Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst möchte ich dem Kollegen Dr. Paul Laufs, der am 22. Juni seinen 60. Geburtstag beging, und dem Kollegen Dr. Erich Riedl, der am 23. Juni seinen 65. Geburtstag feierte, nachträglich sehr herzlich gratulieren und die besten Wünsche des Hauses aussprechen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Zusatzpunkte zu erweitern:
1. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - Drucksachen 13/10186, 13/10475, 13/10916, 13/ 11086 -
2. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 26. Februar 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits - Drucksachen 13/10756, 13/10933, 13/11082-
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten - Drucksachen 13/10742, 13/11177 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz: Tätigkeitsbericht 1995 und 1996 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz -16. Tätigkeitsbericht - Drucksachen 13/7500, 13/11168-
d) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Bundesdatenschutzgesetzes - Drucksachen 13/9082, 13/11162 -
e) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Volker Beck , Kerstin Müller (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung des freien Zugangs zu amtlichen Informationen und zur Änderung anderer Gesetze (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) - Drucksachen 13/8432, 13/11152 -
f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Joseph Fischer , Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Volksantrag, Volksbegehren und Volksabstimmung im Grundgesetz - Drucksachen 13/10261, 13/ 11170 -
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik 1996/1997 - Drucksachen 13/9999, 13/10486 Nr. 2, 13/11153 -
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Friedliche Beilegung des Konfliktes zwischen Eritrea und Äthiopien - Drucksachen 13/10964, 13/ 11154 -
i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Demokratische, ökologische und entwicklungspolitische Gestaltung der Vergabe von Hermes-Bürgschaften - Drucksachen 13/8724, 13/11080-
3. Beratung des Antrags der Abgeordneten Ursula Schönberger, Gila Altmann , Simone Probst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einsetzung eines „Castor-Untersuchungsausschusses" - Drucksache 13/11010-
4. Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - Drucksache 13/10934 -
5. Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Müller , Robert Antretter, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verstrahlte Atommülltransporte - Drucksache 13/11078-
6. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Transporte abgebrannter Brennelemente - Vertrauensschaden beheben - Drucksache 13/11132 -
7. Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Kaspereit, Ernst Schwanhold, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr - Drucksache 13/11144 -
8. Beratung des Antrags der Abgeordneten Werner Schulz , Gerd Poppe, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fortschritte beim Aufbau Ost durch politische Erneuerung - Drucksache 13/11161-
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Weiter ist vereinbart worden, die zweite und dritte Beratung des Bundesgrenzschutzgesetzes - das ist Tagesordnungspunkt 5 c - erst am Donnerstag um 8.00 Uhr aufzurufen. Desgleichen soll auch die
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Asylbewerberleistungsgesetzes erst am Donnerstag stattfinden. Statt dessen sollen nach Tagesordnungspunkt 7 bereits die Vorlagen zum Transrapid - Tagesordnungspunkte 14 a bis g - beraten werden.
Tagesordnungspunkt 11 - Strafverfahrensänderungsgesetz - und Tagesordnungspunkt 19 - Grunderwerbsteuergesetz - sollen abgesetzt werden.
Sind Sie. damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung der Vorlagen zum Eintritt des hinterbliebenen Haushaltsangehörigen in den Mietvertrag zu erweitern. Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag das Wort gewünscht? - Das ist der Fall. Das Wort hat der Kollege Volker Beck.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion beantragt heute die Abstimmung über unseren Gesetzentwurf zum Eintritt des hinterbliebenen Lebenspartners in den Mietvertrag. Die Frage ist entscheidungsreif. Der Rechtsausschuß hat sich mit dieser Frage zweimal in dieser Legislaturperiode beschäftigt; die Beschlußempfehlung liegt dem Haus vor.
Es geht hier um einen ersten Schritt zur rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften. Es geht darum, homosexuelle Lebensgemeinschaften wenigstens nicht schlechter als heterosexuelle unverheiratete Paare zu behandeln.
Die Beschlußempfehlung und der Bericht des Ausschusses machen deutlich, daß eine Mehrheit für diese Reform im Hause vorhanden ist. Die Oppositionsfraktionen und die F.D.P. haben im Ausschuß den Gesetzentwurf und das Ziel inhaltlich unterstützt. Die F.D.P. ist dann allerdings bei der Abstimmung im Ausschuß desertiert.
Worum geht es in der Sache? Wenn der Mieter einer Wohnung verstirbt, dann dürfen nach der geltenden Gesetzeslage der Ehegatte und der Familienangehörige in der Wohnung verbleiben. Der Bundesgerichtshof hat 1991 entschieden, dies gelte künftig auch für die heterosexuellen nichtehelichen Lebenspartner, aber eben ausdrücklich nicht für die homosexuellen Lebenspartner. Dies ist wegen Aids ein Problem: Viele schwule Männer setzen sich jahrelang aufopferungsvoll für ihren Partner ein. Nach dem Tode des Partners haben sie dann nicht nur diesen Verlust zu verkraften; vielmehr verlieren sie zugleich auch noch ihre Wohnung. Ich appelliere an Sie auch als Christdemokraten, hier den sozialrechtlichen Schutz für eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zu gewähren.
Meine Damen und Herren, der Wortlaut des Gesetzentwurfs geht auf eine Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums zurück. In der Sache haben wir eine Mehrheit im Hause. Die Formulierung
stammt von der Bundesregierung. Diese Dinge können weder juristisch noch fachlich und politisch wirklich strittig sein.
Die Koalition hat diese Reform den homosexuellen Bürgerinnen und Bürgern am Anfang der Wahlperiode versprochen. Frau Bundesjustizministerin a.D. Leutheusser-Schnarrenberger war damals noch im Amt und hat gesagt, sie werde in dieser Wahlperiode verwirklicht. Herr Westerwelle, Herr Braun, Herr van Essen haben von diesem Pult aus oft angekündigt, demnächst werde der Gesetzentwurf der Koalition zu diesem Thema und zu dieser Reform vorgelegt.
Der Parlamentarische Staatssekretär Funke hat bei der letzten Lesung eines Gesetzesentwurfes unserer Fraktion in gleicher Sache erklärt, die Bundesregierung werde sich noch 1997 daranmachen, den Gesetzentwurf vorzulegen. Geschehen ist nichts. Sie haben die Zeit versäumt. Wir haben gewartet und gewartet. Nun haben wir Ihren Gesetzentwurf selber eingebracht. Er ist durch den Rechtsausschuß gegangen und ist verabschiedungsreif.
Nutzen Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., heute die Chance, Ihre Versprechungen wahr zu machen und homosexuellen Lebensgemeinschaften wenigstens diese rechtliche Anerkennung zu geben! Die Mehrheit in diesem Hause ist da. Sorgen Sie durch eine Beschlußfassung über den Gesetzentwurf dafür, daß er realisiert wird und noch am Ende der Wahlperiode ins Bundesgesetzblatt kommt! Daran hängt auch Ihre Glaubwürdigkeit in der Frage der Bürgerrechte für Homosexuelle, zu denen Sie sich öffentlich immer engagiert äußern. Hier sind aber nicht nur warme Worte gefragt; hier geht es vor allen Dingen um Taten, und die wollen wir heute sehen.
Zum Geschäftsordnungsantrag spricht jetzt Kollege Horst Eylmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion beantrage ich, die Aufsetzung abzulehnen. Der Rechtsausschuß hat mehrheitlich empfohlen, den Gesetzesentwurf abzulehnen. Begründet wurde dies mit der zu weiten Fassung. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß alle Personen, die mit dem Mieter einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führen, kraft Gesetzes nach dem Tode des Mieters in das Mietverhältnis eintreten. Es handelt sich also keineswegs um ein Gesetz, das sich nur auf homosexuelle Lebensgemeinschaften bezieht.
Ich persönlich stelle nicht in Abrede, daß die Bündnisgrünen mit diesem Gesetzesentwurf eine Problematik aufgegriffen haben, die einer gründlichen Erörterung bedarf. Das ist auch die Meinung der Koalitionsvertreter im Rechtsausschuß. Die vorgeschlagene Lösung des Problems geht allerdings auch mir in der Tat zu weit, da sie faktisch in den meisten Fällen dazu führen würde, daß dem Vermieter Personen
Horst Eylmann
auf Dauer als Mieter aufgenötigt würden, an die er nie vermietet hätte. Auch hier sage ich: Es geht nicht nur um homosexuelle Lebensgemeinschaften.
Nun könnte man über andere Lösungen nachdenken. Gerade im Rechtsausschuß gelingt es uns immer wieder, sinnvolle Kompromisse zu finden. Es sollte aber einleuchten, daß dazu unmittelbar vor Schluß der Wahlperiode die Zeit fehlt. Der Gesetzesentwurf ist uns auch erst Ende April 1998 zur federführenden Beratung überwiesen worden. Wir hatten in den letzten Wochen im Rechtsausschuß gewiß genug zu tun.
Ich will den Bündnisgrünen gern zugestehen, daß sie aus wahltaktischen Erwägungen ein Interesse daran haben, die Ablehnung des Gesetzesentwurfs zu diskutieren. Für die Sache, um die es geht, ist damit aber nichts gewonnen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon kürzlich in der Tierschutzdebatte angedeutet: Es gibt auch in der Gesetzgebung für alles eine Zeit. Für den schwierigen Versuch, bei diesem Gesetzesvorschlag zu einem Kompromiß zwischen den Vermieter- und Mieterinteressen zu kommen, sind diese letzten Wochen der Legislaturperiode nicht die rechte Zeit. Wir sehen deshalb keinen Sinn darin, die ohnehin übervolle Tagesordnung des Plenums noch mit diesem Punkt zu belasten, und widersprechen deshalb der Aufsetzung.
Ich danke Ihnen.
Frau Kollegin Margot von Renesse.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden als SPD dem Aufsetzungsantrag der Grünen zustimmen.
Herr Kollege Eylmann, Sie wissen - das wissen Sie nicht zuletzt auch durch die Verabschiedung gestern -, wie sehr wir Sie schätzen. Aber wir sind es leid, daß Sie in Ihrer Person zum liberalen Aushängeschild einer Koalition werden, die so nicht handelt und so nicht denkt.
Sie reden davon, daß Kompromisse jetzt nicht mehr gefunden würden, daß die Zeit nicht mehr reiche. Sie hätte gereicht; Sie wissen es sehr genau. Sie selber haben vor längerer Zeit Berichterstattergespräche angeboten, und es ist nicht zu einem einzigen sinnvollen Gespräch darüber gekommen. Jetzt muß gehandelt werden. Denn alles andere wäre treuwidriges Verhalten. Als Juristin darf ich Ihnen sagen: Venire contra factum proprium.
Wer sich nicht um Kompromisse bemüht, kann sich nicht darauf berufen, daß es keinen gegeben hat.
Wenn Sie mich fragen: Ich denke, daß genau das, was Sie bemängeln, ein Vorteil dieses Entwurfs ist, daß er nämlich nicht auf die Frage abstellt, wer wen liebt. Ich habe in meiner Kinderstube gelernt, daß man das nicht zum Thema öffentlicher Erörterungen und auch nicht zum Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen macht. Die Frage, wer mit wem, und vor allem wer mit wem ins Bett geht, kann für Juristen und für Rechtspolitiker nicht die entscheidende Frage sein, an der Rechtsfolgen aufgehängt werden. Wir hätten nämlich sofort folgendes Problem: Was machen wir, wenn zwei gute Freundinnen, die keine sexuellen Beziehungen miteinander haben, eine ähnliche Beziehung wie die des gemeinsamen Lebens haben?
Bei der F.D.P. wollten wir endlich hören, daß sie nicht nur den Mund spitzt, sondern daß sie auch flötet. Es ist an der Zeit - das wissen Sie -, einen Gesetzentwurf, der aus einem von Ihnen verantworteten Hause stammt, nun auch mit dem entsprechenden Ja im Plenum des Bundestages zu versehen. Tun Sie nicht immer so, als wollten Sie, sondern wollen Sie und handeln Sie! Zeigen Sie Flagge! Ziehen Sie endlich einen Schlußstrich unter die ganze Angelegenheit, und machen Sie wenigstens an diesem kleinen Punkt, bei dem es nicht um Ehe oder Nichtehe geht, den Betroffenen das Leben leichter!
Vielen Dank.
Herr Kollege Jörg van Essen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wieder einmal typisch: Die Opposition hat eine Gelegenheit verschlafen und will das jetzt durch eine Geschäftsordnungsdebatte mühsam wettmachen. Alle Ihre Worte, Herr Beck und Frau von Renesse, können nämlich über eines nicht hinwegtäuschen: Die Opposition hatte in der vergangenen Woche eine rechnerische Mehrheit im Rechtsausschuß des Bundestages,
weil die beiden F.D.P.-Mitglieder nicht gegen ihre Überzeugung gestimmt haben und sich an der Abstimmung nicht beteiligt haben.
Die Opposition hat diese Chance nicht genutzt, und wir belohnen Ihre Schlafmützigkeit nicht.
Im übrigen ist der Sachverhalt ganz einfach. Die F.D.P. hat in den Verhandlungen zur Mietrechtsreform mit der CDU/CSU durchgesetzt, daß es eine Mietrechtsnachfolge bei gleichgeschlechtlichen Partnern geben soll, wie es der Bundesgerichtshof schon bei verschiedengeschlechtlichen Partnern erlaubt hat. Bevor irgend jemand Vorurteile bemüht, möchte
Jörg van Essen
ich darauf hinweisen, daß dies zum Beispiel auch der steigenden Zahl von Witwen, aber auch von leiblichen Schwestern zugute gekommen wäre, die ihren Lebensabend gemeinsam verbringen und füreinander sorgen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat uns davon unterrichtet, daß sie nach dem Scheitern dieser Reform eine isolierte Regelung nicht umsetzen will. Die F.D.P. hat bis hin zum Parteivorsitzenden alles Erdenkliche unternommen, um hier noch zu einer Änderung zu kommen. Wir bedauern es außerordentlich, daß diese Regelung jetzt nicht kommt und die offenkundige Diskriminierung nicht abgeschafft wird.
Herr Kollege Eylmann, die Zeit ist reif, und das bedeutet für uns als F.D.P., daß wir um so mehr zu unserer Position, zu unserer Überzeugung stehen und nicht die geringste Absicht haben, nach einer Debatte - durch den Koalitionsvertrag gezwungen - gegen unsere Überzeugung zu stimmen. Wir lehnen den Antrag der Grünen daher mit Nachdruck ab.
Es folgt jetzt der Abgeordnete Klaus-Jürgen Warnick.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir unterstützen vehement das Anliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Thema Verbesserungen im Mietrecht auf die Tagesordnung zu setzen - schon deshalb, weil bei der dann zu beratenden Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses unsere Mietrechtsnovelle mit zu behandeln wäre. Denn die im Antrag der Bündnisgrünen enthaltenen Vorschläge zur Verbesserung der Situation von nichtehelichen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sind Bestandteil auch unserer umfangreichen Gesetzesinitiative, die wir schon im Oktober 1997 eingebracht haben, und zwar rechtzeitig; von „verschlafen" kann also keine Rede sein, Herr Kollege van Essen. Insofern tragen wir das Anliegen gesetzestechnisch und inhaltlich bis hin zum Wortlaut voll mit.
Wir sind der Meinung, daß Mietrechtsvereinfachungen und -verbesserungen in dieser Legislaturperiode zwingend notwendig gewesen wären. Dies wird übrigens sowohl von den Vermieterverbänden als auch vom Mieterbund seit langem gefordert. Auch die Regierungskoalition wollte diesen Forderungen ursprünglich nachkommen und hat die Verabschiedung eines neuen Mietrechts als eine der fünf wohnungspolitischen Schwerpunktaufgaben sogar in der Koalitionsvereinbarung verankert. Da die derzeit noch regierende Koalition - wie auch in vielen anderen Politikfeldern - nicht in der Lage war, wenigstens ihre selbstgestellten Aufgaben zu erfüllen, halten wir es für erforderlich, das Thema Mietrecht noch einmal zu debattieren.
Aber dabei sollten wir nicht beim Problem Eintritt des hinterbliebenen Haushaltsangehörigen in den
Mietvertrag stehenbleiben, sondern vielmehr sollten wir weitere Themenbereiche ansprechen, zum Beispiel die von uns vorgeschlagenen Regelungen zur Verbesserung des Kündigungsschutzes, zur Bestimmung der Höhe des Mietzinses, zur Verbesserung der Möglichkeiten des Wohnungstausches und zur Problematik der Mietspiegel.
An uns soll jedenfalls die Aufsetzung dieser wichtigen Themen nicht scheitern.
Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den Aufsetzungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Aufsetzungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen, der SPD und der PDS abgelehnt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und b sowie 5 d bis 5m auf:
Debatte zur inneren Sicherheit
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung
- Drucksache 13/10791 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11116 - Berichterstattung:
Abgeordnete Ronald Pofalla Dr. Herta Däubler-Gmelin Dr. Jürgen Meyer Volker Beck (Köln)
Jörg van Essen
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marina Steindor und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gesetzliche Grundlage für Gen-Datei schaffen
-Drucksachen 13/10656, 13/11116 -Berichterstattung:
Abgeordnete Ronald Pofalla Dr. Herta Gäubler-Gmelin Dr. Jürgen Meyer Volker Beck (Köln)
Jörg van Essen
d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 25. Mai 1987 zwischen den Mitgliedstaa-
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
ten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung
- Drucksache 13/8195 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10968 - Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer Jörg van Essen
e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 10. März 1995 über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
- Drucksache 13/10157 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10969 - Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer
f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksachen 13/10424, 13/10777 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10970 - Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Peter Altmaier
Dr. Jürgen Meyer Jörg van Essen
g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften
- Drucksachen 13/10425, 13/10767 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10971 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Peter Altmaier
Dr. Jürgen Meyer Jörg van Essen
h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 31. Januar 1995 über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen
- Drucksachen 13/10426, 13/10776 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11028 - Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer
i) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
- Drucksachen 13/10427, 13/10765 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10972 - Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Altmaier Dr. Jürgen Meyer
j) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur dem Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr
- Drucksachen 13/10428, 13/10768 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/10973 - Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis Peter Altmaier
Dr. Jürgen Meyer Jörg van Essen
k) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
durch die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmier- und Bestechungsgeldern
- Drucksache 13/742 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
- Drucksache 13/11129 -Berichterstattung:
Abgeordnete Friedrich Merz Frank Hofmann
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/11176 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dankward Buwitt Dr. Wolfgang Weng Karl Diller
Oswald Metzger
1) Beratung der Beschlußempfehlung und des
Berichts des Finanzausschusses
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Manfred Such, Elisabeth Altmann . , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maßnahmen gegen Korruption
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ingo-mar Hauchler, Frank Hofmann , Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Eindämmung der internationalen Korruption
-Drucksachen 13/617, 13/1717, 13/11129 -Berichterstattung:
Abgeordnete Friedrich Merz Frank Hofmann
m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rita Grießhaber, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Öffentliche Sicherheit stärken - Jugendkriminalität verringern
- Drucksachen 13/8968, 13/11143 -Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden Norbert Röttgen
Dr. Jürgen Meyer
Volker Beck
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Manfred Kanther.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! In einer Debatte über die innere Sicherheit, die der Bundestag heute in vielen Punkten führen wird, muß auf die schrecklichen Vorkommnisse anläßlich der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich eingegangen werden.
Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen, damit wir der Debatte folgen können.
Als erstes will ich das tiefe Mitgefühl der Bundesregierung mit dem schwerverletzten französischen Polizisten ausdrücken, das der Bundeskanzler auch dem französischen Präsidenten und ich dem französischen Innenminister ausgedrückt haben.
Wir hoffen sehr, daß der verletzte Mann genesen kann. Dabei begleiten ihn unsere besten Wünsche.
Wir haben in Deutschland seit Monaten die Sicherheitsfragen aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich vorbedacht. Es gibt in Deutschland seit langem eine gut funktionierende zentrale Dienststelle beim Landeskriminalamt in Düsseldorf, die Zentrale Informationsstelle Sport, kurz ZIS genannt, die alle Nachrichten aus dem Sicherheitsbereich des Sports bündelt, weitergibt, Lagebilder erstellt und - insbesondere auch bei der Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft - die deutschen und französischen Anstrengungen zusammengeführt hat - selbstverständlich immer unter Beteiligung des Deutschen Fußballbundes. Auch deshalb ist es erfreulich, daß der Präsident des Deutschen Fußballbundes heute noch einmal bestätigt hat, daß die Zusammenarbeit in dieser Dienststelle ohne jede Beanstandung gewesen sei. Selbstverständlich haben wir im Vorgriff auf die Tatsache, daß deutsche Hooligans über die Grenze fahren würden, dafür gesorgt, daß Bahn- und Grenzpolizei alle denkbaren Anstrengungen unternehmen, um möglichen Tätern präventiv auf die Spur zu kommen. Dabei ist die Bahn - und noch mehr die Grenzpolizei auf Nachrichten aus dem Inland, aus den Heimatorten der Hooligans - sie liegen in aller Regel im Umfeld der großen Fußballvereine - angewiesen. Solche Nachrichten sind nicht eingegangen.
Eine zweite Möglichkeit für die Grenzpolizei sind Stichproben, und diese werden natürlich in großem Umfang gemacht. Ich will Ihnen nur eine einzige Zahl nennen: Im Bereich des Grenzschutzpräsidiums Süd sind 1 285 Identitätskontrollen durchgeführt worden. In 889 Fällen ist die Gewalttäterdatei Sport abgefragt worden - in allen Fällen ohne Ergebnis, und zwar ganz einfach deshalb, weil das bei dem riesigen Reise-, Sommer- und Wochenendverkehr über unsere westlichen Grenzen natürlich bedeutet, die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Diese Schwie-
Bundesminister Manfred Kanther
rigkeit kann auch in Zukunft leider nicht behoben werden.
Natürlich werden die Kontrollen weitergeführt und nach Kräften verstärkt. Aber es ist ja begreiflicherweise ein Merkmal dieser Tätergruppierung, daß sie über die Grenze will und sich deshalb im Zug vor und an der Grenze nicht wie mit einer Axt im Porzellanladen bewegt, wie sie es später am Platz des Geschehens zu tun beabsichtigt. Also ist man bei der Hinfahrt an der Grenze unauffällig. Das ist leider ein Merkmal.
Die Tatsache, daß die französischen Behörden in keinem Falle deutsche Hooligans an der Einreise gehindert haben, also ein Betretensverbot ausgesprochen haben, zeigt, wie außerordentlich schwierig es ist, das Fehlen von Nachrichten aus dem Hinterland an der Grenze auszugleichen. Das kann nur im Ausnahmefall und durch glücklichen Zufall gelingen.
Die Sicherheitsarbeit muß vor Ort geleistet werden, und das wird sie ja auch. Wir brauchen uns nur vorzustellen, die Fußballweltmeisterschaft fände in Deutschland statt. Dann würden wir alle miteinander davon ausgehen, daß hier die Sicherheit der Veranstaltungen gewährleistet werden muß.
Die Franzosen haben viele Tatverdächtige gefaßt und werden die Mehrzahl von ihnen sicherlich nach Deutschland zurückstellen. Wir müssen sie hart bestrafen, und dies schnell.
Diese Täter sind kaum resozialisierbar, jedenfalls nicht mit den Mitteln von Nachsicht und gutem Zureden.
Deshalb müssen sich auch unsere Justizbehörden, wenn wir belastbares Beweismaterial übermittelt bekommen, um ein sehr schnelles Verfahren bemühen.
Ich erinnere an meine immerwährende Forderung, in Deutschland das beschleunigte Verfahren so anzuwenden, wie es uns die Franzosen vorgemacht haben. Wir verfügen seit vier Jahren mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz über dasselbe Handwerkszeug.
Vor einigen Jahren haben es uns in vergleichbarer Situation auch die Italiener gezeigt. Ich glaube, daß das eine ganz wichtige Antwort des entschlossenen Rechtsstaates ist, um solchem Unwesen entgegenzutreten.
Die Ausschreitungen sind gleichzeitig - ohne daß ich dies jetzt an dieser Stelle ausführen will - wieder ein Anlaß, darauf hinzuweisen, daß bei der Anwendung von Gewalt nicht differenziert werden darf. Gewalt ist immer tabu im Rechtsstaat. Es gibt keine Entschuldigung für Gewalt, sei sie linksgetönt oder rechtsgetönt, gleichgültig ob sie von Deutschen oder Ausländern, im Ausland oder im Inland begangen
wird. Es gibt keine Entschuldigungen für Gewalt, die sich irgendwo aus einem Motiv herleiten, sondern es gibt nur das absolute Verbot von Gewalt.
Wer sich nicht daran hält, der muß die volle Schärfe des Gesetzes durch eine entschlossene, stark zugreifende Polizei und eine strafende Justiz spüren. Auch das gehört zum Rechtsstaat.
Danke sehr.
Als nächster spricht der Kollege Günter Graf.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinem kurzen Redebeitrag auf die Novellierung des Bundesgrenzschutzgesetzes beschränken und dazu einige Ausführungen machen. Vorweg will ich aber eines sehr deutlich sagen: Keiner von uns sollte versuchen, der Öffentlichkeit weiszumachen, daß wir es durch immer neue Gesetze und durch Änderungen bestehender Gesetze schaffen könnten, die Kriminalität zu beseitigen. In der Vergangenheit gab es Kriminalität. Was wir auch immer unternehmen: Sie wird es auch künftig geben. Die Polizei braucht die erforderlichen Instrumente, um handeln zu können. Sie müssen aber mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren sein. Insofern ist eines ebenfalls klar - das sage ich, damit auch in dieser Beziehung kein falscher Eindruck entsteht -: Die Polizei wird letztlich trotz all der Instrumente, die man ihr zur Verfügung stellt, dem Verbrechen immer hinterherlaufen. Denn die Verbrecher verfügen über Geld, und den Verbrechern gilt das Recht nichts, wohingegen die Polizei im Bund und in den Ländern an Recht und Gesetz gebunden ist. Dies muß einmal deutlich gesagt werden, weil oftmals mit sehr markigen und populistischen Äußerungen der Öffentlichkeit glauben gemacht werden soll, man könne alles mit Gesetzen oder mit der Polizei regeln. - Dieses wollte ich vorweg gesagt haben.
Bevor ich auf konkrete Einzelheiten der Novellierung des BGS-Gesetzes eingehe, gestatten Sie mir ein Wort zu dem heute auch zur Debatte stehenden Gesetzentwurf zur Gen-Datei, zu dem mein Kollege Jürgen Meyer reden wird. Ich komme aus dem Landkreis Cloppenburg. In diesem Landkreis, im Saterland, in Strücklingen, ist der furchtbare Mord, das furchtbare Sexualdelikt, an Christina Nytsch geschehen. Die 80 Mann starke Sonderkommission der Polizei hat zehn Wochen lang, Tag und Nacht, unter Zurückstellung persönlicher Belange nur ein Ziel verfolgt: den Täter so schnell wie möglich dingfest zu machen. Dies ist gelungen. Ich habe mit der Sonderkommission „Nelly" während dieser ganzen Zeit sehr häufig Kontakt gehabt. Ich muß sagen, ich war erschüttert, daß es, nachdem die ganze Sache Gott sei Dank glücklich abgeschlossen werden konnte -„glücklich" insoweit, als daß man den Täter gefaßt hat -, Berichte gegeben hat, in denen der Polizei und
Günter Graf
der Sonderkommission vorgeworfen wurde, Christina Nytsch wäre noch am Leben, wenn die Polizei nicht Fehler gemacht hätte. Ein Fehler war die mangelnde gesetzliche Grundlage für eine Gen-Datei. Sie wollen wir heute beschließen. Das ist kein Fehler, den man der Sonderkommission vorhalten kann. Ich denke - ich sage das für mich persönlich, aber auch im Namen der SPD-Bundestagsfraktion -, die Arbeit der Sonderkommission „Nelly" war hervorragend. Da, wo 80 Leute Tag und Nacht arbeiten, werden Fehler gemacht. Aber es darf in diesem Staat nicht sein, daß die Fehler dann zum Anlaß genommen werden, um alles in Bausch und Bogen schlechtzumachen und in der Luft zu zerreißen. Ich glaube, der Sonderkommission gebührt Dank dafür, daß sie dieses schreckliche Verbrechen hat aufklären können.
Ich möchte jetzt auf mein eigentliches Thema, die Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes, zurückkommen. Uns ist ziemlich überraschend ein Gesetzentwurf zugeleitet worden, in dem der Bundesgrenzschutz mit Befugnissen dahin gehend ausgestattet werden soll, daß BGS-Beamte in einem Bereich von 30 Kilometern zur Grenze, an Bahnanlagen, in Zügen sowie bei internationalen Flughäfen verdachtsunabhängig Kontrollen durchführen könnten. Dies hätte letztlich dazu geführt, daß jeder Bundesgrenzschutzbeamte ohne irgendeinen Bezug zum illegalen Grenzübertritt, zur illegalen Einreise oder zur Schleuserkriminalität hätte kontrollieren können. Dies ist so nicht hinnehmbar. Glücklicherweise konnten wir zu diesem Thema - wenn auch sehr kurzfristig - in der vergangenen Woche eine Anhörung durchführen. Ich darf daran erinnern, daß die Sachverständigen, die sich insbesondere mit verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigen, durchgehend gesagt haben, das dürfe so nicht sein.
Dieses wiederum hat. uns, die SPD und die Koalitionsfraktionen, gestern im Innenausschuß des Deutschen Bundestages veranlaßt, gemeinsam einen Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf einzubringen, den wir heute verabschieden wollen. Ich denke, daß diese Möglichkeit völlig verdachtsunabhängiger Kontrollen durch diesen Änderungsantrag gegen- über dem ursprünglichen Entwurf der Koalitionsfraktionen relativiert wird. Die Bedenken, die auch vom Bundesrat geäußert worden sind, der die Länderkompetenz berührt sah, konnte durch den vorgelegten Änderungsantrag weitestgehend ausgeräumt werden.
Auch die Befürchtung, daß durch den ursprünglichen Entwurf das Schengener Durchführungsübereinkommen unterlaufen worden wäre, ist mit diesem Änderungsantrag maßgeblich entschärft worden. Sie werden sich erinnern: Wäre man dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der ursprünglichen Fassung gefolgt, so hätte dies bedeutet, daß jede Person in den angesprochenen Bereichen - Grenze, Bahn, Flughäfen - hätte angehalten und kontrolliert werden können und daß die Sachen hätten durchsucht werden können.
Herr Graf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Such?
Herr Kollege Such!
Herr Kollege Graf, bei aller Wichtigkeit dieses Themas möchte ich Sie doch fragen: Gehe ich richtig in der Annahme, daß wir erst morgen über den BGS-Gesetzentwurf und auch über Ihre Änderungsanträge diskutieren? Insofern sind Sie in der Tagesordnung etwas zu früh, wenn Sie heute über das BGS-Gesetz sprechen. Ich denke, daß wir diese Auseinandersetzung morgen früh führen sollten.
Herr Kollege Such, das ist ein sehr interessanter Hinweis. Ich muß sagen, daß die Regie dann irgendwo einen Fehler gemacht hat
- Entschuldigung, bitte; wir reden offen und ehrlich miteinander -; denn ursprünglich war vorgesehen, die Debatte heute morgen zu führen. Und obwohl geplant war, dies morgen früh zu Beginn der Sitzung zu tun, war dies mein letzter Stand. Wenn das - wie ich nun höre - nicht so ist, dann tut es mir leid. Ich kann meine Rede jetzt natürlich beenden und morgen früh erneut reden. Das ist mir gleich. Da muß das Hohe Haus bzw. die Fraktion entscheiden, wie wir es machen sollen. Dafür ist ein einzelner Abgeordneter nicht zuständig. Er hält sich an das, was ihm vorgegeben wird. Wir alle hier sind sehr hörige Menschen.
Daher werde ich jetzt fortfahren und werde, wenn es denn sein muß, morgen früh erneut darüber reden.
Herr Graf, es gibt noch eine Zwischenfrage des Kollegen Hörster.
Ja, bitte.
Herr Kollege Graf, ist Ihnen bekannt, daß die Koalitionsfraktionen bereit waren, die Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes im Rahmen dieser Debatte zu behandeln und heute auf die Tagesordnung zu setzen, daß dies aber an der Fristeinrede der Grünen gescheitert ist und Ihre Fraktion nicht bereit war, diese Fristeinrede mit einer Zweidrittelmehrheit zu überstimmen, was der Grund für diese merkwürdige Debattenlage ist?
Herr Kollege, ich danke Ihnen für den Hinweis. Ich kann das im einzelnen nicht nachvollziehen und will hier nicht irgendwelche Rechtfertigungen abgeben. Daß die Grünen
Günter Graf
diesen Antrag gestellt haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Situation war für mich völlig klar.
Dieses will ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Aber ich lasse nicht zu, daß ein Schuh daraus gemacht wird, um uns Sozialdemokraten in eine Ecke zu stellen, in die wir nicht hingehören. Wir hatten in der Vergangenheit für einen Rechtsstaat und dafür zu sorgen - das werden wir auch künftig tun -, daß die Polizei mit den erforderlichen Instrumenten ausgestattet wird. Darum geht es mir. Es ist unwichtig, hier eine Debatte über Formalien zu führen. Es geht uns um die Sache, und das interessiert die breite Öffentlichkeit in Deutschland.
Ich hatte zuletzt darauf hingewiesen, was dieser Gesetzentwurf letztlich bewirken würde, nämlich Kontrollen an den genannten Orten: Grenzbereich, Bahnanlagen und Flughäfen. Das ist nach dem Änderungsantrag, den wir gestern im Innenausschuß gemeinsam gefaßt haben, so nicht mehr der Fall. Nunmehr gibt es eine erhebliche Differenzierung und zwei neue Begrifflichkeiten, die es uns ermöglichen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Was sind diese Begrifflichkeiten und diese Veränderungen? Nach dem vorliegenden geänderten Gesetzentwurf ist es nur noch im Grenzbereich möglich, Kontrollen in der ursprünglich vorgesehenen Form durchzuführen, und zwar einschließlich der Möglichkeit, daß, wenn Personen aufgegriffen werden, auch die mitgeführten Sachen durchsucht werden. Dies war ursprünglich auch für die Bereiche Bahnhof und Flughafen vorgesehen; dies ist aus dem Gesetzentwurf herausgenommen worden. Nunmehr ist es in Bahnhöfen, Flughäfen und Zügen nur noch dann möglich, Personen kurzfristig anzuhalten, wenn - das ist der entscheidende Hinweis - die polizeiliche Lage die Vermutung nahelegt, daß in diesen Bereichen Straftäter, illegal Einreisende oder Schleuserbanden tätig werden. In diesem Fall dürfen zudem die mitgeführten Gegenstände in Augenschein genommen werden, nicht aber durchsucht werden. Dies ist ein qualitativer Unterschied. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.
Herr Graf, Herr Such hat erneut eine Frage. Möchten Sie sie zulassen?
Ich möchte jetzt zu Ende reden. Herr Kollege Such, wir haben die Diskussion gestern im Innenausschuß geführt und müssen sie hier nicht in allen Details fortsetzen. Ich bleibe bei dem, was ich Ihnen gestern gesagt habe: Sie reden gegen Ihre Überzeugung. Zusatzfragen: Nein, danke.
Soviel zu den qualitativen Änderungen, die sich im Grunde auf drei Punkte beziehen.
Etwas anderes ist auch wichtig: Oftmals haben wir Gesetze verabschiedet, ohne im nachhinein zu über-
prüfen, was aus den Regelungen, die wir der Polizei an die Hand gegeben haben, in der Praxis geworden ist. Aus diesem Grunde haben wir in den Entwurf des Änderungsgesetzes eine Befristung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2003 eingeführt.
Ich denke, daß das gut ist. Danach wird darüber nachzudenken sein, ob dieses Gesetz in der gleichen oder in veränderter Form erneut verabschiedet werden soll oder nicht. Wenn es um solche Dinge geht, dann müssen wir als Parlamentarier verstärkt darauf achten, die Ergebnisse eines Gesetzes zu kontrollieren. Es ist von vornherein nicht unbedingt zu erkennen, ob ein Gesetz überflüssig war.
Dieser Gesetzentwurf ist akzeptabel; denn er führt - möglicherweise - dazu, dem Anliegen, illegales Einreisen und Schleuserkriminalität zu behindern, eher gerecht zu werden. Die Praxis wird zeigen, ob dies gelingt.
Ich möchte einen sicherlich nicht unkritischen Punkt ansprechen. Dieser Gesetzentwurf könnte dazu führen - es handelt sich um Bedenken, die aus allen Bereichen dieses Hauses geäußert wurden -, daß bestimmte Personengruppen, die zwangsläufig mit illegaler Einreise zu tun haben,- diskriminiert werden. Bei einer entsprechenden Ausgangslage könnte es sein, daß gerade im Bahnhofsbereich insbesondere Farbige schwerpunktmäßig kontrolliert werden. Wir haben die Grundlagen dafür geschaffen, dies auszuschließen. Letztlich kommt es darauf an, wie der Bundesinnenminister den Bundesgrenzschutz mit diesem Gesetz vertraut macht und ob die Kolleginnen und Kollegen, die dieses Gesetz anwenden müssen, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der in unserem Staat Verfassungsrang hat, beachten.
Welcher Art Gesetze wir auch immer machen, das ganz Entscheidende ist, daß wir in diesem Staat eine Polizei haben, die gut ausgebildet ist, die gut qualifiziert ist und die sich voll auf dem Boden des Rechtsstaates bewegt. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dann wird die Polizei ihr Handeln in erster Linie immer daran ausrichten, die Bürgerrechte in diesem Staat zu schützen. Gesetze allein helfen nicht, wenn das entsprechende Bewußtsein nicht vorhanden ist. Qualifizierung der Polizei, auf dem Boden des Rechtsstaates ist insofern die erste Voraussetzung.
Was den Bundesgrenzschutz angeht, möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn wir dem Bundesgrenzschutz Instrumente an die Hand geben, um mit der Schleuserkriminalität und der illegalen Einreise besser fertig werden zu können, dann kann dies nur gelingen, wenn der Bundesgrenzschutz hochmotiviert ist. Wer sich das Innenleben des Bundesgrenzschutzes anguckt, der muß feststellen, daß diese Motivation nicht gegeben ist. Noch nie war die Anzahl der inneren Kündigungen von BGS-Beschäftigten so groß wie gegenwärtig. Für uns Sozialdemokraten heißt das im Klartext: Man muß zunächst ein-
Günter Graf
mal dafür Sorge tragen, daß die Beschäftigten des Bundesgrenzschutzes, was die Logistik angeht, ordentlich untergebracht und versorgt werden. Ich höre hier immer, daß man seitens des Bundesinnenministeriums Kritik übt, indem man mit dem Finger auf die Länder zeigt. Ich sage: Bevor man Kritik an anderen übt, sollte man den eigenen Laden in Ordnung halten.
Fahren Sie einmal nach Bochum, Gelsenkirchen und Hamburg-Altona, und schauen Sie sich die Verhältnisse auf diesen Bahnhöfen an! Das hat wenig mit einer Förderung der Motivation des Bundesgrenzschutzes zu tun.
Ich will noch einen weiteren Punkt erwähnen. Markige Worte, die innere Sicherheit zu stärken, sind leicht gesprochen. Aber man muß einmal hinterfragen: Was steckt hinter diesen Worten? Wenn es heute dazu kommt, daß die Bahnpolizeiwachen - wie bereits angesprochen - in Bochum, in Gelsenkirchen oder in Hamburg-Altona geschlossen oder tageweise nicht besetzt werden und somit ein entsprechender Dienst dort nicht mehr stattfinden kann, dann frage ich mich: Was nützt das ganze Gerede von Stärkung der Kompetenzen des Bundesgrenzschutzes, wenn auf der anderen Seite Dienststellen plattgemacht werden? Das kann es nicht sein. Diesen Punkt wollte ich in aller Kürze noch angesprochen haben.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir bleiben bei der geänderten Reihenfolge der Redner. Das Wort hat also jetzt der Kollege Jörg van Essen.
Wir haben uns verständigt, daß wir die Rednerreihenfolge kurzfristig ändern. Der Kollege Rezzo Schlauch ist nämlich gerade erst eingetroffen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollten heute über die Gen-Datei und über einige Abkommen im internationalen Bereich sprechen. Der Bundesinnenminister hat die Debatte zu Recht in eine andere Richtung gelenkt. Wir müssen uns mit den Vorgängen in Frankreich, mit den Hooligans, befassen.
Innere Sicherheit ist gerade für Liberale ein fundamentales Thema. Auch wenn es Ideologen der 70er Jahre nicht gerne hören wollen: Die Vorgänge in Frankreich zeigen, daß das Thema der Zeit nicht in erster Linie die Sicherheit des Bürgers vor dem Staat, sondern die Sicherung seiner Freiheit und seiner Grundrechte durch den Staat, etwa durch die Polizei, ist.
Viele der Täter, mit deren Taten wir uns nach den Vorfällen in Frankreich zu befassen haben, sind auch bei uns massiv straffällig. Gerade nach solchen Ereignissen wird vom Bürger zu Recht gefragt, ob die Politik ihre Schulaufgaben gemacht hat. Ich sage eindeutig: Ja. Mit der Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems vom Herbst letzten Jahres haben wir ein klares Signal gesetzt. Angriffe gegen die körperliche Unversehrtheit, wie zum Beispiel die von Polizisten im Einsatz, aber auch die von allen anderen Bürgern, können mit deutlich höheren Strafen versehen werden. Wir haben gegen den heftigen und mir immer noch unverständlichen Widerstand der Opposition die Bedingungen für das beschleunigte Verfahren erheblich verbessert.
Herr van Essen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?
Ja, gerne.
Lieber Kollege van Essen, ich stimme Ihnen zu, daß wir etwas tun müssen
und daß schon vieles geleistet worden ist. Weshalb aber hat die Bundesrepublik Deutschland als eines der wenigen Länder in Europa das gegen Gewalt in Fußballstadien gerichtete Abkommen - wie man hört: auf Betreiben von Bayern - nicht unterzeichnet? Würden Sie die Unterzeichnung nach den erschrekkenden Vorfällen in Frankreich jetzt nicht doch näher ins Auge fassen wollen?
Wir haben bereits vom Bundesinnenminister gehört, daß es ein vielfältiges Informationssystem über Gewalttäter in diesem Bereich gibt. Ich bin der Auffassung, daß nach diesen Vorfällen natürlich alles auf den Prüfstand gehört. Ich werde gleich noch auf einen anderen Vorgang eingehen, bei dem nach meiner Auffassung ebenfalls sorgfältig geprüft werden muß, ob unsere bisherigen Haltungen in dieser Form aufrechterhalten werden können. Der Rechtsstaat Frankreich macht uns nämlich deutlich vor, wie schnell auf solche Vorfälle reagiert werden kann.
Der Rechtsausschuß hat in seiner gestrigen Diskussion über die Vorfälle deutlich gemacht - dieser Punkt gehört noch zu der Antwort auf Ihre Frage, Herr Tauss -, daß er sich einen Bericht über die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden wünscht, um Schwachstellen begegnen zu können. Jeder, der einmal wie ich im Bereich der Rechtshilfe tätig war, ahnt, daß es hier erhebliche Beschleunigungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten gibt.
Zwei wichtige Fragen in diesem Zusammenhang werden wir schon heute klären und entscheiden können: Es wird in Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen ein vereinfachtes Auslieferungsverfahren geben. Urteile in anderen Staaten der Europäischen Union führen, wie bei inländischen Urteilen, zu dem Verbot einer doppelten Bestrafung.
Internationalen Bezug haben auch die heute zu verabschiedenden wichtigen Regelungen gegen die
Jörg van Essen
internationale Korruption - ich bin sicher, daß der eine oder andere Kollege noch ausführlicher darauf eingehen wird -, insbesondere im Bereich der Europäischen Union. Das Subventionsgestrüpp in der Europäischen Union erleichtert Betrügereien zu Lasten der EU-Kasse erheblich. Auf sie kann nun auch in Deutschland in angemessener strafrechtlicher Weise reagiert werden.
Wir Liberalen begrüßen das aus zwei Gründen nachdrücklich: Erstens darf es in diesem Bereich keine Rechtslücken geben, und zweitens kann eine effektive Bekämpfung zu einer notwendigen Entlastung des Steuerbürgers führen, der die Subventionen letztendlich aus seiner Tasche zu bezahlen hat.
Zu unseren Schulaufgaben haben in den letzten Monaten wesentliche Verbesserungen des Schutzes des Opfers von Straftaten, insbesondere von Sexualstraftaten, gehört. Wir Liberalen danken unserem Parteifreund Edzard Schmidt-Jortzig dafür, daß er als Bundesjustizminister so vielfältige richtige Initiativen ergriffen und für ihre Umsetzung ins Gesetzbuch gesorgt hat.
Wir werden heute eine wichtige Ergänzung vornehmen, für die ich persönlich mit anderen in diesem Hause sehr gekämpft habe. Es gibt in Zukunft eine nationale Gen-Datei auf gesicherter gesetzlicher Grundlage. Allen in den Medien, die, von links bis rechts, einhellig die Forderungen der Rechtsstaatspartei F.D.P. nach einer solchen Grundlage unterstützt und für den notwendigen Druck gesorgt haben, gebührt besonderer Dank.
Genetische Proben enthalten ein Füllhorn an Informationen über einen Menschen. Wir sorgen erneut dafür, daß nur die für die Identitätsfeststellung notwendigen Daten erhoben und gespeichert werden dürfen. Ich will nicht verschweigen, daß ich mir baldmöglichst eine Strafvorschrift wünsche, die ein Nichtbeachten dieses Grundsatzes wirkungsvoll ahndet. Hier besteht offenkundig eine Strafbarkeitslücke.
Wir beschränken die Gen-Datei auf Straftaten von erheblicher Bedeutung und haben diesen Grundsatz durch die Übernahme eines Formulierungsvorschlages eines Bundeslandes noch deutlicher hervorgehoben. Der Wahrung des Interesses von Betroffenen gilt auch der grundsätzliche Richtervorbehalt. Alles dies macht deutlich, daß eine rechtsstaatliche und dennoch effektive Grundlage für die Erhebung von Gendaten gewonnen worden ist.
Die Bedeutung der Gen-Datei kann nicht nachdrücklich genug hervorgehoben werden. Sie ermöglicht den Vergleich mit Spuren früherer Straftaten. So konnte auf Grund eines genetischen Fingerabdrucks festgestellt werden, daß in dem Fall, den der Kollege Graf vorhin schon angesprochen hat, der Mörder eines Mädchens in Niedersachsen einige Jahre zuvor ein weiteres schweres Sexualdelikt begangen hatte. Dieses Wissen von Sexualtätern, jederzeit eindeutig
überführt werden zu können, kann auch - das ist ganz wichtig - vor weiteren Straftaten abschrecken.
Wir begrüßen es nachdrücklich, daß auch eine Regelung für die Straftäter gefunden worden ist, die bereits in der Vergangenheit verurteilt worden sind. Auch sie werden in die Gen-Datei aufgenommen werden können, um den bereits beschriebenen Abschreckungseffekt zusätzlich zu erhöhen.
Der Datenschutzbeauftragte hat seine Zufriedenheit mit den gefundenen Lösungen im Rechtsausschuß zum Ausdruck gebracht. Ich wiederhole deshalb: Wir haben eine rechtsstaatlich einwandfreie, aber auch effektive Lösung gefunden, die dringend notwendig war. Ich freue mich darüber sehr.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Als nächster spricht der Kollege Rezzo Schlauch.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch wir stehen unter dem Eindruck der entsetzlichen Vorgänge in Frankreich und unter dem Eindruck einer durch nichts zu rechtfertigenden Gewaltorgie von deutschen Hooligans. Gleichwohl muß man die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte, daß über 100 registrierte Hooligans, von denen man wußte, daß sie nach Frankreich einreisen, vollkommen unangefochten an ihr Ziel gekommen sind und unangefochten ihr blutiges Werk verrichten konnten.
Ich kann allerdings trotzdem nur sagen: Auch unter diesem Eindruck müssen wir immer wieder versuchen, Kriminalpolitik unter Vernunftsgesichtspunkten zu diskutieren. Wenn die Fülle der Vorhaben, die heute hier zur Abstimmung stehen, verabschiedet werden, wird sich die innere Sicherheit - so behaupte ich - um keinen Deut verschlechtern oder verbessern. Die Verabschiedung dieser Vorhaben wird sich auch nicht in einer Änderung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bevölkerung niederschlagen, das, wie wir alle wissen, in den letzten Jahren immer weiter abgenommen hat.
Die Sicherheit hängt nämlich von ganz anderen Faktoren ab als von hektischen Hyperaktivitäten kurz vor Ende der Legislaturperiode.
Sie lenken damit den Blick von den tatsächlichen Defiziten der inneren Sicherheit auf die Steckenpferde der Koalition, die eine immer stärkere Ausweitung der Befugnisse der Verfolgungsbehörden und eine Verschärfung des Strafrechts im Auge hat.
Herr Kollege Geis, weit sind Sie mit dieser Politik nicht gekommen. Im Gegenteil: Im Laufe der letzten 16 Jahre der Regierung von CDU/CSU und F.D.P. stieg in den alten Ländern die Zahl der Straftaten
Rezzo Schlauch
von 4,2 auf jetzt 5,2 Millionen und insgesamt auf 6,6 Millionen.
Herr Kollege Geis, dafür mache ich nicht die Bundesregierung verantwortlich. Aber sie ist verantwortlich dafür, daß sie nicht das Richtige zum richtigen Zeitpunkt getan hat.
Die Defizite liegen auf der Hand: Vor lauter Fummeln an der Repressionsschraube hat man es versäumt, die Energie auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen noch Sicherheitsreserven zu mobilisieren sind, nämlich bei der Prävention. Die Bundesregierung hat sich vom Repressionsdogmatismus leiten lassen, anstatt Vernunft walten zu lassen, wie das Beispiel der Beschaffungskriminalität zeigt. Der Großteil an Handtaschendiebstählen, Autoaufbrüchen und schweren Ladendiebstählen wäre leicht zu vermeiden, wenn Sie in der Drogenpolitik endlich Ihre ideologische Blindheit aufgeben und Hilfe vor Strafe stellen würden.
Genau dies ist für den Schutz der Bevölkerung und für den Schutz der Betroffenen notwendig. Statt dessen sehen Sie untätig zu, wie auch in diesem Jahr die Zahl der Drogentoten wieder sprunghaft ansteigt, und sehen über die Erfolge des Schweizer Modells bezüglich der Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige hinweg.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, hart gegen das Verbrechen zu sein wäre dann okay, wenn Sie genauso hart gegen die Ursache von Verbrechen vorgehen würden.
Da aber sind Sie weich wie ein zu kurz gekochtes Frühstücksei.
Denn wenn eine Regierung zuschaut, wie 750000 Jugendliche unter 25 Jahren keine Ausbildungsplätze haben bzw. nicht in Arbeit sind, dann muß sie sich nicht wundern, wenn die Jugendkriminalität steigt. Da besteht ein klarer Zusammenhang. Wer Kriminalität bekämpfen will und gleichzeitig kein konkretes beschäftigungspolitisches Konzept gegen Jugendarbeitslosigkeit verabschiedet,
der verdient nicht das Prädikat, wirksam gegen Verbrechensbekämpfung vorzugehen.
Sie wissen genau: Eine steigende Jugendkriminalität hat unmittelbar mit Jugendarbeitslosigkeit zu tun. Das zeigt das Beispiel unseres Nachbarn Österreich. Dort besteht die geringste Jugendarbeitslosigkeit und die geringste Jugendkriminalität. Es ist jetzt endlich an der Zeit, in dem Bereich Ausbildungsstellen und Arbeit für Jugendliche - wie beispielsweise in Frankreich - konkret etwas zu tun.
Verweisen Sie dabei nicht auf die Länder! Denn die Länder sind von Ihnen auch in diesem Punkt finanziell ausgetrocknet worden.
Das hat Konflikte zur Konsequenz, die auf dem Rükken der Polizei ausgetragen werden.
Wenn wir die gegebenen Möglichkeiten des Rechtsstaats ausschöpfen, das heißt Polizei und Justiz vor Ort stärken, an der Wurzel, nämlich bei der Prävention, ansetzen und Vernunft statt Ideologie walten lassen, können wir Kriminalität erfolgreicher bekämpfen, als Sie dies getan haben.
Danke schön.
Das Wort hat die Abgeordnete Ulla Jelpke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Rezzo Schlauch hat recht: Das, was uns heute beim Tagesordnungspunkt „Debatte zur inneren Sicherheit" geboten wird, ist ein Sammelsurium von 13 - wenn ich mich nicht ganz verzählt habe - unterschiedlichen Gesetzentwürfen. Das fängt an mit der Gen-Datei, geht weiter mit Gesetzen zum Auslieferungsverfahren, mit diversen Entwürfen zur Bekämpfung von Korruption; dann kommen wir bei der Jugendkriminalität an. Ich frage Sie in diesem Hause: Wie soll eigentlich das, was hier heute verabschiedet werden soll, ernsthaft diskutiert werden? Das geschieht in Form von Aktionismus - das muß man den Regierungsparteien vorwerfen -, denn das, was hier im Moment stattfindet, ist purer Wahlkampf.
Die Regierung will demonstrieren, wie ernst es ihr mit der sogenannten inneren Sicherheit ist und wie viele schöne Gesetze sie in der Vergangenheit dazu durchgebracht hat.
Meine Damen und Herren, das wird zweifellos den Bedenken und Ängsten von Bürgern und Bürgerin-
Ulla Jelpke
nen überhaupt nicht gerecht. Sie haben zu Recht Angst, Opfer einer Straftat zu werden, und tatsächlich hat das Ausmaß strafbaren Handelns zugenommen, vor allem auch dadurch, daß es in den neuen Bundesländern mittlerweile westdeutsches Niveau erreicht hat.
Wir als PDS nehmen die Sorgen dieser Menschen durchaus ernst. Wir wenden uns aber entschieden gegen die Art und Weise, wie die Bundesregierung versucht, diese Sorgen politisch auszunutzen.
Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Tatsachen. Nach der neuesten Kriminalitätsstatistik des Innenministeriums von 1997 sank die Kriminalitätsquote um 0,9 Prozent; ebenso nahm der von Ihnen immer angeprangerte Anteil ausländischer Straftäter ab.
Nach einem Lagebericht des Bundeskriminalamtes war auch die organisierte Kriminalität 1997 rückläufig. Die Kriminalität wird also geringer. Gleichzeitig werden aber mit dem Schreckensbild des organisierten Verbrechens und vor allem der Verbrechen durch Ausländer immer neue Sicherheitsgesetze durchgepeitscht, wie wir es heute auch erleben werden, die vor allem eines zum Ziel haben, den Abbau von demokratischen Rechten, aber nicht - wie es der Kollege Schlauch schon skizziert hat - an der Lösung von Problemen orientiert sind.
Die Kohl-Regierung nutzt die soziale Unsicherheit der Menschen aus, um von den eigentlichen Bedrohungen, nämlich den Folgen ihrer Politik des sozialen Kahlschlags abzulenken. Kriminalitätsängste werden geschürt und benutzt, um Bürgerrechte abzubauen. Das letzte Beispiel dafür war der große Lauschangriff, der mit tatkräftiger Unterstützung durch die SPD durchgesetzt werden konnte. Morgen früh werden wir ähnliches erleben beim Bundesgrenzschutzgesetz und beim Asylbewerberleistungsgesetz, das Flüchtlinge in diesem Land noch weiter entrechten, kriminalisieren und in die Illegalität treiben soll.
Die sozialen Ursachen von Kriminalität spielen in der Politik der Bundesregierung keine Rolle. Offensichtlich hat sie keinerlei Konzept und will die sozialen Ursachen auch gar nicht wirkungsvoll bekämpfen.
Statt dessen stempelt sie jene Menschen zu Hauptverursachern von Kriminalität, die zu den Verlierern und Verliererinnen der neoliberalen Wirtschaftspolitik gehören. Das sind zum Beispiel Arbeitslose, Obdachlose, Punks und Drogenabhängige sowie vor allem Flüchtlinge und Menschen nichtdeutscher Herkunft. Nicht jeder und jede, der oder die arm ist, wird auch kriminell. Aber hohe Arbeitslosigkeit, die Angst um die Wohnung und die zunehmende gesellschaftliche Ausgrenzung sind ein sozialer Boden, auf dem Kriminalität gedeihen kann. Deshalb haben wir immer wieder betont, daß mehr Repression kein geeignetes Mittel gegen Kriminalität ist.
Wir sind der Meinung, daß eine gute Sozialpolitik immer noch die beste Kriminalpolitik ist.
Darüber hinaus haben wir auch ein Konzept der sozialen Grundsicherung gefordert, eine Ausbildungsplatzgarantie und eine soziale Ausbildungsförderung sowie vor allem die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Migranten und Migrantinnen, die in diesem Land seit 20, 30 und mehr Jahren leben. Wir lehnen die Konzepte des starken Staates ab, die die Polizei zu politischen Zwecken mißbrauchen, und fordern eine demokratische Polizeireform, die die Polizei gründlich reformiert und entbürokratisiert. Kurz gesagt: Wir teilen die Ziele der hunderttausend Menschen, die am letzten Wochenende in Berlin eine andere Politik gefordert haben, eine Politik, die eben nicht auf mehr Repression setzt, sondern sich gegen Rassismus, soziale Ausgrenzung und zunehmende soziale Ungerechtigkeit richtet.
Noch eines zur SPD: Sie sind offensichtlich nur zu bereit, eine neue Regierung zu stellen. Aber man sieht gegenwärtig nicht, daß Sie auch eine andere Politik durchsetzen wollen, insbesondere was den Bereich der inneren Sicherheit betrifft. Selbst eine SPD-freundliche Tageszeitung, die „Süddeutsche Zeitung" , sah sich veranlaßt, die Kungelei zwischen rechten Hardlinern in der Union und der SPD zu kritisieren. Offensichtlich, so schreibt die „Süddeutsche", proben Sie hier schon die große Koalition, und sie kritisiert vor allen Dingen die Zusammenarbeit zwischen Beckstein und Glogowski. Ich zitiere die „Süddeutsche":
In kleinem Kreis übertrumpfen sich der CSUMann und der Sozi mit ihren Bekenntnissen zum starken Staat. Der Niedersachse hat noch ein viel weitergehendes Gesetz zur Schleierfahndung zu bieten als der Bayer, er will die Europolizei schneller stärken als Beckstein, er ist grundsätzlich für den Einsatz von verdeckten Ermittlern gegen das Organisierte Verbrechen, und die Daten von Sexualtätern müßten lebenslang gespeichert werden.
Da muß sich sogar Beckstein bemühen mitzuhalten. „Mit einem konservativen Sozi ist besser zu arbeiten als mit manchem aus unserem Lager", sagt Beckstein gern ...
Ich meine, die SPD sollte sich intensiv mit ihrer Politik auseinandersetzen. Ich halte es dagegen mit der auf der Demonstration am vergangenen Wochenende getroffenen Feststellung, daß vor allen Dingen eine starke außerparlamentarische Bewegung Druck auf diesen Bundestag ausüben muß, damit endlich weniger Repression, mehr soziale Gerechtigkeit und eine andere Politik durchgesetzt werden.
Danke.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Professor Dr. Schmidt-Jortzig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Bilanz der Koalition im Bereich innere Sicherheit ist eindrucksvoll. Das lasse ich mir auch nicht von den Damen und Herren Kollegen aus der Grünen-Fraktion bzw. der PDS zerreden, die das eigentlich nur tun, weil sie an den Erfolgen im Bereich der Rechtspolitik überhaupt keinen Anteil haben.
Gemeinsam und sehr oft unter Einbeziehung und Mittun der sozialdemokratischen Fraktion haben wir dafür gesorgt, daß es jedenfalls im Bereich der Rechtspolitik keinen Reformstau gibt. Fast das gesamte Reformprogramm der Koalition für diese Legislaturperiode findet sich bereits im Bundesgesetzblatt. Natürlich ist dieser Erfolg nicht nur unseren Vorlagen zu danken, denn Tore erzielt man bekanntlich nie allein; man braucht alle möglichen Vorbereiter und auch Vollstrecker dazu. Ohne die beharrliche Regie so bewährter Spieler - ich will sie noch einmal ausdrücklich dankend und mit allen guten Abschiedswünschen erwähnen - wie Horst Eylmann und Detlef Kleinert wären die Vorlagen nie über das Mittelfeld hinausgekommen. Auch ohne die heute leider nicht anwesende Frau Kollegin Däubler-Gmelin hätten wir viele Tore nicht erzielen können. Auch das muß hier deutlich gesagt werden.
An den Gesetzen liegt es jedenfalls nicht, wenn es um die innere Sicherheit in diesem Land besser bestellt sein könnte. Im Debet stehen vielmehr die Umsetzung und Anwendung. Lassen Sie mich dazu nur jene zwei Beispiele herausgreifen, die dazu heute auf unserer Tagesordnung stehen:
Erstens. Mit dem DNS-Identitätsfeststellungsgesetz vollenden wir ein zentrales Reformprojekt dieser Legislaturperiode, nämlich den besseren Schutz vor Sexualstraftätern, insbesondere den Schutz von Kindern, die die potentiellen, häufigsten und schwächsten Opfer von Sexualstraftätern sind, und die Verbesserung der Strafaufklärung in solchen Fällen. Seit Januar dieses Jahres ist das Gesetz zum Schutz vor Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten in Kraft, das den Schutz vor Rückfalltaten durch Therapie, Führungsaufsicht und Sicherungsverwahrung verbessert. Seit April ist das Sechste Strafrechtsreformgesetz in Kraft, das die Strafrahmen für Sexualdelikte insbesondere gegen Kinder merklich angehoben hat. Im Herbst tritt das Zeugenschutzgesetz in Kraft, das durch den Einsatz von Videotechnologie den betroffenen, den verletzten Kindern die Konfrontation mit ihrem Peiniger im Gerichtssaal erspart. Und das DNS-Identitätsfeststellungsgesetz enthält nun für die im Aufbau befindliche DNS-Analyse-Datei alle für eine Datenerhebung in sachgerechtem Umfange noch erforderlichen tatbestandlichen Ergänzungen sowie verfahrenssichernden Rahmenbedingungen. Mein Kollege van Essen hat das hier ausführlich dargestellt.
Damit ist in allen kriminalistisch sinnvollen Fallkonstellationen die Untersuchung von Körperzellen zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren unter klar umrissenen Voraussetzungen möglich. Selbstverständlich - bei einem liberalen Minister erwarten Sie das wohl auch - sind die erforderlichen rechtsstaatlichen Sicherungsinstrumente vorhanden, selbst wenn einige dies durch lautes Getöne immer wieder zu verdecken versuchen. Ich nenne hier nur die Stichworte Verhältnismäßigkeit, Datenschutz und Richtervorbehalt. Insofern ist dieses Gesetz ein gutes Gesetz.
Meine Damen und Herren, das zweite Beispiel für unsere erfolgreiche Arbeit im Bereich der Rechtspolitik sind die Ihnen vorliegenden internationalen Abkommen bzw. die Ratifikationsgesetze zu internationalen Abkommen zur Korruptionsbekämpfung. Sie sind ein ganz wichtiger Baustein in unserem Bemühen um eine effektive Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Denn die Korruption, so heißt es zu Recht immer wieder, ist der Brückenkopf des organisierten Verbrechens.
In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, daß wir mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität gegen die Gewinnschöpfung als dem ökonomischen Fundament des organisierten Verbrechens vorgegangen sind. Mit der Erleichterung des Zugriffs auf verdächtiges Vermögen haben wir in diesem Frühjahr diesen gesetzgeberischen Weg fortgesetzt. Die Einführung der akustischen Wohnraumüberwachung zu Beweiszwecken schaffte darüber hinaus ein neues Instrument für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität.
Lassen Sie uns heute also einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die Korruption tun! Vor fast genau einem Jahr haben wir für den innerstaatlichen Bereich das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption verabschiedet. Wer die Presse aufmerksam verfolgt hat, konnte sich vom Erfolg dieses Vorhabens überzeugen. Jetzt geht es um die Bekämpfung der Korruption im internationalen Rahmen.
Dank einer deutsch-französischen Initiative wurde am 17. Dezember letzten Jahres in Paris im Rahmen der OECD das dort ausgehandelte Übereinkommen unterzeichnet, in dem strafrechtliche Mindeststandards für die Bestechung ausländischer Amtsträger festgelegt wurden. Neue Standards setzt auch das EU-Bestechungsgesetz, indem es im Hinblick auf Beamte der EG und der anderen EU-Mitgliedstaaten Bestechung und Bestechlichkeit unter Strafe stellt. Und mit dem EG-Finanzschutzgesetz wird erstmals ein einheitlicher strafrechtlicher Schutz der EG gegen Subventionsbetrug und Abgabenhinterziehung geschaffen. Dies liegt im besonderen Interesse Deutschlands als einem der Hauptnettozahler.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute diese Gesetzentwürfe verabschieden und der Bundesrat sie noch vor der Sommerpause abschließend behandelt, wird Deutschland als einer der ersten Staaten diese Übereinkommen ratifizieren. Das wäre
Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
ein auch international beachtetes Signal für unseren besonderen Willen zur Korruptionsbekämpfung.
Man kann also sehen, daß unsere gesetzgeberischen Hausaufgaben gemacht sind. Diese Hausaufgaben tragen durchaus erste zarte Früchte. Herr Kollege Schlauch, meine Statistik sieht da ein bißchen anders aus. Mit 8 031 Straftaten je 100 000 Einwohner weist die Polizeiliche Kriminalstatistik des letzten Jahres den niedrigsten Stand seit Führung einer gesamtdeutschen Statistik aus. Man sollte die Zahlen, die man verwendet, schon sachbezogen auswählen und auch entsprechend bewerten.
Die Lage ist also besser als das Bild, das immer wieder diejenigen von der Sache zeichnen, die polemisch draufzusatteln oder/und mit Katastrophenmeldungen oder Maximalforderungen wetteifern wollen. Ich habe jedenfalls wenig Verständnis dafür, daß einige bei jedem neuen Verbrechen nach immer neuen Gesetzen rufen. Schon Montesquieu hat bekanntlich festgestellt: Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.
In Deutschland haben wir, meine Damen und Herren, kein Gesetzesdefizit - das kann man angesichts der Arbeit des Rechtsausschusses in dieser Legislaturperiode mit einigem Selbstbewußtsein sagen -, sondern ein Vollzugsdefizit. Hier gilt es dann allerdings auch nüchtern festzustellen - auch das gehört zur politischen Auseinandersetzung -, daß es ganz beachtliche Unterschiede zwischen den für den Vollzug zuständigen Ländern gibt, an denen die politisch Verantwortlichen gemessen werden können. In Baden-Württemberg etwa kommen gerade einmal 5 770 Straftaten auf 100 000 Einwohner, in Niedersachsen dagegen gibt es 7 382 Straftaten je 100000 Einwohner
und in Sachsen-Anhalt sogar 10 802 Straftaten. Die jeweils politisch Verantwortlichen kennen Sie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute ist nicht nur Anlaß, eine erste Bilanz zu ziehen, sondern auch Anlaß, Zukunftsperspektiven aufzuzeigen. Ich denke dabei etwa an die Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems, die durch eine von mir eingesetzte Kommission bereits vorbereitet wird. Sie wird zu Beginn der nächsten Legislaturperiode Vorschläge unterbreiten, wie wir zu effektiveren und zielgenaueren Strafen kommen können. In diesem Zusammenhang auch Ihnen, lieber Kollege Meyer, herzlichen Dank für Ihre Mitwirkung. Mit diesem
Vorhaben werden wir die Reform des Strafrechts vorerst abschließen. Ich hoffe, daß wir dann auch die Früchte ernten können. Mit dem Rückgang der Kriminalität - das muß sicherlich vorsichtig betrachtet werden, eine erste Zahl kann allenfalls eine Tendenz darstellen - haben wir den Trend jedenfalls anscheinend gebrochen. Die Koalition wird sicherlich dafür sorgen, daß sich diese Trendwende fortsetzt.
Vielen Dank.
Als nächsten Redner rufe ich den Kollegen Professor Jürgen Meyer auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutigen Redebeiträge zu dem Thema innere Sicherheit können auch aus der Sicht der SPD-Fraktion mit einer guten Nachricht eingeleitet werden. In nur vier Wochen seit der ersten Lesung des Koalitionsentwurfes über die Errichtung einer DNA-Analyse-Datei ist es durch intensive Berichterstattergespräche gelungen, einen konsensfähigen Entwurf vorzulegen. Nach unserer Auffassung entspricht der Entwurf sowohl der Forderung, zur Aufklärung schwerer Straftaten auch neue kriminalistische Möglichkeiten zu nutzen, als auch der Forderung, die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens zu garantieren.
Wir werden heute die aus unserer Sicht unverzichtbare gesetzliche Grundlage der sogenannten Gen-Datei verabschieden. Die Beratungen sind ganz wesentlich dadurch erleichtert worden, daß wir im Frühjahr des vergangenen Jahres auf der Grundlage einer SPD-Initiative aus der letzten Legislaturperiode und eines späteren Koalitionsentwurfes in sachlicher Beratungsatmosphäre Regeln für den genetischen Fingerabdruck verabschiedet haben, auf denen wir aufbauen konnten. Ich erinnere an die Beschränkung des Instruments auf die Feststellung von Identität und Abstammung, den strengen Richtervorbehalt, die Anonymisierung des Spurenmaterials, die oft übersehene Einschaltung von Datenschutzbeauftragten und die Trennung von ermittelnder und analysierender Stelle.
Herr Professor Meyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Geis?
Ja. Bitte schön, Herr Kollege Geis.
Herr Kollege Meyer, stimmen Sie mit mir darin überein, daß für die Errichtung der Gen-Datei nicht das Gesetz, das wir heute verabschieden wollen, sondern das BKA-Gesetz maßgeblich ist und daß es heute um die Frage der Erweiterung der Erhebung von DNA-Analysen geht, die dann in die bereits nach dem BKA-Gesetz errichtete Gen-Datei eingespeichert werden?
Herr Kollege Geis, Sie haben teilweise recht. Richtig ist, daß wir heute die Speicherung der DNA-Analysen und die Rechtsregeln dafür beschließen werden. Genauso richtig ist aber, daß die Rechtsstaatlichkeit des Einsatzes dieser kriminalistischen Methode ganz wesentlich davon abhängt, daß die DNA-Analyse selbst mit rechtsstaatlich abgesicherten Verfahren durchgeführt worden ist. Deshalb ist das eine, das wir im vergangenen Jahr verabschiedet haben, ohne das andere, das wir heute verabschieden, nicht zu denken, und umgekehrt. Beides gehört zusammen. Und zum zweiten komme ich jetzt.
Herr Professor Meyer, gestatten Sie auch eine Zwischenfrage des Kollegen Volker Beck?
Ja. Herr Beck, bitte schön.
Weil Sie gerade betont haben, der Gesetzentwurf stelle eine gesetzliche Grundlage für die Gen-Datei dar: Es wurde schon deutlich, daß der Herr Kollege Geis das mit Recht anders sieht, weil es sich juristisch anders verhält. Würden Sie mir zustimmen, daß wir heute nur einen Eingriff legitimieren, um Gendaten von Beschuldigten zu erheben, die schuldunfähig waren, oder bereits Verurteilten, von denen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht nach § 81 e in Verbindung mit § 81 a StPO bereits entsprechende Daten erhoben worden sind? Würden Sie mir ferner zustimmen, daß es in diesem Gesetzentwurf für die Speicherung der nach § 81 e in Verbindung mit § 81 a StPO erhobenen Daten keine gesetzliche Regelung und sie allein auf der Errichtungsanordnung gegenüber dem BKA fußt, die angeblich durch das BKAGesetz gedeckt sein soll?
Auch dies ist nur teilweise richtig, Herr Kollege Beck. Zunächst einmal ist es überraschend, daß Sie in diesem Punkt mit dem Kollegen Geis übereinstimmen. Richtig ist, daß die Errichtungsanordnung gegenüber dem Bundeskriminalamt ausdrücklich auf die von uns im vergangenen Jahr verabschiedeten Rechtsregeln Bezug nimmt. Was wir heute verabschieden, will ich jetzt erklären. Deshalb bitte ich, Ihre Ungeduld ein wenig zu zügeln.
In den Beratungen über den heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf haben wir in den Entwurf einvernehmlich eine Reihe der Forderungen aufgenommen, die mein Kollege Otto Schily im Rahmen der ersten Lesung für die SPD formuliert hat. Ich verweise auf die Konkretisierung des Deliktkataloges für Beschuldigte oder bereits Verurteilte, der neben Verbrechen auch ausdrücklich Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gefährliche Körperverletzung, schweren Diebstahl und Erpressung nennt. Wir haben im Ausschußbericht klargestellt, Herr Kollege Beck, daß eine Speicherung der Analyseergebnisse von Beschuldigten, die später freigesprochen werden, selbstverständlich nicht in Betracht kommt.
Und wir haben die Verwendungsregelung dahin gehend präzisiert, daß Auskünfte aus der Datei nur für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe hierfür erteilt werden dürfen.
Die Erfahrung wird zeigen, ob weitere Regelungen, wie wir sie in den Beratungen vorgeschlagen haben, sinnvoll sind. Jedenfalls rechtfertigt das vorliegende Verhandlungsergebnis die Feststellung, daß wir heute einen guten Tag für den Rechtsstaat und einen schlechten Tag für manchen Straftäter in Deutschland haben. Ich hoffe, daß dies auch für potentielle Täter gilt, deren höheres Entdeckungsrisiko sie von ihrem Tatentschluß abbringen könnte. Auch darum geht es.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gegenstand der heutigen Debatte ist auch die innere Sicherheit in der Europäischen Union. Wir werden über eine Reihe von Übereinkommen und Ausführungsgesetzen abstimmen, welche die innere Sicherheit in Europa stärken und die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in diesem Bereich verbessern sollen. Lassen Sie mich, bevor ich einige kritische Bemerkungen mache, die Gemeinsamkeiten feststellen, die bei den hinter uns liegenden Gesetzesberatungen erneut deutlich geworden sind.
Nur durch eine ständige Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa kann den Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger ausreichend Rechnung getragen werden. Das gilt nicht nur, aber auch für den Bereich der organisierten Kriminalität, die wegen ihrer grenzüberschreitenden Struktur wirkungsvoll nur grenzüberschreitend bekämpft werden kann. Es gilt ebenso und heute ganz besonders für das Vorgehen gegen reisende Gewalttäter, wie sie vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit dem Fußballspiel zwischen den Mannschaften von Deutschland und Jugoslawien in Lens wieder in Erscheinung getreten sind. Derartige Straftaten - ich hoffe, daß wir da einig sind -, die auch dem Ansehen unseres Landes in Europa massiv schaden, müssen ohne jede Verzögerung und mit der gebotenen Härte bestraft werden.
Genauso wichtig ist es aber auch, durch eine ständige Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Polizeien der betroffenen Länder dazu beizutragen, daß die Taten dieser sogenannten Hooligans möglichst verhindert werden. Die Gewährleistung innerer Sicherheit ist ein elementares Gebot eines jeden Rechtsstaates. Das gilt auch für den erfreulicherweise immer stärker zusammenwachsenden Rechtsraum der Europäischen Union.
Gerade weil dies die übereinstimmende Auffassung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag ist, muß die Europapolitik dieser Bundesregierung im Bereich der inneren Sicherheit in zweifacher Hinsicht kritisiert werden. Sie ist nämlich häufig viel zu lang-
Dr. Jürgen Meyer
sam und verdient in mehrfacher Hinsicht allenfalls das Attribut „halbherzig".
Als Beispiel für die Langsamkeit nenne ich das heute abschließend zu beratende Übereinkommen über das Verbot der doppelten Strafverfolgung, also das grundsätzliche Verbot der Verfolgung und mehrfachen Bestrafung derselben Tat zum Beispiel in mehreren Ländern der Europäischen Union. Dieses Verbot, das bislang nur in den Schengen-Staaten gilt, soll künftig von allen Mitgliedstaaten der EU anerkannt werden. Das entsprechende Übereinkommen stammt aus dem Jahre 1987, ist also inzwischen gut elf Jahre alt. Die Bundesrepublik Deutschland hat es im August 1992 unterzeichnet. Erst fünf Jahre später ist das Ratifizierungsverfahren von der Bundesregierung eingeleitet worden, das heute im Bundestag abgeschlossen werden soll. Eine Reihe anderer Mitgliedstaaten hatte das Übereinkommen schon vor einem Jahr ratifiziert; ich nenne Dänemark, Frankreich, Italien, die Niederlande und Portugal. Weitere Länder haben das Verfahren zeitlich vor uns abgeschlossen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, daß die Bundesregierung es mit der Erfüllung ihrer europarechtlichen Verpflichtungen nicht besonders eilig hat. Dieser Vorwurf gilt bekanntlich weit über den Bereich der inneren Sicherheit hinaus. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe in meinem Manuskript ein ganzes Sündenregister über Säumnisse der Bundesregierung, verspätete Umsetzungen von Richtlinien und unsere mühsamen Versuche im Europaausschuß, die Langsamkeit und Hartleibigkeit der Bundesregierung ein wenig zu überwinden. Wenn das jemand von der Koalition bestreitet, werde ich in einer Kurzintervention dieses Sündenregister vortragen. Ich tue das jetzt nur aus Zeitgründen nicht.
Im Europaausschuß und im Rechtsausschuß haben wir der Bundesregierung vorgeführt, daß es auch anders geht. Das heute zu verabschiedende EG-Finanzschutzgesetz haben wir binnen zwei Monaten seit der Einbringung des Gesetzentwurfes abschließend beraten. Durch dieses Gesetz wird nunmehr die Strafvorschrift über Subventionsbetrug dem Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften angepaßt. Künftig ist nicht nur die Erlangung, sondern auch die zweckwidrige spätere Verwendung von Subventionen mit Strafe bedroht.
Wir fordern heute: Statt schöner Europabekenntnisse sollte die Bundesregierung, solange sie noch im Amt ist, die Erfüllung ihrer europarechtlichen Verpflichtungen gerade im Bereich der inneren Sicherheit ernster nehmen und sich nicht immer wieder auf eine Rolle im hinteren Mittelfeld oder als Schlußlicht zurückziehen.
Meine zweite Kritik, die sich aus dem Inhalt einiger der heute vorliegenden Entwürfe ergibt, bezieht sich auf die lediglich halbherzige Umsetzung europapolitischer Verpflichtungen im Bereich der inne-
ren Sicherheit. Daß die Bekämpfung der Korruption durch diese Bundesregierung alles andere als überzeugend ist, haben wir mehrfach betont. Es ist grotesk, daß nach wie vor Bestechungsgelder, wenn die Tat im Ausland begangen und nicht abgeurteilt worden ist, steuerlich abgesetzt werden können. Mein Kollege Frank Hofmann wird sich zu diesem trüben Kapitel der Politik dieser Bundesregierung anschließend noch ausführlich äußern.
Ich will statt dessen auf eine Glaubwürdigkeitslücke hinweisen, die sich im Zusammenhang mit den vorliegenden Gesetzentwürfen zur Auslieferung und zum vereinfachten Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der EU ergibt. Die vorgesehene Erleichterung des Auslieferungsverkehrs ist überfällig und findet unsere Zustimmung. Aber sie wird in der Praxis weitgehend leerlaufen, weil wir nach Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes eigene Staatsangehörige nicht ausliefern und deshalb wegen des Grundsatzes der Gegenseitigkeit auch nicht mit Entgegenkommen der anderen Mitgliedsländer der EU bei unseren Auslieferungsersuchen rechnen können.
Ich erinnere an unsere mehr als drei Jahre zurückliegende Debatte über den Jugoslawien-Strafgerichtshof. Der Bundesrat und meine Fraktion hatten damals eine Änderung des Grundgesetzes gefordert, um die Zulieferung auch deutscher Angeklagter an diesen Gerichtshof zu ermöglichen. Lediglich zur Vermeidung weiterer Verzögerungen und auf Drängen der F.D.P. hatten wir diesen Punkt zur gesonderten Beratung zurückgestellt. Seitdem ist gar nichts geschehen.
Wie erklärt eigentlich die Bundesregierung, Herr Justizminister, den anderen Unterzeichnerstaaten, daß wir zwar den Gerichtshof wollen, es aber beharrlich ablehnen, deutsche Söldner, die Vergewaltigungen, Folter, Totschlag und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit im ehemaligen Jugoslawien begangen haben sollen, nach Den Haag zu überstellen?
Zur Groteske wird das Verhalten der Bundesregierung und insbesondere von Außenminister Kinkel auf der gegenwärtig in Rom stattfindenden Regierungskonferenz über die Einrichtung eines Weltstrafgerichtshofes. Wir fordern dort mit viel Pathos die Einrichtung dieses Gerichtshofes, müssen aber auf Rückfrage kleinlaut einräumen, daß wir dem Gericht wegen des Verhaltens der Koalition, insbesondere der F.D.P., nur Ausländer, nicht aber deutsche Beschuldigte überstellen werden. Das ist keine glaubwürdige Kriminalpolitik. Dieses muß sich ändern.
Gestatten Sie mir bitte eine abschließende Feststellung zur inneren Sicherheit und insbesondere zur Jugendkriminalität als Wahlkampfthema. Wir haben im vergangenen November eine gründliche und auf gutem Niveau stehende Debatte zum Thema Jugendkriminalität geführt. Meine Fraktion hatte diese Debatte anläßlich der Beantwortung ihrer Großen Anfrage über „Jugendstrafrecht und Präventionsstrategien" beantragt und dazu auch einen sehr umfangreichen Antrag gestellt.
Dr. Jürgen Meyer
In jener Debatte haben auch die Redner der Koalition ausdrücklich unserer Betonung der Prävention sowie des Grundsatzes „Erziehung und Strafe" und der Ablehnung einer Herabsetzung der Strafmündigkeit für Kinder zugestimmt. In der vergangenen Woche hat die CDU/CSU-Fraktion unseren Antrag überraschend mit der pauschalen Begründung abgelehnt, es bestehe - ich zitiere aus dem Ausschußbericht -„zu der Frage, mit welchen Mitteln die Jugendkriminalität am effektivsten bekämpft werden könne, noch erheblicher Diskussionsbedarf".
Wir diskutieren gerne weiter mit Ihnen, aber wir hoffen sehr, daß Ihre schönen Ausführungen vom November 1997 nicht deshalb wieder eingesammelt worden sind, weil Sie Ihren Wahlkämpfern den Rükken freihalten wollen.
Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Wer sich durch einseitige Repressionsforderungen gegen Kinder und Jugendliche im Wahlkampf zu profilieren versucht,
verhält sich nicht verantwortungsvoll. Er lenkt ab von der Verantwortung auch der Politik für Kriminalitätsursachen wie Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven für junge Menschen. Ja, er resigniert vor diesen Ursachen.
Wer das tut, sollte allein deshalb dieses Land nicht mehr regieren dürfen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Schmidt-Jortzig.
Verehrter Herr Kollege Meyer! Sie haben - dafür bringe ich viel Verständnis auf - Ihren schönen und richtigen Gedanken der Beseitigung des Auslieferungsverbots für eigene Staatsangehörige hier noch einmal mit Verve vorgetragen.
Dieser schöne und richtige Gedanke sollte uns aber nicht davon abhalten, die Dinge doch mit Vernunft und politischer Ruhe zu betrachten. Es handelt sich bei diesem Prinzip, wie Sie genau wissen, um einen Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts, der in unserer Verfassungstradition gewachsen ist und sich bewährt hat. Also werden wir diesen Grundsatz nur dann - im Ziel sind wir, wie Sie wissen, völlig einig - angehen zu beseitigen, wenn es wirklich erforderlich ist. Ich sage Ihnen hier deutlich für die Bundesregierung: Es war bisher beim Internationalen Strafgerichtshof Jugoslawien nicht erforderlich und erst recht nicht für den Internationalen Strafgerichtshof Ruanda.
Gleichwohl haben wir in dem entsprechenden Gesetz die Signale deutlich gestellt, daß wir über diesen Punkt, sobald es mit einem entsprechenden internationalen Schritt ernst wird, nachdenken müssen. Dieser Ernstfall wird kommen, wenn wir das Ratifizierungsgesetz für die Einrichtung des ständigen internationalen Strafgerichtshofs von Rom, Den Haag oder wo immer er hinkommen wird, vorliegen haben. Genau an dem Punkt können Sie sicher sein - deswegen habe ich mich auch hier hingestellt -, daß Sie die Abgeordneten der F.D.P., jedenfalls den Abgeordneten Schmidt-Jortzig, voll an Ihrer Seite haben, wenn Sie dann sagen, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir das Auslieferungsverbot für eigene Staatsangehörige überdenken müssen, aber keinen Moment früher.
Vielen Dank.
Kollege Meyer.
Herr Minister Schmidt-Jortzig, ich habe mit Freude vernommen, daß wir bei der zu treffenden Entscheidung über die Änderung von Art. 16 des Grundgesetzes, so haben Sie formuliert, die F.D.P., jedenfalls den Kollegen Schmidt-Jortzig, auf unserer Seite haben werden. Die Differenzierung ist mir nicht entgangen.
Es ist richtig, daß wir über dieses Thema debattiert haben. Aber ich bin der Meinung: Daß es keine Überstellungsersuchen des Jugoslawien-Strafgerichtshofs gibt, kann sehr wohl damit zusammenhängen, daß man dort weiß, daß die Bundesrepublik Deutschland dem Ersuchen wegen der Verfassungslage nicht entsprechen wird.
Wichtiger ist mir aber der inhaltliche Aspekt, daß bei dem von Ihnen als bewährt bezeichneten Instrument nach unserer Überzeugung und auch der des Bundesrates - deshalb hoffen wir ja, daß die Zweidrittelmehrheit, zu der Sie nicht so viel beitragen können, zustandekommt - die inhaltliche Begründung nicht mehr überzeugt. Die inhaltliche Begründung des Auslieferungsverbotes ist einmal die Schutzpflicht des eigenen Staates für die eigenen Staatsangehörigen und letztlich ein Mißtrauen gegenüber der Strafrechtspflege anderer Staaten. Letzteres ist unter anderem durch die Verfahrensordnung und -praxis des Jugoslawien-Strafgerichtshofs widerlegt. Das Mißtrauen ist nicht mehr angebracht.
Ich bin der Auffassung, daß Mißtrauen gegenüber der Strafrechtspflege anderer Mitgliedstaaten auch nicht mehr angebracht ist. Denn wie kommen wir dazu, diesen bei der Aufnahme in die Europäische Union das Testat Rechtsstaat zu geben und anschließend zu sagen: Eure Strafverfahren halten wir nicht für hinreichend rechtsstaatlich?
Das heißt, die historische Begründung gilt nicht mehr. Wir sind ein zusammenwachsender Rechtsraum in Europa und sollten deshalb auch unsere Verfassungslage, wie es der Bundesrat, die SPD und nach meinem Eindruck auch eine Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion wollen, endlich anpassen, nicht
Dr. Jürgen Meyer
länger reden und Signale geben, sondern entscheiden.
Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Professor Rupert Scholz.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte zur inneren Sicherheit mit wichtigen weiteren Bausteinen im System der Politik der inneren Sicherheit steht im Schatten der entsetzlichen Ereignisse in Frankreich. Ich denke, wir sollten, gerade was das Ansteigen von brutaler Gewaltkriminalität auch in unserem Lande angeht, schon innehalten, auch im Denken an und im Mitgefühl für die Opfer dieser widerwärtigen Gewalttätigkeit. Sie wurde verübt von Gewaltkriminellen, von Kriminellen, die sich ein großes Fest des Sports mißbräuchlich zunutze machten. Ich glaube, so muß man es sagen. Die ganze Welt schaut auf die Fußballweltmeisterschaft, und dann reisen Kriminelle dieser Art an und mißbrauchen dieses Ereignis für ihre Untaten! Ich denke, so etwas muß dieses Haus, müssen wir alle verurteilen.
Wir verbinden das mit unser aller Mitgefühl für die Opfer.
- Ist das nicht ekelhaft, Herr Fischer, was Sie jetzt tun? In einem solchen Moment, wenn man einen Gedanken dieser Art formuliert, kann es dieser alternde Lümmel nicht lassen, dazwischenzuquatschen und dumme Bemerkungen zu machen.
Herr Professor Scholz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Keine Zwischenfrage von Herrn Fischer. Ich spreche jetzt weiter.
- Sie können nachher soviel intervenieren, wie Sie wollen.
Meine Damen und Herren, das Paket an Gesetzesmaßnahmen, das heute zur Verabschiedung ansteht, rundet - in notwendiger Form, wie ich eingangs bereits gesagt habe - vieles von dem ab, was für eine verantwortliche Politik der inneren Sicherheit notwendig ist: angefangen bei der DNA-Analyse, über
das BGS-Gesetz, das wir morgen verabschieden werden, bis hin zu den Maßnahmen in bezug auf Bestechung, Korruption und das Auslieferungsrecht. Das sind alles notwendige Bausteine im System der Politik der inneren Sicherheit dieser Koalition.
Ich kann nur nachdrücklich das unterstreichen, was Herr Schmidt-Jortzig vorhin gesagt hat: Unsere Bilanz in diesem Bereich ist gut; sie ist erfolgreich. Aber sie ist nur Teil einer wirklich verantwortlichen und erfolgreichen Politik der Kriminalitätsbekämpfung. Die Kriminalitätsstatistik ist heute mehrfach zitiert worden. 6,6 Millionen Straftaten sind nach wie vor 6,6 Millionen Straftaten zuviel.
Besonders aufmerksam müssen wir das Anwachsen der Jugendkriminalität um 10,1 Prozent betrachten. Herr Meyer, ich habe Ihre Rede mit Interesse und Aufmerksamkeit gehört. Ich empfehle Ihnen, diese Rede einmal nach Hannover zu schicken. Auf der einen Seite sagt Ihr Kanzlerkandidat: „Wer das Wahlrecht hat, der muß auch wie ein Erwachsener bestraft werden." , und er fällt damit undifferenziert über unser Jugendstrafrecht her. Auf der anderen Seite lehnt er aber Änderungen, die seinerzeit im Bundesrat anstanden, ab. Mit so vereinfachten Formeln kann man gerade im Jugendbereich, in diesem sensiblen Feld - ich glaube, Sie werden mir auf der Grundlage dessen, was Sie vorhin gesagt haben, recht geben -, keine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfungspolitik machen. Mit Vergnügen nehme ich Ihren Satz auf, daß jemand, der auf diesem Feld so redet und so denkt, nicht regierungsfähig ist.
Eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung setzt natürlich rechtsstaatliche Gesetzgebung und Repression voraus, aber sie setzt auch - das ist heute, jedenfalls im Terminus, das einzig richtige Wort von Herrn Schlauch gewesen - eine wirksame und erfolgreiche Präventionspolitik, eine Politik der Vorbeugung und der Vermeidung von Straftaten und eine Politik erfolgreicher Umsetzung dessen, was der Gesetzgeber präpariert hat, voraus. Bei der Umsetzung sieht es in vielen Bundesländern leider nicht gut aus, gerade wenn man an Hauptverhandlungshaft und beschleunigte Verfahren denkt. Im übrigen haben die Franzosen uns in bezug auf beschleunigte Verfahren etwas vorgemacht. Davon kann man nur lernen; davon können die Bundesländer nur lernen.
An dieser Stelle sage ich sehr deutlich: Eine erfolgreiche Bekämpfung der Kriminalität - also jener 6,6 Millionen Straftaten - und vor allem des Anwachsens der Gewaltkriminalität und des nach wie vor anwachsenden Potentials in der organisierten Kriminalität setzt ein wirklich effektives Zusammenwirken von Polizei, Justiz und Gesetzgebung voraus. Es setzt voraus, daß man im Grunde - so möchte ich es formulieren - die Politik der Kriminalitätsbekämpfung in
Dr. Rupert Scholz
unserem Lande als eine wirkliche Gemeinschaftsaufgabe in diesem föderativen Staat versteht - nicht als Gemeinschaftsaufgabe im technischen Sinne, aber im Sinne der Verantwortlichkeit und der wirklichen Kooperation -, daß man sich nicht hinstellt und mit flachen Sprüchen auf diesen oder jenen mit dem Finger zeigt, sondern das tut, was in der eigenen Zuständigkeit geleistet werden muß.
Was die Gesetzgebung angeht, haben wir unseren Part geleistet.
Mit dem, was wir heute und morgen hier verabschieden, vollenden wir ein großes Stück erfolgreicher Politik.
Dazu gehört natürlich auch das, meine Damen und Herren, was im Grunde nicht in unserer bundesrechtlichen Kompetenz, jedenfalls nicht als Schwergewicht, liegt, nämlich die Stärkung einer effektiven Polizeiarbeit. Der Bund hat nur die Zuständigkeit für den Bundesgrenzschutz. Das, was jetzt im BGS-Gesetz vorgesehen ist, das wir morgen verabschieden werden, ist ein wichtiger Beitrag zu dem, was vom Bund auf diesem Feld mit geleistet werden kann.
Herr Professor Scholz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Such?
Ich denke, Herr Such will wie bereits eingangs beim Kollegen Graf wahrscheinlich wieder fragen, weshalb das BGS-Gesetz erst morgen dran ist. Ich sage Ihnen, wir beide sind etwas schneller.
Deshalb lassen wir das mit der Frage. Herr Such, vergessen Sie die Frage, stellen Sie sie morgen.
- Herr Häfner, ich würde etwas vorsichtig sein. Ich komme gleich zu einem Thema, das Sie besonders interessieren wird.
Also keine Zwischenfrage.
Meine Damen und Herren, wir brauchen insgesamt ein Polizeirecht in unserem Lande, das effektiv ist, natürlich im Rahmen des Rechtsstaates; das ist ganz selbstverständlich. Aber es muß effektiv sein. Auch die Länder müssen sich in ihrer Gesamtheit auf Systeme in der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung, in der Vermeidung von Straftaten verständigen, indem sie das aufnehmen, was zum Beispiel jetzt in unserem kleinen Part, im BGS-Bereich, Realität wird und Realität werden muß, nämlich daß man bestimmte Fahndungsmöglichkeiten hat.
Das niedersächsische Polizeigesetz zum Beispiel ist ein wahres Desaster im Hinblick auf eine verantwortliche effektive Politik in diesem Bereich: keine verdeckten Ermittler, keine Rasterfahndung, keine verdachtsunabhängigen Kontrollen, keine Einsätze der Polizei bei Störung der, wie man so schön sagt, bloßen öffentlichen Ordnung.
Meine Damen und Herren, Polizeirecht hat Schutz der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, zu gewährleisten. Die Konsequenz haben wir bei jenen Hannoveraner Chaostagen auf das allzu schmerzhafteste registrieren müssen.
Das ist eben unverantwortliche Polizeipolitik.
Meine Damen und Herren, zur wirksamen Bekämpfung der Kriminalität auch unter dem Aspekt der Prävention gehört ein klares Bekenntnis, gehört eine klare, konsequente Politik gegenüber der Einstiegskriminalität. Das heißt, man darf nicht - wie es einige nach wie vor versuchen - die sogenannte Bagatellkriminalität verharmlosen. Herr Häfner, Ladendiebstahl zum Beispiel, ist etwas außerordentlich Unverantwortliches.
50 Prozent der Straftaten bei Jugendlichen - ich habe vorhin darauf hingewiesen, um bedauerliche D,1 Prozent ist die Jugendkriminalität gestiegen -
sind Ladendiebstähle. Das heißt, den Ladendiebstahl darf man nicht bagatellisieren. Er ist Einstiegskriminalität.
Man darf nicht den Schritt wie in Niedersachsen tun und sagen: Bis 100 Mark ist das Ganze straffrei. Das ist eine falsche Politik, das ist unverantwortliche Politik
- Haben Sie noch etwas zu sagen, Herr Fischer? - Frau Präsidentin, können Sie diesen Herrn mal abschalten? Ich glaube, es ist sinnvoller.
Dr. Rupert Scholz
- Aber er ist nicht ein freier demokratischer Zwischenrufer. Herr Schily, Sie halten es ja auch anders in der Sache. Ich will es einmal so sagen: Sein Schreihalskonto hat er für heute aufgebraucht. Dann ist der Rest der Debatte heute in vernünftiger Weise über die Runden zu bringen. Ich glaube, so muß man das sehen.
Herr Kollege Scholz, „alternder Lümmel" ist kein parlamentarischer Sprachgebrauch.
Dafür muß ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.
Bei aller Schärfe, ich verstehe, daß Sie sich geärgert haben, aber wir haben Sprachregelungen, die Sie besser kennen als ich. Das wollen wir nicht fortsetzen, damit ich nicht unentwegt eingreifen muß.
Frau Präsidentin, wenn ich Ihnen kurz in aller Ehrerbietung gegenüber dem Hohen Präsidium einen Satz sagen darf?
Hier nicht; das können wir gleich im Ältestenrat tun.
