil
meiner Frage ein, weil die Möglichkeiten der modernen
Informationstechnik weniger für eine Verlegung von
Behörden sprechen.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum ersten Teil Ihrer Nachfrage will
ich wiederholen, daß nach unserer bisherigen Konzep-
tion – ich sehe nicht, daß diese verändert werden muß –
1 000 Mitarbeiter nach Berlin verlegt werden, so daß die
restlichen 3 500 bis 4 000 Mitarbeiter des BND, die in
Pullach und in den Landkreisen um München herum ar-
beiten, dort bleiben werden.
Wenn Sie darauf hinweisen, daß durch die moderne
Kommunikationstechnologie die Verlegung der Aus-
wertungsabteilung an den Standort Berlin, an den Sitz
der Bundesregierung, möglicherweise überflüssig ge-
worden sei, dann will ich das in aller Deutlichkeit be-
streiten. Der Bundeskanzler hat bei der Amtseinführung
des BND-Präsidenten im Dezember letzten Jahres in
Pullach deutlich darauf hingewiesen, daß er für sich per-
sönlich die Notwendigkeit sieht, die beratende Tätigkeit
des BND am Sitz der Bundesregierung in Anspruch
nehmen zu können. Nicht jedes Gespräch kann über
vorhandene Kommunikationstechnologien geführt wer-
den, weil die Experten der Auswertungsabteilung, wie
Sie wissen, in einem persönlichen Gespräch befragt
werden können und müssen. Das ist gerade in Zeiten
wie diesen leichter als sonst zu verstehen. Es handelt
sich hier um einen persönlichen Dialog, den man nicht
restlos über die Erfindungen der Kommunikationstech-
nologie führen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren
Zusatzfrage Herr Kollege Rose, bitte.
Herr Staatssekretär,
gehen Sie davon aus, daß durch die Verlegung von
1 000 Mitarbeitern nach Berlin die Arbeit des Bundes-
nachrichtendienstes plötzlich besser wird? Oder geht es
Ihnen mehr um die Beratung des Bundeskanzlers durch
wenige Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes in
Berlin?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn ich zunächst den zweiten Teil
Ihrer Frage beantworten darf: Natürlich erhoffen wir uns
von der Verlegung, insbesondere der Auswertungsab-
teilung nach Berlin, eine direktere und damit noch bes-
sere Beratung.
Auf den ersten Teil Ihrer Frage möchte ich antworten,
daß ich nach Gesprächen mit Personen, die früher Ver-
antwortung in diesen Tätigkeitsbereich getragen haben,
den Eindruck hatte, daß die Entfernung zwischen Pul-
lach und Bonn nicht immer als glücklich empfunden
wurde. Die bisherigen Erfahrungen mit der Entfernung
des Bundesnachrichtendienstes zum Regierungssitz von
600 Kilometern, so glaube ich, sind nicht so gut gewe-
sen, daß man jetzt nicht mehr darüber nachdenken
müßte, ob der Prozeß der Kommunikation nicht opti-
mierbar ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage,
Herr Singhammer.
Herr Staats-sekretär, ich möchte in diesem Zusammenhang nocheine weitere Frage stellen: Ist ein Ausgleich für denerheblichen Verlust von 1 000 Arbeitsplätzen in derRegion München vorgesehen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2367
(C)
(D)
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe eben in meinen Ausführun-
gen deutlich gemacht, daß wir bei der Verlegung der
Auswertungsabteilung nach Berlin durchaus die berech-
tigten Interessen der Landeshauptstadt und des Land-
kreises München berücksichtigen und deshalb keine
komplette Verlegung des BND von München nach Ber-
lin ins Auge fassen. Ich habe auch gesagt, daß etwa
3 500 Arbeitsplätze des BND in München und Umge-
bung verbleiben. Vor diesem Hintergrund haben wir
über Kompensationen nicht nachdenken müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nunmehr den
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Be-
antwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger Volmer
zur Verfügung.
Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Dr. Stadler
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Frage 8 der Abgeordneten Heidi
Lippmann auf:
Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde nach Kenntnis derBundesregierung das Verfahren gegen die US-amerikanischenPiloten, die im italienischen Cavalese eine Seilbahn zum Ab-sturz brachten, der US-amerikanischen Militärgerichtsbarkeitübertragen?
D
Frau Kollegin, die rechtliche Grundlage findet sich
in Art. VII Abs. 1 und 3 (ii) des NATO-Truppen-
statuts und den zwischen den USA und Italien verein-
barten Zusatzabkommen. Danach haben die Militärbe-
hörden des Entsendestaates – in diesem Fall die USA –
das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit über ein
Mitglied einer Truppe in bezug auf strafbare Handlun-
gen, die sich aus einer Handlung oder Unterlassung in
Ausübung des Dienstes ergeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Nachfrage,
bitte, Frau Kollegin Lippmann.
Herr Staatsminister,
gibt es außer den von Ihnen genannten Abkommen wei-
tere der Öffentlichkeit nicht bekannte Vereinbarungen
zwischen den USA und Deutschland, die die Rechtsstel-
lung der Angehörigen des Entsendestaates regeln?
D
Insoweit es Abkommen gibt, sind diese nicht ge-
heim, sondern wären der Öffentlichkeit zugänglich. Ich
kann diese jetzt nicht im einzelnen auflisten; ich kann
mich aber gern danach erkundigen, welche sonstigen
Abkommen es gibt. Diese können dann sicherlich zu-
gänglich gemacht werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage, bitte, Frau Kollegin.
Welche speziellen
Regelungen gibt es hinsichtlich der Tiefflugübungen der
in der Bundesrepublik stationierten alliierten Streitkräfte
über das NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkom-
men zum NATO-Truppenstatut hinaus?
D
Frau Kollegin, die Tiefflüge gehören zu einem
Sachbereich, der fernab dessen liegt, was Sie als
Hauptfrage formuliert haben. Wenn Sie diese Frage ge-
sondert stellen, ist die Bundesregierung gern bereit, sie
bei einer der nächsten Befragungen hier zu beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich die
Frage 9 der Abgeordneten Heidi Lippmann auf:
Würden dieselben Grundlagen auch für einen vergleichbarenFall auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland gel-ten, und sieht die Bundesregierung gegebenenfalls gesetzgeberi-schen Handlungsbedarf, um in solchen Fällen die Zuständigkeitder deutschen Gerichtsbarkeit zu erreichen?
D
Frau Kollegin, vergleichbare Regelungen gelten
auch im Verhältnis zwischen den USA und der Bundes-
republik Deutschland. Die Bundesregierung beabsichtigt
nicht, in diesem Zusammenhang neue Gesetzesinitiati-
ven zu starten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich die
Frage 10 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf:
Welche Handhabe hätte die Bundesrepublik Deutschland,falls bei einer militärischen Übung deutsche Zivilpersonen durchAngehörige ausländischer Streitkräfte zu Schaden kämen bzw.getötet würden, ein Verfahren vor einem deutschen Strafgerichtzu erreichen?
D
Herr Kollege, gemäß Art. VII Abs. 3 (ii) des
NATO-Truppenstatuts haben die Behörden eines Ent-
sendestaates das Vorrecht auf Ausübung der Gerichts-
barkeit bei strafbaren Handlungen, die sich in Ausübung
des Dienstes ergeben. Die Justizbehörden eines Auf-
nahmestaates haben in diesen Fällen gemäß Art. VII
Abs. 3 Satz 2 des NATO-Truppenstatuts die Mög-
lichkeit, die Behörden des bevorrechtigten Entsen-
destaates um Verzicht auf die Ausübung der Gerichts-
barkeit zu ersuchen, wenn der Aufnahmestaat diesem
Verzicht besondere Wichtigkeit beimißt. Die Entschei-
dung über den Verzicht treffen die Behörden des Ent-
sendestaates.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Nachfrage,
bitte, Herr Kollege Gehrcke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Nachfrage, ich
fand das ausreichend beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich dieFrage 11 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf:Beabsichtigt die Bundesregierung, vor dem Hintergrund desFreispruches für US-amerikanische Piloten durch ein amerikani-sches Militärgericht eine Neuverhandlung des NATO-Truppen-statuts bzw. des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut inden Gremien der Atlantischen Allianz zu fordern?
Metadaten/Kopzeile:
2368 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
D
Herr Kollege, die Bundesregierung plant vor dem
genannten Hintergrund keine Neuverhandlung des
NATO-Truppenstatuts bzw. des Zusatzabkommens zum
NATO-Truppenstatut.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre Nachfrage, bitte,
Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich interpretiere Sie also
richtig, daß alles so bleibt, wie es ist, und daß die Bun-
desregierung auch nach Cavalese keinen Handlungsbe-
darf sieht?
D
Ihre Frage geht ja von der Voraussetzung aus, daß
wir die Art und Weise, wie diese Dinge in den USA ju-
ristisch zum Abschluß gebracht worden sind, für kriti-
kabel halten. Auch wenn wir bezogen auf das Truppen-
statut keine Konsequenzen ziehen, heißt das nicht, daß
wir keine Kritik an den Vorgängen in den USA hätten.
Der Spruch der Jury ist für uns sehr befremdlich.
Frau Präsidentin, ich darf vielleicht einen Satz hinzu-
fügen: Das Thema Cavalese war auch in der letzten Wo-
che Gegenstand von Fragen. Es wurde nach den Ent-
schädigungen und insbesondere nach der diesbezügli-
chen Initiative eines bestimmten Senators gefragt. Wir
haben Nachrichten von heute morgen, die aber noch
nicht vollständig verifiziert sind, daß die Initiative dieses
Senators zum Erfolg geführt hat und von daher die Ent-
schädigungen, die auch deutsche Opfer betreffen – sie
sollen in Kürze gezahlt werden –, erheblich besser aus-
fallen werden, als dies noch letzte Woche der Fall zu
sein schien.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nun die
Frage 12 des Abgeordneten Fred Gebhardt auf:
Gibt es einen Informationsaustausch mit der italienischenRegierung über den durch eine US-Militärmaschine verursach-ten Seilbahnabsturz?
D
Herr Kollege, die Bundesregierung steht in laufen-
dem Kontakt mit der italienischen Regierung, so auch
zur Frage des Seilbahnunglücks von Cavalese. Bundes-
außenminister Fischer hat sich in dieser Angelegenheit
bereits unmittelbar an Außenminister Dini gewandt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun rufe ich die
Frage 13 des Abgeordneten Fred Gebhardt auf:
Gibt es Konsultationen mit der italienischen Regierung dar-über, wie die Rechte der Stationierungsländer gegenüber auslän-dischen Streitkräften gestärkt werden können?
D
Herr Kollege, solche Konsultationen gibt es der-
zeit nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Nachfrage,
Herr Kollege Gebhardt, bitte.
Strebt die Bundesregierung
solche Konsultationen mit Italien und anderen europäi-
schen NATO-Verbündeten an?
D
Wir befinden uns mit Italien in ständigen Konsul-
tationen, in denen alle offenen oder überhaupt zu the-
matisierenden Fragen angesprochen werden. Die italie-
nische Seite ist jedenfalls bisher nicht mit der Bitte auf
uns zugekommen, vor dem Hintergrund der Vorgänge in
Cavalese auf eine Änderung der internationalen Ver-
tragslage zu drängen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage des Kollegen Gebhardt, bitte.
Vielleicht habe ich mich,
Herr Staatsminister, nicht deutlich genug ausgedrückt.
Meine Frage war, ob die Bundesregierung von sich aus
so etwas anstrebt. Meine Frage war nicht, ob sie wartet,
daß die Italiener auf uns zukommen; das ist etwas ganz
anderes. Glaubt die Bundesregierung, daß nicht nur mit
Italien, sondern auch mit anderen europäischen NATO-
Staaten ein solches Konsultationsverhältnis herzustellen
sei?
D
Herr Kollege, Konsultationsverhältnisse haben wir
auch mit allen anderen europäischen NATO-Staaten.
Was Ihre Frage nach dem Truppenstatut angeht, so habe
ich schon dem Kollegen Gehrcke geantwortet, daß wir
keine Verhandlungen über Änderungen planen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 14 und 15
des Abgeordneten Koschyk werden schriftlich beant-
wortet.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf
Körper zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Norbert
Barthle auf:
Sind der Bundesregierung europäische Staaten bekannt, dieihre Staatsangehörigkeit mit einer zeitlichen Befristung verse-hen, und wenn ja, welche?
F
Herr Kollege Barthle, nachKenntnis der Bundesregierung sieht das Staatsangehö-rigkeitsrecht mehrerer europäischer Staaten ab dem Er-reichen eines bestimmten Lebensalters nach Eintritt derVolljährigkeit und bei Vorliegen weiterer Voraussetzun-gen – zumeist Geburt und Aufenthalt im Ausland – denVerlust der Staatsangehörigkeit vor. Von den Mitglied-staaten der Europäischen Union sind dies Belgien, Dä-nemark, Finnland und Luxemburg. Ferner sind in denStaatsangehörigkeitsgesetzen beispielsweise von Island,Norwegen und der Schweiz entsprechende Bestimmun-gen enthalten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2369
(C)
(D)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Nachfrage,
Herr Kollege Barthle, bitte.
Herr Staatssekretär,
ich hatte nach der zeitlichen Befristung der Staatsange-
hörigkeit gefragt. Deshalb meine Nachfrage: Künftig
sollen ja die in Deutschland geborenen Kinder ausländi-
scher Eltern zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit
erhalten. Ein Ablehnungsgrund für Eltern ist nicht vor-
gesehen. Es handelt sich also um eine Art Zwangsein-
bürgerung. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse
aus anderen europäischen Staaten vor, nach denen mit
dem Mittel der Zwangseinbürgerung eine bessere Inte-
gration erreicht wird?
F
Ich gehe davon aus, daß das,
was Parlament und Bundesregierung in bezug auf die
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts planen, mit dem
Begriff der Zwangseinbürgerung nicht korrekt beschrie-
ben ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage? – Nein.
Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Dr.
Paul Laufs auf:
Welcher sachliche Grund spricht bei der geplanten Änderungdes Staatsbürgerschaftsrechts für die Einführung einer Alters-grenze von 23 Jahren für die Entscheidung hinsichtlich der end-gültigen Staatsbürgerschaft?
F
Sehr geehrter Herr Kollege
Laufs, in Deutschland geborene Kinder ausländischer
Eltern, die künftig mit der Geburt in Deutschland die
deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und zugleich
kraft Abstammung eine ausländische erhalten, haben bei
Volljährigkeit zwischen der deutschen und der ausländi-
schen Staatsangehörigkeit zu wählen. Diese Wahlmög-
lichkeit wird Option genannt.
Nicht die Altersgrenze an und für sich ist entschei-
dend, sondern der eingeräumte Zeitraum. Den Erklä-
rungspflichtigen soll zwischen dem 18. und, wie Ihnen
bekannt ist, dem 23. Lebensjahr eine Zeitspanne einge-
räumt werden, in der sie ihren Entschluß für die deut-
sche oder die ausländische Staatsangehörigkeit frei
treffen können. Bei Option für die deutsche Staatsange-
hörigkeit sind die Erklärungspflichtigen verpflichtet, die
Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsange-
hörigkeit bis zur Vollendung des 23. Lebensjahrs nach-
zuweisen.
In der vorgesehenen Frist von fünf Jahren sind die bei
einzelnen ausländischen Staaten oft lange Verfahrens-
dauer unter Einschaltung von Botschaften und Konsu-
laten und die Beteiligung verschiedener staatlicher Stel-
len berücksichtigt. Ferner ist in diese Frist die Bearbei-
tung des Antrages auf Genehmigung der Beibehaltung
der deutschen Staatsangehörigkeit mit einbezogen. In
gesetzlich geregelten Härtefällen, in denen Bemühungen
um Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörig-
keit nicht zumutbar sind, wird über die Beibehaltungs-
genehmigung vermieden, daß die Betroffenen die deut-
sche Staatsangehörigkeit verlieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Laufs,
bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
stimmt die Bundesregierung meiner Bewertung zu, daß
gerade in der Zeitspanne zwischen Erreichung der Voll-
jährigkeit und dem 23. Lebensjahr Konfliktsituationen
entstehen können, wie durch Ableistung des Wehrdien-
stes oder durch die Geburt von Kindern, die die Option
stark belasten werden?
F
Es kann in Einzelfällen immer
Lebenssituationen geben, in denen Entscheidungen
schwierig sind. Aber dies gilt nicht unbedingt generell
für die Lebenssituationen in dem hier genannten Zeit-
raum. Wenn Sie gerade diese Zeitspanne kritisieren,
dann muß man die Gegenfrage stellen: Was würden Sie
an diese Stelle setzen wollen? Wir kennen Ihre Haltung
zu unseren Vorschlägen und wissen, daß sich Ihre Zu-
stimmung in Grenzen hält.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage,
bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär,
können die Konfliktsituationen in besonderen Lebens-
verhältnissen als Härtefälle eingeschätzt werden?
F
So allgemein, wie die Frage ge-
stellt ist, kann ich nicht mit Ja oder mit Nein antworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Rose.
Herr Staatssekretär,Sie haben unter anderem gesagt, daß die Grenze bei23 Jahren liegen sollte, weil man im jeweiligen Ent-sendeland – so möchte ich das einmal pauschal nennen –längere Erkundigungen einholen möchte. Das heißt dochim Umkehrschluß: Wenn sich jemand erst kurz vor dem23. Lebensjahr zur Antragstellung entscheidet, dannkann es zu Verzögerungen kommen, so daß die betref-fende Person bis zum 27. oder 28. Lebensjahr wartenmuß.
Metadaten/Kopzeile:
2370 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
F
Sie wissen, daß wir zu diesem
Gesetzesvorhaben am 13. April eine Anhörung haben
werden und daß wir voll in den Beratungen stecken. Ich
sage Ihnen schon voraus, daß Lösungen gefunden wer-
den, die den von Ihnen geschilderten Fall unwahr-
scheinlich machen.
– Auch ich freue mich, daß ich Ihnen eine Freude berei-
ten konnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt zwei weitere
Zusatzfragen. Zunächst Herr Freiherr von Stetten, bitte.
Herr Staatssekretär, was geschieht mit der Staatsbürger-
schaft derjenigen Person, die eine 18- bis 23jährige Per-
son geheiratet hat, gegebenenfalls mehrfach geschieden
ist, wenn sie ihre deutsche Staatsbürgerschaft abgibt?
F
Fragen Sie bitte noch einmal.
Was geschieht mit der Staatsbürgerschaft des Ehemanns
oder der Ehefrau, den die deutsche Staatsbürgerin oder
die der deutsche Staatsbürger zwischen dem 18. und
23. Jahr geheiratet hat, wenn sie oder er mit dem 23. Le-
bensjahr die deutsche Staatsbürgerschaft ablegen muß
oder ablegt?
F
Diese Frage kann ich Ihnen im
Detail so nicht beantworten. Da müßte man sich genau
anschauen, wie sich die Faktenlage darstellt. In der Re-
gel bezieht sich das Optionsmodell immer auf eine Per-
son; das muß man wissen. Die Folgewirkungen sind
dann entsprechend zu bewerten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fischer,
Ihre Nachfrage, bitte.
Axel E. Fischer (CDU/CSU): Herr
Staatssekretär, mich würde interessieren, wie Sie sicher-
stellen wollen, daß Bürger, die die doppelte Staatsbür-
gerschaft haben, im Alter zwischen 18 und 23 Jahren
nicht doppelt wählen.
F
Das ist eine Frage, die so nicht
zu stellen ist.
Das wird nicht sicherzustellen sein.
– Ich habe sie auch beantwortet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 18
des Abgeordneten Dr. Klaus Rose auf:
Hält die Bundesregierung auch nach der mißglückten„Selbstreinigung“ des Internationalen Olympischen Komitees(IOC) an der politischen Unterstützung dieses Weltorgans fest?
F
Sehr geehrter Herr Kollege
Rose, die Vorkommnisse im IOC, insbesondere um die
Vergabe Olympischer Spiele, haben in der Vergangen-
heit gezeigt, daß die Strukturen und Verfahren unbe-
dingt reformbedürftig sind. Der Minister hat dies in der
Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht. Die jüngsten
Beschlüsse des IOC gehen in diese Richtung. Sie rei-
chen allerdings bei weitem noch nicht aus.
Sie selbst bezeichnen in Ihrer Frage die – von Ihnen
so genannte – Selbstreinigung als mißglückt; so habe ich
es jedenfalls verstanden. Das IOC wird seinen Reform-
prozeß weiterführen müssen. Dabei wird eine Beteili-
gung Dritter sicherlich hilfreich sein.
Für eine abschließende Beurteilung ist es daher nach
unserer Auffassung noch zu früh. Es wird sich zeigen,
welche für die Zukunft der olympischen Bewegung
notwendigen und entscheidenden Reformen das IOC zu
seiner Erneuerung ergreifen wird. Es steht außer Frage,
daß es unser Ziel sein muß, die Olympischen Spiele als
das größte und bedeutendste Sportereignis für unsere
Sportler zu erhalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Rose.
Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär, könnte sich die Bundesregierung
den Überlegungen anschließen, die zum Beispiel im
amerikanischen Kongreß, speziell im Senat, angestellt
werden, dann, wenn nicht bald konkrete Maßnahmen
kommen, etwas im gesetzgeberischen Bereich einzulei-
ten, was zu einem Entzug der Steuerfreiheit führt?
F
Wir halten diese Überlegungenfür interessant und werden sie einer Prüfung unterzie-hen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2371
(C)
(D)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine zweite
Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Rose.
Da der Herr Parla-
m
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hat denn der Bundesminister des Innern,
der auch Sportminister ist und in der Frage des Doping-
problems meiner Meinung nach zu Recht sehr aktiv in
die Öffentlichkeit gegangen ist, in dieser Frage keine ei-
genen Zukunftsstrategien, mit denen er massiv in die Öf-
fentlichkeit gehen könnte, um einen Erfolg zu erreichen?
F
Ich habe die Frage nicht nur da-
hin gehend beantwortet, daß das interessant ist, sondern
ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage auch eine
Prüfung zugesagt. Ich meine, daß das schon relativ kon-
kret ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit kommen wir
zur Frage 19 des Abgeordneten Dr. Klaus Rose:
Wird die Bundesregierung in Zukunft die Austragung vonOlympischen Spielen durch das IOC bejahen und deren – auchindirekte – Unterstützung durch Sportfördermittel des Bundesfestsetzen?
Herr Kollege Rose,
Olympische Spiele sind traditionell die herausragende
Veranstaltung des Sports unter der autonomen Führung
des IOC.
– Es freut mich, daß ich Ihnen etwas Neues mitteilen
konnte. – Die Bundesregierung respektiert und wünscht
die Selbstverwaltung des Sports auf allen Ebenen. Sie
stellt große Summen zur Vorbereitung und Teilnahme
unserer Sportler auch an Olympischen Spielen zur Ver-
fügung, die vom Steuerzahler aufgebracht werden. Dies
ist nur vermittelbar, wenn das IOC als Veranstalter
Olympischer Spiele die notwendige Glaubwürdigkeit
zurückgewinnt und volle Transparenz praktiziert. Der
Staat als Förderer des Sports hat Anspruch auf einen se-
riösen und integren Partner auf der Seite des Sports. Das
IOC hat das Problem erkannt und einen ersten Schritt
zur Erneuerung getan. Die Bundesregierung steht auf
seiten der Sportler, die ihre Leistungen auch weiterhin
bei Olympischen Spielen unter Beweis stellen wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege,
Ihre Nachfrage.
Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär, daß die Bundesregierung auf der
Seite der Sportler steht, freut mich sehr. Ich frage Sie:
Steht die Bundesregierung mehr auf der Seite des IOC-
Präsidenten oder mehr auf der Seite des NOK-
Präsidenten Tröger?
F
Ich würde die Probleme nicht so
sehr personifizieren wollen. Diese Bundesregierung
steht auf der Seite der Sportlerinnen und Sportler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage, bitte, Herr Kollege.
Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär, da die Bundesregierung auf der
Seite der Sportlerinnen und Sportler steht – Sie haben es
ja gerade mit Nachdruck betont –, möchte ich Sie fra-
gen: Mit wie vielen olympischen Medaillen können wir
in Zukunft rechnen?
F
Sie wissen vielleicht, daß ich
von Hause aus Theologe bin. Aber die prophetische Ga-
be, daß ich diese Frage ganz konkret beantworten könn-
te, ist mir noch nicht in den Schoß gelegt worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit kommen wir
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Fi-
nanzen. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische
Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.
Die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Burgbacher
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 22 des Abgeordneten Johannes
Singhammer auf:
Mit welcher durchschnittlichen Mieterhöhung müssen Mietervon bundeseigenen Wohnungen in Ballungsräumen, wie z.B.München, aufgrund eines Erlasses der Bundesregierung rechnen,nachdem die bisherige Weisung, die Miete für diese Wohnungenbestimme sich ausschließlich nach der unteren Grenze der orts-üblichen Vergleichsmiete, aufgehoben wurde, und welche zu-sätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt ergeben sich da-durch?
D
HerrKollege Singhammer, der Bund verfügt über knapp90 000 Wohnungen im Bundesgebiet, von denen etwadie Hälfte durch Angehörige des öffentlichen Dienstesangemietet ist. Eine Anpassung der Mieten in regelmä-ßigen Zeitabständen unter Beachtung der Regelungendes Miethöhegesetzes ist Aufgabe der örtlichen Bundes-vermögensämter. Angesichts des heterogenen Bestandesaus Alt- und Neubauten, der unterschiedlichen Lage undAusstattung sowie der örtlichen Gegebenheiten auf demjeweiligen Wohnungsmarkt ist eine pauschale Antwortauf die Frage, mit welcher durchschnittlichen Mieterhö-hung die Mieter bundeseigener Wohnungen rechnenmüssen, nicht möglich. Inwieweit Mieterhöhungsspiel-räume nach dem Gesetz zur Regelung der Miethöhe be-reits ausgeschöpft sind, ist vielmehr nach den Gegeben-heiten des Einzelfalls zu ermitteln.
Metadaten/Kopzeile:
2372 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Im übrigen ist der Spielraum für Mieterhöhungen anvielen Orten des Bundesgebietes wegen des stagnieren-den oder gar rückläufigen Mietniveaus nur gering.Gleichwohl geht der Bund bei seiner Schätzung voneinem jährlichen Unterschiedsbetrag von knapp 20 Mil-lionen DM aus. Eine auf Ballungsräume begrenzteSchätzung von Mehreinnahmen erscheint nach alledemaber nicht sinnvoll und liegt deshalb auch nicht vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Sing-
hammer, bitte Ihre Nachfrage.
Frau Staats-
sekretärin, Sie haben auf die Heterogenität des Woh-
nungsbestandes und des Mietniveaus hingewiesen. Wird
die Bundesregierung darauf achten, daß in Bereichen
mit sehr hohen Mieten, wie zum Beispiel in der Landes-
hauptstadt München mit dem höchsten Mietniveau, eine
Regelung gefunden wird, die verhindert, daß Mieter die-
ser Wohnungen in eine schwierige und für sie nicht
mehr tragbare Situation kommen? Sind also maßge-
schneiderte Mieterhöhungen vorgesehen?
D
Die
Bundesregierung sieht in der Tat maßgeschneiderte
Mieterhöhungen vor, die dem örtlichen Markt und der
Qualität der jeweiligen Wohnungen entsprechen. Es
wird in jedem Fall zu überschaubaren Erhöhungen für
die Mieter kommen.
Im übrigen muß man darauf hinweisen, daß die Mie-
ter bundeseigener Wohnungen im Verhältnis zu Mietern
in anderen Wohnungen durch die Bundesregierung nicht
in unzulässiger Weise begünstigt werden dürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Sing-
hammer, Ihre zweite Frage, bitte.
Frau Staats-
sekretärin, wird die Bundesregierung auch auf die per-
sönliche Situation der von einer Mieterhöhung Betroffe-
nen achten? Ich denke beispielsweise an die in diesen
Tagen nicht völlig ungewöhnliche Situation, daß Ange-
hörige der Bundeswehr ihren gefahrvollen Einsatz auf
dem Balkan ausüben, aber zur gleichen Zeit Ehefrauen
mit Mieterhöhungsbescheiden des Bundes konfrontiert
werden. Wird die Bundesregierung diese besondere per-
sönliche Situation beachten?
D
Die
Bundesregierung wird nicht auf die Situation eines jeden
einzelnen Rücksicht nehmen können. Die Bundesver-
mögensämter sind für den Kontakt mit den Mietern zu-
ständig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Rose,
bitte Ihre Nachfrage.
Steckt hinter dieser
eben von Ihnen erwähnten möglichen Mieterhöhung die
Absicht der Bundesregierung, Eisenbahnerwohnungen
zu verkaufen?
D
Nein,
Herr Kollege, zwischen diesen beiden Themen gibt es
keinen inneren Sachzusammenhang.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dre-
ßen, bitte Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
möchte fragen, ob die Mieterhöhungen nicht in der glei-
chen Art und Weise wie in den früheren Jahren – Herr
Kollege Singhammer hat diesen Punkt schon angespro-
chen – durchgeführt werden.
D
Selbst-
verständlich muß die Bundesregierung hinsichtlich ihres
Wohnungsbestandes auf die Marktentwicklung Rück-
sicht nehmen. Auch die frühere Bundesregierung hat
dies getan.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich die
Frage 23 des Abgeordneten Norbert Barthle auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund vonÄußerungen der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deut-schen Bundestages, Christine Scheel, im Rahmen der künftigenUnternehmensteuerreform eine Absenkung der Körper-schaftsteuer auf 23 %, und wie stellt sich die Bundesregierungggf. die Finanzierung dieser Entlastung vor?
D
Herr
Kollege Barthle, auf Grund der Koalitionsvereinbarung
der Regierungsparteien ist eine unabhängige Kommissi-
on zur Reform der Unternehmensbesteuerung einberufen
worden. Sie soll ein Konzept zur Einführung einer ein-
heitlichen rechtsformneutralen Unternehmensteuer prü-
fen und erarbeiten. Der Steuersatz für unternehmerische
Gewinne soll nicht höher als 35 Prozent sein.
Die Kommission wird ihre Beratungen bis zum
30. April dieses Jahres abschließen. Die Bundesregie-
rung wird nach politischer Beratung der Vorschläge der
Kommission einen Gesetzentwurf erarbeiten. Im Rah-
men dieses Verfahrens wird auch zu entscheiden sein,
inwieweit der Körperschaftsteuersatz gesenkt werden
kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage? –
Bitte, Herr Kollege Barthle.
Frau Staatssekretärin,sehr viele Unternehmen befinden sich derzeit in derSituation, daß sie geplante Investitionen auf Grund derbestehenden Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Be-Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2373
(C)
(D)
steuerung zurückstellen. Insbesondere ist völlig unklar,wie hoch die Steuerbelastung für die Unternehmen ist.Ist die Gewerbesteuer in dem von Ihnen genanntenSteuersatz enthalten? Kann die Bundesregierung zu die-ser Frage Auskunft geben?D
Ich ha-
be Ihnen vorhin das weitere Verfahren genannt. Ich kann
aber keine näheren Auskünfte geben. Die Bundesregie-
rung wird rechtzeitig vor der Sommerpause einen Ge-
setzentwurf vorlegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege
Michelbach, Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, wir konnten heute der Presse entnehmen, daß Ihr
Minister Müller einen Steuersatz von 35 Prozent inklu-
sive Gewerbesteuer vorschlägt. Dieser Steuersatz würde
einen Körperschaftsteuersatz von 22 Prozent bedeuten.
Wie hoch wäre bei einem Steuersatz von 35 Prozent
– inklusive Gewerbesteuer, vielleicht auch Solidaritäts-
zuschlag – das Volumen, das gegenfinanziert werden
müßte?
D
Auf
konjunktivische Fragen kann ich für die Bundesregie-
rung keine Auskunft geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Strobl,
Ihre Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
es wurde angekündigt, die Unternehmensteuerreform
vor der Sommerpause durchzuführen. Können Sie uns
den konkreten Zeitplan nennen?
D
Herr
Kollege, ich hatte vorhin dem Kollegen Barthle geant-
wortet, daß die Kommission zur Reform der Unterneh-
mensbesteuerung ihren Vorschlag am 30. April vorlegen
wird. Die Bundesregierung wird dann den Vorschlag
bewerten und einen Gesetzentwurf vor der Sommerpau-
se vorlegen. Die Beratung des Gesetzentwurfs erfolgt in
der zweiten Hälfte dieses Jahres unmittelbar nach der
Sommerpause.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage des
Kollegen Seiffert.
Frau Staatssekretärin
Hendricks, der Wirtschaftsminister Müller ist Vertreter
der Bundesregierung und jetzt auch für die Finanzen zu-
ständig. Er hat gestern in einem Spitzengespräch mit
Vertretern der Wirtschaftsverbände klar und deutlich
geäußert – das ist mehreren Pressemitteilungen zu ent-
nehmen –, daß der Steuersatz von 35 Prozent die Ge-
werbesteuer beinhaltet. Können Sie dem widersprechen?
Das würde doch bedeuten, daß die Frage des Kollegen
Barthle nach dem Körperschaftsteuersatz von 23 Pro-
zent, um die es geht, realistisch wäre. Dann kann man
doch auch nicht von einer hypothetischen Frage spre-
chen, wenn der Kollege Michelbach wissen möchte, wie
Sie das finanzieren wollen.
D
Herr
Kollege Seiffert, auch dies wird der Prüfung der Bun-
desregierung vorbehalten sein, nachdem die Unterneh-
mensteuerreformkommission ihren Vorschlag vorgelegt
hat. Natürlich werden dann auch alternative Rechnungen
erstellt werden müssen; das ist selbstverständlich. Ich
darf aber darauf hinweisen, daß ein einheitlicher Unter-
nehmensteuersatz inklusive der Gewerbesteuer von
35 Prozent schon deshalb nicht möglich ist, weil die
Kommunen ihr Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer
behalten. Es kann aber schlechterdings nicht möglich
sein, daß etwa die Körperschaftsteuer in Frankfurt nied-
riger ist als in Leer in Ostfriesland. Genau 35 Prozent für
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer kann es also
nicht für alle gleichermaßen geben. Wir können aber
nicht die Körperschaftsteuer entsprechend des Hebesat-
zes der Gemeinden differenzieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Niebel,
auch Sie haben eine Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, habe ich
Sie eben richtig verstanden, daß Sie dem Hohen Hause
gesagt haben, daß die Aussage des Wirtschafts- und zur
Zeit auch Finanzministers Müller nicht so ernst zu neh-
men ist, wie er sie getroffen hat?
D
Herr
Kollege, es ist selbstverständlich jedem Mitglied der
Bundesregierung vorbehalten, das öffentlich zu äußern,
was es im Gesetzgebungsverfahren für wünschenswert
hält. Wirtschafts- und Finanzminister Müller wird diese
Vorschläge natürlich mit seiner Kompetenz in das Ge-
setzgebungsverfahren einbringen. Aber er hat jetzt nicht
für die ganze Bundesregierung sprechen können, weil
noch kein Entscheidungsprozeß der Bundesregierung
herbeigeführt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege,Ihre Nachfrage.Norbert Barthle
Metadaten/Kopzeile:
2374 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Frau Staatsse-
kretärin, wenn ich mich recht an die Fernsehbilder von
gestern erinnere, ging es darum, den Spitzenverbänden
der Wirtschaft vertrauensbildende Maßnahmen vorzu-
schlagen. Halten Sie es für den richtigen Umgang, dann
jemanden hinzuschicken, der sagt, was er persönlich für
richtig hält, aber keine Rückendeckung bei der Regie-
rung dafür hat?
D
Herr
Kollege, Ihre Schlußfolgerung ist falsch. Da die Regie-
rung noch keinen abschließenden Meinungsprozeß voll-
zogen hat, ist Ihre Schlußfolgerung falsch, er habe keine
Rückendeckung bei der Regierung. Dies ist eine
Fehlinterpretation. Sie interpretieren dies jedenfalls zu
früh, weil die Entscheidung noch nicht gefallen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Rauen.
Frau Staatssekretärin, es
heißt heute in der „Bild“-Zeitung wörtlich:
Die Bundesregierung wird bis zum Sommer eine
Unternehmenssteuer-Reform mit einem Höchstsatz
von 35 Prozent vorlegen! Das kündigte Wirt-
schaftsminister Werner Müller nach
einem Spitzengespräch mit Vertretern der Wirt-
schaftsverbände an. Im Spitzensteuersatz werde
„auch die Gewerbe-Ertragssteuer enthalten“ sein,
sagte Müller.
Das scheint mir eine sehr klare Aussage, auch hin-
sichtlich der unterschiedlichen Hebesätze in Deutsch-
land. Denn man kann sich vorstellen, daß man die Ge-
werbeertragsteuer auch bei unterschiedlichem Hebesatz
bezüglich der Körperschaftsteuerschuld oder der Ein-
kommensteuerschuld als eine Abzugssteuer verrechnet.
Das heißt, mir scheint das, was Minister Müller sagt,
logisch. Hat er dies in Abstimmung mit der Regierung
angekündigt, oder ist das nur die private Meinung von
Herrn Müller?
D
Ein
Minister hat selbstverständlich keine private Meinung,
wenn er sich als Minister äußert, sondern er hat seine
Meinung als Wirtschaftsminister geäußert.
– Und zur Zeit als Finanzminister in Vertretung. –
Selbstverständlich ist das völlig unbestritten. Ich habe
nur darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung noch
keinen abschließenden Meinungsbildungsprozeß herbei-
geführt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Daut-
zenberg zu einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, habe ich Sie jetzt recht verstanden, daß die Aussage
des amtierenden Finanzministers und Wirtschaftsmi-
nisters nicht zutreffend ist und daß sich die Regierung
nicht auf die Eckpunkte festgelegt hat, die eben schon
von den Kollegen genannt worden sind?
D
Herr
Kollege Dautzenberg, ich habe Ihnen das Verfahren
doch gleich am Anfang erläutert. Die Unternehmen-
steuerreformkommission wird zum 30. April ihr Gut-
achten vorlegen. Dann wird sich die Bundesregierung
eine Meinung bilden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren
Nachfrage Herr Kollege Fischer, bitte.
Axel E. Fischer (CDU/CSU): Frau
Staatssekretärin, Sie haben auf die Frage des Kollegen
Barthle geantwortet, daß Sie ein Konzept vorlegen wol-
len. Können Sie mir bestätigen, daß die aktuelle Diskus-
sion um die Mehrwertsteuererhöhung in direktem Zu-
sammenhang zu der geplanten Steuerreform steht?
D
Nein,
Herr Kollege, das kann ich Ihnen nicht bestätigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Nach-
frage der Kollegin Elke Wülfing.
Frau Staatssekretärin, ich
habe doch noch eine Frage, da Sie immer zum Verfah-
ren antworten. Hat sich die Bundesregierung auf
35 Prozent plus oder einschließlich Gewerbesteuer fest-
gelegt?
D
FrauKollegin Wülfing, die Alternative, die Sie in Ihrer Frageformuliert haben, ist nicht richtig; denn es gibt natürlichnoch Möglichkeiten dazwischen. Aber auch darauf hatsich die Bundesregierung noch nicht festgelegt.
Die Regierung behält sich ihre Entscheidung so langevor, bis die Vorschläge der Unternehmensteuerreform-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2375
(C)
(D)
kommission bewertet sind. Wir haben die Kommissionschließlich eingesetzt, weil wir auf den Sachverstand ausWirtschaft, Wissenschaft und den Ländern Wert legen.Es wäre den hochkarätigen Fachleuten dieser Unter-nehmensteuerreformkommission gegenüber jetzt gerade-zu unhöflich, wenn die Bundesregierung nicht auf derenGutachten wartete.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kop-
pelin, Ihre Nachfrage bitte.
Frau Staatssekretärin,
bin ich richtig informiert, daß Sie zur Zeit die Parla-
mentarische Staatssekretärin des amtierenden Finanz-
ministers Müller sind? Darf ich Sie aus diesem Grunde
fragen, ob Sie als Parlamentarische Staatssekretärin die
Aussagen, die Herr Bundesminister Müller getroffen
hat, teilen?
D
Herr
Kollege Koppelin, da Sie mich danach gefragt haben:
Ich bin zur Zeit sogar Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
– das Amt ist personengebunden –; ich habe letzte
Woche eine neue Urkunde bekommen.
Ich bin aber zum Dienst in das Finanzministerium abge-
ordnet. – Dies darf ich Ihnen hinsichtlich meines augen-
blicklichen Status sagen.
Ich teile die Auffassungen des amtierenden Finanz-
ministers und Wirtschaftsministers, daß dies wün-
schenswert sei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Hauser,
Ihre Nachfrage bitte.
Frau Staatssekretärin, im Rahmen der beabsichtigten
Unternehmensteuerreform ist immer die Rede davon,
daß man bei der jetzt verabschiedeten Steuerreform eine
ganze Reihe von Nachbesserungen vornehmen will. Bei-
spielsweise hat sich der Kollege Mosdorf dazu geäußert.
Er fordert: Im Bereich der Besteuerung der Schachtel-
dividende müssen Änderungen erfolgen. Deshalb muß
dieser Punkt im Rahmen der von uns geplanten Unter-
nehmensteuerreform korrigiert werden.
Können Sie uns Auskunft darüber geben, welche
Punkte Sie im Rahmen der Unternehmensteuerreform
korrigieren wollen?
D
Herr
Kollege Hauser, ich habe Ihnen den Gang des Verfah-
rens erläutert. Insofern kann ich Ihnen darüber jetzt noch
keine Auskunft geben.
Ich bin allerdings zuversichtlich, daß wir gemeinsam
mit der Unternehmensteuerreformkommission sehr sinn-
volle Vorschläge machen werden, in denen auch die Ge-
schäftsbeziehungen der deutschen Unternehmen zum
Ausland Berücksichtigung finden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Has-
selfeldt, Ihre Frage bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie sprachen vorhin davon, daß die Bundesregierung
der Kommission den Auftrag gegeben habe, ein Konzept
zur Unternehmensteuerreform mit einem Höchststeuer-
satz von 35 Prozent zu erarbeiten. Nun sagten Sie auf
Nachfrage einiger Kollegen, daß die Bundesregierung
derzeit noch nicht entschieden hat, ob in diesen
35 Prozent die Gewerbesteuer bereits enthalten ist. Wie
lautete denn nun der Auftrag der Bundesregierung an die
Kommission: mit oder ohne Gewerbesteuer?
D
Die
Kommission hat lediglich den Auftrag bekommen: mit
einem Höchstsatz von 35 Prozent. Es war nicht spezifi-
ziert, ob die Gewerbesteuer darin enthalten ist oder
nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege von
Stetten, Ihre Frage bitte.
Frau Kollegin, ich bin jetzt etwas irritiert.
Sie sprechen für das Finanzministerium, sind aber Par-
lamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsminister.
Wie viele Parlamentarische Staatssekretäre haben wir
denn jetzt beim Wirtschaftsminister?
D
HerrKollege, im Moment sind es drei; dafür gibt es aberParl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
2376 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
keine beim Finanzminister. Insofern gleicht sich dieZahl der Staatssekretäre wieder aus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte anmer-
ken, daß ich jetzt keine weiteren Nachfragen mehr zu-
lasse.
Die Kollegin Heinen hat sich aber schon längere Zeit
gemeldet.
Frau Staatssekretärin,
Sie haben vorhin gesagt, daß Sie persönlich Herrn Wirt-
schaftsminister Müller zustimmen würden. Wie ist Ihre
persönliche Meinung hinsichtlich der Gewerbesteuer?
Soll sie enthalten sein oder nicht?
D
Frau
Kollegin, Sie können davon ausgehen, daß es das Ziel
der Bundesregierung ist, die Wirtschaft so weit wie
möglich zu entlasten.
Gleichwohl liegt es in der Verantwortung der Bundesre-
gierung, sowohl einen verantwortbaren Haushalt für die
Bundesebene vorzulegen als auch den Ländern und Ge-
meinden im Rahmen der Mitverantwortung ausreichen-
de Finanzierungsmöglichkeiten für die Erfüllung ihrer
Aufgaben zu belassen.
Dies ist ein Abwägungsprozeß, den die Bundesregie-
rung in jedem Steuergesetzgebungsverfahren vorzuneh-
men hat. Diese Abwägung wird im Anschluß an die
Vorlage des Gutachtens der Unternehmensteuerreform-
kommission vorgenommen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun die wirklich
letzte Zusatzfrage zur Frage 23, Herr Kollege Meister.
Frau Staatsse-
kretärin Dr. Hendricks, die Diskussion, die wir hier im
Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform füh-
ren, betrifft nicht unwesentlich auch die Kommunen.
Nach meiner Kenntnis waren die Signale, die die Bun-
desregierung bezüglich der kommunalen Ebene bisher
gegeben hat, so, daß es dort nicht zu Steuerausfällen im
Rahmen der Unternehmensteuerreform kommen soll.
Ich entnehme Ihrer Darstellung aber, daß hier noch sehr
viel unbestimmt ist und Klärungsbedarf besteht. Ist die
Aussage der Bundesregierung, daß der kommunalen
Ebene im Rahmen dieser Reform keine Ausfälle entste-
hen sollen, schon jetzt definitiv darstellbar?
D
Herr
Kollege Meister, der kommunalen Ebene ist zugesichert
worden, daß sich bis zum Jahre 2000 überhaupt nichts
an den Bedingungen für die Erhebung der Gewerbesteu-
er ändern wird, so daß die Fragestellung, die sich hier
ständig ergibt, lautet: Welcher Steuersatz bleibt dann
noch für die Körperschaftsteuer übrig? An dem Auf-
kommen der Körperschaftsteuer sind die Kommunen
nach unserer Finanzverfassung nicht – auch nicht an-
teilmäßig – beteiligt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nunmehr die
Frage 24 des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme
auf:
In welchem Umfang plant die Bundesregierung, wie vomBundeskanzler und vom Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie nach dem Rücktritt des Bundesministers der Finan-zen angekündigt, im Rahmen der Unternehmensteuerreform dieUnternehmen steuerlich zu entlasten, und mit welchen Einnah-meausfällen muß für die Haushalte von Bund, Ländern und Ge-meinden gerechnet werden?
D
Herr
Kollege Fromme, wir können jetzt mit dem Frage-und-
Antwort-Spiel so weitermachen. Sie alle haben noch
viele Möglichkeiten zu Nachfragen; denn es gibt hierzu
noch viele Fragen.
Auf Grund der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD
und Bündnis 90/Die Grünen ist eine unabhängige Kom-
mission zur Reform der Unternehmensbesteuerung ein-
berufen worden.
Sie soll ein Konzept zur Einführung einer einheitlichen
rechtsformneutralen Unternehmensteuer prüfen und er-
arbeiten. Der Steuersatz für unternehmerische Gewinne
soll nicht höher als 35 von Hundert sein. Die Kommissi-
on wird ihre Beratung bis zum 30. April 1999 abschlie-
ßen. Nach einer politischen Beratung der Ergebnisse der
Kommission wird ein Gesetzentwurf erarbeitet. Im
Rahmen dieses Entwurfs wird über Entlastungen von
Unternehmen und Finanzierungsmaßnahmen entschie-
den.
– Das habe ich Ihnen doch schon mehrfach vorgetragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Fromme,
Ihre Nachfrage, bitte
Frau Staats-sekretärin, danach hatte ich nicht gefragt. Ich hatte viel-mehr danach gefragt, ob im Rahmen der vorgesehenenReform eine Nettoentlastung angestrebt wird oder nicht.Können Sie mir diese Frage beantworten?Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2377
(C)
(D)
D
Nein,
Herr Kollege. Ich habe Sie auf das Verfahren und den
Gang des Entscheidungsprozesses hinweisen dürfen.
Daraus ergibt sich, daß ich Ihre weitergehende Frage
noch nicht beantworten kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre zweite Nach-
frage, Herr Kollege.
Frau Staats-
sekretärin, wollen Sie damit behaupten, daß der Auftrag
an die Kommission so unklar gefaßt war? Liegt es im
freien Belieben der Kommission, ob eine Nettoentla-
stung vorgesehen ist oder nicht?
D
Nein,
Herr Kollege Fromme. Die Kommission wird sicherlich
alternative Modelle vorlegen, die dann politisch zu be-
werten sein werden. Es ist nicht die Aufgabe der Kom-
mission, selber einen politischen Entscheidungsvorschlag
herbeizuführen. Dies wird vielmehr Aufgabe der parla-
mentarischen Gremien und der Bundesregierung sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, kann es sein, daß wir zwei Steuerkommissionen ha-
ben, und zwar eine BMF-Kommission und eine Kom-
mission im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, die sich
scheinbar konträr verhalten? Hier findet anscheinend
keine Abstimmung statt. Es besteht eine Konfusion, da
Herr Müller unterschiedliche Dinge erklärt. Ist es nicht
eine Tatsache, daß die BMF-Kommission nach heutigen
Aussagen von Kommissionsmitgliedern 35 Prozent plus
Gewerbesteuer und einen Körperschaftsteuersatz von
28 Prozent vorsieht, was zu einem Finanzvolumen von
9 Milliarden DM führt, und der Vorschlag des Wirt-
schaftsministers Müller, der 35 Prozent inklusive der
Gewerbesteuer vorsieht, was zu einem Finanzvolumen
von 36 Milliarden DM führt? Nach meiner Auffassung
besteht zwischen 9 Milliarden und 36 Milliarden DM
ein feiner Unterschied. Können Sie mir sagen, wie Sie
diesen Unterschied erklären und die Finanzierungslücke
in Zukunft füllen wollen?
D
Ich
kann Ihnen, Herr Kollege Michelbach, insofern zustim-
men, als zwischen 9 Milliarden und 36 Milliarden ein
feiner Unterschied ist. Im übrigen möchte ich sagen: Die
Kommission arbeitet vertraulich. Die in Ihrer Frage ent-
haltenen Behauptungen kann ich so nicht bestätigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, gestatten Sie mir eine grundsätzliche
Anmerkung. So erfreulich die Fragebereitschaft der ein-
zelnen Kolleginnen und Kollegen auch ist: Ich bitte, ein
wenig Rücksicht darauf zu nehmen, daß für die heutige
Fragestunde eine Vielzahl von Fragen vorliegt. Viel-
leicht kann man sich innerhalb der Fraktionen auf eine
angemessene Zahl von Nachfragen einigen. Jetzt ist es
kein Problem; jetzt gibt es nur vier Nachfragen.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Hauser, bitte.