Ich nehme das gern zur Kenntnis.
- Darf ich den „Quatschkopf" auch inkriminieren?
Jetzt bekommt als nächster nämlich Joschka Fischer einen Ordnungsruf; denn „Quatschkopf" ist genauso zu rügen
und verdient ebenfalls einen Ordnungsruf.
Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Sehr gut.
Wir können das jetzt in Serie fortsetzen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Thema zurückkommen.
Wir haben in diesem Paket, das heute zu verabschieden ist, auch Maßnahmen des Auslieferungsrechts vorgesehen. Damit sind wir bei dem Thema der Ausländerkriminalität. Auch dieses Thema muß subtil und sensibel behandelt werden. Ich glaube nicht, daß es richtig ist - gerade was eine verantwortliche Ausländerpolitik angeht -, wenn man in diesen Fragen wiederum allzu pauschal judiziert. Auf der anderen Seite macht es aber auch keinen Sinn - gerade gegenüber der großen Mehrheit der Ausländer in unserem Lande, die rechtstreu ist; ich unterstreiche das: die rechtstreu ist -, daß man jene 28 Prozent Ausländerkriminalität verschweigt. Dabei handelt es sich um vielfältig importierte Kriminalität. Es handelt sich um Kriminalität auch von denen, die auf vielfältige Weise illegal in unser Land kommen. Wer eine verantwortliche Ausländerpolitik, eine verantwortliche Kriminalitätspolitik und Integrationspolitik betreiben will - das ist unsere Aufgabe; das ist unsere Pflicht -, der muß die Dinge natürlich beim Namen nennen, und der muß wirksam dagegen angehen.
Aber es macht keinen Sinn, etwas zu verschweigen. Einer der größten Fehler, die man bei der Kriminalitätsbekämpfung und in der rechtsstaatlichen Politik der inneren Sicherheit begehen kann, ist, Dinge nicht beim Namen zu nennen. Der Bürger hat ein Recht auf innere Sicherheit, ein Recht auf verantwortliche, rechtsstaatliche Sicherheitspolitik; der Bürger hat aber auch ein Recht auf Information. Daß gelegentlich davon gesprochen wird, daß man Täter nicht mehr beim Namen nennen soll, ihre Herkunft nicht mehr benennen soll, ist unverantwortlich. Es schadet den rechtstreuen Ausländern ganz genauso, wie es dem Vertrauen unserer Bürger in einem funktionierenden Rechtsstaat schadet.
Man kann nur mit Nachdruck an jedermann appellieren, in dieser Frage offen zu sprechen, verantwortlich zu handeln - so, wie das für unsere Politik der inneren Sicherheit insgesamt gilt, wie wir hier erfolgreich Gesetzgebung, Politik der inneren Sicherheit für unsere Bürger gestaltet haben und wie wir das in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen werden.
Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Joschka Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit hier kein falscher Eindruck entsteht
Joseph Fischer
- nein; rüsten Sie ab -: Herr Kollege Scholz, ich streite mich gern mit Ihnen, allerdings nicht immer auf der Ebene, auf der das heute geschah. Weil Sie ganz zu Anfang über mich hergefallen sind, sage ich: Selbstverständlich verurteilen wir alle gemeinsam die schwerkriminellen Ereignisse, die die Fußballweltmeisterschaft überschatten,
und bedauern nachdrücklich, daß es sich dabei um Deutsche handelt.
Ich habe dann nur hinzugefügt - ich habe heute einer Zeitung entnommen, daß zum Beispiel ein Fanprojekt eingestellt werden soll -, daß wir uns für eine Ausweitung der Fanprojekte und nicht für deren Einstellung einsetzen sollten. Ich weiß nicht, warum man daraus eine solche Kontroverse machen muß.
Ich nehme an, wir sind einer Meinung, daß zumindest auf der kommunalen, auf der Länderebene - ich wüßte nicht, was dagegen spricht - die Kooperation zwischen Sozialarbeitern und Polizeibehörden in diesem Bereich, die überaus erfolgreich ist, und auch die Zusammenarbeit mit den Fußballvereinen und dem Deutschen Fußball-Bund zu unterstützen ist.
In der Tat halte ich es für dringend geboten - das ist eine der Konsequenzen, die wir ziehen müssen -, daß es erst gar nicht zu solchen Zwischenfällen kommt. Fußballgroßereignisse werden auch weiterhin gewaltbereite junge Menschen anziehen - leider, füge ich hinzu. Hier haben sich Fanprojekte, die präventiv wirken sollen, als überaus konstruktiv erwiesen. Ich finde, wir sollten als eine der Konsequenzen daraus, an die Adresse der kommunalen Verantwortlichen, der Länderverantwortlichen, aber auch an unsere Adresse gerichtet - ich meine das parteiübergreifend - sagen, daß wir eine Ausdehnung solcher Fanprojekte nicht nur wünschen, sondern dafür auch die materiellen Mittel bereitstellen. Ich denke, darüber kann es keine Differenz zwischen uns geben.
Der Kollege Scholz ist an der Reihe. Bitte schön.
Herr Fischer, ich freue mich über das, was Sie eben gesagt haben; denn ich kann das nur unterstreichen. Da bedauere ich richtig ein bißchen, daß ich vorhin eine etwas unziemliche Bezeichnung benutzt habe. Diese können Sie auf einige Ihrer vielen anderen nicht so abgewogenen Zwischenrufe übertragen, die Sie gelegentlich machen.
Aber ich möchte das, Herr Kollege Fischer, was Sie gesagt haben, unterstreichen; nur deshalb habe ich mich noch einmal gemeldet. Ich kann Ihnen nur sehr recht geben: Diese Fanprojekte sind wichtig. Ich sage Ihnen, da ich selbst bei einem deutschen Bundesligisten in Berlin etwas engagiert bin: Wir haben mit solchen Projekten enormen Erfolg gehabt, großen Erfolg genau in dem Sinne, wie Sie es gesagt haben. Ich muß sagen: Ich freue mich richtig, daß ich einmal mit Ihnen übereinstimmen kann.
Das Wort zu einer zweiten Kurzintervention hat der Kollege Such.
Kollege Scholz, Sie haben die Arbeit Ihrer Fraktion und Regierung hier so dargestellt, als hätten Sie in den letzten 16 Jahren, was den Bereich der inneren Sicherheit angeht, Ihre Hausaufgaben gemacht. Wollen Sie aber bitte zur Kenntnis nehmen, daß Ihre Regierung für diese 16 Jahre innerer Sicherheit oder vielmehr Unsicherheit die Verantwortung trägt?
Ich möchte nur drei Beispiele nennen, die zeigen, wo Sie unter anderem Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wenn Sie die Gewalt in der Gesellschaft beklagen, dann muß ich Sie fragen, wieso Sie es zum Beispiel verhindert haben, einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Novellierung des Waffengesetzes hier auch nur auf die Tagesordnung zu setzen, der ein Verbot gefährlicher Wurfsterne, Butterflymesser usw. vorsah. Das hat Ihre Fraktion kürzlich verhindert.
Des weiteren muß ich Sie daran erinnern, daß es bereits seit dem Unglücksfall im Heyselstadion eine Konvention des Europarats gegen Fußballvandalismus gibt, der die Bundesregierung bisher leider nicht beigetreten ist.
Ferner muß ich darauf hinweisen, daß Sie sich im Bereich der Korruptionsbekämpfung seit Jahren nicht dazu durchringen können, ein Korruptionsregister einzurichten, welches die Möglichkeit schafft, Firmen, die im Bereich der Korruption auffällig werden, von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Auch das gehört zu der traurigen Arbeitsbilanz Ihrer Regierung.
Ich würde mich freuen, wenn Sie dazu Stellung nehmen würden, damit der Öffentlichkeit diese Defizite und die Tatsache deutlich werden, wie sehr Ihre Koalition dafür verantwortlich ist, was in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit an innerer Unsicherheit produziert worden ist.
Kollege Scholz, möchten Sie antworten? - Nein.
Dann fahren wir in der Debatte fort. Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz komme, lassen Sie mich auf die vorangegangene Debatte eingehen, die bis zum Redebeitrag von Herrn Scholz sehr sachlich war. Ich denke, bei aller Kontroverse sollten wir hier vor allem darum ringen, wie wir Kriminalität wirksam bekämpfen können.
Herr Schmidt-Jortzig, Sie haben in Ihrer Abschiedsrede als Justizminister vorhin davon gesprochen, daß in den letzten vier Jahren 40 Gesetze verabschiedet worden sind, daß Sie die Strafen verschärft und polizeiliche Befugnisse ausgedehnt haben. Was ist das Ergebnis davon? Der erwünschte Rückgang der Kriminalität ist ausgeblieben, weil Sie mit symbolischer Politik von der Bekämpfung der Ursachen der Kriminalität ablenken und hier den Fokus falsch ausrichten. Ich bin in der Tat der Ansicht, daß wir, was die Kriminalpolitik betrifft, mit neuen Gesetzen keinen Sicherheitsgewinn mehr erreichen können. Wir müssen an die Ursachen heran. Da gibt es bei Ihnen Defizite.
Warum ist es trotz des Korruptionsbekämpfungsgesetzes, das Sie hier heute vorlegen, weiterhin steuerlich absetzbar, im Ausland zu korrumpieren? Das kann doch nicht wahr sein. Das ist etwas, was wir aus moralischen Gründen ablehnen.
Warum sind Sie nicht bereit, beim Thema Alltagskriminalität und Bekämpfung des Drogenhandels endlich einmal das Drogenproblem in den Griff zu bekommen? Sie haben gesehen, es gibt in der Bevölkerung eine Mehrheit dafür, zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu sagen: Ja, wir behandeln die Drogenabhängigen nicht mehr als Kriminelle, sondern wir behandeln sie wie Kranke und helfen ihnen entsprechend auch mit Originalstoffabgabe. So sollen die organisierten kriminellen Strukturen trockengelegt werden.
Jeder vierte Handtaschenraub, jeder vierte Raubüberfall in einem Geschäft, jeder sechste Tageswohnungseinbruch und jeder sechste Einbruch in ein Kraftfahrzeug ist nach der polizeilichen Kriminalstatistik der Beschaffungskriminalität zuzurechnen. Diese Kriminalität könnten wir durch eine andere Drogenpolitik weitgehend beseitigen, wenn wir das Elend der Drogenabhängigen beenden würden.
Es geht jetzt darum, die Potentiale im Bereich der Prävention von Kriminalität auszuschöpfen. Das ist unser Ziel. Herr Scholz, niemand will den Ladendiebstahl bagatellisieren. Ladendiebstahl ist eine Straftat, die als solche auch verfolgt werden soll.
Wir müssen uns doch fragen: Warum schnellt die Anzahl der Delikte in diesem Bereich in die Höhe? - Dies liegt zum einen daran, daß wir für Kinder und Jugendliche zuwenig tun. Das liegt auch an der Massenarmut. Daß eine Million Kinder von Sozialhilfe le-
ben müssen, ist ein sozialpolitischer Skandal. An diesem Punkt müssen wir ansetzen.
Zum anderen müssen wir uns fragen, ob wir das Problem Ladendiebstahl nicht bürokratieärmer und effizienter, als dies bisher geschehen ist, sanktionieren können. Ideologische Debatten - von wegen „Bagatellisierung" - sollten wir sein lassen; vielmehr sollten wir uns überlegen, wie wir das Problem tatsächlich in den Griff bekommen.
Herr Scholz, wenn Sie hier die Ansicht vertreten, man müsse die Ausländerkriminalität dadurch energischer bekämpfen, daß man in Zukunft Straftäter kenntlich macht, die keinen deutschen Paß haben, dann halte ich dem entgegen: Das ist nicht die Lösung des Problems: Vielmehr müssen wir uns überlegen, wie wir die Menschen, die hier geboren sind und seit Jahrzehnten hier leben, endlich auch rechtlich integrieren.
Durch die Verweigerung der Staatsbürgerschaftsreform haben Sie hierzu keinen Beitrag geleistet, obwohl eine solche Reform überfällig gewesen wäre.
Zum DNA-Analyseverfahren. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in dieser Sache als erste Fraktion die Initiative ergriffen. Wir wollen eine gesetzliche Grundlage für eine Gen-Datei, weil eine solche Datei dabei hellen kann, Sexualverbrechen aufzuklären und sie wahrscheinlich sogar zu verhindern, wenn die verurteilten Straftäter wissen, daß ihre Daten gespeichert sind. Ein derartiges Projekt muß man aber sorgfältig und mit einer gesetzlichen Grundlage in die Wege leiten. Darin sind wir uns mit dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Anwaltsverein und mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz einig. Bis vor kurzem waren wir uns darin auch mit dem Bundesjustizminister einig.
Das allerdings, was wir heute auf dem Tisch liegen haben, ist die rechtspolitische Kapitulationsurkunde des Justizministers vor Herrn Kanther. Es ist keine gesetzliche Grundlage für die Gen-Analysedatei; vielmehr ermöglicht dieser Gesetzentwurf zusätzliche Eingriffe bei bereits verurteilten Straftätern und bei Beschuldigten, die nicht verurteilt werden können, weil sie schuldunfähig sind.
In bestimmten Fällen ist es wahrscheinlich auch ganz richtig so, das so zu machen; dennoch löst diese Regelung nicht die Fälle, die in den Bereich des § 81 e der Strafprozeßordnung fallen - Herr Geis, darin waren wir uns vorhin einig -, wo bereits in einem straf-
Volker Beck
rechtlichen Ermittlungsverfahren ein genetischer Fingerabdruck genommen wird. Genetische Fingerabdrücke könnten nun ohne Rechtsgrundlage abgespeichert werden. Zwar berufen Sie sich auf das BKA-Gesetz; dies reicht aber nicht aus.
- Ich bin froh, daß Sie meine Redezeit verlängern wollen. Deshalb lasse ich Ihre Zwischenfrage, Herr Geis, gern zu.
Herr Geis.
Herr Beck, können Sie mir sagen, warum Sie meinen, daß § 8 Abs. 6 des BKA-Gesetzes für die Errichtung der Gen-Datei nicht ausreichend sein soll?
Weil es hier um einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte geht, der nicht mit dem Eingriff vergleichbar ist, der ansonsten durch das BKA-Gesetz zugelassen wird.
Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ermöglichen - das ist in den §§ 81 a und e der Strafprozeßordnung eindeutig festgelegt - den genetischen Fingerabdruck. Dieser genetische Fingerabdruck darf zu Zwecken der Strafverfolgung verwendet werden. Wenn wir die Daten dieses genetischen Fingerabdrucks aber abspeichern, dann verwenden wir ihn zu polizeilichen Zwecken. Das ist auch sinnvoll; dennoch ist es eine Zweckentfremdung dieser Daten. Deshalb brauchen wir hierfür eine gesetzliche Grundlage.
Das sagen Ihnen alle Fachleute.
Herr Geis, Sie betreiben hier Populismus. Sie müssen mir einmal erklären, warum zum Beispiel in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf die Verwendung derjenigen Daten, die nach § 81 g der Strafprozeßordnung gewonnen werden, beschränkt wird. Danach dürfen diese Daten nicht zu Forschungszwecken und nicht zu polizeifremden Zwecken eingesetzt werden. In § 29 des BKA-Gesetzes, Herr Geis, ist zum Beispiel geregelt, daß alle Dateien, die auf das BKA-Gesetz gegründet sind, auch zu Forschungszwecken, also zu völlig strafverfolgungsfremden Zwecken, eingesetzt werden können.
- Bleiben Sie bitte stehen, Herr Geis, ich möchte Ihre Frage umfassend beantworten. Frau Präsidentin, ich bitte Sie, das nicht auf die Redezeit anzurechnen.
Ich habe den Eindruck, Herr Geis betrachtet seine Frage als ausreichend beantwortet. Im übrigen ist Ihre Redezeit gleich zu Ende.
Wenn ich Herrn Geis überzeugt habe, bin ich schon zufrieden.
Meine Damen und Herren, wir müssen insbesondere deshalb aufpassen, weil diese Gen-Daten in Zukunft im Zuge der technischen Entwicklung die Chance bieten, Gen-Profile zu erschließen und Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale abzuleiten. Daß in der Kriminalpolitik bereits gefordert wird, dieses zu tun, können Sie der Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter für den Innenausschuß entnehmen. Dort wird kritisiert: „Die Ausforschung von Erbanlagen, Charaktereigenschaften, Krankheiten und Krankheitsanlagen, also der Zugriff auf den kodierenden Bereich der DNA, soll ausgeschlossen werden. Das kriminalistische Interesse liegt aber auch hier auf der Hand."
Kommen Sie bitte zum Schluß. Ihre Redezeit ist zu Ende.
Wir müssen solchen Begehrlichkeiten einen klaren Riegel vorschieben. Wir dürfen nicht eine ausufernde Speicherung von Gen-Profilen beim BKA zulassen. Wir müssen das verhindern.
Ihre Redezeit ist jetzt endgültig zu Ende.
Anderenfalls verlieren die Bürgerinnen und Bürger zu Recht das Vertrauen in dieses kriminalpolitisch wichtige Instrument.
Das Wort hat der Abgeordnete Ronald Pofalla, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Kollegen Beck und Schlauch zwar sehr lautstark, aber, wie ich finde, an der Sache völlig vorbei zu begründen versucht haben, ist an der Grenze des Erträglichen.
Vor über einem Jahr haben wir hier die Einführung des genetischen Fingerabdrucks in die Strafprozeßordnung über Monate beraten. Wir haben umfangreiche Anhörungen durchgeführt und in zweiter und
Ronald Pofalla
dritter Lesung beraten. Die Grünen, im übrigen auch die PDS, haben damals gegen die Einführung des genetischen Fingerabdrucks in die Strafprozeßordnung mit dem Versuch gestimmt - darauf will ich gleich mit Blick auf Herrn Beck eingehen -, den Eindruck zu erwecken, die Sache sei rechtsstaatlich problematisch.
Nun hat Herr Beck zwar sehr wortreich, aber - wie ich finde - an der Sache vorbei begründet, warum sich die Grünen in einer solch wichtigen Frage wie der Gen-Datei erneut erlauben, dagegen zu stimmen. Ich finde, dies ist ein Vorgang im Rahmen der Verfolgung von Straftätern im Sexualbereich, den die deutsche Öffentlichkeit wissen sollte.
Herr Beck, ich halte auch Ihre juristische Argumentation für falsch. Mit diesem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz schaffen wir keine Rechtsgrundlage zur Errichtung dieser Gen-Datei. Wir schaffen vielmehr eine Grundlage für ihre Erweiterungsmöglichkeiten, wie beispielsweise - das haben Sie selber gesagt - im Falle verurteilter Straftäter und im Falle geständiger oder schuldunfähiger Personen. Diese erweiterten Möglichkeiten hatten wir bisher nach der alten Rechtsgrundlage nicht. Daher widerspreche ich Ihnen in der Sache ausdrücklich, daß erst jetzt die rechtsstaatliche Grundlage geschaffen wird. Die Wahrheit ist: Wir schaffen Erweiterungsmöglichkeiten, um im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung dieses Instrumentarium der Gen-Datei wirkungsvoll und entscheidend einsetzen zu können.
Die Grünen erlauben sich aber, dagegen zu stimmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beck?
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage,
weil ich mir gerade anhören mußte, was der Kollege Beck an, wie ich finde, juristisch nicht haltbaren Argumentationsketten vorgetragen hat. Ich möchte versuchen, unsere Argumentation im juristischen Bereich darzustellen.
Das Gesetz zur DNA-Identitätsfeststellung wird die Ermittlungen auch gegen Sexualstraftäter erheblich erleichtern und schnelle Fahndungserfolge ermöglichen. Deshalb ist die sogenannte Gen-Datei von der Polizei und den anderen Ermittlungsbehörden immer für sinnvoll gehalten worden.
Wir als Koalition wollen - ich bin dankbar, daß es zu einer Einigung auch mit der sozialdemokratischen Fraktion des Hauses gekommen ist, Herr Kollege Meyer - uneingeschränkt die Einführung der Gen-
Datei zur wirksamen Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung.
Wir haben im Rahmen der Beratungen - Herr Meyer, da danke ich Ihnen auch noch einmal persönlich - verschiedene Vorstellungen, auch des Bundesrates und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, aufgenommen, um zu, wie ich finde, in der Tat guten Lösungen zu kommen, die im übrigen einen Teil der Kritik, die Herr Beck hier vorgetragen hat, gegenstandslos machen. Aber die Grünen schaffen es einfach nicht, im Deutschen Bundestag wirksame Instrumentarien mit Erweiterungsmöglichkeiten zu versehen, durch die straffällige Täter effektiv und schnell überführt werden können.
Nun hat Herr Kanther ein Jahr später einfach das Gegenteil gemacht, obwohl wir uns damals im Rechtsausschuß über die Rechtsposition fraktionsübergreifend einig waren: keine Gen-Datei ohne neues Gesetz.
Wir haben damals - damit Sie sich das noch einmal in Erinnerung rufen können; Sie können das auch im Protokoll nachlesen - gegen den vorliegenden Gesetzentwurf gestimmt, weil wir mehr technische Sicherungsmöglichkeiten bei den Genanalyseverfahren haben wollten. Wir konnten uns aber mit unseren Forderungen nicht durchsetzen. Das Risiko des jetzigen Verfahrens, falsche Testergebnisse zu erhalten, ist zu hoch. Wir wollten auf Nummer Sicher gehen.
Aber, das erlaubt Ihnen, Herr Pofalla, nicht, zu sagen, wir seien gegen den genetischen Fingerabdruck oder gegen die Gen-Datei. Wir sind für sorgfältiges Arbeiten, für Rechtsstaatlichkeit und Kriminalitätsbekämpfung in einer Hand. Da unterscheiden wir uns von Ihnen. Ihnen scheint die Kriminalitätsbekämpfung nur dann richtig gelungen zu sein, wenn der Rechtsstaat dabei Schaden nimmt.
Das Wort zu einer Antwort erteile ich dem Abgeordneten Pofalla.
Daß, wenn ein Sexualstraftäter ausschließlich auf der Basis der Daten der Gen-Datei verurteilt wird, das Bundesverfassungsgericht dann möglicherweise die Ermächtigungsgrundlage für verfassungswidrig hält, ist nach unserer Überzeugung eine völlig absurde und abwegige
Rechtsauffassung. Der muß hier mit aller Entschiedenheit widersprochen werden.
Die Wahrheit, Herr Beck - die müssen Sie zur Kenntnis nehmen -, ist: Wenn die Mehrheit des Hauses Ihrer Auffassung folgen würde und wir die Gen-Datei nicht bekämen, würden wir im Hinblick auf eine wirksame Bekämpfung von Straftaten im Bereich der mittleren und der schweren Kriminalität vor dem Hintergrund der Wahlen und der Zeitdauer bis zur Konstituierung des neuen Deutschen Bundestages vermutlich ein ganzes Jahr verlieren. Das werden wir der Öffentlichkeit sagen und in diesem Zusammenhang auf Ihr Abstimmungsverhalten hinweisen.
Sie können nicht darüber hinwegtäuschen - die Öffentlichkeit wird es gleich sehen -: Sie stimmen gegen den Gesetzentwurf zur Einführung einer Gen-Datei und damit gegen die Möglichkeiten, die dieses Gesetz bei der wirksamen Bekämpfung von Straftätern bietet.
Das Wort hat der Abgeordnete Frank Hofmann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Bereich Korruptionsbekämpfung beschäftigen. In diesem Bereich wird die Bundesregierung ihren selbst gesteckten Zielen nicht gerecht. Es ist kein konsequentes Handeln für mehr Sicherheit im Bereich der Korruptionsbekämpfung zu sehen.
Ein Beispiel ist das Korruptionsregister. Sie haben im März 1996 angekündigt, es werde ein bundesweites Korruptionsregister eingeführt. Bis heute ist noch nichts auf dem Tisch.
Ein weiteres Beispiel für ein Gesetzesdefizit - daran möchte ich erinnern - ist das Jahressteuergesetz 1996. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, daß die Finanzbehörden bei Verurteilung Schmier- und Bestechungsgelder nicht mehr als Betriebsausgaben anerkennen dürfen. Woher soll jedoch die Finanzbehörde von einer Verurteilung wissen? Aus der Zeitung vielleicht? Die Staatsanwaltschaft jedenfalls ist bis heute nicht verpflichtet, den Finanzbehörden eine Verurteilung wegen Bestechung mitzuteilen. Wo hier der besondere Wille zur Korruptionsbekämpfung sein soll, das frage ich die Bundesregierung.
Ein weiteres Beispiel: Dieses Jahressteuergesetz hätte die Finanzbehörden eigentlich veranlassen müssen, einen Verdacht auf Korruption an die Staatsanwaltschaften zu melden. Ich habe die Bundesregierung nach diesbezüglichen Fällen gefragt. Ihr ist kein einziger Fall bekannt. Ich habe Herrn Schaupensteiner, den Korruptionsstaatsanwalt für den Bereich Hessen, angerufen. Er sagte mir, ihm sei noch
Frank Hofmann
kein derartiger Fall auf den Tisch gekommen. Also auch hier besteht ein Defizit.
Ein weiteres Beispiel: Seit 1995 liegt ein SPD-Gesetzentwurf vor mit dem Inhalt, daß die Finanzverwaltungen selbständig feststellen sollen, ob es sich bei bestimmten Zahlungsvorgängen um Schmier-
und Bestechungsgelder handelt. Denn diese dürfen steuerlich nicht abzugsfähig sein, wie dies zum Beispiel in den USA, in Kanada, Großbritannien und Japan der Fall ist und in Frankreich eingeführt wird.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen verteidigen jedoch vehement den Ansatz, daß die Finanzverwaltung unter anderem aus rechtsstaatlichen Gründen und wegen der Wertneutralität des Steuerrechts nur bei Verurteilung die Abzugsfähigkeit aberkennen darf. Die Bundestagsfraktion der SPD, aber auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft sehen das anders. Die Aussage der Koalitionsfraktionen in der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses ist verräterisch. Ich bitte Sie, diese nachzulesen. Ich zitiere:
Eine solche Aufgabenverlagerung
- gemeint ist: von den Strafverfolgungsorganen auf die Finanzbehörden -
sei auch wegen der im Strafverfahren einerseits und im Besteuerungsverfahren andererseits unterschiedlichen Mitwirkungsverweigerungsrechte abzulehnen, denn bei letzterem stünden dem Steuerpflichtigen nur ausnahmsweise
- jetzt kommt wieder dieses schöne Wort - Mitwirkungsverweigerungsrechte zu.
Ich will das einmal auf gut deutsch übersetzen: Während der normale Steuerpflichtige alle Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß bei den Finanzbehörden offenlegen muß, kann der beschuldigte Schmiergeldzahler seine Aussage bei den Strafverfolgungsbehörden verweigern und hat einen Anspruch auf einen Verteidiger. Während der normale Steuerzahler alle Beweismittel angeben muß, muß der beschuldigte Schmiergeldzahler überhaupt nicht mitwirken. Während der normale Steuerpflichtige damit rechnen muß, daß sich seine fehlende Mitwirkung bei der Beweiswürdigung negativ niederschlägt, darf der Richter das Schweigen des beschuldigten Schmiergeldzahlers nicht zu seinem Nachteil auslegen.
Die SPD-Bundestagsfraktion will eine Gleichbehandlung von Schmiergeldzahler und normalem Steuerpflichtigen - nichts anderes - und keine Sonderrechte für Schmiergeldzahler.
Es hat bei den Koalitionsfraktionen Methode: Sie gehen einen kleinen Schritt - keinen entscheidenden Schritt - bei der Korruptionsbekämpfung nach vorn, lassen aber genügend Schlupflöcher offen.
Mein Fazit: Konsequentes Handeln für mehr Sicherheit im Bereich der Korruptionsbekämpfung ist bei dieser Regierung nicht in Sicht. Es geht auch nicht ohne Einbeziehung der Finanzbehörden. Markige Worte allein helfen uns da wirklich nicht.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Zeitlmann, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren das Thema innere Sicherheit, und natürlich ist in der deutschen Öffentlichkeit das Interesse brennglasartig darauf gerichtet, was in der Nachbarrepublik Frankreich aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft geschehen ist. Das, was dort von deutschen Radikalen, von Verbrechern begangen worden ist, ist sicherlich unverantwortlich.
Aber, meine Damen und Herren, ich halte es für genauso unverantwortlich, wenn man hier und querbeet in der Republik so tut, als gäbe es dafür wieder andere Schuldige. Wenn ich mich richtig erinnere, hat der Fußballbund festgestellt, die Polizei hätte doch rechtzeitig handeln können, und er hat vorwurfsvoll gesagt, man müsse dort den Schuldigen irgendwo ausmachen.
Es ist absurd, so zu tun - dies ist auch heute von Kollegen geschehen, die vor mir gesprochen haben -, als gäbe es auch nur den Ansatz einer Entschuldigung für kriminelles Handeln, indem man sagt: „Ihr hättet im Milieu nachforschen müssen, es gibt doch die Arbeitslosigkeit! "
- Moment einmal! Das ist keine Entschuldigung im rechtlichen Sinn, aber eine Entschuldigung im ethisch-moralischen Sinn, wenn ich in der Diskussion um die Bekämpfung von Kriminalität von den Oppositionspolitikern als zweiten Satz immer höre - mir passiert das in der Öffentlichkeit laufend -: Ursachen sind doch aber auch die Arbeitslosigkeit, das soziale Umfeld, das Herkommen. Da wird heute so argumentiert, als würde der Vorsatz oder - ich sage es einmal so - die kriminelle Energie nicht noch die freie Willensentscheidung voraussetzen. Selbst wenn ich arbeitslos und wenn ich hungrig bin, habe ich doch noch lange nicht die Berechtigung zu sagen: Jetzt nehme ich eine Eisenstange und schlage zu!
Meine Damen und Herren, ich bin heilfroh - ich sage das jetzt einmal in der Öffentlichkeit -, daß der französische Staat den deutschen Zuschauern öffentlich vermittelt, was man staatlicherseits tun kann.
Wolfgang Zeitlmann
Randfiguren des Geschehens, die offensichtlich niemanden verletzt haben, sondern die - so hieß es heute früh im Fernsehen - Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet haben, innerhalb von Tagen zu einem Jahr Freiheitsstrafe zu verurteilen,
wäre in Deutschland - das behaupte ich, ohne jemanden zu beschimpfen - undenkbar. Ich kenne kaum Verfahren vor einem deutschen Gericht - ich bin jetzt 20 Jahre Anwalt, Herr Schily -, bei denen innerhalb von Tagen ein Urteil gesprochen wurde, und schon gar nicht bei Verfahren, die keine Anklage wegen Körperverletzung, sondern nur wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt betrafen. Das Urteil lautete: ein Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Meine Damen und Herren, laßt die Kirche im Dorf.
- Daß du mit der Kirche nichts mehr am Hut hast, Rezzo Schlauch, kann ich mir schon vorstellen, aber man kann das Bild trotzdem verwenden.
Ich sage ganz offen, daß wir innerhalb der Koalition immer wieder Meinungsunterschiede mit der F.D.P. über die Effektivität der Kriminalitätsbekämpfung haben. Ich sage hier ganz offen, Herr van Essen, daß ich Ihren Satz unterschreibe: Diese Regierung hat die Aufgaben gemacht, die ihr gestellt wurden. Damit bin ich einverstanden. Aber ich sage auch: Wir hätten ohne die Bedenkenträgerei in Teilen der F.D.P. manches effektiver machen können.
Herr van Essen, es ist legitim, das zu sagen. Mit Ihnen hätten wir vielleicht manches effektiver machen können, aber es gab andere in Ihrer Fraktion, mit denen das nicht möglich war.
Aber wenn Sie, Herr van Essen, hier sagen, Sie bejahen die Gen-Datei, weil Sie glauben, daß damit unter anderem ein Abschreckungsmoment verbunden sein kann, frage ich mich, wieso wir uns nicht auch sonst mehr darauf verständigen können, daß auch Strafe, daß die Reaktion auf Verbrechen in Form von Schärfe Abschreckungswirkung haben kann. Das, was Sie gerade in bezug auf die Härte der Urteilsfindung und den Strafvollzug in Deutschland geschildert haben, ist weiß Gott keine Antwort auf die Frage, wie wir die kriminelle Energie bekämpfen, die wir jetzt bei den Hooligans feststellen.
Ich bin nicht ordentliches Mitglied des Rechtsausschusses. Ich befürworte auch nicht das, was an den deutschen Gerichten oder im deutschen Strafvollzug Realität ist. Ich sage nur, daß wir auf Dauer in einem offenen Europa eine Schieflage zu Lasten Deutschlands bekommen werden. Manche mit krimineller
Energie werden sich insgeheim überlegen, ob sie nicht vor einem deutschen Gericht oder im deutschen Strafvollzug im Verhältnis zu manchen anderen Ländern Europas ein bißchen besser und humaner behandelt werden.
Der Kollege Rezzo Schlauch hat sich hier hingestellt und sage und schreibe nicht nur den Vorwurf des DFB diskutiert, sondern auch gefragt: Wie konnte es passieren, daß hundert Hooligans überhaupt dorthin kamen? Damit hat er bereits wieder den stillen Vorwurf gegen die Polizei, den BGS und wen auch immer in der Republik erhoben, daß man das hätte verhindern können. Es soll immer ein anderer ausgemacht werden, den man an den Pranger stellen kann, wenn so etwas passiert.
Sie sagen: Die Regierung hat bei der Kriminalitätsbekämpfung versagt. Dazu nehmen Sie die Zahlen des Jahres 1982 und setzen diese in Relation zum heutigen Tag. Dann erklären Sie: In den 16 Jahren der Regierung Kohl ist die Kriminalitätsrate gestiegen. Dabei verschweigen Sie ganz bewußt, daß in diesen 16 Jahren durch die deutsche Wiedervereinigung und durch die Öffnung der Grenzen nach Osten ein neuer Kriminalitätsaspekt aufgetreten ist. Es kommen rumänische Banden über die Grenze, was vor 1982 überhaupt nicht denkbar war. Hier wird getrickst und versucht, den Eindruck zu erwekken, als sei die Regierung letztlich für alles verantwortlich.
Zum Thema Gewalt: Ich habe in der deutschen Politik vermißt, daß das Novum, daß die Regierung eines europäischen Staates, nämlich in Österreich, die Blockade einer Autobahn genehmigt, kritisiert wurde.
- Einverstanden, Rezzo Schlauch. Das hat mir damals auch nicht gefallen, und das sage ich heute.
- Nein, natürlich nicht. Nicht einmal im Ansatz kann Gewalt toleriert werden. Wenn ich für das staatliche Gewaltmonopol bin, kann ich nicht genehmigen, daß Bürger - auch wenn sie noch so berechtigte Gründe vorschützen - für sich in Anspruch nehmen, Gewalt auszuüben.
Deswegen glaube ich auch, daß Sie mit Ihrem Ansatz - hier schließt sich der Kreis, den Sie zu ziehen begonnen haben -, nämlich für alle Kriminalitätserscheinungen Schuldige in der Gesellschaft, in den bösen Strukturen und zuletzt in der Bundesregierung zu finden, von dem eigentlichen Problem in unserer Gesellschaft ablenken wollen: Teile der Gesellschaft haben nämlich nicht die Kraft, Gesetze in Härte und in Strenge anzuwenden oder Gesetze zu verschärfen. Sie glauben nämlich wirklich, daß der Mensch durch gutes Zureden auf Dauer besser wird.
Wolfgang Zeitlmann
Das glaube ich nicht. Ich meine, wir brauchen schärfere Gesetze.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für eine Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Rezzo Schlauch das Wort.
Herr Kollege Zeitlmann, ich freue mich, daß Sie sich posthum von Ihrem großen Vorsitzenden distanziert haben, der damals eine Lkw-Blockade geradezu euphorisch beklatscht hat und zum Zeichen seiner Solidarität auf den Brenner und an genau denselben Ort, an dem neulich blockiert wurde, gefahren ist. Damals habe ich von Ihnen - vielleicht kannte ich Sie nur noch nicht - überhaupt nichts gehört.
Nun zu den Gewalttätern in Frankreich. Es ist wirklich die Frage zu stellen, wie hundert nicht unbekannte, sondern registrierte Hooligans, von denen bekannt war, daß sie nach Frankreich reisen wollten, dorthin kommen konnten. Was nützen mir denn die Dateien, die angelegt werden, wenn das nicht verhindert wird? Sie haben doch den Glauben an die Dateien, nicht wir.
Nur en passant und zum Schluß noch folgendes. Sie haben gemeint, ich hätte nichts mehr mit der Kirche am Hut. Ich bin Mitglied der protestantischen Kirche und stellvertretendes Mitglied der EKD-Synode. Nicht nur Bayern sind Christen, sondern auch außerhalb des Bayernlandes gibt es noch gläubige Christen.
Herr Abgeordneter Zeitlmann, möchten Sie antworten? - Bitte sehr.
Kollege Rezzo Schlauch, erstens habe ich in keiner Weise Ihre Zugehörigkeit zu einer Religion angezweifelt. Als ich gesagt habe, man solle die Kirche im Dorf lassen, gab es hämische Zurufe von Ihrer Seite. Darauf habe ich gesagt: Ich kann mir aus dem Umgang mit Ihnen im Ausschuß vorstellen, daß das bei Ihnen nicht so hoch im Kurs steht. Ob Sie in der Kirche sind oder nicht, ist mir relativ wurscht.
Zweiter Punkt. Herr Kollege Schlauch, Sie haben gefragt, wieso hundert Hooligans nach Frankreich kommen konnten. Sie wissen ganz genau, daß die Menschen Dutzende von Möglichkeiten haben, mit Autos über die offenen Grenzen anzureisen, wenn sie raffiniert genug sind - und das scheinen sie gewesen zu sein -, nicht im Pulk anzureisen, sondern mit Pkws, ausgestattet mit Handys. Deswegen können Sie niemandem einen Vorwurf machen. Wir diskutieren es ja gerade: In unserem Staat gibt es ja bis heute nicht die Möglichkeit, verdachtsunabhängig - -
- Durch wen denn gehindert? Kollege Schlauch, es geht halt nicht -
- Schreien Sie nicht so laut. Das macht es doch nicht besser.
Zu Franz Josef Strauß: Ich habe mich von nichts distanziert, schon gar nicht von der Person, die ich sehr hoch eingeschätzt habe und heute noch sehr viel höher einschätze. Übrigens hat er auch niemanden beglückwünscht. Ich weiß das genau, weil das in meinem Wahlkreis geschehen ist. Er ist damals, als blokkiert wurde, dorthin gereist und hat sich informiert.
- So ist der Sachverhalt. Wenn nur der Ansatz der Billigung von Blockaden erkennbar gewesen wäre, hätte ich das damals als kleiner Bauernbürgermeister vielleicht schon kritisiert.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zu den zahlreichen Abstimmungen.
Zunächst stimmen wir über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozeßordnung - DNA-Identitätsfeststellungsgesetz - ab. Dies sind die Drucksachen 13/10791 und 13/11116, Buchstabe a.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer gesetzlichen Grundlage für die Gen-Datei auf Drucksache 13/11116 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10656 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der SPD angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkom-
Vizepräsidentin Michaela Geiger
men über das Verbot der doppelten Strafverfolgung auf Drucksache 13/8195. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10968, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Drucksache 13/10157. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10969, auch diesen Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften - EU-Bestechungsgesetz - auf den Drucksachen 13/10424 und 13/10970. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P., SPD und PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften - EG-Finanzschutzgesetz - auf den Drucksachen 13/10425 und 13/10971. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/ CSU, F.D.P. und SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem bereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen,
Drucksache 13/10426. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11028, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/ CSU, F.D.P. und SPD bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Drucksache 13/ 10427. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/10972, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, Drucksachen 13/10428 und 13/10973. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P., SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Bekämpfung der Korruption durch die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmier- und Bestechungsgeldern, Drucksache 13/742. Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11129 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich lasse zunächst über den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/742 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Maßnahmen gegen Korruption, Drucksache 13/ 11129 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/617 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit den Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. gegen die Stimmen
Vizepräsidentin Michaela Geiger
von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.
Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Eindämmung der internationalen Korruption, Drucksache 13/11129 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1717 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen?
- Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit und Verringerung der Jugendkriminalität auf Drucksache 13/11143. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8968 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen?
- Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, liegt mir eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Hörster, CDU/CSU.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beantrage gemäß § 24 unserer Geschäftsordnung, wegen des Sachzusammenhangs die Tagesordnungspunkte 6 a bis c, die mit „Mit Innovationen Massenarbeitslosigkeit überwinden " beginnen, und die Tagesordnungspunkte 7 a bis i, die mit „Arbeit ist genug vorhanden - Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung" beginnen, miteinander zu verbinden. Bei beiden Themen geht es um Methoden und neue Wege zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Deswegen sollten wir beide Tagesordnungspunkte zusammen diskutieren.
Der Herr Abgeordnete Schmidt sagt, er sei einverstanden. - Frau Dr. Enkelmann hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist kaum nachvollziehbar, was hier passiert. Wir haben in den Runden der Parlamentarischen Geschäftsführer diese Frage vorher beraten und abgewogen. Es ist kaum nachvollziehbar, warum es zunächst getrennt auf der Tagesordnung erscheint und jetzt zusammengelegt werden soll. Wir sind in dieser Frage ziemlich leidenschaftslos. Unseres Erachtens gehören eine moderne Wirtschaftspolitik - wohlgemerkt: eine moderne Wirtschaftspolitik - und eine Arbeitsmarktpolitik, die diesen Namen allerdings auch verdienen muß, sehr wohl zusammen. Nur, worum ging es in diesem Streit zwischen SPD und CDU/CSU? Ich denke, es geht darum, daß sich jeder als das darstellen will, was er
im Grunde genommen nicht ist: Die CDU ist so wenig beschäftigungsorientiert wie die SPD innovativ. Wir stimmen dem Antrag, daß die Tagesordnungspunkte zusammengelegt werden, trotzdem zu.
Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen mir nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag, die Tagesordnungspunkte 6 und 7 zusammen mit einer Debattenzeit von drei Stunden zu beraten. Ich bitte diejenigen, die dem Geschäftsordnungsantrag zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Geschäftsordnungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, F.D.P. und PDS bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 6a bis c sowie 7 a bis i auf:
6. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anke Fuchs , Ernst Schwanhold, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Mit Innovationen Massenarbeitslosigkeit überwinden
- Drucksache 13/10879-
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg Tauss, Edelgard Bulmahn, Doris Odendahl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Förderung von Forschung und Entwicklung für Innovationen und zukunftsfähige Arbeitsplätze im Informationszeitalter
- Drucksache 13/10563 -
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Manuel Kiper, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Simone Probst und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Manuel Kiper, Simone Probst und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Förderung von Forschung und Entwicklung in der Informationstechnik
- Drucksachen 13/7225, 13/8636, 13/8857, 13/9763 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Martin Mayer
Jörg Tauss
Dr. Manuel Kiper
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Wolfgang Bierstedt
Vizepräsidentin Michaela Geiger
7. a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Ulf Fink und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Babel und der Fraktion der F.D.P.
Arbeit ist genug vorhanden - Neue Initiative zur Beschäftigungsförderung
- Drucksachen 13/9743, 13/10687 - Berichterstattung:
Abgeordneter Adolf Ostertag
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sozialbericht 1997
-Drucksache 13/10142 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Gesundheit
c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ulf Fink, Eva-Maria Kors, Wolfgang Lohmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Gisela Babel, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Uwe Lühr, Dieter Thomae und der Fraktion der F.D.P.
Hilfe zur Arbeit
- Drucksachen 13/8687, 13/10759 -
d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Teilzeitbeschäftigung
- Drucksache 13/1888 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksache 13/10463 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Böhmer
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Gerd Andres, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch Abbau von Überstunden und Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck , Matthias Berninger, Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beschäftigungsorientierte Arbeitszeitpolitik: Bonus-Malus-System als Anreiz zur Verkürzung der Arbeitszeiten und zum Abbau von Überstunden
- Drucksachen 13/7522, 13/7800, 13/ 10463 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Böhmer
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Gerd Andres, Adolf Ostertag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Arbeit schaffen statt Arbeitslosigkeit finanzieren
- Drucksache 13/10850 -
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck , Matthias Berninger, Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Die Voraussetzungen für ein Bündnis für Arbeit und Umwelt schaffen
- Drucksache 13/11131 -
h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Christel Hanewinckel, Ulla Schmidt (Aachen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Förderung der Beschäftigung in privaten Haushalten durch Dienstleistungsgutscheine und Dienstleistungsagenturen
- Drucksachen 13/5135, 13/10496 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Böhmer
i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner und der Gruppe der PDS
Überstunden abbauen und die Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden begrenzen - Das Arbeitszeitgesetz beschäftigungsorientiert novellieren
-Drucksachen 13/10015, 13/11136 -Berichterstattung:
Abgeordneter Adolf Ostertag
Für die Aussprache haben wir soeben drei Stunden beschlossen.
Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Hans-Peter Repnik, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Hans-Peter Repnik
Herren! Der SPD-Antrag auf Drucksache 13/10879, auf den ich mich in dieser Debatte in erster Linie konzentrieren möchte, ist noch keine vier Wochen alt, und er strotzt schon im analytischen Teil nur so von Fehlern.
- Ich werde Punkt für Punkt darauf eingehen, Herr Kollege.
Ich unterstelle, daß auch die Vertreter der SPD gelegentlich Tageszeitungen lesen. Wenn sie dies täten, müßten sie sehen, daß wir in einer völlig anderen Realität leben, als dieser Antrag es wiedergibt. Daraus leite ich nur zwei Möglichkeiten ab: Entweder hat die SPD einen Ladenhüter reanimiert, ohne daß sie sich mit der jetzigen Situation auseinandergesetzt hat, oder die SPD - ich vermute, das zweite liegt vor - will einmal mehr die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Verhältnisse, die bei uns herrschen, täuschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, kein Wort davon und auch kein Hinweis darauf, daß von Januar bis Mai dieses Jahres die Arbeitslosenzahlen in der Bundesrepublik Deutschland um 630 000 zurückgegangen sind. Einen solchen Rückgang hatten wir seit Jahren nicht mehr. Das ist bei allen Problemen, die wir haben, eine positive Botschaft für unsere Bürger.
Kein Wort davon, daß auch in den neuen Ländern bei allen Problemen, die es dort gibt und die wir beklagen, die Trendwende erreicht ist. Kein Wort davon, daß wir bei einem ganz anderen wichtigen Faktor, nämlich bei den offenen Stellen, eine sensationell positive Entwicklung haben.
- Haben Sie etwas dagegen, Frau Kollegin Fuchs, daß wir bei den offenen Stellen ganz hervorragende Zuwächse haben? Das ist doch eine positive, eine ermutigende Botschaft. Auch dies müssen wir den Bürgern sagen.
Wenn wir heute in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 500 000 offene Stellen - und zwar mit steigender Tendenz in den letzten Monaten - und in den neuen Bundesländern, was mir ebenfalls ganz beachtenswert zu sein scheint -100 000 neue offene Stellen haben, dann zeigt dies, daß sich bei uns auf dem Arbeitsmarkt etwas abspielt, daß es vorangeht.
Herr Kollege Repnik, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pinger?
Ich möchte noch kurz den Gedanken zu Ende führen. Gleich bekommt mein Kollege Pinger das Wort. Er darf gerne eine Frage an mich richten.
- Das haben wir nicht nötig, Herr Kollege Schwanhold. Für uns sprechen die Fakten; wir brauchen keine Stichwortgeber, das kann ich Ihnen nur sagen.
Wenn wir gleichzeitig wissen, daß nur jede dritte offene Stelle auch der Arbeitsverwaltung gemeldet wird, dann müssen Sie diese 500 000 mit dem Faktor drei multiplizieren, dann haben wir in der Bundesrepublik Deutschland derzeit 1,5 Millionen offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Antrag sprechen Sie davon, daß die Wachstumsprognosen falsch seien. Auch in diesem Jahr hat sich einmal mehr gezeigt: Derjenige, der mit seinen Prognosen am weitesten daneben lag, das ist der wirtschaftspolitische Berater Ihres Parteivorsitzenden, Herr Flassbeck, mit dem DIW. Er liegt einmal mehr darunter und ist von der Realität schon längst eingeholt.
Es müßte doch auch Sie, Herr Schwanhold, nicht nur interessieren, sondern erfreuen, daß wir im ersten Quartal 1998 einen Zuwachs des Bruttosozialproduktes von 3,8 Prozent haben und damit den höchsten Zuwachs seit der Wiedervereinigung. Das ist doch eine positive Bilanz. Auch dies widerspricht Ihrem Antrag.
Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, daß dies alles nur vom Export getragen ist. Wir freuen uns, daß wir wieder Exportweltmeister sind. Darauf können wir Deutsche stolz sein.
Aber nehmen Sie doch bitte seitens der SPD zur Kenntnis, daß dieses vom Export getragene Wachstum längst auf den Binnenmarkt übergesprungen ist. Wir haben im ersten Vierteljahr dieses Jahres in der Investitionsgüterindustrie einen Zuwachs von 10,7 Prozent. Das heißt, das Wachstum ist auch im Binnenmarkt verankert. Der private Verbrauch hat um 1,7 Prozent zugenommen. Auch hier ist die Trendwende erreicht. Dies sind doch positive Daten, über die wir sprechen müssen.
- Ja, weiter so, Deutschland, Frau Kollegin Fuchs. Deshalb werden wir Ihnen und der Öffentlichkeit nicht ersparen, daß wir die Wahrheit unter das Volk
Hans-Peter Repnik
bringen; denn die Wahrheit und die Fakten sprechen für die Politik dieser Koalition.
Lassen Sie mich ein nächstes Beispiel bringen. Sie mahnen in diesem Antrag an: Steuern runter, Lohnnebenkosten runter, weil die Arbeitnehmer zu stark belastet seien. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bleiben wir einmal bei den Lohnnebenkosten: Rentenreform, Gesundheitsreform, AFRG, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz - das sind alles Maßnahmen, die wir gegen Ihren nachhaltigen Widerstand durchgesetzt haben, um die Situation der Arbeitnehmer zu erleichtern.
Dies ist doch die Realität. Machen Sie doch den Leuten nicht ein X für ein U vor!
Steuerreform: Wir haben in unseren Petersberger Beschlüssen, hier im Deutschen Bundestag verabschiedet, den Eingangssteuersatz für untere Einkommenschichten von 25,9 auf 15 Prozent gesenkt. Wer hat die Erleichterung für den Arbeitnehmer verhindert? Das waren Sie im Bundesrat mit der SPD-Mehrheit,
nicht wir. Wir haben doch die Erleichterungen durchgeführt.
Ein zweites Beispiel in dem Zusammenhang: Wir
haben gesagt, eine solche Reform zeigt nur Wirkung im Sinne von wachstumssteigernden Kräften, wenn wir den Bürger und die Wirtschaft netto entlasten. 30 Milliarden DM - wir hätten mit einer solchen Nettoentlastung den Konsum angeregt und den Unternehmen Spielräume für Investitionen verschafft. Dies hätte bedeutet, Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Sie haben dies mit Ihrer Blockadehaltung im Bundesrat verhindert. Das ist doch die Wahrheit, nichts anderes. Schreiben Sie doch kein so dummes Zeug in Anträge, die Sie hier zur Beratung vorlegen.
Wir sprechen über Innovation. Ein Unternehmen kann nur dann innovativ tätig sein, wenn es auch die finanziellen Möglichkeiten für Innovationen hat. Wir wollten die Gewerbekapitalsteuer, eine Substanzsteuer, abschaffen und den Betrieben in den neuen Bundesländern diese Last ersparen. Sie haben uns lange Zeit daran gehindert. Wir haben zum Schluß die Abschaffung dieser Substanzsteuer durchgesetzt, um den Unternehmen Chancen für Innovation und damit für Arbeitsplätze zu geben. Sie haben noch im Bundesrat - daran gibt es nicht zu deuteln - dafür gestimmt, daß die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern eingeführt wird.
- Ich führe meinen Gedanken jetzt erst einmal zu Ende, Herr Kollege Mosdorf. Nachher können Sie gerne eine Zwischenfrage stellen.
Bei der schwierigen Kapitalausstattung gerade der kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern wäre diese Steuer für die Wirtschaft in den neuen Bundesländern und für die Arbeitsplätze Gift gewesen. Gegen Ihren Willen mußten wir auch dies in einem schwierigen Verfahren durchsetzen.
Zur betrieblichen Vermögensteuer: Wir haben gesagt, sie muß weg, um die Unternehmen zu entlasten, Freiräume für Innovation, Freiräume für Investitionen und damit Möglichkeiten für neue Arbeitsplätze zu schaffen. Sie haben sich dagegen verwahrt. Ich vermute, Herr Schwanhold und Herr Mosdorf, Sie waren bei der Diskussion, die wohl gestern stattgefunden hat, als Roland Berger und Walter Riester - ich habe die „FAZ" von heute vorliegen - zu diesem Thema gesprochen haben.
Roland Berger sagt auf dem SPD-Forum zum Thema der Wiedereinführung der Vermögensteuer, wie Sie es fordern:
Hochtechnologieunternehmen, die mit dem hundertfachen Gewinn an der Börse bewertet werden, jagen Sie damit ins Ausland, die Brauereien bleiben im Inland.
Dies wäre die Folge, wenn wir Ihrem Beispiel folgen würden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mosdorf?
Bitte sehr, Herr Kollege Mosdorf.
Ich habe erstens die herzliche Bitte, daß Sie die Frage beantworten, ob Sie in Erinnerung haben, daß wir die Gewerbekapitalsteuer mit Ihnen zusammen abgeschafft haben.
Zweitens möchte ich, daß Sie die Frage beantworten, ob die Verzögerung der Entscheidung nicht daran lag, daß der Deutsche Städtetag - Frau Roth hat sich da sehr engagiert - einen entsprechenden Ersatz für die wegfallenden kommunalen Einnahmen haben wollte. Sie wissen, daß die Kommunen ein wichtiger Träger der Investitionen sind und daß man eine Steuer nicht einfach nur abschaffen kann, sondern daß man zu einem sinnvollen Ausgleich kommen mußte. Der Städtetag hat darauf gedrängt, daß ein solcher zustande kommt. Dies ist an Ihnen lange gescheitert. Wir haben uns dann geeinigt.
Die dritte Frage ist: Wollen Sie dem Parlament bitte bestätigen, daß auch wir für die Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer waren?
Verehrter Herr Kollege Mosdorf, zum ersten kann ich nur sagen: Der Bundesrat hat die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zurückgewiesen und in einem außergewöhnlich langwierigen Vermittlungsverfahren - -
- Frau Kollegin Fuchs, ich habe die gesamten Verhandlungen mitgemacht und zum Teil geführt. Ich könnte zitieren, was SPD-Finanzminister aus den neuen Ländern zu unserem Vorhalt gesagt haben, welche Konsequenzen die Einführung der Gewerbekapitalsteuer dort hätte, nämlich: Wir stehen das schon durch. Die wirtschaftliche Situation hatte niemanden interessiert. Wir haben den Kommunen von Anfang an einen fairen Ausgleich angeboten.
Das war Gegenstand unseres Gesetzentwurfs.
Wahr ist, daß hier etwas nach oben verbessert wurde, und wahr ist, daß Sie zum Schluß zugestimmt haben.
Aber wir haben ein halbes Jahr wertvolle Zeit verloren. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, Herr Mosdorf, hätten wir die Gewerbekapitalsteuer nicht abgeschafft, und wir hätten sie heute in den neuen Bundesländern. Das kann doch überhaupt nicht bestritten werden.
Wenn wir schon dabei sind, füge ich noch einen zweiten Punkt hinzu: Wir sprechen über Innovation und den Arbeitsmarkt. Da wir wissen, daß der Mittelstand die arbeitsplatzstärkste Sparte unserer Wirtschaft ist, wissen wir auch, daß wir gerade im mittelständischen Bereich sorgfältig darauf achten müssen, daß wir ihm die Chance geben, Eigenkapital zu bilden. Wir haben deshalb gesagt, die Gewerbeertragsteuer wird mittelstandsfreundlich gesenkt.
Auch dies haben Sie im Bundesrat mit Ihrer Mehrheit abgelehnt - zum Schaden des Mittelstands und damit, so behaupte ich, auch zum Schaden des Arbeitsmarkts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einige ganz wenige Anmerkungen machen, weil ich gerade auch auf folgendes hinweisen möchte: In einer so schwierigen Zeit, in der wir wissen, daß die Bürger von dem Thema Arbeitsplatz umgetrieben werden, sollten wir nicht nur negative Daten verkünden, sondern dort, wo es aufwärts geht, auch die positiven Daten in den Vordergrund rücken.
In diesem Sinne noch etwas zum Thema Osten: Reden wir doch darüber, was in den neuen Bundesländern gerade bei neuen Technologien gelungen ist, zum Beispiel das Technologietransferzentrum Dresden. Reden wir darüber, was nicht zuletzt auf Grund der Leistung von Lothar Späth in Jena in diesem Umfeld gelungen ist. Dies sind alles neue, zukunftsträchtige Technologien. Reden wir doch über die Wissenschaftscity in Berlin-Adlershof oder auch über das Thema „Schwarze Pumpe " - modernstes Braunkohlekraftwerk der Welt! Da ist neueste Technologie gepaart mit Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherheit. Das sind Erfolge, die wir nicht verschweigen sollten und auch nicht verschweigen dürfen.
Zum Schluß will ich noch auf einen Punkt hinweisen. Wir wissen ganz genau: Innovation ist nur bei guter Ausbildung möglich. Ich betrachte einmal, was in diesem Bereich in den letzten Jahren gelaufen ist. Gute Ausbildung ist in erster Linie eine Aufgabe der Länder. Daher bietet sich natürlich ein Vergleich zwischen den Ländern an.
Populistische Lehrerschelte wie die Ihres Kanzlerkandidaten Schröder in Niedersachsen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Niedersachsen in der Lehrerversorgung zum Schlußlicht geworden ist. In Niedersachsen wurden bei 90 000 zusätzlichen Schülern 3000 Vollzeitlehrerstellen gestrichen. In BadenWürttemberg ersetzen wir alle Abgänger und schaffen 1600 neue Lehrerstellen. Warum? Weil wir wissen, daß eine gute Schulausbildung die Grundlage für spätere Innovation ist und damit zur Stärkung unseres Standorts Deutschland beiträgt. Auch in diesem Bereich Fehlanzeige bei der SPD und ihrem Kandidaten!
- Lachen Sie doch nicht, Frau Kollegin Fuchs! Das ist ein ganz ernsthaftes Thema. In Niedersachsen soll jetzt eine Einheitsschule eingeführt werden.
Wir wissen doch ganz genau, daß sich dieser Ausstieg aus dem dreigliedrigen Schulsystem, das am ehesten begabtengerecht ist, langfristig ebenfalls negativ auf den Standort Deutschland auswirken wird.
Herr Abgeordneter, jetzt ist Ihre Redezeit zu Ende.
Jawohl. Verehrte Frau Präsidentin, wenn Sie mir noch zwei Sätze gestatten: Daß das Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, zeigt sich an zwei Daten. Erstens. Die Quote der Patentanmeldungen in Niedersachsen liegt bei 35
Hans-Peter Repnik
auf 100 000 Einwohner, in Baden-Württemberg bei 95 Anmeldungen auf 100 000 Einwohner.
Zweitens. Schauen wir einmal, wie es bei der Arbeitslosigkeit aussieht: Unter den 30 Arbeitsämtern mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten sind 13 aus Baden-Württemberg und 16 aus Bayern. Niedersachsen und das Saarland liegen am Schluß - und das bei gleichen bundespolitischen Voraussetzungen. Es soll also keiner sagen, die Rahmenbedingungen seien nicht gut. Die Landespolitik in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen, nützt die Rahmenbedingungen nicht aus, sonst könnten wir nicht einen solch eklatanten Unterschied zwischen Bayern und Baden-Württemberg einerseits und Niedersachsen und dem Saarland andererseits haben.
Ich bedanke mich sehr herzlich, Frau Präsidentin.
Das Wort hat die Abgeordnete Edelgard Bulmahn, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Repnik, ich freue mich über jeden Arbeitslosen, der einen Arbeitsplatz gefunden hat.
Weil ich möchte, daß auch die mehr als 4 Millionen Arbeitslosen, die noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben, in Zukunft einen finden werden, ist es notwendig, daß wir heute die Strukturen in dieser Republik so verändern, daß Innovationen gefördert und daß Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden.
Eine Innovationspolitik, die dieses Ziel im Auge hat, muß die gesamte Gesellschaft und die Voraussetzungen für Wertschöpfung im Blick haben: Bildung und Ausbildung, Qualifizierung und Forschung sowie die Entwicklung hin bis zur konsequenten Umsetzung in Produkte oder Dienstleistungen. Nur ein breiter Innovationsansatz, in dem Qualifizierung und Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft und umwelt- und sozialpolitische Ziele miteinander verknüpft werden, kann die notwendige Bereitschaft und Akzeptanz für Veränderungen erzeugen.
Innovation und soziale Sicherheit sind daher keine Gegensätze; vielmehr gehören sie zusammen und müssen in der politischen Arbeit zusammengeführt werden.
Im Bereich wichtiger Spitzentechnologien ist Deutschland schwach. Unser Bildungs- und Hochschulsystem muß effektiver und beweglicher werden.
Unser Dienstleistungsbereich entwickelt sich zu langsam.
Erfindungen werden nicht oft genug zur Marktreife gebracht. Es gibt zuwenig Unternehmensgründungen in innovativen Bereichen. Die Unternehmen und vor allem auch der Staat müssen ihre Organisationsstrukturen verbessern.
Zwar zeigen die Exportüberschüsse vieler deutscher Unternehmen, daß sie gegenwärtig im internationalen Vergleich konkurrenzfähig sind, doch leben viele Unternehmen von den Innovationen von gestern. Auf Erfolgen von gestern, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man sich aber nicht ausruhen.
Und vor allem kann Politik nicht die Hände in den Schoß legen und einfach sagen: Weiter so!
Gerade das kann Politik nicht. Sie muß vielmehr Zukunftsvisionen formulieren, sie muß Kräfte bündeln und zusammenführen, sie muß Anstöße für Initiativen geben. Politik muß ihre Gestaltungsmöglichkeiten endlich nutzen.
Die konservative Innovationspolitik ist gescheitert. Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung haben Rekordhöhe erreicht. Durch die verfehlte Finanzierung der deutschen Einheit über die Sozialversicherung sind die Lohnnebenkosten beträchtlich gestiegen. Gleichzeitig wurde leider die Zukunftsvorsorge vernachlässigt.
Die Bundesausgaben für Bildung und Forschung sind von 233 auf 151 DM pro Kopf der Bevölkerung in realen Preisen zurückgegangen. Das ist die Bundespolitik. Zitat Rüttgers: „Wir leben zunehmend von der Substanz. " Das ist richtig - leider richtig, Herr Rüttgers.
Das deutsche Innovationsproblem ist nicht in erster Linie ein technisches Problem, obwohl es auch hier Defizite gibt, die ich nicht verschweigen will. Die weichen Standortfaktoren gewinnen an Bedeutung. Innovationspolitik in der Bundesrepublik muß an Strukturen hochentwickelter Industriestaaten anknüpfen, also bei Bildung, Forschung, Entwicklung, Organisation, Kultur sowie Infrastruktur und einem koordinierten Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft, Tarifparteien und Verwaltung.
Das Forschungssystem in der Bundesrepublik ist hochdifferenziert und dezentral. Das wird international als ein wichtiger Vorteil betrachtet. Allerdings muß ein solches System vernetzt werden und eine
Edelgard Bulmahn
ausreichende Flexibilität und Dynamik aufweisen. Das ist gegenwärtig leider nicht in ausreichendem Maße der Fall.
Anpassungsfähigkeit und Offenheit für Wandel sowie für Flexibilität in den Forschungsstrukturen sind erforderlich. Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und Unternehmen müssen in der Lage sein, neue Themen und Fragestellungen frühzeitig aufzunehmen, problemorientiert und interdisziplinär zu bearbeiten. Vernetzung und verstärkte Kooperation sowohl der Unternehmen untereinander als auch zwischen Forschungseinrichtungen sowie Forschungseinrichtungen auf der einen Seite und Unternehmen auf der anderen Seite müssen verbessert werden.
Die moderne Form der Wissensgewinnung enthält wesentliche Elemente, nämlich Problemorientierung, Anwendungsorientierung, Vernetzung der Akteure im Innovationssystem und flexible, reaktionsfreudige Systeme. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt im übrigen auch für die Politik, und da haben Sie bisher so gut wie nichts gemacht.
Innovationen hängen immer mehr von der Bereitschaft und der Motivation der Beschäftigten ab, sich auf etwas Neues einzulassen. Um diese Bereitschaft und Motivation in den Unternehmen zu erreichen, muß man ihnen Entfaltungs- und Gestaltungsspielräume geben. Darin liegt im übrigen teilweise auch der Schlüssel für viele Strukturprobleme in den neuen Ländern.
Innovation bedeutet nicht allein die Förderung von Spitzentechnologien - das wäre ein Mißverständnis -, sondern auch die Modernisierung der gesamten Wirtschaft, einschließlich der Klein- und Mittelbetriebe sowie des gesellschaftlichen Umfeldes.
Die Bedeutung der kleinen und mittleren Betriebe für Wachstum, Arbeitsplätze, Ausbildung und Innovation wird jetzt landauf, landab zitiert. Aber die fachprogrammbezogene Projektförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für kleine und mittlere Unternehmen liegt gerade einmal bei 300 Millionen DM.
Deshalb wollen wir den Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an der Projektförderung deutlich erhöhen. Ein neues, zukunftsgerichtetes Konzept der KMU-Förderung muß eine breite Forschungs- und Dienstleistungsinfrastruktur zur Verfügung stellen, die Engpässe am Arbeitsmarkt für hochqualifiziertes Personal sowie bei der Weiterqualifizierung des vorhandenen Personals überwinden helfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen eine neue Kultur der Selbständigkeit. Dazu gehört der Aufbau einer attraktiven Finanzierungsinfrastruktur. Er muß gezielt gefördert werden. Der Gang an die
Börse muß für junge Unternehmen erleichtert werden, und Wagniskapital muß steuerlich begünstigt werden. Die Lockerung des Insolvenzrechtes, die Entschlackung des Unternehmensbeteiligungsgesetzes und Rückkehrzusagen für Existenzgründer, die im öffentlichen Bereich beschäftigt sind, müssen diese Maßnahmen abrunden. All das hätten Sie in den letzten 16 Jahren tun können. Sie haben es nicht gemacht. Wir werden es tun.
Soziale Innovationen sind für die Verbesserung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft von ganz besonderer Bedeutung. Die gezielte Förderung sozialer Innovationen muß deshalb in Zukunft ein fester Bestandteil von Förderpolitik werden. Nur wenn Nutzerbedürfnisse frühzeitig artikuliert und in den Prozeß der Technikentwicklung eingebracht werden, sind Gestaltungsoffenheit der Entwicklung wie auch Marktchancen wirklich gewährleistet.
Die Forschungspolitik kann aber auch wesentliche Anstöße durch die Förderung von Pilotprojekten zur Entwicklung von humanzentrierten und wirtschaftlich effizienten Arbeits- und Fertigungskonzepten geben. Die von der Bundesregierung völlig zu Unrecht finanziell ausgebluteten Bereiche Technikgestaltung und Arbeit und Technik müssen deshalb wieder mit Leben erfüllt werden. Neue Innovationskonzepte, die zur Stabilisierung und Verbesserung der Beschäftigungssituation beitragen, müssen erarbeitet und erprobt werden.
Die Verbesserung der administrativen und gesetzgeberischen Rahmenbedingungen für innovative Technologieentwicklung ist eine weitere Aufgabe. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß Innovationen effektiv sowie sozial- und umweltverträglich erschlossen werden können. Diese Aufgabe wird allerdings von der Bundesregierung ausschließlich unter der Devise Deregulierung betrieben. Ich sage Ihnen: Ein solches Verständnis greift schlichtweg zu kurz. Wir dürfen nämlich nicht übersehen, daß Regulierungen und Normsetzungen technologische Entwicklungen und Innovationen auch fördern und anstoßen können. Es kommt deshalb darauf an, daß man das Instrument der regulativen Politik aktiv dazu nutzt, überflüssige Bürokratie und überflüssige Regulierungen über Bord wirft, den Unternehmen langfristig verläßliche Rahmenbedingungen garantiert, zugleich aber den Stand der technologischen Entwicklung, etwa durch im Zeitablauf steigende Anforderungen im Umweltbereich, voranbringt. Die richtige Norm, der richtig gesetzte Standard sind oft entscheidend für den Markterfolg eines Produktes oder eines Verfahrens und für die Entfaltung einer entsprechenden Marktdynamik.
Die Flexibilitätspotentiale neuer Technologien können nicht in den alten Unternehmensstrukturen entfaltet werden, sondern sie erfordern neue Formen der Ausbildung, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Das Arbeitsleben wird in Zukunft nicht mehr in der überkommenen starren Abfolge von Ausbildung und Beschäftigung organisiert werden
Edelgard Bulmahn
können; notwendig ist eine stärkere Verknüpfung von Ausbildung, Weiterbildung und Beschäftigung,
eine Verknüpfung, die tatsächlich mit dem Anspruch auf lebenslanges Lernen Ernst macht. Wir müssen diese Brücken in eine moderne Arbeitsgesellschaft jetzt bauen und nicht wiederum jahrelang warten.
Innovationspolitik muß sowohl am unmittelbar Machbaren ansetzen, also anwendungsorientierte Forschung und die Umsetzung ihrer Ergebnisse fördern, als auch Freiräume für marktferne Grundlagenforschung, die erst auf längere Sicht zu wirtschaftlichen Erträgen führen kann, schaffen.
Mit der Entwicklung von Zukunftstechnologien werden sich - auf den traditionellen deutschen Stärken aufbauend - viele Märkte auftun. In diesen Märkten werden Informationstechnologien, neue Materialien und biotechnologische Erzeugnisse eine entscheidende Rolle spielen. Für die deutsche Industrie, deren Stärken in den Branchen höherwertiger Technologien, im Maschinenbau, in der Automobilindustrie und in der chemischen Industrie, liegen, ist es jedoch von strategischer Bedeutung, die Spitzentechnologie mit den vorhandenen Kompetenzen zu verknüpfen.
Das ist die Herausforderung, vor der die Industrie steht, vor der wir aber als Politikerinnen und Politiker ebenfalls stehen, weil wir diese Zusammenführung, diese Koppelung von Kompetenzen unterstützen, verstärken und fördern müssen.
Neue Produkte - das ist eine langjährige Erfahrung - wie zum Beispiel die Solartechnik, aber auch die Brennstoffzelle werden nur dann zur Anwendung gelangen und werden sich nur dann verbreiten, wenn der Staat auch ausreichende Rahmenbedingungen für die Anwendung und die Nutzung dieser Technologien schafft.
Die Forschungs-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltpolitik müssen deshalb endlich koordiniert und vernetzt werden.
Wir brauchen ganz sicher auch in Zukunft wirtschaftliches Wachstum, aber ein Wachstum, das nachhaltig ist, das in der Gesamtbilanz Umwelt erhält und Rohstoffe nicht länger verschwendet. Die ökologische Umsteuerung der Wirtschaft muß deshalb auf der Tagesordnung einer Regierung ganz oben stehen. Umweltschonende Produkte werden schon bald ein Exportschlager sein; in einer Reihe von Anwendungsbereichen sind sie es schon.
Das hat auch große Bedeutung für Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzsicherung.
Innovationspolitik kann sich nicht auf die Verteilung von finanziellen Mitteln beschränken - das habe ich eben deutlich gemacht -, sondern sie muß Anstöße geben und vor allem Aufbruchstimmung erzeugen. Deshalb brauchen wir neue Köpfe; denn die alten Köpfe können diese Aufbruchstimmung nicht mehr vermitteln.
Wir brauchen Leitprojekte, an denen der Fortschritt klar ersichtlich ist. Wir brauchen den Einsatz der Biotechnologie im Dienste der Gesundheit, attraktive und umweltfreundliche Verkehrssysteme sowie moderne Formen dienstleistungsintegrierter Produktion. Dabei kommt es darauf an, die Nachhaltigkeit an sich zum integralen Bestandteil von Forschungs- und Innovationspolitik zu machen und nicht länger immer nur darüber zu reden.
Lange Zeit wurde der Begriff Innovationssystem nur auf Forschung und Entwicklung bezogen. Die Komplexität des Innovationsprozesses verlangt aber gerade auch die Einbeziehung des Umfeldes. Dies wird im angelsächsischen und skandinavischen Raum schon seit Jahren erkannt, und es wird entsprechend gehandelt. Das gilt in letzter Zeit auch für Organisationen wie die OECD. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Bedeutung des Menschen stellt das Aus- und Weiterbildungssystem ein zentrales Element im Innovationssystem dar. Alle neueren Untersuchungen betonen dies besonders.
Die Anzahl qualifizierter Beschäftigter weitet sich erheblich schneller aus als die Beschäftigung insgesamt. Arbeitsplätze mit hohen Anforderungen an das Qualifikationsniveau werden eher zögerlich abgebaut. Insbesondere innovierende Dienstleistungsunternehmen haben weitaus günstigere und - anders als Industrieunternehmen - positive Beschäftigungserwartungen.
Allerdings zeigen viele Untersuchungen auch, daß neue Technologien die Nachfrage nach Geringqualifizierten verringern. Deshalb sind auch hier Innovationen erforderlich; Innovationen in der Beschäftigungsorganisation, wie wir sie zum Beispiel mit der Einrichtung von Dienstleistungsagenturen vorschlagen oder wie das Beispiel Jobrotation in Dänemark zeigt, bei dem Weiterbildung mit der Schaffung von Einstiegsmöglichkeiten für Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt verknüpft wird.
Also auch hier führt die Innovation zu einer Verstärkung der Bedeutung von Aus- und Weiterbildung.
Die sinkende Bereitschaft von Unternehmen - das will ich nicht verschweigen -, in Ausbildung zu investieren, stellt eine gefährliche Entwicklung dar. Wir haben deshalb eine Reihe von Reformvorschlägen dazu vorgelegt, wie wir diese sinkende Ausbildungs-
Edelgard Bulmahn
bereitschaft fördern und verstärken können; denn das lernende Unternehmen - das bitte ich nicht zu vergessen - hat seine Basis in der Berufsausbildung und in der Weiterbildung.
Deshalb ist die Stärkung der Berufsausbildung, die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen sowohl im Interesse der Wirtschaft und der jungen Menschen als auch im Interesse der gesamten Gesellschaft. Eine verantwortungsvolle Bundesregierung darf hier nicht nur reden, sondern sie muß verbindliche Ergebnisse erzielen.
Den Hochschulen kommt für die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft eine Schlüsselrolle zu. Sie leisten mit der Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und Zukunftssicherung. Die Forschung an den Hochschulen ist das Fundament des deutschen Forschungssystems. Sie schafft die Grundlage für wissenschaftliche, technologische, soziale und wirtschaftliche Innovationen. Lebendige, leistungsfähige Hochschulen sind angesichts dieser Entwicklung ein Gebot zur Selbsterhaltung und Zukunftsvorsorge. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen für die Hochschulen verbessern, und zwar sowohl in organisatorischer und rechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht.
Wir sind bereit, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Wandel zu fördern, um die Zukunft zu sichern. Die Gesellschaft wird eine Innovationspolitik dann unterstützen, wenn diese die Lebenssituation von Menschen sichert oder verbessert und Antworten auf die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft gibt. Innovationspolitik muß deshalb die herkömmliche Arbeitsteilung zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung überwinden. Sie ist nämlich eine Querschnittsaufgabe, die neue Allianzen sowie neue Handlungs- und Kommunikationsstrukturen erfordert.
Dazu brauchen wir einen politischen Neuanfang. Die SPD ist dazu bereit, und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande sind es auch.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Manuel Kiper, Bündnis 90/ Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innovationen ist kein Zauberwort gegen die Arbeitslosigkeit, auch wenn in diesem Lande manchmal so getan wird. Innovationen sind in diesem Lande bitter nötig. Da sind wir uns einig. Innovationen sollen in der Wahlauseinandersetzung eine Dynamik signalisieren. Die Dynamik ist dieser Regierung, was den
wichtigen Bereich der Informationstechnik anbelangt, allerdings abhanden gekommen.
Das neue Rahmenkonzept der Bundesregierung „Innovationen für die Wissensgesellschaft" ist ein Auslaufmodell der 80er Jahre.
Dieses Rahmenkonzept ist die letzte Kopie des überholten „Zukunftsprogramms Informationstechnik". Dieses Rahmenkonzept ist der letzte Beweis dafür, daß in der Forschungs- und Technologiepolitik die Rüttgerssche Frischzellenkur ein Beitrag zum Exitus dieser Regierung geworden ist.
Die Informationstechnikpolitik dieser Bundesregierung - sie ist einer der Schwerpunkte ihrer Innovationsbemühungen - leidet vor allem unter der innenpolitischen Mobilisierung. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Ereignisse der letzten Zeit ansprechen.
Zunächst einmal möchte ich etwas zur Pornographiehysterie sagen, die an die Stelle einer Interneteuphorie getreten ist und dazu geführt hat, daß in diesem Jahr der Geschäftsführer von Compuserve, einem Internet-Provider, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Nicht weil er Böses getan hat und verbotenerweise Pornographie ins Netz geladen hat, sondern weil er den Zugang zum Internet international vermittelt hat. Er ist gewissermaßen als Briefträger für Straftaten haftbar gemacht worden, die andere begangen haben. Diese innenpolitische Mobilisierung, diese Mobilisierung unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit, diese Pornographiehysterie machen den Standort Deutschland kaputt und verhindern, daß wir neue Technologien und Innovationen in diesem Lande in einer Art und Weise nutzen, wie es wünschenswert wäre.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, der in diesen Tagen ausgesprochen aktuell ist. Es geht um die Überwachungshysterie - statt um eine Sicherheitsphilosophie - bei der Nutzung der Informationstechnik. Die Bundesregierung hat, als sie am 11. Mai den Entwurf zur Telekommunikationsüberwachungsverordnung verschickt hat, bewiesen, daß es ihr darum geht, in diesem Lande die Nutzung der Netze der Informationstechnik geradezu zu blockieren. Es ist beschämend, daß hier unter dem Überwachungsgesichtspunkt „Kampf gegen die Mafia" die Industrie dazu gezwungen werden soll, Überwachungsabhörschnittstellen in einer Größenordnung von ungefähr 40 bis 50 Milliarden DM einzurichten. Die Industrie soll diese Summe zahlen. 400 000 Unternehmen sind betroffen. Das sind völlig überzogene Überwachungsmaßnahmen. Die Technologie-
und Innovationspolitik dieser Bundesregierung leidet geradezu unter der Vorherrschaft von Gesichtspunkten innerer Sicherheit.
Ich möchte aber auch am Rahmenkonzept zur Informationstechnik im Detail Kritik üben. Die Förderung der Großen der Branche wird von der Bundesre-
Dr. Manuel Kiper
gierung nicht aufgegeben. Von 1990 bis 1996 sind fast 20 Prozent der gesamten Fördersumme aus diesem Bereich an eine einzige Münchener Firma geflossen. Das ist eine Wettbewerbsverzerrung. Andere Firmen wie SAP, Star Division oder Utimaco, die inzwischen Weltrang haben, haben in der Vergangenheit keinen Pfennig Förderung bekommen und sind trotzdem aufgestiegen. Hier liegt eine Verzerrung in der Technologieförderung durch die Bundesregierung vor.
In der IT-Förderung der Bundesregierung existiert nach wie vor - auch in dem neuen Programm - ein starkes Übergewicht der Hardwareförderung, obwohl Software, was die Wertschöpfung anbelangt, einen Anteil von 90 Prozent besitzt. Die Bundesregierung setzt in ihren Fördermaßnahmen nach wie vor zu zwei Dritteln auf den Hardware-Bereich.
Ich möchte auch den Punkt ansprechen, daß die Bundesregierung immer mehr weg von der Förderung der notwendigen Grundlagenforschung hin zur kurzfristigen Förderung im Anwendungsbereich geht.
Wir haben an Hand von zehn Punkten Änderungen im Bereich der Informationstechnik vorgeschlagen. Leider haben die Koalitionsfraktionen diese Punkte abgelehnt; leider hat sich auch die SPD-Fraktion in diesen Fragen enthalten, obwohl sie nunmehr einen Antrag zum Informationstechnikprogramm der Bundesregierung eingebracht hat. Dort wird in 13 Punkten ähnliches und - teilweise mit unseren Worten - gleiches gesagt: Nötig sind stärkere Gewichtung der Software-Forschung, stärkere Ausrichtung - Kollegin Bulmahn hat es schon gesagt - auf kleine und mittlere Unternehmen, stärkere Ausrichtung auf Sicherheit in der Informationstechnik, stärkere Ausrichtung auf Grundlagenforschung. Wir gehen in vielen Fragen d'accord.
Innovationen und Arbeitsplätze: Die Bundesregierung singt immer wieder das Hohelied von Spitzentechnologien und Millionen von Arbeitsplätzen. Richtig ist: Dieses Land braucht High-Tech, um auf den Exportmärkten bestehen zu können. Richtig ist aber auch: Es muß eine Ehrlichkeit in diesen Fragen geben; die Wahrheit über die High-Tech-Branchen muß gesagt werden. Wir dürfen den Bürgern dieses Landes keinen Sand in die Augen streuen. Die Millionen Arbeitsplätze in der IT-Branche gibt es nicht. Herr Minister Rüttgers, auch die Millionen Arbeitsplätze in der Biotechnologie-Branche, von der Sie noch vor zwei Jahren geträumt haben, gibt es nicht. Die Bundesregierung hat sich letztes Jahr ein Gutachten anfertigen lassen. Demnach gibt es nicht Millionen von Arbeitsplätzen in der Biotechnologie, sondern nur noch 100 000. Wenn wir uns die ganz aktuelle internationale Untersuchung von Ernst Young ansehen, dann können wir feststellen: Zur Zeit gibt es in Deutschland 10 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich.
Das Versprechen von Millionen Arbeitsplätzen im Bereich der High-Tech-Branchen ist unredlich und wird den tatsächlichen Entwicklungen nicht gerecht. Das gleiche gilt auch für die IT-Branche. Herr Bangemann hat für diesen Bereich Millionen von Arbeitsplätzen versprochen. Wir müssen ganz klar sehen: In den letzten 15 Jahren sind in diesem Bereich 100 000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Wir liegen heute bei 300 000 Arbeitsplätzen. Leider sinkt durch FuT und durch Innovationen die Zahl der Arbeitsplätze in diesen Branchen. Die Innovationspolitik sollte sich deshalb im Hinblick auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht selbst überschätzen. Technologische Innovationen sind nicht das Mittel, mit dem die Arbeitslosenzahlen halbiert werden können.
- Verehrte Kollegin, Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, auf die ich dann genauer eingehen werde. Insbesondere durch eine umfassende Innovationspolitik! Diese sollte nicht versuchen, Erfindungen und neue Technologien sozusagen herauszukitzeln; sie sollte den Innovationsbegriff viel umfassender entfalten und statt Technology-push vielmehr Technology-pull entlang von Bedürfnissen und ungelösten Problemen beinhalten. So muß eine technologische Entwicklung vorangetrieben werden, die die Innovationen im Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften unterstützt. Verehrte Kollegin Babel, dies sage ich Ihnen in Kürze. Ich könnte viel mehr zu diesem Thema sagen, wenn ich die Zeit dazu hätte.
Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu dem Antrag der SPD-Fraktion machen. In diesem Antrag wird in vielen Einzelpunkten - angefangen vom nationalen Umweltplan bis hin zur ökologischen Steuerreform; dies wird von unserer Fraktion geteilt - sehr viel Richtiges gesagt. Allerdings kann ich Ihnen an einem Punkt eine Kritik nicht ersparen. Sie sprechen davon, Zukunftsinvestitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung umfassend zu stärken. Das würde eine Verdoppelung der Ausgaben in 5 Jahren bedeuten. Ich weiß nicht, woher Sie die 15 Milliarden DM nehmen wollen.
Es geht nicht nur darum, die Chancen und den Nutzen neuer Technologien zu behandeln, sondern es muß auch eine Thematisierung der Risiken geben. Auch in diesem Punkt sehe ich Schwächen des SPDAntrags. Aber Sie werden diese Schwächen vielleicht noch korrigieren.
Die Bundesregierung hat viele Versäumnisse auf dem Sektor IT und dem Sektor Forschungs- und Technologiepolitik zu verantworten. Die FuT-Ausgaben aus dem Bundeshaushalt wurden heruntergewirtschaftet. Es findet eine starke Prestigeorientierung an der bemannten Weltraumfahrt statt. Es gibt nur wenige Lichtpunkte; dazu gehört der BioRegioWettbewerb, Herr Bundesminister, der insbesondere dazu beigetragen hat, in unserer Wirtschaft eine verbesserte Kommunikation herbeizuführen. Darin besteht ein ganz großes Innovationshemmnis, aber in diesem Punkt ist es wohl gelungen, dieses aus dem Wege zu räumen. Soziale Innovationen müßten in diesem Lande viel ernster genommen werden; da wäre viel mehr Entwicklung möglich.
Ich komme zum Schluß. Die Informationstechnik macht seit Jahren ein Zehntel der Forschungsförde-
Dr. Manuel Kiper
rung des Bundeshaushalts aus. Das ist einer der wesentlichen Wachstumsmärkte der Zukunft. Sie ist eine strategische Technologie, die alle gesellschaftlichen Bereiche wie auch andere Technologien durchdringt. Die heutige Innovationsdiskussion hat sich deshalb zu Recht auf diesen Bereich konzentriert.
Die Bundesregierung, der Innovationsrat wie auch der Zukunftsminister sind in den letzten Jahren nicht müde geworden, die Wichtigkeit von Innovationen und Informationstechnik zu unterstreichen. Herr Rüttgers mutierte in dem Zusammenhang bereits vom Zukunftsminister zum Innovationsprediger. Je mehr sich bei Herrn Rüttgers aber die Innovations-programme häuften, desto rasender wurde der Stillstand dieser Regierung. Um diese Innovationsprozesse kreativer zu gestalten, halten wir sowohl einen politischen Richtungswechsel als auch einen Managementwechsel für nötig.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul Friedhoff, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das, was gerade zum Schluß vom Stillstand gesagt wurde, zeigt einmal mehr: Was SPD und Bündnis 90/Die Grünen in dieser Debatte aufführen, ist eine recht dreiste Irreführung der Menschen in diesem Land.
Sie versuchen, den Wirtschaftsstandort Deutschland in Grund und Boden zu reden.
Doch die Wahrheit ist: Wir haben im ersten Quartal dieses Jahres das höchste Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung erreicht.
Seit Anfang des Jahres sind über 600 000 Arbeitslose in Lohn und Brot gekommen. 600 000 Menschen haben in nur fünf Monaten einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Im Mai waren über 480 000 offene Stellen registriert, der höchste Wert seit der Wiedervereinigung.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, daß nur knapp 40 Prozent aller freien Stellen bei den Arbeitsämtern registriert sind. Demzufolge kann man von derzeit weit über 1 Million unbesetzter Arbeitsplätze ausgehen. Wieso gelingt es nicht, die vorhandenen Arbeitsplätze zu besetzen, und zwar schnell?
Damit wäre zwar die Zahl der Arbeitslosen nicht bis zum Jahr 2000 halbiert, was nach einer Vereinbarung zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und der Bundesregierung als Ziel angestrebt werden sollte, aber immerhin wären wir bei einer Reduzierung um ein Viertel angekommen.
Die Wirtschaftsdaten zeigen ganz klar: Die Rezession ist überwunden, die Reformen greifen, die Wirtschaft boomt, und - auch wenn es Ihnen von der Opposition nicht paßt - es geht aufwärts.
Der SPD-Kandidat für das Wirtschaftsministerium, Herr Stollmann, hat dieser Tage noch einmal ausdrücklich die - so Stollmann wörtlich - ,,phantastischen Leistungen" des Bundeskanzlers gewürdigt.
Er hat persönlich allen Grund, der Koalition dankbar zu sein. Die Geschichte seines Unternehmens beginnt in der Regierungszeit dieser Koalition, und auch der Verkauf findet in dieser Zeit statt. Schließlich haben wir gegen den zähen Widerstand der rotgrünen Reformverweigerer die Rahmenbedingungen für Unternehmer wie Herrn Stollmann Schritt für Schritt verbessert.
Man kann Herrn Stollmann nur raten, einmal einen Blick in das SPD-Wirtschaftsprogramm zu werfen.
Vielleicht kann er uns dann erklären, worauf er sich da einlassen will.
Was Rotgrün in seine Anträge hineinschreibt, hat mit der Realität in Deutschland nichts zu tun und lenkt häufig von eigener Verantwortung ab. Ich will das an einer Passage des SPD-Antrags auf Drucksache 13/10 879 beispielhaft verdeutlichen. Dort heißt es, Deutschland falle bei Forschung, technologischer Entwicklung und ihrer wirtschaftlichen Umsetzung sowie bei Bildung und Ausbildung im internationalen Vergleich der Industrieländer weiter zurück. Die Wahrheit ist, daß Deutschland bei den Patentanmeldungen für den Weltmarkt wieder an erster Stelle vor Japan und den Vereinigten Staaten rangiert.
Die Zahl der Patentanmeldungen ist von 1995 bis 1997 bundesweit um 18,2 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Biotech-Unternehmen in Deutschland hat sich in diesem Zeitraum vervierfacht. Das ist bemerkenswert für ein Land, in dem man Versuchsfelder mit gentechnisch verbesserten Produkten bewa-
Paul K. Friedhoff
chen lassen muß, damit sie nicht von Linkschaoten verwüstet werden.
Herr Trittin und seinesgleichen sind die Verantwortlichen dafür, daß diese Zukunftstechnologie in unserem Land derart verteufelt worden ist.
Bei den Patentanmeldungen lassen sich interessante regionale Unterschiede feststellen. Vergleicht man die Anzahl der Patente pro 100 000 Einwohner, so verzeichnet Baden-Württemberg fast fünfmal so viele wie das Saarland und fast dreimal so viele wie das Land Niedersachsen.
Die Ministerpräsidenten der beiden zuletzt genannten Länder heißen bekanntlich Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder.
- Sie haben gerade nicht aufgepaßt. Die Zahlen bezogen sich auf 100 000 Einwohner.
Herr Schreiner, Sie können sich die Zahlen ja einmal anschauen. Wenn Sie sich damit auseinandersetzen würden - aber anscheinend tun Sie das nicht -, dann kämen Sie zu diesen Ergebnissen.
Schauen wir uns nun die wirtschaftliche Performance der Bundesländer an. In den alten Ländern hatten wir 1997 ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 2,9 Prozent. Lediglich vier der alten Bundesländer sind unter einer Wachstumsmarke von 3 Prozent geblieben. Das Tabellenende lautet von unten nach oben: Niedersachsen, regiert von der SPD: 2,3 Prozent; Nordrhein-Westfalen, regiert von Rotgrün: 2,4 Prozent; Saarland, regiert von der SPD: 2,7 Prozent; Schleswig-Holstein, regiert von Rotgrün: 2,9 Prozent. Das sind Fakten, um die Sie nicht herumkommen. Das ist die Wahrheit, die wir bei aller Wahlkampfprosa der SPD nicht aus dem Auge verlieren dürfen.
Kommen wir zum nächsten Aspekt, den die SPD beklagt, zu den Defiziten in unserem Bildungssystem. Wir Freien Demokraten teilen diese Einschätzung. Deshalb werden wir die Bildungspolitik zu einem Eckpunkt unseres Reformprogramms für die kommenden Jahre machen. Aber, wer trägt denn die Verantwortung für die Schulpolitik? Allein die Bundesländer. In allen SPD-regierten Ländern kann man die verhängnisvollen Folgen sozialdemokratischer Schulideologie genau beobachten. Dort sind die Leistungsstandards systematisch gelockert worden.
Die Gleichmacherei, die Rotgrün mit den Gesamtschulen betreibt, hat den schwächeren Schülern nicht geholfen und den leistungsfähigeren geschadet.
Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse der Vergleichsstudie an, die das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung kürzlich vorgelegt hat. Lassen Sie sich von Handwerksmeistern oder von den Industrie-
und Handelskammern einmal berichten, wie vielen Lehrstellenbewerbern einfachste Grundkenntnisse in Mathematik oder in Deutsch fehlen.
Die Wahrheit ist auch hier: Die SPD kritisiert und ist doch selbst verantwortlich für die erschreckenden Defizite in unserem Bildungswesen.
Wer Leistungsdenken und Wettbewerb verteufelt, der trägt die eigentliche Verantwortung für arbeitslose Jugendliche.
Da paßt es ins Bild, daß sich die SPD der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes verweigert hat. Die SPD bleibt die Partei der industriepolitischen Vergangenheit und des bildungspolitischen Stillstands. Mit Ihrer Planstellenfortschrittlichkeit der 70er Jahre kann man Ende der 90er Jahre keine Chancen eröffnen - weder für neue Arbeitsplätze noch für ein leistungsfähiges Bildungssystem. Nur mit Wettbewerb ist dies denkbar.
In welches Bundesland wir auch schauen, die Bilanz der sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik ist verheerend. Dort, wo das Desaster in der Wirtschaftspolitik der SPD auch noch durch grüne Technologiefeindlichkeit garniert wird, geht kaum etwas voran: In der rotgrün geführten Koalition in Nordrhein-Westfalen ist es der Streit um das Braunkohlegebiet Garzweiler II, der nach wie vor nicht entschieden ist. In Schleswig-Holstein ist es der Ausbau der A 20, ein Verkehrsprojekt deutsche Einheit, das sich auf Grund der rotgrünen Streitereien völlig unnötig verzögert hat.
Diese rotgrünen Feldversuche in den Bundesländern lassen erahnen, was dem Wirtschaftsstandort Deutschland nach dem 27. September droht, zumal die Gemeinsamkeiten von Rotgrün in der Wirtschafts- und Mittelstandspolitik nicht weniger verheerend sind als ihre Differenzen. Rotgrün will die Rentenreform revidieren, ohne die wir die Lohnzusatzkosten nicht in den Griff bekommen können; Rotgrün will die Reform der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zurückdrehen, der die Unternehmen in unserem Land eine Kostenentlastung von rund 20 Milliarden DM verdanken; Rotgrün will die Liberalisierung des Kündigungsschutzes zurückdrehen, von der gerade die kleinen Betriebe profitieren; Rotgrün will die Vermögensteuer wiederbeleben und eine Zwangsabgabe für Unternehmen einführen, die nicht ausbilden. Die große Steuersenkungsreform, die der Bundestag mit den Stimmen der Koalition be-
Paul K. Friedhoff
schlossen hat, hätte Bürger und Unternehmen um jährlich 30 Milliarden DM entlastet. Rotgrün hat diese Steuersenkungsreform im Bundesrat verhindert.
Meine Damen und Herren, wir haben immer noch schwer an den Sonderlasten der deutschen Einheit zu tragen, aber - das zeigt sich in den letzten Wochen und Monaten verstärkt - wir werden sie mit den Programmen bewältigen, die wir eingeleitet haben. Es geht am Wirtschaftsstandort Deutschland bergauf - Gott sei Dank -, und auch die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten Monaten weiter abnehmen - wie in den Monaten zuvor. Deshalb werden sich die Menschen in unserem Land sicherlich. auch sehr genau überlegen, ob sie sich wirklich einer rotgrünen Führung anvertrauen wollen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Professor Christa Luft, PDS.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Repnik. Sie sagten, es liege sehr wohl an den Landesregierungen, was in bezug auf Forschung, Entwicklung, Bildung, Wissenschaft und damit auch Beschäftigung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden sei. Als positives Beispiel nannten Sie Bayern. Nun habe ich ganz großen Respekt vor der bayerischen Cleverneß, keine Frage. Aber Sie müssen bitte auch hinzufügen, daß es das Land Bayern war, das in den letzten Jahren am allermeisten an den Bundesforschungsmitteln partizipiert hat.
Ich nenne beispielhaft Zahlen aus dem Jahr 1995, die hier im Rahmen einer Regierungsbefragung bekanntgegeben worden sind. Bayern hat bei einem Anteil von 15,7 Prozent an den Erwerbstätigen in der Bundesrepublik 21,2 Prozent aller Bundesforschungsmittel bekommen. Demgegenüber hat Sachsen mit einem Anteil von 5,6 Prozent an den Erwerbstätigen mit 5,5 Prozent an den Bundesforschungsmitteln partizipiert. Bei Sachsen-Anhalt war das Verhältnis noch ungünstiger: Einem Anteil von 3,2 Prozent an den Erwerbstätigen in der gesamten Bundesrepublik stand ein Anteil von 2 Prozent an den Forschungsmitteln gegenüber - ich könnte die Zahlenreihe fortsetzen. Das will ich mir aber schenken. Ich meine, man muß in einer solchen Debatte auch einmal die regionale Verteilung von öffentlichen Forschungsmitteln hinterfragen.
Sie sagten auch, die Opposition solle endlich die Trendwende am Arbeitsmarkt zur Kenntnis nehmen. Nun weiß ich ja nicht, welches Ihre Informationsquellen sind. Aber ich habe auch welche, und dazu gehört das Ifo-Institut aus München. Die Zahlen des
Ifo-Instituts sind gestern publiziert worden. In einer dpa-Meldung heißt es:
Die Konjunkturentwicklung in Deutschland zeigt ... noch keinen kräftigen und breiten Aufschwung ... Die Exportchancen werden von den Konzernen nicht mehr so günstig beurteilt. Die ostdeutsche Industrie, die seit Monaten über ein kontinuierlich besseres Geschäftsklima berichtete, legte im vergangenen Monat eine Verschnaufpause ein.
In der westdeutschen Bauwirtschaft bezeichnete die Mehrheit der befragten Firmen ihre Auftragsreserven als zu klein. Das Tempo des Stellenabbaus werde sich in der nächsten Zeit kaum verlangsamen. 39 Prozent ... der Unternehmen wollen ihre Beschäftigtenzahlen verringern ...
Die westdeutschen Einzelhändler äußerten sich im Mai noch unzufriedener über ihre Situation als in den vorangegangenen Monaten ... Etwa 12 Prozent der Einzelhandelsfirmen in Ostdeutschland wollen in der nahen Zukunft ihre Beschäftigtenzahlen abbauen.
Es ist von den vielen offenen Stellen im Osten die Rede; Herr Repnik hat es gesagt, Herr Kollege Friedhoff eben auch. Dabei ist aber das Verhältnis zwischen der Zahl der Arbeitsuchenden und der der offenen Stellen nach wie vor unverhältnismäßig hoch; es geht über 10 zu 1 hinaus. Ich glaube, das ist überhaupt nicht zu beklatschen.
Das Thema Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit war in diesem Hohen Haus in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode ein Dauerbrenner. Die Koalition hat das durchgesetzt, was sie für Innovationen gehalten hat. Ich nenne einige Stichworte: Lokkerung des Kündigungsschutzes, Streichung des Schlechtwettergeldes, Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen, Aufhebung der Ladenschlußzeiten. Das, was ich eben genannt habe und was Sie feiern, hat nicht mehr Menschen in Arbeit gebracht.
Beschäftigungspolitisch war das ein Flop. Sozialpolitisch waren das Demütigungen, Zumutungen für die abhängig Beschäftigten. Es waren sogar Provokationen.
Nun hat die Bundesregierung kurz vor der Wahl ein Füllhorn zusätzlicher ABM-Gelder ausgeschüttet, um mit scheinbaren Erfolgen am Arbeitsmarkt aufwarten zu können. Im Osten hat das dennoch nichts bewirkt - ich habe eben die Zahlen genannt -, weil täglich mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als neue geschaffen werden. Das läßt sich nicht aus der Welt diskutieren.
Im ersten Quartal 1998 betrug der Zuwachs bei der Insolvenzrate gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum 18,4 Prozent. Abgesehen davon, daß das, was Sie machen, durchsichtig ist, ist es auch für die Menschen unzumutbar, daß Sie wenige Monate vor der Wahl einen Köder auslegen, wohl wissend, daß Sie ihn nach der Wahl ganz schnell zurückziehen werden. Wer aus rein wahltaktischen Gründen die
Dr. Christa Luft
Not verzweifelter, arbeitsloser Menschen nutzt, die bereit sind, nach jedem Strohhalm zu greifen, verdient am 27. September 1998 eine Quittung.
Die beiden vorliegenden SPD-Anträge beinhalten aus unserer Sicht Schritte in die richtige Richtung. Ich vermisse allerdings einen Hinweis darauf, wie die interessanten arbeitsmarktpolitischen Projekte finanziert werden sollen. Hoffentlich fallen diese nicht auch unter den Finanzierungsvorbehalt Ihres Kanzlerkandidaten.
Ich meine, bei den wirtschafts- und finanzpolitischen Innovationen müssen unbedingt vier Schwerpunkte ergänzt werden, wenn es tatsächlich zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit kommen soll.
Erstens. Erforderlich ist die Belebung der Binnenwirtschaft insbesondere durch den Ausbau regionaler wirtschaftlicher Kreisläufe. Das einseitige Setzen auf die Exportwirtschaft wird die Arbeitsmarktprobleme in diesem Land nicht lösen.
Zweitens. Es geht um die Stärkung der Finanzkraft der Kommunen, damit diese als öffentliche Auftraggeber stärker ins Gewicht fallen können. Ihr Anteil am Steueraufkommen in der Bundesrepublik ist entschieden zu gering. Andere europäische Länder haben das längst geändert. Ich erinnere an Dänemark, wo der Anteil der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen des Landes fast um das Doppelte höher ist als in der Bundesrepublik.
Drittens geht es um die Bindung der Wirtschaftsförderung an Beschäftigungseffekte. Es muß aufhören, daß ständig weiter Rationalisierungsinvestitionen mit öffentlichen Geldern gefördert werden und auf diese Weise Personalabbau stimuliert wird.
Viertens meine ich, daß die Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors als dauerhaftes Segment auf dem Arbeitsmarkt zu den Maßnahmen gehört, die zur Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit unabdingbar sind. Hier geht es nicht urn eine zeitweilige Notmaßnahme, hier geht es um eine ständige, eine dauerhafte Einrichtung.
Diese seit 16 Jahren amtierende Bundesregierung hat nicht nur eine fatale aktuelle Arbeitsmarktlage zu verantworten; sie hat auch kaum etwas auf den Weg gebracht, wovon Impulse für das Entstehen neuer, zukunftsträchtiger und forschungsintensiver Arbeitsplätze ausgehen könnten. Eine der folgenschwersten Erblasten, die diese Regierung hinterläßt, ist der heruntergewirtschaftete Bildungs- und Forschungshaushalt. 1982 lag dessen Anteil am Bundesetat bei 4,7 Prozent, 1998 nur noch bei 3,2 Prozent. Diese Bundesregierung war einsame Spitze bei der Weichenstellung für Niedriglohnjobs sowie für Kombilohnmodelle und beim Verteidigen der 520- und 610-DM-Jobs. Als ob damit Zukunft zu gewinnen wäre! Ich weiß nicht, wem man das klarmachen möchte.
Für das Entstehen von Arbeitsplätzen mit einer hohen Wertschöpfung ist trotz einiger Vorzeigebeispiele, die selbstverständlich nicht zu übersehen sind, nicht viel geschehen. Ich meine zum Beispiel Arbeitsplätze in der Produktion erneuerbarer Energien oder in der Entwicklung von Umwelt- und Informationstechnologien. Ich meine Arbeitsplätze in der Produktion neuer Materialien oder in der Verkehrs-
und Schienentechnik, aber auch in der maritimen Industrie.
In der mittelfristigen Finanzplanung bis zum Jahre 2001 soll der Bildungs- und Forschungshaushalt des Bundes auf 14,3 Milliarden DM heruntergefahren werden. Das ist nominal weniger als 1991. Auch das, finde ich, ist ein Grund, dieser Regierung alsbald die rote Karte zu zeigen.
Bildung, Wissenschaft und Innovation sind zum wichtigsten Produktions- und Wettbewerbsfaktor geworden. Deshalb müssen die Aufwendungen von Staat und Wirtschaft für diese Bereiche steigen statt sinken.
Meine Damen und Herren, auch das Lehrstellenproblem muß endlich gelöst werden. Man kann nicht immer nur pausenlos darüber reden.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Lehrstellen mit Perspektive müssen gefördert werden. Dazu hat es hier genügend Finanzierungsvorschläge gegeben.
Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin. - Nur eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sich am Entstehen zukunftssicherer Arbeits- und Ausbildungsplätze messen läßt, orientiert sich an der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist.
Ich danke.
Ich erteile jetzt dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers, das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ziel dieser Debatte war es ja nach der Planung der Fraktionen, den Zusammenhang zwischen Innovation und Strukturveränderung in unserer Wirtschaft zu diskutieren und auch über die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gemeinsam zu reden.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Nun hat die Frau Kollegin Bulmahn durch eine Ansammlung von Platitüden und Allgemeinplätzen den Saal fast leergeredet. Das ist schade.
Liebe Frau Kollegin Bulmahn, warum haben Sie nicht wenigstens ein konkretes Projekt genannt, nicht wenigstens eine neue Idee hier vorgetragen?
Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, warum Sie das nicht gemacht haben. Ich vermute, Sie wollten eine Grundsatzrede halten. Das ist aber kräftig in die Hose gegangen.
Nachdem ich gelesen habe, daß im Kabinett der Schatten, in diesem Gruselkabinett,
Herr Stollmann für Forschung und Technologie zuständig ist - nach der Rede zu urteilen, ist das vielleicht klug -, frage ich mich übrigens, wofür Sie, Frau Bulmahn, eigentlich noch zuständig sind.
Kommen wir zum Thema. Wer die Situation unserer Volkswirtschaft in diesen Tagen und Wochen betrachtet, kann nur zu einem einzigen Schluß kommen: Der Aufschwung ist da. Da kann man sagen, was man will. Die Fakten sind völlig eindeutig.
122 Milliarden DM Exportüberschuß im letzten Jahr bedeuten im Klartext, daß die deutsche Industrie international wieder wettbewerbsfähig ist. Anders läßt sich diese Zahl ja wohl nicht erklären. Das ist ein Erfolg; das ist völlig klar.
3,8 Prozent Wachstum im ersten Quartal - das ist die höchste Wachstumsrate seit der Wiedervereinigung. 1,3 Prozent Inflation im vergangenen Monat - inflationsfreies Wachstum ist der Traum aller Ökonomen und gleichzeitig eine ganz wichtige sozialpolitische Leistung, weil ja die Rentner und Arbeitnehmer darauf angewiesen sind, daß sie für das Geld, das sie bekommen, auch etwas kaufen können.
Ich gebe gerne zu: Bei allem, was wir in den letzten Monaten gemacht haben, bestand das große Problem, wann sich dies auf den Arbeitsmarkt auswirken wird. Jetzt ist die Jobwende da, und zwar sowohl im Westen als auch im Osten. Im Westen ist die Zahl der Arbeitslosen im Mai um 4,3 Prozent gesunken, im Osten sogar um 6,6 Prozent.
Das ist mehr als im Vorjahresmonat. Diese Zahlen zeigen, daß die Politik Gott sei Dank richtig war. Jetzt sind für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Arbeitsplätze da.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben darüber im März anläßlich des Jahreswirtschaftsberichtes eine Debatte geführt. Damals habe ich gesagt: Im Sommer werden wir 500 000 Arbeitslose weniger haben als im März. Dafür bin ich von SPD und DGB verprügelt worden. Ich muß zugeben, ich habe mich geirrt: Es sind sogar 600 000 geworden.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hilsberg?
Mit allen Mitteln haben SPD und Grüne versucht, den Aufschwung kaputtzureden. Sie haben es in der heutigen Debatte wieder versucht. Sie haben blockiert und verhindert. Das Schicksal der Arbeitslosen war ihnen egal. Sie wollten die Wahl auf dem Rücken der Arbeitslosen gewinnen. Das ist unanständig.
Gott sei Dank hat es nichts genützt. Die Zahlen sind klar.
Ich sage jetzt noch etwas - ich weiß, daß das mutig ist; wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten darüber unterhalten können -:
Ich persönlich glaube daran, daß wir bei den Arbeitslosen noch in diesem Jahr die Vier-Millionen-Grenze unterschreiten werden. Das wird noch einmal beweisen, daß die Politik der Bundesregierung in den letzten Jahren richtig gewesen ist.
Das kann man heute bereits belegen: Die Informationswirtschaft will 90 000 Stellen schaffen, die Elektroindustrie 30 000, die Automobilindustrie 10 000, der Maschinenbau 20 000; drei Viertel der Chemiebetriebe stellen wieder ein; im Bereich Umweltschutz steigt die Zahl der Arbeitsplätze von 680 000 bis zur Jahrtausendwende auf über 1 Million, und in der Biotechnologie werden laut Aussagen von Prognos - das sollten Sie, Herr Kiper, bitte einmal zur Kenntnis nehmen - bis zum Jahre 2000 zwischen 83 000 und 110 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Wenn man dann noch die 500 000 Arbeitsplätze, die man eigentlich mit drei multiplizieren und hochrechnen müßte, hinzunimmt, dann haben wir das deutliche Signal,
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
daß der Arbeitsmarkt jetzt Gott sei Dank in Bewegung gekommen ist.
Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Ergebnis einer konsequenten Standortpolitik gegen alle Widerstände von DGB, SPD, Grünen und PDS.
Das ist aber gleichzeitig auch das Ergebnis einer konsequenten Innovationspolitik. Jetzt sind wir beim eigentlichen Punkt. Beides gehört zusammen: eine konsequente Standortpolitik und eine konsequente Innovationspolitik.
Wer jetzt sagt, er nehme die Reformen zurück, aber gleichzeitig nach Innovationen ruft, der hat das kleine Einmaleins der Ökonomie, Herr Schwanhold, eben nicht verstanden. Wer jetzt zurückrudert, der gefährdet den Aufschwung und die neuen Arbeitsplätze.
Der Strukturwandel - da beißt die Maus keinen Faden ab - muß auch nach der Bundestagswahl weitergehen.
Lassen Sie uns einmal ein paar Beispiele durchdiskutieren. Ich habe gehört, daß die Software-Industrie in den beiden letzten Jahren 50 000 Personen mehr eingestellt hätte, wenn es nur geeignete Bewerber gegeben hätte. Von anderen Branchen hören wir dasselbe. Meine Antwort darauf lautet: neue Ausbildungsberufe. Von 1995 bis 1998 haben wir 34 neue Ausbildungsberufe geschaffen. Das war die größte Anstrengung überhaupt, seitdem es das duale Berufsbildungssystem gibt. Davon wurden 15 in neuen Dienstleistungsbereichen geschaffen. Allein in den vier neuen Medienberufen sind im ersten Jahr 5 000 neue Lehrstellen entstanden.
Da zeigen sich die verschiedenen Politikansätze. Wir versuchen, neue Chancen für junge Leute zu schaffen, während die SPD umverteilen will. Ich nenne das Stichwort Ausbildungsplatzabgabe. Daß das nicht funktioniert, zeigt ja gerade die Bauwirtschaft, wo es sie gibt. Wir haben in der Bauwirtschaft den größten Abbau von Lehrstellen. Das zeigt, daß man mit Umverteilung gar nichts erreichen kann. Deshalb sagen wir: Neue Chancen durch neue Berufe.
Nehmen wir ein anderes Beispiel. 50 Prozent der Arbeitslosen - das ist übrigens eine ganz erschrekkende Zahl - haben keinen beruflichen Abschluß oder haben einen Abschluß unterhalb der Meister-und Technikerebene. Wir wissen, Geringqualifizierte über 50 Jahre haben kaum noch eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das zeigt für mich ganz deutlich, daß Bildung die neue soziale Frage des 21. Jahrhunderts sein wird. Wer heute ohne Bildung ist, ist morgen arbeitslos. Deshalb macht es mich unruhig, daß jedes Jahr 100 000 junge Leute keine Ausbildung beginnen oder sie abbrechen. Deshalb brauchen wir - das ist hier eben mit Recht von Herrn Friedhoff gesagt worden - eine umfassende Bildungsreform - nicht nur in den Bereichen, in denen wir hier in Bonn Verantwortung tragen, sondern vor allen Dingen auch in den Schulen und den Bereichen, für die die Länder zuständig sind.
Es darf nicht dabei bleiben, daß man nicht mehr davon ausgehen kann, daß jeder Absolvent einer deutschen Schule rechnen und schreiben kann. Das muß sich ändern.
Wenn man sich dann die Geschichte der Anstöße zur Bildungsreform in dieser Legislaturperiode ansieht, stellt man fest, daß jede Veränderung im Bildungswesen gegen SPD und Grüne durchgesetzt werden mußte. Die Einführung von zweijährigen Lehrberufen, das neue Jugendarbeitsschutzgesetz, das neue Meister-BAföG, die Hochschulreform und
die Reform des dualen Bildungssystems wurden immer gegen die Stimmen von SPD und Grünen beschlossen. Das zeigt, daß es letztlich nicht um Innovationen und um Neuerungen ging, sondern daß nach wie vor nach alten Ideologieschemata gearbeitet wird.
Moderne Bildungspolitik verlangt Vielfalt statt Gleichmacherei, Chancengerechtigkeit statt Einheitsbrei, Wettbewerb statt Planwirtschaft. Das sind die Antworten für das 21. Jahrhundert.
Deshalb treten wir für mehr Differenzierung nicht nur im Bildungssystem, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das einmal bei mir zu Hause im Erftkreis untersuchen lassen. Ein Bauhelfer, verheiratet, zwei Kinder, kommt zum Beispiel inklusive Kindergeld auf ein Nettoeinkommen von 2 950 DM. Ein Sozialhilfeempfänger, ebenfalls verheiratet, zwei Kinder, bekommt bei mir zu Hause im Erftkreis inklusive Mieterstattung monatlich 2 945 DM. 2 950 DM zu 2 945 DM! Es kann nicht dabei bleiben, daß einer, der arbeitet, unter
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
dem Strich genauso viel bekommt wie ein Sozialhilfeempfänger.
Das hat etwas mit der Frage der Innovation auch in unserem Arbeitssystem und mit der Frage zu tun, wie wir diejenigen, die praktisch veranlagt sind und die schwieriger zu vermitteln sind, auch wieder in den Arbeitsprozeß bekommen.
Wir haben das in dieser Legislaturperiode versucht. Wir wollten, daß es zwischen Sozialhilfe und Nettolohn einen Abstand von 15 Prozent gibt. Das ist gescheitert an Rotgrün, gescheitert an der SPD, gescheitert an den Grünen.
Wir wollten mit der Steuerreform, vor allen Dingen durch die Absenkung der Eingangstarife, nicht nur eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM erreichen, sondern wir wollten gerade auch ein Signal für mehr Arbeitsplätze im unteren Bereich setzen. Darüber werden wir am 27. September bei der Bundestagswahl abzustimmen haben.
Wir haben einen dritten Vorschlag gemacht: Kombi-Modelle. Dazu wird der Kollege Fink gleich noch etwas sagen. - Uns treibt folgendes um: Es darf nicht passieren, daß wir einen Teil unserer Bevölkerung der Chancen am Arbeitsmarkt berauben. Deutschland ist nach den Ermittlungen der OECD das Land mit der geringsten Lohnspreizung. Deshalb muß in diesem Bereich etwas passieren. Für mich heißt das - und das ist die Erfahrung dieser Legislaturperiode -: Wer am 27. September Rotgrün wählt, der wählt die Besitzstandswahrer und läßt die Arbeitslosen im Regen stehen. Das ist die Alternative am 27. September.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schwanhold?
Nein. Sie rufen so viel dazwischen; das sehe ich überhaupt nicht ein. Jemandem, der da vorne so brüllt, lasse ich keine Zwischenfrage zu.
Ein weiteres Beispiel: Wir haben vor wenigen Tagen gehört, daß der DGB will, daß in Deutschland nur noch Teilzeitarbeit zulässig ist. Wie soll man sonst den Vorschlag der Einführung der 25-Stunden-Woche verstehen? Das bedeutet doch Teilzeitarbeit für alle. Wenn das Wirklichkeit würde, dann würde - das weiß jeder, der sich mit Ökonomie auseinandersetzt -
der Rationalisierungsdruck noch einmal erhöht. Das Ergebnis wäre der Abbau weiterer Arbeitsplätze. Vor allen Dingen - das wissen wir aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre - moderne High-tech-Betriebe und Dienstleistungsbetriebe würden aus dem Land getrieben. Es ist nun einmal so, daß Forscher und Entwickler nicht nach Tarifvertrag, sondern manchmal 50, 60 oder 70 Stunden in der Woche arbeiten, wenn sie ihr Projekt durchsetzen wollen.
Wer mit unseren multinationalen Unternehmen redet, der hört heute schon, daß sie darüber klagen, daß sie ihre Entwickler aus dem Ausland nicht zu uns nach Deutschland holen können, um ein gemeinsames Projekt zu machen, weil sich das mit unserer Arbeitszeit in den wenigen Stunden, Wochen und Monaten, die sie hier sind, nicht verbinden läßt. Es darf nicht dabei bleiben, daß die Laboratorien in Deutschland schließen müssen, bloß weil der Hausmeister Feierabend hat. Das muß geändert werden.
Wir müssen zukünftig nicht weniger arbeiten, sondern wir müssen anders arbeiten. Wir werden unseren Kunden in Südostasien nicht mehr lange sagen können, daß wir leider nicht lieferfähig sind, weil wir gerade Brückentag haben oder eine Genehmigung nicht besorgen können, weil deutsche Behörden freitags mittags die Schalter dicht machen. Anders arbeiten, nicht weniger arbeiten, das ist die Devise der Zukunft!
Neue Arbeitsplätze entstehen nicht dort, wo alte verlorengehen. Daß jetzt in Deutschland ganz massiv Arbeitsplätze mit Zukunft entstehen, ist das Verdienst der Innovationspolitik der letzten vier Jahre.
Machen wir uns doch einmal die Mühe, die Leistungsdaten zu vergleichen. Der Kollege Friedhoff hat davon gesprochen, andere Kollegen auch. Nehmen wir einmal die Existenzgründungen. Ich weiß nicht, wie man den Mut haben kann, sich hier hinzustellen und entgegen allen Fakten zu sagen, es passiere in Sachen Existenzgründungen nichts. Im Bereich Multimedia haben wir pro Jahr eine Verdreifachung der Gründungen,
im Bereich von Biotechnologie innerhalb von zwei Jahren eine Vervierfachung. Schauen Sie sich dagegen die Zahlen von Niedersachsen an: Bei Hightech-Unternehmen steht Niedersachsen absolut am Ende aller Länder. Das passiert leider woanders. Wer das noch nicht einmal zu Hause kann, der hat das Anrecht verloren, das für das ganze Land zu wollen.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Zu Patenten ist eben schon etwas gesagt worden. Nehmen wir die Hochschulen: Man stellt sich hierhin und sagt: Wir müssen etwas für die Hochschulen tun. Okay, auch ich weiß, daß wir mehr hätten tun müssen. Das war eine Frage der knappen Finanzen, das war eine Frage von Maastricht, das war eine Frage des Rückgangs der Staatsquote.
Die Bundesregierung hat trotz dieser Anstrengungen die Mittel für den Hochschulbau von 1,68 auf 1,8 Milliarden DM erhöht, 2,5 Milliarden DM für Leasingverfahren und 3,6 Milliarden DM für ein neues Hochschulsonderprogramm zur Verfügung gestellt. Bei Ausgaben für den Hochschulbau steht die SchröderRegierung auf dem vorletzten Platz sämtlicher Bundesländer.
Ganze 31,28 DM pro Kopf der Bevölkerung sind Herrn Schröder die niedersächsischen Hochschulen wert. Diese Fakten kann man, wie ich glaube, vergleichen. Man kann nehmen, was man will: Wenn man die Leistungen der Regierung in Niedersachsen und der Bundesregierung vergleicht, dann sieht der SPD-Kanzlerkandidat ziemlich alt aus.
Es wird ein ganz kleines Karo, wenn die Lichteffekte nicht stimmen und die Musik aufgehört hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Ziel bleiben Arbeitsplätze für alle. Dafür bauen wir auch in der nächsten Legislaturperiode die Brücke ins 21. Jahrhundert, damit die Menschen auch im nächsten Jahrhundert in Deutschland in Frieden, in Freiheit, in Sicherheit und in Wohlstand leben können.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Schwanhold.
Herr Minister Rüttgers, Sie haben eben das Hohelied auf den Abbau der Arbeitslosigkeit gesungen. Wir würden uns über jeden Arbeitsplatz freuen, der zusätzlich geschaffen wird. Aber schauen Sie sich einmal an, was die Statistik über die zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze sagt. Da haben Sie noch ein Defizit. Ich hoffe jedoch, daß sich dies in den nächsten Monaten ändern wird.
Wenn Sie hier Zahlen vollmundig verkünden, sollten Sie aber wenigstens die Meldungen aus Ihrem eigenen Umfeld, nämlich aus dem Wirtschaftsministerium, zur Kenntnis nehmen. Dort ist heute unter der Überschrift „Wirtschaftsministerium dämpft Hoffnung auf hohes Wirtschaftswachstum" veröffentlicht worden:
Das Bruttoinlandsprodukt ... werde im zweiten
Quartal trotz fortgesetzter konjunktureller Expansion sein entsprechendes Vorjahresniveau weniger stark überschreiten als im ersten Vierteljahr, zitierte das Ministerium am Donnerstag vorab in seinem Juni-Bericht über die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik. Konkrete Zahlen nannte es nicht. Der Bundesverband deutscher Banken ... erwartet für das Gesamtjahr ein Wirtschaftswachstum von 2,75 Prozent. Das Wirtschaftsministerium begründete seine gedämpfte Erwartung mit Sonderfaktoren im zweiten Quartal, etwa, daß das Osterfest 1998 anders als im Vorjahr ins zweite Quartal fiel und daß teure Anschaffungen wegen der Mehrwertsteuererhöhung vom 1. April auf das erste Quartal vorgezogen wurden. Das BIP lag im ersten Quartal real um 3,8 Prozent höher als vor Jahresfrist.
Dies haben wir Ihnen hier mehrfach in Debatten gesagt; dies ignorieren Sie. Sie werden also auf ein Normalmaß reduziert. Weiter heißt es:
Aus heutiger Sicht kann erwartet werden, daß die Zahl der Arbeitslosen Ende dieses Jahres um ca. 300 000 niedriger liegen wird als Ende 1997.
300 000 Arbeitslose weniger bei einer Ausgangsbasis von 4,6 Millionen bedeuten immer noch weit über 4 Millionen Arbeitslose. Sie sollten sich wenigstens die Zahlen, die von der Bundesregierung veröffentlicht werden, anschauen, bevor Sie hier vollmundige Erklärungen abgeben.
Herr Minister, wollen Sie erwidern? - Dann hat jetzt die Kollegin Anke Fuchs, SPD, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war eben also der scheidende Minister. Es wird auch Zeit, daß diese Regierung abgelöst wird. Man kann es eigentlich auch nicht mehr so recht hören, was sie verkündet.
Ist Herr Repnik noch da? - Nein. Dann muß ich mich mit ihm auch nicht mehr auseinandersetzen.
Wir machen einen Fehler, meine Damen und Herren, wenn wir eine solche Debatte, die sich mit Innovation, Veränderung und Arbeitsmarkt beschäftigen sollte, wie Wahlkampf behandeln. Ich tue es allerdings jetzt auch, weil mir gar nichts anderes übrigbleibt. Aber wir sollten miteinander feststellen, daß wir alle es sehr begrüßten, wenn endlich jener Aufschwung da wäre, von dem Sie immer sprechen, und wenn wir wirklich endlich von einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt reden könnten; denn dieser Demokratie tun weitere hohe Arbeitslosenzahlen nicht
Anke Fuchs
gut. Deswegen müssen wir gemeinsam dafür sorgen, daß es neue Arbeitsplätze gibt.
Frau Kollegin Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?
Bitte sehr.
Frau Kollegin Fuchs, Sie haben gerade eine Bewertung eines Ministers vorgenommen.
Er ist ein scheidender Minister; das ist doch richtig.
Ihr SPD-Wirtschaftsministerkandidat Stollmann lobt heute die Reformpolitik der Union
- Sie hören richtig - und die „phantastischen Leistungen" von Bundeskanzler Kohl. Ich glaube, das ist lobenswert. Vielleicht sagen Sie dazu noch etwas. Die Frage ist nur, ob er das rotgrüne Gedankengut überhaupt kennt,
das in Wirklichkeit die Unternehmer immer wieder als Ausbeuter oder böse Millionäre bezeichnet und mit Neid überzieht.
Wie soll ein Unternehmer bei wirtschafts- und unternehmensfeindlichen Aussagen Ihrerseits überhaupt Risiko- und Innovationsbereitschaft zeigen? Wie, Frau Kollegin Fuchs, sehen Sie es als langjähriges Vorstandsmitglied der IG Metall, daß Ihr - wenn auch uns lobender - Schattenminister in seinem Betrieb meines Wissens nicht einmal einen Betriebsrat hatte? Würden Sie so etwas unterstützen? Was sagen Sie als IG-Metall-Vorstandsmitglied dazu, daß Sie einen Schattenminister unterstützen sollen, der es als Unternehmer noch nicht einmal zu einem Betriebsrat in seinem Betrieb gebracht hat? Sagen Sie mir als Unternehmer dazu etwas?
Herr Kollege, ich habe ein bißchen Schwierigkeiten, Ihr Gestammele als eine geordnete Gedankenfolge zu verstehen.
Aber auch wenn Sie mir hier mit albernen Stammeleien Vorhaltungen machen, will ich gerne etwas zu unserem zukünftigen Wirtschaftsminister sagen. Ich finde, er benutzt die richtigen Vokabeln, meine Damen und Herren, wenn er sagt: Als erstes muß die Durchsetzungsgeschwindigkeit von Politik erhöht, müssen die Dialoge verbessert und das Wissen besser gemanagt werden. - Recht hat er, der Herr Stollmann, so wollen wir es auch machen.
Dann sagt er - was ich sehr hübsch finde -, am Kabinettstisch werde er ein Stück Realität im Gepäck haben. Das finde ich auch in Ordnung. Dann sagt er: Das Wichtigste aber sind Wachstum, Erschließung der Zukunftsmärkte, Aufbruchstimmung und Arbeitsplätze. - Recht hat er, der Herr Stollmann, Herr Kollege. Von daher kann ich mich sehr gut mit ihm identifizieren.
Falls er wirklich in seinem Betrieb keinen Betriebsrat haben sollte, werden wir ihm die zuständige Gewerkschaft ins Haus schicken. Dann werden wir auch dort bald einen Betriebsrat bilden, meine Damen und Herren. Da habe ich gar keine Sorge. Sie dürfen also ganz beruhigt sein. Wir werden es so machen.
Es ist doch klar, daß Herr Stollmann mit diesen Vokabeln das in Gang setzt, was wir alle miteinander dringend brauchen:
weg vom Dahindümpeln, weg vom „Weiter so!".
Der scheidende Bundeskanzler wird ja zu Recht von ihm gelobt. Ich stehe auch nicht an, einiges, was Helmut Kohl zustande gebracht hat, zu loben und ihn dessen auch wirklich zu würdigen. Aber jetzt ist Zeit für den Wechsel, meine Damen und Herren; das Dahindümpeln muß aufhören. Wir Sozialdemokraten wollen den Bundeskanzler stellen. Herr Stollmann soll Wirtschaftsminister werden. Ich finde das eine hervorragende Ausgangsbasis für eine veränderte Politik.
Jetzt komme ich zu den Arbeitsplätzen zurück. Wir machen ja alle nicht den ersten Wahlkampf. Wir haben auch schon alle Stimmungslagen in unseren jeweiligen Parteien erlebt. Ich finde, unsere Stimmung ist im Moment sehr gut. Ich bin sehr zuversichtlich, daß sie auch trägt. Die Menschen kommen auf uns zu und sagen: Jetzt macht das einmal anders - aber besser -; sorgt dafür, daß sich soziale Verantwortung in unserem Land wieder mit der wirtschaftlichen paart; achtet darauf, daß Menschen mit der Arbeit ihrer Hände oder ihres Kopfes ihren Lebensunterhalt verdienen können, also schafft Arbeitsplätze!
Da nutzt es gar nichts, wenn Herr Rüttgers sagt: Bis Ende des Jahres werden wir weniger als 4 Millionen Arbeitslose haben. Das wäre ja schon ein Erfolg; das würde ich auch als ersten Schritt buchen. Aber wie gehen wir eigentlich mit den 4 Millionen Arbeitslosen um, die in dieser Statistik nicht auftauchen, die keinen Arbeitsplatz haben? Es ist doch zynisch, wenn eine Regierung nach 16 Jahren sagt: Am Ende eines Jahres werden wir nur noch 4 Millionen Arbeitslose haben, meine Damen und Herren. Sie sollten eigentlich jetzt schon zurücktreten, wenn sie den
Anke Fuchs
Menschen in diesem Lande solche Frechheiten verkünden.
Dann sammeln Sie Arbeitsplätze. Herr Blüm hat seine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ganz geschickt gepowert. Das ist ja auch in Ordnung; so etwas macht man eben in solch einer Zeit. Aber was Sie wirklich wollen, geht aus einer Anzeige Ihrer Kollegin Christa Reichard hervor.
In der Monatsschrift „CDU in Dresden" appelliert sie an unionsnahe Unternehmer, durch Einstellung von Arbeitslosen per Zeitvertrag dazu beizutragen, die Wahlchancen der Koalition zu verbessern. Per Zeitvertrag! Das ist Tagelöhnertum, meine Damen und Herren! Raus aus der Statistik, Statistik bereinigen! Nicht Arbeitsplätze schaffen, sondern Wahlen gewinnen! Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer, der eine Weiterarbeit der bisherigen Regierung wünsche, solle vorfristig und zusätzlich, auch per Zeitvertrag, Leute einstellen.
Welcher Zynismus, meine Damen und Herren, welche Entlarvung Ihrer Geisteshaltung! Sie sind nicht in der Lage, durch eine koordinierte Wirtschafts- und Innovationspolitik für genügend Arbeitsplätze zu sorgen. Jetzt versuchen Sie, das Ganze wie der billige Jakob zu verkaufen. Nein, es ist Zeit, daß beides kommt. Meine Kollegin Edelgard Bulmahn hat über die Innovationsbedürfnisse gesprochen. Wir wissen, daß die Menschen im Grunde auf einen Neuanfang lauern.
Ich will aus meinem Konzept noch vortragen, warum ich meine, daß wir uns in den Bereichen Innovation und Arbeitsplätze auch auf die Frage konzentrieren müssen, wie wir es schaffen, unsere Volkswirtschaft ökologisch zu modernisieren. Auf diesem Feld gibt es eine große Chance für mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir waren auf diesem Feld auch schon einmal sehr viel weiter. Die Sicherung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft hängt auch davon ab, wie wir uns zur Ökologie stellen. Ich glaube, wir brauchen eine zukunftsgerichtete und ehrgeizige Umweltpolitik. Dies beginnt bei abgasarmen und energiesparenden Autos und reicht bis zu einer Effizienzrevolution in der Energiepolitik.
Da Sie, Herr Rüttgers, vorhin die verschiedenen Lasten beklagt haben, sage ich Ihnen: Dann machen Sie doch endlich mit uns eine ökologische Steuerreform, die den Faktor Arbeit entlastet und den Faktor Umwelt belastet. Ich bedauere zutiefst, daß wir nicht in der Lage gewesen sind, diesem wichtigen Innovationsgedanken Gesetzeskraft zu geben. Wir müssen die ökologische Steuerreform wieder auf die Tagesordnung setzen, weil sie genau das in die richtige Richtung bringt, was auch Sie angekündigt haben,
nämlich Arbeit zu entlasten, die Lohnnebenkosten zu senken und zugleich etwas ökologisch Vernünftiges zu tun.
Frau Kollegin Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Baumeister?
Bitte sehr.
Frau Kollegin Fuchs, stimmen Sie mir zu, daß es unter gewissen Umständen durchaus sinnvoll sein kann, befristete Arbeitsverträge zu schließen?
Ich möchte Ihnen schildern, was ich selbst in meinem Wahlkreis bei Mercedes-Benz erlebt habe, und Sie fragen, ob Sie meiner Auffassung zustimmen können. Für die Ferienarbeit werden aus der gesamten Bundesrepublik Studenten in das Werk Böblingen/ Sindelfingen gebracht, und der Betriebsrat hat sich dort bis vor kurzer Zeit vehement dagegen gewehrt, Arbeitslose einzustellen, auch bei befristeten Arbeitsverträgen. Ich persönlich war der Meinung, daß jemand, der eine Arbeit hat, durchaus mehr Chancen der Vermittlung hat.
Sie wollen jetzt von dieser ungeheuerlichen Anzeige ablenken,
die besagt: Leute, stellt ein und wählt CDU, und schließt gegebenenfalls auch Zeitverträge! Das ist doch eine Infamie gegenüber Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen, meine Damen und Herren.
Was befristete Arbeitsverträge anbelangt, kenne ich noch die Lieder von Herrn Blüm: Lieber befristet in Arbeit als unbefristet arbeitslos. Dann ging es mit den Arbeitsrechten bergab. Ich habe überhaupt nichts gegen Teilzeitarbeit, aber dann, Frau Kollegin, sollten wir auch folgendes berücksichtigen: Teilzeitarbeit ja, aber nicht Tagelöhnertum; Teilzeitarbeit ja, aber dann bitte weg mit der 620-Mark-Grenze und dafür vernünftige sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsplätze, damit die Menschen auch eine Perspektive haben, wenn sie Teilzeitarbeitsplätze annehmen müssen.
Es muß aufhören, daß die Schleckers und andere Vollzeitarbeitsplätze umfunktionieren, sie zerstükkeln und wir eines Tages nur noch Kleinstarbeitsverhältnisse haben, von denen sich keiner mehr ernähren kann. 5 bis 6 Millionen Menschen sind davon be-
Anke Fuchs
troffen. Dagegen müssen wir als erstes vorgehen, wenn wir Ihren, an sich von mir unterstützten Weg beschreiten wollen, der auch Aushilfstätigkeiten einbezieht.
Herr Geißler ist belustigt. Das finde ich ganz in Ordnung.
Frau Kollegin Fuchs, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Fuchtel?
Bitte sehr, Herr Kollege.
Darf ich bei dieser Gelegenheit an die alte Regel erinnern: Wer eine Zwischenfrage stellen will, meldet sich nicht, sondern steht auf.
Frau Kollegin! Nachdem Sie die Initiative der Kollegin Reichard und diese befristeten Arbeitsverhältnisse so geißeln: Schließen Sie aus, daß Ihr Wirtschaftsminister in spe in seinem Betrieb nicht auch solche Verhältnisse gehabt hat? Das dürfte ja nicht der Fall sein angesichts der Tatsache, daß Sie Ihre Auffassung hier so vehement gegen Frau Kollegin Baumeister zum Ausdruck bringen.
Sie haben es nicht verstanden, Herr Kollege. Ich will es Ihnen noch einmal sagen: Es geht nicht um die Frage, ob ich befristete Arbeitsverhältnisse will oder nicht. Es geht darum, daß Teilzeitarbeitsverhältnisse vernünftige Teilzeitarbeitsplätze sein müssen. Aber es kann doch nicht angehen, daß ich Unternehmer ermuntere, Leute mit einer Befristung bis zum Wahltag einzustellen bzw. sie nicht rauszuschmeißen, nur um die Statistik zu frisieren.
Das ist doch der Punkt, daß Sie sagen: Stellt Leute ein; dann kommt die Statistik in Ordnung; was nach der Wahl mit den Leuten geschieht, das ist uns ganz egal. Die Zeitverträge laufen dann nämlich aus, und die Leute sind wieder arbeitslos. - Nein, das finde ich unmoralisch - das will ich ganz deutlich sagen -, und das spricht nicht für soziale Verantwortung.
Frau Kollegin Fuchs, es muß an Ihrem Temperament liegen, daß noch mehr Zwischenfragen kommen. Die Kollegin Hellwig möchte eine stellen.
Das geht ja alles nicht von meiner Redezeit ab. Ich bitte um Nachsicht, wenn meine Rede daher etwas länger dauert. Bitte sehr.
Das geht in Ordnung.
Frau Fuchs, können Sie mir darin zustimmen, daß es unter Umständen sehr berechtigt sein kann, einen befristeten Arbeitsvertrag nur dann in einen unbefristeten umzuändern, wenn man die Chance hat, die Rahmenbedingungen durch eine vorhandene Koalitionsregierung, die fortgesetzt werden soll, zu erhalten und zu verbessern, und es im anderen Falle besser wäre, seinen Betrieb zu sanieren?
Sehr verehrte Frau Kollegin, das ist aus Ihrer Sicht die richtige Begründung, wenn Sie das so sehen wollen. Aber es wird nichts mehr nützen. Ich will den entscheidenden Satz noch einmal zitieren:
Jeder Unternehmer und jeder Personalentscheider, der CDU-Mitglied ist, sollte die Möglichkeit nutzen, durch vorgezogene Einstellungen per Zeitvertrag den Arbeitsmarkt zu entlasten und so die Chancen der Koalition zu verbessern.
Das mögen vielleicht Sie so sehen; ich sehe das anders. Sie mögen das hervorragend finden, aber ich will Ihnen sagen: Ich finde es zynisch, wie Sie sich gegenüber den Leuten benehmen. Da werden Leute „von der Straße geholt", und nach der Wahl werden sie wieder entlassen. Das kann doch auch nicht in Ihrem Sinne sein. Das ist doch eine unanständige Politik.
Jetzt komme ich auf die Frage zurück, wie wir eine andere Wirtschaftspolitik machen wollen. Dazu wird der Kollege Schwanhold nachher noch etwas sagen. Die Fragen, wie man den Arbeitsmarkt steuern will, wie man Innovationen mit der Schaffung von neuen Beschäftigungsverhältnissen und mit einer schwunghaften unternehmerischen Wirtschaft kombinieren kann, können nur dann vernünftig beantwortet werden, wenn zugleich die Frage beantwortet wird: Wo entstehen Ersatzarbeitsplätze für diejenigen, die weggefallen sind, und wie kann man verhindern, daß so viele Millionen Menschen ohne Arbeit sind? Ich will noch hinzufügen: Wir wissen alle, daß die Arbeitslosigkeit zu teuer ist, auch weil die sozialen Sicherungssysteme dann keine Beitragszahler mehr haben. Das ist der Teufelskreis, in dem wir stecken.
Wenn wir jetzt von Innovationen reden, will ich doch noch einmal auf die Frage der ökologischen Er-
Anke Fuchs
neuerung unserer Industriegesellschaft zurückkommen. Es muß ja auch um die Frage gehen, wohin das wirtschaftliche Wachstum führen soll. Es gab die Idee des qualitativen Wachstums. Jetzt sprechen wir von einem ökologisch vertretbaren Wachstum. In diesem Zusammenhang muß zuerst die Frage nach der ökologischen Steuerreform beantwortet werden. Es geht um die Verbesserung der Energieeffizienz durch bessere Wärmedämmung an Gebäuden sowie um die Förderung erneuerbarer Energien zur Ressourcenschonung. All das wäre möglich, um exportorientierten Branchen zu helfen. Wenn diese Maßnahmen durch eine Steuerpolitik begleitet werden, die Existenzgründungen erleichtert und den Menschen mehr Geld in der Tasche läßt, dann glaube ich, daß wir es schaffen können, aus der jetzigen Situation herauszukommen, die aus meiner Sicht nach wie vor bedrohlich ist, weil Arbeitslosigkeit die größte Schwierigkeit und das teuerste „Vergnügen" ist, das sich eine Gesellschaft leisten kann.
Vor diesem Hintergrund halte ich alle Ihre schönen Versuche, die jetzt beginnenden Veränderungen schon als Boten für einen Wahlsieg zu nehmen, für sinnlos. Sie werden es mit Ihrer Politik ohnehin nicht mehr schaffen. Es ist an der Zeit, daß ein Wechsel kommt.
Das Wort hat der Kollege Ulf Fink.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht zu übersehen: In der Bundesrepublik Deutschland haben wir jetzt schon seit Monaten und Jahren positive wirtschaftliche Wachstumsraten zu verzeichnen. Im ersten Quartal dieses Jahres hat sich dieses Wachstum sogar auf 3,8 Prozent erhöht.
Mittlerweile ist der konjunkturelle Aufschwung - das kann doch auch von Ihnen gar nicht bestritten werden - auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Im Mai gab es 223 000 Arbeitslose weniger als im Jahr zuvor. Das ist der größte Rückgang der Arbeitslosenzahlen seit der Wiedervereinigung.
Auch wenn Sie sagen, das sei durch AB-Maßnahmen, durch befristete Arbeitsverhältnisse und dergleichen mehr geschehen, dann ist das einfach nicht wahr. Wahr ist doch, daß wir hoffen dürfen, in diesem Jahr die magische Grenze von 4 Millionen Arbeitslosen deutlich zu unterschreiten. Es paßt Ihnen nicht, daß das so geschieht.
Sie nörgeln an allem herum; Sie versuchen, alles
kleinzureden, aber ich sage Ihnen: Ob es Ihnen nun
paßt oder nicht, Sie müssen sich mit der Tatsache
auseinandersetzen, daß sich unsere Politik für die Arbeitslosen auszahlt.
Es gibt nun Faktoren, die man beeinflussen kann, und andere, die man weniger beeinflussen kann.
Wir haben uns mit einem umfassenden Gesetzespaket zur Förderung des Wachstums und der Beschäftigung und mit umfassenden Reformen im Gesundheitswesen, betreffend die Arbeitslosen, bei der Sozialhilfe, im Bereich der Renten besonders darum gekümmert, daß wir die Lohnnebenkosten begrenzen und den Arbeitsmarkt flexibler machen.
Warum haben wir uns besonders darauf konzentriert? Nun, es ist doch einfach nicht hinzunehmen, daß wir bei uns Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts von zwei, drei Prozent benötigen, damit sich am Arbeitsmarkt etwas tut, während in anderen Ländern, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika, bereits Wachstumsraten von einem Prozent genügen. Da klingelt es in der Kasse, Arbeitsplätze noch und nöcher!
Deshalb ist es so wichtig, daß wir diese Maßnahmen ergriffen haben. Die einzelnen Maßnahmen sind natürlich nicht leichtgefallen. Wem fällt es leicht, Änderungen bei der Lohnfortzahlung vorzunehmen?
Wem fällt es leicht, Änderungen beim Kündigungsschutz vorzunehmen?
Wir haben umfassende Maßnahmen bei der Sozialversicherung angesetzt, um die Leistungsfähigkeit der Systeme zu erhalten, aber gleichzeitig natürlich auch, um die Beitragssätze stabil zu halten. Wir haben diese Maßnahmen ergriffen, damit die Arbeitslosen wieder in Arbeit kommen. In der Marktwirtschaft geht es nun einmal nicht anders, und Gott sei Dank zahlen sich jetzt diese Maßnahmen für die Arbeitslosen auch aus.
Ich finde, die Sozialdemokraten sollten jetzt auch so ehrlich sein und einräumen, daß sie die Situation falsch eingeschätzt haben.
Sie sollten einräumen, daß Sie gegen alle Maßnahmen gestimmt haben, die sich heute segensreich für die Arbeitslosen auswirken.
Jeder kann einmal Fehler begehen. Aber wer Fehler begeht, sollte dann Manns genug sein, diese Fehler einzugestehen.
Ulf Fink
Sie von der SPD sollten sich hier hinstellen und sagen: Ja, wir haben die Entwicklung falsch eingeschätzt,
und wir wollen es künftig besser machen. Aber davon kann nun leider bei Ihnen überhaupt keine Rede sein.
Die Sozialdemokraten sind ja nicht nur nicht bereit, ihre eigenen Fehleinschätzungen einzugestehen, nein, sie wollen neue Fehler machen. Laut Ihrem Wahlprogramm - der Wähler möge uns davor behüten, daß es je Wirklichkeit wird - wollen Sie auf einen Schelm noch anderthalb draufsetzen. Sie wollen die mühsam erkämpften Maßnahmen zur Konsolidierung der Sozialversicherung zurücknehmen.
Sie wollen den Reformkurs bei den Renten zurücknehmen. Sie wollen die Flexibilisierung am Arbeitsmarkt rückgängig machen. Was soll denn ein Kandidat für das Wirtschaftsministerium bei einer solchen Politik aus der Wirtschaft überhaupt noch machen?
Selbst Hubertus Schmoldt, Vorsitzender IG Bergbau, Chemie, Energie, ein sehr vernünftiger Gewerkschafter, sagt, daß Sie dies realistischerweise besser lassen sollten. Aber Sie knüpfen an Ihre gescheiterte Politik der Ausgabenprogramme der sozialliberalen Koalition in den 70er und 80er Jahren wieder an. Sie haben nichts dazugelernt. Deshalb ist es das Beste, was den Arbeitslosen in Deutschland passieren kann, daß die SPD da bleibt, wo sie ist, nämlich in der Opposition.
Herr Kollege Fink, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?
Ja, gerne.
Lieber Herr Kollege Fink, lassen wir jetzt mal das Brimborium weg. Ich habe hier gerade einen Bericht der deutschen Botschaft in Washington; in dem es heißt „Nach Ende des kalten Krieges stehen die USA auch in wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht nahezu konkurrenzlos da." Wir sind ja früher mal konkurrenzfähig gewesen. In bezug auf die Gründe steht in dem Bericht der deutschen Botschaft - ich möchte Sie fragen, ob Sie das mit dem zum Thema Ausgaben gerade Vorgetragenen vereinbaren können -: Einer der Gründe war, daß man im Gegensatz zu Deutschland parteiübergreifenden Konsens hergestellt hat, den F- und E-Haushalt zu erhöhen. Daraus sind Jobs geworden, während Sie gekürzt haben. Ist das nicht mehr wahr, wenn wir über Ausgabenprogramme reden?
Herr Kollege, ich kann Ihnen nur eine kurze Antwort darauf geben - Bundesminister Rüttgers hat Ihnen das vorhin ja gesagt -: Es gab gerade einen neuen Rekord bei den deutschen
Exporten ins Ausland. Das kann doch kein Anzeichen dafür sein, daß wir so schlecht sind, sondern das ist doch offenbar ein Kennzeichen dafür, daß wir gut sind.
Herr Kollege Fink, Kollege Tauss möchte eine weitere Zwischenfrage stellen.
Danke, nein; jetzt möchte ich in meinem Gedankengang einmal fortfahren.
Herr Kollege, das einzige, was Sie vorschlagen, ist ein Bündnis für Arbeit. Nun hört sich das immer gut an. Aber es darf kein Ersatz für Politik sein. Es ist doch eine naive Vorstellung, davon auszugehen, daß man, ohne daß man etwas mitbringt, sich einfach einmal zusammensetzt und sagt: „Hört einmal her; wir machen das schon" und daß dann die Arbeitslosigkeit weg ist. Man müßte Sie eigentlich einmal fragen: Was wollen Sie denn überhaupt in ein solches Bündnis für Arbeit einbringen? - Das ist doch der entscheidende Punkt. Man könnte sich ja zum Beispiel vorstellen, daß man einen Vorschlag dahin gehend macht, den Bereich einfacher Dienstleistungen durch einen Niedriglohnsektor erschließen
und dann natürlich zu niedrige Löhne durch den Staat subventionieren zu lassen. Das wäre also die Idee eines Kombilohns, wie sie besonders von Professor Fritz Scharpf vom Max-Planck-Institut in Köln entwickelt wurde. Wir wissen aber: Dazu braucht man tiefgreifende Veränderungen im Steuer- und im Sozialsystem.
Wir von der Union haben uns mit diesem Ansatz intensiv beschäftigt, zum Beispiel in einem Hearing der Fraktion, an dem alle wichtigen Experten teilgenommen haben. Wir wollen ein entsprechendes Programm in der nächsten Legislaturperiode auflegen. Wir hatten sogar vor, schon jetzt im Rahmen der Sozialhilfe ein erstes Experiment in diesem Sinne zu starten.
Wir wollten zum Beispiel erreichen, daß ein Sozialhilfeempfänger, der arbeitet, bessergestellt wird als ein Sozialhilfeempfänger, der nicht arbeitet, und wir wollten ihm wenigstens 10 Prozent von dem belassen, was er mit seiner Hände Arbeit verdient. Das ist doch nun nicht zuviel verlangt. Woran ist denn dieses Experiment gescheitert? Woran denn? - Daran, daß Sie mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat diesen neuen
Ulf Fink
Ansatz erbarmungslos niedergestimmt haben. Das ist doch die Wahrheit.
Was soll man denn von Ihrer Ankündigung eines Bündnisses für Arbeit halten,
wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, auch nur zarte Versuche für einen neuen Ansatz zugunsten der Arbeitslosen zu unterstützen? Nein, mir kommt Ihre Ankündigung für ein neues Bündnis für Arbeit so vor, als ob jemand Leute zu Tisch einlädt und die Gäste, wenn sie kommen, feststellen müssen, daß es gar nichts zu essen und zu trinken gibt, weil der Hausherr offenbar erwartet hat, daß sich alle selber verköstigen. Nicht genug damit: Er möchte von dem Mitgebrachten auch noch etwas abhaben. Das nenne ich keinen runden Tisch für Arbeit; das nenne ich eine Schrödersche Politik der leeren Tische, Tabula rasa.
Nein, meine Damen und Herren von der SPD, Sie werden es nicht verhindern können: Wir haben eine außerordentlich positive Entwicklung am ersten Arbeitsmarkt. Aber wir müssen sehr genau hinschauen: Wie ist das mit den Menschen, die wegen geringer Qualifikation nicht mithalten können? Was ist mit den Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß? Was ist mit denjenigen, die durch die Innovationen ins Abseits zu geraten drohen? - Wir müssen uns um diese Menschen besonders kümmern. Es reicht einfach nicht, diesen Menschen nur Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe zu geben. Es ist doch beeindruckend, was seit der großen Sozialhilfereform von 1996, die wir leider gegen Ihren Widerstand hier im Bundestag haben durchsetzen müssen, alles in Gang gekommen ist. Mehr als 200 000 arbeitslose Sozialhilfeempfänger werden heute von den Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt, und wenn alles gutgeht, dann erreichen wir es noch, daß in diesem Jahr 100 000 arbeitslose Sozialhilfeempfänger mehr beschäftigt werden. Das wären sieben pro Kommune mehr. Wir in Bonn schaffen diese Arbeitsplätze nicht - es sind die Gemeinden -, aber wir waren es, die den Gemeinden ein hervorragendes rechtliches Instrumentarium an die Hand gegeben haben.
Es gibt großartige Beispiele für das Engagement der Gemeinden. Ich nenne Leipzig, OsnabrückLand, das Emsland, Offenbach und Berlin.
Es ist doch großartig, was da geschieht. Menschen gehen hin und sagen: Wir wollen den arbeitslosen Sozialhilfeempfängern nicht nur Geld bezahlen, sondern wir bieten ihnen eine Beschäftigung an. - Es wurden Beschäftigungsgesellschaften eingerichtet - in Leipzig und Osnabrück-Land auch mit Privaten -, und es wurde gesagt: Wir haben Grünflächen, die nicht gepflegt sind, wir haben Verwaltungsarbeiten, die nicht erledigt sind. Da könnte man diesen Menschen doch eine Beschäftigung geben. Die Menschen erhalten dadurch eine neue Chance, auf Dauer
wieder in den ersten Arbeitsmarkt hineinzukommen. - Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ganz deutlich.
Auch für die Gemeinden rechnet sich das hervorragend. Die Gemeinden, die Sozialhilfeempfänger beschäftigen, zahlen weniger Sozialhilfe. Sie haben einen geringeren Anstieg der Sozialhilfekosten als die Gemeinden, die das nicht tun. Meine Damen und Herren, Sie sollten aufhören, die Sozialhilfe madig zu machen.
- Hören Sie sich das Argument einmal in Ruhe an!
Sie tun doch immer so, als ob das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe ganz prima wären, die Sozialhilfe hingegen der letzte Dreck wäre. Das ist einfach falsch.
Die Wahrheit ist: In manchen Bereichen sind das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe besser, in anderen Bereichen ist es die Sozialhilfe. Mir liegt der Leitfaden zur Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Sozialämtern vom April dieses Jahres vor. Das ist, wie Sie wissen, die Vereinbarung der kommunalen Spitzenverbände und der Bundesanstalt für Arbeit. Da heißt es auf Seite 1 545 ausdrücklich:
Die Sozialhilfeträger sind von ihrem gesetzlichen Auftrag her flexibel und können in ihre Dienstleistungen umfassend die soziale Stabilisierung der einzelnen Betroffenen einbeziehen. Bei Maßnahmen für Jugendliche könnte z. B. ergänzend Freizeitgestaltung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz ... über die Jugendämter geboten werden, bei Alleinerziehenden könnte die Kinderbetreuung organisiert werden, sofern nicht andere Fördermöglichkeiten bestehen. Ein guter Ansatz ergibt sich für die Sozialhilfeträger auch durch die Förderung des sogenannten „Projektmantels" bei Eingliederungsprojekten für die gemeinsame Klientel. Die freie Förderung ist eine Individualförderung. Evtl. notwendige Projektkosten könnten nur von den Sozialhilfeträgern übernommen werden.
Sie wissen doch, daß der Kontakt zwischen Arbeitsamt und dem Arbeitslosen, wenn dieser vermittelt ist, zu Ende ist. Oft kommen dann aber erst die Probleme, weil es unter Umständen mit dem Arbeitgeber nicht so klappt. Er braucht unter Umständen zusätzliche Hilfestellungen. Das können die Arbeitsämter nicht leisten. Das Sozialamt aber kann es. Die Sozialämter dürfen das, und sie machen es auch, und zwar mit segensreichen Auswirkungen.
Beim Arbeitsamt kommen auf einen Sachbearbeiter 800 Menschen, die Arbeit suchen. Auf Grund der Finanzkonzepte Hamburgs mit den Holländern, die eine private Vermittlung vorsehen, kommt auf 80 Arbeitslose ein Vermittler. Da erreicht man viel bessere
Ulf Fink
Quoten. All das können die Arbeitsämter nicht, aber das Sozialamt kann es.
Es stimmt auch nicht, was Sie immer behaupten, nämlich daß die Leistungen des Sozialamtes regelmäßig geringer wären als die Arbeitslosenhilfe oder das Arbeitslosengeld.
170 000 Haushalten mit 235 000 Personen ginge es ganz dreckig, wenn es die Sozialhilfe nicht gäbe. Diese 235 000 Personen beziehen Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld. Aber die Leistungen sind nicht hoch genug, um ein menschenwürdiges Leben garantieren zu können.
Deshalb springt in diesen Fällen das Sozialamt ein und stockt das Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe auf und sichert so ein menschenwürdiges Leben. Dies zeigt klar, daß Sozialhilfe bedarfsdekkend ist,
während das nicht das Ziel von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe ist; das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Sie müssen das Verhältnis von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe neu überdenken.
Es ist von großer Bedeutung, daß wir uns entschieden haben, in der nächsten Legislaturperiode ein einheitliches neues Recht in bezug auf die Sozialhilfe für Arbeitslose und die Arbeitslosenhilfe zu schaffen. Dadurch werden enorme Verwaltungskosten eingespart. Ich schätze, daß wir allein dadurch 3 bis 5 Mil-harden DM sparen könnten. Und wir könnten noch mehr sparen, wenn wir die Leistungen in eine Hand geben würden, wobei natürlich der Grundsatz gelten muß, daß der Aufgabe auch das Geld folgt.
Dieses große Reformziel darf nicht an Eifersüchteleien der verschiedenen Ebenen scheitern. Wir sollten dieses Geld lieber den Arbeitslosen zukommen lassen, als damit Verwaltungspersonal zu bezahlen. Das können auch Sie nicht bestreiten. Es ist doch nicht in Ordnung, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland für einen einzigen Tatbestand, nämlich Arbeitslosigkeit, zwei Fürsorgeleistungen haben. Es geht doch gar nicht anders, daß an dieser Stelle die Reform ansetzt.
Einen sehr schönen Erfolg haben wir mit dem sogenannten Quas-Programm erzielt. Trotz aller Ihrer Unkereien haben wir auch das Geld dafür besorgt; 40 Millionen DM allein in diesem Jahr. Rund 5 000 Jugendliche ohne Hauptschulabschluß haben jetzt einen sozialversicherungspflichtigen Praktikantenvertrag mit einer berufsbegleitenden Qualifizierung
in Aussicht. Wir könnten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sogar noch einmal 100 Millionen DM hinzufügen, wenn Länder und Gemeinden für die Komplementärfinanzierung sorgen. Ich fordere an dieser Stelle die Länder und Kommunen auf, dies zu tun; denn sie sparen die ansonsten entstehenden Sozialhilfekosten für die Jugendlichen.
Jeder Strukturwandel kostet seinen Preis. Wir befinden uns in einem tiefgreifenden Strukturwandel, der durch einen Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungssektor gekennzeichnet ist.
Wir in der Bundesrepublik Deutschland zahlen diesen Preis wegen sehr hoher Produktivität durch Arbeitslosigkeit. Andere Länder, wie die Vereinigten Staaten, haben zwar weniger Arbeitslose, aber auch sie zahlen ihren Preis, nämlich bei niedriger Produktivität durch „working poor", also Menschen, die trotz Arbeit zu wenig verdienen, um davon menschenwürdig leben zu können. Wieder andere Länder haben eine Mischung zwischen diesen beiden Extremen.
Meines Erachtens wird es künftig entscheidend darauf ankommen, klarzumachen, daß wir die Menschen bei uns nicht ausschließen, sondern integrieren wollen. Um dies zu erreichen, sollte man Experimente wagen. Auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Holland, hat nicht alles geklappt. Wenn dies der Fall ist, dann muß man den Mut besitzen, Korrekturen vorzunehmen. Entscheidend ist - das sage ich an die Adresse der Sozialdemokraten -: Man muß bereit sein, Neues zu wagen und nicht alles und jedes zu verhindern. Wir dürfen das große Ziel, Arbeit für alle zu schaffen, nicht aus den Augen verlieren.
Damit Sie dies wirklich begreifen, nenne ich Ihnen die wichtigsten Punkte unseres Antrages:
Erstens: Jährlich 100 000 arbeitslose Sozialhilfeempfänger mehr in Arbeit und Brot.
Zweitens: Neue Vermittlungsangebote für die 1,3 Millionen Arbeitslosenhilfeempfänger durch Einsatz privater Vermittlungsagenturen. Damit tragen wir dazu bei, daß alle Langzeitarbeitslosen nach längstens zwölf Monaten eine Beschäftigung oder eine Qualifikation haben.
Drittens: Beschäftigung und Qualifizierung für die jährlich 80 000 Jugendlichen, die ohne Hauptschulabschluß die Schule verlassen. Das ist unser Beitrag dazu, daß alle Jugendlichen nach spätestens sechs Monaten eine Beschäftigung oder eine Qualifizierung haben.
Ulf Fink
Viertens: Ein neues einheitliches Recht der Sozialhilfe für Arbeitslosengeld- und für Arbeitslosenhilfeempfänger mit enormen Einsparungen an Verwaltungskosten. Dieses Geld können wir den Langzeitarbeitslosen zugute kommen lassen.
Fünftens: Kombilohn, der bei uns Beschäftigungspotentiale von drei bis fünf Millionen Arbeitsplätzen im Bereich der einfachen Dienstleistungen erschließen könnte.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sollten darüber nachdenken, wie es sein kann, daß die Union nach dem Urteil des Deutschen Industrie- und Handelstages, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, aber auch des Städte- und Gemeindebundes, um nur einige zu nennen, frischere und unverbrauchtere Vorschläge einbringt als die SPD trotz 16jähriger Möglichkeit, sich in der Opposition zu regenerieren.
Ich sage dies nicht mit Häme, sondern mit großer Besorgnis; denn wir sind auch auf Ihre Mitarbeit, zum Beispiel im Bundesrat, angewiesen. Es muß sehr besorgt stimmen, daß wir die Erfolge am Arbeitsmarkt nicht mit Hilfe der SPD, sondern nur gegen ihren Widerstand erringen können. Ich hoffe sehr, daß mit dem 27. September ein Gesinnungswandel eintritt. Der Wähler und die Wählerin haben es in der Hand, durch ein klares Votum zugunsten der Union und der Regierungskoalition diesen Gesinnungswandel zu ermöglichen.
Das Wort hat die Kollegin Annelie Buntenbach, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Fink, ich bin versucht zu sagen: ein Wunder, ein Wunder! Sie und der Kollege Rüttgers versuchen nämlich, Stroh und andere minderwertige Materialien zu Gold zu spinnen.
Ich kann sehr gut verstehen, daß Sie versuchen, sich in Wahlkampfstimmung zu versetzen, um das Ruder herumzureißen und um sich selbst Mut zu machen, damit Sie draußen bestehen können. Aber was Sie gesagt haben, geht doch weit über die Grenzen der Autosuggestion hinaus.
Die Menschen draußen stehen doch mit beiden Beinen im Leben. Die Realität sieht doch ganz anders aus als das, was Sie uns als Realität verkaufen wollen.
Nehmen wir doch einmal die Fakten. Jetzt sind gut 200 000 Menschen mehr in Arbeit als im selben Monat des Vorjahres. Dies ist seit Jahren das erste Mal der Fall. Bis dahin hatten wir immer einen Anstieg der Erwerbslosigkeit. Natürlich freue ich mich - das gilt für alle hier im Hause - über jeden Menschen, der einen vernünftigen Job findet.
Aber damit sind doch unsere Probleme nicht gelöst. Wir erleben doch nur eine kurzfristige Erholung, für die es eine Reihe von Gründen gibt. Über viele Gründe ist vorhin schon gesprochen worden.
- Natürlich liegt viel auch an der Statistik. - Nach der Rede des Kollegen Friedhoff habe ich gedacht: Jetzt habe ich endlich verstanden, warum die Wahlen nicht mehr im Winter stattfinden. Dann würde nämlich die Verbesserung der Arbeitslosenstatistik auf Grund der Saisonbereinigung möglicherweise nicht mehr auf die Fahnen der Regierung geschrieben werden.
Natürlich gibt es noch eine Reihe weiterer Gründe, die mit der Exportbilanz, mit der Aufwertung des Dollar bzw. mit der faktischen Abwertung der D-Mark und auch mit dem Wirtschaftswachstum zu tun haben, von dem aber noch unklar ist, welche Arbeitsmarktwirkungen es letztendlich entfaltet. Sie wissen genauso gut wie wir, daß das Wachstum in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt immer vorbeigegangen ist und eine immer höhere Sockelarbeitslosigkeit zurückgelassen hat.
Von der Frau Kollegin Fuchs ist schon auf den Aufruf zur Wahlhilfe verwiesen worden. Wir müssen uns einmal klarmachen, mit welchen Tricks Sie jetzt versuchen, eine möglichst gute Figur bis zur Wahl abzugeben:
Trick Nummer eins: Niemand soll Ihnen vorwerfen, daß Sie versuchen würden, die berühmte Trendwende am Arbeitsmarkt lediglich herbeizureden. Sie lassen sich diese Trendwende etwas kosten. Sie haben die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, die Sie in den letzten Jahren gerade in den fünf neuen Ländern bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen hatten, für dieses Jahr verdoppelt.
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit einer Laufzeit von nur fünf Monaten entlasten aber weder den Arbeitsmarkt noch die Betroffenen, sondern allenfalls die amtierende Regierung.
Trick Nummer zwei: Herr Fink, Sie haben gerade vorgeführt, wie man nach bester Hütchenspielermanier die Verantwortung, die der Bund bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit real hat, in Richtung Kommunen abschiebt. Das haben Herr Friedhoff und Herr Repnik schon in Richtung Länder getan. Da-
Annelie Buntenbach
nach hat der Bund in diesem Bereich gar keine Verantwortung mehr.
Erst macht man die Kommunen, um den WaigelHaushalt zu entlasten - zum Beispiel mit der Kürzung der Arbeitslosenhilfe - zu einer Art Endlagerstätte für die Probleme der Massenerwerbslosigkeit. Dann stellt man sie vor die unlösbare Aufgabe, zirka 700 000 Sozialhilfeberechtigte in Arbeit zu bringen. Wir haben überhaupt nichts dagegen, daß die Arbeitsmarktpolitik regionalisiert wird. Aber es geht uns um Jobs mit Perspektive, die die Kommunen nur in viel geringerem Umfang bereitstellen können. Außerdem ist bei diesen Jobs die Nachfrage durch die Sozialhilfeberechtigten viel höher als das von den Kommunen bereitgestellte Angebot. Bei Ihrem Vorschlag geht es doch nicht um Perspektiven, sondern faktisch um Arbeitszwang und perspektivlose Tätigkeiten. So viele Parks zum Aufräumen gibt es doch wirklich nicht.
Ich glaube, das Ergebnis wird ein regelrechter Verdrängungswettbewerb sein, so wie es in Leipzig der Fall ist. Gleichzeitig werden öffentliche Mittel mit unglaublich hohem bürokratischen Aufwand ohne Zugewinn an Perspektive verschwendet. Wenn Sie hier als Bundesregierung politisch versagt haben, dann schieben Sie doch nicht den Kommunen die Schuld dafür in die Schuhe!
Trick Nummer drei: Sie machen die Opfer zu Tätern und schieben den Betroffenen die Schuld zu. Ich erinnere mich an eine Aussage von Herrn Kaplan Hintze
- Pastor? Okay -, der einmal im Zusammenhang mit einem der sogenannten Sparpakete auf die Frage, was denn die Regierung gegen die Arbeitslosigkeit unternehmen wolle, geantwortet hat, man wolle jetzt die Zumutbarkeitsregelungen verschärfen. Den Bruch dieses Versprechens kann ich Ihnen leider nicht vorwerfen, aber die Grundhaltung, die darin und in dem ganzen unglaublichen bürokratischen Kontrollapparat, den Sie in den letzten Jahren gegen die Arbeitslosen aufgebaut haben, zum Ausdruck kommt. Denn da heißt es, wenn man die Leute zwinge, dann würde es schon werden. Das finde ich angesichts von mehr als 7 Millionen Arbeitsplätzen, die in der Bundesrepublik zur Zeit fehlen, eine Diffamierung und eine offensichtliche Unverschämtheit.
Ich glaube, mit solchen Tricks und dem Pfeifen im Wald versuchen Sie, von dem abzulenken, was die Politik in den letzten Jahren ganz praktisch hätte tun können und müssen, um die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit zu vermindern und nicht nur kurzfristig die Statistik zu bereinigen. Von der Opposition sind
zahllose Vorschläge auf den Tisch gelegt worden - einige davon stehen auch heute wieder zur Abstimmung -, aber die Regierung hat jeden hilfreichen Schritt blockiert.
Erstens. Mit dem ökologischen Umbau können wir ein großes Potential an neuen Arbeitsplätzen mobilisieren, und zwar über einen Innovationsschub, den wir mit der Ökosteuer in Gang setzen wollen. Ich glaube, daß hier gerade bei der regenerativen Energie und bei einer neuen Verkehrspolitik viel zu machen ist. Gleichzeitig ist das ein Konzept zur Senkung der Lohnnebenkosten. Sie sagen immer, wir müßten die Lohnnebenkosten senken, legen dafür aber kein Konzept vor.
- Ja, aber nehmen wir einmal das Beispiel Gesundheitsreform, das auch Herr Repnik heute morgen angeführt hat: da käme man gut voran. Sie wissen genau, daß die Arbeitslosigkeit, die Sie über die Beschneidungen im Gesundheitswesen insgesamt, besonders im Bereich der Kuren und der Rehabilitation, gerade bei Frauen herbeigeführt haben, letztlich zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führt, denn auch die Arbeitslosigkeit muß gesellschaftlich bezahlt werden. Das ist genau die Art von Spargesetzen, die von Ihnen gemacht werden.
Neben der ökologischen Steuerreform halte ich zweitens eine Steuerreform, die die unteren und mittleren Einkommen entlastet, für eine vernünftige Sache. Denn wir haben mit der Binnennachfrage offensichtlich ein ganz wichtiges Problem, das sehr viele Menschen betrifft. Da wäre eine vernünftige Steuerreform ein ganz entscheidender Beitrag zu einem sich selbst tragenden Aufschwung. Ich glaube, darum müssen wir uns bemühen.
Dritter Punkt: Arbeitszeitverkürzung. Da wäre ein klares Signal überfällig. Was von Ihnen statt dessen gewünscht wird, ist Arbeitszeitverlängerung, und zwar möglichst billig. Ich finde ein Arbeitszeitgesetz, das bis zu 60 Stunden Arbeit in der Woche zuläßt, absolut kontraproduktiv. Herr Rüttgers - wo ist er jetzt? - hat vorhin gesagt, wir bräuchten 60, 70, 80 Stunden für die Forscher und Entwickler. Ich glaube, daß wir das keineswegs brauchen. Die Arbeitszeitverhältnisse sind wirklich schon flexibel genug. Wir reden außerdem nicht nur über Forscher und Entwickler, sondern wir reden unter anderem über die Verkäuferinnen, deren Arbeitszeit sich jetzt schon allzuoft nach dem Wetterbericht des Vortages bestimmt, weil sie dann nämlich angerufen werden, wann sie am nächsten Tag erscheinen sollen. Das ist eine Art von Flexibilität, die dieses Arbeitszeitgesetz zuläßt. Es läßt gleichzeitig Obergrenzen von Arbeitszeit zu, bei denen kein Mensch mehr vernünftig, produktiv, inhaltlich und sinnvoll arbeiten kann, sondern mit denen die Menschen erpreßt werden.
Das Kernstück des Bündnisses für Arbeit, das die Bundesregierung mit ihrer Absenkung der Lohnfort-
Annelie Buntenbach
zahlung im Krankheitsfall zum Scheitern gebracht hat, war der Versuch der Gewerkschaften, Überstunden in Neueinstellungen umzuwandeln. Hier liegt - das liegt leider nach wie vor - ein riesiges Arbeitsplatzpotential. Wenn von den zirka 1,8 Milliarden Überstunden, die im vorigen Jahr in der Bundesrepublik geleistet worden sind, nur die Hälfte abgebaut und von dieser Hälfte nur die Hälfte in Neueinstellungen umgewandelt werden kann, dann entspricht das einem Potential von zwischen 300 000 und 400 000 neuen Arbeitsplätzen. Darauf können wir doch auf gar keinen Fall verzichten.
Lassen Sie mich noch von einem anderen Punkt sprechen, nämlich der Scheinselbständigkeit und der Arbeit unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze,
wo die Bundesregierung zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen beigetragen hat.
- Ich weiß, daß Ihnen sonst etwas gefehlt hätte, Frau Babel. Das wollte ich Ihnen heute nicht antun. Ich habe leider nicht mehr soviel Zeit. Ich werde aber versuchen, das kurz zu halten, obwohl es mir in der Seele wehtut.
Es geht darum, daß die Zahlen der geringfügigen und der scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnisse unglaublich zugenommen haben. Es gibt inzwischen mehr als 1 Million Scheinselbständige. Die Zahl der Menschen, die eine geringfügige Beschäftigung haben, ist inzwischen auf mehr als 5,5 Millionen angewachsen. Man muß sich auch klarmachen, daß mit Zunahme dieser Minijobs die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 2 Millionen abgenommen hat. Auch hierin liegt ein Grund für Arbeitslosigkeit.
Wir brauchen hier dringend eine vernünftige politische Regelung, die jede Beschäftigung sozialversicherungspflichtig macht und die dazu führt, daß nicht mehr der Anreiz besteht, diese Minijobs anzubieten.
- Nein, es geht darum, diese Minijobs zu vernünftigen Beschäftigungsverhältnissen zu bündeln.
Die SPD hat einen guten Ansatz, wenn es um die Beschäftigungsverhältnisse in Haushalten geht. Ihr diesbezüglicher Antrag beinhaltet nämlich nicht eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Im Gegenteil: Es geht darum, die Beschäftigungsverhältnisse im Haushalt sozial abzusichern und den Zugang dazu über Pools, über vernünftig organisierte Dienstleistungseinrichtungen, zu ermöglichen.
Gleichzeitig benötigen wir eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik. In diesem Zusammenhang möchte ich etwas zu Herrn Fink sagen. Er hat vorhin gesagt, daß wir die Sozialhilfe madig machten und daß die Arbeitsämter all diese Aufgaben gar nicht leisten könnten. Sie haben doch mit den Gesetzen, die in diesem Bundestag in dieser Legislaturperiode erlassen worden sind, erst einen Verschiebebahnhof zwischen Arbeitsämtern und Kommunen geschaffen, der dazu führt, daß immer mehr Menschen durch die Roste fallen und die Arbeitsämter gar nicht mehr imstande sind, die Menschen vernünftig zu betreuen und zu vermitteln.
Frau Kollegin Buntenbach, es tut mir leid, aber Sie müssen auf die Zeit achten.
Auch Sie wissen, daß in den Arbeitsämtern pro Sachbearbeiter inzwischen 800 Menschen zu betreuen sind. Wie soll jemand angesichts dieser Tatsache noch irgend jemanden vernünftig vermitteln?
Wir brauchen bei der Arbeitsmarktpolitik eine umfangreichere Finanzierung durch Steuern. Die Logik muß doch sein, nicht möglichst viele Menschen ins Abseits zu stellen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung durchzusetzen, die sich an den Interessen der Menschen orientiert. Es darf keine einzelbetriebliche Kurzfristkalkulation geben, die die Probleme zwischen den verschiedenen Ebenen nur hin- und herschiebt.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Gisela Babel, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Thema Arbeitslosigkeit geht es um Rezepte. Es geht zwar auch um die Analyse der Ursachen, aber doch nur, um die richtigen Rezepte zu finden. Wer die Strategie von Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD betrachtet und Ihre Reden sowie das Getöse, das Sie hier veranstalten, hört, hat den Eindruck, als ob es Ihnen um die Schuldfrage gehe, also um die Frage: Wer ist schuld an der Arbeitslosigkeit? Schuld - das ist Ihre schlichte Antwort - ist die Bundesregierung.
Wenn die Bundesregierung in dieser Form nicht mehr bestehe, dann gebe es auch keine Arbeitslosigkeit mehr. Nach diesem wirklich sehr einfallsarmen und einfältigen Muster laufen in den letzten Monaten hier immer wieder die Parlamentsdebatten ab.
Wir könnten eigentlich den Beruf der Journalisten
mit übernehmen und auch gleich die entsprechenden Schlagzeilen mit formulieren. Sie hießen: „Heft-
Dr. Gisela Babel
ger Schlagabtausch - Die üblichen Argumente wurden ausgetauscht".
Die Arbeitslosigkeit hat eine Reihe von Ursachen. An erster Stelle steht die Globalisierung der Märkte infolge der Öffnung des Eisernen Vorhangs. Alle westlichen Industrienationen sind hier vor vergleichbare Probleme gestellt worden.
Geschlossene marktwirtschaftliche Ordnungen gibt es nicht mehr. Nicht nur der europäische Markt, auch der Globalmarkt wächst zusammen. Diese Entwicklung ist schneller gekommen, als uns lieb ist. Man hat überall mit Reformen begonnen - auch um uns herum -, und zwar schneller und mutiger. Es sind auch einige Märkte weggebrochen, zum Beispiel in Mittel- und Osteuropa. Das hatte eine grundlegende Bedeutung für die Arbeitsplätze in Ostdeutschland. Neue Absatzchancen müssen erst wieder gefunden und erschlossen werden. Der Strukturwandel in Deutschland ist in seiner Notwendigkeit lange unterschätzt worden. Wir hatten mit der Wiedervereinigung eine Sonderkonjunktur, die uns vielleicht ein bißchen die Augen davor verschlossen hat, wie notwendig es ist, daß wir umsteuern.
Nachdem es aber klar ist, daß die Ursachen der Arbeitslosigkeit der Verlust von Märkten, die Abwanderung der Industrie zu besseren Standorten, der Rückgang von ausländischen und inländischen Investitionen in Deutschland und ein hoher Grad an Firmenzusammenbrüchen sind, geht es hier doch nur um die Frage: Was ist denn auf Grund dieser Entwicklung zu tun? Wie mußte man handeln, und wie muß man handeln? Wie bewerten wir das, was die Politik gemacht hat?
Nun sage ich Ihnen eines: Die Opposition hat nur Nebel verbreitet.
Meine Damen und Herren, Ihre Rezepte stammen aus den 70er Jahren,
auch wenn Sie sie mit dem Gewürz „Umwelt" ein bißchen aufpeppen und wenn Sie sie außerordentlich mit dem Wort „Gerechtigkeit" verzuckern. Es wird doch damit kein Programm, von dem Sie einleuchtend sagen können: Damit bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit. Das können Sie nicht behaupten.
Sie sagen: „Beschäftigungspolitik erfordert Beschäftigungsprogramme", und Sie sagen: „Mehr Geld in AB-Maßnahmen und in Fortbildungsmaßnahmen", und im Grunde sagen Sie auch: „Steuern rauf, damit wir die Sozialversicherungssysteme besser, und zwar ohne schmerzhafte Eingriffe, sanieren können. "
Meine Damen und Herren, das ist falsch. Die Arbeitsplätze werden so nicht geschaffen, nicht erhalten; es werden Arbeitslose mit den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik über Wasser gehalten. Das ist eine Maßnahme, die auch dazu dient, daß Arbeitslose wieder Fuß fassen können. Das haben wir auch immer akzeptiert, aber die Funktion dieser Maßnahme haben wir niemals überschätzt.
Um eine Aussage, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, drückt sich die SPD herum, nämlich um die einzig wichtige Kernaussage: Der Staat muß Abgaben und Steuern senken.
Der Staat muß alles beseitigen, was Investitionen hemmt. Nur so kehrt man den Trend um.
Dann will ich festhalten: Die Bundesregierung hat den Kurs richtig eingeschlagen. Wir haben Einsparungen in den sozialen Sicherungssystemen vorgenommen, wir haben Lockerungen bei den arbeitsrechtlich einschnürenden Bestimmungen wie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und dem betrieblichen Kündigungsschutz vorgenommen. - Das waren wichtige Änderungen.
Wir haben nicht die unbedingt notwendige Steuerreform erreichen können. Hier hat die SPD ihre Mitwirkung versagt und damit ihre Verantwortung für den Standort Deutschland sträflich vernachlässigt.
Frau Kollegin Dr. Babel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Peter Dreßen?
Ja, bitte.
Frau Kollegin, nachdem hier nun permanent wieder die Steuerfrage aufgetaucht ist, frage ich: Würden Sie zugestehen, daß die deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich real am wenigsten Steuern bezahlen - nicht nach den offiziellen Steuersätzen, sondern nach dem, was real gezahlt wird? Sie kennen die Aussage des Herrn Schrempp zu dieser Geschichte, daß Mercedes in den nächsten Jahren überhaupt keine müde Mark an Steuern bezahle. Und warum - vielleicht können Sie mich darüber auch noch aufklären - kommen eigentlich die Vermögensmillionäre aus USA, aus Großbritannien, aus Italien nicht zu uns, nachdem hier überhaupt keine Vermögensteuer mehr gezahlt werden muß und wir schon im Jahr 1993 1,1 Prozent vom Haushalt an Vermögensteuereinnahmen hatten, während die USA damals schon bei 3,4 Prozent und Japan bei 3,1 Prozent lagen? Warum sind die nicht hierhergeflüchtet, nachdem wir schon damals ein Steuerparadies waren und jetzt noch ein größeres
Peter Dreßen
sind? Können Sie mich einmal über diesen Widerspruch aufklären?
Lieber Herr Dreßen, die Frage der Steuergerechtigkeit wird zu Recht aufgeworfen. Nur, die SPD hatte doch die Möglichkeit, diesen Tatbestand gemeinsam mit der Koalition zu ändern.
Wir wollten eine umfassende Steuerreform, mit der genau diese Ausnahmetatbestände weggefallen wären und mit der eine Senkung über den gesamten Tarif auch für die niedrigen Einkommen, aber eben auch für die Unternehmen und für die höheren Einkommen erreicht worden wäre. Sie haben sich verweigert. Wir haben ein Konzept vorgelegt. Deshalb können Sie uns nun nicht so kommen und hier beklagen, daß wir jetzt einen unhaltbaren Zustand hätten. Daran tragen Sie die Verantwortung.
Meine Damen und Herren, der Kurs, den die Koalition und die Bundesregierung eingeschlagen haben, ist richtig. Wir können das nicht nur deshalb sagen, weil wir das gleiche an Konsolidierung, an Einsparungen bei den Nachbarländern beobachten, in denen die Erfolge heute schon sichtbarer sind, nein, wir können das durchaus auch an der Entwicklung im Inland beweisen.
Das ist heute schon mehrfach gesagt worden: Der Konjunkturmotor ist angesprungen, und Monat für Monat gibt es weniger Arbeitslose. Wir haben bessere Zahlen im Vergleich zum Vorjahr. Das ist zum erstenmal so. Wir müssen das sehr begrüßen, meine Damen und Herren.
Ich finde, eines ist ganz wichtig: Wir haben gehört, wie viele offene Stellen es gibt - dazu haben Sie sich auch nicht geäußert -; es sind 1,2 Millionen offene Stellen.
Auf der anderen Seite haben wir 4,2 oder 4,3 Millionen Arbeitslose. Da faßt sich doch jeder, der die Mathematik beherrscht - plus und minus; hier eine offene Stelle, dort ein Arbeitsloser -, an den Kopf und fragt: Warum gelingt es denn nicht, diese offenen Stellen mit Arbeitslosen zu besetzen?
Meine Damen und Herren, wer heute das Frühstücksfernsehen gesehen hat, hat ein sehr interessantes Gespräch mit einem Vertreter der holländischen Firma Detron mitbekommen. Dort wurde geschildert, wie außerordentlich mühsam und erfolglos es ist, beim Arbeitsamt Arbeitskräfte anzufordern, und zwar nicht nur hochqualifizierte Telekommunikationsfachkräfte, sondern beispielsweise auch Sekretärinnen und Handwerker. Diese waren auf einmal nicht mehr lieferbar.
Wo hakt es denn nun eigentlich? Ist es die Vermittlung, ist es das Qualifikationsprofil? Irgendwie kann es nicht richtig sein, daß es bei einer so riesigen Zahl von Arbeitslosen in Deutschland nicht gelingt, die
große Zahl offener Stellen schleunigst zu besetzen. Dann hätten wir zwar keine Halbierung der Zahl der Arbeitslosen, aber wir hätten immerhin ein Viertel der Arbeitslosen weniger.
Ich möchte von dieser Stelle eindringlich appellieren, daß hier die Ärmel wirklich hochgekrempelt werden und das geschafft wird, was hier geschafft werden kann.
Daß die Sanierung des Arbeitsmarktes Zeit braucht, weiß ich auch. Wir haben durch aktive Arbeitsmarktinstrumente eine Brücke geschlagen. Aber ich finde es seltsam, daß das ausgerechnet die Kritik der SPD und der Grünen hervorruft. Sie haben von uns nichts anderes verlangt. Sie haben immer gesagt: mehr Geld für AB-Maßnahmen, mehr Geld für Qualifikation. Nun haben wir diese Mittel bereitgestellt, und es ist wieder falsch. Ich habe den Eindruck: Nicht einmal Sie selbst wissen, womit man Sie glücklich machen kann.
- Ich weiß, der 27. September 1998 berauscht und benebelt Ihre Sinne dermaßen, daß Sie nicht mehr argumentieren können. Aber das sollten Sie wenigstens versuchen.
Thema Jugendarbeitslosigkeit: Die Jugendarbeitslosigkeit ist - obwohl sie mit 10 Prozent im Vergleich nicht so schlecht ist - als gesellschaftliches Problem für uns viel schwerer zu ertragen als alles andere, weil es um Jugendliche geht, deren ganze Zukunft, deren weiteres Leben unter Umständen auf die falsche Bahn gerät und sie keine Perspektive haben. Ich finde es außerordentlich wichtig, daß wir nach wie vor an die Wirtschaft appellieren, Lehrstellen zur Verfügung zu stellen.
Es ist sehr gut, daß es der Bundesregierung gelungen ist, neue Ausbildungsberufe zu schaffen und gesetzlich abzusichern, damit es auch in neuen Branchen möglich ist, Lehrlinge einzustellen.
Das halte ich für außerordentlich wichtig.
Ich finde es gut, daß es durch unsere Initiative gelungen ist, Mittel zur Verfügung zu stellen, um im Bereich der Sozialhilfe Jugendlichen zu Praktikantenstellen zu verhelfen, und daß es hierzu eine Bereitschaft der Gemeinden und der Wirtschaft gibt. Ich finde das außerordentlich wichtig. Wir dürfen uns mit der Tatsache, daß ein jugendlicher Sozialhilfeempfänger, der arbeiten könnte, aber keine Arbeit hat, keine Arbeit findet und sie nicht angeboten bekommt, nicht abfinden.
Ich fasse zusammen: Wir sehen an den jetzigen Zahlen, daß die Politik der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen zum Ziel führt. Die Politik der
Dr. Gisela Babel
SPD führt in die Sackgasse. Mit Einlegen des Rückwärtsganges und mit Anziehen der Bremsen werden Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Volkswirtschaft nicht voranbringen. Sie setzen auf Wähler, die Sie wählen sollen in der Hoffnung, daß Sie alles das nicht tun, was in Ihrem Programm steht. Das ist Täuschung.
Die F.D.P. sagt rundheraus: Mehr Arbeitsplätze nur durch Reformen!
Frau Kollegin Dr. Babel, dies war keine der üblichen Abschiedsreden, aber es war aller Voraussicht nach Ihre letzte Rede hier im Deutschen Bundestag. Da ziemt sich wohl ein - wenn auch kurzes Wort - der Würdigung.
Ich habe eben noch einmal im „Kürschner" nachgelesen: Sie haben ein reiches politisches Leben geführt, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene gearbeitet. Sie waren seit 1992 sozialpolitische Sprecherin der F.D.P. und haben sich in den Diskussionen und Debatten als streitbare Abgeordnete erwiesen. Das ist aus meiner Sicht eine sehr positive Feststellung, denn Demokratie ist - wie wir wissen - geregelter Streit. Das kann auch gar nicht anders sein, weil es in der Politik keine absoluten Wahrheiten gibt, sondern nur mehr oder weniger plausible Lösungen. Um die bestmögliche Lösung zu finden, muß man streiten.
Es mag sein - wenn ich das hamburgisch formulieren darf -, daß der eine oder die andere Ihre Position nicht immer geteilt hat. Aber es wird Ihnen niemand bestreiten, daß Sie für Ihre Position lebhaft und couragiert gestritten haben.
Deshalb waren Sie, wie ich finde, eine sehr gute Abgeordnete.
Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit und wünsche Ihnen alles Gute.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Heidi Knake-Werner, PDS.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn es darum geht, die Politik der Bundesregierung und der Koalition zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zu bilanzieren, dann kann man Ihnen nicht vorwerfen, daß Sie nichts getan hätten. Darüber sind wir uns wahrscheinlich zunächst einmal einig. Jedes Ihrer sogenannten Reformwerke der letzten Jahre kam mit dem Anspruch daher, Arbeitsplätze zu schaffen.
Liebe Kollegin Babel, es geht gar nicht darum, die Schuldfrage zu klären, sondern es geht darum festzustellen: Waren es falsche oder richtige Politikentscheidungen? Ich finde, es waren die falschen.
Vorwerfen muß man Ihnen nämlich, daß Ihre Initiativen alles mögliche bewirkt haben, nur Arbeitsplätze haben sie nicht geschaffen, im Gegenteil. Mit den heute vorgelegten Anträgen und Konzepten kapitulieren Sie meiner Auffassung nach endgültig vor den zu lösenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, und - das ist noch schlimmer - Sie stehlen sich aus Ihrer Verantwortung und schieben sie auf die Kommunen. Der Kollege Fink hat ja hier sehr ausführlich illustriert, wie Sie beabsichtigen, die Kommunen für Ihr eigenes Versagen in die Haftung zu nehmen, und nicht nur die Kommunen, sondern auch die Arbeitslosen selbst. Ich finde das einfach unappetitlich.
Nun reden Sie die gegenwärtige Situation am Arbeitsmarkt auch noch schön. Die Zahlen, die hier teilweise von den Koalitionskollegen vorgetragen worden sind, sind nicht nur abenteuerlich, sondern auch unehrlich. Es ist schon bedrückend, daß eine Regierung, die in der abgelaufenen Legislaturperiode einen Arbeitslosenrekord nach dem anderen eingestellt hat, bereits von einer Trendwende am Arbeitsmarkt schwärmt, wenn die Arbeitslosigkeit erstmals nach drei Jahren nicht mehr steigt, sondern stagniert, was ja nur heißt, daß für diese Bundesregierung Stagnation bereits Fortschritt bedeutet. Das ist mir, ehrlich gesagt, in der Politik zuwenig.
Aber das wird den Hoffnungen und den Ängsten der Menschen, die arbeiten wollen - viele wollen nichts anderes als arbeiten -, nicht gerecht, und es zeigt zudem Ihre Unfähigkeit, mit den neuen Herausforderungen des Arbeitssystems wirklich fertig zu werden.
Mit quantitativem Wachstum allein - das haben die letzten Jahre belegt - wird es für Millionen Arbeitslose keine neue existenzsichernde Arbeit geben, weil mit immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr produziert wird. Diese Prozesse sind unumkehrbar. Das wissen Sie auch.
Deshalb greifen Sie jetzt zu dem einzig sinnvollen Mittel: Sie pumpen endlich zusätzliche Milliarden in den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Diese Forderung - da haben Sie in der Tat recht, Frau Dr. Babel - haben wir seit Jahren erhoben. Mit unserem Konzept für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor wollten wir genau diesen Bereich verstetigt wissen. Aber das Entscheidende ist: Sie tun es jetzt einzig und alleine, um die beschäftigungspolitische Totalpleite von Regierung und Koalition rechtzeitig vor den Wahlen zu kaschieren.
Das haben allerdings - das muß ich Ihnen auch sagen - Millionen Arbeitsloser, aber auch diejenigen, die jetzt eine ABM-Stelle ergattern oder das Glück haben, auf Grund einer anderen Fördermaßnahme einen Job zu bekommen, längst begriffen. Sie lassen sich nicht länger von Ihnen Sand in die Augen streuen. Die meisten Betroffenen wissen, daß mit einem beschäftigungspolitischen Strohfeuer der Massenarbeitslosigkeit nicht wirksam und vor allen Dingen nicht dauerhaft beizukommen ist.
Aber am meisten empört die Menschen - ich kann das sehr gut nachvollziehen -, daß ihnen in den letz-
Dr. Heidi Knake-Werner
ten Jahren Sparmaßnahmen und drastische Mittelkürzungen zuhauf zugemutet worden sind. Die Kürzungen der Mittel für ABM und für F- und U-Maßnahmen haben dazu geführt, daß besonders in Ostdeutschland soziale Netzwerke, Beschäftigungsprojekte und Qualifizierungsgesellschaften wieder zusammengebrochen sind. Auch mit dem plötzlichen Geldsegen der Bundesregierung sind sie so schnell nicht wiederzubeleben.
Arbeitsmarktpolitik mit wahltaktischem Hintergrund bringt die Arbeitsämter in unerträgliche Situationen, und es braucht Sie nicht zu wundern, wenn mancher Arbeitsamtsdirektor in den neuen Ländern von den zusätzlichen Millionen aus Bonn am liebsten verschont bleiben möchte. Was Sie mit den zusätzlichen Mitteln für den Arbeitsmarkt wirklich erreichen wollen, hat ja die bereits zitierte Kollegin Reichard in ihrem Brief deutlich gemacht: Die Chancen der Koalition verbessern und sonst nichts.
Aber auch Sie selber glauben ja nicht an die Trendwende am Arbeitsmarkt. In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Bündnisgrünen wird das deutlich: Wenn Sie bis zum Jahre 2002 mit einem lächerlichen Rückgang der Arbeitslosenquote von ganzen 1,9 Prozent rechnen, dann zeigt das doch nur, daß Sie den Menschen zumuten wollen, daß ihnen der Arbeitsmarkt bis weit über die Jahrtausendwende hinaus verschlossen bleibt und sie dort auf Dauer keine Perspektive haben.
Während Ihrer Regierungszeit ist das Arbeitsleben unsicher geworden. Sie haben die Schutzrechte der abhängig Beschäftigten durchlöchert, den Kündigungsschutz eingeschränkt, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle aufgeweicht sowie das Anwachsen von versicherungsfreien 620- bzw. 520-DM-Jobs, von Scheinselbständigkeit und von illegaler Beschäftigung begünstigt.
- Man kann es gar nicht oft genug sagen, Frau Dr. Babel; aber leider ist ja immer noch nichts passiert.
- Aber es wird richtiger.
Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist zur Alltagsangst Nummer eins in diesem Land geworden. Diese Angst haben auch immer mehr junge Menschen, denen Sie Ausbildung und Zukunftschancen vorenthalten. Statt in Ausbildung und Bildung zu investieren, statt Unternehmer, die sich den Ausbildungs- und Qualifizierungserfordernissen entziehen, über eine Umlage an der Ausbildungsfinanzierung zu beteiligen, lassen Sie zu, daß die Suche der Jugendlichen nach einem Ausbildungsplatz Jahr für Jahr einem Lotteriespiel gleichkommt. Was bieten Sie ihnen an? Junge Schulabgänger sollen künftig Praktikumsplätze auf 500DM-Basis annehmen. Das liegt unter dem Sozialhilfesatz. Sie sind wirklich die No-Future-Fraktion der jungen Generation.