Frau Kollegin Hendricks, es gibt auffallende Widersprü-
che zwischen den Äußerungen der Bundesregierung und
denen von Mitgliedern der Koalition – insbesondere aus
Ihrer eigenen Partei – zum Thema Nettoentlastung bei
der Unternehmensteuerreform. Teilen Sie die Auffas-
sung Ihres Kollegen Poß, daß eine Nettoentlastung bei
der Unternehmensteuerreform zum Staatsbankrott füh-
ren würde?
D
Herr
Kollege Hauser, der Kollege Poß hat dies nicht auf die
Unternehmensteuerreform bezogen, sondern auf das In-
kraftsetzen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/
2002 und hat dazu ausgeführt, wenn wir es nicht in Kraft
setzen würden, würden wir den Staatsbankrott beschlie-
ßen. Er hat das nicht auf die Unternehmensteuerreform
bezogen. Es ist in der Tat in manchen Zeitungen falsch
zitiert worden.
Insofern sind Sie nicht verantwortlich dafür, wenn Sie
falschen Zitaten bei eigentlich seriösen Zeitungen aufge-
sessen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Wül-
fing, Ihre Frage, bitte.
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, als Parlamentarische Staatssekretärin
beim Finanzminister müssen Sie auf die Ausgewogen-
heit der Finanzen achten; als Parlamentarische Staatsse-
kretärin beim Wirtschaftsminister müssen Sie darauf
achten, daß die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft
und für die Investitionen in Ordnung sind. Sind Sie als
Parlamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsmi-
nister der Meinung, daß die Wirtschaft im Rahmen der
Unternehmensteuerreform entlastet werden muß oder
nicht?
D
Ich bin,wie die ganze Bundesregierung, der Auffassung, daß
Metadaten/Kopzeile:
2378 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
beide Teile dieser doppelten Aufgabe miteinander inEinklang gebracht werden müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächste Fragestelle-
rin ist Frau Dr. Höll.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben ausgeführt, daß bei der Einsetzung der Sachver-
ständigenkommission zur Unternehmensteuerreform die
35 Prozent eine Vorgabe waren; in bezug auf die Auf-
kommensneutralität oder Nettoentlastung haben Sie das
jetzt offengehalten. Es wird jedenfalls verschiedene
Vorschläge geben. Ich möchte Sie fragen, ob es möglich
ist, daß die gesamte Opposition des Hauses die ver-
schiedenen Überlegungen erhält. Denn ansonsten müs-
sen wir es den Zeitungen entnehmen.
D
Frau
Kollegin Höll, sobald die Kommission zur Unterneh-
mensteuerreform ihren Bericht dem designierten Fi-
nanzminister, Herrn Eichel, gegen Ende des Monats
April übergeben haben wird, wird sicherlich dem nichts
entgegenstehen, auch dem gesamten Haus diese alterna-
tiven Vorschläge zur Kenntnis zu geben. Ich rechne da-
bei mit dem Beginn des Monats Mai.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Höll,
Ihnen steht leider nur eine Frage zu.
Ich rufe jetzt die Frage 25 des Abgeordneten Peter
Rauen auf:
Ist in dem geplanten Steuersatz von 35 % bei der Unterneh-mensbesteuerung die Gewerbesteuer eingeschlossen, oder fälltdiese zusätzlich an?
D
Da wir
den Schnellesewettbewerb ja schon hatten, lese ich Ih-
nen das Folgende in gesetztem Tempo vor. Der Inhalt ist
ungefähr der gleiche.
Die vom Bundesminister der Finanzen einberufene
Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung
soll ein Konzept einer einheitlichen, rechtsformneutralen
Unternehmensteuer prüfen und erarbeiten. Im Rahmen
dieses Reformkonzepts werden auch Vorschläge zur
steuerlichen Behandlung der Gewerbesteuer erwartet.
Die Kommission wird ihre Beratungen am 30. April ab-
schließen. Die Bundesregierung kann dem Ergebnis die-
ser Beratungen nicht vorgreifen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Rauen, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich
gehe davon aus, daß der Wirtschafts- und Finanzmi-
nister gestern den Spitzenverbänden der deutschen Wirt-
schaft die Wahrheit gesagt hat und sie auch nicht belo-
gen hat. Wenn also in dem Steuersatz von 35 Prozent die
Gewerbesteuer – wie auch immer – enthalten ist, gehe
ich davon aus, daß der Körperschaftsteuersatz unter
30 Prozent liegen wird. Wie sehen Sie in diesem Zu-
sammenhang die Spreizung zwischen dem Körper-
schaftsteuersatz und dem Spitzensteuersatz bei der Ein-
kommensteuer – der ja gemäß den vorgesehenen gesetz-
lichen Regelungen bei 48,5 Prozent liegen wird – vor
dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots der
Gleichbehandlung der Einkunftsarten? Ich darf daran
erinnern, daß heute Herr Professor Peffekoven – er ist ja
nicht irgend jemand, sondern einer der fünf Weisen –
darauf aufmerksam gemacht hat, daß dieses verfassungs-
rechtliche Gebot bei dieser Konstruktion nicht einzu-
halten ist. Wie stehen Sie dazu?
D
Herr
Kollege Rauen, Professor Peffekoven ist über die Dis-
kussionen, so wie sie in der Kommission zur Unterneh-
mensteuerreform stattfinden, offenbar nicht recht unter-
richtet. Von daher kann ich es verstehen, daß er eine
solche Äußerung gemacht hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Niebel, eine
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, stimmen
Sie mir zu, daß Herr Minister Müller beim Gespräch mit
den Vertretern der Wirtschaft – weil der Bundeskanzler,
der diesen Termin eigentlich wahrnehmen sollte, aus
Gründen, die wir alle sehr gut nachvollziehen können,
verhindert war – quasi als Bundeskanzler gesprochen
hat? Insofern müßte man davon ausgehen, daß das, was
der Kollege Müller gesagt hat, die Meinung des Bun-
deskanzlers ist. Stimmen Sie mir hierin zu?
D
Herr
Kollege, protokollarisch ist Ihr Ansatz nicht richtig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretä-rin, Sie sprechen von einer rechtsformneutralen Besteue-rung im Zuge einer Unternehmensteuerreform. Nach Ih-ren Steuergesetzen gibt es zwischen dem Höchststeuer-satz für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 43 Prozentund dem Höchststeuersatz für Einkünfte nach dem Ein-kommensteuergesetz in Höhe von 48,5 Prozent eineSpreizung von 5,5 Prozent. Wenn, wie Wirtschaftsmi-nister Müller vorschlägt, ein einheitlicher Satz vonParl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2379
(C)
(D)
35 Prozent einschließlich der Gewerbesteuer Anwen-dung findet, dann würde das einen Körperschaftsteuer-satz von 22 Prozent bedeuten. In welchem Umfangmüßten dann die Einkommensteuersätze reduziert wer-den? Denn dann gäbe es natürlich eine Spreizung zumEinkommensteuersatz von 21 Prozent. Halten Sie dasfür verfassungsrechtlich möglich?D
Herr
Kollege Michelbach, die Spreizung ist allenfalls dann
von Bedeutung, wenn es sich in beiden Fällen um Sätze
nach dem Einkommensteuergesetz handelt. Aber der
Vergleich der Einkommensteuer mit der Körper-
schaftsteuer ist in diesem Zusammenhang unzulässig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Dautzen-
berg, Ihre Frage, bitte.
Frau Parlamentari-
sc
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Können Sie insofern zur Aufklärung beitragen, als Sie
entsprechende Informationen geben, damit solche – wie
Sie meinen – Fehlschlüsse vielleicht nicht mehr vor-
kommen? Ist es dann, wenn Sie die rechtsformunabhän-
gige Besteuerung wollen, überhaupt noch angebracht,
vom Terminus Körperschaftsteuer auszugehen?
D
Herr
Kollege Dautzenberg, die Kommissionsmitglieder haben
sich darauf verständigt, vertraulich zu arbeiten. Insofern
ist es jemandem, der nicht Kommissionsmitglied ist,
nicht vorzuwerfen, daß er nicht auf dem neuesten Dis-
kussionsstand ist.
Herr Peffekoven kann – das ist doch selbstverständlich;
verstehen Sie das bitte nicht falsch – den Diskussions-
stand nicht kennen.
Es ist auch vernünftig, daß die Kommission zur Un-
ternehmensteuerreform vertraulich arbeitet; denn Sie se-
hen: Es ist schwierig, in Ruhe zu arbeiten, wenn man
sich jeden Tag über bestimmte Steuersätze unterhalten
soll und nicht darüber nachdenken darf, was man wirk-
lich ändern will. Dies genau aber möchte die Kommissi-
on. Dafür habe ich großes Verständnis.
– Herr Kollege Dautzenberg, es ist davon auszugehen,
daß es nicht schon ab dem Jahre 2000 zu einer rechts-
formneutralen Unternehmensbesteuerung kommen wird.
Dies hat nicht mit dem Steuerrecht als solchem zu tun,
sondern damit, daß das dem zugrunde liegende gewach-
sene und viel ältere Zivilrecht – das Handelsrecht, das
BGB und alles, was dazugehört – höchstwahrscheinlich
nicht so geändert werden kann, daß es schon im Jahre
2000 zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbe-
steuerung kommen kann. Aber auch das ist noch Gegen-
stand der Beratungen der Kommission.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben noch eine
zweite Zusatzfrage, Herr Rauen.
Frau Staatssekretärin, wir
haben in Deutschland Hunderttausende Unternehmen,
die keine Körperschaftsteuer und auch keine Gewer-
beertragsteuer zahlen, nämlich die freien Berufe, die
aber, wenn es zu einem Unternehmensteuersatz von
35 Prozent käme, mit den für sie dann geltenden Ein-
kommensteuersätzen stark benachteiligt wären. Es ist
eine legitime Frage, wie sich die freien Berufe verhalten
sollen. Welche Antwort geben Sie darauf?
D
Herr
Kollege Rauen, die Vertreter der freien Berufe sind in
Person des Vorsitzenden der Steuerberaterkammer Hes-
sen, der nicht nur die steuerberatenden Berufe, sondern
auch die freien Berufe vertritt, in der Unternehmensteu-
erreformkommission vertreten. Dies wird in der Kom-
mission bedacht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich die
Frage 26 der Kollegin Gerda Hasselfeldt auf:
Wird mit der vorgesehenen Unternehmensbesteuerung eineBe- oder Entlastung für die Unternehmen verbunden sein, undwann ist mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zu rechnen?
D
Frau
Kollegin Hasselfeldt, zur Reform der Unternehmensbe-
steuerung ist eine unabhängige Kommission aus Ver-
tretern von Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzver-
waltung berufen worden, die bis zum 30. April 1999 ihre
Beratungen beenden und ihre Vorschläge unterbreiten
will. Nach politischer Beratung der Vorschläge wird ein
Gesetzentwurf erarbeitet, über den das Bundeskabinett
noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlie-
ßen soll. Die parlamentarischen Beratungen sollen nach
der Sommerpause beginnen und bis zum Jahresende ab-
geschlossen sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollegin Hasselfeldt,bitte, Ihre Nachfrage.Hans Michelbach
Metadaten/Kopzeile:
2380 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Frau Staatssekretä-
rin, zunächst einmal stelle ich fest, daß Sie das gleiche
vorgelesen haben wie bei den anderen Fragen,
meine Frage aber ganz anders gestellt war. Ich habe
ganz konkret gefragt, ob mit der vorgesehenen Unter-
nehmensbesteuerung eine Belastung oder eine Entla-
stung für die Unternehmen verbunden ist. Ich bitte um
eine konkrete Antwort auf diese Frage.
D
Frau
Kollegin Hasselfeldt, ich möchte der Entscheidung der
Bundesregierung nicht vorgreifen. Ich kann für die Bun-
desregierung noch keine diesbezügliche Aussage treffen.
Ich kann allerdings zusagen, daß es keine Belastung für
die Unternehmen geben wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollegin Hasselfeldt,
bitte.
Frau Staatssekre-
tärin, wenn Sie von einem Höchststeuersatz von
35 Prozent ausgehen: Was plant die Bundesregierung für
die mittelständischen Personenunternehmen, die auf
Grund ihrer Gewinnsituation in einem Jahr einen Steuer-
satz von unter 35 Prozent, in einem anderen Jahr von
über 35 Prozent haben? Wie soll das für diese Unter-
nehmen künftig aussehen?
D
Der
Ihrer Frage zugrunde liegende Sachverhalt ist den Mit-
gliedern der Kommission bekannt. Er wird dort bedacht.
Ich habe nicht nach
der Kommission, sondern nach der Meinung der Bun-
desregierung gefragt.
D
Die
Bundesregierung wird die Ergebnisse der Kommission
entsprechend bewerten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Hauser, Ihre
Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, im Rahmen der Verabschiedung
des Steuerreformgesetzes gab es eine ausgiebige Nach-
besserungsdiskussion. Im Rahmen dieser Nachbesse-
rungsdiskussion hat man einigen Wirtschaftszweigen
zugesichert, daß die jetzt festgesetzten Belastungen zu-
rückgenommen oder begrenzt werden, wenn dazu
Nachweise abgegeben werden. Dabei ist man sich über
die Tatsache, daß es zu Belastungen kommt, einig gewe-
sen. Werden diese Zusatzbelastungen im Rahmen der
Reform der Unternehmensbesteuerung zurückgeführt?
Oder welche Pläne haben Sie, diese Zusagen entspre-
chend umzusetzen?
D
Herr
Kollege Hauser, es ist nicht die Zusage gegeben worden,
daß diese Zusatzbelastungen, wie Sie sie nennen, zu-
rückgeführt werden. Vielmehr ist die Zusage gegeben
worden, daß, sobald die Bilanz des Jahres 1999 vorliegt
– früher kann es nicht sein, weil es erstmals im Jahr
1999 wirksam wird –, überprüft wird, wie hoch die Ge-
samtbelastung der jeweiligen Branche war. Sollten sich
die auf unterschiedlichen Annahmen beruhenden Schät-
zungen – der belasteten Branche auf der einen Seite und
des Finanzministeriums auf der anderen Seite – als
falsch oder richtig herausstellen, würde eine entspre-
chende Regelung getroffen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Fromme,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staats-
sekretärin, wenn überhaupt nicht feststeht, ob und in
welchem Umfang es zu einer Entlastung kommt, emp-
finden Sie es dann nicht als – vorsichtig ausgedrückt –
irreführend, wenn gegenüber der Wirtschaft der Ein-
druck erweckt wird, daß nennenswert entlastet werden
soll?
D
Herr
Kollege Fromme, bis jetzt ist ein Streit über Steuersätze
geführt worden. Es hat aber noch keinen Streit über die
Frage der Nettoentlastung, ja oder nein, gegeben. In
einen solchen möchte ich hier auch nicht eintreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, es ist aber eine Tatsache, daß mit der Aussage von
Herrn Minister Müller verbunden ist, daß über ein Ent-
lastungsvolumen in Höhe von 36 Milliarden DM ent-
schieden wird. Können Sie sich nicht vorstellen, daß
dies in der rotgrünen Koalition durchsetzbar ist?
D
Kol-
lege Michelbach, die von Ihnen genannte Zahl kann ich
keinesfalls nachvollziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Rauen, IhreFrage, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2381
(C)
(D)
Frau Staatssekretärin, ich
respektiere, daß Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
sagen können, ob es zu einer Nettoentlastung der Unter-
nehmen kommt. Sie haben aber der Kollegin Hasselfeldt
zugesagt, daß es zu keinen Mehrbelastungen kommt.
Das läßt die Vermutung einer Gegenfinanzierung zu.
Wenn man über Steuersätze in Höhe von 35 Prozent
spricht, ist es sicher Faktum, daß sich die Entlastung im
hohen fünfstelligen Milliardenbereich bewegt.
D
Im
fünfstelligen Milliardenbereich?
– Entschuldigung! Zwischen 10 und 30 Milliarden DM.
D
Also
im zweistelligen Milliardenbereich.
Ja. – Meine Frage ist
konkret: Wo besteht dann noch die Gegenfinanzie-
rungsmöglichkeit bei dem Gesetz, das seit Freitag im
Bundesgesetzblatt steht? Es sind viele Vorschriften be-
reits geändert worden. Selbst für mich als Insider in der
Finanzpolitik ist schwer zu erkennen, wo es noch Ge-
genfinanzierungsmöglichkeiten gibt – es sei denn, bei
der degressiven AfA oder aber durch eine Erhöhung der
Mehrwertsteuer oder anderer Verbrauchsteuern. Wie
beurteilen Sie dies?
D
Herr
Kollege Rauen, zum einen wird sich die Unternehmen-
steuerreformkommission auch Gedanken zu Gegen-
finanzierungsmaßnahmen machen. Ich weiß aber noch
nicht, welche. Sie hat einen freien Auftrag; sie kann also
einen freien Vorschlag machen. Es bleibt dann der poli-
tischen Bewertung durch die Bundesregierung und die
Koalitionsfraktionen vorbehalten, daraus Schlüsse zu
ziehen.
Ich kann im übrigen keine Aussagen über Gegen-
finanzierungsmaßnahmen machen, weder spezifiziert
auf der Verbrauchsteuerseite, noch auf der Unterneh-
mensteuerseite. Auch hier bitte ich, den Zeitraum von
weniger als sechs Wochen noch abzuwarten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf aufmerk-
sam machen, daß die Zeit für weitere Fragen zu diesem
Bereich zu Lasten der kommenden Geschäftsbereiche
geht.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Fischer.
Axel E. Fischer (CDU/CSU): Frau
Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, daß Sie noch
nicht wissen, ob eine Entlastung der Unternehmen zu-
stande kommt oder ob Sie das überhaupt wollen. Ande-
rerseits müssen Sie doch zugeben, daß Sie durch diese
Diskussion über die Steuersätze, die zur Zeit geführt
wird, den Unternehmen vermitteln, daß eine Entlastung
geplant ist und daß Sie die Unternehmen unterstützen
wollen. Abgesehen davon, daß ich ein solches Vorgehen
für absolut falsch halte, möchte ich die Frage stellen, ob
Sie die Unternehmen bewußt hinters Licht führen
möchten.
D
Nein,
Herr Kollege. Wir wollen mit dieser Unternehmen-
steuerreform erreichen, daß wir sowohl international
wettbewerbsfähige Steuersätze als auch international
vergleichbare Bemessungsgrundlagen haben. Dies wird
natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in
jedem Fall erhöhen.
Sollte es die Haushaltslage ermöglichen, so wird die
Bundesregierung nichts lieber tun, als eine Nettoentla-
stung auch für Unternehmen herbeizuführen. Aber diese
Entscheidung hat die Bundesregierung in ihrer Gesamt-
heit noch nicht gefällt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Dautzen-
berg, Ihre Frage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, da Sie selber gerade betont haben, daß die Frage der
Entlastung noch nicht geklärt ist, möchte ich Sie fragen:
Halten Sie es für politisch überhaupt zulässig, daß Re-
gierungsmitglieder erklären, daß es zu Entlastungen
kommen wird?
D
Herr
Kollege Dautzenberg, diese Frage dürfen Sie nicht an
mich stellen. Sie werden nicht erwarten, daß ich hier
eine Beurteilung – sei sie positiv oder negativ – über
Kollegen der Bundesregierung abgebe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Willsch,
bitte.
Frau Staatssekre-tärin, ich hatte schon beim Besuch des Finanzausschus-ses bei der OECD in Paris die Sorge geäußert, daß dieuns vorliegende Statistik der OECD, die eine durch-schnittliche Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuervon 8 Prozent ausweist, die Regierung dazu bringenkönnte, von dem Vorhaben, die Wirtschaft zu entlasten,Abstand zu nehmen. Ich fühle mich durch den Verlaufdieser Befragung in dieser Befürchtung nachhaltig be-stätigt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie die BDI-Bewertung dieser OECD-Studie vorliegen haben und in-sofern zur Kenntnis nehmen müssen, daß es angezeigt
Metadaten/Kopzeile:
2382 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
ist, bei uns keine Schutzwälle gegen ausländische In-vestoren aufzubauen, sondern zu einer Entlastung zugelangen, damit wieder Investitionen aus dem Auslandkommen.D
Selbst-
verständlich wollen wir keine Schutzwälle gegen aus-
ländische Investitionen aufbauen. Das berücksichtigt die
Unternehmensteuerreformkommission in ihrer Arbeit.
Im übrigen möchte ich Sie bitten, die Befürchtungen, die
Sie haben, nicht weiter zu hegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun rufe ich die
Frage 27 der Kollegin Elke Wülfing auf:
Wie will die Bundesregierung einen Ausgleich für dieKommunen schaffen, wenn es durch die Unternehmensbesteue-rung zu einem niedrigeren Steueraufkommen kommt?
D
Frau
Kollegin Wülfing, die Bundesregierung wird nach poli-
tischer Beratung des Berichts der Kommission zur Re-
form der Unternehmensbesteuerung einen Gesetzent-
wurf erarbeiten, der vom Bundeskabinett noch vor der
parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden
soll. Die Bundesregierung geht wie die Kommission da-
von aus, daß den Gemeinden schon von Verfassungs
wegen eine wirtschaftskraftbezogene und gestaltbare
Steuerquelle erhalten bleiben muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Wül-
fing, bitte.
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für diese fünfte, sechste, siebte oder
achte Wiederholung. Ich frage einmal direkt nach: Sie
haben eben gesagt, bis zum Ende des Jahres würden Sie
Ihre Vorstellungen entwickelt haben, haben aber auf die
Frage eines Kollegen geantwortet, noch nicht im Jahre
2000 würden Sie eine rechtsformneutrale Unternehmen-
steuerreform machen. Das haben Sie gesagt; ich habe es
mir extra aufgeschrieben. Das heißt: Im nächsten Jahr
werden die Unternehmen nicht entlastet.
D
Frau
Kollegin Wülfing, ich habe gesagt, es ist eher nicht da-
mit zu rechnen, daß es eine rechtsformneutrale Unter-
nehmensteuer schon im Jahr 2000 geben wird. Das be-
deutet aber nur, daß es im gewerblichen Bereich auch in
Zukunft die beiden Instrumente Körperschaftsteuer und
Einkommensteuer geben wird. Das sagt nichts darüber
aus, ob es eine Entlastung gibt oder nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Wül-
fing, Ihre zweite Frage, bitte.
Ich möchte – bezogen
auf die Frage, die ich schriftlich gestellt habe und die ich
mündlich beantwortet haben will – noch einmal nach-
fragen. Es wird aus Ihrer Sicht für die Kommunen im
Jahr 2000 also keinerlei Veränderung des jetzigen
Finanztableaus geben. Wie sieht das dann im Jahr 2001
aus?
D
Frau
Kollegin Wülfing, Art. 28 des Grundgesetzes garantiert
den Kommunen eine wirtschaftskraftbezogene Steuer
mit eigenem Hebesatzrecht. Es liegt auf der Hand, daß
das nicht einfach zu ändern wäre. Ab dem Jahr 2000
– also ab dem Beginn der Unternehmensteuerreform –
wird es auf jeden Fall die Gewerbeertragsteuer in bishe-
riger Form geben, so daß der Ertrag in der Summe so
wie bisher sein wird. Natürlich ist er von der wirtschaft-
lichen Entwicklung abhängig. Für die Kommunen wird
sich durch die Rechtsänderung aber nichts ändern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mi-
chelbach, Sie haben auch eine Nachfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie können die breite Verunsicherung, die durch die
Aussagen von Herrn Minister Müller hervorgerufen
wurde, heute nicht ausräumen. Meine Frage dazu: Der
Bundeskanzler hat bekanntlich eine eigene Kommission
im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ installiert.
Warum ist nicht eine Gesamtkonzeption abzuwarten?
Warum wird in einer solchen Gesamtkonzeption für die
Steuerpolitik – also im Rahmen der Unternehmensteuer
und der Familienbesteuerung – nicht Klarheit für die
Kommunen geschaffen? Warum wird die Steuerkom-
mission im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“, in der
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände mitarbeiten,
vom Wirtschaftsminister durch sein Vorpreschen gera-
dezu düpiert?
D
Herr
Kollege Michelbach, diese Einschätzung teile ich nicht.
In der von der Bundesregierung berufenen Unterneh-
mensteuerreformkommission sitzen – wie Sie wissen –
von Anfang an, also seit Beginn der Arbeit der Kommis-
sion am 18. Dezember, Vertreter der Wirtschaft und
auch Vertreter der Gewerkschaften.
Der Bundeskanzler hat im übrigen zugesagt, die steu-
erpolitischen Vorhaben der Bundesregierung auch im
„Bündnis für Arbeit“ zu erörtern. Dies wird selbstver-
ständlich geschehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt dieFrage 28 des Abgeordneten Hans Michelbach auf:Wie kann eine zu breite verfassungswidrige Spreizung derSteuersätze bei der Einkommensteuer und der Körperschaft-steuer bei einer Unternehmensteuer vermieden werden?Klaus-Peter Willsch
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2383
(C)
(D)
D
Herr
Kollege Michelbach, die geplante Unternehmensteuerre-
form hat ein neues System einer einheitlichen rechts-
formneutralen Unternehmensteuer zum Ziel, das auch
das Problem der Spreizung der Steuersätze lösen soll.