Noch vor einigen Jahren haben der Bundeskanzler und der Bundesarbeitsminister gemeinsam beteuert, eine Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes werde es mit ihnen nicht geben. Doch was Sie in den letzten Monaten auf den Tisch gelegt haben, geht genau in diese Richtung. Für Sie besteht die Zukunft der Arbeitsgesellschaft in einer Ausweitung von Niedriglohnsektoren, von gering qualifizierter Beschäftigung und von Tagelöhnerei mit Arbeitszwang. In einem Beitrag des ZDF über Niedriglöhne wurde das noch einmal sehr deutlich unterstrichen. In Thüringen arbeiten Wachleute zu einem Stundenlohn von 6 DM; inzwischen werden sie vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden zu einem Bruttostundenlohn von 8 DM angeheuert. Ihre Politik läßt Dumpinglöhne zu, die noch unterhalb des Mindestlohnniveaus liegen, das jetzt in Großbritannien festgelegt worden ist.
Auch wir wollen Arbeit für alle, aber nicht zu allen Bedingungen und schon gar nicht zu jedem Preis. Wir wollen, daß die vorhandene Arbeit auf viele Schultern verteilt wird. Dazu gibt es eine Fülle von Vorschlägen. Wir haben hier einen Antrag eingebracht, der sich darauf konzentriert, Überstunden zu reduzieren und die Arbeitszeit radikal zu verkürzen. Wir wollen damit einen Beitrag zur Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit leisten, gerade auch zwischen den Geschlechtern.
Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ich komme zu meinem letzten Abschnitt.
Wir wollen auch neue Arbeit schaffen. Dazu haben wir hier ein Konzept für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vorgelegt. Wir denken, daß in diesen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor nicht nur Dauerarbeitsplätze mit Zukunft geschaffen werden können, sondern mit ihm auch die Daseinsvorsorge und die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft gesichert werden kann. Das sind Investitionen für die Menschen, nicht für den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik, sondern für den Lebensstandort Bundesrepublik. Dazu braucht es aber in der Tat eine neue Regierung und vor allen Dingen eine neue Politik.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kolleginnen Bulmahn und Fuchs - auf den Kollegen Schwanhold komme ich später noch zu sprechen - haben ja heute morgen vieles zu erklären versucht, dabei auch manches verschleiert. Aber es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Politik der SPD, daß sie erst jetzt, datierend vom 28. Mai, einen Antrag zum Thema Innovationen und
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
Massenarbeitslosigkeit einbringt. Nur, Herr Schwanhold, Frau Fuchs, wir befinden uns am Ende der Legislaturperiode. Da kann ich nur sagen: Chance vertan!
- Nein, Herr Schwanhold.
Im Gegensatz dazu hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode den Reformprozeß zur Erneuerung des Standortes Deutschland enorm beschleunigt.
Wir sind hier ja in einer Innovationsdebatte. Man kann sagen, daß die Bundesregierung damit politische Innovation im großen Stil verwirklicht hat.
Daß sich die Opposition dabei gegen so gut wie jede Standortinnovation gestellt hat, muß man der Wahrheit zuliebe immer wieder erwähnen. Sie hat blockiert oder mindestens verzögert, wo es möglich war: bei einer innovativen Steuerpolitik, bei neuen Wegen in der Sozialpolitik, bei der Abschaffung von Monopolen, die dem Fortschritt im Wege stehen, und bei den notwendigen Flexibilisierungen des Arbeitsmarktes.
Und jetzt, meine Damen und Herren von der SPD, entdecken Sie plötzlich den Zusammenhang zwischen Innovationen und Arbeitsplätzen. Drei Monate vor der Bundestagswahl wollen Sie uns weismachen, Sie hätten den Stein der Weisen gefunden. Ich weiß ja, Herr Schwanhold, daß Sie mittlerweile glauben, daß die Inszenierung den Inhalt ersetzt. Aber das wird Ihnen mit diesem Antrag nicht gelingen. Sie kommen, wenn man es genau besieht, mit einer Sammlung von Fossilien der Wirtschaftspolitik daher.
Wieder einmal strapazieren Sie die ausgetretenen Pfade der Nachfragepolitik, als ob wir mit rascheren Lohnsteigerungen die strukturelle Arbeitslosigkeit beseitigen könnten. Das Gegenteil ist der Fall: Mit nachfrageorientierter Umverteilungspolitik à la SPD würden wir nur das kreative Potential unserer Wirtschaft an andere Standorte treiben.
Wieder einmal fordern Sie mehr Subventionen für Forschung und Entwicklung. Keine Frage, Frau Bulmahn, es gibt Bereiche, in denen der Staat Anstöße geben muß. Die Gemeinschaftsforschung, der Technologietransfer für kleine und mittlere Unternehmen sind hierfür wichtige Beispiele. Aber zentral bleibt doch die innovationsfördernde Kraft des Wettbewerbs. Hier kann ich nur sagen: Eine Partei wie die SPD, die dem Wettbewerb mißtraut, wird die notwendigen Innovationen für die Märkte des Jahres 2000 nicht in Gang bringen können.
Wieder einmal setzen Sie auf Planen und Lenken und nicht auf private Initiative. Mit Ihren Vorstellungen locken Sie aber keinen Pionierunternehmer hinter dem Ofen hervor. Herr Stollmann, der Kandidat von Herrn Schröder für den Posten des Wirtschafts-
und Forschungsministers, will sich mit den Gedanken der SPD erst gar nicht auseinandersetzen.
Er hat, sagt er fast entschuldigend, das Programm der SPD noch gar nicht gelesen. Die Psychologen nennen das Verdrängung.
Herr Stollmann weiß, daß ihn eine solche Auseinandersetzung in große Konflikte stürzen müßte. Da ich von Hause aus selbst Unternehmer bin, weiß ich, welche Abgründe sich für einen Unternehmer auftun würden, wenn er sich das geschriebene SPD-Programm ansehen würde.
An dieser Einschätzung, Herr Schwanhold und meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ändert sich auch nichts dadurch, daß Sie in Ihren Antrag den einen oder anderen brauchbaren Gedanken eingestreut haben, zum Beispiel zur Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, für mehr Risikokapital, für mehr Existenzgründungen, für eine neue Unternehmenskultur. Das ist alles richtig. Aber, meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat dies schon seit Jahren zur Leitlinie ihrer Wirtschaftspolitik gemacht, und Sie haben sich verweigert.
Jetzt kommen Sie und wollen gleichsam abkupfern. Nein, die Rechnung wird nicht aufgehen. Die Bevölkerung wird das merken. Die Menschen in Deutschland wissen: Das Original, diese Bundesregierung, ist besser als jede Kopie.
Meine Damen und Herren, Innovationen sind Ausdruck wirtschaftlicher Dynamik. Sie entstehen im Wettbewerb. Mit Prozeßinnovationen schaffen sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten, und mit Produktinnovationen werden neue Absatzmärkte erschlossen. So - ich füge hinzu: nur so - können sie kostengünstiger anbieten, Produktivitätszuwächse realisieren, so können sie Gewinne erwirtschaften und investieren, und so schaffen sie Arbeitsplätze. Das sind nicht nur Reden, sondern die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache.
Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb
Frau Fuchs hat gefragt: Wo entstehen die Arbeitsplätze? - In der Informationstechnologie in den Jahren 1996 und 1997 rund 100 000 neue Arbeitsplätze, in der Dienstleistungswirtschaft von 1991 bis 1997 rund 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze. Das gilt für viele Branchen: für die Bio- und Gentechnologie - sie ist heute morgen hier schon erwähnt worden -, aber auch für andere Bereiche.
Das heißt, die deutsche Wirtschaft hat sich im Strukturwandel behauptet. Sie hat übrigens auch im internationalen Wettbewerb wieder an Terrain gewonnen. Das schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder.
Die Trendwende ist erreicht. Wir werden am Jahresende rund 300 000 Arbeitslose weniger als ein Jahr zuvor haben.
Herr Kollege Schwanhold, ich möchte hier auch auf das Zitat aus einer Presseveröffentlichung des Wirtschaftsministeriums von heute morgen eingehen und sehr deutlich sagen: Entgegen dem Eindruck, den Sie hier zu erwecken versucht haben, muß man doch festhalten - -
- Ich lese den Satz noch einmal vor: „Das Bruttoinlandsprodukt" - -
- Das haben Sie so zitiert.
Das Bruttoinlandsprodukt werde im zweiten Quartal trotz fortgesetzter konjunktureller Expansion sein entsprechendes Vorjahresniveau weniger stark überschreiten als im ersten Vierteljahr, ...
Dazu sage ich, Herr Kollege Schwanhold: Erstens. Die konjunkturelle Expansion setzt sich weiter fort. Zweitens. Wir werden auch im zweiten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal 1997 ein deutliches Wachstum haben. Drittens, und das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt: Wir liegen ganz sicher im Rahmen der Wachstumsprognose, die die Bundesregierung im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichtes mit 2,5 bis 3 Prozent hier vor kurzem vorgestellt hat. Diese Wachstumsprognose war auch Grundlage für unsere Prognose, was den Arbeitsmarkt anbelangt. Das heißt, 300 000 Menschen weniger werden in Deutschland am Jahresende arbeitslos sein als zu Beginn dieses Jahres.
Deswegen sage ich: Unsere Politik ist erfolgreich.
Es gibt keine Alternative zu dieser Politik. Schon gar nicht wird sie durch die SPD in diesem Hause repräsentiert. Meine Damen und Herren, wir können auf eine sehr erfolgreiche Bilanz zurückschauen
und sehen den kommenden Auseinandersetzungen mit der SPD sehr ruhig entgegen.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schwanhold?
Ich bin eigentlich am Ende; aber gerne.
- Ich bin natürlich nicht am Ende, sondern nur am Ende meiner Redezeit. Aber ich hätte Ihnen gern noch geantwortet.
Herr Schwanhold will keine Frage mehr stellen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihre Bereitschaft.
Das Wort hat der Kollege Gerd Andres, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich mit der Rede von Herrn Fink hier befassen und muß sagen, daß es schon ein merkwürdiger Vorgang ist, wenn eine beschäftigungspolitische Initiative mit dem Schwerpunkt auf arbeitslosen Sozialhilfeempfängern nach dem Willen der Koalitionsmehrheit jetzt in einer innovationspolitischen Debatte gewissermaßen versteckt wird. Offenbar haben Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, mittlerweile nicht einmal mehr selbst Vertrauen in die Überzeugungskraft dieser nach ihrem Erfinder benannten Fink-Initiative.
Herr Fink, ich muß Ihnen sagen: Nach Ihrer Rede, die ich dünn und peinlich fand, kann ich das auch sehr gut verstehen.
Ursprünglich war etwas ganz anderes gedacht. Eingeleitet durch einen großen Kongreß in Berlin wollten Sie rechtzeitig zur Bekanntgabe der Rekordarbeitslosigkeit im Januar dieses Jahres Ihre beschäftigungspolitische Handlungsfähigkeit demonstrieren, und das ausgerechnet am Beispiel der arbeitslosen Sozialhilfeempfänger, die Sie natürlich auf Kosten der Kommunen und ohne den Bundeshaushalt zu belasten wieder in Arbeit bringen wollen.
Gerd Andres
Ich muß schon sagen, ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll: Ihren Mut bei dem Versuch, mit bloßen Appellen an die Kommunen, Länder und Sozialpartner von Ihrem eigenen Versagen in der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in den letzten Jahren abzulenken, oder Ihre Unverfrorenheit, ausgerechnet auf Kosten der arbeitslosen Sozialhilfeempfänger und wenige Monate vor der Bundestagswahl die Lufthoheit über den deutschen Stammtischen zu erobern.
Glücklicherweise sind Ihnen beide Manöver gründlich mißglückt. Es gab und gibt wohl kein Programm dieser Bundesregierung, das in der Öffentlichkeit so wie dieses zerrissen worden wäre. Stellvertretend für die vielen Kritiken zitiere ich mit dem Deutschen Landkreistag einen der Hauptadressaten Ihres Programms, dessen Hauptgeschäftsführer am 5. Februar festgestellt hat: Der Bund wolle damit wieder einmal den Kommunen die Verantwortung für eigene Versäumnisse zuschieben. Dabei stehe die Bundesregierung in der Verpflichtung, mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik die Arbeitslosen von der Straße zu holen. Was hier über mehrere Jahre hinweg versäumt worden sei, könne nun nicht sieben Monate vor der Wahl nachgeholt werden.
Recht hatte der Mann. Man kann nur bestätigen, was er hier ausführt.
Herr Fink, zu der Debatte gehört auch die Beantwortung einer Großen Anfrage, die Sie zum Thema Hilfe zur Arbeit gestellt haben. Ich empfehle Ihnen dringend, die Antworten zu lesen, weil man feststellen kann, daß schon in der Einbringungsdebatte nicht eine einzige Zahl, die Sie in der Debatte genannt haben, gestimmt hat. Ich empfehle Ihnen einmal, die 50 000 beschäftigten Menschen in „Hilfe zur Arbeit"-Projekten in Berlin zu suchen. Sie werden in der Berichterstattung andere Angaben finden.
Die meisten Vorwürfe, die Sie gegen viele Städte und Gemeinden gemacht haben, sind von diesen mit Entschiedenheit zurückgewiesen worden. Ich will noch einmal zitieren: „NRW-Städte bei Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern Spitze - Angriffe von MdB Ulf Fink unsinnig. " Das wird mit dem Datum vom 22. Oktober 1987 geschrieben. Man muß sich einmal die Zahlen anschauen, was alles passiert ist.
Ich sage Ihnen noch etwas - der Städtetag Nordrhein-Westfalen hat das geschrieben -, damit Sie nicht ausweichen.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände - wo der Städtetag, der Städte- und Gemeindebund und alle versammelt sind - hat Ihnen Ihre eigenen Behauptungen links und rechts um die Ohren gehauen. Der Städtetag hat mitgeteilt, daß die NRWStädte im Jahresverlauf 1996 mehr als 30 000 Sozialhilfeempfänger beschäftigt haben. Er nennt eine ganze Reihe von anderen Positionen. Ich will Ihnen aber die Kernpunkte zitieren.
Erstens. Der Städtetag NRW wendet sich entschieden gegen eine Fokussierung des Problems der Massenarbeitslosigkeit auf die Sozialhilfe. Die Städte sind weder finanziell, personell noch organisatorisch in der Lage, die dem Bund zu teuer werdenden Arbeitslosenhilfeempfänger in eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Die Sozialämter dürfen nicht zu Ersatzarbeitsämtern gemacht werden.
Zweitens. Dem Vorschlag, der von Ihnen auch vorgetragen worden ist, Niedriglöhne durch die Sozialhilfe zu subventionieren, erteilt der Städtetag eine klare Absage. Dies betrifft sowohl den Arbeitgebervorschlag für einen Kombilohn als auch die Überlegungen im Bundesgesundheitsministerium, größere Teile des Arbeitseinkommens von Sozialhilfeempfängern auf die Sozialhilfe anzurechnen.
Gemeinsam ist diesen Vorschlägen, daß sie nicht zu Ende gedacht sind und keinerlei seriöse Finanzierungsvorschläge enthalten. Den Städten dürfen keine neuen Aufgaben übertragen werden ohne entsprechende Finanzausgleichsregelungen.
Ich will dem gar nichts hinzufügen, weil ich finde, diese Position spricht ausdrücklich und sehr richtig für sich.
Herr Kollege Andres, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fink?
Bitte schön.
Herr Kollege Andres, wenn die Städte, die Ihnen politisch näherstehen - die haben Sie ja zitiert, dort regieren regelmäßig SPD-Bürgermeister -, behaupten, es ginge nicht mehr bei der Beschäftigung von arbeitslosen Sozialhilfeempfängern, wie kommt es dann, daß eine Stadt wie Leipzig bei jedem arbeitslosen Sozialhilfeempfänger, sobald er sich beim Sozialamt meldet, gar nicht erst groß herumredet, sondern gleich sagt: Komm, da ist eine Beschäftigung; nimm die Beschäftigung an. Das kann Leipzig. Osnabrück-Land kann es auch. Warum können es nicht die Städte, die Sie gerade genannt haben?
Herr Fink, ich will Ihnen noch einmal sagen - ich sage das ausdrücklich so, weil ich die Beratungen in unserem Fachausschuß miterlebt habe -: Viele Dinge, die Sie behaupten, sind an Pein-
Gerd Andres
lichkeit nicht zu überbieten. Wenn Sie sich anschauen, was die Stadt Köln, was die Stadt Essen und was andere Städte in diesem Bereich machen, gibt es gewaltige Kraftanstrengungen der Kommunen, über Sozialhilfeinstrumente Sozialhilfeempfänger in Arbeit zu bringen.
Auf Ihre zynische Art und Weise zu sagen, der NRW-Städtetag hat nur mit SPD-Bürgermeistern zu tun, kann ich nur entgegnen: Der Geschäftsführer ist ein CDU-Mann. Ich kann Ihnen das noch ein wenig näher erläutern.
Da gibt es Beschlüsse, die quer durch CDU- und SPD-regierte Kommunen gehen.
Keine der Zahlen, die Sie in der ersten Lesung behauptet haben, stimmt. Ich habe das Benchmarking hier. Ich kann Ihnen die Vergleiche bringen. Deswegen empfehle ich Ihnen ganz dringend: Bevor Sie hier solche Behauptungen aufstellen, sollten Sie sich sachkundig machen. Zu den einzelnen Fakten komme ich noch. Schönen Dank.
Zutreffender als alle Zitate, die ich vorgetragen habe, kann man Ihr Programm in der Tat nicht beschreiben. Anstatt endlich zu erkennen, daß eine erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller gesellschaftlichen Gruppen möglich ist und dabei der Bundesregierung eine Vorreiterrolle zukommt, beschränken Sie sich auf Appelle an die Kommunen, mehr Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose Sozialhilfeempfänger zu schaffen. Anstatt den längst überfälligen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik herbeizuführen, beklagen Sie hilflos, daß die Arbeitsämter 1,3 Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe nur schwer ins Erwerbsleben reintegrieren können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit keine Mißverständnisse entstehen: Auch ich halte es für sinnvoll, bei der Vermittlung von Arbeitslosenhilfeempfängern Serviceagenturen wie „Maatwerk" oder andere dazu geeignete Dritte einzuschalten und aus den Einsparungen bei der Arbeitslosenhilfe zu finanzieren. Aber es kann doch nicht wahr sein, daß diese Bundesregierung die Arbeitsämter mit immer mehr Bürokratie wie verschärften Meldekontrollen, Wiederholung der Antragstellung nach drei Monaten und kompliziertesten Vergleichsberechnungen belastet, aber zugleich zuläßt, daß ein Vermittler heute rund 800 Arbeitslose im Arbeitsamt zu betreuen hat.
Es grenzt schon an ein Wunder - dafür spreche ich großes Lob aus -, wenn die Arbeitsämter trotz solcher Bedingungen jährlich immer noch mehr als 3,3 Millionen Arbeitslose in freie Stellen vermitteln. Aber natürlich muß man die Frage stellen, was bei einem Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik, was bei einfacheren Rechtsvorschriften und mehr Stellen für die Arbeitsämter und was bei weniger Ideologie - ich nenne hier ausdrücklich das Stichwort „Eingliederungsvertrag" - tatsächlich von den Arbeitsämtern geleistet werden könnte. Mit Sicherheit Besseres, als ihnen nur zu empfehlen, Dritte zu beauftragen.
Für uns ist klar, meine Damen und Herren von der Koalition, daß die Diskussion um die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit keinesfalls auf die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Sozialhilfeempfänger oder die Vermittlung von Arbeitslosenhilfeempfängern verengt werden darf.
Ihrem Versuch, von Ihrem eigenen Versagen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit abzulenken und statt dessen eine Debatte über arbeitslose Sozialhilfeempfänger und die Vereinheitlichung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu führen, widersprechen wir ganz entschieden.
Unsere Konzeptionen werden gleich noch meine Kollegen hier vorstellen, aber ich sage auch: Ebensowenig, wie man Arbeitsmarktpolitik nicht auf „Arbeit statt Sozialhilfe" verkürzen darf, kann man Arbeitsmarktpolitik ohne Einbeziehung der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger machen.
Auch wir setzen uns dafür ein, jedem arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger eine Arbeit, eine Umschulung oder eine Weiterbildung anzubieten. Auch wir gehen davon aus, daß auf absehbare Zeit die ohnehin schon großen Anstrengungen der Kommunen in der Hilfe zur Arbeit und bei der Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht nachlassen dürfen, sondern im Gegenteil noch gesteigert werden müssen. Aber einen durchschlagenden Erfolg auf dem Arbeitsmarkt werden wir nur erzielen, wenn wir endlich die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ändern, die Arbeitszeit umverteilen und einen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik einleiten.
Im Rahmen eines solchen Gesamtkonzepts sind auch Verbesserungen der Instrumente der Hilfe zur Arbeit sinnvoll und notwendig. Ich finde es gut, daß es letzte Woche - gut zuhören, Herr Fink! - bei der Verabschiedung des Medizinproduktegesetzes gelungen ist, die Möglichkeit der Sozialhilfeträger zu erweitern, an arbeitslose Sozialhilfeempfänger befristet ergänzende Einkommenszuschüsse zu zahlen. Dieses neue Instrument entspricht in der jetzt verabschiedeten Fassung unserem Wahlprogramm und fast wörtlich unserem dazu vorgelegten Formulierungsvorschlag und ist als eng begrenztes Kombieinkommen wesentlich sinnvoller und effektiver als die von Bundesgesundheitsminister Seehofer propagierte Schaffung zusätzlicher Arbeitsanreize für Sozialhilfeempfänger über eine geringere Anrechnung von Erwerbseinkommen.
Der Bundestag war bei der Ablehnung der Verordnung des BMG nach § 76 BSHG durch den Bundesrat
Gerd Andres
nicht beteiligt. Aber ich sage hier in aller Offenheit: Wir unterstützen die Ablehnung Ihres Verordnungsentwurfs, Herr Seehofer, durch die A-Länder ganz ausdrücklich. Wir haben dabei nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, die klare Mehrheit der Länder, das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, sondern auch die überwiegende Mehrheit aller Fachleute auf unserer Seite.
Der jetzt vorgesehene individuelle Einkommenszuschuß bei Arbeitsaufnahme eines arbeitslosen Sozialhilfeempfängers hat nämlich gegenüber dem generellen Kombilohn, wie ihn Herr Seehofer nach dem Vorbild der BDA verankern wollte, entscheidende Vorteile: Wir wollen weder eine dauerhafte Subventionierung von Erwerbstätigen durch die Sozialhilfe, noch wollen wir die Zahl der Sozialhilfeempfänger erhöhen. Wir wollen Sozialhilfebezug überwinden und nicht auf weitere Bevölkerungskreise ausdehnen. Deshalb sind die individuellen Einkommenszuschüsse das richtige Instrument. Sie können auf die persönlichen Umstände eines jeden Sozialhilfeempfängers abgestellt werden. Sie können mit anderen Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit, zum Beispiel der Arbeitsgewöhnung, kombiniert werden, was in vielen praktischen Fällen auch erforderlich ist.
Nicht zuletzt können Arbeitgeber bei Einkommenszuschüssen mit Unterstützung des Sozialamtes Tariflöhne zahlen und Sozialversicherungsbeiträge darauf entrichten, während bei dem Kombilohn à la Seehofer in Höhe der ergänzenden Sozialhilfe keinerlei Ansprüche auf Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder im Alter gezahlt würden.
Ein so konstruiertes Kombieinkommen ist für uns kein Königsweg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, wie uns das von den Verfechtern des Kombilohns oftmals suggeriert wird. Es ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein kleiner Baustein zur Integration einer Problemgruppe in den Arbeitsmarkt.
Zusammengefaßt kann man sagen, daß der jetzt beabsichtigte ergänzende Einkommenszuschuß im Vergleich mit einer generell veränderten Einkommensanrechnung zielgerichteter und kostengünstiger ist. Deshalb unterstützen wir ihn. Es ist gut und richtig, daß die von Herrn Seehofer vorgesehene Verordnung nach § 76 BSHG abgelehnt wurde.
Allerdings kann es nicht bei dieser kurzfristig umsetzbaren Maßnahme bleiben.
Die Zeit, Herr Kollege!
Wenn wir allen arbeitslosen Sozialhilfeempfängern echte neue Chancen auf berufliche Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ernsthaft eröffnen wollen, müssen weitere Maßnahmen folgen. Es wäre dabei nach wie vor am sinnvollsten, arbeitslose Sozialhilfeempfänger in die
Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung einzubeziehen, wie es bereits unser Entwurf eines Arbeits-
und Strukturförderungsgesetzes vorgesehen hat.
Herr Kollege, ich muß auf die Zeit drängen.
Letzter Satz: Wenn dies aus finanziellen Gründen kurzfristig nicht umsetzbar wäre, dann sollten wenigstens Öffnungsklauseln kurzfristig als Sofortmaßnahmen geschaffen werden. Ich finde das, was wir hier durchgesetzt haben, sehr vernünftig. Herr Fink, ich muß Ihnen sagen: Ihre Initiative ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Norbert Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Es herrscht Aufbruchstimmung. Die deutsche Wirtschaft läßt die Muskeln spielen."
So hat sich Schröder gegenüber der „Bild"-Zeitung am 23. April 1998 geäußert. Ich muß Schröder gegen Ihr Gelächter in Schutz nehmen. Das hat Ihr Kanzlerkandidat nicht verdient. Ich wiederhole es gern noch einmal: „Es herrscht Aufbruchstimmung. Die deutsche Wirtschaft läßt die Muskeln spielen. " Dazu verhält sich das, was Sie heute hier aufgeführt haben, wie ein Kontrastprogramm. Sie kontrastieren das, was Ihr Kanzlerkandidat öffentlich vorträgt. Wo er recht hat, hat er recht. Allerdings ist er nicht der Grund für den Aufschwung.
Der Aufschwung hat den Arbeitsmarkt erreicht. Im April dieses Jahres ist die Arbeitslosenzahl um 223 000 zurückgegangen. Das ist der stärkste Rückgang der Arbeitslosenzahl im Westen seit 1976 und in Gesamtdeutschland seit der Wiedervereinigung. Das können Sie, verehrte Frau Kollegin Fuchs, nicht mit Arbeitsmarktmaßnahmen begründen; denn die Zahl der AB-Maßnahmen lag im April dieses Jahres um 62 000 unter der des Vorjahres.
Des weiteren können Sie auch mit den AB-Maßnahmen nicht begründen, daß die Zahl der offenen Stellen gestiegen ist. Das hat mit ABM nichts zu tun.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Die Zahl der offenen Stellen betrug im April 484 000; das sind 123000 Stellen mehr als im Vorjahr.
- Ich bin nicht an der Grenze. - Deshalb wiederhole ich es: Es gab im April 223 000 Arbeitslose weniger. Das ist der stärkste Rückgang in Westdeutschland seit 1976 und in Gesamtdeutschland seit der Wiedervereinigung. Lassen Sie uns uns doch einmal darüber freuen! Anschließend können wir uns wieder streiten.
Es herrscht Preisstabilität. Das halte ich für einen großen sozialen Fortschritt. Es gab unter der Regierung Schmidt eine Preissteigerung von 7 Prozent. Jetzt ist es nur 1 Prozent, also 6 Prozent weniger. Ich möchte daran erinnern: 1 Prozent Preissteigerung entzieht 18 Milliarden DM an Kaufkraft. Diese 6 Prozent machen also 108 Milliarden DM aus. Das ist ein Betrag, der dreimal höher als die Summe ist, die unsere Steuerreform gebracht hätte. Das ist ein Erfolg unserer Stabilitätspolitik. Klatschen Sie doch einmal, freuen Sie sich darüber, daß diese Entwicklungen den Rentnern und Arbeitnehmern zugute kommen!
Die Reformen beginnen zu wirken - ich betone: endlich. Die höhere Zahl der Einstellungen und die Preisstabilität sind Ergebnisse auch - ich sage ja keineswegs: allein - unserer Anstrengungen. Wir haben also nicht nur gespart.
In ein paar Tagen werden die Kindererziehungszeiten im Rahmen der Rentenreform aufgewertet. Das kostet 1,1 Milliarden DM. Das verstehe ich unter Umbau: Dort, wo entlastet werden kann, muß entlastet werden; dort, wo neue Notwendigkeiten entstehen, muß auch erhöht werden. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten bedeutet für eine Mutter mit drei Kindern, die nach 1992 geboren sind, unter den jetzigen Verhältnissen 1 296 Mark Rente im Jahr mehr. Das betrifft 7,7 Millionen Mütter.
Wir haben in dieser Legislaturperiode die zweite Stufe der Pflegeversicherung realisiert. Ich will ausdrücklich anerkennen, daß wir das gemeinsam gemacht haben.
Ich lade Sie ein, heute abend im Vermittlungsausschuß über alle Parteigrenzen hinweg für die Arbeitnehmer einen Fortschritt in Sachen Vermögensbeteiligung zu ermöglichen.
Ich finde, es tut dem Wahlkampf ganz gut, wenn nicht nur Pluspunkte gesammelt werden, sondern wenn verantwortlich im gemeinsamen Interesse gehandelt wird. Die Reformen sind ein Grund für die verbesserte Lage, und wenn Sie einen Grund wegnehmen, dann nehmen Sie dem Aufschwung den
Schub weg. Wer Aufschwung wählt, kann nicht Rotgrün wählen.
Wir geben uns mit dem Erreichten keineswegs zufrieden. Unsere Politik reicht nicht nur bis zum 27. September. Auch im nächsten Jahr - betrachten Sie das als Mitteilung - werden die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik genau so hoch sein wie in diesem Jahr.
- Genau so hoch wie in diesem Jahr. Bei den Programmen für Langzeitarbeitslose, für den Arbeitsmarkt, für ABM, für Fortbildung und Umschulung, für das, was auf dem Arbeitsmarkt für Beschäftigung sorgt, wird es 1999 keine Zurücknahme geben. Auch darüber sollten Sie sich freuen und klatschen.
Zu den Langzeitarbeitslosen: Das Programm - ich muß der SPD immer sagen, was den Arbeitnehmern guttut, damit sie es merkt und mitklatscht - geht bis 2001, nicht nur bis zum 27. September 1998.
Und das will ich hier auch einmal zu Protokoll geben: Die Länder, die am lautesten schreien, haben die Mittel am stärksten gekürzt. Stark gekürzt bei der Arbeitsmarktpolitik hat Brandenburg: ein Minus gegenüber 1996 von 15 Prozent.
In Sachsen-Anhalt sind es sogar minus 21 Prozent. Nicht jeder, der „Herr, Herr" sagt, kommt in das Himmelreich, und nicht jeder, der „sozial, sozial" sagt, ist wirklich sozial!
Rückgang der Arbeitslosigkeit: in Nordrhein-Westfalen im April 3,5 Prozent, in Bayern 6,6 Prozent, in Baden-Württemberg 9,4 Prozent.
- Hessen, das weiß ich im Moment nicht. Hessen hat nicht den Kanzlerkandidaten, Niedersachsen hat den Kanzlerkandidaten.
Ich möchte hier allerdings nicht nur rückwärtsgewandt sprechen. Ich sehe die große Gefahr auf dem Arbeitsmarkt, daß er dreigespalten wird. Die eine Gruppe bilden diejenigen, die ich die Global players nennen möchte, die mithalten können, die es allein schaffen, die uns nicht brauchen.
- Wir zählen auch nicht zu der zweiten und dritten Gruppe.
Dann wird es eine zweite Gruppe geben, die ich die Trittbrettfahrer nenne, die den Sozialstaat ausnutzen. Da heißt es, die Zumutbarkeit der Arbeit wirk-
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
lich einzufordern. Solidarität begründet nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.
Und dann gibt es - darauf sollten wir uns konzentrieren - die Zurückgebliebenen, die Deklassierten, die Hoffnungslosen. Es ist zu wenig, wenn man sagt, die werden halt unterstützt durch Sozialhilfe, durch Arbeitslosenhilfe. Wie schaffen wir für die Arbeit? Das ist die Preisfrage, der sich auch der Kollege Fink zuwendet.
Nun macht es doch nicht so kleinkariert! Die werden es nicht allein schaffen, die Älteren, die Kranken, die Behinderten.
Liebe Kollegin Fuchs, können wir darin übereinstimmen: Das ist die Gruppe, auf die wir uns konzentrieren müssen, weil ich fürchte, daß die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt eher härter wird, wenn wir nicht gegensteuern.
Da stellt sich schon die Frage, was wir tun können, um auch Sozialhilfeempfängern Arbeitsmarktchancen zu geben.
Übrigens, Kollege Andres, wir unterstützen von der Bundesanstalt her durch das Langzeitarbeitslosenprogramm 20 Prozent Sozialhilfeempfänger, auch wenn sie keinen Beitrag zur Bundesanstalt gezahlt haben. Ihr Wissen ist also etwas hinter der Entwicklung.
Ich sehe ebenfalls, daß wir der Frage nachgehen müssen, die auch der Kollege Fink aufgeworfen hat: Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sind zwei unterschiedliche Systeme, die aber den gleichen Personenkreis bedienen und die beide steuerfinanziert sind. Wenn es in diesem Bereich nicht zu einer stärkeren Koordinierung kommt, dann hat das einen Grund: Die Arbeitslosenhilfe wird aus der Bundeskasse, die Sozialhilfe aus den kommunalen Kassen gezahlt. Wegen der Zuständigkeit unterschiedlicher Kassen gibt es zuwenig Koordination. Die Tatsache, daß unterschiedliche Kassen zuständig sind, darf doch nicht zu Nachteilen für die Menschen führen.
Darauf müssen wir uns konzentrieren: wie man hier irrationale Regelungen beseitigen kann. Ich meine die unterschiedliche Leistungshöhe, die unterschiedlichen Voraussetzungen, die bei der jeweiligen Bedürftigkeitsprüfung abgefragt werden, den unterschiedlichen Zugang zum Arbeitsmarkt. Hier eine Lösung anzustreben, dem gilt unsere Einladung. Dem dient auch der Kombilohn.
Zum Schluß möchte ich noch ganz versöhnlich folgende Bemerkung machen: Wer ist Stollmann?
Das ist der Mann, der weiß, was Arbeitnehmer wollen; deshalb braucht er keinen Betriebsrat. „Wenn wir die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht selbst erkennen, machen wir etwas falsch." - Die Unternehmer kenne ich. Sie sagen: Ich bin der beste Betriebsrat! Herr Stollmann hat in seinem Betrieb keinen Betriebsrat. Er hat noch hinzugefügt, die traditionellen Formen der Mitbestimmung seien überholt.
Er weiß also, was Arbeitnehmer wollen. Das ist der alte Patriarch im neuen Yuppie-Gewand.
Deshalb schlage ich vor: Ottmar Schreiner und Norbert Blüm machen ein Aktionsbündnis: Schützt die Betriebsräte vor Stollmann.
- Das ist so witzig nicht. Wir haben 220 000 Betriebsräte in 40 000 Betrieben. Dann kommt der Mann her und sagt: Ich weiß, was meine Arbeitnehmer brauchen. - Ich sage: Dieses Aktionsbündnis könnten wir mit einem Teil der 8 Millionen DM finanzieren, die der DGB für den Wahlkampf ausgibt.
Damit könnten wir die 220 000 Betriebsräte einmal darüber aufklären, was der neue Wirtschaftsstar der SPD meint. Soll ich es noch einmal vorlesen? -
„Wenn wir die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht selbst erkennen, machen wir etwas falsch. " - Er braucht also keinen Betriebsrat; er weiß, was Arbeitnehmer wollen. Das sind Auffassungen aus der alten Patriarchenzeit, die diesmal im Yuppie-Gewand der Postmoderne daherkommen.
Ich bleibe dabei: Arbeitnehmer, Betrieb, Betriebsrat für den sozialen Ausgleich, für ein Miteinander - nicht für ein Gegeneinander -, für eine Partnerschaft, in der unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden - das ist unsere Mitbestimmungsphilosophie.
Lieber Ottmar Schreiner, wenn noch etwas Stolz in deinem Gewerkschafterherzen ist, dann sprichst du jetzt gegen Stollmann. Das erwarte ich von dir; ich erwarte von dir, daß solche Parolen hier nicht in Umlauf gebracht werden können. Ich fordere den DGB dazu auf, einen Teil seines Wahlkampffonds dazu zu verwenden, die Betriebsräte darüber aufzuklären, was der Kandidat des Herrn Schröder für das Wirtschaftsministerium zu Betriebsräten und zur Mitbestimmung in Unternehmen sagt. Jetzt Butter bei die Fische! Nur Mut, Ottmar Schreiner! Jetzt will ich einmal sehen, ob du auch wirklich für die Arbeitnehmer einstehst.
Das Wort hat jetzt ebenjener Ottmar Schreiner, SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst auf die Schlußfrage des Ministers eingehen und sagen: Ein Unternehmer, der sich für die Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seines Betriebes in-
Ottmar Schreiner
teressiert, ist mir zunächst einmal nicht unsympathisch.
- Moment! Die Schlußfolgerung des Herrn Ministers Blüm lautet: Also braucht man keinen Betriebsrat.
- Das ist zunächst einmal Ihre Schlußfolgerung. Ich sage nochmals: Ein Unternehmer, der sich für die Bedürfnisse seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessiert, ist mir zunächst einmal sehr sympathisch.
Wenn man die Bedürfnisse seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nimmt, folgt naturgemäß, daß man auch die Instrumente des Betriebsverfassungsgesetzes ernst nimmt. Das ist die logische Schlußfolgerung.
Herr Kollege Schreiner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Blüm?
Ich habe, glaube ich, noch nie eine abgelehnt. Bitte sehr.
Verehrter Herr Kollege Schreiner, darf ich noch einmal zitieren? „Verzicht auf traditionelle Formen der Mitbestimmung" . Jetzt gibt es kein Kneifen mehr; jetzt, Ottmar Schreiner, bitte: ja oder nein?
Zitieren Sie das bitte einmal. Ich will erst einmal das Zitat hören.
... positives Denken, Flexibilität und der Verzicht auf traditionelle Formen der Mitbestimmung .
Das ist aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger" . Wollen Sie das lesen?
Das ist die Zusammenfassung des Gesprächs mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger", das mit dem Zitat endet:
Wenn wir die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht selbst erkennen, machen wir etwas falsch.
Der Beweis dafür, daß er keinen Betriebsrat will, ist: Er hat keinen. Herr Abgeordneter Schreiner, -
Hier, Meister!
- Ich möchte jetzt einmal ganz klar wissen: Was sagen Sie zu den traditionellen Formen der Mitbestimmung und zu den Aussagen des Herrn Stollmann? Was sagen Sie dazu, daß er keinen Betriebsrat hat? Da wäre ich Ihnen jetzt für eine nicht ausweichende Antwort sehr dankbar.
Herr Kollege Blüm, zunächst einmal habe ich immer zu denen gehört, die die traditionellen Formen der Mitbestimmung begrüßt haben. Auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte bin ich der festen Überzeugung, daß sich diese Instrumente sozial und wirtschaftlich bewährt haben.
Das ist, glaube ich, ziemlich klar.
Ich bin des weiteren der Meinung, daß wir auf Grund einer ganzen Reihe von ökonomischen Tendenzen, zum Beispiel einer zunehmenden Zahl von Auslagerungen kleinerer Betriebseinheiten aus den Stammbetrieben, im Bereich der Mitbestimmung für die Zukunft einen Modernisierungsbedarf haben.
Es wäre gut gewesen, wenn die Bundesregierung in den letzten Jahren mit eigenen Initiativen hierzu gekommen wäre, statt tatenlos zuzusehen, daß die ökonomische Basis der Mitbestimmung zunehmend erodiert. Das geht mit Ihnen nach Hause, Herr Minister.
Ich komme nun zu der Aussage von Herrn Stollmann. Ich weiche nicht aus.
Ich bin hier noch nie vor einer Frage geflohen.
Wenn der Satz: „Ich bemühe mich, die Bedürfnisse meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr präzise zu kennen" so zu ergänzen ist: „also brauchen wir in diesen Betrieben keine Mitbestimmungsorgane", dann - um hier jedes Mißverständnis zu beseitigen - teile ich diese Auffassung ausdrücklich nicht. - Jetzt kann sich der Meister beruhigen.
- Soviel Beifall von dieser Seite habe ich noch nie gekriegt. Das ist wirklich ein erstaunlicher Vorgang.
Herr Blüm, ich bin sofort bereit, mit Ihnen ein Aktionsbündnis zu machen: zum Schutz der Arbeitslosen vor dieser Bundesregierung. Das machen wir beide sofort.
Ich glaube, da kriegen wir eine relativ breite Basis zusammen. Ich komme darauf zurück.
Zunächst einmal möchte ich einige Bemerkungen zu einzelnen Rednern machen. Dabei will ich auch Frau Dr. Babel - bei allem Respekt vor Ihrer letzten Parlamentsrede - nicht ungeschoren davonkommen lassen. Respekt hin, Respekt her - aber das ginge wirklich zu weit.
Ottmar Schreiner
Frau Dr. Babel, Sie haben unter anderem darauf hingewiesen, daß die Jugendarbeitslosigkeit 10 Prozent beträgt. Diese Zahlen kenne ich auch vom Bundeskanzler aus der letzten Sitzungswoche. Die Zahlen sind nachweislich falsch. Sie beschönigen eine dramatisch unangenehme Situation. Ich zitiere aus dem Jahreswirtschaftsbericht Ihrer Bundesregierung vom 11. März dieses Jahres. Dort heißt es auf Seite 46:
Gleichwohl haben die allgemein schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt und die angespannte Situation auf dem Lehrstellenmarkt die Jugendarbeitslosigkeit weiter ansteigen lassen. Rund 500 000 Jugendliche unter 25 Jahren waren 1997 arbeitslos.
Ich wiederhole:
Rund 500 000 Jugendliche unter 25 Jahren waren 1997 arbeitslos.
Dann kommt nichts mehr. Als sachkundiger Leser hätte man nun eigentlich eine Aussage dazu erwartet, was die Bundesregierung vorschlägt, um diese dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit ernsthaft zu bekämpfen. Es kommt aber nichts mehr. Es kommt nur noch heiße Luft.
Deshalb denke ich, daß alle Bemerkungen, die zu diesem Thema hier in den letzten Wochen und Monaten gemacht worden sind, nichts anderes sind, als eines der besorgniserregendsten Probleme, nämlich die massenhafte Ausgrenzung von jungen Menschen aus der Erwerbsarbeit, schönzureden, kleinzupredigen und zu negieren. Das löst überhaupt nichts.
Herr Kollege Schreiner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?
Ich habe gerade gesehen, daß sich Frau Babel gemeldet hat.
Sie hat sich auch gemeldet.
Von ihm ist nichts Gutes zu erwarten. Aber bitte schön.
Wenn Sie einverstanden sind, erst der Kollege Schauerte und dann die Kollegin Dr. Babel.
Versuchen Sie Ihr Glück! Bitte schön.
Bitte.
Herr Kollege Schreiner, wir bedauern die Situation im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit wirklich gleichermaßen, -
Das reicht nicht aus.
- und wir tun auch eine Menge dagegen. Bei der Jugendarbeitslosigkeit der unter 20jährigen haben wir mit 10 Prozent im Land Nordrhein-Westfalen den höchsten Wert und mit 4,6 bzw. 5,1 Prozent in Bayern und in BadenWürttemberg die niedrigsten Werte. Können Sie in dieser unterschiedlichen Situation eine erhebliche Mitverantwortung der Politik der Landesregierungen erkennen?
Ich halte Ihre Frage bereits im Ansatz für völlig unsinnig. Alle Ländervergleiche, die hier bemüht werden, sind pure Demagogie. Auch der Minister selbst hat eben einen derartigen Vergleich angestellt. Er hat darauf hingewiesen, daß in Sachsen-Anhalt oder in Brandenburg die ProKopf-Ausgaben der dortigen Regierungen für Arbeitsmarktmaßnahmen geringer als beispielsweise in Bayern oder in Hessen, seien.
Woher sollen die ostdeutschen Bundesländer vor dem Hintergrund ihrer Finanzlage und der dramatisch hohen Arbeitslosigkeit höhere Pro-Kopf -Ausgaben denn nehmen?
Es ist doch eine Beleidigung der Menschen und der Regierungen dort, wenn hier in Form unsinniger Vergleiche permanent Äpfel mit Birnen verglichen werden. Im Rahmen der Debatte heute morgen ist darauf hingewiesen worden, daß von den Forschungsgeldern des Bundes pro Kopf weit überproportional mehr Gelder nach Bayern fließen als in die meisten anderen Bundesländer. Und dann beschweren Sie sich, daß die anderen Bundesländer im Rahmen ihrer eigenen Forschungspolitik mit Bayern nicht angemessen mithalten können!
Auf Grund der Bundesforschungspolitik verursachen Sie selbst die ungleiche Entwicklung innerhalb der Bundesländer und kommen dann hierher und vergleichen Äpfel mit Birnen.
Das ist eine derart blinde, tumbe und blödsinnige Demagogie, die Sie dem Hohen Hause und uns allen wirklich ersparen sollten. - Jetzt können Sie sich setzen und Luft holen.
Herr Kollege Schreiner, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Babel?
Bitte sehr.
Ich ziehe meine Frage zurück. Sie würde nur Geschrei nach sich ziehen.
Dann Herr Abgeordneter Dr. Blüm, bitte.
Sie vergleichen Sachsen-Anhalt mit Bayern. Ich vergleiche die neuen Bundesländer miteinander. Wie erklären Sie, daß Sachsen-Anhalt und Brandenburg einen prozentualen Rückgang der Ausgaben für den Arbeitsmarkt verzeichnen, während Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern keinen Rückgang verzeichnen?
Mir sind die genauen Zahlen so nicht geläufig. Im übrigen, selbst dann, wenn es so wäre, gäbe es wahrscheinlich angesichts der allgemeinen Haushaltsentwicklung dieser Länder vernünftige Gründe dafür.
Der entscheidende Punkt ist ein völlig anderer. Statt jahrelang ein Schwarzer-Peter-Spiel - wer, der Bund, die Länder oder die Kommunen, entlastet sich am wirkungsvollsten von den Kosten der Arbeitsmarktpolitik? - zu betreiben, wäre es schon vor Jahren notwendig gewesen, unter Federführung des Bundes, konkret: des Bundesarbeitsministeriums, einen runden Tisch mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen einzurichten, nach dem Motto: Wer kann am sinnvollsten welchen Beitrag für eine konstruktive Arbeitsmarktpolitik in dieser Republik leisten?
Das wäre das Gebot der Stunde gewesen. Vor diesem Schritt haben Sie sich jahrelang gedrückt.
Zum nächsten Punkt. Frau Babel hat gesagt, die Opposition mache es sich leicht und handele nach dem Motto: Wenn diese Bundesregierung weg ist, dann ist das Problem der Arbeitslosigkeit ebenfalls beseitigt.
Herr Kollege Schreiner, es tut mir leid, Ihre Ausführungen führen zu Zwischenfragen. Es gibt schon wieder eine. Sind Sie bereit, auch die anzunehmen?
Zwischenfragen beleben die Debatte. Bitte sehr, Herr Keller. Hoffentlich kommen Sie wieder; ich drücke Ihnen die Daumen.
Herr Kollege Schreiner, nachdem Sie es abgelehnt haben, die Länder untereinander zu vergleichen, frage ich Sie andersherum: Können Sie sich vorstellen, daß die Tatsache der niedrigen Arbeitslosigkeit - insbesondere der niedrigen Jugendarbeitslosigkeit - in Bayern damit zusammenhängt, daß Bayern als einziges Bundesland in dieser Republik seit mehr als zwei Jahren ein funktionierendes „Bündnis für Arbeit" hat und daß in anderen Ländern, zum Beispiel in solchen wie Niedersachsen oder dem Saarland - Sie selbst kommen da-
her -, wo die SPD allein regiert, kein „Bündnis für Arbeit" existiert? In Bayern funktioniert es, und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter haben nachweislich festgestellt, daß fast 80 000 Arbeitsplätze gesichert und geschaffen worden sind; dazu sind knapp 20 000 Ausbildungsplätze für Jugendliche bereitgestellt worden. Warum fordern Sie ein „Bündnis für Arbeit" erst für die Zeit nach der Bundestagswahl? Sie könnten es nach dem Vorbild von Bayern schon jetzt in den SPD-regierten Ländern praktizieren.
Im Saarland und in Nordrhein-Westfalen funktioniert die Zusammenarbeit der Landesregierung mit den dortigen Tarifparteien, wie ich finde, jedenfalls vorzüglich. Insoweit können Sie nicht mit solchen Kamellen kommen.
Wenn Sie auf das Saarland hinweisen, dann muß ich folgendes sagen:
Wir hatten übrigens im Saarland 1985, im Jahr des Regierungswechsels, nicht eine einzige Forschungseinrichtung. Inzwischen haben wir im Saarland etwa 10 unternehmensnahe Forschungseinrichtungen, von der Max-Planck-Gesellschaft bis zu vielen anderen. In diesem Bereich ist sehr viel getan worden, um den strukturellen Wandel, unter dem unsere Region viel stärker als andere Regionen gelitten hat, zu vollziehen. Wir mußten den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen in der Stahlwirtschaft, im Bergbau usw. verkraften. Daß dieser strukturelle Wandel in den letzten Jahren einigermaßen vernünftig flankiert worden ist, ist im wesentlichen auch ein Verdienst der saarländischen Landesregierung.
Die Pro-Kopf-Zuwendungen des Bundes im Bereich der Forschung sind in Richtung Bayern wesentlich höher als die Pro-Kopf-Zuwendungen in Richtung Saarland, obwohl wir sie nötiger hätten als die Bayern. Das ist einer der Gründe für die ungleichmäßige Entwicklung zwischen den Bundesländern.
Sie haben an das Bündnis für Arbeit erinnert. Dabei gab es ja nun wirklich eine der blamabelsten Vorstellungen dieser Bundesregierung. In keinem Land Europas ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit ohne ein echtes und intensives Zusammenwirken aller beteiligten Akteure, also ein Bündnis für Arbeit, zurückzuführen.
Sie haben in Deutschland das Angebot der Gewerkschaften für ein Bündnis für Arbeit mutwillig platzen lassen.
Stichwortgeber für die Bundesregierung war der BDI-Präsident, Herr Henkel, der im Jahre 1996 von einer „Konsenssoße" gesprochen hat. Demnach ist also jedes Bemühen, die Arbeitslosigkeit im Konsens der Tarifparteien und des Bundes und der Länder zu-
Ottmar Schreiner
rückzuführen, als Konsenssoße diskreditiert. Die Bundesregierung hat dann die Gewerkschaften vom runden Tisch davongejagt und hat ihrerseits eine knallharte Konfliktstrategie gefahren,
indem sie nämlich ausschließlich die Forderungen der Arbeitgeberfunktionäre übernommen hat, massive Eingriffe in soziale Schutzrechte und einen massiven Abbau von Sozialrechten vorzunehmen.
Mit diesen Maßnahmen sollte die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Das Ergebnis können Sie betrachten: Wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, in dem in den letzten Jahren die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr gestiegen ist. Wenn irgend etwas am Ende dieser Legislaturperiode resümiert werden kann, dann folgendes: Die beschäftigungspolitische Konzeption dieser Bundesregierung, ausschließlich auf die Verbesserung der Angebotsbedingungen für Unternehmer zu setzen, ist kläglich gescheitert. Wir haben eine dramatisch hohe Arbeitslosigkeit. Am Ende dieser Legislaturperiode sind fast eine Million Menschen mehr ohne Arbeit als am Ende der letzten Legislaturperiode. In keinem anderen Land Europas ist die beschäftigungspolitische Bilanz derart miserabel wie hier in Deutschland. Die Gründe liegen in Ihrer Politik.
Herr Schreiner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubatschka?
Eigentlich ungern. Aber wenn er seinen Spaß haben will, bitte.
Aber bitte keine Antwort von fünf Minuten! Ansonsten kommen wir mit der Zeit nicht aus.
Herr Kollege, ich hoffe, daß mich Ihre Argumente nicht von den Beinen holen, wie das gerade dem Kollegen Keller widerfahren ist, der sich während der Beantwortung seiner Frage hingesetzt hat.
Meine Frage lautet: Wie beurteilen Sie ein bayerisches Bündnis für Arbeit, das von den Gewerkschaften ganz und von den Arbeitgebern zum Teil eingehalten wird, dessen Defizit aber vor allem in der Erfüllung seitens des Staates liegt? Im Bereich des öffentlichen Dienstes wurden nämlich die Zusagen nicht eingehalten. Und können Sie sich vorstellen, daß sich der Freistaat Bayern, der gerade sein industrielles Tafelsilber teilweise unter Preis verscherbelt, mit der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit sehr leicht tut?
Ich kann mir alles genauso vorstellen, wie Sie es gerade hier vorgetragen haben, Herr Kollege Kubatschka. Herzlichen Dank für die Frage.
Im Rahmen der Bestandsaufnahme sind von seiten der Regierung, Herr Kollege Blüm, die Erfolgsposaunen heute morgen nur so geblasen worden. Es ist aber nicht so, als ob wir versucht hätten, alles schlechtzureden. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Binnenkonjunktur leicht anzieht. Das ist sehr zu begrüßen. Gleichwohl kann von einer Trendwende - Ihre Wahlkampfmelodie lautet ja: wir sind jetzt in der Trendwende - beim besten Willen und auch bei gutwilliger Interpretation der Zahlen keine Rede sein.
- Herr Kollege Geißler, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Jagoda,
der Ihrem Hemd etwas näher als meiner Jacke steht, hat vor wenigen Wochen ausdrücklich gesagt, es handele sich um Besserungstendenzen; von einer Trendwende könne keine Rede sein.
Jetzt will ich zwei Zitate von Einrichtungen bemühen, die als Zeugen relativ gut geeignet sind. Ich zitiere nochmals den Berliner „Tagesspiegel". Dort heißt es unter der Überschrift „Aus der Statistik herausgekauft" :
Aufschwung am Arbeitsmarkt gleich Rückkehr ins Kanzleramt - damit diese Gleichung aufgeht, hat die Bundesregierung tief in die Tasche gegriffen. Im laufenden Jahr können die Arbeitsämter 11,6 Milliarden DM für sogenannte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ausgeben, fünf Milliarden mehr als 1997. Die Arbeitslosen werden also gewissermaßen aus der Statistik gekauft, in der sie dann im nächsten Jahr wieder auftauchen. Von einer nachhaltigen Bekämpfung der Beschäftigungskrise kann keine Rede sein.
Soweit der „Tagesspiegel" .
Als zweites zitiere ich aus der „Rheinpfalz" . Unter der Überschrift „Tricks mit den Arbeitslosenzahlen" - Herr Kollege Blüm, die „Rheinpfalz" beruft sich ausdrücklich auf die Forschungsgruppe der Dresdner Bank - heißt es am 18. Juni dieses Jahres:
Die Volkswirte der Dresdner Bank führen die jüngste Aufhellung am Arbeitsmarkt in erster Linie auf die Bonner Politik des „stop and go" zurück. 1997 seien die Mittel für Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmaßnahmen drastisch zusammengestrichen worden ... Nun werde mit Hinblick auf die Bundestagswahl das Steuer
- wörtliches Zitat der Dresdner Bank -
"massiv herumgerissen" ...
Ottmar Schreiner
Das ist in der Tat die Erklärung! Wir werfen Ihnen nicht vor, daß Sie den Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente verbessern. Das haben wir selbst jahrelang gefordert.
Wir werfen Ihnen allerdings vor, daß Sie den Einsatz der Arbeitsmarktinstrumente ausschließlich mit dem Blick auf den 27. September dieses Jahres verbessern. Das ist unser Vorwurf. Damit treiben Sie Mißbrauch mit diesen Instrumenten.
Die Arbeitsämter werden Ihnen sagen können, daß auf Grund Ihrer Abbruchpolitik im Bereich der Arbeitsmarktpolitik die Trägerstrukturen in den letzten Jahren massenhaft zusammengebrochen sind und daß die Arbeitsämter allergrößte Schwierigkeiten haben, den unerwarteten Segen dieses Jahres über den raschen Neuaufbau von vernünftigen Trägerstrukturen einigermaßen sinnvoll einzusetzen. Das meint das Stichwort „stop and go". Das ist der eigentliche Vorwurf.
Im übrigen ist es eine Ironie dieser Bundesregierung. Über Jahre haben die Redner der Koalition,
an der Spitze Frau Dr. Babel,
hier vom „Arbeitsbeschaffungssozialismus" geredet. Es war die Rede vom ABM-Sozialismus, den die SPD einführen wolle.
Mit Diffamierungsformeln dieser Art ist hier pausenlos gearbeitet worden. Sie haben also Arbeitsbeschaffung und Qualifizierung über Jahre öffentlich diffamiert. Jetzt aber entdecken Sie die gleichen Instrumente als Rettungsanker für die Bundestagswahl. Das ist doch eine Ironisierung Ihrer eigenen Politik.
Merken Sie das nicht? Sie greifen jetzt in Ihrer größten Not auf Instrumente zurück, die Sie in diesem Bundeshaus jahrelang diffamiert haben. Das ist in der Tat eine paradoxe Entwicklung.
- Das ist doch die Lage. Sie haben Jahr für Jahr abgebaut, bei steigender Arbeitslosigkeit. Allein in Ostdeutschland ist die Zahl der Arbeitslosen auf Grund Ihrer Abrißpolitik im Bereich der aktiven Arbeitsmarktinstrumente in den letzten Jahren um mehr als 200 000 gestiegen.
Jetzt entdecken Sie die Arbeitsmarktpolitik aus reinen Wahlkampfüberlegungen wieder. Da muß man sich an Ihrer Stelle doch fast schämen, wenn man das derart brutal betreibt.
Um nun auf das eigentliche Problem zurückzukommen, zitiere ich noch einmal die Dresdner Bank; ich habe hier ja für meine Verhältnisse merkwürdige Kronzeugen. Die Dresdner Bank sagt:
Das wahre Ausmaß des Problems wird noch deutlicher an der Entwicklung der Erwerbstätigenzahl - zugleich ein Ausdruck des Erfolges der deutschen Wirtschaft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt von 1992 bis 1997 real um 7 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ging die Zahl der Erwerbstätigen allerdings um 5,5 Prozent oder zwei Millionen auf 33,88 Millionen zurück. Die Volkswirte der Deutschen Bank bezeichnen deshalb die heimische Industrie als „neuen Produktivitäts-Champion" .
Das ist in der Tat eine Problemschere, die Sie politisch wesentlich mit zu verantworten haben. Die Arbeitsproduktivität wächst in Deutschland seit vielen Jahren stärker als die Wirtschaft. Das Wirtschaftswachstum erreicht nicht einmal mehr die Beschäftigungsschwelle des Wachstums. Damit geht die Schere zwischen Arbeitsproduktivität und Wirtschaftswachstum weiter auseinander, und damit steigt die Arbeitslosigkeit in Deutschland seit Jahren weiter.
Genau diese Konstellation haben Sie wesentlich mit zu verantworten, weil die Umverteilung von unten nach oben, die Sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten betrieben haben, eine Ausgangslage herbeigeführt hat, bei der die Nachfrage geschwächt worden ist und steigende Gewinne zu verzeichnen waren. Wenn beides zusammentrifft, fließen die Investitionen im wesentlichen in Rationalisierungsmaßnahmen. Also erhöht sich die Arbeitsproduktivität. Die Dresdner Bank spricht vom Produktivitätschampion. Die Nachfrage konnte nicht mithalten. Das ist präzise das Resultat Ihrer Umverteilungspolitik der letzten Jahre.
Jeder Versuch der SPD-Fraktion hier in diesem Hause, die Arbeitskosten bzw. die Lohnnebenkosten zu senken und den Rationalisierungsdruck vom Faktor Arbeit tendenziell auf den Faktor Energie umzusteuern, ist von Ihnen hier mehrheitlich kategorisch abgelehnt worden. Alle Bemühungen in Richtung einer ökologischen Steuerreform mit einem moderaten Umsteuern durch die Entlastung beim Faktor Ar-
Ottmar Schreiner
beit und eine verstärkte Besteuerung der Energieverbräuche sind von Ihnen kategorisch abgelehnt worden,
wiewohl uns die intelligenteren Köpfe bei Ihnen sehr wohl zugestimmt haben, und zwar bis hinein in Teile der F.D.P.
- Ich könnte Ihnen mengenweise entsprechende Zitate vortragen. Ich will das bleiben lassen.
Ich will zum Schluß noch einmal den Bundeskanzler bemühen, der sagte: Entscheidend ist, was hinten herauskommt.
- Genau, den scheidenden Bundeskanzler, der selbst schwierige Sachverhalte immer auf sehr nachvollziehbare Formulierungen bringt. - Niemand in Deutschland hat den notwendigen Wechsel in diesem Land besser und überzeugender begründet als der Bundeskanzler selbst. Er hat in seiner ersten Regierungserklärung am 13. Oktober 1982 folgendes ausgeführt:
Diese neue Regierung ist notwendig geworden, weil sich die alte, die bisherige Regierung als unfähig erwies, gemeinsam die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, das Netz sozialer Sicherheit zu gewährleisten und die zerrütteten Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich nicht nur als völlig unfähig erwiesen, die jährlich steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie haben vielmehr die Staatsfinanzen tief zerrüttet und das soziale Netz in größte Unordnung gebracht. Sie sollten jetzt wirklich Ihren Hut nehmen. Genehmigen Sie sich eine Auszeit! Der Wechsel ist da!
Herzlichen Dank.
Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Martin Mayer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schreiner, der Schluß Ihrer Rede war schon ein eigenartiger rhetorischer Purzelbaum. Das muß man klar sagen.
Wir beschäftigen uns ja heute mit dem Thema „Innovationen und Arbeitsplätze". Dabei spielen die modernen Informations- und Kommunikationstechniken eine große Rolle. Dazu sind von den Grünen und der SPD Anträge eingebracht worden, zum Beispiel der Antrag der SPD auf Drucksache 13/10563. Es ist wahr, daß die modernen Informations- und Kommunikationstechniken, einerseits über Rationalisierungseffekte zum Teil zu Arbeitsplatzverlusten, andererseits aber weltweit zu vielen neuen Arbeitsplätzen führen; das gilt insbesondere für die neuen Informationsdienste. Es muß unsere Aufgabe sein, von diesen neuen Arbeitsplätzen, die in der Welt entstehen, möglichst viele nach Deutschland zu holen.
Der SPD-Antrag, über den ich hier in erster Linie sprechen möchte, enthält neben den üblichen kleinlichen Mäkeleien an der Bundesregierung eine Aufzählung der Problemfelder und Ziele. Trotz der richtigen Benennung dieser Problemfelder und Ziele enthält er einen falschen Ansatz, der sich auch im Abstimmungsverhalten der SPD-Fraktion in den vergangenen vier Jahren wiederfindet. Denn er ist von Programmgläubigkeit und von dem unerschütterlichen sozialistischen Glauben geprägt, daß der Staat möglichst viel steuern und regeln müsse.
Kreativität und Innovationsfähigkeit - Worte, die SPD-Politikern in den letzten Monaten so locker über die Lippen gehen - lassen sich aber nicht staatlich verordnen.
Sie sind nur möglich, wenn alle Beteiligten einen möglichst großen Gestaltungsspielraum erhalten. Diesen Gestaltungsspielraum verweigert die SPD, wie sich an vielen Beispielen zeigen läßt.
Noch ein Wort zum neuen Schattenwirtschaftsminister des Herrn Schröder,
dem erfolgreichen Software-Unternehmer Jost Stollmann. Nach eigenen Worten versteht er ganz wenig von Parteien.
In bezug auf die SPD-Bundestagsfraktion gehört er offenbar zu den Ahnungslosen; sonst würde er sich auf ein solches Abenteuer nicht einlassen.
In seinem bisherigen Unternehmen arbeitete Herr Stollmann - jetzt zitiere ich - „mit jungen Leuten, die schnell reich und glücklich werden konnten, in einer Fun-Company" . Da kann ich nur sagen: Die Fraktionen des Deutschen Bundestages und insbesondere
Dr. Martin Mayer
die SPD-Bundestagsfraktion sind keine „Fun-Companies".
- Bitte?
- Fun darf schon sein; ja, dafür bin ich auch immer.
Herr Schröder möchte den Bürgern mit dieser Benennung offenbar vorgaukeln, daß mit diesem sehr erfolgreichen Unternehmer Unternehmensgründungen leichter werden. Aber dazu kann ich nur sagen: Vorsicht, Freunde aus der Software-Branche, aus der Branche der neuen Medien und in den neuen Dienstleistungsunternehmen!
Die auf staatlichen Programmen und auf staatlicher Steuerung fußenden Vorstellungen der SPD-Bundestagsfraktion führen zu mehr Bürokratie, zu vielen zusätzlichen Auflagen.
Wenn alle diese Vorstellungen realisiert worden wären, gäbe es in Deutschland keine Fun-Companies mehr, sondern Stätten der Unlust, und das kann nicht zu neuen Unternehmensgründungen führen.
Nun zu den Beispielen - das wollen Sie nicht gern hören, aber ich sage es Ihnen noch einmal -:
Da ist erstens der Gesetzentwurf der SPD zur Ausbildungsabgabe, der auch den Betrieben der Software-Branche spätestens eineinhalb Jahre nach Gründung zusätzliche bürokratische Lasten und Ausgaben aufbürdet.
Da ist zweitens die Forderung der SPD, neue Selbständige in das Sozialversicherungssystem zu zwingen und ihnen aufzuerlegen, Auftraggebern zusätzlich zur Mehrwertsteuer auch noch den Arbeitgeberanteil in Rechnung zu stellen. Das ist ein Programm, um Arbeitsplätze aus Deutschland wegzubringen. Die Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit kann sich jeder selbst ausrechnen.
Weiter ist da die Forderung der SPD, den Arbeitnehmerbegriff gesetzlich zu definieren, und zwar so, daß es außer der bisherigen Form der abhängigen Beschäftigung mit voller sozialer Absicherung keine anderen Formen mehr geben darf. Ich kann nur sagen: Damit würde man vielen jungen Menschen Chancen verbauen - das gilt gerade auch für die Software-Branche, die in diesem Antrag besonders angesprochen wird -, den Berufsstart mit Zwischenformen zu beginnen.
Es ist schon sehr erstaunlich,
daß die SPD von Innovation und Kreativität redet und im Arbeits- und Sozialrecht jede neue Form von vornherein abblockt und ablehnt.
Ich meine: Wer so mit Innovation und Kreativität umgeht,
der ist unglaubwürdig, und das gilt insbesondere dann, wenn er im Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht vorhandene Strukturen zementieren will.
- Sie wollen doch alles rückgängig machen; Sie haben doch alles blockiert, was an sozialen Reformen durchgeführt worden ist.
Die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte zeigt, daß sich die modernen Informations- und Kommunikationstechniken vor allem dort entwickeln - das Beispiel USA zeigt es ja -, wo Unternehmen viel Freiraum haben. Deshalb ist es wichtig, daß wir die Rahmenbedingungen auch in Deutschland entsprechend weiterentwickeln, die wir mit dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz bereits geschaffen haben.
Dazu kommen natürlich innovative Beschaffungen durch EU, Bund, Länder und Gemeinden. Alle haben auch die Pflicht, über ihr Beschaffungswesen innovative Impulse zu geben.
- Wenn Sie es nicht verstehen, erkläre ich es Ihnen nachher.
Die Ablehnung des Hochschulrahmengesetzes mit seinen neuen Möglichkeiten zu mehr Wettbewerb, Leistungsbereitschaft und Berufsnähe unserer Hochschulen durch die SPD ist ein weiterer Beweis dafür, daß die SPD die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Sie begründet diese Blockadehaltung nun mit dem fadenscheinigen Vorwand der Ablehnung von Studiengebühren.
Wenn man die vielen Forderungen im SPD-Antrag zur besonderen und verstärkten Förderung des Mittelstandes liest, kann man sich nur wundern, warum Sie die wirksamste Mittelstandsförderung, nämlich eine durchgängige Senkung der Steuersätze durch die große Steuerreform, abgelehnt haben. Die Ab-
Dr. Martin Mayer
senkung der Steuersätze käme gerade den kleinen und mittleren Unternehmen zugute, weil diese nicht so leicht wie andere die Zahlung von Steuern vermeiden können. Wer die Steuerreform blockiert hat, ist gegenüber dem Mittelstand unglaubwürdig.
Zur Forderung der SPD in diesem Antrag, weniger Geld für alte Strukturen und dafür mehr Geld für die Förderung neuer Unternehmen auszugeben, muß man auch die Frage stellen: Wer ist eigentlich der Bundesregierung in den Rücken gefallen, als es darum ging, die Kohlesubventionen abzubauen?
Wer hat die Stimmung angeheizt,
um dieses vernünftige Vorhaben der Bundesregierung zu unterlaufen?
Die heutige Debatte ist wichtig, um für die Bürger Klarheit zu schaffen. Die Stärkung von Selbstverantwortung und Leistungsbereitschaft ist als Antwort auf den stärkeren internationalen Wettbewerb dringend notwendig. Es kann nicht angehen, daß sich diejenigen, die wie die SPD Veränderungen blockieren und Strukturen zementieren, in der Öffentlichkeit als Helden der Innovation und Kreativität präsentieren. Wer aus durchsichtigen Gründen dringend notwendige Reformen blockiert und damit der Zukunft Deutschlands schadet, der kann in Deutschland keine Verantwortung übernehmen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Adolf Ostertag.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute die letzte arbeitsmarktpolitische Debatte dieser Legislaturperiode. Nun muß man - das ist heute schon gesagt worden - ein wenig Bilanz ziehen. Darauf möchte ich mich konzentrieren. Die arbeitsmarktpolitische Bilanz und die Aussagen der Redner der Regierungskoalition heute in dieser Debatte lassen sich schön zusammenfassen: schöne Worte, schlechte Taten! Das waren die letzten vier Jahre.
1982 sind Sie bei der vielbeschworenen Wende mit dem Anspruch angetreten, vor allem die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ottmar Schreiner hat vorhin den Kanzler aus seiner Regierungserklärung von 1982 zitiert. 1994 - wenn man sich diese Regierungserklärung ansieht - wollten Sie mit dieser Ankündigung endlich Ernst machen. Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung eine Stärkung der Arbeitsförderung und eine Verzahnung mit regionaler Strukturpolitik angekündigt. Ernst wurde es auch: Arbeitslosen und Arbeitnehmern haben Sie kräftig ins Portemonnaie gefaßt.
„Sozialabbau ohne neue Arbeitsplätze" hätte diese Bundesregierung ihre Kürzungsprogramme richtigerweise nennen müssen. Statt dessen hat sie sich immer neue wohlklingende Namen ausgedacht. 1994 war es ein „Spar-, Wachstums- und Konsolidierungsprogramm" . 1996 gab es ein „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" und 1998 einen „beschäftigungspolitischen Aktionsplan" .
Der jüngste Beweis für Ihre schönen Worte liegt heute auf dem Tisch: „Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung" wird diese Luftnummer, über die lange genug diskutiert worden ist, jetzt genannt; als wenn Ihre bisherigen Initiativen nicht schon genügend Arbeitsplätze gekostet hätten.
Vor zwei Jahren haben Sie vollmundig die Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 versprochen. Das Mittel zur Erreichung dieses Ziels, das Bündnis für Arbeit mit den Tarifparteien, haben Sie kurz darauf platzen lassen. Statt einer konzertierten Aktion für mehr Beschäftigung bekamen die Gewerkschaften einen Fußtritt. Sie haben lupenreine Unternehmerpolitik gemacht, und eine neue Runde im Sozialabbau wurde eingeläutet.
Heute stehen diese Regierung und ihre Koalition vor einem Scherbenhaufen. Traurige Rekorde markieren das Ende der Kohl-Ära. Allein in dieser Legislaturperiode ist die registrierte Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt von 3,7 Millionen auf 4,4 Millionen hochgeschnellt; die verdeckte Arbeitslosigkeit nicht mitgerechnet. In dieser Legislaturperiode ist die Zahl der jährlichen Unternehmenspleiten von 25 000 auf 33 000 angestiegen. Hinzu kommt, daß wir seit Anfang der 90er Jahre eine doppelt so hohe Staatsverschuldung haben.
Wenn die Regierung Kohl, Kinkel, Blüm und Co. eine Firma wäre, dann hätte sie schon längst Pleite gemacht. Ich glaube, das haben Sie selber nur noch nicht bemerkt. Die Quittung werden Sie am 27. September von den Wählerinnen und Wählern bekommen.
Meine Damen und Herren, der heute zu beratende Antrag dieser Noch-Regierungskoalition ist ein Scheinprogramm. Mein Kollege Gerd Andres hat das in der nötigen Deutlichkeit benannt. Ich kann es mir schenken, darauf einzugehen. Sie wollen Löhne in Niedrigtarifbereiche drücken oder ganz aus dem Tarif herausnehmen und dies auch noch mit öffentlichen Geldern aus der Sozialhilfe subventionieren. Dazu kann man eigentlich nur noch Kurt Tucholsky zitieren, der schon vor Jahrzehnten treffend gesagt hat: „Daß der Arbeiter für seine Arbeit auch einen Lohn haben muß, ist eine Theorie, die heute allgemein fallengelassen wurde. " Eine solche Politik betreiben Sie heutzutage.
Adolf Ostertag
In den vergangenen Jahren hat diese Regierung durch ihre Kürzungspolitik die aktive Arbeitsmarktpolitik wirklich verkommen lassen. Gerade in Zeiten hoher und strukturell bedingter Arbeitslosigkeit wäre es für den Arbeitsmarkt auf die Entlastungswirkung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen angekommen. Was haben Sie getan? Die Gelder für aktive Maßnahmen der Arbeitsförderung wurden in dieser Legislaturperiode um sage und schreibe 24 Prozent gekürzt, obwohl im gleichen Zeitraum die Arbeitslosigkeit um rund 20 Prozent gestiegen ist. Das bedeutet erheblich weniger Geld für viel mehr Arbeitslose. Diese Rechnung kann nur für den aufgehen, der mehr Armut, mehr Dequalifizierung, mehr Verzweiflung und mehr Hoffnungslosigkeit bei den Menschen in Kauf nimmt. Eine christliche Partei nimmt dies offensichtlich in Kauf.
Zu diesen Folgen Ihrer Politik sollten Sie sich aber auch bekennen. Heute habe ich das leider vermißt; denn Sie haben nur schöne Weihrauchkerzen im Saal angezündet. Ihre Politik hat die Arbeitslosigkeit vergrößert und die damit verbundenen Probleme erheblich verschärft. Daß sich das in Wahlkampfzeiten nicht gut macht, haben wir heute gehört. Sie wollen nun ein wenig gegensteuern, und das wird schon als die große Trendwende gefeiert. Aber auch wenn Sie Herrn Jagoda in diesem Jahr noch so viele Milliarden geben, sind dies nur Scheinprogramme. Sie werden nichts nützen. Der Wähler wird dies durchschauen. Außerdem können Sie natürlich die neu bewilligten Aktivmaßnahmen jederzeit nach oben fahren, da ja die Tiefststände der letzten Jahre nicht mehr zu unterbieten sind. Ich warne jedoch davor, sich hier auf das Kurzzeitgedächtnis der Menschen zu verlassen. Wenn jetzt in Ostdeutschland 100000 neue AB-Stellen entstehen, wird damit der Kahlschlag der letzten Jahre nicht vergessen gemacht. Dafür ist die Liste der von dieser Regierung gebrochenen Versprechen gerade im Osten viel zu lang. Auch wenn sie einen Zickzackkurs fährt, hat dies die Regierung noch nicht davon abgehalten, uns weiszumachen, daß dies für die Menschen Wohltaten sind. Ich nehme an, diese merken es.
Die Wende am Arbeitsmarkt kommt nicht über Nacht. Das wissen wir alle. Das wurde heute auch vielfach gesagt. Sie kommt auch nicht, indem die PRStrategen der Koalition die jüngsten Arbeitsmarktzahlen aus Nürnberg hochjubeln. Berücksichtigt man die Saisoneinflüsse und dieses ABM-Strohfeuer im Osten, bleibt nicht viel übrig. Tatsache ist, daß die Beschäftigtenzahl im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr um 200000 gesunken ist, und das trotz eines realen Wirtschaftswachstums von über 3 Prozent.
Die Wende am Arbeitsmarkt läßt sich nur mit einer umfassenden Strategie schaffen, die Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik umfaßt und miteinander verzahnt. In allen Politikfeldern muß die Beschäftigungswirksamkeit zur Richtschnur staatlichen Handelns werden. Genau dies haben wir in den letzten Jahren schmerzlich vermißt.
Die Vorschläge meiner Partei für mehr Beschäftigung lagen in den vergangenen Jahren hier auf dem Tisch. Ganz gleich, ob es sich um das Arbeits- und Strukturförderungsgesetz, um eine Arbeitszeitpolitik für mehr Teilzeitarbeit und weniger Überstunden, um ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit oder um ein Programm handelte, um den Mißbrauch der 620-DM-Jobs und die Scheinselbständigkeit zu bekämpfen,
diese Koalition hat unsere Konzepte niedergestimmt. Die Folgen lassen sich am Arbeitsmarkt ablesen. Ich glaube, die Zahlen sprechen für sich. Bei der Wahl werden Ihnen die Wähler das, was Sie uns heute blumen- und blümchenreich vorgestellt haben, sicherlich nicht gutschreiben.
Wir Sozialdemokraten werden die Arbeitsförderung auf der Grundlage unseres Entwurfs eines Arbeits- und Strukturförderungsgesetzes modernisieren. Nicht umsonst ist dieser Gesetzentwurf zusammen mit Experten, den Bundesländern und den Gewerkschaften entwickelt worden. Meinem Vorredner kann ich nur sagen: Wenn er einmal ein innovatives Gesetz lesen will - das ist auch von der Wissenschaft bestätigt worden -, soll er sich einmal dieses ASFG vornehmen. Dann kann er sehen, wie man den Anspruch dieses Begriffes wirklich einlöst; aber offensichtlich haben Sie Leseverbot.
- Ja, Sie, Frau Babel, sind ja eben schon zitiert worden. Auch Sie haben ja immer vom ABM-Sozialismus geredet.
Dieses Gerede hat sich doch schon längst überlebt. Die Anhörungen, die wir zu diesem Gesetz hatten, haben ja nachdrücklich bestätigt, wie gut das Gesetz war.
Dieser Entwurf ist also unsere Grundlage. Er bringt eine flexible und wirtschaftsnahe Ausrichtung und Verzahnung arbeitsmarktpolitischer Instrumente und der regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik mit sich. Er bringt die längst fällige Umschichtung von der passiven Finanzierung hin zu aktiven Maßnahmen. Wir haben festgeschrieben, daß mindestens die Hälfte der Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit in die aktiven Maßnahmen fließen soll. Letzten Endes bringt er auch einen Rechtsanspruch für schon längere Zeit Arbeitslose mit sich, an Weiterbildungs-
und Beschäftigungsmaßnahmen teilnehmen zu dürfen.
Auch wir wissen, daß sich das nach der Bundestagswahl nicht auf einen Schlag umsetzen läßt. 16 „verkohlte" Jahre auf dem Arbeitsmarkt lassen sich
Adolf Ostertag
eben nicht einfach ausradieren, vor allem dann nicht, wenn die Staatsfinanzen so wie in den letzten Jahren heruntergewirtschaftet wurden. Deshalb werden wir die überproportional steigende Jugendarbeitslosigkeit mit einem Sofortprogramm bekämpfen. Dazu gehören die Schaffung von Ausbildungsplätzen, besondere Hilfen für benachteiligte Jugendliche, die Förderung des Übergangs von der Ausbildung in den Beruf sowie ein Rechtsanspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen für längere Zeit arbeitslose Jugendliche. Es wird zunächst darum gehen, die aktiven Instrumente im Arbeitsförderungsrecht wieder zu beleben. Außerdem werden wir ein Bündnis für Arbeit zur Bewältigung der schwersten Beschäftigungskrise aufbauen, das diesen Namen auch wirklich verdient.
- Wir werden sorgfältig einen Kassensturz machen und alle unsere Maßnahmen unter einen Beschäftigungsvorbehalt stellen.
- Wir müssen natürlich sehen, was Sie uns nach 16 Jahren Katastrophenpolitik hinterlassen. Das ist richtig. Aber politische Entscheidungen müssen getroffen werden. Die Beschäftigungswirkung der Maßnahmen wird im Mittelpunkt stehen und nicht wie bei Ihnen am Rande, wo sie allenfalls noch eine kleine untergeordnete Rolle spielt.
Eine andere Politik braucht eben - das sollen meine letzten Worte sein - eine andere Mehrheit. Ich glaube, mit unseren Vorstellungen einer integrierten Politik zur Bewältigung der Beschäftigungskrise in den verschiedensten Bereichen werden wir schließlich die Wende auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen. Das haben die Menschen auch begriffen. Auch Sie haben es langsam gemerkt. Wenn man mit Wählerinnen und Wählern spricht, kann man das nachvollziehen. Am 27. September werden Sie für die Versäumnisse in Ihrer Arbeitsmarktpolitik die Quittung bekommen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Heinz Riesenhuber.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Diese Debatte steht unter einem eindrucksvollen Obertitel: „Mit Innovationen Massenarbeitslosigkeit überwinden". Im SPD-Antrag finden sich noch ein paar Untertitel von gleicher Faszinationskraft: „Aufbruch für neue Technologien" , „Neuer unternehmerischer Geist und unternehmerische Tatkraft", „Chancen der Globalisierung nutzen". Das alles finde ich toll. In dieser Debatte wurde von der Opposition aber nur dröge Mäkelei geboten, von ihr ging keine Faszinationskraft aus, und die angekündigten Fanfarenstöße fehlten.
Gut, Herr Schwanhold wird noch reden. Ich sehe voll Zuversicht Ihrer großartigen Rede entgegen.
Dies wird der Höhepunkt des Tages werden. Deshalb bin ich voller Mut und Zuversicht.
Aber bis jetzt war das hier doch eine relativ dröge und auf Moll gestimmte Darstellung.
Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß man immer in Schwierigkeiten ist, wenn man eine gute Politik kritisieren muß. Dann ist die Debatte schwierig, und es mangelt ihr an Feuer. Dann kommen auch so merkwürdige Aussagen heraus.
- Ja, Herr Ostertag, Sie haben es ähnlich gemacht. Ich war ganz traurig. Gerade von Ihnen hatte ich mir viel versprochen.
Es ist doch verblüffend, wenn die Opposition schreibt:
Die Bundesregierung reagiert nach wie vor kurzatmig und konzeptionslos auf die Beschäftigungs- und Strukturkrise.
Es ist verblüffend, wenn die Opposition sagt, wir brauchen Existenzgründungen und Wachstum mittelständischer Unternehmen. Das sind prächtige Forderungen. Und genau das ist das, was offenkundig läuft, und zwar innerhalb einer langfristig angelegten, stetigen und verläßlichen Politik,
und diese schlägt sich jetzt nieder.
- Dies erläutere ich Ihnen jetzt in einfachen Worten, liebe Frau Kollegin Fuchs; nur keine Ungeduld. Wenn Sie jedoch eine Zwischenfrage stellen, bekomme ich drei Minuten Redezeit zusätzlich. Sie sind willkommen.
Für das, was wir hier jetzt angelegt haben, könnte ich Ihnen Beispiele aus der Vergangenheit bringen, etwa die Steuerreform in den 80er Jahren, die der Kollege Stoltenberg gemacht hat. 1986, 1988, 1990 je 20 Milliarden DM, insgesamt eine Entlastung von 60 Milliarden DM. Das ist doch Mittelstandspolitik. Über 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen sind einkommensteuerpflichtig. Das Geld bleibt bei den Leuten, die es verdient haben. Sie haben es hart verdient, und sie wissen am besten, wie sie damit umgehen können. Sie haben es eingesetzt, und wir hatten einen Schwung und ein Wirtschaftswachstum, ohne das wir die deutsche Einheit und ihre Kosten,
Dr. Heinz Riesenhuber
die Kosten des alten Sozialismus, nicht hätten bewältigen können.
Ich werde Ihnen gern noch mit einigen weiteren Beispielen dienen, auch aus jüngster Vergangenheit; ich wollte aber erst einmal zeigen, was dabei herauskam. Nur daß wir uns da nicht mißverstehen.
Wir haben ein Riesenproblem - das ist völlig unbestritten - mit dem Arbeitsmarkt insbesondere deshalb, weil die großen Unternehmen in einer begrenzten Zahl unter dem Druck der Weltmärkte viele Hunderttausende von Arbeitsplätzen abgebaut haben. Aber was dabei nicht diskutiert und nicht gesehen wird, ist, mit welcher Beharrlichkeit und Stetigkeit kleine und mittlere Unternehmen jenseits aller Prognosen Arbeitsplätze aufgebaut haben, wie die Existenzgründungen weitergegangen sind und wie aus Existenzgründungen neue Arbeitsplätze entstanden sind. Der Abbau bei den großen Unternehmen kommt jetzt zum Stillstand. Der Aufstieg aus Neugründungen, aus kleinen und mittleren Unternehmen gewinnt Kraft und Dynamik. Das ist das Entscheidende, was den Arbeitsmarkt tragen wird und Innovationen in der Struktur unserer Gesellschaft durchsetzen wird.
Wir haben in jedem Jahr mehr Existenzgründungen, von 300 000 Anfang der 80er Jahre bis 530 000 im letzten Jahr. Im letzten Jahr war die Zahl der Unternehmen, die aus dem Markt gegangen sind, rückläufig. Wir haben in jedem Jahr einen höheren Gründungssaldo im Vergleich zu denen, die aus dem Markt gegangen sind; 95 Prozent davon friedlich, 5 Prozent in Konkursen. Die Zahl wurde genannt. Wir haben zum erstenmal seit Anfang der 50er Jahre einen Zuwachs an Unternehmen. Die Zahl der Selbständigen war stets gesunken. Seit 15 Jahren steigt sie mit Beständigkeit Jahr für Jahr. Wir hatten 1983 1,8 Millionen Selbständige, wir haben heute 2,7 Millionen Selbständige. Darin liegt die Kraft und Dynamik, die wir in den letzten 15 Jahren freigesetzt haben. Sie trägt unsere Struktur und den Strukturwandel, und sie trägt die künftigen Arbeitsplätze.
Wo erfolgen die Gründungen? Ich will es gar nicht im einzelnen nennen. Es sind die klassischen Bereiche der Rechtsanwälte, der Architekten, der Ärzte, der Zahnärzte, der Steuerberater. Das ist aber auch schon der einzige Bereich, in dem die Studenten an Gründungen denken. Die meisten Studenten wollen in den öffentlichen Dienst. Ein grobes Mißverständnis; der baut ab. Von den anderen will mehr als die Hälfte zu großen Unternehmen. Ein großes Mißverständnis; die bauen ab. Hier den Geist der Gründung, der in den letzten Jahren zugenommen hat, und zwar im Bereich der Gründung von neuen Technikunternehmen, zu stärken und zu ermutigen ist die eigentliche Aufgabe. Das machen Sie aber nicht, wenn Sie sagen, wie schrecklich die Welt sei. Die
Schönheit und Strahlkraft ihrer Gestaltungsmöglichkeit - mehr Zuversicht, Frau Fuchs!
- Schauen Sie nicht so ängstlich, schauen Sie nicht so ärgerlich, schauen Sie etwas fröhlicher.
Sie müssen die Menschen gewinnen und ihre Herzen mit Fröhlichkeit erfüllen. Nur dann werden sie Ihnen auch folgen. Für eine Dame müßte das ja möglich sein. Ich weiß, daß Sie ein fröhliches Herz haben, auch wenn Sie es manchmal verbergen.
Es wird gegründet im Handwerk. Das unterstützen wir. Wir können es allerdings nicht direkt machen. Ich weise hin auf das Meister-BAföG, das Jürgen Rüttgers gemacht hat, auf die neue Handwerksrolle, auf die Zusammenführung von Handwerksberufen. Plötzlich nehmen die Möglichkeiten zu.
Über Dienstleistungen wissen wir zuwenig. Unsere geniale Statistik weiß alles über die alten Industrien; in der Landwirtschaft kennen wir jedes Huhn mit Vornamen.
Aber bei den neuen Dienstleistungen haben wir nur eine allgemeine Idee. Da wird gesagt, 1,1 Millionen Arbeitsplätze seien in den letzten zehn Jahren im Bereich der klassischen Dienstleistungen - Verkehr, Handel, Banken, Versicherungen - geschaffen worden. Das ist ein Drittel der Arbeitsplätze; zwei Drittel sind „sonstige Dienstleistungen". Wir wüßten gerne genauer, was sich dahinter verbirgt. Aber sie entstehen und wachsen. Die Hälfte der Gründungen sind Dienstleistungen: kleine Softwarehäuser, Berater, Zauberkünstler, die auf Kindergeburtstagen auftreten,
soziale Dienstleistungen in großer Vielfalt, wo es bisher nur Diakonie und Caritas gab. Die Freundin meines Bäckers hat einen Partyservice und liefert Brötchen. Die Menschen sind glücklich und der Bäcker auch.
Das heißt, die zusätzliche Vielfalt entsteht dadurch, daß den Leuten etwas einfällt und sie Freude daran haben.
Es wird aber nicht nur bei den Dienstleistungen, sondern auch bei den neuen Techniken gegründet, und zwar in Fülle und Kräftigkeit. Gut, es hat eine Zeit gedauert. Aber auch hier hat die Bundesregierung eine langfristige und überzeugende Strategie verfolgt. Charakteristisch für die Bundesregierung ist, daß sie mit einer langfristigen Strategie die Be-
Dr. Heinz Riesenhuber
dingungen so schafft, daß sich die Wirklichkeit verwandelt, ohne daß die Menschen überfordert werden. Damit können die Chancen und Bedingungen für das Neue kraftvoll entstehen.
Da kann man nichts direkt tun. Der Staat kann nicht das Neue kreieren. Überhaupt sollte der Staat in der Regel in diesem Sinne nicht kreativ sein. Das verwirrt die Menschen. Der Staat erbringt eine beachtliche Leistung, wenn er die Leute nicht mehr als nötig bei der Arbeit stört.
Aber die Bedingungen für Kreativität so zu setzen, daß das Neue seine Dynamik entfalten kann, ist das Entscheidende. Das betrifft etwa die Deregulierung.
- Lieber Kollege Lennartz, der Erfolg zeigt ja schon, daß hier etwas geschehen ist;
aber jetzt will ich für Sie auch hier schlichte Beispiele bringen.
Befristete Arbeitsverträge heißt, daß ein Meiner Unternehmer mit fünf Mitarbeitern auch dann jemanden einstellen kann, wenn er nicht sicher ist, ob seine Aufträge noch kommen. Die Genehmigungsverfahren sind schneller geworden; die Genehmigungszeiten haben sich halbiert. Alle Vorschläge der Schlichter-Kommission sind ins Gesetzblatt eingeflossen. Spezialgesetze vom Chemikaliengesetz bis zum Bundes-Immissionsschutzgesetz sind in vielen einzelnen Punkten geändert worden. Der Vollzug macht mit. Selbst in den Ländern, selbst, Kollege Lennartz, in den rotgrün regierten Ländern hat man geschnallt, daß es darauf ankommt, das Neue schnell zu ermöglichen. Ich war gerührt und beeindruckt, als Herr Eichel hier erläutert hat, auch er sei für Gentechnologie
und würde nie mehr einen solchen Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschreiben. So etwas bewegt und freut einen.
Die Zukunft bricht sich Bahn. Das Richtige setzt sich durch. Manchmal ist es etwas zäh. Manchmal leidet es unter dem hinhaltenden Widerstand der Opposition. Ich denke etwa an Ihre beharrliche Weigerung, den Bäckern das Recht zu geben, Brötchen dann zu backen, wenn die Menschen sie essen wollen.
Auch dies haben wir durch Tatkraft, Dynamik und visionären Unternehmungsgeist überwunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß schon, daß wir noch nicht alle Reformen bei den Steuern hinbekommen haben. Die Unternehmensteuerreform und das Einkommensteuerrecht sind bereits genannt worden. Alle Steuerlasten müssen herunter, viele Ausnahmen müssen weg. Der einzelne soll die Chance haben, sich nicht vor allem mit seinem Steuerberater befassen zu müssen, wenn er gut verdient hat.
- Lieber Herr Lennartz, ihr habt es im Bundesrat abgelehnt. Die Wahrheit ist nicht immer bei der Mehrheit. Im Bundesrat habt ihr die Mehrheit. Aber die Wahrheit bricht sich Bahn, und die Gesetze machen wir dann mit einer größeren Mehrheit nach der Wahl.
Es war die Ansparabschreibung, es war die Erbschaftsteuer, die für die Betriebsübernahmen wichtig ist, es war die Schenkungsteuer, es war die Gewerbekapitalsteuer, es war die Vermögensteuer, beides Steuern, die auch bezahlt werden müssen, wenn man Verluste macht: Bei einer Fülle von Punkten haben wir die Last zurückgenommen und die Freiräume erweitert. Die Leute haben die Chancen ergriffen. Es hat keinen Zweck, über die Rezepte zu diskutieren, wenn der Kuchen nicht schmeckt. Aber der Kuchen schmeckt den Leuten; sie sind fröhlich und sie essen ihn. Es entsteht das Neue, und es wird vorangebracht.
Jetzt rede ich nicht über die Fülle der Programme, mit denen wir unterstützen: nicht über die ERPGründungsdarlehen, nicht über Deutsche Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau. Ich spreche nicht über die prächtigen Programme von diesem hervorragenden Forschungsminister und von einem seiner großartigen Vorgänger, der die Reihe dieser Programme vor längerer Zeit mit dem TOUProgramm begonnen hat.
Ich spreche nicht von all dem, was die Bundesregierung in einer langfristigen Strategie weise angelegt hat, was Mut und Zuversicht im Lande entwickelt, so daß sich das Neue in überzeugender Weise Bahn bricht.
Die Zahl der Biotechnologieunternehmen hat sich - Herr Rüttgers hat es mehrfach zitiert - Jahr für Jahr verdoppelt. Dies ist noch nicht ein Ergebnis; da wird es Rückschläge geben. Aber es zeigt die Zuversicht, das Neue anzugehen und sich nicht von einer gepflegten Verzagtheit irritieren zu lassen, von einer Kultivierung der Problematik, die sich in jeder einzelnen Frage durchaus stellen kann.
Dr. Heinz Riesenhuber
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Bereiche - ich habe sie nur stichwortartig genannt - haben wir in prächtiger Weise in Ordnung gebracht. Herr Schwanhold wird dies sicher bestätigen.
- Er ist ein kundiger Kollege aus dem Wirtschaftsausschuß, dessen Meinung ich sehr schätze. Wir waren so oft nahe beisammen, daß ich fast irritiert war.
Er könnte also die gleiche Rede halten, die ich halte. Er müßte nur dazusagen: Das hat diese Bundesregierung so großartig geschaffen. Wollen Sie weitermachen? Wir werden uns bemühen, eine bessere Opposition zu sein. Seien Sie eine tüchtige Bundesregierung. -
Dies wäre ein konkreter Vorschlag zur Güte.
Was wir neben all dem, was der Staat in seiner Weisheit macht, vor allem brauchen, ist, daß der Mut, die Zuversicht und der fröhliche Tatendurst im Lande wachsen, daß wir nicht mit herunterhängender Unterlippe herumlaufen und die Leute enttäuschen, daß wir die Leute nicht mit den Ärgerlichkeiten dieser Welt befassen, daß wir nicht einen Wahlkampf auf der Grundlage „Die Reichen werden immer reicher" führen.
Herr Stollmann soll den jungen Unternehmern, die gründen wollen, die nicht 40-Stunden-Wochen, sondern 70-Stunden-Wochen haben und die diese gern auf sich nehmen, weil sie ein hohes persönliches Risiko eingehen, die Mut und Unternehmungsgeist einbringen, die Arbeit für sich und Arbeit für andere schaffen und damit die Zukunft aufbauen, einmal erklären - er kann es auch Ihnen erklären -,
daß man den Mut zum Risiko nur dann hat, wenn auch die Chance eines hohen Gewinns und eines großen Erfolgs besteht und der Erfolg nicht beneidet, sondern mit fröhlichem Respekt anerkannt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie stimmen unseren Zielen in einer eindrucksvollen Weise zu. Das zeigt Ihr zukunftsweisender Antrag. Aber Ihre Mittel sind leider falsch. Das ist bereits in früheren Reden gesagt worden. Aber daß wir jetzt auf dieser Grundlage der Gemeinsamkeit der Ziele frohgemut in eine neue Legislaturperiode aufbrechen,
in der wir das Neue mit Tatkraft gemeinsam voranbringen, in der der Bundesrat uns bei unseren zukunftsweisenden Entscheidungen mit Herzlichkeit unterstützt, in der wir den Menschen im deutschen Land Mut und Zuversicht bringen, das wünsche ich uns nach einem fairen und sachlichen Wahlkampf, in dem die Wahrheit deutlich zutage treten wird.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Schwanhold.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Riesenhuber, wir haben gelegentlich im Wirtschaftsausschuß das Vergnügen, uns zu streiten. In der Tat: Wir sind mit unseren Meinungen häufiger beieinander, als manche Menschen glauben.
Übrigens bin ich auch in diesem Moment - bei Ihrer mit großer schauspielerischer Leistung vorgetragenen Rede - relativ dicht bei Ihnen, weil sie eine Satire auf Ihren Amtsnachfolger Rüttgers war.
Dieser Kollege, Ihr Amtsnachfolger - dazwischen gab es noch einen, der jetzt als Abgeordneter versucht, das nachzuholen, was er in Ostdeutschland nicht geschafft hat -, hat gesagt, in den letzten vier Jahren, seitdem er dieses Geschäft mache, habe er alles bewegt. Ich finde, Herr Bundesforschungsminister a.D. Professor Dr. Riesenhuber, Sie waren ein glänzender Minister und Sie wären eine Zierde für die jetzige Regierung. Dort ist nicht so fürchterlich viel Sachkompetenz vorhanden.
Das haben Sie auch rübergebracht und deutlich gemacht.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist: Haben wir eigentlich inhaltlich mehr Gemeinsamkeiten, als wir das nach außen hin dokumentieren, oder haben wir diese Gemeinsamkeiten nicht? Ich habe in den letzten Monaten 40 bis 45 Mittelstandsforen in dieser Republik durchgeführt. Ich habe etwas weniger mit den Funktionären geredet als Sie, die Ihnen auch ein bißchen mehr nach dem Mund reden als uns. Dafür habe ich mit den Gründern und Mittelständlern gesprochen, mit jenen, die in konkreten Schwierigkeiten sind.
Ich habe eine Fülle von Informationen über die Schwierigkeiten bekommen, die sie an der Politik der letzten Jahre festmachen. Sie sind verzweifelt darüber, daß sie zwischenzeitlich nur noch 16 Prozent Eigenkapital haben. Sie haben gute Ideen und bekommen deren Umsetzung nicht mehr finanziert. Das ist aber doch das Ergebnis Ihrer Politik und nicht das Ergebnis der Oppositionspolitik.
Ernst Schwanhold
Sie sind verzweifelt über die Gängelungen, die Sie ihnen im Gesetzgebungsrecht und im Verfahrensrecht auferlegt haben. Sie sind verzweifelt darüber, daß sie ihre guten Ideen noch immer nicht in ausreichendem Maße mit Chancen- und Risikokapital umgesetzt bekommen; ich rede lieber von Chancenkapital. Sie sind verzweifelt darüber, daß es im Hause Rüttgers noch immer keine Kompetenz gibt, um zu sagen: Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung werden so verkoppelt, daß auch mittelständische Unternehmer den Markt testen können, in dem derjenige, der das Risiko eingeht, ein neu entwickeltes Produkt für sich selbst abzunehmen, in die Förderung einbezogen wird.
Das ist die Basis: Wissenschaft, Entwicklung plus Markterschließung. Wenn wir von mittelständischen Unternehmen wollen, daß sie einen neuen Markt eröffnen, dann müssen wir ihnen auch die Chance geben, und dafür müssen Sie die Hilfestellung leisten. Das haben Herr Rüttgers und Ihre Nachfolgertruppen eben nicht getan. Das ist Kritik an deren Verein.
Da gibt es doch eine Fülle von Beispielen. Ich habe heute morgen mit einem Unternehmer zusammengesessen. Er hat ein altes, solides Unternehmen. Die haben nicht über ihren Durst gelebt. Er kam verzweifelt zu mir und sagte: Ich mache jetzt ein erstes mittelständisches Joint-venture in China. Er ist dabei, sich in Süddeutschland anzusiedeln und auszuweiten. Er sagte: Ich bin mit 14 bis 16 Prozent Eigenkapital am Rande dessen, was ich machen kann. Aber er hat Ideen, er verbindet Ökologie mit Zukunftsprodukten, um neue Märkte zu erschließen; denn wir benötigen mehr Ökologie in den Produkten. Da läuft er sich an den Türen des Forschungsministeriums die Füße wund. Sie kriegen es nicht hin, auch solche innovativen Ideen zu fördern. Aber aus eigener Kraft schafft er es nicht. Dahinter stünden Arbeitsplätze. Sie haben den Anschluß verpaßt bei der Innovation und in neuen Technologien. Das ist Chemie im Übergang zum Umweltschutz.
Herr Kollege Schwanhold, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wülfing?
Ich gestatte eine Zwischenfrage der Kollegin Wülfing, ja.
Herr Kollege Schwanhold, ist Ihnen bekannt - -
Ernst Schwanhold (SPD): Ja.
Offensichtlich nicht, sonst würden Sie nicht solche Dinge sagen, wie Sie sie eben vorgetragen haben.
- Ich habe gefragt: Ist Ihnen bekannt,
daß kleine und mittlere Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland 56 Prozent aller Forschungsförderungsmittel, Forschungskooperationsmittel erhalten, obwohl sich nur 14 Prozent an der Forschung beteiligen?
Frau Kollegin Wülfing, mir ist durchaus bekannt, daß bei 99,6 Prozent kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Bundesrepublik ausschließlich 4 Prozent der Subventionen des Bundeshaushalts ankommen und daß der übrige Teil der Subventionen bei den Großbetrieben ankommt. Dies ist mir sehr wohl bekannt.
Mir ist sehr wohl bekannt - um auch dies noch deutlich zu sagen -, daß bei der Erschließung der neuen Märkte die mittelständische Wirtschaft eine Exportquote hat, die deutlich unterhalb jener der Großbetriebe liegt.
- Ich bestehe schon darauf, daß die Kollegin stehen bleibt. Ich bin nämlich bei der Beantwortung ihrer Frage.
Man muß natürlich dazusagen: Selbstverständlich ist der Zugang der mittelständischen Unternehmen zu den Exportmärkten außerordentlich schwach. Genau in diesem Bereich wird nichts getan.
Mir ist sehr wohl bekannt, daß es auf Bundes-, Landes- und Europaebene 670 Förderprogramme gibt und daß mittelständische Unternehmer keine Rechtsabteilung haben, um zu schauen, welches Programm auf sie zutrifft. Dazu brauchen sie einen Förderberater. Das ist doch Ergebnis Ihrer Politik.
Dann reden Sie davon, was Sie Tolles gemacht haben. Dazu haben wir Ihnen Anträge im Deutschen Bundestag vorgelegt; Sie haben diese blockiert und waren noch nicht einmal in bezug auf die Zusammenfassung der Förderprogramme gesprächsbereit. Wir brauchten eigentlich nur fünf Bereiche zu fördern: Finanzierung von Existenzgründungen, Finanzierung des Wachstums, Förderung von Forschung und Entwicklung sowie des Marktzugangs und eine Absicherung gegen die Eventualitäten des Lebens, das heißt gegen Konkurse.
Ich glaube, daß sich Frau Wülfing jetzt endlich setzen darf.
Entschuldigung, Frau Kollegin Wülfing. Ich wende mich wieder Herrn Riesenhuber zu.
Ja.
Ich habe gerade gesagt, daß ich mich Herrn Riesenhuber zuwende.
Herr Riesenhuber, Sie reden von den Neugründungen. Es ist richtig, daß wir viel zu wenige selbständige Unternehmen haben. Es sind momentan 9,2 Prozent. Diese Quote liegt im europäischen Ausland zwischen 13 und 16 Prozent. Wenn wir die Dekkungslücke geschlossen hätten, wären in drei Jahren 600 000 bis 700 000 neue Arbeitsplätze entstanden. Das ist nicht gelungen. Wir haben jetzt eine leicht ansteigende Tendenz zu verzeichnen. Das ist gut. Die größten Zuwachsraten hat übrigens Nordrhein-Westfalen aufzuweisen, obwohl man dabei nicht vergessen darf, daß der Sockel dort wesentlich niedriger war.
Aber im Jahre 1997 sind durch 30 000 Konkurse 250 000 Arbeitsplätze mehr vernichtet worden, als durch alle Neugründungen zusammen geschaffen wurden. Zur Mittelstands- und Innovationspolitik gehören also sowohl die Bestandspflege als auch Neugründungen. Zumindest im Bereich der Bestandspflege haben Sie kläglich versagt, wie die Zahlenvergleiche zeigen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch mit dem Kasperletheater von Herrn Blüm aufräumen. Herr Blüm hat sich ja zu Herrn Stollmann geäußert. Daraus muß ich schließen, daß Sie offenbar neidisch sind, daß sich ein so innovativer Unternehmer bereit erklärt hat, unter einer SPD-Regierung das Wirtschaftsministerium zu übernehmen.
Schauen Sie sich doch einmal an, wen Sie bisher alles als Wirtschaftsminister aufgeboten haben: Bangemann, Haussmann und Rexrodt. Wenn ich mir diese Leute anschaue, dann muß ich sagen, daß Stollmann ein anderes Kaliber ist, was innovative und kreative Ideen und Gedanken angeht.
Herr Kollege Blüm, damit Sie sich keine weiteren Gedanken über die Mitbestimmung machen müssen, rate ich Ihnen: Kaufen Sie morgen die „Zeit"; wenn Sie es nicht tun, stelle ich Ihnen gerne einen Vorabdruck des Interviews zur Verfügung. In diesem Interview antwortet Herr Stollmann auf die Frage, ob dieses auch für die Mitbestimmung gelte:
Der Gedanke der Mitbestimmung ist zukunftsweisend. Das müssen wir weiterentwickeln. Ob die Basis des Betriebsverfassungsgesetzes die einzige Lösung ist, das weiß ich nicht.
Ich finde, daß das eine Antwort auf Ihre Frage ist, die Sie aus einem Interview der Vergangenheit abgeleitet haben: Mit Mitbestimmung wird Verantwortung übernommen und die Zukunft der Betriebe gestaltet.
Herr Kollege Schwanhold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Blüm?
Aber mit Freude.
Herr Kollege, können Sie trotz des Interviews in der „Zeit", das Sie angekündigt haben, -
Ich gebe es Ihnen gleich.
- erklären, weshalb trotz der Bemühungen der IG Metall und der HBV in dem Betrieb des Herrn Stollmann kein Betriebsrat eingerichtet wurde?
Ich finde, Herr Minister Blüm, daß Sie in der Vergangenheit schon kreativere Fragen gestellt haben.
- Ich bin gerade dabei, Ihnen zu antworten. - Der zukünftige Kollege und SPD-Wirtschaftsminister hat ein Beteiligungsmodell in seinem Unternehmen initiiert und hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Davon können Sie sich eine Scheibe abschneiden, was Ihre Vorstellungen über Mitarbeiterbeteiligung betrifft.
Außerdem kann ich nur dem beipflichten, was der Kollege Schreiner gesagt hat: Zu einem anständigen Großbetrieb gehört auch eine anständige Mitbestimmung, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer natürlich bereit sind, Verantwortung für das Unternehmen im Rahmen der Mitbestimmung zu übernehmen. Auf solche kreativen Kräfte sollte man nicht verzichten.
Gestatten Sie eine Nachfrage des Kollegen Blüm?
Nein, ich möchte jetzt gerne mit Blick auf die nachfolgende namentliche Abstimmung zum Ende kommen.
Ich will gerne, Herr Kollege Riesenhuber, Ihre Idee noch einmal aufgreifen, was die Finanzierung von Existenzgründungen und des Wachstums angeht. Wie schaffen wir es, daß junge Unternehmer privates Vermögen - und nicht öffentliche Gelder - als Chancenkapital zur Verfügung gestellt bekommen? Ich glaube, daß Sie in diesem Zusammenhang ein Element unterschätzen. Wir sind mit dem Universalbankensystem sehr weit gekommen. Aber das Universalbankensystem hat, insbesondere was Neugründungen angeht, die sich in natürlichem Wettbewerb zu schon bestehenden Unternehmen entwickeln, Schwächen. Es ist nicht mehr erkennbar, ob die Banken als Kreditnehmer, als Anteilseigner oder als Inverkehrbringer von Aktienvermögen auftreten.
Deshalb haben wir Ihnen vor langer Zeit einen Antrag vorgelegt - den Sie dann übrigens nicht mitgetragen haben -, der weitergegangen wäre als das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, um Kapital zu sammeln für gute Geschäftsideen, gute Diplomarbeiten und gute Diplomanden, die an unseren Universitäten und Fachhochschulen fertig werden. Sie hätten da einen mutigen Schritt mit uns machen können. Wir haben dies angeboten; Sie waren dazu nicht bereit. Dafür gab es auch eine Lobby innerhalb Ihrer Reihen. Ich will das nicht mit Namen verbinden, weil das dann Wahlkampf wäre und unfair gegenüber den Kollegen, die jetzt nicht da sind. Aber Sie wissen doch, von wem ich rede. Er war doch Amtskollege von Ihnen und gehörte dem gleichen Kabinett an. - Das ist die erste Bemerkung.
Die zweite Bemerkung: Dort, wo wir Modernisierungsbedarf in den Hochschulen haben, sind wir nicht weit genug gekommen. Das ist eine gemeinsame Anstrengung, die alle Mühen wert ist. Ich glaube, daß wir uns wieder mehr zu einem Regelstudiengang hin bewegen müssen. Wir brauchen Wettbewerb in den Hochschulen. Der Wettbewerb kann allerdings nicht so organisiert werden, daß diejenigen, die viel Geld haben, Studienbeiträge bezahlen, und diejenigen, die kein Geld haben, keinen Zugang zu Hochschulen bekommen. Leistungsbereitschaft, Leistungswille und Elite in der Ausbildung zeichnen sich nicht dadurch aus, daß man Elite von Hause aus ist und viel im Portemonnaie hat, sondern daß man Elite in bezug auf die Leistung ist, und diese fördern wir nicht in ausreichendem Maße. Da gibt es Veränderungsnotwendigkeiten. Dort haben wir zusätzlichen Bedarf.
Wir haben auch zusätzlichen Bedarf, was Weiterbildung und ständiges, lebenslanges Lernen angeht. Denn Innovation hat nicht nur etwas mit Wissenschaft zu tun, sondern insbesondere auch mit der Flexibilität innerhalb der Unternehmen. Es macht keinen Sinn, Menschen dafür zu bezahlen, daß sie zu Hause bleiben, und ihnen nicht die Chance zu gewähren, sich gleichzeitig weiterzubilden, damit aus Arbeitslosigkeit Weiterbildung und neue produktive Ideen innerhalb der Betriebe werden.
Diesen Wettstreit lassen Sie uns innerhalb des Wahlkampfes aufnehmen. Ich mache das in vielen Mittelstandsforen. Dazu kommen dann manchmal Kolleginnen und Kollegen, die Ihrer Partei angehören. Ich bin ganz sicher, daß wir diesen Wettbewerb gut bestehen. Wir jedenfalls werden das thematisieren und hier nicht so ein Schauspiel liefern, wie es der Kollege Rüttgers gezeigt hat. Er hat keine substantielle Aussage gemacht. Er hat lediglich der Kollegin Bulmahn vorgeworfen, sie habe keine neuen Ideen vorgetragen. Ich empfehle Rüttgers, wenn er wieder da ist, ihre Rede nachzulesen. Dann sieht er seine Versäumnisse aus erster Hand.
Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Heiner Geißler.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schwanhold, die Beteiligung der Arbeitnehmer ersetzt doch nicht den Betriebsrat. Da sind wir uns einig.
Insofern kann es ja keine Entschuldigung für das sein, was Sie zu Herrn Stollmann gesagt haben. Ich finde, wir haben heute ohnehin zu lange über ihn geredet.
Aber das hat _seinen Grund. Der Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger" ist ja nun wirklich eindeutig: Als Unternehmer setzte Stollmann auf die Selbständigkeit seiner Mitarbeiter
- warten Sie doch mal - und soziale Verantwortung. So ist die Philosophie von CompuNet - das ist seine Firma -: positives Denken, Ordnung, Flexibilität und der Verzicht auf traditionelle Formen der Mitbestimmung. Es gibt keinen Betriebsrat. Zur Begründung das Zitat: „Wenn wir", also die Unternehmer, „die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht selbst erkennen, machen wir etwas falsch. "
Ich will Ihnen im folgenden sagen, warum die Äußerung gefährlich ist - verehrter Herr Kollege, vielleicht sollten Sie sich das mal überlegen -:
Ein wesentliches Element zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ist, daß es in den Tarifverträgen Tariföffnungsklauseln und Arbeitsplatzsicherungsklauseln gibt, wodurch, wenn es der Betrieb aus ökonomischen Gründen für notwendig hält, die Löhne auch einmal um 5 oder 10 Prozent abgesenkt werden können. Dies kann man aber nur machen, wenn es in
Dr. Heiner Geißler
den betreffenden Betrieben einen Betriebsrat gibt. Das ist der Punkt, um den es geht. Wenn Sie eine Wirtschaftsphilosophie verkünden wie Ihr zukünftiger Wirtschaftsminister, der im Grunde genommen Betriebsräte als etwas Antiquiertes ansieht, dann sind Sie nicht in der Lage, eine moderne Tarifpolitik zu betreiben, weil Sie dann den Unternehmen die Instrumente aus der Hand schlagen. Das müssen Sie Ihrem Mann einmal erklären.
Das, was Herr Stollmann hier gesagt hat, wäre noch nicht einmal bei der F.D.P. - sagen wir einmal - Herrn Möllemann eingefallen. Ich nehme Herrn Möllemann aber gleich wieder in Schutz.
Ein weiterer Punkt. Wir haben uns heute über die Frage unterhalten: Ist der Aufschwung kontinuierlich, oder ist er im Grunde genommen nur eine Eintagsfliege? - Darüber kann man lange debattieren. Fest steht jedenfalls das eine: Wir haben bereits seit geraumer Zeit in Westdeutschland eine Arbeitslosenquote, die unterhalb der des Vorjahresmonats liegt.
Bezogen auf ganz Deutschland war das im Mai der Fall.
Ich will folgendes hinzufügen: Wir hatten im letzten Jahr ein Exportvolumen von 520 Milliarden Dollar; die Amerikaner mit 260 Millionen Einwohnern mehr hatten eines von 580 Milliarden Dollar. Ich komme noch einmal auf das zurück, was vorhin auch vom Forschungsminister gesagt worden ist: Wir sind inzwischen auf den internationalen Märkten wieder wettbewerbsfähig.
Die Japaner kommen auf ein Exportvolumen von 410 Milliarden; die Engländer und die Franzosen bewegen sich im 300-Milliarden-Bereich. Das heißt, die Innovationspolitik und die Reformpolitik, die wir betrieben haben, haben dazu geführt, daß wir den Strukturwandel in Deutschland bewältigen konnten, so daß wir zu Recht davon ausgehen können, daß dieser Aufschwung mit seinen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Kontinuität hat und nicht irgendwann in sich zusammenfällt.
Natürlich brauchen wir Übergangslösungen. Die befristeten Arbeitsverträge spielen eine Rolle; das ist vernünftig. Leute, die sagen, sie stellten gern neue Kräfte ein, aber sie wüßten ja nicht, wie es weitergehe, können Personen befristet einstellen; das haben wir ihnen ermöglicht. Sie hätten sonst angesichts ihrer Angst vor Arbeitsgerichtsprozessen auf Grund des Kündigungsschutzes und vor hohen Abfindungen lieber Überstunden fahren lassen, als daß sie neue Leute eingestellt hätten. Es sind bei uns ja im letzten Jahr 1,7 oder 1,8 Milliarden Überstunden angefallen. Wenn wir mit einer solchen Flexibilität 30 Prozent dieser Überstunden abbauen, dann können wir entsprechend viele neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist der Sinn der ganzen Sache - nicht das, was Sie vorgelesen haben. Dabei handelte es sich um eine Abgeordnete; das können Sie nicht auf die gesamte Union übertragen.
Was wir heute ebenfalls brauchen, ist eine Aussage darüber, was mit denjenigen passieren soll, die bei dieser neuen technologischen Entwicklung nicht mehr mitkommen. Das sind die Nicht-Qualifizierten, die Minderqualifizierten, die älteren Langzeitarbeitslosen. Für sie ist das Programm „Hilfe zur Arbeit" gedacht. Das sollten wir nicht schlechtmachen. Parteifreunde von Ihnen machen ja ähnliches. Ich freue mich, daß die Stadt Köln oder andere Städte bereits Hilfe zur Arbeit anbieten. Das wird auch in meinem Wahlkreis gemacht. Wenn wir das jetzt etwas systematischer anlegen, wenn wir Programme machen - der Bundesarbeitsminister hat es mit Maßnahmen zur Förderung der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen schon längst in die Wege geleitet; ich nenne auch das QUAS-Programm in Hamburg -, dann sollten Sie das doch bitte nicht kritisieren. Vielmehr sollten wir gemeinsam daran arbeiten, daß solche Programme in den Kommunen umgesetzt werden. Wir wollen doch den Menschen helfen und keinen unsinnigen Wahlkampf führen.
Ich habe die Debatte heute vormittag verfolgt. Das, was ich jetzt sage, gilt ein wenig auch für Sie, Frau Fuchs. Das Jahr 2000 rückt ja näher. Es treten merkwürdige Leute auf. Wenn ich das bewerten soll, was Sie, Frau Fuchs, ausgeführt haben, dann muß ich sagen: Sie haben im Grunde genommen alles bedauert; Sie haben negativ argumentiert. Ich kann ja verstehen, daß das vielleicht nicht mehr in Ihr Wahlkampfkonzept hineinpaßt. Aber wir brauchen heute keine Chiliasten und Eschatologen, keine Untergangsstrategen und Pessimismus-Philosophen, die alles schlechtmachen und negativ bewerten, sondern eine begründete Philosophie, mit der wir den Menschen sagen können, daß wir die Arbeitslosigkeit vermindern. Die Zahlen und Fakten sprechen für uns. Die Menschen können das sehr gut beurteilen.
Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen und Überweisungen.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Mit Innovationen Massenarbeitslosigkeit überwinden" auf Drucksache 13/10879. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden; die Gruppe der PDS hat sich enthalten.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Förderung von Forschung und Entwicklung für Innovationen und zukunftsfähige Arbeitsplätze im Informationszeitalter" . Das ist die Drucksache 13/ 10563. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthal-
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
tungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der Großen Anfrage zur Förderung von Forschung und Entwicklung in der Informationstechnik. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8857 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS angenommen worden. Es gab keine Enthaltungen. Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. mit dem Titel „Arbeit ist genug vorhanden - Neue Initiativen zur Beschäftigungsförderung". Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9743 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Tagesordnungspunkt 7 b: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/10142 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. - Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 7 d: Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Förderung der Teilzeitbeschäftigung auf Drucksache 13/1888. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf Drucksache 13/10463 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf des Bundesrates zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD „Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch Abbau von Überstunden und Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen" auf Drucksache 13/10463 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7522 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen worden.
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer beschäftigungsorientierten Arbeitszeitpolitik. Das ist Drucksache 13/10463 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7800 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen werden. SPD und PDS haben sich enthalten.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Arbeit schaffen statt Arbeitslosigkeit finanzieren". Das ist die Drucksache 13/10850. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS abgelehnt worden. Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Schaffung der Voraussetzungen für ein Bündnis für Arbeit und Umwelt. Das ist Drucksache 13/11131. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden. SPD und PDS haben sich enthalten.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion der SPD „Förderung der Beschäftigung in privaten Haushalten durch Dienstleistungsgutscheine und Dienstleistungsagenturen". Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5135 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden.
Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Gruppe der PDS zum Abbau von Überstunden und zur Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden. Das ist die Drucksache 13/11136. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10015 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 g auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Helmut Wilhelm (Amberg), Angelika Beer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Mittelsperre für Transrapid - Drucksache 13/6714 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen),
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transrapid-Projekt beenden - Tempo für die Bahn
- Drucksache 13/6823 -
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transrapid-Entscheidung offenhalten
- Drucksache 13/10347 -
d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 208 zu Petitionen
- Drucksache 13/7667 -
e) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Gila Altmann , Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transrapid - Finanzielle Auswirkungen der
Auflagen der Raumordnungsverfahren
- Drucksachen 13/8211, 13/10537 -
f) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Gila Altmann , Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Transrapid - Finanzierungs- und Erlöskonzept
- Drucksachen 13/8212, 13/10538 -
g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Kristin Heyne, Gila Altmann (Aurich), Albert Schmidt (Hitzhofen) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Einbeziehung der EU-rechtlich vorgeschriebenen Trassenpreise in das Finanzierungskonzept für den Transrapid
- Drucksachen 13/8631, 13/11098 -Berichterstattung:
Abgeordneter Wolfgang Gröbl
Es liegen ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie die Fraktion der SPD haben je einen Entschließungsantrag eingebracht.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieben Minuten erhalten soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, daß wir im Anschluß an die Aussprache über einen Antrag namentlich abstimmen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gila Altmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Legislaturperiode ist am Ende, diese Bundesregierung auch.
Wie ist es sonst zu erklären, daß sie es wagt, so ein Wahnsinnsprojekt wie den Transrapid noch vor der Wahl am Parlament vorbei unter mehr als abenteuerlichen Bedingungen festklopfen zu wollen?
Seit heute morgen wissen wir, daß es um noch mehr geht. Seit heute morgen wissen wir, daß allein der Fahrweg um 900 Millionen DM teurer werden wird. Auch die 3,7 Milliarden DM für das Betriebssystem sind nicht mehr zu halten. Herr Wissmann, was schließen Sie daraus? Schließen Sie daraus das, was die Koalition fordert? Sie soll laut Antrag - ich zitiere -
ihre offene und sachorientierte Informationspolitik ... fortführen, um noch bestehende Unsicherheiten und Vorbehalte gegenüber der neuen Verkehrstechnologie auszuräumen.
Da kann ich nur sagen: Frisch voran, wir hören gespannt zu.
Um Ihnen auf die Sprünge zu helfen: Im Eckpunktepapier von April letzten Jahres steht - Zitat -:
Vor Beginn der Ausschreibungen im ersten Halbjahr 1998- also bis zum 30. Juni - wird die end- gültige Investitionskostenrechnung erstellt... Sollte die Überprüfung der Betriebs- und Investitionskosten ergeben, daß die Werte deutlich vom Eckpunktepapier abweichen, ist neu über das Projekt zu entscheiden.
900 Millionen DM, also fast 1 Milliarde DM, darf man getrost als „deutlich" bezeichnen.
Herr Wissmann - Sie haben das selbst unterzeichnet, es ist neu zu entscheiden.
Es kann also heute gar nicht mehr darum gehen, ob Sie unterschreiben oder nicht. Es geht heute um nicht mehr und nicht weniger als um den Abbruch, um das endgültige Aus des Milliardenflops Transrapid und um das politische Ende des Bruchpiloten Wissmann gleich mit.
In der Vergangenheit hat die Koalition bei solchen Gelegenheiten immer das Lied vom Mehrheitsbeschluß im Parlament angestimmt. Aber auch an die-
Gila Altmann
sein Punkt sollten Sie sich einmal Ihre eigene Gesetzgebung angucken, zum Beispiel in bezug auf die Verteilung der Investitions- und Betriebslasten. Zitat:
Diese Vereinbarung muß rechtzeitig vor Baubeginn abgeschlossen werden und die gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen regeln.
Ich frage Sie: Was ist davon übriggeblieben? Wo sind denn die klaren Finanzierungsvereinbarungen? Wo sind denn die Risikoabgrenzungen - zum Beispiel im Fall eines längeren Betriebsausfalls - zwischen Bund, Bahn, Kommunen und Konsortium? Wo ist die aktualisierte Betriebskostenrechnung? Wo ist die Beteiligung der Industrie an den Verlusten, wie dies der Bundesrechnungshof gefordert und wie dem die Bundesregierung zugestimmt hat?
Wohin das Auge blickt, das Ohr auch lauscht, die Antwort weiß nicht einmal der Wind.
Wieso tagen Thyssen und die Magnetbahnplaner permanent in Krisensitzungen, wie zum Beispiel zur Zeit in Berlin? Oder wissen Sie gar nichts davon? Vielleicht sollten Sie sich einmal darum kümmern. Dann würden die Anträge der Koalition besser.
Wir haben Ihnen in der Vergangenheit jedes Ihrer Konzepte zerpflückt und nachgewiesen, daß sie nicht funktionieren können. Sie haben aber alles in den Wind geschlagen. Sie haben über ein Jahr verstreichen lassen, ohne daß es Ihnen gelungen ist, Ihr letztes Konzept auch nur halbwegs hinzubiegen;
ein verlorenes Jahr, Herr Fischer, mit enormen Planungskosten und rausgeschmissenes Geld, das wir woanders dringend gebraucht hätten.
Und da lächeln Sie noch.
Es gibt übrigens noch einen anderen Punkt, der nicht weniger wichtig ist: Seit der Katastrophe von Eschede gehen die Uhren anders. Das Eisenbahnbundesamt fordert jetzt zu Recht ein nachgebessertes Sicherheitskonzept für den Transrapid - ein notwendiger Schritt, waren doch der Notfall und die Sicherheit immer das Stiefkind bei den Planern. Die Ingenieure sind auf Grund ihrer Technikgläubigkeit und auf Grund ihres fast schon erotischen Verhältnisses zum Transrapid immer noch von der Unverwundbarkeit ihres Systems überzeugt. Sicher, der Transrapid hat keine Räder. Aber es ist eine Binsenweisheit, daß jede Technologie ihre Risiken hat, die nie hundertprozentig abzusichern sind.
Was man aber verlangen kann, ist eine größtmögliche Sicherheit, besonders dann, wenn es sich um ein unerprobtes Einzelprojekt handelt.
Was passiert eigentlich, wenn die Strecke gebaut ist und die Betriebszulassung nicht erteilt wird? Als längste Skaterbahn ist sie meiner Ansicht nach zu teuer und zu häßlich; als Mahnmal sollten Kalkar und Mülheim-Kärlich reichen, nämlich als Mahnmal eines fehlgeleiteten Technikwahns.
Liebe SPD, man kann ja darüber streiten, ob diese Technik faszinierend ist oder nicht. Das ist nicht der Punkt. Was wir brauchen, ist eine eindeutige Ablehnung dieses konkreten Projektes.
Wir brauchen von euch dazu eine klare, verläßliche Aussage. Das muß auch - besonders jetzt nach der Kostenexplosion - euer Kanzlerkandidat begreifen. Verläßlichkeit darf keine Einbahnstraße sein, auch nicht wenn man Schröder heißt. Es kann nicht sein, daß eure bisher zu Recht kritische Haltung zu diesem Projekt durch euren Spitzenmann ad absurdum geführt wird, nur weil er vielleicht einmal im Geschwindigkeitsrausch die Besinnung verloren hat.
Soviel Regierungsfähigkeit muß sein. Ich bin mir sicher, ihr schafft das schon.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Ihr Lachen können Sie sich sparen. Ich finde, Sie sollten sich erst einmal um Ihren eigenen Kram kümmern und wenigstens einen Hauch von Verantwortung zeigen.
Frau Kollegin, Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Ja, meinetwegen.
Jürgen Koppelin F.D.P.): Vielen Dank, Frau Kollegin. - Sie haben eben gesagt: Das schaffen wir schon. Wollen Sie in diesem Zusammenhang die rotgrüne Landesregierung in Schleswig-Holstein als Beispiel nehmen, die bisher gegen den Transrapid war, deren Wirtschaftsminister, Herr Peer Steinbrück, aber vor kurzem erklärt hat, daß er für den Transrapid ist?
Was ich Ihnen jetzt sagen kann, ist, daß ich angesichts der schlagenden Argumente, die gerade auch heute vorgebracht worden sind - da müßte bei Ihnen doch eigentlich ein Ruck durch die Reihen gehen: 900 Milliarden DM mehr; alleine die Trasse soll jetzt 7 Milliarden DM kosten -, darauf vertraue, daß
Gila Altmann
der Kanzlerkandidat im Gegensatz zur Koalition und zur Bundesregierung noch lernfähig ist.
Von Ihnen, liebe Koalition und liebe Bundesregierung, erwarte ich eine Antwort auf meine Fragen. Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie es vor dem Hintergrund dieses finanziellen Abenteuers tatsächlich wagen sollten, Fakten zu schaffen, dann ist das nicht nur verantwortungslos, sondern auch saudumm. Genau das wird sich nach dem 27. September ändern. Dann bekommen Sie die Quittung. Dann machen wir drei Kreuze - und zwei davon an der richtigen Stelle.
Frau Kollegin, es möchte noch jemand eine Zwischenfrage stellen. Das wäre dann in diesem Fall eine Nachfrage. Aber ich würde sie zulassen. - Bitte.
Frau Kollegin Altmann, würden Sie zur Kenntnis nehmen - nachdem Sie mit der Zwischenfrage des Kollegen Koppelin nicht sehr viel anfangen konnten -, daß die Landesregierung von Schleswig-Holstein nach wie vor gegen die Transrapidstrecke Hamburg-Berlin ist, und würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, daß die angeblichen Äußerungen des Landeswirtschaftsministers Peer Steinbrück von Herrn Koppelin falsch zitiert worden sind?
Ich nehme das natürlich gerne zur Kenntnis. Ich weiß, wie der Raumordnungsbeschluß in Schleswig-Holstein ausgefallen ist, nämlich negativ. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch, daß Herr Schröder mit seiner Haltung nicht ganz alleine ist. Aber ich gehe davon aus und vertraue darauf, daß er, wenn er überzeugt ist, daß dieses Milliardengrab endlich zugeschaufelt werden muß, dann auch den Rest seiner Partei überzeugen kann. Insofern bin ich dankbar für den Hinweis; aber es war mir bekannt.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Gröbl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Interessant ist das schon: Nach der erfrischenden Rede von Heinz Riesenhuber war das ganze Haus erfüllt von Fröhlichkeit und Zuversicht.
Die SPD hat sich vorgenommen, beim nächsten Mal
eine positive Oppositionsrolle zu spielen. Schön
war's. Jetzt haben wir gehört - unter Aufbietung Ihres ganzen Charmes -, wie kompetent und fröhlich Verkehrspolitik bei den Grünen ist.
Interessant ist natürlich auch folgendes: Da entwickeln deutsche Ingenieure das modernste und beste Verkehrssystem weltweit, ein Verkehrssystem, das den Benutzern in Hamburg und Berlin einen konkreten Vorteil bringt, ein System, das modernste Arbeitsplätze schaffen kann, das Menschen die Erfüllung ihrer beruflichen Träume ermöglicht, an einem interessanten Arbeitsplatz, nämlich bei der Entwicklung dieses Verkehrssystems, mitzuwirken, und das zur Entlastung der konkurrierenden Systeme Flugzeug und Auto beiträgt. Trotzdem finden wir bei den Grünen heute abweisende Anträge.
Auch die SPD hat mit ihrem Antrag die Kurve noch nicht gekriegt.
Die Grünen waren immer dagegen und haben das auch heute wieder betont.
Damit herrscht Klarheit, und das ist in Ordnung.
Bei der SPD ist das ein bißchen anders. Da gibt es unterschiedliche Äußerungen. Diese unterschiedlichen Äußerungen nimmt der frühere Kollege Klaus-Dieter Feige - er ist ja Bundesvorstandsmitglied bei den Grünen -
zum Anlaß, zu sagen: Die SPD gerät schon weit vor der Bundestagswahl in Gefahr, zum Wahlbetrüger zu werden.
- Ich muß das zitieren, so gern es mir leid tut.
Meine Damen und Herren, für die Koalition stelle ich hier klar: Hamburg-Berlin ist für uns die richtige Strecke. Sie ist nach intensiver Untersuchung ausgewählt worden. Das Raumordnungsverfahren ist abgeschlossen, und die Planfeststellungsverfahren sind eingeleitet.
Die Industrie hat sich für diese Aufgabe neu organisiert. Siemens-Chef Dr. von Pierer sieht mit dem Transrapid die Frage nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Technologiestandortes Deutschland ganz eng verbunden. Dabei geht es
Wolfgang Gröbl
nicht so sehr um die Frage unserer technologischen Leistungsfähigkeit als vielmehr um die Durchsetzungsfähigkeit dieser Technologie im eigenen Land, die hier auf dem Prüfstand steht. Heinz Dürr hatte als Chef der Deutschen Bahn klar erklärt: Der erste Kunde des Transrapid wird die Deutsche Bahn sein. Sie wird die Strecke Hamburg-Berlin betreiben und vermarkten.
Als potentieller Kunde sind die USA anzusehen. Bill Clinton setzt auf die Magnetschwebebahntechnik. Im Transportation Equity Act sind für diese Technik 1 Milliarde US-Dollar vorgesehen. Frau Molitoris, die Chefin der Federal Railroad Administration, hat dies erst kürzlich in einem Schreiben an eine deutsche Naturschützergruppe dargestellt.
Lassen Sie uns heute mit einer breiten Mehrheit für den Transrapid Hamburg-Berlin stimmen. Interessant wird es natürlich, wie sich die SPD heute verhält. Die gesetzgeberischen Grundlagen haben Sie ja alle im Bundestag und teilweise auch im Bundesrat abgelehnt. Einige von Ihnen erkennen allmählich, daß sie damit für Deutschland nur Schaden anrichten, und beginnen vorsichtig, in den Windschatten des Transrapid zu treten. Springen Sie also auf!
Mit diesem Appell darf ich mich von Ihnen verabschieden. Ich wünsche Ihnen eine gute Gesundheit und ein langes Leben. Ich freue mich darauf, vielen von Ihnen wieder zu begegnen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Elke Ferner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Gröbl, da das Ihre letzte Rede hier im Hause war, wünsche ich Ihnen für Ihre weitere Zukunft alles Gute und möchte mich für die gute und konstruktive Zusammenarbeit sowohl im Ausschuß als auch während Ihrer Zeit als Parlamentarischer Staatssekretär recht herzlich bedanken.
Ich kann Ihnen allerdings ein paar Bemerkungen - die dann nicht mehr so freundlich sind - zu dem vorliegenden Entschließungsantrag der Koalition nicht ersparen. Denn dieser Entschließungsantrag strotzt wirklich vor peinlicher Selbstbeweihräucherung. Statt einer solchen Selbstbeweihräucherung wäre heute sicherlich Gelegenheit gewesen, das Parlament endlich über den aktuellen Stand des Transrapid-Projekts zu informieren.
Im letzten Jahr wurde angekündigt, daß eine aktualisierte Kostenrechnung bezüglich der Strecke Hamburg-Berlin und darauf aufbauend eine aktuelle Betriebskostenrechnung erfolgen solle und diese
dem Parlament vorgelegt werde. Doch bis heute liegt uns nichts vor. Dem Parlament liegt nichts vor -
nichts über die Vertragsverhandlungen zwischen dem Transrapid-Konsortium, der Bahn AG und dem Verkehrsministerium.
Es liegt nichts darüber vor, welche kostenwirksamen Auflagen aus dem Planfeststellungsverfahren zu erwarten sind. Es liegt nichts darüber vor, welche Entwicklungs- und Erprobungsprogramme auf der Versuchsanlage im Emsland noch erfolgen sollen, und es ist auch nichts darüber zu hören, inwieweit nach dem ICE-Unglück von Eschede auch für den Transrapid das Sicherheitskonzept überarbeitet wird, um den besonderen Risiken der Hochgeschwindigkeitstechnologie auch gerecht zu werden.
Ich will das noch einmal - auch für die Kolleginnen und Kollegen der Koalition - klarstellen: Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Transrapid-Technologie. Sie richtet sich gegen die von der Bundesregierung ausgewählte Strecke und gegen das Finanzierungskonzept, das die Risiken voll auf die öffentliche Hand schiebt.
Wir sind nach wie vor für eine deutlich kürzere Referenzstrecke, um die Chancen dieser Technologie auch nutzen zu können. Deshalb ist Ihre Behauptung, die SPD sei gegen die Magnetschwebebahntechnik, schlicht und einfach falsch.
Auch Ihr Vorwurf, wir und unser Kanzlerkandidat seien in dieser Frage zerstritten, ist falsch. Gerhard Schröder hat Anfang Mai in Köln und auch am vergangenen Wochenende in Rostock nicht gesagt, die SPD wolle den Transrapid-Bau forcieren. Das ist nicht gesagt worden. Das ist durch nichts belegbar, und es ist vor allen Dingen auch nicht wörtlich zitiert worden.
Im Gegensatz zu Ihnen haben wir nämlich nachgefragt, was gesagt worden ist, und wir haben erfahren, daß er sowohl in Rostock wie auch in Köln das gleiche gesagt hat. Er hat nämlich gesagt, die Frage der unzureichenden Klärung der Finanzierung und die Frage der extremen Haushaltsbelastungen haben für uns immer im Vordergrund gestanden, was die ablehnende Haltung zur Strecke Hamburg-Berlin anbelangt. Er hat dann sowohl in Köln als auch in Rostock seine Erwartung ausgedrückt, daß diese zentrale Frage der Finanzierung gelöst scheine.
Elke Ferner
Aber Ihnen kann man ja wirklich noch nicht einmal mehr Finanzierungskonzepte abnehmen. Ich werde darauf nachher noch zurückkommen.
Ob die Finanzierung gelöst ist oder nicht, hängt doch nicht von der SPD ab; das hängt von Ihnen ab, Herr Wissmann, von der Bundesregierung.
Wir haben darüber bereits mehrfach debattiert. Der Rechnungshof hat in seinem Bericht vom 16. Juni 1997 das Finanzierungskonzept massiv kritisiert - anders ausgedrückt: auseinandergenommen. Er hat insbesondere auf eine Änderung der künftigen Risikoverteilung zwischen dem Konsortium und der öffentlichen Hand gedrängt.
Sie selbst, Herr Wissmann, haben am 15. Januar des letzten Jahres gesagt, den Transrapid werde es mit Ihnen nicht um jeden Preis geben.
Sie haben weiterhin angekündigt, daß erst auf der Basis endgültiger Investitions- und Betriebskosten zwischen allen Beteiligten eine vertragliche Bindung erfolgen kann.
Auch die Bahn will noch eine sogenannte endgültige Wirtschaftlichkeitsrechnung abwarten, bevor der Aufsichtsrat der Bahn einen definitiven Beschluß faßt.
Da Ihnen aber jetzt die Zeit davonzulaufen scheint, ist es Ihnen offenbar egal, ob Sie eine belastbare Entscheidungsgrundlage haben oder nicht. Ihr Motto heißt: „Augen zu und durch - koste es den Steuerzahler, was es wolle".
Aus dem Verkehrshaushalt sollen 6,1 Milliarden DM als zinsloses Darlehen an die Deutsche Bahn AG zur Finanzierung des Fahrweges kommen, und zwar ohne festen Rückzahlungsplan, so wie wir es sonst vom Schienenbau her kennen. Der Bund soll sein Geld erst dann zurückerhalten, wenn die privaten Kapitalgeber in vollem Umfang refinanziert worden sind. Die Risiken für die Bahn sind völlig ungeklärt. Sie soll ein festes Nutzungsentgelt an das Konsortium für Zins und Tilgung zahlen. Das heißt, wenn die Erlöse nicht stimmen, muß die Bahn entweder Geld zuschießen, oder sie muß sich verschulden.
Weiterhin sind folgende Punkte ungeklärt: Wer trägt denn wie lange die Verluste, die gegebenenfalls aus einem Betriebsausfall herrühren könnten? Wer trägt die Kosten für die Reinvestitionen? Was wird den Betriebskosten zugerechnet? Und den Hammer der Woche liefert - die Kollegin Altmann hat das eben gesagt - das „manager magazin" . Darin wird morgen stehen, daß es eine betriebsinterne Rechnung der Bahn gibt, die davon ausgeht, daß die Fahrwegkosten um bis zu 900 Millionen DM über den veranschlagten 6,1 Milliarden DM liegen.
Dann sind wir schon bei 7 Milliarden DM - am Ende nach oben alles offen.
Auch die Kosten für das Betriebssystem von kalkulierten 3,7 Milliarden DM seien nach jüngsten Rechnungen des Konsortiums nicht mehr zu halten. Auch das steht in dem Artikel. Wenn ich noch einmal daran erinnern darf: Die Kosten von 3,7 Milliarden DM beziehen sich nur auf die Hälfte des ursprünglich vorgelegten Betriebskonzepts, das heißt, es ist jetzt schon mehr als doppelt so teuer wie vorher.
Ich frage mich: Nehmen Sie Fakten überhaupt nicht mehr zur Kenntnis, und sind Sie überhaupt nicht mehr bereit, darüber nachzudenken und noch einmal gründlich nachzurechnen, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen?
So wie wir Ihre Haushaltsführung und Ihre Politik der letzten 16 Jahre kennen, sind Sie dazu nicht mehr imstande. Deshalb gehören Sie nach dem 27. September auf die Oppositionsbänke geschickt.
Sie, Herr Wissmann, wollen allen Ernstes trotz dieser offenen Fragen und trotz der steigenden Risiken im August die Verträge unterschreiben?
Das ist kein seriöses Abwägen von Chancen und Risiken. Das ist vor allen Dingen kein seriöser Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Das, Herr Wissmann, ist eine Politik nach dem Motto der verbrannten Erde oder nach dem Motto „Nach mir die Sintflut".
Ich möchte noch kurz unser Abstimmungsverhalten erläutern. Die Koalition hat zu einem Antrag der Grünen namentliche Abstimmung beantragt. Wir haben einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht; insofern werden wir den Entschließungsantrag der Koalition ablehnen. Wir werden uns bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Grünen enthalten, weil wir - im Gegensatz zu den Grünen - die Technik befürworten und lediglich bezüglich der Strecke Probleme sehen.
- Nein, bei dem Entschließungsantrag fehlt uns das. Die anderen Punkte sind weitgehend identisch. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung darüber enthalten.
Bei der Abstimmung über den Antrag, der zur namentlichen Abstimmung gestellt ist, werden wir uns ebenfalls enthalten, und zwar aus folgendem Grund: Die Grünen beantragen, das Allgemeine Magnetschwebebahngesetz aufzuheben. Diesem Gesetz haben wir zugestimmt, weil wir auch der Technik zustimmen. Im übrigen ist in dem Antrag noch ein
Elke Ferner
Relikt enthalten, nämlich die Forderung einer Mittelsperre für das Haushaltsjahr 1997. Dieser Haushalt ist längst vollzogen.
Bei den anderen Abstimmungen werden wir teilweise zustimmen und nur den einen Punkt, der das gleiche Thema - Mittelsperre für 1997 - betrifft, ablehnen, weil der Haushalt 1997 vollzogen ist.
Ich stelle für meine Fraktion nochmals fest: Die Risiken für die Steuerzahler aufgrund dieser Streckenfestlegung und aufgrund dieses Finanzierungskonzepts sind ausschließlich vom Bundesverkehrsminister, von der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsparteien zu verantworten. Da Sie Ihre Chancen für die Bundestagswahl schwinden sehen, wollen Sie noch vor dem 27. September vertragliche Bindungen eingehen, deren verheerende Konsequenzen für den Haushalt die künftige SPD-geführte Bundesregierung ausbaden soll.
Ich sage Ihnen auch: Für eine solch unseriöse Politik lassen sich weder Gerhard Schröder noch die SPD-Bundestagsfraktion vereinnahmen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir bis jetzt erlebt haben, ist eigentlich ein modernes Märchen mit der Überschrift „Zwietracht in Einfalt" mit dem Beginn: Es begab sich einmal zu der Zeit, als die Bürger wieder zu den Wahlurnen gerufen werden sollten, daß eine Sternschnuppe durchs Land schrödert und
zu jedem Thema einmal das eine und einmal das andere erklärte, ohne eigentlich genau zu wissen, was man erklärt.
Insofern kann man den Grünen direkt dankbar sein, daß sie die Debatte heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Dies gibt uns die Gelegenheit, die angeblich behauptete Übereinstimmung innerhalb der SPD etwas näher zu beleuchten. Herr Schröder hat erklärt - auch wenn das die Kollegin Ferner nicht wahrhaben will, aber dann frage ich mich, warum der Sturm der Entrüstung so groß war -, daß er für den Fall der Regierungsübernahme dafür sorgen würde, daß das Projekt Transrapid konsequent umgesetzt werden würde, und zwar auf der Strecke von Hamburg nach Berlin. Soweit die bestätigten Aussagen.
Laut den Nachrichten im „Stormarner Tageblatt" vom 15. Juni 1998 schließt sich der Verkehrsminister der Landesregierung Schleswig-Holstein - SPD - dieser Aussage tatsächlich an.
Wenn er es nicht so gesagt haben sollte, frage ich mich allerdings, wie dann die Äußerungen der Kollegen der SPD vor Ort zu werten sind. Ein gewisser Eckart Kuhlwein - den haben wir schon erlebt - sagt: „Für die Profilierung einzelner ist die TransrapidStrecke kein geeignetes Thema." Nun frage ich mich: Ist Herr Schröder vielleicht ein einzelner in der SPD? Ab und zu könnte man es glauben.
Ein Delegierter namens Uder wird mit der Bemerkung zitiert: „Damit verspielt die SPD ihre Glaubwürdigkeit. " Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein weiterer Delegierter erklärt: „So geht es in einer Mitgliederpartei nicht. " Hervorragend. Nur frage ich mich dann: Wie ist denn dann der designierte Wirtschaftsminister Stollmann zu verstehen, wenn er sagt, für die Besetzungen in seinem Ministerium sei er alleine zuständig, weil er bei Gerhard Schröder im Wort sei? Irgendwie hat er die Spielregeln noch nicht begriffen.
Nein, meine Damen und Herren, die Anträge der Grünen, die hier vorliegen, sind eine Wiederholung des Themas nach dem Motto: Es ist zu jedem Thema schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Man versucht in diesem Zusammenhang deutlich zu machen, daß es noch gelingen könnte, den Transrapid zu stoppen. Das, meine Damen und Herren, wird Ihnen aber nicht gelingen.
Eines ist wieder einmal typisch: Die Zahl, die im „manager magazin" steht, ist noch nicht belastbar. Solange die genannten Zahlen noch nicht geprüft und ausgewertet sind, kann man sich nicht hier hinstellen und sagen, das sei so. Ich bleibe dabei: Eine belastbare Kalkulations- und Berechnungsgrundlage für die Diskussion über den Preis ist uns noch nicht vorgelegt worden.
Wir werden erst über diese Zahlen reden, wenn sie tatsächlich belastbar sind.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Gila Altmann?
Nein, ich möchte fortfahren, Frau Präsidentin. Ich habe nicht mehr sehr viel Zeit.
Ich möchte noch auf den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping eingehen, der in einem Brief an den Betriebsratsvorsitzenden der
Horst Friedrich
Thyssen Henschel GmbH, Gerhard Vetter, geschrieben hat:
Der Transrapid ist für mich unter technologischen Aspekten eine sehr interessante und anspruchsvolle Entwicklung ... Und du hast mit deiner Feststellung recht, daß man einem derartigen technologischen Sprung nicht mit den Maßstäben oder gar Ideologien von vorgestern gerecht werden kann!
Vielleicht könnte man hinzufügen: Das trifft auf die SPD zu. Denn diese - das haben wir ja gehört - will zwar den Transrapid als Technik, aber am liebsten von Kleinkleckersdorf nach Großkleckersdorf. Damit, meine Damen und Herren, werden wir es aber nicht schaffen, die Welt davon zu überzeugen, daß wir in einer Spitzentechnologie führend sind. Wir brauchen die Anwendungsstrecke von Hamburg nach Berlin.
Die SPD beschließt auf ihrem Bundesparteitag am 3. September 1997 in Hannover, das Projekt einer Transrapid-Verbindung zwischen Hamburg und Berlin abzulehnen. Der Landesparteitag der SPD in Mecklenburg-Vorpommern beschließt mit dem Landesvorsitzenden Ringstorff das gleiche. Und nun kommt Herr Schröder in die neuen Länder und erzählt dort der staunenden Bevölkerung, wenn er Bundeskanzler werden sollte - was ich nicht glaube -,
werde er dieses Projekt umsetzen. Nun frage ich mich: Wem soll man denn tatsächlich glauben?
Im Gegensatz zur SPD bleibt die F.D.P. bei ihrem klaren Kurs bezüglich des Transrapid. Wir begrüßen, daß in Schwerin der erste Planfeststellungsbeschluß eingeleitet worden ist, und gehen davon aus, daß die restlichen im Laufe dieses und des nächsten Jahres eingeleitet und teilweise schon abgeschlossen werden können, und hoffen, daß vielleicht auch innerhalb der SPD die innovativen Kräfte siegen. Bis dahin, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, haben Sie reichlich Gelegenheit, von den Oppositionsbänken aus den dahinschwebenden Transrapid zu betrachten. Und denken Sie immer daran: Schon berühmtere Staatsmänner haben gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Ich erteile jetzt dem Herrn Bundesverkehrsminister Wissmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, daß wir nach den vielen Jas, Neins und Jeins aus der SPD in der vergangenen Woche wieder einmal eine positive Stimme gehört ha-
ben. Herr Schröder hat beim „Forum Ostdeutschland" in Rostock erklärt, eine SPD-geführte Bundesregierung wolle das Transrapid-Projekt HamburgBerlin vorantreiben.
Er hat einer ADN-Meldung zufolge hinzugefügt, der Transrapid, dessen Finanzierung offenbar gesichert sei, solle gebaut werden.
Er sei ein technologisch hochinteressantes Projekt.
An dieser Stelle vermerkt das Protokoll „starker Beifall" . Und am Schluß sagt Herr Stolpe, Herr Schröder habe sein Ost-Examen bestanden.
Wenige Tage danach wird hier von der SPD das genaue Gegenteil vorgetragen. Es wird ein Antrag eingebracht, der den Bau des Transrapid nicht beschleunigen, sondern verzögern soll.
Das ist Doppelzüngigkeit. Das ist keine glaubwürdige Wirtschafts- und Technologiepolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Slalomlauf der SPD in Sachen Magnetschwebebahn in den letzten Jahren verfolgt: Die rotgrüne Landesregierung in Hamburg ist dafür, Herr Stolpe dafür, Frau Simonis dagegen und die SPD-Bundestagsfraktion überwiegend dagegen. Aber gleichzeitig flüstern mir viele Kollegen zu: Bleibe bitte in der Frage des Transrapid hart. Meine Damen und Herren, wenn Sie zu großen Technologien eine so unklare Haltung beziehen, sind Sie nicht geeignet, Wirtschafts- und Industriepolitik für Deutschland verantwortlich zu betreiben.
Herr Minister Wissmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Altmann?
Aber gerne.
Herr Minister Wissmann, da Sie nur sechs Minuten Redezeit haben und sich schon so ausführlich über die SPD ausgelassen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie noch vorhaben, auf die von mir gestellten Fragen zu antworten. Mich interessiert - gerade auch nach der Aussage von Herrn Friedrich, daß man überhaupt erst einmal prüfen müsse -, was das ganz konkret für die Terminplanung bedeutet. In dem von Ihnen selbst mit unterschriebenen Betriebskonzept ist in bezug auf die Ausschreibung vom ersten Halb-
Gila Altmann
fahr die Rede. Das erste Halbjahr endet am 30. Juni, dann müßten die Ausschreibungen gelaufen sein.
Was für Folgerungen ziehen Sie daraus, daß jetzt 900 Millionen DM an Mehrkosten alleine für den Fahrweg im Raum stehen? Was für Folgerungen ziehen Sie für die weitere Planung aus der Aussage, daß auch die 3,7 Milliarden DM nicht zu halten sind? Heißt das, daß Sie an dem Termin - erstes Halbjahr 1998 - nicht mehr festhalten und die eventuelle Ausschreibung aufschieben? Wie erfahren wir von den Ergebnissen Ihrer Beratungen? In Ihrem Betriebskonzept steht ja, daß dann, wenn von dem bisherigen Kostenrahmen deutlich abgewichen wird, neu beraten und abgestimmt werden muß.
Frau Kollegin Altmann, die Magnetbahn-Planungsgesellschaft hat auf diese Meldungen, die heute umlaufen - ähnliche Tatarenmeldungen über Kostensteigerungen sind in den letzten Jahren immer umgelaufen -, erklärt: Wir gehen weiterhin davon aus, daß der Kostenrahmen für den Fahrweg in Höhe von 6,1 Milliarden DM, Kostenstand 1996, gehalten werden kann.
Sie hat völlig zu Recht erklärt - das ist auch meine Auflage -: Selbstverständlich findet bei einem so großen Bauprojekt eine ständige Kostenkontrolle statt. Zwischen den Beteiligten wird ein Modell vereinbart, das Kostenbewußtsein und Kostendruck auch im Falle eventueller Veränderungen der Kosten bei allen Beteiligten aufrechterhält.
Meine Damen und Herren, wer je mit der Planung von großen Bauprojekten zu tun gehabt hat, weiß, daß er vom ersten bis zum letzten Tag darauf achten muß, daß die Kosten in Schach gehalten werden und die Proportionen stimmen. Das werden wir tun. Wir wollen dieses Projekt, aber wir werden gleichzeitig auch alles daransetzen, damit dieses Konzept kostenmäßig vor dem Bürger und Steuerzahler verantwortet werden kann. Das ist unsere Pflicht und Schuldigkeit.
Ich gehe noch auf einen zweiten Punkt ein, zu dem hier berechtigte Fragen aufgetaucht sind. Wir tun natürlich alles für das Sicherheitsmanagement eines solchen Hochtechnologieprojekts. So wie wir das ICE-System nach diesem schrecklichen Unfall in Sachen Sicherheit auf den Prüfstand stellen müssen, so stellen wir natürlich auch das Transrapid-Projekt unter Sicherheitsgesichtspunkten noch einmal auf den Prüfstand.
Alles spricht für besonders günstige Sicherheitseigenschaften des Transrapid. Ein Entgleisen ist nach menschlichem Ermessen so gut wie ausgeschlossen. Die Anordnung der Statoren unterhalb des Fahrwegs sowie die ohne Motoren leichten Triebköpfe gewährleisten mehr Sicherheit, und dank des berührungsfreien Tragführantriebs- und Bremssystems ist der Verschleiß gering.
Aber nichts ist so gut, daß es nicht noch besser werden kann. Ich finde, wir haben die Verpflichtung, nicht nur auf Kosten, sondern auch auf Sicherheit zu achten. Das werden wir tun, auch bei diesem wichtigen Hochtechnologieprojekt.
Meine Damen und Herren, eines ist allerdings klar: Weltweit setzt sich die Magnetbahntechnologie zunehmend durch. Der amerikanische Kongreß hat vor wenigen Wochen nach dem Besuch einiger Senatoren auf der Versuchsstrecke in Lathen beschlossen, für ein Magnetbahnprojekt in den USA 1 Milliarde Dollar bereitzustellen.
In der Welt steigt die Aufmerksamkeit für deutsche Technologie und bei Ihnen die Kleingläubigkeit.
Das kann doch wohl keine zukunftsgewandte Technologiepolitik sein, die auf eine verantwortbare wirtschaftspolitische Konzeption schließen läßt.
Meine Damen und Herren, so können Sie nicht weitermachen. Ihr Kanzlerkandidat sagt einmal ja, die Partei sagt ein anderes Mal nein, und zwar bei jeder wichtigen Frage, beim Transrapid, bei der Steuerpolitik, beim Bündnis für Arbeit, beim Betriebsverfassungsgesetz.
Sie müssen sich irgendwann einmal entschließen,
eine wirtschaftspolitische Konzeption für dieses Land
zu entwickeln, wenn Sie regierungsfähig sein wollen.
Eines werden wir nicht zulassen: daß Sie bis zur Bundestagswahl zwar Talk-Shows besuchen, sich aber in den entscheidenden Debatten um eine klare Antwort drücken. Wir werden Sie stellen. Das wollen wir auch in der Transrapid-Frage in den nächsten Monaten tun.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Fischer, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich zu einer Intervention auf den Beitrag der Kollegin Ferner hin gemeldet. Ich möchte hier bemängeln, daß die SPD-Bundestagsfraktion und die SPD als Partei Einlassungen über die Einstellung der Sozialdemokratischen Partei und Fraktion zur Transrapid-Technik machen, die die Bevölkerung in höchstem Maße irritieren.
Dirk Fischer
Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß im Bundesrat zum Planungs- und Bedarfsgesetz ein Teil der SPD-regierten Länder nein gesagt hat, andere haben ja gesagt, und das dritte Drittel hat sich enthalten. Der SPD-Parteitag am 3. Dezember 1997 in Hannover hat es abgelehnt, diese Strecke zu bauen. Die SPD-Bundestagsfraktion betreibt eine Fundamentalopposition. Gleichzeitig erklärt der Fraktionsvorsitzende Scharping in der Sendung „Talk im Turm", an der auch Bundesminister Wissmann teilgenommen hat, der Transrapid sei eine vernünftige Technologie, und fordert, daß denen, die ein Risiko, ein unternehmerisches Wagnis eingehen, bessere Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Er täuscht also über das wahre Abstimmungsverhalten seiner Fraktion hinweg und suggeriert dem Fernsehpublikum Zustimmung und Unterstützung. Dann erleben wir, daß Herr Schröder sagt: „Ich werde die Sache forcieren und werde es vorantreiben." Frau Ferner sagt dazu, das habe er gar nicht gesagt; sie bezichtigt also die „Süddeutsche Zeitung" einer Falschberichterstattung über dieses Ereignis.
Frau Ferner, Sie haben dann gesagt: „Wir sind für Transrapid, aber gegen die Strecke."
Sie haben hier Fragen aufgeworfen, die schon hunderttausendmal beantwortet worden sind, soweit sie zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt beantwortbar sind. Finanzielle Risiken auf Grund des Planfeststellungsverfahrens können erst hinterher quantifiziert werden; derartige Fragen können jetzt noch gar nicht beantwortet werden.
Sie betreiben also eine Doppelstrategie.
Das ist den Bürgern nicht zumutbar. Sie sind sowohl ganz dafür als auch ganz dagegen. Sie sagen zur Technik ja, zur Anwendung nein. Das heißt also, es gibt keine intellektuell vorstellbare Position, die die SPD als Partei und Fraktion nicht abdeckt. Der Bürger weiß bei Ihnen überhaupt nicht, woran er ist. Deshalb hat er eine klare Entscheidungsalternative nur in der Koalition, die zur Technik und zur Anwendung gleichermaßen ja sagt.
Zur Erwiderung hat die Kollegin Ferner das Wort.
Herr Kollege Fischer, ich zitiere, was Gerhard Schröder in Köln gesagt hat. In dieser Weise hat er sich auch am Rande der Veranstaltung in Rostock geäußert. So, wie es in der „Süddeutschen Zeitung" gestanden hat, hat er es nicht gesagt. Wenn Sie es richtig gelesen hätten, hätten Sie gemerkt, daß er dort auch nicht mit einem Zitat wiedergegeben,
sondern interpretiert worden ist. Er hat in Köln gesagt:
Im Vordergrund der Ablehnung früherer Zeit stand insbesondere die Frage der nicht zureichenden Finanzierung, was Transrapid angeht. Das scheint gelöst zu sein.
Zum zweiten haben Sie die unterschiedliche und differenzierte Haltung der Länder angesprochen, in denen die SPD an der Regierung beteiligt ist. Es gab auch aus CDU-regierten Ländern Widerstände gegen die Transrapid-Strecke, zum Beispiel vom sächsischen Verkehrsminister, von sächsischen Landtagsabgeordneten und anderen. Sie können jetzt nicht so tun, als stünde die CDU geschlossen hinter dem Projekt. Das stimmt nicht,
- es ist falsch. Ihre Unterstellungen, die Sie eben vorgetragen haben, sind auch falsch.
Des weiteren haben Sie meinen Fraktionsvorsitzenden zitiert. Mein Fraktionsvorsitzender hat bei dieser Sendung die Position dargestellt, die die Fraktion bisher in den verschiedenen parlamentarischen Initiativen beschrieben hat und die wir auch heute in unserem Entschließungsantrag wieder beschrieben haben. Diese Position hat er stets mit unterstützt und unterschrieben; sie hat er auch in der Sendung „Talk im Turm" dargestellt.
Wenn mancher Mittelständler in dieser Republik eine solche Unterstützung hätte und so risikolos mit öffentlichen Geldern umgehen könnte wie das Transrapid-Konsortium, dann stünde es um die wirtschaftliche Situation in dieser Republik wahrlich besser.
Herr Kollege Fischer, ich bedaure, daß Sie Ihr Statement zum Transrapid jetzt in einer Kurzintervention und nicht in einem Redebeitrag abgegeben haben. Das hätte uns vielleicht allen miteinander etwas Zeit erspart.
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat der Kollege Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister Wissmann, so kommen Sie hier nicht davon.
Sie können sich hier nicht ans Pult stellen und vom amerikanischen Kongreß, von Kleingläubigkeit usw. schwadronieren. Sie haben diesem Haus schriftlich zugesagt, Sie würden bis zum Ende des ersten Halbjahres 1998, also bis zum 30. Juni, einen Bericht vorlegen, der eine endgültige Investitionsrechnung enthält und aus dem die Kosten und damit auch die Risi-
Albert Schmidt
ken klar hervorgehen, die die Deutsche Bahn AG und indirekt damit auch die Steuerzahler zu tragen haben werden. Diesem Versprechen sind Sie bis heute nicht nachgekommen.
Wie können Sie es wagen, in der Sommerpause und fast am Ende der Legislaturperiode erste Spatenstiche vorzunehmen und Finanzierungsvereinbarungen im Auftrag des Steuerzahlers und dieses Hauses unterzeichnen zu wollen, wenn Sie uns hier bis heute die Zahlen noch nicht auf den Tisch gelegt haben? Das ist ein beispielloser Vorgang und keine Petitesse.
Zweiter Punkt. Was von Ihrer ganzen schönen Konstruktion einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit verteiltem Risiko übriggeblieben ist, ist doch folgendes - das ist der Kern der Frage, den Sie heute wieder nicht behandelt haben -: Das Finanzrisiko liegt bei der Deutschen Bahn AG und damit bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Das Betreiberkonsortium, die Hersteller, müssen noch nicht einmal die schiere Funktionsfähigkeit ihres Systems garantieren. So ist der aktuelle Verhandlungsstand. Wenn ich heute ins Kaufhaus gehe und mir einen Haarfön kaufe, habe ich ein halbes Jahr Garantie. Das Betreiberkonsortium ist noch nicht einmal bereit, für wenige Wochen Garantie für das Betriebssystem Transrapid zu übernehmen. Angesichts dessen sprechen Sie von Risikoverteilung!
Dritter und letzter Punkt. Sehenden Auges nehmen Sie in Kauf, in ein absehbares Finanzdesaster erster Güte und gigantischer Größenordnung hineinzumanövrieren. Einerseits gerieren Sie sich als wirtschaftspolitische Lichtgestalt der CDU. Andererseits überfordern und überlasten Sie künftige Bundeshaushalte mit einem Schuldenberg, der ohnegleichen sein wird. Die Bahnreform fahren Sie auf diese Weise gegen die Wand.
Da können Sie noch so viele Ihrer CDU-Spezln in einer widerwärtigen Vetternwirtschaft vom Bundesverkehrsministerium in die Deutsche Bahn AG hinüberlotsen.
- Ich könnte Ihnen die Namen nennen, um die es geht. Panikflüchtlinge von einem sinkenden Regierungsschiff sind das, und die private Deutsche Bahn AG läßt sich als ein Versorgungsbetrieb, als ein Abstellbahnhof für abgehalfterte Regierungspolitiker mißbrauchen.
Diese Politik lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Das Wort zur Erwiderung hat der Bundesminister Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich will zunächst einmal etwas zum Ton sagen.
Meine Erfahrung aus allen Gesprächen und Debatten ist: Wenn jemand laut wird und haßerfüllt schreit, hat er in der Regel unrecht, Herr Kollege Schmidt.
Zweitens will ich Ihnen sagen: Die Investitionskostenrechnung, den gesamten Finanzierungsplan Transrapid, abgestimmt zwischen Bundesregierung und Konsortium unter Mitarbeit führender deutscher Banken, liegt Ihnen vor.
Wir haben Ihnen zugesagt, daß wir Ihnen die endgültige Finanzierungsvereinbarung selbstverständlich rechtzeitig genauso zuleiten werden wie alles andere, was wir Ihnen bisher zugeleitet haben.
Meine Damen und Herren, wir machen beim Transrapid eine hochinteressante Erfahrung. Kolleginnen und Kollegen wie Herr Schmidt, wie Frau Ferner haben über Jahre hinweg verkehrspolitisch gegen den Transrapid argumentiert
und gesagt, ein Inselbetrieb mache keinen Sinn. Jetzt haben wir im Raumordnungsverfahren sachgemäß Punkt für Punkt nachgewiesen, daß der Transrapid in die Innenstadt von Berlin und in die Innenstadt von Hamburg führt, von der Bahn optimal gemanagt wird, mit dem übrigen Verkehrssystem vernetzt wird.
Seit diesem Zeitpunkt haben Sie kein verkehrspolitisches Argument gegen den Transrapid mehr.
Dann haben Sie beide als nächstes die umweltpolitische Karte gezogen und mit umweltpolitischen Argumenten gegen den Transrapid gewettert, wie man leider sagen muß. Wir haben Ihnen nachgewiesen, daß der Transrapid einen geringeren Energieverbrauch als das klassische Schienensystem hat und
Bundesminister Matthias Wissmann
daß die Lärmemission bei mittleren Geschwindigkeiten, also bei der Einführung in die Stadt, deutlich geringer ist als bei der klassischen Technologie.
Seitdem haben Sie kein ernsthaftes umweltpolitisches Argument gegen den Transrapid mehr.
Dann haben Sie, was vor allem für Sie beide ganz neu war, angefangen, wirtschaftspolitisch und finanzierungstechnisch zu argumentieren.
Wir haben Ihnen einen Finanzierungsplan vorgelegt.
Wir haben Ihnen eine Investitionskostenrechnung vorgelegt,
die wir noch durch die endgültige Finanzierungsvereinbarung ergänzen.
Auch jetzt haben Sie kein vertretbares Argument mehr.
Meine Damen und Herren, wenn der Hamburger Bürgermeister - rotgrün -, Ministerpräsident Stolpe, SPD, und Herr Schröder für den Transrapid argumentieren
und Sie immer noch in Ihrer alten Position verharren,
muß ich daraus schließen: Erstens: Sie haben keine klare gemeinsame Meinung. Zweitens: Sie haben kein starkes Sachargument.
Deswegen kann ich nur sagen: Unsere Haltung bleibt klar: für den Transrapid, mit einer soliden Finanzierungsrechnung.
Jetzt hat der Kollege Klaus-Jürgen Warnick, PDS, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als brandenburgischer Abgeordneter, dessen Wahlkreis und die benachbarten Landkreise besonders vom Bau der Transrapid-strecke betroffen sind, habe ich mich mit viel Energie an der Durchführung des Volksbegehrens gegen diese „innovative Wunderwaffe" beteiligt,
und dies, obwohl ich aus einem technischen Beruf komme und zukunftsträchtigen Neuerungen gegenüber grundsätzlich sehr aufgeschlossen bin.
Das Volksbegehren brachte zwar nicht die benötigten 80 000 Unterschriften zusammen, aber wenn ich mir die ungünstigen Öffnungszeiten und langen Wege ansehe, die Brandenburgerinnen und Brandenburger teilweise bewältigen mußten, um ihre demokratische Mitbestimmungsmöglichkeit wahrzunehmen, dann sind ca. 70 000 Stimmen ein deutliches Zeichen gegen diesen Pleitezug. Die Aussagekraft dieses Votums wird noch deutlicher, wenn ich die allgegenwärtige Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit, vor allem in Ostdeutschland, betrachte.
Auch in Berlin haben sich bisher schon wieder ca. 35 000 Menschen gegen den Bau des Transrapids gewandt. Alles nur von PDS und Bündnisgrünen aufgehetzte Maschinenstürmer? Nicht im mindesten. Gehen Sie nach Brandenburg und Berlin, und fragen Sie die Bürgerinnen und Bürger, warum sie dagegen sind! In etlichen brandenburgischen Kommunen kann abends, weil das Geld fehlt, keine Straßenbeleuchtung mehr eingeschaltet werden, aber 10 Milliarden DM Steuergelder werden für ein technisches Spielzeug verschwendet, das ökonomisch ein vorhersehbarer Flop wird.
In Berlin ist für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit, für den Erhalt von Turnhallen, Theatern, Sportplätzen - siehe Olympiastadion -, für so einfache Sachen wie den Betrieb von Springbrunnen kaum mehr eine Mark zu bekommen, aber 10 Milliarden DM für den Transrapid sind vorhanden. Vom Wohngeld will ich hier gar nicht reden.
Es bleibt nicht bei dem 10-Milliarden-DM-Subventionsgeschenk. Wer bezahlt denn auf unabsehbare Zeit die jährlichen wirtschaftlichen Ausfälle in Milliardenhöhe, die durch zu geringe Auslastung entstehen? Oder wer bezahlt vielleicht in Zukunft die riesigen Summen für den Abriß, weil ein defizitärer Weiterbetrieb auf Dauer noch teurer wäre? Mit Sicherheit nicht die Wirtschaftsbosse, die sich vorher daran gesundgestoßen haben.
Nach dem furchtbaren Unglück von Eschede werden nun Stimmen laut, die davon ausgehen: Beim Transrapid könnte so etwas nicht passieren; der ist absolut sicher. Das haben die Erbauer der „Titanic" auch versprochen.
Dabei gibt es viele, viele ungeklärte Fragen. Zum Beispiel hat, außer in Simulationsversuchen, niemand in der Realität erprobt, wie sich zwei Transrapid-Züge im Begegnungsverkehr verhalten. Was ist mit Bolzenbrüchen an der Versuchsstrecke im Emsland? Wie soll eine Evakuierung im Notfall vonstatten gehen? Was passiert, wenn eine Hochspannungsleitung auf die Strecke fällt? Fachleute zeigen auf, welche Katastrophen bei einer falsch gestellten Weiche oder bei abgesackten Trägern eintreten könnten. Lauter Unbekannte und keine Spur von absoluter Sicherheit.
Klaus-Jürgen Warnick
Weil so viele vernünftige Gründe gegen den Transrapid sprechen, gibt es auch ein breites Bündnis von Verbänden, Bürgerinitiativen, Einzelpersonen und Parteien gegen dieses Projekt. In diesem Zusammenhang muß ich noch etwas zur SPD sagen, denn die Halbopposition SPD nimmt da wieder eine nicht unübliche Sonderrolle ein. Geradlinig wie immer, im Schlängelkurs von einer Bordsteinkante zur anderen. Das kriegen die auch unter 0,5 Promille hin.
Es geht so nach dem Motto: Wir bauen den Transrapid, wir bauen ihn nicht, wir bauen den Transrapid, wir bauen ihn nicht. Soviel Blumen habe ich gar nicht dabei, um das hier vorführen zu können.
Der SPD-Wahlparteitag in Hannover ist schon erwähnt worden. Schröder sagt wieder etwas völlig anderes. Die SPD-Genossen in Mecklenburg-Vorpommern sind gegen den Bau.
Die Zeit, Herr Kollege.
Ich bin sofort fertig. Es ist sowieso meine letzte Rede.
Ein großer Teil der Basis in Brandenburg und ein Teil der Unterbezirke ist ebenfalls gegen den Bau. Der brandenburgische Verkehrsminister Meyer ist dagegen ein großer Freund schneller Magnetbahnzüge. Der Streit, ob der Nord- oder Südtrasse der Vorzug gegeben wird, ist noch nicht ausgestanden.
Da lobe ich mir doch die CDU/CSU und die F.D.P. Die halten wenigstens, wie die DDR, konsequent an ihrer Linie fest: Immer weiter so, auf dem bewährten Weg in den Untergang.
Vielen Dank.
Als letzter Redner der Kollege Werner Kuhn, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im norddeutschen Raum zwei große Ballungsgebiete, Hamburg und Berlin, die in einem Verflechtungsbereich liegen, der es einfach wert ist, daß wir im Städteschnellverkehr auch die eigenen Technologien, die wir in Deutschland entwickelt haben, nämlich die Magnetschwebetechnik, anwenden können. Das Finanzierungskonzept ist schlüssig; wir haben es von unserem Minister gehört.
Die Planungen sind hervorragend vorbereitet.
Frau Ferner, ich muß Ihnen einfach sagen: Auch das Einmaleins der Planungspolitik müssen Sie beherrschen lernen, denn ein Raumordnungsverfahren, das eingeleitet wurde, hat eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Aus dieser Umweltverträglichkeitsprüfung leite ich die Linie ab, entlang der der Transrapid laufen wird. Erst dann kann ich den Plan feststellen; und wenn die Planfeststellung durchgeführt ist, dann weiß ich, welche Kosten auf uns zukommen. Die kann ich grob über den Daumen schätzen. Bevor diese Aufgaben nicht gelöst sind, kann ich aber keine Märchen in die Welt setzen und sagen, es würden 900 Millionen DM an Investitionskosten ohne Kontrolle auf uns zukommen. Das ist unverantwortlich. Wir sind hier nicht bei „Talk im Turm", vielmehr geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ich spreche auch als Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern. High-Tech bekämpft Strukturschwäche. Wir haben nur einige wichtige industrielle Kerne. Wir können keine großen weiteren Entwicklungen herausbringen, und deshalb brauchen wir diese neuen Technologien. Zudem brauchen wir den A 3xx und die Gentechnologie. Dahinter steht die CDU/CSU. Nur so werden wir die Zukunft gewinnen und das Tor zum 21. Jahrhundert aufstoßen können. Deutschland wird, wenn Rotgrün an die Regierung kommt, kleinkariert in der Opposition bleiben.
Es nützt auch nichts, wenn Ihr Medienstar, Überflieger und Kanzlerkandidat beim SPD-Forum in Rostock ankommt, ohne seinem Counterpart Ringstorff auch nur einen Blick zu schenken, und dann groß verkündet: „Mit uns an der Regierung wird es keine Investitionsruine Transrapid geben." Das war die Schlagzeile in der „Ostsee-Zeitung"; das können Sie nachlesen. Meister Ringstorff war ganz betroffen; er hat gerade vor vier Wochen auf seinem Parteitag in Torgelow beschlossen: „Wenn wir das rotrote Bündnis installieren, dann werden wir beim Transrapid aussteigen. " Diese mögliche Regierungspolitik - einmal auf Länder- und einmal auf Bundesebene - wird uns ins Chaos führen. Das müssen die Menschen draußen wissen.
Wir als CDU/CSU-Fraktion sind pro Transrapid. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Hände weg von neuen Technologien und auch von der Magnetschwebebahn! Und zu diesem neuaufkeimenden Links-links-Bündnis in Mecklenburg-Vorpommern sage ich: Rote Hände weg von der Magnetschwebebahn, vom Transrapid - für eine gute Zukunft in Deutschland!
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen.*)
*) Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Alfred Hartenbach siehe Anlage 2
Vizepräsident Hans-Ulirch Klose
Tagesordnungspunkt 14 a, Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer Mittelsperre für den Transrapid. Das ist die Drucksache 13/6714. Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 14 b, Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beendigung des Transrapid-Projektes, Drucksache 13/ 6823. Die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*) Bitte beachten Sie, daß eine ganze Reihe Abstimmungen, auch strittige Abstimmungen, folgt.
Wir setzen die Beratungen fort. Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen bitten, Platz zu nehmen, weil ich sonst das Abstimmungsergebnis nicht überprüfen kann.
Tagesordungspunkt 14 c, Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Offenhaltung der Transrapid-Entscheidung, Drucksache 13/10347. Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 14 d, Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 13/7667. Das ist die Sammelübersicht 208. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/11150? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist Sammelübersicht 208 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Tagesordnungspunkte 14 e und 14 f, Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/11181. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
*) Seite 22723 D
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/11182. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Gruppe der PDS gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/11179. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 14 g, Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einbeziehung der EU-rechtlich vorgeschriebenen Trassenpreise in das Finanzierungskonzept für den Transrapid; das ist die Drucksache 13/11098. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8631 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksachen 13/10186, 13/10475, 13/10916, 13/11086 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Müller
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Auch zu weiteren Erklärungen wird das Wort nicht gewünscht. Ich teile dem Hause mit, daß mir eine schriftliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung des Kollegen Michael Müller und der Kollegin Ulrike Mehl vorliegt; sie nehmen wir zu Protokoll.*)
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, unter Aufhebung des Gesetzesbeschlusses vom 24. April 1998 den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 13/11086? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Fünften Geset-
*) Anlage 3
Vizepräsident Hans-Ulirch Klose
zes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
- Drucksache 13/11118 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 13/11118 an die in der Tagesordnung genannten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? - Bitte.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, daß diese Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch an den Rechtsausschuß überwiesen werden soll. Es handelt sich nämlich hierbei darum, Formulierungen in das Gesetz einzuführen, die im deutschen Verwaltungsrecht nicht üblich sind. Das könnte mit der Gefahr verbunden sein, daß dieses Gesetz wahrscheinlich in der Praxis nicht anwendbar ist.
Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf nicht um einen unwichtigen Punkt, sondern um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, der Seveso-II-Richtlinie, bei der es darum geht, schwere Unfälle, zum Beispiel in Chemiebetrieben, zu verhindern. Durch sie soll der Schutz von Arbeitnehmern und der Bevölkerung in der Umgebung gewährleistet werden.
Unsere Juristen sagen uns, daß es den zuständigen Behörden auf Grund der gewählten Formulierungen nicht möglich sein wird, gegen Betreiber von gefährlichen Anlagen vorzugehen, und zwar selbst dann nicht, wenn ein begründeter Verdacht besteht, daß Maßnahmen zur Verhütung von schweren Unfällen oder zur Begrenzung der Auswirkungen schwerer Unfälle unzureichend sind.
Wenn Sie unserem Antrag, den Gesetzentwurf zur Mitberatung auch an den Rechtsausschuß zu überweisen, damit der Rechtsausschuß diese Formulierung überprüfen kann, nicht zustimmen, dann zeigen Sie damit, daß es gewollt ist, daß dieses Gesetz in der Praxis nicht umsetzbar ist. Dies halten wir für nicht akzeptabel. Es handelt sich hierbei, wie gesagt, nicht um eine Nebensächlichkeit, sondern um den Schutz der Menschen vor schweren Chemieunfällen, wie zum Beispiel Seveso.
Zu diesem Antrag hat der Kollege Hörster das Wort.
Herr Präsident! Wir lehnen diesen Antrag ab, weil die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Rechtsausschuß, nachdem sie die Materie geprüft haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, daß die vorgeschlagenen Ausschüsse eine sachgerechte Behandlung garantieren, der Auffassung sind, daß eine Mitberatung ihres Ausschusses nicht erforderlich ist.
Herr Kollege Schmidt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen für den Antrag, den Rechtsausschuß in die Beratungen einzubeziehen. Ich wundere mich schon sehr, daß sich die CDU/CSU-Fraktion gegen eine solche Einbeziehung des Rechtsausschusses wendet; denn wir beziehen den Rechtsausschuß bei viel unverfänglicheren und normaleren Gesetzgebungsvorhaben ein. Insofern ist hier eine sehr überraschende Wendung festzustellen.
Angesichts der Bedeutung des Gesetzentwurfs, die eben gerade dargestellt worden ist, plädieren wir ausdrücklich dafür, daß der Rechtsausschuß einbezogen wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Dann lasse ich zunächst über den Zusatzantrag abstimmen, den Gesetzentwurf zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Wer diesem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt.Dann frage ich jetzt, ob es zu dem Überweisungsvorschlag anderweitige Vorschläge gibt. - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich gebe Ihnen jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gila Altmann, Albert Schmidt und anderer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - das ist die Drucksache 13/6823 - bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 71, mit Nein haben gestimmt 342; Enthaltungen 179. Der Antrag ist abgelehnt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 591; davonja: 71nein: 341enthalten: 179JaSPDWolfgang BehrendtPeter ConradiMichael Müller
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNENGila Altmann Elisabeth Altmann
Volker Beck (Köln) Angelika Beer
Matthias BerningerAnnelie BuntenbachAmke Dietert-Scheuer Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi EidAndrea Fischer Joseph Fischer (Frankfurt) Rita GrießhaberGerald HäfnerAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtDr. Manuel KiperMonika KnocheDr. Angelika Köster-Loßack Steffi LemkeDr. Helmut LippeltOswald MetzgerKerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsEgbert Nitsch Cern ÖzdemirGerd PoppeHalo SaiboldIrmingard Schewe-Gerigk Albert Schmidt
Vizepräsident Hans-Ulirch KloseWolfgang Schmitt
Ursula Schönberger Waltraud Schoppe Werner Schulz Marina Steindor Christian Sterzing Manfred SuchDr. Antje VollmerHelmut Wilhelm Margareta Wolf (Frankfurt)PDSWolfgang BierstedtMaritta BöttcherEva Bulling-Schröter Heinrich Graf von Einsiedel Dr. Ludwig ElmDr. Dagmar Enkelmann Dr. Ruth FuchsHanns-Peter Hartmann Dr. Uwe-Jens Heuer Dr. Barbara HöllDr. Willibald JacobUlla JelpkeGerhard JüttemannDr. Heidi Knake-Werner Rolf KöhneRolf KutzmutzDr. Christa LuftHeidemarie LüthDr. Günther Maleuda Manfred Müller Rosel NeuhäuserDr. Uwe-Jens Rössel Steffen Tippach Klaus-Jürgen Warnick Gerhard ZwerenzFraktionslosKurt Neumann
NeinCDU/CSUUlrich Adam Peter AltmaierAnneliese AugustinJürgen Augustinowitz Dietrich Austermann Heinz-Günter Bargfrede Franz Peter BastenDr. Wolf Bauer Brigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-Pohl Hans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor Blank Renate BlankDr. Heribert Blens Peter BleserDr. Norbert Blüm Friedrich BohlDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigRudolf Braun Paul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberHartmut Büttner
Dankward BuwittManfred Carstens Wolfgang DehnelHubert Deittert Gertrud Dempwolf Albert DeßRenate Diemers Wilhelm Dietzel Werner Dörflinger Hansjürgen Doss Dr. Alfred Dregger Maria EichhornWolfgang Engelmann Rainer Eppelmann Heinz Dieter Eßmann Horst EylmannAnke EymerJochen Feilcke Ulf FinkDirk Fischer Klaus Francke (Hamburg) Herbert FrankenhauserDr. Gerhard FriedrichErich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Michaela Geiger Norbert GeisDr. Heiner Geißler Michael Glos Wilma GlücklichDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang Götzer Joachim Gres Kurt-Dieter Grill Wolfgang Gröbl Hermann Gröhe Claus-Peter Grotz Manfred GrundHorst Günther Carl-Detlev Freiherr vonHammersteinGottfried Haschke
Gerda HasselfeldtOtto Hauser Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Manfred Heise
Detlef HellingDr. Renate Hellwig Peter HintzeJosef Hollerith Elke Holzapfel Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Peter JacobySusanne Jaffke Georg Janovsky Helmut Jawurek Dr. Dionys Jobst Dr.-Ing. Rainer JorkMichael Jung Ulrich JunghannsDr. Egon Jüttner Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen KampeterDr.-Ing. Dietmar KansyManfred Kanther Irmgard Karwatzki Volker KauderPeter KellerEckart von Klaeden Dr. Bernd Klaußner Ulrich Klinkert Hans-Ulrich Köhler
Manfred KolbeNorbert Königshofen Eva-Maria KorsHartmut Koschyk Manfred Koslowski Thomas Kossendey Annegret KrampKarrenbauerWolfgang Krause Arnulf Kriedner Heinz-Jürgen Kronberg Dr.-Ing. Paul Krüger Reiner KrziskewitzDr. Hermann Kues Werner KuhnDr. Karl A. Lamers
Karl LamersDr. Norbert Lammert Helmut Johannes Lamp Armin LaschetHerbert Lattmann Dr. Paul LaufsKarl-Josef Laumann Vera LengsfeldWerner Lensing Christian Lenzer Peter LetzgusEditha Limbach Walter Link Eduard LintnerDr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Sigrun LöwischHeinrich Lummer Dr. Michael Luther Dr. Dietrich Mahlo Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg Rudolf Meinl
Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich MerzRudolf Meyer Hans MichelbachDr. Gerd MüllerElmar Müller Engelbert NelleBernd Neumann Johannes NitschClaudia NolteDr. Rolf Olderog Friedhelm OstEduard Oswald Norbert Otto Dr. Gerhard Päselt Ulrich PetzoldAngelika Pfeiffer Dr. Gero PfennigDr. Friedbert Pflüger Beatrix PhilippDr. Winfried PingerRonald PofallaDr. Hermann Pohler Ruprecht Polenz Marlies PretzlaffDr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Hans RaidelDr. Peter RamsauerRolf RauHelmut Rauber Peter Harald RauenChrista Reichard Klaus Dieter Reichardt
Dr. Bertold ReinartzErika Reinhardt Hans-Peter RepnikRoland RichterDr. Norbert RiederDr. Erich Riedl Klaus RiegertFranz Romer Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose
Kurt J. RossmanithAdolf Roth
Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker RüheRoland Sauer Ortrun SchätzleDr. Wolfgang Schäuble Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Ulrich SchmalzBernd Schmidbauer Christian Schmidt Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt Hans-Otto Schmiedeberg Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr vonSchorlemerDr. Erika Schuchardt Wolfgang SchulhoffDr. Dieter Schulte
Gerhard Schulz (Leipzig) Frederick Schulze
Diethard Schütze Clemens SchwalbeDr. Christian SchwarzSchillingWilhelm Josef Sebastian Horst SeehoferMarion SeibWilfried Seibel Heinz-Georg SeiffertRudolf Seiters Johannes Selle Bernd Siebert Jürgen SikoraVizepräsident Hans-Ulirch KloseJohannes Singhammer Margarete Späte Wolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenDr. Gerhard Stoltenberg Andreas StormMax Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Egon SussetDr. Rita Süssmuth Michael TeiserDr. Susanne Tiemann Gottfried TrögerDr. Klaus-Dieter Uelhoff Gunnar Uldall Wolfgang Vogt
Dr. Horst WaffenschmidtDr. Theodor WaigelAlois Graf von Waldburg-Zeil Dr. Jürgen WarnkeKersten WetzelHans-Otto Wilhelm Gert WillnerBernd WilzWilly Wimmer Matthias WissmannDagmar Wöhrl Michael WonnebergerElke WülfingPeter Kurt Würzbach Cornelia Yzer Wolfgang Zeitlmann Wolfgang ZöllerSPDHans Berger Iris FollakDieter Grasedieck Hans-Joachim HackerAlfred HartenbachJens Heinzig Gerd HöferWolfgang Ilte Renate Jäger Jann-Peter JanssenErnst Kastning Hans-Ulrich Klose Klaus Lennartz Herbert MeißnerChristian Müller
Dr. Rolf Niese Reinhold Robbe Dieter Schanz Horst SchildDr. Emil SchnellBrigitte Schulte Reinhard Schultz
Dietmar Schütz Johannes SingerJörg-Otto Spiller Joachim TappeDr. Bodo TeichmannDr. Gerald Thalheim Hans-Eberhard Urbaniak Gunter WeißgerberHelmut Wieczorek
Peter ZumkleyF.D.P.Ina AlbowitzDr. Gisela BabelHildebrecht Braun
Günther Bredehorn Jörg van EssenDr. Olaf Feldmann Paul K. Friedhoff Horst FriedrichRainer FunkeJoachim Günther Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Helmut Haussmann Ulrich HeinrichWalter HircheDr. Burkhard Hirsch Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich IrmerDr. Klaus KinkelDetlef Kleinert Roland KohnDr. Heinrich L. Kolb Jürgen KoppelinDr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Otto Graf Lambsdorff Sabine LeutheusserSchnarrenberger Uwe LührJürgen W. Möllemann Günther Friedrich Nolting Dr. Rainer OrtlebLisa PetersDr. Günter Rexrodt Dr. Klaus RöhlHelmut Schäfer Cornelia Schmalz-Jacobsen Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Dr. Irmgard SchwaetzerDr. Hermann Otto Sohns Dr. Max Stadler Carl-Ludwig ThieleDr. Dieter Thomae Dr. Wolfgang Weng
Dr. Guido WesterwelleEnthaltenSPDBrigitte AdlerGerd AndresHermann Bachmaier Ernst BahrDoris BarnettKlaus BarthelGerd BauerIngrid Becker-Inglau Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Anni Brandt-Elsweier Tilo BrauneDr. Eberhard Brecht Edelgard Bulmahn Ursula BurchardtDr. Michael Bürsch Hans Martin BuryHans Büttner Marion Caspers-Merk Wolf-Michael CatenhusenChristel DeichmannKarl DillerDr. Marliese Dobberthien Peter DreßenRudolf Dreßler Ludwig EichPeter EndersGernot ErlerAnnette Faße Elke FernerLothar Fischer Gabriele FograscherEva FoltaNorbert Formanski Dagmar Freitag Katrin Fuchs Arne Fuhrmann Monika GanseforthKonrad Gilges Iris GleickeGünter GloserAngelika Graf Klaus HagemannChristel HanewinckelDr. Liesel HartensteinKlaus HasenfratzDr. Ingomar Hauchler Reinhold Hemker Rolf HempelmannDr. Barbara Hendricks Monika Heubaum Uwe HikschReinhold Hiller Stephan HilsbergJelena Hoffmann Frank Hofmann (Volkach) Eike HovermannLothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Ilse JanzSabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter KemperKlaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun KlemmerDr. Hans-Hinrich Knaape Walter KolbowFritz Rudolf Körper Nicolette Kressl Volker Kröning Thomas Krüger Horst Kubatschka Eckart Kuhlwein Helga Kühn-MengelKonrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Brigitte LangeDetlev von Larcher Waltraud LehnKlaus Lohmann Christa LörcherErika LotzDieter Maaß Winfried Mante Dorle MarxUlrike Mascher Christoph MatschieIngrid Matthäus-Maier Markus MeckelUlrike MehlAngelika MertensDr. Jürgen Meyer Ursula MoggSiegmar MosdorfJutta Müller Volker Neumann (Bramsche) Gerhard Neumann (Gotha)Dr. Edith Niehuis Doris Odendahl Günter Oesinghaus Leyla OnurManfred OpelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht Papenroth Dr. Wilfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Joachim PoßKarin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Bernd ReuterDr. Edelbert Richter Günter RixeMarlene Rupprecht Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-WalchBernd Scheelen Siegfried Scheffler Otto SchilyHorst Schmidbauer
Dagmar Schmidt Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt Ottmar Schreiner Gisela SchröterDr. Mathias Schubert Volkmar Schultz
Ilse SchumannDr. R. Werner SchusterDr. Angelica Schwall-Düren Ernst SchwanholdRolf SchwanitzBodo Seidenthal Lisa SeusterHorst SielaffErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland SorgeWolfgang Spanier Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Dr. Peter Struck Jörg TaussJella TeuchnerWolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Siegfried VerginUte Vogt Hans Georg Wagner Hans WallowDr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis Matthias WeisheitGert Weisskirchen Jochen WeltHildegard WesterVizepräsident Hans-Ulirch Klose Lydia WestrichInge Wettig-Danielmeier Dr. Norbert WieczorekHeidemarie Wieczorek-Zeul Dieter WiefelspützBerthold WittichDr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf Heidi WrightUta ZapfDr. Christoph ZöpelEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der WEU, der NAV oder der IPUAbgeordnete(r)Antretter, Robert, SPD Bindig, Rudolf, SPD Blunck, Lilo, SPDBühler , Klaus, CDU/CSUFischer , Leni, CDU/CSUHaack ,Karl Hermann, SPD Horn, Erwin, SPDDr. Lucyga, Christine, SPDMaaß, ,Erich, CDU/CSUMarten, Günter, CDU/CSU Dr. Probst, Albert, CDU/CSU Schloten, Dieter, SPD Schluckebier, Günter, SPD von Schmude, Michael,CDU/CSUTerborg, Margitta, SPD Dr. Wittmann, Fritz, CDU/CSUZierer, Benno, CDU/CSUWir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 19b bis 19z. Es handelt sich um die Beschlußfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 19b:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausübung der Tätigkeit als Finanzdienstleistungsvermittler und als Versicherungsvermittler sowie zur Einrichtung eines Beirats beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen- Drucksache 13/9721 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
- Drucksache 13/10936 -Berichterstattung:Abgeordnete Friedrich Merz Jörg-Otto SpillerDer Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 10 936, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 13/9721 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Tagesordnungspunkt 19 c:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrateingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes- Drucksache 13/8282 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/10941 - Berichterstattung:Abgeordnete Elke Ferner Roland RichterDer Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/10941 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf des Bundesrates auf der Drucksache 13/8282 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit entfällt auch hier nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Tagesordnungspunkt 19 d:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr
- zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Faße, Elke Ferner, Monika Ganseforth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDDie Förderung von Anlagen des kombinierten Verkehrs für Dritte öffnen- zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann , Albert Schmidt (Hitzhofen) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENBlockade beim kombinierten Verkehr beenden- Drucksachen 13/8089, 13/7520, 13/10941 Berichterstattung:Abgeordnete Elke Ferner Roland RichterIch lasse zunächst über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zum Antrag der Fraktion der SPD zur Förderung von Anlagen des kombinierten Verkehrs, Drucksache 13/10941 Buchstabe b, abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8089 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Ich lasse nun über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beendigung der Blokkade beim kombinierten Verkehr, Drucksache 13/ 10941 Buchstabe c, abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/7520 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluß-Vizepräsident Hans-Ulirch Kloseempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 19 e:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften im Eisenbahnbereich- Drucksache 13/10867 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
-Drucksache 13/11105-Berichterstattung:Abgeordneter Albert Schmidt
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19 f:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Änderungsvereinbarung vom 8. Mai 1997 zum Abkommen vom 5. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Hongkong über den Fluglinienverkehr- Drucksache 13/10432 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/10956 -Berichterstattung:Abgeordneter Lothar IbrüggerDer Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/10956, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19 g:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Untersuchung von Unfällen und Störungen bei dem Betrieb ziviler Luftfahrzeuge und zur entsprechenden Anpassung anderer luftrechtlicher Vorschriften- Drucksache 13/10738 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/11180 -Berichterstattung:Abgeordneter Lothar IbrüggerDer Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/11180, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19 h:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. August 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Turkmenistan über den Luftverkehr- Drucksache 13/10739 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
-Drucksache 13/11099 -Berichterstattung:Abgeordneter Michael Jung
Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/11099, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben.- Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19 i:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 24. Februar 1995 und 30. Juli 1997 des Übereinkommens vom 1. September 1970 über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind
- Drucksache 13/10740 -
Vizepräsident Hans-Ulirch KloseBeschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/11102 -Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Dagmar EnkelmannDer Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/11102, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19j:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 1. März 1991 über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens- Drucksache 13/10 741 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr
- Drucksache 13/11 103 -Berichterstattung:Abgeordneter Lothar IbrüggerDer Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 13/11103, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19 k:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 17. September 1997 in Montreal beschlossenen Änderung zum Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen- Drucksachen 13/10 901, 13/11123 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Drucksache 13/11 155 -Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Peter PaziorekWolfgang Behrendt Michaele Hustedt Birgit HomburgerDer Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 13/11155, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 191:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 30. Oktober 1997 zum Abkommen über die Zusammenarbeit und eine Zollunion zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik San Marino- Drucksache 13/10 737 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
- Drucksache 13/11029-Berichterstattung:Abgeordneter Hartmut SchauerteDer Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/11029, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 19m:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. November 1971 über die Schaffung des internationalen Systems und der Organisation für kosmische Fernmeldeverbindungen „INTERSPUTNIK" und zu dem Protokoll vom 30. November 1996 über die Einbringung von Korrekturen in dieses Abkommen- Drucksache 13/10725 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation
- Drucksache 13/11164 -Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Michael Meister Hans Martin BuryDer Ausschuß für Post und Telekommunikation empfiehlt auf Drucksache 13/11164, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Interfraktionell ist vereinbart, die zweite und dritte Beratung des Wahlstatistikaufhebungsgesetzes, Tagesordnungspunkt 19n, auf morgen zu verschieben. Ich gehe davon aus, daß Sie damit einverstanden sind. - Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.Vizepräsident Hans-Ulrich KloseTagesordnungspunkt 19 o:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung
- Drucksache 13/10789 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11158 -Berichterstattung:Abgeordnete Michael Stübgen Gisela SchröterRezzo SchlauchIna AlbowitzUlla JelpkeDer Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 11158, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen, Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.Tagesordnungspunkt 19 p:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Patentanwaltsordnung- Drucksache 13/10764 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
- Drucksache 13/11171 - Berichterstattung:Abgeordnete Franz Peter Basten Ludwig StieglerIch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung beiStimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen, Mehrheitsverhältnisse wie zuvor.Tagesordnungspunkt 19 q:- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christel Hanewinckel, Ingrid Holzhüter, Dr. Jürgen Meyer , weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der Benachteiligung der Prostituierten- Drucksache 13/8049 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck , Gila Altmann (Aurich), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der rechtlichen Diskriminierung von Prostituierten- Drucksachen 13/6372, 13/7440 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Drucksachen 13/11174, 13/11183 -Berichterstattung:Abgeordnete Ilse FalkIngrid HolzhüterSabine Leutheusser-Schnarrenberger Heidemarie LüthIrmingard Schewe-GerigkDer Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt auf Drucksache 13/11174 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf der SPD auf Drucksache 13/8049 abzulehnen. Ich lasse jetzt über diesen Gesetzentwurf der SPD abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.Der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11174 auch eine Empfehlung zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beseitigung der rechtlichen Diskriminierung von Prostituierten ab. Ich gehe davon aus, daß wir jetzt auch über diesen Gesetzentwurf abstimmen können. - Das ist der Fall. Dann verfahren wir so.Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur rechtlichen Diskriminie-Vizepräsident Hans-Ulrich Kloserung von Prostituierten auf Drucksachen 13/6372 und 13/7440. Der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt auf Drucksache 13/ 11174 Nr. 2, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.Tagesordnungspunkt 19 r:Beratung des Antrags der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Cem Özdemir, Gila Altmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMaßnahmen gegen Rechtsextremismus- Drucksache 13/10866 -Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.Tagesordnungspunkt 19 s:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
- zu dem Antrag des Abgeordneten Claus-Peter Grotz und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ina Albowitz, Ulrich Irmer, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann und der Fraktion der F.D.P.Neue Herausforderung für die auswärtige Kulturpolitik- zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Stephan Hilsberg, Dr. Elke Leonhard, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDGefahren abwenden von der auswärtigen Kulturpolitik- zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Altmann , Dr. Uschi Eid, Dr. Angelika Köster-Loßack, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENNeuordnung der Zuständigkeiten in der auswärtigen Kulturpolitik- Drucksachen 13/9613, 13/9450, 13/8679, 13/ 10579 -Berichterstattung:Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Karsten D. Voigt
Waltraud SchoppeDr.-Ing. Karl-Hans LaermannWir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. zu neuen Herausforderungen für die auswärtige Kulturpolitik, Drucksache 13/10579 Buchstabe a. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/ 9613 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Abwehr von Gefahren von der auswärtigen Kulturpolitik, Drucksache 13/10579 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9450 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Neuordnung der Zuständigkeiten in der auswärtigen Kulturpolitik, Drucksache 13/10579 Buchstabe c. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8679 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 19 t:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAnerkennung der deutschen Gebärdensprache und der Gehörlosen-Gemeinschaft- Drucksachen 13/9217, 13/10807 -Berichterstattung:Abgeordnete Birgit Schnieber-JastramDer Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/10807 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10807 Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9217 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.Vizepräsident Hans-Ulrich KloseTagesordnungspunkt 19 u:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und F.D.P.Internationale Kontrolle und Abrüstung von Kleinwaffen- zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, Edelgard Bulmahn, Katrin Fuchs , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDAbrüstung von Kleinwaffen- Drucksachen 13/10026, 13/9248, 13/10899 -Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Dirk Bierling Gernot ErlerAngelika BeerDr. Olaf FeldmannDer Ausschuß empfiehlt, die Anträge auf den Drucksachen 13/10026 und 13/9248 zusammengefaßt in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.Tagesordnungspunkt 19v:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Reschke, Karl Diller, Achim Großmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDSoziale Wohnungsfürsorge mit neuem Konzept weiterführen-Drucksachen 13/7091, 13/11025 -Berichterstattung:Abgeordnete Gert Willner Otto ReschkeDer Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11025 Nr. 1, den Antrag auf Drucksache 13/7091 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11025 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 19 w:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Werner Dörflinger, Wilma Glücklich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hildebrecht Braun , Dr. Klaus Röhl und der Fraktion der F.D.P. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Helmut Wilhelm und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die BundesregierungWohngeld- und Mietenbericht 1997- Drucksachen 13/10384, 13/10620, 13/10622, 13/10623, 13/11115 -Berichterstattung:Abgeordnete Norbert Otto
Hildebrecht Braun
Achim GroßmannWolfgang SpanierDer Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11115, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10620 in Kenntnis des Berichts auf Drucksache 13/10384 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum genannten Bericht, Drucksache 13/11115 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10622 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 13/11115 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 10623 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Vizepräsident Hans-Ulrich KloseTagesordnungspunkt 19x:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit- Drucksachen 13/10141, 13/11114 -Berichterstattung:Abgeordnete Gabriele Iwersen Margarethe SpäteWer stimmt für die Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11114? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei magerer Stimmenbeteiligung einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 19 y:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Franziska Eichstädt-Bohlig, Marieluise Beck , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidemarie Lüth, Klaus-Jürgen Warnick und der Gruppe der PDS zu der Unterrichtung durch die BundesregierungZweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im AlterundStellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission- Drucksachen 13/9750, 13/10298, 13/10287, 13/10339, 13/11175 -Berichterstattung:Abgeordnete Erika Reinhardt Christa LörcherHeidemarie LüthIrmingard Schewe-GerigkDer Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11175, den Bericht auf Drucksache 13/9750 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 13/ 11175, Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10298 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 13/11175 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10287 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 13/ 11175 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10339 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen der PDS angenommen. - Das waren doch jetzt Gegenstimmen bei der PDS?