Die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteue-
rung wird ihren Bericht Ende April 1999 vorlegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben auf eine vorherige Frage geantwortet, man
könne hinsichtlich der Spreizung die Höchstsätze bei der
Körperschaftsteuer und bei der Einkommensteuer nicht
miteinander vergleichen. Die Spreizung liegt zum einen
bei 22 Prozent, zum anderen bei 35 Prozent. Führen
nicht die von Herrn Wirtschaftsminister Müller geplan-
ten Einkommensteuersätze zu einer noch größeren
Spreizung? Führt ein solcher Körperschaftsteuersatz
nicht auch zur Bevorteilung von Kapitalgesellschaften
und zu einer Wettbewerbsverzerrung gerade zwischen
den großen Betrieben und dem breiten Mittelstand, der
sich zu 90 Prozent in Personengesellschaften organi-
siert?
D
Herr
Kollege Michelbach, ich kann die von Ihnen bezifferte
Höhe des Körperschaftsteuersatzes nicht bestätigen. Im
übrigen wird sowohl die Kommission zur Reform der
Unternehmensbesteuerung als auch die Bundesregierung
die Bedürfnisse des Mittelstandes und der Personenge-
sellschaften berücksichtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mi-
chelbach, Ihre zweite Zusatzfrage.
Ich möchte noch
einmal die Frage stellen: Hat nicht Herr Wirtschafts-
minister Müller angekündigt, daß die Höchstbelastung
für die Unternehmen bei 35 Prozent inklusive Gewerbe-
steuer liegen soll, woraus sich ein Körperschaftsteuer-
satz von 22 Prozent ergibt? Bestätigen Sie seine Aussa-
gen? Oder müssen Sie eine Konfusion auf breiter Ebene
einräumen? Alles Müller, oder was?
D
Herr
Kollege Michelbach, diese Aussage ist rechnerisch
selbstverständlich richtig. Gleichwohl hat die Bundesre-
gierung noch keine Entscheidung darüber getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Seif-
fert, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben mehrfach betont, daß Ende April der Be-
richt der Kommission zur Reform der Unternehmensbe-
steuerung vorliegen wird. Können Sie uns zusichern,
daß wir uns rechtzeitig auf den Zeitpunkt einstellen
können, wann der Gesetzentwurf in das parlamenta-
rische Verfahren eingebracht werden soll? Es muß ja
nicht hopplahopp wie bisher verfahren werden.
D
Herr
Kollege Seiffert, ich habe gedacht, daß ich das hier
schon allzu oft vorgetragen habe: Der Gesetzentwurf
wird vor der Sommerpause von der Bundesregierung als
Entwurf beschlossen werden. Das Beratungsvefahren
wird unmittelbar nach der Sommerpause im Parlament
beginnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt
Frage 29 des Kollegen Hans Michelbach auf:
Ist zur Staatsquotensenkung eine Nettoentlastung zu erwar-ten, oder soll es weitere Gegenfinanzierungsmaßnahmen geben,die die Wirtschaft wieder belasten dürften?
D
Herr
Kollege Michelbach, das Steuerentlastungsgesetz 1999/
2000/2002 bewirkt eine beachtliche Nettoentlastung von
insgesamt über 20 Milliarden DM im Jahr 2002. Ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang eine weitere Netto-
entlastung und weitere Gegenfinanzierungsmaßnahmen
zu erwarten sind, wird im Rahmen des geplanten Fami-
lienentlastungsgesetzes und des Gesetzentwurfes zur
Verwirklichung der ersten Stufe der Unternehmensteuer-
reform entschieden. Beide Gesetzentwürfe wird die
Bundesregierung noch vor der parlamentarischen Som-
merpause als Entwürfe verabschieden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 angesprochen. Haben Sie nicht gemerkt, daß ich
nach der Entlastung der Wirtschaft und nicht nach einer
allgemeinen Entlastung gefragt habe? Ist Ihnen bekannt,
daß durch das vorgesehene Steuerentlastungsgesetz
nicht nur die Wirtschaft allgemein – das geben Sie ja zu
–, sondern nach Überprüfung Ihrer Zahlen auch der
Mittelstand stark belastet wird, weil Sie die Grenzen
zwischen privaten Haushalten und dem Mittelstand zu
Lasten des letzteren verfälscht haben?
D
HerrKollege Michelbach, dies weise ich ausdrücklich zu-rück. Es mag unterschiedliche Auffassungen bezüglichder Beurteilung dessen geben, was der Privatsphäre undwas dem betrieblichen Bereich zuzuordnen ist. Einensolchen Streit gibt es bei jeder Betriebsprüfung; er dürfte
Metadaten/Kopzeile:
2384 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Ihnen auch nicht neu sein. Aber wenn Sie hier von Fäl-schungen reden, dann weise ich dies ausdrücklich zu-rück.
Wir können jederzeit nachweisen, daß der Mittelstandim Saldo um 5,5 Milliarden DM entlastet wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Michelbach,
eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, ich habe Sie gefragt, wie die weiteren Maßnahmen
für die Entlastung der Wirtschaft aussehen werden.
Nach Aussagen der BMF-Steuerkommission gibt es hier
ein Finanzvolumen von 9 Milliarden DM. Nach Herrn
Müller beträgt es etwa 36 Milliarden DM. Haben Sie
vor, dies durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um
zwei Prozentpunkte zu kompensieren?
D
Herr
Kollege Michelbach, ich bin heute in der Situation, mich
ständig wiederholen zu müssen. Sie haben die Zahlen
9 Milliarden und 36 Milliarden auch schon sehr häufig
wiederholt. Diese Zahlen sind von mir gleichwohl nicht
zu bestätigen; sie sind so auch nicht richtig. Darum ist
die daran anknüpfende Frage von mir auch nicht zu be-
antworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Willsch, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsse-
kretärin, als Zusatzfrage zur Frage von Herrn Michel-
bach würde mich interessieren, ob denn nach dem un-
rühmlichen Abgang des seitherigen Finanzministers die
Senkung der Staatsquote überhaupt zu den Zielen der
Bundesregierung gehört?
D
Ja,
Herr Kollege Willsch. Ich bin in der glücklichen Lage,
auch dazu wieder eine Antwort auf eine Frage verlesen
zu können, die mir nach meiner Erinnerung vor ungefähr
sechs Wochen von Herrn Michelbach gestellt wurde; das
dürfte auch im Protokoll nachzulesen sein.
Eine aktuelle und mittelfristige Projektion der Staats-
quote enthält das Stabilitätsprogramm, das am 4. Januar
1999 durch das Kabinett gebilligt wurde. Der Anstieg
der Staatsausgaben soll danach auf 2 Prozent im Durch-
schnitt der Jahre 1998 bis 2002 begrenzt sein. Diese
Linie wurde mit den Ländern im Finanzplanungsrat ver-
einbart. Die Staatsausgaben bleiben damit deutlich hin-
ter der durchschnittlichen jährlichen Zunahme des no-
minalen Bruttoinlandsprodukts von 4 Prozent zurück.
Die Staatsquote, die im Jahre 1998 nach den noch vor-
läufigen Berechnungen 48 Prozent betragen hat, sinkt
damit auf 45 Prozent im Jahre 2002.
Sie sehen, die Senkung der Staatsquote gehört zu den
Zielen dieser Bundesregierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 30
des Abgeordneten Hans-Joachim Otto auf:
Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung der Kunst-handel, speziell die Galerien, bei Kunstwerken eine „dauerhafte“Wertminderung nachweisen, die nunmehr Voraussetzung für eine Teil-wertabschreibung ist?
D
Herr
Kollege Otto, zukünftig können Teilwertabschreibungen
nur noch für solche Wirtschaftsgüter in Anspruch ge-
nommen werden, die voraussichtlich dauerhaft im Wert
gemindert sind. Dieses Erfordernis ändert nichts an der
schon bislang dem Steuerpflichtigen obliegenden grund-
sätzlichen Pflicht, den Ansatz des niedrigeren Teilwerts
nachzuweisen. Hierzu ist an Hand konkreter Tatsachen
und Umstände zu jedem Bilanzstichtag darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen, daß der gewünschte
Wertansatz unterhalb der Anschaffungs- oder Herstel-
lungskosten gerechtfertigt ist. Die behaupteten Tatsa-
chen müssen dabei objektiv feststellbar sein.
Im übrigen handelt es sich bei dem Begriff der vor-
aussichtlich dauernden Wertminderung um einen unbe-
stimmten Rechtsbegriff, der dem Handelsrecht entliehen
ist. Zum Zwecke einer bundeseinheitlichen Anwendung
werden die steuerrechtlichen Fragen hierzu in Kürze mit
den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Otto
zur ersten Nachfrage, bitte.
Frau
Staatssekretärin, nachdem Sie sich eben mit dem Hin-
weis auf die Wiederholung von Fragen haben retten
können: Das ist eine neue Frage, und Sie haben über-
haupt keine Antwort darauf gegeben. Die Frage lautet:
Wie soll im Kunsthandel, in dem es um Unikate geht, an
Hand von objektiven Tatsachen nachgewiesen werden,
daß ein konkretes Kunstwerk im Wert gemindert ist?
Dazu erwarte ich von Ihnen zumindest den Ansatz einer
Antwort.
D
Herr
Kollege Otto, auch dazu werden zum Zweck einer bun-
deseinheitlichen Anwendung noch Maßstäbe erarbeitet
werden müssen. Dem kann ich nicht vorgreifen. Das ge-
schieht auf der Ebene der Finanzverwaltung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Otto zueiner zweiten Nachfrage, bitte.Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2385
(C)
(D)
Frau
Staatssekretärin, wenn ich richtig informiert bin, soll das
Gesetz seit dem 1. Januar 1999 gelten. Deswegen muß
ich jetzt präzise fragen, ob und wann Sie Durchfüh-
rungsbestimmungen dazu erlassen werden. Was wird
denn da jetzt laufen? Die Branche ist in totaler Verwir-
rung, und Sie können mir hier überhaupt nichts sagen.
D
Herr
Kollege Otto, die totale Verwirrung ist sicherlich ver-
früht. Selbstverständlich werden die notwendigen bun-
deseinheitlichen Abstimmungen so rasch wie möglich
vorgenommen. Frühestens zum Billanzstichtag 1999, al-
so in aller Regel zum 31. Dezember – –
– Entschuldigung, spätestens zum Bilanzstichtag müs-
sen die Unternehmen davon Kenntnis haben. Selbstver-
ständlich wird dies früher geschehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Hauser,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie uns den grundsätzli-
chen Widerspruch aufklären, daß für Gegenstände des
Vorratsvermögens, die prinzipiell nicht dauerhaft im
Betrieb verbleiben sollen, eine dauerhafte Wertminde-
rung vorliegen muß, wenn man eine Abschreibung vor-
nehmen will?
D
Herr
Kollege Hauser, es wird keine dauerhafte Wertminde-
rung, sondern eine „voraussichtlich dauerhafte Wert-
minderung“ durch das Gesetz gefordert, so daß noch ein
Spielraum in der Bewertung vorhanden bleibt. Dies gilt
insbesondere, weil das Vorratsvermögen nicht auf Dauer
dem Betrieb erhalten bleiben soll, sondern auch weiter-
hin der Veräußerung dient.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren
Nachfrage, Kollege Niebel, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie ha-
ben gerade gesagt, daß spätestens bis zum Bilanzstichtag
bekannt sein soll, nach welchen Regeln verfahren wird.
Stimmen Sie mir zu, daß es für jemanden, der wirt-
schaftlich handelt, zumindest hilfreich ist, über einen ge-
samten Jahreszeitraum – das Gesetz wird rückwirkend
zum 1. Januar in Kraft treten – die Normen, auf Grund
deren er handelt, zu kennen?
D
Herr
Kollege Niebel, das ist selbstverständlich richtig. Ich
muß es noch einmal ausführen, weil ich mich eben ver-
sprochen habe: Spätestens zum Bilanzstichtag müssen
detaillierte Bestimmungen vorliegen; selbstverständlich
werden sie früher vorliegen. Aber Sie müssen bedenken,
daß die Geltendmachung einer voraussichtlich dauer-
haften Wertminderung erst nach dem Bilanzstichtag des
Jahres 1999 erfolgen kann. Gerade bezogen auf das Vor-
ratsvermögen kann eine voraussichtlich dauerhafte
Wertminderung bei der Bilanzerstellung durchaus auch
erst kurz vor dem Stichtag entstanden sein. Das gilt
nicht gerade für den Kunsthandel; aber zum Beispiel bei
modischen Waren kann noch im Dezember klar werden,
daß es eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung
gibt. Insofern muß der Betriebsinhaber ohnehin aktuell
zum Bilanzstichtag bewerten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nun die
Frage 31 des Abgeordneten Dr. Michael Meister auf:
Wann und in welcher Höhe hat das Bundeskabinett – gemäßÄußerungen aus den Koalitionsfraktionen am 17. Februar 1999im Ausschuß für Verkehr, Bau und Wohnungswesen – beschlos-sen, Steuermehreinnahmen aus der Streichung des Vorkostenab-zugs bei der Eigenheimförderung für eine Wohngeldanpassunggezielt zu verwenden?
D
Das
Bundeskabinett hat sich am 10. Februar 1999 mit dem
aktuellen Stand der parlamentarischen Beratungen
der Koalitionsinitiative zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 befaßt und dazu insbesondere mittel-
standsfreundliche Änderungsvorschläge gemacht. In
dieser Sitzung ist auch der Vorschlag erörtert worden,
einen Teil der Mehreinnahmen aus der Verbreiterung
der steuerlichen Bemessungsgrundlage durch Streichung
des Vorkostenabzugs nach § 10 i des Einkommensteuer-
gesetzes zur Teilfinanzierung für eine Wohngeldnovelle
und nicht für eine Verbesserung der Eigenheimzulage
im Bereich des Bestandserwerbs heranzuziehen. Das
Bundeskabinett hat diesen Vorschlag positiv beurteilt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage,
Herr Kollege Meister, bitte.
Frau Staatsse-
kretärin, wie soll denn nach Ihrer Auffassung das
Finanzvolumen der Wohnkostennovelle insgesamt aus-
sehen? Da Sie eben von Teilfinanzierung gesprochen
haben, möchte ich ferner wissen, welcher Teil des Vor-
kostenabzugs – er hat ja ein Gesamtvolumen von etwa
1,6 Milliarden DM – für die Wohnkostennovelle ver-
wendet werden soll und woher eventuell erforderliche
weitere Mittel kommen sollen.
D
HerrKollege Meister, zum Volumen der Wohngeldnovellekann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagemachen. Die Bundesregierung wird in Zusammenarbeitmit den Koalitionsfraktionen eine gesamtstaatlicheWohngeldnovelle im Laufe des Jahres erarbeiten, so daßsie im Jahre 2000 in Kraft treten kann. Bitte entschuldi-gen Sie, daß ich dem noch nicht vorgreifen darf.
Metadaten/Kopzeile:
2386 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Beim Teilkostenabzug stand eine Größenordnung von350 Millionen DM – allerdings verteilt auf Bund undLänder – in Rede, die teilweise für die Wohngeldnovelleherangezogen werden könnten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Meister, Ihre
zweite Frage, bitte.
Frau Staats-
sekretärin Hendricks, Sie haben eben erwähnt, daß die
Wohngeldnovelle im Jahr 2000 in Kraft treten soll.
Könnten Sie mir sagen, welcher Verfahrens- und
Zeitablauf in den einzelnen Schritten vom Referen-
tenentwurf über die Abstimmung mit den Ländern bis
hin zur Beratung und Verabschiedung im Bundestag
geplant ist und wann man im Jahr 2000 mit dem In-
krafttreten der Novelle rechnen kann?
D
Herr
Kollege Meister, die Novelle soll zum 1. Januar 2000 in
Kraft treten. Aber die Frage, wie der Gang des parla-
mentarischen Verfahrens gedacht ist, kann ich Ihnen im
Moment nicht beantworten, da die Vorlage der Novelle
in der Verantwortung des Ministers für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen liegt. Ich werde die Antwort aber
gerne nachtragen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 32
des Kollegen Dr. Meister auf:
Hat die Bundesregierung veranlaßt, daß ein solcher Beschlußauch dem Haushaltsausschuß und dem Finanzausschuß im Zu-sammenhang mit der Beratung des Steuerentlastungsgesetzesund des Finanztableaus über dessen Auswirkungen zur Kenntnisgelangte?
D
Herr
Kollege Meister, die Mehreinnahmen aus der Streichung
des § 10i EStG sind im Finanztableau zum Steuerentla-
stungsgesetz 1999/2000/2002 in der Bundestagsdruck-
sache 14/443, Seite 69, laufende Nr. 44 des Finanz-
tableaus in vollem Umfang erfaßt. Eine Verbesserung
der Eigenheimzulage wurde nicht beschlossen. Das ist
dem Finanzausschuß und dem Haushaltsausschuß des
Deutschen Bundestages so zur Kenntnis gegeben wor-
den.
Ein formeller Beschluß über die Verwendung der
Mehreinnahmen, der den Ausschüssen hätte zur Kennt-
nis gegeben werden können, existiert nicht. Die Absicht
der Bundesregierung, das Wohngeld der Entwicklung
anzupassen, bleibt davon unberührt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 33
der Kollegin Angela Marquardt auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung eine in Aussicht stehendeKreditgewährung der Europäischen Bank für Wiederaufbau undEntwicklung zur Fertigstellung der KraftwerksprojekteKhmelnitski 2 und Rovno 4 in der Ukraine?
D
Frau
Kollegin Marquardt, auf Initiative von Deutschland und
Frankreich haben die G-7-Staaten, die EU und die
Ukraine 1995 ein Memorandum of Understanding
zur Schließung des ukrainischen Kernkraftwerks in
Tschernobyl bis zum Jahr 2000 vereinbart. Bestandteil
dieses Memorandums ist ein umfassendes Programm,
mit dem unter Beteiligung der internationalen Finanz-
institutionen die energiewirtschaftlichen Voraussetzun-
gen für die Schließung des KKW Tschernobyl geschaf-
fen werden sollen.
Die ukrainische Regierung ist nur bereit, Tschernobyl
termingerecht stillzulegen, wenn die beiden Kernreakto-
ren Khmelnitski 2 und Rovno 4 zur Sicherung der Ener-
gieversorgung fertiggestellt werden. Aus Sicht der Bun-
desregierung hat die Beseitigung der Risiken durch den
Weiterbetrieb des KKW Tschernobyl oberste Priorität.
In Gesprächen mit der Ukraine wird die Bundesregie-
rung erneut prüfen, inwieweit auch nichtnukleare Kapa-
zitäten zur Sicherstellung der Energieversorgung in der
Ukraine bereitgestellt werden können. Die Bundesregie-
rung legt Wert darauf, daß nach dieser Prüfung gegebe-
nenfalls notwendige Anpassungen im Einvernehmen mit
den G-7-Staaten erfolgen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Mar-
quardt, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wie beurteilt die Bundesregierung aber die Aussagen der
Kollegin Griefahn, die Sicherheitsrisiken seien derzeit
so groß, daß die finanzielle Beteiligung der Bundesre-
publik als des größten Anteilseigners an diesen beiden
Reaktoren eigentlich nicht vertretbar sei, da das Sicher-
heitsrisiko in keinem westlichen Land getragen werden
würde? Hier würde das nicht genehmigt werden.
D
Frau
Kollegin Marquardt, die oberste Zielrichtung der Verein-
barung auf der Ebene der G7 und der EU war in der Tat,
das Kernkraftwerk Tschernobyl stillzulegen. Wenn zu
diesem Zweck – wenn auch möglicherweise vorüberge-
hend – andere Kernkraftwerke noch weiter in Betrieb
sind, dann, weil sie mit westlichen Fördermitteln zu rech-
nen haben, unter möglichst optimierten Bedingungen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 34
der Kollegin Marquardt auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Einfluß Deutschlands– Hauptaktionär der EBWE – geltend zu machen, um die Kre-ditgewährung für die Fertigstellung der Kraftwerke zu verhin-dern, bzw. wird sie diesbezüglich auch mit dem deutschen Exe-kutiv-Direktor der EBWE Kontakt aufnehmen?
D
DieBundesregierung wird ihre endgültige Haltung nach dengenannten Sondierungsgesprächen, auf die ich eben ein-gegangen bin, festlegen.Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2387
(C)
(D)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 35 und
36 des Kollegen Börnsen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwor-
tung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 37 der Abgeordneten
Dr. Maria Böhmer auf:
Ist es zutreffend, das die Bundesregierung beabsichtigt,Dienstleistungsschecks für sozialversicherungspflichtige Be-schäftigungsverhältnisse in privaten Haushalten zur Einlösung inDienstleistungsagenturen einzuführen, und wenn ja, wie siehtdas Konzept genau aus?
Ulrike Mascher, Parl. Staatsekretärin beim Bundes-
minister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Dr. Böh-
mer, in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfrak-
tionen wurde festgelegt, daß die Bundesregierung die
Voraussetzungen dafür schaffen wird,
daß die Beschäftigungschancen des Dienstlei-
stungssektors besser genutzt werden. Dazu werden
Haushaltsdienstleistungen und private Dienstlei-
stungsagenturen gefördert.
Die Bundesregierung wird zur Förderung der Be-
schäftigung im Privathaushalt Eckpunkte eines Kon-
zeptes erarbeiten. In diesem Zusammenhang wird auch
geprüft, ob durch die Ausgabe von Dienstleistungs-
schecks, wie sie in einem in der letzten Legislaturpe-
riode vorgelegten Antrag der SPD vorgesehen waren,
eine Ausweitung sozialversicherungspflichtiger Be-
schäftigung im Privathaushalt erreicht werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Böhmer, bitte.
Frau Parlamentari-
sche Staatssekretärin, wenn Sie dem Gedanken der Aus-
gabe von Dienstleistungsgutscheinen folgen würden,
dann hätte das zur Konsequenz, daß damit, wie auch in
Pressemeldungen der letzten Tage nachzulesen war, die
gesamte steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für Haus-
haltshilfen im Privathaushalt gestrichen werden würde
und damit jeder Anreiz zur Schaffung von sozialver-
sicherungspflichtigen Arbeitsplätzen im Privathaushalt
bei individuellen Arbeitsverhältnissen verlorenginge.
U
Frau Dr.
Böhmer, Sie wissen sehr gut, daß die steuerliche Ab-
zugsfähigkeit der Kosten für eine Haushaltshilfe im Pri-
vathaushalt gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommen-
steuergesetzes nur zu einem relativ geringen Anstieg der
Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-
verhältnisse in Privathaushalten geführt hat, nämlich um
knapp 5 000 auf 37 700.
Ich meine, das war kein sehr zielführendes Projekt.
Deswegen wird die Bundesregierung bzw. das Arbeits-
ministerium nach neuen Wegen suchen und hierzu Eck-
punkte vorlegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Böh-
mer, Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, die Zahlen, die Sie eben genannt haben, beruhen auf
einer alten Schätzung; das ist die Bestandszahl. Die An-
gaben beruhen lediglich auf den Zahlen, die sich im
Verfahren „Haushaltsscheck“ ergeben haben. Können
Sie mir etwas über die Zahlen sagen, die im Zuge der
Einkommensteuererklärung bei den vielen Haushalten
sichtbar geworden sein müssen, die zweifellos die steu-
erliche Absetzbarkeit auch außerhalb des Haushalts-
scheckverfahrens genutzt haben?
U
Die Zahlen, die
ich Ihnen genannt habe, beruhen nicht auf dem Haushalts-
scheckverfahren; diese Zahlen zeigen vielmehr, wie sich
die Beschäftigungssituation in Privathaushalten auf Grund
der steuerlichen Absetzbarkeit entwickelt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Niebel, Ihre
Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, unab-
hängig von der Tatsache, daß mir die Staatssekretärin
Hendricks auf die Frage, ob die steuerliche Absetzbar-
keit von sozialversicherungspflichtigen Haushaltshilfen
abgeschafft werden solle, geantwortet hat, daß die Bun-
desregierung derartiges nicht plane, würde ich gerne
wissen, ob Sie mir darin zustimmen, daß nicht nur die
tatsächlich im Haushalt Beschäftigten mit Einschrän-
kungen rechnen müssen, sondern daß das weitere Kreise
zieht, nämlich daß, wenn die steuerliche Absetzbarkeit
von sozialversicherungspflichtig im Haushalt beschäf-
tigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abge-
schafft wird, die Wahrscheinlichkeit, daß diese nicht
weiterbeschäftigt oder in anderen Beschäftigungsver-
hältnissen beschäftigt werden, mit dem Umstand kumu-
liert, daß in aller Regel die Frau, die in der Zeit arbeiten
geht, in der sich die Haushaltshilfe um den Haushalt und
um die Kinder kümmert, auch nicht mehr in der Lage
wäre, ihrer Arbeit nachzugehen und damit durch Ihre
Politik heim an den Herd geschickt würde?
U
Herr Niebel,das, was Sie hier vortragen, nämlich daß ein Zusam-menhang zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit fürHaushaltshilfen und Erwerbstätigkeit von Frauen be-steht, ist eine Vermutung. Ich weiß nicht, ob Sie harteDaten haben, die den Zusammenhang belegen.
– Daß es in Ihrem persönlichen Umfeld konkrete Einzel-fälle gibt, bestreite ich überhaupt nicht.
Metadaten/Kopzeile:
2388 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Nach-
frage. Bitte, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin,
könnten Sie dem Kollegen Niebel vielleicht deutlich
machen,
daß es Zahlen des Bundesfinanzministeriums gibt aus
denen eindeutig hervorgeht, daß die Regelung hinsicht-
lich der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten für
eine Haushaltshilfe in Privathaushalten, was die Be-
schäftigungswirkung angeht, ein totaler Flopp war und
daß man das auch nachlesen kann?