- Man darf ja noch einmal fragen.
- Das allein beweist noch gar nichts.
Der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11175 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und PDS angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19z:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- zu dem Antrag der Abgeordneten Christa Lörcher, Christel Hanewinckel, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDGewalt gegen Ältere - Prävention und Intervention- zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Christa Nickels, Elisa-Vizepräsident Hans-Ulrich Klosebeth Altmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMaßnahmen zum Schutz älterer Menschen gegen Gewalt in der Familie- Drucksachen 13/5627, 13/5453, 13/7211 -Berichterstattung:Abgeordnete Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerChrista Lörcher Rosel Neuhäuser Irmingard Schewe-GerigkErika ReinhardtBeschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Gewalt gegen Ältere - Prävention und Intervention, Drucksache 13/7211. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5627 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Maßnahmen zum Schutz älterer Menschen gegen Gewalt in der Familie, Drucksache 13/7211. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/5453 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Meine Damen und Herren, es folgten weitere 32 Seiten Abstimmungen. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 20 a und 20x. Es handelt sich um weitere Beschlußfassungen zu Vorlagen, zu denen eine Aussprache nicht vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 20 a:Weitere abschließende Beratungen ohne AusspracheBeratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Amke Dietert-Scheuer, Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUnterbringung der Lieferung von Beobachtungs- und Aufklärungsgeräten zur mobilen Grenzüberwachung einschließlich Satellitentelefonen an die Türkei- Drucksachen 13/8564, 13/11030 -Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Christian RuckDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8564 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 20 b:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Dr. Uschi Eid, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZukunftsfähige Mobilität - weltweit - Drucksachen 13/8654, 13/11055 - Berichterstattung:Abgeordneter Horst FriedrichDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8654 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Tagesordnungspunkt 20 c:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Bedingungen für den Betrieb von Liniendiensten mit Ro-Ro-Fahrgastfährschiffen und Fahrgasthochgeschwindigkeitsfahrzeugen in der Gemeinschaft- Drucksachen 13/10361 Nr. 2.17, 13/11056 -Berichterstattung:Abgeordneter Werner KuhnWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20 d:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), Angelika Beer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENChancengleichheit für die Schiene: Herstellung faier Wettbewerbsbedingungen gegenüber anderen Verkehrsträgern- Drucksachen 13/9665, 13/10981 - Berichterstattung:Abgeordnete Elke FernerDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9665 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltun-Vizepräsident Hans-Ulrich Klosegen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 20 e:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Karl Lamers, Dr. Erich Riedl (München) und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Ina Albowitz, Jörg van Essen, Dr. Helmut Haussmann und der Fraktion der F.D.P.Angemessene deutsche personelle Repräsentanz in inter- und supranationalen Organisationen- Drucksachen 13/10793, 13/11151 - Berichterstattung:Abgeordnete Christian Schmidt Eberhard BrechtDr. Helmut LippeltUlrich IrmerDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10793 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt 20f:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der BundesregierungZustimmungsbedürftige Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpakkungsabfällen
- Drucksachen 13/10943, 13/11122 Nr. 2.1, 13/ 11163 -Berichterstattung:Abgeordnete Steffen Kampeter Marion Caspers-MerkDr. Jürgen RochlitzBirgit HomburgerDer Ausschuß empfiehlt, unter Nr. I seiner Empfehlung der Verordnung zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Der Umweltausschuß empfiehlt unter Nr. II seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11163 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 g:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich, Elke Ferner, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDVerbesserung der Situation von Kindern im Straßenverkehr- Drucksachen 13/6535, 13/11057 -Berichterstattung:Abgeordneter Werner KuhnDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/6535 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 h:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag Oder Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, Gila Altmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die BundesregierungWaldzustandsbericht der Bundesregierung 1997- Ergebnisse der Waldschadenserhebung- zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD- zu der Unterrichtung durch die BundesregierungWaldzustandsbericht der Bundesregierung 1997- Ergebnisse der Waldschadenserhebung- zu der Unterrichtung durch die BundesregierungWaldbericht der Bundesregierung- Drucksachen 13/9442, 13/10535, 13/10554, 13/8493, 13/10374, 13/10539, 13/11076 -Berichterstattung:Abgeordnete Heidi Wright Hans-Ulrich Köhler
Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1997, Drucksa-Vizepräsident Hans-Ulrich Kloseche 13/11076 Nr. 1: Der Ausschuß empfiehlt, den Bericht auf Drucksache 13/9442 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Beschlußempfehlung des Ernährungsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum Waldzustandsbericht 1997, Drucksache 13/11076 Nr. 2: Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10535 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der SPD und der PDS angenommen.Beschlußempfehlung des Ernährungsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Waldzustandsbericht 1997 und zum Waldbericht, Drucksache 13/11076 Nr. 3: Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/ 10539 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Waldzustandsbericht 1997, Drucksache 13/ 11076 Nr. 4: Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/10554 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 i:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Oswald Metzger, Christian Sterzing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUnterstützung der Schweiz bei den Verhandlungen zum Alpentransit- Drucksachen 13/8574, 13/10716 -Berichterstattung:Abgeordneter Claus-Peter GrotzDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8574 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Tagesordnungspunkt 20j:Beratung der Beschlußempfehlung und desBerichts des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), Annelie Buntenbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEffizienter und EU-konformer Bau der S-Bahn-Linie 9 Haltern-Essen-Wuppertal- Drucksachen 13/8769, 13/10906 - Berichterstattung:Abgeordneter Norbert Königshof enDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8769 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Tagesordnungspunkt 20 k:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die Absatzförderung für deutschen Wein- Drucksachen 13/4230, 13/4469 Nr. 1, 13/ 11054 -Berichterstattung: Abgeordnete Heidi WrightDer Ausschuß empfiehlt, den Bericht auf Drucksache 13/4230 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist - wie üblich, wenn es um Wein geht - einstimmig angenommen.Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/11054 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 201:Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungHaushaltsführung 1998Außerplanmäßige Ausgabe in Höhe von 10 Mio. DM im Haushaltsjahr 1998 bei Kapitel 6004 außerplanmäßiger Titel 686 03 - Nothilfefonds für den Beauftragten der Bundesregierung für Flüchtlingsrückkehr und rückkehrbegleitenden Wiederaufbau in Bosnien und Herzegowina- Drucksachen 13/10516, 13/10601 Nr 2, 13/ 10888 -Berichterstattung:Abgeordnete Peter JacobyDr. Wolfgang Weng Ilse JanzOswald MetzgerVizepräsident Hans-Ulrich KloseWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20 m:Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungHaushaltsführung 1998Einwilligung in eine außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1112 Titel 893 09 - Sachkostenzuschüsse an Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen -- Drucksachen 13/10359, 13/10486 Nr. 4 13/ 10889 -Berichterstattung:Abgeordnete Karl Diller Dr. Hermann KuesAntje HermenauIno AlbowitzWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20n:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Präsidentin des BundesrechnungshofesRechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1997- Drucksachen 13/10082, 13/10890 -Berichterstattung:Abgeordnete Rudolf PurpsWilfried SeibelOswald MetzgerDr. Wolfgang Weng
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20 o:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Stellungnahme Nr. 1/97 des Europäischen Rechnungshofes zu den Bedingungen für die Ausführung der Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik- Drucksachen 13/9935 Nr. 1.8, 13/10895 -Berichterstattung:Abgeordnete Hans Georg Wagner Wilfried SeibelWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Der Haushaltsausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/10895 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnung 20p:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten in den Jahren 1993 bis 1995- Drucksachen 13/8615 Nr. 2.97, 13/10907 - Berichterstattung:Abgeordneter Roland RichterWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20 q:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates- Drucksachen 13/9312 Nr. 1.7, 13/10908 -Berichterstattung:Abgeordneter Horst FriedrichWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 20 r:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Kommission über die Durchführung der Verordnung Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr im Zeitraum 1993-1994
-Drucksachen 13/10263 Nr. 2.1, 13/10959 -Berichterstattung:Abgeordnete Leyla OnurVizepräsident Hans-Ulrich KloseWer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 s:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Anke Fuchs (Köln), Horst Sielaff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDAuswirkungen und Zukunft der Garantiemengenregelung Milch in Deutschland- Drucksachen 13/433, 13/1684, 13/3655, 13/ 10984 -Berichterstattung: Abgeordnete Jella TeuchnerDer Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/3655 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 t:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Post und Telekommunikation zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Klaus Barthel, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDHochwertige Postdienstleistungen flächendeckend sichern- Drucksachen 13/10210, 13/11107 -Berichterstattung:Abgeordnete Renate BlankHans Martin BuryDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10 210 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Tagesordnungspunkt 20 u:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Christa Nickels, Cem Özdemir und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENVerweigerungsrecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Produktion und Verbreitung rechtsextremer Propaganda- Drucksachen 13/9710, 13/11137 -Berichterstattung:Abgeordneter Helmut HeiderichDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9710 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 20v:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Waltraud Schoppe, Gerd Poppe, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFreiwilliger Verhaltenskodex für deutscheund europäische Unternehmen in China- Drucksachen 13/9974, 13/11108 -Berichterstattung:Abgeordnete Paul K. FriedhoffDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/9974 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Tagesordnungspunkt 20 w:Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses
Übersicht 10über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht- Drucksache 13/11 134 -Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei Stimmenthaltung der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Wir kommen jetzt zu den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkt 20x:Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 359 zu Petitionen- Drucksache 13/11043 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 360 zu Petitionen- Drucksache 13/11044 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 361 zu Petitionen- Drucksache 13/11045 -Vizepräsident Hans-Ulrich KloseBeratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 362 zu Petitionen
- Drucksache 13/11046 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 363 zu Petitionen
- Drucksache 13/11047 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 364 zu Petitionen - Drucksache 13/11048 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 365 zu Petitionen- Drucksache 13/11049 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 366 zu Petitionen- Drucksache 13/11050 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 367 zu Petitionen- Drucksache 13/11051 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 368 zu Petitionen - Drucksache 13/11052 -Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 369 zu Petitionen- Drucksache 13/11053 -Sammelübersicht 359 auf Drucksache 13/11043: Wer stimmt dafür? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Sammelübersicht 359 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Sammelübersicht 360 auf Drucksache 13/11044: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 360 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Sammelübersicht 361 auf Drucksache 13/11045: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 361 ist gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 362 auf Drucksache 13/11046: Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/11149? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt. Wer stimmt jetzt für die Empfehlung des Petitionsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 362 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 363 auf Drucksache 13/11047: Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag auf Drucksache 13/11148? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 363 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 364 auf Drucksache 13/11048: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 364 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 365 auf Drucksache 13/11049: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 365 ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 366 auf Drucksache 13/11050: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 366 ist gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Sammelübersicht 367 auf Drucksache 13/11051: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 367 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.Sammelübersicht 368 auf Drucksache 13/11052: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 368 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angenommen.Sammelübersicht 369 auf Drucksache 13/11053: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 369 ist bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Ich rufe jetzt die Zusatzpunkte 2 a bis 2i auf. Es handelt sich um Beschlußfassungen zu weiteren Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Vizepräsident Hans-Ulrich KloseZusatzpunkt 2 a:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 26. Februar 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits- Drucksachen 13/10756, 13/10933 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
- Drucksache 13/11082 -Berichterstattung:Abgeordneter Rolf HempelmannDer Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 13/11082, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Stimmenthaltung der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Zusatzpunkt 2 b:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten
- Drucksache 13/10742 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation
- Drucksache 13/11177 -Berichterstattung:Abgeordnete Elmar Müller Gerd BauerIch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Zusatzpunkt 2 c:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den DatenschutzTätigkeitsbericht 1995 und 1996 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz-16. Tätigkeitsbericht -- Drucksachen 13/7500, 13/11168-Berichterstattung:Abgeordnete Wolfgang BosbachDorle Marx Manfred SuchDr. Max StadlerUlla JelpkeWer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der PDS bei Stimmenthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Zusatzpunkt 2 d:Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Bundesdatenschutzgesetzes
- Drucksache 13/9082 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11162 -Berichterstattung:Abgeordnete Wolfgang BosbachDorle Marx Manfred SuchDr. Max StadlerUlla JelpkeDer Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11162, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/9082 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.Zusatzpunkt 2 e:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Volker Beck , Kerstin Müller (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährleistung des freien Zugangs zu amtlichen Informationen und zur Änderung anderer Gesetze (Informationsfreiheitsgesetz - IFG)- Drucksache 13/8432 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11152 -Vizepräsident Hans-Ulrich KloseBerichterstattung:Abgeordnete Wolfgang BosbachUte Vogt
Rezzo Schlauch Dr. Max Stadler Ulla JelpkeDer Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11152, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/8432 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Zusatzpunkt 2 f:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Joseph Fischer , Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Volksantrag, Volksbegehren und Volksabstimmung im Grundgesetz- Drucksache 13/10261 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses
- Drucksache 13/11170 - Berichterstattung:Abgeordnete Erwin Marschewski Dieter WiefelspützCem ÖzdemirDr. Max StadlerUlla JelpkeDer Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/11170, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/10261 abstimmen und bitte diejenigen, die dem Entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt. Damit entfällt nach der Geschäftsordnung die weitere Beratung.Zusatzpunkt 2 g:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik 1996/1997- Drucksachen 13/9999, 13/10486 Nr. 2, 13/ 11153 -Berichterstattung:Abgeordnete Claus-Peter GrotzDr. Elke Leonhard Waltraud Schoppe Dr.-Ing. Karl-Hans LaermannDer Ausschuß empfiehlt, den Bericht auf Drucksache 13/9999 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist bei Stimmenthaltung der PDS mit den Stimmen des Hauses im übrigen angenommen.Zusatzpunkt 2 h:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFriedliche Beilegung des Konfliktes zwischen Eritrea und Äthiopien- Drucksachen 13/10964, 13/11154 -Berichterstattung:Abgeordnete Alois Graf von Waldburg-Zeil Karsten D. Voigt
Gerd PoppeUlrich IrmerDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10964 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.Zusatzpunkt 2 i:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Schmitt (Langenfeld), Dr. Uschi Eid und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDemokratische, ökologische und entwicklungspolitische Gestaltung der Vergabe von Hermes-Bürgschaften- Drucksachen 13/8724, 13/11080 -Berichterstattung:Abgeordneter Erich G. FritzDer Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/8724 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der PDS angenommen.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9f auf:a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1998 22741
Vizepräsident Hans-Ulrich Klose
zu der Unterrichtung durch die Wehrbeauftragte
Jahresbericht 1997
- Drucksachen 13/10000, 13/11067 -Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen Augustinowitz Dieter Heistermannb) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing, Annelie Buntenbach und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die WehrbeauftragteJahresbericht 1996
- Drucksachen 13/7100, 13/8468, 13/8851, 13/ 10071 -Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen Augustinowitz Dieter Heistermannc) Beratung des Abschlußberichts des 1. Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses nach Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes- Drucksache 13/11005 -d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Gerhard Zwerenz, Heinrich Graf von Einsiedel, Andrea Gysi, weiteren Abgeordneten und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes- Drucksache 13/10352 -Überweisungsvorschlag:Verteidigungsausschuß Rechtsausschuße) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Angelika Beer, Christian Sterzing, Annelie Buntenbach und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENTraditionspflege der Bundeswehr- Drucksachen 13/10279, 13/10940 - Berichterstattung:Abgeordnete Christian Schmidt Dieter Heistermannf) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Manfred Müller (Berlin), Heinrich Graf von Einsiedel, Gerhard Zwerenz, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDSAbschaffung der Wehrpflicht- Drucksachen 13/4461, 13/7033 -Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen Augustinowitz Brigitte Schulte
Dieter HeistermannEs liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann ist es so beschlossen.Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich mich in Namen des Hauses bei der Wehrbeauftragten Frau Claire Marienfeld und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Vorlage des Jahresberichts 1997 sehr herzlich bedanken.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß wir noch in dieser vorerst letzten Sitzungswoche die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nach Art. 45 a Grundgesetz beraten können, wobei ich natürlich dankbar gewesen wäre, wenn wir zu einer etwas günstigeren Tageszeit darüber hätten debattieren können.
- Ja, auch so etwas leisten wir natürlich. Insofern geben wir ein gutes Beispiel.
Das erfreuliche und für mich wichtigste Ergebnis des Untersuchungsausschusses lautet, daß es in der Bundeswehr keine rechtsextremistischen Strukturen, Netzwerke oder ähnliches gibt.
Das Untersuchungsverfahren hat ergeben, daß die Bundeswehr bereits frühzeitig Maßnahmen gegen rechtsextremistische Vorkommnisse in der Truppe ergriffen hat. Dem Anwachsen des Rechtsextremismus in der Gesellschaft hat sie ihre Maßnahmen nach den jeweiligen aktuellen Erkenntnissen angepaßt. Die dem Abschlußbericht beigefügte Synopse gibt eindeutige Auskunft über die kontinuierlich vom Verteidigungsministerium eingeleiteten Schritte gegen rechtsextremistisches Auftreten in der Bundeswehr. Der Generalinspekteur hat seiner tiefen Sorge vor weiteren rechtsextremistischen Erscheinungen in der Truppe Ausdruck verliehen.
Der Verteidigungsausschuß hat sich seit der 1. Wahlperiode insgesamt zwölfmal selbst als Untersuchungsausschuß eingesetzt. Ich glaube, keines der bisherigen Untersuchungsverfahren wurde in so kurzer Zeit abgeschlossen, und keines der bisherigen Verfahren hatte ein solch breit angelegtes Untersuchungsthema. Aber auch keines der bisherigen Untersuchungsverfahren hat in solchem Maße die Gefahr in sich geborgen, die Treue der Soldaten der Bundeswehr zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Zweifel zu ziehen.
Kurt J. Rossmanith
Die vor dem Untersuchungsausschuß angehörten Zeugen haben mit ihren Aussagen einen eindrucksvollen Beweis dafür geliefert, daß sie im Bewußtsein ihrer eigenen Leistungen falschen Idealen und falschen Zielen nicht nachlaufen und auch nicht nachzulaufen brauchen. Es ist ein Verdienst des Konzepts der inneren Führung, daß die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr ihre Einbindung in unsere Demokratie verinnerlicht haben und ihr demokratisches Verständnis auch gegen falsches Gedankengut vertreten. Ich glaube deshalb, von einer Schieflage der inneren Führung kann man hier nicht reden.
Im Gegenteil: Wer die frei und offen vor dem Untersuchungsausschuß auftretenden Soldaten erlebt hat, hat erfahren, daß innere Führung Selbstbewußtsein schafft und auch die Eigenverantwortung stärkt. Selbst kritische Fragen wurden ohne Vorbehalte beantwortet. Was die Soldaten in ihren Aussagen zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen haben, stand meines Erachtens in nichts der Unterstützung durch das Bundesministerium der Verteidigung nach.
Ich möchte - wir haben ja eine verbundene Debatte - in diesem Zusammenhang - Untersuchungsausschuß - der Frau Wehrbeauftragten Marienfeld einen Dank für ihre Feststellungen im Jahresbericht 1997 aussprechen. Ich zitiere:
Negative Entwicklungen können nur dann aufgehalten und korrigiert werden, wenn sie aufgedeckt und beim Namen genannt werden. Der Soldat ist verpflichtet, Fehlverhaltensweisen zu melden ... Dazu gehört nicht anonymes Denunzieren.
Denn Weghören und Wegschauen bei Verhaltensweisen, die in der Bundeswehr keinen Platz haben dürfen, bedeutet für mich falsch verstandene Kameradschaft. Verschweigen schadet der Bundeswehr insgesamt und unseren Soldatinnen und Soldaten. Ich glaube, daß auch die Soldaten dies erkannt haben und aktiv gegen falsches Gedankengut auch in ihrem Kameradenkreis eintreten. Genau das erwarten wir von ihnen; denn ein Einschreiten bei Fehlverhalten von Beginn an, das ist richtig verstandene Kameradschaft.
In zehn öffentlichen Beweisaufnahmesitzungen und fast 115 Stunden lang haben die Mitglieder des Untersuchungsausschusses oftmals bis Mitternacht und darüber hinaus Detailfragen nachgespürt, die häufig Vorgänge betrafen, die teilweise bis zu fünf Jahre zurücklagen. Die Vernehmung von 49 Personen als Zeugen, sachverständige Zeugen oder Sachverständige hat in weiten Teilen die Ermittlungsergebnisse des Bundesministeriums der Verteidigung bestätigt und nur in seltenen Fällen vertieft.
Von der Opposition ist mit Hilfe ihres Minderheitenrechtes ein Untersuchungsauftrag durchgesetzt worden, von dem wohl von Anfang an klar war, daß er nur in Teilen aufgearbeitet oder abgearbeitet - wie immer man das sehen will - werden konnte. Der Zeitrahmen war einfach zu klein.
Lassen Sie mich als Vorsitzenden auch dies sagen - ich meine es gar nicht so, wie es vielleicht zum Ausdruck kommt -:
Vielleicht hätte manchmal die Konzentration auf das Wesentliche anstatt der mehrfachen Wiederholung derselben Fragen geholfen, das Verfahren zu beschleunigen.
Ich glaube, daß nach Ende des Untersuchungsverfahrens die kritische Frage an den einen oder anderen erlaubt sein muß, ob nicht gelegentlich die Suche nach der politischen Verantwortung mit staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsarbeit verwechselt wurde.
Das war eine rethorische Frage, die keiner Antwort bedarf.
Wir haben am vergangenen Freitag der Präsidentin des Deutschen Bundestages unsere Ergebnisse übergeben. Sie hat anläßlich dieser Übergabe auch dargestellt, daß sie die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses als einen Beweis für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie und des Primats der Politik sieht.
Es wurde allerdings auch von einem Zeugen erklärt, daß das Untersuchungsverfahren von den Soldaten als Aktionismus der Politik im Wahljahr und als Instrumentalisierung der Soldaten zu Wahlkampfzwecken bewertet wird. Ich habe diese Erfahrung auch bei vielen Truppenbesuchen, die ich durchgeführt habe, leider machen müssen. Denn für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stellt sich die Frage, ob das Parlament den durch die Bundeswehr selbst ermittelten Erkenntnissen nicht hätte trauen können und müssen. Sie fragen sich mitunter vielleicht auch nicht ganz zu Unrecht, ob die in den politischen Bewertungen des Untersuchungsverfahrens wiederholt gemachte Aussage, die Bundeswehr sei ein Parlamentsheer, mehr als nur ein Lippenbekenntnis von uns ist. Mit Sensibilität und Sachlichkeit sollten wir den Soldaten verständlich machen, daß die Politik immer hinter der Bundeswehr gestanden hat und auch stehen wird.
Mehrere Zeugen haben dem Untersuchungsausschuß dargelegt, daß Soldaten nicht für den politischen Meinungskampf gerüstet sind und hier wegen ihrer Pflicht zur Zurückhaltung besonderen Schutz benötigen. Wir sollten den Soldatinnen und Soldaten, die vor neuen schweren Aufgaben stehen, das Gefühl vermitteln, ein ehrlicher Auftraggeber zu sein. Ich glaube, das sind wir ihrem Einsatz, den sie erforderlichenfalls auch durch Einsatz von Gesundheit und Leben erbringen, aber auch ihren Familien schuldig.
In den vergangenen Wochen ist im Untersuchungsausschuß vielfach auch die Frage der Stun-
Kurt J. Rossmanith
denansätze für politische Bildung und staatsbürgerlichen Unterricht in der Bundeswehr diskutiert worden. Ich glaube, daß in diesem Zusammenhang nicht untergehen darf, was der Kommandeur des Zentrums Innere Führung dazu als Zeuge festgestellt hat, nämlich daß entscheidend der Inhalt der politischen Bildung und ihre praktische Umsetzung sei. Ich glaube, er hat uns eindrucksvoll dargestellt, was die Bundeswehr nicht nur theoretisch, sondern vor allem vor Ort in der Truppe zur Unterstützung der Vorgesetzten seit langem unternimmt.
Ich glaube, Gegenstand der politischen Bildung muß jetzt auch die Verdeutlichung der Ziele dieses parlamentarischen Untersuchungsverfahrens und seiner Ergebnisse sein. Unser Anteil daran sollte sein, daß wir den Soldaten der Bundeswehr folgendes vermitteln: Erstens. Die Bundeswehr verdient unser vollstes Vertrauen. Zweitens. Es lastet kein Verdacht von rechtsextremistischem Gedankengut auf ihr. Drittens. Ihr wird auch kein Mißtrauen des Parlaments entgegengebracht.
Ich darf hier auch noch auf eines aufmerksam machen: In den politischen Bewertungen aller Fraktionen und der Gruppe ist die Aussage des Bundesministers der Verteidigung unwidersprochen geblieben,
die beste vorstellbare politische Bildung sei die Vermittlung von Verhaltenssicherheit im Umgang mit der Menschenwürde anderer. Dem kann auch Frau Beer sicher nicht widersprechen.
Mit besonderem Interesse - lassen Sie mich dies zum Schluß noch sagen - habe ich den Ausführungen des Generalinspekteurs zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege der Bundeswehr zugehört. Wenn er sagt, Tradition sei zielorientiert und in die Zukunft weisend, verbinde die Generationen über die Zeit hinweg, dann schließe ich mich dem voll an. Sichere Grundlage des Traditionsverständnisses der Bundeswehr ist die bundeswehreigene Geschichte auf der Basis des Traditionserlasses von 1982.
Die Anhörung von Bundesminister Rühe und Generalinspekteur Bagger hat überzeugend ergeben, daß die Führung der Bundeswehr die Weiterentwicklung der eigenen Tradition der Bundeswehr fördert. Was den jungen Soldaten aber an Geschichtskenntnissen fehlt, bevor sie in die Streitkräfte kommen, kann die Bundeswehr nicht in der verfügbaren knappen Zeit nachholen. Ihr sind nur Anstöße zur eigenen Weiterbildung der Soldaten möglich. Im Vordergrund muß die Einsatzbereitschaft der Soldaten in der Bundeswehr stehen.
Ich will aber noch anmerken, daß natürlich auch aktuelle Ereignisse traditionsbildend wirken können. Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders an
den Einsatz der Bundeswehr bei der Hochwasserkatastrophe an der Oder erinnern.
Wer aber fehlende Trennschärfe in der Unterscheidung zwischen Traditionswürdigem und Traditionsunwürdigem kritisiert, ist aufgefordert, seinen eigenen Beitrag zur Positionsbestimmung zu leisten. Bilderstürmerei ist sicher ein Indiz für geschichtliche Orientierungslosigkeit und eine Flucht vor der Verantwortung aus der Geschichte. Ich glaube, dagegen sollten wir uns alle wehren.
Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren: Bei allem politischen Dissens hat sich auch in diesem Untersuchungausschuß des Verteidigungsausschusses gezeigt, daß alle Mitglieder ihre Verantwortung für die Bundeswehr zu tragen bereit sind. Dafür danke ich ihnen ebenso wie für die sachorientierte Arbeit, wie wir sie aus dem Verteidigungsausschuß seit langem kennen. Mein Dank gilt auch meinem Stellvertreter, dem Kollegen Dieter Heistermann. Ebenso gilt er den Damen und Herren Mitarbeitern des Verteidigungsausschuß- und des Untersuchungsausschußsekretariates sowie der Bundestagsverwaltung; hier meine ich insbesondere den Stenographischen Dienst, den Ordnungsdienst und viele andere, die für uns tätig waren.
Gleichfalls danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den jeweiligen Ministerien. Letztlich will ich auch den Medien danken, die unsere Arbeit und ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit übermittelt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube sagen zu dürfen, daß wir den uns gestellten Auftrag in der Kürze der Zeit gut erfüllt haben.
Das Wort hat der Kollege Peter Zumkley, SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundeswehr besteht seit fast 43 Jahren als Streitkräfte und Wehrverwaltung in der Demokratie. In dieser Zeit hat sie sich hinsichtlich der Einordnung in unseren demokratischen Staat und der Loyalität gegenüber allen Bundesregierungen und dem Parlament, hinsichtlich ihres militärischen Leistungsvermögens, aber auch in zivilen Katastrophenfällen ein festes Grundvertrauen erworben. Zu vierzehn - zwölf und zwei, Herr Kollege Rossmanith - den Verteidigungsausschuß berührenden Fällen hat es seit Bestehen des Deutschen Bundestages auf Antrag von Fraktionen bisher Untersuchungsausschüsse gegeben, die je nach Ergebnis der Untersuchung zu Konsequenzen unterschiedlicher Art führten.
Nach unserer Überzeugung konnte das Parlament die in der Öffentlichkeit mehrfach erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe betreffend rechtsextre-
Peter Zumkley
mistische, ausländerfeindliche und menschenunwürdige Verhaltensformen in der Bundeswehr - gestützt auf verschiedene Vorkommnisse - auch diesmal nicht ignorieren. Die fast ausnahmslos über die Medien bekanntgewordenen Vorgänge haben das Ansehen der Bundeswehr im In- und Ausland berührt und haben deshalb für das Parlament und speziell für den Verteidigungsausschuß eine besondere Bedeutung. Auch in den Streitkräften selbst, vor allem aber in der Öffentlichkeit haben die Ereignisse eine breite Debatte ausgelöst.
Aus unserer Sicht war der Untersuchungsausschuß, den die SPD unter Inanspruchnahme des Minderheitenrechtes durchgesetzt hat, deshalb nach sorgfältiger Abwägung notwendig. Es kam darauf an, die als Serie aufgetretenen Vorkommnisse unvoreingenommen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und Ursachen und Hintergründe aufzuklären. Die vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Berichte - Dau-Bericht und Bericht der Riechmann-Kommission - waren hilfreich, konnten jedoch die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht ersetzen. Insbesondere konnten während der Anhörung von Zeugen und Sachverständigen Erkenntnisse, die über die beiden Berichte hinausgingen, gewonnen werden.
In Ausübung seiner Kontrollfunktion bleibt es dem Parlament vorbehalten, im Wege einer öffentlichen Untersuchung den Vorfällen nachzugehen, sie zu bewerten und gegebenenfalls Konsequenzen zu fordern. Die sensible Thematik erfordert eine sorgfältige parlamentarische Untersuchung, Herr Kollege Rossmanith, die das hohe Maß an Transparenz bei der Aufklärung von Mißständen erreicht, das von einer breiten interessierten Öffentlichkeit erwartet werden darf. Umgekehrt kann die Bundeswehr insgesamt nur durch eine derart sorgfältige Überprüfung wirksam und nachhaltig entlastet werden.
Die Koalition hat von Anfang an bis zur Bewertung in ihrem Abschlußbericht gegen den Untersuchungsausschuß polemisiert. Dies wird auch im Bewertungsbericht der Berichterstatter der Koalition sehr deutlich. Die völlig unverständliche Behauptung, die Opposition trage Verantwortung dafür, daß vorübergehend ein Klima der Verdächtigung und Verunsicherung in der Bundeswehr entstanden war, bleibt mir ein Rätsel.
Waren nicht die Vorfälle in der Bundeswehr, aufgegriffen durch die Medien, Ursache für die zum Teil heftigen Diskussionen?
Die Bundeswehr ist zum Glück selbstsicher genug und selbstkritisch zugleich. Das Ansehen der SPD hat übrigens, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, nicht gelitten. Da können Sie ganz beruhigt sein. Die Angehörigen der Bundeswehr schätzen es, wenn man ihre Probleme aufgreift, und sie wissen auch, daß Beschönigungen und Verdrängungen dabei nicht hilfreich sind. Sie, die CDU/ CSU-Mitglieder des Verteidigungsausschusses, hätten die Vorfälle offensichtlich lieber hinter verschlossenen Türen behandelt, eine angesichts der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Vorgänge völlig unakzeptable Haltung.
In den untersuchten Fällen hat es weitgehend an Zivilcourage einzelner Soldaten gemangelt, Meldungen an Vorgesetzte zu erstatten oder Hinweise zu geben. Es gab eine Mauer des Schweigens während der Vorfälle und danach. Die verantwortlichen und betroffenen Vorgesetzten haben nichts gesehen, waren ahnungslos, konnten sich die Vorfälle nicht erklären, obwohl sie von einem offenen Klima in ihren Verantwortungsbereichen überzeugt waren.
Insofern liegt auch eine grobe Fehleinschätzung des Ministers vor, der von einem guten Meldeklima überzeugt war. Nicht die Menge der Meldungen macht es aus, sondern daß Vorfälle von besonderer Bedeutung - wie in den vorliegenden Fällen - rechtzeitig gemeldet werden. Darüber hinaus ist die Oberzeugung aller Soldaten, sich im Falle von Mißverständnissen vertrauensvoll an die Vorgesetzten wenden zu können, entscheidend für deren Verhaltensweisen.
Möglicherweise hat es ein offenes Klima, wie von den betroffenen Vorgesetzten angenommen, in Wirklichkeit gar nicht gegeben.
Im Zusammenhang mit den untersuchten Fällen konnte der Eindruck, daß seit einigen Jahren der Kämpfertyp gegenüber dem Staatsbürger in Uniform als Bild des Soldaten bevorzugt wird, nicht gänzlich beseitigt werden. Nach unserer Auffassung schließt das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform den fachlich und beruflich für seine Aufgaben qualifizierten Soldaten ein. Die Klarstellung des Generalinspekteurs in diesem Zusammenhang, daß die persönliche, die charakterliche und die geistige Stabilisierung der einzelnen Soldaten genauso wichtig sei wie die handwerkliche Ausbildung der Soldaten, teilen wir.
Es bleibt Aufgabe aller Vorgesetzten, aber auch der politischen Leitung des Hauses, diesen Grundsatz deutlich zu machen und durchzusetzen.
Die Untersuchungen zum Verlauf der Vortragsveranstaltung des Manfred Roeder vor Angehörigen des Akademiestabes haben ergeben, daß die für die Vorbereitung der Veranstaltung verantwortlichen Offiziere offensichtlich über die Person des Referenten getäuscht wurden, sie selber zu gutgläubig waren und das Thema des Vortrages bei genauerem Hinsehen nicht hätte ausgewählt werden dürfen.
Der Ausschuß hat im übrigen nicht feststellen können, daß die Bundeswehr unter Generalverdacht gestellt worden wäre, sie und der Verteidigungsminister mit Dreck beworfen worden wären, gezielte Kampagnen gegen die Bundeswehr stattgefunden hätten oder daß es Anhaltspunkte für Trittbrettfahrer und Provokateure gegeben hätte. In diesem Zusam-
Peter Zumkley
menhang erschienen Sie, Herr Minister Rühe, mir überempfindlich - völlig unnötig, wie ich meine.
Leider auch erst durch Presseveröffentlichungen wurden rechtsextremistische Handlungen von einigen Soldaten der Fallschirmjäger-Lehr- und Versuchskompanie 909 in Altenstadt und Landsberg bekannt. Die geschilderten Vorkommnisse haben innerhalb und außerhalb der Bundeswehr, aber auch international für Aufsehen gesorgt. Von 1993 bis zur Aufdeckung durch die Medien im Dezember 1997 hat ein harter Kern von bis zu sechs Unteroffizieren und Feldwebeln anläßlich von sogenannten privaten Feiern auch im Unterkunftsbereich der Kompanie nationalsozialistisches Gedankengut unter Verwendung von Nazisymbolen verherrlicht. Nach der Aufdekkung der Vorfälle hat die Bundeswehr konsequent gehandelt: disziplinare Ahndung, Entfernung aus dem Dienst, Abgabe an Strafverfolgungsbehörden. Dies begrüßen wir.
Dessenungeachtet ist es unverständlich, daß über einen derart langen Zeitraum niemand außerhalb dieser Gruppe etwas bemerkt haben will. Obwohl in der Kompanie bekannt war, daß in einigen Unteroffiziersstuben mehr oder weniger offen Nazisymbole aufbewahrt wurden, ist dies nicht gemeldet worden. Die Vorgesetzten wußten von nichts, haben nichts gehört und zeigten sich von den Vorkommnissen auch hier überrascht.
Derartige Verhaltensweisen dürfen in einer Einheit im Interesse der anvertrauten Soldaten, insbesondere der Wehrpflichtigen, den Verantwortlichen nicht verborgen bleiben. Besonders schwerwiegend sind die Waffen- und Munitionsfunde bei einem Unteroffizier dieser Kompanie.
Der Ausschuß hat jedoch den Eindruck gewonnen, daß die weit überwiegende Zahl der Kompanieangehörigen mit den zu beklagenden Vorfällen nichts zu tun hat. Auch hier wären die Vorfälle bei etwas mehr Zivilcourage und besserer Dienstaufsicht früher und weit vor der Entdeckung durch die Medien bekanntgeworden. Durch entschlossenes Eingreifen wäre dann Schaden von der Bundeswehr eher abgewendet worden. Dies alles macht deutlich, wie wichtig eine sorgfältige Personalauswahl der Vorgesetzten aller Dienstgrade ist.
Im Zuge der Beweisaufnahme wurde deutlich, daß es in der Bundeswehr noch kein überall gesichertes und allgemein verbindliches Traditionsverständnis gibt. Tradition erwächst in der Bundeswehr grundsätzlich allein aus ihrer eigenen, vergleichsweise langen Geschichte. Das Verteidigungsministerium muß verstärkt für Hilfen bei der Dokumentation der eigenständigen Tradition der Bundeswehr Sorge tragen. Bei dem Traditionsverständnis und der Traditionspflege, die am Beispiel der Fallschirmjägertruppe eine besondere Betrachtung im Ausschuß erfuhren, wurde deutlich, daß überholte Formen und Gewohnheiten, wie zum Beispiel der sogenannte Kreta-Tag,
in einem anerkennenswerten Prozeß durch zeitgemäßere Veranstaltungen ersetzt wurden.
Für die SPD-Fraktion besteht nach Abschluß des Untersuchungsausschusses kein Zweifel daran, daß die Bundeswehr kein Hort des Rechtsextremismus in unserem Staat ist, die Bundeswehr auch nicht rechtsextremistisch unterwandert ist und es keine rechtsextremen Strukturen in der Bundeswehr gibt, sich jedoch vereinzelt braune Nischen bilden konnten.
Die militärische Führung hat die untersuchten Vorfälle zum Anlaß genommen, der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und dem NS-Gewaltregime verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. Dies begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich.
Auch außerhalb der Bundeswehr muß reagiert werden. Wir müssen gegenüber dem Rechtsextremismus wachsam sein und ihm, wo immer er auftritt, energisch entgegentreten.
Es ist festzustellen, daß diese Probleme der Bundeswehr und ihrer politischen Führung offenbar nicht ausreichend bewußt waren. Trotz Kenntnis der auf sie zukommenden Probleme in weiten Bereichen der inneren Führung, der politischen Bildung und der Traditionspflege ist von seiten der politischen Führung nur unvollkommen, teilweise gar nicht auf diese erkennbare Situation reagiert worden.
Wir fordern den Verteidigungsminister auf, seiner politischen Führungsaufgabe in diesen Bereichen mehr als bisher nachzukommen
und sich kontinuierlich mehr um den inneren Zustand der Bundeswehr zu kümmern. - Wenn es nicht mehr dieser Verteidigungsminister ist, dann wird es ein nächster machen.
Wir unterstützen den oft nicht leichten Dienst in der Bundeswehr und fühlen uns mit ihr bei der Erfüllung ihres verfassungsgemäßen Auftrags verbunden. Die aus dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses gezogenen oder noch zu ziehenden Schlußfolgerungen und Konsequenzen werden die Bundeswehr, aber auch ihr gesellschaftliches Umfeld nicht schwächen, sondern stärken.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch einmal kurz an die Situation im letzten
Angelika Beer
Jahr erinnern. Die Schlagzeilen über immer neue Vorfälle mit rechtsextremistischem und ausländerfeindlichem Hintergrund rissen nicht ab: Videos und Vorfälle in Hammelburg, Schneeberg, Altenstadt, der Angriff auf Ausländer in Detmold, geheime Waffenlager in einer Kaserne, ein Traditionsraum, wie ich ihn in Büchel entdecken mußte, in dem hinter verschlossenen Türen die Wehrmacht verherrlicht wurde.
Dann kamen Roeder und die Lieferungen aus dem Materialamt an sein Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk. Alle Alarmglocken hätten in dieser Sekunde läuten müssen, und zwar nicht nur beim Parlament, sondern vor allem bei Ihnen, Herr Minister Rühe.
Was passierte eigentlich in der Zuspitzung dieser Situation, als niemand mehr wußte, wie es weitergehen sollte? Was wäre fällig gewesen? Sie, Herr Rühe, haben sich geweigert, die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung der Ursachen tatsächlich einzuleiten. Sie kreierten Ihre Einzelfallthese. Ursachenforschung bezeichneten Sie als Generalverdacht, Presseveröffentlichungen als Schmutzkampagne und Soldaten, die von weiteren Vorfällen berichteten, als Trittbrettfahrer. Herr Minister Rühe, so schafft man keine Zivilcourage, sondern eine Armee, in der eine Stimmung des Duckmäusertums durchbricht. Genau das ist es, was die Aufklärung so schwierig macht.
Herr Minister, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses war vor allem auch die notwendige Folge Ihrer Weigerung, sich mit den tatsächlichen Problemen auseinanderzusetzen und die Verantwortung zu übernehmen. Ihre Versuche, die parlamentarische Arbeit zu diskreditieren, sind nicht gelungen. Das zeigt das umfassende Dokument des Untersuchungsausschusses. Das zeigt die positive Rede des Ausschußvorsitzenden Kurt Rossmanith heute. Ich kann nur sagen: Sowohl die Einzelfallthese als auch die These bezüglich des Generalverdachts sind aus unserer Sicht ganz klar widerlegt.
Auch wenn der Untersuchungsausschuß seine Aufgaben aus unserer Sicht nur unzureichend erfüllt hat, weil er sich zeitweise eben doch in Einzelfalluntersuchungen verloren hat, hat er dennoch unverzichtbare Erkenntnisse offengelegt. Gemessen an der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit - Herr Rossmanith hat darauf hingewiesen - brachten die Anhörungen und die Einblicke, die wir leider nur stichprobenartig vornehmen konnten, ergiebige Hinweise darauf, daß die Vielzahl der Vorfälle mit rechtsextremistischem und ausländerfeindlichem Hintergrund Symptome sind, Symptome für eine Fehlentwicklung in den Bereichen der inneren Führung, der politischen Bildung und der Traditionspflege.
Diese Schieflage der Bundeswehr konnte aber nur entstehen, weil die militärische und die politische Führung zum Teil wissentlich, zum Teil fahrlässig zugelassen haben, daß die klare Orientierung am Leitbild des Bürgers in Uniform und am Reformkonzept der inneren Führung vernachlässigt wurde bzw. teilweise abhanden gekommen ist.
Ich möchte noch einmal auf das Beispiel Varel eingehen, weil es eine Verknüpfung verschiedener Elemente aufzeigt. Dabei geht es um die Frage der Tradition und der Verletzung der Prinzipien der Menschenführung. In Varel haben Sie, Herr Rühe, offensichtlich selbst der militärischen Hierarchie mißtrauend, an den unmittelbaren Vorgesetzten vorbei ermitteln lassen und innerhalb kürzester Zeit, nämlich innerhalb von 48 Stunden, das gewünschte Ergebnis bekommen: Die Vorwürfe seien alle haltlos.
Im Verlauf der weiteren Untersuchungen sind 14 Vorfälle offengelegt worden, in denen gegen Vorgesetzte einer Kompanie wegen zum Teil erheblicher Verstöße gegen die Menschenwürde und die Prinzipien der Menschenführung disziplinarisch bzw. disziplinargerichtlich ermittelt wurde.
Ich muß Sie, Herr Verteidigungsminister Rühe, fragen: Waren diese 14 Vorfälle, die dort eine Rolle gespielt haben, alles nur Einzelfälle? Die inzwischen erfolgte Versetzung fast aller Offiziere und eines Großteils der Unteroffiziere aus der betroffenen Kompanie in Varel zeigen aus unserer Sicht, daß Sie und die militärische Führung einen Zusammenhang sehr wohl erkannt haben mußten.
Varel ist nicht nur wegen der Verletzung der Menschenwürde durch die bekanntgewordenen Vorfälle gekennzeichnet. Bereits 1994 sind Sie vom damaligen Wehrbeauftragten Biehle hier auf das Problem der Traditionspflege in Varel aufmerksam gemacht worden. Sie haben jede Frühwarnung ignoriert.
]: Davon
ist nichts wahr!)
Wie sonst ist es denn zu erklären, daß am 19. Dezember 1997 der Kommandeur einen Befehl erteilte - ich zitiere -:
Sprüche und Parolen, denen man Einpeitschungscharakter unterstellen kann und deren Assoziationen mit der Wehrmacht offensichtlich sind, wie z. B. „Klagt nicht, kämpft! " , „Lerne leiden, ohne zu klagen! " , der „Letzte Tagesbefehl an die Fallschirmjäger der Wehrmacht" oder die dritte Strophe des Liedes „Rot scheint die Sonne", sind dort, wo sie aushängen oder an die Wand gemalt sind, unverzüglich zu entfernen.
In Reaktion auf die internationale Empörung über rechsextremistische Vorfälle haben Sie die ganze Zeit nichts gemacht, obwohl die Warnungen vier Jahre auf dem Tisch lagen.
Herr Bundesminister, die Traditionspflege ist das augenfälligste Beispiel Ihres Versagens. Statt den Warnungen der Wehrbeauftragten zu folgen, zogen Sie sich doppeldeutig und genüßlich auf den ministeriellen Erlaß eines Verteidigungsministers der SPD zurück. Die Wehrbeauftragten haben nicht eingeklagt, daß der Erlaß nicht da sei. Sie haben in jedem Bericht in jedem Jahr darauf hingewiesen, daß dieser
Angelika Beer
I Erlaß in der Bundeswehr nicht umgesetzt wird. Daran sind Sie vorbeigegangen.
Herr Verteidigungsminister, Ihr Rezept, alles sei in Ordnung, nur weil die Erlaßlage stimme - was ja noch nicht einmal immer der Fall ist -, hat im Bereich der Traditionspflege eine Grauzone geschaffen, die für Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen durchaus attraktiv ist.
Frau Wehrbeauftragte, Sie haben in Ihrem jüngsten Bericht trotz Zeiten des Wahlkampfs mutig auf diese Gefahr hingewiesen. Ich darf Sie zitieren:
Um so mehr beobachte ich mit Sorge, daß innerhalb der Bundeswehr gleichwohl die gebotene Distanz zur deutschen Wehrmacht insgesamt, aber auch zu einzelnen Personen aus der deutschen Wehrmacht nicht immer und überall eingehalten wird.
Sie, Herr Rühe, wischten diese wichtige Aussage, die auch die Arbeit des Untersuchungsausschusses als notwendig bestätigte, als Unsinn vom Tisch.
Frau Marienfeld, ich möchte Ihnen für die Zusammenarbeit danken; aber ich möchte Sie auch ausdrücklich ermuntern, Ihr Recht auf unangemeldete Besuche bei Bundeswehreinheiten auf Bereiche hin-
ter verschlossenen Türen wie den in Michel auszudehnen, wo die Verherrlichung der Wehrmacht betrieben wird.
Die Probleme der Traditionspflege und der Menschenführung sind ebenso wenig nach dem Motto „Augen zu und durch" zu bekämpfen wie die Schieflage der inneren Führung, der politischen Bildung oder die notwendige Eindämmung der Attraktivität militärischer Strukturen für Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen. Wer wie Sie, Herr Rühe, wissenschaftliche Studien und vor allen Dingen auch empirische Daten wie der Teufel das Weihwasser meidet, der beraubt sich selbst der Möglichkeit, Frühwarnsysteme einzubauen, zu nutzen und Ursachen zu bekämpfen.
Deswegen beantragen wir heute noch einmal die Erstellung einer sozialwissenschaftlichen Studie. Kommen Sie nicht wieder mit Ihrer These vom unbegründeten Generalverdacht und mit Ihrer These des Einzelfalls! Schließlich haben Sie diesen Verdacht selbst kreiert. Jetzt versuchen Sie, Ihre Verantwortung irgendwie beiseite zu wischen.
Herr Rühe, Sie wurden 1993 in einer Studie des SOWI darauf hingewiesen, daß Sie vermutlich überwiegend sogenannte Wohlstandsverlierer unter den Jugendlichen rekrutieren. Die Studie beschreibt zu einem erheblichen Teil ausländerfeindliche, rechtsradikale bis nationalkonservative Tendenzen. Ihr Militärischer Abschirmdienst warnte Sie im gleichen Jahr vor den Extremisten unter den Jugendlichen.
Vom Präsidenten des MAD haben wir im Ausschuß gehört, Rechtsextremisten fänden die Bundeswehr vor allem attraktiv, weil sie - ich zitiere - „ausländerfrei" und - mit Bedauern - nicht ganz „frauenfrei" sei, autoritäre Strukturen habe und man zu guter Letzt dort das Waffenhandwerk lernt, um später in rechtsextremistische Wehrsportgruppen zu gehen. Ihre Reaktion auf diese Warnung? Statt weiterzuforschen, wie es SOWI vorschlug, haben Sie gesagt: Nein, wir machen nichts, das ist ein Generalverdacht. Sie merken doch, wie lächerlich das ist.
Ähnliche Probleme gibt es im Bereich der inneren Führung. Ich möchte Herrn de Maizière, einen Zeitzeugen der Etablierung der inneren Führung, zitieren:
Die innere Führung ist kein Zustand, sondern vielmehr aktives Handeln, eine Führungs- und Erziehungsaufgabe, die immer wieder neu mit Leben gefüllt werden muß.
Herr Minister, ich möchte Sie dringend auffordern, in Ihren letzten Monaten diesem Anliegen nachzukommen, wenngleich ich zugeben muß, daß ich Zweifel habe, ob ein Minister, der im Ausschuß sagt, er habe mit innerer Führung nichts zu tun, weil er Zivilist sei, dazu in der Lage ist.
Abschließend möchte ich noch einmal auf die politische Verantwortung zu sprechen kommen. Herr Minister, Sie haben Ihr Amt vor allem dazu verwendet, Nebenaußenpolitik zu betreiben. Sie interessiert die Bundeswehr dort, wo sie in der Öffentlichkeit funktioniert und vordergründige Erfolge zu verzeichnen sind. Der eigentlichen Aufgabe eines Verteidigungsministers, die Binnenstruktur und die geistige Orientierung der Bundeswehr angesichts der gewaltigen sicherheitspolitischen Umgestaltung zu kontrollieren und zu erneuern, sind Sie nicht oder nur rudimentär nachgekommen. Statt dessen haben Sie, Herr Rühe, Ihre Prioritäten auf hektische Betriebsamkeit, den Aufbau der Krisenreaktionskräfte und die sogenannte Gleichberechtigung innerhalb der NATO auch bei Kampfeinsätzen außerhalb des NATO-Gebietes gesetzt.
Viele haben es bemerkt - nicht nur wir -, daß mit dieser Verhärtung Ihrer Position auch Ihr Führungsstil immer unduldsamer wurde.
Angelika Beer
Herr Rühe, Ihre Selbstgefälligkeit und die Beratungsresistenz, die Sie entwickelt haben, sind Bestandteil des Problems, das wir heute diskutieren.
Sie sind dafür verantwortlich, daß keine politischen Leitlinien mehr vermittelt wurden, keine politische Auseinandersetzung mehr stattfand, sogar die Stundenzahlen dafür reduziert wurden. Das führt in der Praxis zu einem Sich-Durchwursteln. Weil der Minister letztlich damit nicht klarkommt, wird dies auch dann noch zur Methode erklärt.
Herr Verteidigungsminister, daß Sie diese Armee im Umbruch von einem außen- und innenpolitischen Abenteuer ins nächste schicken, ist der Teil der persönlichen Verantwortung, die Sie am Verlust einer klaren geistigen Orientierung und parallel dazu einer Vernachlässigung der inneren Führung mitzutragen haben.
Herr Minister Rühe, Sie haben vielleicht erwartet, daß zum Schluß noch die Rücktrittsforderung kommt. Sie kommt nicht.
Aber wenn wir morgen im „Stern" lesen, daß Sie durchaus geneigt sind, das Kanzleramt zu übernehmen, dann muß ich Ihnen als Parlamentarierin kritisch entgegenhalten, daß ich Zweifel habe, ob jemand, der den jetzigen Zustand der Bundeswehr mitzuverantworten hat und der sie nicht im Griff hat, der ihr vor allen Dingen nicht hilft, wieder in den Tritt zu kommen, geeignet ist, die Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.
Ich glaube, nicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Günther Nolting, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Beer, statt der Vorwürfe, die Sie hier wieder vorgetragen haben, und der bewußt falschen Darstellung hätte ich erwartet, daß Sie sich bei der Bundeswehr für das entschuldigen, was Sie in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit geäußert haben. Ich werde darauf später noch eingehen.
Ich fand es aber schon bemerkenswert, Frau Kollegin Beer, daß Ihre Rede vom potentiellen Koalitionspartner nicht unterstützt wurde, daß Ihre Rede im Gegenteil mit Kopfschütteln begleitet wurde.
Insofern kann ich die Kollegen der SPD nur unterstützen. Ich habe dies genauso gesehen. Aber da ich nach Ihnen spreche, wollte ich dies jetzt hier zum Ausdruck bringen.
Im Namen der F.D.P.-Bundestagsfraktion möchte ich mich bei der Frau Wehrbeauftragten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umfassende Arbeit bedanken. Ich denke, der Jahresbericht 1997 der Wehrbeauftragten schildert differenziert und kritisch den Zustand der Bundeswehr. Er zeichnet aus unserer Sicht ein insgesamt zutreffendes Bild unserer Streitkräfte.
Der Bericht macht deutlich, daß die Pflicht zum treuen Dienen nach wie vor hervorragend erfüllt wird. Der vorbildliche Einsatz der rund 30000 Soldaten bei der Eindämmung des Hochwassers im Oderbruch ist hier ebenso hervorzuheben wie das ungebrochen hohe Engagement unserer Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der SFOR-Friedensmission. Nicht vergessen sollten wir auch den besonnenen und mutigen Einsatz in Tirana, bei dem Soldaten der Bundeswehr zum erstenmal in ihrer Geschichte in einem bewaffneten Einsatz Menschenleben gerettet haben.
Wie schon gesagt: Die ganz überwältigende Mehrheit der Soldaten hat auch im letzten Jahr in treuer Pflichterfüllung ihren Dienst geleistet. Ich bedanke mich für die F.D.P.-Fraktion dafür ausdrücklich bei unseren Staatsbürgern in Uniform.
Für die F.D.P. verurteile ich allerdings den Angriff von fünf uniformierten Wehrpflichtigen auf Ausländer im März 1997 in Detmold. Alle Täter sind fristlos aus dem Wehrdienst entlassen und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Scharf zu verurteilen sind auch die 1997 bekanntgewordenen Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund aus dem Zeitraum Ende der 80er Jahre bis zum Jahr 1996. Sie haben das Ansehen der Bundeswehr über Gebühr negativ beeinträchtigt. Aber ich möchte auch darauf hinweisen, daß diese vermeintlichen rechtsextremistischen Vorfälle der vergangenen Jahre in einem Zeitraum von nur drei Monaten veröffentlicht wurden, dazu zum Teil - auch das will ich sagen - publikumswirksam aufbereitet. Hierdurch konnte fälschlicherweise der Eindruck geballter rechtsextremistischer Vorkommnisse in der Bundeswehr entstehen.
Während die Wehrbeauftragte Ende Mai und Ende September letzten Jahres Sonderberichte zu den Vorfällen in Detmold und Hammelburg vorlegte, beauftragte der Bundesminister der Verteidigung am 11. September 1997 seinen Abteilungsleiter „Recht" mit der Erstellung eines Berichtes über die Aufklärung der Vorkommnisse an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg 1994 und 1995. Dieser Bericht lag dem Verteidigungsausschuß am 13. Januar 1998 vor.
Günther Friedrich Nolting
Weder der Jahresbericht noch die Sonderberichte der Wehrbeauftragten gaben Anlaß zu der Besorgnis, daß sich „braune Nischen", „braune Netzwerke" oder gar „Subkulturen" in der Bundeswehr gebildet haben. Einzelfälle sind geschildert, bewertet und verurteilt worden. Ausdrücklich konzediert die Wehrbeauftragte dem Bundesministerium der Verteidigung eine umfassende und schnelle Handlungsweise zur Verhinderung zukünftiger rechtsextremistischer Entgleisungen. Ebenso ausdrücklich lobt sie die Bundeswehr dafür, daß sie „offen und konsequent Front gegen derartige Einflüsse macht".
Aber ungeachtet dieser Feststellungen beantragten SPD und Bündnis 90/Die Grünen getrennt voneinander die Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß nach Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes. Die F.D.P. hat der SPD frühzeitig eindringlich empfohlen, von diesem Schritt abzusehen. Unsere Hauptargumente waren: Erstens. Verteidigungsausschuß und BMVg hätten die Vorfälle schneller klären können. Die vorliegenden Berichte des BMVg hätten dazu ausgereicht.
Außerdem, Herr Kollege Zumkley, hat es im Untersuchungsausschuß - auch das haben wir festgestellt - keine neuen Erkenntnisse gegeben.
Zweitens. Rechtsextremisten sollte keine Publicityplattform geboten werden. Drittens. Die Bundeswehr sollte nicht zu Wahlkampfzwecken mißbraucht werden.
Und vor allem viertens: Extremismus ist ein gesamtgesellschaftliches und kein bundeswehrspezifisches Problem.
Dazu sagt auch die Wehrbeauftragte - ich zitiere:
Es ist nicht Aufgabe der Bundeswehr - und kann von ihr auch nicht geleistet werden -, das nachzuholen, was in der Erziehung und Bildung junger Menschen versäumt worden ist.
Der Kollege Rossmanith hat schon darauf hingewiesen.
Doch die SPD-Fraktion blieb dabei - in logischer Konsequenz des Lafontaineschen Verständnisses von Oppositionspolitik der Destruktivität - und setzte mit ihrer qualifizierten Minderheit die Konstituierung eines Untersuchungsausschusses am 14. Januar 1998 durch. Herr Kollege Zumkley, es ist schon ganz interessant, daß Sie heute - ich sage einmal: nachträglich - noch eine Rechtfertigung für diesen Untersuchungsausschuß vorlegen.
Diese Rechtfertigung war aus meiner Sicht verdächtig lang.
Die Grünen wollten denn auch - ganz im Sinn und Stil ihres Bundesvorsitzenden Trittin - die Bundeswehr durch die Untersuchung von, wie es die Grünen formulierten - ich zitiere -, „...gewalttätigen, rechtsextremen, national autoritären oder fremdenfeindlichen Vorkommnissen, die an Standorten und Einrichtungen der Bundeswehr ... stattgefunden haben " - hier gab es also gleich eine Vorverurteilung -, quasi auf den Kopf stellen.
Das sind aus der Sicht der F.D.P. keine Zufälligkeiten. Die berühmt-berüchtigte Anti-Gelöbnis-Rede des Bundesvorsitzenden der Grünen, Trittin, am 10. Juni dieses Jahres in Berlin ist kein Ausreißer gewesen. Der grüne Bundesvorsitzende Trittin bestimmte und bestimmt eindeutig den Kurs der grünen Partei.
Hätte es noch eines Beweises bedurft, vorgestern wurde er geliefert: Kein Rücktritt Trittins, keine Maßregelung, keine Rüge und nicht einmal eine Entschuldigung.
Der Untersuchungsausschuß kam den Bündnisgrünen gerade recht.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihnen war vor Einsetzung des Untersuchungsausschusses bekannt, daß die von der Wehrbeauftragten genannte Zahl von Fällen mit vermutlich rechtsextremistischem Hintergrund keineswegs höher als die entsprechende Vergleichszahl in der Gesellschaft ist. Warum sind Sie angesichts dieses Wissens nicht dem Vorschlag der F.D.P. gefolgt, durch den Bundestag eine unabhängige Sachverständigenkommission zur Untersuchung von Gewalt, Radikalismus und Extremismus in der Gesellschaft einzusetzen und damit nicht nur rechtsextremistischen, sondern auch linksextremistischen Tendenzen nachzugehen?
Sie sollten sich von den Bündnisgrünen absetzen, die die gesamte Bundeswehr unverändert unter Generalverdacht stellen.
Die Rede der Kollegin Beer hat dies wieder bewiesen. Belegen Sie die Bundeswehr, unsere Streitkräfte, nicht in ungerechtfertigter Weise mit einem Makel!
Gestehen Sie ein, daß die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ein Fehler war!
Günther Friedrich Nolting
Herr Kollege Zumkley, Sie haben heute festgestellt, daß es in der Bundeswehr keinen Rechtsextremismus gibt. Um das festzustellen, hätte es keines Untersuchungsausschusses bedurft.
Stimmen Sie uns in unserer Überzeugung zu, daß Gewalt, Radikalismus und Extremismus in unserer Gesellschaft intensiv beleuchtet werden müssen. Noch ist Zeit dazu.
Meine Damen und Herren, ich halte für die F.D.P.-Bundestagsfraktion fest: Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses war überflüssig, führte zu keinen neuen Erkenntnissen und, Herr Kollege Zumkley, schadete der Bundeswehr.
Die Bundeswehr wurde bei der Beleuchtung eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens ungerechterweise und vorsätzlich alleine herausgestellt. Die Opposition trägt dafür ebenso die Verantwortung wie für das zeitweise bei den Soldaten vorherrschende Klima der Verdächtigung und der Verunsicherung.
Die Feststellung der grünen verteidigungspolitischen Sprecherin, Frau Beer, bei der Vorstellung ihres Minderheitenberichts zum Untersuchungsausschuß, es gebe eine breite Fehlentwicklung bei den Streitkräften,
ist ebenso abstrus wie ihre Annahme, daß die Bundeswehr eine klare geistige Orientierung verloren habe. Ich frage Sie, Frau Kollegin Beer: Welche Orientierung wünschen Sie sich denn für die Bundeswehr? Etwa die Selbstauflösung, die Sie fordern, oder etwa die des Kommunistischen Bundes? Sie konstruieren hier heute wieder mit falschen Angaben eine, wie Sie es hier bezeichnet haben, vermeintliche Schieflage. Dies kann von uns nur zurückgewiesen werden.
Sie halten es ja ohnehin mit Ihrem Bundesvorsitzenden Trittin und spannen auch heute wieder in unverantwortlicher Weise den Bogen zwischen Wehrmacht und Bundeswehr.
Es ist klar und deutlich: Der Vorsitzende Trittin bestimmt Weg und Richtung. Andere, wie der Fraktionsvorsitzende Fischer, haben die Aufgabe des Tarnens, des Täuschens und des Verschleierns übernommen. Radikale Parteiziele, wie im Magdeburger Programm verabschiedet und vorige Woche im Bundestag ausdrücklich bestätigt - übrigens auch mit
der Stimme von Herrn Fischer -, lassen sich nicht einfach verkaufen. Nach den Magdeburger Beschlüssen muß getrickst, getäuscht und verschleiert werden. Die Grünen wollen die Bundeswehr abschaffen. Die Grünen sind gegen die Öffnung der NATO und wollen sie ablösen.
Die Grünen sind gegen friedensstiftende Militäreinsätze wie in Bosnien. Aber der grüne Fraktionschef Fischer parliert in staatsmännischer Pose eloquent vor Unternehmern über die sicherheitspolitische Verantwortung Deutschlands im Rahmen der neuen NATO-Strategie.
Gleichzeitig polemisiert der grüne Bundesvorsitzende Trittin in Berlin gegen die Bundeswehr und vergleicht sie mit der NS-Wehrmacht.
Hier hilft weder Tarnen noch Täuschen. Wer seinen Worten keine Taten folgen lassen kann, bleibt unglaubwürdig und ist außen- und sicherheitspolitisch handlungsunfähig und unberechenbar. Die Bundeswehr benötigt genau das Gegenteil davon: Berechenbarkeit, Rückhalt und Vertrauen. Nur so wird sie auch zukünftig in der Lage sein, ihre vielfältigen Aufträge erfüllen zu können.
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist seit jeher eine Parlamentsarmee; nie waren deutsche Streitkräfte einer derartigen parlamentarischen Kontrolle unterworfen wie heute. Die Bundeswehr hat sich in den über 40 Jahren ihres Bestehens als absolut verfassungstreu und als Stütze der staatlichen Ordnung erwiesen. Sie hat nie den Primat der Politik in Zweifel gezogen oder gar mißachtet. Den Soldaten der Bundeswehr gebührt Dank für ihre vorbildlichen Leistungen im In- und Ausland.
Ich bedanke mich im Namen der F.D.P.-Bundestagsfraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerhard Zwerenz, PDS.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin immer sehr dankbar: Wenn ich nach dem Herrn Nolting spreche,
dann weiß ich immer, wogegen ich bin, falls ich es einmal vergessen sollte.
Ich habe eigentlich vorgehabt, der Wehrbeauftragten, Frau Marienfeld, für ihre kritische Arbeit zu danken. Ich zögere aber, dies zu tun, weil ich befürchten
Gerhard Zwerenz
muß, daß es ihr nicht unbedingt nützt, wenn von mir und von der PDS ein solches Dankeswort kommt.
Ich möchte aber darauf verweisen, daß ich es ihr nachfühlen kann, wenn sie jetzt lesen muß, in wie vielen Redaktionen gegen sie geschrieben wird. Es sind vor allen Dingen die gesponserten Veteranenblätter, die sich jetzt gegen die Wehrbeauftragte auf Vordermann bringen lassen. Hierzu muß ich schon sagen - wir kennen das ja, wenn man in Deutschland so angespitzt wird -, das, was Sie da jetzt abkriegen, ist natürlich nur 1 Prozent, liebe Frau Marienfeld. Aber mehr sage ich dazu jetzt nicht. Machen Sie mal weiter so!
Dabei ist es ja schon erstaunlich, wie von der Regierung gesponserte Vereine - zum Beispiel das Blatt „Der Heimkehrer" - gegen die Wehrbeauftragte vorgehen. Die Wehrbeauftragte ist ja schließlich auch von der Regierung gesponsert.
- Nicht? Vom Parlament gesponsert? Na, welch ein großartiger Unterschied. Wir sollten alles vom Parlament sponsern lassen.
Damit komme ich auf die öffentlichen Gelöbnisse zu sprechen, auf die schon angespielt worden ist. Ich muß schon sagen: Was mir bei dieser Bundeswehr fehlt, was mir gefehlt hat und was ich jetzt wieder festgestellt habe, ist folgendes. In einem großen Bereich dieser Bundesrepublik mit vielen Menschen findet etwas überhaupt nicht statt, nämlich ein halbes Jahrhundert antimilitärischer, pazifistischer Nachkriegsgeschichte. Ich will damit sagen: Von Andersch bis Zuckmayer, von Wolfgang Borchert, Ludwig Renn, Barbusse, Remarque, Arnold Zweig, Plivier und Brecht, sogar bis zu Konsalik hin, der auch seine antimilitärische Periode gehabt hat,
findet etwas in den Köpfen so gut wie nicht statt. Ich habe mich darum gekümmert. Sie haben hier etwas grundsätzlich vernachlässigt.
Von Konsalik finden Sie bestimmt nicht mehr den Satz, den er nach dem Krieg geschrieben hat: „Jeder Krieg erzeugt bei den Militärs eine Art militärischer Perversion." Diese Variante - jetzt spreche ich aus Nachkriegserfahrungen, als einer aus der älteren Generation, der den Krieg mitgemacht hat - ist unterbelichtet. Das hat sich jetzt in diesem Untersuchungsausschuß nach dem, was wir erfahren haben, wiederum bestätigt.
Statt dessen finden ganz andere Dinge statt. Da preist der Heeresamtschef General Reichardt die Fallschirmjäger der Wehrmacht als Vorbilder mit drei Geistern: Der kriegerische Geist wird gelobt, der Korpsgeist wird gelobt, der Geist der Ritterlichkeit - wohlgemerkt: Fallschirmjäger der Wehrmacht! - wird gelobt. Es kommt noch eine vierte Lemurenversammlung dazu, nämlich der „Geist, der seine tiefen Wurzeln in unserer deutschen Militärgeschichte, in unserer abendländischen Kultur und in unserer christlichen Ethik hat" . Und das im zweiten Weltkrieg? Sie machen sich doch lächerlich.
Am 10. Juni 1998 ist nun vor dem Roten Rathaus in Berlin dieses öffentliche Gelöbnis gewesen. Ich werde mich nicht weiter darüber auslassen. Es ist bekannt, daß die PDS und auch ich ganz persönlich gegen öffentliche Gelöbnisse sind. Es gibt Gründe dafür. Ich muß Ihnen sagen: Wenn Ihnen der Vergleich mit der Wehrmacht nicht mehr paßt, obwohl es viele Gründe dafür gibt - das „Arschloch" habe ich gern entgegengenommen, bitte sehr, ich verzeihe es doch -, dann muß ich mit der NVA vergleichen. Die NVA hat auch öffentliche Gelöbnisse abgehalten. Sie hat aber gegenüber der Bundeswehr den Vorteil, daß es sie nicht mehr gibt.
Die abgehalfterten Generale der NVA haben in der Zwischenzeit die Gewißheit erlangt, daß sie mit den öffentlichen Gelöbnissen Unsinn gemacht haben.
Diese öffentlichen Gelöbnisse - ich habe es das letzte Mal beobachtet - sind, wenn ich als alter Soldat sprechen würde, würde ich sagen: eine Parodie. Wenn ich nur eine Parodie liefere, würde ich mir doch überhaupt etwas ganz Neues einfallen lassen.
Diesem Hause liegt ein Gesetzentwurf der PDS zur Änderung des Soldatengesetzes vor. Das heißt entstauben, auf Überforderungen verzichten, Anleihen bei früheren Armeen aufgeben und nur noch ein Versprechen abgeben lassen. Natürlich weiß ich, daß dies in diesem Hause nicht durchkommt. Aber man wird ab und zu doch noch einen guten Vorschlag machen können. In 100 Jahren wird er vielleicht akzeptiert; dann sind Sie soweit.
Der Bundeswehr geht es ein wenig - bitte entschuldigen Sie, wenn ich dies etwas lustig nehme, aber es ist meine letzte Rede hier - wie der PDS: Sie wird fortwährend an ihren Vorgängern gemessen. Sie ist eine Nachfolgeorganisation. Sie hat also diese ganzen Wehrmachtsritterkreuzgeneräle als Gründerväter gehabt.
Sie muß und wird damit leben.
Ich komme zum Ausschuß über Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Ich finde, daß Ihre Polemiken, Ihre Ablehnung dieses Ausschusses grundfalsch gewesen sind. Für mich und für viele andere ist das, was wir im Ausschuß erarbeitet haben, sehr wichtig gewesen. Es haben sich hochinteressante Einblicke in die Bundeswehr ergeben, und zwar aus verschiedenen Blickwinkeln. Ich möchte nicht darauf verzichten. Ich rate Ihnen sehr, mit diesen Materialien zu arbeiten. Ob die Aussagen, die dort gemacht wur-
Gerhard Zwerenz
den, der Wahrheit nahe kamen oder nicht: Man weiß plötzlich etwas mehr vom Geist und vom Zustand dieser Truppe.
Obwohl der Untersuchungsausschuß den Rechtsextremismus zum Gegenstand hatte, wurde natürlich - wie auch jetzt wieder - auch zum Linksextremismus gefragt. Das ist in Deutschland so. Sie kommen nicht darüber hinweg, daß im ersten Weltkrieg die deutsche Rechte, der Generalstab Lenins Revolution finanziert hat. Seitdem haben Sie unbewußt einen Schuldkomplex, so daß Sie dann, wenn es Gefahren von rechts gibt, zuerst einmal nach links schauen.
Das kennen wir, und damit muß man leben.
Verschiedene Gründe wurden nicht ausreichend deutlich, etwa was hohe Bundeswehroffiziere dann, wenn sie die Bundeswehr verlassen, oft dazu bringt, weit nach rechts zu gehen. Die vielen Verhältnisse zwischen Bundeswehr und Traditionsverbänden sind nicht ausgeleuchtet worden. Es ist nicht alles, was in diese Richtung geht, ausgeleuchtet worden.
Ich muß Ihnen sagen: Viele Formulierungen, die man dort hört, sind Wehrmachtsformulierungen. Wenn ich das Wort Opfertod und ähnliches höre, ist mir zumute, als sei Walter Flex wieder auferstanden und im Verteidigungsministerium Adjutant für kriegsverwendliche Sprachregelung geworden.
Die drohende Hybris des Militärs braucht ein Gegengewicht. Aber ich befürchte, daß dieses Gegengewicht in diesem Parlament nicht nur klein ist, wie jetzt, sondern verschwinden wird.
Wenn bei der Bundeswehr heute in „Strategie und Taktik" der Ostkrieg durchgenommen wird, darf nie verschwiegen werden, daß es in diesem Krieg außer Strategie und Taktik noch etwas anderes gab, nämlich Vernichtung. Der Soldat und auch der Bundeswehrsoldat haben in den ersten Jahrzehnten durchaus gewußt, wovon die Rede ist. Es gab diesen Ausdruck: „Kameraden gibt es nicht mehr, der letzte starb in Stalingrad."
Ich sage Ihnen: Die Soldatenehre - ein ganz besonderes Ehrgefühl -, von der jetzt wieder so viel gesprochen wird, haben besonders die Herren Generäle plötzlich wiederentdeckt. Nach 1945 waren wir uns einig, daß wir diese besondere Ehre nicht mehr akzeptieren können, weil ein deutsches Kriegsjahrhundert hinter uns gelegen hat. Dieses besondere Ehrgefühl, diese besondere Ehre, ist in Stalingrad zuschanden gemacht worden.
Die Bundeswehr ist eine national-konservative Armee. Die notwendige Erneuerung der Bundeswehr hat immerhin begonnen. Dies kann man insbesondere nach den Ergebnissen dieses Ausschusses konzedieren. Eine Minderheit in dieser Bundeswehr ist dazu durchaus bereit. Sie wird aber oft daran gehindert, und die Erneuerung wird zum Teil auch verhindert.
Heute kann Ziel einer Armee nur eine Umwandlung in eine Friedenstruppe sein. Am Ende sollte das
Ziel - das ist zugegebenermaßen utopisch, aber es muß verfolgt werden - die Selbstaufhebung aller Militärs sein.
Schließlich tragen alle deutschen Parteien als Nachfolger der Parteien von 1914 Mitschuld am ersten Weltkrieg. Am zweiten Weltkrieg tragen alle bürgerlichen Parteien Mitschuld, die Hitler durch ihre Zustimmung zu den Ermächtigungsgesetzen erst wirklich zum Diktator haben werden lassen. Ich muß darauf verweisen; denn dies ist der eigentliche Ursprung dieser unseligen Geschichte, an der wir leiden.
Die PDS kann sich ein Deutschland ohne Armee durchaus vorstellen.
Im 20. Jahrhundert besaßen wir nacheinander sechs Armeen. Zählen Sie doch einmal mit: Kaiserliches Heer, Freikorps, Reichswehr, Wehrmacht, NVA und Bundeswehr. Und jede Armee - die meisten habe ich erlebt - tritt vor einen hin und behauptet: Wir sind die einzig richtigen. Nachdem ich im letzten Krieg zwei Jahre in Schützenlöchern gelegen habe und nachdem ich erlebt habe, daß es die deutsche Offiziersehre zugelassen hat, diesen Krieg führend mitzuspielen, und daß man erst am 20. Juli 1944 den Mumm gefunden hat, dagegen vorzugehen - und dann wurden noch andere vorgeschickt; es waren nicht die Generäle selbst - habe ich mir gesagt: Das ist die falsche Armee.
Seitdem habe ich mich unter ungeheuren Schwierigkeiten zum Kriegsgegner und Antimilitaristen und endlich zum Pazifisten durchgerungen. Das bringt niemandem etwas Gutes ein. Das hat mir in der Wehrmacht nichts eingebracht, das hat mir in der DDR nichts eingebracht. Hier bringt es mir ein, daß ich dabei bleibe: Es muß Pazifisten geben. Ein Land, das keine Pazifisten hat, ist ein armseliges Land.
Nicht umsonst sind als erstes die Pazifisten verurteilt und zu Tode gebracht worden, als man den zweiten Weltkrieg vorhatte.
Ich sage Ihnen: Wenn man sich als Pazifist outet, so hört man sofort als Antwort: Pazifismus ist falsch; Hitler konnte nur durch bewaffnete Armeen bezwungen werden, nicht von Pazifisten.
- Ja, das ist ein Argument. - Es ist die denkbar falsche Antwort. Zu den ersten Todesurteilen - ich habe es gerade gesagt - gehörten die gegen Pazifisten. Der militärische Sieg über Hitler wurde nur deshalb notwendig, weil es in Deutschland am Anfang zuwenig pazifistischen Widerstand gegeben hat. Mit ihm
Gerhard Zwerenz
wäre es nicht möglich gewesen, diese Welt mit Krieg zu überziehen.
Wer zu Waffen greift, dem wird mit Waffen begegnet werden.
Ich zitierte anfangs den Satz: „Jeder Krieg erzeugt bei den Militärs eine Art militärische Perversion. " Ich fürchte, die Militärs sind in der Zwischenzeit schon ein Stück weiter. Die militärische Perversion liegt als Verführung eher bei den mächtigen Politikern.
Herr Abgeordneter Zwerenz, Ihre Gruppe hat mir mitgeteilt, daß dies Ihre letzte Rede war. Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg alles Gute und viel Glück.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Thomas Kossendey, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Bundeswehr erfüllt verfassungsfest ihren Auftrag für unser Land. Dazu gehört die allgemeine Wehrpflicht. Sie hat sich in unserem Land über 40 Jahre lang bewährt. " Mit diesen Worten wandte sich der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rudolf Scharping, anläßlich eines feierlichen Gelöbnisses in Holzminden am 5. Juni 1998 an Grundwehrdienstleistende. Wenn Herr Scharping nur mit dieser Klarheit und Entschiedenheit Ende letzten Jahres vor seine eigene Fraktion getreten wäre, hätten wir uns diesen überflüssigen Untersuchungsausschuß ersparen können.
Als nach Bekanntwerden angeblicher oder tatsächlicher rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr Augenmaß und Vernunft gefragt waren, regierte jedoch bei der SPD nicht der politische Sachverstand, sondern politisch motiviertes Wahlkampfkalkül. Genaue Auskunft darüber geben die damaligen Presseerklärungen der Oppositionsparteien, in denen es zum Beispiel nach dem Auftauchen des zweiten Schneeberg-Videos heißt, daß dies kein Einzelfall mehr sei,
sondern daß offensichtlich in der Bundeswehr eine braune Subkultur um sich gegriffen habe. So der verteidigungspolitische Sprecher. In der Bundeswehr, so ergänzte er, hätten sich fallweise braune Nischen aufgetan, in denen sich rechtsradikale Tendenzen entwickeln konnten. Lieber Herr Zumkley, bei allem
Respekt vor Ihrer Rede: Ist das nicht starker Tobak für Soldaten der Bundeswehr? Ist das nicht eine Verdächtigung, ist das nicht eine Unterstellung?
Können Sie sich vorstellen, wie das auf 340 000 Soldaten wirkt?
Die Frau Kollegin Beer, die bekanntlich nicht weit entfernt ist, wenn es darum geht, die Bundeswehr zu diffamieren, assistierte dann mit der Feststellung, es sei eben nicht die Frage von einigen wenigen und auch nicht die Frage von Wehrpflichtigen, sondern es sei eine Frage der Struktur der Bundeswehr, die rechtsradikal sei und gewaltbereites Gedankengut unterstütze.
Sie hat sogar Dimensionen geortet, die angeblich zeigen, daß Neofaschisten und Rechtsradikale selbst auf dem Gebiet von Bundeswehrkasernen terroristische Anschläge vorbereiteten.
Frau Beer, Ihnen ging es in diesem Untersuchungsausschuß eigentlich nie um die Menschen oder um die Sache. Sie nutzten den Untersuchungsausschuß mehr als Resonanzboden für Ihre dumpfen Vorurteile gegenüber der Bundeswehr.
Ich will Ihnen eines sagen: Sie haben gesagt, der Bundesminister habe die Bundeswehr nicht im Griff. Mir wäre etwas schwummerig ums Herz, wenn ein Bundesminister von sich behaupten könnte, er habe die Bundeswehr im Griff. Ich glaube nicht, daß das die Hauptaufgabe eines Ministers ist.
Wenn ein Minister das von sich sagen könnte, würde das den Umgangsstil, die Liberalität und das offene Denken in der Bundeswehr töten. Die Mischung aus Landser-Jargon und Kommunistischem Manifest, die der Kollege Zwerenz uns hier vorgetragen hat, führt uns auch nicht besonders weiter.
- Ich kann das sehr gut beurteilen.
Nach 115 Stunden intensiver Arbeit im Ausschuß, nach dem Durcharbeiten von zig Metern Aktenmaterial und nach der Einvernahme von X Zeugen können wir feststellen: Diese Bundeswehr - die Zeitsoldaten, die Wehrpflichtigen, die Berufssoldaten und die Zivilbediensteten - verdient unser volles Vertrauen.
Thomas Kossendey
Keiner der schwerwiegenden Vorwürfe konnte über das Maß hinaus erhärtet oder bewiesen werden, zu dem die Bundeswehr selbst an Klärung beigetragen hat. Der braune Schleier, mit dem unsere Soldaten bei dieser Diskussion überzogen werden sollten, ist zerrissen worden. Außer einer schädlichen öffentlichen Debatte über die Bundeswehr hat die vereinigte Opposition durch diesen Untersuchungsausschuß so gut wie nichts erreicht.
Alle Erkenntnisse, über die in diesen 115 Stunden gesprochen wurde, hätten auch ohne das Instrumentarium und die Kosten eines Untersuchungsausschusses gewonnen werden können.
Worum ging es denn eigentlich im einzelnen? Von Ende November bis Mitte Dezember 1997 verdichteten sich Meldungen über angebliche oder tatsächliche rechtsextremistische Vorfälle in der Bundeswehr. Innerhalb von nur 23 Tagen wurden insgesamt 7 Vorfälle enthüllt, die sich teilweise zwischen 1990 und 1996 abgespielt hatten. Durch die konzentrierte Berichterstattung wurde allerdings der falsche Eindruck einer aktuellen zeitlichen und mengenmäßigen Häufung erweckt. Diesem Irrtum ist auch der Kollege Zumkley unterlegen. Es handelt sich nicht um eine Serie. Vielmehr wurden die Vorfälle durch die Presse zu einer Serie verdichtet. Jeder, der die Daten liest, weiß, daß das falsch war. Viele dieser Vorfälle erwiesen sich schon bald nach ihrer Veröffentlichung als aus der Luft gegriffen. Die Staatsanwaltschaft hat in vielen Fällen die Ermittlungen bald wieder eingestellt.
Ich glaube, das Ergebnis der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuß hat eindrucksvoll deutlich gemacht, daß die Bundeswehrführung und die Truppe selbst geeignete Instrumentarien besitzen, um die bekanntgewordenen, behaupteten und tatsächlichen Einzelfälle zu untersuchen sowie angemessen und wirkungsvoll zu behandeln.
Der Ausschuß hat seine Arbeit in vier verschiedene Komplexe gegliedert: Vorgänge an der Führungsakademie, mögliche Materiallieferungen an verfassungsfeindliche Organisationen, rechtsradikale Vorfälle in den Standorten Altenstadt/Schongau, Varel, Hammelburg/Schneeberg sowie den Bereich der Traditionspflege.
Ich möchte etwas zu dem Bereich der Standorte sagen. Zu den anderen Bereichen werden die Kollegen noch etwas sagen. In bezug auf Altenstadt/ Landsberg müssen wir deutlich machen, daß das, was uns von dort bekanntgeworden ist, schwerwiegendes Fehlverhalten von Soldaten darstellt, das überhaupt durch nichts entschuldigt werden kann.
- Das ist bekanntgeworden, ohne daß der Untersuchungsausschuß etwas dazu beigetragen hätte, Frau
Kollegin. Wenn Sie beim Untersuchungsausschuß
dabeigewesen wären, hätten Sie das auch mitbekommen.
Diese beiden Vorfälle, die sich unter starkem Alkoholgenuß abgespielt haben, die bereits 1993 stattgefunden haben und die pünktlich zu Beginn der Diskussion im Untersuchungsausschuß veröffentlicht wurden, sind von der Truppe selber aufgegriffen worden, soweit wie möglich aufgeklärt und auch geahndet worden. Die Vorgesetzten in Altenstadt - das haben wir im Ausschuß allerdings zur Kenntnis nehmen müssen - haben diese Vorfälle nicht gekannt.
Deswegen haben sie sie weder geduldet, noch konnten sie darüber hinwegsehen. Wer allerdings aus dem offenkundigen Fehlverhalten dieser 14 Soldaten Rückschlüsse auf ungefähr 70 000 Soldaten, die seit 1990 in Altenstadt ihren Dienst getan haben, oder auf die ganze Bundeswehr ziehen will, der handelt grob fahrlässig oder böswillig.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Zapf?
Stellen Sie die Frage, bitte.
Herr Kollege Kossendey, wären Sie bereit, wenigstens einmal darüber nachzudenken, daß es in der Verantwortung eines Parlamentes liegt, dann, wenn über solche Vorfälle in der Öffentlichkeit vermehrt berichtet wird, auch tatsächlich entsprechende Untersuchungen vorzunehmen, um herauszufinden, was Sache ist? Herr Kollege Kossendey, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es nicht die Absicht derer, die den Untersuchungsausschuß beantragt haben, war, Schmutz auf irgend jemanden zu werfen - Sie und Ihre Kollegen haben gerade eben Ähnliches suggeriert -, sondern daß die Absicht war, herauszufinden, ob, wann und wo solche Gefahren innerhalb der Bundeswehr bestehen, um auf der Basis der Ergebnisse des Ausschusses mögliche Maßnahmen zu ergreifen und Mißstände zu beheben?
Verehrte Frau Kollegin Zapf, ich gebe Ihnen gern recht, daß es unsere Aufgabe war, das zu klären. Dazu hätte es des Untersuchungsausschusses nicht bedurft. Wenn wir die Sachen denn klären wollen und wenn Sie meinen, im Untersuchungsausschuß würde die Klärung herbeigeführt, dann finde ich es höchst voreilig, vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses solche Presseerklärungen abzugeben, wie wir sie von der SPD gelesen haben. Das ist es, was ich verur-
Thomas Kossendey
teile. Ich will Ihnen ganz frank und frei gestehen: Ich würde Ihnen noch lieber etwas länger antworten, wenn ich wenigstens das Gefühl hätte, daß Sie bei ungefähr 10 Prozent der 115 Stunden dabeigewesen wären. ,Dann wüßten wir wenigstens beide, worüber wir reden.
Ich will das Stichwort „Varel" aufgreifen. In Varel, im Fallschirmjägerbataillon 313 gab es die Vorwürfe eines früheren Grundwehrdienstleistenden. Er hat behauptet, es sei regelmäßig zu ausländerfeindlichen und antisemitischen Äußerungen in diesem Bataillon gekommen. Diese Vorwürfe erwiesen sich im Laufe der Arbeit des Untersuchungsausschusses - ich sage es mal vorsichtig - als krause und haltlos.
Die umfangreichen Ermittlungen des Bundesministeriums der Verteidigung waren angemessen. Die Aufklärung durch ein Ermittlungsteam war sachgerecht, um die Unabhängigkeit der Untersuchung zu dokumentieren. Es wurden 221 Soldaten in 445 Vernehmungen gehört. Bei dieser hohen Zahl ist auszuschließen, daß schwerwiegende Vorfälle unentdeckt blieben oder aus falsch verstandener Kameradschaft verschwiegen wurden. Allerdings sind einige nicht mit Rechtsradikalität zusammenhängende Fehler im Bereich der Menschenführung entdeckt worden, die von der Truppe intern wegen möglicher Ahndung aufgegriffen worden sind.
Gerade der Fall des Fallschirmjägerbataillons in Varel macht sehr deutlich, daß bereits ohne die Arbeit des Untersuchungsausschusses in der Truppe eine starke Sensibilität bezüglich menschenunwürdigen und verfassungsfeindlichen Verhaltens von Soldaten vorhanden war. Schon am 21. Mai 1997 hat der Bataillonskommandeur Oberstleutnant Rieger in einem Bataillonsbefehl sehr deutlich seine Meinung zu menschenunwürdigem und verfassungsfeindlichem Verhalten von Soldaten geäußert. Nach Auftauchen des Videos aus Hammelburg hat er am 8. Juli 1997 zusätzlich deutlich gemacht, daß auch in Zukunft alle Vorgesetzen und Soldaten derartigen Tendenzen vorzubeugen, sie früh zu erkennen, zu melden und im Rahmen ihrer Verantwortung unverzüglich zu unterbinden hätten. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß kameradschaftliches Verhalten nicht zum Verschweigen derartiger Vorgänge führen darf.
Allein diese beiden Bataillonsbefehle aus Varel widerlegen offenkundig die Mär, daß es dieses Untersuchungsausschusses bedurft hätte, um die Bundeswehr gegen rechtsradikales Gedankengut zu sensibilisieren.
Zu den Standorten Hammelburg und Schneeberg. Die beiden dort von Soldaten während des Dienstes auf einem Truppenübungsplatz gedrehten Videos sind menschenverachtend und geschmacklos. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Die Bundeswehr hat intern hart reagiert und die verantwortlichen Soldaten zur Rechenschaft gezogen bzw. aus der Truppe entfernt. All das ist vor der Behandlung im Untersuchungsausschuß geschehen. Die Staatsanwaltschaft hat das eingeleitete Strafverfahren mit einer Einstellungsverfügung beendet. In der Verfügung heißt es wörtlich: "Die Beschuldigten haben insbesondere die Tatbestände der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole sowie der Gewaltdarstellung nicht verwirklicht. Auch rechtsextremistische Tendenzen sind nicht erkennbar. Publik wurde der Film erst durch einen Unbeteiligten, der ihn gegen Geld an SAT 1 weitergab."
Es ist mir wichtig, festzustellen, daß - ohne daß der Untersuchungsausschuß etwas dazu gesagt hätte - die Hardthöhe die Ausbildung für die Auslandseinsätze nachgesteuert und die Dienstaufsicht in diesem Bereich verstärkt hat.
Nun könnte man fragen: Außer Spesen nichts gewesen? - Nein, ich glaube, wir würden die Arbeit dieses Ausschusses zu gering einschätzen, wenn wir sie als gänzlich ergebnislos bezeichnen würden. - Ich meine allerdings Bereiche, die Sie überraschen werden.
Das erste wichtige Ergebnis aus meiner Sicht ist, daß die SPD in diesem Untersuchungsausschuß ihre Vorurteile und vorher vorgenommenen Wertungen gegenüber der Bundeswehr auf einen Prüfstand stellen konnte und mußte. Heute besteht für die SPD-Fraktion kein Zweifel daran, daß die Bundeswehr kein Hort des Rechtsextremismus in unserem Staate ist, daß es keine rechtsextremen Strukturen in ihr gibt und daß sie auch nicht rechtsextremistisch unterwandert ist. All das wurde doch vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses behauptet; ich kann es Ihnen doch vorlegen.
Das ist ein gutes und ehrliches Resümee, das wir von der CDU/CSU und F.D.P. gern teilen. Die Frage ist nur, ob es wirklich notwendig war, daß dafür 39 Abgeordnete des Verteidigungsausschusses, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusses, die Hardthöhe und viele Zeuginnen und Zeugen tage-
und nächtelang zu beschäftigen waren.
- Einige von Ihnen waren sich in der Tat dazu zu schade; Herr Zumkley, drehen Sie sich mal um. Ich sage eindeutig nein.
Meines Erachtens ist noch etwas zurückgeblieben
- das trage ich hier sehr ernsthaft vor -, was Sie heute auch nicht wegdiskutieren können: Unsere Streitkräfte haben durch diese Diskussion zumindest vorübergehend Schaden genommen.
Blinder Aktionismus und Verdächtigungen von seiten der Opposition haben vor allem im Heer ein Klima von Unsicherheit und Mißtrauen erzeugt.
Thomas Kossendey
Dabei sehe ich die Soldaten in ihrem täglichen Dienst, aber auch - das sage ich sehr deutlich, verehrte Frau Schulte - die Familien der Zeit- und Berufssoldaten und die Familien, aus denen die Wehrpflichtigen kommen. Da haben Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ob Sie es nun wollten oder nicht, mancher Soldatenfrau das Gefühl vermittelt, daß ihr Mann in einer rechtsradikalen Einheit diene. Manche Eltern von Soldaten in Varel fragten sich: In welch braunen Sumpf gerät unser Sohn als Wehrpflichtiger hinein?
Nicht alle werden damit so leicht fertig wie Sie, die Sie von heute auf morgen das Thema wechseln und sich nur daran erfreuen, wenn Sie den Minister in Schwierigkeiten bringen können.
Dieses Klima der Verunsicherung haben Sie auch in die Truppe hineingetragen. Die Art und Weise, in der der Ausschuß bis hin zum letzten Gefreiten intensiv - oder sollte ich besser „exzessiv" sagen? - sein Untersuchungsrecht wahrgenommen hat, hat in der Truppe das Gefühl vermittelt, die Dienstaufsicht über einzelne Kompanien sei auf das Parlament verlagert worden. Ich habe es damals im Ausschuß gesagt und wiederhole es hier: Das Parlament kann und darf nicht der UvD der gesamten Bundeswehr sein. Ein Zuviel an Kontrolle durch Instanzen, die weit höher als die zunächst zuständige Instanz angesiedelt sind, stört und zerstört schlußendlich das notwendige vertrauensvolle Klima untereinander.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nachtwei?
Herr Kollege Nachtwei, bitte.
Bitte.
Herr Kossendey, Sie haben gerade die Art und Weise der Befragungen durch den Ausschuß angesprochen und zum Teil so getan, als sei der Ausschuß der UvD gewesen. Sie haben behauptet, daß nächtelang Gefreite und Obergefreite befragt worden seien und daß man sich dabei bis unter das Niveau der Dienstaufsicht begeben habe. Ist Ihnen noch bekannt, daß wir im Untersuchungsausschuß überhaupt nur drei Mannschaftsdienstgrade befragt haben, daß also nur dreimal die Sicht von unteren Dienstgraden repräsentiert wurde? Ist Ihnen noch bekannt, wie gerade an dem Abend der Befragung der beiden Soldaten aus Varel die Stimmung im Untersuchungsausschuß war? An jenem Abend waren alle - Sie und die Vertreter des Ministeriums ebenso wie die der Opposition - äußerst bestürzt über das, was man da zu hören bekam.
Sie berichteten über eine Realität, die nichts mit dem zu tun hatte, was uns vorher als offenes und gutes Klima dargestellt wurde. Ist Ihnen das nicht in Erinnerung?
Doch. Genau deswegen, Herr Kollege Nachtwei, sage ich das; denn Sie verwechseln hier wieder einmal mehr eine Zeugenaussage mit dem, was der Ausschuß unzweifelhaft als Ergebnis herausbekommen hat.
Auch der Vorwurf der Opposition, der politischen Bildung in der Bundeswehr werde nicht die notwendige Bedeutung beigemessen, ist unzutreffend. Es sei daran erinnert, daß zum Beispiel bei den Hammelburger Vorfällen sechs Mannschaftsdienstgrade beteiligt waren, die das Abitur hatten. Angesichts der diesen Soldaten bescheinigten allgemeinen Hochschulreife ist es völlig abwegig, zu behaupten, das Fehlverhalten einzelner Soldaten könne auf unzureichenden politischen Unterricht in der Bundeswehr zurückgeführt werden.
Politische Bildung - das sage ich denen, die da immer sehr schnell rechnen - vollzieht sich nicht nur über den Stundenansatz des theoretischen Unterrichts in der Kaserne. Politische Bildung ist zuallererst auch eine Frage der Qualität der Führung innerhalb der Truppe, so wie sie der junge Soldat jeden Tag erlebt. Deswegen ist es ja auch so wichtig, daß die Offiziere und Unteroffiziere durch ihre tägliche Arbeit in der Truppe vorleben, welches Menschenbild in der Bundeswehr maßgebend ist. Die Bundeswehr kann nur dann ihren Auftrag entsprechend dem Grundgesetz erfüllen, wenn das Prinzip der inneren Führung täglich vorgelebt wird. Wir brauchen keine Gesinnungsschnüffelei und kein verbessertes Meldewesen in der Truppe über rechtsradikale Vorkommnisse. Nein, was wir brauchen, ist der Vorgesetzte, der durch seine Persönlichkeit und seinen Charakter für die Soldaten richtungsweisend ist. Deswegen bedarf es auch bei der Ausbildung und der Auswahl der Unterführer und der Offiziere allergrößter Aufmerksamkeit.
Abschließend stelle ich fest: Der Alltag in der Bundeswehr wird eben nicht von Skandalen bestimmt, sondern von dem engagierten täglichen Einsatz unserer Soldaten und der zivilen Mitarbeiter, die mit ihren Leistungen an der Oder, für den Frieden in Bosnien und beim Aufbau der Armee der Einheit höchste Anerkennung und im übrigen auch großes Vertrauen in der Bevölkerung und bei unseren Freunden und Partnern erworben haben.
Thomas Kossendey
Unsere Soldaten leisten einen harten und schwierigen Dienst. Wir müssen uns immer wieder der Verantwortung bewußt sein, daß der Deutsche Bundestag mit seiner Zustimmung zum Beispiel zum Einsatz in Bosnien von unseren Soldaten einen hohen Preis, möglicherweise den Einsatz ihres Lebens, fordert. Die Soldaten hatten und haben es nicht verdient, mit einem solchen Untersuchungsausschuß überzogen zu werden.
Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Volker Kröning, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Rühe, der heutige Tag scheint Ihnen zwar leichtzufallen, aber Sie haben schwere Monate hinter sich. Ich glaube, wir alle können daraus lernen.
Wie titelte die „Frankfurter Allgemeine"? „Das Gesetz der Serie. Verteidigungsminister Rühe steht nicht länger in gewohntem Glanze da". Oder die von Ihnen so geschätzte „Zeit": „Was Volker Rühe tun muß. Helmut Schmidt über die Bundeswehr. Selbsterforschung ist unerläßlich". Doch diese Kritik und diesen Appell hat der Minister, haben aber offenbar vor allem auch, wie die bisherige Debatte gezeigt hat, die ihn tragenden Koalitionsparteien weit hinter sich gelassen.
Der Wahlkampf ist ausgebrochen, und zugleich stehen auf der Tagesordnung - wir können nichts daran ändern; wir haben darauf Rücksicht zu nehmen - wieder die Lieblingsthemen unseres Verteidigungsministers, nämlich die Außen- und Sicherheitspolitik, zum Beispiel die SFOR-Nachfolgeoperation, der Kosovokonflikt, aber auch regional viel weiter entfernte Themen.
Doch die Lektionen der letzten Monate sollten Sie, Herr Rühe, und wir, meine Damen und Herren, nicht vergessen. Die Stationen, die wir ohne den Untersuchungsausschuß nicht passiert hätten, werden uns auch in der nächsten Wahlperiode noch beschäftigen.
Herr Nolting, Ihren Beitrag zur Zukunftsbewältigung fand ich nur peinlich, auch für Ihre Partei.
Herr Kossendey, ich fand Sie während des Untersuchungsverfahrens auch wesentlich besser als bei dieser Bilanzierung.
Ich fasse diese Stationen noch einmal zusammen:
Erstens. Noch bevor der Untersuchungsausschuß seine Arbeit aufnahm, haben Sie, Herr Rühe, eingeräumt, daß die rechtsextremistischen Vorfälle dem Ansehen der Bundeswehr im In- und Ausland geschadet haben. Das ist wohl das Schärfste, was sich die Bundeswehr sagen lassen kann. Sie werden nicht erwartet haben - niemand im Ministerium und niemand im Parlament -, daß die SPD, die so wesentlich die deutsche Wehrverfassung mitgeprägt hat, untätig bleibt.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Demokratie und Öffentlichkeit bedingen sich, jedenfalls im Regelfall. Was die Ergebnisse des Ausschusses angeht, so sollten Sie, statt hier zu polemisieren, lieber den Sachverhalt und auch die Bewertungen lesen - und zwar in allen Einzelheiten, gerade auch was den Komplex Varel angeht, lieber Herr Kossendey. Im übrigen lassen Sie mich leise anmerken: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Zweitens. Am Tage der Arbeitsaufnahme des Untersuchungsausschusses hat der Inspekteur des Heeres erklärt, er lehne die Wehrmacht als Vorbild ab und strebe eine andere Traditionspflege an. Zugegeben: Das haben Sie, Herr Minister Rühe, schon vor Jahren gesagt. Doch es bedurfte offenbar der öffentlichen und parlamentarischen Nachhilfe und auch der Klarstellung durch die militärische Spitze.
Drittens. Parallel zur Beweisaufnahme stellte die Frau Wehrbeauftragte des Bundestages ihren Jahresbericht 1997 vor und erklärte, daß die Distanz zwischen Bundeswehr und Wehrmacht nicht groß genug sei. Auch wenn Sie, Herr Minister, die Kritik hart zurückgewiesen haben: Der Generalinspekteur gab als Sachverständiger vor dem Untersuchungsausschuß zu Protokoll, bei der Gestaltung der politischen Bildung, gerade in der Offizier- und Unteroffizierweiterbildung, gebe es Handlungsbedarf - und zwar besonders, was die historische Bildung angeht.
Viertens. Zur Situation der inneren Führung folgte wichtigen Hinweisen mehrerer Sachverständiger im Untersuchungsausschuß eine bemerkenswerte Korrektur des Chefs des Heeresamtes durch den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung. Der oberste Chef aller Ausbildungseinrichtungen im Heer hatte am Tage nach der Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuß öffentlich erklärt innere Führung stütze sich „in ihren wesentlichen Grundlagen auf ungebrochene deutsche Militärtradition".
Durch den Staatssekretär Klaus Rose mußte er sich
sagen lassen, nach diesen Ausführungen „wäre in-
Volker Kröning
nere Führung" - zum Glück ist das nur im Konjunktiv gesagt worden - „keine grundlegende neue Konzeption, sondern eine alte deutsche Militärphilosophie, lediglich mit neuem Namen" .
Als Vertreter der Küste muß ich sagen: Wat mutt, dat mutt. Das saß.
Doch im Ernst: Ich hoffe, daß sich so etwas nicht wiederholt, weder was die Form, die geschmacklos war, noch was den Inhalt betrifft, der das Gegenteil von Vorbildfunktion bedeutete.
Fünftens. Auch bei der Führungsakademie tut sich etwas. Man braucht es nicht nur in der Gegenwartsform zu sagen; man kann es auch schon für die jüngere Vergangenheit sagen. Am 14. Mai 1998 war unser ehemaliger Fraktions- und Parteivorsitzender Hans-Jochen Vogel zu einem Vortrag vor rund 200 Teilnehmern der beiden Generalstabslehrgänge über das Thema „Zur Notwendigkeit des Erinnerns - Über den Umgang mit der jüngeren Geschichte" eingeladen. Er hat uns anschließend den Eindruck mitgeteilt,
daß die Führung der Akademie den seinerzeitigen Vorgang in keiner Weise beschönigt, sondern ihn zum Anlaß genommen hat, der Auseinandersetzung mit dem NS-Gewaltregime verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen.
Welch andere - und zwar aktivere - Töne, zu diesem Kapitel unserer Geschichte, als sie von Ihnen, Herr Minister, bisher zu hören waren!
Sechstens. Die Fähigkeit der Bundeswehr zur Selbstreinigung ist offenbar weiter entwickelt als Ihre Fähigkeit, Herr Rühe, zur Selbstkritik.
In Altenstadt und Varel, wo schwere Mängel sowohl in der Menschenführung als auch bei der Abgrenzung zum Rechtsextremismus festgestellt wurden, hat man offenbar aufgeräumt, Remedur geschaffen - auf der Ebene der Ausbilder im Unteroffizierkorps und der Vorgesetzten auf Kompanieebene. Doch, wohlgemerkt, erst nach Veröffentlichung der Vorfälle und erst im Zuge der Beweisaufnahme! Das Ergebnis, Herr Kossendey, widerlegt Ihre Schönrednerei.
Dabei hätten Sie, Herr Minister - ohne viel Aufwand hätte man dieses wichtige Detail nicht herausfinden können -, und auch Ihre Mitarbeiter auf der Hardthöhe allen Anlaß gehabt, sich um die Fallschirmjägertruppe schon früher und konsequenter zu kümmern. Es wurde schon gesagt: Bereits der Vorgänger von Frau Marienfeld, Alfred Biehle, hatte Sie auf Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht. Wir haben festgestellt, daß zur gleichen Zeit der Präsident des MAD öffentlich derartige Hinweise gegeben hat. Ich frage mich, warum die Probleme zwischen 1993 und 1997 hochgekocht sind.
Es stimmt schon sehr nachdenklich, Herr Kossendey, daß die Befehle des Bataillonskommandeurs in Varel, die nicht ohne Anlaß zustande gekommen sind, leider ohne Wirkung blieben. Sie sind offenbar nicht durchgängig befolgt worden. Der Verteiler stimmte, aber es ist keine Aufsicht über ihre Umsetzung geübt worden.
Siebtens. Was die Materiallieferungen angeht, so haben inzwischen, wie zu hören ist, das Bundesministerium der Verteidigung und das Auswärtige Amt neue Regelungen getroffen, die eine bessere Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und Exekutive als bisher sicherstellen sollen.
Man erinnere sich: Wenn zwei Dinge nicht passiert wären, hätte es keine Affäre um die Führungsakademie gegeben, nämlich der Parfino-Vortrag Anfang 1994, der auf unsensiblen Umgang mit Traditionsverbänden zurückgeht, und die Lieferung von drei Fahrzeugen an das Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk, hinter dem Roeder stand, Ende 1994. Und auch umgekehrt kann man sagen: Wenn zwei Dinge passiert wären, wäre es nicht zu der Affäre gekommen, nämlich wenn die Information des Verfassungsschutzes und des MAD in die Verwaltungen und in die Truppe, in die Köpfe der Verantwortlichen gelangt wäre und wenn durchgehend eine reflektierte und definierte Vorstellung von „humanitärer Hilfe" geherrscht hätte.
Doch was die Zukunft - auch die Zukunft unserer Wehrstruktur und der Bildungseinrichtungen der Bundeswehr und vor allen Dingen den künftigen Führungsstil auf der Hardthöhe - angeht, so haben wir auf eine Frage noch keine zureichende Antwort gefunden, nämlich auf die Frage, wie verhindert werden kann, daß Rechtsextremismus auch über Wehrdienstleistende in die Bundeswehr eingeschleppt wird oder daß rechtsextremistisch eingestellte Wehrdienstleistende in die Bundeswehr hineinkommen und sie für ihre Zwecke gebrauchen und mißbrauchen. Diese Antwort gibt auch die eindrucksvolle Liste neuer Befehle, Erlasse und Weisungen nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses, die Sie mir mitgeteilt haben, nicht.
Doch die Feststellungen des Untersuchungsausschusses haben die These widerlegt, die Wehrdienstleistenden seien das größte Problem. Ebensowenig ist eine Kapitulation vor einer Lösung auch durch die Bundeswehr hinzunehmen - etwa nach dem abwiegelnden Motto, die Bundeswehr sei nichts als ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Sicherlich ist die Bundeswehr nicht die „Schule der Nation", wie Sie, Herr Rühe, Willy Brandt gerne zitieren. Es gibt aber eine Fürsorgepflicht und eine Aufsichtspflicht der Bundeswehr gegenüber den Wehrdienstleistenden und auch - das sage ich mit aller Behutsamkeit - einen Erziehungsauftrag der Bundeswehr gegenüber der Gesellschaft, für den die Politik verantwortlich ist und der nicht zuletzt den außerdienstlichen Bereich betrifft. Der Kultur der
Volker Kröning
Wehrpflichtarmee, für die Sie und wir eintreten, wäre der Boden entzogen, wenn uns nur der dienstliche Bereich interessieren würde. Es kommt nicht nur auf „correctness" an, sondern es kommt wahrhaftig auf den „Geist der Truppe" an. Es kommt darauf an, daß junge Menschen die Bundeswehr nicht weniger, sondern mehr gefestigt verlassen.
Die Erfüllung dieser Aufgabe steht und fällt mit der Bereitschaft, Probleme nicht zu verschweigen, Pluralität zuzulassen und Trennschärfe zwischen dem, worüber man vielleicht politisch hinwegsehen will und auch kann, und dem, was rechtlich nicht hinzunehmen ist, aufzubringen. Die Erfüllung dieser Aufgabe steht und fällt mit der Entschlossenheit, diese Trennschärfe auch bei der Anwendung des Personalrechts oben wie unten gleichmäßig zu praktizieren. Wir haben erhebliche Verbesserungen bei der Zusammenarbeit von MAD und der Truppe aus der unmittelbar zurückliegenden Zeit zur Kenntnis genommen.
Ich will noch eines sagen: Die Erfüllung der Aufgabe, von der ich spreche, setzt nicht nur einen energischen, sondern auch einen offenen Führungsstil voraus. Diesen Stil, Herr Rühe, leben Sie nicht. Das hat der Bundeswehr geschadet. Eine kluge Beobachterin hat das „innere Führungsschwäche" genannt. Die, Herr Minister, kennzeichnet neben Ihren unbestreitbaren Leistungen und Verdiensten Ihre Amtszeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ganz am Schluß, Herr Kollege Kröning, haben Sie die Ausgangsthese aufgenommen, die der Anlaß für die Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses war, nämlich der Vorwurf, Vorfälle seien nach oben durchgereicht worden, und die Absicht, brandmarken zu wollen, daß der Verteidigungsminister derjenige wäre, der sie durch seine Führung, durch seine Entscheidungen und durch sein politisches Verhalten zu verantworten hätte. Es gab einen Bruch, als wir feststellten, daß das vielleicht damit zu tun hat, daß die Bundeswehr im Jahr 1997 mit gewissen öffentlichkeitswirksamen Aktionen erfolgreich war und Gott sei Dank gut bei der Bevölkerung ankam. Einige Kollegen der SPD - wobei ich die hier anwesenden Kollegen der SPD nicht meine - und insbesondere von den Grünen hatten das Gefühl, daß auf Grund einer auf interessante Weise zustande gekommenen Häufung von Vorfällen, die zwar Jahre auseinander liegen, über die aber - hopp, hopp, hopp - vom einen Montag zum anderen Montag in den Medien berichtet wurde, ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden müsse. Das ist die Problematik, über die wir reden müssen. Die einen belegen das mit dem Wort „Generalverdacht" ; die anderen sagen, das sei ein brauner Sumpf. Aber die Frage insgesamt bleibt.
Nehmen wir die Schlagworte weg, worum geht es? Es geht um die Frage: Habe ich gegenüber einer wesentlichen staatlichen Institution dieser Demokratie ein Grundvertrauen oder ein Grundmißtrauen?
Ein bißchen erinnert mich das an ein schönes Gedicht von Joachim Ringelnatz. Der Kollege Zwerenz ist nicht mehr da. Er möge mir verzeihen - ich bitte ihn einmal um Verzeihung -; denn ich bin nicht in der Lage, Ringelnatz im Versmaß zu zitieren, sondern nur dem Sinne nach: Im Café sitzt ein einzelner Gast mit Hut und Tasche. Er geht kurz raus zur Toilette, kommt wieder herein; die Tasche ist weg. Er blickt umher und sieht den und den und den. Innerlich einigt er sich darauf: Der muß es gewesen sein. Nach intensivem Nachsehen stellt er fest, daß die Tasche doch noch da ist. Aber, so sagt er sich, wenn sie gestohlen worden wäre, dann hätte es bestimmt der gemacht.
Das ist manchmal auch der Impetus bei denen, die die Bundeswehr für alles und jenes verantwortlich machen wollen. Ich meine, diese hervorragenden Repräsentanten unseres Volkes werden manchmal eben auch zu Unrecht für etwas in Anspruch genommen, was sie dann nicht getan haben.
Ich will aber doch auch noch einmal zu dem Vorwurf etwas sagen, man wolle sich die Probleme, die in der Bundeswehr da sind, sozusagen allgemein mit dem Überschwappen der Gesellschaft erklären. Ich glaube, daß man es sich damit nicht einfach macht. Wir haben ja jetzt ein ganz bedrückendes und ernstes Beispiel, mit dem am Sonntag neben dem deutschen Ansehen auch die persönliche körperliche Unversehrheit mehrerer Menschen ganz existentiell betroffen wurden; wir alle hoffen, daß das Opfer, der französische Polizist, am Leben bleibt.
Die Schweinereien einer Gruppe - wie auch immer sie bezeichnet wird und wo auch immer genau ihre Wurzeln sind - beschmutzen uns das Bild einer friedlichen Fußballweltmeisterschaft. Wo immer die auch herkommen, es sind Randteile der gesellschaftlichen Realität bei uns und wohl in ganz Europa. Wenn man die französische Presse liest, dann kommt das auch sehr deutlich heraus.
Nur, wenn ich eine Untersuchung machen will, wie ich dem Phänomen entgegentreten kann, muß ich natürlich vor allem das Mittel der Repression nutzen. Ich denke, in der Debatte heute vormittag ist vieles auch über unsere Verantwortung gesagt worden, vor allem für die innere Sicherheit. Aber dennoch wird man dann keine Studie anfertigen lassen über die Besucher eines Fußballspiels, sondern man wird untersuchen lassen, wie in diese speziellen Gruppen hineingewirkt werden kann.
Deswegen ist auch nicht die von Ihnen, Frau Beer, immer wieder geforderte sozialwissenschaftliche Untersuchung über die Bundeswehr die Frage.
Christian Schmidt
- Nein. Die ganz entscheidende Frage ist die, wie wir auf die gesamtgesellschaftlichen Phänomene, die wir da bemerken, reagieren können.
- Das hat mit Angst überhaupt nichts zu tun. Das ist genau dieses Grundmißtrauen, von dem ich gerade gesprochen habe, das wir hier erleben.
Frau Beer, es wird den Grünen nicht guttun, wenn Sie bei diesem Verhalten bleiben, wenn man das, was Herr Trittin - jetzt totgeschwiegen von den Grünen - gesagt hat, zu einem Konglomerat von inneren Verdächtigungen zusammenstrickt.
Ich darf nebenbei mal eines bemerken: Auch die Repräsentanten der Sozialwissenschaft, die wir in diesem Untersuchungsausschuß gehört haben, haben mich nicht durchweg davon überzeugt, daß sie wirklich Ursachenforschung betreiben. Der selbsternannte Nestor der Rechtsextremismusforschung Deutschlands, Herr Gessenharter, der gleichzeitig mit Linksextremisten ein Buch herausgibt - -
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nachtwei?
Nein, Entschuldigung, es tut mir leid, dem Kollegen Nachtwei hätte ich gern eine Frage beantwortet, aber „dumme Polemik" lasse ich mir nicht vorwerfen.
Aber das war ja nicht der Kollege Nachtwei.
Nein, Frau Präsidentin, ich lasse keine Zwischenfrage zu.
Wenn mir von der linken Seite dieses Hauses vorgeworfen wird, ich hätte keine Ahnung davon, dann mag das in der Tat insoweit richtig sein, als ich von den inneren Strukturen des Linksextremismus relativ wenig Ahnung habe. Das gebe ich ganz offen zu. Aber die erhellenden Worte des Herrn Gessenharter zu diesem Thema waren jedenfalls nicht zielführend.
Ich komme zur Frage des zentralen Einzelfalls, der uns alle vom Faktum her doch sehr stark bewegt hat. Es geht dabei um diesen berühmten Vortrag des Rechtsterroristen Roeder an der Führungsakademie der Bundeswehr. Um eines noch einmal ganz klar zu sagen: Die Einladung eines Extremisten mit terroristischer Vergangenheit
- Vergangenheit, weil er wegen dieser Gewalttaten verurteilt war; Rechtsextremist ist er nach wie vor, das ist überhaupt keine Frage - durch Bundeswehrangehörige der Führungsakademie kann nur riesengroßer Einfalt entspringen. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Das wollen wir auch nicht tun.
Der Untersuchungsausschuß hat allerdings auch zweifellos bestätigt, daß die Einladung der unappetitlichen Figur Roeder zu einem Vortrag im Stab der Führungsakademie nicht im Wissen um Person und Hintergrund geschehen ist.
Ich will noch eines zu dem Wort „unappetitlich" sagen - diejenigen, die im Kalkül dessen, was vernommen werden mußte, den Untersuchungsausschuß mit gewollt haben, müssen sich dies vorhalten lassen -: Angesichts des Medienauftritts, den diese Figur hier in Bonn durch den Untersuchungsausschuß erhalten hat, sollte sich der eine oder andere Journalist - ich sage das, obwohl es im Wahlkampf möglicherweise etwas unpäßlich ist und man sich nicht mit Journalisten anlegen sollte -, der meinte, bestimmte Dinge unbedingt in seine Reportage hineinnehmen zu müssen, einmal im stillen Kämmerlein fragen, ob er da im Sinne seines Informationsauftrages recht getan hat.
Die Einladung war ein folgenschwerer Fehler, der außerhalb des Lehrbereiches der Akademie stattgefunden hat und auf der Ahnungslosigkeit der handelnden Personen beruhte. Ahnungslosigkeit an sich ist nicht strafbar. Kein Soldat kann eine komplette Datei des Rechts- und Linksextremismus zur Gefahrenabwehr mit sich herumtragen.
Wir können auch keine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor Kontakten der Bundeswehr mit Zivilisten einführen, schon weil die Grünen und vermutlich auch die SPD dann mit allen Mitteln gegen solch einen „Überwachungsstaat" ankämpfen und uns schlimmer Dinge zeihen würden.
Daß der Verfassungsschutzbericht nicht gelesen worden war bzw. der aktuelle in der endgültigen Form noch nicht vorgelegen hatte, ist auch kein Vergehen. Dennoch muß das Instrument Verfassungsschutzbericht besser genutzt werden. Aber die Grünen und Teile der SPD sind hier nun wirklich keine guten Ratgeber, da es unter ihnen Bestrebungen gibt, den Verfassungsschutz aufzulösen. Dies zeigt das Beispiel der rotgrünen Regierung in Hessen.
Ich nenne bewußt Hessen; denn ein Finanzamt dieses Bundeslandes hat die vorläufige Gemeinnützigkeitsbescheinigung für die Organisation von Herrn Roeder herausgegeben: das Finanzamt Schwalmstadt. Der Finanzbeamte in Schwalmstadt hatte keinen Landesverfassungsschutzbericht zur Verfügung, um über Herrn Roeder zu lesen; denn
Christian Schmidt
den haben Rotgrün abgeschafft. Den gibt es seit diesem Jahr nicht mehr.
- Vielleicht wurde er vorher auch nur in geringer Auflage verteilt.
- Nein, so einfach ist das nicht.
Sie gehen über Ihre fundamentalen Probleme hinweg, Frau Zapf. Sie eiern herum! Sie beschimpfen die Soldaten, wenn sie den Verfassungsschutzbericht nicht von vorn bis hinten lesen, aber Sie selbst und Ihre Partei sind in einem Bundesland so weit, den Verfassungsschutz praktisch abzuschaffen. Lesen sie das im Wahlprogramm der Grünen nach; darin steht: Die Geheimdienste sollen abgeschafft werden. Tun Sie doch nicht so, als ob es hier nur um Kavaliersund Freundlichkeitsfragen ginge. Sie sind in diesen Fragen existentiell gespalten. Sie reden mit doppelter Zunge.
- Herr Opel, nehmen Sie doch zur Sache Stellung! - Das ist doch euer Problem: ihr eiert herum; ihr wollt mit den Grünen eine Koalition bilden. Ihr wißt genau, daß die euch überhaupt nichts bieten können, außer eine Chaossituation. Das müßt ihr euch schon anhören.
Euer Schröder spricht heute so, morgen so und übermorgen gar nicht. Hier erscheint er überhaupt nicht. Was soll denn das für ein Kandidat sein? Guildo Horn auf der Ebene der Bundesregierung! Es ist ja wohl nicht mehr auszuhalten, was uns hier zum Teil vorgeführt wird.
- Man kann das durchaus auch einmal in dieser Form sagen.
- Nein, das ist nicht lächerlich. Das ist die Wahrheit. Das muß einmal gesagt werden.
- Nein, hört euch das nur an. Es ist gut für euch.
- Von Schwachsinn habe ich in diesem Untersuchungsausschuß relativ wenig gehört.
Mit Rezzo Schlauch hat sich heute früh schon der Kollege Zeitlmann beschäftigt.
Mein persönlicher Rat für die Zukunft, Frau Präsidentin, ist folgender: Nicht leichtgläubig sein, wie auch sonst im Leben nicht; bei unbekannten Referenten schon einmal nachhaken und rückfragen und die Antennen ausfahren. Das ist notwendig. Das kann die Bundeswehr auch vor Schaden an ihrem Ansehen bewahren. Das muß den Betreffenden gesagt werden. Ich glaube, alle anderen, die jetzt in eine solche Situation kommen würden, wären auch in der Lage, darauf zu reagieren.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch wieder zum parlamentarischen Ton zurückkehren. Wenn wir uns gegenseitig des Schwachsinns bezichtigen, bringt das auch nicht arg viel.
Jetzt hat der Kollege Nachtwei das Wort zu einer Kurzintervention.
Herr Kollege Schmidt, ich will dann auch wieder zur Sache zurückkommen. Sie haben einen sehr wichtigen sachlichen Aspekt angesprochen. Dieser betraf die sozialwissenschaftliche Studie, im Hinblick auf die Sie behaupten, damit würde der Generalverdacht gegen die Bundeswehr fortgesetzt.
Gucken Sie sich aber einmal Ihre eigene Bewertung an: Da werfen Sie den sozialwissenschaftlichen Experten, die wir am Ende im Untersuchungsausschuß gehört haben, vor, daß sie sich auf Studien bezogen hätten, die zum Teil 15 Jahre alt waren. Woran aber lag das denn?
Die Experten haben ehrlicherweise als Empiriker festgestellt, daß sie keine neueren Daten haben. Sie haben gesagt, sie hätten zu wenig Daten. Wir wissen nicht, was in den Köpfen der Soldaten vorgeht. Empirische Feldforschung wurde nicht gestattet. In alle anderen gesellschaftlichen Bereiche leuchten wir mit verfeinerten Methoden hinein. Aber in den großen gesellschaftlichen Körper der Bundeswehr dürfen wir nicht mit sozialwissenschaftlichen Methoden hineinleuchten. Das ist doch wirklich ein verheerender Widerspruch. Sie scheinen in keiner Weise verstanden zu haben, was empirische Untersuchungen bedeuten, nämlich daß es darum geht, die Wirklichkeit differenziert aufzuklären, und in keiner Weise um Schuldvorwürfe, Unterstellungen und einen Generalverdacht.
Erinnern Sie sich bitte daran, was auch Ihr Kollege Krautscheid in diesem Untersuchungsausschuß festgestellt hat. Er hat festgestellt: Wir wissen nicht, wie viele Anfällige es gibt. Eine Studie wäre interessant. - Bitte nehmen Sie doch auch dazu Stellung. Nach dem, wie ich Ihre sachliche Arbeit in diesem Untersuchungsausschuß mitbekommen habe, glaube ich, daß Sie sich außerhalb des Wahlkampfgefechtes eher zustimmend dazu äußern könnten.
Winfried Nachtwei
Das Problem ist doch offensichtlich nicht das mit den strafrechtlich relevanten rechtsextremen Vorfällen. Da ist die Zahl in der Bundeswehr, verglichen mit der Gesellschaft oder mit Vergleichsgruppen, in der Tat nichts Außergewöhnliches; das ist richtig. Aber wir haben doch das Problem, daß es in unserer Gesellschaft gerade in der Rekrutierungsgruppe für die Bundeswehr, den jungen Männern, einen besonders hohen Anteil an sehr rechts bis rechtsextrem Orientierten gibt.
Wir wissen wohl, daß die sich von militärischen Strukturen überhaupt und deshalb auch von der Bundeswehr angezogen fühlen, woran sie gleichzeitig etwas auszusetzen haben. Aber wir wissen eben nicht - danach hat der Minister selbst im Untersuchungsausschuß einmal gefragt -, wer überhaupt genau zu uns kommt, was das Gedankengut angeht. Dabei geht es nicht um Bespitzelung, das auf keinen Fall. Aber es geht darum, wo der relativ hohe Anteil von rechtsextrem Orientierten in der Bundeswehr bleibt und wie der Ausbildungsbetrieb, die Ausbildung an der Waffe, die politische Bildung, die Traditionspflege usw. nun tatsächlich auf sie wirken.
Herr Kollege Nachtwei, die Zeit ist abgelaufen. Das ist eine Kurzintervention und kein Redebeitrag.
Ich glaube, das Wichtigste habe ich dazu gesagt.
Zur Antwort erteile ich das Wort dem Abgeordneten Schmidt.
Herr Kollege Nachtwei, Ihre Unterstellung, meiner Meinung nach sei der Generalverdacht mit der Studie verbunden, trifft nicht zu. Meine Frage lautet: Wo soll man bei einer Studie ansetzen?
Beim Eintritt in die Bundeswehr, wenn ein junger Mann die Uniform anzieht, oder in der gesamten gesellschaftlichen Situation?
Auch wenn die Studien alt waren, so haben sie uns
durchaus den einen oder anderen Einblick vermittelt.
Gestatten Sie mir, in aller sachlichen Höflichkeit folgendes zu sagen: Ich habe in der Tat einen Grund, gegenüber den Anforderungen solcher Studien mißtrauisch zu sein. Frau Beer, während des Untersuchungsausschusses haben Sie sich mit Ihrer Forderung nach dieser Studie ein paarmal decouvriert. Sie haben nämlich von „konservativ", von ,,nationalkonservativ" und von „rechtskonservativ" gesprochen. Heute hat ein Redner einer Gruppe ebenfalls von „nationalkonservativer Armee " gesprochen. Ich werde den Grundverdacht nicht los, daß es nicht darum geht, die mit anderen Mitteln durchaus identifizierbaren Entwicklungen des Rechtsextremismus zu überblicken. Ich habe den Verdacht, daß es vielmehr darum geht - um eine politische Auseinandersetzung zu führen -, zu ermitteln, ob es genügend Anhaltspunkte dafür gibt, sagen zu können: In der Bundeswehr sind Konservative drin. „Konservativ" und auch „nationalkonservativ" gehört zum demokratischen Spektrum.
Dennoch würde ich dem Verteidigungsminister natürlich nicht zugestehen - das wäre wohl eine Aufgabe der Wehrbeauftragten -, beim Eintritt zu fragen, ob jemand grün, SPD-orientiert oder konservativ ist.
- Das ist nicht Quatsch; das ist genau der Punkt. Liebe Frau Beer, Sie müssen sich auch das anhören. Wenn Sie sich selbst prüfen, dann werden Sie feststellen, daß ich recht habe.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dieter Heistermann, SPDFraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es wird für viele Soldaten interessant sein, einmal die einleitenden Reden zu einem Untersuchungsausschußbericht nachzulesen. Die Absichten werden dann sehr schnell erkennbar sein. Wenn ich den guten Rat geben darf - ich bin heute ganz milde gestimmt -: Vielleicht können Sie das eine oder andere von dem, was hier teilweise vorgetragen worden ist, im Text noch korrigieren; denn es wird in der Bundeswehr so interpretiert werden, wie Sie es hier mit vielleicht nicht ganz ehrlicher Absicht gesagt haben, und auf Sie zurückfallen.
Ich gebe Ihnen den Rat, Ihre Aussagen zu überprüfen.
Wer kennt eigentlich ein öffentliches Dokument, welches ein so genaues Bild über den inneren Zustand unserer Streitkräfte vermittelt wie der Jahresbericht 1997 der Wehrbeauftragten? Nahezu alle Bereiche der Bundeswehr sind präzise angesprochen. Die vielen beschriebenen unbequemen Wahrheiten und der Finger auf so mancher Wunde haben dem Haus auf der Hardthöhe unruhige Arbeitsstunden eingebracht und hoffentlich auch endlich die Augen für die Wirklichkeit geöffnet.
Schauen wir uns den Bereich der Personalangelegenheiten und der Menschenführung an. Der größte
Dieter Heistermann
Posten, 40,6 Prozent der Eingaben - so ist es im Jahresbericht 1997 der Frau Wehrbeauftragten belegt, betreffen Personalangelegenheiten der Berufs- und Zeitsoldaten sowie personelle Fragen der Wehrpflichtigen. Mir stellt sich die Frage, ob die personalführenden Dienststellen bei ihren Personalentscheidungen die Grundsätze der inneren Führung genügend beachten. Gerade Entscheidungen der Personalführung beeinflussen die Berufszufriedenheit der Soldaten und ihre Einstellung zum Dienst. Da ist doch wohl offensichtlich: Hier gibt es Sand im Getriebe, wenn soviel Eingaben vorkommen.
Zu oft stimmt auch die Auswahl der militärischen Führer nicht, sonst wären bestimmte Auswüchse nicht zu erklären. Bei der Auswahl sind die charakterliche Eignung und die Fähigkeit zur Menschenführung vordringlich zu berücksichtigen. Es muß erreicht werden, daß die Qualität der Ausbilder, Führer und Unterführer den Ansprüchen moderner Menschenführung entspricht. Die Bundeswehr muß den Mut haben, ungeeignete Offiziere und Unteroffiziere von solchen Verwendungen auszuschließen.
Der Eintritt in den neuen Lebensabschnitt als Soldat wird den jungen Rekruten oft unnötig und in bedenklicher Weise erschwert. Sie werden nicht wie mündige Staatsbürger in Uniform behandelt. Herablassendes Anreden in Verbindung mit Worten aus der Fäkalsprache und schlechtes Führungsverhalten tragen mit dazu bei, daß sich die Umstellung auf den Wehrdienst sehr negativ auswirkt. Dringend erforderlich ist es, den Grundwehrdienstleistenden den Übergang vom Zivilleben in den militärischen Bereich deutlich zu erleichtern. Sie sind heimatnah in ihre Garnison einzuberufen, wo immer das möglich ist.
Die Grundwehrdienstleistenden müssen so geführt werden, daß sie ihren ersten Heimaturlaub mit guten Eindrücken antreten können. Das ist für die Bundeswehr die bessere Werbung. Es muß ein ungeschriebenes Anliegen aller Verantwortlichen sein, daß den jungen Männern, die ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nachkommen, auch die gebührende Anerkennung zuteil wird. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen muß dabei Leitmotiv sein. Auch dies wird die Attraktivität des Wehrdienstes steigern.
Wenn wir an der Wehrpflicht festhalten wollen, muß aber auch der Rahmen dafür stimmen; denn jeder grundwehrdienstleistende Soldat, der die Streitkräfte enttäuscht verläßt, ist auch ein Multiplikator mit Wirkung gegen unsere Bundeswehr.
Die materielle Grundsicherung der Wehrpflichtigen ist schon lange nicht mehr gegeben. Die maßvolle Anhebung des Wehrsoldes um 2 DM - von der SPD beantragt, von der Koalition abgelehnt - wäre ein positives Zeichen gewesen. So wurde ich unlängst gefragt: Kann etwa die Wehrpflicht nicht mehr finanziert werden? Wirkt sich die Unterfinanzierung der Streitkräfte nun auch schon auf die Grundwehrdienstleistenden, ihren Wehrsold, ihre Ausbildung und Übungstätigkeit aus? Über diese Fragen muß man nachdenken. Wenn dem so wäre, sähe ich mit
großer Sorge eine Gefahr für die Beibehaltung der Wehrpflicht voraus.
Viele Soldaten leiden unter Perspektivlosigkeit. Hierunter leiden aber nicht nur die dienstlichen Verrichtungen. Wenn jetzt schon auch noch längere Stehzeiten für verschiedene Dienstposten eingeführt werden, weil es keine entsprechenden freien Stellen gibt und dadurch finanzielle Einbußen eintreten, trifft dies auch die Familien der Soldaten. Kann das gewollt sein? Diese Stimmung ist bei den Unteroffizieren deutlich ausgeprägt.
Es muß hellhörig machen, wenn die Frau Wehrbeauftragte eine schleichende Verschlechterung des Betriebsklimas in den Streitkräften feststellt. Ein rauher Umgangston sei eingekehrt, steht in ihrem Bericht. Die Brisanz, die in diesem Problem steckt, ist noch nicht richtig erkannt worden. Die Hinweise der Frau Wehrbeauftragten müssen in aller Konsequenz beachtet und, wo die Einsicht fehlt, notfalls auch disziplinarisch gewürdigt werden.
Zudem gibt es zu viele besondere Vorkommnisse, die den Bereich der Menschenführung betreffen. Menschenführung aber ist in den Streitkräften das A und O. Menschen sind einfach ordentlich zu behandeln. Nur dann sind sie bereit, sich für die Einheit, in der sie Dienst leisten, einzusetzen. Mißachtung der Würde junger Soldaten wirkt lange nach. Das hat auch im Untersuchungsausschuß eine Rolle gespielt. Daher ist das Führungsverhalten der Vorgesetzten in der soldatischen Gemeinschaft genau zu beobachten.
Vorgesetzte, welche die Notwendigkeit der politischen Bildung heute immer noch nicht erkennen, machen deutlich, wie sehr sie selbst der entsprechenden Unterweisung bedürfen. Unabdingbare Voraussetzung für eine Armee in der Demokratie ist es, daß die Angehörigen wissen, was sie zu schützen und warum sie einen militärischen Auftrag zu erfüllen haben. Ohne diese Bindung an die Grundwerte und an die Verfassung kann ich mir keine Armee in der Demokratie vorstellen.
Der Ausbildung der Unteroffiziere muß deshalb eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Es sind unsere Unteroffiziere, die in enger Gemeinschaft mit den Grundwehrdienstleistenden den tagtäglichen Dienst gestalten und erleben. Sie erkennen und erleben unmittelbar, welche geistigen Haltungen die jungen Menschen in die Bundeswehr mitbringen. In ihrer Führungs- und Ausbildungsverantwortung sind sie zugleich Garant und Wächter unserer Verfassungsgrundsätze.
Es macht nachdenklich, daß die Fälle mit rechtsextremem Hintergrund in alarmierender Weise zugenommen haben. Man hat sich in der Vergangenheit keinen Gefallen damit getan, die Fälle mit rechtsextremem Hintergrund zu verniedlichen oder herunterzuspielen. Wenn es nur um Einzelfälle gegangen wäre, hätte man diese vor Ort klären lassen können. Das massive Eingreifen des Bundesministeriums der Verteidigung zeigt aber, daß man Schwierigkeiten mit der eigenen These der Einzelfälle hatte.
Dieter Heistermann
Die Bundeswehr ist nicht so ungefährdet, wie man immer glauben machen wollte. Wie konnte es sonst geschehen, daß auf Stuben von Grundwehrdienstleistenden tagelang Tonbänder mit NS-Propaganda abgespielt wurden, ohne daß Vorgesetzte eingegriffen haben? Die Erklärung: Die Vorgesetzten hatten nicht erkannt, was da eigentlich vorgegangen ist. Sie waren nicht entsprechend vorbereitet. Es fehlte an entsprechender Schulung und an Methoden der Vorbeugung.
Diese Versäumnisse, Herr Bundesminister, müssen Sie sich anrechnen lassen.
Die Bundeswehr muß unverwechselbar sein. Nirgendwo darf jemals der Eindruck aufkommen, die Bundeswehr toleriere Fremdenhaß oder nationalistische Einstellungen. Menschen mit solchen Einstellungen haben in der Bundeswehr keinen Platz.
Das muß die eindeutige Botschaft sein, die von diesem Parlament aus in die Bundeswehr hineingeht.
Es schadet der Bundeswehr nicht, wenn über einen Fall mit rechtsextremistischer Tendenz oder andere extremistische Vorkommnisse in der Bundeswehr berichtet wird. Schaden entsteht nur dann, wenn der unzulässige Versuch unternommen wird zu vertuschen. Deshalb sind alle Fälle zu melden und zu erfassen. Der Bundesminister der Verteidigung ist gehalten, für volle Transparenz zu sorgen und die Präventionsmaßnahmen in diesem hochbrisanten politischen Bereich auf hohem Niveau zu halten. Die Vorschläge der Bagger-Kommission weisen dabei in die richtige Richtung.
Ein Wort zum Haushalt. Wo immer man hinschaut, die finanziellen Mittel stimmen nicht mehr mit Auftrag, Struktur, Umfang und Ausrüstung überein. Die Streitkräfte zehren von ihrer Substanz. Die seit Jahren unrealistische Bundeswehrplanung durch den Bundesminister der Verteidigung und dessen leere Versprechungen über Planungs- und Finanzierungssicherheit sind nicht ohne erhebliche negative Auswirkungen auf die Angehörigen der Bundeswehr und deren Familien geblieben. Das Wort Planung kann niemand mehr hören.
Diese besorgniserregende Entwicklung wird durch die schlechte Materiallage und die Mängel im Betrieb der Bundeswehr noch verstärkt. Es gibt zunehmend Engpässe bei wesentlichen Ersatzteilen. Ob mit dem vorhandenen einsatzbereiten Material noch auftragsgerecht ausgebildet werden kann, ist vielerorts zweifelhaft. Das Wort des Kanzlers, wonach die Armee bekommt, was sie benötigt, war lediglich eine Worthülse. Die Realität ist eine andere.
Ich werde dabei immer an die Gründerjahre der Bundeswehr erinnert. In diesen Jahren galt das geflügelte Wort: „In der Beschränkung zeigt sich der Meister. " Um es deutlich zu sagen: Wer den Auftrag der
Bundeswehr erweitert, muß auch die Mittel bereitstellen.
Viele Waffensysteme sind über die geplante Lebensdauer in Betrieb gehalten und nicht zeitgerecht ersetzt worden. Die überalterten Systeme bedingen jetzt überdurchschnittlich steigende Betriebskosten. Diese Kostenspirale könnte nur durch Neuanschaffung durchbrochen werden. Dafür fehlt jedoch heute das Geld.
In Anbetracht der für unser Land verbesserten Sicherheitslage und bei gleichzeitiger dramatischer Verknappung der finanziellen Mittel ist es unrealistisch, mittelfristig auf eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes zu hoffen. Mit dem verfügbaren Verteidigungsbudget ist die Bundeswehr in ihrer jetzigen Struktur unterfinanziert. Das Verhältnis von Personal- und Betriebskosten sowie Investitionen entwickelt sich zusehends ungünstiger und bleibt weit hinter dem Erfordernis von wenigstens 30 Prozent Investitionsanteil zurück.
Das bedeutet: Entweder wird die Bundeswehr in bezahlbare moderne Streitkräfte umstrukturiert, oder sie behält ihre jetzige Struktur und wird in ihrer Funktionsfähigkeit nachhaltig geschwächt. Können aber der Bundeswehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, müssen die Aufgaben entsprechend reduziert werden. Sich auf die unendliche Improvisationskunst unserer Soldaten zu verlassen, das kann wohl nicht der politische Maßstab sein, an dem wir uns dabei ausrichten.
Ich will noch eine kurze Anmerkung zur Wohnungsfürsorge und zu der Unterbringung in den Kasernen machen. Angemessener und bezahlbarer Wohnraum nach den heutigen aktuellen Bedürfnissen in bezug auf Größe, Zuschnitt, Qualität und Ausstattung ist das, was die Soldaten und ihre Familien benötigen. Das ist leider nicht überall gegeben. Manche Kasernenanlagen, Unterkünfte sowie Betreuungs- und Versorgungseinrichtungen sind als desolat zu bewerten. Der kasernenpflichtige Soldat muß sich mit seiner Kaserne identifizieren können und sich in ihr wohl fühlen. Veraltete, unsaubere und ungepflegte Unterkünfte laden nicht ein. Sie bewirken die Flucht aus den Kasernen.
Ungerecht ist auch, daß die Soldaten aus den neuen Bundesländern nach wie vor unterschiedlich besoldet werden. Die Soldaten müssen aber, anders als im zivilen Bereich, nebeneinander die gleiche Arbeit leisten. Dieser menschlich diskriminierende Zustand bedarf der unverzüglichen Beseitigung. Ich weiß, daß hier die Tarifparteien gefordert sind. Der Zeitpunkt, wann diese Ungleichheit aufhört, muß bald gefunden werden,
Meine Damen und Herren, mit Ablauf der 13. Wahlperiode endet meine parlamentarische Arbeit hier in Bonn. 18 Jahre begleite ich die Jahresberichte der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Daher ist es mir heute ein ganz besonderes Bedürfnis, Ihnen, sehr geehrte Frau Marienfeld, sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herz-
Dieter Heistermann
lich für die erbrachten Leistungen und die vielen Jahre der guten Zusammenarbeit zu danken.
Sie haben mit den vorgelegten präzisen Lageberichten über die Bundeswehr Anerkennung verdient. Halten Sie bitte an Ihren aufgezeigten Schwerpunkten fest, und bewahren Sie auch weiterhin ein gesundes Spannungsverhältnis zum Bundesministerium der Verteidigung!
Mein persönlicher Dank gilt dem Verteidigungsausschuß und an dessen Spitze dem Kollegen Rossmanith, natürlich den Mitgliedern der SPD-Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen sowie allen, die meine Arbeit mitgetragen haben. Danken möchte ich auch allen Soldaten der Bundeswehr, die mir in den zurückliegenden Jahren ihr Vertrauen bewiesen und Hilfestellung gewährt haben.
Ein Zitat zum Schluß:
Den Vorgesetzten sage ich: Achten Sie die Würde und Eigenständigkeit, achten Sie den persönlichen Freiraum und fördern Sie die Mündigkeit Ihrer Untergebenen. Begegnen Sie ihnen als Kameraden mit Anerkennung, Rücksicht und Toleranz, und zwar nicht mit jener schäbigen Toleranz, so möchte ich in Anlehnung an ein Wort von Carlo Schmid sagen, die den anderen nur hinnimmt, weil er ja nicht viel bedeutet.
Begegnen Sie ihm mit jener noblen und schwierigen Toleranz, die den anderen in seinem Anderssein nicht nur anerkennt, sondern will, die ihn' deshalb in seinem Anderssein will, weil man weiß, daß auf Gottes Harfe viele Saiten sind und daß nur alle zusammen den vollen Akkord des Menschseins rein zum Tönen bringen.
Den Untergebenen sage ich: Seien Sie auch in den Streitkräften keine Untertanen, sondern mündige Bürger. Das Prinzip von Befehl und Gehorsam steht der Mündigkeit und dem Mitbestimmen-Wollen nicht entgegen. Es gibt genügend Freiräume, wo auch in den Streitkräften Teilhabe und Mittun gefordert sind. Lassen Sie sich nicht sofort entmutigen, wenn einmal Ihr Vorschlag abgelehnt oder Ihr Beitrag verworfen wird. Werden Sie nicht konfliktscheu, denn Diskussion und Austragen von Konflikten gehören zur Demokratie.
Das waren Worte von Karl Wilhelm Berkhan, dem unvergessenen fünften Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
Diese Grundhaltung wünsche ich der Bundeswehr. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Lieber Herr Kollege Heistermann, Sie gehören dem Deutschen Bundestag seit 1980 an. Dies wird sicherlich Ihre letzte
Rede hier gewesen sein. Sie waren der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und der Vorsitzende des Unterausschusses für Streitkräftefragen in den neuen Bundesländern. Von Anfang an haben Sie sich hier im Parlament für die Belange der Soldaten eingesetzt und waren stets Berichterstatter für das Amt der Wehrbeauftragten. Sie haben immer ein besonderes Herz für den einzelnen Soldaten, für die Mannschaften, für die Wehrpflichtigen bewiesen. Sie haben sich über das normale Maß hinaus sehr stark eingesetzt. Das Parlament dankt Ihnen von ganzem Herzen.
Das Wort hat jetzt der Bundesverteidigungsminister, Volker Rühe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe im Untersuchungsausschuß über acht Stunden lang Gelegenheit gehabt, meine Position darzustellen. Deswegen bin ich sehr damit einverstanden, daß ich jetzt nur einige Minuten habe, um noch etwas zu sagen.
Ich möchte beginnen mit einem Dank an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, in diesem Fall des Untersuchungsausschusses, unseren Kollegen Kurt Rossmanith, für die hervorragende Arbeit, den fairen Umgang dort und die große Leistung, die er für die Bundeswehr in den letzten Monaten erbracht hat.
Ich füge hinzu: Ich habe nicht vergessen, in welcher Weise er angegriffen worden ist, aber auch in Schutz genommen worden ist von dem Kollegen Kolbow. Ich glaube, daß mancher Anlaß hat, über anständigen Umgang miteinander nachzudenken, wenn man sieht, welche große Leistung der Kurt Rossmanith hier in den letzten Monaten erbracht hat. Ich glaube, dafür sollten wir ihm alle noch einmal sehr, sehr herzlich danken.
Ich möchte mich auch dem Dank - ich bin zwar mit seiner Rede überhaupt nicht einverstanden, aber das wäre auch noch schöner, wenn ich das wäre; das spielt auch überhaupt keine Rolle - an den Kollegen Heistermann anschließen. Man kann der Bundeswehr in mehrfacher Weise dienen. Nicht jeder kann das als Verteidigungsminister. Das müßt ihr einsehen.
Man kann das auch als Abgeordneter, und das hat nicht weniger Bedeutung. Bei ihm hat man immer gespürt, daß er letztlich der Bundeswehr dienen möchte. Im übrigen habe ich - vielleicht steht es mir als Verteidigungsminister nicht zu, dies zu sagen -, dieses Gefühl, wenn es harte Auseinandersetzungen
Bundesminister Volker Rühe
gibt, bei den allermeisten Abgeordneten des Verteidigungsausschusses. Bei manchen, die hier besonders töricht reden, denkt man, wenn man sie bei Truppenbesuchen sieht, daß auch sie sogar irgendwie ein Verhältnis zur Bundeswehr haben.
- Ich rede in Andeutungen. -
Es ist ein Gegenstand, der niemanden ruhig läßt.
Ich bedanke mich übrigens auch sehr, daß Herr Dr. Wittmann hier ist. Das zeigt, dann, wenn hier über die Bundeswehr gesprochen wird - der macht jetzt etwas ganz anderes - treibt es ihn hierher. Was ich damit sagen will, ist - das wird auch für mich gelten -: Wer einmal der Bundeswehr gedient hat, als Parlamentarier, als Minister, sich in welcher Funktion auch immer mit ihr beschäftigt hat, wird nie wieder gleichgültig gegenüber der Bundeswehr sein. Deswegen möchte ich allen danken, die sich für die Bundeswehr engagieren. Das kann auf verschiedene Weise geschehen.
Letztlich ist es doch ganz einfach, diesen Ausschuß zu würdigen.
Die Absicht war sehr schlecht, und ich weiß, Herr Kolbow, daß dieser Untersuchungsausschuß gegen Ihren Willen eingesetzt worden ist.
- Nein, in seiner eigenen Fraktion. Sie sind nicht an allem schuld.
Bei Ihnen ist diese schlechte Haltung weiter durchgängig gewesen.
Ich habe auch ein ganz gutes bildliches Gedächtnis. Im Dezember, kurz vor der Einsetzung des Ausschusses, fand hier eine ganz andere Debatte als jetzt statt.
Da waren die Verteidigungspolitiker - ich werde das nie vergessen - in der Minderheit und sahen mit blassen Gesichtern, welche Leute aus ihren Fraktionen hier mit welcher Emotionalität - ich will jetzt keinen anderen Begriff verwenden - gesprochen haben. Mit ist auch Haß entgegengeschlagen.
- Ja, es ist so gewesen. - Ich bin da vielleicht ein bißchen sensibel. Aber es war so.
Als ich zum Beispiel beim Traditionsverständnis darauf hingewiesen habe, warum ich ein Geschwader und eine Kaserne in Berlin nach dem General Steinhoff benannt habe, schallte mir ungefähr aus der dritten Reihe - es war kein Verteidigungspolitiker - „Nazigeneral" entgegen. Dabei war er einfach ein tapferer Flieger im Zweiten Weltkrieg, dem wir auch beim Aufbau der Bundeswehr viel zu verdanken haben.
Das war erschreckend zu sehen. Diese Leute sind heute alle nicht mehr da. Das zeigt, warum der Ausschuß für die Bundeswehr nützlich gewesen ist. In diesem Punkt können wir alle übereinstimmen. Die Bundeswehr ist der eigentliche Gewinner.
Sie brauchten eben den Umweg über den Ausschuß, um ihre eigene Partei und ihre Fraktion davon zu überzeugen, daß sie ein falsches Bild von der Bundeswehr hatten.
Ich möchte auch gleich beim Thema „Traditionsverständnis" bleiben. In diesem Zusammenhang kam nämlich auch die Forderung, Rommel-Kasernen umzubenennen.
Bundesminister Volker Rühe
Auch wenn es nicht beabsichtigt gewesen war, war es in dieser Weise doch letztlich nützlich. Wenn wir die Soldaten in Einsätze schicken, dann ist es ganz wichtig, daß die Debatten zu Hause zu einem Ende gebracht werden. Mit diesem Gütesiegel ist das auch geschehen.
Eines konnte man auch spüren - auch wenn einige Wochen etwas hektisch waren -: Das Grundvertrauen in die Streitkräfte ist nie wirklich erschüttert worden. Das liegt an der Wehrpflicht und daran, daß es 8 Millionen Deutsche gibt, die gesagt haben: „Moment mal, die Bundeswehr, die kenne ich doch. " Die schrillen Fehlurteile, die es gegeben hat, haben dieses Vertrauen letztlich nicht erschüttern können.
Ich möchte mich auch bei vielen Stimmen aus dem Ausland bedanken, die es in der kritischen Situation gegeben hat und die ihr Vertrauen zur Bundeswehr bekundet haben, als sich mancher in Deutschland selbst und auch den deutschen Streitkräften mißtraut hat.
Ich richte meinen Dank noch einmal an alle, die sich wirklich sehr stark eingebracht haben. Ich weiß, was das für eine gewaltige Arbeitsbelastung nicht nur für den Vorsitzenden, sondern auch für die Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen, die dort eine spezifische Funktion gehabt haben, gewesen ist.
Der Ausschuß ist in sein Gegenteil verkehrt worden. Man hat auch versucht, einmal ein bißchen am Minister zu rütteln. Auch das ist in sein Gegenteil verkehrt worden.
- Frau Beer, mit Ihrem Urteil kann ich gut leben.
Am Ende steht die Bundeswehr gestärkt da. Das ist auch ganz wichtig in einer Zeit, in der die Politik möglicherweise schwierige Einsätze von ihr verlangt. Wir haben das letzte Woche in Bosnien gesehen. Dort sind die Probleme noch nicht gelöst. Wir haben die ungelösten Probleme im Kosovo. Deswegen möchte ich herzlich darum bitten: Diejenigen, die von Anfang an gesagt haben, daß sie Vertrauen in unsere Streitkräfte hätten, können stolz darauf sein, daß sie den Untersuchungsausschuß nicht brauchten, um dieses Vertrauen zur Bundeswehr zu haben. Die anderen mußten einen Umweg gehen. Einige, Frau Beer, sind überhaupt noch nicht angekommen, werden wahrscheinlich auch nie ankommen.
Durch das Ergebnis des Untersuchungsausschusses ist das Vertrauen in die Bundeswehr noch einmal gestärkt worden. Es gab glänzende Auftritte der Soldaten aller Bereiche der Bundeswehr. Deswegen sehen Sie einen zufriedenen Bundesverteidigungsminister, der dankbar dafür ist, daß es jetzt wieder mehr Konsens gibt und daß es in Zukunft schwerer sein wird, die Streitkräfte zu diffamieren. In diesem Sinne darf ich mich noch einmal bei all denjenigen herzlich bedanken, die dazu beigetragen haben.
Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Walter Kolbow das Wort.
Herr Rühe, Sie waren so freundlich, mich in verschiedenen Varianten anzusprechen. Ich darf in einer kurzen Antwort darauf zunächst feststellen, daß sich Ihre heutigen Einlassungen zum Untersuchungsausschuß wohltuend von den Einlassungen der Kollegen Kossendey und Nolting abgehoben haben, die allein von der Absicht getragen, nur die SPD anzugreifen, und ohne die nötige Trennschärfe auch zu den Grünen argumentiert haben.
Ich habe es auch als wohltuend vermerkt, daß der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, unser Kollege Kurt Rossmanith, im Gegensatz zu Herrn Kossendey und zu Herrn Nolting allen im Untersuchungsausschuß bestätigt hat, daß sie von dem Willen getragen waren, der Bundeswehr zu helfen. „Alle" hat der Kollege Rossmanith gesagt. Auch das, was der Kollege Heistermann aus 18jähriger Erfahrung unter Ihrem Beifall hier eingebracht hat, war eine differenzierte Betrachtung der Bundeswehr, die unser Grundvertrauen verdient.
Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind nach dem Beschluß, einen Untersuchungsausschuß einzurichten, mit dem Anspruch ihres Grundvertrauens zur institutionellen Einrichtung Bundeswehr an die Arbeit gegangen. Denn warum sollte unsere Bundeswehr in diesem Ausschuß nicht die notwendige und berechtigte Chance bekommen, darzustellen, daß eben kein Rechtsextremismus in ihr ist, daß keine rechtsextremen Strukturen in ihr vorhanden sind? Das haben wir zumindest ursächlich bewirkt.
In der politischen Auseinandersetzung - hier bin ich politisch und auch persönlich ähnlich konziliant wie Sie, Herr Kollege Rühe, in Ihrer Rede - mag es auch bei uns falsche Töne gegeben haben. Die Subkultur will ich hier in aller Form streichen. Aber in Varel, in Altenstadt/Schongau, bei den Vorkommnissen in Schneeberg und in Hammelburg - diese Einzelfälle haben wir untersucht - waren braune Nischen entstanden. Diese haben wir aufgearbeitet. Wir wissen nun, wie wir mit Ihnen, meine Herren der militärischen Führung, und allen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr dafür sorgen können, daß sie nicht mehr vorkommen.
Sie haben gesagt, ich persönlich sei gegen den Untersuchungsausschuß gewesen. Ich sage in diesem Plenum frank und frei: Ich habe in der entscheidenden Abstimmung in unserer Arbeitsgruppe dafür gestimmt, was nicht alle getan haben, weil die Resonanz insbesondere im Ausland eine ganz schwierige
Walter Kolbow
war, die ein Dau-Bericht und eine Riechmann-Kommission nie hätten beseitigen können. Nur das Parlament, nur wir konnten den Streitkräften ihren guten Ruf wiedergeben, ihn erhalten helfen.
Heute stellen wir fest: Diese Bundeswehr hat unser Vertrauen, und sie wird es weiterhin haben.
Herr Minister, möchten Sie antworten?
Nein.
Das ist nicht der Fall. - Dann erteile ich jetzt der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Claire Marienfeld, das Wort.
Claire Marienfeld, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Bundeswehr wird als Parlamentsheer bezeichnet, und dies geschieht zu Recht. Denn die grundlegenden Entscheidungen über die Soldaten, über den Auftrag und über die Mittel der Streitkräfte werden in diesem Haus getroffen. Parlamentsarmee heißt aber auch, daß sich das Parlament kontinuierlich und eingehend mit dem inneren Zustand der Bundeswehr befaßt. In dieser Perspektive sehe ich meine Arbeit in Ihrem Auftrage, meine Damen und Herren.
Zu den erfreulichsten Erfahrungen meiner bisherigen Amtszeit gehört es, daß ich bei meinen zahlreichen, zumeist unangemeldeten Truppenbesuchen selbstbewußte, aufgeschlossene und kritische Soldaten antreffe, die der Institution wie der Person der Wehrbeauftragten Vertrauen entgegenbringen. Sie erkennen an, daß ich zu kontrollieren habe und gleichzeitig auch helfen möchte.
Der ausführlichen Stellungnahme des Ministeriums zu meinem Jahresbericht habe ich eine weitgehende Übereinstimmung mit meinen Feststellungen entnehmen können. Bei den von mir für das Berichtsjahr 1997 gewählten Schwerpunktthemen Gewalt und Rechtsextremismus, politische Bildung, Zivilcourage der Soldaten, Tradition und Wehrpflicht gibt es keine grundsätzlichen Wertungsdifferenzen.
Die innere Führung hat sich seit Bestehen der Bundeswehr im Truppenalltag hervorragend bewährt. Sie prägt unsere Vorstellungen von einer modernen Armee in der Demokratie. Die Grundsätze der inneren Führung dürfen auf Grund einzelner schlimmer Vorfälle, an denen Soldaten der Bundeswehr beteiligt waren, in ihrer Bedeutung nicht relativiert werden. Im Gegenteil: Die speziellen Ausprägungen der inneren Führung in den Bereichen Menschenführung, Ausbildung, politische Bildung, Fürsorge und Handhabung der Disziplinargewalt zeigen
den einzig erfolgversprechenden Weg zur Bewältigung aktueller Schwierigkeiten auf. In der Definition des Ziels all dieser Bemühungen besteht weitreichende Einigkeit. Die Soldaten der Bundeswehr sollen sich als freie, aus Überzeugung ihren Dienstpflichten widmende Staatsbürger in Uniform verstehen, leistungsstark und motiviert sein. Die Bundeswehr insgesamt soll sich nahtlos in den demokratischen Rechtsstaat integrieren.
Lassen Sie mich ein tragendes Element der inneren Führung in der Bundeswehr hervorheben: Entscheidungen und Maßnahmen sollen auf der niedrigstmöglichen Ebene getroffen werden, die sachlich sinnvoll ist, so nah bei den betroffenen Soldaten wie möglich. Die Erfahrung zeigt nämlich, daß mit zunehmender Zentralisierung auch eine Herabsetzung und letztlich eine Demotivierung nachgeordneter Stellen einhergehen. Das Leitbild vom mitdenkenden und sich mit verantwortlich fühlenden Soldaten hat seine traditionelle Entsprechung auch im Führungsprinzip der Auftragstaktik.
Unverzichtbar ist für die Soldaten das Bewußtsein, daß ihre Vorgesetzten ihnen vertrauen. Selbständiges und eigenverantwortliches Handeln, wie es dem Bild des Staatsbürgers in Uniform gemäß ist, bedarf eines entsprechenden Freiraumes. Der Soldat soll wissen, daß die Vorgesetzten ihm richtiges Handeln innerhalb seines Freiraumes zutrauen. Dieses Vertrauen ist das 01 für den Motor Bundeswehr. Ich wünsche mir, daß sich die politische und militärische Führung der Bundeswehr bei aller berechtigten Sorge nicht von diesem bewährten Grundprinzip abbringen läßt.
Eine deutliche Ausweitung verdachtsunabhängiger Kontrollen - auch nach Dienstschluß - ist daher meines Erachtens im Moment zwar geboten, sollte aber vorübergehender Natur bleiben.
In meinem Jahresbericht habe ich Bedenken gegen Vorgaben für eine verstärkte Sprachdisziplin geäußert. Ich verstehe und begrüße die Zielvorstellung des Bundesministers der Verteidigung, daß hiermit einer Diskriminierung von Minderheiten und sprachlichen Entgleisungen gegenüber Untergebenen wie auch Kameraden entgegengewirkt werden soll. Diese Absicht verdient in der Tat Zustimmung. Und doch frage ich, ob die Umsetzung entsprechender Maßnahmen beim einzelnen Soldaten immer richtig verstanden wird. Im Berichtsjahr habe ich häufig beobachten müssen, daß sogar erfahrene Soldaten durch derartige Vorgaben verunsichert waren.
Es ist natürlich richtig, daß Sprache Ausdruck des Denkens ist. So liegt auch mir an einem sorgsamen Umgang mit der Sprache. Es kommt aber entscheidend darauf an, was in den Köpfen vor sich geht. Deshalb unterstütze ich alle Anstrengungen, die politische und historische Bildung für die Soldaten ansprechender und anspruchsvoller zu gestalten. Auch sollte meines Erachtens dem lebenskundlichen Unterricht für Soldaten mehr Aufmerksamkeit ge-
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Claire Marienfeld
schenkt werden. Ich halte es für den überzeugenderen Weg, durch Wissensvermittlung, Anregungen
zum Nachdenken und Steigerung der Sensibilität
letztlich auch den Sprachgebrauch zu beeinflussen.
Sonst besteht die Gefahr, daß falsches Denken lediglich überdeckt wird.
Ganz ohne Zweifel bedarf es in der Bundeswehr weiterhin einer besonderen Wachsamkeit gegenüber allen Erscheinungsformen von Gewaltbereitschaft, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.
Die zahlenmäßige Entwicklung bei den einschlägigen sogenannten besonderen Vorkommnissen gibt keinen Anlaß für eine Entwarnung. Nach meinem Eindruck ist sich die Führung der Bundeswehr ihrer besonderen Verantwortung bewußt. Grundsätzlich positiv bewerte ich auch, daß die Sensibilität und das Meldebewußtsein in und zwischen allen Dienstgradgruppen seit Mitte 1997 zugenommen haben. Deshalb bitte ich, diese Entwicklung auch bei der Bemerkung der jüngst bekanntgewordenen Zahlen zu berücksichtigen.
Meine Ausführungen zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr sind durch die Stellungnahme des Bundesverteidigungsministers bestätigt worden. Die Maßgaben für eine angemessene Traditionspflege sind für mich ein zentrales Thema der inneren Führung. Daher begrüße ich es, daß der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages am 27. Mai 1998 dem Antrag zugestimmt hat, die Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr vom 20. September 1982 in die zentrale Dienstvorschrift 10/1 aufzunehmen. Dabei gehe ich davon aus, daß das Bundesministerium der Verteidigung seine diesbezügliche Ankündigung in naher Zukunft umsetzen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend danke ich allen, die sich unseren Soldaten und der Bundeswehr insgesamt, ihrem Auftrag, ihrer Einordnung in Staat und Gesellschaft sowie dem Schutz der Menschenwürde jedes einzelnen und damit der Freiheit und Sicherheit unseres Landes verbunden und verpflichtet fühlen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jürgen Augustinowitz, CDU/ CSU.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über den Wehrbeauftragtenbericht gibt uns eine gute Gelegenheit, der Wehrbeauftragten, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Amtes für ihre Arbeit sehr herzlich zu danken. Diese Berichte sind für uns wichtige Entscheidungshilfen
für die Arbeit im Deutschen Bundestag und natürlich insbesondere im Verteidigungsausschuß.
Aber natürlich ist der Wehrbeauftragtenbericht keine Abbildung der Gesamtlage der Bundeswehr. Er ist eher als Mängelbericht abgefaßt, damit uns auch deutlich wird, wo insgesamt der Schuh drückt. Die Leistungen der Bundeswehr werden durch andere Begriffe deutlich. Ich erinnere daran, daß jetzt, wo wir miteinander debattieren, knapp 3000 Soldaten der Bundeswehr fern von Deutschland mithelfen, den Frieden in Bosnien zu sichern. Ich erinnere daran, daß über 30 000 Soldaten geholfen haben, der Unwetterkatastrophe an der Oder beizukommen. Ich erinnere aktuell an die Hilfe bei dem Bahnunglück in Eschede. Ich erinnere daran, daß Soldaten der Bundeswehr an der Festnahme von Kriegsverbrechern beteiligt gewesen sind. Ich darf auch an den alltäglichen Dienst unserer Soldaten, über den wir viel zu wenig reden, erinnern.
Mit diesem alltäglichen Dienst tragen sie dazu bei, daß andere diesen Dienst leisten können.
Wir stehen zur Wehrpflicht, meine Damen und Herren; das ist wichtig. Wir freuen uns über die Unterstützung der Wehrbeauftragten gerade auch bei diesem Thema. Sie hat in ihrem Bericht deutlich gemacht, daß auch sie die Wehrpflicht für wichtig erachtet. Ich will nicht wiederholen - ich habe das neulich schon einmal vorgerechnet; der Kollege Schmidt wird sich daran erinnern -, was die Koalition getan hat, um die Leistungen für die Wehrpflichtigen so deutlich zu erhöhen, daß selbst die SPD sprachlos war.
- Aber es war alles richtig. Man muß bei Ihnen ab und zu etwas deutlicher formulieren, damit es auch ankommt.
Im Zusammenhang mit dem Thema Gelöbnisse - wir wissen, daß die Wehrbeauftragte sehr dafür ist, daß sich die Bundeswehr öffentlich darstellt - gab es manches, über das wir hier schon gesprochen haben. Die Verweigerung des Gelöbnisses in Frankfurt/ Oder durch SPD und PDS zusammen, wovon sich die SPD-Bundestagsfraktion distanziert hat,
was zu begrüßen ist und wofür ich dankbar bin, oder das unsägliche Verhalten von Herrn Trittin, über das man gar nicht oft genug reden kann,
sind Sachverhalte, die in der Tat nicht zu akzeptieren sind.
Jürgen Augustinowitz
Ich möchte aus einem Leserbrief von Hauptmann Dr. Heiner Möllers aus „Bundeswehr aktuell" von Montag zitieren:
Feierliche Gelöbnisse müssen meines Erachtens öffentlich stattfinden, wenn der Soldat erfahren soll, daß er nicht nur für die Bundeswehr, sondern für das ganze Deutschland und seine Bevölkerung ... da ist, wenn es darauf ankommt.
Er schreibt weiter:
Deswegen handelt es sich bei einem Gelöbnis niemals um „überkommenes Brauchtum", sondern um Sinnstiftung!
Der Leserbrief endet:
Der Wehrpflichtige, der Staatsbürger in Uniform, hat einen Anspruch darauf, daß die Gesellschaft seinen Dienst anerkennt und ihn nicht nur duldet ...
Ich finde, das ist eine schöne Formulierung, die in Antwort auf das gekommen ist, was Ihr Parteivorsitzender zu diesem Thema gesagt hat.
Meine Damen und Herren, ich muß an dieser Stelle deutlich sagen: Das Auftreten von Trittin und anderen in Berlin, Schulter an Schulter mit „Mörder" -Rufern, PDS-Genossen und Autonomen,
war ein schlimmes Bild, aber auch ein wichtiges Bild für die deutsche Öffentlichkeit. Dieses Beispiel macht deutlich, welche Gefahren der Bundeswehr durch Rotgrün drohen.
- Daß auch Sie klatschen, begrüße ich sehr, Frau Altmann.
Ich gebe hier zu Protokoll, liebe Kolleginnen und Kollegen,
daß die Bundeswehr am meisten unter Rotgrün zu leiden hätte. Das muß deutlich ausgesprochen werden.
Ich möchte noch etwas zum Thema Tradition sagen. Wir wollen beim Thema Tradition keine Bilderstürmerei in der Truppe. Mit diesem Thema muß sachlich und vernünftig umgegangen werden. Wir
müssen berücksichtigen, daß es auch Soldaten der Wehrmacht waren, die unsere demokratischen Streitkräfte aufgebaut haben. Als Beispiel für viele andere nenne ich an dieser Stelle den ersten Generalinspekteur der Bundeswehr, General Heusinger. Ich finde, das gehört auch mit zu diesem Thema.
Ich komme zum Kollegen Heistermann: Ich möchte mich als Mitberichterstatter für den Bereich der Wehrbeauftragten sehr herzlich bei dir für viele gute Gespräche und gute Ratschläge bedanken. Wir haben in all diesen Fragen immer hervorragend zusammengearbeitet. Ich glaube, man kann insgesamt sagen, daß du wesentlich dazu beigetragen hast, das Verhältnis im Ausschuß sehr konstruktiv zu gestalten.
Wir werden dich vermissen und wünschen dir für die Zukunft alles Gute.
Vielen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache.Wir kommen zu den Abstimmungen und Überweisungen, zunächst zur Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1997 der Wehrbeauftragten, Drucksachen 13/10000 und 13/ 11067. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung einmütig angenommen worden ist.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 13/11147. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.Ich rufe nun die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Jahresbericht 1996 der Wehrbeauftragten auf. Das ist die Drucksache 13/10071. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag auf Drucksache 13/8851 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 244. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Juni 1998 22771
Vizepräsident Dr. Burkhard HirschHandzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuß gemäß Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes auf; das ist die Drucksache 13/11005. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen des Hauses bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen worden ist.Dann rufe ich die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen auf Drucksache 13/11146 auf. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 13/10352 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? - Das ist ersichtlich nicht der Fall. Ich sehe und höre im übrigen keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Traditionspflege der Bundeswehr auf; das ist die Drucksache 13/10940. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/10279 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.Dann rufe ich die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses zum Antrag der Gruppe der PDS zur Abschaffung der Wehrpflicht, Drucksache 13/7033, auf. Der Verteidigungsausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/4461 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des größten Teils der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung im übrigen angenommen worden ist.
- Der Grünen und eines Mitgliedes der PDS.Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 10a bis 10g auf:a) Beratung des Schlußberichts der EnqueteKommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"zum ThemaDeutschlands Weg in die Informationsgesellschaft- Drucksache 13/11004 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung InnenausschußRechtsausschußAusschuß für WirtschaftAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugendb) Beratung des Ersten Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 7. Dezember 1995zum ThemaMeinungsfreiheit - Meinungsvielfalt - WettbewerbRundfunkbegriff und Regulierungsbedarf bei den neuen Medien- Drucksachen 13/3219, 13/6000 -Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Post und TelekommunikationAusschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzungc) Beratung des Dritten Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"zum ThemaKinder- und Jugendschutz im Multimediazeitalter- Drucksache 13/11001 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Innenausschußd) Beratung des Vierten Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"zum ThemaSicherheit und Schutz im Netz - Drucksache 13/11002 —Überweisungsvorschlag:Innenausschuß Rechtsausschuße) Beratung des Fünften Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien inVizepräsident Dr. Burkhard HirschWirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"zum ThemaVerbraucherschutz in der Informationsgesellschaft- Drucksache 13/11003 -Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Wirtschaft Rechtsausschußf) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik Deutschland 1998- Medienbericht 1998-- Drucksachen 13/10650, 13/10884 Nr. 1.2, 13/ 11156 -Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Otto Wilhelm Thomas KrügerManfred SuchDr. Max StadtlerUlla Jelpkeg) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Rezzo Schlauch, Christa Nickels, Dr. Antje Vollmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSicherung der Staatsferne und der Rundfunkfreiheit im Deutschland-Radio- Drucksachen 13/1429, 13/9069 - Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Otto Wilhelm Thomas KrügerRezzo Schlauch Dr. Max Stadler Ulla JelpkeNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Es sind, wie ich Ihnen erfreulicherweise mitteilen kann, alle Reden zu Protokoll gegeben worden, und zwar von Dr. Martin Mayer, Wolfgang Börnsen, Michael Meister, Doris Barnett, Rezzo Schlauch, Dr. Max Stadler, Wolfgang Bierstedt und Siegmar Mosdorf. Ich nehme an, daß Einverständnis damit besteht, daß diese Reden zu Protokoll genommen werden.*)Wir kommen dann zu den Abstimmungen und Überweisungen.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 13/11004 federführend an den Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Innenausschuß,*) Anlage 4den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen.Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Ich sehe und höre im übrigen keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/6000 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse und zusätzlich an den Innenausschuß vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch diese Überweisung so beschlossen.Dann komme ich zur Vorlage auf Drucksache 13/11001. Interfraktionell wird vorgeschlagen, diese Vorlage zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und zur Mitberatung an den Innenausschuß zu überweisen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? - Das ist ersichtlich nicht der Fall. Ich sehe und höre im übrigen keinen Widerspruch. Dann ist auch diese Überweisung so beschlossen.Ich komme zur Drucksache 13/11002. Interfraktionell wird vorgeschlagen, diese Vorlage zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch diese Überweisung so beschlossen.Ich komme zur Drucksache 13/11003. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Ich sehe und höre im übrigen keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Dann komme ich zur Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum Bericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik, Drucksache 13/11156. Der Ausschuß empfiehlt, den Bericht auf Drucksache 13/10650 zur Kenntnis zu nehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Wir nehmen also diesen Bericht zur Kenntnis.Ich komme nun zur Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sicherung der Staatsferne und der Rundfunkfreiheit im Deutschland-Radio, Drucksache 13/9069. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/1429 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen wurde.Vizepräsident Dr. Burkhard HirschIch rufe die Tagesordnungspunkte 12a und 12 b auf:a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPDNichterledigung der Arbeiten der EnqueteKommission „Demographischer Wandel"- Drucksache 13/10870-b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.Fortsetzung der Arbeit der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel"- Drucksache 13/11133 -Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten Peter Keller das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst in aller Ruhe mit einer Feststellung beginnen: Ich persönlich bin davon überzeugt, daß es alle Mitglieder der Enquete-Kommission begrüßt hätten, einen Abschlußbericht mit konkreten Handlungsempfehlungen auf den Tisch legen zu können.
Aber Sie alle kennen die Bandbreite dieser Thematik - von demographischer Entwicklung, dem Arbeitsmarkt, den sozialen Sicherungssystemen, der Familie, sozialen Diensten bis zu Migration und Integration. Dazu gehörte die Einarbeitung einer Reihe von Sachverständigengutachten, .bis hin zum letzten Prognos-Gutachten vom 20. Mai 1998. Wir mußten feststellen, daß dies leider in der verfügbaren Zeit nicht vollständig zu bewältigen war.
Auch dazu noch eine persönliche Anmerkung: In den Gremien unserer Enquete-Kommission habe ich seit Anfang 1997 in Anbetracht dieser komplexen Zusammenhänge immer wieder darauf gedrängt, mit einer breiten politischen Diskussion der einzelnen Themenfelder zu beginnen. Dies ist aber leider nicht rechtzeitig geschehen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, eigentlich sollten Sie sich noch jetzt überlegen, Ihren Antrag zurückzuziehen und unserem Antrag, weil er in die Zukunft weist, zuzustimmen. Warum? Bei unserer Obleute-Besprechung am 28. Mai war es Ihr Vorschlag, Herr Kollege Fuhrmann, den Bericht während der parlamentarischen Sommerpause im Sekretariat fertigstellen zu lassen. Sie waren damit einverstanden, in der ersten Plenarwoche, also am 1. September, eine Kommissionssitzung zum Bericht abzuhalten, weil aus Ihrer Sicht die Monate Juli und August als Termine für die Kommissionsarbeit nicht in Betracht kämen. Deshalb finde ich persönlich es nicht in Ordnung, am gleichen Tag - also am 28. Mai
- diesen polemischen Antrag entgegen unseren einvernehmlichen Vereinbarungen einzureichen.
Ich frage Sie einfach einmal: Wo liegt darin die Logik und wo die Ehrlichkeit? Daher kann ich die heutige Debatte über Ihren Antrag nur mit einem Begriff beschreiben: ein Stück Wahlkampfgetöse.
Für mich enthält Ihr Antrag ein weiteres Indiz dafür, daß ich mit meiner Vermutung nicht ganz falschliege. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen Antrag zur Geschäftsordnung. Doch in der Begründung gibt es überwiegend nur noch polemische Unterstellungen. Offenbar ist Ihnen keine sachliche Argumentation mehr eingefallen. Das wundert mich nicht. Denn Sie wissen selbst genauso gut wie ich, daß die Mitglieder der Enquete-Kommission und auch die Mitarbeiter des Sekretariats mit großem Engagement gearbeitet haben. Dafür möchte ich dem Sekretariat an dieser Stelle auch einmal öffentlich herzlich Dank sagen.
Was mich wirklich geärgert hat, ist Ihre Behauptung, daß der demographische Wandel von den Koalitionsfraktionen und vom Bundeskanzler als Kampfbegriff gegen den Sozialstaat und als Alibi für eine verfehlte Politik der Bundesregierung eingesetzt werde. In einer Enquete-Kommission ist das für mich reine Polemik, die ich ablehne.
Für mich persönlich ist demographischer Wandel ein wertneutraler Begriff. Ich frage Sie einfach einmal: Gibt es bei uns in Deutschland und in Europa demographische Veränderungen oder nicht? Sie alle kennen die Zahlen: Die heute über 60jährigen -17 Millionen an der Zahl - stellen 21 Prozent der Bevölkerung; jeder fünfte ist also über 60. In 35 Jahren werden das 25 Millionen Menschen sein; dann ist jeder dritte über 60. Das ist doch eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wirkt sich die Veränderung des Bevölkerungsaufbaus auf unsere Familien- und Gesellschaftsstruktur etwa nicht aus? Sind die Anpassungen unserer Sozialversicherungssysteme deshalb nötig, oder sind sie nicht nötig?
Ich sehe den demographischen Wandel als Herausforderung, aber mehr noch sehe ich ihn als Chance, die wir nutzen sollten. Deshalb haben wir die Herausforderung durch den demographischen Wandel zum Beispiel für die Rentenversicherung angenommen und haben politisch gehandelt. Wenn die Menschen immer älter werden, müssen wir entweder die Beiträge in der Rentenversicherung erhöhen oder aber - das ist unsere Position - die Lasten zwischen den Generationen gerecht verteilen. Nur so können wir Generationskonflikte vermeiden und den sozialen Frieden zwischen den Generationen erhalten. Durch die Einführung eines demographischen Faktors in der Rentenreform 1999 wird es keine Rentenkürzung, sondern nur einen langsameren Anstieg der Rentenerhöhung geben.
Peter Keller
Lassen Sie mich noch auf einen positiven Aspekt unserer bisherigen Arbeit hinweisen. Wir haben erfahren, daß der demographische Wandel, verbunden mit der längeren Lebenserwartung, auch einen Zugewinn an Lebenschancen und Lebensqualität bedeutet. Ich meine, wir müssen der zum Teil bestehenden öffentlichen Meinung entgegentreten, daß Älterwerden mit Krankheit und Hinfälligkeit einhergeht. Denn das Gegenteil ist der Fall. Frau Professor Lehr hat das mit einem treffenden Schlagwort formuliert: Die Älteren von heute haben mehr Kompetenz im Alter als die von früher. Anders ausgedrückt: Der 30jährige von heute hat die gleiche Kompetenz wie ein 60jähriger in der vorhergehenden Generation. Ich meine, das ist eine positive Sache.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eine Schlußbemerkung. Angesichts der interessanten, aber komplexen Querschnittsaufgaben weisen wir mit unserem Antrag - wie Sie wissen, wenn Sie ihn genau gelesen haben - einen gangbaren und richtigen Weg. Erstens: Der Deutsche Bundestag fordert die Enquete-Kommission auf, unter Einarbeitung des Prognos-Gutachtens bis zum Ende der 13. Wahlperiode einen Zwischenbericht vorzulegen. Zweitens: Dem 14. Deutschen Bundestag wird empfohlen, die Enquete-Kommission erneut einzusetzen, um die Arbeiten sachgerecht und solide abschließen zu können.
Wenn es Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD um die sachliche Arbeit geht, müßten Sie diesem Antrag zustimmen. Dazu möchte ich Sie jetzt nochmals auffordern.
Herr Kollege Keller, mir ist gesagt worden, daß das heute Ihre letzte Rede im Bundestag war.
Sie haben dem Bundestag seit 1980 mit einer dreijährigen Unterbrechung, also immerhin 15 Jahre, angehört, und Sie waren außerdem Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und der Westeuropäischen Union. Sie haben sich außerhalb dieses Hauses sehr um die Arbeitnehmerbildung gekümmert und sich Verdienste erworben.
Ich möchte Ihnen den Dank des Hauses für Ihre parlamentarische Arbeit aussprechen.
Damit gebe ich das Wort der Abgeordneten Gabriele Iwersen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Jetzt möchte ich Ihnen einmal die Variante, die die SPD erkannt hat, vortragen.
Für die letzte Sitzungswoche der 13. Wahlperiode war schon vor Wochenden - so würden wir sagen, wir haben unsere besondere Art, den Plural zu bilden - festgelegt, daß die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" ihren Schlußbericht vorlegen würde. Das ist absolut normal. Die Enquete-Kommissionen arbeiten in der Regel immer so, daß sie zum Ende der Periode fertig werden. Die Tatsache, daß sie damit praktisch in den Wahlkampf hineinkommen, kann in diesem Falle nicht berücksichtigt werden. Dazu wird ja auch zuviel Neutralität von Enquete-Kommissionen erwartet.
Vor vier Jahren hatte die Kommission gleichen Namens nach nur zwei Jahren Arbeit mit einem Zwischenbericht abgeschlossen. Zu umfangreich war das Aufgabengebiet, und eine erneute Konstituierung in der 13. Wahlperiode wurde einvernehmlich angestrebt. Also war der Zwischenbericht völlig klar.
Weitere drei Jahre intensiver Arbeit von zwölf Abgeordneten aller Fraktionen und Gruppen und zwölf sachverständigen Mitgliedern in dieser Periode führten zu zusätzlichen Ausgaben von 4 704 000 DM für Expertisen, Honorierung der sachverständigen Mitglieder, das Sekretariat und zusätzliche Reisekosten. Eine ganz beachtliche Summe. Das allein rechtfertigt schon einen öffentlich verfügbaren Schlußbericht.
Da konnte folgender Beschluß des Koalitionslagers vom 2. Mai 1998 nur Befremden und Erstaunen auslösen. Ich zitiere:
Die jetzt vorliegenden Entwürfe für Empfehlungen sind keine ausreichende Diskussionsgrundlage. Sie müssen daher grundsätzlich neu bearbeitet werden.
Ein Armutszeugnis für die gesamte Kommission!
Dieses vernichtende Urteil trifft besonders hart die Sachverständigen, die auf ihrem jeweiligen Fachgebiet zu den besten Wissenschaftlern unseres Landes gehören. Es schafft auch kein zusätzliches Ansehen für Politiker, denen dadurch eher Arroganz und Ignoranz nachgesagt werden wird statt der erhofften Kompetenz.
Wie konnte es dazu kommen? Im Januar begann der massive Versuch von seiten der CSU, das Kapitel Migration als politisch nicht ausdiskutiert aus dem halbfertigen Bericht herauszukatapultieren.
Die Diskussion über Deutschlands Rolle als Einwanderungsland, über Erfolge und Mißerfolge bei der Integration von Zugewanderten und ihrer in Deutschland geborenen und hier aufgewachsenen Kinder sollte aus dem anstehenden Wahlkampf herausgehalten werden. Zusätzlich wurden jetzt neue Verhinderungsstrategien - diesmal für den gesamten Schlußbericht - entwickelt:
Das erwartete Prognos-Gutachten, von dem Herr Keller schon sprach, das im Auftrag des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger die „Auswirkungen veränderter ökonomischer und rechtlicher Rahmenbedingungen auf die gesetzliche Rentenversicherung" wiedergibt, sollte nun den ganzen Schlußbericht zu Fall bringen.
Leider war das Manöver zu leicht zu durchschauen; denn die Klausurtagung am 2. und 3. Mai, für ganztägige Beratungen aller fertigen Berichtsteile vorgesehen, wurde nicht genutzt, sondern endete
Gabriele Iwersen
im Streit um die Frage, ob man überhaupt beraten könnte, sollte oder, besser gesagt, wollte.
Dabei war klar, daß neue Texte weder von seiten der antragstellenden Politiker, also der Abgeordneten, noch von den Sachverständigen kommen würden, die das Ansinnen nur als schlichte Zumutung einstufen konnten. Sollten vielleicht die Ministerien aushelfen, um eine lupenreine Regierungsmeinung zu Papier zu bringen?
Aber, Kolleginnen und Kollegen, es kann ja nun wirklich nicht die Aufgabe einer Enquete-Kommission sein, so etwas zu akzeptieren. Dazu braucht der Steuerzahler auch nicht extra 4,7 Millionen DM zu investieren.
Aufgabe dieser Kommission war es, über die aktuellen Parteiprogramme hinaus möglichen Handlungsbedarf für die nächsten Jahrzehnte zu umreißen. Dabei fällt den Experten die Aufgabe zu, die Erkenntnisse über die parteipolitische Betrachtungsweise hinaus zu erweitern. Die Ergebnisse können deshalb auch niemals lupenreine Parteipolitik oder Parteiprogramme widerspiegeln. Sie sind mühsam erarbeitete Kompromisse, und sie werden zusätzlich durch Minderheitsvoten angereichert, die auf besondere Konfliktbereiche aufmerksam machen.
Die Weigerung der Koalition, die vorliegenden Analyseteile und die daraus resultierenden Empfehlungen im Zusammenhang zu diskutieren, zeigt ein merkwürdiges Politikverständnis und eine völlig falsche Auffassung vom Sinn und Zweck einer Enquete-Kommission. Der Scherbenhaufen, den Sie angerichtet haben, belastet aber leider das ganze Parlament.
Deshalb stellt sich wirklich die ernsthafte Frage: Läßt sich da überhaupt noch etwas retten? Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, verlangen jetzt in Ihrem Antrag, statt des Schlußberichtes einen Zwischenbericht vorzulegen - in der Hoffnung auf eine dritte Enquete-Kommission, die das Werk dann beenden soll.