– Ich wußte gar nicht, daß wir das jetzt in dieser Form
diskutieren. Vielleicht könnte die Frau Staatssekretärin
noch einmal darauf aufmerksam machen, daß genau die-
se Beschäftigungswirkung auch nach Aussagen der alten
Regierung nicht eingetreten ist und daß das auch nach-
lesbar ist.
U
Das kann ich
gern bestätigen. Ob es mir allerdings gelingt, den Kolle-
gen Niebel – auch an Hand von schriftlichen Unterlagen
– davon zu überzeugen, kann ich Ihnen nicht zusichern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte Sie darüber informieren, daß
die Fraktion der CDU/CSU eine Aktuelle Stunde zur
Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen beantragt. Ich möchte
Sie darauf hinweisen, daß diese Aktuelle Stunde im An-
schluß an die Fragestunde aufgerufen wird. Das wird
gegen 15 Uhr sein.
Jetzt rufe ich die Frage 38 der Kollegin Dr. Maria
Böhmer auf:
Wird die Bundesregierung, wenn das Konzept umgesetztwird, den bereits eingeführten Haushaltsscheck und die steuerli-che Absetzbarkeit sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-gungsverhältnisse im privaten Haushalt beibehalten, und fallsnein, wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen die-ser Maßnahmen auf die derzeit in privaten Haushalten bestehen-den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse?
U
Frau Dr.
Böhmer, die Notwendigkeit einer Überarbeitung des
Haushaltsscheckverfahrens wird im Rahmen der Erar-
beitung der von mir gerade erwähnten Eckpunkte ge-
prüft. Der zum 1. Januar 1997 eingeführte Haushalts-
scheck hat sich im übrigen leider – ich nehme einmal an,
daß Sie das auch so sehen – nicht bewährt, nicht den er-
warteten Nutzen gehabt und nicht zu dem angestrebten
Beschäftigungszuwachs geführt. Bis zum 31. Dezember
1998, also in einem Zeitraum von zwei Jahren, wurden
insgesamt nur 8 449 Haushaltsschecks bei den Kranken-
kassen eingereicht. Auch die Erweiterung der steuerli-
chen Abzugsfähigkeit der Kosten für eine Haushaltshilfe
– darüber haben wir ja gerade schon gesprochen – hat
sich leide nicht so in Beschäftigung niedergeschlagen,
wie es von Ihnen erwartet worden war.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Dr.
Böhmer, eine Nachfrage.
Sie beabsichtigen
also zu prüfen, ob dieses Verfahren durch Dienstlei-
stungsgutscheine abgelöst werden soll. Trifft es zu, daß
in den Genuß solcher Dienstleistungsgutscheine gemäß
dem Konzept, das in der letzten Legislaturperiode vor-
gelegt worden ist, nur Personen über 80 Jahre und Fa-
milien mit Kindern kommen sollen?
U
Frau Dr.
Böhmer, ich habe Ihnen gesagt, daß wir all das prüfen.
Es stellt sich in der Tat die Frage, ob man nicht, wenn
man steuerliche Mittel zur Förderung dieser Beschäfti-
gung nutzt, zielgerichtet besondere Personengruppen in
den Genuß dieser Förderung kommen läßt. Aber die
Einschränkungen, die in unserem Antrag aus der letzten
Legislaturperiode vorgesehen waren, entsprechen nicht
den Einschränkungen, die wir im Rahmen unserer Über-
prüfung vorzunehmen beabsichtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage der Kollegin Dr. Böhmer, bitte.
Frau Parlamentari-
sche Staatssekretärin, ich setze noch einmal bei Ihren
Planungen an, Dienstleistungsgutscheine einzuführen,
die im Zusammenhang mit Dienstleistungsagenturen
ausgegeben werden sollen. Gemäß Ihren Vorschlägen
planen Sie, Dienstleistungsagenturen einzurichten. Es
existieren aber bereits weit über 100 Dienstleistungs-
zentren in Deutschland, deren Förderung teilweise schon
ab 1. April ausläuft. Was gedenken Sie zu tun, damit
diese Dienstleistungszentren ihre Arbeit nicht ad hoc
aufgeben müssen und die dort beschäftigten Frauen
nicht arbeitslos werden?
U
Frau Dr.
Böhmer, es hat sich ja gezeigt, daß diese Dienstlei-
stungsagenturen einen hohen Förderbedarf haben, um
ihre Dienstleistungen zu marktgerechten Preisen anbie-
ten zu können. Wir werden prüfen, in welcher Form sol-
che Dienstleistungsagenturen oder -zentren arbeiten
sollen. Auch Sie können nicht behaupten, daß die jetzige
Form der Arbeit und die notwendige finanzielle Förde-
rung dieser Dienstleistungsagenturen dafür spricht, ihre
flächendeckende Ausbreitung voranzutreiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Niebel,Ihre Nachfrage, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2389
(C)
(D)
Frau Staatssekretärin, Sie ha-
ben gerade festgestellt, daß gut 30 000 Arbeitsplätze, die
durch die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit
geschaffen wurden, und gut 8 000 Arbeitsplätze, die
durch das Haushaltsscheckverfahren geschaffen wurden,
betroffen sind. Das macht round about zirka 40 000 be-
troffene Arbeitsplätze. Wie kommen Sie zu der Er-
kenntnis, daß diese rund 40 000 sozialversicherungs-
pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse weniger wert
sind als andere, eventuell zu begründende sozialversi-
cherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Anders
gefragt: Vertreten Sie hier nicht reine Ideologie?
U
Nein, das ist
keine reine Ideologie. Wir müssen vielmehr sorgfältig
prüfen, wie das Verhältnis zwischen dem finanziellen
Aufwand aus Steuermitteln und dem erzielten Ergebnis
aussieht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Kressl,
Sie haben eine weitere Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, kön-
nen Sie Informationen aus dem Finanzministerium be-
stätigen, daß ein Großteil der sozialversicherungspflich-
tigen Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten
ausschließlich begründet wurde, um auf Grund der steu-
erlichen Absetzbarkeit Mitnahmeeffekte zu erzielen?
U
Das muß ich
Ihnen leider bestätigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun rufe ich die
Frage 39 des Abgeordneten Thomas Strobl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die nachhaltige Kritik auszahlreichen Landesregierungen an der geplanten Sozialabgaben-pflicht für 630-DM-Jobs und generell an der Neuregelung dergeringfügigen Beschäftigungsverhältnisse?
U
Herr Strobl,
wegen des inneren Zusammenhangs möchte ich Ihre
Frage nach der Kritik zahlreicher Landesregierungen an
der geplanten Sozialabgabenpflicht für 630-DM-Jobs
und Ihre Frage nach der Bereitschaft der Bundesregie-
rung, dem Wunsch dieser Landesregierungen entspre-
chend Regelungen im Gesetz zur Neuregelung geringfü-
giger Beschäftigungsverhältnisse nachzubessern, zu-
sammen beantworten. Die Anzahl Ihrer Nachfragen wird
sich dadurch nicht verringern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich noch
die Frage 40 des Abgeordneten Thomas Strobl auf:
Ist die Bundesregierung nun bereit, dem Wunsch dieser Lan-desregierungen entsprechend, Regelungen im Gesetz zur Neure-gelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die insbe-sondere im Bereich der Zeitungszusteller und der Beschäftigtenin der Gastronomie sich nachteilig und sinnwidrig auswirkendürften, nachzubessern?
U
Der Bundes-
rat hat dem Gesetz zur Neuregelung geringfügiger Be-
schäftigungsverhältnisse in seiner Plenarsitzung am
19. März, also am Freitag letzter Woche, zugestimmt.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Befürch-
tungen vieler Zeitungsverlage und des Hotel- und Gast-
stättengewerbes in der vorliegenden Form nicht begrün-
det sind. Sie nimmt jedoch die von den Ländern Nord-
rhein-Westfalen und Niedersachsen vorgetragenen Be-
fürchtungen ernst. Sie wird die Auswirkungen des Ge-
setzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti-
gungsverhältnisse sorgfältig beobachten und gegebenen-
falls Korrekturen vorschlagen, wenn sich die betriebli-
che Praxis anders, als vom Gesetzgeber beabsichtigt,
entwickeln sollte.
– Frau Wülfing, ich weiß, wovon ich in meinen Ant-
worten rede.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Strobl,
Ihre erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin
Mascher, wie verträgt sich Ihre Aussage in bezug auf die
Zeitungszusteller mit dem Versprechen des Bundes-
kanzlers an die Zeitungsverleger, daß es keine Ver-
schlechterungen in diesem Bereich geben werde?
U
Herr Strobl,
wir haben im Gesetz selber schon verankert, daß wir ei-
nen Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes in den
verschiedenen Branchen vorlegen werden.
Der Arbeitsminister hat in den Beratungen des Bun-
desrates angekündigt, daß wir gegebenenfalls dieser Be-
richtspflicht schon früher nachkommen, um Korrekturen
vorzunehmen, falls die Entwicklung anders als gedacht
verläuft.
– Nein, das ist keine Politik auf Zuruf, sondern eine
Politik, die sich auch an der realen Entwicklung orien-
tiert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre zweite Nach-frage, Herr Kollege.
Metadaten/Kopzeile:
2390 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Frau Staatssekretärin,
gerade in den letzten Tagen hat sich gezeigt, daß bei den
Vorbereitungsarbeiten für das Inkrafttreten des Gesetzes
am 1. April dieses Jahres ein wahres Bürokratiechaos
sowohl für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer wie auch für die Mitarbeiter der Finanzämter
und die Beschäftigten der Krankenkassen entstanden ist.
Sind Sie der Meinung, daß dieses Gesetz einen Beitrag
zur Entbürokratisierung in Deutschland darstellt?
U
Ich würde es
nicht als „Bürokratiechaos“ bezeichnen, wenn das An-
gebot, im Rahmen einer Telefon-Hotline Fragen an
64 Experten zu stellen, zu einer solch großen Nachfrage
führt, daß nicht jeder Anrufer sofort durchkommt und
die gewünschte Antwort erhält. Diese Situation halte ich
noch nicht für ein Bürkratiechaos. Insofern teile ich Ihre
Befürchtungen nicht, daß die Neuregelung zu einer aus-
ufernden Bürokratie führen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Strobl, Sie
haben noch zwei Nachfragen, da Frau Mascher Ihre bei-
den Fragen zusammen beantwortet hat, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wollen Sie allen Ernstes bestreiten, daß das Gesetz zur
Neuregelung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse
ein Mehr an Bürokratie für die von mir genannten Per-
sonengruppen mit sich bringt?
U
Herr Strobl,
ich bestreite überhaupt nicht, daß diese von uns vorge-
nommene Umstellung am Anfang Eingewöhnungs-
schwierigkeiten mit sich bringen wird. Ich bestreite auch
nicht, daß die amtierende Bundesregierung angesichts
der Untätigkeit der letzten Bundesregierung einen er-
heblichen Problemberg in diesem Bereich abzubauen
hat.
Ich bestreite aber ganz entschieden, daß dieses Gesetz
nach den Anlaufschwierigkeiten große bürokratische
Probleme mit sich bringen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Strobl, noch ei-
ne letzte Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
können Sie Pressemitteilungen von heute bestätigen,
nach denen 64 Fachleute aus dem Finanzministerium
und dem Arbeitsministerium zwölf Stunden am Tag da-
mit beschäftigt sind, telefonische Anfragen zu beant-
worten, aber die Nachfrage nicht befriedigen können,
und würden Sie uns gelegentlich Auskunft darüber ge-
ben welche Kosten diese Aktion für den Steuerzahler
verursacht?
U
Wir werden
Ihnen gerne Auskunft darüber geben, wie sich diese
Hotline bewährt hat, Herr Strobl. Es ist Ihnen sicher be-
kannt, daß das Bundesarbeitsministerium solche Hot-
lines seit 1971 einsetzt, weil wir versuchen, schwierige
Gesetze möglichst bürgernah in direkten Antworten zu
erläutern.
Diese Aktion, die wir jetzt durchführen, ist keine neue
oder ungewöhnliche Aktion, sondern das ist eine Praxis,
die das BMA schon unter verschiedenen Arbeitsmini-
stern geübt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, es verbleiben noch sechs Minuten für die
Fragestunde. Mir liegen jetzt noch fünf Nachfragen zu
dieser Frage vor. Damit schließe ich die Frageliste. Wir
kommen danach zur Aktuellen Stunde.
Kollege Dreßen, Ihre Nachfrage bitte.
Frau Staatssekretärin, vorhin
wurde nach den Zeitungszustellern gefragt. Ist Ihnen ei-
gentlich bekannt, daß schon in der Vergangenheit einige
Zeitungsverlage ordentliche Beschäftigungsverhältnisse
hatten, die ordnungsgemäß angemeldet waren und bei
denen die Beschäftigten mit 800 DM oder 900 DM be-
zahlt wurden, und daß diese Zeitungsverlage, wenn wir
hier nicht gehandelt hätten, im Nachteil gegenüber den
Zeitungsverlegern gewesen wären, die sich in der Ver-
gangenheit sehr unkulant gegenüber ihren Arbeitneh-
mern verhalten haben?
U
Herr Dreßen,
es ist mir bekannt, daß sich die Zeitungsverlage und
Zeitungsverleger sehr unterschiedlich gegenüber ihren
Beschäftigten verhalten haben. Diese unterschiedliche
Behandlung gibt es auch in anderen Branchen. Es macht
sicher auch eine gewisse Schwierigkeit bei der Umset-
zung dieses Gesetzes aus, daß jetzt hier teilweise eine
Umstellung erfolgen muß, die von den Arbeitgebern so
nicht gewünscht wird, weil sie sich dann ihre Wettbe-
werbsvorteile nicht mehr zu Lasten der Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen verschaffen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Wid-
mann-Mauz, bitte Ihre Frage.
Frau Staats-sekretärin, Sie haben gerade bei der Beantwortung derFrage des Kollegen Strobl darauf hingewiesen, daß Sie,wenn reale Entwicklungen zu größeren Problemen beider Umsetzung führen würden – vor allem im Bereichder Zeitungsverleger –, unter Umständen zu Korrekturenbereit wären. Meine Frage zielt darauf ab: Inwieweit ist
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2391
(C)
(D)
geplant, die Telefonaktion dahin gehend auszuwerten,daß unter Umständen auch bei großen Problemen, diesich bei privaten Haushalten als Arbeitgebern stellen,Nachbesserungen vorgenommen werden?U
Ich möchte
hier keine Nachbesserungen versprechen, sondern ich
habe nur gesagt, daß wir im Gesetz selber schon festge-
legt haben, daß wir einen Bericht über die Erfahrungen
mit diesem Gesetz vorlegen und dann notwendige
Schlußfolgerungen daraus ziehen werden. Darüber hin-
aus hat der Arbeitsminister im Bundesrat angekündigt,
den Bericht gegebenenfalls früher vorzulegen, so daß
wir auch früher Schlußfolgerungen daraus ziehen kön-
nen.
Was die privaten Haushalte angeht, haben wir, glaube
ich, die Schwierigkeit, daß es sich hier zum großen Teil
nicht um geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ge-
handelt hat, sondern um einen grauen Arbeitsmarkt, in
dem cash auf die Hand gezahlt worden ist, und daß jetzt
offensichtlich bei vielen privaten Haushalten überhaupt
das erste Mal ein Bewußtsein entsteht, daß es sich hier
um reguläre Arbeitsverhältnisse handelt, die sozialversi-
cherungspflichtig sind und gegebenenfalls der Besteue-
rung unterliegen. Dadurch entstehen gewisse Irritatio-
nen. Sie kennen sicher die Praxis in Ihrem persönlichen
Umfeld, wie auch Herr Niebel aus seinem persönlichen
Umfeld immer interessante Erfahrungen zu berichten
hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Niebel,
Ihre Frage bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist
immer gut, wenn man praktische Erfahrungen in das
parlamentarische Leben einfließen lassen kann. Ich
weiß, daß Sie auch tatsächlich meinen, was Sie hier ge-
sagt haben. Das bedrückt mich ein bißchen.
Sie haben vorhin gesagt, daß die steuerliche Absetz-
barkeit bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Hausangestellten aller Voraussicht nach nicht in der Art,
wie wir sie kennen, erhalten bleiben soll. Jetzt haben Sie
gesagt, daß die Neuregelung der 630-Mark-Beschäfti-
gungen außer in der Anfangsphase nicht zu mehr Büro-
kratie führen werde. Sie wissen aber doch genausogut
wie ich, daß jeder Privathaushalt, der eine Reinigungs-
kraft auf 630-Mark-Basis beschäftigt, mit exakt dem
gleichen Verwaltungsaufwand zu rechnen hat wie ein
Arbeitgeber, der sozialversicherungspflichtig Beschäf-
tigte hat.
Stimmen Sie mir zu, daß, wenn Sie die beiden Mög-
lichkeiten, die wir jetzt haben, abschaffen, die Wahr-
scheinlichkeit, daß weit mehr Beschäftigungsverhältnis-
se dieser Art „bar auf die Hand“ abgewickelt werden,
größer wird?
U
Herr Niebel,
ich habe nicht gesagt, daß wir irgend etwas abschaffen.
Ich habe vielmehr gesagt, daß wir dies im Rahmen der
Entwicklung von zusätzlicher Beschäftigung im Bereich
haushaltsbezogener Dienstleistungen prüfen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin Böhmer.
Frau Staatssekretä-
rin, ich knüpfe an die Ausführungen an, die Sie im Zu-
sammenhang mit der Telefonhotline gemacht haben. Of-
fensichtlich besteht ein großer Informationsbedarf. Ich
gehe davon aus, daß viele Fragen von Privathaushalten
kommen, glaube aber nicht, daß dies nur aus Gründen
des Entdeckens von Arbeitsverhältnissen geschieht.
Immerhin haben drei Untersuchungen belegt, daß es
mehrere Millionen geringfügig Beschäftigte im Privat-
haushalt gibt – darüber hinaus zweifellos auch Schwarz-
arbeit.
Ich konzentriere mich jetzt auf diese mehreren Mil-
lionen geringfügig Beschäftigten im Privathaushalt. Die
Bundesversicherungsanstalt hat erklärt, sie sehe sich
nicht in der Lage, zu dem Bereich der geringfügigen Be-
schäftigungsverhältnisse Kontrollen durchzuführen. Sie
haben im Gesetz vorgesehen, daß sich die Kontrollen
auch auf die Privathaushalte erstrecken. Wie gedenken
Sie dies zu tun?
U
Frau Dr.
Böhmer, die Kontrolle über die richtige Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen sollte da stattfinden, wo
möglicherweise größere Dunkelfelder vorliegen. Ich
denke, erste Priorität ist nicht, alle privaten Haushalte zu
überprüfen. Die erste Priorität liegt in ganz anderen Be-
reichen.
Zu einer letzten Zu-
satzfrage der Kollege Hirche.
Frau Staatssekretärin, worin
liegt der besondere soziale Sinn, daß jemand, der
4 000 DM verdient und daneben noch eine 630-Mark-
Beschäftigung hat, den vollen Krankenkassenbeitrag
zahlen muß, aber jemand, der 8 000 DM verdient und
daneben noch einen 630-Mark-Vertrag hat, nur eine
Pauschale abführen muß?
U
Sie sprechenhier von der Zusammenrechnung der Einkünfte ausHaupt- und Nebenbeschäftigung. Ich denke, dies ist inder Tat gerechtfertigt, da die Sozialversicherungspflichtderer, die dieses Einkommen nicht durch Haupt- undNebenbeschäftigung, sondern insgesamt verdienen, gleichhoch ist.Annette Widmann-Mauz
Metadaten/Kopzeile:
2392 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Das, was Sie ansprechen, hat mit der Beitragsbemes-sungsgrenze zu tun. Man kann über die Gerechtigkeitder Beitragsbemessungsgrenze vortrefflich spekulieren.Es hat auch Überlegungen gegeben, sie anzuheben oderganz abzuschaffen. Ich kann mir aber nicht vorstellen,daß das Ihre Absicht ist, Herr Hirche.
– Der Sinn ist, daß wir uns an der Beitragsbemessungs-grenze orientieren. Über den Sinn und die soziale Ge-rechtigkeit dieser Beitragsbemessungsgrenze würde ichmit einem Vertreter der F.D.P. gerne diskutieren.
Ich danke Ihnen,
Frau Staatssekretärin.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Die Fraktion der CDU/CSU hat zu den Antworten der
Bundesregierung auf die Fragen 23 bis 29 zur Besteue-
rung von Unternehmen und zur Mehrwertsteuererhö-
hung eine Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht
Nr. 1b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde. Die Aus-
sprache muß nach Nr. 2a der Richtlinien unmittelbar
nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden.
Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Pläne der Bundesregierung zur Erhöhung der
Mehrwertsteuer und zur Besteuerung von Un-
ternehmen
Die für heute von der Fraktion der F.D.P. verlangte
Aktuelle Stunde wird nach Nr. 5 auf morgen vertagt. Die
ursprünglich für morgen vorgesehene Aktuelle Stunde
der Fraktion der CDU/CSU wurde zurückgezogen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion hat die Kollegin Gerda Hasselfeldt.
– Bitte schön.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierunghätte heute Gelegenheit gehabt, im Rahmen der Frage-stunde etwas Licht in das Dickicht ihres steuerpoliti-schen Desasters im Zusammenhang mit der Unterneh-mensteuerreform zu bringen. Diese Chance wurde nichtgenutzt.
Die Fragen waren konkret. Die Antworten waren vageund ausweichend – mit dem Ergebnis, daß die Bürger,die Unternehmen und die Betriebe weiterhin im unkla-ren gelassen werden und weiterhin in Unsicherheit dar-über sind, was sie im Rahmen der Unternehmensteuer-reform erwartet.
Ich habe Verständnis dafür, daß man zunächst einmalnachdenkt und dann handelt. Aber das, was Sie hier inden letzten Wochen und Monaten bezüglich der Steuer-politik getan haben, war das Gegenteil.
Sie haben eine Steuerreform verabschiedet, wohl wis-send, daß sie nicht den Anforderungen der wirtschaftli-chen Gegebenheiten entspricht. Sie haben diese Reformgegen den erklärten Rat von Sachverständigen aus derWirtschaft und aus den Verbänden verabschiedet. Siehaben schon bei der Verabschiedung dieser Reform ge-sagt: Wir werden im Zuge der Unternehmensteuer-reform die Situation der Unternehmen verbessern. Siehaben den Unternehmen bzw. den Betrieben immerwieder ein Trostpflaster angekündigt.Ihre Vorschläge hinsichtlich der Unternehmensteuer-reform, die Sie heute vorgetragen haben, machen deut-lich, daß das ein großes Täuschungsmanöver war.
Je aktueller die Unternehmensteuerreform wird, destowidersprüchlicher werden die Äußerungen aus den Krei-sen der Regierung und der Koalitionsfraktionen.Hinzu kommen die Forderungen der letzten Tage, dieMehrwertsteuer zu erhöhen. Seien Sie doch ehrlich: Esgeht Ihnen gar nicht mehr um das Ob einer Mehrwert-steuererhöhung, sondern nur noch um eine geeigneteBegründung.
Das Ergebnis Ihrer bisherigen Diskussionen über IhreSteuerpolitik ist folgendes: Es besteht eine tiefe Verun-sicherung in der Bevölkerung. Investitionen und dieSchaffung von Arbeitsplätzen unterbleiben. Die Leidtra-genden sind die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen.Nicht zuletzt der Präsident des Zentralverbandes desDeutschen Handwerks, Herr Philipp, hat erst gesternwörtlich gesagt: Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt.Das haben Sie auf Grund Ihrer falschen Entscheidungen,Ihrer ständigen Änderungen und Flickschustereien in derSteuerpolitik sowie auf Grund Ihrer Versprechungen, dieSie nicht halten, zu verantworten.
Es wäre an der Zeit, endlich Farbe zu bekennen, undzwar einheitlich. Es ist ja so, daß heute einer von Ihnensagt: „Die Wirtschaft braucht eine Entlastung“, und daßam gleichen Tag ein anderer aus Ihren Reihen sagt:„Steuersenkungen in bezug auf die Wirtschaft sind aus-geschlossen; die wird es nicht mehr geben“.
Was gilt denn nun eigentlich?
Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2393
(C)
(D)
Heute ist deutlich geworden: Nicht einmal in der Bun-desregierung selbst ist man sich im klaren darüber, wiees im Hinblick auf die Gewerbesteuer, den Höchst-steuersatz im Rahmen der Körperschaftsteuer, auf eineallgemeine steuerliche Entlastung und im Hinblick aufausländische Investoren weitergeht. Was machen Sie mitPersonenunternehmen? Was machen Sie mit dem Mit-telstand? Was machen Sie mit den Freiberuflern? Wasmachen Sie mit der Landwirtschaft? Was machen Siemit der Spreizung der Steuersätze?
All das sind Fragen, die nicht beantwortet wurden. ImHinblick auf diese Bereiche machen Sie aber laufendVersprechungen.Nun möchte ich eine Bemerkung in Richtung FrauScheel machen – denn sie schaut gerade so lächelnd zumir –: Frau Scheel, Sie haben erst vor wenigen Tagenwörtlich gesagt – dies war in der Zeitung nachzulesen –:Als Signal für ausländische Investoren sind niedrigeSteuersätze unheimlich wichtig.
Das ist natürlich richtig. Das hätten Sie von uns ab-schreiben können.
Ich möchte dies erweitern: Niedrige Steuersätze sindnicht nur für ausländische Investoren wichtig. Nur, FrauScheel, warum soll das erst jetzt geschehen?
Wo bleibt Ihre Glaubwürdigkeit? Wenn man sich IhrVerhalten im Hinblick auf die Steuerreform in den letz-ten Monaten vor Augen führt, dann ist festzustellen: Siehaben in den Diskussionen, an denen Vertreter der Wirt-schaft beteiligt waren, einerseits immer gesagt, daß dasein Gesetz ist, das noch nachgebessert werden muß. Siehaben andererseits hier in diesem Haus das Steuerentla-stungsgesetz großspurig als Reform verkündet.
Das ist eine Doppelzüngigkeit, wie sie nicht mehr zuüberbieten ist.
Ich fordere Sie deshalb auf: Geben Sie Ihren Zick-zackkurs in der Steuerpolitik auf! Sorgen Sie für eineeinheitliche Linie in der Regierung und in den Koali-tionsfraktionen! Sagen Sie den Menschen die Wahrheit!Denn sie haben ein Recht darauf.
Ich gebe das Wort
der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesmi-
nister für Wirtschaft und Technologie, Barbara
Hendricks.
D
HerrPräsident! Meine Damen und Herren! Ich freue michwirklich, daß ich jetzt von dieser Stelle aus zu Ihnen re-den darf. Offenbar ist es notwendig, immer wieder zuversuchen, die zutreffenden Argumente auch in die Köp-fe der Opposition hineinzubekommen.Die Rede ist von angeblichen Plänen der Bundesre-gierung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer. Es gibt aberseitens der Bundesregierung keinerlei Äußerung, dieMehrwertsteuer solle erhöht werden,
weder von Bundeskanzler Gerhard Schröder noch vomdesignierten Bundesfinanzminister Hans Eichel. Auchdie SPD-regierten Länder haben keine Initiative in dieseRichtung ergriffen. Wo nehmen Sie von der Oppositionalso die Chuzpe her, der Öffentlichkeit weiszumachen,die Bundesregierung strebe eine Mehrwertsteuererhö-hung an? Das ist nichts als der durchsichtige Versuch,erneut Verunsicherung zu säen und von den Entlastun-gen abzulenken, die wir gerade im Umfang von gut20 Milliarden DM beschlossen haben.
Die Maßnahmen des Steuerentlastungsgesetzes1999/2000/2002 haben wir ohne eine Erhöhung derMehrwertsteuer finanziert. CDU/CSU und F.D.P. habendagegen 1997 ein Steuerpaket vorgelegt, das auf eineErhöhung der Mehrwertsteuer hinauslief. Im Finanz-tableau zum Steuerreformgesetz 1999 haben Ihre beidenHerren Fraktionsvorsitzenden, Herr Schäuble und HerrSolms, eine Fußnote angebracht, die eine Teilfinanzie-rung Ihrer Reform durch eine Umschichtung von den di-rekten zu den indirekten Steuern – sprich: Erhöhung derMehrwertsteuer oder der Mineralölsteuer – enthielt. Sie,meine Damen und Herren von der Opposition, habendaher keinen Anlaß, sich selbstgerecht zu geben.
Das haben Sie schon deswegen nicht, weil Sie dieMehrwertsteuer in den vergangenen sechs Jahren zwei-mal erhöht haben: Am 1. Januar 1993 ist der Satz von 14auf 15 Prozent gestiegen, und am 1. April vergangenenJahres von 15 auf 16 Prozent.Die finanzielle Erblast der Regierung Kohl hat insge-samt eine Größenordnung von mindestens 30 MilliardenDM pro Jahr erreicht.
Gerda Hasselfeldt
Metadaten/Kopzeile:
2394 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Solide Staatsfinanzen sind aber eine unverzichtbareGrundlage für neue Arbeitsplätze, für eine nachhaltigewirtschaftliche Entwicklung und für soziale Stabilität.
Deshalb müssen und werden wir dafür sorgen, daß derBundeshaushalt wieder in Ordnung kommt und dieNeuverschuldung Schritt für Schritt zurückgeführt wird.Wer jetzt vorschnell nach Steuererhöhungen ruft, drücktsich vor der politischen Herausforderung. Es geht jetztnicht um Steuererhöhungen. Das Gebot der Stundeheißt: sparen, sparen und nochmals sparen.
Die schwere finanzpolitische Erblast der RegierungKohl zwingt die neue Bundesregierung zu einem konse-quenten Konsolidierungskurs. Schon vor den Bundes-tagswahlen haben wir den Bürgerinnen und Bürgern ge-sagt: Wir dürfen nicht länger auf Kosten der kommen-den Generationen leben. Deshalb müssen wir auch bereitsein, unsere Ansprüche an den Staat zurückzunehmen.Alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand gestellt wer-den. Die Zielgenauigkeit und Effizienz staatlicher Lei-stungen muß verbessert werden. Nicht alles, waswünschbar wäre, ist auch finanzierbar.Über das Gesamtkonzept des Familienentlastungsge-setzes sowie der Unternehmensteuerreform ist nochnicht beschlossen. Daher macht es keinen Sinn, heute indiesem Zusammenhang über eine höhere Mehrwertsteu-er zu reden.
Die Familien mit Kindern sollen entlastet werden. Dasist die Botschaft. Auch hier holen wir das nach, was Siesträflich vernachlässigt haben.
Noch vor der Sommerpause wird die Bundesregie-rung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfas-sungsgerichts einen Gesetzentwurf vorlegen, der die seitvielen Jahren unzureichende steuerliche Berücksichti-gung von Kindererziehung und Kinderbetreuung korri-giert. Den Referentenentwurf wollen wir bis Ende Aprilerstellen.Ebenfalls bis Ende April – das durfte ich Ihnen heuteja schon mehrfach sagen – wird die Sachverständigen-kommission zur Unternehmensteuerreform ihre Vor-schläge bekanntgeben.
Nach einer politischen Bewertung dieser Empfehlungwird die Bundesregierung bis zur Sommerpause einenGesetzentwurf zur Verwirklichung der ersten Stufe einerrechtsformunabhängigen Unternehmensbesteuerung miteinem deutlich niedrigeren Steuersatz für die Unterneh-men beschließen.
– Herr Kollege Michelbach, Sie, der Sie nun in jederFragestunde immer die gleichen Fragen stellen, dürfensich nicht wundern, wenn Sie immer die gleichen Ant-worten bekommen.
Es wird noch ausreichend Zeit sein, diese Gesetzent-würfe, die Konzepte sowie die Finanzierung in einemgeordneten Gesetzgebungsverfahren zu diskutieren. An-statt jetzt pausenlos über eine Erhöhung der Umsatz-steuer zu spekulieren und die Menschen zu verunsichern– dafür tragen Sie die Verantwortung –,
muß erst das steuerpolitische Gesamtkonzept bestimmtwerden.
Dazu haben Sie, meine Damen und Herren von der Op-position, bisher nichts, aber auch gar nichts beigetragen.
An einer Sachaussage werden Sie sich aber auf Dauernicht vorbeimogeln können. Die Bundesregierung wartetgespannt auf Ihre Vorschläge.
Das Wort für die
F.D.P.-Fraktion hat die Kollegin Gisela Frick.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ge-sagt – das hat sogar unseren Beifall gefunden –, nichtalles, was wünschenswert sei, sei auch finanzierbar; dasGebot der Stunde heiße: sparen, sparen, sparen. Das sa-gen Sie, aber wie verhalten Sie sich denn?
Sie haben als erstes das Kindergeld heraufgesetzt,
den Eingangssteuersatz gesenkt und die Reformansätzeder letzten Legislaturperiode, die nun wirklich beschei-den genug waren, alle wieder rückgängig gemacht. Alldas kostet Geld. Von Sparen sehen wir weit und breitnichts, nur das Ausschenken von Wohltaten.Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2395
(C)
(D)
Sie haben jetzt natürlich die allergrößten Schwierig-keiten, die sogenannte Gegenfinanzierung – eines derUnwörter dieses Jahres – im Wege von Nachbesserun-gen sicherzustellen, um Ihre ganzen Wohltaten über-haupt finanzieren zu können.
Das war doch einer der Gründe, weshalb die Gesetzge-bungsverfahren, die sogenannte Ökosteuer und das so-genannte Steuerentlastungsgesetz
– lassen Sie doch bitte auch mich in Ruhe reden;
Sie haben die Chance, nachher dazu zu sprechen – ge-radezu im Schweinsgalopp durchgepeitscht worden sind,sowohl im Finanzausschuß als auch später, am 19. März,im Bundesrat.Die Hauptbegründung dafür war – dies werden Sie wis-sen, wenn Sie den Ministerpräsidenten von Niedersachsenam Sonntag gehört haben –: Wir brauchen unbedingt dasGeld. Angesichts dessen ist die Bezeichnung „Steuerent-lastungsgesetz“ schon in sich widersinnig. Das zeigt ja, daßdamit Mehreinnahmen verbunden sein sollen.
Sie brauchen das Geld, um im nachhinein Ihre An-fangswohltaten zu finanzieren. Das ist ganz eindeutig so.
Lassen wir noch einmal die Fragestunde Revue pas-sieren: Frau Hendricks, Sie haben zur Frage einer Un-ternehmensteuerreform, die dabei eine große Rolle ge-spielt hat, nichts gesagt, sondern nur stereotyp betont, essei eine Kommission eingesetzt, die ihre Entscheidungenam 30. April vorlegen werde,
und erst danach werde ein Gesetzentwurf vorgelegt.Warum führt denn Ihr Doppelminister Müller die Ge-spräche mit Kreisen der Wirtschaft ständig im Sinne vonEntlastungen als Trost für die ganzen Belastungen, diemit dem sogenannten Steuerentlastungsgesetz verbun-den sind? Das dürfte er doch eigentlich nicht machen.Da müßte er sich zurückhalten und in Gesprächen mitder Wirtschaft die gleiche Antwort wie Sie geben, näm-lich daß noch gar nichts klar ist, auch noch nicht – dashaben Sie, Frau Staatssekretärin, in der Fragestundeeben gesagt –, ob be- oder entlastet wird, und daß dasalles erst nach dem entsprechenden Bericht der Kom-mission entschieden wird.
Er hätte nicht auf die Wirtschaft zugehen und mit solchwunderschönen Aussagen winken dürfen. Das sind allesnur Versprechen.Auch im Zusammenhang mit dem Familienentla-stungsgesetz hören wir nur Versprechen. Warten wireinmal ab, was da kommt! Das, was man bisher hört, istalles wenig mutmachend.Wenn Sie, Frau Hendricks, sagen, wir verunsichertendie Bevölkerung dadurch, daß wir Diskussionen übereine Mehrwertsteuererhöhung anfangen, muß ich Ihnenerwidern: Das kam aus Ihren Reihen,
da gab es am Wochenende eine Kakophonie. Zum Teilwurde aus Ihren Reihen behauptet, das sei zur Gegen-finanzierung der Unternehmensteuerreform nötig. Mitanderen Worten: Manch einer geht offensichtlich dochvon einer Entlastung aus. Also, es ist ein einzigesTohuwabohu.Wir verhalten uns nicht selbstgefällig mit Blick aufunsere Arbeit in der letzten Legislaturperiode, sondernwollen nur für unsere weitere Arbeit Klarheit. Aber nochwichtiger ist: Wir wollen Klarheit für die Bevölkerung.Denn das, was im Moment läuft, verhindert, daß dieKonjunktur anspringt; es verhindert Investitionen undvernichtet damit Arbeitsplätze.
Das eben war das Ziel, das Sie sogar ausdrücklich zurMeßlatte Ihrer Regierungszeit erhoben haben.Sie werden erheblichen Schiffbruch erleiden, wennSie so weitermachen wie bisher. In einer solch unsiche-ren Phase wird keiner mehr investieren, wird keinermehr Arbeitsplätze schaffen. Vielmehr werden Arbeits-plätze abgebaut werden, und ein Großteil wird – dankIhrer tollen Vorschläge zu den 630-Mark-Jobs, derScheinselbständigkeit und einer zweiten und dritten Stu-fe der Ökosteuer, die noch drohen – in die Schwarzar-beit abwandern. Das ist ganz eindeutig so.Deshalb bitte ich Sie: Nehmen Sie das alles, soweit esnoch geht, zurück. Machen Sie ein Gesamtkonzept, dasin sich stimmig ist und mit dem das Ziel erreicht wird,das Sie sich selber gesetzt haben, nämlich mehr Arbeits-plätze zu schaffen.Danke schön.
Das Wort für Bünd-
nis 90/Die Grünen hat die Kollegin Christine Scheel.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vorab einekurze Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Kolle-gin Frick. Wir haben das Kindergeld selbstverständlich– ich muß sagen: Gott sei Dank – nicht nur deshalb her-aufgesetzt,
Gisela Frick
Metadaten/Kopzeile:
2396 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
weil das Bundesverfassungsgericht das vorgibt, sondernweil wir selber wollen, daß die Familien in diesem Landendlich mehr entlastet werden.
Der zweite Schritt wird im Sommer folgen, wenn wirdie Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für dieFamilien umsetzen. Dann müssen wir in einem Kraftaktdas, was Sie 16 Jahre lang versäumt haben, trotz derschwierigen Haushaltslage mit einem strukturellen Defi-zit von über 20 Milliarden DM voranbringen.
Das müssen wir aushalten und dafür sorgen, daß dieHaushaltslage stimmt. Trotz dieser schwierigen Haus-haltslage werden wir den Beschluß des Bundesverfas-sungsgerichts natürlich umsetzen, und zwar im Sinneder Familien.
– Melden Sie sich ruhig zu Wort. Ihre Zwischenrufesind wenig hilfreich, lieber Herr Kollege. Es nutzt Ihnenüberhaupt nichts, mit dieser Debatte darüber hinwegtäu-schen zu wollen – alle zwei oder drei Wochen jubeln Sieuns eine Mehrwertsteuererhöhung unter –,
daß Sie genau diese Erhöhung in der letzten Legislatur-periode in Ihren Petersberger Beschlüssen verankert ha-ben, und zwar inklusive einer Mineralölsteuererhöhung.Damit wollten Sie nicht den Faktor Arbeit und nicht dieFamilien entlasten, sondern ihre Haushaltslöcher stop-fen, die sich auftaten, weil Sie ungerechtfertigte Ver-sprechungen an die Großindustrie gemacht hatten.
Es ist vollkommen klar, daß wir die Arbeitsergebnis-se der Kommission für die Unternehmensteuerreformabwarten. Aus diesem Grunde wurde die Kommission jaeingesetzt. Sie beschäftigt sich mit den Vorgaben, diedie Koalitionspartner politisch vereinbart haben. DasZiel ist eine rechtsformunabhängige Besteuerung imUnternehmensbereich in einer Größenordnung von35 Prozent. Wir hoffen, daß wir die 35 Prozent einhaltenkönnen,
und zwar inklusive der Gewerbeertragsteuer.Auch wenn Sie immer wieder dazwischenrufen: Eshilft Ihnen nichts, davon abzulenken, daß diese neueRegierung mit dem Steuerentlastungsgesetz
dafür gesorgt hat – das wurde in der zweiten und drittenLesung deutlich –, daß die kleinen und mittelständischenUnternehmen im Saldo um 5 Milliarden DM entlastetwerden,
daß die Unternehmen bei der Ökosteuer im Saldo um3 Milliarden DM entlastet werden. Sie wollen dies nichtzur Kenntnis nehmen. Sie sind uns noch heute schuldig,zu erklären, wie Ihre Berechnungen angestellt wurden.Sie übernehmen immer wieder die Berechnungen vonHerrn Stihl und Herrn Henkel, die auf keiner wissen-schaftlichen Grundlage basieren.
Wir haben das berechnen lassen. Es ist vollkommenklar, daß es hier zu einer Entlastung für die kleinen undmittleren Unternehmen kommt. Wir wollen die kleinenund mittleren Unternehmen auch bei der Unternehmen-steuer entlasten.Dieses ungerechtfertigte Miesmachen, wie zuletztbeim Steuerentlastungsgesetz, schadet dem Investitions-klima in Deutschland. Es schadet ihm auch im Ausland.Wenn Sie permanent mit diesen alten und falschenZahlen hantieren, dann schaden Sie nicht den Regie-rungsfraktionen, sondern der hiesigen Wirtschaft.
Das ist viel schlimmer. Denn die Investitionsbereitschaftwird auf Grund Ihrer Äußerungen gebremst.Klar ist, daß wir, was die leidige Diskussion über Ge-genfinanzierung und Mehrwertsteuererhöhung betrifft,Belastungen für den Haushalt oder auch eine Steuerer-höhung zur Finanzierung der Unternehmensteuerreformfür unverantwortlich halten und ausschließen. DieFinanzierung wird aus verschiedenen Bausteinen zu-sammengesetzt. Diese Bausteine werden wir in denkommenden Wochen in aller Ruhe und unter Berück-sichtigung aller Konzepte, die in diesem Jahr noch vor-gelegt werden, prüfen. Dies wird auch quantifiziert wer-den. Ich kann Ihnen sagen: Wir tun alles, um eineMehrwertsteuererhöhung zu verhindern.
Heute wurde von verschiedenen Kollegen, beispiels-weise von Herrn Metzger, gesagt, daß wir eine langfri-stige Neuausrichtung beim Verhältnis der indirekten unddirekten Besteuerung brauchen. Dies kann nur heißen:
Erstes Ziel ist Sparen, Haushaltskonsolidierung, saubereGesetze auf den Weg bringen.
Wir werden dann im Zusammenhang mit der Steuer-schätzung und den dann vorliegenden konjunkturellenDaten das Gesamtkonzept vorlegen und eine Entschei-Christine Scheel
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2397
(C)
(D)
dung treffen. Heute ist es dafür zu früh. Da können Sieso herumschreien, wie Sie wollen.Zum Abschluß sage ich ganz ernst: Wenn es mittel-fristig zu einer Mehrwertsteuererhöhung kommen sollte,
dann müßte gerade über das Verhältnis der direkten undindirekten Steuern nachgedacht werden. Gleichzeitigmüßte die Vorgabe der Kommission umgesetzt wer-den, –
Frau Kollegin, ich
muß Sie bitten, jetzt zum Schluß zu kommen.
– einen letzten Satz noch –, daß man die Einnahmen aus
der Erhöhung der indirekten Steuern – dabei geht es
auch um die Energiesteuer – nicht im Haushalt versak-
ken läßt, wie Sie das vorhatten, sondern dafür verwen-
det, den Faktor Arbeit und die Lohnnebenkosten zu ent-
lasten.
Das wäre ein sauberes Ziel, und das schließen wir nicht
aus.
Deswegen sagen wir, mittelfristig kann eine Mehr-
wertsteuererhöhung möglich sein. Jetzt hat die Regie-
rung so etwas nicht vor.
Wir begeben uns jetzt in die Zielgerade
und sagen: saubere Gesetze und keine Gegenfinanzie-
rung über eine Mehrwertsteuererhöhung.
Das Wort für die
PDS-Fraktion hat der Abgeordnete Gustav-Adolf Schur.
Herr Präsident! WerteKolleginnen und Kollegen! Ich bin kein Steuerexperte.Deshalb werden Sie sich wahrscheinlich wundern, daßich heute um das Wort gebeten habe. Aber ich meine,daß es für die Diskussion ganz nützlich ist, wenn sichjemand einmischt, der sie frei von steuerpolitischerPolemik führen kann.Worum geht es? Es geht um die Anhebung derMehrwertsteuer, einer Steuer, von der alle Menschen inDeutschland betroffen sind. Ich erinnere daran: Dieletzten zwei Mehrwertsteuererhöhungen – die FrauStaatssekretärin hat das angesprochen – wurden in gro-ßer Koalition von CDU/CSU, F.D.P. und SPD beschlos-sen.Gleichzeitig geht es um die Absenkung der Unter-nehmensteuern. Diese Absenkung soll durch die Erhö-hung der Mehrwertsteuer finanziert werden. Wie an-ders? Damit Siemens, Daimler-Benz oder die DeutscheBank und andere in Zukunft weniger Steuern zahlenmüssen, werden die Bürgerinnen und Bürger zur Kassegebeten.
Arbeitslose, Studierende, Rentnerinnen und Rentner,Sozialhilfeberechtigte finanzieren steigende Unterneh-mensgewinne. Jedes Kleidungsstück für Kinder, jedesMedikament, jede Telefonrechnung wird durch die An-hebung der Mehrwertsteuer teurer. Menschen mit gerin-gem Einkommen sind davon besonders betroffen.Einige Abgeordnete der SPD-Fraktion nennen einesolche Politik sozial. Ich nenne eine solche Politik ein-fach Sozialraub.
Meine Damen und Herren von der Regierung, IhrePolitik ist für die Bürgerinnen und Bürger sehr schwerverständlich. Im Bundeshaushalt werden bis zum Jahr2002 mindestens 30 Milliarden DM fehlen. Vereine undVerbände können ihre Kulturarbeit nicht fortsetzen;zahlreiche Sportvereine kämpfen ums Überleben.Gleichzeitig sollen wir es uns aber leisten können, dieUnternehmensteuern zu senken und weiter auf die Ver-mögensteuer zu verzichten. Die Steuerreform wird rund20 Milliarden DM, die Senkung der Unternehmen-steuern rund 10 Milliarden DM kosten – Geld, das anallen Ecken und Enden fehlt.Nach dem Goldenen Plan Ost des Deutschen Sport-bundes sollten die Sportstätten in den neuen Bundeslän-dern bis zum Jahr 2010 das Niveau der westdeutschenerreichen. Noch im November 1998 versprach Herr In-nenminister Schily eine Anschubfinanzierung von100 Millionen DM. Im Haushalt 1999 sind gerade ein-mal 15 Millionen eingestellt. Für die Verwirklichungdes Goldenen Plans Ost sind jedoch mindestens 20 Mil-liarden DM notwendig. Bei den sich eröffnenden Haus-haltslücken ist aber jetzt schon zu befürchten, daß dieseMittel dem Sport nicht zufließen werden. Es ist weiter-hin zu befürchten, daß eine Erhöhung der Mehrwert-steuer die Sportvereine noch zusätzlich belastet, dennauch Trainingsgeräte und Trainingskleidung zum Bei-spiel werden sich weiter verteuern.Meine Damen und Herren von der Regierung, anstattüber eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nachzudenken,könnten Sie eine Erleichterung für die 2,5 MillionenMenschen schaffen, die ehrenamtlich in über 80 000Sportvereinen arbeiten,
und zwar – das darf ich sagen – seit Jahren, mitunter seitJahrzehnten mit einer außerordentlich hohen Einsatz-und Risikobereitschaft und mit hoher moralischer Ver-antwortung – mit hoher moralischer Verantwortungdeswegen, weil oftmals die zweite Reihe hinter ihnenChristine Scheel
Metadaten/Kopzeile:
2398 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
fehlt und diese Menschen das Training und die Betreu-ung unserer Bürger im Sport absichern müssen. EineMöglichkeit für eine Entlastung dieser Menschen wärezum Beispiel die Anhebung der steuerfreien Aufwand-pauschale im Einkommensteuerrecht. Das wäre für vieleMenschen ein wichtiger und verständlicher Schritt.Ich bedanke mich.
Das war die erste
Rede des Kollegen Gustav-Adolf Schur. Ich darf ihm im
Namen des Hauses dazu gratulieren.
Nun gebe ich für die SPD das Wort dem Kollegen
Jörg-Otto Spiller.
Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-legen von der Union und von der F.D.P., auch wenn Sie esnicht gerne hören: Sie haben nach 16 Jahren Regierung einsteuerrechtliches Trümmerfeld hinterlassen.
Am übelsten ist die Verwüstung im Bereich der Unter-nehmensbesteuerung.
Denn wir haben nirgendwo so krasse Unterschiede undso starke Abweichungen von dem Prinzip der Besteue-rung nach der Leistungsfähigkeit wie bei der Unterneh-mensbesteuerung.
An Ihrer Stelle wäre ich ganz, ganz leise. Die KolleginHasselfeldt hat vorhin an die Kollegin Scheel die Fragegerichtet: Warum denn jetzt? – Warum denn jetzt? War-um haben Sie sich nicht vor ein paar Jahren
dieses Themas – der Beseitigung Ihres Chaos bei derUnternehmensbesteuerung – einmal angenommen?
Viele Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, klagenvöllig zu Recht, Herr Michelbach, über die hohe Bela-stung mit Steuern und Abgaben.
Es ist zugleich ein Skandal, daß es in den letzten Jahrenimmer wieder möglich war, daß sich auf Grund IhrerSteuerpolitik gutverdienende Großunternehmen mitglänzenden Erträgen der Steuerpflicht in Deutschlandvöllig entzogen haben,
und zwar auf legale Weise – dank der Verwüstung, dieSie im Bereich des Steuerrechts angerichtet haben.
Es gab während Ihrer Regierungszeit eine Grundsatz-abteilung im Bundesministerium für Wirtschaft. Ichweiß gar nicht, wofür Sie diese Abteilung brauchten.
Diese Grundsatzabteilung war über die 16 Jahre hinweg,in denen Sie regiert haben, zur Ohnmacht verurteilt, weilIhre Regierung ordnungspolitisch prinzipienlos war.