Ein Zwischenbericht ist sicher besser als kein Arbeitsergebnis. Aber auch hier gilt: Die Kapitel, die jetzt abgeschlossen werden können, müssen Handlungsempfehlungen enthalten. Denn eine dritte Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" - so sie denn überhaupt zustande kommt - sollte auf keinen Fall noch einmal den gesamten Themenkomplex neu bearbeiten; dann würde sie in der nächsten Legislaturperiode nämlich wieder nicht fertig.
Ich bin ehrlich gespannt, welche Kapitel für den Zwischenbericht, den Sie sicherlich vor dem 27. September vorlegen wollen, Ihren Segen finden.
Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Damit gebe ich das Wort der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während alle anderen Enquete-Kommissionen entsprechend ihrem Auftrag dem Bundestag ihre Berichte vorgelegt haben, stehen die Mitglieder der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" hier heute mit leeren Händen und können keine Ergebnisse präsentieren. Nicht, daß wir vier Jahre lang nicht gearbeitet hätten: Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in den letzten Monaten erfolgten in einer Vielzahl von Sitzungen Detailabstimmungen der Handlungsempfehlungen, um einen möglichst gemeinsam getragenen Bericht vorzulegen.
Es gibt nur einen Grund, weshalb dieser Bericht hier heute nicht diskutiert werden kann oder, besser gesagt: nicht diskutiert werden soll: Die Ergebnisse, die die Sachverständigen und Abgeordneten erarbeitet haben, sind der Regierung unangenehm. Sie belegen die fehlgeleitete Politik und sollen vor der Bundestagswahl nicht nach außen dringen. Vorschläge, wie die Versteuerung der Renten, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit oder die Absenkung des Nettorentenniveaus, erfreuen die Wählerinnen und Wähler sicherlich ebensowenig wie eine vorgeschlagene Rationierung von Gesundheitsleistungen für ältere Menschen oder eine Erhöhung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge um mehr als 10 Prozent bis zum Jahre 2040.
Aber jetzt darüber zu schweigen und nach der Wahl die Katze aus dem Sack zu lassen, das nenne ich Wählerbetrug.
Das ist genau der Stoff, aus dem Politik- oder, besser gesagt: Politikerverdrossenheit entsteht. Solch ein Verhalten führt gerade dazu, daß sich junge Menschen verdrossen abwenden.
An dieser Stelle muß ich auch ein Wort an die SPD richten: Ich hätte mir von Ihnen in dieser Sache ein rechtzeitiges energischeres Auftreten gewünscht; denn die Fragestellungen und die Ergebnisse der Enquete-Kommission sind ungeheuer wichtig.
- Das machen wir.
In mehreren Anhörungen haben die Sachverständigen mit großer Eindringlichkeit darauf hingewiesen, die Herausforderungen der sich enorm wandelnden Gesellschaft anzunehmen und schon jetzt zu handeln. Wegducken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und F.D.P., hilft da überhaupt nicht weiter. Sie haben doch bis Mitte April in allen Arbeitsgruppen mitgearbeitet und Empfehlungen mit formuliert. Warum stehen Sie jetzt nicht mehr zu Ihrer Arbeit? Warum wollen Sie das Ergebnis erst nach der Wahl präsentieren?
Irmingard Schewe-Gerigk
Ist es eine Ironie des Schicksals, daß die EnqueteKommission Ergebnisse vorlegt, die mit Ihrem Parteiprogramm nicht kompatibel sind? Wer das erwartet hat, hat offensichtlich die Unabhängigkeit der beauftragten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschätzt.
Auch Ihr Versprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, bis zum 20. Juni eigene Empfehlungen vorzulegen, haben Sie nicht eingehalten. Das hatten Sie offensichtlich auch nicht vor.
Warum fehlt Ihnen eigentlich der Mut, einzugestehen, daß die Regierung vor der Wahl keinen Abschlußbericht wünscht? Ich finde Ihr Verhalten sehr unkollegial, und ich finde es auch unehrlich.
Es ist doch lächerlich, das Gutachten von Prognos jetzt dafür verantwortlich zu machen. Die Ergebnisse von Prognos liegen seit dem 20. Mai vor. Nun treten Sie die Flucht nach vorne an und fordern einen Zwischenbericht, natürlich ohne Handlungsempfehlungen; denn die sollen erst nach der Wahl bekanntwerden. Damit haben Sie sich einen Bärendienst erwiesen.
Ich werde im Wahlkampf nicht darauf verzichten, die Menschen über diesen Sachverhalt aufzuklären. Dem Mißbilligungsantrag der SPD wird meine Fraktion zustimmen.
Schauen Sie sich den zweiten Teil Ihres Antrages an, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Sie zeigen da selbst auf, wie die verfahrene Situation beendet werden kann. Sie geben zu, daß Sie das, obwohl Sie sich seit sechs Jahren damit beschäftigen, nicht mehr schaffen, und fordern eine Neueinsetzung der Enquete-Kommission in der nächsten Legislaturperiode. Sie wollen die Arbeit in andere Hände geben - nun zitiere ich Sie -, „um sie sachgerecht und solide abschließen zu können". Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Lisa Peters.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Ich habe eben im „Kürschner" geblättert und festgestellt, daß Christa Lörcher Geburtstag hat. Christa, ganz herzlichen Glückwunsch und alles Gute!
„Nichterledigung der Arbeiten der Enquete-Kommission ,Demographischer Wandel'" lautet die Überschrift des SPD-Antrags. Ich gebe zu, in dieser Sitzungswoche - so war unser langfristiger Terminplan - wollten wir den Endbericht hier im Bundestag diskutieren, und zwar zu einer ordentlichen Zeit, morgens um neun Uhr. Das waren unsere Vorstellungen.
Ich denke, alle Mitglieder der Enquete-Kommission, Wissenschaftler und Abgeordnete, sind der Meinung, daß sowohl in der 12. als auch in der 13. Wahlperiode ordentlich und gut gearbeitet wurde.
Ja, es wurde gut und einvernehmlich zusammengearbeitet. Wissenschaftler und Abgeordnete ergänzten sich im Wissen und in den Erfahrungen. Mein ganz besonderer Dank gilt dem Vorsitzenden. Unser Kollege Walter Link hat mit großer Sachkenntnis, Umsicht und Herzlichkeit diese Kommission geleitet. Es war manchmal sogar sehr harmonisch.
Damit soll es, wenn ich den SPD-Antrag richtig lese, nun erst einmal ein Ende haben. Der Deutsche Bundestag, also die hier anwesenden Damen und Herren, sollen die ganze Sache mißbilligen. Dieser Antrag - Herr Fuhrmann, Sie sind Obmann der SPDFraktion - wurde an dem Tag gestellt - das muß ich auch einmal sagen -, als wir ganz gemütlich beim Obleutegespräch in der Runde zusammensaßen.
- Nein, es hat mir nicht so gut gepaßt - wir haben Kollegialität gewahrt; das ist von allen Vorrednern schon betont worden -, daß Sie nichts davon gesagt haben. Ich fand das nicht fair.
- Ja, es ist so gewesen. - Ihre Begründung in dem Antrag geht auch ein bißchen an der Wahrheit vorbei; denn an ebendiesem Nachmittag - vielleicht war der Antrag schon geschrieben - haben wir ganz klar gesagt - Sie haben dem nicht widersprochen -, daß es einen Zwischenbericht gibt, und wir haben die Modalitäten festgelegt.
Zu dem, was Sie gesagt haben, Frau Schewe-Gerigk: Unsere Fraktion scheut keine Diskussion. Wir sprechen seit ganz langer Zeit alle Probleme an, die die Zukunft betreffen.
Wir sprechen sie sehr offen an. Es ist aber immer schwer, Verbündete zu finden. Wenn - wie ich gelesen und gehört habe - die SPD-Fraktion den Antrag zur Rentenreform 1999 zurückziehen will, wenn sie die Wahl gewinnt und die Regierung übernimmt, dann muß ich für mich feststellen, daß die Daten und Fakten der demographischen Entwicklung nicht wahrgenommen worden sind. Das ist so.
Ich denke, in allen Bereichen unserer Gesellschaft hat es sich längst herumgesprochen, daß, soweit planbar, die Daten der Geburtenentwicklung, die zukünftig längere Lebenserwartung sowie die Zahlen
Lisa Peters
des Arbeitsmarktes voll mit einbezogen werden. Das sind die drei Säulen.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten klare Aussagen auch von unserer Seite. Wir werden sie geben. Ich glaube, daran hat es auch nicht gemangelt. Wir werden immer gescholten, daß wir einen Schritt zu weit nach vorne gehen.
Es ist zutreffend: Wir wollten einen Endbericht vorlegen. Doch Anfang Mai stand fest, daß dieser Plan nicht mehr eingehalten werden konnte. Das Prognos-Gutachten sollte wesentlich früher - ich meine, im Februar - erscheinen. Es erschien dann im Mai. Eine sorgsame Abstimmung und Einarbeitung, an die auch ich geglaubt habe, konnte nicht mehr stattfinden. Dies war in der Kürze der Zeit wirklich nicht möglich. Ich muß mich bei denjenigen entschuldigen, die mich schon vorher darauf hingewiesen haben.
Auch am Montag haben wir darüber lange diskutiert. Die Rentenversicherungsträger und die Vertreter von Prognos haben für uns das Gutachten analysiert und Fragen beantwortet. Als das geschah, war für mich klar, daß wir noch vieles zu hinterfragen haben. Dieses Gutachten trifft klare Aussagen, die weite Teile unseres Berichtes betreffen.
Meine Fraktion lehnt - wie nicht anders zu erwarten war, Herr Fuhrmann - den SPD-Antrag natürlich ab. Wir stimmen dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu. Ich denke, daß wir dafür auch noch eine Mehrheit finden werden. Es kommen ja noch zwei Redner. Wir gehen ganz klar davon aus, daß wir bis zum Ende der Wahlperiode einen Zwischenbericht vorlegen. Einzelne Kapitel können abgeschlossen werden, auch wenn wir die angemessene formale Grundlage dafür noch nicht gefunden haben. Uns wird aus anderen Enquete-Kommissionen berichtet, wo auch das eine oder andere möglich war. Ich glaube, daß wir ebenfalls Möglichkeiten finden werden.
Mir kommt es besonders darauf an, daß wir auch die Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die der Kommission angehören, würdigen.
- Nein, das ist ganz klar so. Frau Iwersen. Ich habe am Montag feststellen können, daß die von Ihnen benannten Wissenschaftler von Ihrem Antrag noch nicht einmal etwas gewußt haben. Das haben sie uns am Montag offen gesagt.
Unsere Arbeit wurde in den vergangenen Jahren von der guten Zu- und Mitarbeit dieser Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen getragen. Sie haben unendlich viele Fragen beantwortet. Ich hätte mir einen anderen Abgang und auch einen anderen Abschluß gewünscht; aber das war unter diesen Gesichtspunkten nicht möglich.
Ich gehe davon aus, daß alles das, was im Bereich der Demographie, der Integration und Migration, des Wissens über die Familie, der sozialen Netzwerke,
der guten Arbeit der sozialen Dienste, der Erkenntnisse um die Gesundheitssysteme, der Pflegeversicherung und ihrer Auswirkungen, der Erkenntnisse über die Sicherung im Alter durch Renten und weitere Altersvorsorgemöglichkeiten erarbeitet wurde, für die Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie allen Gruppen und Bevölkerungskreisen schriftlich zur Verfügung gestellt wird. Nach meiner Ansicht wird all das zusammen eine Fundgrube sein. Wir werden für die Zukunft vieles davon nutzen können.
Mein Dank geht an alle. Insgesamt war die Arbeit sehr harmonisch. Ich persönlich habe sehr viel dazugelernt. Ich gehe davon aus, daß wir im Anschluß an diese Debatte beim Gespräch der Obleute zu einer vernünftigen Lösung kommen und daß, Herr Fuhrmann, so etwas Ähnliches wie Versöhnung unsere Enquete-Kommission beflügelt. Ich hoffe, daß die Dinge, die dann festgeklopft werden müssen, auch so eingehalten werden.
Schönen Dank.
Liebe Frau Peters, wir setzen mit Ihnen den Reigen derjenigen Kolleginnen und Kollegen fort, die mit dem Ende dieser Legislaturperiode aus dem Bundestag ausscheiden. Sie waren acht Jahre Mitglied, Schriftführerin dieses Hauses und zweite verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion. Sie haben sich außerhalb dieses Hauses große Verdienste um die landwirtschaftliche Hausfrauenbildung erworben. Ich muß Ihnen sagen: Wenn wir in der Fraktion auch nicht immer einer Meinung waren - -
- Ich gebe das hiermit ja zu Protokoll.- Wenn Sie in der Fraktion das Wort ergriffen haben, dann war das immer von einem herzerfrischenden Realismus und darum auch von beträchtlicher Wirkung.
Ich möchte Ihnen für Ihre Arbeit in diesem Hause herzlich danken.
Damit gebe ich das Wort der Abgeordneten Heidi Lüth.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Gewollt, geschmäht, verteufelt, als Sündenbock mißbraucht, den Menschen zur Last gelegt - der demographische Wandel! So ist es häufig in Presseveröffentlichungen zu lesen. Und nun wird dies eventuell sogar von der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" selbst behauptet.
Hat es nicht mehr als drei Jahre eine intensive Arbeit der Sachverständigen, des Sekretariats und der Abgeordneten gegeben? Liegen nicht Berichte der Arbeitsgruppen mit zum Teil schon abgestimmten Handlungsempfehlungen - die nicht nur an Symptomen laborieren, sondern bis zu den Ursachen vorgedrungen sind - vor?
Heidemarie Lüth
Will nun im Vorfeld der Wahlen vielleicht niemand von den großen Fraktionen den Bericht, vor allem jedoch die Handlungsempfehlungen haben? Will man sich im Vorfeld einer Wahlentscheidung durch weitreichende Empfehlungen nicht binden? Im Ergebnis der Arbeit dieser Enquete-Kommission steht nicht ein prognostischer Altenbericht, wie der Zwischenbericht einer war, sondern ein Bericht, der in seinen Empfehlungen die Grundlage für das Konzept einer Gesellschaft, geprägt durch den demographischen Wandel, sein müßte.
Kern der Diskussionen waren zwar die sozialen Sicherungssysteme, die jedoch mit der Entwicklung der Arbeitswelt, der Steuerreform und mit der Meisterung der globalen Fragen genauso zusammenhängen wie mit den Entwicklungsmöglichkeiten von Familien, den sozialen Diensten und auch den Fragen der Migration. Dies sind Fragen, die in der Öffentlichkeit diskutiert und auf die positive Antworten gebraucht werden, um allen Generationen die Gewißheit auf Zukunftssicherheit, gleichberechtigte Teilhaberechte und Lebenschancen zu vermitteln.
So ist dieser Bericht zuvörderst ein Zukunftsbericht; denn der Untersuchungszeitraum erstreckt sich bis in das Jahr 2040: eine Aufgabe - das müßte man hier vielleicht einmal sagen, darum sage ich es auch -, der sich keine andere Kommission zu stellen hatte.
Spätestens mit der Diskussion der vorliegenden Berichte und den Empfehlungen zeichnete sich jedoch ab, daß es einen Bericht im breiten Konsens nicht geben wird. Davon zeugte auch der Wille der Koalition im Mai 1998 anzukündigen, daß eigene Berichtsteile und Empfehlungen zur Diskussion gestellt werden sollen. Aber - es ist schon mehrfach gesagt worden - es hätte auch sein können, daß nur mir als Mitglied der Gruppe der PDS in der Enquete-Kommission diese noch nicht vorliegen, weil wir beratenden Status haben. Aber ich habe heute wahrgenommen, daß noch niemandem diese neuen Berichtsteile zur Kenntnisnahme vorliegen.
Da kam der späte Termin der Vorlage des PrognosGutachtens als Mäntelchen aus meiner Sicht gerade recht.
Den Druck, den die SPD macht, kann ich sehr gut verstehen und auch nachvollziehen. Auch ich bin der Auffassung, daß ein Bericht in dieser Woche hätte diskutiert werden können und müssen.
Eine weitere Verschiebung ändert an der Sachlage nichts, da bis Ende der 13. Wahlperiode die Verhältnisse im Bundestag so bleiben, wie sie heute sind. Soll die Arbeit der Enquete-Kommission aber fortgesetzt werden, dann muß der demographische Wandel in all seinen Folgen für alle Altersgruppen der Bevölkerung und in allen Bereichen erfaßt werden, ausgenommen die Kapitel, die bereits mit entsprechenden Handlungsempfehlungen vorliegen.
Danke.
Ich gebe dem Abgeordneten Andreas Storm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ziemlich genau drei Jahre her, daß die vom Bundestag eingesetzte EnqueteKommission „Demographischer Wandel" ihre Arbeit wieder aufgenommen hat. In diesen drei Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Kommission in einer Art und Weise verändert, wie sich dies im Sommer 1995 kaum jemand vorstellen konnte.
- Ja, natürlich.
Bis zur Mitte der 90er Jahre galt es nämlich unter den Experten als ausgemacht, daß der demographische Wandel nach dem Jahr 2015 nahezu automatisch zur Vollbeschäftigung führen würde. Im Zwischenbericht der Enquete-Kommission vom 20. Juni 1994 heißt es deshalb folgerichtig - ich zitiere -:
Die politischen Handlungsoptionen müssen berücksichtigen, daß im zu untersuchenden Zeitraum bis zum Jahr 2030 die Ungleichgewichtssituation auf dem Arbeitsmarkt von einem Arbeitsplatzmangel zu einem Arbeitskräftemangel wechselt.
Mit anderen Worten: Die massiven Arbeitsmarktprobleme unserer Tage würden sich alleine auf Grund der demographischen Entwicklung sozusagen in Luft auflösen.
Bereits das vom Prognos-Institut im Jahre 1995 für den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger erstellte Langfristgutachten, welches für die Arbeit unserer Kommission eine wesentliche Grundlage war, gelangte zu einem etwas anderen Ergebnis. Demnach wäre auch über das Jahr 2030 hinaus mit einer anhaltenden Sockelarbeitslosigkeit zu rechnen, die sich auf ein Niveau zwischen 4 und 6 Prozent einpendeln würde.
Mehrere zwischenzeitlich vorgelegte Langfristprojektionen anderer Institute haben eine zunehmend pessimistischere Einschätzung der langfristigen Arbeitsmarktentwicklung ergeben. Nunmehr hat auch das Prognos-Institut am 20. Mai sein neuestes Gutachten veröffentlicht. Über dieses Gutachten - Frau Peters hat es bereits erwähnt - hat die Enquete-Kommission erstmals am Montag dieser Woche mit Vertretern des Prognos-Instituts und des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger sprechen können. Dabei kommt Prognos in seinem pessimistischen Szenario nunmehr zu dem Ergebnis, daß für den gesamten Projektionszeitraum bis zum Jahr 2040 eine Arbeitslosenquote von deutlich mehr als 10 Prozent möglich erscheint.
Andreas Storm
Dieses pessimistische Szenario einer anhaltenden Massenarbeitslosigkeit hätte zur Folge, daß der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz von heute 42,1 Prozent auf deutlich über 50 Prozent des Bruttolohns ansteigen müßte. Ferner wäre mit einem spürbaren Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Steuerlast zu rechnen. Darüber hinaus könnte ein Ausgleich der öffentlichen Haushalte nur durch eine anhaltend hohe Neuverschuldung des Staates ermöglicht werden, die zu einer dramatischen Schulden-ZinslastSpirale und somit zu einer massiven Erblast für zukünftige Generationen führen würde.
Im Ergebnis hätte eine solche anhaltende Unterbeschäftigungssituation einen Anstieg der Staatsquote von heute weniger als 50 Prozent auf rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den nächsten vier Jahrzehnten zur Folge.
Diese wenigen Zahlen verdeutlichen: Seit der Vorlage des Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" vor vier Jahren ist es im Bereich der Wissenschaft zu einem Paradigmenwechsel hinsichtlich der Frage gekommen, ob der demographische Wandel langfristig automatisch zu einer Vollbeschäftigungssituation führt. Während diese Frage 1994 noch eindeutig bejaht werden mußte und somit Fragen nach der Vermeidung eines Arbeitskräftemangels im Vordergrund der Überlegungen standen, stellt sich die Lage heute ganz anders dar. Die Gefahr einer anhaltenden Unterbeschäftigungssituation kann nicht mehr völlig ausgeschlossen werden. Gewiß handelt es sich nur um Szenarien, deren Eintreten durch unser politisches Handeln verhindert werden muß. Deshalb müssen nunmehr politische Strategien im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen, die die Vermeidung einer solchen negativen Entwicklung zum Ziel haben. Diese wirklich beispiellosen Veränderungen der Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen muß die Kommission zur Kenntnis nehmen. Dem können sich auch die SPD - ich hoffe, Herr Fuhrmann, daß Sie mir da zustimmen - und die Grünen nicht verschließen.
Es macht auch keinen Sinn, so zu tun, als sei diese mögliche Arbeitsmarktentwicklung ohne Bedeutung für unseren Untersuchungsgegenstand, ganz im Gegenteil. Denken Sie nur an die Wechselwirkungen zwischen den sozialen Sicherungssystemen und der Arbeitsmarktentwicklung.
Wer nun glaubt, vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Beurteilung der in dieser Wahlperiode beschlossenen Sozialreformen im Bereich der Renten- und Krankenversicherung sowie der Beamtenversorgung könne in den nächsten zwei Monaten noch eine gemeinsame Empfehlung für die in den nächsten Jahren einzuleitenden weiteren Reformschritte erfolgen, der sieht dies sicherlich etwas kurzsichtig.
Deswegen möchte ich Sie noch einmal nachdrücklich auffordern, unserem Vorschlag zuzustimmen, der lautet: Die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" legt bis zum Ende der Wahlperiode einen Zwischenbericht vor. Dem neuen Bundestag wird empfohlen, erneut eine Enquete-Kommission
einzusetzen. Dabei sollten insbesondere die offenen Fragen der Reform der sozialen Sicherungssysteme im Mittelpunkt stehen.
Mit einer solchen Vorgehensweise können wir zeigen, daß wir in der Lage sind, in einer konzeptionellen Weise Politik zu machen, auch über den Wahltag hinaus, die sich vor den Bürgern sehen lassen kann.
Vielen Dank.
Jetzt gebe ich das Wort dem Abgeordneten Arne Fuhrmann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich muß vorweg erst einmal sagen: Verehrte Frau Peters, seit drei Tagen duzen wir uns, und dann haust du mich hier so in die Pfanne! Das ist, finde ich eine Katastrophe, das finde ich nicht in Ordnung,
vor allen Dingen, weil mit dem Antrag, den wir gestellt haben, überhaupt niemand in diesem Hause persönlich gemeint sein kann. Wir sind alle Profis genug und lange genug im Geschäft, um zum Beispiel eine solche, ich sage einmal: Albernheit gar nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß der Antrag meiner Fraktion am 28. Mai gestellt wurde, obwohl wir am 28. Mai noch zusammensaßen.
Um das hier auf den Punkt zu bringen und zu verdeutlichen, damit wir untereinander wirklich in Offenheit reden und nicht so tun, als wüßten wir nicht, worüber wir eigentlich reden: Ich erinnere die Kolleginnen und Kollegen aus der Enquete-Kommission an verschiedene Sitzungen, unter anderem an eine Sitzung im Arbeitskreis Familie, in der wir nach vielem Ringen endlich eine Formulierung zu meinem Vorschlag fanden, die wir als Option in den Bericht schreiben wollten, und der Beobachter eines Ministeriums aufstand und wörtlich sagte: Damit kann ich leben.
Um die Sache jetzt noch einmal punktuell zu benennen: Wir alle wissen, daß aus einem Bericht nichts geworden wäre - weder aus einem Zwischenbericht noch aus einem Endbericht -, wenn nicht die SPD diesen Antrag gestellt hätte.
Daß der nicht besonders erfreulich ist und uns allen keinen Spaß macht, muß ich nicht betonen. Ich spreche Walter Link für seine Leitung der Kommission, für seine faire, gute Art und Weise, diese Kommission zu führen, ausdrücklich meinen hohen Respekt aus. Ich spreche ebenfalls dem Sekretariat meinen hohen Respekt aus. Ihm gehören lauter fachkundige Frauen und Männer an, die das Ihre getan haben, um einen vernünftigen Bericht vorzulegen.
Arne Fuhrmann
Die leiden genauso unter der derzeitigen Situation, wie das unsere sachverständigen Mitglieder und zum Teil auch die Kolleginnen und Kollegen hier im Hause tun.
Aber mit den Begründungen - die dann immer wieder nach vorne geschoben werden -, daß noch ein Prognos-Gutachten fehle, daß dies noch nicht eingearbeitet sei und daß wir uns an einer bestimmten Stelle nicht hätten einigen können, die Arbeit am Bericht immer weiter zu verzögern, das konnten und wollten wir in der SPD-Fraktion nicht hinnehmen.
Ich sehe auf Grund der heutigen Debatte und der derzeitigen sachlichen Auseinandersetzung durchaus eine Chance, gemeinsam mit der gesamten Kommission noch einen Schritt weiterzukommen, als wir im Moment glauben erreichen zu können.
Wir gehen davon aus, daß wir nach dieser Diskussion und nach dem Antrag, den die CDU/CSU und die F.D.P. gestellt haben, wirklich einen Zwischenbericht abfassen können, in dem zumindest die von uns allen bisher unstrittig erarbeiteten Optionen zur Geltung kommen, wir sie also äußern können. Das gilt für die Bereiche Wirtschaft, Familie und zum Teil Migration. Über all diese Bereiche lassen wir mit uns reden.
Wir unterstützen auch die Absicht, in der kommenden Legislaturperiode entweder eine neue EnqueteKommission oder meinetwegen auch eine auf Dauer angelegte Einrichtung wie einen Unterausschuß einzusetzen, der sich fortlaufend mit den sozialen Sicherungssystemen befaßt, weil das ein Thema ist, das man heute sicherlich nicht abschließen und in drei oder vier Jahren neu diskutieren kann. Es wird vielmehr eine permanente Diskussion notwendig sein, damit wir in diesen Bereichen Sicherheit für alle - für die Parlamentarier in dem, was sie zu tun haben, und für die betroffenen Menschen, die auf das angewiesen sind, was Parlamentarier verabreden und tun - erreichen können.
Es gab nur wenige Ausrutscher. Lisa, ich bitte um Entschuldigung, ich wollte meine Eingangsbemerkung keineswegs auf dich persönlich münzen. Ich wollte vielmehr anbringen, daß wir uns jetzt endlich zum Ende deiner Zeit als Abgeordnete hier im Parlament duzen. Das ist ja etwas, wenn man über die Fraktionen hinaus miteinander eine ganz andere Art der Kommunikation betreibt. Das haben wir bisher ja auch in der Enquete-Kommission so gehandhabt: Wir haben miteinander über die Fraktions- und Gruppengrenzen hinaus in einer Art und Weise kommuniziert, die es möglich gemacht hat, heute und in den nächsten Tagen und Wochen im Prinzip in der Lage zu sein, einen Zwischenbericht vorzulegen, der sogar Hand und Fuß hat.
Weil ich und wir alle das insgesamt so sehen, ziehen wir, Herr Keller, unseren Antrag zurück.
Wir werden uns nicht schwertun, Ihren Antrag zu unterstützen, weil wir davon ausgehen, daß wir durch den Vorschlag, den ich Ihnen soeben gemacht habe, in die Situation kommen, auch die bislang unstrittigen Optionen in einen Zwischenbericht mit einzuarbeiten. Denn das sind wir denjenigen schuldig, die bisher daran gearbeitet haben. Da meine ich in erster Linie unsere sachverständigen Gutachter und sachverständigen Mitglieder.
Die haben einen Anspruch darauf, daß, mit ihrem Namen verbunden, ein Ergebnis präsentiert wird. Unser Selbstverständnis als Politiker schließt sich da in keiner Weise aus. Auch ich würde es begrüßen, wenn mit meinem Namen ein Ergebnis verbunden wäre. Ich denke, das geht Ihnen allen so. In diesem Sinne hoffe ich, daß wir im Anschluß an die Debatte eine gute Obleutebesprechung haben werden.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist der Antrag auf Drucksache 13/10870 zurückgezogen.
Dann haben wir noch über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zur Fortsetzung der Arbeit der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel" abzustimmen. Das ist die Drucksache 13/ 11133. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß dieser Antrag angenommen worden ist mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Gruppe der PDS.
Damit rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 13 und die Zusatzpunkte 3 bis 6 auf:
13. Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Gemeinsamen Übereinkommen vom 5. September 1997 über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle
- Drucksache 13/10715 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Drucksache 13/11027 -
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill Wolfgang Behrendt
Ursula Schönberger
Dr. Rainer Ortleb
ZP3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ursula Schönberger, Gila Altmann , Simone Probst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Einsetzung eines „Castor-Untersuchungsausschusses"
- Drucksache 13/11010 -
ZP4 Beratung des Antrags der Gruppe der PDS Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
- Drucksache 13/10934 -
ZP5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Müller , Robert Antretter, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Verstrahlte Atommülltransporte
- Drucksache 13/11078-
ZP6 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.
Transporte abgebrannter Brennelemente - Vertrauensschaden beheben
- Drucksache 13/11132 -
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Klinkert das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen und Wochen beherrschten Berichte über Grenzwertüberschreitungen bei Transporten von Brennelementen die öffentliche Diskussion. Zur Erinnerung: Niemand anders als Frau Bundesministerin Merkel hat, nachdem erstmals diese Überschreitungen dem BMU bekannt wurden, am 24. April, diesen Vorgang öffentlich gemacht und dazu die notwendige öffentliche Diskussion eingeleitet.
Was dann im Zuge der von Frau Bundesministerin angekündigten lückenlosen Aufklärung ans Tageslicht kam, ist schon bemerkenswert.
Tatsache ist: zirka 20 Prozent der Transporte mit beladenen und zirka 30 Prozent der Transporte mit unbeladenen Brennelementebehältern wiesen Grenzwertüberschreitungen auf. Ich bleibe dabei - das habe ich schon gestern bei der Anhörung gesagt -: Bei die-
ser Fülle von Überschreitungen handelt es sich nicht mehr um Einzelfälle, sondern liegt ein systematischer Fehler vor, der meldepflichtig gewesen wäre, insbesondere wenn man weiß, daß dies den Energieversorgungsunternehmen seit Jahren bekannt war.
Bis auf wenige Fälle ist den Länderaufsichtsbehörden davon auch nichts bekanntgeworden. Aber diese wenigen Fälle gab es. So hat der schleswig-holsteinische Energieminister Möller zugestehen müssen, von zwei Fällen in den Jahren 1994 und 1996 Kenntnis gehabt zu haben, ohne diese Kenntnisse an den Bund weitergeleitet zu haben. Warum der Minister so gehandelt hat,
kann ich hier nicht nachvollziehen. Nach seiner Aussage hielt er es für Einzelfälle. Möglicherweise hat es aber auch einen Interessenkonflikt derart bei ihm gegeben,
daß er einerseits als Minister Kontrolleur und andererseits als Mitglied des Aufsichtsrats von Preussenelektra Kontrollierter war.
Aber solches, liebe Kolleginnen und Kollegen, gab es nicht nur in Schleswig-Holstein - regen Sie sich nicht auf! -,
solches gab es auch in Niedersachsen. Auch Frau Griefahn war bis zu ihrer Entlassung als Aufsichtsratsmitglied tätig. Sie ließ allerdings geschickterweise erklären, sie sei gar nicht zuständig; das ginge alles nur etwas ihren Staatssekretär an.
Meine Damen und Herren, man muß sich einmal das berechtigte Geschrei der Opposition im Deutschen Bundestag vorstellen, hätte Frau Ministerin Merkel jemals ähnliches erklärt.
In der Zwischenzeit ist Frau Griefahn durch Herrn Schröder abgelöst worden, der seine Kompetenz vor allen Dingen durch eines zum Ausdruck bringt, nämlich durch Schweigen zu diesem gesamten Vorgang.
So hat dies alles - durch die gestrige Anhörung bestätigt -,
nicht den leisesten Beweis gebracht, daß der Bund irgend etwas von den Vorgängen vor dem 24. April gewußt hätte. So viel habe ich in der mir durch die Redezeit gebotenen Kürze zu den Vorgängen darstellen können, die in der Vergangenheit geschehen sind.
Wir müssen aber nach vorne schauen. Dabei sind insbesondere zwei Tatsachen wichtig:
Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
Erstens. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen ging von den Kontaminationen keine Gefahr für die Öffentlichkeit oder für die Beteiligten aus. Das gilt selbst für den praktisch unmöglichen Fall der Inkorporation der sogenannten hot spots.
Zweitens. Es gilt der von Frau Bundesministerin Merkel ausgesprochene Transportstopp für bestrahlte Brennelemente, der von allen Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird.
Drittens. In den letzten Tagen - lassen Sie mich das bitte auch noch sagen - gibt es neue Aufregungen um Transporte von Resten aus der MOX-Fertigungsanlage in Hanau in die Wiederaufarbeitungsanlage nach Dounray. Dabei handelt es sich - um das ganz klar zu sagen - um unbestrahltes Material, das formell nicht unter den Transportstopp fällt. Die Bundesregierung ist trotzdem der Auffassung, daß auf Grund der gegenwärtigen, emotionalisierten Debatte in der Öffentlichkeit nicht ausreichend zwischen Transporten von Brennelementen und Transporten von sonstigem radioaktivem Material differenziert wird. Deswegen soll der für die kommende Woche geplante Transport nicht durchgeführt werden.
Ich möchte jetzt zum Thema Brennelemente zurückkommen. Es geht überhaupt nicht um die Frage, wann Transporte von Brennelementen wieder durchgeführt werden können. Vielmehr geht es ausschließlich um die Bedingungen, unter denen sie durchgeführt werden können. Genau diese Bedingungen sind im 10-Punkte-Plan der Ministerin fixiert. Dort steht unter anderem, daß die Ursachen der Kontaminationen aufzuklären seien, daß technische Maßnahmen zu ihrer Vermeidung zu prüfen und umzusetzen seien und daß wir ein funktionierendes Meldesystem bräuchten. Dafür ist übrigens eine internationale Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien eingerichtet worden. Weiter steht in dem Plan, daß die Aufgaben- und Verantwortungsstruktur des Transportsystems mit dem Ziel überarbeitet werden soll, es betreiberunabhängiger zu gestalten.
Wir lassen uns bei der Abarbeitung des 10-PunktePlans nicht unter Druck setzen, gerade weil wir in Zukunft auf die friedliche Nutzung der Kernenergie weder verzichten wollen, noch verzichten müssen. Dafür muß allerdings wieder Vertrauen hergestellt werden. Man kann eben nach einem derart großen Vertrauensverlust, der durch die Energieversorgungsunternehmen verursacht wurde, nicht ohne weiteres zur Normalität zurückkehren. Jetzt sind die Energieversorgungsunternehmen am Zug. Sie täten besser daran, zunächst an Sicherheitsplänen als an Transportplänen zu arbeiten.
Dies sage ich mit aller Konsequenz. Ich weiß aber, daß die Grenzwerte auch bei Transporten von Brennelementen eingehalten werden können.
Herzlichen Dank.
Nun spricht der Abgeordnete Wolfgang Behrendt.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Herrn Staatssekretärs war ja sehr eindrucksvoll. Sie war auch deshalb eindrucksvoll, weil er sich sehr intensiv mit dem Splitter im Auge der norddeutschen Minister beschäftigt hat,
während er den Balken im Auge des bayerischen Ministers geflissentlich übersehen hat.
Auch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wissen, daß wir mittlerweile wissen, daß bayerische Regierungsvertreter schon seit 1986 von erhöhter Strahlung bei Atomtransporten wußten. Das heißt, daß das bayerische Umweltministerium schon vor zwölf Jahren davon gewußt hat. Der Sprecher dieses Ministeriums hat nun erklärt, daß das Ministerium nach eigenen Angaben keine weiteren Schritte unternommen und Nachforschungen nicht angestellt habe. Wie naiv und gutgläubig kann man eigentlich sein?
Im bayerischen Landtag ist zu Recht gefordert worden, daß diese Schlamperei und Kumpanei im Ministerium ein Ende haben müsse. Es ist gesagt worden, daß der Minister die Öffentlichkeit und das Parlament mit falschen Informationen versorgt habe, daß Goppel entweder von den eigenen Leuten für dumm verkauft worden sei oder aber bewußt die Mauer des Schweigens mit aufgebaut habe.
Es ist schon bezeichnend, daß die Wahrheit scheibchenweise ans Licht kommt, Sie aber Ihren Blick immer nur gen Norden richten und glauben, im Süden sei alles von paradiesischer Unschuld.
Dies ist auch bezeichnend für die Haltung der Bundesregierung. Herr Staatssekretär, ich habe in Ihren Ausführungen kaum eine selbstkritische Note gefunden.
Ich vermisse zumindest das Eingeständnis, daß diese
Bundesregierung im Grunde jahrelang gutgläubig
Wolfgang Behrendt
und naiv Zusicherungen geglaubt hat, ohne eine vernünftige und lückenlose Kontrolle durchzuführen,
und daß sie jahrelang von den wirklichen Problemen der nuklearen Entsorgung abgelenkt, die Probleme verharmlost, die Gegner diffamiert hat. Dazu haben Sie, Herr Kollege Grill, im übrigen auch einiges beigetragen.
Ich denke, die Vorfälle um die Castor-Transporte haben es noch einmal deutlich gemacht: Die deutsche Entsorgung und damit auch der Betrieb der Kernkraftwerke stehen auf tönernen Füßen.
Es klingt arrogant, wenn die Energiekonzerne jetzt schon wieder davon sprechen, Atommüll erneut durch Deutschland rollen zu lassen. Dann würden sie den Transportstopp als Politikum lächerlich machen.
In der heutigen Ausgabe der „Berliner Zeitung" heißt es hierzu:
Entweder leiden die Konzerne an Realitätsverlust. Oder sie haben aus Bonn versteckt die Botschaft bekommen, daß unter dem Strich alles beim alten bleiben kann. ... Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem, ...
- Soweit das Zitat aus der „Berliner Zeitung". Ich denke, es ist bezeichnend, daß auch die Presse die Haltung von Industrie und Bundesregierung so bewertet.
Aber die Uneinsichtigkeit manifestiert sich nicht nur in der Transportfrage. Sie manifestiert sich auch darin, daß immer noch zweifelhafte Endlagerprojekte ohne Prüfung von alternativen Standorten nach dem Motto „Augen zu und durch" weiterverfolgt werden.
Die Zweifel an der Eignung der deutschen Endlagerstandorte sind aber nicht geringer geworden. Die Bundesregierung stützt sich hier auf die gleichen Lobbyisten, die uns jahrelang weisgemacht haben, daß die Castor-Transporte sicher seien, Transporte, die gigantische Kosten verursacht haben. Diese Mittel dafür hätte man besser in die Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze in der Solarindustrie investiert.
Das Vertrauen in die Aussagen der Verantwortlichen der Atomindustrie zur nuklearen Entsorgung und nuklearen Sicherheit ist nicht nur in weiten Teilen des Parlaments auf dem Tiefpunkt angelangt,
sondern auch bei der Bevölkerung. Das Vertrauen ist erschüttert. Die Menschen bekommen mit, daß eine sichere nukleare Entsorgung nicht gewährleistet ist. Wer, wie Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, das offenbar tun, heute noch glaubt, daß die völlig überholten Entsorgungsgrundsätze von 1979 und von 1989 politisch durchzusetzen seien, der verkennt die politischen Realitäten in Deutschland. Wir werden das Problem der Entsorgung nur lösen können, wenn wir den Ausstieg aus der Kernenergie betreiben.
Der Ausstieg ist nicht nur machbar; er ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll. Wir haben in Deutschland gewaltige Überkapazitäten bei der Stromversorgung. Sie wissen genau, daß neue Kraftwerksbauten allenfalls ab dem Jahre 2010 notwendig sind. Es gibt zusätzliche Energieeinsparmöglichkeiten von annähernd 40 Prozent des heutigen Niveaus. Nutzen wir doch die vor uns liegenden Jahre für eine umweltverträgliche, sparsame und effiziente Energiepolitik. Ich denke, wir haben die Chance, zu einer Neuordnung zu kommen. Energieeinsparung, Effizienzsteigerung, die Nutzung der Solarenergie und die Begrenzung der radioaktiven Abfälle durch den Ausstieg aus der Kernenergie könnten wirklich die Basis eines Konsenses sein, der auch von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen werden könnte.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Beim Ausstieg Nummer eins zu sein, wäre ein lohnendes Ziel für unser Land. Dies würde auch die atomare Entsorgung erleichtern und weltweit ein bedeutendes Signal setzen.
Ich gebe das
Wort der Abgeordneten Ursula Schönberger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Eine der vornehmsten Aufgaben aller Parlamente ist die Kontrolle der Regierungen. Keine Frage, daß dies in besonderem Maße notwendig ist, wenn eine Regierung wie diese Gefahren für Mensch und Natur ignoriert und statt dessen einseitig die Interessen eines Teils der Wirtschaft vertritt.
Wir verfolgen mit unserem Antrag, einen Untersuchungsausschuß zum Castor-Skandal einzusetzen, zwei Ziele:
Einerseits wollen wir sicherstellen, daß eine tatsächliche, lückenlose Aufklärung der Vorgänge und der aufsichtlichen und rechtlichen Versäumnisse vorgenommen wird. Wir haben heute wieder gesehen,
Ursula Schönberger
daß es sich durchaus lohnt, noch weiter nachzuforschen. So müssen Sie, Herr Klinkert, Ihre Liste der informierten Länderaufsichtsbehörden nun um die bayerische erweitern, da sie bereits seit 1986 über das Kontaminationsproblem informiert gewesen ist.
Noch interessanter an dem heutigen Ereignis finde ich, daß Herr Goppel jetzt darauf hinweist, daß die Aufsichtspflicht doch schließlich beim Eisenbahn-Bundesamt gelegen habe. Sieht man einmal davon ab, daß es das Eisenbahn-Bundesamt erst seit der Bahnreform gibt, ist es jedoch immer wieder schön zu sehen, wie sich die Parteifreunde auf der Regierungsseite gegenseitig die Schuld zuschieben. Herr Goppel verweist jetzt auf den Bund, und Frau Merkel hat einmal versucht, Herrn Wissmann die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Damit aber nicht über gegenseitige Schuldzuweisungen die tatsächliche Aufklärung auf der Strecke bleibt, brauchen wir einen Untersuchungsausschuß.
Andererseits wollen wir sicherstellen, daß die Erarbeitung der notwendigen technischen, rechtlichen und organisatorischen Konsequenzen unter öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle geschieht. Glauben Sie denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, daß ausgerechnet die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, der Haus- und Hof-Gutachter der Bundesumweltministerin und der Atomindustrie, für diese Aufklärung sorgen wird?
Nein, da bleibt alles schön innerhalb des Atom-Klüngels. Da kommt irgendwann im Sommer ein schönes Gutachten heraus, das erklärt: Alles ist nicht so schlimm, jetzt kann wieder transportiert werden.
Das Parlament ist in der Zeit im Urlaub. Dann werden Sie, Herr Müller - wir werden Sie dabei sicherlich unterstützen -, wieder eine Sondersitzung des Umweltausschusses fordern, und die Regierungsmehrheit wird diese Sondersitzung ablehnen.
Eine Lehre kann aus den Ereignissen der letzten Wochen jetzt schon gezogen werden: Das eigentliche Ziel der Bundesregierung ist es, die Energieversorger vor tatsächlich einschneidenden Konsequenzen, die man auf Grund ihres jahrelangen Betruges ziehen müßte, zu schützen.
Herr Klinkert, als Nachhilfe für Ihr Erinnerungsvermögen: Nicht Frau Merkel, sondern Recherchen von Mycle Schneider aus Paris für einen Beitrag des WDR brachten die Kontaminationen ans Licht der Öffentlichkeit. Wir wissen nicht, ob Frau Merkel am 23. April das erste Mal über die Kontaminationen unterrichtet wurde. Sie wurde aber davon unterrichtet, daß am nächsten Tag der französische Inspekteur ein Fernsehinterview im WDR geben würde. Noch zehn Tage, nachdem Frau Merkel offiziell von den Kontaminationen unterrichtet wurde, fuhr ein Transport aus dem Atomkraftwerk Stade mit Billigung des Bundesumweltministeriums nach La Hague.
Erst als Frankreich jegliche Transporte untersagte und die öffentliche Empörung in Deutschland immer größer wurde, verhängte Frau Merkel den Transportstopp.
Nun könnte man sagen: besser spät als nie. Doch es gibt keinen rechtsverbindlichen Akt dieser Bundesumweltministerin gegenüber den Energieversorgern. Im Gegenteil: Wenn das Land Hessen die Nuclear Cargo Service anweisen will, von ihren Genehmigungen keinen Gebrauch mehr zu machen, dann droht Frau Merkel mit Weisungen.
In der Umweltausschußsitzung in der letzten Woche erklärte man uns, es handele sich bei dem Transportstopp von Frau Merkel um ein Gentlemen's Agreement. Wenn frau ein solches trifft, sollte sie sich vorher aber besser vergewissern, ob sie es wirklich mit Gentlemen zu tun hat.
Dazu muß ich Ihnen sagen: Die Vorstellung, die die Vorstandsvorsitzenden der Energieversorgungsunternehmen gestern in der Ausschußanhörung geliefert haben, zeugt vom Gegenteil. Wer jahrelange Rechtsverstöße als Phantom- und PR-Problem abtut, dem fehlt immer noch das notwendige Unrechtsbewußtsein. Es ist schon eine ungeheuerliche Dreistigkeit, wenn sich Herr Harig von der Preussenelektra hinsetzt und glaubt, jetzt fordern zu können, daß im Juli wieder transportiert werden kann, ohne daß sich materiell irgend etwas geändert hat.
Es darf keine Transporte mehr geben, bevor die Ursachen nicht restlos aufgeklärt sind und tatsächliche Abhilfe geschaffen worden ist. Abhilfe heißt, daß es wirklich zu keinen Grenzwertüberschreitungen mehr kommen kann. Keine Abhilfe bedeuten Äußerungen von Frau Merkel in Pressekonferenzen, daß ihr Problem nicht die Grenzwertüberschreitungen seien, sondern, daß die Betreiber keine Sondergenehmigungen dafür beantragt hätten, obwohl sie sie von ihr bekommen hätten. So geht es nicht.
Ein solcher Transportstopp muß natürlich auch für die Plutoniumtransporte nach Dounray gelten, und zwar nicht, Herr Klinkert, weil die Menschen nicht zwischen abgebrannten Brennelementen und anderen Stoffen differenzieren können, sondern deswegen, weil im Bericht der Bundesumweltministerin von letzter Woche explizit steht, daß die Firma Sie-
Ursula Schönberger
mens, Hanau, bekanntgegeben hat, daß auch Transportbehälter mit anderen Stoffen Grenzwertüberschreitungen aufgewiesen haben. Wenn Sie jetzt nichts unternehmen, ist das die Fortsetzung der Politik der letzten Jahre, nur dann zu handeln, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Ein letzter Satz: Natürlich kann man sich jetzt in den Wahlkampf verabschieden und sagen: Nach der Wahl muß es eine neue Bundesregierung geben, die den Ausstieg aus der Atomenergie organisiert. D'accord.
Sie wollten nur noch einen Satz sprechen, Frau Kollegin!
Es geht jetzt aber auch darum, akut Abhilfe zu schaffen, um neue Gefährdungen für die Bevölkerung zu verhindern. Da ist es unsere Aufgabe als Parlamentarier, bis zur letzten Minute präsent zu sein. In diesem Sinne bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen.
Ich gebe nun das Wort dem Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage zunächst einmal das, was ich eingangs meiner letzten Rede sagen wollte. Dazu bin ich nicht mehr gekommen. Das gilt aber auch heute noch: Frau Ministerin, wir stehen hinter Ihnen. Wir stehen vor Ihnen. Wenn es erforderlich ist, stehen wir auch neben Ihnen. Wir sind überall da, wo Sie uns brauchen.
Ich begrüße es sehr, daß die Kolleginnen und Kollegen von der SPD vernünftiger sind als die Grünen und sich dafür entschieden haben, nicht mehr den Rücktritt von Frau Merkel zu fordern und diesen Untersuchungsausschuß nicht mitzubeantragen.
Ich möchte zunächst auf einige Argumente des Kollegen Behrendt eingehen. Herr Kollege Behrendt, Sie haben gesagt, es gäbe jetzt eine außergewöhnliche Meldung, daß auch die Bayern - irgendein Beamter; ich habe es nicht genau mitbekommen, weil ich heute anderweitig beschäftigt war - Kenntnis hatten. Erkundigen Sie sich doch einmal bei der Frau Kollegin Caspers-Merk. Ich habe mich im Laufe der Tage mit ihr unterhalten.
Ich gehe davon aus, daß fast alle Lander Kenntnis von diesen Dingen hatten. Das habe ich schon seit Tagen behauptet, und ich sage Ihnen auch warum. Die Aufsichtsbeamten sind doch ständig in den Kernkraftwerken, über viele Jahre hinweg. Sie haben enge Kontakte zu den Mitarbeitern in den Kraftwerken. Sie haben enge Kontakte zu den Gutachtern. Sie merken doch, wenn man intensiv versucht, solche Behälter zum Transport abgebrannter Brennelemente zu reinigen. Das kann doch nicht verborgen bleiben. Ich gehe davon aus - ich darf das noch zu Ende sagen -, daß die meisten Länder das wußten. Mich interessieren besonders die Länder, die dann noch so scheinheilig sind und den Rücktritt von Frau Merkel verlangen. Das habe ich Ihnen schon das letzte Mal gesagt, und dabei bleibe ich: Der schleswig-holsteinische Energieminister mußte zugeben, daß seine Beamten Kenntnis hatten. Und ich habe letztes Mal behauptet, daß auch die hessische Aufsichtsbehörde Kenntnis hatte.
Ich werde Ihnen dafür in den nächsten Tagen noch die Beweise liefern.
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Behrendt?
Ja. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege.
Herr Kollege Friedrich, wenn Sie jetzt sagen, Sie gehen davon aus, daß mehr oder minder alle Länder Kenntnis hatten,
dann frage ich Sie: Warum hacken Sie dann einseitig auf einigen Ministern norddeutscher Länder herum und erwecken damit den Anschein, daß Sie von der eigentlichen Problematik ablenken wollen,
statt endlich einmal auf den Kern des Problems zu kommen und gemeinsam konstruktive Überlegungen anzustellen, wie man die Probleme der Entsorgung und des Transportes in Zukunft lösen kann?
Herr Kollege Behrendt, ich habe es gerade gesagt. Sie haben mich mit Ihrer Frage bloß ein bißchen unterbrochen. Mich interessieren die Minister, die die Scheinheiligkeit aufbringen, den Rücktritt von Frau Merkel zu for-dem, obwohl sie näher an den Vorgängen dran waren
und das wissen müßten. Erst einmal erfahren es die
Aufsichtspersonen der Länder in den Kraftwerken,
Dr. Gerhard Friedrich
und als allerletzte erfahren es die Leute im Bonner Ministerium. Ein Land hat inzwischen dem Bundesumweltministerium mitgeteilt, daß nicht einmal die GRS, die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, in den Kernkraftwerken etwas zu suchen habe, weil dort Landeshoheit herrscht.
Herr Kollege Behrendt, hätten Sie sich ein bißchen mit den Dingen befaßt, wüßten Sie, daß bei den Transporten die Strahlenbelastung zwischen dem Transportbehälter und dem Boden des Waggons angesiedelt war. Das kann man während des Fahrens eines Eisenbahnwaggons bekanntlich nicht messen. Die einzige Möglichkeit, diese Strahlenbelastung punktuell - da geht es um Teile in der Größe eines Fünfmarkstückes - zu messen, besteht beim Eingang, bei der Entladung, bei der Beladung und beim Auslaufen der Waggons. Dort haben jeweils die Landesbehörden die Aufsicht. Deshalb sage ich, daß die Länder viel näher dran sind. Als ehemaliger grüner Atomminister wie der Herr Kollege Fischer wäre ich sehr viel vorsichtiger, den Rücktritt von Frau Merkel zu fordern. Sonst muß er nämlich - -
Herr Kollege Friedrich, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Köhne?
Herr Präsident, den Satz würde ich gerne noch zu Ende führen: Sonst muß Herr Kollege Fischer noch einmal zurück ins Ministerium und aus Anstand erneut zurücktreten.
Bitte sehr.
Herr Kollege Friedrich, wäre es nach den Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, nicht konsequent, mit uns zusammen einen Untersuchungsausschuß zu fordern, um genau aufzuklären,
in welchem Maße Landesbehörden von diesen Dingen gewußt haben und sich dabei möglicherweise Pflichtverletzungen oder ähnliches haben zuschulden kommen lassen? Wäre es nicht notwendig, das umfassend aufzuklären, damit die Atomaufsicht zukünftig wieder funktioniert?
Jetzt müssen Sie beim Beifall vorsichtig sein. Im Gegensatz zum Kollegen Köhne habe ich meinen dritten Untersuchungsausschuß hinter mir. Gerade habe ich als Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses meine Rede, die ich heute abend nicht mehr halte, zu Protokoll gegeben. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Kollege:
Die Länder können sich auf den Standpunkt stellen, daß sie auf Grund der föderalen Ordnung eine Kontrolle durch ein Gremium des Deutschen Bundestages nicht akzeptieren. Ein Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages kann nur das Handeln und die Entscheidungen von Bundesbehörden und der Bundesregierung kontrollieren.
Es ist allerdings möglich - so war es in dem Untersuchungsausschuß „Plutonium"-, daß sich zum Beispiel meine Freunde in Bayern auf den Standpunkt gestellt haben, das Verfassungsrecht beiseite zu lassen und freiwillig alle Akten zu liefern, weil die Grünen sonst behaupten, wir hätten etwas zu verbergen.
- Herr Kollege, wenn Sie von den Ländern etwas wissen wollen, dann fragen Sie dort doch nach. Sie sind ja nur in wenigen Ländern vertreten, aber die Grünen sind in Hessen stark vertreten und sogar in der Regierung. Wenn Sie da Zweifel haben, dann setzen Sie doch einmal in Hessen einen Untersuchungsausschuß ein.
- Herr Kollege, bevor ich Ihre Zwischenfrage zulasse, möchte ich Ihnen noch sagen, warum die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses in Hessen dringend erforderlich ist. Ich habe in meinen Akten - sie liegen jetzt an meinem Platz - einen Auftrag des hessischen Umweltministeriums an den TÜV - ich glaube, es war der TÜV Baden -, das Problem der Kontamination von Behältern beim Transport abgebrannter Brennelemente zu untersuchen.
Ihre Parteifreundin behauptet in einem Brief, der auch in der Akte an meinem Platz ist, daß sie und ihr Ministerium davon keine Kenntnis hätten und auch nicht wüßten, was aus dem Auftrag herausgekommen sei. Es ist ganz seltsam, daß ein Ministerium den Auftrag gibt, ein Problem zu untersuchen, zugleich aber behauptet, das Problem gar nicht zu kennen. Wenn man einen Auftrag erteilt, Herr Kollege, dann bekommt man normalerweise einen Bericht.
Diese hessische Umweltministerin der Grünen behauptet, der Bericht fehle in ihren Akten. Der Bericht ist aber in den Akten des TÜV gefunden worden. Herr Kollege, deshalb besteht Anlaß, in Hessen einen Untersuchungsausschuß einzurichten.
Herr Kollege Schmidt, Sie können jetzt Ihre Frage stellen.
Ich hätte gern darauf verzichtet, Herr Präsident, aber ich muß jetzt doch fragen.
Erstens. Herr Kollege Friedrich, nachdem Sie so vehement für einen Untersuchungsausschuß in dem jeweiligen Land plädieren, frage ich Sie: Warum um Himmels willen weigert sich dann die CSU bis zum heutigen Tage, im Bayerischen Landtag den Untersuchungsausschuß, den Bündnis 90/Die Grünen wiederholt beantragt haben, endlich einzusetzen? Spätestens heute hat sich doch gezeigt, daß es etwas zu untersuchen gibt.
Zweitens. Warum weigern Sie sich dann, auf das Angebot unseres Fraktionsvorsitzenden, das er hier gemacht hat, einzugehen und zu sagen: Dann machen wir parallel den Bundestagsuntersuchungsausschuß. In den Ländern untersuchen Sie, was unter Fischer und in den Ländern geschehen ist; wir untersuchen, was in Zuständigkeit dieser Bundesregierung passiert ist. Wir sind sehr beruhigt; Sie brauchen sich keine Sorgen um den ehemaligen Umweltminister des Landes Hessen zu machen.
Herr Kollege, zum einen darf ich feststellen: Ein Untersuchungsausschuß hat nur dann einen Sinn, wenn man in die Akten schauen will
und wenn man Zeugen nach den Regeln der Strafprozeßordnung vernehmen will. Aber Sie behaupten ja nicht einmal, daß es bei Frau Merkel Akten gibt, aus denen sich ergeben könnte, daß Frau Merkel oder einer ihrer Beamten Kenntnis hatte.
Moment! Jetzt bin doch ich dran. - Das behaupten Sie nicht einmal. Es hat doch keinen Sinn, nicht vorhandene Akten anzufordern.
Zum zweiten befinden wir uns kurz vor einer Wahl. Herr Kollege, da Sie ohnehin davon ausgehen - ich nicht -, daß Sie bald regieren: Warten Sie doch ab, bis Sie dann Akteneinsicht haben!
- Herr Kollege, wir sollten uns einigen: Immer nur einer von uns beiden redet. Das wäre eine sinnvolle Regelung.
Herr Kollege, es dauert immer eine Zeitlang. Wir könnten hier ja nur Akten vom Bundesamt für Strahlenschutz anfordern. Die sind übrigens sehr langweilig, weil darin nämlich nur Unterlagen über die Genehmigungsauflagen und nicht über Messungen enthalten sind; denn für die Kontrollen ist das Bundesamt für Strahlenschutz bekanntlich nicht zuständig. Aber nachdem Sie einen Untersuchungsausschuß eingesetzt hätten, würde es Wochen dauern, bis Akten kommen, und dann ist die Wahl. Das ist doch nicht sinnvoll.
Aber wie gesagt: Sie sollten erst einmal eine Behauptung aufstellen.
- Da ist doch nichts aufzuklären. Der Minister hat doch heute offensichtlich erklärt, daß einer seiner Beamten Kenntnis hatte.
Was ist da noch aufzuklären? Ich muß Ihnen einmal sagen: Ein Minister ist darauf angewiesen, daß seine Beamten korrekte sogenannte dienstliche Erklärungen abgeben. Ich habe zuletzt am letzten Freitag mit dem bayerischen Umweltministerium geredet. Man hat mir gesagt: Alle Beamten haben einschlägige Erklärungen abgegeben.
Entsprechend war die Auskunft des Kollegen Goppel. Ich habe heute die Zeitungs- und Rundfunkmeldungen verfolgt; offensichtlich hat er jetzt andere Erkenntnisse und hat das bekanntgegeben. Daran ist nichts mehr zu untersuchen,
zumindest nichts, was wir nicht auch in einem normalen Verfahren mit den Ministerien - wenn Sie wollen, notfalls auch in irgendeiner Sitzung des Umweltausschusses, auch im Wahlkampf - klären können.
Ich teile völlig die Auffassung der grünen Kollegin, daß Transporte erst wieder stattfinden können, wenn genau bekannt ist, welches die technischen, naturwissenschaftlichen Ursachen dieser Überschreitung von Grenzwerten sind, und wenn wir sicher sind, daß wir das Problem technisch im Griff haben. Da sind wir uns einig. Dafür gibt es Gutachter. Das können wir bei Bedarf auch während des Wahlkampfes im Sommer im Umweltausschuß behandeln - aber erst, wenn uns die einschlägigen Gutachten vorliegen.
Dr. Gerhard Friedrich
Was da ein Untersuchungsausschuß außer etwas Wahlkampfgetöse zusätzlich bringen soll, weiß ich wirklich nicht.
Zum Schluß darf ich mir noch eine Anmerkung erlauben. Herr Kollege Behrendt, Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten wir Überkapazitäten im Bereich der Stromversorgung. Ja, wir haben Überkapazitäten; aber ich fürchte, Sie zählen da auch mit schlechter Rauchgasreinigung ausgestattete, alte, vorübergehend stillgelegte Kraftwerke mit.
Dann haben Sie, Herr Kollege Behrendt, noch gesagt, wir hätten ein Energiesparpotential von 40 Prozent, und Sie haben aus Versehen gesagt: beim Strom. Herr Kollege Müller, Sie verstehen davon wirklich etwas. Sie sollten ihm einmal sagen, daß das Energiesparpotential in dieser Größenordnung zwar besteht, aber vor allem im Bereich der Wärmeversorgung unserer Gebäude, der Heizungen. Wir könnten und müßten auch viel im Bereich des Verkehrs tun.
Beim Strom besteht nach allen Statistiken ein geringes Einsparpotential. Kollege Müller weiß das, und er wird es Ihnen im Wahlkampf noch erläutern.
Vielen Dank.
Nun gebe ich zu einer Kurzintervention der Abgeordneten Ursula Schönberger das Wort.
Herr Kollege, ich will es ganz kurz machen. Wenn Sie hier irgendwelche Dinge nur so halb vortragen, sollten Sie beim nächstenmal Ihre Akten vielleicht lieber doch mit zum Rednerpult nehmen,
denn dann wissen Sie ganz genau, worum es geht.
Sagen Sie doch lieber dazu, daß der Auftrag, der in Hessen an den TÜV vergeben wurde, damals unter dem CDU-Minister Weimar vergeben wurde und es dann keine Übergabe dieser Vorgänge an das neue Ministerium gegeben hat.
Ich denke, darüber sollte man durchaus auch sprechen, denn sonst entsteht hier ein falscher Eindruck. Das wollen wir doch alle nicht.
Herr Dr. Friedrich, bitte.
Frau Kollegin, zunächst einmal gibt es in einem Ministerium keine freiwillige Übergabe von Akten, sondern ein Minister, der sein Haus verläßt und an einen Nachfolger übergibt, hinterläßt alle Beamten und alle Akten.
sein!)
Das Wissen bleibt also erhalten. Es kann sein, daß Grüne manchmal persönliche Akten, weil sie einen unangenehmen Inhalt haben, herausnehmen, aber üblich ist das nicht. Die Akten werden komplett übergeben,
und das Wissen geht auf den Nachfolger über.
Außerdem, meine Damen und Herren, ist es richtig, daß der Auftrag - ich habe ihn hier liegen - im Jahre 1989 erteilt worden ist. Er ist verlängert worden, und deshalb gab es auch später offensichtlich Berichte. Das wollen wir genau wissen. Wir wollen von der hessischen Landesregierung wissen: Warum verschwinden Berichte des TÜV aus den Akten des hessischen Umweltministeriums, und warum existieren diese Unterlagen, wie ich höre, mit Unterschrift beim TÜV?
RWE wird am kommenden Freitag Akteneinsicht nehmen. Ich hoffe, daß sie dort vollständige Akten vorfinden.
Vielen Dank.
Ich gebe dem Abgeordneten Rolf Köhne das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist auf jeden Fall keine Kleinigkeit, keine läßliche Sünde, wenn bei Atomtransporten seit Jahren Grenzwerte um das Dreitausendfache überschritten werden und wenn dabei auch gefährliche Alphastrahler entdeckt werden.
Die damit verbundenen Risiken sollten nicht verniedlicht werden. Schließlich existieren die einzuhaltenden Grenzwerte nicht aus Jux und Tollerei. Die radioaktiven Partikel können sich durch Wind und Witte-
Rolf Köhne
rung ablösen, durch Einatmen und durch Nahrungsaufnahme in das Innere von Menschen, Tieren und Pflanzen geraten und dort krebserregend wirken.
Wir erwarten deshalb, daß das ausgesprochene Transportverbot juristisch untermauert wird. Vor allem erwarten wir, daß es so lange gilt, bis dem Deutschen Bundestag die exakten Ursachen bekanntgegeben worden sind und der Vollzug der Abhilfe berichtet werden kann.
Die genauen technischen Ursachen bedürfen sicherlich noch der näheren Klärung. Fest steht allerdings heute schon zweierlei: Die Atomkraft ist technisch nicht beherrschbar. Das hat sich wieder einmal erwiesen. Und noch viel schlimmer: Die Atomindustrie ist nicht kontrollierbar.
Herr Kollege Behrendt, die bayerische Landesregierung ist sicherlich nicht naiv, sondern sie ist schlicht und ergreifend über die Viag und Herrn von Waldenfels mit der Atomindustrie verflochten und verquickt. Deswegen gibt es da eine gewisse Interessenidentität.
Aber auch Preussenelektra macht nicht aus Jux und Tollerei oder aus Menschenfreundlichkeit solche Angebote, Ministern der schleswig-holsteinischen und der niedersächsischen Landesregierung ein Aufsichtsratsmandat zur Verfügung zu stellen. Die erwarten doch auch etwas davon; sonst machen sie das normalerweise ja nicht.
Man muß sich darüber im klaren sein, daß auch die Aufsichtsbehörden der Länder teilweise große Schwierigkeiten haben. Im Grunde genommen sind sie sehr stark darauf angewiesen, Informationen aus der Atomindustrie zu bekommen. Das Problem ist die Schwierigkeit, jemanden zu kontrollieren, wenn man auf dessen Informationen angewiesen ist und wenn man teilweise auch noch von dessen Geld lebt. Das muß einmal ganz deutlich betont werden.
Deshalb sind wir der Meinung, daß diese Dinge genau untersucht und aufgeklärt werden müssen und daß geklärt werden muß, ob bei den Atomtransporten gegen Pflichten, Gesetze oder Verordnungen verstoßen wurde, ob sich die Behörden des Bundes oder der Länder bei Genehmigungen, Zulassungen oder der Überwachung von Atomtransporten Pflichtverletzungen schuldig gemacht haben und warum einerseits diese Grenzwertüberschreitungen in den verschiedensten beteiligten Kreisen seit langem bekannt waren, aber andererseits keiner irgendwelche Aktivitäten zur Lösung der Probleme in Gang gesetzt hat.
Wir halten diese Fragen für wichtig, obwohl wir aus der Atomenergie aussteigen wollen. Denn auch für die Abwicklung wird es notwendigerweise Transporte geben. Dazu brauchen wir nicht nur sichere Transport- und Lagerbehälter, dazu brauchen wir auch Bundes- und Landesbehörden, auf die man sich verlassen kann und die ihre Atomaufsicht ernst nehmen. Das scheint mir momentan überhaupt nicht mehr gegeben zu sein.
Lassen Sie mich noch ein weiteres Thema kurz anreißen. Wir sind dafür, daß unverzüglich ein Verbot der Wiederaufarbeitung ausgesprochen wird. Wir sind des weiteren für ein Verbot der Verbringung von radioaktiven Abfällen ins Ausland. Die notwendigen Schutzvorschriften werden sowohl in La Hague wie auch in Sellafield nachweislich nicht eingehalten. Das Gesetz zum Übereinkommen über die nukleare Entsorgung lehnen wir deshalb ab. Ansonsten hoffe ich, daß wir dem Atomausstieg in der nächsten Legislaturperiode näherkommen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe der Abgeordneten Birgit Homburger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns jetzt seit zwei Monaten mit den Kontaminationen der Transportbehälter für die bestrahlten Brennelemente. Durch zwei öffentliche Berichte der Bundesumweltministerin im Umweltausschuß, durch Berichte der Länderminister und auch durch die gestrige öffentliche Anhörung hat das Parlament viel zur Aufklärung der Vorkommnisse beigetragen. Manches hat sich gegenüber der ersten Aufgeregtheit geändert.
Beispielsweise sind die Rufe nach dem Rücktritt von Frau Umweltministerin Merkel leiser geworden. In den Sitzungen ist nämlich zu deutlich geworden, daß nicht nur die Energieversorgungsunternehmen, sondern auch Aufsichtsbehörden der Länder lange Zeit von den Grenzwertüberschreitungen wußten und das als vernachlässigbare Einzelfälle angesehen haben. Es ist dabei völlig unerheblich, ob das alle Länderumweltministerien wußten oder nur einige. Im Laufe der Zeit wird sich - davon gehe ich aus - noch das eine oder andere an Diskussionen ergeben; am Sachverhalt wird das nichts ändern.
Allgemeine wissenschaftliche Hinweise haben die Aufsichtsbehörden nicht zu intensiveren und gezielteren Kontrollen veranlaßt. Das heißt also: Jetzt sind Lernprozesse und Konsequenzen angesagt. Was sich für uns als Kette gleicher Vorkommnisse darstellt, verteilt sich auf die einzelnen Kernkraftwerke und mag dort als Einzelfall bewertet worden sein. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, daß die Grenzwertüberschreitungen offenbar als unerheblich eingestuft wurden. Jede Grenzwertüberschreitung muß aber alarmieren.
Frau Kollegin Schönberger, Sie haben vorhin gesagt, die Frau Ministerin habe gesagt, man hätte Sondergenehmigungen beantragen müssen, die sie positiv beschieden hätte. Das hat sie nicht gesagt.
Birgit Homburger
Es ging darum, daß Streit darüber bestand, ob es eine Meldepflicht für diese Vorkommnisse gab oder nicht. Die Ministerin hat im Ausschuß in diesem Zusammenhang gesagt: Wenn aus Sicht der EVUs schon keine Meldepflicht bestand, dann hätte man wenigstens, sofern man von den Grenzwertüberschreitungen gewußt hat, Sondergenehmigungen beantragen müssen. Ob sie die erteilt hätte oder nicht, das ist dann die Frage. Sie sagt, sie hätte sie nicht erteilt. Aber das ist einer der Punkte, wo es wirklich um Falschdarstellungen geht. Deshalb möchte ich es hier ausdrücklich auch noch einmal sagen.
Es muß also in den Kernkraftwerken noch mehr sensibilisiert werden, und es ist auch nötig, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die es erlauben zu erkennen, ob es sich um ein Einzelfallproblem oder um ein systematisches Problem handelt. Die Energieversorgungsuntemehmen müssen Vorkehrungen treffen, um die Dimension von Vorfällen besser zu erfassen und zu bewerten. Das gleiche gilt aber auch für die Aufsichtsbehörden.
Es müssen technische Maßnahmen ergriffen werden, um in Zukunft solche Grenzwertüberschreitungen zu vermeiden. Außerdem müssen Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsflusses zwischen den betroffenen Staaten getroffen werden. Ebenso muß sich die Organisation der Transportgesellschaften mit dem Ziel von mehr Transparenz und Kontrolle ändern.
Kurzum, der 10-Punkte-Katalog von Frau Merkel enthält diese Forderungen, und er ist durch unsere Aufklärungsarbeit bestätigt worden.
Wenn Sie vorher wieder behauptet haben, Frau Kollegin Schönberger - Sie haben den Begriff nicht benutzt, aber Sie haben es suggeriert -, daß wir ja nur die „Handlanger" der Energieversorgungskonzerne seien, dann kann ich Ihnen nur sagen:
Das ist ein unzutreffender Vorwurf. Es ist eine Frechheit, einen solchen Vorwurf überhaupt zu erheben. Wenn Sie dann als Beispiel und als Begründung dafür anfügen, daß der Vertreter von Preußenelektra gestern einfach gesagt hat, er möchte wieder Transportgenehmigungen haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Der Mann kann soviel fordern, wie er will, dazu hat er das Recht. Es ist nur die Frage, ob er die Genehmigung dafür bekommt. Das ist die Frage. Die wird er nicht bekommen, solange die Vorfälle nicht aufgeklärt sind. Das hat die Ministerin absolut deutlich und klargemacht. Deswegen ist das, was Sie hier zu unterstellen versuchen, eine absolute Frechheit.
Außerdem sollte dann geprüft werden, ob über den 10-Punkte-Katalog hinausgehende Maßnahmen im Atom- oder Verkehrsrecht nötig sind, um die Meldepflichten für Kernkraftwerksbetreiber und Transportunternehmen zu verbessern. Jetzt geht es darum, die Maßnahmen, die man erarbeitet hat, umzusetzen, und die Phase der Schuldzuweisungen zu beenden.
Deshalb sieht die F.D.P. im übrigen auch keinen Anlaß für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Viel Neues kann er nicht mehr zutage bringen. Das hat auch die Sitzung gestern wieder gezeigt. Über die Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses hat der Kollege Friedrich ja schon hinreichend aufgeklärt. Der Untersuchungsausschuß hätte nur einen Sinn: den Grünen ein Wahlkampfforum zu bieten. Sie greifen nämlich nach diesen Vorfällen, weil sie sich davon Stimmen erhoffen. Das geht nach dem Motto „Ängste schüren statt Aufklärung". Mit der Forderung nach Sofortausstieg aus der Kernenergie wollen sie ein Thema wiederbeleben, weil sie mit neuen Ideen wie 5 DM pro Liter Benzin, NATO-Auflösung und Bundeswehrschelte keinen Erfolg haben. Ein solch durchsichtiges Manöver macht die F.D.P. nicht mit.
Erfreulich ist dann wenigstens, daß wir zum Übereinkommen zur nuklearen Entsorgung einen großen Konsens gefunden haben. Weltweit gibt es zirka 480 Kernkraftwerksblöcke. Allein diese Zahl der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" begründet die Notwendigkeit internationaler Spielregeln über den sicheren Umgang mit den dort anfallenden abgebrannten Brennelementen. Dazu kommt dann noch die Menge radioaktiver Abfälle aus Industrie, Gesundheitswesen und Forschung aus aller Welt. Wir brauchen also internationale Regelungen, um ein einheitliches hohes Sicherheitsniveau zu erreichen.
Die F.D.P. begrüßt, daß die Bundesregierung hier aktiv verhandelt und das Übereinkommen geprägt hat. Wir brauchen in allen Ländern, in denen mit radioaktiven Stoffen umgegangen wird, ein verbindliches, strenges Sicherheitsregelwerk, und wir brauchen einen funktionierenden staatlichen Vollzug. Dazu wird dieses Übereinkommen beitragen. Deswegen stimmt die F.D.P. dem Vertragsgesetz zu.
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Michael Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Atommüllskandal war ohne Zweifel der größte Schlag gegen die Atomwirtschaft, und sie ist selbst dafür verantwortlich. Das haben wir wohl gemeinsam festgestellt.
Michael Müller
Die Atomindustrie hat jahrelang nach dem Motto „Verschweigen, vertuschen, verharmlosen" gehandelt. Es ist schon bezeichnend, daß die Öffentlichkeit erst hergestellt wurde, als am 23. April die ARD in Frankreich um ein Interview über die Verstrahlungen nachgefragt hat, so daß die Sache öffentlich gemacht wurde. Dies ist bezeichnend für einen Komplex, der sich wie ein Geheimhaltungszirkel verhalten hat. Das ist bei dieser Risikotechnologie nicht zu akzeptieren.
Das ist von niemandem in diesem Hause zu akzeptieren, auch wenn Sie noch so krampfhaft immer wieder versuchen, kleinliche Seiten aufzuziehen, Herr Grill. Das wird Ihnen nichts nützen. Dieser Vorwurf ist eindeutig.
Wir sollten gemeinsam die Hauptverantwortung festmachen. Sie werden mit Ihrer Strategie scheitern. Sie sind sowieso immer nur dann stark, wenn Sie nicht in der direkten Konfrontation mit den von Ihnen Beschuldigten stehen. Auch das ist leider eine Erfahrung mit Ihnen.
Richtig ist: Wir haben nach wie vor große Zweifel,
daß das Bundesumweltministerum und die Bundesbehörden nichts gewußt haben. Auf jeden Fall steht für uns fest, daß der Bundesregierung die kritische Distanz zur Atomwirtschaft gefehlt hat.
- Machen Sie ruhig so weiter, es wird Ihnen nichts nützen. Die Hauptverantwortung für die Atompolitik haben Sie; denn Sie wollen sie, während wir aussteigen wollen. Diesen entscheidenden Unterschied können Sie nicht wegdiskutieren.
Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Friedrich?
Von Herrn Friedrich ja. Bei anderen hätte ich nein gesagt.
Herr Kollege Müller, eigentlich will ich mit dem, was ich jetzt sage, gar nichts kritisieren. Aber wenn Sie so arbeiten wie soeben, dann muß ich Sie fragen: Ist es ein Ausdruck kritischer Distanz, daß Ihr Kanzlerkandidat, obwohl er angeblich den Ausstieg aus der Kernenergie wünscht - ich glaube es gar nicht -, im Aufsichtsrat eines Energieversorgungsunternehmens sitzt, das Kernkraftwerke betreibt?
Herr Friedrich, ich möchte Ihnen in allem Ernst einen Satz von Herrn Kanther zitieren, gefallen in der Debatte über die Auseinandersetzung über die Atomtransporte. Da hat er den Demonstranten pauschal vorgeworfen, die Auseinandersetzungen seien das Ergebnis der „Gehässigkeit der langjährigen Anti-Kernkraft-Polemik".
Meine Damen und Herren, wer so etwas allen Demonstranten vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens, wie die Atomenergie die Öffentlichkeit sozusagen verarscht hat, pauschal vorwirft und nicht einmal relativiert, der hat auch nicht das Recht, hier solche Kritik zu üben.
Sie haben hier in der Vergangenheit aus meiner Sicht leider polarisiert, so daß das rationale Klima in der Debatte über die Energiepolitik verlorengegangen ist. Ich bedauere das sehr.
Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, in der Energiepolitik zu Rationalität und Vernunft zu kommen, weil es ein sehr schwieriges, kompliziertes und risikoreiches Thema ist.
Ich will hier noch einmal klarmachen: Nicht die SPD ist für die verstrahlten Transporte verantwortlich, sondern es sind immer noch die EVUs.
Verwechseln Sie hier also nicht Ursache und Wirkung. Das scheint bei Ihnen wirklich ziemlich durcheinanderzugehen.
Wir wollen das doch bitte noch einmal klarmachen: Vertuscht haben die Transportgesellschaften, vertuscht haben die EVUs, und zwar nicht für eine kurze Zeit und in wenigen Fällen, sondern systematisch seit Anfang der 80er Jahre. Das und nichts anderes ist der Tatbestand.
- Ihnen, Frau Homburger, antworte ich diesmal nicht. Es tut mir leid. Solange diese Form der Auseinandersetzung läuft, sehe ich darin keinen Sinn.
Michael Miller
Ich bleibe bei meiner Aussage, daß es auch fragwürdig war, - -
Bitte, Herr Kollege Müller, fahren Sie fort. Ich habe die Uhr angehalten.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich sehe das sozusagen auch nur als Ausdruck des Sprichworts: Getroffener Hund bellt. Was soll es?
Ich bleibe dabei: Die Unterscheidung zwischen theoretischem Wissen und konkretem Wissen ist für uns fragwürdig. Offenkundig hat man Hinweise, die einem nicht paßten, nicht besonders intensiv verfolgt. Auch das ist wahr.
Es ist in der Zwischenzeit bekanntgeworden, daß diese Hinweise seit Anfang der 80er Jahre vorhanden waren. Das müssen Sie selbst zugeben.
Trotz all dieser Fakten sage ich: Die Hauptkritik, die wir zu üben haben, ist die Kritik an den EVUs und an den Transportunternehmen.
Ich finde es richtig - damit nehme ich auch Ihren Beitrag auf, den Sie in der Anhörung geleistet haben
-, daß wir die Äußerung von Herrn Majewski gemeinsam zurückweisen. Er war der Meinung, es habe keinen Verstoß gegeben. Ich hoffe, daß wir alle gemeinsam daraus die notwendige Konsequenz ziehen.
Was Sie hier gesagt haben, wird von uns ernst genommen. Sie haben gesagt - ich wiederhole das -: Es muß alles geklärt werden. Es muß alles abgestellt werden. Und: Der Transport muß neu organisiert werden. Wir nehmen Sie da beim Wort, obwohl wir weitergehende Forderungen haben.
- Ich sage es ja: Das haben wir bei der Anhörung sowohl von den Vertretern aller Fraktionen als auch von Vertretern des Ministeriums gehört. Wir nehmen Sie da beim Wort.
- Wir haben leider schon anderes erlebt.
Es ist natürlich klar, daß hinter dem Streit eine Grundsatzauseinandersetzung steht, die weitergeht. Es geht im Kern um die Frage, ob die Atomenergie in Deutschland eine Zukunft hat oder nicht.
Wir alle dürfen uns nichts vormachen: Nach diesen Zwischenfällen steht sie an der Grenze ihrer Existenz. Sie kann ein wesentliches Element des Atomgesetzes nicht mehr nachweisen, nämlich die gesicherte Entsorgung. So ist es derzeit. An dem Punkt kommen wir nicht vorbei.
Lassen Sie mich noch einige Sätze zu dem Vorschlag der Grünen sagen. Nach dem, was wir heute wissen, nach den systematischen Vertuschungsversuchen, nach der fragwürdigen Konstruktion der Transportgesellschaften, bei denen die Ausführung und Kontrolle in merkwürdiger Weise getrennt sind und bei denen die eine Firma - angeblich zumindest
- die andere nicht informiert hat,
sagen wir: Wir wissen so viel, daß für uns die Frage der Klärung bis ins letzte jetzt nicht der entscheidende Punkt ist. Wir müssen diese Frage politisch klären. Und politisch heißt: neue Mehrheiten, um aus der Atomenergie auszusteigen. Alles andere ist keine politische Antwort auf das, was wir heute wissen. Machen wir uns nichts vor!
- Entschuldigen Sie, was reden Sie denn? Ich bin seit 1970 für den Ausstieg aus der Atomenergie. Soll ich das hier verschweigen? Ich habe eine kontinuierliche Linie. Bei Ihnen habe ich eine solche noch nicht gesehen.
Ich fühle mich in meiner kritischen Grundhaltung eher bestätigt.
Die Atomenergie ist aus den verschiedensten Gründen nicht zu verantworten. Sie ist nicht zukunftsfähig. Deshalb ist eine politische Auseinandersetzung erforderlich. Wir wollen den Ausstieg, und zwar so schnell wie möglich.
Zu einer Kurzintervention gebe ich der Abgeordneten Homburger das Wort.
: Hast du gesehen,
bei der F.D.P. strahlen schon welche? -
Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Wir strahlen immer!
Das macht uns so unwiderstehlich!)
Herr Kollege Müller, ich möchte auf das, was Sie gesagt haben, noch einmal eingehen, zumal Sie mir nicht gestattet haben, eine Zwischenfrage zu stellen. Sie haben sich hier wider-
Birgit Homburger
sprüchlich geäußert. Sie haben zunächst einmal gefordert, daß alles aufgeklärt wird, daß die aufgetretenen Fehler abgestellt werden. Das sei absolut erforderlich, um überhaupt wieder irgendwelche Transporte zuzulassen.
Anschließend haben Sie aber gesagt, daß Sie die Aufklärung im Detail eigentlich überhaupt nicht mehr interessiert.
- Doch, das haben Sie gerade zum Schluß gesagt. Sie haben gesagt, die Aufklärung im Detail interessiere Sie jetzt nicht mehr; vielmehr wollten Sie das Ganze jetzt politisch klären.
Lesen Sie es im Protokoll nach! -
Das ist eine Art und Weise, die man, denke ich, an dieser Stelle nicht tolerieren kann. Die Vorwürfe, die da erhoben worden sind, bedürfen einer sauberen Aufklärung.
Wir haben gestern gehört, daß beispielsweise bei der technischen Aufklärung die Gesellschaft für Reaktorsicherheit noch nicht soweit ist, daß uns der Abschlußbericht aber vorgelegt wird. Ich halte es für dringend erforderlich, daß das gemacht wird.
Zweitens. Daß Sie hier gesagt haben, auf Grund der Art und Weise, in der ich geredet hätte, würden Sie keine Zwischenfragen zulassen, ist entlarvend; denn im Gegensatz zu Ihnen und anderen habe ich hier keine großartigen Schuldzuweisungen gegenüber einzelnen Ministern gemacht, sondern sehr deutlich gesagt, daß das alle treffen kann, daß es so nicht geht, und zwar egal, wen es trifft, und daß diese Aufklärung absolut notwendig ist.
Es kann nicht sein, daß das hier so stehenbleibt.
Das dritte, Herr Kollege Müller: Wenn Sie hier im Eifer des Gefechts sagen, nicht die SPD, sondern die EVUs und die Transportunternehmen seien für Grenzwertüberschreitungen verantwortlich, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Jawohl, Sie haben recht. Dies gilt dann aber auch für die andere Seite des Hauses. Wenn man das endlich einmal zur Geschäftsgrundlage machen könnte, dann wäre die Sache sehr viel einfacher zu regeln.
Herr Kollege Müller, Sie können darauf antworten.
Ich möchte folgendes klarstellen: Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß alle Fakten aufgeklärt werden müssen.
Eine Sekunde, Herr Müller. - Wenn die Unruhe so groß wird, daß Sie kein Gehör bekommen, dann verlängere ich die Redezeit. Das gilt für die anderen auch.
Bitte schön, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Um es klarzumachen: Es geht hier um Radioaktivität. Deshalb muß alles aufgeklärt werden, und zwar ganz egal, auf welcher Ebene. Das ist überhaupt keine Frage.
Was wir jedoch nicht mitmachen, ist ein wahltaktisches Geschäft, bei dem es nicht um Aufklärung, sondern um parteipolitische Schuldzuweisungen geht. Das machen wir nicht mit.
- Manchmal wäre es vielleicht hilfreich, Sie würden erstens das beachten, was der Präsident sagt, und zweitens auch Ihre eigenen Reden mal hören.
Was ich für wichtiger halte, ist folgendes: Die politische Schlußfolgerung aus dem, was wir heute wissen, ist klar, und zwar unbeschadet dessen, was wir an weiteren Informationen bekommen. Wir haben es mit einer Scheidelinie zu tun, die den Umgang mit der Atomenergie betrifft. Das ist der entscheidende Punkt, auch für die politische Antwort auf das Problem. Dabei bleibe ich.
Unabhängig davon gilt natürlich, daß wir alles aufklären wollen. Wir machen uns aber nicht zum plumpen Geschäft von Wahlkampfauseinandersetzungen.
: Na ja, Sie haben einigermaßen die
Damit gebe ich das Wort dem Abgeordneten Kurt-Dieter Grill.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller, in Anbetracht dessen, was Sie in Ihrem Antrag, in dem kein Wort dazu steht, daß es in den Ländern irgend etwas zu regeln gebe, in dem vielmehr allein auf die Bundesregierung verwiesen wird, geschrieben haben und in Anbetracht dessen, was der Kollege
Kurt-Dieter Grill
Behrendt und Sie selbst hier vorgetragen haben, möchte ich zunächst einmal kritisieren, daß Sie sich hier hinstellen und sagen, es gehe Ihnen um Sachverhalte, um Rationalität und nicht um Wahlkampf und parteipolitische Vorstellungen. Für wie dumm halten Sie eigentlich diese Regierung, wenn Sie glauben, mit einem solchen Argument diesen Saal überzeugen zu können? Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß Sie das, was Sie draußen verkünden und was Sie an Hetze und Diffamierung gegenüber dieser Bundesregierung äußern, für rational halten. Das können Sie Leuten draußen erzählen, die keine Ahnung von der Sache haben.
Wenn ich an das denke, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben und heute wiederum zum Ausstieg gesagt haben, dann muß ich auf das zurückgreifen, was Oskar Lafontaine in der „Berliner Zeitung" gesagt hat.
Ich bitte Sie, uns von hier aus darzulegen, daß es kein Klimaproblem mehr gibt. Oskar Lafontaine verkündet in der „Berliner Zeitung" , die CO2-Frage und die Klimafrage seien eine Erfindung der Atomlobby.
Meine Damen und Herren von der SPD, was glauben Sie eigentlich, den Menschen draußen im Lande noch erzählen zu können, ohne dafür am 27. September abgestraft zu werden?
Es ist doch unglaublich, daß der SPD-Vorsitzende die Klimafrage, Rio und das alles zu einer Erfindung der Atomlobby erklärt. Kommen Sie hierher und erklären Sie uns, wie Sie es schaffen wollen, diese beiden Enden zusammenzufügen!
Herr Kollege Grill, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Schönberger?
Nein, ich möchte meine Rede an einem Stück vortragen.
Das zweite, was ich ansprechen möchte, ist folgendes. Wenn Sie sagen, der Ausstieg sei innerhalb von zehn Jahren möglich, dann verweise ich darauf, daß Ihr Kanzlerkandidat, Gerhard Schröder, vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat, es müßten noch mindestens 25 Jahre mit der Kernenergie verbracht werden.
Was die Rationalität angeht, kann ich nur sagen: 1993 ist der Energiekonsens am Parteipräsidium der SPD gescheitert. Was wir Ihnen vorwerfen, ist die Doppelmoral, mit der Sie in dieser Sache vorgehen.
Frau Merkel haben Sie heute wieder in die Nähe der Kernkraftwerkbetreiber, der EVUs, gerückt -
und das, obwohl Minister Ihrer Partei in den Aufsichtsräten sitzen. Frau Merkel hat sich dieser Vorwürfe überhaupt nicht zu stellen, weil sie solche Ämter nicht innehat. Frau Griefahn hat acht Jahre lang in Niedersachsen Atomaufsicht und Aufsichtsratsmandat bei der Preussenelektra miteinander verquickt. Der Abteilungsleiter hat gestern gesagt: Es gab im niedersächsischen Umweltministerium keine strikte schriftliche Anweisung, wo die Atomaufsicht von Frau Griefahn endet und wo die Verantwortung des Aufsichtsratsmitgliedes anfängt.
Sie sollten vor der eigenen Haustüre kehren. Wir werden mit Spannung erwarten, welche Anträge Herr Schröder als Aufsichtsratsmitglied am 2. Juli stellt. Wahrscheinlich sorgt er dafür, daß die Preussenelektra die Verfassungsklage gegen das Stromeinspeisungsgesetz zurücknimmt. Er wird dafür sorgen, daß uns Herr Harig in Zukunft nur noch Briefe schreibt, in denen steht: Wir werden nur noch dann transportieren, wenn Herr Möller und Herr Jüttner das genehmigt haben.
Wie ist es denn eigentlich mit Ihrer Moral und den Ansprüchen, die Sie an die Adresse dieser Regierung erheben, bestellt? Bei Ihnen reicht aus - das gilt auch für die Grünen, Frau Schönberger - was Herr Vogt gestern gemacht hat. Die Tatsache, daß der schleswig-holsteinische Umweltminister zweimal über Kontaminationen informiert war, die Sie uns jetzt hier vorwerfen, hat Herr Vogt mit der Bemerkung abgetan, Herr Möller habe Selbstkritik geübt und damit sei das Thema erledigt.
Hören Sie einmal! Das haben selbst die EVUs gemacht. Sie haben Selbstkritik geübt. Damit soll das Thema erledigt sein? Was glauben Sie eigentlich, was Sie der deutschen Öffentlichkeit an doppelter Moral und an doppeltem Spiel zumuten können, wenn Sie einerseits dort, wo Sie die Verantwortung tragen, sagen, Selbstkritik löse das Problem, und wenn Sie andererseits hier erwarten, daß wir Ihrer Politik der Diffamierung und der Verleumdung, die Frau Schönberger seit Wochen betreibt, auf den Leim gehen?
Das Schöne an dem, Frau Schönberger, was Sie hier vortragen, ist, daß es sich durch Fakten gar nicht belegen läßt. Sehen Sie, Herr Vogt hat allen Ernstes in der Anhörung vortragen müssen, daß Schleswig-Holstein erst einmal den TÜV hat fragen müssen, was er alles kontrolliert. Das heißt, das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat nicht gewußt, wel-
Kurt-Dieter Grill
che Aufsicht der TÜV in den Kernkraftwerken Schleswig-Holsteins macht.
Mit welcher Berechtigung kommen Sie an dieses Pult und sagen: „Diese Atomaufsicht hat nicht funktioniert?"
- Nein, ich rege mich deswegen auf, weil Sie, Herr Schmidt, und Ihre Mannschaft an diesem Pult so tun, als gäbe es eine unerträgliche Verquickung dieser Bundesregierung und dieser Bundesumweltministerin mit der Atomwirtschaft, während Ihre Leute in den Aufsichtsräten sitzen und die dicken Gelder kassieren, um in Ihrer Sprache zu bleiben. Das ist der Punkt.
- Wenn das Verleumdung ist, Frau Mehl, dann kommen Sie hier an dieses Pult, und entschuldigen Sie sich für alle Vorwürfe, die Sie gegen Frau Merkel erhoben haben.
- Wollen Sie leugnen, daß Herr Schröder Mitglied des Aufsichtsrates ist?
- Nein, das ist kein Manöver.
Ich schließe damit, daß ich Sie, Herr Behrend, auf folgendes hinweise: Wenn ich Ihren Antrag lese, dann kann ich nur sagen: Ich sehe kein Konzept der SPD für die Probleme, die auch von Ihnen geschaffen worden sind. Wenn Sie unseren Antrag lesen, dann können Sie erfahren, in welcher Zeit und wie wir das Problem der Transporte, der Glaubwürdigkeit, der Überwachung, der neuen Meldepflichten und viele andere Dinge mehr lösen wollen.
Sie haben uns heute jedenfalls kein Konzept angeboten. Vielmehr hat Herr Müller gesagt: Es geht nicht um Fakten, sondern es geht um Parteipolitik für den 27. September.
Wir nehmen diese Herausforderung an, weil wir in der Lage sind, Ihnen zu beweisen, daß es besser ist, Ihre eigene Verantwortung dort wahrzunehmen, wo Sie sie haben, nämlich in den Ländern, und erst dann vor der Tür des Bundes zu kehren. Lassen Sie die Diffamierung von Frau Merkel! Schauen Sie in Ihre eigenen Häuser und in Ihre eigenen Parteien. Dann haben Sie genug mit sich selber zu tun.
Herzlichen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur
zweiten Beratung
und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über nukleare Entsorgung, Drucksache 13/10715. Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 13/ 11027, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einsetzung eines „Castor-Untersuchungsausschusses", Drucksache 13/11010. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD gegen die Stimmen des Hauses im übrigen abgelehnt worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der PDS zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Drucksache 13/10934. Wer diesem Antrag der Gruppe der PDS zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu den verstrahlten Atommülltransporten, Drucksache 13/11078. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Gruppe der PDS abgelehnt worden ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. „Transporte abgebrannter Brennelemente - Vertrauensschaden beheben" , Drucksache 13/11132. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 15 a bis 15d auf:
a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
- Drucksache 13/10800 -Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt Hans-Peter Kemper
Manfred Such Dr. Max Stadler Dr. Gregor Gysi
b) Beratung der zweiten Beschlußempfehlung und des zusätzlichen abweichenden Berichts zum Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
- Drucksache 13/10852 - Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt Hans-Peter Kemper
Manfred Such Dr. Max Stadler Dr. Gregor Gysi
c) Beratung der dritten Beschlußempfehlung und des weiteren abweichenden Berichts des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes
- Drucksache 13/10909 - Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Schmidt Hans-Peter Kemper
Manfred Such
Dr. Max Stadtler
Dr. Gregor Gysi
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Michaele Hustedt, Ursula Schönberger, Simone Probst, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Plutoniumtransporte in Flugzeugen - Drucksachen 13/3670, 13/7468 -Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt-Dieter Grill Wolfgang Behrendt
Michaele Hustedt
Dr. Rainer Ortleb
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß alle Reden zu Protokoll gegeben werden sollen, und zwar die von Dr. Gerhard Friedrich, Andreas Schmidt, Hermann Bachmaier, Erika Simm, Manfred
Such, Dr. Max Stadler und Dr. Gregor Gysi.*) - Ich stelle dazu Einverständnis fest.
Dann kommen wir zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über die Beschlußempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 13/10800. Wer der Beschlußempfehlung des Untersuchungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung einmütig angenommen worden ist.
Dann kommen wir zur zweiten Beschlußempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 13/10852. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist einmütig angenommen worden.
Dann kommen wir zur dritten Beschlußempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 13/10909. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch diese Beschlußempfehlung ist einmütig angenommen worden.
Dann kommen wir zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Keine Plutoniumtransporte in Flugzeugen", Drucksache 13/7468. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/3670 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen des Hauses im übrigen angenommen worden ist.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Ruth Fuchs, Heidemarie Lüth und der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenpflegegesetzes
- Drucksache 13/7093 -
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
- Drucksache 13/11173 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Ruth Fuchs
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Auch hier sind alle Reden zu Protokoll gegeben worden, und zwar die Reden der Abgeordneten Sigrun Löwisch, Antje-Marie Steen, Marieluise Beck , Dr. Dieter Thomae, Heidemarie Lüth und der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl.* *) - Ich sehe keinen Widerspruch, daß die Reden zu Protokoll gegeben werden.
*) Anlage 5 **) Anlage 6
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS zur Änderung des Krankenpflegegesetzes auf Drucksache 13/7093. Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 13/11173, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der PDS auf Drucksache 13/ 7093 abstimmen und bitte diejenigen, die diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen der Gruppe der PDS abgelehnt worden ist. Damit entfällt die weitere Beratung.
Wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 25. Juni 1998, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.