Sie haben das nicht nur hingenommen, sondern zur Be-dienung Ihrer Klientel eine totale Wettbewerbsverzer-rung bewußt herbeigeführt, so daß es heute – leider –eine ordnungsgemäße und faire Besteuerung nach derLeistungsfähigkeit im Unternehmenssektor in Deutsch-land nicht mehr gibt. Das muß erst wieder hergestelltwerden!
Das werden wir auch tun.
Ich weiß, daß die Bemerkungen, die der Vorstands-vorsitzende von Daimler-Benz vor ein paar Jahren ge-macht hat, nämlich als er sich damit gebrüstet hat, daßDaimler-Benz bis zum Ende dieses Jahrhunderts inDeutschland keine Körperschaftsteuern mehr zahlenwerde, auch von vielen Managern und Unternehmern alseine unnötige Provokation betrachtet worden sind. Aberder Vorwurf, den man in diesem Zusammenhang erhe-ben muß, ist nicht in erster Linie an den Vorstand vonDaimler-Benz zu richten, sondern an die Politik, dieüber 16 Jahre von der CDU/CSU und der F.D.P. betrie-ben worden ist und die solche Zustände ermöglicht hat.
Sie haben die OECD erwähnt. Die Mitglieder des Fi-nanzausschusses des Deutschen Bundestages warenneulich bei der OECD in Paris. Ich möchte das nocheinmal erwähnen: Dort konnte man erfahren, daß nachBerechnungen der OECD Deutschland die höchsten Ta-rifsätze bei der Unternehmensbesteuerung und die nied-rigste effektive Besteuerung hat.
Gustav-Adolf Schur
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2399
(C)
(D)
Dies resultiert aus den untragbaren Unterschieden, die eszwischen der Besteuerung
von Hunderttausenden von kleinen Unternehmen, dieübermäßig belastet sind, und von großen Unternehmengibt, die keine Steuern zahlen. Ich bin ausgesprochen er-freut darüber, daß dies inzwischen auch von Verbändendes Mittelstandes so gesehen und angesprochen wird.Ich habe gerade gelesen, daß der Präsident des Bundes-verbandes mittelständischer Wirtschaft seine Befriedi-gung darüber ausgedrückt hat, daß jetzt endlich bei-spielsweise auch die Energieversorger und die Versiche-rungen zu einer angemessenen steuerlichen Behandlungihrer Rückstellungen gezwungen werden
und daß sich jetzt nicht mehr die großen Unternehmenzu Lasten der kleinen Mittelständler ihrer Steuerpflichtentziehen können.
Es wird eine schwierige Aufgabe sein, wieder zueinem ordnungsgemäßen System der Unternehmensbe-steuerung zurückzufinden. Es ist auf den Weg gebrachtworden. Wir werden,
nachdem die Expertenkommission ihre Vorschläge un-terbreitet hat, eine intensive politische Beratung brau-chen. Leider können wir dabei wohl von Ihnen keinekonstruktive Hilfe erwarten, wenn man Ihre heutigenBeiträge zum Maßstab nimmt. Wir werden es trotzdemschaffen. Wir werden auch im Unternehmensbereich füreine faire und wettbewerbsgerechte Besteuerung sorgen.
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Leo Dautzenberg.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde istnotwendiger denn je, weil nämlich die Fragen, um die esgeht, gerade von Ihrer Seite aus, meine Damen und Her-ren von der SPD-Fraktion, in der politischen Diskussionaufgeworfen worden sind. Es ist eine verkehrte Welt,wenn Sie uns hier vorwerfen, daß wir von der Oppo-sition – also die F.D.P- oder auch die CDU/CSU-Frak-tion – diejenigen wären, die eine Mehrwertsteuerdiskus-sion eröffnen würden.Herr Spiller, eines muß man Ihnen konzedieren:Wenn es nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit gehenwürde und wenn man Ihre steuerpolitischen Beschlüssesieht, müßten Sie im Grunde genommen von der Steuerfreigestellt werden.
Frau Kollegin Hendricks, es ist wohl ein Treppenwitz,wenn Sie hier immer noch die sogenannte Erblast Kohlerwähnen. Das, wofür Sie jetzt die Finanzmittel und auchdie Diskussion über die Mehrwertsteuererhöhung brau-chen, ist doch einseitig durch Sie hervorgerufen worden:Sie müssen jetzt nämlich für die vordergründigen Wahl-geschenke bezahlen, die Sie verteilt haben.
Ist es Ihrer Meinung nach wirklich sozial, wenn Sieden Familien mit einem Vorlaufgesetz eine Kindergeld-erhöhung für das erste und das zweite Kind zugestehen
und sich mit dem Ökosteuergesetz gerade von den Fa-milien und den Familienbetrieben ein Vielfaches vondem zurückholen, was Sie ihnen vorher gegeben haben?
Hier wird deutlich, daß Sie kein klares steuer- und fi-nanzpolitisches Konzept haben.
Hier wird deutlich, daß sich vielmehr Ihre eigene Blok-kadepolitik gegen die Vorstellungen der Union und derF.D.P. zum Steuerentlastungsgesetz der vorigen Legis-laturperiode für Sie selbst negativ auszahlt und daß essich rächt, daß Sie die Regierung Kohl auf diesem Feldeaus rein politischen Gründen bekämpft haben. Wirkönnten auf dem Weg zu mehr Beschäftigung schon einJahr weiter sein, wenn Sie damals nicht eine solcheBlockadehaltung an den Tag gelegt hätten.
Frau Kollegin Scheel, ich finde das, was Sie in der„Rheinischen Post“ erklärt haben, wirklich beschämend.
Wenn Sie im Ausschuß – gerade als Vorsitzende – mitdafür Sorge tragen müssen, daß wir vernünftige Bera-tungsgrundlagen haben, und der „Rheinischen Post“gegenüber selbst bestätigen, daß mehrere Paragraphendieser Reform – des sogenannten Steuerentlastungsge-setzes – überarbeitungsbedürftig, weil kaum anwend-bar, seien,
dann sieht man daran die Flickschusterei. Sie erweckenzwar bei den Wirtschaftsverbänden draußen den Ein-druck, als seien Sie noch ein ernstzunehmender Ge-sprächspartner; aber im Ausschuß und im Parlamentverhalten Sie sich immer wieder gegensätzlich. Miteiner so billigen Masche kommen Sie nicht durch.
Jörg-Otto Spiller
Metadaten/Kopzeile:
2400 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Wir können diese Masche nicht zulassen.
Frau Hendricks, wenn Herr Müller als Doppelmi-nister draußen Ankündigungen macht und versucht,
das gestörte Vertrauensverhältnis zur Wirtschaft wiederzu heilen, indem er eine Unternehmensteuerreform ver-spricht, deren Eckpunkte bereits von der Regierung ent-schieden worden seien, und wenn Sie sich wiederumhier hinstellen und sagen, das alles sei noch nicht be-schlossen, ist das eine Arbeitsteilung, die wir nicht mit-machen. Es geht nicht, daß einige in Ihrer Regierungimmer wieder erklären: „Jawohl, wir tun etwas“, wenndas hier gleichzeitig dementiert oder kassiert wird.
Dazu brauchen wir nur Herrn Poß und Herrn von Lar-cher zu nennen, die erklärt haben, daß es innerhalb derUnternehmensteuerreform gar keinen Raum für einesteuerliche Entlastung gebe.Diese ständige Verunsicherung, die vor allen Dingenauch zu einer Unglaubwürdigkeit Ihrer Politik führt,machen wir nicht mit. Deshalb ist diese Aktuelle Stundeheute dringender denn je notwendig, damit auch dieBotschaft nach draußen gelangt, daß das, was Sie immerwieder vordergründig vorgeben, reparieren zu wollen,vom Grundsatz her falsch angelegt ist. Sie haben schonfalsch begonnen. Die Richtung stimmt nicht. Alle Nach-besserungen in dieser Hinsicht bringen nichts. HättenSie unseren Petersberger Beschlüssen zugestimmt, wä-ren wir schon weiter: Dann hätten wir eine gravierendeEntlastung bei den Steuersätzen, dann hätten wir eineBelebung der Wirtschaft, und dann hätten wir auch dieChance zu mehr Beschäftigung.
Auch der KollegeDautzenberg hat seine erste Rede im Deutschen Bun-destag gehalten. Ich gratuliere ihm im Namen des Hau-ses.
Nun hat der Kollege Klaus Müller für die FraktionBündnis 90/Die Grünen das Wort.Klaus Wolfgang Müller (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Präsident! Herr Dautzenberg, ichmöchte Sie an dieser Stelle einmal ernst nehmen. Siesagten, hätten wir Ihrem Gesetzentwurf zugestimmt,dann wären wir jetzt ein Jahr weiter. Aber was wäredenn dann? Wir hätten es mit Haushaltslöchern zu tun,die noch größer geworden wären. Wir hätten es miteiner Mehrwertsteuererhöhung zu tun, die just in IhremGesetzentwurf stand. Eine kleine Fußnote, sie war ver-schämt versteckt; heimlich wollten Sie es tun. Ich erin-nere mich noch gut daran, als in der heißen Phase desWahlkampfes Ihre verehrte Kollegin Nolte genau das,was Sie verschämt in einer Fußnote versteckt hatten,nämlich die Mehrwertsteuererhöhung, ausplauderte.Dumm gelaufen, kann ich dazu nur sagen; denn nachherbrach ein Orkan über sie herein, und sie wurde vonIhnen gedeckelt und erhielt einen Maulkorb. Ihnen allenwar extrem peinlich, daß ans Tageslicht gekommen war,was in Ihrem Gesetzentwurf wirklich stand.
In diesem Parlament sitzen Steuerpropheten unter-schiedlichster Couleur. Da haben wir jetzt eine verkehrteWelt. Man könnte beinahe sagen, daß es bei diesemThema eine schwarz-rot-gelbe Koalition gibt: Der Kol-lege Michael Glos verkündet, die Mehrwertsteuer werdesteigen, der Kollege Westerwelle verkündet, die Mehr-wertsteuer werde steigen, und – Entschuldigung, jetztkommen wir in der Farbenlehre mit rot und dunkelrotetwas durcheinander – auch der Kollege Gysi verkündet,die Mehrwertsteuer werde steigen. Schwarze, Dunkel-rote und Gelbe kündigen also an, die Mehrwertsteuerwerde steigen.
Lassen Sie mich Ihnen deutlich sagen, was Sie damitanrichten: Das, was Sie hier predigen, ist für das Hand-werk fatal, ja geradezu eine Katastrophe.
Es ist auch für die Tarifparteien fatal. Lesen Sie, was derHandwerkspräsident Dieter Philipp und der Gewerk-schaftsvorsitzende Klaus Zwickel sagen. Dann werdenSie feststellen, was Sie mit Ihrer Polemik, mit Ihrer An-kündigung einer angeblichen Mehrwertsteuererhöhungund Ihren Drohungen in die Welt setzen.Die Regierungsfraktionen haben dagegen zu diesemThema eine absolut klare Position.
Vor uns liegen zwei Gesetzentwürfe, und die Haushalts-konsolidierung steht an. Für alle drei Projekte wäre eineMehrwertsteuererhöhung kontraproduktiv.
Sie glauben doch nicht im Ernst,
wir würden zur Entlastung der Familien die Mehrwert-steuer erhöhen. Übrigens haben Sie, Herr Dautzenberg,den Begriff der Erblast bis heute nicht verstanden. Hät-ten Sie das Karlsruher Urteil, das auf Ihre Regierungs-zeit zurückgeht und einen Vorlauf von mehr als zehnJahren hatte, gelesen und eingesehen, daß Sie den Fami-Leo Dautzenberg
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2401
(C)
(D)
lien mit Kindern jede Menge Geld vorenthalten haben,dann wüßten Sie, was eine Erblast ist und was Rotgrünjetzt zu schultern hat.
Lassen Sie mich zu den drei Projekten zurückkom-men, die wir uns vorgenommen haben: Beim Fami-lienentlastungsgesetz macht eine Mehrwertsteuererhö-hung keinen Sinn.
Zur Unternehmensteuerreform wurde in der Fragestundeschon alles Notwendige gesagt. Ich fand es ja sehr nett,daß Sie immer wieder gegen die Wand gelaufen sind, alsSie mehrmals versuchten, die gleiche Frage zu stellen,obwohl Sie doch genau wissen, daß wir hier einen ande-ren Weg gehen, daß wir uns von externen Experten ausder Wirtschaft, aus der Wissenschaft und aus den Län-dern beraten lassen, um Ende April einen ausgewogenenVorschlag vorlegen zu können, den wir uns von Ihnennicht wieder kaputtreden lassen.
Ihnen tut jetzt schon weh, daß Sie von den Verbändennachher nicht wieder munitioniert werden können, weilwir einen Vorschlag vorlegen werden, der von den Ver-bänden mitgetragen wird. Darum sage ich, daß eineMehrwertsteuererhöhung auch für die Unternehmen-steuerreform eine kontraproduktive Gegenfinanzierungwäre.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Wir haben hier zuRecht gehört, daß diese Koalition den Haushalt konsoli-dieren und daß sie sparen will.
Sie glauben doch nicht, daß auch nur ein verehrter Ka-binettskollege dazu ernsthaft bereit wäre – man mußschließlich seinen Einzelplan verteidigen –, wenn ir-gendwo am Horizont eine Mehrwertsteuererhöhung her-umgeistern würde. Darum können wir nur sagen: Mo-mentan wäre für alle drei Reformprojekte, die zur Zeitauf unserer Agenda stehen, eine Mehrwertsteuererhö-hung absolut kontraproduktiv.Sie versuchen nun, uns für alle Zeiten festzulegen.Dem kann ich nur entgegnen: Der leider ausgeschiedeneverehrte Herr Finanzminister, Herr Lafontaine, hat dazuin seiner letzten Rede absolut korrekt „niemals nie“festgestellt.
„Nie“ kann keiner sagen. Das zu tun wäre unredlich.Das ist vielleicht Ihr Politikstil, den Sie immer wiederpraktiziert haben. Wir sagen: Für unsere drei zentralenProjekte macht eine Mehrwertsteuererhöhung keinenSinn. Alles Weitere sehen wir in der Zukunft.Vielen Dank.
Ich gebe das Wort
dem Abgeordneten Peter Rauen für die CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller, ichweiß gar nicht, wie Sie mir vorkommen. Ich habe vorge-stern gelesen, daß Sie sich gegen eine Mehrwertsteuer-erhöhung ausgesprochen haben. – Also, wir waren esnicht, die eine Mehrwertsteuererhöhung gefordert haben.
Wir haben auch das Rauschen im Blätterwald nichtverursacht. Von vielen aus dem Regierungslager ist viel-stimmig – sie pfeifen es wie die Spatzen von den Dä-chern – davon gesprochen worden, die Mehrwertsteuerzu erhöhen. Der Wirtschafts- und Finanzminister hatausgeführt, daß er eine Mehrwertsteuererhöhung zumStopfen von Haushaltslöchern nicht will.
Dafür habe ich viel Verständnis. Aber es scheint mirbereits beschlossene Sache, daß es nicht um das Ob,sondern nur um die Begründung geht. Für mich ist völ-lig klar, daß die Unternehmensteuerreform als Ihre Be-gründung für die Mehrwertsteuererhöhung herhaltenmuß.Die Konzeptionslosigkeit der Regierung in derFinanzpolitik und in der Steuergesetzgebung findet da-mit nahtlos eine Fortsetzung. Das Abkassieren der Be-völkerung, egal, auf welche Weise, ist offenbar das Zielaller Überlegungen dieser Regierung geworden.
Frau Hendricks, Frau Scheel und Herr Spiller, ichhöre zum wiederholten Male, daß Sie mit den Gesetzen,die seit letztem Freitag im Gesetzblatt stehen, den Mit-telstand entlasten wollen. Ich habe mir Ihre Berechnun-gen einmal angeschaut: Der Mittelständler, den Sie ent-lasten, hat kein Auto, kein Mietshaus, kein Sparkonto,und vor allen Dingen ist dessen Betrieb so klein, daß erihn überhaupt nicht finanzieren muß.
Der Mittelstand, den Sie entlasten, gibt es überhauptnicht. Man muß sich die Berechnungen wirklich einmalgenau anschauen; man kann darüber wirklich nur nochschmunzeln. Offenbar aber glaubt die ÖffentlichkeitKlaus Wolfgang Müller
Metadaten/Kopzeile:
2402 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
– jedenfalls wird es vielfach wiedergegeben – bishernoch teilweise an die falschen Daten, die Sie in die Weltsetzen.
Diese Gesetze sind eine massive Belastung für den deut-schen Mittelstand. Was Sie tun, wird Hunderttausendevon Arbeitsplätzen kosten.
Wie haben Sie uns angegriffen, als wir bei unserenSteuerreformgesetzen nach den Petersberger Beschlüs-sen die Mehrwertsteuer erhöhen wollten! Ich gebe zu:Eine Mehrwertsteuererhöhung ist unter konjunkturellenGesichtspunkten eine sehr schwerwiegende Angelegen-heit. Man muß sich einmal überlegen, was man dafürbekommt. Ich will Ihnen sagen: Nach unserem Reform-konzept hätten wir eine Nettoentlastung der steuerzah-lenden Menschen von 30 Milliarden DM gehabt.
– Und zwar innerhalb von zwei Jahren. – Wir hätteneinen Eingangssteuersatz von 15 Prozent, einen Spitzen-steuersatz von 39 Prozent, einen Körperschaftsteuersatzund einen Satz auf gewerbliche Einkünfte von 35 Pro-zent gehabt.
Wenn Ihre Steuerreformgesetze verabschiedet werden,haben wir einen Eingangssteuersatz von 19,8 Prozent,
einen Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent und insgesamteine Entlastung von 20 Milliarden DM – aber erst in vierJahren.Zur Unternehmensteuerreform: Darüber wird vielgeredet. Es soll sich um eine Senkung des Spitzensteuer-satzes auf 35 Prozent handeln. Aber in der Anhörungheute haben wir wieder gehört, daß die deutsche Öffent-lichkeit, zumindest die Spitzenverbände der deutschenWirtschaft offenbar wieder massiv belogen werden.
Es steht heute in der „Bild“-Zeitung unter der Über-schrift „35 % Höchststeuersatz für Wirtschaft“:Die Bundesregierung wird bis zum Sommer eineUnternehmenssteuer-Reform mit einem Höchstsatzvon 35 Prozent vorlegen!
Das kündigte Wirtschaftsminister Werner Müller,
nach einem Spitzengespräch mit Ver-
tretern der Wirtschaftsverbände an. Im Spitzen-steuersatz werde „auch die Gewerbe-Ertragsteuerenthalten“ sein, sagte Müller.Frau Hendricks, ich habe schon den Eindruck, daßSie sich von dieser klaren Aussage Ihres Ministers, derfür die Regierung bei den Spitzenverbänden gesprochenhat, heute zum Teil distanziert haben. Angesichts dieserklaren Aussage kann man Fragen klar beantworten.Wenn das so klar ist, kann man auch klar sagen, ob dieGewerbeertragsteuer als Verrechnungsteuer von derKörperschaftsteuer abgezogen werden kann. Wenn dasaber nicht klar ist, dann sollte Herr Müller solche Dingeauch nicht sagen. Ich habe ohnehin fast den Eindruck,daß er für diese Regierung die Mensch gewordeneBeruhigungspille gegenüber der deutschen Wirtschaftist. So kann das einfach nicht mehr weitergehen.
Da werden Dinge erzählt, und zum Schluß wird es dochanders gemacht. „Die Welt“ hat heute im Kommentarschon richtig geschriebenDer rührige Wirtschaftsminister trägt seine markt-wirtschaftlichen Reformkonzepte nur noch wieLippenbekenntnisse eines Träumers vor.Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.Frau Hendricks, Sie fangen wieder mit der Erblast an.Wie ich höre, sieht es mit der Steuerschätzung gar nichtso schlecht aus. Die Steuerschätzung vom Mai letztenJahres hat für die Jahre 1998, 1999, 2000, 2001 und2002 einen Steuerzuwachs von 180 Milliarden DM pro-gnostiziert. Die alte Regierung mußte in den Jahren1995, 1996 und 1997 damit leben, daß wir wenigerSteuereinnahmen hatten. Sie haben jetzt das Glück, daßauf Grund der richtigen und guten Politik der altenRegierung die Steuerquellen wieder sprudeln, wodurchSie zunehmende Steuereinnahmen in den Kassen haben.
Herr Kollege
Rauen, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ja. – Da von einer Erblast
zu sprechen entbehrt jeglicher Wahrheit und jeder
Grundlage.
Meine Damen und Herren, kehren Sie endlich um!
Konsolidieren Sie die öffentlichen Finanzen über eine
Reduzierung der Ausgaben und nicht über eine ständige
Ausweitung der Einnahmen.
Sparen Sie endlich so, wie Sie es gesagt haben. Entla-
sten Sie endlich die arbeitenden Menschen von viel zu
hohen Steuern und Abgaben.
Schönen Dank.
Das Wort für dieSPD hat der Kollege Dr. Rainer Wend.
Peter Rauen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2403
(C)
(D)
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das verabschiedete
Steuerentlastungsgesetz bei den privaten Haushalten
– man kann es Ihnen nicht oft genug sagen – zu einer
Nettoentlastung von rund 25 Milliarden DM und damit
auch zu einer kräftigen Stärkung der Nachfrageseite
geführt hat, wird es in der Tat Zeit, daß wir über eine
Unternehmensteuerreform reden.
Nach meiner Auffassung muß es – ich sage dies mit
dem Ziel, Ruhe und Gelassenheit in die Diskussion zu
bringen, und will diese Aktuelle Stunde vor allem dazu
nutzen, über die Fraktionsgrenzen hinweg Nachdenk-
lichkeit zu erzeugen – aus wirtschaftspolitischer Sicht
vier politische Eckpunkte oder Zielpunkte geben, die wir
sicherlich auch an haushaltspolitischen Notwendigkeiten
werden messen müssen.
Erstens. Es muß zu einer rechtsformunabhängigen
spürbaren Entlastung von Unternehmen kommen. Hier
wird über die Höhe der Steuersätze spekuliert, und es
wird von 35 Prozent minus/plus 22 Prozent gesprochen.
Darüber werden wir sicherlich erst nach Vorlage des
Gutachtens entscheiden können.
Eines sage ich – auch an unseren Wirtschaftsminister
Müller gewandt – ganz eindeutig: Der Wirtschaftsmi-
nister hat recht, wenn er sagt, eine simple Senkung der
Körperschaftsteuer auf 35 Prozent, um anschließend die
Gewerbeertragsteuer wieder draufzusetzen, wäre nicht
der Sprung, den wir bei einer Unternehmensteuerreform
brauchen.
Zweitens. Wir benötigen darüber hinaus eine Mittel-
standskomponente – so will ich es einmal nennen –;
denn es gibt Einzelunternehmen, es gibt Handwerksun-
ternehmen, die weniger als 35 Prozent Steuern zahlen,
und zwar nicht deshalb, weil sie Verrechnungsmöglich-
keiten, sogenannte Schlupflöcher, nutzen, sondern weil
sie auf Grund ihres geringen Ertrages nicht mehr Steu-
ern zahlen müssen. Unsere Unternehmensteuerreform
muß dafür Sorge tragen, daß diese Einzelunternehmen,
Handwerksbetriebe in Zukunft nicht etwa zusätzlich
Steuern zahlen müssen, wenn wir den Steuersatz auf
35 Prozent begrenzen.
Drittens. Wir müssen – das ist heute noch nicht zur
Sprache gekommen – etwas beim Unternehmensteuer-
recht machen: Es ist ziemlich kompliziert; viele verdie-
nen daran, daß es so kompliziert ist. Wir müssen bei
einer Unternehmensteuerreform versuchen, hier zu
einer deutlichen Vereinfachung zu kommen.
Viertens. Muß es – das ist das Schwierigste, was auf
uns zukommt – das politische Ziel unserer Unterneh-
mensteuerreform sein, eine Nettoentlastung der Unter-
nehmen herbeizuführen.
Was heißt das, wenn wir uns dieses Ziel vornehmen?
Gewiß können wir in der Spitze – das möchte ich beto-
nen – auf eine gewisse Selbstfinanzierung setzen, weil
dann, wenn auf Grund von Steuersenkungen vermehrt
investiert wird, auch wieder mehr Steuern fließen wer-
den. Aber das reicht nicht.
Nächster Punkt: Ich schließe aus, daß wir zur Gegen-
finanzierung der Unternehmensteuerreform die Mehr-
wertsteuer erhöhen; das ist sozial ungerecht und im üb-
rigen ökonomisch kontraproduktiv. Die von Ihnen und
auch von einigen anderen über die Erhöhung der Mehr-
wertsteuer geführte Diskussion ist kontraproduktiv und
überflüssig wie ein Kropf.
Zum letzten – ich glaube, das ist das Allerschwierig-
ste –: Wenn wir die Mehrwertsteuer zur Gegenfinanzie-
rung nicht erhöhen wollen, dann kommen wir nicht um
eine Debatte über die Senkung der Staatsquote herum.
Bei dieser Debatte können wir nicht immer nur über die
mit sozialen Leistungen verbundenen Gesetze reden,
sondern müssen auch über das Thema Subventionen re-
den. Die ganze Gesellschaft wird ihren Beitrag leisten
müssen.
Ich wäre Ihnen, meine Damen und Herren, dankbar,
wenn Sie dieses schwierige Geschäft nicht nur mit Hä-
me begleiten, sondern auch nur einen einzigen positiven
Vorschlag unterbreiten würden, so daß wir in einen
Wettstreit um die besten Ideen eintreten könnten. Auf so
einen Wettstreit mit Ihnen würde ich mich freuen. Sie
fallen aber bei diesem Wettstreit aus. Das ist das Pro-
blem; damit müssen Sie politisch leben.
Der Kollege Wend
war der Dritte im Bunde. Auch ihm gratuliere ich zu
seiner ersten Rede.
Nun gebe ich das Wort der Kollegin Elke Wülfing,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Ich hoffe sehr, daß der Kol-lege Wend auf Grund des Inhalts seiner ersten Rede, dieer heute hier gehalten hat, nicht allzu große Schwierig-keiten mit seiner eigenen Partei bekommt.
Metadaten/Kopzeile:
2404 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Was Sie hier dargestellt haben, entspricht nämlich nichtdem, was Frau Hendricks vorhin dargestellt hat,
nicht dem, was Herr Poß immer wieder im Finanzaus-schuß darstellt, und auch nicht der Meinung der gesam-ten SPD.Ich habe mir die ganze Zeit ernsthaft die Fragen ge-stellt: Was macht diese Regierung eigentlich wirklichfalsch?
Warum ist Herr Lafontaine gescheitert? Warum wirdauch die Restregierung scheitern, wenn sie so weiter-macht wie bisher? Ein Grund liegt sicherlich in der anti-quierten nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. Einanderer darin, daß Sie mal wieder die Belastbarkeit derWirtschaft prüfen wollen. Das sind aber nicht dieeigentlichen Gründe. Der wahre Grund ist: Sie scheiternan einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Sie scheitern zum Beispiel daran, daß Sie die wirklichenZahlen nicht richtig wahrnehmen. Frau Hendricksspricht von einem Loch in Höhe von 30 Milliarden DM.Frau Scheel sagt, es gebe ein Loch von 20 Milliar-den DM.
Aber die Jahresrechnung 1998 weist kein Loch, sondern10 Milliarden DM Überschuß aus.Herr Spiller redet hier davon, wir hätten irgend etwasSchreckliches hinterlassen. Er weiß ganz genau, daß dieVereinfachung der Steuergesetze, die Sie im Bundesratzweimal abgelehnt haben, eine hervorragende Sachewar. Wir haben Steuersätze von 15 bis 35 bzw. 39 Pro-zent vorgeschlagen, die Sie aber abgelehnt haben.
Wenn Sie damals schon im Parlament gewesen wärenund nicht Mitglied in der falschen Partei wären, HerrWend, hätten Sie diese Steuergesetze unterstützen kön-nen.
Daß Sie die Wirklichkeit falsch wahrnehmen, kannman an vielen Punkten erkennen: an der Berechnung desFinanztableaus zum Steuerbelastungsgesetz und an IhrenÜberlegungen zum Optionsmodell. Ihre falsche Wahr-nehmung fällt mir auch bei Ihrer Interpretation derOECD-Zahlen auf. Sie wollen einfach nicht wahrhaben,daß 90 Prozent aller deutschen Unternehmen Personen-gesellschaften sind, für die neben der Gewerbesteuerauch Einkommensteuer plus Solidaritätszuschlag undKirchensteuer vom Unternehmer gezahlt werden müs-sen. Sie wollen glauben – ja, Sie wünschen es geradezuherbei –, daß die OECD recht habe und daß die Steuer-belastung der deutschen Unternehmen wirklich nur8 Prozent betrage.Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Die effektiveGesamtsteuerbelastung eines mittelständischen Unter-nehmers meines Wahlkreises mit einem Umsatz von60 Millionen DM und 250 Beschäftigten liegt nicht bei8 Prozent, sondern bei über 50 Prozent. 50 Prozent sindnicht der Grenzsteuersatz, Herr Poß, sondern die effektivgezahlten Steuern. Von 1,4 Millionen DM Gewinn vorSteuern mußten 700 000 DM Steuern gezahlt werden.Wenn Sie rechnen können, dann stellen Sie fest, daß daseine Steuerbelastung von zirka 50 Prozent ist. Das ist dieWahrheit.Wenn ich Sie hier reden höre, könnte ich eine heiligeWut kriegen.
Was muß man eigentlich tun, damit Sie endlich aufwa-chen? Sie wollen einfach die Wahrheit nicht erkennen.Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen diese Beispielrech-nung zur nächsten Sitzung des Finanzausschusses mit-bringe.
Sie wollen einfach nicht wahrhaben, daß Belastungenwie die Einschränkung der Verlustverrechnung, die Be-seitigung des Zwei-Konten-Modells und die Änderungder Besteuerung von Veräußerungsgewinnen den Mittel-stand treffen.Warum haben Sie eigentlich bei Ihren Berechnungenzur Auswirkung der Belastungsmaßnahmen nur die Pri-vathaushalte berücksichtigt? Was stellen Sie sicheigentlich unter „Mittelstand“ vor? – Herr Rauen hatdiesen Punkt vorhin angesprochen. – Wieso buchen Sieeigentlich Teilwertabschreibung, Wertaufholungsgebot,Importwarenabschlag, Mitunternehmer-Erlaß nur beiGroßunternehmen? Verstehen Sie unter Mittelstand eineImbißstube an der Ecke? Wie kommen Sie eigentlichauf die Idee, daß mittelständische Unternehmen keineBilanz aufstellen müssen und daß die Verschlechterungvon Bilanzierungsvorschriften den Mittelstand nichttrifft?Die Auswirkungen Ihres Steuerbelastungsgesetzes fürUnternehmen sind nicht, wie Sie behauptet haben, eineBelastung von 10 Milliarden DM für Großunternehmenund eine Entlastung von 5 Milliarden DM für mittel-ständische Unternehmen, sondern es handelt sich umeine Belastung von 30 Milliarden DM, wobei mehrereMilliarden DM Belastung auf den Mittelstand entfallen.
Vor diesem Hintergrund versuchen Sie jetzt, zu ver-schleiern – eine entsprechende Nebelwand haben Sievorhin aufgestellt –, daß Sie wiederum eine Belastungs-orgie für die Unternehmen planen.
Sie halten sozusagen nur die Wurst hin, indem Sie an-kündigen, irgendwann einmal die Steuersätze zu senken.Der eine redet von Aufkommensneutralität, der anderevon Belastungsneutralität. Herr Wend redet von Netto-Elke Wülfing
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2405
(C)
(D)
entlastung, und Frau Scheel plappert von 23 ProzentKörperschaftsteuer. Die Grünen beschließen einen Steu-ersatz von 35 Prozent. Der eine will die Gewerbesteuerin diesen Steuersatz einschließen und der andere nicht.
Wir werden der Wirtschaft deutlich sagen, daß Sie of-fensichtlich keine Nettoentlastung planen. Herr Wendwird sich demnächst im Spiegel nicht mehr anschauenkönnen, weil er seine Versprechungen nicht halten kann.
Wir haben es vorhin verklausuliert gehört, daß es keineNettoentlastung für die Unternehmen geben wird. DieUnternehmen werden dies merken, wenn Sie Ihremerkwürdige Steuerreform vorgelegt haben.
Das Wort für die
SPD hat der Kollege Joachim Poß.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Sie lenken mit der von Ihnen beantragtenAktuellen Stunde vom Kern des Problems ab. Unstreitigist, daß wir die Steuersätze wegen der internationalenWettbewerbsfähigkeit senken.
Frau Wülfing hätte bei einem Besuch in Paris die Infor-mation bekommen können, daß wir die Bemessungs-grundlage auf der Grundlage internationaler Standardsverbreitern. Richtig ist die Behauptung von Herrn Spil-ler, daß Sie unser Steuerrecht nicht an internationaleStandards angepaßt haben, und richtig ist die Behaup-tung, daß die faktische Belastung der im internationalenWettbewerb stehenden Unternehmen bei uns – da streiteich jetzt gar nicht über einzelne Zahlen – niedrig ist.Damit ist nicht die Frage beantwortet: Wie behandelnwir die 80 bis 90 Prozent Unternehmen, die nicht im in-ternationalen Wettbewerb stehen? Diese Differenzierungmüssen wir treffen.
Ich habe die Frau Staatssekretärin auch nicht anders ver-standen, als daß wir uns im Sinne einer mittelstands-freundlichen Steuergesetzgebung mit genau dieser Fragebeschäftigen werden.
Richtig ist auch: Ihre Petersberger Beschlüsse wareneine Schaufensterauslage ohne Preisauszeichnung, weilsie unfinanzierbar sind.
Wir legen finanzierbare Beschlüsse vor. Sie führen jetzt,auch mit Hilfe der Veröffentlichung in einer Sonntags-zeitung, die Ihnen nahesteht, eine Steuererhöhungsde-batte, um davon abzulenken, daß der Bundesrat amletzten Freitag zum ersten Mal seit Jahren für Millionenvon Menschen in diesem Land Steuerentlastungen be-schlossen hat.
Das ist der Kern dessen, was hier stattfindet. Es geht umSteuerentlastungen für Millionen von Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern und Familien sowie für denMittelstand. Deswegen ziehen Sie jetzt, unter Verwen-dung mancher dubioser Zitate, eine Steuererhöhungsde-batte hoch. Jedenfalls kann ich mich darin, wie ich amWochenende zitiert worden bin, nicht wiedererkennen.
– Das mag sein, aber ich jedenfalls nicht.Sie wollen über die Trendwende hinwegtäuschen. Inder Zeit, in der Sie politische Verantwortung getragen ha-ben, wurden die Menschen belastet. Wir entlasten sie nun.
Sie setzen mit solchen Diskussionen eine schändliche,den Standort schädigende Debatte fort.
So ist es nun einmal.Wir werden im Zusammenhang mit der Aufstellungdes Haushaltes 2000, der Steuerschätzung und der mit-telfristigen Finanzplanung eine umfassende finanzpoliti-sche Bestandsaufnahme vorlegen. Dabei wird übrigensdie Erblast, das strukturelle Defizit noch einmal sehrdeutlich werden. Da gibt es keine widersprüchlichenZahlen. Das sind 20 Milliarden DM. Hinzu kommen diefinanziellen Auswirkungen des Urteils des Bundesver-fassungsgerichts auf Grund der jahrelangen verfas-sungswidrigen Besteuerung der Familien. Das vergrö-ßert das strukturelle Defizit um mindestens 10 Milliar-den DM. Deswegen sagen wir, daß es „30 MilliardenDM plus …“ sind. Das ist aber Ihre Hinterlassenschaftund nicht das Ergebnis der Verantwortung dieser Regie-rung oder der Parteien, die sie tragen.
Ihr Denken, Frau Frick, wurde sehr deutlich, als Sieim Zusammenhang mit einer Kindergelderhöhung wie-der von Wohltaten sprachen. Was ist das für ein Denken,wenn Sie als Juristin, als Verfassungsrechtlerin nichteinmal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts respektieren und an dieser Stelle bei Ihrer F.D.P.-Diktion „Wohltaten“ bleiben?
Das ist entlarvend.
Elke Wülfing
Metadaten/Kopzeile:
2406 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
Gleichzeitig wollen wir die Unternehmenssteuerre-form, wie in der Koalitionsvereinbarung angekündigt,durchführen, nach dem Gutachten der vom Finanzmi-nister eingesetzten Kommission. Übrigens: Heute in derFragestunde so ein Theater zu veranstalten, wie Sie esgetan haben, zeugt nicht von Respekt vor dieser Kom-mission. Als die Bareis-Kommission eingesetzt war, ha-ben wir nicht ein solches Theater veranstaltet.
Das war äußerst billig; das hat mit der Wahrnehmungvon Parlamentsrechten überhaupt nichts zu tun. Das istAusdruck Ihrer Ignoranz, die Sie jeden Tag hier prakti-zieren, weil Sie mit Ihrer neuen Rolle nicht klarkom-men; nichts anderes ist das.
Gerhard Schröder hat recht: Solange vor dem Hinter-grund der Zahlen, die ich genannt habe, weder die Kon-zeption für die Familienentlastung noch die für die Un-ternehmenssteuerreform vorliegt, hat es keinen Zweck,über Einzelheiten der Finanzierung zu sprechen.
Wir müssen zum Beispiel Art. 115 des Grundgesetzesbeachten. Niemand ist heute in der Lage, vor abschlie-ßender Prüfung mehrerer Entscheidungen des Bundes-verfassungsgerichts eine endgültige Bewertung der Fi-nanzierungsmöglichkeiten von Haushalts- und Steuerge-setzen vorzunehmen.
Dies ist die Wahrheit. Lassen Sie uns auf der Grundlagedieser einfachen Erkenntnis eine ehrliche Debatte füh-ren, statt hier tagtäglich so eine Schaumschlägerei zupraktizieren.
Das Wort hat der
Abgeordnete Peter Jacoby, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Der Kollege Poß hat eben gesagt,die Mehrwertsteuerdebatte sei am Wochenende von derOpposition losgetreten worden, es sei eine Debatte, diean den politischen Gegebenheiten völlig vorbeigehe.
– Herr Poß, Sie haben lange genug geredet. Lassen Siemich mal einen Moment argumentieren!Ich möchte mich auf eine Einlassung zu einem Zeit-punkt nach dem Wochenende – sie stammt vom gestri-gen Tage – beziehen. Der Kollege Metzger, der haus-haltspolitische Sprecher der Grünen, wird in diesem Ar-tikel so zitiert:Die Diskussion über eine höhere Mehrwertsteuersei von einer „Allianz der Bequemen“ in denKoalitionsparteien angestoßen worden ...
Metzger hob hervor, es werde eine bequeme De-batte geführt, obwohl die Politik eigentlich unbe-queme Antworten darauf geben müsse, wie die ho-he Staatsquote gesenkt, die Überschuldung der öf-fentlichen Haushalte zurückgeführt und internatio-nal konkurrenzfähige Steuersätze verwirklicht wer-den könnten.Das ist der Ausgangspunkt der Diskussion: die „Allianzder Bequemen“. Die sitzt in Ihrer Fraktion und nicht aufdieser Seite des Hauses. Das will ich zunächst einmalsagen.
Man sollte sich auch noch einmal den vielstimmigenChor der Kommentatoren vor Augen halten: Sie selbsthaben gesagt, eine höhere Mehrwertsteuer könne nie-mand ausschließen.
Herr Schlauch hat gesagt, Steuererhöhungen seiendurchaus eine Möglichkeit, um die Auswirkungen derEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Fa-milienbesteuerung und die Unternehmensteuerreformgegenzufinanzieren. Ministerpräsident Glogowski hatgesagt, bei Refinanzierungsmöglichkeiten gebe es keinTabu. Herr Clement hat gesagt: Fragen Sie mich am En-de des Jahres noch einmal. – Und dann kommen Siehierher und sagen, diese Diskussion sei deplaziert, siewerde zur Unzeit geführt. Nein, sie ist deshalb ange-bracht, weil sich eine Mehrwertsteuererhöhung in dieSerie der vorgenommenen Steuererhöhungen, die es bis-her schon in Ihrer Verantwortung gegeben hat, einreiht.
Damit bin ich beim zweiten Punkt: Der Herr Bun-deswirtschaftsminister – und amtierende Bundesfinanz-minister – wird heute im „Handelsblatt“ zitiert. Er hatsich gestern am Rande der Münchener Handwerksmessemit Unternehmensverbänden unterhalten und dort wört-lich gesagt:Müller räumte ein, daß die am Freitag im Bundesratverabschiedete rot-grüne Steuerreform die Wirt-schaft belaste.Es stellt sich die Frage: Was ist die Konsequenz daraus?Er hat schon vor einigen Wochen gesagt, daß er, hätte erdie Zahlen der Unternehmen gekannt, der Steuerreformim Kabinett nicht zugestimmt hätte. Aber er hat aus die-sem Befund keine Konsequenzen gezogen. Was ist jetztdie Konsequenz? Jetzt ist die Konsequenz, daß Sie eineUnternehmensteuerreform, die von der Substanz hereigentlich keine ist, nachschieben. Über den Grund hatder Kollege Metzger offen gesprochen – besprechen SieJoachim Poß
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999 2407
(C)
(D)
das doch einmal innerhalb Ihrer Koalition! –; er wirdwie folgt zitiert:Der „verunglückte Start“ der Steuerpolitik derKoalition, der eine Asymmetrie der Entlastung derabhängig Beschäftigten und der Belastung derWirtschaft gebracht habe, müsse korrigiert werden.Das, meine Damen und Herren, bestätigt doch nichtsanderes als die Kritik, die wir als Opposition geübt ha-ben. Insofern gehen Ihre Einlassungen hier völlig an derSache vorbei. Sie sollten sich einmal mit dem auseinan-dersetzen, was in Ihren eigenen Reihen an kritischenEinwendungen in diesem Zusammenhang vorgebrachtwird.
Diejenigen, die nach dem Rücktritt von Lafontaineund vor der Bundesratssitzung am vergangenen Freitaggesagt haben, jetzt sei es eigentlich angebracht, in derSteuer-, der Finanz- und der Haushaltspolitik einenNeuanfang zu starten, die gesagt haben, wir bräuchteneinen glaubwürdigen Gesamtentwurf, hatten recht. Eskann Ihnen doch nicht egal sein, daß die, die Sie in derletzten Legislaturperiode über Monate, über Jahre hin-weg zitiert haben – Sie haben sich auf Professor Bareis,Professor Peffekoven und andere bezogen –, genau die-jenigen sind, die Ihnen jetzt ins Stammbuch schreiben:Was bisher gemacht worden ist, ist nicht die Steuerent-lastung zugunsten der investierenden Wirtschaft, die wirbrauchen.Im übrigen, Kollege Poß, welcher mittelständischeUnternehmer steht in einer globalisierten Wirtschaftnicht im internationalen Wettbewerb? Sie differenzierenan Stellen, wo es nichts zu differenzieren gibt. Das abernur am Rande.Wir brauchen also einen neuen konzeptionellen An-satz. Wir stellen aber mit Bedauern fest, daß Ihre Politikder Nachfrageorientierung, des Verkennens der Not-wendigkeiten des Standortes und des Verkennens der er-forderlichen Verbesserungen in diesem Zusammenhangfortgesetzt wird – und das entgegen den Ratschlägen, diemittlerweile aus Ihren eigenen Reihen artikuliert wer-den, bis hin zum Bundeswirtschafts- und -finanzmi-nister. Dieser allerdings redet zwar so, handelt aber an-ders. Deshalb ist Ihre Politik im internationalen Wett-bewerb, in dem wir hinsichtlich dieser Fragen stehen,nicht zielführend.
Das Wort für die
SPD-Fraktion hat der Kollege Hans Georg Wagner.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir vorhindie Mühe gemacht, mir die Fragestunde anzuhören. Ichstelle mir die Frage: Warum lassen Sie eigentlich HerrnStihl, Herrn Hundt, Herrn Philipp oder Herrn Henkelhier nicht selbst sprechen? Sie führen diese immer alsVertreter der Großindustrie an, wiederholen das, was siein der Weltgeschichte herumerzählen, bringen aber kei-ne eigenen Gedanken in die Diskussion ein und schimp-fen auf die Bundesregierung.
Ich verstehe das nicht. Lassen wir doch einmal hier dieOriginale auftreten. Das könnte man ja vielleicht überdas Gastrecht regeln.
Sie, Frau Kollegin Frick, sagen, Sparen sei angesagt.Sie sollten das einmal Ihren Kolleginnen und Kollegenim Haushaltsausschuß sagen. Denn die stellen zur Zeitbei jedem Einzelplan Anträge, die zu Erhöhungen derHaushaltsansätze in Milliardenhöhe führen.
Wenn also tatsächlich gespart werden soll, dann möchteich Sie bitten, Herrn Koppelin und anderen zu sagen,daß Sparen anders aussieht als Ausgeben.
Wir versuchen zur Zeit mühsam Einsparungen vorzu-nehmen. Das ist ein wirklich mühsames Geschäft. DieHaushälter kämpfen gegen die eigenen Kolleginnen undKollegen in den Fachausschüssen und gegen die Bun-desregierung.
– Es ist so. Herr Thiele, Sie haben übrigens nie etwas er-reicht.
– Nein, Sie haben nie etwas eingespart. – Wir als Koali-tion werden die vorgesehenen 2 Milliarden DM einspa-ren. Die Bundesregierung hat 2 Milliarden DM einge-spart, auch wir werden das tun.Das strukturelle Defizit bis zum Jahre 2002 beträgt,wie bereits erwähnt, 30 Milliarden DM. Da sind dieEntlastungen in Höhe von 4 Milliarden DM nur einTropfen auf den heißen Stein. Nach der mittelfristigenFinanzplanung wird der Bundeshaushalt im Jahre 2002etwa 500 Milliarden DM umfassen. Jetzt sind es 488Milliarden DM. Aber es gibt da ja immer leichte Steige-rungen. 30 Milliarden DM sind 6 Prozent von 500 Milli-arden DM. Jetzt lade ich Sie ein, mit uns gemeinsam6 Prozent der Mittel des Bundeshaushaltes einzusparen.Zu welchem Geschrei würde das führen!Natürlich steht dann alles auf dem Prüfstand. Da hatKollege Metzger recht. Das haben auch wir immer ge-sagt. Auch die im Bundeshaushalt vorgesehenen frei-willigen Leistungen stehen auf dem Prüfstand.
Peter Jacoby
Metadaten/Kopzeile:
2408 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. März 1999
(C)
– In der Tat, alles muß auf den Prüfstand; da gebe ichIhnen recht. Aber bei den Leistungsgesetzen fangen wirnicht an, sondern dort, wo es sich wirklich rentiert.Denken Sie einmal an die Diskussion über die Unter-nehmensteuerreform. Auch da geht es um Entlastungenin Höhe von 30 Milliarden DM. Zusammen mit demstrukturellen Defizit müßten also 12 Prozent des Bun-deshaushaltes eingespart werden, um die Ziele erreich-bar zu machen, über die Sie in der Öffentlichkeit disku-tieren. So einfach ist das.Wenn Sie sich anschauen, was das Statistische Bun-desamt dieser Tage veröffentlicht hat, dann stellen Siefest: Es ist der Erfolg der Regierungstätigkeit derCDU/CSU, Herr Kollege Rauen, daß die Zahl der Mil-lionäre in Deutschland in den letzten zehn Jahren – sostand es in der Zeitung – um 75 Prozent gestiegen ist.Das ist zweifellos ein Erfolg Ihrer Politik.
Heute ist in einer Tageszeitung zu lesen, daß es am EndeIhrer Regierungszeit die höchste Zahl an hochverschul-deten, aus ihren Schulden nicht mehr herauskommendenFamilien in Deutschland gab. Es war Ihre Vorgehens-weise gegenüber den Familien, die zu dieser Situationgeführt hat. Die Entscheidungen des Bundesverfas-sungsgerichts zur Besteuerung der Familien waren alsoüberfällig.
Herr Kollege Rauen, Sie sagen, Ihr Steuerreforment-wurf hätte zu einer Entlastung von 30 Milliarden DMgeführt. Zahlenmäßig war das zwar so; aber keiner vonIhnen hat gesagt, wie diese Summe gegenfinanziertwerden soll. Wir haben eine Gegenfinanzierung vorge-sehen. Sie wissen ganz genau, daß wir – zugegebener-maßen gemeinsam – von den 30 Milliarden DM zum1. April 1999 15 Milliarden DM weggenommen haben,indem wir die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt ha-ben.
Dies war ein gemeinsamer Beschluß der SPD und vonIhnen. Von den 30 Milliarden DM sind also 15 Milliar-den DM gleich wieder verfrühstückt worden, so daß dieeigentliche Entlastung, sofern sie gekommen wäre, beietwa 15 Milliarden DM hätte liegen können.Bekümmert müssen wir über das Ergebnis Ihrer Poli-tik sein.
So kommen zum Beispiel nur noch 8 Prozent der Hoch-schulabsolventen und Studenten aus Arbeiterfamilien.Zu unserer Regierungszeit waren es 24 Prozent. Sie ha-ben diese Zahl gedrittelt. Es ist doch nicht hinzunehmen,daß ein Arbeiterkind immer nur Arbeiter und ein Profes-sorenkind immer Professor wird.
Eine Umkehrung dieser Situation ist notwendig. Daswerden wir über Reformen auch erreichen.
Wir haben die Frage zu beantworten – die KolleginStaatssekretärin hat das schon gesagt –, wie das Proze-dere im Zusammenhang mit dem Haushalt aussieht. Am30. Juni diesen Jahres wird das Bundeskabinett denBundeshaushalt für das Jahr 2000 vorlegen. Das ist fürmich die Stunde der Wahrheit und Klarheit. Denn dannwird auch die mittelfristige Finanzplanung vorgelegtwerden. Dann wird man sehen, wie wir die Finanzierunghinbekommen. Ich kann Ihnen heute schon sagen: Daswird Blut, Schweiß und Tränen kosten und bei vielen– auch bei Ihnen – Angst auslösen, die heute nicht darüberreden wollen, daß ein strikter Sparkurs gefahren werdenmuß. Aber Totsparen wollen wir uns auch dann nicht.Schönen Dank.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind
am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 25. März 1999,
9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.